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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/6996-8.txt b/6996-8.txt new file mode 100644 index 0000000..6d4f7bc --- /dev/null +++ b/6996-8.txt @@ -0,0 +1,5133 @@ +The Project Gutenberg EBook of Romeo und Julia, by William Shakespeare +(#16 in our series by William Shakespeare) + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before downloading or redistributing +this or any other Project Gutenberg eBook. + +This header should be the first thing seen when viewing this Project +Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the +header without written permission. + +Please read the "legal small print," and other information about the +eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. 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You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Romeo und Julia + +Author: William Shakespeare + +Release Date: November, 2004 [EBook #6996] +[This file was first posted on February 20, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ISO Latin-1 + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, ROMEO UND JULIA *** + + + + +Thanks are given to Delphine Lettau for finding a huge collection of ancient +German books in London. + + + +This Etext is in German. + +We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, +known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- +and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- +which requires a binary transfer, or sent as email attachment and +may require more specialized programs to display the accents. +This is the 8-bit version. + +This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE. +That project is reachable at the web site http://gutenberg2000.de. + +Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" +zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg2000.de erreichbar. + + + + +Romeo und Julia + +William Shakespeare + +Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel + + +PERSONEN + +ESCALUS, Prinz von Verona + +[GRAF] PARIS, ein junger Edelmann, Verwandter des Prinzen + +MONTAGUE und CAPULET } Häupter zweier Häuser, welche in Zwist +miteinander sind + +[Ein andrer CAPULET, des Vorigen Verwandter] Ein alter Mann, +ein Onkel von Capulet + +ROMEO, Montagues Sohn + +MERCUTIO, Verwandter des Prinzen und Romeos Freund + +BENVOLIO, Montagues Neffe und Romeos Freund + +TYBALT, Neffe der Gräfin Capulet + +Bruder LORENZO, ein Franziskaner + +Bruder MARKUS, von demselben Orden + +ABRAHAM, Diener im Hause Montague + +BALTHASAR, Romeos Diener + +[SIMSON, GREGORIO, PETER und andere DIENER im Hause Capulet] + +SIMSON, Diener des Capulet + +GREGORIO, Diener des Capulet + +PETER, Diener von Julias Amme + +Drei MUSIKANTEN + +Ein PAGE des Paris; ein weiterer Page + +Ein APOTHEKER + +CHORUS + +Ein Offizier + +Gräfin MONTAGUE, Ehefrau des Montague + +Gräfin CAPULET, Ehefrau des Capulet + +JULIA, Capulets Tochter + +[WÄRTERIN, früher] Juliens Amme + +Bürger von Verona. Verschiedene Männer und Frauen, Verwandte +beider Häuser. + +Masken, Garde, Wächter, Gefolge + + +Die Szene ist den größten Teil des Stücks hindurch in Verona; +zu Anfange des fünften Aktes in Mantua + + + +PROLOG + + +(Der Chorus tritt auf.) + +CHORUS +Zwei Häuser waren--gleich an Würdigkeit-- + Hier in Verona, wo die Handlung steckt, +Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit, + Wo Bürgerblut die Bürgerhand befleckt. +Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß + Das Leben zweier Liebender entsprang, +Die durch ihr unglückselges Ende bloß + Im Tod begraben elterlichen Zank. +Der Hergang ihrer todgeweihten Lieb + Und der Verlauf der elterlichen Wut, +Die nur der Kinder Tod von dannen trieb, + Ist nun zwei Stunden lang der Bühne Gut; +Was dran noch fehlt, hört mit geduldgem Ohr, +Bringt hoffentlich nun unsre Müh hervor. + + + + +ERSTER AKT + + + +ERSTE SZENE + +(Ein öffentlicher Platz) + +(Simson und Gregorio, [zwei Bediente Capulets,] treten +bewaffnet mit +Schwertern und Schilden auf.) + + +SIMSON +Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts in die Tasche +stecken. + +GREGORIO +Freilich nicht, sonst wären wir Taschenspieler. + +SIMSON +Ich meine, ich werde den Koller kriegen und vom Leder +ziehn. + +GREGORIO +Ne, Freund, deinen ledernen Koller mußt du bei Leibe +nicht ausziehen. + +SIMSON +Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufgebracht bin. + +GREGORIO +Aber du wirst nicht geschwind aufgebracht. + +SIMSON +Ein Hund aus Montagues Hause bringt mich schon auf. + +GREGORIO +Einen aufbringen heißt: ihn von der Stelle schaffen. +Um tapfer zu sein, muß man standhalten. Wenn du dich +also aufbringen läßt, so läufst du davon. + +SIMSON +Ein Hund aus dem Hause bringt mich zum Standhalten. +[Mit jedem Bedienten und jedem Mädchen Montagues will ich +es aufnehmen.] Ich habe bei jedem Bedienten und Mädchen +der Montagues den Vorrang und nehme also die Mauerseite +ein, [so daß ich nicht auf die schmutzige Straßenmitte +treten muß.] + + +GREGORIO +Daran sieht man, daß du ein schwacher Sklave bist; +denn der schwächste geht gegen die Mauer. + +SIMSON +Das ist wahr; und daher werden die Weiber, da sie die +schwächeren sind, immer gegen die Mauer gedrückt: +folglich werde ich Montagues Bediente von der Mauer +wegstoßen und seine Mädchen gegen die Mauer drücken. + +GREGORIO +Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns, +ihren Bedienten. [Es mit den Mädchen aufnehmen? Pfui doch! +Du solltest dich lieber von ihnen aufnehmen lassen.] + +SIMSON +Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab ichs +mit den Bedienten erst ausgefochten, so will ich mir die +Mädchen unterwerfen. [Sie sollen die Spitze meines Degens +fühlen, bis er stumpf wird.] Ich werde sie ihrer +jungfräulichen Häupter berauben. + +GREGORIO +Die Jungfrauen enthaupten? + +SIMSON +Jawohl, die Jungfrauen enthaupten oder ihnen die +Jungfräulichkeit nehmen, nimm es in dem einen oder +anderen Sinn, ganz wie du willt. + +GREGORIO +Sie werden es sinngemäß aufnehmen müssen, die es zu +spüren bekommen. + +SIMSON +Mich sollen sie zu spüren bekommen, solange ich noch +standhalten kann: und es ist bekannt, daß ich ein hübsches +Stück Fleisches bin. + +GREGORIO +Nur gut, daß du nicht Fisch bist, sonst wärst du ein +ärmlicher Dörr-Hering.--Zieh nur gleich vom Leder: Da +kommen zwei aus dem Hause der Montagues. + +(Abraham und Balthasar treten auf.) + +SIMSON +Hier, meine Waffe ist blank. Fang nur Händel an, ich will +den Rücken decken. + +GREGORIO +Den Rücken? Willst du Reißaus nehmen? + +SIMSON +Fürchte nichts von mir! + +GREGORIO +Ne, wahrhaftig! Ich dich fürchten? + +SIMSON +Laß uns das Recht auf unsrer Seite behalten, laß sie +anfangen! + +GREGORIO +Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie +mögens nehmen, wie sie wollen. + +SIMSON +Wie sie wagen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren; +wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf. + +(Abraham und Balthasar treten auf.) + +ABRAHAM +Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr? + +SIMSON +Ich bohre einen Esel, mein Herr. + +ABRAHAM +Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr? + +SIMSON +Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich ja sage? + +GREGORIO +Nein. + +SIMSON +Nein, mein Herr! Ich bohre Euch keinen Esel, mein Herr. +Aber ich bohre einen Esel, mein Herr. + +GREGORIO +Sucht Ihr Händel, mein Herr? + +ABRAHAM +Händel, Herr? Nein, mein Herr. + +SIMSON +Wenn Ihr sonst Händel sucht, mein Herr: ich steh zu Diensten. +Ich bediene einen ebenso guten Herrn wie Ihr. + +ABRAHAM +Keinen bessern. + +SIMSON +Sehr wohl, mein Herr! + +(Benvolio tritt auf.) + +GREGORIO +Sag: einen bessern; hier kommt ein Vetter meiner Herrschaft. + +SIMSON +Ja doch, einen bessern, mein Herr. + +ABRAHAM +Ihr lügt! + +SIMSON +Zieht, falls ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! denk mir an +deinen Schwadronierhieb. + +(Sie fechten. Benvolio tritt auf.) + +BENVOLIO +Ihr Narren, fort! Steckt eure Schwerter ein; +Ihr wißt nicht, was ihr tut. + +(Er schlägt ihre Schwerter nieder. Tybalt tritt auf.) + +TYBALT +Was? Ziehst du unter den verzagten Knechten? +Hieher, Benvolio! Biet die Stirn dem Tode! + +BENVOLIO +Ich stifte Frieden, steck dein Schwert nur ein! +Wo nicht, so führ es, diese hier zu trennen! + +TYBALT +Was? Ziehn und Friede rufen? Wie die Hölle +Haß ich das Wort, wie alle Montagues +Und dich! Wehr dich, du Memme! + +(Sie fechten. Verschiedene Anhänger beider Häuser kommen +und mischen sich in den Streit; dann Bürger mit Knütteln.) + +ERSTER BÜRGER +He! Spieß' und Stangen her!