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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 05:30:44 -0700
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+The Project Gutenberg EBook of Der Traum ein Leben, by Franz Grillparzer
+#3 in our series by Franz Grillparzer
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+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Der Traum ein Leben
+
+Author: Franz Grillparzer
+
+Release Date: April, 2005 [EBook #7996]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on June 10, 2003]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
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+Character set encoding: iso-8859-1
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER TRAUM EIN LEBEN ***
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+Delphine Lettau and Mike Pullen
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+This Etext is in German.
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+This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
+That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
+zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
+
+
+
+
+Der Traum ein Leben
+
+Franz Grillparzer
+
+Dramatisches Märchen in vier Aufzügen
+
+
+Personen:
+
+Massud, ein reicher Landmann
+Mirza, seine Tochter
+Rustan, sein Neffe
+Zanga, Negersklave
+Der König von Samarkand
+Gülnare, seine Tochter
+Der alte Kaleb
+
+(stumm)
+
+Karkhan
+Der Mann vom Felsen
+Ein altes Weib
+Ein Königlicher Kämmerer
+Ein Hauptmann
+Erster und Zweiter Anführer
+Eine Dienerin Gülnarens
+Gefolge und Kämmerlinge des Königs
+Frauen und Dienerinnen Gülnarens
+Zwei Verwandte Karkhans
+Zwei Knaben. Diener. Krieger. Volk (beiderlei Geschlechts)
+
+
+
+
+
+Erster Aufzug
+
+(Ländliche Gegend mit Felsen und Bäumen. Links im Vorgrunde eine
+Hütte. Neben der Tür eine Bank. Sommerabend.
+Hörnertöne erschallen aus der Ferne.)
+
+Mirza (kommt aus der Hütte).
+Horch! War das nicht Hörnerschall?
+Ja, er ist's! Er kommt! Er naht! Doch so spät erst!--Warte,
+Wilder,
+Du sollst mir's fürwahr entgelten!
+Unerbittlich will ich sein,
+Schmollen will ich, zürnen, schelten,
+Und nur spät--erst spät verzeihn. Ja, verzeihn! Das ist es eben,
+Darin liegt das Maß des Unglücks.
+Oh, man sollte grollen können,
+Grollen, so wie andre fehlen,
+Lang und unabänderlich,
+Daß Verzeihung Preis der Beßrung
+Und nicht Lohn des Fehlers schiene.
+Denn es ist fürwahr nicht billig,
+Daß die Strafe der Beleid'gung
+Nicht einmal so lange währe,
+Ach, als der Beleid'gung Schmerz.
+Könnt' ich trotzig sein, wie er,
+Oh, ich weiß, er wäre milder. Doch wo bleibt er? Dort herüber
+Schien des Hornes Ton zu kommen.
+
+(Zurücktretend und nach allen Seiten blickend.)
+
+Dort vom Hügel steigt ein Mann
+Mit des Weidwerks Raub beladen.
+Ob er's ist?--Die Sonne blendet.
+Scheidend an der Berge Saum,
+Schüttet sie, in Glut versunken
+Ihres Brandes letzte Funken
+Durch die abendliche Flur
+Auf des späten Wandrers Spur. Jetzo wendet er das Antlitz!
+Rustan!?--Armes, oft getäuschtes Herz!
+Wohl ein Jäger schreitet her,
+Rasch beflügelnd seine Schritte,
+In der lauten Doggen Mitte,
+Wohl ein Jäger, doch nicht er. Trage, wunder Busen, trage,
+Bist des Tragens ja gewohnt!
+
+(Setzt sich.)
+
+(Abend) ist's, die Schöpfung (feiert),
+Und die Vögel aus den Zweigen,
+Wie beschwingte Silberglöckchen,
+Läuten aus den Feier(abend),
+Schon bereit, ihr süß Gebot,
+Ruhend, selber zu erfüllen.
+Alles folgt dem leisen Rufe,
+Alle Augen fallen zu;
+Zu den Hürden zieht die Herde,
+Und die Blume senkt in Ruh'
+Schlummerschwer das Haupt zur Erde. Ferneher vom düstern Osten
+Steigt empor die stille Nacht;
+Ausgelöscht des Tages Kerzen,
+Breitet sie den dunkeln Vorhang
+Um die Häupter ihrer Lieben
+Und summt säuselnd sie in Schlaf. Alles ruht, nur er allein
+Streift noch durch den stillen Hain,
+Um in Berges dunkeln Schlünden,
+Was er hier vermißt zu finden.
+Und mich martert hier die Sorge,
+Und mich tötet hier die Angst. Jener Jäger, Kaleb ist's,
+Sieh, sein Weib eilt ihm entgegen
+Mit dem Kleinen an der Brust.
+Wie er eilt sie zu erreichen!
+Und der Knabe streckt die Hände
+Jauchzend nach dem Vater aus. Ihr seid glücklich!--Ja, ihr seid's!
+
+(Sie versinkt in Nachdenken.)
+(Massud kommt aus der Hütte.)
+
+Massud.
+Mirza!
+
+Mirza.
+Rustan!
+
+Massud.
+Ich bin's, Mirza!
+Mädchen, lässest du den Vater
+In der Dämmrung so allein?
+
+Mirza.
+Ach, verzeiht, ich wollte sehen--
+
+Massud.
+Ob er komme?
+
+Mirza.
+Ach, ja wohl.
+
+Massud.
+Nun, und--?
+
+Mirza.
+Keine Spur.
+
+Massud.
+'s ist spät.
+
+Mirza.
+Nacht beinahe. Alle Jäger
+Ringsum aus der ganzen Gegend
+Sind zurück schon von den Bergen.
+Glaubt mir, denn ich kenne alle,
+Die in jenen Bergen jagen,
+Muß ich sie nicht täglich zählen,
+Wenn den letzten ich erwarte?
+Alle Jäger sind zurück,
+Er allein streift noch im Dunkeln.
+
+Massud.
+Ja, fürwahr, ein wilder Geist
+Wohnt in seinem düstern Busen,
+Herrscht in seinem ganzen Tun
+Und läßt nimmerdar ihn ruhn.
+Nur von Kämpfen und von Schlachten,
+Nur von Kronen und Triumphen,
+Von des Kriegs, der Herrschaft Zeichen
+Hört man sein Gespräch ertönen;
+Ja, des Nachts, entschlummert kaum,
+Spricht von Kämpfen selbst sein Traum.
+Während wir des Feldes Mühn
+Und des Hauses Sorge teilen,
+Sieht man ihn bei Morgens Glühn
+Schon nach jenen Bergen eilen.
+Dort, nur dort im düstern Wald
+Ist des Rauhen Aufenthalt,
+Du bist, alles ist vergessen,
+Und es scheint ihm hohe Lust,
+Mal die Wildheit seiner Brust
+An des Waldes Wild zu messen.
+Das ist ein unselig Treiben!
+Ich beklage dich, mein Kind.
+
+Mirza.
+Scheltet drum ihn nicht, mein Vater!
+War er doch nicht immer so.
+Oh, ich weiß wohl eine Zeit,
+Wo er sanft war, fromm und mild,
+Wo er stundenlange saß
+Auf dem Grund zu meinen Füßen,
+Bald des Hauses Arbeit teilend,
+Bald ein Märchen mir erzählend,
+Bald--o glaubt mir, lieber Vater,
+Er war damals sanft und gut.
+Hat er seither sich verändert,
+Ei, er kann sich wieder ändern
+Und er wird's, gewiß, er wird's.
+
+Massud.
+Wähnst du mich zu überzeugen,
+Und kannst es dich selber nicht?
+
+Mirza.
+Glaubt, mein Vater, dieser Sklave,
+Zanga, er trägt alle Schuld.
+Seit er trat in unsre Hütte,
+Seit erklang sein Schmeichelwort,
+Floh die Ruh' aus unsrer Mitte
+Und aus Rustans Busen fort.
+Rustan, wahr ist's, schon als Knabe
+Horcht' er gerne großen Taten,
+Übt' er gerne Ungewohntes,
+Wollt' er gerne was er kann,
+Wär' das schlimm? Er ist ein Mann.
+Stets doch hielt er die Gedanken
+In des Hauses frommen Schranken
+Und gebot dem raschen Mut.
+Zanga kam. Sein Hauch, verstohlen,
+Blies die Asche von den Kohlen
+Und entflammte hoch die Glut. Oh, ich habe sie belauscht!
+Oft, wenn Rustan mir versprochen,
+Nicht zu gehen nach den Bergen,
+Und er still und ruhig saß;
+Da trat Zanga vor ihn hin,
+Und von Schlachten hört' ich's tönen,
+Und von Kämpfen und von Siegen.
+Hoch empor und immer höher
+Stieg die Glut in Rustans Wangen,
+Jede seiner Fibern zuckte,
+Und die Hände ballten sich;
+Aus den tiefgezognen Brauen,
+Schossen Blitze wilden Feuers,
+Und zuletzt--
+da sprang er auf,
+Langte von der Wand den Bogen,
+Warf den Köcher um den Nacken,
+Und hinaus--hinaus zum Walde!
+
+Massud.
+Armes Kind! und achtet nicht,
+Hart und sorglos, der Verkehrte!
+Deines Kummers, deiner Angst.
+
+Mirza.
+Angst? Warum denn Angst, mein Vater?
+Oh, ich weiß, der starke Rustan
+Kennt nicht Furcht und nicht Gefahr.
+Dann ist Zanga ja mit ihm.
+
+Massud.
+(Doch) nur zwei.
+
+Mirza.
+Er zählt für viele.
+
+Massud.
+In der Nacht--
+
+Mirza.
+Er kennt den Pfad.
+
+Massud.
+Wie so leicht ein wildes Tier--
+
+Mirza.
+Oh, es (flieht) das Wild den Jäger!
+
+Massud.
+Oder gar--
+
+Mirza.
+Was, Vater, was?
+Sprecht es aus und tötet mich!
+
+Massud.
+Armes Kind, das ist dein Los,
+Wenn dich, wie ich sonst wohl dachte,
+Einst an ihn ein festres Band--
+
+Mirza.
+Vater, es wird kühl, wir wollen
+In die Hütte doch zurück.
+Eh' wir's denken, kommt auch er.
+
+Massud.
+Nun, so sei's denn, wie es ist!
+Die dort oben mögen walten.
+Was ihn heut zurückehält,
+Denk ich wohl beinah zu wissen.
+
+Mirza.
+Wie? Ihr wißt? O sprecht!
+
+Massud.
+Dein Derwisch,
+Der besorgte fromme Mann,
+Der dort haust in jenem Walde,
+Sandte kaum nur schnelle Botschaft,
+Mir zu melden, daß man sage,
+Rustan habe Streit erhoben
+Auf der Jagd mit einem Weidmann.
+
+Mirza.
+Streit? Mit wem?
+
+Massud.
+Mit Osmin, heißt es,
+Unsers Emirs ältstem Sohn,
+Der am Hof zu Samarkand
+In des Königs Kammer dienet,
+Und, mit Urlaub bei dem Vater,
+Sich den Jägern beigesellt.
+Rustan schlug nach ihm und--
+
+Mirza.
+Mehr noch?
+
+Massud.
+Und sie griffen zu den Waffen.
+
+Mirza.
+Waffen?
+
+Massud.
+Doch man schied sie schnell,
+Und der Streit ward ausgetragen.
+
+Mirza.
+Doch vielleicht--
+
+Massud.
+Sei ruhig, Kind!
+Osmin ist schon heimgekehrt
+Und nichts weiter zu besorgen.
+Aber Rustan ahnet wohl,
+Daß mir Kunde seiner Raschheit,
+Und er scheut, mir zu begegnen.
+Kaum wird's vollends Nacht, so schleicht er,
+Seines Oheims Blick vermeidend,
+Leise wohl in sein Gemach.
+Darum, Mirza, laß uns gehn;
+Unsre Gegenwart, bedünkt mich,
+Hielt ihn wohl so lange fern.
+
+Mirza.
+Und Ihr zürnt ihm?
+
+Massud.
+Sollt' ich nicht?
+Siehst du mich schon flehend an?
+Oh, ich weiß wohl, jedes Wort,
+Tadelnd, rauh zu ihm gesprochen,
+Wie ein Pfeil aus schwachen Händen,
+Prallt von seinem starren Busen
+Und dringt in dein weiches Herz.
+Komm nur, komm! Ich will nicht schelten.
+
+(Beide in die Hütte ab.)
+(Pause. Dann schleicht Zanga, nach allen Seiten umherspähend,
+herein.)
+
+Zanga.
+Kommt nur, Herr! die Luft ist rein!
+
+(Rustan tritt auf mit Bogen und Köcher.)
+
+Zanga.
+Munter, Herr! was soll das heißen?
+Warum düster und beklommen?
+Was ist Arges denn geschehn?
+Daß Ihr einem platten Jungen,
+Der recht unverständig prahlte,
+Euch zu höhnen sich erfrechte,
+Etwas unsanft mitgespielt,
+Das ist alles. Und was weiter?
+Euer Oheim wird wohl schelten;
+Sei es drum! Gönnt ihm die Lust.
+
+Rustan.
+Glaubst du, daß ich seine Worte,
+Seines Tadels Ausbruch scheue?
+Nimmer brauch ich zu erröten,
+Was ich tat, kann ich vertreten;
+Könnt' ich's nicht, ich wär' nicht hier.
+Nicht der Schmerz, den mir sein Zürnen,
+Der, den es ihm selber kostet,
+Macht mich seinen Anblick fliehn.
+Könnt' er all doch seine Sorge,
+Seine Angst um mich, mit einem,
+Einem Feuergusse strömen
+Auf dies unverwahrte Herz,
+Und dann kalt und ruhig bleiben
+Bei des Wilden Tun und Treiben,
+Hier! er kühle seinen Schmerz.
+Aber, daß ich sehen muß,
+Wie der Nahverwandten Wünsche,
+Gleich entzügelt wilden Pferden,
+Nord- und südenwärts gespannt,
+An dem Leichnam unsers Friedens,
+Raschgespornt, zerfleischend reißen;
+Daß ich sehe, wie wir beide,
+Bürgern gleich aus fremden Zonen,
+Bang uns gegenüberstehn,
+Sprechen und uns nicht begreifen,
+Einer mit dem andern zürnend,
+Ob gleich Lieb' in beider Herzen,
+Weil, was Brot in einer Sprache,
+Gift heißt in des andern Zunge,
+Und der Gruß der frommen Lippe
+Fluch scheint in dem fremden Ohr:
+Das ruft diesen Schmerz empor.
+
+Zanga.
+Nun, so lernt denn seine Sprache,
+Er wird Eure nimmer lernen!
+Und wer weiß? An Lektionen
+Läßt's der alte Herr nicht fehlen.
+Bleibt im Land und nährt Euch redlich!
+Auch die Ruhe hat ihr Schönes.
+
+Rustan.
+Spotte nicht! Denk an Osmin!
+Gleicher Lohn harrt gleicher Frechheit.
+Ha, bei Gott! Es soll kein Prahler
+Trotzig vor mich hin sich stellen
+Und mich mit den Augen messen,
+Den verschämten, keuschen Degen
+Wiegend auf den glatten Schenkeln.
+Er soll's nicht, wenn nicht sein Kopf
+Härter ist als Osmins Schädel,
+Tücht'ger ist als diese Faust.
+Bin ich nichts, ich kann noch werden,
+Rasch und hoch ist Heldenbrauch;
+Was ein andrer kann auf Erden,
+Ei, bei Gott! das kann ich auch.
+
+Zanga.
+Herr, Ihr sprecht nach meinem Herzen.
+
+Rustan.
+Wie so schal dünkt mich dies Leben,
+Wie so schal und jämmerlich!
+Stets das Heute nur des Gestern
+Und des Morgen flaches Bild.
+Freude, die mich nicht erfreuet,
+Leiden, das mich nicht betrübt,
+Und der Tag, der stets erneuet,
+Nichts doch als sich selber gibt.
+Oh, wie anders dacht' ich's mir
+In entschwundnen, schönern Tagen!
+
+Zanga.
+'s ist auch anders, muß ich sagen.
+Nur Geduld! es wird schon kommen.
+Zeit tut alles, Zeit und Mut.
+Jener Fürst von Samarkand,
+Den Osmin als Herrn genannt,
+War, wie Ihr, des Dorfes Sohn,
+Jetzt von Macht und Glanz umgüldet;
+Ihr seid aus demselben Ton,
+Aus dem Glück die Männer bildet
+Für den Purpur, für den Thron.
+
+Rustan.
+Oh, es mag wohl herrlich sein,
+So zu stehen in der Welt
+Voll erhellter, lichter Hügel,
+Voll umgrünter Lorbeerhaine,
+Schaurig schön, aus deren Zweigen,
+Wie Gesang von Wundervögeln,
+Alte Heldenlieder tönen,
+Und vor sich die weite Ebne,
+Lichtbestrahlt und reich geschmückt,
+Die zu winken scheint, zu rufen:
+Starker, nimm dich an der Schwachen!
+Kühner, wage! Wagen siegt!
+Was du nimmst, ist dir gegeben!
+Sich hinabzustürzen dann
+In das rege, wirre Leben,
+An die volle Brust es drücken,
+An sich und doch unter sich:
+Wie ein Gott, an leisen Fäden
+Trotzende Gewalten lenken,
+Rings zu sammeln alle Quellen,
+Die, vergessen, einsam murmeln,
+Und in stolzer Einigung,
+Bald beglückend, bald zerstörend,
+Brausend durch die Fluren wälzen.
+Neidenswertes Glück der Größe!
+Welle kommt und Welle geht,
+Doch der Strom allein besteht.
+
+Zanga.
+Recht! Der Strom allein besteht.
+
+Rustan.
+Schon mein Vater war ein Krieger,
+Meines Vaters Vater auch,
+Und so fort durch alle Grade.
+Ihr Blut pocht in diesen Adern,
+Ihre Kraft stählt diese Faust,
+Und ich soll hier müßig träumen,
+Schauen, wie sich jedermann
+Lorbeern pflückt vom Feld der Ehre,
+Früchte bricht vom Lebensbaum,
+Und mich selbst zur Ruh' verdammen?
+
+Zanga.
+Ihr sollt nicht! beim Himmel, nicht!
+Wenn Ihr wollt, ei, Herr, so handelt!
+Ja, wenn die da drin nicht wären!
+Dieser Oheim, diese Muhme
+Hängen Euch wie schwere Fesseln--
+
+Rustan.
+Laß uns von was anderm sprechen!
+Von was anderm, Zanga.
+
+Zanga.
+Seht Ihr?
+Da kommt Euer weiches Herz,
+Und der Vorsatz ist zum Henker.
+Oh, daß ich Euch draußen hätte,
+Draußen aus dem dumpfen Tale,
+Auf den Höhen, auf den Gipfeln,
+In der unermeßnen Welt!
+Herr, Ihr solltet anders sprechen!
+Seht nur erst ein Schlachtgefild',
+Hört nur erst Trompeten klingen,
+Und es soll Euch Kraft durchdringen,
+Wie sie diese Adern füllt.
+Herr, ich war mal auch so wählig,
+Als ich, freilich jung genug,
+Meine ersten Waffen trug.
+Ging im Kopf mir hin und her,
+War das Herz mir zentnerschwer;
+Als es hieß: dem Feind entgegen!
+Schlug's da drin mit harten Schlägen,
+Und die Nacht
+Vor der Schlacht
+Ward gar bange zugebracht.
+Doch beim ersten Sonnenstrahl
+Ward mir's klar mit einem Mal.
+Ha! da standen beide Heere,
+Zahllos, wie der Sand am Meere,
+Still und stumm
+Weit hinum,
+Düster, wie das Nebelgrauen,
+Das noch lag auf Feld und Auen.
+Durch den Duftqualm sah man's blitzen
+Von dem Strahl der Eisenspitzen,
+Und als jetzt der Nebel wich,
+Zeigte Roß und Reiter sich,
+Da fühlt' ich mein Herz sich wandeln,
+Jeder Zweifel war besiegt,
+Klar ward's, daß im Tun und Handeln,
+Nicht im Grübeln 's Leben liegt.
+Und als nun erschallt das Zeichen,
+Beide Heere sich erreichen,
+Brust an Brust,
+Götterlust!
+Herüber, hinüber,
+Jetzt Feinde, jetzt Brüder
+Streckt der Mordstahl nieder.
+Empfangen und geben,
+Der Tod und das Leben
+Im wechselnden Tausch,
+Wild taumelnd im Rausch.
+Die Lüfte erschüttert,
+Die Erde zittert
+Von Pferdegestampf,
+Laut toset der Kampf.
+Die Gegner, sie wanken,
+Die Gegner, sie weichen,
+Wir, mutig und jach
+Den Fliehenden nach,
+Über Freundes und Feindes Leichen. Jetzt auf weitem Feld
+Der Würger hält,
+Überschaut die gefallenen Ähren,
+Doch kann er der Freude nicht wehren.
+Sieg, rufet es, Sieg!
+Herr, das heißt leben! Es lebe der Krieg!
+
+Rustan.
+Oh, halt ein! Du tötest mich!
+
+Zanga.
+Wenn so ein Gefangener,
+Ein Verkaufter spricht, ein Sklave,
+Was muß erst--doch still! Genug!
+
+(Er zieht sich zurück.)
+(Mirza kommt aus der Hütte.)
+
+Mirza.
+Rustan!
+
+Rustan.
+Ha, man kömmt!
+
+Mirza.
+Du bist es!
+Konntest du so lange weilen?
+Oh, wir zitterten um dich.
+
+Rustan.
+Ist es denn so ungewöhnlich?
+
+Mirza.
+Ungewöhnlich? Das wohl nicht,
+Aber schmerzlich drum nicht minder.
