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| author | Roger Frank <rfrank@pglaf.org> | 2025-10-15 05:30:44 -0700 |
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Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar. + + + + +Der Traum ein Leben + +Franz Grillparzer + +Dramatisches Märchen in vier Aufzügen + + +Personen: + +Massud, ein reicher Landmann +Mirza, seine Tochter +Rustan, sein Neffe +Zanga, Negersklave +Der König von Samarkand +Gülnare, seine Tochter +Der alte Kaleb + +(stumm) + +Karkhan +Der Mann vom Felsen +Ein altes Weib +Ein Königlicher Kämmerer +Ein Hauptmann +Erster und Zweiter Anführer +Eine Dienerin Gülnarens +Gefolge und Kämmerlinge des Königs +Frauen und Dienerinnen Gülnarens +Zwei Verwandte Karkhans +Zwei Knaben. Diener. Krieger. Volk (beiderlei Geschlechts) + + + + + +Erster Aufzug + +(Ländliche Gegend mit Felsen und Bäumen. Links im Vorgrunde eine +Hütte. Neben der Tür eine Bank. Sommerabend. +Hörnertöne erschallen aus der Ferne.) + +Mirza (kommt aus der Hütte). +Horch! War das nicht Hörnerschall? +Ja, er ist's! Er kommt! Er naht! Doch so spät erst!--Warte, +Wilder, +Du sollst mir's fürwahr entgelten! +Unerbittlich will ich sein, +Schmollen will ich, zürnen, schelten, +Und nur spät--erst spät verzeihn. Ja, verzeihn! Das ist es eben, +Darin liegt das Maß des Unglücks. +Oh, man sollte grollen können, +Grollen, so wie andre fehlen, +Lang und unabänderlich, +Daß Verzeihung Preis der Beßrung +Und nicht Lohn des Fehlers schiene. +Denn es ist fürwahr nicht billig, +Daß die Strafe der Beleid'gung +Nicht einmal so lange währe, +Ach, als der Beleid'gung Schmerz. +Könnt' ich trotzig sein, wie er, +Oh, ich weiß, er wäre milder. Doch wo bleibt er? Dort herüber +Schien des Hornes Ton zu kommen. + +(Zurücktretend und nach allen Seiten blickend.) + +Dort vom Hügel steigt ein Mann +Mit des Weidwerks Raub beladen. +Ob er's ist?--Die Sonne blendet. +Scheidend an der Berge Saum, +Schüttet sie, in Glut versunken +Ihres Brandes letzte Funken +Durch die abendliche Flur +Auf des späten Wandrers Spur. Jetzo wendet er das Antlitz! +Rustan!?--Armes, oft getäuschtes Herz! +Wohl ein Jäger schreitet her, +Rasch beflügelnd seine Schritte, +In der lauten Doggen Mitte, +Wohl ein Jäger, doch nicht er. Trage, wunder Busen, trage, +Bist des Tragens ja gewohnt! + +(Setzt sich.) + +(Abend) ist's, die Schöpfung (feiert), +Und die Vögel aus den Zweigen, +Wie beschwingte Silberglöckchen, +Läuten aus den Feier(abend), +Schon bereit, ihr süß Gebot, +Ruhend, selber zu erfüllen. +Alles folgt dem leisen Rufe, +Alle Augen fallen zu; +Zu den Hürden zieht die Herde, +Und die Blume senkt in Ruh' +Schlummerschwer das Haupt zur Erde. Ferneher vom düstern Osten +Steigt empor die stille Nacht; +Ausgelöscht des Tages Kerzen, +Breitet sie den dunkeln Vorhang +Um die Häupter ihrer Lieben +Und summt säuselnd sie in Schlaf. Alles ruht, nur er allein +Streift noch durch den stillen Hain, +Um in Berges dunkeln Schlünden, +Was er hier vermißt zu finden. +Und mich martert hier die Sorge, +Und mich tötet hier die Angst. Jener Jäger, Kaleb ist's, +Sieh, sein Weib eilt ihm entgegen +Mit dem Kleinen an der Brust. +Wie er eilt sie zu erreichen! +Und der Knabe streckt die Hände +Jauchzend nach dem Vater aus. Ihr seid glücklich!--Ja, ihr seid's! + +(Sie versinkt in Nachdenken.) +(Massud kommt aus der Hütte.) + +Massud. +Mirza! + +Mirza. +Rustan! + +Massud. +Ich bin's, Mirza! +Mädchen, lässest du den Vater +In der Dämmrung so allein? + +Mirza. +Ach, verzeiht, ich wollte sehen-- + +Massud. +Ob er komme? + +Mirza. +Ach, ja wohl. + +Massud. +Nun, und--? + +Mirza. +Keine Spur. + +Massud. +'s ist spät. + +Mirza. +Nacht beinahe. Alle Jäger +Ringsum aus der ganzen Gegend +Sind zurück schon von den Bergen. +Glaubt mir, denn ich kenne alle, +Die in jenen Bergen jagen, +Muß ich sie nicht täglich zählen, +Wenn den letzten ich erwarte? +Alle Jäger sind zurück, +Er allein streift noch im Dunkeln. + +Massud. +Ja, fürwahr, ein wilder Geist +Wohnt in seinem düstern Busen, +Herrscht in seinem ganzen Tun +Und läßt nimmerdar ihn ruhn. +Nur von Kämpfen und von Schlachten, +Nur von Kronen und Triumphen, +Von des Kriegs, der Herrschaft Zeichen +Hört man sein Gespräch ertönen; +Ja, des Nachts, entschlummert kaum, +Spricht von Kämpfen selbst sein Traum. +Während wir des Feldes Mühn +Und des Hauses Sorge teilen, +Sieht man ihn bei Morgens Glühn +Schon nach jenen Bergen eilen. +Dort, nur dort im düstern Wald +Ist des Rauhen Aufenthalt, +Du bist, alles ist vergessen, +Und es scheint ihm hohe Lust, +Mal die Wildheit seiner Brust +An des Waldes Wild zu messen. +Das ist ein unselig Treiben! +Ich beklage dich, mein Kind. + +Mirza. +Scheltet drum ihn nicht, mein Vater! +War er doch nicht immer so. +Oh, ich weiß wohl eine Zeit, +Wo er sanft war, fromm und mild, +Wo er stundenlange saß +Auf dem Grund zu meinen Füßen, +Bald des Hauses Arbeit teilend, +Bald ein Märchen mir erzählend, +Bald--o glaubt mir, lieber Vater, +Er war damals sanft und gut. +Hat er seither sich verändert, +Ei, er kann sich wieder ändern +Und er wird's, gewiß, er wird's. + +Massud. +Wähnst du mich zu überzeugen, +Und kannst es dich selber nicht? + +Mirza. +Glaubt, mein Vater, dieser Sklave, +Zanga, er trägt alle Schuld. +Seit er trat in unsre Hütte, +Seit erklang sein Schmeichelwort, +Floh die Ruh' aus unsrer Mitte +Und aus Rustans Busen fort. +Rustan, wahr ist's, schon als Knabe +Horcht' er gerne großen Taten, +Übt' er gerne Ungewohntes, +Wollt' er gerne was er kann, +Wär' das schlimm? Er ist ein Mann. +Stets doch hielt er die Gedanken +In des Hauses frommen Schranken +Und gebot dem raschen Mut. +Zanga kam. Sein Hauch, verstohlen, +Blies die Asche von den Kohlen +Und entflammte hoch die Glut. Oh, ich habe sie belauscht! +Oft, wenn Rustan mir versprochen, +Nicht zu gehen nach den Bergen, +Und er still und ruhig saß; +Da trat Zanga vor ihn hin, +Und von Schlachten hört' ich's tönen, +Und von Kämpfen und von Siegen. +Hoch empor und immer höher +Stieg die Glut in Rustans Wangen, +Jede seiner Fibern zuckte, +Und die Hände ballten sich; +Aus den tiefgezognen Brauen, +Schossen Blitze wilden Feuers, +Und zuletzt-- +da sprang er auf, +Langte von der Wand den Bogen, +Warf den Köcher um den Nacken, +Und hinaus--hinaus zum Walde! + +Massud. +Armes Kind! und achtet nicht, +Hart und sorglos, der Verkehrte! +Deines Kummers, deiner Angst. + +Mirza. +Angst? Warum denn Angst, mein Vater? +Oh, ich weiß, der starke Rustan +Kennt nicht Furcht und nicht Gefahr. +Dann ist Zanga ja mit ihm. + +Massud. +(Doch) nur zwei. + +Mirza. +Er zählt für viele. + +Massud. +In der Nacht-- + +Mirza. +Er kennt den Pfad. + +Massud. +Wie so leicht ein wildes Tier-- + +Mirza. +Oh, es (flieht) das Wild den Jäger! + +Massud. +Oder gar-- + +Mirza. +Was, Vater, was? +Sprecht es aus und tötet mich! + +Massud. +Armes Kind, das ist dein Los, +Wenn dich, wie ich sonst wohl dachte, +Einst an ihn ein festres Band-- + +Mirza. +Vater, es wird kühl, wir wollen +In die Hütte doch zurück. +Eh' wir's denken, kommt auch er. + +Massud. +Nun, so sei's denn, wie es ist! +Die dort oben mögen walten. +Was ihn heut zurückehält, +Denk ich wohl beinah zu wissen. + +Mirza. +Wie? Ihr wißt? O sprecht! + +Massud. +Dein Derwisch, +Der besorgte fromme Mann, +Der dort haust in jenem Walde, +Sandte kaum nur schnelle Botschaft, +Mir zu melden, daß man sage, +Rustan habe Streit erhoben +Auf der Jagd mit einem Weidmann. + +Mirza. +Streit? Mit wem? + +Massud. +Mit Osmin, heißt es, +Unsers Emirs ältstem Sohn, +Der am Hof zu Samarkand +In des Königs Kammer dienet, +Und, mit Urlaub bei dem Vater, +Sich den Jägern beigesellt. +Rustan schlug nach ihm und-- + +Mirza. +Mehr noch? + +Massud. +Und sie griffen zu den Waffen. + +Mirza. +Waffen? + +Massud. +Doch man schied sie schnell, +Und der Streit ward ausgetragen. + +Mirza. +Doch vielleicht-- + +Massud. +Sei ruhig, Kind! +Osmin ist schon heimgekehrt +Und nichts weiter zu besorgen. +Aber Rustan ahnet wohl, +Daß mir Kunde seiner Raschheit, +Und er scheut, mir zu begegnen. +Kaum wird's vollends Nacht, so schleicht er, +Seines Oheims Blick vermeidend, +Leise wohl in sein Gemach. +Darum, Mirza, laß uns gehn; +Unsre Gegenwart, bedünkt mich, +Hielt ihn wohl so lange fern. + +Mirza. +Und Ihr zürnt ihm? + +Massud. +Sollt' ich nicht? +Siehst du mich schon flehend an? +Oh, ich weiß wohl, jedes Wort, +Tadelnd, rauh zu ihm gesprochen, +Wie ein Pfeil aus schwachen Händen, +Prallt von seinem starren Busen +Und dringt in dein weiches Herz. +Komm nur, komm! Ich will nicht schelten. + +(Beide in die Hütte ab.) +(Pause. Dann schleicht Zanga, nach allen Seiten umherspähend, +herein.) + +Zanga. +Kommt nur, Herr! die Luft ist rein! + +(Rustan tritt auf mit Bogen und Köcher.) + +Zanga. +Munter, Herr! was soll das heißen? +Warum düster und beklommen? +Was ist Arges denn geschehn? +Daß Ihr einem platten Jungen, +Der recht unverständig prahlte, +Euch zu höhnen sich erfrechte, +Etwas unsanft mitgespielt, +Das ist alles. Und was weiter? +Euer Oheim wird wohl schelten; +Sei es drum! Gönnt ihm die Lust. + +Rustan. +Glaubst du, daß ich seine Worte, +Seines Tadels Ausbruch scheue? +Nimmer brauch ich zu erröten, +Was ich tat, kann ich vertreten; +Könnt' ich's nicht, ich wär' nicht hier. +Nicht der Schmerz, den mir sein Zürnen, +Der, den es ihm selber kostet, +Macht mich seinen Anblick fliehn. +Könnt' er all doch seine Sorge, +Seine Angst um mich, mit einem, +Einem Feuergusse strömen +Auf dies unverwahrte Herz, +Und dann kalt und ruhig bleiben +Bei des Wilden Tun und Treiben, +Hier! er kühle seinen Schmerz. +Aber, daß ich sehen muß, +Wie der Nahverwandten Wünsche, +Gleich entzügelt wilden Pferden, +Nord- und südenwärts gespannt, +An dem Leichnam unsers Friedens, +Raschgespornt, zerfleischend reißen; +Daß ich sehe, wie wir beide, +Bürgern gleich aus fremden Zonen, +Bang uns gegenüberstehn, +Sprechen und uns nicht begreifen, +Einer mit dem andern zürnend, +Ob gleich Lieb' in beider Herzen, +Weil, was Brot in einer Sprache, +Gift heißt in des andern Zunge, +Und der Gruß der frommen Lippe +Fluch scheint in dem fremden Ohr: +Das ruft diesen Schmerz empor. + +Zanga. +Nun, so lernt denn seine Sprache, +Er wird Eure nimmer lernen! +Und wer weiß? An Lektionen +Läßt's der alte Herr nicht fehlen. +Bleibt im Land und nährt Euch redlich! +Auch die Ruhe hat ihr Schönes. + +Rustan. +Spotte nicht! Denk an Osmin! +Gleicher Lohn harrt gleicher Frechheit. +Ha, bei Gott! Es soll kein Prahler +Trotzig vor mich hin sich stellen +Und mich mit den Augen messen, +Den verschämten, keuschen Degen +Wiegend auf den glatten Schenkeln. +Er soll's nicht, wenn nicht sein Kopf +Härter ist als Osmins Schädel, +Tücht'ger ist als diese Faust. +Bin ich nichts, ich kann noch werden, +Rasch und hoch ist Heldenbrauch; +Was ein andrer kann auf Erden, +Ei, bei Gott! das kann ich auch. + +Zanga. +Herr, Ihr sprecht nach meinem Herzen. + +Rustan. +Wie so schal dünkt mich dies Leben, +Wie so schal und jämmerlich! +Stets das Heute nur des Gestern +Und des Morgen flaches Bild. +Freude, die mich nicht erfreuet, +Leiden, das mich nicht betrübt, +Und der Tag, der stets erneuet, +Nichts doch als sich selber gibt. +Oh, wie anders dacht' ich's mir +In entschwundnen, schönern Tagen! + +Zanga. +'s ist auch anders, muß ich sagen. +Nur Geduld! es wird schon kommen. +Zeit tut alles, Zeit und Mut. +Jener Fürst von Samarkand, +Den Osmin als Herrn genannt, +War, wie Ihr, des Dorfes Sohn, +Jetzt von Macht und Glanz umgüldet; +Ihr seid aus demselben Ton, +Aus dem Glück die Männer bildet +Für den Purpur, für den Thron. + +Rustan. +Oh, es mag wohl herrlich sein, +So zu stehen in der Welt +Voll erhellter, lichter Hügel, +Voll umgrünter Lorbeerhaine, +Schaurig schön, aus deren Zweigen, +Wie Gesang von Wundervögeln, +Alte Heldenlieder tönen, +Und vor sich die weite Ebne, +Lichtbestrahlt und reich geschmückt, +Die zu winken scheint, zu rufen: +Starker, nimm dich an der Schwachen! +Kühner, wage! Wagen siegt! +Was du nimmst, ist dir gegeben! +Sich hinabzustürzen dann +In das rege, wirre Leben, +An die volle Brust es drücken, +An sich und doch unter sich: +Wie ein Gott, an leisen Fäden +Trotzende Gewalten lenken, +Rings zu sammeln alle Quellen, +Die, vergessen, einsam murmeln, +Und in stolzer Einigung, +Bald beglückend, bald zerstörend, +Brausend durch die Fluren wälzen. +Neidenswertes Glück der Größe! +Welle kommt und Welle geht, +Doch der Strom allein besteht. + +Zanga. +Recht! Der Strom allein besteht. + +Rustan. +Schon mein Vater war ein Krieger, +Meines Vaters Vater auch, +Und so fort durch alle Grade. +Ihr Blut pocht in diesen Adern, +Ihre Kraft stählt diese Faust, +Und ich soll hier müßig träumen, +Schauen, wie sich jedermann +Lorbeern pflückt vom Feld der Ehre, +Früchte bricht vom Lebensbaum, +Und mich selbst zur Ruh' verdammen? + +Zanga. +Ihr sollt nicht! beim Himmel, nicht! +Wenn Ihr wollt, ei, Herr, so handelt! +Ja, wenn die da drin nicht wären! +Dieser Oheim, diese Muhme +Hängen Euch wie schwere Fesseln-- + +Rustan. +Laß uns von was anderm sprechen! +Von was anderm, Zanga. + +Zanga. +Seht Ihr? +Da kommt Euer weiches Herz, +Und der Vorsatz ist zum Henker. +Oh, daß ich Euch draußen hätte, +Draußen aus dem dumpfen Tale, +Auf den Höhen, auf den Gipfeln, +In der unermeßnen Welt! +Herr, Ihr solltet anders sprechen! +Seht nur erst ein Schlachtgefild', +Hört nur erst Trompeten klingen, +Und es soll Euch Kraft durchdringen, +Wie sie diese Adern füllt. +Herr, ich war mal auch so wählig, +Als ich, freilich jung genug, +Meine ersten Waffen trug. +Ging im Kopf mir hin und her, +War das Herz mir zentnerschwer; +Als es hieß: dem Feind entgegen! +Schlug's da drin mit harten Schlägen, +Und die Nacht +Vor der Schlacht +Ward gar bange zugebracht. +Doch beim ersten Sonnenstrahl +Ward mir's klar mit einem Mal. +Ha! da standen beide Heere, +Zahllos, wie der Sand am Meere, +Still und stumm +Weit hinum, +Düster, wie das Nebelgrauen, +Das noch lag auf Feld und Auen. +Durch den Duftqualm sah man's blitzen +Von dem Strahl der Eisenspitzen, +Und als jetzt der Nebel wich, +Zeigte Roß und Reiter sich, +Da fühlt' ich mein Herz sich wandeln, +Jeder Zweifel war besiegt, +Klar ward's, daß im Tun und Handeln, +Nicht im Grübeln 's Leben liegt. +Und als nun erschallt das Zeichen, +Beide Heere sich erreichen, +Brust an Brust, +Götterlust! +Herüber, hinüber, +Jetzt Feinde, jetzt Brüder +Streckt der Mordstahl nieder. +Empfangen und geben, +Der Tod und das Leben +Im wechselnden Tausch, +Wild taumelnd im Rausch. +Die Lüfte erschüttert, +Die Erde zittert +Von Pferdegestampf, +Laut toset der Kampf. +Die Gegner, sie wanken, +Die Gegner, sie weichen, +Wir, mutig und jach +Den Fliehenden nach, +Über Freundes und Feindes Leichen. Jetzt auf weitem Feld +Der Würger hält, +Überschaut die gefallenen Ähren, +Doch kann er der Freude nicht wehren. +Sieg, rufet es, Sieg! +Herr, das heißt leben! Es lebe der Krieg! + +Rustan. +Oh, halt ein! Du tötest mich! + +Zanga. +Wenn so ein Gefangener, +Ein Verkaufter spricht, ein Sklave, +Was muß erst--doch still! Genug! + +(Er zieht sich zurück.) +(Mirza kommt aus der Hütte.) + +Mirza. +Rustan! + +Rustan. +Ha, man kömmt! + +Mirza. +Du bist es! +Konntest du so lange weilen? +Oh, wir zitterten um dich. + +Rustan. +Ist es denn so ungewöhnlich? + +Mirza. +Ungewöhnlich? Das wohl nicht, +Aber schmerzlich drum nicht minder. +Sag ich mir gleich jeden Morgen: +Spät erst wird er wiederkehren, +Hoff ich dich doch immer früh; +Und der Wunsch und die Erwartung +Sind gar reich an Möglichkeiten. +Weil du ruhig bist und sorglos, +Glaubst du denn, wir wären's auch? +Immer fließen meine Tränen, +Was auch die Erfahrung spricht; +Für den Mut gibt's ein Gewöhnen, +Aber für die Sorge nicht. +Warum wendest du dich ab? + +Rustan. +Horch! Mich dünkt, dein Vater ruft. + +Mirza. +Ich soll gehn? Oh, komm du mit! +Du bist heiß, die Nachtluft kühl, +Und der müde Fuß will Ruhe. + +Rustan. +Laß nur! Hier-- + +Mirza. +Nicht doch! Du sollst! +In der Hütte ruht sich's besser +Und das Abendessen wartet. +Komm! Der Vater zürnt nicht mehr, +Alles ist vergessen.