--Schlagt auf sie los! +Weg mit den Capulets!--Weg mit den Montagues! + +(Capulet im Schlafrock und Gräfin Capulet.) + +CAPULET +Was für ein Lärm?--Holla, mein langes Schwert! + +GRÄFIN CAPULET +Nein, Krücken, Krücken! Wozu soll ein Schwert! + +CAPULET +Mein Schwert, sag ich! Der alte Montague +Kommt dort und schwingt die Klinge mir zum Hohn. + +(Montague und Gräfin Montague.) + +MONTAGUE +Du Schurke Capulet!-- + +MONTAGUE +Schon manchen Morgen ward er dort gesehn, +Wie er den frischen Tau durch Tränen mehrte +Und, tief erseufzend, Wolk an Wolke drängte. +Allein sobald im fernsten Ost die Sonne, +Die allerfreunde, von Auroras Bett +Den Schattenvorhang wegzuziehn beginnt, +Stiehlt vor dem Licht mein finstrer Sohn sich heim +Und sperrt sich einsam in sein Kämmerlein, +Verschließt dem schönen Tageslicht die Fenster +Und schaffet künstlich Nacht um sich herum. +In schwarzes Mißgeschick wird er sich träumen, +Weiß guter Rat den Grund nicht wegzuräumen. + +BENVOLIO +Mein edler Oheim, wisset Ihr den Grund? + +MONTAGUE +Ich weiß ihn nicht und kann ihn nicht erforschen. + +BENVOLIO +Lagt Ihr ihm jemals schon deswegen an? + +MONTAGUE +Ich selbst sowohl als mancher andre Freund. +Doch er, der eignen Neigungen Vertrauter, +Ist gegen sich, wie treu, will ich nicht sagen, +Doch so geheim und in sich selbst gekehrt, +So unergründlich forschendem Bemühn +Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt, +Eh sie der Luft ihr zartes Laub entfalten +Und ihren Reiz der Sonne weihen kann. +Erführen wir, woher sein Leid entsteht, +Wir heilten es so gern, als wirs erspäht. + +(Romeo erscheint in einiger Entfernung.) + +BENVOLIO +Da kommt er, seht! Geruht, uns zu verlassen; +Galt ich ihm je was, will ich schon ihn fassen. + +MONTAGUE +O beichtet' er für dein Verweilen dir +Die Wahrheit doch!--Kommt, Gräfin, gehen wir! + +(Montague und Gräfin Montague gehen ab. Romeo tritt auf.) + +BENVOLIO +Ha, guten Morgen, Vetter! + +ROMEO + Erst so weit? + +BENVOLIO +Kaum schlug es neun. + +ROMEO + Weh mir. Gram dehnt die Zeit. +War das mein Vater, der so eilig ging? + +BENVOLIO +Er wars. Und welcher Gram dehnt Euch die Stunden? + +ROMEO +Daß ich entbehren muß, was sie verkürzt. + +BENVOLIO +Entbehrt Ihr Liebe? + +ROMEO + Nein. + +BENVOLIO + So ward sie Euch zuteil? + +ROMEO +Nein, Lieb entbehr ich, wo ich lieben muß. + +BENVOLIO +Ach, daß der Liebesgott, so mild im Scheine, +So grausam in der Prob erfunden wird! + +ROMEO +Ach, daß der Liebesgott, trotz seinen Binden, +Zu seinem Ziel stets Pfade weiß zu finden! +Wo speisen wir?--Ach, welch ein Streit war hier? +Doch sagt mirs nicht, ich hört es alles schon: +Haß gibt hier viel zu schaffen, Liebe mehr. +Nun denn: Liebreicher Haß! Streitsüchtge Liebe! +Du Alles, aus dem Nichts zuerst erschaffen! +Schwermütger Leichtsinn! Ernste Tändelei! +Entstelltes Chaos glänzender Gestalten! +Bleischwinge! Lichter Rauch und kalte Glut! +Stets wacher Schlaf, dein eignes Widerspiel! +So fühl ich Lieb und hasse, was ich fühl! +Du lachst nicht? + +BENVOLIO + Nein, das Weinen ist mir näher. + +ROMEO +Warum, mein Herz? + +BENVOLIO + Um deines Herzens Qual. + +ROMEO +Das ist der Liebe Unbill nun einmal. +Schon eignes Leid will mir die Brust zerpressen, +Dein Gram um mich wird voll das Maß mir messen. +Die Freundschaft, die du zeigst, mehrt meinen Schmerz; +Denn, wie sich selbst, so quält auch dich mein Herz. +Lieb ist ein Rauch, den Seufzerdämpf erzeugten, +Geschürt, ein Feur, von dem die Augen leuchten, +Gequält, ein Meer, von Tränen angeschwellt; +Was ist sie sonst? Verständge Raserei +Und ekle Gall und süße Spezerei. +Lebt wohl, mein Freund! + +(Im Gehen.) + +BENVOLIO + Sacht! Ich will mit Euch gehen; +Ihr tut mir Unglimpf, laßt Ihr so mich stehen. + +ROMEO +Ach, ich verlor mich selbst; ich bin nicht Romeo. +Der ist nicht hier: er ist--ich weiß nicht, wo. + +BENVOLIO +Entdeckt mir ohne Mutwill, wen Ihr liebt. + +ROMEO +Bin ich nicht ohne Mut und ohne Willen? + +BENVOLIO +Nein, sagt mirs ernsthaft doch! + +ROMEO +Bitt einen ernsthaft um sein Testament, +Den Kranken quälts, wenn man das Wort ihm nennt! +Hört, Vetter, denn im Ernst: Ich lieb ein Weib. + +BENVOLIO +Ich trafs doch gut, daß ich verliebt Euch glaubte. + +ROMEO +Ein wackrer Schütz!--Und die ich lieb, ist schön. + +BENVOLIO +Ein glänzend Ziel kann man am ersten treffen. + +ROMEO +Dies Treffen traf dir fehl, mein guter Schütz; +Sie weicht dem Pfeil aus, sie hat Dianens Witz +Umsonst hat ihren Panzer keuscher Sitten +Der Liebe kindisches Geschoß bestritten. +Sie wehrt den Sturm der Liebesbitten ab, +Steht nicht dem Angriff kecker Augen, öffnet +Nicht ihren Schoß dem Gold, das Heilge lockt. +O sie ist reich an Schönheit; arm allein, +Weil, wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein. + +BENVOLIO +Beschwor sie der Enthaltsamkeit Gesetze? + +ROMEO +Sie tats, und dieser Geiz vergeudet Schätze. +Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält, +Bringt um ihr Erb die ungeborne Welt. +Sie ist zu schön und weis', um Heil zu erben, +Weil sie, mit Weisheit schön, mich zwingt zu sterben. +Sie schwor zu lieben ab, und dies Gelübd +Ist Tod für den, der lebt, nur weil er liebt. + +BENVOLIO +Folg meinem Rat, vergiß an sie zu denken! + +ROMEO +So lehre mich, das Denken zu vergessen. + +BENVOLIO +Gib deinen Augen Freiheit, lenke sie +Auf andre Reize hin. + +ROMEO + Das ist der Weg, +Mir ihren Reiz in vollem Licht zu zeigen. +Die Schwärze jener neidenswerten Larven, +Die schöner Frauen Stirne küssen, bringt +Uns in den Sinn, daß sie das Schöne bergen. +Der, welchen Blindheit schlug, kann nie das Kleinod +Des eingebüßten Augenlichts vergessen. +Zeigt mir ein Weib, unübertroffen schön: +Mir gilt ihr Reiz wie eine Weisung nur, +Worin ich lese, wer sie übertrifft. +Leb wohl! Vergessen lehrest du mich nie. + +BENVOLIO +Dein Schuldner sterb ich, glückt mir nicht die Müh. + +(Beide ab.) + + + +ZWEITE SZENE + +(Eine Straße) + +(Capulet, Paris und ein Diener kommen.) + + +CAPULET +Und Montague ist mit derselben Buße +Wie ich bedroht? Für Greise, wie wir sind, +Ist Frieden halten, denk ich, nicht so schwer. + +PARIS +Ihr geltet beid als ehrenwerte Männer, +Und Jammer ists um Euren langen Zwiespalt. +Doch, edler Graf, wie dünkt Euch mein Gesuch? + +CAPULET +Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt. +Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt, +Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn. +Laßt noch zwei Sommer prangen und verschwinden, +Eh wir sie reif, um Braut zu werden, finden. + +PARIS +Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter. + +CAPULET +Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh. +All meine Hoffnungen verschlang die Erde; +Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind. +Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht Euer Heil! +Mein Will ist von dem ihren nur ein Teil. +Wenn sie aus Wahl in Eure Bitten willigt, +So hab ich im voraus ihr Wort gebilligt, +Ich gebe heut ein Fest, von alters hergebracht, +Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht, +Was meine Freunde sind: Ihr, der dazu gehöret, +Sollt hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahl vermehret. +In meinem armen Haus sollt Ihr des Himmels Glanz +Heut nacht verdunkelt sehn durch irdscher Sterne Tanz. +Wie muntre Jünglinge mit neuem Mut sich freuen, +Wenn auf die Fersen nun der Fuß des holden Maien +Dem lahmen Winter tritt: die Lust steht Euch bevor, +Wann Euch in meinem Haus ein frischer Mädchenflor +Von jeder Seit umgibt. Ihr hört, Ihr seht sie alle, +Daß, die am schönsten prangt, am meisten Euch gefalle. +Dann mögt Ihr in der Zahl auch meine Tochter sehn, +Sie zählt für eine mit, gilt sie schon nicht für schön. +Kommt, geht mit mir!