+Sag ich mir gleich jeden Morgen:
+Spät erst wird er wiederkehren,
+Hoff ich dich doch immer früh;
+Und der Wunsch und die Erwartung
+Sind gar reich an Möglichkeiten.
+Weil du ruhig bist und sorglos,
+Glaubst du denn, wir wären's auch?
+Immer fließen meine Tränen,
+Was auch die Erfahrung spricht;
+Für den Mut gibt's ein Gewöhnen,
+Aber für die Sorge nicht.
+Warum wendest du dich ab?
+
+Rustan.
+Horch! Mich dünkt, dein Vater ruft.
+
+Mirza.
+Ich soll gehn? Oh, komm du mit!
+Du bist heiß, die Nachtluft kühl,
+Und der müde Fuß will Ruhe.
+
+Rustan.
+Laß nur! Hier--
+
+Mirza.
+Nicht doch! Du sollst!
+In der Hütte ruht sich's besser
+Und das Abendessen wartet.
+Komm! Der Vater zürnt nicht mehr,
+Alles ist vergessen.--Komm!
+
+(Mit Rustan in die Hütte ab.)
+
+Zanga.
+Deut mir eins der Liebe Werke,
+Ob Verlust sie, ob Gewinn?
+Gibt dem Weibe Männerstärke
+Und dem Manne--Weibersinn! Sei's! Man muß nicht gleich
+verzweifeln!
+
+(Er folgt ihnen.)
+
+(Das Innere der Hütte.
+Im Mittelgrunde ein Tisch mit den Resten einer Abendmahlzeit und
+Licht, an dessen einem Ende Massud nachdenklich sitzt. Rechts im
+Hintergrunde ein Ruhebett.
+Mirza führt Rustan herein; bald nach ihnen Zanga.)
+
+Mirza.
+Hier ist Rustan, lieber Vater,
+Seht, er hatte sich verirrt.
+Wo?--Ei gleichviel! Er ist hier.
+Ja, die Wege dort im Walde
+Sind verworren und verschlungen;
+Bricht der Abend noch herein,
+Braucht es Glück, den Pfad zu finden.
+Nun, er fand ihn, Dank dem Himmel!
+Künftig eilt er wohl ein wenig,
+Sieht er sich die Sonne neigen. Setze dich!
+
+(Da Rustan neben dem Alten niedersetzen will, sich zwischen beide
+drängend.)
+
+Nicht hier! Nein dorthin!
+Ich muß bei dem Vater sitzen.
+Seht doch! 's ist mein Ehrenplatz.
+
+(Rustan setzt sich an das andere Ende des Tisches.)
+
+Massud (sanft, doch ernst).
+Rustan!
+
+Mirza (rasch einfallend).
+Vater, könnt Ihr's glauben?
+Racha, unsre Magd will wissen--
+
+Massud.
+Liebe Tochter!
+
+Mirza.
+Wollt Ihr Wein?
+
+Massud.
+Gönne mir ein Wort mit ihm!
+Nur ein Tor verhehlt den Brand;
+Wir, mein Kind, wir wollen löschen.
+
+Mirza.
+Ihr verspracht mir--
+
+Massud.
+Fürchte nichts!
+Doch es muß einmal zur Sprache. Sohn, seit lange schon bemerk ich,
+Daß du unsern Anblick meidest.
+Die Bewohner dieses Hauses
+Und ihr stilles Tun und Treiben
+Scheint dir nicht mehr zu gefallen.
+Auf den Bergen ist dein Lager,
+In den Wäldern deine Wohnung,
+Und das Heulen wilder Tiere,
+Sturmbewegter Bäume Dröhnen
+Scheint dir lieblicher zu tönen,
+Als der Nahverwandten Wort.
+Rauh und düster ist dein Wesen,
+Zank und Hader dein Geschäft.
+Heute nur, ich hab's vernommen,
+Daß du mit Osmin im Walde
+Streit erregt.
+
+Zanga (der sich um den Tisch beschäftigt hat, einfallend).
+Erregt? Mit Gunst,
+Das kann ich Euch besser sagen.
+
+Massud.
+Du?
+
+Zanga.
+Ich hab's mit angesehn.
+
+Massud.
+Hüte dich!
+
+Zanga.
+Ei, wahr ist wahr!
+Und erlaubt Ihr, so erzähl ich's.
+
+Mirza.
+Hört ihn Vater, mir zulieb!
+
+Zanga.
+Mittag war es, und die Jäger,
+Von der Arbeit Last zu ruhn,
+Kamen alle, wie sie pflegen,
+Auf dem Wiesengrund zusammen,
+Um am Rand der klaren Quelle
+Mit des Weidsacks kargem Vorrat
+Und Gespräch sich zu erlaben.
+Unter ihnen war Osmin,
+Ein verwöhnter trotz'ger Junge,
+Der von Öl und Salben duftet,
+Wie 'nes Blumenhändlers Laden.
+Der tat denn gar breit und vornehm,
+Sprach von seinen Heldentaten,
+Seinem Glücke bei den Weibern,
+Wie des Königs Tochter selber
+Bei der Tafel nach ihm schiele,
+Und was denn des Zeugs noch mehr. Meinem Herrn dort stieg die Röte
+Ungeduldig ins Gesicht,
+Doch, ob kochend, dennoch schwieg er.
+Aber als Osmin nun fortfuhr,
+Daß der Fürst von Samarkand,
+Hart bedrängt von Feindeshand,
+Seine Tochter und ihr Erbe,
+Seines weiten Reiches Krone
+Gerne gönnte dem zum Lohne,
+Der ihn rette aus der Not,
+Und mein Herr, von Glut ergriffen,
+Angeregt von dem Gedanken,
+Solcher Tat und solchen Lohns,
+Aufsprang und voll Eifer fragte:
+Wo der Weg nach Samarkand?
+Da schlug Osmin auf ein Lachen,
+Und vor Rustan hin sich stellend,
+Rief er aus: "Ei, welch ein Helfer!
+Heil dir, Fürst von Samarkand!
+Guter Freund, bleibt fein zu Hause,
+Hinterm Pfluge zeigt die Kraft!"
+Da--
+
+Rustan (aufspringend).
+Bei Gott! ich mag's nicht denken,
+Daß er lebt, der das gesagt!
+
+Massud.
+Sohn, nur ruhig!
+
+Rustan.
+Ruhig? Ich?
+Und fürwahr, hat er nicht recht?
+Was hab ich getan noch, um mich
+Solchen Werks zu unterwinden?
+Er hat recht, hat heute recht,
+Morgen nicht mehr, leb ich noch.
+Oheim, gebt mir Urlaub!
+
+Massud.
+Wie?
+
+Rustan.
+Seht, mich duldet's hier nicht länger.
+Diese Ruhe, diese Stille,
+Lastend drückt sie meine Brust.
+Ich muß fort, ich muß hinaus,
+Muß die Flammen, die hier toben,
+Strömen in den freien Äther,
+Drücken diesen heißen Busen
+An des Feindes heiße Brust,
+Daß er in gewalt'gem Anstoß
+Breche, oder sich entlade;
+Muß der auf geregten Kraft
+Einen würd'gen Gegner suchen,
+Eh' sie gen sich selber kehrt
+Und den eignen Herrn verzehrt.
+Seht Ihr mich verwundert an?
+"Nur ein Tor verhehlt den Brand",
+Spracht Ihr selber, laßt mich löschen.
+Gebt mir Urlaub und entlaßt mich.
+
+Massud.
+Wie, du wolltest--?
+
+Rustan.
+Was ich muß.
+
+Massud.
+Und denkst nicht--?
+
+Rustan.
+'s ist bedacht.
+
+Massud.
+So vergiltst du unsre Liebe?
+
+Rustan.
+Nimmer sie hinfür mißbrauchen,
+Das ist alles, was ich kann.
+
+Massud.
+Rauh und dornicht ist der Pfad.
+
+Rustan.
+Sei es! Führt er nur zum Ziele.
+
+Massud.
+Und das Ziel, es ist verderblich.
+
+Rustan.
+Also sagt man. Ich will's kennen.
+Was man weiß, befriedigt nur.
+
+Massud.
+Diese, mich willst du verlassen?
+
+Rustan.
+Lange nicht, kehr ich zurück
+In der Teuern liebe Mitte,
+Teile wieder eure Hütte,
+Oder ihr mit mir mein Glück.
+
+Mirza.
+Rustan!
+
+Rustan.
+Mirza! Ich verstehe.
+Doch wir sehen uns ja wieder,
+Doppelt glücklich, doppelt froh.
+
+Massud.
+Magst du ihre Tränen schauen
+Und dich kalt--
+
+Rustan.
+Ich kann nicht anders.
+
+Massud.
+Wisse denn nun auch das Letzte:
+Diese hier, sie liebt dich.
+
+Rustan.
+Mirza!
+Hier auch--doch es ist beschlossen!
+Niemals, oder deiner wert!
+
+Mirza.
+Rustan!
+
+Massud.
+Halt! So meint' ich's nicht!
+Kann er deiner, Kind, entraten,
+Massuds Tochter bettelt nicht.
+Zieh denn hin, Verblendeter,
+Ziehe hin! und mögest du
+Nie der jetz'gen Stunde fluchen.
+
+Rustan.
+Heute noch?
+
+Massud(sich abwendend).
+Sobald du willst.
+
+Rustan.
+Zanga, nach den Pferden!
+
+Zanga.
+Gern!
+
+Massud.
+Wozu diese hast'ge Eile?
+Halt! Es ist jetzt dunkle Nacht.
+Ungebahnet sind die Pfade
+Und gefahrvoll jeder Schritt.
+Davor wahr ich dich zum mindsten.
+Schlaf noch einmal hier im Hause,
+Denk noch einmal, was du willst,
+Trifft der Tag dich gleichen Sinnes,
+Nun, wohlan, so ziehe hin!
+Mirza, komm! wir lassen ihn.
+
+Mirza.
+Vater! nur dies einz'ge Wort.
+Rustan, jener alte Derwisch,
+Der dort wohnt in nahen Bergen
+Und den du, ich weiß, nicht liebst,
+Ja, kaum einmal wolltest sehen,
+Während er besorgt um dich:
+Er versprach mir, heut zu kommen,
+Und nur erst glaubt' ich zu hören
+Seines Saitenspieles Ton,
+Das er führt auf allen Wegen.
+Oh, versprich mir, eh' du scheidest,
+Ihn zu hören, ihn zu sprechen;
+Erst, wenn fruchtlos, zieh mit Gott.
+
+Rustan.
+Und wozu?
+
+Mirza.
+Die letzte Bitte!
+
+Rustan.
+Kommt er morgen früh genug,
+Mag er wie die andern sprechen.
+
+Massud.
+Nun zur Ruh'! Laß ihn sich selbst.
+Jedem Sprecher fehlt die Sprache,
+Fehlt dem Hörenden das Ohr.
+Gute Nacht denn!
+
+(Er geht mit Mirza.)
+
+Mirza.
+Rustan!
+
+Rustan.
+Zanga!
+Morgen früh die Pferde!
+
+Zanga.
+Wohl!
+
+(Er folgt den beiden. Alle drei ab.)
+
+Rustan.
+Sie sind fort!--Es pocht doch ängstlich!
+Sie ist gar zu lieb und gut.--
+Ob auch!--Fort!--Ich bin erhört,
+Und was lang als Wunsch geschlummert,
+Tritt nun wachend vor mich hin.
+Seid gegrüßt, ihr holden Bilder,
+Seid mit Jubel mir gegrüßt!
+Ich bin müd, die Stirne drückt,
+Mattigkeit beschleicht die Glieder.
+
+(Nach dem Lager blickend.)
+
+Nun, wohlan! Noch einmal ruhn
+In dem dumpfen Raum der Hütte,
+Kräfte sammeln künft'gen Taten,
+Dann befreit auf immerdar.
+
+(Er sitzt auf dem Ruhebette, Harfenklänge erklingen von außen.)
+
+Horch! Was ist das? Harfentöne?
+Wohl der alte Klimprer nah?
+
+(In halb liegender Stellung, mit dem Oberleibe aufgerichtet. Er
+spricht die Worte des Gesanges nach, die sich jetzt mit den
+Harfentönen verbinden.)
+
+"Schatten sind des Lebens Güter,
+Schatten seiner Freuden Schar,
+Schatten Worte, Wünsche, Taten;
+Die Gedanken nur sind wahr. Und die Liebe, die du fühlest,
+Und das Gute, das du tust,
+Und kein Wachen als im Schlafe,
+Wenn du einst im Grabe ruhst." Possen! Possen! Andre Bilder
+Werden hier im Innern wach.
+
+(Er sinkt zurück. Die Harfentöne währen fort.)
+
+König! Zanga! Waffen! Waffen!
+(Mehrstimmige leise Musik greift in die Harfentöne ein. Zu des
+Bettes Häupten und Füßen tauchen zwei Knaben auf. Der eine,
+buntgekleidet, mit verlöschter Fackel, der zweite in braunem
+Gewande mit brennender. Über Rustans Bette hin nähern sie einander
+die Fackeln. Die des Buntgekleideten entzündet sich, der Dunkle
+verlöscht die seine gegen die Erde.)
+(Da öffnet sich die Wand des Hintergrundes. Wolken verhüllen die
+Aussicht. Sie heben sich. Die Gegend, in der der zweite Akt
+spielt, wird sichtbar, von Schleiern bedeckt. Auch diese schwinden.
+Ein erster, ein zweiter. Die Gegend liegt offen da. Neben dem
+im Vorgrunde stehenden Palmbaum hebt sich in weiten Ringen eine
+große goldglänzende Schlange, bis zu seinen untersten Blättern
+hinanstrebend nach und nach empor. Rustan macht eine Bewegung im
+Schlafe.)
+
+(Der Vorhang fällt.)
+
+
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug
+
+(Waldgegend. Im Hintergrunde Felsen, die ein Bergstrom trennt und
+eine Brücke verbindet. Rechts im Vorgrunde ein vereinzelt
+stehender Fels, an dessen nach vorn gekehrter Seite ein Springquell
+und daneben eine Moosbank. Gegenüber links eine einzelne Palme.)
+(Rustan und Zanga kommen.)
+
+Rustan.
+Freiheit! Ha, mit langen Zügen
+Schlürf ich deinen Äther ein.
+In des Morgens Purpurschein
+Seh ich deine Banner fliegen,
+Die auf Höhn, am Himmelszelt
+Weit umher du aufgestellt;
+Allen Lebenden ein Zeichen
+In der Schöpfung weiten Reichen.
+Freiheit! Atem der Natur,
+Zeiger an der Weltenuhr,
+Alles Großen Wieg' und Thron,
+Nimm ihn auf, den neuen Sohn;
+Laß mein Stammeln dir gefallen,
+Die du Mutter bist von allen!
+
+Zanga.
+Herr, und jetzt genug geschwärmt.
+Nun laßt uns von Nöt'germ sprechen.
+
+Rustan.
+Nötig? Nöt'germ? Oh, nicht denken,
+Laß mich fühlen jetzo noch!
+Nicht mehr in dem Qualm der Hütte,
+Eingeengt durch Wort und Sorge,
+Durch Gebote, durch Verbote;
+Frei, mein eigner Herr und König.
+Wie der Vogel aus dem Neste,
+Nun zum erstenmal versuchend
+Die noch ungeprüften Flügel.
+Schaudernd steht er ob dem Abgrund,
+Der ihn angähnt. Wagt er's? Soll er?
+Er versucht's, er schlägt die Schwingen--
+Und es trägt ihn, und es hebt ihn.
+Weich schwimmt er in lauen Lüften,
+Steigt empor, erhebt die Stimme,
+Hört sich selbst mit eignen Ohren,
+Und ist nun erst, nun geboren.
+Also fühl ich mich im Raume;
+Möcht auf alle Berge steigen,
+Möcht aus allen Quellen trinken,
+Laub und Bäume möcht ich grüßen,
+Bin ein Mensch erst und ein Mann.
+
+Zanga.
+Sprecht nur zu, 's hat keine Eile,
+Ich erfrische mich derweile.
+
+(Er setzt sich.)
+
+Rustan.
+Zanga, nein! Nicht ruhn, nicht rasten,
+Bis begonnen unser Werk.
+
+Zanga.
+Unser Werk? So wollt Ihr also
+Handeln, prüfen, denken, trachten?
+
+(Er steht auf.)
+
+Nun, da bin ich Euch zu Dienst.
+
+Rustan.
+Fort, und auf nach Samarkand!
+Oben nur von jenen Hügeln
+Sah in seiner Türme Brand
+Ich die Sonne strahlend spiegeln,
+Wir sind dort, eh' sie entschwand.
+
+Zanga.
+Nur so zu, und auf gut Glück?
+Herr, um selig einst zu sterben,
+Denkt bei allem mir ans Ende;
+Doch wollt Ihr, ein Tücht'ger, leben,
+So erwägt und prüft den Anfang,
+Denn das Ende kommt von selber.
+Tretet ein bei Unbekannten,
+Herr, und strauchelt auf der Schwelle,
+Bleibt Ihr Meister Ungeschickt,
+Sprächt Ihr, wie die sieben Weisen;
+Freunde, die's beim Becher wurden,
+Lachen auf aus voller Kehle,
+Sehn sie sich nach Jahren wieder;
+Und die Braut, gefreit in Tränen,
+Folgt mit Seufzern Euch durchs Leben.
+Unsre Neigungen, Gedanken,
+Scheinen gleich sie ohne Schranken,
+Gehn doch, wie die Rinderherde,
+Eines in des andern Tritt.
+Drum, bei allem, was Ihr macht,
+Sei der Anfang reif bedacht. Ihr geht nun nach Samarkand;
+Da ist denn vor allem nötig,
+Daß Ihr gleich als der erscheinet,
+Der Ihr später denkt zu werden.
+Euern Vater, lobesam,
+Adeln wir nur gleich im Grabe,
+Machen ihn zum Khan, zum Emir
+Aus--Grusinien,--aus dem Monde.
+So was hilft beim ersten Eintritt,
+Und erreicht Ihr Eure Wünsche,
+Deckt das andre der Erfolg.
+
+Rustan.
+Gut!
+
+Zanga.
+Ei, gut? Nu, das geht besser,
+Als ich glaubte, als ich hoffte.
+Euer Oheim, seine Hütte--
+
+Rustan.
+Arme Mirza!
+
+Zanga.
+Ja, weil arm,
+Hindert sie ein reiches Wollen.
+Ahmt mir nur nicht jene nach,
+Die das nahe Gut verschmähen,
+Aber unerhört, getrennt,--
+Lichterloh, wie Wolle brennt,--
+Heiß in Liebesglut vergehen.
+Laßt das jetzt, und seid ein Mann! Jener Fürst aus Samarkand
+Ist gedrängt von seinem Feinde,
+Von dem mächtgen Khan aus Tiflis,
+Der um seine Tochter freite:
+Ein verwöhntes, einz'ges Kind,
+Das gar stolz und hochgesinnt,
+Selbst den Gatten wählen möchte.
+Ein geziertes, äff'ges Wesen,
+Tat so was in Dichtern lesen.
+Ich war erst in wirren Zweifeln,
+Ob dem Stärkern, ob dem Schwachen
+Zu vertrauen unsre Sachen;
+Doch der Starke g'nügt sich selbst,
+Und das Unglück macht erkenntlich.
+Darum geht nach Samarkand,
+Suchet Dienst in seinem Heere,
+Und wenn an Entscheidungstagen
+Ich Euch sage: losgeschlagen!
+Stürzt dann in den Feind mit Macht,
+Tief ins Herz der wilden Schlacht;
+Augen zu, und links und rechts
+Kreuzt die Blitze des Gefechts.
+Fallt Ihr, war's Euch so bestimmt;
+Siegt Ihr, sprechen wir vom Lohne.
+Mancher fand so eine Krone.
+
+Rustan.
+Also sei es, und so komm!
+
+Zanga.
+Herr, nur noch ein kleines Weilchen!
+Auch der Körper will sein Recht.
+Hier in meines Ränzels Weite
+Führ ich Kost für mäß'ge Leute,
+Erst getafelt, eins gezecht,
+Dann hervor die besten Kleider,
+Euch als Junker angetan!
+So was hilft und fördert leider!
+Drauf als wackrer Edelmann
+Hin zur Stadt, dem Glücke nach;
+Komme dann, was kommen mag!
+
+Eine Stimme (hinter der Bühne).
+Hilfe! Hilfe!
+
+Zanga.
+Horch, welch Rufen?
+
+Stimme.
+Hilfe! Hilfe!
+
+Zanga.
+Näher kommt's.
+Das beginnt mit Weh und Ach.
+Abenteuer, seid ihr wach?
+
+(Ein reichgekleideter Mann erscheint im Hintergrunde auf der Brücke.
+Er wird von einer nur je und dann auf Augenblicke sichtbaren
+Schlange verfolgt.)
+
+König.
+Keine Rettung! Hilft denn niemand?
+
+(Er flieht über die Brücke und verschwindet auf Der linken Seite
+des Hintergrundes.)
+
+Zanga.
+Herr, den Speer nun angefaßt!
+Rasch zum Wurf mit kluger Hast.
+
+Der König (tritt fliehend vom Hintergrunde her links auf. Er eilt
+nach vorn, während Rustan rechts, Zanga links im Mittelgrunde sich
+gestellt haben).
+Götter! Götter! Kein Erbarmen?
+
+(Er sinkt besinnungslos am Felsensitze nieder.)
+
+Zanga.
+Werft und trefft!
+
+Rustan (wirft den Speer nach dem noch nicht sichtbar gewordenen Untier).
+
+Zanga.