--Komm! + +(Mit Rustan in die Hütte ab.) + +Zanga. +Deut mir eins der Liebe Werke, +Ob Verlust sie, ob Gewinn? +Gibt dem Weibe Männerstärke +Und dem Manne--Weibersinn! Sei's! Man muß nicht gleich +verzweifeln! + +(Er folgt ihnen.) + +(Das Innere der Hütte. +Im Mittelgrunde ein Tisch mit den Resten einer Abendmahlzeit und +Licht, an dessen einem Ende Massud nachdenklich sitzt. Rechts im +Hintergrunde ein Ruhebett. +Mirza führt Rustan herein; bald nach ihnen Zanga.) + +Mirza. +Hier ist Rustan, lieber Vater, +Seht, er hatte sich verirrt. +Wo?--Ei gleichviel! Er ist hier. +Ja, die Wege dort im Walde +Sind verworren und verschlungen; +Bricht der Abend noch herein, +Braucht es Glück, den Pfad zu finden. +Nun, er fand ihn, Dank dem Himmel! +Künftig eilt er wohl ein wenig, +Sieht er sich die Sonne neigen. Setze dich! + +(Da Rustan neben dem Alten niedersetzen will, sich zwischen beide +drängend.) + +Nicht hier! Nein dorthin! +Ich muß bei dem Vater sitzen. +Seht doch! 's ist mein Ehrenplatz. + +(Rustan setzt sich an das andere Ende des Tisches.) + +Massud (sanft, doch ernst). +Rustan! + +Mirza (rasch einfallend). +Vater, könnt Ihr's glauben? +Racha, unsre Magd will wissen-- + +Massud. +Liebe Tochter! + +Mirza. +Wollt Ihr Wein? + +Massud. +Gönne mir ein Wort mit ihm! +Nur ein Tor verhehlt den Brand; +Wir, mein Kind, wir wollen löschen. + +Mirza. +Ihr verspracht mir-- + +Massud. +Fürchte nichts! +Doch es muß einmal zur Sprache. Sohn, seit lange schon bemerk ich, +Daß du unsern Anblick meidest. +Die Bewohner dieses Hauses +Und ihr stilles Tun und Treiben +Scheint dir nicht mehr zu gefallen. +Auf den Bergen ist dein Lager, +In den Wäldern deine Wohnung, +Und das Heulen wilder Tiere, +Sturmbewegter Bäume Dröhnen +Scheint dir lieblicher zu tönen, +Als der Nahverwandten Wort. +Rauh und düster ist dein Wesen, +Zank und Hader dein Geschäft. +Heute nur, ich hab's vernommen, +Daß du mit Osmin im Walde +Streit erregt. + +Zanga (der sich um den Tisch beschäftigt hat, einfallend). +Erregt? Mit Gunst, +Das kann ich Euch besser sagen. + +Massud. +Du? + +Zanga. +Ich hab's mit angesehn. + +Massud. +Hüte dich! + +Zanga. +Ei, wahr ist wahr! +Und erlaubt Ihr, so erzähl ich's. + +Mirza. +Hört ihn Vater, mir zulieb! + +Zanga. +Mittag war es, und die Jäger, +Von der Arbeit Last zu ruhn, +Kamen alle, wie sie pflegen, +Auf dem Wiesengrund zusammen, +Um am Rand der klaren Quelle +Mit des Weidsacks kargem Vorrat +Und Gespräch sich zu erlaben. +Unter ihnen war Osmin, +Ein verwöhnter trotz'ger Junge, +Der von Öl und Salben duftet, +Wie 'nes Blumenhändlers Laden. +Der tat denn gar breit und vornehm, +Sprach von seinen Heldentaten, +Seinem Glücke bei den Weibern, +Wie des Königs Tochter selber +Bei der Tafel nach ihm schiele, +Und was denn des Zeugs noch mehr. Meinem Herrn dort stieg die Röte +Ungeduldig ins Gesicht, +Doch, ob kochend, dennoch schwieg er. +Aber als Osmin nun fortfuhr, +Daß der Fürst von Samarkand, +Hart bedrängt von Feindeshand, +Seine Tochter und ihr Erbe, +Seines weiten Reiches Krone +Gerne gönnte dem zum Lohne, +Der ihn rette aus der Not, +Und mein Herr, von Glut ergriffen, +Angeregt von dem Gedanken, +Solcher Tat und solchen Lohns, +Aufsprang und voll Eifer fragte: +Wo der Weg nach Samarkand? +Da schlug Osmin auf ein Lachen, +Und vor Rustan hin sich stellend, +Rief er aus: "Ei, welch ein Helfer! +Heil dir, Fürst von Samarkand! +Guter Freund, bleibt fein zu Hause, +Hinterm Pfluge zeigt die Kraft!" +Da-- + +Rustan (aufspringend). +Bei Gott! ich mag's nicht denken, +Daß er lebt, der das gesagt! + +Massud. +Sohn, nur ruhig! + +Rustan. +Ruhig? Ich? +Und fürwahr, hat er nicht recht? +Was hab ich getan noch, um mich +Solchen Werks zu unterwinden? +Er hat recht, hat heute recht, +Morgen nicht mehr, leb ich noch. +Oheim, gebt mir Urlaub! + +Massud. +Wie? + +Rustan. +Seht, mich duldet's hier nicht länger. +Diese Ruhe, diese Stille, +Lastend drückt sie meine Brust. +Ich muß fort, ich muß hinaus, +Muß die Flammen, die hier toben, +Strömen in den freien Äther, +Drücken diesen heißen Busen +An des Feindes heiße Brust, +Daß er in gewalt'gem Anstoß +Breche, oder sich entlade; +Muß der auf geregten Kraft +Einen würd'gen Gegner suchen, +Eh' sie gen sich selber kehrt +Und den eignen Herrn verzehrt. +Seht Ihr mich verwundert an? +"Nur ein Tor verhehlt den Brand", +Spracht Ihr selber, laßt mich löschen. +Gebt mir Urlaub und entlaßt mich. + +Massud. +Wie, du wolltest--? + +Rustan. +Was ich muß. + +Massud. +Und denkst nicht--? + +Rustan. +'s ist bedacht. + +Massud. +So vergiltst du unsre Liebe? + +Rustan. +Nimmer sie hinfür mißbrauchen, +Das ist alles, was ich kann. + +Massud. +Rauh und dornicht ist der Pfad. + +Rustan. +Sei es! Führt er nur zum Ziele. + +Massud. +Und das Ziel, es ist verderblich. + +Rustan. +Also sagt man. Ich will's kennen. +Was man weiß, befriedigt nur. + +Massud. +Diese, mich willst du verlassen? + +Rustan. +Lange nicht, kehr ich zurück +In der Teuern liebe Mitte, +Teile wieder eure Hütte, +Oder ihr mit mir mein Glück. + +Mirza. +Rustan! + +Rustan. +Mirza! Ich verstehe. +Doch wir sehen uns ja wieder, +Doppelt glücklich, doppelt froh. + +Massud. +Magst du ihre Tränen schauen +Und dich kalt-- + +Rustan. +Ich kann nicht anders. + +Massud. +Wisse denn nun auch das Letzte: +Diese hier, sie liebt dich. + +Rustan. +Mirza! +Hier auch--doch es ist beschlossen! +Niemals, oder deiner wert! + +Mirza. +Rustan! + +Massud. +Halt! So meint' ich's nicht! +Kann er deiner, Kind, entraten, +Massuds Tochter bettelt nicht. +Zieh denn hin, Verblendeter, +Ziehe hin! und mögest du +Nie der jetz'gen Stunde fluchen. + +Rustan. +Heute noch? + +Massud(sich abwendend). +Sobald du willst. + +Rustan. +Zanga, nach den Pferden! + +Zanga. +Gern! + +Massud. +Wozu diese hast'ge Eile? +Halt! Es ist jetzt dunkle Nacht. +Ungebahnet sind die Pfade +Und gefahrvoll jeder Schritt. +Davor wahr ich dich zum mindsten. +Schlaf noch einmal hier im Hause, +Denk noch einmal, was du willst, +Trifft der Tag dich gleichen Sinnes, +Nun, wohlan, so ziehe hin! +Mirza, komm! wir lassen ihn. + +Mirza. +Vater! nur dies einz'ge Wort. +Rustan, jener alte Derwisch, +Der dort wohnt in nahen Bergen +Und den du, ich weiß, nicht liebst, +Ja, kaum einmal wolltest sehen, +Während er besorgt um dich: +Er versprach mir, heut zu kommen, +Und nur erst glaubt' ich zu hören +Seines Saitenspieles Ton, +Das er führt auf allen Wegen. +Oh, versprich mir, eh' du scheidest, +Ihn zu hören, ihn zu sprechen; +Erst, wenn fruchtlos, zieh mit Gott. + +Rustan. +Und wozu? + +Mirza. +Die letzte Bitte! + +Rustan. +Kommt er morgen früh genug, +Mag er wie die andern sprechen. + +Massud. +Nun zur Ruh'! Laß ihn sich selbst. +Jedem Sprecher fehlt die Sprache, +Fehlt dem Hörenden das Ohr. +Gute Nacht denn! + +(Er geht mit Mirza.) + +Mirza. +Rustan! + +Rustan. +Zanga! +Morgen früh die Pferde! + +Zanga. +Wohl! + +(Er folgt den beiden. Alle drei ab.) + +Rustan. +Sie sind fort!--Es pocht doch ängstlich! +Sie ist gar zu lieb und gut.-- +Ob auch!--Fort!--Ich bin erhört, +Und was lang als Wunsch geschlummert, +Tritt nun wachend vor mich hin. +Seid gegrüßt, ihr holden Bilder, +Seid mit Jubel mir gegrüßt! +Ich bin müd, die Stirne drückt, +Mattigkeit beschleicht die Glieder. + +(Nach dem Lager blickend.) + +Nun, wohlan! Noch einmal ruhn +In dem dumpfen Raum der Hütte, +Kräfte sammeln künft'gen Taten, +Dann befreit auf immerdar. + +(Er sitzt auf dem Ruhebette, Harfenklänge erklingen von außen.) + +Horch! Was ist das? Harfentöne? +Wohl der alte Klimprer nah? + +(In halb liegender Stellung, mit dem Oberleibe aufgerichtet. Er +spricht die Worte des Gesanges nach, die sich jetzt mit den +Harfentönen verbinden.) + +"Schatten sind des Lebens Güter, +Schatten seiner Freuden Schar, +Schatten Worte, Wünsche, Taten; +Die Gedanken nur sind wahr. Und die Liebe, die du fühlest, +Und das Gute, das du tust, +Und kein Wachen als im Schlafe, +Wenn du einst im Grabe ruhst." Possen! Possen! Andre Bilder +Werden hier im Innern wach. + +(Er sinkt zurück. Die Harfentöne währen fort.) + +König! Zanga! Waffen! Waffen! +(Mehrstimmige leise Musik greift in die Harfentöne ein. Zu des +Bettes Häupten und Füßen tauchen zwei Knaben auf. Der eine, +buntgekleidet, mit verlöschter Fackel, der zweite in braunem +Gewande mit brennender. Über Rustans Bette hin nähern sie einander +die Fackeln. Die des Buntgekleideten entzündet sich, der Dunkle +verlöscht die seine gegen die Erde.) +(Da öffnet sich die Wand des Hintergrundes. Wolken verhüllen die +Aussicht. Sie heben sich. Die Gegend, in der der zweite Akt +spielt, wird sichtbar, von Schleiern bedeckt. Auch diese schwinden. +Ein erster, ein zweiter. Die Gegend liegt offen da. Neben dem +im Vorgrunde stehenden Palmbaum hebt sich in weiten Ringen eine +große goldglänzende Schlange, bis zu seinen untersten Blättern +hinanstrebend nach und nach empor. Rustan macht eine Bewegung im +Schlafe.) + +(Der Vorhang fällt.) + + + + + + +Zweiter Aufzug + +(Waldgegend. Im Hintergrunde Felsen, die ein Bergstrom trennt und +eine Brücke verbindet. Rechts im Vorgrunde ein vereinzelt +stehender Fels, an dessen nach vorn gekehrter Seite ein Springquell +und daneben eine Moosbank. Gegenüber links eine einzelne Palme.) +(Rustan und Zanga kommen.) + +Rustan. +Freiheit! Ha, mit langen Zügen +Schlürf ich deinen Äther ein. +In des Morgens Purpurschein +Seh ich deine Banner fliegen, +Die auf Höhn, am Himmelszelt +Weit umher du aufgestellt; +Allen Lebenden ein Zeichen +In der Schöpfung weiten Reichen. +Freiheit! Atem der Natur, +Zeiger an der Weltenuhr, +Alles Großen Wieg' und Thron, +Nimm ihn auf, den neuen Sohn; +Laß mein Stammeln dir gefallen, +Die du Mutter bist von allen! + +Zanga. +Herr, und jetzt genug geschwärmt. +Nun laßt uns von Nöt'germ sprechen. + +Rustan. +Nötig? Nöt'germ? Oh, nicht denken, +Laß mich fühlen jetzo noch! +Nicht mehr in dem Qualm der Hütte, +Eingeengt durch Wort und Sorge, +Durch Gebote, durch Verbote; +Frei, mein eigner Herr und König. +Wie der Vogel aus dem Neste, +Nun zum erstenmal versuchend +Die noch ungeprüften Flügel. +Schaudernd steht er ob dem Abgrund, +Der ihn angähnt. Wagt er's? Soll er? +Er versucht's, er schlägt die Schwingen-- +Und es trägt ihn, und es hebt ihn. +Weich schwimmt er in lauen Lüften, +Steigt empor, erhebt die Stimme, +Hört sich selbst mit eignen Ohren, +Und ist nun erst, nun geboren. +Also fühl ich mich im Raume; +Möcht auf alle Berge steigen, +Möcht aus allen Quellen trinken, +Laub und Bäume möcht ich grüßen, +Bin ein Mensch erst und ein Mann. + +Zanga. +Sprecht nur zu, 's hat keine Eile, +Ich erfrische mich derweile. + +(Er setzt sich.) + +Rustan. +Zanga, nein! Nicht ruhn, nicht rasten, +Bis begonnen unser Werk. + +Zanga. +Unser Werk? So wollt Ihr also +Handeln, prüfen, denken, trachten? + +(Er steht auf.) + +Nun, da bin ich Euch zu Dienst. + +Rustan. +Fort, und auf nach Samarkand! +Oben nur von jenen Hügeln +Sah in seiner Türme Brand +Ich die Sonne strahlend spiegeln, +Wir sind dort, eh' sie entschwand. + +Zanga. +Nur so zu, und auf gut Glück? +Herr, um selig einst zu sterben, +Denkt bei allem mir ans Ende; +Doch wollt Ihr, ein Tücht'ger, leben, +So erwägt und prüft den Anfang, +Denn das Ende kommt von selber. +Tretet ein bei Unbekannten, +Herr, und strauchelt auf der Schwelle, +Bleibt Ihr Meister Ungeschickt, +Sprächt Ihr, wie die sieben Weisen; +Freunde, die's beim Becher wurden, +Lachen auf aus voller Kehle, +Sehn sie sich nach Jahren wieder; +Und die Braut, gefreit in Tränen, +Folgt mit Seufzern Euch durchs Leben. +Unsre Neigungen, Gedanken, +Scheinen gleich sie ohne Schranken, +Gehn doch, wie die Rinderherde, +Eines in des andern Tritt. +Drum, bei allem, was Ihr macht, +Sei der Anfang reif bedacht. Ihr geht nun nach Samarkand; +Da ist denn vor allem nötig, +Daß Ihr gleich als der erscheinet, +Der Ihr später denkt zu werden. +Euern Vater, lobesam, +Adeln wir nur gleich im Grabe, +Machen ihn zum Khan, zum Emir +Aus--Grusinien,--aus dem Monde. +So was hilft beim ersten Eintritt, +Und erreicht Ihr Eure Wünsche, +Deckt das andre der Erfolg. + +Rustan. +Gut! + +Zanga. +Ei, gut? Nu, das geht besser, +Als ich glaubte, als ich hoffte. +Euer Oheim, seine Hütte-- + +Rustan. +Arme Mirza! + +Zanga. +Ja, weil arm, +Hindert sie ein reiches Wollen. +Ahmt mir nur nicht jene nach, +Die das nahe Gut verschmähen, +Aber unerhört, getrennt,-- +Lichterloh, wie Wolle brennt,-- +Heiß in Liebesglut vergehen. +Laßt das jetzt, und seid ein Mann! Jener Fürst aus Samarkand +Ist gedrängt von seinem Feinde, +Von dem mächtgen Khan aus Tiflis, +Der um seine Tochter freite: +Ein verwöhntes, einz'ges Kind, +Das gar stolz und hochgesinnt, +Selbst den Gatten wählen möchte. +Ein geziertes, äff'ges Wesen, +Tat so was in Dichtern lesen. +Ich war erst in wirren Zweifeln, +Ob dem Stärkern, ob dem Schwachen +Zu vertrauen unsre Sachen; +Doch der Starke g'nügt sich selbst, +Und das Unglück macht erkenntlich. +Darum geht nach Samarkand, +Suchet Dienst in seinem Heere, +Und wenn an Entscheidungstagen +Ich Euch sage: losgeschlagen! +Stürzt dann in den Feind mit Macht, +Tief ins Herz der wilden Schlacht; +Augen zu, und links und rechts +Kreuzt die Blitze des Gefechts. +Fallt Ihr, war's Euch so bestimmt; +Siegt Ihr, sprechen wir vom Lohne. +Mancher fand so eine Krone. + +Rustan. +Also sei es, und so komm! + +Zanga. +Herr, nur noch ein kleines Weilchen! +Auch der Körper will sein Recht. +Hier in meines Ränzels Weite +Führ ich Kost für mäß'ge Leute, +Erst getafelt, eins gezecht, +Dann hervor die besten Kleider, +Euch als Junker angetan! +So was hilft und fördert leider! +Drauf als wackrer Edelmann +Hin zur Stadt, dem Glücke nach; +Komme dann, was kommen mag! + +Eine Stimme (hinter der Bühne). +Hilfe! Hilfe! + +Zanga. +Horch, welch Rufen? + +Stimme. +Hilfe! Hilfe! + +Zanga. +Näher kommt's. +Das beginnt mit Weh und Ach. +Abenteuer, seid ihr wach? + +(Ein reichgekleideter Mann erscheint im Hintergrunde auf der Brücke. +Er wird von einer nur je und dann auf Augenblicke sichtbaren +Schlange verfolgt.) + +König. +Keine Rettung! Hilft denn niemand? + +(Er flieht über die Brücke und verschwindet auf Der linken Seite +des Hintergrundes.) + +Zanga. +Herr, den Speer nun angefaßt! +Rasch zum Wurf mit kluger Hast. + +Der König (tritt fliehend vom Hintergrunde her links auf. Er eilt +nach vorn, während Rustan rechts, Zanga links im Mittelgrunde sich +gestellt haben). +Götter! Götter! Kein Erbarmen? + +(Er sinkt besinnungslos am Felsensitze nieder.) + +Zanga. +Werft und trefft! + +Rustan (wirft den Speer nach dem noch nicht sichtbar gewordenen Untier). + +Zanga. +Verfehlt! Nun, Herr, +Braucht die Beine, nehmt Euch Raum, +Ich erklettr' indes den Baum. + +(Im Begriffe, die auf der linken Seite stehende Palme zu erklettern.) +(Während die Schlange links im Hintergrunde zum Teil sichtbar wird +und Rustan nach dem Vorgrunde rechts flieht, erscheint auf dem +daselbst vorspringenden Felsen ein Mann in einen braunen Mantel +gehüllt mit gehobenem Wurfspieß.) + +Der Mann auf dem Felsen. +Schlechte Schützen! + +(Er wirft und heftet, durchbohrend, die Schlange an den Boden.) + +Topp! + +(Herablachend.) + +Ha, ha! +Schlechte Schützen! lernt erst treffen! + +(Verschwindet von der Höhe.) + +Zanga (vom Baum herabsteigend). +Was war das?