--Du, Bursch, nimm das Papier mit Namen, +Trab in der Stadt herum, such alle Herrn und Damen, +So hier geschrieben stehn, + +(übergibt ein Papier) + + und sag mit Höflichkeit: +Mein Haus und mein Empfang steh ihrem Dienst bereit. + +(Capulet und Paris gehen ab.) + +DIENER +Die Leute soll ich suchen, wovon die Namen hier geschrieben +stehn? Es steht geschrieben, der Schuster soll sich um seine +Elle kümmern, der Schneider um seinen Leisten, der Fischer +um seinen Pinsel, der Maler um seine Netze. Aber mich schicken +sie, um die Leute ausfindig zu machen, wovon die Namen hier +geschrieben stehn, und ich kann doch gar nicht ausfindig +machen, was für Namen der Schreiber hier aufgeschrieben hat. +Ich muß zu den Gelahrten!-- + + + +DRITTE SZENE + +(Ein Zimmer in Capulets Hause) + +(Gräfin Capulet und die Wärterin.) + + +GRÄFIN CAPULET +Ruft meine Tochter her; wo ist sie, Amme? + +WÄRTERIN +Bei meiner Jungfernschaft im zwölften Jahr, +Ich rief sie schon.--He, Lämmchen! zartes Täubchen-- +Daß Gott! wo ist das Kind? He, Juliette! + +(Julia kommt.) + +JULIA +Was ist? Wer ruft mich? + +WÄRTERIN +Eure Mutter. + +JULIA +Hier bin ich, gnädge Mutter! Was beliebt? + +GRÄFIN CAPULET +Die Sach ist diese!--Amme, geh beiseit, +Wir müssen heimlich sprechen.--Amme, komm +Nur wieder her, ich habe mich besonnen, +Ich will dich mit zur Überlegung ziehn. +Du weißt, mein Kind hat schon ein hübsches Alter. + +WÄRTERIN +Das zähl ich, meiner Treu, am Finger her. + +GRÄFIN CAPULET +Sie ist nicht vierzehn Jahre. + +WÄRTERIN +Ich wette vierzehn meiner Zähne drauf-- +Zwar hab ich nur vier Zahn, ich arme Frau--, +Sie ist noch nicht vierzehn. Wie lang ists bis Johannis? + +GRÄFIN CAPULET +Ein vierzehn Tag und drüber. + +WÄRTERIN +Nun, drüber oder drunter. Just den Tag, +Johannistag zu Abend, wird sie vierzehn. +Suschen und sie--Gott gebe jedem Christen +Das ewge Leben!--waren eines Alters. +Nun, Suschen ist bei Gott; +Sie war zu gut für mich. Doch wie ich sagte, +Johannistag zu Abend wird sie vierzehn. +Das wird sie, meiner Treu; ich weiß recht gut. +Elf Jahr ists her, seit wir 's Erdbeben hatten; +Und ich entwöhnte sie--mein Leben lang +Vergeß ichs nicht--just auf denselben Tag. +Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt +Und saß am Taubenschlage in der Sonne; +Die gnädge Herrschaft war zu Mantua. +Ja, ja! Ich habe Grütz im Kopf! Nun, wie ich sagte: +Als es den Wermut auf der Warze schmeckte +Und fand ihn bitter--närrsches, kleines Ding--, +Wie's böse ward und zog der Brust ein Gsicht! +Krach! sagt' der Taubenschlag; und ich, fürwahr, +Ich wußte nicht, wie ich mich tummeln sollte, +Und seit der Zeit ists nun elf Jahre her. +Denn damals stand sie schon allein; mein Treu, +Sie lief und watschelt' Euch schon flink herum. +Denn tags zuvor fiel sie die Stirn entzwei, +Und da hob sie mein Mann--Gott hab ihn selig! +Er war ein lustger Mann--vom Boden auf. +Ei, sagt' er, fällst du so auf dein Gesicht? +Wirst rücklings fallen, wenn du klüger bist, +Nicht wahr, mein Kind? Und liebe, heilge Frau! +Das Mädchen schrie nicht mehr und sagte: Ja. +Da seh man, wie so 'n Spaß zum Vorschein kommt! +Und lebt ich tausend Jahre lang, ich wette, +Daß ich es nie vergaß. Nicht wahr, mein Kind? sagt' er; +Und 's liebe Närrchen ward still und sagte: Ja. + +GRÄFIN CAPULET +Genug davon, ich bitte, halt dich ruhig. + +WÄRTERIN +Ja, gnädge Frau. Doch lächerts mich noch immer, +Wie 's Kind sein Schreien ließ und sagte: Ja, +Und saß ihm, meiner Treu, doch eine Beule, +So dick wie 'n Hühnerei, auf seiner Stirn, +Recht gfährlich dick, und es schrie bitterlich. +Mein Mann, der sagte: Ei, fällst aufs Gesicht? +Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist. +Nicht wahr, mein Kind? Still wards und sagte: Ja. + +JULIA +Ich bitt dich, Amme, sei doch auch nur still. + +WÄRTERIN +Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich! +Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte. +Erleb ich deine Hochzeit noch einmal, +So wünsch ich weiter nichts. + +GRÄFIN CAPULET +Die Hochzeit, ja, das ist der Punkt, von dem +Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter, +Wie stehts mit deiner Lust, dich zu vermählen? + +JULIA +Ich träumte nie von dieser Ehre noch. + +WÄRTERIN +Ein Ehre! Hättst du eine andre Amme +Als mich gehabt, so wollt ich sagen: Kind, +Du habest Weisheit mit der Milch gesogen. + +GRÄFIN CAPULET +Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du +Sind angesehne Fraun hier in Verona +Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war +Ich deine Mutter in demselben Alter, +Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort: +Der brave Paris wirbt um deine Hand. + +WÄRTERIN +Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann, +Als alle Welt--ein wahrer Zuckermann! + +GRÄFIN CAPULET +Die schönste Blume von Veronas Flor. + +WÄRTERIN +Ach ja, 'ne Blume! Gelt, 'ne rechte Blume! + +GRÄFIN CAPULET +Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? +Heut abend siehst du ihn bei unserm Fest. +Dann lies im Buche seines Angesichts, +In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb, +Betrachte seiner Züge Lieblichkeit, +Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. +Was dunkel in dem holden Buch geblieben, +Das lies in seinem Aug am Rand geschrieben. +Und dieses Freiers ungebundner Stand, +Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band. +Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer +Wird äußres Schön' als innrer Schönheit Schleier. +Das Buch glänzt allermeist im Aug der Welt, +Das goldne Lehr in goldnen Spangen hält. +So wirst du alles, was er hat, genießen, +Wenn du ihn hast, ohn etwas einzubüßen. + +WÄRTERIN +Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher; +Die Weiber nehmen oft durch Männer zu. + +GRÄFIN CAPULET +Sag kurz, fühlst du dem Grafen dich geneigt? + +JULIA +Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt; +Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen, +Als ihn die Schwingen Eures Beifalls tragen. + +(Ein Diener kommt.) + +DIENER +Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem +Tisch; Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme +in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht +drunter und drüber. Ich muß fort, aufwarten; ich bitte Euch, +kommt unverzüglich! + +GRÄFIN CAPULET +Gleich!-- + +(Der Diener geht ab.) + + Paris wartet; Julia, komm geschwind! + +WÄRTERIN +Such frohe Nacht auf frohe Tage, Kind! + +(Alle ab.) + + + +VIERTE SZENE + +(Eine Straße) + +(Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf oder sechs Masken, +Fackelträgern und anderen.) + + +ROMEO +Soll diese Red uns zur Entschuldgung dienen? +Wie? Oder treten wir nur grad hinein? + +BENVOLIO +Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte. +Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe +Geblendet, der den bunt bemalten Bogen +Wie ein Tatar geschnitzt aus Latten trägt +Und wie 'ne Vogelscheuch die Frauen schreckt; +Auch keinen hergebeteten Prolog, +Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt. +Laßt sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen, +Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn. + +ROMEO +Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel! +Da ich so finster bin, so will ich leuchten. + +MERCUTIO +Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo. + +ROMEO +Ich wahrlich nicht! Ihr seid so leicht von Sinn +Als leicht beschuht; mich drückt ein Herz von Blei +Zu Boden, daß ich kaum mich regen kann. + +MERCUTIO +Ihr seid ein Liebender; borgt Amors Flügel +und schwebet frei in ungewohnten Höhn. + +ROMEO +Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt, +Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben. +Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei; +Ich sinke unter schwerer Liebeslast. + +MERCUTIO +Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken? +Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding. + +ROMEO +Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rauh, +Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn. + +MERCUTIO +Begegnet Lieb Euch rauh, so tut desgleichen! +Stecht Liebe, wenn sie sticht; das schlägt sie nieder. + +(Zu einem andern aus dem Gefolge.) + +Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir: + +(Eine Maske aufsetzend.) + +'ne Larve für 'ne Larve! + +(Bindet die Maske vor.) + + Nun erspähe +Die Neugier Mißgestalt: was kümmerts mich? +Erröten wird für mich dies Wachsgesicht. + +BENVOLIO +Fort! Klopft, und dann hinein! Und sind wir drinnen, +So rühre gleich ein jeder flink die Beine! + +ROMEO +Mir eine Fackel! Leichtgeherzte Buben, +Die laßt das Estrich mit den Sohlen kitzeln. +Ich habe mich verbrämt mit einem alten +Großvaterspruch: Wer 's Licht hält, schauet zu! +Nie war das Spiel so schön; doch ich bin matt. + +MERCUTIO +Jawohl, zu matt, dich aus dem Schlamme--nein, +Der Liebe wollt ich sagen--dich zu ziehn, +Worin du leider steckst bis an die Ohren. +Macht fort, wir leuchten ja dem Tage hier. + +ROMEO +Das tun wir nicht. + +MERCUTIO + Ich meine, wir verscherzen, +Wie Licht bei Tag, durch Zögern unsre Kerzen. +Nehmt meine Meinung nach dem guten Sinn +Und sucht nicht Spiele des Verstandes drin. + +ROMEO +Wir meinens gut, da wir zum Balle gehen; +Doch es ist Unverstand. + +MERCUTIO + Wie? Laßt doch sehen! + +ROMEO +Ich hatte diese Nacht 'nen Traum. + +MERCUTIO + Auch ich. + +ROMEO +Was war der Eure? + +MERCUTIO + Daß auf Träume sich +Nichts bauen läßt, daß Träume öfters lügen. + +ROMEO +Sie träumen Wahres, weil sie schlafend liegen. + +MERCUTIO +Nun seh ich wohl, Frau Mab hat Euch besucht. + +[ROMEO +Frau Mab, wer ist sie? + +MERCUTIO] +Sie ist der Feenwelt Entbinderin. +Sie kommt, nicht größer als der Edelstein +Am Zeigefinger eines Aldermanns, +Und fährt mit 'nem Gespann von Sonnenstäubchen +Den Schlafenden quer auf der Nase hin. +Die Speichen sind gemacht aus Spinnenbeinen, +Des Wagens Deck aus eines Heupferds Flügeln, +Aus feinem Spinngewebe das Geschirr, +Die Zügel aus des Mondes feuchtem Strahl; +Aus Heimchenknochen ist der Peitsche Griff, +Die Schnur aus Fasern; eine kleine Mücke +Im grauen Mantel sitzt als Fuhrmann vorn, +Nicht halb so groß als wie ein kleines Würmchen, +Das in des Mädchens müßgem Finger nistet. +Die Kutsch ist eine hohle Haselnuß, +Vom Tischler Eichhorn oder Meister Wurm +Zurechtgemacht, die seit uralten Zeiten +Der Feen Wagner sind. In diesem Staat +Trabt sie dann Nacht für Nacht; befährt das Hirn +Verliebter, und sie träumen dann von Liebe, +Des Schranzen Knie, der schnell von Reverenzen, +Des Anwalts Finger, der von Sporteln gleich, +Der Schönen Lippen, die von Küssen träumen; +Oft plagt die böse Mab mit Bläschen diese, +Weil ihren Odem Näscherei verdarb. +Bald trabt sie über eines Hofmanns Nase, +Dann wittert er im Traum sich Ämter aus, +Bald kitzelt sie mit eines Zinshahns Federn +Des Pfarrers Nase, wenn er schlafend liegt, +Von einer bessern Pfründe träumt ihm dann; +Bald fährt sie über des Soldaten Nacken, +Der träumt sofort von Niedersäbeln, träumt +Von Breschen, Hinterhalten, Damaszenern, +Von manchem klaftertiefen Ehrentrunk; +Nun trommelts ihm ins Ohr: da fährt er auf +Und flucht in seinem Schreck ein paar Gebete +Und schläft von neuem. Eben diese Mab +Verwirrt der Pferde Mähnen in der Nacht +Und flicht in struppges Haar die Weichselzöpfe, +Die, wiederum entwirrt, auf Unglück deuten. +Dies ist die Hexe, welche Mädchen drückt, +Die auf dem Rücken ruhn, und die sie lehrt, +Als Weiber einst die Männer zu ertragen. +Dies ist sie-- + +ROMEO + Still, o still, Mercutio! +Du sprichst von einem Nichts. + +MERCUTIO + Wohl wahr, ich rede +Von Träumen, Kindern eines müßgen Hirns, +Von nichts als eitler Phantasie erzeugt, +Die aus so dünnem Stoff als Luft besteht +Und flüchtger wechselt als der Wind, der bald +Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt +Und, schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend, +Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt. + +BENVOLIO +Der Wind, von dem Ihr sprecht, entführt uns selbst. +Man hat gespeist; wir kamen schon zu spät. + +ROMEO +Zu früh, befürcht ich; denn mein Herz erbangt +Und ahnet ein Verhängnis, welches, noch +Verborgen in den Sternen, heute nacht +Bei dieser Lustbarkeit den furchtbarn Zeitlauf +Beginnen und das Ziel des lästgen Lebens, +Das meine Brust verschließt, mir kürzen wird +Durch einen schnöd verwirkten frühen Tod. +Doch er, der mir zur Fahrt das Steuer lenkt, +Richt auch mein Segel!--Auf, ihr lustgen Freunde! + +BENVOLIO +Rührt Trommeln! + +(Alle ab.) + + + +FÜNFTE SZENE + +(Ein Saal in Capulets Hause) + +(Musikanten warten. Diener kommen.) + + +ERSTER DIENER +Wo ist Schmorpfanne, daß er nicht abräumen hilft? Der wird +Teller wechseln, Teller scheuern! + +ZWEITER DIENER +Wenn die gute Lebensart in eines oder zweier Menschen Händen +sein soll, die noch obendrein ungewaschen sind: 's ist ein +unsaubrer Handel. + +ERSTER DIENER +Die Klappstühle fort! Rückt den Schenktisch beiseit! Seht +nach dem Silberzeuge! Kamerad, heb mir ein Stück Marzipan +auf, und wo du mich liebhast, sag dem Pförtner, daß er Suse +Mühlstein und Lene hereinläßt. Anton! Schmorpfanne! + +(Andre Diener kommen.) + +ZWEITER DIENER +Hier, Bursch, wir sind parat. + +ERSTER DIENER +Im großen Saale verlangt man euch, vermißt man euch, sucht man +euch. + +ZWEITER DIENER +Wir können nicht zugleich hier und dort sein.--Lustig, Kerle, +haltet euch brav; wer am längsten lebt, kriegt den ganzen Bettel. + +(Sie ziehen sich in den Hintergrund zurück. Capulet etc. +[und die Seinen] mit den Gästen und Masken [und Dienerschaft].) + +CAPULET +Willkommen, meine Herrn! Wenn Eure Füße +Kein Leichdorn plagt. Ihr Damen, flink ans Werk! +He, he. Ihr schönen Fraun, wer von Euch allen +Schlägts nun wohl ab zu tanzen? Ziert sich eine, +Ich wette, die hat Hühneraugen. Nun, +Hab ichs Euch nah gelegt? Ihr Herrn, willkommen! +Ich weiß die Zeit, da ich 'ne Larve trug +Und einer Schönen eine Weis' ins Ohr +Zu flüstern wußte, die ihr wohlgefiel. +Das ist vorbei, vorbei! Willkommen, Herren! +Kommt, Musikanten, spielt! Macht Platz da, Platz! +Ihr Mädchen, frisch gesprungen! + +(Musik und Tanz. [--Zu den Dienern:]) + +Mehr Licht, ihr Burschen, und beiseit die Tische! +Das Feuer weg! Das Zimmer ist zu heiß.-- +Ha, recht gelegen kommt der unverhoffte Spaß. +Na, setzt Euch, setzt Euch, Vetter Capulet! +Wir beide sind ja übers Tanzen hin. +Wie lang ists jetzo, seit wir uns zuletzt +In Larven steckten? + +ZWEITER CAPULET + Dreißig Jahr, mein Seel. + +CAPULET +Wie, Schatz? So lang noch nicht, so lang noch nicht. +Denn seit der Hochzeit des Lucentio +Ists etwa fünfundzwanzig Jahr, sobald +Wir Pfingsten haben; und da tanzten wir. + +ZWEITER CAPULET +'s ist mehr, 's ist mehr! Sein Sohn ist älter, Herr, +Sein Sohn ist dreißig. + +CAPULET + Sagt mir das doch nicht! +Sein Sohn war noch nicht mündig vor zwei Jahren. + +ROMEO +(zu einem Diener aus seinem Gefolge.) +Wer ist das Fräulein, welche dort den Ritter +Mit ihrer Hand beehrt? + +DER DIENER + Ich weiß nicht, Herr. + +ROMEO +Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn! +Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin, +So hängt der Holden Schönheit an den Wangen +Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen. +Sie stellt sich unter den Gespielen dar +Als weiße Taub in einer Krähenschar. +Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken +Der zarten Hand soll meine Hand beglücken. +Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht! +Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht. + +TYBALT +Nach seiner Stimm ist dies ein Montague. +(Zu einem Diener.) +Hol meinen Degen, Bursch!