+Verfehlt! Nun, Herr,
+Braucht die Beine, nehmt Euch Raum,
+Ich erklettr' indes den Baum.
+
+(Im Begriffe, die auf der linken Seite stehende Palme zu erklettern.)
+(Während die Schlange links im Hintergrunde zum Teil sichtbar wird
+und Rustan nach dem Vorgrunde rechts flieht, erscheint auf dem
+daselbst vorspringenden Felsen ein Mann in einen braunen Mantel
+gehüllt mit gehobenem Wurfspieß.)
+
+Der Mann auf dem Felsen.
+Schlechte Schützen!
+
+(Er wirft und heftet, durchbohrend, die Schlange an den Boden.)
+
+Topp!
+
+(Herablachend.)
+
+Ha, ha!
+Schlechte Schützen! lernt erst treffen!
+
+(Verschwindet von der Höhe.)
+
+Zanga (vom Baum herabsteigend).
+Was war das?--He, liegt die Schlange?
+
+Rustan.
+Nicht durch mich.
+
+Zanga.
+Nu, desto schlimmer!
+Und doch gut, daß sie nur liegt.
+
+(Zu dem Hingesunkenen tretend.)
+
+Herr, das ist ein reicher Mann!
+Wohl ein Fürst, vielleicht ein König.
+Zieltet besser Ihr ein wenig,
+Zahlten Ehren Euch und Gold.
+
+Rustan.
+Wirst du, Glück, mir nimmer hold?
+
+Zanga.
+Seht die Perlen, das Geschmeide!--
+Herr, und seid Ihr sicher auch,
+Daß nicht Ihr, daß jener andre
+Hingestreckt das grimme Tier?
+Eure Lanze traf.
+
+Rustan.
+Nicht meine.
+
+Zanga.
+Und wo ist er, dieser andre?
+Warum steigt er nicht hernieder,
+Pflückt die Früchte seiner Tat?
+
+(Gegen den Felsen emporrufend.)
+
+Mann vom Felsen, Mann vom Berge,
+Komm herunter, sprich mit uns! Seht, er kommt nicht, war wohl nie.
+Wo auch sollt' er sein und weilen?
+Ringsherum auf viele Meilen
+Kein Lebendiger als wir.
+
+(Bei dem am Boden Liegenden.)
+
+Hu, am Turban, seht, die Krone!
+Ich verwette Hals und Hand,
+'s ist der Fürst von Samarkand. Täuschung, Augentrug das Ganze,
+Herr, ich sah es, Eure Lanze
+Streckte jenes Tier in Sand.
+
+Rustan.
+Der war's, der am Felsen stand.
+
+Zanga.
+Nun, zum Henker! Noch einmal:
+Mann vom Berge, komm herunter!
+Zeige dich zu dieser Frist;
+Sonst negier ich frisch und munter,
+Leugne, daß du warst und bist.
+Seht, er kommt nicht, seht, er war nie.
+Schaut umher doch in der Runde,
+Niemand kann sich da verbergen;
+Rings der Felsen abgeschnitten,
+Auf dem Felsen selber niemand.
+
+Rustan.
+Doch ich sah ihn.
+
+Zanga.
+Saht und seht!
+Herr, Ihr hattet Furcht, gesteht!
+Und der Schrecken, wild und wilder,
+Zeigt gar sonderbare Bilder.
+Hier ein Mann im Fürstenschmuck,
+Leichenblaß in Sand gebettet,
+Und Ihr seid's, der ihn gerettet.
+Nehmt die Gabe des Geschickes,
+Und glaubt nur, der heut'ge Tag
+Ist der Anfang unsers Glückes.
+
+(Hörnerklang in der Ferne.)
+
+Hört Ihr fernen Hörnerklang?
+Zweifelt nur nicht ewig lang!
+Ihr erlegtet jenes Tier;
+Schoß ein andrer, schoßt auch Ihr.
+Wir sind zwei hier gegen einen;
+Wag er nur, es zu verneinen!
+
+Der Gerettete (sich emporrichtend).
+Hörnerschall!--Ha, und wo bin ich?
+
+Zanga (zu Rustan).
+Ha, nun gilt's!
+
+(Zum Fremden.)
+
+Herr, unter Freunden.
+Edler Fürst! vielleicht wohl mehr noch?
+Hochgeehrt nach Rang und Stande.
+
+Der Fremde (der aufgestanden ist).
+Ich bin König dieser Lande.
+
+Zanga (kniend).
+Herr, dein Knecht--
+
+
+(Rustan läßt sich in einiger Entfernung aufs Knie nieder.)
+
+
+
+König.
+Und jenes Tier?
+Blutig, tot, liegt's dort am Boden.
+Meine Retter!
+
+(Zu Zanga.)
+
+Du?
+
+(Auf Rustan zugehend.)
+
+Nein, du!
+
+Zanga.
+Herr, Ihr habt es gut erraten!
+
+(Auf Rustan zeigend.)
+
+Jener war's. Ein tücht'ger Wurf,
+Stracks hinein durch Herz und Lungen,
+Und es hatte ausgerungen.
+
+Rustan.
+Herr, verzeiht--
+
+Zanga.
+'s ist wohl verziehn!
+
+Rustan.
+Wenn noch Zweifel--
+
+Zanga.
+Ob wir leben?
+Ob dort jenes tot genug?
+
+(Leise.)
+
+Nun, zum Henker, seid doch klug!
+
+(Wiederholter Hörnerschall.)
+
+König.
+Ha, sie rufen, meine Lieben,
+Suchend, wo ihr Hort geblieben.
+Hier, Getreue! hier der Ort!
+
+(Er geht in die Mitte der Bühne zurück, wo er, antwortend, in ein
+an seiner Hüfte hängendes Jagdhorn stößt.)
+
+Rustan.
+Zanga, komm, und laß uns fort!
+
+Zanga.
+Nach dem allen, Herr, und fliehn?
+Jetzt, da unsre Bohnen blühn?
+
+Rustan.
+Nimmer sollst du mich berücken,
+Mich mit fremder Tat zu schmücken.
+Und doch könnt' ich's auch nicht sehn,
+Erst gepriesen, erst gehuldigt,
+Zager Feigheit dann beschuldigt,
+Einem andern nachzustehn.
+
+(Nach wiederholtem Hörnerruf kommt nun das Gefolge des Fürsten.
+Gülnare, seine Tochter, an der Spitze.)
+
+Gülnare.
+Vater! Vater!
+
+König.
+Oh, mein Kind!
+
+(Sie stürzen sich in die Arme.)
+
+Zanga (zu Rustan).
+Schaut nur, schaut! Seht halb Euch blind!
+Gold und Spangen, Perlen, Kleider,
+Seht der Hoheit Vollgewalt.
+
+Rustan.
+Zanga, jene Lichtgestalt,
+Sich um seinen Nacken schmiegend,
+Weich in Vaterarmen liegend.
+Wie sie atmet, wie sie glüht,
+Jede Fiber wogt und blüht.
+Nun weist her auf mich sein Blick,
+Danket mir der Rettung Glück.
+Zanga, nun nicht mehr zurück!
+Wär's am Rand mit meinen Tagen;
+(Ich) hab jenes Tier erschlagen.
+
+König.
+Ja, mein Kind, ein Raub des Todes,
+Wenn nicht dieser Jüngling war;
+Sieh, so nahe die Gefahr.
+
+(Auf das erlegte Tier weisend.)
+
+Gülnare (mit der Hand die Augen bedeckend).
+Ah!
+
+König.
+Entfernt dies Schreckbild!
+
+Gülnare.
+Nein!
+Stark, entschlossen will ich sein.
+
+(Nach vorn kommend.)
+
+Glaub nur nicht, mein edler Fremdling,
+Daß, ein schwach erbärmlich Weib,
+Hinter dir so fern ich bleib!
+Oft hat man mich wohl gesehen,
+Männlich die Gefahr bestehen,
+Eine Gleiche stand ich ihr.
+Doch das Widrige, den Grauen
+So verwirklicht anzuschauen,
+Nimmt entfremdend mich von mir.
+Und doch, schafft's nicht fort, es bleibe;
+Selbst bezwingen will ich mich. Nun zu dir, mein edler Retter,
+Der mit seines Armes Walten
+Alles, alles mir erhalten,
+Was der Schwachen übrigblieb.
+Rings von Feindesmacht umgeben,
+Von verschmähter Liebe Trutz,
+War mir dieses Greises Leben
+Einz'ge Stütze, all mein Schutz.
+Und der Drache bleckt' die Zähne,
+Und es war um ihn geschehn;
+Da--o lohn es diese Träne!--
+Hebt sich eines Armes Sehne,
+Und das Untier muß vergehn.
+Vater, schau, so sehen Helden!
+Vater, schau, so blickt ein Mann!
+Was uns alte Lieder melden,
+Schau es hier verwirklicht an!
+
+Rustan (leise).
+Kohlen, Zanga, glühnde Kohlen!
+
+Zanga (ebenso).
+Laßt die Furcht den Henker holen!
+
+Gülnare.
+Doch du sprichst nicht? Doch du schweigest?
+
+Rustan (auf die Knie stürzend).
+Herrin, oh, ich bin vernichtet!
+
+König (entschuldigend zu Gülnare).
+Wohl das Neue unsers Anblicks--
+
+Gülnare.
+Laß ihn, Vater! Es erquickt mich,
+Einen Mann beschämt zu sehn!
+Oh, ich sah sie brüstend gehn,
+Mit gedunsnen Worten prahlend,
+Mit Versprechen Taten zahlend,
+Doch kam der Erfüllung Zeit,
+Wie war Held und Tat so weit!
+Dieser kommt uns, als von oben,
+In der Stunde der Gefahr,
+Tut, was seiner würdig war,
+Und verstummt, wenn wir ihn loben.
+Vater, sag es selbst! fürwahr,
+Stellt er nicht die Zeit dir dar,
+Nicht die Zeit, die einst gewesen,
+Und von der wir staunend lesen,
+Wo noch Helden höhern Stammes,
+Wo ein Rustan weltbekannt
+In der Parsen Fabelland--
+
+Zanga.
+Rustan ist auch er genannt.
+
+Gülnare.
+Rustan! Hörst du, Vater? Rustan!
+Oh, die Zeiten sind noch immer,
+Wo, wenn Menschenkräfte enden,
+Götter ihre Hilfe senden.
+Er kommt uns von ihrer Hand.
+
+(Zu ihrem Vater.)
+
+Und so wird gefaßt dich finden,
+Was soeben Boten künden:
+Jener blut'ge Khan von Tiflis,
+Mein Bewerber und mein Feind,
+Hat in mächt'gen Heeres Mitten
+Unsre Grenzen überschritten,
+Hundert Völker stolz vereint,
+Weil er hilflos uns vermeint.
+
+
+(Auf Rustan zeigend.)
+
+Hier die Hilfe! Hier der Hort!
+Stell ihn an der Treuen Spitze,
+Laß ihn tragen deine Blitze,
+Mut sein Atem, Tat sein Wort;
+Und die Deinen, neu ermutet,
+Sehn mit Neid, wenn einer blutet,
+Und sein Beispiel reißt sie fort.
+
+(Zu Rustan.)
+
+Sei mein Schützer, sei mein Retter,
+Banne diese dunkeln Wetter,
+
+(Nach und nach langsamer sprechend.)
+
+Und der glänzend neue Tag
+Bringt dir dar, was er vermag.
+
+König (halblaut).
+Sprichst du doch, als hättest du
+Sie vernommen, die Gelübde,
+Die ich tat in der Gefahr.
+Dem Erretter, käme Rettung,
+Schwur ich, nichts, ich nichts zu weigern,
+Und wenn es das Höchste war.
+Du errötest, du verstehst mich.
+
+Gülnare.
+Vater, komm und laß uns gehn.
+
+König.
+Nun so karg, und erst so warm!
+Warst du hier an meiner Stelle,
+Dünkte jeder Lohn dir arm.
+
+Gülnare (nach rückwärts gewendet, wie ablenkend).
+Und wo ist, wo ist die Stelle,
+Die so vieles mir gedroht?
+
+König.
+Dort kam ich, und floh den Tod,
+Jene Schlange mein Gefolg',
+Keine Wehr als meinen Dolch.
+
+Zanga.
+Seht, hier liegt er noch am Boden,
+Reich besetzt mit edlen Steinen.
+
+
+(Er hebt den Dolch auf und gibt ihn seinem Herrn, der ihn dem
+Könige überreicht.)
+
+König (mit ablehnender Gebärde).
+Zähl, was mein ist, zu dem Deinen.
+Zahlt' ich mit so armen Steinen
+So beglückenden Erfolg?
+Dort kam ich, und dort die Schlange;
+Dieser Mann--
+
+(Auf Rustan zeigend.)
+
+Zanga (am Boden den Platz bezeichnend).
+Hier stand er, hier.
+
+König.
+Nein, du irrst, er stand dort oben,
+Eingehüllt in braunen Mantel.
+
+Rustan.
+Zanga! Zanga!
+
+Zanga.
+Heißer Tag!
+
+König (auf Zanga).
+Erst warfst du, allein du fehltest,
+Dann schoß er, die Schlange lag.
+In der Sinnenkraft Vergehen
+Hab wie träumend ich's gesehen.
+Du standst hier, und er stand dort,
+Und war bleich und schien viel kleiner,
+Wohl gebückt zum Wurf sich neigend.
+Wo auch blieb der braune Mantel?
+
+Zanga.
+Irgend dort wohl in den Sträuchen.
+
+Rustan (leise).
+Zanga, Zanga!
+
+Zanga.
+Mut, nur Mut!
+
+König.
+Nun genug, und damit gut!
+Dort auf jener Klippe Zinnen
+Soll ein Tempelbau beginnen
+Dem, der waltend niederblickt,
+In der Not den Retter schickt.
+Tochter, komm!
+
+Gülnare (zu Rustan).
+Du folg uns bald!
+
+(Gehend und vor der getöteten Schlange zurückschaudernd.)
+
+Oh, des Anblicks Nachtgewalt
+Übt von neuem seine Rechte.
+Oh, verzeih es dem Geschlechte,
+Das der Seele Kraft bezwingt,
+Kindisch solche Schauer bringt.
+
+König.
+Reich den Arm ihr, gib die Rechte.
+
+Gülnare.
+Vor dem Toten schütze mich,
+Lebt' es noch, ich zagte nicht.
+
+(Sie stützt sich auf Rustans Arm. Alle bis auf Zanga ab.)
+
+Zanga (ihnen nachschauend).
+Das geht gut, bei meiner Treu!
+Das Prinzeßchen hat gefangen.
+Tat zwar noch ein bißchen scheu,
+Kämpft noch Stolz mit dem Verlangen.
+Wie sie fest an ihm sich hält.
+Nun ein Graben--Hupp! gesprungen!
+Ha, sie gleitet, strauchelt--fällt?
+Nein, er hat sie rasch umschlungen.
+Nichts so köstlich in der Welt,
+Als wenn eins das andre hält.
+
+Rustan (zurückkommend).
+Zanga, Zanga! Ich bin selig!
+
+Zanga.
+Ei, es geht? nicht wahr? es geht!
+
+Rustan.
+Und nun komm! Dort deinen Bündel,
+Wirf ihn in den nächsten Fluß.
+Nichts laß unsern Stand verraten,
+Wir sind Kinder unsrer Taten,
+Und nach aufwärts strebt der Fuß.
+Komm nur, komm!
+
+Zanga.
+Doch früher, Herr,
+Laßt die Gegend uns durchspüren,
+Ob nicht jener Mann vom Felsen--
+
+Rustan.
+Zanga, ich hab's überdacht;
+Jener Mann war kein Lebend'ger!
+Bote einer höhern Macht,
+Kam er in des Schreckens Nöten,
+Um zu treffen, um zu töten,
+Und entschwand, da er's vollbracht.
+
+Zanga.
+Nun, der Dank wär' abgemacht!
+
+Rustan.
+Laß ihn Mensch auch sein, wie wir,
+Kommen, und sich stellen mir;
+Will mit Gold ihn überhäufen,
+Fülle auf ihn niederträufen,
+Groß ihn machen, groß und reich,
+Wenn auch nicht dem Geber gleich,
+Stellen auf des Glückes Zinne,
+Und wer wirft mir Unrecht vor?
+Zanga, denn, was ich gewinne,
+Ist nicht das, was er verlor.
+Laß ihn tun sie, jene Tat,
+Bittend dann nach Lohn sich wenden,
+Man gibt Gold mit spröden Händen,
+Und er geht, wie er genaht.
+Doch bei mir, mit mir war's anders:
+Unerklärt, ein dunkles Etwas,
+Zog des Vaters, zog der Tochter--
+Oh, des Weibs voll hehrem Sinn!
+Beider Blicke nach mir hin.
+Gleich gilt nicht von gleichem Scheine,
+Und ich nehme nur das Meine.
+Komm und fort, dem Glücke nach!
+Heut ums Jahr ist auch ein Tag.
+
+Zanga.
+Herr, ach Herr!
+
+Rustan.
+Was ist?
+
+Zanga.
+O schaut!
+
+(Der Mann, dessen Wurf die Schlange getötet, ist hinter dem Felsen
+hervor und in den Vorgrund rechts getreten. Er hat den ihn
+umhüllenden braunen Mantel auf die Moosbank gelegt, und steht nun
+in kurzem schwarzem Leibrocke, nackten Armen und Beinen, mit
+schwarzem Bart und Haar, das Antlitz leichenblaß, da.)
+
+Rustan.
+Ha! wie mir's im tiefsten graut!
+
+Zanga.
+'s ist derselbe, dessen Speer
+Jenes Tier, vom Felsen her--
+
+Rustan.
+Unheil! nie dein Köcher leer?
+
+Der Mann vom Felsen
+(ist einige Zeit, unbeweglich vor sich hinschauend, auf der
+Moosbank gesessen, jetzt neigt er sich zur Quelle und trinkt).
+
+Zanga.
+Herr, er lebt! ist leibhaft, trinkt!
+
+Rustan.
+Meines Traums Gebäude sinkt.
+Zanga!
+
+Zanga.
+Herr?
+
+Rustan (die Hand am Dolche).
+Ist's nicht Osmin?
+Der Verweichlichte, Verwöhnte,
+Der mich jüngst beim Jagen höhnte?
+
+Zanga.
+Seht doch nur den Bart, das Haar.
+
+Rustan.
+Du hast recht, und es ist wahr.
+Aber erst nur glich er ihm.
+Jeder Blick, mit neuer Lüge,
+Zeigt mir anders seine Züge.
+Was je greulich und verhaßt,
+All in sich sein Anschaun faßt.
+
+Der Mann (richtet sich empor, legt den zusammengefalteten Mantel über den
+Arm, und macht sich gefaßt, quer nach dem Hintergrunde zu,
+fortzugehen).
+
+Zanga.
+Schaut, er geht.
+
+Rustan.
+Nicht so! Und halt!
+Steht mir Rede! Wohin geht Ihr?
+
+Der Mann vom Felsen (mit klangloser Stimme).
+Hin nach Hofe, vor den Thron.
+
+Rustan.
+Was dort suchend?
+
+Der Mann vom Felsen.
+Meinen Lohn.
+
+Rustan.
+Lohn? Wofür?
+
+Der Mann vom Felsen (auf das erlegte Tier zeigend).
+Für meine Tat.
+
+Rustan.
+Deine?--Meine!--Unsre Tat!
+
+Der Mann vom Felsen.
+Arme Schützen! Ha, ha, ha!
+Lernt erst treffen! Arme Schützen!
+
+(Zum Fortgehen gewendet.)
+
+Rustan.
+Halt, noch einmal! Er, der König,
+Dankbar dir für dein Bemühn,
+
+(Den Dolch des Königs aus dem Gürtel ziehend.)
+
+Sendet dir dies edle Kleinod,
+Diesen reich besetzten Dolch,
+Wo des Demants klares Scheinen--
+
+Der Mann vom Felsen.
+Zahlt Ihr mit so armen Steinen
+So beglückenden Erfolg?
+
+Rustan.
+Nun, der Dolch hat eine Spitze,
+(Sie) auch zahlt.
+
+Der Mann vom Felsen.
+Ei ja! Ja doch!
+
+Rustan.
+Scheusal! Teufel! Greulich Untier!
+Zieh nicht deine grimmen Fratzen,
+Denn der Dolch in meinen Händen
+Zuckt und mahnt mich, rasch zu enden.
+Zanga!
+
+Zanga.
+Herr?
+
+Rustan.
+Sieh hin! Nur hin!
+Gleicht er wieder nicht Osmin?
+Wenn er grinset, wenn er lacht.
+
+Zanga.
+Fassung, Herr! Und kühl bedacht!
+
+Rustan.
+Nun, es sei! Ich will mich fassen.
+Mensch, was willst du? was begehrst du?
+Geizest du nach Reichtum, Schätzen?
+Will dich in ein Goldmeer setzen,
+Gießen aus ob deinem Haupt,
+Was die Welt das Höchste glaubt.
+All dein Wünschen, dein Verlangen,
+Eh's zu keimen angefangen,
+Soll's verwirklicht vor dir stehn,
+Sollst du's reif in Garben sehn.
+
+Der Mann vom Felsen.
+Langes Rinnen trübt die Welle--
+Ich trink gerne aus der Quelle.
+
+Rustan (vor ihm niederstürzend).
+Sieh mich denn zu deinen Füßen,
+Sieh ein flehendes Geschöpf.
+Heut zu allen künft'gen Tagen
+Hat des Glückes Stund' geschlagen;
+Geh und schreite über mich,
+Tritt ein Dasein unter dich!
+
+Der Mann vom Felsen.
+Willst mit andrer Taten prahlen,
+Willst mit fremdem Golde zahlen?