--He, liegt die Schlange? + +Rustan. +Nicht durch mich. + +Zanga. +Nu, desto schlimmer! +Und doch gut, daß sie nur liegt. + +(Zu dem Hingesunkenen tretend.) + +Herr, das ist ein reicher Mann! +Wohl ein Fürst, vielleicht ein König. +Zieltet besser Ihr ein wenig, +Zahlten Ehren Euch und Gold. + +Rustan. +Wirst du, Glück, mir nimmer hold? + +Zanga. +Seht die Perlen, das Geschmeide!-- +Herr, und seid Ihr sicher auch, +Daß nicht Ihr, daß jener andre +Hingestreckt das grimme Tier? +Eure Lanze traf. + +Rustan. +Nicht meine. + +Zanga. +Und wo ist er, dieser andre? +Warum steigt er nicht hernieder, +Pflückt die Früchte seiner Tat? + +(Gegen den Felsen emporrufend.) + +Mann vom Felsen, Mann vom Berge, +Komm herunter, sprich mit uns! Seht, er kommt nicht, war wohl nie. +Wo auch sollt' er sein und weilen? +Ringsherum auf viele Meilen +Kein Lebendiger als wir. + +(Bei dem am Boden Liegenden.) + +Hu, am Turban, seht, die Krone! +Ich verwette Hals und Hand, +'s ist der Fürst von Samarkand. Täuschung, Augentrug das Ganze, +Herr, ich sah es, Eure Lanze +Streckte jenes Tier in Sand. + +Rustan. +Der war's, der am Felsen stand. + +Zanga. +Nun, zum Henker! Noch einmal: +Mann vom Berge, komm herunter! +Zeige dich zu dieser Frist; +Sonst negier ich frisch und munter, +Leugne, daß du warst und bist. +Seht, er kommt nicht, seht, er war nie. +Schaut umher doch in der Runde, +Niemand kann sich da verbergen; +Rings der Felsen abgeschnitten, +Auf dem Felsen selber niemand. + +Rustan. +Doch ich sah ihn. + +Zanga. +Saht und seht! +Herr, Ihr hattet Furcht, gesteht! +Und der Schrecken, wild und wilder, +Zeigt gar sonderbare Bilder. +Hier ein Mann im Fürstenschmuck, +Leichenblaß in Sand gebettet, +Und Ihr seid's, der ihn gerettet. +Nehmt die Gabe des Geschickes, +Und glaubt nur, der heut'ge Tag +Ist der Anfang unsers Glückes. + +(Hörnerklang in der Ferne.) + +Hört Ihr fernen Hörnerklang? +Zweifelt nur nicht ewig lang! +Ihr erlegtet jenes Tier; +Schoß ein andrer, schoßt auch Ihr. +Wir sind zwei hier gegen einen; +Wag er nur, es zu verneinen! + +Der Gerettete (sich emporrichtend). +Hörnerschall!--Ha, und wo bin ich? + +Zanga (zu Rustan). +Ha, nun gilt's! + +(Zum Fremden.) + +Herr, unter Freunden. +Edler Fürst! vielleicht wohl mehr noch? +Hochgeehrt nach Rang und Stande. + +Der Fremde (der aufgestanden ist). +Ich bin König dieser Lande. + +Zanga (kniend). +Herr, dein Knecht-- + + +(Rustan läßt sich in einiger Entfernung aufs Knie nieder.) + + + +König. +Und jenes Tier? +Blutig, tot, liegt's dort am Boden. +Meine Retter! + +(Zu Zanga.) + +Du? + +(Auf Rustan zugehend.) + +Nein, du! + +Zanga. +Herr, Ihr habt es gut erraten! + +(Auf Rustan zeigend.) + +Jener war's. Ein tücht'ger Wurf, +Stracks hinein durch Herz und Lungen, +Und es hatte ausgerungen. + +Rustan. +Herr, verzeiht-- + +Zanga. +'s ist wohl verziehn! + +Rustan. +Wenn noch Zweifel-- + +Zanga. +Ob wir leben? +Ob dort jenes tot genug? + +(Leise.) + +Nun, zum Henker, seid doch klug! + +(Wiederholter Hörnerschall.) + +König. +Ha, sie rufen, meine Lieben, +Suchend, wo ihr Hort geblieben. +Hier, Getreue! hier der Ort! + +(Er geht in die Mitte der Bühne zurück, wo er, antwortend, in ein +an seiner Hüfte hängendes Jagdhorn stößt.) + +Rustan. +Zanga, komm, und laß uns fort! + +Zanga. +Nach dem allen, Herr, und fliehn? +Jetzt, da unsre Bohnen blühn? + +Rustan. +Nimmer sollst du mich berücken, +Mich mit fremder Tat zu schmücken. +Und doch könnt' ich's auch nicht sehn, +Erst gepriesen, erst gehuldigt, +Zager Feigheit dann beschuldigt, +Einem andern nachzustehn. + +(Nach wiederholtem Hörnerruf kommt nun das Gefolge des Fürsten. +Gülnare, seine Tochter, an der Spitze.) + +Gülnare. +Vater! Vater! + +König. +Oh, mein Kind! + +(Sie stürzen sich in die Arme.) + +Zanga (zu Rustan). +Schaut nur, schaut! Seht halb Euch blind! +Gold und Spangen, Perlen, Kleider, +Seht der Hoheit Vollgewalt. + +Rustan. +Zanga, jene Lichtgestalt, +Sich um seinen Nacken schmiegend, +Weich in Vaterarmen liegend. +Wie sie atmet, wie sie glüht, +Jede Fiber wogt und blüht. +Nun weist her auf mich sein Blick, +Danket mir der Rettung Glück. +Zanga, nun nicht mehr zurück! +Wär's am Rand mit meinen Tagen; +(Ich) hab jenes Tier erschlagen. + +König. +Ja, mein Kind, ein Raub des Todes, +Wenn nicht dieser Jüngling war; +Sieh, so nahe die Gefahr. + +(Auf das erlegte Tier weisend.) + +Gülnare (mit der Hand die Augen bedeckend). +Ah! + +König. +Entfernt dies Schreckbild! + +Gülnare. +Nein! +Stark, entschlossen will ich sein. + +(Nach vorn kommend.) + +Glaub nur nicht, mein edler Fremdling, +Daß, ein schwach erbärmlich Weib, +Hinter dir so fern ich bleib! +Oft hat man mich wohl gesehen, +Männlich die Gefahr bestehen, +Eine Gleiche stand ich ihr. +Doch das Widrige, den Grauen +So verwirklicht anzuschauen, +Nimmt entfremdend mich von mir. +Und doch, schafft's nicht fort, es bleibe; +Selbst bezwingen will ich mich. Nun zu dir, mein edler Retter, +Der mit seines Armes Walten +Alles, alles mir erhalten, +Was der Schwachen übrigblieb. +Rings von Feindesmacht umgeben, +Von verschmähter Liebe Trutz, +War mir dieses Greises Leben +Einz'ge Stütze, all mein Schutz. +Und der Drache bleckt' die Zähne, +Und es war um ihn geschehn; +Da--o lohn es diese Träne!-- +Hebt sich eines Armes Sehne, +Und das Untier muß vergehn. +Vater, schau, so sehen Helden! +Vater, schau, so blickt ein Mann! +Was uns alte Lieder melden, +Schau es hier verwirklicht an! + +Rustan (leise). +Kohlen, Zanga, glühnde Kohlen! + +Zanga (ebenso). +Laßt die Furcht den Henker holen! + +Gülnare. +Doch du sprichst nicht? Doch du schweigest? + +Rustan (auf die Knie stürzend). +Herrin, oh, ich bin vernichtet! + +König (entschuldigend zu Gülnare). +Wohl das Neue unsers Anblicks-- + +Gülnare. +Laß ihn, Vater! Es erquickt mich, +Einen Mann beschämt zu sehn! +Oh, ich sah sie brüstend gehn, +Mit gedunsnen Worten prahlend, +Mit Versprechen Taten zahlend, +Doch kam der Erfüllung Zeit, +Wie war Held und Tat so weit! +Dieser kommt uns, als von oben, +In der Stunde der Gefahr, +Tut, was seiner würdig war, +Und verstummt, wenn wir ihn loben. +Vater, sag es selbst! fürwahr, +Stellt er nicht die Zeit dir dar, +Nicht die Zeit, die einst gewesen, +Und von der wir staunend lesen, +Wo noch Helden höhern Stammes, +Wo ein Rustan weltbekannt +In der Parsen Fabelland-- + +Zanga. +Rustan ist auch er genannt. + +Gülnare. +Rustan! Hörst du, Vater? Rustan! +Oh, die Zeiten sind noch immer, +Wo, wenn Menschenkräfte enden, +Götter ihre Hilfe senden. +Er kommt uns von ihrer Hand. + +(Zu ihrem Vater.) + +Und so wird gefaßt dich finden, +Was soeben Boten künden: +Jener blut'ge Khan von Tiflis, +Mein Bewerber und mein Feind, +Hat in mächt'gen Heeres Mitten +Unsre Grenzen überschritten, +Hundert Völker stolz vereint, +Weil er hilflos uns vermeint. + + +(Auf Rustan zeigend.) + +Hier die Hilfe! Hier der Hort! +Stell ihn an der Treuen Spitze, +Laß ihn tragen deine Blitze, +Mut sein Atem, Tat sein Wort; +Und die Deinen, neu ermutet, +Sehn mit Neid, wenn einer blutet, +Und sein Beispiel reißt sie fort. + +(Zu Rustan.) + +Sei mein Schützer, sei mein Retter, +Banne diese dunkeln Wetter, + +(Nach und nach langsamer sprechend.) + +Und der glänzend neue Tag +Bringt dir dar, was er vermag. + +König (halblaut). +Sprichst du doch, als hättest du +Sie vernommen, die Gelübde, +Die ich tat in der Gefahr. +Dem Erretter, käme Rettung, +Schwur ich, nichts, ich nichts zu weigern, +Und wenn es das Höchste war. +Du errötest, du verstehst mich. + +Gülnare. +Vater, komm und laß uns gehn. + +König. +Nun so karg, und erst so warm! +Warst du hier an meiner Stelle, +Dünkte jeder Lohn dir arm. + +Gülnare (nach rückwärts gewendet, wie ablenkend). +Und wo ist, wo ist die Stelle, +Die so vieles mir gedroht? + +König. +Dort kam ich, und floh den Tod, +Jene Schlange mein Gefolg', +Keine Wehr als meinen Dolch. + +Zanga. +Seht, hier liegt er noch am Boden, +Reich besetzt mit edlen Steinen. + + +(Er hebt den Dolch auf und gibt ihn seinem Herrn, der ihn dem +Könige überreicht.) + +König (mit ablehnender Gebärde). +Zähl, was mein ist, zu dem Deinen. +Zahlt' ich mit so armen Steinen +So beglückenden Erfolg? +Dort kam ich, und dort die Schlange; +Dieser Mann-- + +(Auf Rustan zeigend.) + +Zanga (am Boden den Platz bezeichnend). +Hier stand er, hier. + +König. +Nein, du irrst, er stand dort oben, +Eingehüllt in braunen Mantel. + +Rustan. +Zanga! Zanga! + +Zanga. +Heißer Tag! + +König (auf Zanga). +Erst warfst du, allein du fehltest, +Dann schoß er, die Schlange lag. +In der Sinnenkraft Vergehen +Hab wie träumend ich's gesehen. +Du standst hier, und er stand dort, +Und war bleich und schien viel kleiner, +Wohl gebückt zum Wurf sich neigend. +Wo auch blieb der braune Mantel? + +Zanga. +Irgend dort wohl in den Sträuchen. + +Rustan (leise). +Zanga, Zanga! + +Zanga. +Mut, nur Mut! + +König. +Nun genug, und damit gut! +Dort auf jener Klippe Zinnen +Soll ein Tempelbau beginnen +Dem, der waltend niederblickt, +In der Not den Retter schickt. +Tochter, komm! + +Gülnare (zu Rustan). +Du folg uns bald! + +(Gehend und vor der getöteten Schlange zurückschaudernd.) + +Oh, des Anblicks Nachtgewalt +Übt von neuem seine Rechte. +Oh, verzeih es dem Geschlechte, +Das der Seele Kraft bezwingt, +Kindisch solche Schauer bringt. + +König. +Reich den Arm ihr, gib die Rechte. + +Gülnare. +Vor dem Toten schütze mich, +Lebt' es noch, ich zagte nicht. + +(Sie stützt sich auf Rustans Arm. Alle bis auf Zanga ab.) + +Zanga (ihnen nachschauend). +Das geht gut, bei meiner Treu! +Das Prinzeßchen hat gefangen. +Tat zwar noch ein bißchen scheu, +Kämpft noch Stolz mit dem Verlangen. +Wie sie fest an ihm sich hält. +Nun ein Graben--Hupp! gesprungen! +Ha, sie gleitet, strauchelt--fällt? +Nein, er hat sie rasch umschlungen. +Nichts so köstlich in der Welt, +Als wenn eins das andre hält. + +Rustan (zurückkommend). +Zanga, Zanga! Ich bin selig! + +Zanga. +Ei, es geht? nicht wahr? es geht! + +Rustan. +Und nun komm! Dort deinen Bündel, +Wirf ihn in den nächsten Fluß. +Nichts laß unsern Stand verraten, +Wir sind Kinder unsrer Taten, +Und nach aufwärts strebt der Fuß. +Komm nur, komm! + +Zanga. +Doch früher, Herr, +Laßt die Gegend uns durchspüren, +Ob nicht jener Mann vom Felsen-- + +Rustan. +Zanga, ich hab's überdacht; +Jener Mann war kein Lebend'ger! +Bote einer höhern Macht, +Kam er in des Schreckens Nöten, +Um zu treffen, um zu töten, +Und entschwand, da er's vollbracht. + +Zanga. +Nun, der Dank wär' abgemacht! + +Rustan. +Laß ihn Mensch auch sein, wie wir, +Kommen, und sich stellen mir; +Will mit Gold ihn überhäufen, +Fülle auf ihn niederträufen, +Groß ihn machen, groß und reich, +Wenn auch nicht dem Geber gleich, +Stellen auf des Glückes Zinne, +Und wer wirft mir Unrecht vor? +Zanga, denn, was ich gewinne, +Ist nicht das, was er verlor. +Laß ihn tun sie, jene Tat, +Bittend dann nach Lohn sich wenden, +Man gibt Gold mit spröden Händen, +Und er geht, wie er genaht. +Doch bei mir, mit mir war's anders: +Unerklärt, ein dunkles Etwas, +Zog des Vaters, zog der Tochter-- +Oh, des Weibs voll hehrem Sinn! +Beider Blicke nach mir hin. +Gleich gilt nicht von gleichem Scheine, +Und ich nehme nur das Meine. +Komm und fort, dem Glücke nach! +Heut ums Jahr ist auch ein Tag. + +Zanga. +Herr, ach Herr! + +Rustan. +Was ist? + +Zanga. +O schaut! + +(Der Mann, dessen Wurf die Schlange getötet, ist hinter dem Felsen +hervor und in den Vorgrund rechts getreten. Er hat den ihn +umhüllenden braunen Mantel auf die Moosbank gelegt, und steht nun +in kurzem schwarzem Leibrocke, nackten Armen und Beinen, mit +schwarzem Bart und Haar, das Antlitz leichenblaß, da.) + +Rustan. +Ha! wie mir's im tiefsten graut! + +Zanga. +'s ist derselbe, dessen Speer +Jenes Tier, vom Felsen her-- + +Rustan. +Unheil! nie dein Köcher leer? + +Der Mann vom Felsen +(ist einige Zeit, unbeweglich vor sich hinschauend, auf der +Moosbank gesessen, jetzt neigt er sich zur Quelle und trinkt). + +Zanga. +Herr, er lebt! ist leibhaft, trinkt! + +Rustan. +Meines Traums Gebäude sinkt. +Zanga! + +Zanga. +Herr? + +Rustan (die Hand am Dolche). +Ist's nicht Osmin? +Der Verweichlichte, Verwöhnte, +Der mich jüngst beim Jagen höhnte? + +Zanga. +Seht doch nur den Bart, das Haar. + +Rustan. +Du hast recht, und es ist wahr. +Aber erst nur glich er ihm. +Jeder Blick, mit neuer Lüge, +Zeigt mir anders seine Züge. +Was je greulich und verhaßt, +All in sich sein Anschaun faßt. + +Der Mann (richtet sich empor, legt den zusammengefalteten Mantel über den +Arm, und macht sich gefaßt, quer nach dem Hintergrunde zu, +fortzugehen). + +Zanga. +Schaut, er geht. + +Rustan. +Nicht so! Und halt! +Steht mir Rede! Wohin geht Ihr? + +Der Mann vom Felsen (mit klangloser Stimme). +Hin nach Hofe, vor den Thron. + +Rustan. +Was dort suchend? + +Der Mann vom Felsen. +Meinen Lohn. + +Rustan. +Lohn? Wofür? + +Der Mann vom Felsen (auf das erlegte Tier zeigend). +Für meine Tat. + +Rustan. +Deine?--Meine!--Unsre Tat! + +Der Mann vom Felsen. +Arme Schützen! Ha, ha, ha! +Lernt erst treffen! Arme Schützen! + +(Zum Fortgehen gewendet.) + +Rustan. +Halt, noch einmal! Er, der König, +Dankbar dir für dein Bemühn, + +(Den Dolch des Königs aus dem Gürtel ziehend.) + +Sendet dir dies edle Kleinod, +Diesen reich besetzten Dolch, +Wo des Demants klares Scheinen-- + +Der Mann vom Felsen. +Zahlt Ihr mit so armen Steinen +So beglückenden Erfolg? + +Rustan. +Nun, der Dolch hat eine Spitze, +(Sie) auch zahlt. + +Der Mann vom Felsen. +Ei ja! Ja doch! + +Rustan. +Scheusal! Teufel! Greulich Untier! +Zieh nicht deine grimmen Fratzen, +Denn der Dolch in meinen Händen +Zuckt und mahnt mich, rasch zu enden. +Zanga! + +Zanga. +Herr? + +Rustan. +Sieh hin! Nur hin! +Gleicht er wieder nicht Osmin? +Wenn er grinset, wenn er lacht. + +Zanga. +Fassung, Herr! Und kühl bedacht! + +Rustan. +Nun, es sei! Ich will mich fassen. +Mensch, was willst du? was begehrst du? +Geizest du nach Reichtum, Schätzen? +Will dich in ein Goldmeer setzen, +Gießen aus ob deinem Haupt, +Was die Welt das Höchste glaubt. +All dein Wünschen, dein Verlangen, +Eh's zu keimen angefangen, +Soll's verwirklicht vor dir stehn, +Sollst du's reif in Garben sehn. + +Der Mann vom Felsen. +Langes Rinnen trübt die Welle-- +Ich trink gerne aus der Quelle. + +Rustan (vor ihm niederstürzend). +Sieh mich denn zu deinen Füßen, +Sieh ein flehendes Geschöpf. +Heut zu allen künft'gen Tagen +Hat des Glückes Stund' geschlagen; +Geh und schreite über mich, +Tritt ein Dasein unter dich! + +Der Mann vom Felsen. +Willst mit andrer Taten prahlen, +Willst mit fremdem Golde zahlen? +Glück und Unrecht? Luft'ger Wahn! +Rühm dich des, was du getan! + + +(Er geht nach dem Hintergrunde, indem er den Mantel wieder um die +Schultern wirft.) + +Rustan (nach vorn kommend). +Er hat recht, und ich will fort. +Zanga, komm! Wir kehren heim. +In der Nahverwandten Mitte +Sei das Glück der ersten Schritte, +Sei die Schmach--Und dennoch! Nein! +Nein, es darf, es soll nicht sein! + +Der Unbekannte (ist den Steig, der zur Brücke führt, hinaufgeschritten). + +Rustan (folgt ihm). +Unmensch! halt! Nicht von der Stelle! +Diese Brücke wölbet sich +Als des Glücks, der Hoheit Schwelle, +Sei es dir, sei es für mich. +Unmensch, halt! + +(Er hat den Mantel des vor ihm Hinschreitenden angefaßt.) + +Der Mann. +'s ist nur mein Kleid. + +Rustan. +Nun, der Herr ist auch nicht weit. +Halt! Ich, oder du! + +(Er faßt ihn an.) + +Der Mann. +Nicht ich! + +(Sie ringen auf der Brücke.) + + + +Rustan. +Sein Berühren ist Entmannen. +Zanga, Zanga, rette mich! + +(Der Fremde drängt Rustan bis hart an den Rand der Brücke, im +Begriff, ihn hinabzustürzen.) + +Rustan. +Ich erliege! + +Zanga. +Braucht den Dolch! +Braucht den Dolch! Ihr seid bewaffnet. + +Der Fremde. +Ganz nun mein! + +Rustan. +Noch nicht! Noch nicht! + +(Er hat den Dolch gezogen und stößt ihn nun dem Fremden in die +Brust.) + +Der Fremde (auf der Brücke niedersinkend). +Blutig! Blutig! Schwarzer Tag! + +Rustan (von der Höhe herankommend). +Zanga! Zanga! Lebt er? Bin ich? + +Zanga. +Herr, Ihr seid! Und seht, er blutet. + +Rustan. +Oh, daß ich's getan! Entsetzen! + +Der Fremde (halb emporgerichtet). +Kinderjahre! Kinderjahre! +Folgt der Unschuld Leichenbahre! + +(Zurücksinkend.) + +Rustan! Rustan! Mirza, Rustan! + +Rustan. +Zanga, schnell! Sieh, ob noch Rettung, +Ob noch Hilfe möglich. Eile! + +Der Fremde (der sich im Todeskampfe auf der Brücke gewälzt, stürzt +jetzt in die Flut). + +Zanga. +Herr, zu spät! Ihn hat die Flut. + +(Zu Rustan, der, die Hände vors Gesicht geschlagen, dasteht.) + +Schlimm genug, und dennoch gut. +Wenn nicht er, wart Ihr verloren. + +Rustan. +Oh, und wär' ich nie geboren! + +(Hörnerschall.) + +Zanga. +Herr, nur Fassung! Fassung! Mut! +Fall der Notwehr.