--Was? Wagt der Schurk, +Vermummt in eine Fratze, herzukommen +Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest? +Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel, +Wer tot ihn schlüg, verdiente keinen Tadel! + +CAPULET +Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu? + +TYBALT +Seht, Oheim, der da ist ein Montague! +Der Schurke drängt sich unter Eure Gäste +Und macht sich einen Spott an diesem Feste. + +CAPULET +Ist es der junge Romeo? + +TYBALT +Der Schurke Romeo! + +CAPULET +Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn! +Er hält sich wie ein wackrer Edelmann; +Und in der Tat, Verona preiset ihn +Als einen sittgen, tugendsamen Jüngling. +Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt +In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun. +Drum seid geduldig; merket nicht auf ihn. +Das ist mein Will, und wenn du diesen ehrst, +So zeig dich freundlich, streif die Runzeln weg, +Die übel sich bei einem Feste ziemen. + +TYBALT +Kommt solch ein Schurk als Gast, so stehn sie wohl. +Ich leid ihn nicht. + +CAPULET + Er soll gelitten werden, +Er soll!--Herr Junge, hört Er das? Nur zu! +Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu! +So, will Er ihn nicht leiden?--Helf mir Gott!-- +Will Hader unter meinen Gästen stiften? +Will sich als starken Mann hier wichtig machen? + +TYBALT +Ists nicht 'ne Schande, Oheim? + +CAPULET + Zu! Nur zu! +Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch! +Der Streich mag Euch gereun; ich weiß schon was. +Ihr macht mirs bunt! Ja, das käm eben recht!-- +Brav, Herzenskinder!--Geht, vorwitzig seid Ihr! +Seid ruhig, sonst--Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck!-- +Will ich zur Ruh Euch bringen!--Lustig, Kinder! + +TYBALT +Mir kämpft Geduld aus Zwang mit willger Wut +Im Innern und empört mein siedend Blut. +Ich gehe.--Hand ist frommer Waller Kuß. + +ROMEO +Haben nicht Heilge Lippen wie die Waller? + +JULIA +Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller. + +ROMEO +O so vergönne, teure Heilge nun, +Daß auch die Lippen wie die Hände tun. +Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre, +Daß Glaube nicht sich in Verzweiflung kehre! + +JULIA +Du weißt, ein Heilger pflegt sich nicht zu regen, +Auch wenn er eine Bitte zugesteht. + +ROMEO +So reg dich, Holde, nicht, wie Heilge pflegen, +Derweil mein Mund dir nimmt, was er erfleht. + +(Er küßt sie.) + +Nun hat dein Mund ihn aller Sünd entbunden. + +JULIA +So hat mein Mund zum Lohn Sünd für die Gunst? + +ROMEO +Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf, süß erfunden! +Gebt sie zurück! + +(Küßt sie wieder.) + +JULIA + Ihr küßt recht nach der Kunst. + +WÄRTERIN (tritt heran.) +Mama will Euch ein Wörtchen sagen, Fräulein. + +ROMEO +Wer ist des Fräuleins Mutter? + +WÄRTERIN + Ei nun, Junker, +Das ist die gnädge Frau vom Hause hier, +Gar eine wackre Frau und klug und ehrsam. +Die Tochter, die Ihr spracht, hab ich gesäugt. +Ich sag Euch, wer ihr' habhaft werden kann, +Ist wohl gebettet. + +ROMEO +Sie eine Capulet? O teurer Preis! Mein Leben +Ist meinem Feind als Schuld dahingegeben! + +BENVOLIO +Fort, laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin. + +ROMEO +Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn. + +CAPULET +Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht! +Ein kleines, schlichtes Mahl ist schon bereitet.-- +Muß es denn sein? Nun wohl, ich dank Euch allen; +Ich dank Euch, edle Herren: Gute Nacht!-- +Mehr Fackeln her!--Kommt nun, bringt mich zu Bett. + +(Zum zweiten Capulet.) + +Wahrhaftig, es wird spät, ich will zur Ruh. + +(Alle ab, außer Julia und Wärterin.) + +JULIA +Komm zu mir, Amme; wer ist dort der Herr? + +WÄRTERIN +Tiberios, des alten, Sohn und Erbe. + +JULIA +Wer ists, der eben aus der Türe geht? + +WÄRTERIN +Das, denk ich, ist der junge [Marcellin] Petruchio. + +JULIA +Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte? + +WÄRTERIN +Ich weiß nicht. + +JULIA +Geh, frage, wie er heißt!--Ist er vermählt, +So ist das Grab zum Brautbett mir erwählt. + +WÄRTERIN (kommt zurück.) +Sein Nam ist Romeo, ein Montague +Und Eures großen Feindes einzger Sohn. + +JULIA +So einzge Lieb aus großem Haß entbrannt! +Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt. +O Wunderwerk: ich fühle mich getrieben, +Den ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben. + +WÄRTERIN +Wieso, wieso? + +JULIA +Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer +Soeben lernte. + +(Man ruft drinnen: Julia!) + +WÄRTERIN + Gleich, wir kommen ja! +Kommt, laßt uns gehn; kein Fremder ist mehr da. + +(Ab.) + +(Der Chorus tritt auf.) + +CHORUS +Die alte Liebe stirbt in ihm dahin, + Und junge Zuneigung beerbt sie da; +Die Schöne, nach der schmachtend stand sein Sinn, + Scheint nicht mehr schön nun neben Julia. +Er wird geliebt und liebt nun auch zum Schluß, + Ein Zauberblick kann beiderseits nicht fehln, +Doch scheint als Feind sie, der ers klagen muß, + Und seiner Falle Köder muß sie stehln. +Als Feind gesehn, darf er nicht zu ihr her, + Zu schwörn, wie wirs sonst bei Verliebten sehn; +Auch sie liebt ihn, doch kann noch weniger + Zum neu geliebten irgendwohin gehn: +Doch Zeit schafft Rat, Verlangen leiht die Kraft +Und lindert Leid durch süße Leidenschaft. + +(Geht ab.) + + + + +ZWEITER AKT + + + +ERSTE SZENE + +(Ein offner Platz, der an Capulets Garten stößt) + +(Romeo tritt auf.) + + +ROMEO +Kann ich von hinnen, da mein Herz hier bleibt? +Geh, frostge Erde, suche deine Sonne! + +(Er ersteigt die Mauer und springt hinunter. +Benvolio und Mercutio treten auf.) + +BENVOLIO +He, Romeo, he, Vetter! + +MERCUTIO + Er ist klug +Und hat, mein Seel, sich heim ins Bett gestohlen. + +BENVOLIO +Er lief hieher und sprang die Gartenmauer +Hinüber. Ruf ihn, Freund Mercutio! + +MERCUTIO +Ja, auch beschwören will ich. Romeo! +Was? Grillen! Toller! Leidenschaft! Verliebter! +Erscheine du, gestaltet wie ein Seufzer; +Sprich nur ein Reimchen, so genügt mirs schon; +Ein Ach nur jammre, paare Lieb und Triebe; +Gib der Gevattrin Venus ein gut Wort, +Schimpf eins auf ihren blinden Sohn und Erben, +Held Amor, der so flink gezielt, als König +Kophetua das Bettlermädchen liebte. +Er höret nicht, er regt sich nicht, er rührt sich nicht. +Der Aff ist tot; ich muß ihn wohl beschwören. +Nun wohl: Bei Rosalindens hellem Auge, +Bei ihrer Purpurlipp und hohen Stirn, +Bei ihrem zarten Fuß, dem schlanken Bein, +Den üppgen Hüften und der Region, +Die ihnen nahe liegt, beschwör ich dich, +Daß du in eigner Bildung uns erscheinest. + +BENVOLIO +Wenn er dich hört, so wird er zornig werden. + +MERCUTIO +Hierüber kann ers nicht; er hätte Grund, +Bannt ich hinauf in seiner Dame Kreis +Ihm einen Geist von seltsam eigner Art +Und ließe den da stehn, bis sie den Trotz +Gezähmt und nieder ihn beschworen hätte. +Das wär Beschimpfung! Meine Anrufung +Ist gut und ehrlich; mit der Liebsten Namen +Beschwör ich ihn, bloß um ihn aufzurichten. + +BENVOLIO +Komm! Er verbarg sich unter jenen Bäumen +Und pflegt des Umgangs mit der feuchten Nacht. +Die Lieb ist blind, das Dunkel ist ihr recht. + +MERCUTIO +Ist Liebe blind, so zielt sie freilich schlecht. +Nun sitzt er wohl an einen Baum gelehnt +Und wünscht, sein Liebchen wär die reife Frucht +Und fiel ihm in den Schoß. Doch, gute Nacht, +Freund Romeo! Ich will ins Federbett; +Das Feldbett ist zum Schlafen mir zu kalt. +Komm, gehn wir? + +BENVOLIO + Ja, es ist vergeblich, ihn +Zu suchen, der nicht will gefunden sein. + +(Beide ab.) + + + +ZWEITE SZENE + +(Capulets Garten) + +(Romeo kommt.) + + +ROMEO +Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt. + +(Julia erscheint oben an einem Fenster.) + +Doch still, was schimmert durch das Fenster dort? +Es ist der Ost, und Julia die Sonne!-- +Geh auf, du holde Sonn! Ertöte Lunen, +Die neidisch ist und schon vor Grame bleich, +Daß du viel schöner bist, obwohl ihr dienend. +O da sie neidisch ist, so dien ihr nicht! +Nur Toren gehn in ihrer blassen, kranken +Vestalentracht einher; wirf du sie ab! +Sie ist es, meine Göttin, meine Liebe! +O wüßte sie, daß sie es ist!