+Glück und Unrecht? Luft'ger Wahn!
+Rühm dich des, was du getan!
+
+
+(Er geht nach dem Hintergrunde, indem er den Mantel wieder um die
+Schultern wirft.)
+
+Rustan (nach vorn kommend).
+Er hat recht, und ich will fort.
+Zanga, komm! Wir kehren heim.
+In der Nahverwandten Mitte
+Sei das Glück der ersten Schritte,
+Sei die Schmach--Und dennoch! Nein!
+Nein, es darf, es soll nicht sein!
+
+Der Unbekannte (ist den Steig, der zur Brücke führt, hinaufgeschritten).
+
+Rustan (folgt ihm).
+Unmensch! halt! Nicht von der Stelle!
+Diese Brücke wölbet sich
+Als des Glücks, der Hoheit Schwelle,
+Sei es dir, sei es für mich.
+Unmensch, halt!
+
+(Er hat den Mantel des vor ihm Hinschreitenden angefaßt.)
+
+Der Mann.
+'s ist nur mein Kleid.
+
+Rustan.
+Nun, der Herr ist auch nicht weit.
+Halt! Ich, oder du!
+
+(Er faßt ihn an.)
+
+Der Mann.
+Nicht ich!
+
+(Sie ringen auf der Brücke.)
+
+
+
+Rustan.
+Sein Berühren ist Entmannen.
+Zanga, Zanga, rette mich!
+
+(Der Fremde drängt Rustan bis hart an den Rand der Brücke, im
+Begriff, ihn hinabzustürzen.)
+
+Rustan.
+Ich erliege!
+
+Zanga.
+Braucht den Dolch!
+Braucht den Dolch! Ihr seid bewaffnet.
+
+Der Fremde.
+Ganz nun mein!
+
+Rustan.
+Noch nicht! Noch nicht!
+
+(Er hat den Dolch gezogen und stößt ihn nun dem Fremden in die
+Brust.)
+
+Der Fremde (auf der Brücke niedersinkend).
+Blutig! Blutig! Schwarzer Tag!
+
+Rustan (von der Höhe herankommend).
+Zanga! Zanga! Lebt er? Bin ich?
+
+Zanga.
+Herr, Ihr seid! Und seht, er blutet.
+
+Rustan.
+Oh, daß ich's getan! Entsetzen!
+
+Der Fremde (halb emporgerichtet).
+Kinderjahre! Kinderjahre!
+Folgt der Unschuld Leichenbahre!
+
+(Zurücksinkend.)
+
+Rustan! Rustan! Mirza, Rustan!
+
+Rustan.
+Zanga, schnell! Sieh, ob noch Rettung,
+Ob noch Hilfe möglich. Eile!
+
+Der Fremde (der sich im Todeskampfe auf der Brücke gewälzt, stürzt
+jetzt in die Flut).
+
+Zanga.
+Herr, zu spät! Ihn hat die Flut.
+
+(Zu Rustan, der, die Hände vors Gesicht geschlagen, dasteht.)
+
+Schlimm genug, und dennoch gut.
+Wenn nicht er, wart Ihr verloren.
+
+Rustan.
+Oh, und wär' ich nie geboren!
+
+(Hörnerschall.)
+
+Zanga.
+Herr, nur Fassung! Fassung! Mut!
+Fall der Notwehr.--Hört, man ruft uns.
+Seht, man kommt. Nun ausgehalten!
+
+Ein Kämmerer (kommt von der linken Seite).
+Herr, des Königs hohe Gnaden
+Lassen Euch zur Heimkehr laden,
+Und zum Heereszug demnächst.
+Dort sie selbst.
+
+(Der König und Gülnare erscheinen im Hintergrunde auf der Anhöhe,
+rechts der Brücke.)
+
+König.
+Nun, Rustan, folgt ihr?
+
+Rustan.
+Hoher Herr, ich bin bereit.
+
+(Zu Zanga.)
+
+Nun gilt's fallen, oder siegen!
+Ausgedauert und--geschwiegen!
+
+(Indem er sich zum Gehen wendet und die Hörner von neuem ertönen,
+fällt der Vorhang.)
+
+
+
+
+
+
+Dritter Aufzug
+
+(Offener Platz in Samarkand. Die ersten Kulissen des Vorgrundes
+bilden eine zeltartige Estrade, deren hintere Vorhänge offen sind.
+Rechts ist ein Sofa von Kissen angebracht, nach oben mit einem
+Baldachin, nach rückwärts mit einer herabhängenden Draperie geziert.
+Daneben ein Tischchen. Gegenüber auf der linken Seite ein
+größerer Tisch, dunkelrotbehangen.
+Der Platz von außen ist mit Volk beiderlei Geschlechts besetzt.
+Jubelruf, kriegerische Musik, Truppenaufzüge.)
+
+Volk.
+Heil dem Sieger!--Heil dem König!
+Rustan! Rustan!--Hoch Gülnare!
+
+(Der König kommt, zu beiden Seiten Rustan und Gülnare an der Hand
+führend. Reichgekleidete Große hinter ihm. Sie gehen in dem Raume
+außer dem Zelte quer über die Bühne und auf der linken Seite ab.)
+
+Zanga (durch das Volk kommend, zu denen, die am Eingange des Zeltes
+stehen).
+Platz da! Platz! Ich bin vom Hause!
+
+(Er kommt nach vorn.)
+
+Nun, bei Gott! Das geht vortrefflich!
+Unser Rustan wirkte Wunder!
+Tritt hervor aus jenem Wald,
+Und der Ruf der Tat durchschallt
+Rings das Land nach allen Seiten.
+Nieder von den Bergen schreiten
+Hirten, jetzt zum erstenmal,
+Völker ohne Maß und Zahl,
+Die sich sammeln, die sich scharen
+Um den Retter in Gefahren.
+Und der Feind, er steht verblüfft;
+Ihm, der kam zu leichtem Krieg,
+Dünkt der Rückzug jetzt schon Sieg.
+Rasch wir nach, und weit und weiter!
+Schon sind handgemein die Streiter.
+Da sieht Rustan jenen Khan,
+Der so überstolz getan,
+Sprengt auf ihn,--zwar, wie mich dünkt,
+Ist das just der Punkt, der hinkt--
+Rustan stürzt. Allein, was tut's!
+Unsre Völker, hohen Muts,
+Sehen bange Zweifel schweben
+Ob des Führers teurem Leben,
+Dringen nach, und--sahst du's nicht!
+Bald kein Feind mehr im Gesicht.
+Also sich's begeben hat;
+Ich bin selbst das Zeitungsblatt,
+Schwarz gekommen schon zur Erden,
+Darf's nicht erst durch Lügen werden. Da kommt Rustan mit dem
+König,
+Tut schon vornehm, blickt schon stolz.
+Ei, umgüldet's nur ein wenig,
+Dünkt sich Edelstein das Holz.
+
+(Der König und Rustan kommen.)
+
+König.
+Hörtest du? vernahmst du? sahst du?
+Ihres Mundes freundlich Lächeln,
+Ihrer Rede Sommerfächeln,
+Fühltest du den Druck der Hand?
+Ja, Gülnare, meine Tochter,
+Sinnt nicht länger Widerstand.
+Freude, Wonne, sondergleichen!
+Ihre Hand will sie dir reichen;
+Und was an des Todes Toren
+Ich mir selber zugeschworen,
+Und was Nacht bisher verhüllt,
+Glänzend, herrlich wird's erfüllt.
+Du, an meiner Tochter Seite,
+Sitzest auf der Väter Thron,
+Breitest aus in alle Weite
+Mit der Kriegsdrommete Ton
+(Dieses Landes) Macht und Ruhm,
+Noch vor wenig kurzen Tagen
+Stolzer Nachbarn Eigentum.
+Und sie zittern und sie beben
+Vor dem Dräun der starken Hand,
+Und des Ruhmes Säulen heben
+Hoch den Thron von Samarkand.
+Sieh dies Land, es ist das deine,
+Sieh mein Selbst, es folgt dem Land;
+Oh, des sel'gen Abends Scheine,
+Da ich dich, den Retter fand!
+
+(Er setzt sich.)
+
+Ich bin müd, bringt mir zu trinken,
+Selbst die Freude schwächt die Kraft.
+Alles scheint mir zuzuwinken:
+Tu, was neu das Alte schafft. Gebt mir Wein, die Zunge lechzet,
+Und verschließt des Zeltes Hüllen.
+Freuden, wie sie mich erfüllen,
+Hegt man gern bei sich allein.
+
+(Zanga gibt den Auftrag. Man geht um Wein. Die Vorhänge des
+Zeltes fallen herab.)
+
+Rustan.
+Wenn auch das, was ich getan,
+Voll und wirklich Lohn erheischet,
+Doch so übermäß'ge Gunst--
+
+König (aufstehend).
+Laß du über dem Geschick,
+Auszugleichen Wert und Glück!
+Wär's Verdienst denn, wenn der Regen
+Niederträuft auf unsre Flur?
+Ist Verdienst es, wenn der Leu,
+Reichbegabt und stark und frei
+Hineilt auf des Wildes Spur;
+Wenn die kreisende Natur
+Aus der Gaben Reichtum spendet,
+Achtlos, wer ihn zu sich wendet?
+Auch der Zufall will sein Spiel.
+Nimm, was dein; und scheint's zuviel,
+Dieses als zuviel Erkennen
+Macht dich wert, es dein zu nennen. Eins nur ist noch zu
+bericht'gen:
+Rustan, alle, die ich fragte
+Nach den Eltern, die du nanntest,
+Nach den Deinen, deiner Abkunft,
+Niemand will die Namen kennen,
+Und den Stamm, das Volk, den Ort.
+
+Zanga.
+Ist's doch auch ein kleines Völkchen,
+Seiner Herden Zucht ergeben,
+Und da sie nomadisch leben,
+Kommt's heut an, zieht morgen fort.
+
+Rustan.
+Dann, o Herr, wenn erst das Was
+Des Geschehnen klar und deutlich,
+Forscht man viel noch hinterher
+Um das Wie und um das Wer?
+
+König.
+Du hast recht! und wer auch immer,
+Bist du immer doch derselbe,
+Der mein Land, mein Volk befreit;
+Der an jenem grausen Morgen
+Meiner Tage Rest geborgen,
+Dessen Mute, dessen Schlag
+Jenes Untiers Grimm erlag.
+Bist derselbe, und bist's nicht;
+Und wenn nicht, mir so viel teurer,
+Als mir teuer dies dein Selbst. Wenn ich dich so vor mir sehe,
+Hochgewachsen, stark und kühn,
+Mit der hellen, klaren Stimme,
+Freu ich doppelt mich und dreifach,
+Daß du anders, als ich damals
+In der Sinne wirrem Wanken,
+Mehr ein Wahnbild der Gedanken,
+Meines Retters Bild gesehn.
+Du schienst damals klein und bleich,
+Eingehüllt in braunen Mantel,
+Und die Stimme scharf und schneidend--
+
+(Man hört aus der Ferne Gemurmel von Stimmen, dazwischen klagend
+ausgestoßene Laute.)
+
+König.
+Welch Geräusch?--Seht zu, was ist.
+
+(Es geht jemand.)
+
+Widerlich stört's meine Rede,
+Und dazwischen Klagetöne,
+Fast wie jene--
+
+(Zu Rustan.)
+
+Warst du damals
+Auch mit diesem ganz allein?
+
+(Auf Zanga weisend.)
+
+
+War kein dritter, war kein andrer
+Neben dir?
+
+Rustan.
+Nur er und ich.
+
+König.
+Eine Stimme, dumpf und schaurig,
+Die ich früher schon gehört,
+Sonst im Leben schon vernommen,
+Schien da in mein Ohr zu kommen,
+Wie ich lag von Angst betört.
+Du standst damals--
+
+Rustan.
+Herr, am Felsen.
+
+Zanga.
+Oben, oben, auf dem Felsen.
+
+König.
+Oben, recht! Je mehr ich sinne,
+Um so widerlicher wird's.
+Auf dem Felsen, klein und bleich,
+Eingehüllt in braunen Mantel,
+Und die Stimme--
+
+(Die vorigen Klagelaute wiederholen sich.)
+
+König.
+Pfui des Lauts!
+Schafft sie fort, die ekle Stimme,
+Die Erinnerung mit ihr.
+
+(Zanga geht ab.)
+(Ein Diener hat Wein gebracht.)
+
+König.
+Hier ist Wein. Komm, laß uns trinken!
+Weg es waschen dieses Bild!
+Was ich damals dumpf geträumt,
+Lieblich hat's den Platz geräumt
+Dem Erfreulichen, dem Wahren.
+Wo sich Götter offenbaren,
+Kündigt sie ein Schauder an,
+Daß, wenn ein die Mächt'gen fahren,
+Schon die Pforten aufgetan.
+Hier ist Wein. Komm, laß uns trinken!
+Und noch diesen Abend sollen
+Laute Zimbeln und Trommeten
+Hoch von dieser Feste Türmen
+Es in alle Lüfte stürmen,
+Daß du Erbe mir und Sohn.
+Ja, du Edler, ja, du Guter,
+Schutzgeist, Lebensretter du,
+Sieh dein Vater trinkt dir's zu!
+
+(Indem er den Becher emporhebt und Rustan sich vor ihm auf ein Knie
+niederläßt, kommt Zanga eilig zurück; hart hinter ihm ein
+Kämmerling.)
+
+König (einhaltend).
+Was begab sich?
+
+Zanga (zu Rustan leise).
+Herr, nur Mut!
+
+König.
+Soll ich länger noch erwarten--?
+
+Kämmerling.
+Herr, die Stadt beinah in Aufruhr.
+
+König (den Becher abgebend).
+Aufruhr? Torheit! Und warum?
+
+Kämmerling.
+Herr, die Wellen des Tschihun,
+Die an unsern Mauern nagen,
+Haben auf den flachen Sand
+Eines Mannes Leib getragen,
+Der durch Mord sein Ende fand.
+
+König.
+Laßt sie das dem Richter klagen!
+
+Kämmerling.
+Und der Mann, er ward erkannt
+Als derselbige mit jenem,
+Den, aus deiner Kämmrer Scharen,
+Nie hat man den Grund erfahren,
+Du vorlängst vom Hof verbannt.
+
+König.
+Wohl, ich weiß.--Doch diese Laute?
+Schaurig, widrig, wirren Klanges--?
+
+Kämmerling.
+Herr, es ist sein alter Vater,
+Den du kennst, der stumme Mann;
+Eine Schrift in seinen Händen,
+Fleht er um Gericht dich an.
+
+König.
+Wohl, es sei ihm, doch er schweige!
+Rustan!
+
+Rustan.
+Herr!
+
+König.
+Du kanntest nie
+Jenen Mann, der nun getötet?
+
+Rustan.
+Herr, so meinst du--?
+
+König.
+Nun, nur Gutes.
+Doch die Stimme, deren Klang
+Damals mir zu Ohren drang,
+Als du mich befreit beim Jagen,
+Schien des Manns, der nun erschlagen.
+Es kommt näher, wächst im Raum,
+Wie ein halbvergeßner Traum.
+
+Und wen klagt man an als Täter?
+
+Kämmerling.
+Herr--
+
+König.
+Du zögerst?
+
+Kämmerling.
+Wag ich's?
+
+König.
+Sprich!
+Wen zeiht man des Mordes?
+
+Kämmerling.
+Dich!
+
+König.
+Mich? Ha Torheit und Verrat!
+Nicht nur ein Sinn fehlt dem Alten,
+Alle fehlen in der Tat.
+
+(Die Vorhänge auseinanderschlagend.)
+
+Komm herein, du Mann der Torheit,
+Stumm an Zunge, an Verstand,
+Und beweise deine Klagen,
+Oder stirb von meiner Hand!
+
+(Der alte Kaleb, grau gekleidet, mit schwarzem Überwurf, weißem
+Bart und Haar, tritt, von Karkhan geleitet, eine Schrift
+emporhaltend, ein und wirft sich vor dem Könige nieder, wobei er,
+nach Art der Stummen, unartikulierte Laute ausstößt.)
+
+König.
+Nicht berühre meine Kleider,
+Bis du Widerruf getan.
+
+Zanga (leise).
+Herr, was dünkt euch?
+
+Rustan.
+Harr und schweig!
+
+Zanga.
+Diesen Mann sah ich schon früher.
+Gleicht er nicht--?
+
+Rustan.
+Ob auch! Wem immer!
+Laß uns hören, was er bringt.
+
+König (dem der Alte eine Schrift emporgereicht hat).
+Was soll ich mit diesen Zeilen?
+Zorn quillt mir im Auge heiß.
+
+(Zu dem Führer des Greisen.)
+
+Bist du einer, der da weiß?
+
+Karkhan.
+Seinem Hause nah verwandt.
+
+König.
+Nun, so sprich, was dir bekannt.
+
+Karkhan.
+Was man sagt, nicht was ich meine.
+Jenen Toten, dir bewußt,
+Fanden wir im Abendscheine,
+Einen Dolch in seiner Brust.
+Und der Dolch--er war der deine.
+
+König.
+Mein Dolch? Wie?
+
+(Seinen Dolch halb ziehend.)
+
+Hier ist mein Dolch.
+
+Karkhan.
+Jenen Dolch, den du beim Jagen
+Pflegtest in dem Gurt zu tragen,
+Und auch trugst zu jener Zeit,
+Da ein Wunder dich befreit.
+
+König (zu Rustan tretend, halblaut).
+Rustan, dir gab ich den Dolch,
+Der im Wahnwitz der Gefahr
+Meiner Hand entfallen war.
+Bring ihn her! Gib mir ihn wieder!
+Du entfärbst dich?--Rustan! Rustan!
+Jener Mann, den sie beschrieben,
+Ward durch mich vom Hof vertrieben,
+Weil sein Trachten, frech gesinnt,
+Sich erhob zu meinem Kind.
+Also denn dein Nebenbuhler!
+Rustan! Rustan! Und die Stimme,
+Die von jenem Felsen sprach,
+Und nun auftaucht, hell und wach,
+Sie glich jenes Mannes Stimme,
+Der nur jetzt des Mörders Grimme,
+Unbekanntem Tod erlag.
+Rustan, gib den Stahl mir wieder.
+
+(Laut.)
+
+War's ein Dolch mit grünen Steinen?
+
+Karkhan.
+Mit Smaragden reich besetzt;
+Tief im Busen eingetrieben,
+Wo er graß zusammenhielt
+Den durchnäßten braunen Mantel.
+
+König.
+Braunen Mantel?--Stand am Felsen
+Bleich und hager--du standst seitwärts.
+Oben er, und schoß--Wer traf?
+Rustan, Rustan!--Sprich nicht jetzt!
+Nicht ein Wort, das dich gereuet.
+Ich will hin, den Toten sehn,
+Du magst nach dem Dolche gehn. Alter, folg! und folget ihr!
+
+(Zu Rustan tretend.)
+
+Auf! zerstreue diese Wolke!
+Denn Rechtfert'gung schulden wir,
+Ich, der Fürst, dem ganzen Volke,
+Du, der Sohn und Bürger, mir.
+
+(Er geht, von Kaleb und seinem Gefolge begleitet ab.)
+
+Zanga.
+Herr, was nun?
+
+Rustan.
+Das fragst du mich?
+Du, der sonst so überreichlich
+Mittel wußte, Kniffe, Ränke,
+Der mich bis hierher geleitet;
+Losgerissen von der Heimat,
+Mich die Würfel hieß ergreifen
+Zu des Glückes falschem Spiel?
+Dessen Zunge Schmeichellaut
+Ich, ein Törichter, vertraut;
+Der mit Lügen und mit Leugnen
+Mich verlockt, mir anzueignen,
+Was ein anderer getan;
+Abgelockt mich von der Bahn,
+Von der ebenen, geraden,
+Von des Ruhmes goldnen Pfaden.
+
+Zanga.
+Ebnen Pfaden? Schöner Wahn!
+Ach, verzeiht zu hohen Gnaden,
+Fast kommt mir ein Lachen an:
+Wackre Faust und schlichter Geist
+Fördern auch und bringen weiter,
+Etwa zu 'ner Fahne Reiter,
+Einer Hauptmannsstell' zumeist,
+Läßt mit halbzerschoßnen Knochen
+Magre Gnadensuppen kochen.
+Aber wen es höher treibt,
+Auf zu Glückes reichern Spenden,
+Wenn auch der im Fußweg bleibt,
+Mag er nur die Schritte wenden.
+Ich stellt' Euch mit einem Ruck,
+Sei's im Guten, sei's im Schlimmen,
+Auf des Berges höchsten Hang,
+Dessen Mitte zu erklimmen
+Ihr gebraucht ein Leben lang.
+
+Rustan.
+Und nun gähnt der Untergang!
+
+Zanga.
+Pah! und was ist auch verloren?
+Wenn Ihr nicht die Schlange schlugt,
+Habt Ihr doch den Feind geschlagen,
+Allen ihren künft'gen Tagen
+Heil gebracht und Sicherheit.
+Habt Ihr nicht das Heer für Euch?
+Flüchtet Euch in ihre Reihen,
+Die Euch kühn gefolgt im Streit;
+Mag dann dieser König dräuen,
+Und wer weiß, wer noch gebeut.
+Herr, nur Mut! Dort seh ich zwei
+Von den Führern unsers Heeres.
+Wie sie lauern! wie sie spähn!
+Bleibt nur hier und harrt der Dinge,
+Ich will mal sie prüfen gehn.
+
+(Er geht nach dem Hintergrunde auf den Halbkreis von Menschen zu,
+die dort zurückgeblieben sind.)
+
+Rustan.
+Folg ich ihm? benütz ich eilend
+Die Gelegenheit der Flucht?