--Hört, man ruft uns. +Seht, man kommt. Nun ausgehalten! + +Ein Kämmerer (kommt von der linken Seite). +Herr, des Königs hohe Gnaden +Lassen Euch zur Heimkehr laden, +Und zum Heereszug demnächst. +Dort sie selbst. + +(Der König und Gülnare erscheinen im Hintergrunde auf der Anhöhe, +rechts der Brücke.) + +König. +Nun, Rustan, folgt ihr? + +Rustan. +Hoher Herr, ich bin bereit. + +(Zu Zanga.) + +Nun gilt's fallen, oder siegen! +Ausgedauert und--geschwiegen! + +(Indem er sich zum Gehen wendet und die Hörner von neuem ertönen, +fällt der Vorhang.) + + + + + + +Dritter Aufzug + +(Offener Platz in Samarkand. Die ersten Kulissen des Vorgrundes +bilden eine zeltartige Estrade, deren hintere Vorhänge offen sind. +Rechts ist ein Sofa von Kissen angebracht, nach oben mit einem +Baldachin, nach rückwärts mit einer herabhängenden Draperie geziert. +Daneben ein Tischchen. Gegenüber auf der linken Seite ein +größerer Tisch, dunkelrotbehangen. +Der Platz von außen ist mit Volk beiderlei Geschlechts besetzt. +Jubelruf, kriegerische Musik, Truppenaufzüge.) + +Volk. +Heil dem Sieger!--Heil dem König! +Rustan! Rustan!--Hoch Gülnare! + +(Der König kommt, zu beiden Seiten Rustan und Gülnare an der Hand +führend. Reichgekleidete Große hinter ihm. Sie gehen in dem Raume +außer dem Zelte quer über die Bühne und auf der linken Seite ab.) + +Zanga (durch das Volk kommend, zu denen, die am Eingange des Zeltes +stehen). +Platz da! Platz! Ich bin vom Hause! + +(Er kommt nach vorn.) + +Nun, bei Gott! Das geht vortrefflich! +Unser Rustan wirkte Wunder! +Tritt hervor aus jenem Wald, +Und der Ruf der Tat durchschallt +Rings das Land nach allen Seiten. +Nieder von den Bergen schreiten +Hirten, jetzt zum erstenmal, +Völker ohne Maß und Zahl, +Die sich sammeln, die sich scharen +Um den Retter in Gefahren. +Und der Feind, er steht verblüfft; +Ihm, der kam zu leichtem Krieg, +Dünkt der Rückzug jetzt schon Sieg. +Rasch wir nach, und weit und weiter! +Schon sind handgemein die Streiter. +Da sieht Rustan jenen Khan, +Der so überstolz getan, +Sprengt auf ihn,--zwar, wie mich dünkt, +Ist das just der Punkt, der hinkt-- +Rustan stürzt. Allein, was tut's! +Unsre Völker, hohen Muts, +Sehen bange Zweifel schweben +Ob des Führers teurem Leben, +Dringen nach, und--sahst du's nicht! +Bald kein Feind mehr im Gesicht. +Also sich's begeben hat; +Ich bin selbst das Zeitungsblatt, +Schwarz gekommen schon zur Erden, +Darf's nicht erst durch Lügen werden. Da kommt Rustan mit dem +König, +Tut schon vornehm, blickt schon stolz. +Ei, umgüldet's nur ein wenig, +Dünkt sich Edelstein das Holz. + +(Der König und Rustan kommen.) + +König. +Hörtest du? vernahmst du? sahst du? +Ihres Mundes freundlich Lächeln, +Ihrer Rede Sommerfächeln, +Fühltest du den Druck der Hand? +Ja, Gülnare, meine Tochter, +Sinnt nicht länger Widerstand. +Freude, Wonne, sondergleichen! +Ihre Hand will sie dir reichen; +Und was an des Todes Toren +Ich mir selber zugeschworen, +Und was Nacht bisher verhüllt, +Glänzend, herrlich wird's erfüllt. +Du, an meiner Tochter Seite, +Sitzest auf der Väter Thron, +Breitest aus in alle Weite +Mit der Kriegsdrommete Ton +(Dieses Landes) Macht und Ruhm, +Noch vor wenig kurzen Tagen +Stolzer Nachbarn Eigentum. +Und sie zittern und sie beben +Vor dem Dräun der starken Hand, +Und des Ruhmes Säulen heben +Hoch den Thron von Samarkand. +Sieh dies Land, es ist das deine, +Sieh mein Selbst, es folgt dem Land; +Oh, des sel'gen Abends Scheine, +Da ich dich, den Retter fand! + +(Er setzt sich.) + +Ich bin müd, bringt mir zu trinken, +Selbst die Freude schwächt die Kraft. +Alles scheint mir zuzuwinken: +Tu, was neu das Alte schafft. Gebt mir Wein, die Zunge lechzet, +Und verschließt des Zeltes Hüllen. +Freuden, wie sie mich erfüllen, +Hegt man gern bei sich allein. + +(Zanga gibt den Auftrag. Man geht um Wein. Die Vorhänge des +Zeltes fallen herab.) + +Rustan. +Wenn auch das, was ich getan, +Voll und wirklich Lohn erheischet, +Doch so übermäß'ge Gunst-- + +König (aufstehend). +Laß du über dem Geschick, +Auszugleichen Wert und Glück! +Wär's Verdienst denn, wenn der Regen +Niederträuft auf unsre Flur? +Ist Verdienst es, wenn der Leu, +Reichbegabt und stark und frei +Hineilt auf des Wildes Spur; +Wenn die kreisende Natur +Aus der Gaben Reichtum spendet, +Achtlos, wer ihn zu sich wendet? +Auch der Zufall will sein Spiel. +Nimm, was dein; und scheint's zuviel, +Dieses als zuviel Erkennen +Macht dich wert, es dein zu nennen. Eins nur ist noch zu +bericht'gen: +Rustan, alle, die ich fragte +Nach den Eltern, die du nanntest, +Nach den Deinen, deiner Abkunft, +Niemand will die Namen kennen, +Und den Stamm, das Volk, den Ort. + +Zanga. +Ist's doch auch ein kleines Völkchen, +Seiner Herden Zucht ergeben, +Und da sie nomadisch leben, +Kommt's heut an, zieht morgen fort. + +Rustan. +Dann, o Herr, wenn erst das Was +Des Geschehnen klar und deutlich, +Forscht man viel noch hinterher +Um das Wie und um das Wer? + +König. +Du hast recht! und wer auch immer, +Bist du immer doch derselbe, +Der mein Land, mein Volk befreit; +Der an jenem grausen Morgen +Meiner Tage Rest geborgen, +Dessen Mute, dessen Schlag +Jenes Untiers Grimm erlag. +Bist derselbe, und bist's nicht; +Und wenn nicht, mir so viel teurer, +Als mir teuer dies dein Selbst. Wenn ich dich so vor mir sehe, +Hochgewachsen, stark und kühn, +Mit der hellen, klaren Stimme, +Freu ich doppelt mich und dreifach, +Daß du anders, als ich damals +In der Sinne wirrem Wanken, +Mehr ein Wahnbild der Gedanken, +Meines Retters Bild gesehn. +Du schienst damals klein und bleich, +Eingehüllt in braunen Mantel, +Und die Stimme scharf und schneidend-- + +(Man hört aus der Ferne Gemurmel von Stimmen, dazwischen klagend +ausgestoßene Laute.) + +König. +Welch Geräusch?--Seht zu, was ist. + +(Es geht jemand.) + +Widerlich stört's meine Rede, +Und dazwischen Klagetöne, +Fast wie jene-- + +(Zu Rustan.) + +Warst du damals +Auch mit diesem ganz allein? + +(Auf Zanga weisend.) + + +War kein dritter, war kein andrer +Neben dir? + +Rustan. +Nur er und ich. + +König. +Eine Stimme, dumpf und schaurig, +Die ich früher schon gehört, +Sonst im Leben schon vernommen, +Schien da in mein Ohr zu kommen, +Wie ich lag von Angst betört. +Du standst damals-- + +Rustan. +Herr, am Felsen. + +Zanga. +Oben, oben, auf dem Felsen. + +König. +Oben, recht! Je mehr ich sinne, +Um so widerlicher wird's. +Auf dem Felsen, klein und bleich, +Eingehüllt in braunen Mantel, +Und die Stimme-- + +(Die vorigen Klagelaute wiederholen sich.) + +König. +Pfui des Lauts! +Schafft sie fort, die ekle Stimme, +Die Erinnerung mit ihr. + +(Zanga geht ab.) +(Ein Diener hat Wein gebracht.) + +König. +Hier ist Wein. Komm, laß uns trinken! +Weg es waschen dieses Bild! +Was ich damals dumpf geträumt, +Lieblich hat's den Platz geräumt +Dem Erfreulichen, dem Wahren. +Wo sich Götter offenbaren, +Kündigt sie ein Schauder an, +Daß, wenn ein die Mächt'gen fahren, +Schon die Pforten aufgetan. +Hier ist Wein. Komm, laß uns trinken! +Und noch diesen Abend sollen +Laute Zimbeln und Trommeten +Hoch von dieser Feste Türmen +Es in alle Lüfte stürmen, +Daß du Erbe mir und Sohn. +Ja, du Edler, ja, du Guter, +Schutzgeist, Lebensretter du, +Sieh dein Vater trinkt dir's zu! + +(Indem er den Becher emporhebt und Rustan sich vor ihm auf ein Knie +niederläßt, kommt Zanga eilig zurück; hart hinter ihm ein +Kämmerling.) + +König (einhaltend). +Was begab sich? + +Zanga (zu Rustan leise). +Herr, nur Mut! + +König. +Soll ich länger noch erwarten--? + +Kämmerling. +Herr, die Stadt beinah in Aufruhr. + +König (den Becher abgebend). +Aufruhr? Torheit! Und warum? + +Kämmerling. +Herr, die Wellen des Tschihun, +Die an unsern Mauern nagen, +Haben auf den flachen Sand +Eines Mannes Leib getragen, +Der durch Mord sein Ende fand. + +König. +Laßt sie das dem Richter klagen! + +Kämmerling. +Und der Mann, er ward erkannt +Als derselbige mit jenem, +Den, aus deiner Kämmrer Scharen, +Nie hat man den Grund erfahren, +Du vorlängst vom Hof verbannt. + +König. +Wohl, ich weiß.--Doch diese Laute? +Schaurig, widrig, wirren Klanges--? + +Kämmerling. +Herr, es ist sein alter Vater, +Den du kennst, der stumme Mann; +Eine Schrift in seinen Händen, +Fleht er um Gericht dich an. + +König. +Wohl, es sei ihm, doch er schweige! +Rustan! + +Rustan. +Herr! + +König. +Du kanntest nie +Jenen Mann, der nun getötet? + +Rustan. +Herr, so meinst du--? + +König. +Nun, nur Gutes. +Doch die Stimme, deren Klang +Damals mir zu Ohren drang, +Als du mich befreit beim Jagen, +Schien des Manns, der nun erschlagen. +Es kommt näher, wächst im Raum, +Wie ein halbvergeßner Traum. + +Und wen klagt man an als Täter? + +Kämmerling. +Herr-- + +König. +Du zögerst? + +Kämmerling. +Wag ich's? + +König. +Sprich! +Wen zeiht man des Mordes? + +Kämmerling. +Dich! + +König. +Mich? Ha Torheit und Verrat! +Nicht nur ein Sinn fehlt dem Alten, +Alle fehlen in der Tat. + +(Die Vorhänge auseinanderschlagend.) + +Komm herein, du Mann der Torheit, +Stumm an Zunge, an Verstand, +Und beweise deine Klagen, +Oder stirb von meiner Hand! + +(Der alte Kaleb, grau gekleidet, mit schwarzem Überwurf, weißem +Bart und Haar, tritt, von Karkhan geleitet, eine Schrift +emporhaltend, ein und wirft sich vor dem Könige nieder, wobei er, +nach Art der Stummen, unartikulierte Laute ausstößt.) + +König. +Nicht berühre meine Kleider, +Bis du Widerruf getan. + +Zanga (leise). +Herr, was dünkt euch? + +Rustan. +Harr und schweig! + +Zanga. +Diesen Mann sah ich schon früher. +Gleicht er nicht--? + +Rustan. +Ob auch! Wem immer! +Laß uns hören, was er bringt. + +König (dem der Alte eine Schrift emporgereicht hat). +Was soll ich mit diesen Zeilen? +Zorn quillt mir im Auge heiß. + +(Zu dem Führer des Greisen.) + +Bist du einer, der da weiß? + +Karkhan. +Seinem Hause nah verwandt. + +König. +Nun, so sprich, was dir bekannt. + +Karkhan. +Was man sagt, nicht was ich meine. +Jenen Toten, dir bewußt, +Fanden wir im Abendscheine, +Einen Dolch in seiner Brust. +Und der Dolch--er war der deine. + +König. +Mein Dolch? Wie? + +(Seinen Dolch halb ziehend.) + +Hier ist mein Dolch. + +Karkhan. +Jenen Dolch, den du beim Jagen +Pflegtest in dem Gurt zu tragen, +Und auch trugst zu jener Zeit, +Da ein Wunder dich befreit. + +König (zu Rustan tretend, halblaut). +Rustan, dir gab ich den Dolch, +Der im Wahnwitz der Gefahr +Meiner Hand entfallen war. +Bring ihn her! Gib mir ihn wieder! +Du entfärbst dich?--Rustan! Rustan! +Jener Mann, den sie beschrieben, +Ward durch mich vom Hof vertrieben, +Weil sein Trachten, frech gesinnt, +Sich erhob zu meinem Kind. +Also denn dein Nebenbuhler! +Rustan! Rustan! Und die Stimme, +Die von jenem Felsen sprach, +Und nun auftaucht, hell und wach, +Sie glich jenes Mannes Stimme, +Der nur jetzt des Mörders Grimme, +Unbekanntem Tod erlag. +Rustan, gib den Stahl mir wieder. + +(Laut.) + +War's ein Dolch mit grünen Steinen? + +Karkhan. +Mit Smaragden reich besetzt; +Tief im Busen eingetrieben, +Wo er graß zusammenhielt +Den durchnäßten braunen Mantel. + +König. +Braunen Mantel?--Stand am Felsen +Bleich und hager--du standst seitwärts. +Oben er, und schoß--Wer traf? +Rustan, Rustan!--Sprich nicht jetzt! +Nicht ein Wort, das dich gereuet. +Ich will hin, den Toten sehn, +Du magst nach dem Dolche gehn. Alter, folg! und folget ihr! + +(Zu Rustan tretend.) + +Auf! zerstreue diese Wolke! +Denn Rechtfert'gung schulden wir, +Ich, der Fürst, dem ganzen Volke, +Du, der Sohn und Bürger, mir. + +(Er geht, von Kaleb und seinem Gefolge begleitet ab.) + +Zanga. +Herr, was nun? + +Rustan. +Das fragst du mich? +Du, der sonst so überreichlich +Mittel wußte, Kniffe, Ränke, +Der mich bis hierher geleitet; +Losgerissen von der Heimat, +Mich die Würfel hieß ergreifen +Zu des Glückes falschem Spiel? +Dessen Zunge Schmeichellaut +Ich, ein Törichter, vertraut; +Der mit Lügen und mit Leugnen +Mich verlockt, mir anzueignen, +Was ein anderer getan; +Abgelockt mich von der Bahn, +Von der ebenen, geraden, +Von des Ruhmes goldnen Pfaden. + +Zanga. +Ebnen Pfaden? Schöner Wahn! +Ach, verzeiht zu hohen Gnaden, +Fast kommt mir ein Lachen an: +Wackre Faust und schlichter Geist +Fördern auch und bringen weiter, +Etwa zu 'ner Fahne Reiter, +Einer Hauptmannsstell' zumeist, +Läßt mit halbzerschoßnen Knochen +Magre Gnadensuppen kochen. +Aber wen es höher treibt, +Auf zu Glückes reichern Spenden, +Wenn auch der im Fußweg bleibt, +Mag er nur die Schritte wenden. +Ich stellt' Euch mit einem Ruck, +Sei's im Guten, sei's im Schlimmen, +Auf des Berges höchsten Hang, +Dessen Mitte zu erklimmen +Ihr gebraucht ein Leben lang. + +Rustan. +Und nun gähnt der Untergang! + +Zanga. +Pah! und was ist auch verloren? +Wenn Ihr nicht die Schlange schlugt, +Habt Ihr doch den Feind geschlagen, +Allen ihren künft'gen Tagen +Heil gebracht und Sicherheit. +Habt Ihr nicht das Heer für Euch? +Flüchtet Euch in ihre Reihen, +Die Euch kühn gefolgt im Streit; +Mag dann dieser König dräuen, +Und wer weiß, wer noch gebeut. +Herr, nur Mut! Dort seh ich zwei +Von den Führern unsers Heeres. +Wie sie lauern! wie sie spähn! +Bleibt nur hier und harrt der Dinge, +Ich will mal sie prüfen gehn. + +(Er geht nach dem Hintergrunde auf den Halbkreis von Menschen zu, +die dort zurückgeblieben sind.) + +Rustan. +Folg ich ihm? benütz ich eilend +Die Gelegenheit der Flucht? +Schändlich! Niedrig! Greulich! Greulich,! Nicht daß ich den +Mann erschlug. +Hab ich ihm den Tod gegeben, +War's, verteidigend mein Leben, +War's, weil jener Brücke Pfad, +Schmal und gleitend wohl genug, +Einen nur von beiden trug. +War's, weil er mit gift'gem Hohn +Lauernd seine Tat versteckte, +Und die Hand erst nach dem Lohn, +Dem bereits gegebnen, streckte. +War es, weil--muß ich's denn sagen +Er und ich zwei Häupter tragen, +Und dies Land nur eine Kron'. +Es geschah. Allein, wenn nicht, +Ständ', genüber seiner Tücke, +Jetzt ich auf der Schauerbrücke, +Es geschähe jetzt, wie da. +Doch, daß nach durchfochtnem Krieg, +Da mein