-- +Sie spricht, doch sagt sie nichts: was schadet das? +Ihr Auge redt, ich will ihm Antwort geben.-- +Ich bin zu kühn, es redet nicht zu mir. +Ein Paar der schönsten Stern am ganzen Himmel +Wird ausgesandt und bittet Juliens Augen, +In ihren Kreisen unterdes zu funkeln. +Doch wären ihre Augen dort, die Sterne +In ihrem Antlitz? Würde nicht der Glanz +Von ihren Wangen jene so beschämen +Wie Sonnenlicht die Lampe? Würd ihr Aug +Aus luftgen Höhn sich nicht so hell ergießen, +Daß Vögel sängen, froh den Tag zu grüßen? +O wie sie auf die Hand die Wange lehnt! +Wär ich der Handschuh doch auf dieser Hand +Und küßte diese Wange! + +JULIA + Weh mir! + +ROMEO + Horch! +Sie spricht. O sprich noch einmal, holder Engel! +Denn über meinem Haupt erscheinest du +Der Nacht so glorreich, wie ein Flügelbote +Des Himmels dem erstaunten, über sich +Gekehrten Aug der Menschensöhne, die +Sich rücklings werfen, um ihm nachzuschaun, +Wenn er dahin fährt auf den trägen Wolken +Und auf der Luft gewölbtem Busen schwebt. + +JULIA +O Romeo! Warum denn Romeo? +Verleugne deinen Vater, deinen Namen! +Willst du das nicht, schwör dich zu meinem Liebsten, +Und ich bin länger keine Capulet! + +ROMEO (für sich.) +Hör ich noch länger, oder soll ich reden? + +JULIA +Dein Nam ist nur mein Feind. Du bliebst du selbst, +Und wärst du auch kein Montague. Was ist +Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß, +Nicht Arm noch Antlitz, noch ein andrer Teil +Von einem Menschen. Sei ein andrer Name! +Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, +Wie es auch hieße, würde lieblich duften; +So Romeo, wenn er auch anders hieße, +Er würde doch den köstlichen Gehalt +Bewahren, welcher sein ist ohne Titel. +O Romeo, leg deinen Namen ab, +Und für den Namen, der dein Selbst nicht ist, +Nimm meines ganz! + +ROMEO (indem er näher hinzutritt.) + Ich nehme dich beim Wort. +Nenn Liebster mich, so bin ich neu getauft +Und will hinfort nicht Romeo mehr sein. + +JULIA +Wer bist du, der du, von der Nacht beschirmt, +Dich drängst in meines Herzens Rat? + +ROMEO + Mit Namen +Weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin. +Mein eigner Name, teure Heilge, wird, +Weil er dein Feind ist, von mir selbst gehaßt; +Hätt ich ihn schriftlich, so zerriss' ich ihn. + +JULIA +Mein Ohr trank keine hundert Worte noch +Von diesen Lippen, doch es kennt den Ton. +Bist du nicht Romeo, ein Montague? + +ROMEO +Nein, Holde; keines, wenn dir eins mißfällt. + +JULIA +Wie kamst du her? O sag mir, und warum? +Die Gartenmaur ist hoch, schwer zu erklimmen; +Die Stätt ist Tod--bedenk nur, wer du bist--, +Wenn einer meiner Vettern dich hier findet. + +ROMEO +Der Liebe leichte Schwingen trugen mich, +Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren; +Und Liebe wagt, was irgend Liebe kann, +Drum hielten deine Vettern mich nicht auf. + +JULIA +Wenn sie dich sehn, sie werden dich ermorden. + +ROMEO +Ach, deine Augen drohn mir mehr Gefahr +Als zwanzig ihrer Schwerter; blick du freundlich, +So bin ich gegen ihren Haß gestählt. + +JULIA +Ich wollt um alles nicht, daß sie dich sähn. + +ROMEO +Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel. +Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden; +Durch ihren Haß zu sterben wär mir besser +Als ohne deine Liebe Lebensfrist. + +JULIA +Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort? + +ROMEO +Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß; +Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen. +Ich bin kein Steuermann, doch wärst du fern +Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült, +Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin. + +JULIA +Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht, +Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen +Um das, was du vorhin mich sagen hörtest. +Gern hielt ich streng auf Sitte, möchte gern +Verleugnen, was ich sprach; doch weg mit Form! +Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirsts bejahn, +Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst, +So kannst du treulos werden; wie sie sagen, +Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten. +O holder Romeo, wenn du mich liebst: +Sags ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei +Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken, +Will widerspenstig sein und Nein dir sagen, +So du dann werben willst; sonst nicht um alles. +Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich, +Du könntest denken, ich sei leichten Sinns. +Ich glaube, Mann, ich werde treuer sein +Als sie, die fremd zu tun geschickter sind. +Auch ich, bekenn ich, hätte fremd getan, +Wär ich von dir, eh ichs gewahrte, nicht +Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib! +Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe, +Die so die stille Nacht verraten hat. + +ROMEO +Ich schwöre, Fräulein, bei dem heilgen Mond, +Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt--Lieben sei! + +ROMEO +Wobei denn soll ich schwören? + +JULIA + Laß es ganz! +Doch willst du, schwör bei deinem edlen Selbst, +Dem Götterbilde meiner Anbetung; +So will ich glauben. + +ROMEO + Wenn die Herzensliebe-- + +JULIA +Gut, schwöre nicht! Obwohl ich dein mich freue, +Freu ich mich nicht des Bundes dieser Nacht. +Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich, +Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist, +Noch eh man sagen kann: es blitzt.--Schlaf süß! +Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe +Der Liebe wohl zur schönen Blum entfalten, +Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn. +Nun gute Nacht! So süße Ruh und Frieden, +Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden. + +ROMEO +Ach, willst du lassen mich so ungetröstet? + +JULIA +Welch Tröstung kannst du diese Nacht begehren? + +ROMEO +Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen! + +JULIA +Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht; +Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben. + +ROMEO +Wolltst du mir ihn entziehn? Wozu das, Liebe? + +JULIA +Um unverstellt ihn dir zurückzugeben. +Allein ich wünsche, was ich habe, nur. +So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe +So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe, +Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich. +Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl. Geliebter! + +(Die Wärterin ruft hinter der Szene.) + +Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu! +Wart einen Augenblick; ich komme wieder! + +(Sie geht zurück.) + +ROMEO +O selge, selge Nacht! Nur fürcht ich, weil +Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum, +Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn. + +(Julia erscheint wieder am Fenster.) + +JULIA +Drei Worte, Romeo, dann gute Nacht! +Wenn deine Liebe tugendsam gesinnt +Vermählung wünscht, so laß mich morgen wissen +Durch jemand, den ich zu dir senden will, +Wo du und wann die Trauung willst vollziehn. +Dann leg ich dir mein ganzes Glück zu Füßen +Und folge durch die Welt dir, meinem Herrn. + +(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!) + +Ich komme, gleich!