+Schändlich! Niedrig! Greulich! Greulich,! Nicht daß ich den
+Mann erschlug.
+Hab ich ihm den Tod gegeben,
+War's, verteidigend mein Leben,
+War's, weil jener Brücke Pfad,
+Schmal und gleitend wohl genug,
+Einen nur von beiden trug.
+War's, weil er mit gift'gem Hohn
+Lauernd seine Tat versteckte,
+Und die Hand erst nach dem Lohn,
+Dem bereits gegebnen, streckte.
+War es, weil--muß ich's denn sagen
+Er und ich zwei Häupter tragen,
+Und dies Land nur eine Kron'.
+Es geschah. Allein, wenn nicht,
+Ständ', genüber seiner Tücke,
+Jetzt ich auf der Schauerbrücke,
+Es geschähe jetzt, wie da.
+Doch, daß nach durchfochtnem Krieg,
+Da mein Stern zum Scheitel stieg,
+Ich, verklagt, soll Antwort geben
+Über ein so niedrig Leben,
+Dafür tröstet mich kein Sieg. Oh, hätt' ich, o hätt' ich nimmer
+Dich verlassen, heimisch Dach,
+Und den Taumelpfad betreten,
+Dem sich Sorgen winden nach.
+Hätt' ich nie des Äußern Schimmer
+Mit des Innern Wert bezahlt,
+Und das Gaukelbild der Hoffnung
+Fern auf Nebelgrund gemalt.
+Wär' ich heimisch dort geblieben,
+Wo ein Richter noch das Herz,
+Wo kein Trachten ohne Lieben,
+Kein Versagen ohne Schmerz! Ha, und doch! zurück es lassen,
+Was mir anbeut das Geschick?
+Diese Stadt mit lauten Gassen,
+Eines Reiches fürstlich Glück?
+Wornach heiß mein Wunsch getrachtet,
+Leibhaft, wirklich, schau ich's an
+Und beim Griff der Hand umnachtet
+Mich ein gaukelhafter Wahn?
+Standen nicht der Vorzeit Helden
+Oft auf gleicher Zweifelbahn?
+Tu's! ließ Geist und Mut sich hören;
+Tu's nicht! rief das Herz sie an;
+Und sie ließen sich betören,
+Um den Zaudrer war's getan;
+Oder taten's, und wir schwören
+Nun bei dem, was sie getan. Ich will harren, ich will bleiben,
+Gähnte weit des Todes Schlund;
+Und wer's wagt, mich zu vertreiben,
+Stehe fest auf seinem Grund.
+
+(In einer Öffnung des Halbkreises, den die in der Ferne stehenden
+Menschen bilden, wird Zanga sichtbar.)
+
+Rustan.
+Zanga! Zanga!
+
+Zanga (kommt nach vorn, von einem graugekleideten alten Weibe gefolgt,
+das einen Becher trägt).
+Fort, du Hexe!
+
+Die Alte.
+Zanga, komm! gib's deinem Herrn!
+
+Zanga.
+Laß mich! Laß mich!
+
+Die Alte.
+Böser Diener!
+Sorgst du nicht um deinen Herrn?
+
+Rustan.
+Was ist das?
+
+Zanga.
+Weiß ich es selber?
+Sie verfolgt mich mit dem Becher,
+Nennt's ein Mittel, nennt's Arznei.
+
+Die Alte.
+Wohl Arznei! Du böser Diener!
+Nimm es nur, gib's deinem Herrn!
+
+Zanga.
+Laß mich, laß!
+
+Rustan.
+Wer sendet sie?
+
+Die Alte.
+Ich mich selbst, mein schöner Herr!
+Du bist krank; sieh, das erfuhr ich--
+
+Rustan.
+Krank?
+
+Die Alte.
+Ei, Sohn! Bedenklich krank!
+Wie glimmt wild dein dunkles Auge,
+Wie zuckt gichterisch der Mund!
+Gib die Hand mir, reich den Arm,
+Und ich deute dir dein Fieber.
+
+Rustan.
+Laß!
+
+Die Alte.
+Wohl krank! (ansteckend) krank!
+Einer starb schon, der dir nahte,
+Draußen liegt er auf dem Sand.
+Und der König fürchtet auch wohl,
+Daß dein Übel ihn ergreife,
+Darum harrt er, weilt mit Vorsatz,
+Will dir Zeit, mein Söhnlein, geben,
+Zu entweichen, zu entfliehn.
+
+Rustan.
+Zanga!
+
+Die Alte.
+Nun! Nur nicht verzagt!
+Sieh, mein Sohn, hier ist ein Mittel,
+Sieh den glimmernd schäum'gen Saft.
+Kaum benetzt er deine Lippen,
+Sinkt die Brandung ebbend nieder,
+Lösen sich die müden Glieder,
+Schweigt der Schmerz, erlischt der Tag,
+Zürne dann, wer zürnen mag!
+
+Rustan.
+Greulich! Greulich!
+
+Die Alte.
+Ei, ich seh wohl,
+Dich erschreckt des Trankes Anblick,
+Weil er gar so brausend zischt.
+Ei, das gibt sich, ei, das legt sich,
+Wie Begeisterung der Jugend.
+Auch, mein Sohn, in Wein gegossen,
+Wirkt ein Tropfen wie das Ganze.
+Hier steht Wein. Ha, und der Becher,
+Sieh! wie gleicht er hier dem meinen.
+Nun, ich mische dir den Trank.
+
+(Sie nähert sich dem Tischchen neben dem Ruhebette, auf dem des
+Königs Becher steht.)
+
+Rustan (sie anfassend).
+Halt!--Und Zanga!--Laß den Vorhang
+Laß des Zeltes Vorhang nieder!
+
+(Zanga zieht den Vorhang, er schließt sich.)
+
+Die Alte.
+Hi, hi, hi! Warum den Vorhang?
+Warum Decken denn und Hüllen,
+Wenn wir Rechtes nur erfüllen?
+Ei, du möchtest wohl den Trank,
+Aber auch, daß man dich zwänge!
+Ei, ich zwinge niemand, Sohn!
+Bietend reich ich meine Gaben,
+Wer sie nimmt, der mag sie haben.
+Und so stell ich hin den Becher,
+Der dich reizt, und der dich schreckt.
+Wird dein Übel, Söhnlein, schlimmer,
+Weißt du, was dir Heilung weckt.
+Doch nicht bloß an dich gebunden,
+Andern auch hilft dieser Trank,
+Macht die Kranken schnell gesunden,
+Die Gesunden freilich krank.
+
+(Sie hat den Becher auf den links stehenden Tisch gestellt.)
+
+Nun, mein Söhnlein, Gott befohlen!
+Ohne Abschied, ohne Dank!
+
+Rustan
+
+(der mit gesenktem Haupte sinnend im Vorgrunde gestanden, fährt
+jetzt empor und faßt die) Alte an).
+Halt! und nimm zurück den Becher,
+Nimm zurück ihn, deinen Trank!
+
+(Er ergreift den auf dem Tischchen rechts stehenden Becher und
+drückt ihn der Alten in die Hand.)
+
+Die Alte.
+Hi, hi, hi! Hast dich vergriffen!
+Dort steht er, der edle Trank.
+Das hier ist ja Saft der Trauben.
+
+(Sie trinkt.)
+
+Wie das labt--wie das erquickt!
+
+(Den Becher umwendend.)
+
+Leer und aus!--Nu, dir zum Heile!
+Und den Becher mir zum Lohn.
+
+(Sie steckt den Becher in ihr Gewand.)
+
+Wohlgemut, mein teurer Sohn.
+Nicht die Hand vors Aug' geschlagen!
+Was dir kommt, das mußt du tragen,
+Eine Leiche, auf dem Thron.
+Bist nun deines Schicksals Meister,
+Sprichst ein Wort im Rat der Geister,
+Trägst dein eigen Los davon. Horch! man kommt. Nun, ich will
+gehen.
+Unbesorgt! Sie sehn mich nicht.
+Ob gleich alle zu mir flehen,
+Scheut doch jeder mein Gesicht.
+Sieh dort offen eine Spalte
+In des Zeltes dünner Wand,
+Raums genug für eine Alte.
+Nun, mein Sohn, die Zukunft walte!
+Glück, Entschlossenheit, Verstand!
+
+(Sie hinkt nach der rechten Seite des Zeltes und zieht sich hinter
+die Umhänge des dort stehenden Ruhebettes zurück, blickt noch
+einmal, die Vorhänge aufhebend, hervor und wird dann nicht mehr
+gesehen.)
+
+Rustan.
+Sieh! wo kam sie hin, die Alte?
+
+Zanga.
+Herr, ich weiß nicht. Sie entschwand.
+War's dort durch des Umhangs Spalte,
+War's--mir bleibt es unerkannt.
+
+Rustan.
+Schweig, und gib das Tuch.
+
+(Auf ein dunkelrotes Tuch zeigend, das Zanga lose um den Hals
+geschlungen trägt.)
+
+Zanga.
+Das Tuch?
+
+Rustan.
+Wohl, das Tuch--so!--und nun stille!
+
+(Er hat das dunkelrote Tuch über den gleichbehangenen Tisch links
+und den darauf stehenden Becher gebreitet und steht in banger
+Erwartung.)
+(Die Vorhänge des Zeltes tun sich auf. Der König tritt ein, hinter
+ihm Kaleb, Karkhan und zwei Begleiter.)
+
+König.
+Du noch hier?
+
+Rustan.
+Wo sonst, mein König?
+
+König.
+Nun, ich dachte dich entfernt.
+Geht, ihr andern.
+
+(Zu Kaleb.)
+
+Du nur bleib!
+
+(Das Gefolge entfernt sich, die Vorhänge des Zeltes werden
+geschlossen.)
+
+König (der einem der Abgehenden den braunen Mantel und den Dolch
+abgenommen hat, die dieser trug, den Mantel auf den Boden
+hinwerfend).
+Rustan! kennst du diesen Mantel?
+Diesen Mantel, diesen Dolch?
+
+Rustan.
+Schlecht versteh ich mich auf Kleider;
+Doch auf Waffen gut, du weißt's.
+
+König.
+Nun denn: kennst du diese Waffe?
+
+Rustan.
+Wohl; es ist derselbe Dolch,
+Den du einst verlorst beim Jagen.
+
+König.
+Ich verlor? Den ich dir gab.
+
+Rustan.
+Ja, nachdem du ihn verloren,
+Und ich ihn gefunden, Herr;
+Wie ihn wohl ein andrer fand,
+Als ich selbst ihn drauf verloren.
+
+König.
+Du verlorst ihn?
+
+Rustan.
+Wohl.
+
+König.
+Ein andrer
+Fand ihn?
+
+Rustan.
+Also scheint's.
+
+König.
+Und tat
+Jener andre das Verbrechen,
+Das laut aufmahnt, es zu rächen?
+
+Rustan.
+Laß mich Herr, von dem nur sprechen,
+Was ich selber tat und weiß.
+
+König.
+Und der Mantel?
+
+Rustan.
+Herr, ich sagt' es:
+Schlecht versteh ich mich auf Kleider.
+
+König.
+Doch die Züge jenes Toten,
+Sie sind auch des Mannes Züge,
+Der mich auf der Jagd befreit.
+
+Rustan.
+Du warst damals kaum bei Sinnen,
+Erst nur hast du's selbst bekannt.
+
+König (die Schrift emporhaltend, die ihm Der alte Kaleb gab).
+Und die Schrift hier sagt so vieles,
+Zeigt, wie dem so graß Verblichnen
+Hohes Unrecht ich getan.
+
+Rustan.
+Tatst du dem Verblichnen unrecht,
+Tu nicht Gleiches dem Lebend'gen.
+Was soll mir die tote Schrift?
+Laß dir meine Taten sprechen!
+Wer schlug jene blut'ge Schlacht,
+Die dir Heil und Sieg gebracht?
+Wer befestigte die Krone,
+Halb von einem Feind geraubt,
+Wieder dir auf deinem Haupt?
+Dankst du's nicht, wenn du noch dräust,
+Dem Bedrohten, mir, zumeist?
+Ha, ich find es wohl bequem,
+Dadurch sich den Dank zu sparen,
+Daß dem Retter, daß wir dem,
+Durch den Heil uns widerfahren,
+Häufen auf des Vorwurfs Last;
+Den Berechtigten, mit Lachen,
+Zum Verpflichteten uns machen.
+König, mir gib erst mein Recht!
+Was geschehn an jenem Knecht,
+Laß uns künftig sehn und rächen.
+Jetzt erst halte dein Versprechen,
+Gib, was du mir zugesagt!
+
+König.
+Halt! Was damals ich versprach,
+Zogen andre Gründe nach!
+Wer mein Höchstes sein will sehn,
+Muß, ein Reiner, vor mir stehn.
+Reine dich vor meiner Macht!
+Noch hat niemand es erfahren,
+Was dich drücket für Verdacht;
+Zeit geb ich dir diese Nacht
+Mit dir selbst zu Rat zu sitzen,
+Was dir frommen mag und nützen.
+Aber bricht der Morgen an,
+Ohne daß du's dargetan,
+Samml' ich einen andern Rat
+Aus den Besten meines Heeres;
+Der soll sitzen und entscheiden,
+Wer im Recht ist von uns beiden.
+
+(Er wendet sich von ihm; zu Kaleb.)
+
+Alter, komm! Ich will nun lesen
+Deine Schrift, so weit sie geht.
+Was dein armer Sohn gewesen,
+Zeigt sie deutlich--nur zu spät.
+
+(Am Sofa rechts stehend.)
+
+Doch erst geh nach Licht und Wein.
+Es wird dunkel, und mich dürstet.
+Hier ließ ich, da erst ich ging,
+Stehen einen vollen Becher,
+Einen Becher Freudenwein.
+Sog ihn denn der Boden ein?
+Zwar, die Freude ist vergangen,
+Und verging denn auch der Wein?
+
+(Rustan hat ergrimmt das über dem Becher auf dem Tische links
+ausgebreitete Tuch hinweggerissen.)
+
+König.
+Doch, dort steht er. Wie er blinkt,
+Freundlich mir entgegenwinkt!
+Ach, was ist seitdem vergangen,
+Seit mein Mund an dir gehangen!
+Zanga, geh nach Licht!
+
+(Zanga geht ab.)
+
+Du, Alter,
+Bring mir her dort jenen Becher,
+Jenen frohen, holden Wein!
+Ach, vielleicht, daß von dem Glück,
+Das in mir, als ich getrunken,
+In den Kelch ein Hauch gesunken,
+Und er gibt ihn nun zurück.
+Bring den Becher, bring den Wein!
+
+(Er hat sich auf das Sofa gestreckt. Der alte Kaleb geht nach dem
+Becher auf dem Tisch links. Da er ihn bereits ergriffen, fällt ihm
+Rustan in den Arm.)
+
+Rustan.
+König, trink nicht!
+
+König.
+Und warum?
+
+Rustan.
+Nicht aus dieses Mannes Hand,
+Der durch schlau erdachte Lügen
+Ab mir deine Gunst gewandt,
+Und der töten kann, wie lügen;
+Nicht aus dieses Mannes Hand!
+
+König.
+Ruhig sei du nur zur Stund'!
+Was er sprach,
+
+(Die Schrift in seiner Hand haltend.)
+
+was hier geschrieben,
+Ist dem Wahren treu geblieben,
+Wahrheit sprach sein stummer Mund.
+Und so nehm ich mit Vertrauen
+Das Gefäß aus seiner Hand.
+Wer wird allen denn mißtrauen,
+Weil ein einz'ger nicht bestand?
+
+Rustan.
+Wohl denn! sei's zum Glück gewandt!
+
+(Er läßt den Alten los, der den Becher dem Könige bringt.)
+
+König.
+Rustan, sieh hier diesen Becher,
+Den ich erst dir zugetrunken,
+Erst als Erben und als Sohn,
+Sieh, ich halt ihn jetzt noch immer
+Mit versöhnlichem Gemüt.
+Dünkt es gut dir, aufzuklären,
+Was geschehn, was du getan;--
+Zwar nicht mehr als Sohn und Erbe,
+Da reicht Höhres nur hinan;--
+Doch mit Zeichen meiner Gnade,
+Mit Geschenken reich geschmückt,
+Sollst du ziehen deine Pfade,
+Wie kein Sterblicher beglückt.
+Laß den Frieden uns erneuen!
+
+(Den Becher emporhebend.)
+
+Rustan! Allen, die bereuen!
+
+Rustan (vor sich hin).
+Prosit!--Wen's zuerst gereut!
+
+(Er wendet sich ab.)
+(Da der König im Begriffe ist zu trinken, öffnen sich die Vorhänge
+des Zeltes und Zaziga tritt ein; hinter ihm Diener mit Lichtern und
+Wein.)
+
+König.
+Setzt die Lichter auf den Tisch,
+Und geht hin zu meiner Tochter;
+Ich will hier des Abends Kühle
+Noch ein Stündchen mir genießen.
+Erst zu Nacht erwartet mich!
+Aber fort mit den Gefäßen!
+Hier ja steht mein Freudenwein.
+
+(Er trinkt.)
+
+Nie ja trank ich so gewürzten,
+Feurig-starken, schäum'gen, dunkeln;
+Jugendähnlich gleitet er
+Durch die abgespannten Fibern
+Und die Luft im Raum erzittert
+Von dem sprühend geist'gen Duft.
+Köstlich! labend!
+
+(Er trinkt.)
+
+Zanga.
+Herr, o sieh!
+
+Rustan.
+Schweig!
+
+Zanga.
+Die Führer auch des Heeres
+Sind gewonnen, Euch zu Dienste.
+Über Undank murren sie,
+Harren Eurer.
+
+Rustan.
+Nun, ich komme.
+
+König.
+Geht ihr andern! Kaleb, bleib!
+
+(Die Diener gehen.)
+
+Laß uns sehen diese Schrift,
+Die zerstreuten einzlen Blätter,
+Die dein Sohn aus der Verbannung,
+Nebst der Schutzschrift, die wir lasen,
+Schrieb dem tiefgekränkten Vater.
+Hier stehn Namen, die ich kenne.
+Horch! und--schweig! sagt' ich beinah,
+Doch du schweigst ja jetzt und immer.
+
+(Rustan ist, den übrigen folgend, bis zu des Zeltes Ausgang
+gekommen, dort bleibt er stehen und tut, lauschend, einige Schritte
+zurück. Der König liegt lesend auf dem Sofa, an dessen Seite der
+alte Kaleb, auf den Knien niedergekauert, zuhört. Die Lichter auf
+dem Tische erhellen die Gruppe. Der übrige Teil der Bühne ist
+dunkel.)
+
+Der König (liest).
+"An den Quellen des Wahia
+Leb ich einsam, ein Verbannter,
+Nah des alten Massud Hause."
+Also schreibt dein armer Sohn
+In dem ersten seiner Blätter. "Sah dort Mirza, seine Tochter,
+Sie, die einz'ge, die vergleichbar,
+Nahe mindstens kommt Gülnaren,
+Meines Herrn erlauchter Tochter."
+Wohl erlaucht! Hättst du's bedacht,
+Dein Geschick wär' leicht und milde.
+
+(Weiterlesend.)
+
+"Rustan, Rustan, wilder Jäger!
+Warum quälst du deine Liebe,
+Suchst auf unbetretnen Pfaden
+Ein noch zweifelhaft Geschick?"
+
+(Die hintern Vorhänge werden durchsichtig und zeigen in heller
+Beleuchtung Mirza mit in dem Schoße liegenden Händen vor der Hütte
+ihres Vaters sitzend. Vor ihr steht ein Greis, in Gestalt und
+Kleidung ganz dem alten Kaleb ähnlich. Er hält eine kleine Harfe
+im Arm. Rustan, der zusammenfahrend einige Schritte zurückgewichen
+ist, macht, mit beiden Händen auf die beiden Greise zeigend, ihre
+Ähnlichkeit bemerkbar.)
+
+König (lesend).
+"Schau, sie kommt dir ja entgegen,
+Sorgt um dich mit frommen Blick,
+
+(Mirzas Gestalt erhebt sich.)
+
+Kehr zurück auf deinen Wegen,
+Wenn nicht hier, wo ist das Glück?"
+
+Rustan.
+Mirza! Mirza!
+
+(Die Erscheinung verschwindet.)
+
+König.
+Wer ist hier?
+
+Rustan (vortretend).
+Ich, mein Fürst.
+
+König.
+Und was führt her dich?
+
+Rustan.
+Nennen hört' ich meinen Namen,
+Und ich glaubte, Herr, du riefst.
+
+König.
+Nicht nach dir; doch rief ich Rustan;
+War's ein andrer gleich, der fern wohnt
+An den Quellen des Wahia.
+Doch, da hier, magst du nur bleiben.
+Manches steht wohl hier geschrieben,
+Das du deuten kannst und sollst.
+
+(Rustan zieht sich zurück.)
+
+Der König (liest weiter).
+"Rustan, Rustan! wilder Jäger"--
+
+(Einhaltend.)
+
+Wird's mir dunkel doch und wirre!
+Alter, rück die Leuchte näher,
+Schlummer, scheint's, trübt meinen Blick.
+Noch ein Schluck.
+
+(Er trinkt.)
+
+Nun, so scheint's besser.
+
+(Er liest.)
+
+"Rustan, Rustan, wilder Jäger,
+Kehr zurück auf deinen Pfaden!
+Was ist Ruhm, der Größe Glück?
+Sieh auf mich! Weil ich getrachtet
+Nach zu Hohem, nach Verbotnem,
+Irr ich hier in dieser Wüste,
+Freigestellt das nackte Leben
+Jedes Meuchelmörders Dolch."