Stern zum Scheitel stieg, +Ich, verklagt, soll Antwort geben +Über ein so niedrig Leben, +Dafür tröstet mich kein Sieg. Oh, hätt' ich, o hätt' ich nimmer +Dich verlassen, heimisch Dach, +Und den Taumelpfad betreten, +Dem sich Sorgen winden nach. +Hätt' ich nie des Äußern Schimmer +Mit des Innern Wert bezahlt, +Und das Gaukelbild der Hoffnung +Fern auf Nebelgrund gemalt. +Wär' ich heimisch dort geblieben, +Wo ein Richter noch das Herz, +Wo kein Trachten ohne Lieben, +Kein Versagen ohne Schmerz! Ha, und doch! zurück es lassen, +Was mir anbeut das Geschick? +Diese Stadt mit lauten Gassen, +Eines Reiches fürstlich Glück? +Wornach heiß mein Wunsch getrachtet, +Leibhaft, wirklich, schau ich's an +Und beim Griff der Hand umnachtet +Mich ein gaukelhafter Wahn? +Standen nicht der Vorzeit Helden +Oft auf gleicher Zweifelbahn? +Tu's! ließ Geist und Mut sich hören; +Tu's nicht! rief das Herz sie an; +Und sie ließen sich betören, +Um den Zaudrer war's getan; +Oder taten's, und wir schwören +Nun bei dem, was sie getan. Ich will harren, ich will bleiben, +Gähnte weit des Todes Schlund; +Und wer's wagt, mich zu vertreiben, +Stehe fest auf seinem Grund. + +(In einer Öffnung des Halbkreises, den die in der Ferne stehenden +Menschen bilden, wird Zanga sichtbar.) + +Rustan. +Zanga! Zanga! + +Zanga (kommt nach vorn, von einem graugekleideten alten Weibe gefolgt, +das einen Becher trägt). +Fort, du Hexe! + +Die Alte. +Zanga, komm! gib's deinem Herrn! + +Zanga. +Laß mich! Laß mich! + +Die Alte. +Böser Diener! +Sorgst du nicht um deinen Herrn? + +Rustan. +Was ist das? + +Zanga. +Weiß ich es selber? +Sie verfolgt mich mit dem Becher, +Nennt's ein Mittel, nennt's Arznei. + +Die Alte. +Wohl Arznei! Du böser Diener! +Nimm es nur, gib's deinem Herrn! + +Zanga. +Laß mich, laß! + +Rustan. +Wer sendet sie? + +Die Alte. +Ich mich selbst, mein schöner Herr! +Du bist krank; sieh, das erfuhr ich-- + +Rustan. +Krank? + +Die Alte. +Ei, Sohn! Bedenklich krank! +Wie glimmt wild dein dunkles Auge, +Wie zuckt gichterisch der Mund! +Gib die Hand mir, reich den Arm, +Und ich deute dir dein Fieber. + +Rustan. +Laß! + +Die Alte. +Wohl krank! (ansteckend) krank! +Einer starb schon, der dir nahte, +Draußen liegt er auf dem Sand. +Und der König fürchtet auch wohl, +Daß dein Übel ihn ergreife, +Darum harrt er, weilt mit Vorsatz, +Will dir Zeit, mein Söhnlein, geben, +Zu entweichen, zu entfliehn. + +Rustan. +Zanga! + +Die Alte. +Nun! Nur nicht verzagt! +Sieh, mein Sohn, hier ist ein Mittel, +Sieh den glimmernd schäum'gen Saft. +Kaum benetzt er deine Lippen, +Sinkt die Brandung ebbend nieder, +Lösen sich die müden Glieder, +Schweigt der Schmerz, erlischt der Tag, +Zürne dann, wer zürnen mag! + +Rustan. +Greulich! Greulich! + +Die Alte. +Ei, ich seh wohl, +Dich erschreckt des Trankes Anblick, +Weil er gar so brausend zischt. +Ei, das gibt sich, ei, das legt sich, +Wie Begeisterung der Jugend. +Auch, mein Sohn, in Wein gegossen, +Wirkt ein Tropfen wie das Ganze. +Hier steht Wein. Ha, und der Becher, +Sieh! wie gleicht er hier dem meinen. +Nun, ich mische dir den Trank. + +(Sie nähert sich dem Tischchen neben dem Ruhebette, auf dem des +Königs Becher steht.) + +Rustan (sie anfassend). +Halt!--Und Zanga!--Laß den Vorhang +Laß des Zeltes Vorhang nieder! + +(Zanga zieht den Vorhang, er schließt sich.) + +Die Alte. +Hi, hi, hi! Warum den Vorhang? +Warum Decken denn und Hüllen, +Wenn wir Rechtes nur erfüllen? +Ei, du möchtest wohl den Trank, +Aber auch, daß man dich zwänge! +Ei, ich zwinge niemand, Sohn! +Bietend reich ich meine Gaben, +Wer sie nimmt, der mag sie haben. +Und so stell ich hin den Becher, +Der dich reizt, und der dich schreckt. +Wird dein Übel, Söhnlein, schlimmer, +Weißt du, was dir Heilung weckt. +Doch nicht bloß an dich gebunden, +Andern auch hilft dieser Trank, +Macht die Kranken schnell gesunden, +Die Gesunden freilich krank. + +(Sie hat den Becher auf den links stehenden Tisch gestellt.) + +Nun, mein Söhnlein, Gott befohlen! +Ohne Abschied, ohne Dank! + +Rustan + +(der mit gesenktem Haupte sinnend im Vorgrunde gestanden, fährt +jetzt empor und faßt die) Alte an). +Halt! und nimm zurück den Becher, +Nimm zurück ihn, deinen Trank! + +(Er ergreift den auf dem Tischchen rechts stehenden Becher und +drückt ihn der Alten in die Hand.) + +Die Alte. +Hi, hi, hi! Hast dich vergriffen! +Dort steht er, der edle Trank. +Das hier ist ja Saft der Trauben. + +(Sie trinkt.) + +Wie das labt--wie das erquickt! + +(Den Becher umwendend.) + +Leer und aus!--Nu, dir zum Heile! +Und den Becher mir zum Lohn. + +(Sie steckt den Becher in ihr Gewand.) + +Wohlgemut, mein teurer Sohn. +Nicht die Hand vors Aug' geschlagen! +Was dir kommt, das mußt du tragen, +Eine Leiche, auf dem Thron. +Bist nun deines Schicksals Meister, +Sprichst ein Wort im Rat der Geister, +Trägst dein eigen Los davon. Horch! man kommt. Nun, ich will +gehen. +Unbesorgt! Sie sehn mich nicht. +Ob gleich alle zu mir flehen, +Scheut doch jeder mein Gesicht. +Sieh dort offen eine Spalte +In des Zeltes dünner Wand, +Raums genug für eine Alte. +Nun, mein Sohn, die Zukunft walte! +Glück, Entschlossenheit, Verstand! + +(Sie hinkt nach der rechten Seite des Zeltes und zieht sich hinter +die Umhänge des dort stehenden Ruhebettes zurück, blickt noch +einmal, die Vorhänge aufhebend, hervor und wird dann nicht mehr +gesehen.) + +Rustan. +Sieh! wo kam sie hin, die Alte? + +Zanga. +Herr, ich weiß nicht. Sie entschwand. +War's dort durch des Umhangs Spalte, +War's--mir bleibt es unerkannt. + +Rustan. +Schweig, und gib das Tuch. + +(Auf ein dunkelrotes Tuch zeigend, das Zanga lose um den Hals +geschlungen trägt.) + +Zanga. +Das Tuch? + +Rustan. +Wohl, das Tuch--so!--und nun stille! + +(Er hat das dunkelrote Tuch über den gleichbehangenen Tisch links +und den darauf stehenden Becher gebreitet und steht in banger +Erwartung.) +(Die Vorhänge des Zeltes tun sich auf. Der König tritt ein, hinter +ihm Kaleb, Karkhan und zwei Begleiter.) + +König. +Du noch hier? + +Rustan. +Wo sonst, mein König? + +König. +Nun, ich dachte dich entfernt. +Geht, ihr andern. + +(Zu Kaleb.) + +Du nur bleib! + +(Das Gefolge entfernt sich, die Vorhänge des Zeltes werden +geschlossen.) + +König (der einem der Abgehenden den braunen Mantel und den Dolch +abgenommen hat, die dieser trug, den Mantel auf den Boden +hinwerfend). +Rustan! kennst du diesen Mantel? +Diesen Mantel, diesen Dolch? + +Rustan. +Schlecht versteh ich mich auf Kleider; +Doch auf Waffen gut, du weißt's. + +König. +Nun denn: kennst du diese Waffe? + +Rustan. +Wohl; es ist derselbe Dolch, +Den du einst verlorst beim Jagen. + +König. +Ich verlor? Den ich dir gab. + +Rustan. +Ja, nachdem du ihn verloren, +Und ich ihn gefunden, Herr; +Wie ihn wohl ein andrer fand, +Als ich selbst ihn drauf verloren. + +König. +Du verlorst ihn? + +Rustan. +Wohl. + +König. +Ein andrer +Fand ihn? + +Rustan. +Also scheint's. + +König. +Und tat +Jener andre das Verbrechen, +Das laut aufmahnt, es zu rächen? + +Rustan. +Laß mich Herr, von dem nur sprechen, +Was ich selber tat und weiß. + +König. +Und der Mantel? + +Rustan. +Herr, ich sagt' es: +Schlecht versteh ich mich auf Kleider. + +König. +Doch die Züge jenes Toten, +Sie sind auch des Mannes Züge, +Der mich auf der Jagd befreit. + +Rustan. +Du warst damals kaum bei Sinnen, +Erst nur hast du's selbst bekannt. + +König (die Schrift emporhaltend, die ihm Der alte Kaleb gab). +Und die Schrift hier sagt so vieles, +Zeigt, wie dem so graß Verblichnen +Hohes Unrecht ich getan. + +Rustan. +Tatst du dem Verblichnen unrecht, +Tu nicht Gleiches dem Lebend'gen. +Was soll mir die tote Schrift? +Laß dir meine Taten sprechen! +Wer schlug jene blut'ge Schlacht, +Die dir Heil und Sieg gebracht? +Wer befestigte die Krone, +Halb von einem Feind geraubt, +Wieder dir auf deinem Haupt? +Dankst du's nicht, wenn du noch dräust, +Dem Bedrohten, mir, zumeist? +Ha, ich find es wohl bequem, +Dadurch sich den Dank zu sparen, +Daß dem Retter, daß wir dem, +Durch den Heil uns widerfahren, +Häufen auf des Vorwurfs Last; +Den Berechtigten, mit Lachen, +Zum Verpflichteten uns machen. +König, mir gib erst mein Recht! +Was geschehn an jenem Knecht, +Laß uns künftig sehn und rächen. +Jetzt erst halte dein Versprechen, +Gib, was du mir zugesagt! + +König. +Halt! Was damals ich versprach, +Zogen andre Gründe nach! +Wer mein Höchstes sein will sehn, +Muß, ein Reiner, vor mir stehn. +Reine dich vor meiner Macht! +Noch hat niemand es erfahren, +Was dich drücket für Verdacht; +Zeit geb ich dir diese Nacht +Mit dir selbst zu Rat zu sitzen, +Was dir frommen mag und nützen. +Aber bricht der Morgen an, +Ohne daß du's dargetan, +Samml' ich einen andern Rat +Aus den Besten meines Heeres; +Der soll sitzen und entscheiden, +Wer im Recht ist von uns beiden. + +(Er wendet sich von ihm; zu Kaleb.) + +Alter, komm! Ich will nun lesen +Deine Schrift, so weit sie geht. +Was dein armer Sohn gewesen, +Zeigt sie deutlich--nur zu spät. + +(Am Sofa rechts stehend.) + +Doch erst geh nach Licht und Wein. +Es wird dunkel, und mich dürstet. +Hier ließ ich, da erst ich ging, +Stehen einen vollen Becher, +Einen Becher Freudenwein. +Sog ihn denn der Boden ein? +Zwar, die Freude ist vergangen, +Und verging denn auch der Wein? + +(Rustan hat ergrimmt das über dem Becher auf dem Tische links +ausgebreitete Tuch hinweggerissen.) + +König. +Doch, dort steht er. Wie er blinkt, +Freundlich mir entgegenwinkt! +Ach, was ist seitdem vergangen, +Seit mein Mund an dir gehangen! +Zanga, geh nach Licht! + +(Zanga geht ab.) + +Du, Alter, +Bring mir her dort jenen Becher, +Jenen frohen, holden Wein! +Ach, vielleicht, daß von dem Glück, +Das in mir, als ich getrunken, +In den Kelch ein Hauch gesunken, +Und er gibt ihn nun zurück. +Bring den Becher, bring den Wein! + +(Er hat sich auf das Sofa gestreckt. Der alte Kaleb geht nach dem +Becher auf dem Tisch links. Da er ihn bereits ergriffen, fällt ihm +Rustan in den Arm.) + +Rustan. +König, trink nicht! + +König. +Und warum? + +Rustan. +Nicht aus dieses Mannes Hand, +Der durch schlau erdachte Lügen +Ab mir deine Gunst gewandt, +Und der töten kann, wie lügen; +Nicht aus dieses Mannes Hand! + +König. +Ruhig sei du nur zur Stund'! +Was er sprach, + +(Die Schrift in seiner Hand haltend.) + +was hier geschrieben, +Ist dem Wahren treu geblieben, +Wahrheit sprach sein stummer Mund. +Und so nehm ich mit Vertrauen +Das Gefäß aus seiner Hand. +Wer wird allen denn mißtrauen, +Weil ein einz'ger nicht bestand? + +Rustan. +Wohl denn! sei's zum Glück gewandt! + +(Er läßt den Alten los, der den Becher dem Könige bringt.) + +König. +Rustan, sieh hier diesen Becher, +Den ich erst dir zugetrunken, +Erst als Erben und als Sohn, +Sieh, ich halt ihn jetzt noch immer +Mit versöhnlichem Gemüt. +Dünkt es gut dir, aufzuklären, +Was geschehn, was du getan;-- +Zwar nicht mehr als Sohn und Erbe, +Da reicht Höhres nur hinan;-- +Doch mit Zeichen meiner Gnade, +Mit Geschenken reich geschmückt, +Sollst du ziehen deine Pfade, +Wie kein Sterblicher beglückt. +Laß den Frieden uns erneuen! + +(Den Becher emporhebend.) + +Rustan! Allen, die bereuen! + +Rustan (vor sich hin). +Prosit!--Wen's zuerst gereut! + +(Er wendet sich ab.) +(Da der König im Begriffe ist zu trinken, öffnen sich die Vorhänge +des Zeltes und Zaziga tritt ein; hinter ihm Diener mit Lichtern und +Wein.) + +König. +Setzt die Lichter auf den Tisch, +Und geht hin zu meiner Tochter; +Ich will hier des Abends Kühle +Noch ein Stündchen mir genießen. +Erst zu Nacht erwartet mich! +Aber fort mit den Gefäßen! +Hier ja steht mein Freudenwein. + +(Er trinkt.) + +Nie ja trank ich so gewürzten, +Feurig-starken, schäum'gen, dunkeln; +Jugendähnlich gleitet er +Durch die abgespannten Fibern +Und die Luft im Raum erzittert +Von dem sprühend geist'gen Duft. +Köstlich! labend! + +(Er trinkt.) + +Zanga. +Herr, o sieh! + +Rustan. +Schweig! + +Zanga. +Die Führer auch des Heeres +Sind gewonnen, Euch zu Dienste. +Über Undank murren sie, +Harren Eurer. + +Rustan. +Nun, ich komme. + +König. +Geht ihr andern! Kaleb, bleib! + +(Die Diener gehen.) + +Laß uns sehen diese Schrift, +Die zerstreuten einzlen Blätter, +Die dein Sohn aus der Verbannung, +Nebst der Schutzschrift, die wir lasen, +Schrieb dem tiefgekränkten Vater. +Hier stehn Namen, die ich kenne. +Horch! und--schweig! sagt' ich beinah, +Doch du schweigst ja jetzt und immer. + +(Rustan ist, den übrigen folgend, bis zu des Zeltes Ausgang +gekommen, dort bleibt er stehen und tut, lauschend, einige Schritte +zurück. Der König liegt lesend auf dem Sofa, an dessen Seite der +alte Kaleb, auf den Knien niedergekauert, zuhört. Die Lichter auf +dem Tische erhellen die Gruppe. Der übrige Teil der Bühne ist +dunkel.) + +Der König (liest). +"An den Quellen des Wahia +Leb ich einsam, ein Verbannter, +Nah des alten Massud Hause." +Also schreibt dein armer Sohn +In dem ersten seiner Blätter. "Sah dort Mirza, seine Tochter, +Sie, die einz'ge, die vergleichbar, +Nahe mindstens kommt Gülnaren, +Meines Herrn erlauchter Tochter." +Wohl erlaucht! Hättst du's bedacht, +Dein Geschick wär' leicht und milde. + +(Weiterlesend.) + +"Rustan, Rustan, wilder Jäger! +Warum quälst du deine Liebe, +Suchst auf unbetretnen Pfaden +Ein noch zweifelhaft Geschick?" + +(Die hintern Vorhänge werden durchsichtig und zeigen in heller +Beleuchtung Mirza mit in dem Schoße liegenden Händen vor der Hütte +ihres Vaters sitzend. Vor ihr steht ein Greis, in Gestalt und +Kleidung ganz dem alten Kaleb ähnlich. Er hält eine kleine Harfe +im Arm. Rustan, der zusammenfahrend einige Schritte zurückgewichen +ist, macht, mit beiden Händen auf die beiden Greise zeigend, ihre +Ähnlichkeit bemerkbar.) + +König (lesend). +"Schau, sie kommt dir ja entgegen, +Sorgt um dich mit frommen Blick, + +(Mirzas Gestalt erhebt sich.) + +Kehr zurück auf deinen Wegen, +Wenn nicht hier, wo ist das Glück?" + +Rustan. +Mirza! Mirza! + +(Die Erscheinung verschwindet.) + +König. +Wer ist hier? + +Rustan (vortretend). +Ich, mein Fürst. + +König. +Und was führt her dich? + +Rustan. +Nennen hört' ich meinen Namen, +Und ich glaubte, Herr, du riefst. + +König. +Nicht nach dir; doch rief ich Rustan; +War's ein andrer gleich, der fern wohnt +An den Quellen des Wahia. +Doch, da hier, magst du nur bleiben. +Manches steht wohl hier geschrieben, +Das du deuten kannst und sollst. + +(Rustan zieht sich zurück.) + +Der König (liest weiter). +"Rustan, Rustan! wilder Jäger"-- + +(Einhaltend.) + +Wird's mir dunkel doch und wirre! +Alter, rück die Leuchte näher, +Schlummer, scheint's, trübt meinen Blick. +Noch ein Schluck. + +(Er trinkt.) + +Nun, so scheint's besser. + +(Er liest.) + +"Rustan, Rustan, wilder Jäger, +Kehr zurück auf deinen Pfaden! +Was ist Ruhm, der Größe Glück? +Sieh auf mich! Weil ich getrachtet +Nach zu Hohem, nach Verbotnem, +Irr ich hier in dieser Wüste, +Freigestellt das nackte Leben +Jedes Meuchelmörders Dolch." + +(Die Wand des Zeltes wird von neuen durchscheinend. Es zeigt sich, +hell beleuchtet, der Mann vom Felsen. Der braune Mantel hängt +nachschleppend über die rechte Schulter. An der linken entblößtem +Brust nagt eine Natter, die er in der Hand hält.) + +König (liest). +"Und wenn ich ihn auch zermalme, +Wie der Hirt die Schlange tritt, +Bin ich minder tot?" + +(Der Mann vom Felsen macht eine Bewegung mit der Hand, als wollte +er die Schlange nach Rustan schleudern.) + +Rustan (niederstürzend). +Entsetzen! + +(Die Erscheinung verschwindet.) + +König. +Was ist hier? + +(Die Umhänge des Ruhebettes zurückschlagend.) + +Rustan am Boden? +Was geschah? Sieh, Alter, hin! + +(Der alte Kaleb nähert sich dem Hingesunkenen.) + +Rustan (sich emporrichtend). +Ist er fort? Ha, Zauberkünste! +Und doch nur der Sinne Traum. + +(Nach rückwärts gewendet.) + +Kommst du immer, wenn's zu spät? +Immer, wenn's bereits geschehen? +Sieh den Becher halb geleert, +Ganz erfüllt schon mein Geschick. + +König. +Mir wird schwül, mein Innres brennt. +Aufwärts bäumen sieh die Fluten, +Alle Tropfen meines Blutes. +Böser Trank.