--Doch meinst du es nicht gut, +So bitt ich dich-- + +(Die Wärterin hinter der Szene: Fräulein!) + + Im Augenblick, ich komme! +--Hör auf zu werben, laß mich meinem Gram! +Ich sende morgen früh. + +ROMEO + Beim ewgen Heil! + +JULIA +Nun tausend gute Nacht! + +(Geht zurück.) + +ROMEO +Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht. +Wie Knaben aus der Schul eilt Liebe hin zum Lieben, +Wie Knaben an ihr Buch wird sie hinweggetrieben. + +(Er entfernt sich langsam. Julia erscheint wieder am Fenster.) + +JULIA +St! Romeo, st! O eines Jägers Stimme, +Den edlen Falken wieder herzulocken! +Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut +Zu reden, sonst zersprengt ich Echos Kluft +Und machte heisrer ihre luftge Kehle +Als meine mit dem Namen Romeo. + +ROMEO (umkehrend.) +Mein Leben ists, das meinen Namen ruft. +Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme +Der Liebenden, gleich lieblicher Musik +Dem Ohr des Lauschers! + +JULIA + Romeo! + +ROMEO + Mein Fräulein! + +JULIA +Um welche Stunde soll ich morgen schicken? + +ROMEO +Um neun. + +JULIA + Ich will nicht säumen; zwanzig Jahre +Sinds bis dahin. Doch ich vergaß, warum +Ich dich zurückgerufen. + +ROMEO +Laß hier mich stehn, derweil du dich bedenkst. + +JULIA +Auf daß du stets hier weilst, werd ich vergessen, +Bedenkend, wie mir deine Näh so lieb. + +ROMEO +Auf daß du stets vergessest, werd ich weilen, +Vergessend, daß ich irgend sonst daheim. + +JULIA +Es tagt beinah, ich wollte nun, du gingst; +Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen +Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen läßt, +Gleich einem Armen in der Banden Druck, +Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden; +So liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit. + +ROMEO +War ich dein Vögelchen! + +JULIA + Ach wärst du's. Lieber! +Doch hegt und pflegt ich dich gewiß zu Tod. +Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe, +Ich rief wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe. + +(Sie geht zurück.) + +ROMEO +Schlaf wohn auf deinem Aug, Fried in der Brust! +O wär ich Fried und Schlaf und ruht in solcher Lust! +Ich will zur Zell des frommen Vaters gehen, +Mein Glück ihm sagen und um Hülf ihn flehen. + +(Ab.) + + + +DRITTE SZENE + +([Ein Klostergarten] Bruder Lorenzos Zelle) + +(Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.) + + +LORENZO +Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht +Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht. +Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken, +Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken. +Eh höher nun die Sonn ihr glühend Aug erhebt, +Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt, +Muß ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen, +Voll Pflanzen giftger Art und diensam zum Genesen. +Die Mutter der Natur, die Erd, ist auch ihr Grab, +Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab, +Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen, +Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen. +An vielen Tugenden sind viele drunter reich, +Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich. +Oh, große Kräfte sinds, weiß man sie recht zu pflegen, +Die Pflanzen, Kräuter, Stein in ihrem Innern hegen; +Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht, +Daß es der Erde nicht besondern Nutzen brächt. +Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet, +Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Mißbrauch schändet. +In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt, +Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt. +Die kleine Blume hier beherbergt giftge Säfte +In ihrer zarten Hüll und milde Heilungskräfte! +Sie labet den Geruch und dadurch jeden Sinn; +Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin. +Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte +Sich immerdar im Kampf: verderbter Will und Güte, +Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt, +Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurm gar bald. + +(Romeo tritt auf.) + +ROMEO +Mein Vater, guten Morgen! + +LORENZO + Sei der Herr gesegnet! +Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet? +Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt, +Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt. +Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten, +Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten; +Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut +Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht. +Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen, +Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen. +Wie? Oder hätte gar mein Romeo die Nacht +--Nun rat ichs besser--nicht im Bette hingebracht? + +ROMEO +So ists, ich wußte mir viel süßre Ruh zu finden. + +LORENZO +Verzeih die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden? + +ROMEO +Bei Rosalinden, ich? Ehrwürdger Vater, nein! +Vergessen ist der Nam und dieses Namens Pein. + +LORENZO +Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? Sage! + +ROMEO +So hör; ich sparte gern dir eine zweite Frage. +Ich war bei meinem Feind auf einem Freudenmahl, +Und da verwundete mich jemand auf einmal. +Desgleichen tat ich ihm, und für die beiden Wunden +Wird heilge Arzenei bei deinem Amt gefunden. +Ich hege keinen Groll, mein frommer, alter Freund, +Denn sieh, zustatten kommt die Bitt auch meinem Feind. + +LORENZO +Einfältig, lieber Sohn! Nicht Silben fein gestochen! +Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen. + +ROMEO +So wiss' einfältiglich: Ich wandte Seel und Sinn +In Lieb auf Capulets holdselge Tochter hin. +Sie gab ihr ganzes Herz zurück mir für das meine, +Und uns Vereinten fehlt zum innigsten Vereine +Die heilge Trauung nur; doch wie und wo und wann +Wir uns gesehn, erklärt und Schwur um Schwur getan, +Das alles will ich dir auf unserm Weg erzählen; +Nur bitt ich, willge drein, noch heut uns zu vermählen! + +LORENZO +O heiliger Sankt Franz! Was für ein Unbestand! +Ist Rosalinde schon aus deiner Brust verbannt, +Die du so heiß geliebt? Liegt junger Männer Liebe +Denn in den Augen nur, nicht in des Herzens Triebe? +O heiliger Sankt Franz! Wie wusch ein salzig Naß +Um Rosalinden dir so oft die Wangen blaß! +Und löschen konnten doch so viele Tränenfluten +Die Liebe nimmer dir; sie schürten ihre Gluten. +Noch schwebt der Sonn ein Dunst von deinen Seufzern vor, +Dein altes Stöhnen summt mir noch im alten Ohr, +Sieh, auf der Wange hier ist noch die Spur zu sehen +Von einer alten Trän, die noch nicht will vergehen. +Und warst du je du selbst und diese Schmerzen dein, +So war der Schmerz und du für Rosalind allein. +Und so verwandelt nun? Dann leide, daß ich spreche: +Ein Weib darf fallen, wohnt in Männern solche Schwäche. + +ROMEO +Oft schmältest du mit mir um Rosalinden schon. + +LORENZO +Weil sie dein Abgott war, nicht weil du liebtest, Sohn. + +ROMEO +Und mahntest oft mich an, die Liebe zu besiegen. + +LORENZO +Nicht um in deinem Sieg der zweiten zu erliegen. + +ROMEO +Ich bitt dich, schmäl nicht! Sie, der jetzt mein Herz gehört, +Hat Lieb um Liebe mir und Gunst um Gunst gewährt. +Das tat die andre nie. + +LORENZO + Sie wußte wohl, dein Lieben +Sei zwar ein köstlich Wort, doch nur in Sand geschrieben. +Komm, junger Flattergeist! Komm nur, wir wollen gehn; +Ich bin aus einem Grund geneigt, dir beizustehn: +Vielleicht, daß dieser Bund zu großem Glück sich wendet +Und eurer Häuser Groll durch ihn in Freundschaft endet. + +ROMEO +O laß uns fort von hier! Ich bin in großer Eil. + +LORENZO +Wer hastig läuft, der fällt; drum eile nur mit Weil. + +(Beide ab.) + + + +VIERTE SZENE + +(Eine Straße) + +(Benvolio und Mercutio kommen.) + + +MERCUTIO +Wo, Teufel, kann der Romeo stecken? Kam er heute nacht nicht +nach Hause? + +BENVOLIO +Nach seines Vaters Hause nicht; ich sprach seinen Diener. + +MERCUTIO +Ja, dies hartherzge Frauenbild, die Rosalinde, +Sie quält ihn so, er wird gewiß verrückt. + +BENVOLIO +Tybalt, des alten Capulet Verwandter, +Hat dort ins Haus ihm einen Brief geschickt. + +MERCUTIO +Eine Ausforderung, so wahr ich lebe! + +BENVOLIO +Romeo wird ihm die Antwort nicht schuldig bleiben. + +MERCUTIO +Auf einen Brief kann ein jeder antworten, wenn er schreiben kann. + +BENVOLIO +Nein, ich meine, er wird dem Briefsteller zeigen, daß er Mut +hat, wenn man ihm so was zumutet. + +MERCUTIO +Ach, der arme Romeo; er ist ja schon tot! Durchbohrt von einer +weißen Dirne schwarzem Auge; durchs Ohr geschossen mit einem +Liebesliedchen; seine Herzensscheibe durch den Pfeil des +kleinen blinden Schützen mitten entzweigespalten. Ist er der +Mann darnach, es mit dem Tybalt aufzunehmen? + +BENVOLIO +Nun, was ist Tybalt denn Großes? + +MERCUTIO +Kein papierner Held, das kann ich dir sagen! Oh, er ist ein +beherzter Zeremonienmeister der Ehre. Er ficht, wie Ihr ein +Liedlein singt, hält Takt und Maß und Ton. Er beobachtet seine +Pausen; eins--zwei--drei; dann sitzt Euch der Stoß in der +Brust! Er bringt Euch einen seidnen Knopf unfehlbar ums Leben. +Ein Raufer, ein Raufer! Ein Ritter vom ersten Range, der Euch +alle Gründe eines Ehrenstreits an den Fingern herzuzählen weiß. +Ach die göttliche Passade! Die doppelte Finte! Der! + +BENVOLIO +Der--was? + +MERCUTIO +Der Henker hole diese phantastischen, gezierten, lispelnden +Eisenfresser! Was sie für neue Töne anstimmen!