+
+(Die Wand des Zeltes wird von neuen durchscheinend. Es zeigt sich,
+hell beleuchtet, der Mann vom Felsen. Der braune Mantel hängt
+nachschleppend über die rechte Schulter. An der linken entblößtem
+Brust nagt eine Natter, die er in der Hand hält.)
+
+König (liest).
+"Und wenn ich ihn auch zermalme,
+Wie der Hirt die Schlange tritt,
+Bin ich minder tot?"
+
+(Der Mann vom Felsen macht eine Bewegung mit der Hand, als wollte
+er die Schlange nach Rustan schleudern.)
+
+Rustan (niederstürzend).
+Entsetzen!
+
+(Die Erscheinung verschwindet.)
+
+König.
+Was ist hier?
+
+(Die Umhänge des Ruhebettes zurückschlagend.)
+
+Rustan am Boden?
+Was geschah? Sieh, Alter, hin!
+
+(Der alte Kaleb nähert sich dem Hingesunkenen.)
+
+Rustan (sich emporrichtend).
+Ist er fort? Ha, Zauberkünste!
+Und doch nur der Sinne Traum.
+
+(Nach rückwärts gewendet.)
+
+Kommst du immer, wenn's zu spät?
+Immer, wenn's bereits geschehen?
+Sieh den Becher halb geleert,
+Ganz erfüllt schon mein Geschick.
+
+König.
+Mir wird schwül, mein Innres brennt.
+Aufwärts bäumen sieh die Fluten,
+Alle Tropfen meines Blutes.
+Böser Trank.--Was war im Becher?
+Rustan! Rustan! Was im Becher?
+
+Rustan (bebend).
+Herr, weiß ich's?
+
+König.
+Und das Gefäß!
+Was nur trübte meine Augen?
+Das ist nicht derselbe Becher!
+Fremde Zeichen stehen drauf,
+Sinnlos wilde, wirre Zeichen.
+Wo mein Becher? Rustan, Rustan!
+
+Rustan (in die Knie sinkend).
+Herr, weiß ich's?
+
+Die Alte (kommt hinter den Umhängen des Ruhebettes hervor. Sie rollt
+den mitgenommenen Becher mit dem Fuße vor sich her, dem Vorgrunde zu).
+Hi, hi, hi!
+Lauf mein Rädchen,
+Spinn dein Fädchen!
+Nun und nie!
+Hi, hi!
+
+(Sie verschwindet hinter den Vorhängen.)
+(Rustan hat sich bemüht den rollenden Becher aufzuhalten und unter
+dem am Boden liegenden Mantel zu verbergen.)
+
+König.
+Welch Geräusch?--Das ist mein Becher;
+Dieser hier ein unterschobner.
+
+(Er ist vom Bette aufgestanden.)
+
+Rustan, Rustan! Heil'ge Götter!
+Ist denn niemand hier? Kein Helfer?
+Alter, komm, sei du mir Stütze!
+
+(Zu Rustan, der noch immer mit dem Becher beschäftigt ist.)
+
+Ha, umsonst verhüllst du es!
+Ewig sichtbar dein Verbrechen! Alter, hilf! Ach, ich vergehe!
+Hört denn niemand? Eilt nach Ärzten!
+Rettung! Beistand! Rache! Hilfe!
+
+(Er sinkt am Eingange des Zeltes den dort Entgegenkommenden in die
+Arme. Die Vorhänge schließen sich über der Gruppe.)
+
+Rustan (nachdem er einige Male nach dem vor ihm liegenden Becher
+gegriffen hat, ihn endlich fassend).
+Endlich! Endlich!--Ha, und dort!
+
+
+(Er hebt auch den zweiten neben dem Ruhebette liegenden Becher auf,
+die Becher in beiden Händen wechselweise betrachtend.)
+
+Eins und eins!
+
+(Mit den Augen am Boden suchend.)
+
+Wo ist der zweite?
+Eins und eins! Der zweite, wo?
+Wo der andre, andre Becher?
+
+(Er sinkt erschöpft mit dem Haupt gegen das Ruhebette.)
+
+Zanga (kommt).
+Herr! ach, alles ist verloren!
+
+Rustan (fährt empor).
+
+Zanga.
+In den Armen drauß der Seinen
+Liegt der alte Fürst vergehend.
+Seine Lippen stammeln Worte,
+Er enthüllt wohl, was geschehn,
+Was hier vorging, spricht er aus.
+
+Rustan (den Tisch neben dem Sofa von der Stelle rückend).
+Fort den Tisch hier und das Bette!
+Dort hinaus entkam die Alte;
+Da hinaus entflieh auch ich.
+
+Zanga.
+Fruchtlos, denn hier grenzt die Halle
+An des Schlosses innre Räume;
+Hier im Wege feste Mauern,
+Dort verwehrt's ein tobend Volk.
+
+Rustan.
+Hier hinaus! Mit meinen Zähnen
+Will ich an der Mauer brechen,
+Hier mit diesen meinen Armen
+Einen Rettungsweg zur Flucht.
+
+Zanga.
+All umsonst! Denn horch! man kommt.
+
+Rustan.
+Nun, so halt bereit dein Messer,
+Und wenn sie mich greifen, Zanga,
+Stoß von rückwärts mir's in Leib.
+Hörst du wohl? von rückwärts, Zanga,
+Und wenn alles erst verloren.
+
+(Er steht, auf Zanga gestützt, mit vorhängendem Haupte.)
+(Die Vorhänge des Zeltes teilen sich nach beiden Seiten. Die Stadt
+ist vom Monde hell beleuchtet. Volk erfüllt den äußern Raum.)
+
+Gülnare (von ihren Frauen gefolgt, kommt von der linken Seite und eilt nach
+dem Vorgrunde).
+Hier ist der, den ich genannt!
+
+Rustan.
+Zanga! Deinen Dolch! Gib Waffen!
+
+Gülnare.
+Herr, zu dir gehn meine Schritte.
+Tot im Staube liegt mein Vater,
+Und die wutentbrannten Mörder--
+
+Rustan.
+Wer? Wer sah's? Wer weiß? Weiß ich's?
+
+Gülnare (fortfahrend).
+Jener greise, stumme Mann,
+Der, den Tod des Sohnes rächend,
+Ausgestreckt die frevle Hand
+Nach des edlen Fürsten Leben,
+Seine Helfer und Genossen
+Ruhen nicht, bis sie dem Vater
+Mich, die Tochter, nachgesandt.
+Zwar, der Frevler ist gefangen,
+Aber mächtig sind die Seinen,
+Man befreit ihn, er kehrt wieder,
+Und vollendet sein Geschäft.
+
+Rustan.
+Zanga! Zanga! Spricht sie? Hör ich?
+
+Gülnare (kniend).
+Herr, o stoß mich nicht zurück!
+Deinen Namen auf den Lippen,
+Starb der gute, alte Vater,
+Gleich, als wollt' er seine Liebe,
+Sein Vertraun auf deinen Beistand
+Noch im Abschied von dem Leben
+Mir als letzte Erbschaft geben.
+"Rustan", sprach er, und verschied.
+Und so fleh ich denn im Staube:
+Nimm die Einsame, Verlaßne,
+Einst bestimmt zu nähern Banden,
+Nimm sie auf in deinen Schutz!
+
+(Trompeten.)
+
+Gülnare (aufstehend).
+Hörst du? Auch das Heer in Aufruhr.
+Es rückt an auf diese Mauern.
+Deinen Namen nennen sie,
+Ihren Führer, dich, als Herrn.
+Und das Volk schart sich zu ihnen,
+Alle gegen mich gerichtet,
+Ohne deinen, deinen Schutz.
+
+(Von der linken Seite, außer den Vorhängen, bringen einige
+Gewaffnete den alten Kaleb.)
+
+Gülnare.
+Siehst du dort den grauen Mörder?
+Wie er funkelt, wie er glüht!
+Weh!
+
+Zanga (die Hand an den Säbel gelegt).
+Auf ihn! Haut ihn in Stücke!
+
+(Von der rechten Seite, aus dem Hintergrunde, ziehen in Reihen
+bewaffnete Krieger und schwenken sich gegen die Mitte zu halb auf.)
+
+Gülnare.
+Dort das Heer! Ich bin verloren!
+
+Rustan (gegen Zanga und die Bewaffneten, die den alten Kaleb bedrohen).
+Halt!
+
+(Gegen die Reihen der Krieger.)
+
+Und ihr!
+
+(Auf Kaleb.)
+
+Was er verbrochen,
+Ob er schuldig, ob er's nicht,
+Übergebt ihn meiner Obhut
+Und bestellet ein Gericht.
+
+(Gegen das Heer.)
+
+Und ihr andern, wackre Krieger,
+Aber schuldig jetzt--gleich mir!
+
+(Er wirft sich vor Gülnaren nieder.)
+
+Werft, gleich mir, euch hin im Staube.
+Eure Herrscherin steht hier!
+
+(Die vordersten des Heeres knien, die übrigen senken die Lanzen.)
+
+Gülnare.
+Habe Dank!--Euch sei verziehen!
+Allzu glücklich, als Empörer,
+Daß, was ihr mit Trotz begehrt,
+Eure Fürstin frei gewährt.
+
+(Man hat den Turban des Königs gebracht und die Krone davon
+abgelöst.)
+
+Dieses Landes Herrscherschmuck,
+Er bleibt mein, ich geb ihn niemand,
+Sollte Tod mich übereilen,
+Niemand, keinem, auch nicht dir!
+Geben nie--wohl aber teilen!
+
+(Sie hebt die Krone in der Rechten hoch empor, während Rustan mit
+den Zeichen wilder Verzweiflung die Stirne gegen den Boden drückt.)
+
+Das Volk.
+Hoch Gülnare, unsre Fürstin!
+Hoch Gülnare, Rustan! Rustan!
+
+(Der Vorhang fällt.)
+
+
+
+
+
+
+Vierter Aufzug
+
+(Saal im Königlichen Schlosse, links und rechts Seitentüren. Im
+Hintergrunde links der Haupteingang, daneben ein alkovenartiger
+Raum, durch einen Vorhang bedeckt. Rechts im Vorgrunde ein Tisch
+und Stuhl.
+Rustan, kostbar gekleidet, einen goldenen Reif im Haar, kommt
+hastig durch den Haupteingang. In demselben Augenblicke tritt
+Zanga durch die Seitentüre links ein. Rustan bedeutet ihm mit auf
+den Mund gelegtem Finger, umzukehren. Zanga zieht sich durch die
+Tür zurück. Rustan selbst tritt in den durch den Vorhang
+abgeschlossenen Raum. Karkhan und zwei seiner Verwandten kommen
+durch den Haupteingang.)
+
+Karkhan.
+Hierher kommt, und folgt mir, Freunde!
+Was ich längst bei mir beschlossen,
+Jetzt und jetzo führ ich's aus.
+Könnt ihr länger es mit ansehn,
+Wie der eingedrungne Fremde
+Eurer und der Euren spottet?
+Jeden Tag an Kühnheit wachsend,
+Jede Stunde an Gewalt?
+Schwinden täglich nicht die Besten,
+Denen seine Furcht mißtrauet,
+Unbemerkt aus unsrer Mitte?
+Wie? Wohin? Wer kann es wissen?
+Und sein Helfer, jener Schwarze,
+Den der Abgrund ausgespien,
+Stachelt tückisch seine Kühnheit
+Bis zu selbstvergeßner Wut.
+Wo ist Recht noch und Gericht?
+Schmachtet nicht mein alter Ohm,
+Er, der sprachlos Unglücksel'ge,
+Schwarzer Frevel falsch beschuldigt,
+Ungehört und unvernommen,
+Rechtlos hinter schwarzen Mauern,
+Überwiesen, weil verklagt?
+Oh, daß ein gerechter Richter
+Mit den Augen, statt den Ohren,
+Hörte seine stumme Sprache,
+Die er spricht, der Unglücksel'ge,
+Statt mit Lippen, mit der Hand;
+Manche Zweifel würden schwinden,
+Manche Rätsel würden klar;
+Die jetzt, richtend, andre binden,
+Stellten selbst sich schuldig dar. Ha, ihr schweigt? Blickt auf
+den Boden?
+Seid ihr Männer, wagt's zu sein!
+Folgt mir! Hier der Fürstin Zimmer,
+Wir zu drei, wir treten ein,
+Klagen ihr des Landes Nöten,
+Klagen ihr die eigne Not,
+Zeigen ihrem Schamerröten,
+Wie so machtlos ihr Gebot.
+Oh, ich weiß, sie seufzet selber
+Unter jener Ketten Last,
+Die der Fremde um sie herschlingt
+Wie um eine Sklavin fast.
+Laßt uns auf die Hohe richten,
+Meinem Oheim werde Recht;
+Frei und laut vor allem Volke
+Tue sich Verborgnes kund,
+Und wer schuldig, und wer schuldlos,
+Richte weiser Richter Mund.
+Einen Schritt schon tat ich selber,
+Einen schon hab ich gewagt--
+Doch ein Tor, der früher sagt,
+Was getan erst nützt und frommt.
+Kommt und folget mir zur Fürstin,
+Dort allein ist Schutz und Halt;
+Dieser Tag, er sei der letzte
+Eingedrungner Machtgewalt.
+
+(Sie gehen auf die Seitentüre rechts zu.)
+
+Rustan (der während der letzten Worte hinter dem Vorhange
+hervorgetreten ist, verstellt ihnen den Weg).
+Halt noch erst! Gebt euch gefangen!
+
+Karkhan.
+Welchen Rechtes?
+
+Rustan.
+Hochverräter!
+Zanga! Wachen! Wachen! Zanga!
+
+(Die drei ziehen die Dolche.)
+
+Rustan.
+Zieht nur aus die feigen Waffen,
+Nicht ein Heer von euresgleichen
+Fürcht ich, einzeln, wie ich bin.
+
+(Aus der Seitentüre links kommt Zanga, durch die Mitteltüre ein
+Hauptmann mit Soldaten.)
+
+Rustan.
+Schafft sie fort, die Hochverräter!
+
+Karkhan.
+Hochverräter? Wir?
+
+Rustan.
+Ihr leugnet's?
+Blinkt nicht noch in euren Händen
+Der Empörung frecher Stahl?
+Oh, ich kenne euer Treiben!
+In dem Innern eurer Häuser
+Lauern meine wachen Späher,
+Was ihr noch so leis gesprochen,
+Reicht von fern bis an mein Ohr.
+Fort mit ihnen, ohne Zaudern! Ich will dieses Land durchflammen
+Wie ein reinigend Gewitter,
+Niederschmettern seine Stämme,
+Aus dem Grund die Wurzeln haun
+Und dem Boden, wenn gereutet,
+Neuen Samen anvertraun!
+Fort mit ihnen!
+
+(Der Hauptmann hat sich Karkhan genähert, der mit einer bittenden,
+stummen Gebärde, auf die Tür der Königin zeigend, ihn einzuhalten
+bittet.)
+
+Rustan (zu Zanga im Vorgrunde, leise).
+Aber du
+Geh zum Kerker jenes Alten,
+Den ich selbst dem Licht erhalten,
+Die Notwendigkeit gebeut:
+Schaff ihn fort!
+
+Zanga.
+Wohl, Herr, doch wie?
+
+Ein Kämmerer (kommt aus der Seitentür rechts).
+Herr, die Königin läßt fragen,
+Welch Geräusch in ihren Zimmern--?
+
+Rustan.
+Früh genug soll sie's erfahren,
+Wenn getan, was not zu tun.
+
+(Der Kämmerer geht wieder ab.)
+
+Rustan (zu Zanga leise).
+Schaff ihn fort aus diesen Mauern!
+Laß mit vorgehaltnem Dolch
+Ihn geloben teure Eide;
+Aber, von Gefahr bedrängt,
+Besser er, als--merk--wir beide!
+
+(Zanga zieht sich zurück, während des Folgenden geht er leise fort.)
+
+Rustan (die Gefangenen erblickend).
+Ihr noch hier? Fort mit den Frevlern!
+
+Hauptmann.
+Herr, die Königin naht selber.
+
+(Er zieht sich zurück.)
+
+(Zwei Kämmerlinge haben die Seitentüre geöffnet. Gülnare tritt
+heraus mit Begleitung.)
+
+Gülnare.
+Man verweigert die Erklärung
+Dem von mir gesandten Diener.
+Hier bin ich, mein eigner Bote,
+Um zu fragen, was geschah.
+
+Rustan (auf Karkhan zeigend).
+Führt sie fort!
+
+Gülnare.
+Wer sind die Leute?
+
+Rustan.
+Hochverräter.
+
+Karkhan.
+Unterdrückte,
+Die zu deinen Füßen flehn.
+
+(Die drei knien.)
+
+Gülnare.
+Laßt sie sprechen.
+
+Rustan.
+Einverstanden
+Mit dem alten grauen Frevler,
+Der nur allzu leicht gebüßt--
+
+Karkhan.
+Einverstanden, wenn er schuldlos,
+Doch sein Feind, wenn er der deine.
+Nicht Verzeihung und nicht Schonung,
+Nur Gehör bitt ich für ihn;
+Was Verbrechern selbst zuteil wird,
+Eines Richters Aug' und Ohr.
+
+Gülnare.
+Billig scheint, was sie begehren.
+
+Rustan.
+Wär' es so, würd' ich's gewähren.
+
+Gülnare.
+Und wenn ich's nun selber wünsche?
+
+Rustan.
+Wünsche! Wünsche!
+
+Gülnare.
+Und befehle.
+
+Rustan.
+Ließe gleich sich mancherlei
+Noch entgegnen diesem Spruche,
+Der ein Wunsch und ein Befehl;
+Doch, gefällig gegen Damen,
+Füg ich gern mich unbedingt.
+Und schon sandt' ich meinen Diener,
+Der den vielbesprochnen Alten
+Hin vor seinen Richter bringt.
+
+Karkhan.
+Trifft ihn der, ist er verloren.
+Sende selbst nach seinem Kerker,
+Leih ihm selbst ein gnädig Ohr.
+
+Gülnare (zum Kämmerer).
+Geh denn hin, und führ ihn vor.
+
+Rustan.
+Halt!
+
+(Dem Kämmerer den Weg vertretend.)
+
+Gülnare.
+Ich sprach!
+
+(Der Kämmerer geht ab.)
+
+Rustan.
+Nun wohl, ich sehe,
+Was ein Bund mir schien der Kleinen,
+Und ein Anschlag in geheim,
+Ist ein offenkundig Bündnis
+Zwischen Hohen, zwischen Niedern,
+Gift von Schlangen und Insekten
+Auf des Leuen Untergang.
+Und auf nichts Geringres zielt man,
+Als den überläst'gen Vormund,
+Der mit seines Armes Walten
+Weiberhafter Launen Willkür
+Fern von diesem Reich gehalten,
+Einzuschüchtern, wenn nicht mehr.
+
+Gülnare.
+Was es sei, es wird sich zeigen,
+Bringt man erst den Alten her.
+
+Rustan.
+Eines nur hast du vergessen:
+Daß des weiten Landes Beste
+Meinem Arm ihr Heil vertraun.
+Meinem Rufe folgt dein Krieger,
+Und dein Höfling meinem Wort;
+Zutraunsvoll der stille Bürger
+Sieht nach mir, als seinem Hort.
+Ja, der Diener, den du sandtest,
+Jenen Alten zu befrein,
+Kehrt erfolglos von der Pforte,
+Läßt nicht mein Geheiß ihn ein.
+Denn des festen Turmes Wache
+Steht in meiner Fahnen Eid,
+Mit dem Kopf bezahlt der Schwache,
+Der ihn ohne mich befreit.
+Längst schon dieses Tags gewärtig,
+Sah ich so mich weise vor:
+Wer von Gnade lebt, ist zaghaft,
+Wer auf Dank zählt, ist ein Tor.
+
+Gülnare.
+Wie nur allzu schnell enthüllst du,
+Was die Ahnung längst befürchtet.
+Vater, Vater! Welchem Schützer
+Gabst dein Liebstes du in Haft!
+
+Rustan.
+Er wohl wußte, wem zu trauen:
+Nicht der blöden Scheu, der Kraft.
+
+Karkhan.
+Fürstin, sei du nicht beklommen,
+Noch ist alles nicht verloren,
+Mancher Helfer bleibt dir noch.
+Meine Freunde stehn in Waffen,
+Und was lange still beschlossen,
+Frei und offen künd ich's nun.
+Während hier zu dir ich spreche,
+Sprechen sie zu deinem Volke,
+Schütteln ab das feige Joch.
+Und schon, dünkt mich, hat's begonnen,
+Denn der Helfer seiner Taten,
+Sieh, verschüchtert, stumm, beklommen,
+Wie nach schlecht vollbrachtem Auftrag,
+Kehrt er wieder, ist er da.
+
+Zanga (ist mit allen Zeichen der Verwirrung eingetreten und hat
+sich in Rustans Nähe gestellt).
+
+Karkhan.
+Und herauf die weiten Stiegen
+Dringt ein bunt verworrnes Rauschen,
+Wie von Tritten, wie von Stimmen.
+Ja, dein Volk führt deine Sache,
+Und es kam der Tag der Rache.
+Siehst du dort? Mein Ohm ist frei!
+
+(Der alte Kaleb erscheint an der Türe. Bewaffnetes Geleite hinter
+ihm.)
+
+Rustan (zu Zanga).
+Tor und Schurke!
+
+Zanga.
+Herr, gar alt
+Ist der Spruch: vor Recht Gewalt.
+
+(Der alte Kaleb ist eingetreten. Da er Rustan erblickt, will er
+wieder zurück.)
+
+Gülnare.
+Bleib du nur und fürchte nichts.
+Ich bin hier zu deinem Beistand.
