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+Project Gutenberg's Mozart auf der Reise nach Prag, by Eduard Morike
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+Title: Mozart auf der Reise nach Prag
+
+Author: Eduard Morike
+
+Release Date: February, 2005 [EBook #7503]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on May 11, 2003]
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+Edition: 10
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+Language: German
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+Character set encoding: ISO-Latin-1
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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MOZART AUF DER REISE NACH PRAG ***
+
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+
+Produced by Gunther Olesch and Andrew Sly
+This text has been derived from HTML files at "Projekt Gutenberg - DE"
+(http://www.gutenberg2000.de/moerike/mozart/mozart.htm), prepared by
+Gerd Bouillon.
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+Eduard Mörike
+
+Mozart auf der Reise nach Prag
+
+Eine Novelle
+
+
+
+Im Herbst des Jahres 1787 unternahm Mozart in Begleitung seiner
+Frau eine Reise nach Prag, um >Don Juan< daselbst zur Aufführung zu
+bringen.
+
+Am dritten Reisetag, den vierzehnten September, gegen elf Uhr morgens,
+fuhr das wohlgelaunte Ehepaar, noch nicht viel über dreißig Stunden
+Wegs von Wien entfernt, in nordwestlicher Richtung jenseits vom
+Mannhardsberg und der deutschen Thaya bei Schrems, wo man das schöne
+Mährische Gebirg bald vollends überstiegen hat.
+
+>Das mit drei Postpferden bespannte Fuhrwerk<, schreibt die Baronesse
+von T. an ihre Freundin, >eine stattliche, gelbrote Kutsche, war
+Eigentum einer gewissen alten Frau Generalin Volkstett, die sich
+auf ihren Umgang mit dem Mozartischen Hause und ihre ihm erwiesenen
+Gefälligkeiten von jeher scheint etwas zugut getan zu haben.< - Die
+ungenaue Beschreibung des fraglichen Gefährts wird sich ein Kenner des
+Geschmacks der Achtziger Jahre noch etwa durch einige Züge ergänzen.
+Der gelbrote Wagen ist hüben und drüben am Schlage mit Blumenbuketts,
+in ihren natürlichen Farben gemalt, die Ränder mit schmalen
+Goldleisten verziert, der Anstrich aber noch keineswegs von jenem
+spiegelglatten Lack der heutigen Wiener Werkstätten glänzend, der
+Kasten auch nicht völlig ausgebaucht, obwohl nach unten zu kokett mit
+einer kühnen Schweifung eingezogen; dazu kommt ein hohes Gedeck mit
+starrenden Ledervorhängen, die gegenwärtig zurückgestreift sind.
+
+Von dem Kostüm der beiden Passagiere sei überdies so viel bemerkt. Mit
+Schonung für die neuen, im Koffer eingepackten Staatsgewänder war der
+Anzug des Gemahls bescheidentlich von Frau Konstanzen ausgewählt;
+zu der gestickten Weste von etwas verschossenem Blau sein gewohnter
+brauner Überrock mit einer Reihe großer und dergestalt fassonierter
+Knöpfe, daß eine Lage rötliches Rauschgold durch ihr sternartiges
+Gewebe schimmerte, schwarzseidene Beinkleider, Strümpfe und auf den
+Schuhen vergoldete Schnallen. Seit einer halben Stunde hat er wegen
+der für diesen Monat außerordentlichen Hitze sich des Rocks entledigt
+und sitzt, vergnüglich plaudernd, barhaupt, in Hemdärmeln da. Madame
+Mozart trägt ein bequemes Reisehabit, hellgrün und weiß gestreift;
+halb aufgebunden fällt der Überfluß ihrer schönen lichtbraunen Locken
+auf Schultern und Nacken herunter; sie waren zeit ihres Lebens noch
+niemals von Puder entstellt, während der starke, in einen Zopf gefaßte
+Haarwuchs ihres Gemahls für heute nur nachlässiger als gewöhnlich
+damit versehen ist.
+
+Man war eine sanft ansteigende Höhe zwischen fruchtbaren Feldern,
+welche hie und da die ausgedehnte Waldung unterbrachen, gemachsam
+hinauf und jetzt am Waldsaum angekommen.
+
+»Durch wieviel Wälder«, sagte Mozart, »sind wir nicht heute, gestern
+und ehegestern schon passiert! - Ich dachte nichts dabei, geschweige
+daß mir eingefallen wäre, den Fuß hineinzusetzen. Wir steigen einmal
+aus da, Herzenskind, und holen von den blauen Glocken, die dort so
+hübsch im Schatten stehn. Deine Tiere, Schwager, mögen ein bißchen
+verschnaufen.«
+
+Indem sie sich beide erhoben, kam ein kleines Unheil an den Tag,
+welches dem Meister einen Zank zuzog. Durch seine Achtlosigkeit war
+ein Flakon mit kostbarem Riechwasser aufgegangen und hatte seinen
+Inhalt unvermerkt in die Kleider und Polster ergossen. »Ich hätt es
+denken können«, klagte sie; »es duftete schon lang so stark. O weh,
+ein volles Fläschchen echte Rosée d'Aurore rein ausgeleert! Ich
+sparte sie wie Gold.« - »Ei, Närrchen«, gab er ihr zum Trost
+zurück, »begreife doch, auf solche Weise ganz allein war uns dein
+Götter-Riechschnaps etwas nütze. Erst saß man in einem Backofen,
+und all dein Gefächel half nichts, bald aber schien der ganze Wagen
+gleichsam ausgekühlt; du schriebst es den paar Tropfen zu, die ich mir
+auf den Jabot goß; wir waren neu belebt, und das Gespräch floß munter
+fort, statt daß wir sonst die Köpfe hätten hängen lassen wie die
+Hämmel auf des Fleischers Karren, und diese Wohltat wird uns auf dem
+ganzen Weg begleiten. Jetzt aber laß uns doch einmal zwei wienerische
+Nosn recht expreß hier in die grüne Wildnis stecken!«
+
+Sie stiegen Arm in Arm über den Graben an der Straße und sofort tiefer
+in die Tannendunkelheit hinein, die, sehr bald bis zur Finsternis
+verdichtet, nur hin und wieder von einem Streifen Sonne auf sammetnem
+Moosboden grell durchbrochen ward. Die erquickliche Frische, im
+plötzlichen Wechsel gegen die außerhalb herrschende Glut, hätte dem
+sorglosen Mann ohne die Vorsicht der Begleiterin gefährlich werden
+können. Mit Mühe drang sie ihm das in Bereitschaft gehaltene
+Kleidungsstück auf. -
+
+»Gott, welche Herrlichkeit!« rief er, an den hohen Stämmen
+hinaufblickend, aus: »man ist als wie in einer Kirche! Mir deucht, ich
+war niemals in einem Wald und besinne mich jetzt erst, was es doch
+heißt, ein ganzes Volk von Bäumen beieinander! Keine Menschenhand hat
+sie gepflanzt, sind alle selbst gekommen und stehen so, nur eben, weil
+es lustig ist, beisammen, wohnen und wirtschaften. Siehst du, mit
+jungen Jahren fuhr ich doch in halb Europa hin und her, habe die Alpen
+gesehn und das Meer, das Größeste und Schönste, was erschaffen ist:
+jetzt steht von ungefähr der Gimpel in einem ordinären Tannenwald an
+der böhmischen Grenze, verwundert und verzückt, daß solches Wesen
+irgend existiert, nicht etwa nur so una finzione di poeti ist, wie
+ihre Nymphen, Faune und dergleichen mehr, auch kein Komödienwald, nein
+aus dem Erdboden herausgewachsen, von Feuchtigkeit und Wärmelicht der
+Sonne großgezogen Hier ist zu Haus der Hirsch mit seinem wundersamen
+zackigen Gestäude auf der Stirn, das possierliche Eichhorn, der
+Auerhahn, der Häher.« - Er bückte sich, brach einen Pilz und pries die
+prächtige hochrote Farbe des Schirms, die zarten weißlichen Lamellen
+an dessen unterer Seite, auch steckte er verschiedene Tannenzapfen
+ein. »Man könnte denken,« sagte die Frau, »du habest noch nicht
+zwanzig Schritte hinein in den Prater gesehen, der solche Raritäten
+doch auch wohl aufzuweisen hat.«
+
+»Was Prater! Sapperlot, wie du nur das Wort hier nennen magst! Vor
+lauter Karossen, Staatsdegen, Roben und Fächern, Musik und allem
+Spektakel der Welt, wer sieht denn da noch sonst etwas? Und selbst
+die Bäume dort, so breit sie sich auch machen, ich weiß nicht -
+Bucheckern und Eicheln, am Boden verstreut, sehn halter aus als wie
+Geschwisterkind mit der Unzahl verbrauchter Korkstöpsel darunter. Zwei
+Stunden weit riecht das Gehölz nach Kellnern und nach Saucen.«
+
+»O unerhört!« rief sie, »so redet nun der Mann, dem gar nichts über
+das Vergnügen geht, Backhähnl im Prater zu speisen!«
+
+Als beide wieder in dem Wagen saßen und sich die Straße jetzt nach
+einer kurzen Strecke ebenen Wegs allmählich abwärts senkte, wo eine
+lachende Gegend sich bis an die entfernteren Berge verlor, fing unser
+Meister, nachdem er eine Zeit lang still gewesen, wieder an: »Die Erde
+ist wahrhaftig schön und keinem zu verdenken, wenn er so lang wie
+möglich darauf bleiben will. Gott sei's gedankt, ich fühle mich so
+frisch und wohl wie je und wäre bald zu tausend Dingen aufgelegt, die
+denn auch alle nacheinander an die Reihe kommen sollen, wie nur mein
+neues Werk vollendet und aufgeführt sein wird. Wieviel ist draußen in
+der Welt und wieviel daheim, Merkwürdiges und Schönes, das ich noch
+gar nicht kenne, an Wunderwerken der Natur, an Wissenschaften, Künsten
+und nützlichen Gewerben! Der schwarze Köhlerbube dort bei seinem
+Meiler weiß dir von manchen Sachen auf ein Haar so viel Bescheid wie
+ich, da doch ein Sinn und ein Verlangen in mir wäre, auch einen Blick
+in dies und jens zu tun, das eben nicht zu meinem nächsten Kram
+gehört.«
+
+»Mir kam«, versetzte sie, »in diesen Tagen dein alter Sackkalender in
+die Hände von Anno fünfundachzig; da hast du hinten angemerkt drei bis
+vier Notabene. Zum ersten steht: >Mitte Oktober gießet man die großen
+Löwen in kaiserlicher Erzgießerei<; fürs zweite, doppelt angestrichen:
+>Professor Gattner zu besuchen!< Wer ist der?«
+
+»O recht, ich weiß - auf dem Observatorio der gute alte Herr, der mich
+von Zeit zu Zeit dahin einlädt. Ich wollte längst einmal den Mond und
+'s Mandl drin mit dir betrachten. Sie haben jetzt ein mächtig großes
+Fernrohr oben; da soll man auf der ungeheuern Scheibe, hell und
+deutlich bis zum Greifen, Gebirge, Täler, Klüfte sehen und von der
+Seite, wo die Sonne nicht hinfällt, den Schatten, den die Berge
+werfen. Schon seit zwei Jahren schlag ichs an, den Gang zu tun, und
+komme nicht dazu, elender und schändlicher Weise!«
+
+»Nun,« sagte sie, »der Mond entläuft uns nicht. Wir holen manches
+nach.«
+
+Nach einer Pause fuhr er fort: »Und geht es nicht mit allem so? O
+pfui, ich darf nicht daran denken, was man verpaßt, verschiebt und
+hängen läßt! - von Pflichten gegen Gott und Menschen nicht zu reden -
+ich sage, von purem Genuß, von den kleinen unschuldigen Freuden, die
+einem jeden täglich vor den Füßen liegen.«
+
+Madame Mozart konnte oder wollte von der Richtung, die sein
+leichtbewegliches Gefühl hier mehr und mehr nahm, auf keine Weise
+ablenken, und leider konnte sie ihm nur von ganzem Herzen recht geben,
+indem er mit steigendem Eifer fortfuhr: »Ward ich denn je nur meiner
+Kinder ein volles Stündchen froh? Wie halb ist das bei mir und immer
+en passant! Die Buben einmal rittlings auf das Knie gesetzt, mich
+zwei Minuten mit ihnen durchs Zimmer gejagt, und damit basta, wieder
+abgeschüttelt! Es denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zusammen
+einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern oder Pfingsten, in
+einem Garten oder Wäldel, auf der Wiese, wir unter uns allein, bei
+Kinderscherz und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden.
+Allmittelst geht und rennt und saust das Leben hin - Herr Gott!
+bedenkt mans recht, es möcht einem der Angstschweiß ausbrechen!«
+
+Mit der soeben ausgesprochenen Selbstanklage war unerwartet ein sehr
+ernsthaftes Gespräch in aller Traulichkeit und Güte zwischen beiden
+eröffnet. Wir teilen dasselbe nicht ausführlich mit und werfen lieber
+einen allgemeinen Blick auf die Verhältnisse, die teils ausdrücklich
+und unmittelbar den Stoff, teils auch nur den bewußten Hintergrund der
+Unterredung ausmachten.
+
+Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Betrachtung auf, daß
+dieser feurige, für jeden Reiz der Welt und für das Höchste, was dem
+ahnenden Gemüt erreichbar ist, unglaublich empfängliche Mensch, soviel
+er auch in seiner kurzen Spanne Zeit erlebt, genossen und aus sich
+hervorgebracht, ein stetiges und rein befriedigtes Gefühl seiner
+selbst doch lebenslang entbehrte.
+
+Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa tiefer suchen will,
+als sie vermutlich liegen, wird sie zunächst einfach in jenen, wie es
+scheint, unüberwindlich eingewohnten Schwächen finden, die wir so gern
+und nicht ganz ohne Grund mit alle dem, was an Mozart der Gegenstand
+unserer Bewunderung ist, in eine Art notwendiger Verbindung bringen.
+
+Des Mannes Bedürfnisse waren sehr vielfach, seine Neigung zumal für
+gesellige Freuden außerordentlich groß. Von den vornehmsten Häusern
+der Stadt als unvergleichliches Talent gewürdigt und gesucht,
+verschmähte er Einladungen zu Festen, Zirkeln und Partien selten
+oder nie. Dabei tat er der eigenen Gastfreundschaft innerhalb
+seiner näheren Kreise gleichfalls genug. Einen längst hergebrachten
+musikalischen Abend am Sonntag bei ihm, ein ungezwungenes Mittagsmahl
+an seinem wohlbestellten Tisch mit ein paar Freunden und Bekannten,
+zwei-, dreimal in der Woche, das wollte er nicht missen. Bisweilen
+brachte er die Gäste, zum Schrecken der Frau, unangekündigt von der
+Straße weg ins Haus, Leute von sehr ungleichem Wert, Liebhaber,
+Kunstgenossen, Sänger und Poeten. Der müßige Schmarotzer, dessen
+ganzes Verdienst in einer immer aufgeweckten Laune, in Witz und Spaß,
+und zwar vom gröberen Korn, bestand, kam so gut wie der geistvolle
+Kenner und der treffliche Spieler erwünscht. Den größten Teil seiner
+Erholung indes pflegte Mozart außer dem eigenen Hause zu suchen.
+Man konnte ihn nach Tisch einen Tag wie den andern am Billard im
+Kaffeehaus und so auch manchen Abend im Gasthof finden. Er fuhr
+und ritt sehr gerne in Gesellschaft über Land, besuchte als
+ein ausgemachter Tänzer Bälle und Redouten und machte sich des
+Jahrs einige Male einen Hauptspaß an Volksfesten, vor allen am
+Brigitten-Kirchtag im Freien, wo er als Pierrot maskiert erschien.
+
+Diese Vergnügungen, bald bunt und ausgelassen, bald einer ruhigeren
+Stimmung zusagend, waren bestimmt, dem lang gespannten Geist nach
+ungeheurem Kraftaufwand die nötige Rast zu gewähren; auch verfehlten
+sie nicht, demselben nebenher auf den geheimnisvollen Wegen, auf
+welchen das Genie sein Spiel bewußtlos treibt, die feinen flüchtigen
+Eindrücke mitzuteilen, wodurch es sich gelegentlich befruchtet.
+Doch leider kam in solchen Stunden, weil es dann immer galt, den
+glücklichen Moment bis auf die Neige auszuschöpfen, eine andere
+Rücksicht, es sei nun der Klugheit oder der Pflicht, der
+Selbsterhaltung wie der Häuslichkeit, nicht in Betracht. Genießend
+oder schaffend kannte Mozart gleichwertig Maß und Ziel. Ein Teil der
+Nacht war stets der Komposition gewidmet. Morgens früh, oft lange noch
+im Bett, ward ausgearbeitet. Dann machte er von zehn Uhr an, zu Fuß
+oder im Wagen abgeholt, die Runde seiner Lektionen, die in der Regel
+noch einige Nachmittagsstunden wegnahmen. >Wir plagen uns wohl auch
+rechtschaffen<, so schreibt er selber einmal einem Gönner, >und es
+hält öfter schwer, nicht die Geduld zu verlieren. Da halst man sich
+als wohlakkreditierter Cembalist und Musiklehrmeister ein Dutzend
+Schüler auf, und immer wieder einen neuen, unangesehn, was weiter
+an ihm ist, wenn er nur seinen Taler per marca bezahlt. Ein jeder
+ungrische Schnurrbart vom Geniekorps ist willkommen, den der Satan
+plagt, für nichts und wieder nichts Generalbaß und Kontrapunkt zu
+studieren: das übermütigste Komteßchen, das mich wie Meister Coquerel,
+den Haarkräusler, mit einem roten Kopf empfängt, wenn ich einmal nicht
+auf den Glockenschlag bei ihr anklopfe usw.< Und wenn er nun, durch
+diese und andere Berufsarbeiten, Akademien, Proben und dergleichen
+abgemüdet, nach frischem Atem schmachtete, war den erschlafften Nerven
+häufig nur in neuer Aufregung eine scheinbare Stärkung vergönnt. Seine
+Gesundheit wurde heimlich angegriffen, ein je und je wiederkehrender
+Zustand von Schwermut wurde, wo nicht erzeugt, doch sicherlich genährt
+an eben diesem Punkt und so die Ahnung eines frühzeitigen Todes, die
+ihn zuletzt auf Schritt und Tritt begleitete, unvermeidlich erfüllt.
+Gram aller Art und Farbe, das Gefühl der Reue nicht ausgenommen, war
+er als eine herbe Würze jeder Lust auf seinen Teil gewöhnt. Doch
+wissen wir, auch diese Schmerzen rannen abgeklärt und rein in jenem
+tiefen Quell zusammen, der, aus hundert goldenen Röhren springend, im
+Wechsel seiner Melodien unerschöpflich, alle Qual und alle Seligkeit
+der Menschenbrust ausströmte.
+
+Am offenbarsten zeigten sich die bösen Wirkungen der Lebensweise
+Mozarts in seiner häuslichen Verfassung. Der Vorwurf törichter,
+leichtsinniger Verschwendung lag sehr nahe; er mußte sich sogar an
+einen seiner schönsten Herzenszüge hängen. Kam einer, in dringender
+Not ihm eine Summe abzuborgen, sich seine Bürgschaft zu erbitten, so
+war meist schon darauf gerechnet, daß er sich nicht erst lang nach
+Pfand und Sicherheit erkundigte; dergleichen hätte ihm auch in der Tat
+so wenig als einem Kinde angestanden. Am liebsten schenkte er gleich
+hin, und immer mit lachender Großmut, besonders wenn er meinte, gerade
+Überfluß zu haben.