--Was war im Becher? +Rustan! Rustan! Was im Becher? + +Rustan (bebend). +Herr, weiß ich's? + +König. +Und das Gefäß! +Was nur trübte meine Augen? +Das ist nicht derselbe Becher! +Fremde Zeichen stehen drauf, +Sinnlos wilde, wirre Zeichen. +Wo mein Becher? Rustan, Rustan! + +Rustan (in die Knie sinkend). +Herr, weiß ich's? + +Die Alte (kommt hinter den Umhängen des Ruhebettes hervor. Sie rollt +den mitgenommenen Becher mit dem Fuße vor sich her, dem Vorgrunde zu). +Hi, hi, hi! +Lauf mein Rädchen, +Spinn dein Fädchen! +Nun und nie! +Hi, hi! + +(Sie verschwindet hinter den Vorhängen.) +(Rustan hat sich bemüht den rollenden Becher aufzuhalten und unter +dem am Boden liegenden Mantel zu verbergen.) + +König. +Welch Geräusch?--Das ist mein Becher; +Dieser hier ein unterschobner. + +(Er ist vom Bette aufgestanden.) + +Rustan, Rustan! Heil'ge Götter! +Ist denn niemand hier? Kein Helfer? +Alter, komm, sei du mir Stütze! + +(Zu Rustan, der noch immer mit dem Becher beschäftigt ist.) + +Ha, umsonst verhüllst du es! +Ewig sichtbar dein Verbrechen! Alter, hilf! Ach, ich vergehe! +Hört denn niemand? Eilt nach Ärzten! +Rettung! Beistand! Rache! Hilfe! + +(Er sinkt am Eingange des Zeltes den dort Entgegenkommenden in die +Arme. Die Vorhänge schließen sich über der Gruppe.) + +Rustan (nachdem er einige Male nach dem vor ihm liegenden Becher +gegriffen hat, ihn endlich fassend). +Endlich! Endlich!--Ha, und dort! + + +(Er hebt auch den zweiten neben dem Ruhebette liegenden Becher auf, +die Becher in beiden Händen wechselweise betrachtend.) + +Eins und eins! + +(Mit den Augen am Boden suchend.) + +Wo ist der zweite? +Eins und eins! Der zweite, wo? +Wo der andre, andre Becher? + +(Er sinkt erschöpft mit dem Haupt gegen das Ruhebette.) + +Zanga (kommt). +Herr! ach, alles ist verloren! + +Rustan (fährt empor). + +Zanga. +In den Armen drauß der Seinen +Liegt der alte Fürst vergehend. +Seine Lippen stammeln Worte, +Er enthüllt wohl, was geschehn, +Was hier vorging, spricht er aus. + +Rustan (den Tisch neben dem Sofa von der Stelle rückend). +Fort den Tisch hier und das Bette! +Dort hinaus entkam die Alte; +Da hinaus entflieh auch ich. + +Zanga. +Fruchtlos, denn hier grenzt die Halle +An des Schlosses innre Räume; +Hier im Wege feste Mauern, +Dort verwehrt's ein tobend Volk. + +Rustan. +Hier hinaus! Mit meinen Zähnen +Will ich an der Mauer brechen, +Hier mit diesen meinen Armen +Einen Rettungsweg zur Flucht. + +Zanga. +All umsonst! Denn horch! man kommt. + +Rustan. +Nun, so halt bereit dein Messer, +Und wenn sie mich greifen, Zanga, +Stoß von rückwärts mir's in Leib. +Hörst du wohl? von rückwärts, Zanga, +Und wenn alles erst verloren. + +(Er steht, auf Zanga gestützt, mit vorhängendem Haupte.) +(Die Vorhänge des Zeltes teilen sich nach beiden Seiten. Die Stadt +ist vom Monde hell beleuchtet. Volk erfüllt den äußern Raum.) + +Gülnare (von ihren Frauen gefolgt, kommt von der linken Seite und eilt nach +dem Vorgrunde). +Hier ist der, den ich genannt! + +Rustan. +Zanga! Deinen Dolch! Gib Waffen! + +Gülnare. +Herr, zu dir gehn meine Schritte. +Tot im Staube liegt mein Vater, +Und die wutentbrannten Mörder-- + +Rustan. +Wer? Wer sah's? Wer weiß? Weiß ich's? + +Gülnare (fortfahrend). +Jener greise, stumme Mann, +Der, den Tod des Sohnes rächend, +Ausgestreckt die frevle Hand +Nach des edlen Fürsten Leben, +Seine Helfer und Genossen +Ruhen nicht, bis sie dem Vater +Mich, die Tochter, nachgesandt. +Zwar, der Frevler ist gefangen, +Aber mächtig sind die Seinen, +Man befreit ihn, er kehrt wieder, +Und vollendet sein Geschäft. + +Rustan. +Zanga! Zanga! Spricht sie? Hör ich? + +Gülnare (kniend). +Herr, o stoß mich nicht zurück! +Deinen Namen auf den Lippen, +Starb der gute, alte Vater, +Gleich, als wollt' er seine Liebe, +Sein Vertraun auf deinen Beistand +Noch im Abschied von dem Leben +Mir als letzte Erbschaft geben. +"Rustan", sprach er, und verschied. +Und so fleh ich denn im Staube: +Nimm die Einsame, Verlaßne, +Einst bestimmt zu nähern Banden, +Nimm sie auf in deinen Schutz! + +(Trompeten.) + +Gülnare (aufstehend). +Hörst du? Auch das Heer in Aufruhr. +Es rückt an auf diese Mauern. +Deinen Namen nennen sie, +Ihren Führer, dich, als Herrn. +Und das Volk schart sich zu ihnen, +Alle gegen mich gerichtet, +Ohne deinen, deinen Schutz. + +(Von der linken Seite, außer den Vorhängen, bringen einige +Gewaffnete den alten Kaleb.) + +Gülnare. +Siehst du dort den grauen Mörder? +Wie er funkelt, wie er glüht! +Weh! + +Zanga (die Hand an den Säbel gelegt). +Auf ihn! Haut ihn in Stücke! + +(Von der rechten Seite, aus dem Hintergrunde, ziehen in Reihen +bewaffnete Krieger und schwenken sich gegen die Mitte zu halb auf.) + +Gülnare. +Dort das Heer! Ich bin verloren! + +Rustan (gegen Zanga und die Bewaffneten, die den alten Kaleb bedrohen). +Halt! + +(Gegen die Reihen der Krieger.) + +Und ihr! + +(Auf Kaleb.) + +Was er verbrochen, +Ob er schuldig, ob er's nicht, +Übergebt ihn meiner Obhut +Und bestellet ein Gericht. + +(Gegen das Heer.) + +Und ihr andern, wackre Krieger, +Aber schuldig jetzt--gleich mir! + +(Er wirft sich vor Gülnaren nieder.) + +Werft, gleich mir, euch hin im Staube. +Eure Herrscherin steht hier! + +(Die vordersten des Heeres knien, die übrigen senken die Lanzen.) + +Gülnare. +Habe Dank!--Euch sei verziehen! +Allzu glücklich, als Empörer, +Daß, was ihr mit Trotz begehrt, +Eure Fürstin frei gewährt. + +(Man hat den Turban des Königs gebracht und die Krone davon +abgelöst.) + +Dieses Landes Herrscherschmuck, +Er bleibt mein, ich geb ihn niemand, +Sollte Tod mich übereilen, +Niemand, keinem, auch nicht dir! +Geben nie--wohl aber teilen! + +(Sie hebt die Krone in der Rechten hoch empor, während Rustan mit +den Zeichen wilder Verzweiflung die Stirne gegen den Boden drückt.) + +Das Volk. +Hoch Gülnare, unsre Fürstin! +Hoch Gülnare, Rustan! Rustan! + +(Der Vorhang fällt.) + + + + + + +Vierter Aufzug + +(Saal im Königlichen Schlosse, links und rechts Seitentüren. Im +Hintergrunde links der Haupteingang, daneben ein alkovenartiger +Raum, durch einen Vorhang bedeckt. Rechts im Vorgrunde ein Tisch +und Stuhl. +Rustan, kostbar gekleidet, einen goldenen Reif im Haar, kommt +hastig durch den Haupteingang. In demselben Augenblicke tritt +Zanga durch die Seitentüre links ein. Rustan bedeutet ihm mit auf +den Mund gelegtem Finger, umzukehren. Zanga zieht sich durch die +Tür zurück. Rustan selbst tritt in den durch den Vorhang +abgeschlossenen Raum. Karkhan und zwei seiner Verwandten kommen +durch den Haupteingang.) + +Karkhan. +Hierher kommt, und folgt mir, Freunde! +Was ich längst bei mir beschlossen, +Jetzt und jetzo führ ich's aus. +Könnt ihr länger es mit ansehn, +Wie der eingedrungne Fremde +Eurer und der Euren spottet? +Jeden Tag an Kühnheit wachsend, +Jede Stunde an Gewalt? +Schwinden täglich nicht die Besten, +Denen seine Furcht mißtrauet, +Unbemerkt aus unsrer Mitte? +Wie? Wohin? Wer kann es wissen? +Und sein Helfer, jener Schwarze, +Den der Abgrund ausgespien, +Stachelt tückisch seine Kühnheit +Bis zu selbstvergeßner Wut. +Wo ist Recht noch und Gericht? +Schmachtet nicht mein alter Ohm, +Er, der sprachlos Unglücksel'ge, +Schwarzer Frevel falsch beschuldigt, +Ungehört und unvernommen, +Rechtlos hinter schwarzen Mauern, +Überwiesen, weil verklagt? +Oh, daß ein gerechter Richter +Mit den Augen, statt den Ohren, +Hörte seine stumme Sprache, +Die er spricht, der Unglücksel'ge, +Statt mit Lippen, mit der Hand; +Manche Zweifel würden schwinden, +Manche Rätsel würden klar; +Die jetzt, richtend, andre binden, +Stellten selbst sich schuldig dar. Ha, ihr schweigt? Blickt auf +den Boden? +Seid ihr Männer, wagt's zu sein! +Folgt mir! Hier der Fürstin Zimmer, +Wir zu drei, wir treten ein, +Klagen ihr des Landes Nöten, +Klagen ihr die eigne Not, +Zeigen ihrem Schamerröten, +Wie so machtlos ihr Gebot. +Oh, ich weiß, sie seufzet selber +Unter jener Ketten Last, +Die der Fremde um sie herschlingt +Wie um eine Sklavin fast. +Laßt uns auf die Hohe richten, +Meinem Oheim werde Recht; +Frei und laut vor allem Volke +Tue sich Verborgnes kund, +Und wer schuldig, und wer schuldlos, +Richte weiser Richter Mund. +Einen Schritt schon tat ich selber, +Einen schon hab ich gewagt-- +Doch ein Tor, der früher sagt, +Was getan erst nützt und frommt. +Kommt und folget mir zur Fürstin, +Dort allein ist Schutz und Halt; +Dieser Tag, er sei der letzte +Eingedrungner Machtgewalt. + +(Sie gehen auf die Seitentüre rechts zu.) + +Rustan (der während der letzten Worte hinter dem Vorhange +hervorgetreten ist, verstellt ihnen den Weg). +Halt noch erst! Gebt euch gefangen! + +Karkhan. +Welchen Rechtes? + +Rustan. +Hochverräter! +Zanga! Wachen! Wachen! Zanga! + +(Die drei ziehen die Dolche.) + +Rustan. +Zieht nur aus die feigen Waffen, +Nicht ein Heer von euresgleichen +Fürcht ich, einzeln, wie ich bin. + +(Aus der Seitentüre links kommt Zanga, durch die Mitteltüre ein +Hauptmann mit Soldaten.) + +Rustan. +Schafft sie fort, die Hochverräter! + +Karkhan. +Hochverräter? Wir? + +Rustan. +Ihr leugnet's? +Blinkt nicht noch in euren Händen +Der Empörung frecher Stahl? +Oh, ich kenne euer Treiben! +In dem Innern eurer Häuser +Lauern meine wachen Späher, +Was ihr noch so leis gesprochen, +Reicht von fern bis an mein Ohr. +Fort mit ihnen, ohne Zaudern! Ich will dieses Land durchflammen +Wie ein reinigend Gewitter, +Niederschmettern seine Stämme, +Aus dem Grund die Wurzeln haun +Und dem Boden, wenn gereutet, +Neuen Samen anvertraun! +Fort mit ihnen! + +(Der Hauptmann hat sich Karkhan genähert, der mit einer bittenden, +stummen Gebärde, auf die Tür der Königin zeigend, ihn einzuhalten +bittet.) + +Rustan (zu Zanga im Vorgrunde, leise). +Aber du +Geh zum Kerker jenes Alten, +Den ich selbst dem Licht erhalten, +Die Notwendigkeit gebeut: +Schaff ihn fort! + +Zanga. +Wohl, Herr, doch wie? + +Ein Kämmerer (kommt aus der Seitentür rechts). +Herr, die Königin läßt fragen, +Welch Geräusch in ihren Zimmern--? + +Rustan. +Früh genug soll sie's erfahren, +Wenn getan, was not zu tun. + +(Der Kämmerer geht wieder ab.) + +Rustan (zu Zanga leise). +Schaff ihn fort aus diesen Mauern! +Laß mit vorgehaltnem Dolch +Ihn geloben teure Eide; +Aber, von Gefahr bedrängt, +Besser er, als--merk--wir beide! + +(Zanga zieht sich zurück, während des Folgenden geht er leise fort.) + +Rustan (die Gefangenen erblickend). +Ihr noch hier? Fort mit den Frevlern! + +Hauptmann. +Herr, die Königin naht selber. + +(Er zieht sich zurück.) + +(Zwei Kämmerlinge haben die Seitentüre geöffnet. Gülnare tritt +heraus mit Begleitung.) + +Gülnare. +Man verweigert die Erklärung +Dem von mir gesandten Diener. +Hier bin ich, mein eigner Bote, +Um zu fragen, was geschah. + +Rustan (auf Karkhan zeigend). +Führt sie fort! + +Gülnare. +Wer sind die Leute? + +Rustan. +Hochverräter. + +Karkhan. +Unterdrückte, +Die zu deinen Füßen flehn. + +(Die drei knien.) + +Gülnare. +Laßt sie sprechen. + +Rustan. +Einverstanden +Mit dem alten grauen Frevler, +Der nur allzu leicht gebüßt-- + +Karkhan. +Einverstanden, wenn er schuldlos, +Doch sein Feind, wenn er der deine. +Nicht Verzeihung und nicht Schonung, +Nur Gehör bitt ich für ihn; +Was Verbrechern selbst zuteil wird, +Eines Richters Aug' und Ohr. + +Gülnare. +Billig scheint, was sie begehren. + +Rustan. +Wär' es so, würd' ich's gewähren. + +Gülnare. +Und wenn ich's nun selber wünsche? + +Rustan. +Wünsche! Wünsche! + +Gülnare. +Und befehle. + +Rustan. +Ließe gleich sich mancherlei +Noch entgegnen diesem Spruche, +Der ein Wunsch und ein Befehl; +Doch, gefällig gegen Damen, +Füg ich gern mich unbedingt. +Und schon sandt' ich meinen Diener, +Der den vielbesprochnen Alten +Hin vor seinen Richter bringt. + +Karkhan. +Trifft ihn der, ist er verloren. +Sende selbst nach seinem Kerker, +Leih ihm selbst ein gnädig Ohr. + +Gülnare (zum Kämmerer). +Geh denn hin, und führ ihn vor. + +Rustan. +Halt! + +(Dem Kämmerer den Weg vertretend.) + +Gülnare. +Ich sprach! + +(Der Kämmerer geht ab.) + +Rustan. +Nun wohl, ich sehe, +Was ein Bund mir schien der Kleinen, +Und ein Anschlag in geheim, +Ist ein offenkundig Bündnis +Zwischen Hohen, zwischen Niedern, +Gift von Schlangen und Insekten +Auf des Leuen Untergang. +Und auf nichts Geringres zielt man, +Als den überläst'gen Vormund, +Der mit seines Armes Walten +Weiberhafter Launen Willkür +Fern von diesem Reich gehalten, +Einzuschüchtern, wenn nicht mehr. + +Gülnare. +Was es sei, es wird sich zeigen, +Bringt man erst den Alten her. + +Rustan. +Eines nur hast du vergessen: +Daß des weiten Landes Beste +Meinem Arm ihr Heil vertraun. +Meinem Rufe folgt dein Krieger, +Und dein Höfling meinem Wort; +Zutraunsvoll der stille Bürger +Sieht nach mir, als seinem Hort. +Ja, der Diener, den du sandtest, +Jenen Alten zu befrein, +Kehrt erfolglos von der Pforte, +Läßt nicht mein Geheiß ihn ein. +Denn des festen Turmes Wache +Steht in meiner Fahnen Eid, +Mit dem Kopf bezahlt der Schwache, +Der ihn ohne mich befreit. +Längst schon dieses Tags gewärtig, +Sah ich so mich weise vor: +Wer von Gnade lebt, ist zaghaft, +Wer auf Dank zählt, ist ein Tor. + +Gülnare. +Wie nur allzu schnell enthüllst du, +Was die Ahnung längst befürchtet. +Vater, Vater! Welchem Schützer +Gabst dein Liebstes du in Haft! + +Rustan. +Er wohl wußte, wem zu trauen: +Nicht der blöden Scheu, der Kraft. + +Karkhan. +Fürstin, sei du nicht beklommen, +Noch ist alles nicht verloren, +Mancher Helfer bleibt dir noch. +Meine Freunde stehn in Waffen, +Und was lange still beschlossen, +Frei und offen künd ich's nun. +Während hier zu dir ich spreche, +Sprechen sie zu deinem Volke, +Schütteln ab das feige Joch. +Und schon, dünkt mich, hat's begonnen, +Denn der Helfer seiner Taten, +Sieh, verschüchtert, stumm, beklommen, +Wie nach schlecht vollbrachtem Auftrag, +Kehrt er wieder, ist er da. + +Zanga (ist mit allen Zeichen der Verwirrung eingetreten und hat +sich in Rustans Nähe gestellt). + +Karkhan. +Und herauf die weiten Stiegen +Dringt ein bunt verworrnes Rauschen, +Wie von Tritten, wie von Stimmen. +Ja, dein Volk führt deine Sache, +Und es kam der Tag der Rache. +Siehst du dort? Mein Ohm ist frei! + +(Der alte Kaleb erscheint an der Türe. Bewaffnetes Geleite hinter +ihm.) + +Rustan (zu Zanga). +Tor und Schurke! + +Zanga. +Herr, gar alt +Ist der Spruch: vor Recht Gewalt. + +(Der alte Kaleb ist eingetreten. Da er Rustan erblickt, will er +wieder zurück.) + +Gülnare. +Bleib du nur und fürchte nichts. +Ich bin hier zu deinem Beistand. +Ja, man braucht dein einfach Zeugnis +Über einen wicht'gen Punkt, +Den noch Nebel dicht umwallen, +Und nur dir bekannt von allen: +Deut uns deines Königs Tod. + +Rustan. +Er ihn deuten? Raserei! +Er, der selbst der Tat verdächtig, +Überwiesen wohl sogar, +Der in jener grausen Stunde +Schuldig hieß in jedem Munde, +Stellt sich jetzt, ein Kläger, dar? + +Gülnare. +Der Verdacht der ersten Stunde +Ist darum nicht immer wahr. +Wohl hab ich seitdem vernommen, +Daß der König, als er hinging +In den letzten, tiefen Schlaf, +Diesen hier als Freund umfangen, +Ihm