+Ja, man braucht dein einfach Zeugnis
+Über einen wicht'gen Punkt,
+Den noch Nebel dicht umwallen,
+Und nur dir bekannt von allen:
+Deut uns deines Königs Tod.
+
+Rustan.
+Er ihn deuten? Raserei!
+Er, der selbst der Tat verdächtig,
+Überwiesen wohl sogar,
+Der in jener grausen Stunde
+Schuldig hieß in jedem Munde,
+Stellt sich jetzt, ein Kläger, dar?
+
+Gülnare.
+Der Verdacht der ersten Stunde
+Ist darum nicht immer wahr.
+Wohl hab ich seitdem vernommen,
+Daß der König, als er hinging
+In den letzten, tiefen Schlaf,
+Diesen hier als Freund umfangen,
+Ihm vertraut die letzten Worte;
+Und er wußte, wer ihn traf.
+
+(Der alte Kaleb ist auf die Knie gesunken, und streckt flehend die
+Hände empor.)
+
+Rustan.
+Ha, vortrefflich ausgesonnen,
+Nur nicht auch so leicht vollbracht.
+Du vergißt, daß hier dein Zeuge,
+Daß er lautlos wie die Nacht,
+Und mit Blicken und mit Mienen,
+Die ihr schlau ihm beigebracht,
+Kann vor Kindern er bestehen,
+Nicht vor der Gesetze Macht.
+
+Gülnare.
+Und du selber hast vergessen,
+Daß der Mensch in seiner Weisheit
+Längst ein Mittel ausgedacht,
+Zu verkörpern seine Laute,
+Festzuhalten, was gedacht.
+Dort ein Tisch, Papier und Feder,
+Mit zwei Zügen ist's vollbracht,
+Und ein ärmlich Blatt erhellet
+Des Geschehnen dunkle Nacht.
+Setzt ihn hin und laßt ihn schreiben,
+Ihn beschützet meine Macht.
+
+(Der Alte ist von seinen Verwandten an das Tischchen rechts im
+Vorgrunde gesetzt worden. Man hat ihm Schreibgeräte gegeben.)
+
+Rustan.
+Mag er schreiben, mag er lügen,
+Gleichviel wen, ob mich es trifft.
+
+(Den Säbel in der Scheide emporhaltend.)
+
+Meine Feder birgt die Scheide,
+Blut'ge Wunden meine Schrift.
+Geifre Wurm! ich geh, zu ordnen,
+Was unschädlich macht dein Gift.
+
+(Er geht nach dem Hintergrunde zu, bleibt aber in der Mitte, halb
+gegen den Alten gewendet, erwartend stehen.)
+
+Karkhan (zu dem Alten).
+Zittre nicht, sei nicht beklommen,
+Ist es doch schon halb vollbracht!
+Silben bilden sich und Worte.
+
+(Lesend.)
+
+"Eures Königs Mörder--"
+
+Rustan (mit heftiger Bewegung, den Säbel halb aus der Scheide gezogen).
+Halt!
+
+(Der Alte fährt erschreckt empor und hält sich zitternd am Tische
+fest, die Feder entsinkt seiner Hand und fällt auf der rechten
+Seite des Tisches zur Erde.)
+
+
+
+Rustan.
+Ich verbiete, daß er schreibe!
+
+Gülnare.
+Ich befehle, daß er's soll!
+
+Rustan.
+Stellt ihn mir! Mir fest ins Auge
+Mag er schauen und vergehn!
+Oder ihr, die ihr so eifrig
+Seine Meuterkünste fördert.
+Ist hier Landes denn nicht Sitte,
+Daß in Fällen dunklen Rechts,
+Wo's an Licht fehlt und Beweisen,
+Beide Teile sich zum Zweikampf
+Stellen mit geschärften Eisen?
+Auf! Wer ficht für diesen Alten?
+Ich will Gegenpart ihm halten.
+
+Gülnare.
+Nicht wer stärker, wer im Recht,
+Zeige Einsicht, statt Gefecht!
+Schreib du nur! Wo ist die Feder?
+Er verlor sie, bringt ihm neue.
+
+Zanga (der während des Vorigen, in Absätzen sich von seinem Herrn
+entfernend, von rückwärts auf die rechte Seite des Vorgrundes
+gekommen ist).
+Neu ist gut, doch alt ist besser.
+
+(Er hebt die am Boden liegende Feder auf.)
+
+Hier die Feder!
+
+(Rasch nach dem Eingange blickend.)
+
+Doch wer naht?
+
+(Die Blicke der Nächststehenden folgen den seinigen und wenden sich
+nach der Türe.)
+
+Zanga.
+Alter, hier!
+
+(Er reicht ihm die Feder mit der linken Hand. Während der Alte
+zögernd darnach greift, fährt Zanga mit der Rechten, in der er den
+Dolch verborgen hält, ihm entgegen und verwundet ihn.)
+
+Doch sieh dich vor!
+(Der Alte sinkt mit einem unartikulierten Schmerzenslaut in den
+Stuhl zurück, die verwundete Rechte mit der Linken, später mit
+einem Tuche bedeckend.)
+
+Gülnare (nach dem Alten blickend).
+Ha, was ist? Du bist verwundet?
+
+
+(Zanga hat die Hand, in der er den Dolch hält, rasch auf den Rücken
+gelegt, und sucht den Hintergrund und die Seite zu gewinnen, wo
+sein Herr steht.)
+
+Gülnare.
+Wo der Täter? Schließt die Türen!
+
+Karkhan.
+Dieser war's! Seht ihr das Blut?
+Seht den Dolch in seinen Händen!
+Greift ihn!
+
+Zanga.
+Herr, errett, beschütze!
+
+Gülnare.
+Schütz ihn, ja, und hab's nicht Hehl!
+War die Tat doch dein Befehl!
+
+Rustan.
+Mein Befehl? Der ich vor allen
+Wünschen muß, daß dieser Mann,
+Der allein den gift'gen Argwohn
+Mir vom Haupt entfernen kann,
+Daß er lebe, daß er fähig--
+Mit der Hand, wenn stumm sein Mund
+Auszusagen, was ihm kund;
+Und ich sollt' ihn selbst verletzen,
+Selbst Unmöglichkeit mir setzen,
+Mich zu reinen hier zur Stund'?
+Hat ihn dieser hier verwundet,
+Steh dafür er selber ein;
+Wer des Zeugen Worte scheuet,
+Fühlt am mindesten sich rein.
+War denn er nicht auch zugegen,
+Als der alte Fürst erblich?
+Warum einen nur beschuld'gen,
+Teilt der Schein in viele sich?
+Hat sein Arm es nicht vollzogen,
+Tat's vielleicht sein Wort, sein Rat;
+Oh, es gibt der Arten viele,
+Zu begehen eine Tat!
+Und so kehr ich ihm den Rücken,
+Wende ab von ihm den Blick;
+Ist er schuldlos, sei's zum Glücke,
+Schuldig, hab ihn sein Geschick.
+
+Zanga.
+Herr!
+
+Rustan.
+Umsonst! Der Alte zeugte.
+
+Zanga.
+Das mein Dank?
+
+Rustan.
+Verräter, Dank?
+Warst nicht du's, der mich verleitet,
+Aus der Heimat mich gerissen,
+Mich umgarnt, umsponnen mich?
+
+Zanga.
+Wohl! Nur eins dient dir zu wissen:
+Stumm der Alte, doch nicht ich!
+Sammelt euch! Ich will verkünden,
+Wie man Reich und Krone finden,
+Heben kann vom Staube sich.
+
+Rustan.
+Zanga!
+
+Zanga.
+Nun?
+
+Rustan.
+Du wolltest--?
+
+Zanga.
+Will!
+
+Rustan.
+Du hast recht! und wir sind töricht,
+Uns dem dunkeln Werk der Lügen,
+Unsrer Feinde Trug zu fügen,
+Nun, da ihre List zerstört.
+Jener Zeuge, dem sie trauten,
+All ihr Treiben auf ihn bauten,
+Ihres Hoffens einzig Pfand,
+Stumm an Zunge, tot die Hand.
+Bleib bei mir, ich will dich schützen,
+Ewig sei der Treue Band! Fürstin, ist dir sonst ein Mittel,
+Muß zum letztenmal ich fragen,
+Zu beweisen deine Klagen?
+Noch ein Zeuge? Bring ihn her!
+
+Gülnare.
+Niemand, nein, als Gott und er.
+
+Rustan.
+Gott ist endlich über allen;
+Aber nicht nur, (was) begangen,
+Sieht das (Wie) auch, das (Warum.)
+Nein, dein Zeuge hier vor Menschen
+Zeuge jetzt zum letzten Male,
+Schweige dann auf immerdar!
+
+(Er ist zum Tische getreten und hat den darauf liegenden Zettel
+ergriffen, sich damit vor den Alten hinstellend.)
+
+"Eures Königs Mörder"--Wer?
+Warst du's selbst? Du wirst's nicht sagen.
+War es jener dort, dein Neffe?
+Er, ein Heuchler, und mein Feind?
+War's des Königs eigner Mundschenk?
+Oder sie, des Fürsten Tochter,
+Die, nach Reich und Krone lüstern,
+Vorgriff seinem trägen Ende? Nicht mit Winken und Gebärden,
+Deutlich zeug vor dem Gesetz!
+
+(Mit steigender Schnelligkeit.)
+
+War's mein Diener, den ich selber
+Angeklagt im Taumelwahn?
+War's ein Zufall? war's natürlich?
+Waren's Krieger, waren's Bürger?
+
+(Einzelne mit dem Finger bezeichnend.)
+
+Jener? Der dort? Dieser?
+
+Der Alte (der sich während des Vorigen emporgerichtet und mit blitzenden
+Augen und hocharbeitender Brust dagestanden hat, stammelt jetzt in
+höchster Anstrengung, nach einigen unartikulierten Lauten).
+D-U!
+
+Gülnare.
+Spricht er?
+
+Rustan.
+Torheit! Aberwitz!
+Abgebrochne Schmerzenslaute,
+Formt ihr euch zu Sinn und Worten?
+Kannst du zeugen, wohl, so zeuge!
+Breche dann der Himmel ein.
+Gib den Namen und vollende!
+
+(Den Zettel hinhaltend.)
+
+"Eures Königs Mörder"--
+
+Der Alte (nach einigen heftigen Bewegungen plötzlich die verwundete
+rechte Hand aus der sie haltenden Linken loslassend und mit
+gebrochenen Gliedern in die Arme der Umstehenden sinkend, leise aber
+schnell).
+Rustan!
+
+Karkhan.
+Gott, er stirbt!
+
+Gülnare.
+O ew'ge Vorsicht!
+
+(Alle um den Alten beschäftigt. Pause.)
+
+Rustan.
+Zanga!
+
+Zanga.
+Herr!
+
+Rustan.
+Hast du vernommen?
+
+Zanga.
+Wohl!
+
+Rustan.
+Es ist nichts Wirklichs, sag ich.
+Truggestalten, Nachtgebilde;
+Krankenwahnwitz, willst du lieber,
+Und wir sehen's, weil im Fieber.
+
+(Es schlägt die Uhr.)
+
+Horch, es schlägt!--Drei Uhr vor Tage.
+Kurze Zeit, so ist's vorüber!
+Und ich dehne mich und schüttle,
+Morgenluft weht um die Stirne.
+Kommt der Tag, ist alles klar,
+Und ich bin dann kein Verbrecher,
+Nein, bin wieder, der ich war.
+
+(Eine Dienerin der Königin, die sich früher entfernt, kommt mit
+einem Fläschchen zum Beistande des Verwundeten zurück.)
+
+Rustan.
+Sieh, ist das nicht Muhme Mirza?
+Auch ein Nachtgebild', wie jene,
+Die dort um den Alten stehn!
+Sieh, ich hauche, sie vergehn. Wie? sie bleiben? nahen? dräuen?
+Eingetaucht denn nur von neuen,
+Laß uns nach dem Weitern sehn.
+
+Gülnare (sich von dem Alten emporrichtend).
+All umsonst! die Pulse stocken;
+Nur zu sicher, er verging.
+
+(Rustan erblickend.)
+
+Du noch hier? noch immer trotzend?
+
+Rustan.
+Fürstin, halt! und ohne Hast!
+Was hier wirklich, was geschehen,
+Wieviel mir dran fällt zur Last,
+Laß uns rechnen, laß uns abziehn,
+Mir, was mein, dir, was du hast.
+Manchen Dienst bist du mir schuldig,
+Manches Gute dies dein Land,
+Und doch schenk ich dir's zur Stunde,
+Lasse los all was dich band.
+Wähle von den reichsten Schätzen,
+Nimm die köstlichsten Provinzen,
+Kleinod, Perlen, Edelstein;
+Mir laß eine leere Wüste,
+Wo Verlangen buhlt mit Armut,
+Wo kein Gold als Sonnenschein.
+Doch die Herrschaft, sie sei mein.
+
+Gülnare.
+Dir die Herrschaft? Herrsch in Ketten!
+Nehmt gefangen ihn!
+
+Rustan.
+Bedenkt
+
+(Der Hintergrund hat sich nach und nach mit Soldaten gefüllt.)
+
+Nur ein Wort, und diese Krieger,
+Deren Abgott ich in Schlachten--
+
+Gülnare.
+Für mich, doch nicht gegen mich!
+Schau, sie fliehen deine Reihen!
+Kommt zu mir her, meine Treuen!
+
+(Die Krieger, die auf Rustans Seite gestanden haben, schließen sich
+einer nach dem andern, samt den Anführern, der gegenüberstehenden
+Reihe an.)
+
+Rustan (ihnen zurufend).
+Halt!
+
+Gülnare.
+Verlaßt ihn, der mein Feind!
+
+(Alle, bis auf einige wenige, sind übergetreten.)
+
+Rustan (den Säbel ziehend).
+Nun, wohlan, so gilt's zu fechten!
+Hier mein Säbel, Zanga, bind ihn,
+Bind ihn fest mit ehrnen Ketten.
+Will den Kampfplatz denn betreten,
+Erst im Tod laß ich den Stahl.
+
+Zanga (vor sich hin).
+Hier wird's heiß nun allzumal.
+
+(Er entfernt sich hinter Rustans Rücken durch die Seitentüre links,
+die offenstehen bleibt.)
+
+Rustan (in Fechterstellung).
+Kommt nur an! Ihr alle, alle!
+
+Gülnare (ihm entgegentretend).
+Diese nicht, sie sind nur Diener;
+Triff mich selber, hast du Mut!
+
+Rustan (zurückweichend).
+Alle, nur nicht dich!
+
+Gülnare.
+Ei, Kühner!
+Trafst den Vater; scheust du Blut?
+
+Rustan (sich vor ihr zurückziehend).
+Zanga! Zanga!
+
+Gülnare.
+Nun mag's gelten!
+Nun an euch! Nun nehmt ihn fest!
+
+
+(Sie tritt nach der rechten Seite des Vorgrundes. Die dort
+Aufgestellten, Karkhan an ihrer Spitze, wenden sich nach dem
+Hintergrunde. Gefecht.)
+
+Rustans Stimme.
+Zanga! Zanga! Meine Pferde!
+
+Karkhan.
+Fürstin, schau dort durch die Zimmer,
+Wo der Schwarze kaum entwich,
+Sieh, mit hellentflammter Fackel
+Ihn das weite Schloß durcheilen,
+Und ich sorg, er steckt's in Brand.
+
+Gülnare.
+Mag das Schloß, ich selbst vergehen,
+Fällt nur er von ihrer Hand!
+
+(Sie eilt mit ihren Dienerinnen durch die Seitentüre rechts ab.
+Der Alte ist schon früher weggebracht worden. Das Gefecht hat sich
+zur Türe des Hintergrundes hinausgedrängt. Waffenlärm. Kurze
+Pause. Dann ertönen aus der Türe links Rustans Stimme, die
+wiederholt "Zanga!" ruft. Die Szene schließt.)
+
+(Kurzes ländliches Zimmer mit einer Türe im Hintergrunde und einer
+Seitentüre rechts. Dichtes Dunkel.)
+
+Mirza (tritt mit einer Lampe, vom Hintergrunde her, auf).
+Horch! war das nicht seine Stimme?
+Übrall, dünkt mich, hör ich ihn,
+Hilfeflehend, Beistand rufend,
+Wie in tödlicher Gefahr.
+
+(An der Türe links horchend.)
+
+Und ich bin allein, und niemand
+Hört mich an und tröstet mich,
+Schilt mich töricht, nennt ihn sicher,
+Wahrhaft nichts als meinen Schmerz. Nein, ich kann es nicht
+ertragen!
+Muß ein nahes Wesen suchen,
+Auszuschütten meinen Kummer,
+Zu erleichtern dieses Herz!
+
+(An der Türe rechts.)
+
+Vater, kannst du ruhig schlafen,
+Denkst nicht mein und meiner Angst?
+
+Massuds Stimme (aus der Seitentüre rechts).
+Mirza, du?
+
+Mirza.
+Ich bin's, bin's selber.
+Wachst du, so wie ich in Kummer?
+Bist besorgt um ihn, gleich mir?
+
+Massud (von innen).
+Ist's schon spät?
+
+Mirza.
+Drei Uhr vor Tage.
+
+Massud.
+Tritt nur ein.
+
+Mirza.
+Zu dir?
+
+Massud.
+Jawohl!
+Gehn zusammen dann hinüber.
+
+Mirza.
+Wirklich?--O mein guter Vater!
+Sieh, ich komme!--Und ihr Götter,
+Euch sei er indes vertraut!
+Während ich auf andres denke,
+Während ich von anderm spreche,
+Schützet ihr den teuren Mann!
+Nicht vor Leiden nur und Nöten,
+Auch vor Wünschen und Gedanken,
+Daß kein Unheil mir ihn anficht,
+Bis mein Innres wieder bei ihm,
+Und ich wieder beten kann.
+
+Massuds Stimme.
+Kommst du nicht?
+
+Mirza.
+Sie nur, hier bin ich.
+
+(Die Türe öffnend.)
+
+Schon vom Lager? Schon gekleidet?
+Oh, mein Vater! Oh, wie gut!
+
+(Sie geht hinein.)
+
+(Waldgegend. Rechts im Vorgrunde der hereinspringende Fels, im
+Hintergrunde die Brücke, wie zu Anfang des zweiten Aufzuges.
+Dunkel.
+Ferner Schlachtlärm, der sich allmählich verliert.
+Dann kommt Rustan, verwundet, auf Zanga gestützt.)
+
+Rustan.
+Zanga, schau, wie steht das Treffen?
+
+Zanga.
+Treffen? Sag vielmehr: die Flucht!
+Rings verlassen dich die Deinen,
+Und der Rest, er liegt erschlagen
+Unter Feindesschwerter Wucht.
+
+Rustan.
+Dahin kam es? Das das Ende?
+
+Zanga.
+Ei, verklage deine Hände!
+Wie man schlägt, so fliegt der Ball.
+Hättest du, so wie ich wollte,
+Als der Feind uns hart bedrängte
+In der buntverworrnen Stadt,
+Wenn du damals mir vergönntest,
+Feuerbrände einzuschleudern
+In die schreckgeleerten Gassen,
+In der Häuserreihe Zahl,
+Hätten uns wohl ziehen lassen,
+Stünde besser allzumal.
+
+Rustan.
+Ungeheuer! So viel Leben!--
+Und wer weiß, ob es gelang?
+
+Zanga.
+Ob's gelang? Da sitzt der Knoten!
+Nicht, weil's Frevel, weil's gefährlich,
+Macht's der frommen Seele bang.
+Und mit also schwankem Gang,
+Mit so ärmlich halbem Mute
+Wolltest du der Herrschaft Sprossen,
+Du den steilen Weg zum Großen,
+Du erklimmen Macht und Rang?
+Bunt gemengt aus manchen Stoffen
+Ist das Roherz der Gewalt,
+Kaum der Brand von zehen Reichen
+Gnügt, die Mischung auszugleichen,
+Die im Tiegel kocht und wallt;
+Doch ein Säkul erst im Nacken,
+Dem Vergangnen ist man hold,
+Feuer reint Metall von Schlacken,
+Und der König glänzt wie Gold.
+Doch du konntest's nicht ertragen,
+Eng der Sinn, das Aug' nur weit,
+Willst du siegen, mußt du wagen;
+Kehre denn zur Niedrigkeit!
+
+Rustan.
+Das zu hören von dem Diener,
+Von der Frevel Stifter, Helfer!
+
+Zanga.
+Helfer? Stifter? Das vielleicht!
+Aber Diener? Laß mich lachen!
+Wessen Diener? wo der Herr?
+Bist du nicht herabgestiegen,
+Nicht gefallen von der Höhe,
+Die mein Finger dir gewiesen,
+Weil dem mächt'gen Willensriesen
+Fehlte Mut zur kühnen Tat?
+Gleich umfängt uns Schuld und Strafe,
+Gleich an Anspruch, Rang und Macht;
+Und wie gleich im Mutterschoße,
+Schaut als Gleiche uns die Nacht.
+
+Rustan.
+Nun, wohlan, so rett uns beide!
+Sinn auf Mittel, steh bei mir!
+Denn welch Ausweg bliebe dir,
+Der gewußt um solche Taten?
+
+Zanga.
+Welcher Ausweg? Dich verraten!
+Oder glaubst du, kleinen Sold
+Zahlt man dem, der aus dich liefert?
+Ei, dein Kopf ist eitel Gold!
+
+Rustan (einen Hieb nach ihm führend).
+Teufel! Ungeheuer!
+
+Zanga (mit dem Schwert, das er entblößt unter dem Mantel getragen, den
+Streich auffangend und ihm den Säbel aus der Hand schlagend).
+Halt!
+Darauf war ich vorbereitet.
+Vorsicht übt man mit euch Herrn,
+Die Verzweiflung schlägt gar gern!