+
+Die Mittel, die ein solcher Aufwand neben dem ordentlichen Hausbedarf
+erheischte, standen allerdings in keinem Verhältnis mit den
+Einkünften. Was von Theatern und Konzerten, von Verlegern und Schülern
+einging, zusamt der kaiserlichen Pension, genügte um so weniger,
+da der Geschmack des Publikums noch weit davon entfernt war, sich
+entschieden für Mozarts Musik zu erklären. Diese lauterste Schönheit,
+Fülle und Tiefe befremdete gemeinhin gegenüber der bisher beliebten,
+leicht faßlichen Kost. Zwar hatten sich die Wiener an >Belmonte und
+Konstanze< - dank den populären Elementen dieses Stücks - seinerzeit
+kaum ersättigen können, hingegen tat, einige Jahre später, >Figaro<,
+und sicher nicht allein durch die Intrigen des Direktors, im
+Wettstreit mit der lieblichen, doch weit geringeren >Cosa rara< einen
+unerwarteten, kläglichen Fall; derselbe >Figaro<, den gleich darauf
+die gebildeten oder unbefangenern Prager mit solchem Enthusiasmus
+aufnahmen, daß der Meister in dankbarer Rührung darüber seine nächste
+große Oper eigens für sie zu schreiben beschloß. - Trotz der Ungunst
+der Zeit und dem Einfluß der Feinde hätte Mozart mit etwas mehr
+Umsicht und Klugheit noch immer einen sehr ansehnlichen Gewinn von
+seiner Kunst gezogen: so aber kam er selbst bei jenen Unternehmungen
+zu kurz, wo auch der große Haufen ihm Beifall zujauchzen mußte. Genug,
+es wirkte eben alles, Schicksal und Naturell und eigene Schuld,
+zusammen, den einzigen Mann nicht gedeihen zu lassen.
+
+Welch einen schlimmen Stand nun aber eine Hausfrau, sofern sie ihre
+Aufgabe kannte, unter solchen Umständen gehabt haben müsse, begreifen
+wir leicht. Obgleich selbst jung und lebensfroh, als Tochter eines
+Musikers ein ganzes Künstlerblut, von Hause aus übrigens schon an
+Entbehrungen gewöhnt, bewies Konstanze allen guten Willen, dem Unheil
+an der Quelle zu steuern, manches Verkehrte abzuschneiden und den
+Verlust im Großen durch Sparsamkeit im Kleinen zu ersetzen. Nur
+eben in letzterer Hinsicht vielleicht ermangelte sie des rechten
+Geschicks und der frühern Erfahrung. Sie hatte die Kasse und führte
+das Hausbuch; jede Forderung, jede Schuldmahnung, und was es
+Verdrießliches gab, ging ausschließlich an sie. Da stieg ihr wohl
+mitunter das Wasser an die Kehle, zumal wenn oft zu dieser Bedrängnis,
+zu Mangel, peinlicher Verlegenheit und Furcht vor offenbarer Unehre,
+noch gar der Trübsinn ihres Mannes kam, worin er tagelang verharrte,
+untätig, keinem Trost zugänglich, indem er mit Seufzen und Klagen
+neben der Frau oder stumm in einem Winkel vor sich hin den einen
+traurigen Gedanken, zu sterben, wie eine endlose Schraube verfolgte.
+Ihr guter Mut verließ sie dennoch selten, ihr heller Blick fand meist,
+wenn auch nur auf einige Zeit, Rat und Hülfe. Im wesentlichen wurde
+wenig oder nichts gebessert. Gewann sie ihm mit Ernst und Scherz, mit
+Bitten und Schmeicheln für heute soviel ab, daß er den Tee an ihrer
+Seite trank, sich seinen Abendbraten daheim bei der Familie schmecken
+ließ, um nachher nicht mehr auszugehen, was war damit erreicht? Er
+konnte wohl einmal, durch ein verweintes Auge seiner Frau plötzlich
+betroffen und bewegt, eine schlimme Gewohnheit aufrichtig verwünschen,
+das Beste versprechen, mehr als sie verlangte, - umsonst, er fand sich
+unversehens im alten Fahrgeleise wieder. Man war versucht zu glauben,
+es habe anders nicht in seiner Macht gestanden, und eine völlig
+veränderte Ordnung nach unsern Begriffen von dem, was allen Menschen
+ziemt und frommt, ihm irgendwie gewaltsam aufgedrungen, müßte das
+wunderbare Wesen geradezu selbst aufgehoben haben.
+
+Einen günstigen Umschwung der Dinge hoffte Konstanze doch stets
+insoweit, als derselbe von außen her möglich war: durch eine
+gründliche Verbesserung ihrer ökonomischen Lage, wie solche bei dem
+wachsenden Ruf ihres Mannes nicht ausbleiben könne. Wenn erst, so
+meinte sie, der stete Druck wegfiel, der sich auch ihm, bald näher,
+bald entfernter, von dieser Seite fühlbar machte, wenn er, anstatt
+die Hälfte seiner Kraft und Zeit dem bloßen Gelderwerb zu opfern,
+ungeteilt seiner wahren Bestimmung nachleben dürfte, wenn endlich der
+Genuß, nach dem er nicht mehr jagen, den er mit ungleich besserem
+Gewissen haben würde, ihm noch einmal so wohl an Leib und Seele
+gedeihe, dann sollte bald sein ganzer Zustand leichter, natürlicher,
+ruhiger werden. Sie dachte gar an einen gelegentlichen Wechsel ihres
+Wohnorts, da seine unbedingte Vorliebe für Wien, wo nun einmal nach
+ihrer Überzeugung kein rechter Segen für ihn sei, am Ende doch zu
+überwinden wäre.
+
+Den nächsten, entscheidenden Vorschub aber zu Verwirklichung ihrer
+Gedanken und Wünsche versprach sich Madame Mozart vom Erfolg der neuen
+Oper, um die es sich bei dieser Reise handelte.
+
+Die Komposition war weit über die Hälfte vorgeschritten. Vertraute,
+urteilsfähige Freunde, die, als Zeugen der Entstehung des
+außerordentlichen Werks, einen hinreichenden Begriff von seiner Art
+und Wirkungsweise haben mußten, sprachen überall davon in einem Tone,
+daß viele selber von den Gegnern darauf gefaßt sein konnten, es
+werde dieser >Don Juan<, bevor ein halbes Jahr verginge, die gesamte
+musikalische Welt von einem Ende Deutschlands bis zum andern
+erschüttert, auf den Kopf gestellt, im Sturm erobert haben.
+Vorsichtiger und bedingter waren die wohlwollenden Stimmen anderer,
+die, von dem heutigen Standpunkt der Musik ausgehend, einen
+allgemeinen und raschen Sukzeß kaum hofften. Der Meister selber teilte
+im stillen ihre nur zu wohl begründeten Zweifel.
+
+Konstanze ihrerseits, wie die Frauen immer, wo ihr Gefühl einmal
+lebhaft bestimmt und noch dazu vom Eifer eines höchst gerechten
+Wunsches eingenommen ist, durch spätere Bedenklichkeiten von da und
+dort her sich viel seltener als die Männer irremachen lassen, hielt
+fest an ihrem guten Glauben und hatte eben jetzt im Wagen wiederum
+Veranlassung, denselben zu verfechten. Sie tats, in ihrer fröhlichen
+und blühenden Manier, mit doppelter Beflissenheit, da Mozarts Stimmung
+im Verlauf des vorigen Gesprächs, das weiter zu nichts führen
+konnte und deshalb äußerst unbefriedigend abbrach, bereits merklich
+gesunken war. Sie setzte ihrem Gatten sofort mit gleicher Heiterkeit
+umständlich auseinander, wie sie nach ihrer Heimkehr die mit dem
+Prager Unternehmer als Kaufpreis für die Partitur akkordierten hundert
+Dukaten zur Deckung der dringendsten Posten und sonst zu verwenden
+gedenke, auch wie sie zufolge ihres Etats den kommenden Winter
+hindurch bis zum Frühjahr gut auszureichen hoffe.
+
+»Dein Herr Bondini wird sein Schäfchen an der Oper scheren, glaub es
+nur; und ist er halb der Ehrenmann, den du ihn immer rühmst, so läßt
+er dir nachträglich noch ein artiges Prozentchen von den Summen ab,
+die ihm die Bühnen nacheinander für die Abschrift zahlen; wo nicht,
+nun ja, gottlob, so stehen uns noch andere Chancen in Aussicht, und
+zwar noch tausendmal solidere. Mir ahnet allerlei.«
+
+»Heraus damit!«
+
+»Ich hörte unlängst ein Vögelchen pfeifen, der König von Preußen hab
+einen Kapellmeister nötig.«
+
+»Oho!«
+
+»Generalmusikdirektor, wollt ich sagen. Laß mich ein wenig
+phantasieren! Die Schwachheit habe ich von meiner Mutter.«
+
+»Nur zu! Je toller, je besser.«
+
+»Nein, alles ganz natürlich. - Vornweg also nimm an: übers Jahr um
+diese Zeit...«
+
+»Wenn der Papst die Grete freit...«
+
+»Still doch, Hanswurst! Ich sage, aufs Jahr um Sankt Ägidi muß schon
+längst kein Kaiserlicher Kammerkomponist mit Namen Wolf Mozart in Wien
+mehr weit und breit zu finden sein.«
+
+»Beiß dich der Fuchs dafür!«
+
+»Ich höre schon im Geist, wie unsere alten Freunde von uns plaudern,
+was sie sich alles zu erzählen wissen.«
+
+»Zum Exempel?«
+
+»Da kommt zum Beispiel eines Morgens früh nach neune schon unsere alte
+Schwärmerin, die Volkstett, in ihrem feurigsten Besuchssturmschritt
+quer übern Kohlmarkt hergesegelt. Sie war drei Monat fort, die große
+Reise zum Schwager in Sachsen, ihr tägliches Gespräch, solang wir sie
+kennen, kam endlich zustand; seit gestern nacht ist sie zurück, und
+jetzt mit ihrem übervollen Herzen - es schwattelt ganz von Reiseglück
+und Freundschaftsungeduld und allerliebsten Neuigkeiten - stracks hin
+zur Oberstin damit! die Trepp hinauf und angeklopft und das Herein
+nicht abgewartet: stell dir den Jubel selber vor und das Embrassement
+beiderseits! - >Nun, liebste, beste Oberstin< hebt sie nach einigem
+Vorgängigen mit frischem Odem an: >ich bringe Ihnen ein Schock Grüße
+mit, ob Sie erraten, von wem? Ich komme nicht so geradenwegs von
+Stendal her, es wurde ein kleiner Abstecher gemacht, linkshin, nach
+Brandenburg zu.< - >Wie? Wär es möglich... Sie kamen nach Berlin? sind
+bei Mozarts gewesen?< - >Zehn himmlische Tage!< - >O liebe, süße,
+einzige Generalin, erzählen Sie, beschreiben Sie! Wie geht es unsern
+guten Leutchen? Gefallen sie sich immer noch so gut wie anfangs dort?
+Es ist mir fabelhaft, undenkbar, heute noch, und jetzt nur desto mehr,
+da Sie von ihm herkommen - Mozart als Berliner! Wie benimmt er sich
+doch? Wie sieht er denn aus?< ->O der! Sie sollten ihn nur sehen.
+Diesen Sommer hat ihn der König ins Karlsbad geschickt. Wann wäre
+seinem herzgeliebten Kaiser Joseph so etwas eingefallen, he? Sie waren
+beide kaum erst wieder da, als ich ankam. Er glänzt von Gesundheit und
+Leben, ist rund und beleibt und vif wie Quecksilber; das Glück sieht
+ihm und die Behaglichkeit recht aus den Augen.<«
+
+Und nun begann die Sprecherin in ihrer angenommenen Rolle die neue
+Lage mit den hellsten Farben auszumalen. Von seiner Wohnung Unter
+den Linden, von seinem Garten und Landhaus an bis zu den glänzenden
+Schauplätzen seiner öffentlichen Wirksamkeit und den engeren Zirkeln
+des Hofs, wo er die Königin auf dem Piano zu begleiten hatte, wurde
+alles durch ihre Schilderung gleichsam zur Wirklichkeit und Gegenwart.
+Ganze Gespräche, die schönsten Anekdoten schüttelte sie aus dem Ärmel.
+Sie schien fürwahr mit jener Residenz, mit Potsdam und mit Sanssouci
+bekannter als im Schlosse zu Schönbrunn und auf der kaiserlichen Burg.
+Nebenbei war sie schalkhaft genug, die Person unsres Helden mit einer
+Anzahl völlig neuer hausväterlicher Eigenschaften auszustatten, die
+sich auf dem soliden Boden der preußischen Existenz entwickelt hatten
+und unter welchen die besagte Volkstett als höchstes Phänomen und
+zum Beweis, wie die Extreme sich manchmal berühren, den Ansatz
+eines ordentlichen Geizchens wahrgenommen hatte, das ihn unendlich
+liebenswürdig kleide. - »>Ja, nehmens nur, er hat seine dreitausend
+Taler fix, und das wofür? Daß er die Woche einmal ein Kammerkonzert,
+zweimal die große Oper dirigiert - Ach, Oberstin, ich habe ihn gesehn,
+unsern lieben, kleinen, goldenen Mann inmitten seiner trefflichen
+Kapelle, die er sich zugeschult, die ihn anbetet! saß mit der Mozartin
+in ihrer Loge, schräg gegen den höchsten Herrschaften über! Und was
+stand auf dem Zettel, bitte Sie - ich nahm ihn mit für Sie - ein
+kleines Reis'präsent von mir und Mozarts dreingewickelt - hier schauen
+Sie, hier lesen Sie, da stehts mit ellenlangen Buchstaben gedruckt!<
+->Hilf Himmel! Was? 'Tarar!'< ->Ja, geltens Freundin, was man erleben
+kann! Vor zwei Jahren, wie Mozart den 'Don Juan' schrieb und der
+verwünschte giftige, schwarzgelbe Salieri auch schon im stillen
+Anstalt machte, den Triumph, den er mit seinem Stück davontrug in
+Paris, demnächst auf seinem eignen Territorio zu begehen und unserem
+guten, Schnepfen liebenden, allzeit in 'Cosa rara' vergnügten Publikum
+nun doch auch mal so eine Gattung Falken sehn zu lassen, und er und
+seine Helfershelfer bereits zusammen munkelten und raffinierten, daß
+sie den 'Don Juan' so schön gerupft wie jenesmal den 'Figaro', nicht
+tot und nicht lebendig, auf das Theater stellen wollten - wissens, da
+tat ich ein Gelübd, wenn das infame Stück gegeben wird, ich geh nicht
+hin, um keine Welt! Und hielt auch Wort. Als alles lief und rannte -
+und, Oberstin, Sie mit -, blieb ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine
+Katze auf den Schoß und aß meine Kaldausche; und so die folgenden paar
+Male auch. Jetzt aber, stellen Sie sich vor, 'Tarar' auf der Berliner
+Opernbühne, das Werk seines Todfeinds, von Mozart dirigiert!< - >Da
+müssen Sie schon drein!< rief er gleich in der ersten Viertelstunde,
+>Und wärs auch nur, daß Sie den Wienern sagen können, ob ich dem
+Knaben Absalon ein Härchen krümmen ließ. Ich wünschte, er wär selbst
+dabei, der Erzneidhammel sollte sehen, daß ich nicht nötig hab, einem
+andern sein Zeug zu verhunzen, damit ich immerfort der bleiben möge,
+der ich bin!<«
+
+»Brava! Bravissima!« rief Mozart überlaut und nahm sein Weibchen bei
+den Ohren, verküßte, herzte, kitzelte sie, so daß sich dieses Spiel
+mit bunten Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider niemals,
+auch nicht im bescheidensten Maße, erfüllt werden sollte, zuletzt in
+hellen Mutwillen, Lärm und Gelächter auflöste.
+
+Sie waren unterdessen längst ins Tal herabgekommen und näherten sich
+einem Dorf, das ihnen bereits auf der Höhe bemerklich gewesen und
+hinter welchem sich unmittelbar ein kleines Schloß von modernem
+Ansehen, der Wohnsitz eines Grafen von Schinzberg, in der freundlichen
+Ebene zeigte. Es sollte in dem Ort gefüttert, gerastet und Mittag
+gehalten werden. Der Gasthof, wo sie hielten, lag vereinzelt am Ende
+des Dorfs bei der Straße, von welcher seitwärts eine Pappelallee von
+nicht sechshundert Schritten zum herrschaftlichen Garten führte.
+
+Mozart, nachdem man ausgestiegen, überließ wie gewöhnlich der Frau die
+Bestellung des Essens. Inzwischen befahl er für sich ein Glas Wein in
+die untere Stube, während sie nächst einem Trunke frischen Wassers nur
+irgendeinen stillen Winkel, um ein Stündchen zu schlafen, verlangte.
+Man führte sie eine Treppe hinauf, der Gatte folgte, ganz munter vor
+sich hin singend und pfeifend. In einem rein geweißten und schnell
+gelüfteten Zimmer befand sich unter andern veralteten Möbeln von
+edlerer Herkunft - sie waren ohne Zweifel aus den gräflichen Gemächern
+seinerzeit hierher gewandert - ein sauberes, leichtes Bett mit
+gemaltem Himmel auf dünnen, grün lackierten Säulen, dessen seidene
+Vorhänge längst durch einen gewöhnlichern Stoff ersetzt waren.
+Konstanze machte sichs bequem, er versprach, sie rechtzeitig zu
+wecken, sie riegelte die Tür hinter ihm zu, und er suchte nunmehr
+Unterhaltung für sich in der allgemeinen Schenkstube. Hier war jedoch
+außer dem Wirt keine Seele, und weil dessen Gespräch dem Gast so wenig
+wie sein Wein behagte, so bezeugte er Lust, bis der Tisch bereit wäre,
+noch einen Spaziergang nach dem Schloßgarten zu machen. Der Zutritt,
+hörte er, sei anständigen Fremden wohl gestattet und die Familie
+überdies heut ausgefahren.
+
+Er ging und hatte bald den kurzen Weg bis zu dem offenen Gattertor
+zurückgelegt, dann langsam einen hohen alten Lindengang durchmessen,
+an dessen Ende linker Hand er in geringer Entfernung das Schloß von
+seiner Fronte auf einmal vor sich hatte. Es war von italienischer
+Bauart, hell getüncht, mit weit vorliegender Doppeltreppe; das
+Schieferdach verzierten einige Statuen in üblicher Manier, Götter und
+Göttinnen, samt einer Balustrade.
+
+Von der Mitte zweier großen, noch reichlich blühenden Blumenparterre
+ging unser Meister nach den buschigen Teilen der Anlagen zu, berührte
+ein paar schöne dunkle Piniengruppen und lenkte seine Schritte auf
+vielfach gewundenen Pfaden, indem er sich allmählich den lichteren
+Partien wieder näherte, dem lebhaften Rauschen eines Springbrunnens
+nach, den er sofort erreichte.
+
+Das ansehnlich weite, ovale Bassin war rings von einer sorgfältig
+gehaltenen Orangerie in Kübeln, abwechselnd mit Lorbeeren und
+Oleandern, umstellt; ein weicher Sandweg, gegen den sich eine schmale
+Gitterlaube öffnete, lief rund umher. Die Laube bot das angenehmste
+Ruheplätzchen dar; ein kleiner Tisch stand vor der Bank, und Mozart
+ließ sich vorn am Eingang nieder.
+
+Das Ohr behaglich dem Geplätscher des Wassers hingegeben, das Aug auf
+einen Pomeranzenbaum von mittlerer Größe geheftet, der außerhalb der
+Reihe, einzeln, ganz dicht an seiner Seite auf dem Boden stand und
+voll der schönsten Früchte hing, ward unser Freund durch diese
+Anschauung des Südens alsbald auf eine liebliche Erinnerung aus seiner
+Knabenzeit geführt. Nachdenklich lächelnd reicht er hinüber nach der
+nächsten Frucht, als wie um ihre herrliche Ründe, ihre saftige Kühle
+in hohler Hand zu fühlen. Ganz im Zusammenhang mit jener Jugendszene
+aber, die wieder vor ihm aufgetaucht, stand eine längst vermischte
+musikalische Reminiszenz, auf deren unbestimmter Spur er sich ein
+Weilchen träumerisch erging. Jetzt glänzen seine Blicke, sie irren da
+und dort umher, er ist von einem Gedanken ergriffen, den er sogleich
+eifrig verfolgt. Zerstreut hat er zum zweiten Mal die Pomeranze
+angefaßt, sie geht vom Zweige los und bleibt ihm in der Hand.