vertraut die letzten Worte; +Und er wußte, wer ihn traf. + +(Der alte Kaleb ist auf die Knie gesunken, und streckt flehend die +Hände empor.) + +Rustan. +Ha, vortrefflich ausgesonnen, +Nur nicht auch so leicht vollbracht. +Du vergißt, daß hier dein Zeuge, +Daß er lautlos wie die Nacht, +Und mit Blicken und mit Mienen, +Die ihr schlau ihm beigebracht, +Kann vor Kindern er bestehen, +Nicht vor der Gesetze Macht. + +Gülnare. +Und du selber hast vergessen, +Daß der Mensch in seiner Weisheit +Längst ein Mittel ausgedacht, +Zu verkörpern seine Laute, +Festzuhalten, was gedacht. +Dort ein Tisch, Papier und Feder, +Mit zwei Zügen ist's vollbracht, +Und ein ärmlich Blatt erhellet +Des Geschehnen dunkle Nacht. +Setzt ihn hin und laßt ihn schreiben, +Ihn beschützet meine Macht. + +(Der Alte ist von seinen Verwandten an das Tischchen rechts im +Vorgrunde gesetzt worden. Man hat ihm Schreibgeräte gegeben.) + +Rustan. +Mag er schreiben, mag er lügen, +Gleichviel wen, ob mich es trifft. + +(Den Säbel in der Scheide emporhaltend.) + +Meine Feder birgt die Scheide, +Blut'ge Wunden meine Schrift. +Geifre Wurm! ich geh, zu ordnen, +Was unschädlich macht dein Gift. + +(Er geht nach dem Hintergrunde zu, bleibt aber in der Mitte, halb +gegen den Alten gewendet, erwartend stehen.) + +Karkhan (zu dem Alten). +Zittre nicht, sei nicht beklommen, +Ist es doch schon halb vollbracht! +Silben bilden sich und Worte. + +(Lesend.) + +"Eures Königs Mörder--" + +Rustan (mit heftiger Bewegung, den Säbel halb aus der Scheide gezogen). +Halt! + +(Der Alte fährt erschreckt empor und hält sich zitternd am Tische +fest, die Feder entsinkt seiner Hand und fällt auf der rechten +Seite des Tisches zur Erde.) + + + +Rustan. +Ich verbiete, daß er schreibe! + +Gülnare. +Ich befehle, daß er's soll! + +Rustan. +Stellt ihn mir! Mir fest ins Auge +Mag er schauen und vergehn! +Oder ihr, die ihr so eifrig +Seine Meuterkünste fördert. +Ist hier Landes denn nicht Sitte, +Daß in Fällen dunklen Rechts, +Wo's an Licht fehlt und Beweisen, +Beide Teile sich zum Zweikampf +Stellen mit geschärften Eisen? +Auf! Wer ficht für diesen Alten? +Ich will Gegenpart ihm halten. + +Gülnare. +Nicht wer stärker, wer im Recht, +Zeige Einsicht, statt Gefecht! +Schreib du nur! Wo ist die Feder? +Er verlor sie, bringt ihm neue. + +Zanga (der während des Vorigen, in Absätzen sich von seinem Herrn +entfernend, von rückwärts auf die rechte Seite des Vorgrundes +gekommen ist). +Neu ist gut, doch alt ist besser. + +(Er hebt die am Boden liegende Feder auf.) + +Hier die Feder! + +(Rasch nach dem Eingange blickend.) + +Doch wer naht? + +(Die Blicke der Nächststehenden folgen den seinigen und wenden sich +nach der Türe.) + +Zanga. +Alter, hier! + +(Er reicht ihm die Feder mit der linken Hand. Während der Alte +zögernd darnach greift, fährt Zanga mit der Rechten, in der er den +Dolch verborgen hält, ihm entgegen und verwundet ihn.) + +Doch sieh dich vor! +(Der Alte sinkt mit einem unartikulierten Schmerzenslaut in den +Stuhl zurück, die verwundete Rechte mit der Linken, später mit +einem Tuche bedeckend.) + +Gülnare (nach dem Alten blickend). +Ha, was ist? Du bist verwundet? + + +(Zanga hat die Hand, in der er den Dolch hält, rasch auf den Rücken +gelegt, und sucht den Hintergrund und die Seite zu gewinnen, wo +sein Herr steht.) + +Gülnare. +Wo der Täter? Schließt die Türen! + +Karkhan. +Dieser war's! Seht ihr das Blut? +Seht den Dolch in seinen Händen! +Greift ihn! + +Zanga. +Herr, errett, beschütze! + +Gülnare. +Schütz ihn, ja, und hab's nicht Hehl! +War die Tat doch dein Befehl! + +Rustan. +Mein Befehl? Der ich vor allen +Wünschen muß, daß dieser Mann, +Der allein den gift'gen Argwohn +Mir vom Haupt entfernen kann, +Daß er lebe, daß er fähig-- +Mit der Hand, wenn stumm sein Mund +Auszusagen, was ihm kund; +Und ich sollt' ihn selbst verletzen, +Selbst Unmöglichkeit mir setzen, +Mich zu reinen hier zur Stund'? +Hat ihn dieser hier verwundet, +Steh dafür er selber ein; +Wer des Zeugen Worte scheuet, +Fühlt am mindesten sich rein. +War denn er nicht auch zugegen, +Als der alte Fürst erblich? +Warum einen nur beschuld'gen, +Teilt der Schein in viele sich? +Hat sein Arm es nicht vollzogen, +Tat's vielleicht sein Wort, sein Rat; +Oh, es gibt der Arten viele, +Zu begehen eine Tat! +Und so kehr ich ihm den Rücken, +Wende ab von ihm den Blick; +Ist er schuldlos, sei's zum Glücke, +Schuldig, hab ihn sein Geschick. + +Zanga. +Herr! + +Rustan. +Umsonst! Der Alte zeugte. + +Zanga. +Das mein Dank? + +Rustan. +Verräter, Dank? +Warst nicht du's, der mich verleitet, +Aus der Heimat mich gerissen, +Mich umgarnt, umsponnen mich? + +Zanga. +Wohl! Nur eins dient dir zu wissen: +Stumm der Alte, doch nicht ich! +Sammelt euch! Ich will verkünden, +Wie man Reich und Krone finden, +Heben kann vom Staube sich. + +Rustan. +Zanga! + +Zanga. +Nun? + +Rustan. +Du wolltest--? + +Zanga. +Will! + +Rustan. +Du hast recht! und wir sind töricht, +Uns dem dunkeln Werk der Lügen, +Unsrer Feinde Trug zu fügen, +Nun, da ihre List zerstört. +Jener Zeuge, dem sie trauten, +All ihr Treiben auf ihn bauten, +Ihres Hoffens einzig Pfand, +Stumm an Zunge, tot die Hand. +Bleib bei mir, ich will dich schützen, +Ewig sei der Treue Band! Fürstin, ist dir sonst ein Mittel, +Muß zum letztenmal ich fragen, +Zu beweisen deine Klagen? +Noch ein Zeuge? Bring ihn her! + +Gülnare. +Niemand, nein, als Gott und er. + +Rustan. +Gott ist endlich über allen; +Aber nicht nur, (was) begangen, +Sieht das (Wie) auch, das (Warum.) +Nein, dein Zeuge hier vor Menschen +Zeuge jetzt zum letzten Male, +Schweige dann auf immerdar! + +(Er ist zum Tische getreten und hat den darauf liegenden Zettel +ergriffen, sich damit vor den Alten hinstellend.) + +"Eures Königs Mörder"--Wer? +Warst du's selbst? Du wirst's nicht sagen. +War es jener dort, dein Neffe? +Er, ein Heuchler, und mein Feind? +War's des Königs eigner Mundschenk? +Oder sie, des Fürsten Tochter, +Die, nach Reich und Krone lüstern, +Vorgriff seinem trägen Ende? Nicht mit Winken und Gebärden, +Deutlich zeug vor dem Gesetz! + +(Mit steigender Schnelligkeit.) + +War's mein Diener, den ich selber +Angeklagt im Taumelwahn? +War's ein Zufall? war's natürlich? +Waren's Krieger, waren's Bürger? + +(Einzelne mit dem Finger bezeichnend.) + +Jener? Der dort? Dieser? + +Der Alte (der sich während des Vorigen emporgerichtet und mit blitzenden +Augen und hocharbeitender Brust dagestanden hat, stammelt jetzt in +höchster Anstrengung, nach einigen unartikulierten Lauten). +D-U! + +Gülnare. +Spricht er? + +Rustan. +Torheit! Aberwitz! +Abgebrochne Schmerzenslaute, +Formt ihr euch zu Sinn und Worten? +Kannst du zeugen, wohl, so zeuge! +Breche dann der Himmel ein. +Gib den Namen und vollende! + +(Den Zettel hinhaltend.) + +"Eures Königs Mörder"-- + +Der Alte (nach einigen heftigen Bewegungen plötzlich die verwundete +rechte Hand aus der sie haltenden Linken loslassend und mit +gebrochenen Gliedern in die Arme der Umstehenden sinkend, leise aber +schnell). +Rustan! + +Karkhan. +Gott, er stirbt! + +Gülnare. +O ew'ge Vorsicht! + +(Alle um den Alten beschäftigt. Pause.) + +Rustan. +Zanga! + +Zanga. +Herr! + +Rustan. +Hast du vernommen? + +Zanga. +Wohl! + +Rustan. +Es ist nichts Wirklichs, sag ich. +Truggestalten, Nachtgebilde; +Krankenwahnwitz, willst du lieber, +Und wir sehen's, weil im Fieber. + +(Es schlägt die Uhr.) + +Horch, es schlägt!--Drei Uhr vor Tage. +Kurze Zeit, so ist's vorüber! +Und ich dehne mich und schüttle, +Morgenluft weht um die Stirne. +Kommt der Tag, ist alles klar, +Und ich bin dann kein Verbrecher, +Nein, bin wieder, der ich war. + +(Eine Dienerin der Königin, die sich früher entfernt, kommt mit +einem Fläschchen zum Beistande des Verwundeten zurück.) + +Rustan. +Sieh, ist das nicht Muhme Mirza? +Auch ein Nachtgebild', wie jene, +Die dort um den Alten stehn! +Sieh, ich hauche, sie vergehn. Wie? sie bleiben? nahen? dräuen? +Eingetaucht denn nur von neuen, +Laß uns nach dem Weitern sehn. + +Gülnare (sich von dem Alten emporrichtend). +All umsonst! die Pulse stocken; +Nur zu sicher, er verging. + +(Rustan erblickend.) + +Du noch hier? noch immer trotzend? + +Rustan. +Fürstin, halt! und ohne Hast! +Was hier wirklich, was geschehen, +Wieviel mir dran fällt zur Last, +Laß uns rechnen, laß uns abziehn, +Mir, was mein, dir, was du hast. +Manchen Dienst bist du mir schuldig, +Manches Gute dies dein Land, +Und doch schenk ich dir's zur Stunde, +Lasse los all was dich band. +Wähle von den reichsten Schätzen, +Nimm die köstlichsten Provinzen, +Kleinod, Perlen, Edelstein; +Mir laß eine leere Wüste, +Wo Verlangen buhlt mit Armut, +Wo kein Gold als Sonnenschein. +Doch die Herrschaft, sie sei mein. + +Gülnare. +Dir die Herrschaft? Herrsch in Ketten! +Nehmt gefangen ihn! + +Rustan. +Bedenkt + +(Der Hintergrund hat sich nach und nach mit Soldaten gefüllt.) + +Nur ein Wort, und diese Krieger, +Deren Abgott ich in Schlachten-- + +Gülnare. +Für mich, doch nicht gegen mich! +Schau, sie fliehen deine Reihen! +Kommt zu mir her, meine Treuen! + +(Die Krieger, die auf Rustans Seite gestanden haben, schließen sich +einer nach dem andern, samt den Anführern, der gegenüberstehenden +Reihe an.) + +Rustan (ihnen zurufend). +Halt! + +Gülnare. +Verlaßt ihn, der mein Feind! + +(Alle, bis auf einige wenige, sind übergetreten.) + +Rustan (den Säbel ziehend). +Nun, wohlan, so gilt's zu fechten! +Hier mein Säbel, Zanga, bind ihn, +Bind ihn fest mit ehrnen Ketten. +Will den Kampfplatz denn betreten, +Erst im Tod laß ich den Stahl. + +Zanga (vor sich hin). +Hier wird's heiß nun allzumal. + +(Er entfernt sich hinter Rustans Rücken durch die Seitentüre links, +die offenstehen bleibt.) + +Rustan (in Fechterstellung). +Kommt nur an! Ihr alle, alle! + +Gülnare (ihm entgegentretend). +Diese nicht, sie sind nur Diener; +Triff mich selber, hast du Mut! + +Rustan (zurückweichend). +Alle, nur nicht dich! + +Gülnare. +Ei, Kühner! +Trafst den Vater; scheust du Blut? + +Rustan (sich vor ihr zurückziehend). +Zanga! Zanga! + +Gülnare. +Nun mag's gelten! +Nun an euch! Nun nehmt ihn fest! + + +(Sie tritt nach der rechten Seite des Vorgrundes. Die dort +Aufgestellten, Karkhan an ihrer Spitze, wenden sich nach dem +Hintergrunde. Gefecht.) + +Rustans Stimme. +Zanga! Zanga! Meine Pferde! + +Karkhan. +Fürstin, schau dort durch die Zimmer, +Wo der Schwarze kaum entwich, +Sieh, mit hellentflammter Fackel +Ihn das weite Schloß durcheilen, +Und ich sorg, er steckt's in Brand. + +Gülnare. +Mag das Schloß, ich selbst vergehen, +Fällt nur er von ihrer Hand! + +(Sie eilt mit ihren Dienerinnen durch die Seitentüre rechts ab. +Der Alte ist schon früher weggebracht worden. Das Gefecht hat sich +zur Türe des Hintergrundes hinausgedrängt. Waffenlärm. Kurze +Pause. Dann ertönen aus der Türe links Rustans Stimme, die +wiederholt "Zanga!" ruft. Die Szene schließt.) + +(Kurzes ländliches Zimmer mit einer Türe im Hintergrunde und einer +Seitentüre rechts. Dichtes Dunkel.) + +Mirza (tritt mit einer Lampe, vom Hintergrunde her, auf). +Horch! war das nicht seine Stimme? +Übrall, dünkt mich, hör ich ihn, +Hilfeflehend, Beistand rufend, +Wie in tödlicher Gefahr. + +(An der Türe links horchend.) + +Und ich bin allein, und niemand +Hört mich an und tröstet mich, +Schilt mich töricht, nennt ihn sicher, +Wahrhaft nichts als meinen Schmerz. Nein, ich kann es nicht +ertragen! +Muß ein nahes Wesen suchen, +Auszuschütten meinen Kummer, +Zu erleichtern dieses Herz! + +(An der Türe rechts.) + +Vater, kannst du ruhig schlafen, +Denkst nicht mein und meiner Angst? + +Massuds Stimme (aus der Seitentüre rechts). +Mirza, du? + +Mirza. +Ich bin's, bin's selber. +Wachst du, so wie ich in Kummer? +Bist besorgt um ihn, gleich mir? + +Massud (von innen). +Ist's schon spät? + +Mirza. +Drei Uhr vor Tage. + +Massud. +Tritt nur ein. + +Mirza. +Zu dir? + +Massud. +Jawohl! +Gehn zusammen dann hinüber. + +Mirza. +Wirklich?--O mein guter Vater! +Sieh, ich komme!--Und ihr Götter, +Euch sei er indes vertraut! +Während ich auf andres denke, +Während ich von anderm spreche, +Schützet ihr den teuren Mann! +Nicht vor Leiden nur und Nöten, +Auch vor Wünschen und Gedanken, +Daß kein Unheil mir ihn anficht, +Bis mein Innres wieder bei ihm, +Und ich wieder beten kann. + +Massuds Stimme. +Kommst du nicht? + +Mirza. +Sie nur, hier bin ich. + +(Die Türe öffnend.) + +Schon vom Lager? Schon gekleidet? +Oh, mein Vater! Oh, wie gut! + +(Sie geht hinein.) + +(Waldgegend. Rechts im Vorgrunde der hereinspringende Fels, im +Hintergrunde die Brücke, wie zu Anfang des zweiten Aufzuges. +Dunkel. +Ferner Schlachtlärm, der sich allmählich verliert. +Dann kommt Rustan, verwundet, auf Zanga gestützt.) + +Rustan. +Zanga, schau, wie steht das Treffen? + +Zanga. +Treffen? Sag vielmehr: die Flucht! +Rings verlassen dich die Deinen, +Und der Rest, er liegt erschlagen +Unter Feindesschwerter Wucht. + +Rustan. +Dahin kam es? Das das Ende? + +Zanga. +Ei, verklage deine Hände! +Wie man schlägt, so fliegt der Ball. +Hättest du, so wie ich wollte, +Als der Feind uns hart bedrängte +In der buntverworrnen Stadt, +Wenn du damals mir vergönntest, +Feuerbrände einzuschleudern +In die schreckgeleerten Gassen, +In der Häuserreihe Zahl, +Hätten uns wohl ziehen lassen, +Stünde besser allzumal. + +Rustan. +Ungeheuer! So viel Leben!