+Und was hält mich nun noch ab,
+Dir den langgedehnten Stahl
+Gradaus in die Brust zu stoßen,
+Übend so die eigne Rache,
+Des zertretnen Landes Sache
+Eines Streichs mit einem Mal?
+Und doch nein; schrick nicht zurück!
+Warst du gleich ein schwacher Schüler,
+Warst mein Schüler immer doch,
+Das Gebilde meiner Hände
+Ehr ich selbst zerschlagen noch.
+Fliehe du, ich bleibe hier;
+Sammle deines Glückes Trümmer,
+Sonne mich in neuem Schimmer,
+Du giltst tot. der Lohn wird mir.
+
+(Nach dem Hintergrunde zeigend.)
+
+Dort dein Weg! Nach dorthin flieh!
+
+Rustan.
+Zanga, noch zum letzten Male!
+Geh mit mir! Denk, was ich war;
+Wie die Menschen mir gehuldigt;
+Denk der Gnaden, die ich häufte
+Auch auf dich, ob deinem Haupt.
+
+Zanga.
+Als du mich des Mords beschuldigt,
+Weil du hilflos mich geglaubt?
+
+Rustan.
+Eins und alles sei vergessen!
+Bin verwundet, steh mir bei!
+Nicht des Pfads, der Gegend kundig.
+
+Zanga.
+Nicht der Gegend? Ha, ha, ha!
+Sieh um dich, es ist dieselbe,
+Wo den König du gerettet,
+Du und einer noch zumal;
+Wo du jenen andern trafst.
+Siehst du dort die dunkle Brücke?
+Sie, der erste Weg zum Glücke,
+Sei nun auch des Unheils Pfad.
+
+Rustan.
+Weh mir, weh!
+
+Zanga (auf die Brücke zeigend).
+Nach dorthin flieh!
+
+Rustan.
+Nimmermehr betret ich sie!
+Dort hinaus!
+
+(Nach der rechten Seite gewendet.)
+
+Zanga.
+Ei ja! ei ja!
+Doch bemerk nur erst die Flämmchen,
+Die die Gegend rings durchziehn.
+Sind nicht Geister der Erschlagnen,
+Krieger sind's, die Fackeln tragen,
+Suchend dich!
+
+Rustan (nach links gekehrt).
+Nun denn, zurück!
+Rück den Weg, auf dem wir kamen.
+
+(Entfernte Trompetenklänge von der linken Seite.)
+
+Zanga.
+Horch! Was dünkt dir von dem Klang?
+Die Verfolger auch im Rücken,
+Eingeengt bist du, umgarnt,
+Traust du noch nicht dem, der warnt?
+Dort dein Weg!
+
+Rustan (der den emporsteigenden Weg betreten hat, der zur Brücke
+hinanführt, stehenbleibend).
+Ich kann nicht, kann nicht!
+Daß ich jemals dir getraut!
+
+Zanga.
+Fühlst du's jetzt erst, da's zu spät?
+
+Rustan.
+O mir schwindelt, o mir graut!
+Fahles Licht zuckt durch die Gegend,
+Fieber rasen im Gehirne,
+Und die schwankenden Gestalten,
+Nicht zu fassen, nicht zu halten,
+Drehen sich im Wirbeltanz.
+Feind! Versucher! Böser Engel!
+Wohin schwandst du? Bist so dunkel!
+
+Zanga (der Mantel und Kopfbedeckung weggeworfen hat und in ganz schwarzer
+Kleidung dasteht).
+Mir ist warm, und ich bin schwarz.
+
+Rustan.
+Schlangen scheinen deine Haare!
+
+Zanga (zwei flatternde Streifen, die sein Haupt umschlingen, aus den
+Haaren ziehend).
+Bänder, Bänder! nichts als Bänder!
+
+Rustan.
+Und das Kleid auf deinem Rücken
+Dehnt sich aus zu schwarzen Flügeln.
+
+Zanga.
+Böse Falten, und doch gut auch.
+So trägt man's bei uns zulande.
+
+Rustan.
+Und zu deinen Mörderfüßen
+Leuchtet's fahl mit düsterm Glanz.
+
+Zanga (einen gestiegen kolbenartigen Körper aufhebend, der schon früher
+am Boden lag, aber erst jetzt zu leuchten anfängt).
+Faules Holz und Moderschwamm!
+Doch zu brauchen, dient als Leuchte.
+
+(Den Körper emporhaltend, der ein stärkeres Licht gibt.)
+
+Leuchtet dir hinab zum Abgrund.
+Dort hinauf! dort nur ist Rettung.
+Bist umsponnen, siehst du? Feinde!
+
+(Auf der rechten Seite des Vorgrundes treten Gewaffnete auf.)
+
+Anführer.
+Ja, er ist's! Gib dich gefangen!
+
+Rustan.
+Weh!
+
+Zanga.
+Hinauf!
+
+(Auf der linken Seite, hinter Zangas Rücken, erscheinen Krieger.)
+
+Anführer.
+Hier ist der Frevler.
+
+Zanga.
+Nur hinauf!
+
+Rustan (eilt den Weg zur Brücke hinauf).
+
+Anführer (der auf der linken Seite stehenden Krieger).
+Verrennt den Weg ihm!
+
+(Einige folgen ihm.)
+
+Rustan (erscheint neben der Brücke).
+Zanga!
+
+Zanga.
+Nur die Brücke frei noch!
+
+(Rustan hat die Brücke betreten.)
+(Auf der rechten Seite der Anhöhe erscheint Gülnare mit Gefolge und
+Fackeln.)
+
+Gülnare.
+Halt! du Blut'ger!
+
+Zanga.
+Willst du fallen
+Von des Henkers Hand, ein Feiger?
+Nun stehst du am rechten Platze!
+Stürz hinab dich in die Fluten,
+Stirb als Krieger, fall als Held!
+
+Gülnare.
+Gib dich! gib dich!
+
+(Von allen Seiten sind Krieger mit Fackeln aufgetreten. Die
+Gewaffneten dringen näher.)
+
+Zanga.
+Mir! Verloren!
+(Eine Rustan ähnliche Gestalt stürzt sich in den Strom. In
+demselben Augenblicke bricht der Fels rechts im Vorgrunde zusammen.
+Rustan auf seinem Bett liegend wird sichtbar, die beiden Knaben,
+wie am Schlusse des ersten Aufzuges, ihm zur Seite. Ein Schleier
+zieht sich über die Gegend, ein zweiter, ein dritter. Die
+Gestalten werden undeutlich. Zanga versinkt, Wolken bedecken das
+Ganze.)
+
+Rustan (sich im Schlafe bewegend).
+Weh mir, weh! ich bin verloren!
+
+(Der zu Füßen des Bettes stehende, dunkelgekleidete Knabe zündet
+seine Fackel an der brennenden des zu Häupten stehenden
+buntgekleideten an, der dafür die seine gegen den Boden auslöscht.
+Rustan erwacht. Die Knaben versinken. Die Wolken rückwärts
+verziehen sich. Das Innere der Hütte erscheint, wie im ersten
+Aufzuge.)
+
+Rustan (emporfahrend und seine Arme befühlend).
+Leb ich noch? Bin ich gefangen?
+So verschlang mich nicht der Strom?
+Zanga! Zanga! O mein Elend!
+
+Zanga (in seiner Haustracht, wie im ersten Aufzuge, tritt ein mit einer
+Lampe, die er hinsetzt).
+Endlich wach! Der Morgen graut,
+Und die Pferde stehn bereitet.
+
+Rustan.
+Unhold! Mörder! Schlange! Teufel!
+Kommst du her, um mein zu spotten?
+Sind gleich Vipern deine Haare,
+Flammen deiner Augen Sterne,
+Und ein Blitz in deiner Hand,
+Doch, ein Sterblicher, Verlockter,
+Will ich kühlen meine Rache,
+Und der Dolch hier soll versuchen,
+Ob dein Leib von gleichem Erz,
+Als die Stirn, der Grimm, das Herz.
+
+(Er hat den Dolch ergriffen, der neben seinem Bette hängt, im
+Begriff ihn zu schleudern.)
+
+Zanga.
+Hilfe! Weh, er ist von Sinnen!
+Mirza! Massud! Hört denn niemand?
+
+(Er entflieht.)
+
+Rustan.
+Er entfloh! Ich bin nicht machtlos,
+Seine Macht nicht unbezwinglich!
+Und nun fort aus diesen Räumen,
+Rings umstellt mit Todesgrauen! Nur noch erst verlöscht das Licht
+Das mich kund gibt meinen Feinden.
+
+(Er bläst die Lampe aus. Durch das breite Bogenfenster, das die
+größere Hälfte des Hintergrundes einnimmt, sieht man den Horizont
+mit den ersten Zeichen des anbrechenden Tages besäumt.)
+
+Wo die Türe? Ist kein Ausgang
+Aus den Schrecken dieser Orte?
+Muß ich hier denn untergehn?
+Horch! man kommt! So will ich teuer
+Nur verkaufen dies mein Leben;
+Tod empfangen, doch erst geben.
+
+(Er ergreift den neben seinem Bett stehenden Säbel.)
+
+(Massud und Mirza kommen. Letztere trägt eine hellbrennende
+Leuchte in der Hand.)
+
+Rustan.
+Ha, der König? und Gülnare?
+Nicht der König!--Wär' es möglich?
+Du scheinst Massud.--Mirza! Mirza!
+Seid ihr tot, und bin ich's auch?
+Wie kam ich in eure Mitte?
+Sehe wieder diese Hütte? Oh, verschwende nicht dein Anschaun,
+Diese liebevollen Blicke,
+An den Dunkeln, den Gefallnen!
+Denn was mir die Liebe gibt,
+Zahl ich rück mit blut'gem Hasse.--
+Und doch nein, dich haß ich nicht!
+Nein, ich fühl's, dich nicht.--Und dich nicht.--
+Haß?--Oh, mit welch warmen Regen
+Kommt mein Innres mir entgegen?
+Hasse euch nicht! Hasse niemand!
+Möchte aller Welt vergeben,
+Und mit Tränen, so wie ehmals
+In der Unschuld frommen Tagen,
+Fühl ich neu mein Aug' sich tragen.
+
+Mirza.
+Rustan!
+
+Rustan.
+Nein, bleib fern von mir!
+Wüßtest all du, was geschehn,
+Seit wir uns zuletzt gesehn.
+
+Mirza.
+Uns gesehn?
+
+Rustan.
+Den Tagen, Wochen--
+
+Mirza.
+Wochen? Tagen?
+
+Rustan.
+Weiß ich's? Weiß ich's?
+Furchtbar ist der Zeiten Macht.
+
+Mirza.
+War's denn mehr als eine Nacht?
+
+Zanga (in der Türe erscheinend).
+Herr, befiehlst du nun die Pferde?
+
+Mirza.
+Ach, erinnre dich doch nur!
+Gestern abends--Sag ihm's, Vater,
+Mir wird gar zu schwer dabei.
+
+Massud.
+Gestern abends, weißt du nicht?
+Wolltest du von uns dich trennen,
+Du befahlst für heut die Pferde.
+Es ist Tag, und sie sind hier.
+
+Rustan.
+Gestern abends?
+
+Massud.
+Wann nur sonst?
+
+Rustan.
+Gestern abends? Und das alles,
+Was gesehen ich, erlebt,
+All die Größe, all die Greuel,
+Blut und Tod, und Sieg und Schlacht--
+
+Massud.
+War vielleicht die dunkle Warnung
+Einer unbekannten Macht,
+Der die Stunden sind wie Jahre
+Und das Jahr wie eine Nacht,
+Wollend, daß sich offenbare,
+Drohend sei, was du gedacht,
+Und die nun, enthüllt das Wahre,
+Nimmt die Drohung samt der Nacht.
+Brauch den Rat, den Götter geben,
+Zweimal hilfreich sind sie kaum.
+
+Rustan.
+Eine Nacht? und war ein Leben.
+
+Massud.
+Eine Nacht. Es war ein Traum.
+Schau, die Sonne, sie, dieselbe,
+Älter nur um einen Tag,
+Die beim Scheiden deinem Trotze,
+Deiner Härte Zeugnis gab,
+Schau in ihren ew'gen Gleisen
+Steigt sie dort den Berg hinan,
+Scheint erstaunt auf dich zu weisen,
+Der so träg in neuer Bahn;
+Und mein Sohn auch, willst du reisen,
+Es ist Zeit, schick nur dich an!
+
+(Die durch das Fenster sichtbare Gegend, die schon früher alle
+Stufen des kommenden Tages gezeigt hat, strahlt jetzt im vollen
+Glanze des Sonnenaufganges.)
+
+Rustan (auf die Knie stürzend).
+Sei gegrüßt, du heil'ge Frühe,
+Ew'ge Sonne, sel'ges Heut!
+Wie dein Strahl das nächt'ge Dunkel
+Und der Nebel Schar zerstreut,
+Dringt er auch in diesen Busen,
+Siegend ob der Dunkelheit.
+Was verworren war, wird helle,
+Was geheim, ist's fürder nicht.
+Die Erleuchtung wird zur Wärme,
+Und die Wärme, sie ist Licht. Dank dir, Dank! daß jene Schrecken,
+Die die Hand mit Blut besäumt,
+Daß sie Warnung nur, nicht Wahrheit,
+Nicht geschehen, nur geträumt;
+Daß dein Strahl in seiner Klarheit,
+Du Erleuchterin der Welt,
+Nicht auf mich, den blut'gen Frevler,
+Nein, auf mich, den Reinen fällt. Breit es aus mit deinen Strahlen,
+Senk es tief in jede Brust:
+Eines nur ist Glück hienieden,
+Eins, des Innern stiller Frieden,
+Und die schuldbefreite Brust.
+Und die Größe ist gefährlich,
+Und der Ruhm ein leeres Spiel;
+Was er gibt, sind nicht'ge Schatten,
+Was er nimmt, es ist so viel. So denn sag ich mich auf immer
+Los von seiner Schmeichelei,
+Und von dir, noch auf den Knien,
+Fleh ich, Ohm, der Gaben drei.
+
+Mirza.
+Rustan! Vater!
+
+Rustan.
+Erst verzeih!
+Nimm, geneigt der heißen Bitte,
+Wieder auf in deine Hütte
+Den Verirrten, seine Reu'!
+
+Mirza.
+Hörst du, Vater?
+
+Massud.
+Oh, wie gerne!
+
+Rustan.
+Dann gib dem Versucher dort,
+Ihm, vor dem gewarnt die Sterne,
+Gib die Freiheit ihm, gib Gold,
+Laß ihn ziehn in alle Ferne!
+
+Zanga.
+Herr!
+
+Rustan (zu Zanga).
+Ich will's!--Ich bitte, Vater!
+
+Massud.
+Du begegnest meinen Wünschen.
+
+(Zu Zanga.)
+
+Ziehe hin, denn du bist frei!
+Nimm dir eins der beiden Pferde.
+Was des Säckels Inhalt faßt,
+Den ich gab als Reisezehrung,
+Es sei dein, nur aber scheide!
+
+Zanga.
+Wirklich frei?
+
+Massud.
+Du bist's!
+
+Zanga (gegen Rustan).
+Was sag ich?
+
+Rustan.
+Zeig den Dank, indem du gehst.
+
+Zanga.
+Ich benütz die erste Freude.
+Lebt denn wohl, ihr Guten beide!
+Schöne Jungfrau, seid bedankt.
+Und nun fort, durch Busch und Heide!
+
+(Mit einem Sprung zur Türe hinaus.)
+
+Rustan (der aufgestanden ist).
+Nun zur letzten meiner Bitten!
+Gestern abend, noch beim Scheiden,
+Ließest du mich hoffen, glauben,
+Daß hier diese, deine Tochter--
+
+Massud.
+Davon schweig, und sprich nicht weiter!
+Dies mein Haus und jede Gabe
+Teil ich mit dem Reu'gen gern,
+Doch was mehr als Haus und Habe,
+Meines Lebens tiefsten Kern,
+Damit laß für jetzt mich sparen,
+Bis die Zeiten offenbaren,
+Ob, was floh, auf immer fern.
+
+Rustan.
+Oheim, wie? und du kannst zweifeln?
+
+Massud.
+Nicht, daß jetzo du so fühlst,
+Doch vergiß es nicht, die Träume,
+Sie erschaffen nicht die Wünsche,
+Die vorhandnen wecken sie;
+Und was jetzt verscheucht der Morgen,
+Lag als Keim in dir verborgen,
+Hüte dich, so will auch ich.
+
+Rustan.
+Oheim, höre!
+
+Mirza.
+Hör ihn, Vater!
+
+Massud.
+Du auch trittst auf seine Seite?
+
+Mirza.
+Ist er doch so mild und gut.
+
+(Leise Klänge lassen sich hören.)
+
+Massud.
+Horch!
+
+Mirza.
+Mein Vater!
+
+Massud.
+Leise Töne!
+
+Mirza.
+Sprich ein Wort!
+
+Massud.
+Sie kommen näher.
+
+(Zanga und der alte Derwisch gehen außen am Fenster vorüber. Der
+Alte spielt die Harfe, Zanga bläst auf der Flöte dazu. Es ist die
+am Ende des ersten Aufzuges gehörte Melodie.)
+
+Massud.
+Ist das Zanga nicht, der Schwarze?
+Und der Greis an seiner Seite--
+
+Rustan.
+Weh! Entsetzen!
+
+Mirza.
+Und warum?
+Ist es doch der güt'ge Derwisch,
+Er, der wundertät'ge Mann,
+Der mit Raten und mit Lehren
+Vatergleich an mir getan.
+
+Rustan.
+Nun hinab, ihr dunkeln Träume!
+Vater, sprich ein gütig Wort!
+
+Massud.
+Schau, sie nahen, schau, sie kommen!
+Neigen nun sich vor der Sonnen.
+
+Mirza.
+Vater! sprichst du nicht?
+
+Massud (leise).
+Ei später!
+Laß uns horchen jetzt. Nur leis!
+
+Rustan (ebenso).
+Aber dann--?
+
+Mirza (ebenso).
+Versprich es!
+
+Massud.
+Stille!
+
+Rustan (und) Mirza (sich umfassend).
+Vater! Oheim!
+
+Massud (noch immer nach außen hinhorchend, mit der linken Hand das
+Zeichen der Einwilligung gebend, leise).
+Ja doch; sei's!
+
+(Die beiden sinken, ihn und sich umfassend, auf die Knie. Die Töne
+klingen noch immer fort.)
+
+(Der Vorhang fällt.)
+
+
+Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Traum ein Leben, von
+Franz Grillparzer.
+
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Der Traum ein Leben, by Franz Grillparzer
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER TRAUM EIN LEBEN ***
+
+This file should be named 7996-8.txt or 7996-8.zip
+
+Delphine Lettau and Mike Pullen
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+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
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+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
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+ 2500 2000 December
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+ 4000 2001 October/November
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+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
+
+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
+
+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
+
+In answer to various questions we have received on this:
+
+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
+International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
+
+Donations by check or money order may be sent to:
+
+Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+PMB 113
+1739 University Ave.
+Oxford, MS 38655-4109
+
+Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
+method other than by check or money order.
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
+the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
+[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
+tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
+requirements for other states are met, additions to this list will be
+made and fund-raising will begin in the additional states.
+
+We need your donations more than ever!
+
+You can get up to date donation information online at:
+
+https://www.gutenberg.org/donation.html
+
+
+***
+
+If you can't reach Project Gutenberg,
+you can always email directly to:
+
+Michael S. Hart <hart@pobox.com>
+
+Prof. Hart will answer or forward your message.
+
+We would prefer to send you information by email.
+
+
+**The Legal Small Print**
+
+
+(Three Pages)
+
+***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
+Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
+They tell us you might sue us if there is something wrong with
+your copy of this eBook, even if you got it for free from
+someone other than us, and even if what's wrong is not our
+fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
+disclaims most of our liability to you. It also tells you how
+you may distribute copies of this eBook if you want to.
+
+*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
+By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
+eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
+this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
+a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
+sending a request within 30 days of receiving it to the person
+you got it from. If you received this eBook on a physical
+medium (such as a disk), you must return it with your request.
+
+ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
+This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
+is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
+through the Project Gutenberg Association (the "Project").
+Among other things, this means that no one owns a United States copyright
+on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
+distribute it in the United States without permission and
+without paying copyright royalties. Special rules, set forth
+below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
+under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.
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+Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
+any commercial products without permission.
+
+To create these eBooks, the Project expends considerable
+efforts to identify, transcribe and proofread public domain
+works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
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+things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
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+codes that damage or cannot be read by your equipment.
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+[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
+receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
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+legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
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+INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
+OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
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+
+If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
+receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
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+on a physical medium, you must return it with your note, and
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+above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
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+You may distribute copies of this eBook electronically, or by
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+ if you wish, distribute this eBook in machine readable
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+ including any form resulting from conversion by word
+ processing or hypertext software, but only so long as
+ *EITHER*:
+
+ [*] The eBook, when displayed, is clearly readable, and
+ does *not* contain characters other than those
+ intended by the author of the work, although tilde
+ (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
+ be used to convey punctuation intended by the
+ author, and additional characters may be used to
+ indicate hypertext links; OR
+
+ [*] The eBook may be readily converted by the reader at
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+ form by the program that displays the eBook (as is
+ the case, for instance, with most word processors);
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+
+The Project gratefully accepts contributions of money, time,
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+Money should be paid to the:
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+
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+hart@pobox.com
+
+[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
+when distributed free of all fees. Copyright (C) 2001, 2002 by
+Michael S. Hart. Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
+used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
+they hardware or software or any other related product without
+express permission.]
+
+*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
+
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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
+
+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
+
+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
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+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
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