+Er sieht und sieht es nicht; ja so weit geht die künstlerische
+Geistesabwesenheit, daß er, die duftige Frucht beständig unter der
+Nase hin und her wirbelnd und bald den Anfang, bald die Mitte einer
+Weise unhörbar zwischen den Lippen bewegend, zuletzt instinktmäßig
+ein emalliertes Etui aus der Seitentasche des Rocks hervorbringt, ein
+kleines Messer mit silbernem Heft daraus nimmt und die gelbe kugelige
+Masse von oben nach unten langsam durchschneidet. Es mochte ihn dabei
+entfernt ein dunkles Durstgefühl geleitet haben, jedoch begnügten sich
+die angeregten Sinne mit Einatmung des köstlichen Geruchs. Er starrt
+minutenlang die beiden innern Flächen an, fügt sie sachte wieder
+zusammen, ganz sachte, trennt und vereinigt sie wieder.
+
+Da hört er Tritte in der Nähe, er erschrickt, und das Bewußtsein, wo
+er ist, was er getan, stellt sich urplötzlich bei ihm ein. Schon im
+Begriff, die Pomeranze zu verbergen, hält er doch gleich damit inne,
+sei es aus Stolz, sei's, weil es zu spät dazu war. Ein großer,
+breitschulteriger Mann in Livree, der Gärtner des Hauses, stand vor
+ihm. Derselbe hatte wohl die letzte verdächtige Bewegung noch gesehen
+und schwieg betroffen einige Sekunden. Mozart, gleichfalls sprachlos,
+auf seinem Sitz wie angenagelt, schaute ihm halb lachend, unter
+sichtbarem Erröten, doch gewissermaßen keck und groß mit seinen blauen
+Augen ins Gesicht; dann setzte - er für einen Dritten wäre es höchst
+komisch anzusehn gewesen - die scheinbar unverletzte Pomeranze mit
+einer Art von trotzig couragiertem Nachdruck in die Mitte des Tisches.
+
+»Um Vergebung«, fing jetzt der Gärtner, nachdem er den wenig
+versprechenden Anzug des Fremden gemustert, mit unterdrücktem Unwillen
+an: »ich weiß nicht, wen ich hier...«
+
+»Kapellmeister Mozart aus Wien.«
+
+»Sind ohne Zweifel bekannt im Schloß?«
+
+»Ich bin hier fremd und auf der Durchreise. Ist der Herr Graf
+anwesend?«
+
+»Nein.«
+
+»Seine Gemahlin?«
+
+»Sind beschäftigt und schwerlich zu sprechen.«
+
+Mozart stand auf und machte Miene zu gehen.
+
+»Mit Erlaubnis, mein Herr - wie kommen Sie dazu, an diesem Ort auf
+solche Weise zuzugreifen?«
+
+»Was?« rief Mozart, »zugreifen? Zum Teufel, glaubt Er denn, ich wollte
+stehlen und das Ding da fressen?«
+
+»Mein Herr, ich glaube, was ich sehe. Diese Früchte sind gezählt, ich
+bin dafür verantwortlich. Der Baum ist vom Herrn Grafen zu einem Fest
+bestimmt, soeben soll er weggebracht werden. Ich lasse Sie nicht fort,
+ehbevor ich die Sache gemeldet und Sie mir selbst bezeugten, wie das
+da zugegangen ist.«
+
+»Sei's drum. Ich werde hier so lange warten. Verlaß Er sich darauf!«
+
+Der Gärtner sah sich zögernd um, und Mozart, in der Meinung, es sei
+vielleicht nur auf ein Trinkgeld abgesehn, griff in die Tasche, allein
+er hatte das geringste nicht bei sich.
+
+Zwei Gartenknechte kamen nun wirklich herbei, luden den Baum auf eine
+Bahre und trugen ihn hinweg. Inzwischen hatte unser Meister seine
+Brieftasche gezogen, ein weißes Blatt herausgenommen und, während daß
+der Gärtner nicht von der Stelle wich, mit Bleistift angefangen zu
+schreiben:
+
+>Gnädigste Frau! Hier sitze ich Unseliger in Ihrem Paradiese,
+wie weiland Adam, nachdem er den Apfel gekostet. Das Unglück ist
+geschehen, und ich kann nicht einmal die Schuld auf eine gute Eva
+schieben, die eben jetzt, von Grazien und Amoretten eines Himmelbetts
+umgaukelt, im Gasthof sich des unschuldigsten Schlafes erfreut.
+Befehlen Sie, und ich stehe persönlich Ihro Gnaden Rede über meinen
+mir selbst unfaßlichen Frevel. Mit aufrichtiger Beschämung
+
+Hochdero untertänigster Diener W. A. Mozart,
+ auf dem Wege nach Prag.<
+
+Er übergab das Billett, ziemlich ungeschickt zusammengefaltet, dem
+peinlich wartenden Diener mit der nötigen Weisung. Der Unhold hatte
+sich nicht sobald entfernt, als man an der hinteren Seite des
+Schlosses ein Gefährt in den Hof rollen hörte. Es war der Graf, der
+eine Nichte und ihren Bräutigam, einen jungen, reichen Baron, vom
+benachbarten Gut herüberbrachte. Da die Mutter des letztern seit
+Jahren das Haus nicht mehr verließ, war die Verlobung heute bei ihr
+gehalten worden; nun sollte dieses Fest in einer fröhlichen Nachfeier
+mit einigen Verwandten auch hier begangen werden, wo Eugenie gleich
+einer eigenen Tochter seit ihrer Kindheit eine zweite Heimat fand. Die
+Gräfin war mit ihrem Sohne Max, dem Leutnant, etwas früher nach Hause
+gefahren, um noch verschiedene Anordnungen zu treffen. Nun sah man in
+dem Schlosse alles, auf Gängen und Treppen, in voller Bewegung, und
+nur mit Mühe gelang es dem Gärtner, im Vorzimmer endlich den Zettel
+der Frau Gräfin einzuhändigen, die ihn jedoch nicht auf der Stelle
+öffnete, sondern, ohne genau auf die Worte des Überbringers zu
+achten, geschäftig weitereilte. Er wartete und wartete, sie kam nicht
+wieder. Eins um das andere von der Dienerschaft, Aufwärter, Zofe,
+Kammerdiener, rannte an ihm vorbei; er fragte nach dem Herrn - der
+kleidete sich um; er suchte nun und fand den Grafen Max auf seinem
+Zimmer, der aber unterhielt sich angelegentlich mit dem Baron und
+schnitt ihm, wie in Sorge, er wolle etwas melden oder fragen, wovon
+noch nichts verlauten sollte, das Wort vom Munde ab: »Ich komme schon
+- geht nur!-« Es stand noch eine gute Weile an, bis endlich Vater und
+Sohn zugleich herauskamen und die fatale Nachricht empfingen.
+
+»Das wär ja höllenmäßig!« rief der dicke, gutmütige, doch etwas jähe
+Mann; »das geht ja über alle Begriffe! Ein Wiener Musikus, sagt Ihr?
+Vermutlich irgend solch ein Lump, der um ein Viatikum läuft und
+mitnimmt, was er findet?«
+
+»Verzeihen Euer Gnaden, darnach sieht er gerad nicht aus. Er deucht
+mir nicht richtig im Kopf; auch ist er sehr hochmütig. Moser nennt
+er sich. Er wartet unten auf Bescheid; ich hieß den Franz um den Weg
+bleiben und ein Aug auf ihn haben.«
+
+»Was hilft es hintendrein, zum Henker? Wenn ich den Narren auch
+einstecken lasse, der Schaden ist nicht mehr zu reparieren! Ich sagt
+Euch tausendmal, das vordere Tor soll allezeit geschlossen bleiben.
+Der Streich wär aber jedenfalls verhütet worden, hättet Ihr zur
+rechten Zeit Eure Zurüstungen gemacht.«
+
+Hier trat die Gräfin hastig und mit freudiger Aufregung, das offene
+Billett in der Hand, aus dem anstoßenden Kabinett. »Wißt ihr«, rief
+sie, »wer unten ist? Um Gottes willen, lest den Brief - Mozart aus
+Wien, der Komponist! Man muß gleich gehen, ihn heraufzubitten - ich
+fürchte nur, er ist schon fort! Was wird er von mir denken! Ihr,
+Velten, seid ihm doch höflich begegnet? Was ist denn eigentlich
+geschehen?«
+
+»Geschehn?« versetzte der Gemahl, dem die Aussicht auf den Besuch
+eines berühmten Mannes unmöglich allen Ärger auf der Stelle
+niederschlagen konnte: »der tolle Mensch hat von dem Baum, den
+ich Eugenien bestimmte, eine der neun Orangen abgerissen, hm! das
+Ungeheuer! Somit ist unserm Spaß geradezu die Spitze abgebrochen, und
+Max mag sein Gedicht nur gleich kassieren.«
+
+»O nicht doch!« sagte die dringende Dame. »Die Lücke läßt sich leicht
+ausfüllen, überlaßt es nur mir. Geht beide jetzt, erlöst, empfangt den
+guten Mann, so freundlich und so schmeichelhaft ihr immer könnt. Er
+soll, wenn wir ihn irgend halten können, heut nicht weiter. Trefft ihr
+ihn nicht im Garten mehr, sucht ihn im Wirtshaus auf und bringet ihn
+mit seiner Frau. Ein größeres Geschenk, eine schönere Überraschung für
+Eugenien hätte der Zufall uns an diesem Tag nicht machen können.«
+
+»Gewiß!« erwiderte Max, »dies war auch mein erster Gedanke.
+Geschwinde, kommen Sie, Papa! Und« - sagte er, indem sie eilends nach
+der Treppe liefen - »der Verse wegen seien Sie ganz ruhig. Die neunte
+Muse soll nicht zu kurz kommen; im Gegenteil, ich werde aus dem
+Unglück noch besonderen Vorteil ziehen.« - »Das ist unmöglich!« -
+»Ganz gewiß.« - »Nun, wenn das ist - allein ich nehme dich beim Wort -
+so wollen wir dem Querkopf alle erdenkliche Ehre erzeigen.«
+
+Solange dies im Schloß vorging, hatte sich unser Quasi-Gefangener,
+ziemlich unbesorgt über den Ausgang der Sache, geraume Zeit schreibend
+beschäftigt. Weil sich jedoch gar niemand sehen ließ, fing er an,
+unruhig hin und her zu gehen; darüber kam dringliche Botschaft vom
+Wirtshaus, der Tisch sei schon lange bereit, er möchte ja gleich
+kommen, der Postillon pressiere. So suchte er denn seine Sachen
+zusammen und wollte ohne weiteres aufbrechen, als beide Herren vor der
+Laube erschienen.
+
+Der Graf begrüßte ihn, beinah wie einen früheren Bekannten, lebhaft
+mit seinem kräftig schallenden Organ, ließ ihn zu gar keiner
+Entschuldigung kommen, sondern erklärte sogleich seinen Wunsch, das
+Ehepaar zum wenigsten für diesen Mittag und Abend im Kreis seiner
+Familie zu haben.
+
+»Sie sind uns, mein liebster Maestro, so wenig fremd, daß ich wohl
+sagen kann, der Name Mozart wird schwerlich anderswo mit mehr
+Begeisterung und häufiger genannt als hier. Meine Nichte singt und
+spielt, sie bringt fast ihren ganzen Tag am Flügel zu, kennt Ihre
+Werke auswendig und hat das größte Verlangen, Sie einmal in mehrerer
+Nähe zu sehen, als es vorigen Winter in einem Ihrer Konzerte anging.
+Da wir nun demnächst auf einige Wochen nach Wien gehen werden, so war
+ihr eine Einladung beim Fürsten Gallizin, wo man Sie öfter findet, von
+den Verwandten versprochen. Jetzt aber reisen Sie nach Prag, werden
+so bald nicht wiederkehren, und Gott weiß, ob Sie der Rückweg zu uns
+führt. Machen Sie heute und morgen Rasttag! Das Fuhrwerk schicken
+wir sogleich nach Hause, und mir erlauben Sie die Sorge für Ihr
+Weiterkommen.«
+
+Der Komponist, welcher in solchen Fällen der Freundschaft oder dem
+Vergnügen leicht zehnmal mehr, als hier gefordert war, zum Opfer
+brachte, besann sich nicht lange; er sagte diesen einen halben Tag
+mit Freuden zu, dagegen sollte morgen mit dem frühesten die Reise
+fortgesetzt werden. Graf Max erbat sich das Vergnügen, Madame Mozart
+abzuholen und alles Nötige im Wirtshaus abzumachen. Er ging, ein Wagen
+sollte ihm gleich auf dem Fuße nachfolgen.
+
+Von diesem jungen Mann bemerken wir beiläufig, daß er mit einem von
+Vater und Mutter angeerbten heitern Sinn Talent und Liebe für schöne
+Wissenschaften verband und ohne wahre Neigung zum Soldatenstand sich
+doch als Offizier durch Kenntnisse und gute Sitten hervortat. Er
+kannte die französische Literatur und erwarb sich, zu einer Zeit, wo
+deutsche Verse in der höheren Gesellschaft wenig galten, Lob und Gunst
+durch eine nicht gemeine Leichtigkeit der poetischen Form in der
+Muttersprache nach guten Mustern, wie er sie in Hagedorn, in Götz und
+andern fand. Für heute war ihm nun, wie wir bereits vernahmen, ein
+besonders erfreulicher Anlaß geworden, seine Gabe zu nutzen.
+
+Er traf Madame Mozart, mit der Wirtstochter plaudernd, vor dem
+gedeckten Tisch, wo sie sich einen Teller Suppe vorausgenommen hatte.
+Sie war an außerordentliche Zwischenfälle, an kecke Stegreifsprünge
+ihres Manns zu sehr gewöhnt, als daß sie über die Erscheinung und
+den Auftrag des jungen Offiziers mehr als billig hätte betreten sein
+können. Mit unverstellter Heiterkeit, besonnen und gewandt, besprach
+und ordnete sie ungesäumt alles Erforderliche selbst. Es wurde
+umgepackt, bezahlt, der Postillon entlassen, sie machte sich, ohne zu
+große Ängstlichkeit in Herstellung ihrer Toilette, fertig und fuhr
+mit dem Begleiter wohlgemut dem Schlosse zu, nicht ahnend, auf welche
+sonderbare Weise ihr Gemahl sich dort eingeführt hatte.
+
+Der befand sich inzwischen bereits sehr behaglich daselbst und auf
+das beste unterhalten. Nach kurzer Zeit sah er Eugenien mit ihrem
+Verlobten; ein blühendes, höchst anmutiges, inniges Wesen. Sie war
+blond, ihre schlanke Gestalt in karmoisinrote, leuchtende Seide mit
+kostbaren Spitzen festlich gekleidet, um ihre Stirn ein weißes Band
+mit edlen Perlen. Der Baron, nur wenig älter als sie, von sanftem,
+offenem Charakter, schien ihrer wert in jeder Rücksicht.
+
+Den ersten Aufwand des Gesprächs bestritt, fast nur zu freigebig,
+der gute launige Hausherr vermöge seiner etwas lauten, mit Späßen
+und Histörchen sattsam gespickten Unterhaltungsweise. Es wurden
+Erfrischungen gereicht, die unser Reisender im mindesten nicht
+schonte.
+
+Eines hatte den Flügel geöffnet, >Figaros Hochzeit< lag aufgeschlagen,
+und das Fräulein schickte sich an, von dem Baron akkompagniert, die
+Arie Susannas in jener Gartenszene zu singen, wo wir den Geist der
+süßen Leidenschaft stromweise, wie die gewürzte sommerliche Abendluft,
+einatmen. Die feine Röte auf Eugeniens Wangen wich zwei Atemzüge lang
+der äußersten Blässe; doch mit dem ersten Ton, der klangvoll über ihre
+Lippen kam, fiel ihr jede beklemmende Fessel vom Busen. Sie hielt sich
+lächelnd, sicher auf der hohen Woge, und das Gefühl dieses Moments,
+des einzigen in seiner Art vielleicht für alle Tage ihres Lebens,
+begeisterte sie billig.
+
+Mozart war offenbar überrascht. Als sie geendigt hatte, trat er zu
+ihr und fing mit seinem ungezierten Herzensausdruck an: »Was soll man
+sagen, liebes Kind, hier, wo es ist wie mit der lieben Sonne, die sich
+am besten selber lobt, indem es gleich jederman wohl in ihr wird! Bei
+solchem Gesang ist der Seele zumut wie dem Kindchen im Bad: es lacht
+und wundert sich und weiß sich in der Welt nichts Besseres. Übrigens
+glauben Sie mir, unsereinem in Wien begegnet es nicht jeden Tag, daß
+er so lauter, ungeschminkt und warm, ja so komplett sich selber zu
+hören bekommt.« - Damit erfaßte er ihre Hand und küßte sie herzlich.
+Des Mannes hohe Liebenswürdigkeit und Güte nicht minder als das
+ehrenvolle Zeugnis, wodurch er ihr Talent auszeichnete, ergriff
+Eugenien mit jener unwiderstehlichen Rührung, die einem leichten
+Schwindel gleicht, und ihre Augen wollten sich plötzlich mit Tränen
+anfüllen.
+
+Hier trat Madame Mozart zur Türe herein, und gleich darauf erschienen
+neue Gäste, die man erwartet hatte: eine dem Haus sehr eng verwandte
+freiherrliche Familie aus der Nähe, mit einer Tochter, Franziska, die
+seit den Kinderjahren mit der Braut durch die zärtlichste Freundschaft
+verbunden und hier wie daheim war.
+
+Man hatte sich allerseits begrüßt, umarmt, beglückwünscht, die beiden
+Wiener Gäste vorgestellt, und Mozart setzte sich an den Flügel. Er
+spielte einen Teil eines Konzerts von seiner Komposition, welches
+Eugenie soeben einstudierte.
+
+Die Wirkung eines solchen Vortrags in einem kleinen Kreis wie der
+gegenwärtige unterscheidet sich natürlicherweise von jedem ähnlichen
+an einem öffentlichen Orte durch die unendliche Befriedigung, die in
+der unmittelbaren Berührung mit der Person des Künstlers und seinem
+Genius innerhalb der häuslichen bekannten Wände liegt.
+
+Es war eines jener glänzenden Stücke, worin die reine Schönheit sich
+einmal, wie aus Laune, freiwillig in den Dienst der Eleganz begibt,
+so aber, daß sie, gleichsam nur verhüllt in diese mehr willkürlich
+spielenden Formen und hinter eine Menge blendender Lichter versteckt,
+doch in jeder Bewegung ihren eigensten Adel verrät und ein herrliches
+Pathos verschwenderisch ausgießt.
+
+Die Gräfin machte für sich die Bemerkung, daß die meisten Zuhörer,
+vielleicht Eugenie selbst nicht ausgenommen, trotz der gespanntesten
+Aufmerksamkeit und aller feierlichen Stille während eines bezaubernden
+Spiels, doch zwischen Auge und Ohr gar sehr geteilt waren. In
+unwillkürlicher Beobachtung des Komponisten, seiner schlichten,
+beinahe steifen Körperhaltung, seines gutmütigen Gesichts, der
+rundlichen Bewegung dieser kleinen Hände war es gewiß auch nicht
+leicht möglich, dem Zudrang tausendfacher Kreuzundquergedanken über
+den Wundermann zu widerstehen.
+
+Zu Madame Mozart gewendet, sagte der Graf, nachdem der Meister
+aufgestanden war: »Einem berühmten Künstler gegenüber, wenn es ein
+Kennerlob zu spitzen gilt, das halt nicht eines jeden Sache ist, wie
+haben es die Könige und Kaiser gut! Es nimmt sich eben alles einzig
+und außerordentlich in einem solchen Munde aus. Was dürfen sie sich
+nicht erlauben, und wie bequem ist es zum Beispiel, dicht hinterm
+Stuhl Ihres Herrn Gemahls, beim Schlußakkord einer brillanten
+Phantasie dem bescheidenen klassischen Mann auf die Schulter zu
+klopfen und zu sagen: >Sie sind ein Tausensasa, lieber Mozart!< Kaum
+ist das Wort heraus, so gehts wie ein Lauffeuer durch den Saal: >Was
+hat er ihm gesagt?< - >Er sei ein Tausendsasa, hat er zu ihm gesagt!<
+Und alles, was da geigt und fistuliert und komponiert, ist außer sich
+von diesem einen Wort; kurzum, es ist der große Stil, der familiäre
+Kaiser-Stil, der unnachahmliche, um welchen ich die Josephs und die
+Friedrichs von je beneidet habe, und das nie mehr als eben jetzt, wo
+ich ganz in Verzweiflung bin, von anderweitiger geistreicher Münze
+zufällig keinen Deut in allen meinen Taschen anzutreffen.« Die Art,
+wie der Schäfer dergleichen vorbrachte, bestach immerhin und rief
+unausbleiblich ein Lachen hervor.