-- +Und wer weiß, ob es gelang? + +Zanga. +Ob's gelang? Da sitzt der Knoten! +Nicht, weil's Frevel, weil's gefährlich, +Macht's der frommen Seele bang. +Und mit also schwankem Gang, +Mit so ärmlich halbem Mute +Wolltest du der Herrschaft Sprossen, +Du den steilen Weg zum Großen, +Du erklimmen Macht und Rang? +Bunt gemengt aus manchen Stoffen +Ist das Roherz der Gewalt, +Kaum der Brand von zehen Reichen +Gnügt, die Mischung auszugleichen, +Die im Tiegel kocht und wallt; +Doch ein Säkul erst im Nacken, +Dem Vergangnen ist man hold, +Feuer reint Metall von Schlacken, +Und der König glänzt wie Gold. +Doch du konntest's nicht ertragen, +Eng der Sinn, das Aug' nur weit, +Willst du siegen, mußt du wagen; +Kehre denn zur Niedrigkeit! + +Rustan. +Das zu hören von dem Diener, +Von der Frevel Stifter, Helfer! + +Zanga. +Helfer? Stifter? Das vielleicht! +Aber Diener? Laß mich lachen! +Wessen Diener? wo der Herr? +Bist du nicht herabgestiegen, +Nicht gefallen von der Höhe, +Die mein Finger dir gewiesen, +Weil dem mächt'gen Willensriesen +Fehlte Mut zur kühnen Tat? +Gleich umfängt uns Schuld und Strafe, +Gleich an Anspruch, Rang und Macht; +Und wie gleich im Mutterschoße, +Schaut als Gleiche uns die Nacht. + +Rustan. +Nun, wohlan, so rett uns beide! +Sinn auf Mittel, steh bei mir! +Denn welch Ausweg bliebe dir, +Der gewußt um solche Taten? + +Zanga. +Welcher Ausweg? Dich verraten! +Oder glaubst du, kleinen Sold +Zahlt man dem, der aus dich liefert? +Ei, dein Kopf ist eitel Gold! + +Rustan (einen Hieb nach ihm führend). +Teufel! Ungeheuer! + +Zanga (mit dem Schwert, das er entblößt unter dem Mantel getragen, den +Streich auffangend und ihm den Säbel aus der Hand schlagend). +Halt! +Darauf war ich vorbereitet. +Vorsicht übt man mit euch Herrn, +Die Verzweiflung schlägt gar gern! +Und was hält mich nun noch ab, +Dir den langgedehnten Stahl +Gradaus in die Brust zu stoßen, +Übend so die eigne Rache, +Des zertretnen Landes Sache +Eines Streichs mit einem Mal? +Und doch nein; schrick nicht zurück! +Warst du gleich ein schwacher Schüler, +Warst mein Schüler immer doch, +Das Gebilde meiner Hände +Ehr ich selbst zerschlagen noch. +Fliehe du, ich bleibe hier; +Sammle deines Glückes Trümmer, +Sonne mich in neuem Schimmer, +Du giltst tot. der Lohn wird mir. + +(Nach dem Hintergrunde zeigend.) + +Dort dein Weg! Nach dorthin flieh! + +Rustan. +Zanga, noch zum letzten Male! +Geh mit mir! Denk, was ich war; +Wie die Menschen mir gehuldigt; +Denk der Gnaden, die ich häufte +Auch auf dich, ob deinem Haupt. + +Zanga. +Als du mich des Mords beschuldigt, +Weil du hilflos mich geglaubt? + +Rustan. +Eins und alles sei vergessen! +Bin verwundet, steh mir bei! +Nicht des Pfads, der Gegend kundig. + +Zanga. +Nicht der Gegend? Ha, ha, ha! +Sieh um dich, es ist dieselbe, +Wo den König du gerettet, +Du und einer noch zumal; +Wo du jenen andern trafst. +Siehst du dort die dunkle Brücke? +Sie, der erste Weg zum Glücke, +Sei nun auch des Unheils Pfad. + +Rustan. +Weh mir, weh! + +Zanga (auf die Brücke zeigend). +Nach dorthin flieh! + +Rustan. +Nimmermehr betret ich sie! +Dort hinaus! + +(Nach der rechten Seite gewendet.) + +Zanga. +Ei ja! ei ja! +Doch bemerk nur erst die Flämmchen, +Die die Gegend rings durchziehn. +Sind nicht Geister der Erschlagnen, +Krieger sind's, die Fackeln tragen, +Suchend dich! + +Rustan (nach links gekehrt). +Nun denn, zurück! +Rück den Weg, auf dem wir kamen. + +(Entfernte Trompetenklänge von der linken Seite.) + +Zanga. +Horch! Was dünkt dir von dem Klang? +Die Verfolger auch im Rücken, +Eingeengt bist du, umgarnt, +Traust du noch nicht dem, der warnt? +Dort dein Weg! + +Rustan (der den emporsteigenden Weg betreten hat, der zur Brücke +hinanführt, stehenbleibend). +Ich kann nicht, kann nicht! +Daß ich jemals dir getraut! + +Zanga. +Fühlst du's jetzt erst, da's zu spät? + +Rustan. +O mir schwindelt, o mir graut! +Fahles Licht zuckt durch die Gegend, +Fieber rasen im Gehirne, +Und die schwankenden Gestalten, +Nicht zu fassen, nicht zu halten, +Drehen sich im Wirbeltanz. +Feind! Versucher! Böser Engel! +Wohin schwandst du? Bist so dunkel! + +Zanga (der Mantel und Kopfbedeckung weggeworfen hat und in ganz schwarzer +Kleidung dasteht). +Mir ist warm, und ich bin schwarz. + +Rustan. +Schlangen scheinen deine Haare! + +Zanga (zwei flatternde Streifen, die sein Haupt umschlingen, aus den +Haaren ziehend). +Bänder, Bänder! nichts als Bänder! + +Rustan. +Und das Kleid auf deinem Rücken +Dehnt sich aus zu schwarzen Flügeln. + +Zanga. +Böse Falten, und doch gut auch. +So trägt man's bei uns zulande. + +Rustan. +Und zu deinen Mörderfüßen +Leuchtet's fahl mit düsterm Glanz. + +Zanga (einen gestiegen kolbenartigen Körper aufhebend, der schon früher +am Boden lag, aber erst jetzt zu leuchten anfängt). +Faules Holz und Moderschwamm! +Doch zu brauchen, dient als Leuchte. + +(Den Körper emporhaltend, der ein stärkeres Licht gibt.) + +Leuchtet dir hinab zum Abgrund. +Dort hinauf! dort nur ist Rettung. +Bist umsponnen, siehst du? Feinde! + +(Auf der rechten Seite des Vorgrundes treten Gewaffnete auf.) + +Anführer. +Ja, er ist's! Gib dich gefangen! + +Rustan. +Weh! + +Zanga. +Hinauf! + +(Auf der linken Seite, hinter Zangas Rücken, erscheinen Krieger.) + +Anführer. +Hier ist der Frevler. + +Zanga. +Nur hinauf! + +Rustan (eilt den Weg zur Brücke hinauf). + +Anführer (der auf der linken Seite stehenden Krieger). +Verrennt den Weg ihm! + +(Einige folgen ihm.) + +Rustan (erscheint neben der Brücke). +Zanga! + +Zanga. +Nur die Brücke frei noch! + +(Rustan hat die Brücke betreten.) +(Auf der rechten Seite der Anhöhe erscheint Gülnare mit Gefolge und +Fackeln.) + +Gülnare. +Halt! du Blut'ger! + +Zanga. +Willst du fallen +Von des Henkers Hand, ein Feiger? +Nun stehst du am rechten Platze! +Stürz hinab dich in die Fluten, +Stirb als Krieger, fall als Held! + +Gülnare. +Gib dich! gib dich! + +(Von allen Seiten sind Krieger mit Fackeln aufgetreten. Die +Gewaffneten dringen näher.) + +Zanga. +Mir! Verloren! +(Eine Rustan ähnliche Gestalt stürzt sich in den Strom. In +demselben Augenblicke bricht der Fels rechts im Vorgrunde zusammen. +Rustan auf seinem Bett liegend wird sichtbar, die beiden Knaben, +wie am Schlusse des ersten Aufzuges, ihm zur Seite. Ein Schleier +zieht sich über die Gegend, ein zweiter, ein dritter. Die +Gestalten werden undeutlich. Zanga versinkt, Wolken bedecken das +Ganze.) + +Rustan (sich im Schlafe bewegend). +Weh mir, weh! ich bin verloren! + +(Der zu Füßen des Bettes stehende, dunkelgekleidete Knabe zündet +seine Fackel an der brennenden des zu Häupten stehenden +buntgekleideten an, der dafür die seine gegen den Boden auslöscht. +Rustan erwacht. Die Knaben versinken. Die Wolken rückwärts +verziehen sich. Das Innere der Hütte erscheint, wie im ersten +Aufzuge.) + +Rustan (emporfahrend und seine Arme befühlend). +Leb ich noch? Bin ich gefangen? +So verschlang mich nicht der Strom? +Zanga! Zanga! O mein Elend! + +Zanga (in seiner Haustracht, wie im ersten Aufzuge, tritt ein mit einer +Lampe, die er hinsetzt). +Endlich wach! Der Morgen graut, +Und die Pferde stehn bereitet. + +Rustan. +Unhold! Mörder! Schlange! Teufel! +Kommst du her, um mein zu spotten? +Sind gleich Vipern deine Haare, +Flammen deiner Augen Sterne, +Und ein Blitz in deiner Hand, +Doch, ein Sterblicher, Verlockter, +Will ich kühlen meine Rache, +Und der Dolch hier soll versuchen, +Ob dein Leib von gleichem Erz, +Als die Stirn, der Grimm, das Herz. + +(Er hat den Dolch ergriffen, der neben seinem Bette hängt, im +Begriff ihn zu schleudern.) + +Zanga. +Hilfe! Weh, er ist von Sinnen! +Mirza! Massud! Hört denn niemand? + +(Er entflieht.) + +Rustan. +Er entfloh! Ich bin nicht machtlos, +Seine Macht nicht unbezwinglich! +Und nun fort aus diesen Räumen, +Rings umstellt mit Todesgrauen! Nur noch erst verlöscht das Licht +Das mich kund gibt meinen Feinden. + +(Er bläst die Lampe aus. Durch das breite Bogenfenster, das die +größere Hälfte des Hintergrundes einnimmt, sieht man den Horizont +mit den ersten Zeichen des anbrechenden Tages besäumt.) + +Wo die Türe? Ist kein Ausgang +Aus den Schrecken dieser Orte? +Muß ich hier denn untergehn? +Horch! man kommt! So will ich teuer +Nur verkaufen dies mein Leben; +Tod empfangen, doch erst geben. + +(Er ergreift den neben seinem Bett stehenden Säbel.) + +(Massud und Mirza kommen. Letztere trägt eine hellbrennende +Leuchte in der Hand.) + +Rustan. +Ha, der König? und Gülnare? +Nicht der König!--Wär' es möglich? +Du scheinst Massud.--Mirza! Mirza! +Seid ihr tot, und bin ich's auch? +Wie kam ich in eure Mitte? +Sehe wieder diese Hütte? Oh, verschwende nicht dein Anschaun, +Diese liebevollen Blicke, +An den Dunkeln, den Gefallnen! +Denn was mir die Liebe gibt, +Zahl ich rück mit blut'gem Hasse.-- +Und doch nein, dich haß ich nicht! +Nein, ich fühl's, dich nicht.--Und dich nicht.-- +Haß?--Oh, mit welch warmen Regen +Kommt mein Innres mir entgegen? +Hasse euch nicht! Hasse niemand! +Möchte aller Welt vergeben, +Und mit Tränen, so wie ehmals +In der Unschuld frommen Tagen, +Fühl ich neu mein Aug' sich tragen. + +Mirza. +Rustan! + +Rustan. +Nein, bleib fern von mir! +Wüßtest all du, was geschehn, +Seit wir uns zuletzt gesehn. + +Mirza. +Uns gesehn? + +Rustan. +Den Tagen, Wochen-- + +Mirza. +Wochen? Tagen? + +Rustan. +Weiß ich's? Weiß ich's? +Furchtbar ist der Zeiten Macht. + +Mirza. +War's denn mehr als eine Nacht? + +Zanga (in der Türe erscheinend). +Herr, befiehlst du nun die Pferde? + +Mirza. +Ach, erinnre dich doch nur! +Gestern abends--Sag ihm's, Vater, +Mir wird gar zu schwer dabei. + +Massud. +Gestern abends, weißt du nicht? +Wolltest du von uns dich trennen, +Du befahlst für heut die Pferde. +Es ist Tag, und sie sind hier. + +Rustan. +Gestern abends? + +Massud. +Wann nur sonst? + +Rustan. +Gestern abends? Und das alles, +Was gesehen ich, erlebt, +All die Größe, all die Greuel, +Blut und Tod, und Sieg und Schlacht-- + +Massud. +War vielleicht die dunkle Warnung +Einer unbekannten Macht, +Der die Stunden sind wie Jahre +Und das Jahr wie eine Nacht, +Wollend, daß sich offenbare, +Drohend sei, was du gedacht, +Und die nun, enthüllt das Wahre, +Nimmt die Drohung samt der Nacht. +Brauch den Rat, den Götter geben, +Zweimal hilfreich sind sie kaum. + +Rustan. +Eine Nacht? und war ein Leben. + +Massud. +Eine Nacht. Es war ein Traum. +Schau, die Sonne, sie, dieselbe, +Älter nur um einen Tag, +Die beim Scheiden deinem Trotze, +Deiner Härte Zeugnis gab, +Schau in ihren ew'gen Gleisen +Steigt sie dort den Berg hinan, +Scheint erstaunt auf dich zu weisen, +Der so träg in neuer Bahn; +Und mein Sohn auch, willst du reisen, +Es ist Zeit, schick nur dich an! + +(Die durch das Fenster sichtbare Gegend, die schon früher alle +Stufen des kommenden Tages gezeigt hat, strahlt jetzt im vollen +Glanze des Sonnenaufganges.) + +Rustan (auf die Knie stürzend). +Sei gegrüßt, du heil'ge Frühe, +Ew'ge Sonne, sel'ges Heut! +Wie dein Strahl das nächt'ge Dunkel +Und der Nebel Schar zerstreut, +Dringt er auch in diesen Busen, +Siegend ob der Dunkelheit. +Was verworren war, wird helle, +Was geheim, ist's fürder nicht. +Die Erleuchtung wird zur Wärme, +Und die Wärme, sie ist Licht. Dank dir, Dank! daß jene Schrecken, +Die die Hand mit Blut besäumt, +Daß sie Warnung nur, nicht Wahrheit, +Nicht geschehen, nur geträumt; +Daß dein Strahl in seiner Klarheit, +Du Erleuchterin der Welt, +Nicht auf mich, den blut'gen Frevler, +Nein, auf mich, den Reinen fällt. Breit es aus mit deinen Strahlen, +Senk es tief in jede Brust: +Eines nur ist Glück hienieden, +Eins, des Innern stiller Frieden, +Und die schuldbefreite Brust. +Und die Größe ist gefährlich, +Und der Ruhm ein leeres Spiel; +Was er gibt, sind nicht'ge Schatten, +Was er nimmt, es ist so viel. So denn sag ich mich auf immer +Los von seiner Schmeichelei, +Und von dir, noch auf den Knien, +Fleh ich, Ohm, der Gaben drei. + +Mirza. +Rustan! Vater! + +Rustan. +Erst verzeih! +Nimm, geneigt der heißen Bitte, +Wieder auf in deine Hütte +Den Verirrten, seine Reu'! + +Mirza. +Hörst du, Vater? + +Massud. +Oh, wie gerne! + +Rustan. +Dann gib dem Versucher dort, +Ihm, vor dem gewarnt die Sterne, +Gib die Freiheit ihm, gib Gold, +Laß ihn ziehn in alle Ferne! + +Zanga. +Herr! + +Rustan (zu Zanga). +Ich will's!--Ich bitte, Vater! + +Massud. +Du begegnest meinen Wünschen. + +(Zu Zanga.) + +Ziehe hin, denn du bist frei! +Nimm dir eins der beiden Pferde. +Was des Säckels Inhalt faßt, +Den ich gab als Reisezehrung, +Es sei dein, nur aber scheide! + +Zanga. +Wirklich frei? + +Massud. +Du bist's! + +Zanga (gegen Rustan). +Was sag ich? + +Rustan. +Zeig den Dank, indem du gehst. + +Zanga. +Ich benütz die erste Freude. +Lebt denn wohl, ihr Guten beide! +Schöne Jungfrau, seid bedankt. +Und nun fort, durch Busch und Heide! + +(Mit einem Sprung zur Türe hinaus.) + +Rustan (der aufgestanden ist). +Nun zur letzten meiner Bitten! +Gestern abend, noch beim Scheiden, +Ließest du mich hoffen, glauben, +Daß hier diese, deine Tochter-- + +Massud. +Davon schweig, und sprich nicht weiter! +Dies mein Haus und jede Gabe +Teil ich mit dem Reu'gen gern, +Doch was mehr als Haus und Habe, +Meines Lebens tiefsten Kern, +Damit laß für jetzt mich sparen, +Bis die Zeiten offenbaren, +Ob, was floh, auf immer fern. + +Rustan. +Oheim, wie? und du kannst zweifeln? + +Massud. +Nicht, daß jetzo du so fühlst, +Doch vergiß es nicht, die Träume, +Sie erschaffen nicht die Wünsche, +Die vorhandnen wecken sie; +Und was jetzt verscheucht der Morgen, +Lag als Keim in dir verborgen, +Hüte dich, so will auch ich. + +Rustan. +Oheim, höre! + +Mirza. +Hör ihn, Vater! + +Massud. +Du auch trittst auf seine Seite? + +Mirza. +Ist er doch so mild und gut. + +(Leise Klänge lassen sich hören.) + +Massud. +Horch! + +Mirza. +Mein Vater! + +Massud. +Leise Töne! + +Mirza. +Sprich ein Wort! + +Massud. +Sie kommen näher. + +(Zanga und der alte Derwisch gehen außen am Fenster vorüber. Der +Alte spielt die Harfe, Zanga bläst auf der Flöte dazu. Es ist die +am Ende des ersten Aufzuges gehörte Melodie.) + +Massud. +Ist das Zanga nicht, der Schwarze? +Und der Greis an seiner Seite-- + +Rustan. +Weh! Entsetzen! + +Mirza. +Und warum? +Ist es doch der güt'ge Derwisch, +Er, der wundertät'ge Mann, +Der mit Raten und mit Lehren +Vatergleich an mir getan. + +Rustan. +Nun hinab, ihr dunkeln Träume! +Vater, sprich ein gütig Wort! + +Massud. +Schau, sie nahen, schau, sie kommen! +Neigen nun sich vor der Sonnen. + +Mirza. +Vater! sprichst du nicht? + +Massud (leise). +Ei später! +Laß uns horchen jetzt. Nur leis! + +Rustan (ebenso). +Aber dann--? + +Mirza (ebenso). +Versprich es! + +Massud. +Stille! + +Rustan (und) Mirza (sich umfassend). +Vater! Oheim! + +Massud (noch immer nach außen hinhorchend, mit der linken Hand das +Zeichen der Einwilligung gebend, leise). +Ja doch; sei's! + +(Die beiden sinken, ihn und sich umfassend, auf die Knie. Die Töne +klingen noch immer fort.) + +(Der Vorhang fällt.) + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Traum ein Leben, von +Franz Grillparzer. + + + + + + +End of Project Gutenberg's Der Traum ein Leben, by Franz Grillparzer + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER TRAUM EIN LEBEN *** + +This file should be named 7996-8.txt or 7996-8.zip + +Delphine Lettau and Mike Pullen + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our Web sites at: +https://gutenberg.org or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any eBook before announcement +can get to them as follows, and just download by date. This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03 + +Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +Donations by check or money order may be sent to: + +Project Gutenberg Literary Archive Foundation +PMB 113 +1739 University Ave. +Oxford, MS 38655-4109 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are +tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising +requirements for other states are met, additions to this list will be +made and fund-raising will begin in the additional states. + +We need your donations more than ever! + +You can get up to date donation information online at: + +https://www.gutenberg.org/donation.html + + +*** + +If you can't reach Project Gutenberg, +you can always email directly to: + +Michael S. Hart <hart@pobox.com> + +Prof. Hart will answer or forward your message. + +We would prefer to send you information by email. + + +**The Legal Small Print** + + +(Three Pages) + +***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START*** +Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers. +They tell us you might sue us if there is something wrong with +your copy of this eBook, even if you got it for free from +someone other than us, and even if what's wrong is not our +fault. So, among other things, this "Small Print!" statement +disclaims most of our liability to you. It also tells you how +you may distribute copies of this eBook if you want to. + +*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK +By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm +eBook, you indicate that you understand, agree to and accept +this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive +a refund of the money (if any) you paid for this eBook by +sending a request within 30 days of receiving it to the person +you got it from. If you received this eBook on a physical +medium (such as a disk), you must return it with your request. + +ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS +This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks, +is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. 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