+
+Nun aber, auf die Einladung der Hausfrau, verfügte die Gesellschaft
+sich nach dem geschmückten runden Speisesalon, aus welchem den
+Eintretenden ein festlicher Blumengeruch und eine kühlere, dem Appetit
+willkommene Luft entgegenwehte.
+
+Man nahm die schicklich ausgeteilten Plätze ein, und zwar der
+distinguierte Gast den seinigen dem Brautpaar gegenüber. Von einer
+Seite hatte er eine kleine ältliche Dame, eine unverheiratete Tante
+Franziskas, von der andern die junge reizende Nichte selbst zur
+Nebensitzerin, die sich durch Geist und Munterkeit ihm bald besonders
+zu empfehlen wußte. Frau Konstanze kam zwischen den Hauswirt und ihren
+freundlichen Geleitsmann, den Leutnant; die übrigen reihten sich ein,
+und so saß man zu elfen nach Möglichkeit bunt an der Tafel, deren
+unteres Ende leer blieb. Auf ihr erhoben sich mitten zwei mächtig
+große Porzellanaufsätze mit gemalten Figuren, breite Schalen, gehäuft
+voll natürlicher Früchte und Blumen, über sich haltend. An den Wänden
+des Saals hingen reiche Festons. Was sonst da war oder nach und nach
+folgte, schien einen ausgedehnten Schmaus zu verkünden. Teils auf der
+Tafel, zwischen Schüsseln und Platten, teils vom Serviertisch herüber
+im Hintergrund blinkte verschiedenes edle Getränk vom schwärzesten Rot
+bis hinauf zu dem gelblichen Weiß, dessen lustiger Schaum herkömmlich
+erst die zweite Hälfte eines Festes krönt.
+
+Bis gegen diesen Zeitpunkt hin bewegte sich die Unterhaltung, von
+mehreren Seiten gleich lebhaft genährt, in allen Richtungen. Weil aber
+der Graf gleich anfangs einigemal von weitem und jetzt nur immer näher
+und mutwilliger auf Mozarts Gartenabenteuer anspielte, so daß die
+einen heimlich lächelten, die andern sich umsonst den Kopf zerbrachen,
+was er denn meine, so ging unser Freund mit der Sprache heraus.
+
+»Ich will in Gottes Namen beichten«, fing er an, »auf was Art mir
+eigentlich die Ehre der Bekanntschaft mit diesem edlen Haus geworden
+ist. Ich spiele dabei nicht die würdigste Rolle, und um ein Haar, so
+säß ich jetzt, statt hier vergnügt zu tafeln, in einem abgelegenen
+Arrestantenwinkel des gräflichen Schlosses und könnte mir mit leerem
+Magen die Spinneweben an der Wand herum betrachten.«
+
+»Nun ja,« rief Madame Mozart, »da werd ich schöne Dinge hören.«
+
+Ausführlich nun beschrieb er erst, wie er im >Weißen Roß< seine Frau
+zurückgelassen, die Promenade in den Park, den Unstern in der Laube,
+den Handel mit der Gartenpolizei, kurz, ungefähr was wir schon wissen,
+gab er alles mit größter Treuherzigkeit und zum höchsten Ergötzen der
+Zuhörer preis. Das Lachen wollte fast kein Ende nehmen; selbst die
+gemäßigte Eugenie enthielt sich nicht, es schüttelte sie ordentlich.
+
+»Nun«, fuhr er fort, »das Sprichwort sagt: Hat einer den Nutzen, dem
+Spott mag er trutzen! Ich hab meinen kleinen Profit von der Sache,
+Sie werden schon sehen. Vor allem aber hören Sie, wie's eigentlich
+geschah, daß sich ein alter Kindskopf so vergessen konnte. Eine
+Jugenderinnerung war mit im Spiele.
+
+Im Frühling 1770 reiste ich als dreizehnjähriges Bürschchen mit meinem
+Vater nach Italien. Wir gingen von Rom nach Neapel. Ich hatte zweimal
+im Konservatorium und sonst zu verschiedenen Malen gespielt. Adel und
+Geistlichkeit erzeugten uns manches Angenehme, vornehmlich attachierte
+sich ein Abbate an uns, der sich als Kenner schmeichelte und übrigens
+am Hofe etwas galt. Den Tag vor unserer Abreise führte er uns in
+Begleitung einiger anderen Herren in einen königlichen Garten, die
+Villa reale, bei der prachtvollen Straße geradhin am Meere gelegen,
+wo eine Bande sizilianischer commedianti sich produzierte - figli di
+Nettuno, wie sie sich neben andern schönen Titeln auch nannten. Mit
+vielen vornehmen Zuschauern, worunter selbst die junge liebenswürdige
+Königin Karolina samt zwei Prinzessen, saßen wir auf einer langen
+Reihe von Bänken im Schatten einer zeltartig bedeckten niedern
+Galerie, an deren Mauer unten die Wellen plätscherten. Das Meer
+mit seiner vielfarbigen Streifung strahlte den blauen Sonnenhimmel
+herrlich wider. Gerade vor sich hat man den Vesuv, links schimmert,
+sanft geschwungen, eine reizende Küste herein.
+
+Die erste Abteilung der Spiele war vorüber; sie wurde auf dem
+trockenen Bretterboden einer Art von Flöße ausgeführt, die auf dem
+Wasser stand, und hatte nichts Besonderes; der zweite aber und
+der schönste Teil bestand aus lauter Schiffer-, Schwimm- und
+Taucherstücken und blieb mir stets mit allen Einzelheiten frisch im
+Gedächtnis eingeprägt.
+
+Von entgegengesetzten Seiten her näherten sich einander zwei
+zierliche, sehr leicht gebaute Barken, beide, wie es schien, auf
+einer Lustfahrt begriffen. Die eine, etwas größere, war mit einem
+Halbverdeck versehen und nebst den Ruderbänken mit einem dünnen Mast
+und einem Segel ausgerüstet, auch prächtig bemalt, der Schnabel
+vergoldet. Fünf Jünglinge von idealischem Aussehen, kaum bekleidet,
+Arme, Brust und Beine dem Anschein nach nackt, waren teils an dem
+Ruder beschäftigt, teils ergötzten sie sich mit einer gleichen Anzahl
+artiger Mädchen, ihren Geliebten. Eine darunter, welche mitten auf dem
+Verdecke saß und Blumenkränze wand, zeichnete sich durch Wuchs und
+Schönheit sowie durch ihren Putz vor allen übrigen aus. Diese dienten
+ihr willig, spannten gegen die Sonne ein Tuch über sie und reichten
+ihr die Blumen aus dem Korb. Eine Flötenspielerin saß zu ihren Füßen,
+die den Gesang der andern mit ihren hellen Tönen unterstützte.
+Auch jener vorzüglichen Schönen fehlte es nicht an einem eigenen
+Beschützer; doch verhielten sich beide ziemlich gleichgültig
+gegeneinander, und der Liebhaber deuchte mir fast etwas roh.
+
+Inzwischen war das andere, einfachere Fahrzeug näher gekommen. Hier
+sah man bloß männliche Jugend. Wie jene Jünglinge Hochrot trugen, so
+war die Farbe der letztern Seegrün. Sie stutzten beim Anblick der
+lieblichen Kinder, winkten Grüße herüber und gaben ihr Verlangen nach
+näherer Bekanntschaft zu erkennen. Die Munterste hierauf nahm eine
+Rose vom Busen und hielt sie schelmisch in die Höhe, gleichsam
+fragend, ob solche Gaben bei ihnen wohl angebracht wären, worauf von
+drüben allerseits mit unzweideutigen Gebärden geantwortet wurde.
+Die Roten sahen verächtlich und finster darein, konnten aber nichts
+machen, als mehrere der Mädchen einig wurden, den armen Teufeln
+wenigstens doch etwas für den Hunger und Durst zuzuwerfen. Es stand
+ein Korb voll Orangen am Boden; wahrscheinlich waren es nur gelbe
+Bälle, den Früchten ähnlich nachgemacht. Und jetzt begann ein
+entzückendes Schauspiel, unter Mitwirkung der Musik, die auf dem
+Uferdamm aufgestellt war.
+
+Eine der Jungfrauen machte den Anfang und schickte fürs erste ein
+paar Pomeranzen aus leichter Hand hinüber, die, dort mit gleicher
+Leichtigkeit aufgefangen, alsbald zurückkehrten; so ging es hin und
+her, und weil nach und nach immer mehr Mädchen zuhalfen, so flogs mit
+Pomeranzen bald dem Dutzend nach in immer schnellerem Tempo hin und
+wider. Die Schöne in der Mitte nahm an dem Kampfe keinen Anteil, als
+daß sie höchst begierig von ihrem Schemel aus zusah. Wir konnten
+die Geschicklichkeit auf beiden Seiten nicht genug bewundern. Die
+Schiffe drehten sich auf etwa dreißig Schritte in langsamer Bewegung
+umeinander, kehrten sich bald die ganze Flanke zu, bald schief das
+halbe Vorderteil; es waren gegen vierundzwanzig Bälle unaufhörlich in
+der Luft, doch glaubte man in der Verwirrung ihrer viel mehr zu sehen.
+Manchmal entstand ein förmliches Kreuzfeuer, oft stiegen sie und
+fielen in einem hohen Bogen; kaum ging einmal einer und der andere
+fehl, es war, als stürzten sie von selbst durch eine Kraft der
+Anziehung in die geöffneten Finger.
+
+So angenehm jedoch das Auge beschäftigt wurde, so lieblich gingen fürs
+Gehör die Melodien nebenher: sizilianische Weisen, Tänze, Saltarelli,
+Canzoni a ballo, ein ganzes Quodlibet, auf Girlandenart leicht
+aneinandergehängt. Die jüngere Prinzeß, ein holdes, unbefangenes
+Geschöpf, etwa von meinem Alter, begleitete den Takt gar artig mit
+Kopfnicken; ihr Lächeln und die langen Wimpern ihrer Augen kann ich
+noch heute vor mir sehen.
+
+Nun lassen Sie mich kürzlich den Verlauf der Posse noch erzählen,
+obschon er weiter nichts zu meiner Sache tut! Man kann sich nicht
+leicht etwas Hübscheres denken. Währenddem das Scharmützel allmählich
+ausging und nur noch einzelne Würfe gewechselt wurden, die Mädchen
+ihre goldenen Äpfel sammelten und in den Korb zurückbrachten, hatte
+drüben ein Knabe, wie spielenderweis, ein breites, grüngestricktes
+Netz ergriffen und kurze Zeit unter dem Wasser gehalten; er hob es
+auf, und zum Erstaunen aller fand sich ein großer, blau, grün und gold
+schimmernder Fisch in demselben. Die Nächsten sprangen eifrig zu,
+um ihn herauszuholen, da glitt er ihnen aus den Händen, als wär
+es wirklich ein lebendiger, und fiel in die See. Das war nun eine
+abgeredte Kriegslist, die Roten zu betören und aus dem Schiff zu
+locken. Diese, gleichsam bezaubert von dem Wunder, sobald sie merkten,
+daß das Tier nicht untertauchen wollte, nur immer auf der Oberfläche
+spielte, besannen sich nicht einen Augenblick, stürzten sich alle
+ins Meer, die Grünen ebenfalls, und also sah man zwölf gewandte,
+wohlgestalte Schwimmer den fliehenden Fisch zu erhaschen bemüht, indem
+er auf den Wellen gaukelte, minutenlang unter denselben verschwand,
+bald da, bald dort, dem einen zwischen den Beinen, dem andern zwischen
+Brust und Kinn herauf wieder zum Vorschein kam. Auf einmal, wie die
+Roten eben am hitzigsten auf ihren Fang aus waren, ersah die andere
+Partei ihren Vorteil und erstieg schnell wie der Blitz das fremde,
+ganz dem Mädchen überlassene Schiff unter großem Gekreische der
+letztern. Der nobelste der Burschen, wie ein Merkur gewachsen, flog
+mit freudestrahlendem Gesicht auf die Schönste zu, umfaßte, küßte sie,
+die, weit entfernt, in das Geschrei der andern einzustimmen, ihre Arme
+gleichfalls feurig um den ihr wohlbekannten Jüngling schlang. Die
+betrogene Schar schwamm zwar eilends herbei, wurde aber mit Rudern und
+Waffen vom Bord abgetrieben. Ihre unnütze Wut, das Angstgeschrei der
+Mädchen, der gewaltsame Widerstand einiger von ihnen, ihr Bitten und
+Flehen, fast erstickt vom übrigen Alarm, des Wassers, der Musik, die
+plötzlich einen andern Charakter angenommen hatte - es war schön über
+alle Beschreibung, und die Zuschauer brachen darüber in einen Sturm
+von Begeisterung aus.
+
+In diesem Moment nun entwickelte sich das bisher locker eingebundene
+Segel: daraus ging ein rosiger Knabe hervor mit silbernen Schwingen,
+mit Bogen, Pfeil und Köcher, und in anmutvoller Stellung schwebte er
+frei auf der Stange. Schon sind die Ruder alle in voller Tätigkeit,
+das Segel blähte sich auf: allein gewaltiger als beides schien die
+Gegenwart des Gottes und seine heftig vorwärtseilende Gebärde das
+Fahrzeug fortzutreiben, dergestalt, daß die fast atemlos nachsetzenden
+Schwimmer, deren einer den goldenen Fisch hoch mit der Linken über
+seinem Haupte hielt, die Hoffnung bald aufgaben und bei erschöpften
+Kräften notgedrungen ihre Zuflucht zu dem verlassenen Schiffe nahmen.
+Derweil haben die Grünen eine kleine bebuschte Halbinsel erreicht,
+wo sich unerwartet ein stattliches Boot mit bewaffneten Kameraden
+im Hinterhalt zeigte. Im Angesicht so drohender Umstände pflanzte
+das Häufchen eine weiße Flagge auf, zum Zeichen, daß man gütlich
+unterhandeln wolle. Durch ein gleiches Signal von jenseits ermuntert,
+fuhren sie auf jenen Haltort zu, und bald sah man daselbst die guten
+Mädchen alle bis auf die eine, die mit Willen blieb, vergnügt mit
+ihren Liebhabern das eigene Schiff besteigen. Hiermit war die Komödie
+beendigt.«
+
+»Mir deucht«, so flüsterte Eugenie mit leuchtenden Augen dem Baron in
+einer Pause zu, worin sich jedermann beifällig über das eben Gehörte
+aussprach, »wir haben hier eine gemalte Symphonie von Anfang bis zu
+Ende gehabt und ein vollkommenes Gleichnis überdies des Mozartischen
+Geistes selbst in seiner ganzen Heiterkeit! Hab ich nicht recht? Ist
+nicht die ganze Anmut >Figaros< darin?«
+
+Der Bräutigam war im Begriff, ihre Bemerkung dem Komponisten
+mitzuteilen, als dieser zu reden fortfuhr.
+
+»Es sind nun siebzehn Jahre her, daß ich Italien sah. Wer, der es
+einmal sah, insonderheit Neapel, denkt nicht sein Leben lang daran?
+und wär er auch, wie ich, noch halb in Kinderschuhen gesteckt! So
+lebhaft aber wie heut in Ihrem Garten war mir der letzte schöne Abend
+am Golf kaum jemals wieder aufgegangen. Wenn ich die Augen schloß -
+ganz deutlich, klar und hell, den letzten Schleier von sich hauchend,
+lag die himmlische Gegend vor mir verbreitet! Meer und Gestade, Berg
+und Stadt, die bunte Menschenmenge an dem Ufer hin und dann das
+wundersame Spiel der Bälle durcheinander! Ich glaubte wieder dieselbe
+Musik in den Ohren zu haben, ein ganzer Rosenkranz von fröhlichen
+Melodien zog innerlich an mir vorbei, Fremdes und Eigenes, Krethi und
+Plethi, eines immer das andere ablösend. Von ungefähr springt ein
+Tanzliedchen hervor, Sechsachteltakt, mir völlig neu. - Halt, dacht
+ich, was gibts hier? Das scheint ein ganz verteufelt niedliches Ding!
+Ich sehe näher zu - alle Wetter! das ist ja Masetto, das ist ja
+Zerlina!« -
+
+Er lachte gegen Madame Mozart hin, die ihn sogleich erriet.
+
+»Die Sache«, fuhr er fort, »ist einfach diese. In meinem ersten Akt
+blieb eine kleine leichte Nummer unerledigt, Duett und Chor einer
+ländlichen Hochzeit. Vor zwei Monaten nämlich, als ich dieses Stück
+der Ordnung nach vornehmen wollte, da fand sich auf den ersten Wurf
+das Rechte nicht alsbald. Eine Weise, einfältig und kindlich und
+spritzend von Fröhlichkeit über und über, ein frischer Busenstrauß mit
+Flatterband dem Mädel angesteckt, so mußte es sein. Weil man nun im
+geringsten nichts erzwingen soll und weil dergleichen Kleinigkeiten
+sich oft gelegentlich von selber machen, ging ich darüber weg und
+sah mich im Verfolg der größeren Arbeit kaum wieder danach um. Ganz
+flüchtig kam mir heut im Wagen, kurz eh wir ins Dorf hereinfuhren, der
+Text in den Sinn; da spann sich denn weiter nichts an, zum wenigsten
+nicht, daß ichs wüßte. Genug, ein Stündchen später, in der Laube beim
+Brunnen, erwisch ich ein Motiv, wie ich es glücklicher und besser zu
+keiner andern Zeit, auf keinem andern Weg erfunden haben würde. Man
+macht bisweilen in der Kunst besondere Erfahrungen, ein ähnlicher
+Streich ist mir nie vorgekommen. Denn eine Melodie, dem Vers wie auf
+den Leib gegossen - doch, um nicht vorzugreifen, so weit sind wir
+noch nicht, der Vogel hatte nur den Kopf erst aus dem Ei, und auf der
+Stelle fing ich an, ihn vollends rein herauszuschälen. Dabei schwebte
+mir lebhaft der Tanz der Zerline vor Augen, und wunderlich spielte
+zugleich die lachende Landschaft am Golf von Neapel herein. Ich hörte
+die wechselnden Stimmen des Brautpaars, die Dirnen und Bursche im
+Chor.«
+
+Hier trällerte Mozart ganz lustig den Anfang des Liedchens:
+
+ Giovinette, che fatte all' amore, che fatte all' amore,
+ Non lasciate, che passi l'età, che passi l'età, che passi l'età!
+ Se nel seno vi bulica il core, vi bulica il core,
+ Il remedio vedete lo quà! La la la! La la la!
+ Che piacer, che piacer che sarà!
+ Ah la la! Ah la la usf. *
+
+ * Liebe Schwestern, zur Liebe geboren,
+ Nützt der Jugend schön blühende Zeit!
+ Hängt ihr's Köpfchen in Sehnsucht verloren,
+ Amor ist euch zu helfen bereit.
+ Tralala
+ Welch Vergnügen erwartet euch da! usw.
+
+»Mittlerweile hatten meine Hände das große Unheil angerichtet. Die
+Nemesis lauerte schon an der Hecke und trat jetzt hervor in Gestalt
+des entsetzlichen Mannes im galonierten blauen Rock. Ein Ausbruch des
+Vesuvio, wenn er in Wirklichkeit damals an dem göttlichen Abend am
+Meer Zuschauer und Akteurs, die ganze Herrlichkeit Parthenopes mit
+einem schwarzen Aschenregen urplötzlich verschüttet und zugedeckt
+hätte, bei Gott, die Katastrophe wäre mir nicht unerwarteter und
+schrecklicher gewesen. Der Satan der! so heiß hat mir nicht leicht
+jemand gemacht. Ein Gesicht wie aus Erz - einigermaßen dem grausamen
+römischen Kaiser Tiberius ähnlich! Sieht so der Diener aus, dacht ich,
+nachdem er weggegangen, wie mag erst Seine Gnaden selbst dreinsehen.
+Jedoch, die Wahrheit zu gestehn, ich rechnete schon ziemlich auf den
+Schutz der Damen, und das nicht ohne Grund. Denn diese Stanzel da,
+mein Weibchen, etwas neugierig von Natur, ließ sich im Wirtshaus
+von der dicken Frau das Wissenswürdigste von denen sämtlichen
+Persönlichkeiten der gnädigen Herrschaft in meinem Beisein erzählen,
+ich stand dabei und hörte so...«
+
+Hier konnte Madame Mozart nicht umhin, ihm in das Wort zu fallen und
+auf das angelegentlichste zu versichern, daß im Gegenteil er der
+Ausfrager gewesen; es kam zu heitern Kontestationen zwischen Mann
+und Frau, die viel zu lachen gaben. - »Dem sei nun, wie ihm wolle«,
+sagte er, »kurzum, ich hörte so entfernt etwas von einer lieben
+Pflegetochter, welche Braut, sehr schön, dazu die Güte selber sei und
+singe wie ein Engel. Per Dio! fiel mir jetzt ein, das hilft dir aus
+der Lauge! Du setzt dich auf der Stelle hin, schreibst's Liedchen auf,
+soweit es geht, erklärst die Sottise der Wahrheit gemäß, und es gibt
+einen trefflichen Spaß. Gedacht, getan. Ich hatte Zeit genug, auch
+fand sich noch ein sauberes Bögchen grün liniert Papier. - Und hier
+ist das Produkt! Ich lege es in diese schönen Hände, ein Brautlied aus
+dem Stegreif, wenn Sie es dafür gelten lassen.«
+
+So reichte er sein reinlichst geschriebenes Notenblatt Eugenien über
+den Tisch, des Onkels Hand kam aber der ihrigen zuvor, er haschte es
+hinweg und rief: »Geduld noch einen Augenblick, mein Kind!«
+
+Auf seinen Wink tat sich die Flügeltür des Salons weit auf, und es
+erschienen einige Diener, die den verhängnisvollen Pomeranzenbaum
+anständig, ohne Geräusch in den Saal hereintrugen und an der Tafel
+unten auf eine Bank niedersetzten; gleichzeitig wurden rechts und
+links zwei schlanke Myrtenbäumchen aufgestellt. Eine am Stamm des
+Orangenbaums befestigte Inschrift bezeichnete ihn als Eigentum der
+Braut; vorn aber, auf dem Moosgrund, stand, mit einer Serviette
+bedeckt, ein Porzellanteller, der, als man das Tuch hinwegnahm, eine
+zerschnittene Orange zeigte, neben welche der Oheim mit listigem Blick
+des Meisters Autographen steckte. Allgemeiner unendlicher Jubel erhob
+sich darüber.
+
+»Ich glaube gar«, sagte die Gräfin, »Eugenie weiß noch nicht einmal,
+was eigentlich da vor ihr steht? Sie kennt wahrhaftig ihren alten
+Liebling in seinem neuen Flor und Früchteschmuck nicht mehr.«
+Bestürzt, ungläubig sah das Fräulein bald den Baum, bald ihren Oheim
+an. »Es ist nicht möglich«, sagte sie. »Ich weiß ja wohl, er war nicht
+mehr zu retten.«
+
+»Du meinst also«, versetzte jener, »man habe dir nur irgend ungefähr
+so ein Ersatzstück ausgesucht? Das wäre was Rechts! Nein, sieh nur her
+- ich muß es machen, wie's in der Komödie der Brauch ist, wo sich die
+totgeglaubten Söhne oder Brüder durch ihre Muttermäler und Narben
+legitimieren. Schau diesen Auswuchs da! und hier die Schrunde übers
+Kreuz, du mußt sie hundertmal bemerkt haben. Wie, ist ers, oder ist
+ers nicht?« - Sie konnte nicht mehr zweifeln; ihr Staunen, ihre
+Rührung und Freude war unbeschreiblich.
+
+Es knüpfte sich an diesen Baum für die Familie das mehr als
+hundertjährige Gedächtnis einer ausgezeichneten Frau, welche wohl
+verdient, daß wir ihrer mit wenigem hier gedenken.
+
+Des Oheims Großvater, durch seine diplomatischen Verdienste im Wiener
+Kabinett rühmlich bekannt, von zwei Regenten nacheinander mit gleichem
+Vertrauen beehrt, war innerhalb seines eigenen Hauses nicht minder
+glücklich im Besitz einer vortrefflichen Gemahlin, Renate Leonore. Ihr
+wiederholter Aufenthalt in Frankreich brachte sie vielfach mit dem
+glänzenden Hofe Ludwigs XIV. und mit den bedeutendsten Männern und
+Frauen dieser merkwürdigen Epoche in Berührung. Bei ihrer unbefangenen
+Teilnahme an jenem steten Wechsel des geistreichsten Lebensgenusses
+verleugnete sie auf keinerlei Art in Worten und Werken die angestammte
+deutsche Ehrenfestigkeit und sittliche Strenge, die sich in
+den kräftigen Zügen des noch vorhandenen Bildnisses der Gräfin
+unverkennbar ausprägt. Vermöge eben dieser Denkungsweise übte sie in
+der gedachten Sozietät eine eigentümliche naive Opposition, und ihre
+hinterlassene Korrespondenz weist eine Menge Spuren davon auf, mit
+wieviel Freimut und herzhafter Schlagfertigkeit, es mochte nun von
+Glaubenssachen, von Literatur und Politik oder von was immer die Rede
+sein, die originelle Frau ihre gesunden Grundsätze und Ansichten zu
+verteidigen, die Blößen der Gesellschaft anzugreifen wußte, ohne doch
+dieser im mindesten sich lästig zu machen. Ihr reges Interesse für
+sämtliche Personen, die man im Hause einer Ninon, dem eigentlichen
+Herd der feinsten Geistesbildung, treffen konnte, war demnach
+so beschaffen und geregelt, daß es sich mit dem höheren
+Freundschaftsverhältnis zu einer der edelsten Damen jener Zeit, der
+Frau von Sévigné, vollkommen wohl vertrug. Neben manchen mutwilligen
+Scherzen Chapelles an sie, vom Dichter eigenhändig auf Blätter mit
+silberblumigem Rande gekritzelt, fanden sich die liebevollsten
+Briefe der Marquisin und ihrer Tochter an die ehrliche Freundin aus
+Österreich nach ihrem Tod in einem Ebenholzschränkchen der Großmutter
+vor.
+
+Frau von Sévigné war es denn auch, aus deren Hand sie eines Tages, bei
+einem Feste zu Trianon, auf der Terrasse des Gartens den blühenden
+Orangenzweig empfing, den sie sofort auf das Geratewohl in einen Topf
+setzte und glücklich angewurzelt mit nach Deutschland nahm.
+
+Wohl fünfundzwanzig Jahre wuchs das Bäumchen unter ihren Augen
+allgemach heran und wurde später von Kindern und Enkeln mit äußerster
+Sorgfalt gepflegt. Es konnte nächst seinem persönlichen Werte zugleich
+als lebendes Symbol der feingeistigen Reize eines beinahe vergötterten
+Zeitalters gelten, worin wir heutzutage freilich des wahrhaft
+Preisenswerten wenig finden können und das schon eine unheilvolle
+Zukunft in sich trug, deren welterschütternder Eintritt dem Zeitpunkt
+unserer harmlosen Erzählung bereits nicht ferne mehr lag.
+
+Die meiste Liebe widmete Eugenie dem Vermächtnis der würdigen Ahnfrau,
+weshalb der Oheim öfters merken ließ, es dürfte wohl einst eigens in
+ihre Hände übergehen. Desto schmerzlicher war es dem Fräulein denn
+auch, als der Baum im Frühling des vorigen Jahres, den sie nicht hier
+zubrachte, zu trauern begann, die Blätter gelb wurden und viele Zweige
+abstarben. In Betracht, daß irgendeine besondere Ursache seines
+Verkommens durchaus nicht zu entdecken war und keinerlei Mittel
+anschlug, gab ihn der Gärtner bald verloren, obwohl er seiner
+natürlichen Ordnung nach leicht zwei- und dreimal älter werden konnte.
+Der Graf hingegen, von einem benachbarten Kenner beraten, ließ ihn
+nach einer sonderbaren, selbst rätselhaften Vorschrift, wie sie das
+Landvolk häufig hat, in einem abgesonderten Raume ganz insgeheim
+behandeln, und seine Hoffnung, die geliebte Nichte eines Tags mit dem
+zu neuer Kraft und voller Fruchtbarkeit gelangten alten Freund zu
+überraschen, ward über alles Erwarten erfüllt. Mit Überwindung seiner
+Ungeduld und nicht ohne Sorge, ob denn wohl auch die Früchte, von
+denen etliche zuletzt den höchsten Grad der Reife hatten, so lang am
+Zweige halten würden, verschob er die Freude um mehrere Wochen auf
+das heutige Fest, und es bedarf nun weiter keines Worts darüber, mit
+welcher Empfindung der gute Herr ein solches Glück noch im letzten
+Moment durch einen Unbekannten sich verkümmert sehen mußte.
+
+Der Leutnant hatte schon vor Tische Gelegenheit und Zeit gefunden,
+seinen dichterischen Beitrag zu der feierlichen Übergabe ins reine zu
+bringen und seine vielleicht ohnehin etwas zu ernst gehaltenen Verse
+durch einen veränderten Schluß den Umständen möglichst anzupassen. Er
+zog nunmehr sein Blatt hervor, das er, vom Stuhle sich erhebend und an
+die Cousine gewendet, vorlas. Der Inhalt der Strophen war kurz gefaßt
+dieser:
+
+Ein Nachkömmling des vielgepriesnen Baums der Hesperiden, der vor
+alters, auf einer westlichen Insel, im Garten der Juno, als eine
+Hochzeitsgabe für sie von Mutter Erde, hervorgesproßt war und welchen
+die drei melodischen Nymphen bewachten, hat eine ähnliche Bestimmung
+von jeher gewünscht und gehofft, da der Gebrauch, eine herrliche Braut
+mit seinesgleichen zu beschenken, von den Göttern vorlängst auch unter
+die Sterblichen kam.
+
+Nach langem vergeblichen Warten scheint endlich die Jungfrau gefunden,
+auf die er seine Blicke richten darf. Sie erzeigt sich ihm günstig und
+verweilt oft bei ihm. Doch der musische Lorbeer, sein stolzer Nachbar
+am Bord der Quelle, hat seine Eifersucht erregt, indem er droht,
+der kunstbegabten Schönen Herz und Sinn für die Liebe der Männer zu
+rauben. Die Myrte tröstet ihn umsonst und lehrt ihn Geduld durch ihr
+eigenes Beispiel; zuletzt jedoch ist es die andauernde Abwesenheit
+der Liebsten, was seinen Gram vermehrt und ihm nach kurzem Siechtum
+tödlich wird.
+
+Der Sommer bringt die Entfernte und bringt sie mit glücklich
+umgewandtem Herzen zurück. Das Dorf, das Schloß, der Garten, alles
+empfängt sie mit tausend Freuden. Rosen und Lilien, in erhöhtem
+Schimmer, sehen entzückt und beschämt zu ihr auf, Glück winken ihr
+Sträucher und Bäume: für einen, ach, den edelsten, kommt sie zu spät.
+Sie findet seine Krone verdorrt, ihre Finger betasten den leblosen
+Stamm und die klirrenden Spitzen seines Gezweigs. Er kennt und sieht
+seine Pflegerin nimmer. Wie weint sie, wie strömt ihre zärtliche
+Klage!
+
+Apollo von weitem vernimmt die Stimme der Tochter. Er kommt, er
+tritt herzu und schaut mitfühlend ihren Jammer. Alsbald mit seinen
+allheilenden Händen berührt er den Baum, daß er in sich erbebt, der
+vertrocknete Saft in der Rinde gewaltsam anschwillt, schon junges
+Laub ausbricht, schon weiße Blumen da und dort in ambrosischer Fülle
+aufgehen. Ja - denn was vermochten die Himmlischen nicht? - schön
+runde Früchte setzen an, dreimal drei, nach der Zahl der neun
+Schwestern; sie wachsen und wachsen, ihr kindliches Grün zusehends mit
+der Farbe des Goldes vertauschend.
+
+Phöbus - so schloß sich das Gedicht -
+
+ Phöbus überzählt die Stücke,
+ Weidet selbsten sich daran,
+ Ja, es fängt im Augenblicke,
+ Ihm der Mund zu wässern an.
+
+ Lächelnd nimmt der Gott der Töne
+ Von der saftigsten Besitz:
+ »Laß uns teilen, holde Schöne,
+ Und für Amorn - diesen Schnitz!«
+
+Der Dichter erntete rauschenden Beifall, und gern verzieh man die
+barocke Wendung, durch welche der Eindruck des wirklich gefühlvollen
+Ganzen so völlig aufgehoben wurde.
+
+Franziska, deren froher Mutterwitz schon zu verschiedenen Malen bald
+durch den Hauswirt, bald durch Mozart in Bewegung gesetzt worden war,
+lief jetzt geschwinde, wie von ungefähr an etwas erinnert, hinweg und
+kam zurück mit einem braunen englischen Kupferstich größten Formats,
+welcher wenig beachtet in einem ganz entfernten Kabinett unter Glas
+und Rahmen hing. »Es muß doch wahr sein, was ich immer hörte«, rief
+sie aus, indem sie das Bild am Ende der Tafel aufstellte, »daß sich
+unter der Sonne nichts Neues begibt! Hier eine Szene aus dem goldenen
+Weltalter - und haben wir sie nicht erst heute erlebt? Ich hoffe doch,
+Apollo werde sich in dieser Situation erkennen.«
+
+»Vortrefflich!« triumphierte Max, »da hätten wir ihn ja, den schönen
+Gott, wie er sich just gedankenvoll über den heiligen Quell hinbeugt.
+Und damit nicht genug - dort, seht nur, einen alten Satyr hinten im
+Gebüsch, der ihn belauscht! Man möchte darauf schwören, Apoll besinnt
+sich eben auf ein lange vergessenes arkadisches Tänzchen, das ihn in
+seiner Kindheit der alte Chiron zu der Zither lehrte.«
+
+»So ists! nicht anders!« applaudierte Franziska, die hinter Mozart
+stand. »Und«, fuhr sie gegen diesen fort, »bemerken Sie auch wohl den
+fruchtbeschwerten Ast, der sich zum Gott heruntersenkt?«
+
+»Ganz recht; es ist der ihm geweihte Ölbaum.«
+
+»Keineswegs! die schönsten Apfelsinen sinds! Gleich wird er sich in
+der Zerstreuung eine herunterholen.«
+
+»Vielmehr«, rief Mozart, »er wird gleich diesen Schelmenmund mit
+tausend Küssen schließen!« Damit erwischte er sie am Arm und schwur,
+sie nicht mehr loszulassen, bis sie ihm ihre Lippen reiche, was sie
+denn auch ohne vieles Sträuben tat. »Erkläre uns doch, Max«, sagte die
+Gräfin, »was unter dem Bilde hier steht!«
+
+»Es sind Verse aus einer berühmten Horazischen Ode. Der Dichter
+Ramler in Berlin hat uns das Stück vor kurzem unübertrefflich deutsch
+gegeben. Es ist vom höchsten Schwung. Wie prächtig eben diese eine
+Stelle:
+
+ - - - hier, der auf der Schulter
+ Keinen untätigen Bogen führet!
+ Der seines Delos grünenden Mutterhain
+ Und Pataras beschatteten Strand bewohnt,
+ Der seines Hauptes goldne Locken
+ In die kastalischen Fluten tauchet.«
+
+»Schön! wirklich schön!« sagte der Graf, »nur hie und da bedarf es
+der Erläuterung. So zum Beispiel, >der keinen untätigen Bogen führet<
+hieße natürlich schlechtweg: der allezeit einer der fleißigsten Geiger
+gewesen. Doch, was ich sagen wollte: Bester Mozart, Sie säen Unkraut
+zwischen zwei zärtliche Herzen.«
+
+»Ich will nicht hoffen - wieso?«
+
+»Eugenie beneidet ihre Freundin und hat auch allen Grund.«
+
+»Aha, Sie haben mir schon meine schwache Seite abgemerkt. Aber was
+sagt der Bräutigam dazu?«
+
+»Ein- oder zweimal will ich durch die Finger sehen.«
+
+»Sehr gut; wir werden der Gelegenheit wahrnehmen. Indes fürchten Sie
+nichts, Herr Baron; es hat keine Gefahr, solang mir nicht der Gott
+hier sein Gesicht und seine langen gelben Haare borgt. Ich wünsche
+wohl, er täts! er sollte auf der Stelle Mozarts Zopf mitsamt seinem
+schönsten Bandl dafür haben.«
+
+»Apollo möge aber dann zusehen«, lachte Franziska, »wie er es anfängt
+künftig, seinen neuen französischen Haarschmuck mit Anstand in die
+kastalische Flut zu tauchen!«
+
+Unter diesen und ähnlichen Scherzen stieg Lustigkeit und Mutwillen
+immer mehr. Die Männer spürten nach und nach den Wein, es wurden
+eine Menge Gesundheiten getrunken, und Mozart kam in den Zug, nach
+seiner Gewohnheit in Versen zu sprechen, wobei ihm der Leutnant das
+Gleichgewicht hielt und auch der Papa nicht zurückbleiben wollte;
+es glückte ihm ein paarmal zum Verwundern. Doch solche Dinge lassen
+sich für die Erzählung kaum festhalten, sie wollen eigentlich nicht
+wiederholt sein, weil eben das, was sie an ihrem Ort unwiderstehlich
+macht, die allgemein erhöhte Stimmung, der Glanz, die Jovialität des
+persönlichen Ausdrucks in Wort und Blick fehlt.
+
+Unter andern wurde von dem alten Fräulein zu Ehren des Meisters ein
+Toast ausgebracht, der ihm noch eine ganze lange Reihe unsterblicher
+Werke verhieß. - »À la bonne heure! ich bin dabei!« rief Mozart und
+stieß sein Kelchglas kräftig an. Der Graf begann hierauf mit großer
+Macht und Sicherheit der Intonation, kraft eigener Eingebung, zu
+singen:
+
+ Mögen ihn die Götter stärken
+ Zu den angenehmen Werken -
+
+ Max (fortfahrend):
+ Wovon der da Ponte weder
+ Noch der große Schikaneder -
+
+ Mozart:
+ Noch bei Gott der Komponist
+ 's mindest weiß zu dieser Frist!
+
+ Graf:
+ Alle, alle soll sie jener
+ Hauptspitzbub von Italiener
+ Noch erleben, wünsch ich sehr,
+ Unser Signor Bonbonnière*
+
+ * So nannte Mozart unter Freunden seinen Kollegen Salieri,
+ der, wo er ging und stand, Zuckerwerk naschte, zugleich mit
+ Anspielung auf das Zierliche seiner Person.
+
+ Max:
+ Gut, ich geb ihm hundert Jahre -
+
+ Mozart:
+ Wenn ihn nicht samt seiner Ware -
+
+ Alle drei con forza:
+ Noch der Teufel holt vorher,
+ Unsern Monsieur Bonbonnière.
+
+Durch des Grafen ausnehmende Singlust schweifte das zufällig
+entstandene Terzett mit Wiederaufnahme der letzten vier Zeilen in
+einen sogenannten endlichen Kanon aus, und die Fräulein Tante besaß
+Humor oder Selbstvertrauen genug, ihren verfallenen Soprano mit
+allerhand Verzierungen zweckdienlich einzumischen. Mozart gab nachher
+das Versprechen, bei guter Muße diesen Spaß nach den Regeln der Kunst
+expreß für die Gesellschaft auszuführen, das er auch später von Wien
+aus erfüllte.
+
+Eugenie hatte sich im stillen längst mit ihrem Kleinod aus der Laube
+des Tiberius vertraut gemacht; allgemein verlangte man jetzt das
+Duett vom Komponisten und ihr gesungen zu hören, und der Oheim war
+glücklich, im Chor seine Stimme abermals geltend zu machen. Also erhob
+man sich und eilte zum Klavier ins große Zimmer nebenan.
+
+Ein so reines Entzücken nun auch das köstliche Stück bei allen
+erregte, so führte doch sein Inhalt selbst, mit einem raschen
+Übergang, auf den Gipfel geselliger Lust, wo die Musik an und für sich
+nicht weiter in Betracht mehr kommt, und zwar gab zuerst unser Freund
+das Signal, indem er vom Klavier aufsprang, auf Franziska zuging
+und sie, während Max bereitwilligst die Violine ergriff, zu einem
+Schleifer persuadierte. Der Hauswirt säumte nicht, Madame Mozart
+aufzufordern. Im Nu waren alle beweglichen Möbel, den Raum zu
+erweitern, durch geschäftige Diener entfernt. Es mußte nach und nach
+ein jedes an die Tour, und Fräulein Tante nahm es keineswegs übel,
+daß der galante Leutnant sie zu einer Menuett abholte, worin sie sich
+völlig verjüngte. Schließlich, als Mozart mit der Braut den Kehraus
+tanzte, nahm er sein versichertes Recht auf ihren schönen Mund in
+bester Form dahin.
+
+Der Abend war herbeigekommen, die Sonne nah am Untergehen, es wurde
+nun erst angenehm im Freien, daher die Gräfin den Damen vorschlug,
+sich im Garten noch ein wenig zu erholen. Der Graf dagegen lud die
+Herren auf das Billardzimmer, da Mozart bekanntlich dies Spiel sehr
+liebte. So teilte man sich denn in zwei Partien, und wir unsererseits
+folgen den Frauen.
+
+Nachdem sie den Hauptweg einigemal gemächlich auf und ab gegangen,
+erstiegen sie einen runden, von einem hohen Rebengeländer zur Hälfte
+umgebenen Hügel, von wo man in das offene Feld, auf das Dorf und die
+Landstraße sah. Die letzten Strahlen der herbstlichen Sonne funkelten
+rötlich durch das Weinlaub herein.
+
+»Wäre hier nicht vertraulich zu sitzen«, sagte die Gräfin, »wenn
+Madame Mozart uns etwas von sich und dem Gemahl erzählen wollte?«
+
+Sie war ganz gerne bereit, und alle nahmen höchst behaglich auf den im
+Kreis herbeigerückten Stühlen Platz.
+
+»Ich will etwas zum Besten geben, das Sie auf alle Fälle hätten hören
+müssen, da sich ein kleiner Scherz darauf bezieht, den ich im Schilde
+führe. Ich habe mir in Kopf gesetzt, der Gräfin Braut zur fröhlichen
+Erinnerung an diesen Tag ein Angebind von sonderlicher Qualität zu
+verehren. Dasselbe ist so wenig Gegenstand des Luxus und der Mode, daß
+es lediglich nur durch seine Geschichte einigermaßen interessieren
+kann.«
+
+»Was mag das sein, Eugenie?« sagte Franziska. »Zum wenigsten das
+Tintenfaß eines berühmten Mannes.«
+
+»Nicht allzu weit gefehlt! Sie sollen es noch diese Stunde sehen;
+im Reisekoffer liegt der Schatz. Ich fange an und werde mit Ihrer
+Erlaubnis ein wenig weiter ausholen.
+
+Vorletzten Winter wollte mir Mozarts Gesundheitszustand, durch
+vermehrte Reizbarkeit und häufige Verstimmung, ein fieberhaftes Wesen,
+nachgerade bange machen. In Gesellschaft noch zuweilen lustig, oft
+mehr als recht natürlich, war er zu Haus meist trüb in sich hinein,
+seufzte und klagte. Der Arzt empfahl ihm Diät, Pyrmonter und Bewegung
+außerhalb der Stadt. Der Patient gab nicht viel auf den guten Rat; die
+Kur war unbequem, zeitraubend, seinem Taglauf schnurstracks entgegen.
+Nun machte ihm der Doktor die Hölle etwas heiß, er mußte eine lange
+Vorlesung anhören von der Beschaffenheit des menschlichen Geblüts,
+von denen Kügelgens darin, vom Atemholen und vom Phlogiston - halt
+unerhörte Dinge; auch wie es eigentlich gemeint sei von der Natur mit
+Essen, Trinken und Verdauen, das eine Sache ist, worüber Mozart bis
+dahin ganz ebenso unschuldig dachte wie sein Junge von fünf Jahren.
+Die Lektion, in der Tat, machte merklichen Eindruck. Der Doktor war
+noch keine halbe Stunde weg, so find ich meinen Mann nachdenklich,
+aber mit aufgeheitertem Gesicht, auf seinem Zimmer über der
+Betrachtung eines Stocks, den er in einem Schrank mit alten Sachen
+suchte und auch glücklich fand; ich hätte nicht gemeint, daß er sich
+dessen nur erinnerte. Er stammte noch von meinem Vater, ein schönes
+Rohr mit hohem Knopf von Lapislazuli. Nie sah man einen Stock in
+Mozarts Hand, ich mußte lachen.
+
+>Du siehst<, rief er, >ich bin daran, mit meiner Kur mich völlig ins
+Geschirr zu werfen. Ich will das Wasser trinken, mir alle Tage Motion
+im Freien machen und mich dabei dieses Stabes bedienen. Da sind mir
+nun verschiedene Gedanken beigegangen. Es ist doch nicht umsonst,
+dacht ich, daß andere Leute, was da gesetzte Männer sind, den Stock
+nicht missen können. Der Kommerzienrat, unser Nachbar, geht niemals
+über die Straße, seinen Gevatter zu besuchen, der Stock muß mit.
+Professionisten und Beamte, Kanzleiherrn, Krämer und Chalanten, wenn
+sie am Sonntag mit Familie vor die Stadt spazieren, ein jeder führt
+sein wohlgedientes, rechtschaffenes Rohr mit sich. Vornehmlich hab ich
+oft bemerkt, wie auf dem Stephansplatz, ein Viertelstündchen vor der
+Predigt und dem Amt, ehrsame Bürger da und dort truppweis beisammen
+stehen im Gespräch: hier kann man so recht sehen, wie eine jede
+ihrer stillen Tugenden, ihr Fleiß und Ordnungsgeist, gelaßner Mut,
+Zufriedenheit sich auf die wackern Stöcke gleichsam als eine gute
+Stütze lehnt und stemmt. Mit einem Wort, es muß ein Segen und
+besonderer Trost in der altväterischen und immerhin etwas
+geschmacklosen Gewohnheit liegen. Du magst es glauben oder nicht, ich
+kann es kaum erwarten, bis ich mit diesem guten Freund das erste Mal
+im Gesundheitspaß über die Brücke nach dem Rennweg promeniere! Wir
+kennen uns bereits ein wenig, und ich hoffe, daß unsere Verbindung für
+alle Zeit geschlossen ist.<
+
+Die Verbindung war von kurzer Dauer: das dritte Mal, daß beide
+miteinander aus waren, kam der Begleiter nicht mehr mit zurück.
+Ein anderer wurde angeschafft, der etwas länger Treue hielt, und
+jedenfalls schrieb ich der Stockliebhaberei ein gut Teil von der
+Ausdauer zu, womit Mozart drei Wochen lang der Vorschrift seines
+Arztes ganz erträglich nachkam. Auch blieben die guten Folgen
+nicht aus; wir sahen ihn fast nie so frisch, so hell und von so
+gleichmäßiger Laune. Doch machte er sich leider in kurzem wieder allzu
+grün, und täglich hatt ich deshalb meine Not mit ihm. Damals geschah
+es nun, daß er, ermüdet von der Arbeit eines anstrengenden Tages, noch
+spät, ein paar neugieriger Reisenden wegen zu einer musikalischen
+Soiree ging - auf eine Stunde bloß, versprach er mir heilig und teuer;
+doch das sind immer die Gelegenheiten, wo die Leute, wenn er nur erst
+am Flügel festsitzt und im Feuer ist, seine Gutherzigkeit am mehrsten
+mißbrauchen; denn da sitzt er alsdann wie das Männchen in einer
+Montgolfiere, sechs Meilen hoch über dem Erdboden schwebend, wo man
+die Glocken nicht mehr schlagen hört. Ich schickte den Bedienten
+zweimal mitten in der Nacht dahin, umsonst; er konnte nicht zu seinem
+Herrn gelangen. Um drei Uhr früh kam dieser denn endlich nach Haus.
+Ich nahm mir vor, den ganzen Tag ernstlich mit ihm zu schmollen.«
+
+Hier überging Madame Mozart einige Umstände mit Stillschweigen.
+Es war, muß man wissen, nicht unwahrscheinlich, daß zu gedachter
+Abendunterhaltung auch eine junge Sängerin, Signora Malerbi, kommen
+würde, an welcher Frau Konstanze mit allem Recht Ärgernis nahm. Diese
+Römerin war durch Mozarts Verwendung bei der Oper angestellt worden,
+und ohne Zweifel hatten ihre koketten Künste nicht geringen Anteil
+an der Gunst des Meisters. Sogar wollten einige wissen, sie habe ihn
+mehrere Monate lang eingezogen und heiß genug auf ihrem Rost gehalten.
+Ob dies nun völlig wahr sei oder sehr übertrieben, gewiß ist, sie
+benahm sich nachher frech und undankbar und erlaubte sich selbst
+Spöttereien über ihren Wohltäter. So war es ganz in ihrer Art, daß
+sie ihn einst gegenüber einem ihrer glücklicheren Verehrer kurzweg un
+piccolo grifo raso (ein kleines rasiertes Schweinsrüsselchen) nannte.
+Der Einfall, einer Circe würdig, war um so empfindlicher, weil er,
+wie man gestehen muß, immerhin ein Körnchen Wahrheit enthielt.* Beim
+Nachhausegehen von jener Gesellschaft, bei welcher übrigens die
+Sängerin zufällig nicht erschienen war, beging ein Freund im Übermut
+des Weins die Indiskretion, dem Meister dies boshafte Wort zu
+verraten. Er wurde schlecht davon erbaut, denn eigentlich war es für
+ihn der erste unzweideutige Beweis von der gänzlichen Herzlosigkeit
+seines Schützlings. Vor lauter Entrüstung darüber empfand er nicht
+einmal sogleich den frostigen Empfang am Bette seiner Frau. In einem
+Atem teilte er ihr die Beleidigung mit, und diese Ehrlichkeit läßt
+wohl auf einen mindern Grad von Schuldbewußtsein schließen. Fast
+machte er ihr Mitleid rege. Doch hielt sie geflissentlich an sich, es
+sollte ihm nicht so leicht hingehen. Als er von einem schweren Schlaf
+kurz nach Mittag erwachte, fand er das Weibchen samt den beiden Knaben
+nicht zu Hause, vielmehr säuberlich den Tisch für ihn allein gedeckt.
+
+* Man hat hier ein älteres kleines Profilbild im Auge, das, gut
+ gezeichnet und gestochen, sich auf dem Titelblatt eines Mozartschen
+ Klavierwerks befindet, unstreitig das ähnlichste von allen auch
+ neuerdings im Kunsthandel erschienenen Porträts.
+
+Von jeher gab es wenige Dinge, welche Mozart so unglücklich machten,
+als wenn nicht alles hübsch eben und heiter zwischen ihm und seiner
+guten Hälfte stand. Und hätte er nun erst gewußt, welche weitere
+Sorge sie schon seit mehreren Tagen mit sich herumtrug! - eine der
+schlimmsten in der Tat, mit deren Eröffnung sie ihn nach alter
+Gewohnheit so lange wie möglich verschonte. Ihre Barschaft war
+ehestens alle und keine Aussicht auf baldige Einnahme da. Ohne Ahnung
+von dieser häuslichen Extremität war gleichwohl sein Herz auf eine Art
+beklommen, die mit jenem verlegenen, hilflosen Zustand eine gewisse
+Ähnlichkeit hatte. Er mochte nicht essen, er konnte nicht bleiben.
+Geschwind zog er sich vollends an, um nur aus der Stickluft des Hauses
+zu kommen. Auf einem offenen Zettel hinterließ er ein paar Zeilen
+italienisch: >Du hast mirs redlich eingetränkt, und geschieht mir
+schon recht. Sei aber wieder gut, ich bitte Dich, und lache wieder,
+bis ich heimkomme. Mir ist zumut, als möcht ich ein Kartäuser und
+Trappiste werden, ein rechter Heulochs, sag ich Dir!< - Sofort nahm er
+den Hut, nicht aber auch den Stock zugleich; der hatte seine Epoche
+passiert.
+
+Haben wir Frau Konstanze bis hieher in der Erzählung abgelöst, so
+können wir auch wohl noch eine kleine Strecke weiter fortfahren.
+
+Von seiner Wohnung bei der Schranne rechts gegen das Zeughaus
+einbiegend, schlenderte der teure Mann - es war ein warmer, etwas
+umwölkter Sommernachmittag - nachdenklich lässig über den sogenannten
+Hof und weiter an der Pfarre zu Unsrer Lieben Frau vorbei, dem
+Schottentor entgegen, wo er seitwärts zur Linken auf die Mölkerbastei
+stieg und dadurch der Ansprache mehrerer Bekannten, die eben zur Stadt
+hereinkamen, entging. Nur kurze Zeit genoß er hier, obwohl von einer
+stumm bei den Kanonen auf und nieder gehenden Schildwache nicht
+belästigt, der vortrefflichen Aussicht über die grüne Ebene des
+Glacis und die Vorstädte hin nach dem Kahlenberg und südlich nach
+den Steierischen Alpen. Die schöne Ruhe der äußern Natur widersprach
+seinem innern Zustand. Mit einem Seufzer setzte er seinen Gang über
+die Esplanade und sodann durch die Alservorstadt ohne bestimmten
+Zielpunkt fort.
+
+Am Ende der Mähringer Gasse lag eine Schenke mit Kegelbahn, deren
+Eigentümer, ein Seilermeister, durch seine gute Ware wie durch die
+Reinheit seines Getränks den Nachbarn und Landleuten, die ihr Weg
+vorüberführte, gar wohl bekannt war. Man hörte Kegelschieben, und
+übrigens ging es bei einer Anzahl von höchstens einem Dutzend Gästen
+mäßig zu. Ein kaum bewußter Trieb, sich unter anspruchslosen,
+natürlichen Menschen in etwas zu vergessen, bewog den Musiker zur
+Einkehr. Er setzte sich an einen der sparsam von Bäumen beschatteten
+Tische zu einem Wiener Brunnen-Obermeister und zwei andern
+Spießbürgern, ließ sich ein Schöppchen kommen und nahm an ihrem sehr
+alltäglichen Diskurs eingehend teil, ging dazwischen umher oder
+schaute dem Spiel auf der Kegelbahn zu.
+
+Unweit von der letztern, an der Seite des Hauses, befand .ich der
+offene Laden des Seilers, ein schmaler, mit Fabrikaten vollgepfropfter
+Raum, weil außer dem, was das Handwerk zunächst lieferte, auch
+allerlei hölzernes Köchen-, Keller- und landwirtschaftliches Gerät,
+angleichen Tran und Wagensalbe, auch weniges von Sämereien, Dill
+und Kümmel zum Verkauf umherstand oder -hing. Ein Mädchen, das als
+Kellnerin die Gäste zu bedienen und nebenbei den Laden zu besorgen
+hatte, war eben mit einem Bauern beschäftigt, welcher, sein Söhnlein
+an der Hand, herzugetreten war, um einiges zu kaufen, ein Fruchtmaß,
+eine Bürste, eine Geißel. Er suchte unter vielen Stücken eines heraus,
+prüfte es, legte es weg, ergriff ein zweites und drittes und kehrte
+unschlüssig zum ersten zurück; es war kein Fertigwerden. Das Mädchen
+entfernte sich mehrmals der Aufwartung wegen, kam wieder und war
+unermüdlich, ihm seine Wahl zu erleichtern und annehmlich zu machen,
+ohne daß sie zu viel darum schwatzte.
+
+Mozart sah und hörte auf einem Bänkchen bei der Kegelbahn diesem allen
+mit Vergnügen zu. So sehr ihm auch das gute, verständige Betragen des
+Mädchens, die Ruhe und der Ernst in ihren ansprechenden Zügen gefiel,
+noch mehr interessierte ihn für jetzt der Bauer, welcher ihm, nachdem
+er ganz befriedigt abgezogen, noch viel zu denken gab. Er hatte
+sich vollkommen in den Mann hineinversetzt, gefühlt, wie wichtig
+die geringe Angelegenheit von ihm behandelt, wie ängstlich und
+gewissenhaft die Preise, bei einem Unterschied von wenig Kreuzern, hin
+und her erwogen wurden. Und, dachte er, wenn nun der Mann zu seinem
+Weibe heimkommt, ihr seinen Handel rühmt, die Kinder alle passen, bis
+der Zwerchsack aufgeht, darin auch was für sie sein mag; sie aber
+eilt, ihm einen Imbiß und einen frischen Trunk selbstgekelterten
+Obstmost zu holen, darauf er seinen ganzen Appetit verspart hat! Wer
+auch so glücklich wäre, so unabhängig von den Menschen! ganz nur auf
+die Natur gestellt und ihren Segen, wie sauer auch dieser erworben
+sein will!
+
+Ist aber mir mit meiner Kunst ein anderes Tagwerk anbefohlen, das ich
+am Ende doch mit keinem in der Welt vertauschen würde: warum muß ich
+dabei in Verhältnissen leben, die das gerade Widerspiel von solch
+unschuldiger, einfacher Existenz ausmachen? Ein Gütchen wenn du
+hättest, ein kleines Haus bei einem Dorf in schöner Gegend, du
+solltest wahrlich neu aufleben! Den Morgen über fleißig bei deinen
+Partituren, die ganze übrige Zeit bei der Familie; Bäume pflanzen,
+deinen Acker besuchen, im Herbst mit den Buben die Äpfel und die Birn
+heruntertun; bisweilen eine Reise in die Stadt zu einer Aufführung und
+sonst, von Zeit zu Zeit ein Freund und mehrere bei dir - welch eine
+Seligkeit! Nun ja, wer weiß, was noch geschieht!
+
+Er trat vor den Laden, sprach freundlich mit dem Mädchen und
+fing an, ihren Kram genauer zu betrachten. Bei der unmittelbaren
+Verwandtschaft, welche die meisten dieser Dinge zu jenem idyllischen
+Anfluge hatten, zog ihn die Sauberkeit, das Helle, Glatte, selbst der
+Geruch der mancherlei Holzarbeiten an. Es fiel ihm plötzlich ein,
+verschiedenes für seine Frau, was ihr nach seiner Meinung angenehm
+und nutzbar wäre, auszuwählen. Sein Augenmerk ging zuvörderst auf
+Gartenwerkzeug. Konstanze hatte nämlich vor Jahr und Tag auf seinen
+Antrieb ein Stückchen Land vor dem Kärntner Tor gepachtet und etwas
+Gemüse darauf gebaut; daher ihm jetzt fürs erste ein neuer großer
+Rechen, ein kleinerer dito samt Spaten ganz zweckmäßig schien. Dann
+Weiteres anlangend, so macht es seinen ökonomischen Begriffen alle
+Ehre, daß er einem ihn sehr appetitlich anlachenden Butterfaß nach
+kurzer Überlegung, wiewohl ungern, entsagte; dagegen ihm ein hohes,
+mit Deckel und schön geschnitztem Henkel versehenes Geschirr zu
+unmaßgeblichem Gebrauch einleuchtete. Es war aus schmalen Stäben von
+zweierlei Holz, abwechselnd hell und dunkel, zusammengesetzt, unten
+weiter als oben und innen trefflich ausgepicht. Entschieden für
+die Küche empfahl sich eine schöne Auswahl Rührlöffel, Wellhölzer,
+Schneidbretter und Teller von allen Größen sowie ein Salzbehälter
+einfachster Konstruktion zum Aufhängen.
+
+Zuletzt besah er sich noch einen derben Stock, dessen Handhabe
+mit Leder und runden Messingnägeln gehörig beschlagen war. Da der
+sonderbare Kunde auch hier in einiger Versuchung schien, bemerkte die
+Verkäuferin mit Lächeln, das sei just kein Tragen für Herren. »Du hast
+recht, mein Kind«, versetzte er, »mir deucht, die Metzger auf der
+Reise haben solche; weg damit, ich will ihn nicht. Das übrige hingegen
+alles, was wir da ausgelesen haben, bringst du mir heute oder morgen
+ins Haus.« Dabei nannte er ihr seinen Namen und die Straße. Er ging
+hierauf, um auszutrinken, an seinen Tisch, wo von den dreien nur noch
+einer, ein Klempnermeister, saß.
+
+»Die Kellnerin hat heut mal einen guten Tag«, bemerkte der Mann. »Ihr
+Vetter läßt ihr vom Erlös im Laden am Gulden einen Batzen.«
+
+Mozart freute sich nun seines Einkaufs doppelt; gleich aber sollte
+seine Teilnahme an der Person noch größer werden. Denn als sie wieder
+in die Nähe kam, rief ihr derselbe Bürger zu: »Wie stehts, Kreszenz?
+Was macht der Schlosser? Feilt er nicht bald sein eigen Eisen?«
+
+»O was!« erwiderte sie im Weitereilen: »selbiges Eisen, schätz ich,
+wächst noch im Berg, zuhinterst.«
+
+»Es ist ein guter Tropf«, sagte der Klempner. »Sie hat lang ihrem
+Stiefvater hausgehalten und ihn in der Krankheit verpflegt, und da er
+tot war, kams heraus, daß er ihr Eigenes aufgezehrt hatte; zeither
+dient sie da ihrem Verwandten, ist alles und alles im Geschäft, in
+der Wirtschaft und bei den Kindern. Sie hat mit einem braven Gesellen
+Bekanntschaft und würde ihn je eher, je lieber heiraten; das aber hat
+so seine Haken.«
+
+»Was für? Er ist wohl auch ohne Vermögen?«
+
+»Sie ersparten sich beide etwas, doch langt es nicht gar. Jetzt kommt
+mit nächstem drinnen ein halber Hausteil samt Werkstatt in Gant;
+dem Seiler wärs ein leichtes, ihnen vorzuschießen, was noch zum
+Kaufschilling fehlt, allein er läßt die Dirne natürlich nicht gern
+fahren. Er hat gute Freunde im Rat und bei der Zunft, da findet der
+Geselle nun allenthalben Schwierigkeiten.«
+
+»Verflucht!« - fuhr Mozart auf, so daß der andere erschrak und sich
+umsah, ob man nicht horche. »Und da ist niemand, der ein Wort nach dem
+Recht darein spräche? den Herren eine Faust vorhielte? Die Schufte,
+die! Wart nur, man kriegt euch noch beim Wickel!«
+
+Der Klempner saß wie auf Kohlen. Er suchte das Gesagte auf eine
+ungeschickte Art zu mildern; beinahe nahm er es völlig zurück. Doch
+Mozart hörte ihn nicht an. »Schämt Euch, wie Ihr nun schwatzt. So
+machts ihr Lumpen allemal, sobald es gilt, mit etwas einzustehen.«
+- Und hiemit kehrte er dem Hasenfuß ohne Abschied den Rücken. Der
+Kellnerin, die alle Hände voll zu tun hatte mit neuen Gästen, raunte
+er nur im Vorbeigehen zu: »Komme morgen beizeiten, grüße mir deinen
+Liebsten; ich hoffe, daß eure Sache gut geht.« Sie stutzte nur und
+hatte weder Zeit noch Fassung, ihm zu danken.
+
+Geschwinder als gewöhnlich, weil der Auftritt ihm das Blut etwas in
+Wallung brachte, ging er vorerst denselben Weg, den er gekommen, bis
+an das Glacis, auf welchem er dann langsamer mit einem Umweg, im
+weiten Halbkreis um die Wälle wandelte. Ganz mit der Angelegenheit des
+armen Liebespaars beschäftigt, durchlief er in Gedanken eine Reihe
+seiner Bekannten und Gönner, die auf die eine oder andere Weise in
+diesem Fall etwas vermochten. Da indessen, bevor er sich irgend zu
+einem Schritt bestimmte, noch nähere Erklärungen von seiten des
+Mädchens erforderlich waren, beschloß er, diese ruhig abzuwarten, und
+war nunmehr, mit Herz und Sinn den Füßen vorauseilend, bei seiner Frau
+zu Hause.
+
+Mit innerer Gewißheit zählte er auf einen freundlichen, ja fröhlichen
+Willkommen, Kuß und Umarmung schon auf der Schwelle, und Sehnsucht
+verdoppelte seine Schritte beim Eintritt in das Kärntner Tor. Nicht
+weit davon ruft ihn der Postträger an, der ihm ein kleines, doch
+gewichtiges Paket übergibt, worauf er eine ehrliche und akkurate Hand
+augenblicklich erkennt. Er tritt mit dem Boten, um ihm zu quittieren,
+in den nächsten Kaufladen; dann, wieder auf der Straße, kann er sich
+nicht bis in sein Haus gedulden; er reibt die Siegel auf, halb gehend,
+halb stehend verschlingt er den Brief »Ich saß«, fuhr Madame Mozart
+hier in der Erzählung bei den Damen fort, »am Nähtisch, hörte meinen
+Mann die Stiege heraufkommen und den Bedienten nach mir fragen. Sein
+Tritt und seine Stimme kam mir beherzter, aufgeräumter vor, als ich
+erwartete und als mir wahrhaftig angenehm war. Erst ging er auf sein
+Zimmer, kam aber gleich herüber. >Guten Abend!< sagt' er; ich, ohne
+aufzusehen, erwiderte ihm kleinlaut. Nachdem er die Stube ein paarmal
+stillschweigend gemessen, nahm er unter erzwungenem Gähnen die
+Fliegenklatsche hinter der Tür, was ihm noch niemals eingefallen
+war, und murmelte vor sich hin: >Wo nur die Fliegen gleich wieder
+herkommen!< - fing an zu patschen da und dort, und zwar so stark wie
+möglich. Dies war ihm stets der unleidlichste Ton, den ich in seiner
+Gegenwart nie hören lassen durfte. Hm, dacht ich, daß doch, was man
+selber tut, zumal die Männer, ganz etwas anderes ist! Übrigens hatte
+ich so viele Fliegen gar nicht wahrgenommen. Sein seltsames Betragen
+verdroß mich wirklich sehr. >Sechse auf einen Schlag!< rief er;
+>willst du sehen?< - Keine Antwort. - Da legte er mir etwas aufs
+Nähkissen hin, daß ich es sehen mußte, ohne ein Auge von meiner Arbeit
+zu verwenden. Es war nichts Schlechteres als ein Häufchen Gold, soviel
+man Dukaten zwischen zwei Finger nimmt. Er setzte seine Possen hinter
+meinem Rücken fort, tat hin und wieder einen Streich und sprach dabei
+für sich: >Das fatale, unnütze, schamlose Gezücht! Zu was Zweck es
+nur eigentlich auf der Welt ist - patsch! - offenbar bloß, daß mans
+totschlage - pitsch - darauf verstehe ich mich einigermaßen, darf ich
+behaupten. - Die Naturgeschichte belehrt uns über die erstaunliche
+Vermehrung dieser Geschöpfe - pitsch patsch -: in meinem Hause wird
+immer sogleich damit aufgeräumt. Ah maledette! disperate! - Hier
+wieder ein Stück zwanzig. Magst du sie?< - Er kam und tat wie vorhin.
+Hatte ich bisher mit Mühe das Lachen unterdrückt, länger war es
+unmöglich, ich platzte heraus, er fiel mir um den Hals, und beide
+kicherten und lachten wir um die Wette.
+
+>Woher kommt dir denn aber das Geld?< frag ich. während daß er den
+Rest aus dem Röllelchen schüttelt. - >Vom Fürsten Esterhazy! durch den
+Haydn! Lies nur den Brief.< - Ich las:
+
+>Eisenstadt usw. Teuerster Freund! Seine Durchlaucht, mein gnädigster
+Herr, hat mich zu meinem größesten Vergnügen damit betraut, Ihnen
+beifolgende sechzig Dukaten zu übermachen. Wir haben letzt Ihre
+Quartetten wieder ausgeführt, und Seine Durchlaucht waren solchermaßen
+davon eingenommen und befriedigt, als bei dem ersten Mal, vor einem
+Vierteljahre, kaum der Fall gewesen. Der Fürst bemerkte mir (ich muß
+es wörtlich schreiben): als Mozart Ihnen diese Arbeit dedizierte, hat
+er geglaubt, nur Sie zu ehren, doch kanns ihm nichts verschlagen, wenn
+ich zugleich ein Kompliment für mich darin erblicke. Sagen Sie ihm,
+ich denke von seinem Genie bald so groß wie Sie selbst, und mehr könn
+er in Ewigkeit nicht verlangen. - Amen! setz ich hinzu. Sind Sie
+zufrieden?
+
+Postskript. Der lieben Frau ins Ohr: Sorgen Sie gütigst, daß die
+Danksagung nicht aufgeschoben werde. Am besten geschäh es persönlich.
+Wir müssen so guten Wind fein erhalten.<
+
+>Du Engelsmann! o himmlische Seele!< rief Mozart ein übers andere Mal,
+und es ist schwer zu sagen, was ihn am meisten freute, der Brief oder
+des Fürsten Beifall oder das Geld. Was mich betrifft, aufrichtig
+gestanden, mir kam das letztere gerade damals höchst gelegen. Wir
+feierten noch einen sehr vergnügten Abend.
+
+Von der Affäre in der Vorstadt erfuhr ich jenen Tag noch nichts,
+die folgenden ebensowenig, die ganze nächste Woche verstrich, keine
+Kreszenz erschien, und mein Mann, in einem Strudel von Geschäften,
+vergaß die Sache bald. Wir hatten an einem Sonnabend Gesellschaft;
+Hauptmann Wesselt, Graf Hardegg und andere musizierten. In einer Pause
+werde ich hinausgerufen - da war nun die Bescherung! Ich geh hinein
+und frage: >Hast du Bestellung in der Alservorstadt auf allerlei
+Holzware gemacht?< - >Potz Hagel, ja! Ein Mädchen wird da sein? Laß
+sie nur hereinkommen< - So trat sie denn in größter Freundlichkeit,
+einen vollen Korb am Arm, mit Rechen und Spaten ins Zimmer,
+entschuldigte ihr langes Ausbleiben, sie habe den Namen der Gasse
+nicht mehr gewußt und sich erst heut zurechtgefragt. Mozart nahm ihr
+die Sachen nacheinander ab, die er sofort mit Selbstzufriedenheit
+mir überreichte. Ich ließ mir herzlich dankbar alles und jedes
+wohlgefallen, belobte und pries, nur nahm es mich wunder, wozu er das
+Gartengeräte gekauft. - >Natürlich<, sagt' er, >für dein Stückchen an
+der Wien.< - >Mein Gott, das haben wir ja aber lange abgegeben! weil
+uns das Wasser immer so viel Schaden tat und überhaupt gar nichts
+dabei herauskam. Ich sagte dirs, du hattest nichts dawider.< - >Was?
+Und also die Spargeln, die wir dies Frühjahr speisten...< - >Waren
+immer vom Markt.< - >Seht<, sagt' er, >hätt ich das gewußt! Ich lobte
+sie dir so aus bloßer Artigkeit, weil du mich wirklich dauerst mit
+deiner Gärtnerei; es waren Dingerl wie die Federspulen.<
+
+Die Herrn belustigte der Spaß überaus; ich mußte einigen sogleich das
+Überflüssige zum Andenken lassen. Als aber Mozart nun das Mädchen über
+ihr Heiratsanliegen ausforschte, sie ermunterte, hier nur ganz frei
+zu sprechen, da das, was man für sie und ihren Liebsten tun würde, in
+der Stille, glimpflich und ohne jemandes Anklagen solle ausgerichtet
+werden, so äußerte sie sich gleichwohl mit so viel Bescheidenheit,
+Vorsicht und Schonung, daß sie alle Anwesenden völlig gewann und man
+sie endlich mit den besten Versprechungen entließ.
+
+>Den Leuten muß geholfen werden!< sagte der Hauptmann. >Die
+Innungskniffe sind das wenigste dabei; hier weiß ich einen, der das
+bald in Ordnung bringen wird. Es handelt sich um einen Beitrag für das
+Haus, Einrichtungskosten und dergleichen. Wie, wenn wir ein Konzert
+für Freunde im Trattnerischen Saal mit Entree ad libitum ankündigten?<
+Der Gedanke fand lebhaften Anklang. Einer der Herrn ergriff das
+Salzfaß und sagte: >Es müßte jemand zur Einleitung einen hübschen
+historischen Vortrag tun, Herrn Mozarts Einkauf schildern, seine
+menschenfreundliche Absicht erklären, und hier das Prachtgefäß stellt
+man auf einem Tisch als Opferbüchse auf, die beiden Rechen als
+Dekoration rechts und links dahinter gekreuzt.<
+
+Dies nun geschah zwar nicht, hingegen das Konzert kam zustande; es
+warf ein Erkleckliches ab, verschiedene Beiträge folgten nach, daß das
+beglückte Paar noch Überschuß hatte, und auch die andern Hindernisse
+waren schnell beseitigt. Duscheks in Prag, unsre genausten Freunde
+dort, bei denen wir logieren, vernahmen die Geschichte, und _sie_,
+eine gar gemütliche, herzige Frau, verlangte von dem Kram aus
+Kuriosität auch etwas zu haben; so legt ich denn das Passendste für
+sie zurück und nahm es bei dieser Gelegenheit mit. Da wir inzwischen
+unverhofft eine neue liebe Kunstverwandte finden sollten, die nah
+daran ist, sich den eigenen Herd einzurichten, und ein Stück gemeinen
+Hausrat, welches Mozart ausgewählt, gewißlich nicht verschmähen wird,
+will ich mein Mitbringen halbieren, und Sie haben die Wahl zwischen
+einem schön durchbrochenen Schokoladequirl und mehrgedachter
+Salzbüchse, an welcher sich der Künstler mit einer geschmackvollen
+Tulpe verunköstigt hat. Ich würde unbedingt zu diesem Stück raten;
+das edle Salz, soviel ich weis, ist ein Symbol der Häuslichkeit und
+Gastlichkeit, wozu wir alle guten Wünsche für Sie legen wollen.«
+
+So weit Madame Mozart. Wie dankbar und wie heiter alles von den Damen
+auf- und angenommen wurde, kann man denken. Der Jubel erneuerte sich,
+als gleich darauf bei den Männern oben die Gegenstände vorgelegt und
+das Muster patriarchalischer Simplizität nun förmlich übergeben ward,
+welchem der Oheim in dem Silberschranke seiner nunmehrigen Besitzerin
+und ihrer spätesten Nachkommen keinen geringern Platz versprach, als
+jenes berühmte Kunstwerk des florentinischen Meisters in der Ambraser
+Sammlung einnehme.
+
+Es war schon fast acht Uhr; man nahm den Tee. Bald aber sah sich unser
+Musiker an sein schon am Mittag gegebenes Wort, die Gesellschaft näher
+mit dem >Höllenbrand< bekannt zu machen, der unter Schloß und Riegel,
+doch zum Glück nicht allzu tief im Reisekoffer lag, dringend erinnert.
+Er war ohne Zögern bereit. Die Auseinandersetzung der Fabel des Stücks
+hielt nicht lange auf, das Textbuch wurde aufgeschlagen, und schon
+brannten die Lichter am Fortepiano.
+
+Wir wünschten wohl, unsere Leser streifte hier zum wenigsten etwas
+von jener eigentümlichen Empfindung an, womit oft schon ein einzeln
+abgerissener, aus einem Fenster beim Vorübergehen an unser Ohr
+getragener Akkord, der nur von dorther kommen kann, uns wie elektrisch
+trifft und wie gebannt festhält; etwas von jener süßen Bangigkeit,
+wenn wir in dem Theater, solange das Orchester stimmt, dem Vorhang
+gegenübersitzen. Oder ist es nicht so? Wenn auf der Schwelle jedes
+erhabenen tragischen Kunstwerks, es heiße >Macbeth<, >Ödipus< oder
+wie sonst, ein Schauer der ewigen Schönheit schwebt, wo träfe dies
+in höherem, auch nur in gleichem Maße zu als eben hier? Der Mensch
+verlangt und scheut zugleich, aus seinem gewöhnlichen Selbst
+vertrieben zu werden, er fühlt, das Unendliche wird ihn berühren,
+das seine Brust zusammenzieht, indem es sie ausdehnen und den Geist
+gewaltsam an sich reißen will. Die Ehrfurcht vor der vollendeten Kunst
+tritt hinzu; der Gedanke, ein göttliches Wunder genießen, es als ein
+Verwandtes in sich aufnehmen zu dürfen, zu können, führt eine Art
+von Rührung, ja von Stolz mit sich, vielleicht den glücklichsten und
+reinsten, dessen wir fähig sind.
+
+Unsre Gesellschaft aber hatte damit, daß sie ein uns von Jugend auf
+völlig zu eigen gewordenes Werk jetzt erstmals kennen lernen sollte,
+einen von unserem Verhältnis unendlich verschiedenen Stand, und, wenn
+man das beneidenswerte Glück der persönlichen Vermittlung durch den
+Urheber abrechnet, bei weitem nicht den günstigen wie wir, da eine
+reine und vollkommene Auffassung eigentlich niemand möglich war, auch
+in mehr als einem Betracht selbst dann nicht möglich gewesen sein
+würde, wenn das Ganze unverkürzt hätte mitgeteilt werden können.
+
+Von achtzehn fertig ausgearbeiteten Nummern* gab der Komponist
+vermutlich nicht die Hälfte; (wir finden in dem unserer Darstellung
+zugrunde liegenden Bericht nur das letzte Stück dieser Reihe, das
+Sextett, ausdrücklich angeführt) - er gab sie meistens, wie es
+scheint, in einem freien Auszug, bloß auf dem Klavier, und sang
+stellenweise darein, wie es kam und sich schickte. Von der Frau ist
+gleichfalls nur bemerkt, daß sie zwei Arien vorgetragen habe. Wir
+möchten uns, da ihre Stimme so stark als lieblich gewesen sein soll,
+die erste der Donna Anna (>Du kennst den Verräter<) und eine von den
+beiden der Zerline dabei denken.
+
+* Bei dieser Zählung ist zu wissen, daß Elviras Arie mit dem Rezitativ
+ und Leporellos >Habs verstanden< nicht ursprünglich in der Oper
+ enthalten gewesen.
+
+Genau genommen waren, dem Geist, der Einsicht, dem Geschmacke nach,
+Eugenie und ihr Verlobter die einzigen Zuhörer, wie der Meister sie
+sich wünschen mußte, und jene war es sicher ungleich mehr als dieser.
+Sie saßen beide tief im Grunde des Zimmers; das Fräulein regungslos,
+wie eine Bildsäule, und in die Sache aufgelöst auf einen solchen Grad,
+daß sie auch in den kurzen Zwischenräumen, wo sich die Teilnahme der
+übrigen bescheiden äußerte oder die innere Bewegung sich unwillkürlich
+mit einem Ausruf der Bewunderung Luft machte, die von dem Bräutigam an
+sie gerichteten Worte immer nur ungenügend zu erwidern vermochte.
+
+Als Mozart mit dem überschwenglich schönen Sextett geschlossen hatte
+und nach und nach ein Gespräch aufkam, schien er vornehmlich einzelne
+Bemerkungen des Barons mit Interesse und Wohlgefallen aufzunehmen. Es
+wurde vom Schlusse der Oper die Rede sowie von der vorläufig auf den
+Anfang Novembers anberaumten Aufführung, und da jemand meinte, gewisse
+Teile des Finale möchten noch eine Riesenaufgabe sein, so lächelte der
+Meister mit einiger Zurückhaltung; Konstanze aber sagte zu der Gräfin
+hin, daß er es hören mußte: »Er hat noch was in petto, womit er geheim
+tut, auch vor mir.«
+
+»Du fällst«, versetzte er, »aus deiner Rolle, Schatz, daß du das jetzt
+zur Sprache bringst; wenn ich nun Lust bekäme, von neuem anzufangen?
+Und in der Tat, es juckt mich schon.«
+
+»Leporello!« rief der Graf, lustig aufspringend, und winkte einem
+Diener: »Wein! Sillery, drei Flaschen!«
+
+»Nicht doch! damit ist es vorbei - mein Junker hat sein Letztes im
+Glase.«
+
+»Wohl bekomms ihm - und jedem das Seine!«
+
+»Mein Gott, was hab ich da gemacht!« lamentierte Konstanze, mit einem
+Blick auf die Uhr, »gleich ist es elfe, und morgen früh solls fort -
+wie wird das gehen?«
+
+»Es geht halt gar nicht, Beste! nur schlechterdings gar nicht.«
+
+»Manchmal«, fing Mozart an, »kann sich doch ein Ding sonderbar fügen.
+Was wird denn meine Stanzl sagen, wenn sie erfährt, daß eben das Stück
+Arbeit, was sie nun hören soll, um eben diese Stunde in der Nacht, und
+zwar gleichfalls vor einer angesetzten Reise, zur Welt geboren ist?«
+
+»Wärs möglich? Wann? Gewiß vor drei Wochen, wie du nach Eisenstadt
+wolltest!«
+
+»Getroffen! Und das begab sich so. Ich kam nach zehne, du schliefst
+schon fest, von Richters Essen heim und wollte versprochenermaßen
+auch bälder zu Bett, um morgens beizeiten heraus und in den Wagen zu
+steigen. Inzwischen hatte Veit, wie gewöhnlich, die Lichter auf dem
+Schreibtisch angezündet, ich zog mechanisch den Schlafrock an, und
+fiel mir ein, geschwind mein letztes Pensum noch einmal anzusehen.
+Allein, o Mißgeschick! verwünschte, ganz unzeitige Geschäftigkeit der
+Weiber! du hattest aufgeräumt, die Noten eingepackt die mußten nämlich
+mit: der Fürst verlangte eine Probe von dem Opus; - ich suchte,
+brummte, schalt, umsonst! Darüber fällt mein Blick auf ein
+versiegeltes Kuvert: vom Abbate, den greulichen Haken nach auf der
+Adresse - ja wahrlich! und schickt mir den umgearbeiteten Rest seines
+Textes, den ich vor Monatsfrist noch nicht zu sehen hoffte. Sogleich
+sitz ich begierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der Kauz
+verstand, was ich wollte. Es war alles weit simpler, gedrängter und
+reicher zugleich. Sowohl die Kirchhofsszene wie das Finale, bis zum
+Untergang des Helden, hat in jedem Betracht sehr gewonnen. (Du sollst
+mir aber auch, dacht ich, vortrefflicher Poet, Himmel und Hölle nicht
+unbedankt zum zweiten Mal beschworen haben!) Nun ist es sonst meine
+Gewohnheit nicht, in der Komposition etwas vorauszunehmen, und wenn
+es noch so lockend wäre; das bleibt eine Unart, die sich sehr übel
+bestrafen kann. Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auftritt bei
+der Reiterstatue des Gouverneurs, die Drohung, die vom Grabe des
+Erschlagenen her urplötzlich das Gelächter des Nachtschwärmers
+haarsträubend unterbricht, war mir bereits in die Krone gefahren.
+Ich griff einen Akkord und fühlte, ich hatte an der rechten Pforte
+angeklopft, dahinter schon die ganze Legion von Schrecken beieinander
+liege, die im Finale loszulassen sind. So kam fürs erste ein Adagio
+heraus: d-moll, vier Takte nur, darauf ein zweiter Satz mit fünfen -
+es wird, bild ich mir ein, auf dem Theater etwas Ungewöhnliches geben,
+wo die stärksten Blasinstrumente die Stimme begleiten. Einstweilen
+hören Sie's, so gut es sich hier machen läßt.«
+
+Er löschte ohne weiteres die Kerzen der beiden neben ihm stehenden
+Armleuchter aus, und jener furchtbare Choral: >Dein Lachen endet vor
+der Morgenröte!< erklang durch die Totenstille des Zimmers. Wie von
+entlegenen Sternenkreisen fallen die Töne aus silbernen Posaunen,
+eiskalt, Mark und Seele durchschneidend, herunter durch die blaue
+Nacht.
+
+>Wer ist hier? Antwort!< hört man Don Juan fragen. Da hebt es wieder
+an, eintönig wie zuvor, und gebietet dem ruchlosen Jüngling, die Toten
+in Ruhe zu lassen.
+
+Nachdem diese dröhnenden Klänge bis auf die letzte Schwingung in
+der Luft verhallt waren, fuhr Mozart fort: »Jetzt gab es für mich
+begreiflicherweise kein Aufhören mehr. Wenn erst das Eis einmal an
+einer Uferstelle bricht, gleich kracht der ganze See und klingt bis an
+den entferntesten Winkel hinunter. Ich ergriff unwillkürlich denselben
+Faden weiter unten bei Don Juans Nachtmahl wieder, wo Donna Elvira
+sich eben entfernt hat und das Gespenst, der Einladung gemäß,
+erscheint. - Hören Sie an.«
+
+Es folgte nun der ganze lange, entsetzenvolle Dialog, durch welchen
+auch der Nüchternste bis an die Grenze menschlichen Vorstellens, ja
+über sie hinaus gerissen wird, wo wir das Übersinnliche schauen und
+hören und innerhalb der eigenen Brust von einem Äußersten zum andern
+willenlos uns hin und her geschleudert fühlen.
+
+Menschlichen Sprachen schon entfremdet, bequemt sich das unsterbliche
+Organ des Abgeschiedenen, noch einmal zu reden. Bald nach der ersten
+fürchterlichen Begrüßung, als der Halbverklärte die ihm gebotene
+irdische Nahrung verschmäht, wie seltsam schauerlich wandelt seine
+Stimme auf den Sprossen einer luftgewebten Leiter unregelmäßig auf und
+nieder! Er fordert schleunigen Entschluß zur Buße: kurz ist dem Geist
+die Zeit gemessen; weit, weit, weit ist der Weg! Und wenn nun Don
+Juan, im ungeheuren Eigenwillen den ewigen Ordnungen trotzend, unter
+dem wachsenden Andrang der höllischen Mächte, ratlos ringt, sich
+sträubt und windet und endlich untergeht, noch mit dem vollen Ausdruck
+der Erhabenheit in jeder Gebärde - wem zitterten nicht Herz und Nieren
+vor Lust und Angst zugleich? Es ist ein Gefühl, ähnlich dem, womit man
+das prächtige Schauspiel einer unbändigen Naturkraft, den Brand eines
+herrlichen Schiffes anstaunt. Wir nehmen wider Willen gleichsam
+Partei für diese blinde Größe und teilen knirschend ihren Schmerz im
+reißenden Verlauf ihrer Selbstvernichtung.
+
+Der Komponist war am Ziele. Eine Zeit lang wagte niemand, das
+allgemeine Schweigen zuerst zu brechen. »Geben Sie uns«, fing endlich,
+mit noch beklemmtem Atem, die Gräfin an, »geben Sie uns, ich bitte
+Sie, einen Begriff, wie Ihnen war, da Sie in jener Nacht die Feder
+weglegten!«
+
+Er blickte, wie aus einer stillen Träumerei ermuntert, helle zu ihr
+auf, besann sich schnell und sagte, halb zu der Dame, halb zu seiner
+Frau: »Nun ja, mir schwankte wohl zuletzt der Kopf. Ich hatte dies
+verzweifelte Dibattimento bis zu dem Chor der Geister, in einer Hitze
+fort, beim offenen Fenster, zu Ende geschrieben und stand nach einer
+kurzen Rast vom Stuhl auf, im Begriff, nach deinem Kabinett zu gehen,
+damit wir noch ein bißchen plaudern und sich mein Blut ausgleiche. Da
+machte ein überquerer Gedanke mich mitten im Zimmer still stehen.«
+(Hier sah er zwei Sekunden lang zu Boden, und sein Ton verriet beim
+Folgenden eine kaum merkbare Bewegung.) »Ich sagte zu mir selbst: wenn
+du noch diese Nacht wegstürbest und müßtest deine Partitur an diesem
+Punkt verlassen: ob dirs auch Ruh im Grabe ließ'? - Mein Auge hing am
+Docht des Lichts in meiner Hand und auf den Bergen von abgetropftem
+Wachs. Ein Schmerz bei dieser Vorstellung durchzückte mich einen
+Moment; dann dacht ich weiter: wenn denn hernach über kurz oder lang
+ein anderer, vielleicht gar so ein Welscher, die Oper zu vollenden
+bekäme und fände von der Introduktion bis Numero siebzehn, mit
+Ausnahme _einer_ Piece, alles sauber beisammen, lauter gesunde, reife
+Früchte ins hohe Gras geschüttelt, daß er sie nur auflesen dürfte;
+ihm graute aber doch ein wenig hier vor der Mitte des Finale, und er
+fände alsdann unverhofft den tüchtigen Felsbrocken da insoweit schon
+beiseite gebracht: er möchte drum nicht übel in das Fäustchen lachen!
+Vielleicht wär er versucht, mich um die Ehre zu betrügen. Er sollte
+aber wohl die Finger dran verbrennen; da wär noch immerhin ein
+Häuflein guter Freunde, die meinen Stempel kennen und mir, was mein
+ist, redlich sichern würden. - Nun ging ich, dankte Gott mit einem
+vollen Blick hinauf und dankte, liebes Weibchen, deinem Genius, der
+dir solange seine beiden Hände sanft über die Stirne gehalten, daß
+du fortschliefst wie eine Ratze und mich kein einzig Mal anrufen
+konntest. Wie ich dann aber endlich kam und du mich um die Uhr
+befrugst, log ich dich frischweg ein paar Stunden jünger, als du
+warst, denn es ging stark auf viere. Und nun wirst du begreifen, warum
+du mich um sechse nicht aus den Federn brachtest, der Kutscher wieder
+heimgeschickt und auf den andern Tag bestellt werden mußte.«
+
+»Natürlich!« versetzte Konstanze, »nur bilde sich der schlaue Mann
+nicht ein, man sei so dumm gewesen, nichts zu merken! Deswegen
+brauchtest du mir deinen schönen Vorsprung fürwahr nicht zu
+verheimlichen!«
+
+»Auch war es nicht deshalb.«
+
+»Weiß schon - du wolltest deinen Schatz vorerst noch unbeschrien
+haben.«
+
+»Mich freut nur«, rief der gutmütige Wirt, »daß wir morgen nicht nötig
+haben, ein edles Wiener Kutscherherz zu kränken, wenn Herr Mozart
+partout nicht aufstehen kann. Die Ordre >Hans, spann wieder aus!< tut
+jederzeit sehr weh.«
+
+Diese indirekte Bitte um längeres Bleiben, mit der sich die übrigen
+Stimmen im herzlichsten Zuspruch verbanden, gab den Reisenden Anlaß zu
+Auseinandersetzung sehr triftiger Gründe dagegen; doch verglich man
+sich gerne dahin, daß nicht zu zeitig aufgebrochen und noch vergnügt
+zusammen gefrühstückt werden solle.
+
+Man stand und drehte sich noch eine Zeit lang in Gruppen schwatzend
+umeinander. Mozart sah sich nach jemandem um, augenscheinlich nach
+der Braut; da sie jedoch gerade nicht zugegen war, so richtete er
+naiverweise die ihr bestimmte Frage unmittelbar an die ihm nahe
+stehende Franziska: »Was denken Sie denn nun im ganzen von unserm >Don
+Giovanni<? Was können Sie ihm Gutes prophezeien?«
+
+»Ich will«, versetzte sie mit Lachen, »im Namen meiner Base so gut
+antworten, als ich kann: Meine einfältige Meinung ist, daß, wenn >Don
+Giovanni< nicht aller Welt den Kopf verrückt, so schlägt der liebe
+Gott seinen Musikkasten gar zu, auf unbestimmte Zeit, heißt das, und
+gibt der Menschheit zu verstehen...« - »Und gibt der Menschheit«, fiel
+der Onkel verbessernd ein, »den Dudelsack in die Hand und verstocket
+die Herzen der Leute, daß sie anbeten Baalim.«
+
+»Behüt uns Gott!« lachte Mozart. »Je nun, im Lauf der nächsten
+sechzig, siebzig Jahre, nachdem ich lang fort bin, wird mancher
+falsche Prophet aufstehen.«
+
+Eugenie trat mit dem Baron und Max herbei, die Unterhaltung hob sich
+unversehens auf ein neues, ward nochmals ernsthaft und bedeutend, so
+daß der Komponist, eh die Gesellschaft auseinanderging, sich noch gar
+mancher schönen, bezeichnenden Äußerung erfreute, die seiner Hoffnung
+schmeichelte.
+
+Erst lange nach Mitternacht trennte man sich; keines empfand bis
+jetzt, wie sehr es der Ruhe bedurfte.
+
+Den andern Tag (das Wetter gab dem gestrigen nichts nach) um zehn Uhr
+sah man einen hübschen Reisewagen, mit den Effekten beider Wiener
+Gäste bepackt, im Schloßhof stehen. Der Graf stand mit Mozart davor,
+kurz ehe die Pferde herausgeführt wurden, und fragte, wie er ihm
+gefalle.
+
+»Sehr gut; er scheint äußerst bequem.«
+
+»Wohlan, so machen Sie mir das Vergnügen und behalten Sie ihn zu
+meinem Andenken.«
+
+»Wie? ist das Ernst?«
+
+»Was wär es sonst?«
+
+»Heiliger Sixtus und Calixtus - Konstanze! du!« rief er zum Fenster
+hinauf, wo sie mit den andern heraussah. »Der Wagen soll mein sein! Du
+fährst künftig in deinem eigenen Wagen!«
+
+Er umarmte den schmunzelnden Geber, betrachtete und umging sein neues
+Besitztum von allen Seiten, öffnete den Schlag, warf sich hinein und
+rief heraus: »Ich dünke mich so vornehm und so reich wie Ritter Gluck!
+Was werden sie in Wien für Augen machen!«
+
+- »Ich hoffe«, sagte die Gräfin, »Ihr Fuhrwerk wiederzusehn bei der
+Rückkehr von Prag, mit Kränzen um und um behangen!«
+
+Nicht lang nach diesem letzten fröhlichen Auftritt setzte sich der
+vielgelobte Wagen mit dem scheidenden Paare wirklich in Bewegung und
+fuhr im raschen Trab nach der Landstraße zu. Der Graf ließ sie bis
+Wittingau fahren, wo Postpferde genommen werden sollten.
+
+Wenn gute, vortreffliche Menschen durch ihre Gegenwart vorübergehend
+unser Haus belebten, durch ihren frischen Geistesodem auch unser
+Wesen in neuen raschen Schwung versetzten und uns den Segen der
+Gastfreundschaft in vollem Maße zu empfinden gaben, so läßt ihr
+Abschied immer eine unbehagliche Stockung, zum mindesten für den Rest
+des Tags, bei uns zurück, wofern wir wieder ganz nur auf uns selber
+angewiesen sind.
+
+Bei unsern Schloßbewohnern traf wenigstens das letztere nicht zu.
+Franziskas Eltern nebst der alten Tante fuhren zwar alsbald auch weg;
+die Freundin selbst indes, der Bräutigam, Max ohnehin, verblieben
+noch. Eugenien, von welcher vorzugsweise hier die Rede ist, weil sie
+das unschätzbare Erlebnis tiefer als alle ergriff, ihr, sollte man
+denken, konnte nichts fehlen, nichts genommen oder getrübt sein; ihr
+reines Glück in dem wahrhaft geliebten Mann, das erst soeben seine
+förmliche Bestätigung erhielt, mußte alles andre verschlingen,
+vielmehr, das Edelste und Schönste, wovon ihr Herz bewegt sein konnte,
+mußte sich notwendig mit jener seligen Fülle in eines verschmelzen.
+So wäre es auch wohl gekommen, hätte sie gestern und heute der bloßen
+Gegenwart, jetzt nur dem reinen Nachgenuß derselben leben können.
+Allein am Abend schon, bei den Erzählungen der Frau, war sie von
+leiser Furcht für ihn, an dessen liebenswertem Bild sie sich ergötzte,
+geheim beschlichen worden; diese Ahnung wirkte nachher, die ganze
+Zeit, als Mozart spielte, hinter allem unsäglichen Reiz, durch
+alle das geheimnisvolle Grauen der Musik hindurch, im Grund ihres
+Bewußtseins fort, und endlich überraschte, erschütterte sie das, was
+er selbst in der nämlichen Richtung gelegentlich von sich erzählte.
+Es ward ihr so gewiß, so ganz gewiß, daß dieser Mann sich schnell
+und unaufhaltsam in seiner eigenen Glut verzehre, daß er nur eine
+flüchtige Erscheinung auf der Erde sein könne, weil sie den Überfluß,
+den er verströmen würde, in Wahrheit nicht ertrüge.
+
+Dies, neben vielem andern, ging, nachdem sie sich gestern
+niedergelegt, in ihrem Busen auf und ab, während der Nachhall >Don
+Juans< verworren noch lange fort ihr inneres Gehör einnahm. Erst gegen
+Tag schlief sie ermüdet ein.
+
+Die drei Damen hatten sich nunmehr mit ihren Arbeiten in den Garten
+gesetzt, die Männer leisteten ihnen Gesellschaft, und da das Gespräch
+natürlich zunächst nur Mozart betraf, so verschwieg auch Eugenie ihre
+Befürchtungen nicht. Keins wollte dieselben im mindesten teilen,
+wiewohl der Baron sie vollkommen begriff. Zur guten Stunde, in
+recht menschlich reiner, dankbarer Stimmung pflegt man sich jeder
+Unglücksidee, die einen gerade nicht unmittelbar angeht, aus allen
+Kräften zu erwehren. Die sprechendsten, lachendsten Gegenbeweise
+wurden, besonders vom Oheim, vorgebracht, und wie gerne hörte nicht
+Eugenie alles an! Es fehlte nicht viel, so glaubte sie wirklich, zu
+schwarz gesehen zu haben.
+
+Einige Augenblicke später, als sie durchs große Zimmer oben ging, das
+eben gereinigt und wieder in Ordnung gebracht worden war und dessen
+vorgezogene, gründamastene Fenstergardinen nur ein sanftes Dämmerlicht
+zuließen, stand sie wehmütig vor dem Klaviere still. Durchaus war
+es ihr wie ein Traum, zu denken, wer noch vor wenigen Stunden
+davorgesessen habe. Lang blickte sie gedankenvoll die Tasten an, die
+er zuletzt berührt, dann drückte sie leise den Deckel zu und zog den
+Schlüssel ab, in eifersüchtiger Sorge, daß so bald keine andere Hand
+wieder öffne. Im Weggehn stellte sie beiläufig einige Liederhefte an
+ihren Ort zurück; es fiel ein älteres Blatt heraus, die Abschrift
+eines böhmischen Volksliedchens, das Franziska früher, auch wohl
+sie selbst, manchmal gesungen. Sie nahm es auf, nicht ohne darüber
+betreten zu sein. In einer Stimmung wie die ihrige wird der
+natürlichste Zufall leicht zum Orakel. Wie sie es aber auch verstehen
+wollte, der Inhalt war derart, daß ihr, indem sie die einfachen Verse
+wieder durchlas, heiße Tränen entfielen.
+
+ Ein Tännlein grünet wo,
+ Wer weiß, im Walde;
+ Ein Rosenstrauch, wer sagt,
+ In welchem Garten?
+
+ Sie sind erlesen schon,
+ Denk es, o Seele,
+ Auf deinem Grab zu wurzeln
+ Und zu wachsen.
+
+ Zwei schwarze Rößlein weiden
+ Auf der Wiese,
+ Sie kehren heim zur Stadt
+ In muntern Sprüngen.
+
+ Sie werden schrittweis gehn
+ Mit deiner Leiche;
+ Vielleicht, vielleicht noch eh
+ An ihren Hufen
+ Das Eisen los wird,
+ Das ich blitzen sehe!
+
+
+
+
+
+End of Project Gutenberg's Mozart auf der Reise nach Prag, by Eduard Morike
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MOZART AUF DER REISE NACH PRAG ***
+
+This file should be named 7503-8.txt or 7503-8.zip
+
+Produced by Gunther Olesch and Andrew Sly
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+https://gutenberg.org or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03
+
+Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
+
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
+
+We need your donations more than ever!
+
+As of February, 2002, contributions are being solicited from people
+and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
+Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
+Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
+Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
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+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
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+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
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+In answer to various questions we have received on this:
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+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
+International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
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+Donations by check or money order may be sent to:
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+1739 University Ave.
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+requirements for other states are met, additions to this list will be
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+(Three Pages)
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