--"Eine sehr +gute Klinge"--"Ein sehr wohlgewachsener Mann!"--"Eine sehr +gute Hure!"--Wetter, sie hatte doch einen bessern Liebhaber, +um sie zu bereimen!--, Dido eine Trutschel, Kleopatra eine +Zigeunerin, Helena und Hero Metzen und lose Dirnen, Thisbe ein +artiges Blauauge oder sonst so was, will aber nichts vorstellen. + +(Romeo tritt auf.) + +Signor Romeo, bonjour! Da habt Ihr einen französischen Gruß +für Eure französischen Pumphosen! Ihr spieltet uns diese +Nacht einen schönen Streich. + +ROMEO +Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich? + +MERCUTIO +Einen Diebesstreich. Ihr stahlt Euch unversehens davon. + +ROMEO +Verzeihung, guter Mercutio. Ich hatte etwas Wichtiges vor, +und in einem solchen Falle tut man wohl einmal der Höflichkeit +Gewalt an. + +MERCUTIO +Das soll wohl heißen, daß in einem solchen Falle ein Mann dazu +vergewaltigt wird, sich in den Schenkeln zu verbeugen. + +ROMEO +Das bedeutet, einen höflichen Knicks zu machen. + +MERCUTIO +Du hast es allergnädigst erfaßt. + +ROMEO +Eine äußerst höfliche Auslegung. + +MERCUTIO +Ich bringe die Höflichkeit zur höchsten Blüte. + +ROMEO +Blüte steht für Blume. + +MERCUTIO +Richtig. + +ROMEO +Nun, dann ist mein Tanzschuh gut geblümt. + +MERCUTIO +Gut gesagt: spinne mir nun diesen Scherz weiter, bis du deinen +Tanzschuh abgenutzt hast; so daß, wenn seine einzige Sohle +abgenutzt ist, der Scherz solo und einzigartig hernach übrig +bleibe. + +ROMEO +Oh einfachbesohlter Scherz, einfach einzigartig in seiner Einfalt! + +MERCUTIO +Tritt zwischen uns, guter Benvolio; mein Witz schwindet mir. + +ROMEO +Dann gib ihm Peitsche und Sporen, Peitsche und Sporen; oder +ich rufe mich zum Sieger aus. + +MERCUTIO +Nein, wenn dein Witz ebenso ziellos herumgaloppiert wie bei einer +Wildgansjagd, bin ich fertig; denn du hast mehr von einer +schnatternden Wildgans in einem deiner Sinne, da bin ich mir +sicher, als ich in meinen ganzen fünfen: bin ich Euch mit der +Schnatterei zu nahe getreten? + +{Wildgansjagd (wild-goose chase}: Ein Wettrennen zu Pferde, bei +dem der führende Reiter die Strecke bestimmt. Im übertragenen +Sinn: ein sehr wenig erfolgversprechendes Unternehmen.} + +ROMEO +Du bist nie nahe zu mir getreten, außer mit Schnatterei. + +MERCUTIO +Für diesen Scherz werde ich dir am Ohr knabbern. + +ROMEO +Nein, guter Gänserich, beiß mich nicht. + +MERCUTIO +Dein Witz ist wie ein sehr bitterer Süßapfel; er ist eine äußerst +scharfe Soße. + +ROMEO +Und ist er dann nicht genau die richtige Beilage zu einer süßen +Gans? + +MERCUTIO +Oh, das ist ein Witz aus Glacéleder, der sich von einem kleinen +Zoll auf eine große Elle dehnen läßt! + +ROMEO +Ich werde ihn durch das Wort "groß" ausdehnen, welches, wenn es +der Gans hinzugefügt wird, dich weit und breit als eine große +Schnattergans dastehen läßt. + +MERCUTIO +Wie nun? [Du sprichst ja ganz menschlich. Wie kommt es, daß du +auf einmal deine aufgeweckte Zunge und deine muntern Augen +wiedergefunden hast? So hab ich dich gern.] Ist das nicht besser +als das ewige Liebesgekrächze? Jetzt bist du umgänglich, jetzt +bist du Romeo; jetzt bist du was du bist, in deiner Kunst ebenso +wie in deiner Natur, denn dieser faselnde Amor ist wie ein großer +Einfaltspinsel, der lächsend auf und ab rennt, um sein Stöckchen +in einem Loch zu verstecken. + +BENVOLIO +Halt ein, halt ein. + +MERCUTIO +Du wünschst, daß ich meine Ergüße unzeitig beende. + +BENVOLIO +Ansonsten wäre es dir zu lang geworden. + +MERCUTIO +O, du irrst dich; es wäre sogleich wieder kurz geworden, denn ich +bin bereits in die volle Tiefe vorgedrungen und beabsichtigte in +der Tat, auf dem Fall nicht länger herumzureiten. + +ROMEO +Seht den prächtigen Aufzug! + +(Die Wärterin und Peter hinter ihr.) + +MERCUTIO +Was kommt da angesegelt? + +BENVOLIO +Zwei, zwei: ein Männerhemd und ein Unterrock. + +WÄRTERIN +Peter! + +PETER +Was beliebt? + +WÄRTERIN +Meinen Fächer, Peter! + +MERCUTIO +Gib ihn ihr, guter Peter, um ihr Gesicht zu verstecken. +Ihr Fächer ist viel hübscher wie ihr Gesicht. + +WÄRTERIN +Schönen guten Morgen, Ihr Herren! + +MERCUTIO +Schönen guten Abend, schöne Dame! + +WÄRTERIN +Warum guten Abend? + +MERCUTIO +Euer Brusttuch deutet auf Sonnenuntergang. + +WÄRTERIN +Pfui, was ist das für ein Mensch? + +ROMEO +Einer, Verehrte, den Gott geschaffen hat, daß er sich selbst +verderbe. + +WÄRTERIN +Schön gesagt, bei meiner Seele! Daß er sich selbst verderbe! +Ganz recht! Aber, Ihr Herren, kann mir keiner von Euch sagen, +wo ich den jungen Romeo finde? + +ROMEO +Ich kanns Euch sagen; aber der junge Romeo wird älter sein, wenn +Ihr ihn gefunden habt, als er war, da Ihr ihn suchtet. +Ich bin der Jüngste, der den Namen führt, weil kein schlechterer +da war. + +WÄRTERIN +Gut gegeben. + +MERCUTIO +So? Ist das Schlechteste gut gegeben? Nun wahrhaftig: gut +begriffen! Sehr vernünftig! + +WÄRTERIN +Wenn Ihr Romeo seid, mein Herr, so wünsche ich Euch insgeheim +zu sprechen. + +BENVOLIO +Sie wird ihn irgendwohin auf den Abend bitten. + +MERCUTIO +Eine Kupplerin, eine Kupplerin! Ho, ho! + +BENVOLIO +Was witterst du? + +MERCUTIO +[Neue Jagd, neue Jagd!--] Kein Häschen, mein Herr; außer vielleicht +einer Häsin, mein Herr, in einer Fastenspeise, die schon etwas +schal und schimmelig-grau geworden ist, bevor sie vernascht wurde. +(Singt.) Ein Has', ergraut, + Und ein Has', ergraut, +Welch sehr gute Fastenspeis'; + Doch ein Has', der ergraut, + Ist zu viel zugetraut, +Wenns ergraut eh' ichs verspeis. + +{Es ist sicher kein Zufall, daß das Wort "hoar" (ergraut) genauso +klingt wie "whore" (Hure) und daß die sprichwörtliche +Vermehrungsfreudigkeit der Hasen auch eine Interpretation von +"hare" (Hase) als Hure nahelegt. So lautet die erste Zeile wörtlich +"Ein alter Hase, (der) ergraut (ist)", doch der Zuhörer versteht +"Eine alte Hure".} + +Romeo, kommt nach Eures Vaters Hause, wir wollen zu Mittag +da essen. + +ROMEO +Ich komme euch nach. + +MERCUTIO +Lebt wohl, alte Schöne! Lebt wohl, +(Singt.) +o Schöne--Schöne--Schöne! + +(Benvolio und Mercutio gehen ab.) + +WÄRTERIN +Sagt mir doch, was war das für ein unverschämter Gesell, der +nichts als Schelmstücke im Kopfe hatte? + +ROMEO +Jemand, der sich selbst gern reden hört, meine gute Frau, und der +in einer Minute mehr spricht, als er in einem Monate verantworten +kann. + +WÄRTERIN +Ja, und wenn er auf mich was zu sagen hat, so will ich ihn bei den +Ohren kriegen, und wäre er auch noch vierschrötiger, als er ist, +und zwanzig solcher Hasenfüße obendrein; und kann ichs nicht, so +könnens andre. So 'n Lausekerl! Ich bin keine von seinen Kreaturen, +ich bin keine von seinen Karnuten. +(Zu Peter.) +Und du mußt auch dabeistehen und leiden, daß jeder Schuft sich nach +Belieben über mich hermacht! + +PETER +Ich habe nicht gesehn, daß sich jemand über Euch hergemacht hätte, +sonst hätte ich geschwind vom Leder gezogen, das könnt Ihr glauben. +Ich kann so gut ausziehen wie ein andrer, wo es einen ehrlichen Zank +gibt und das Recht auf meiner Seite ist. + +WÄRTERIN +Nu, weiß Gott, ich habe mich so geärgert, daß ich am ganzen Leibe +zittre. So 'n Lausekerl!--Seid so gütig, mein Herr, auf ein Wort! +Und was ich Euch sagte: Mein junges Fräulein befahl mir. Euch zu +suchen. Was sie mir befahl. Euch zu sagen, das will ich für mich +behalten; aber erst laßt mich Euch sagen, wenn Ihr sie wolltet bei +der Nase herumführen, sozusagen, das wäre eine unartige Aufführung, +sozusagen. Denn seht, das Fräulein ist jung, und also, wenn Ihr +falsch gegen sie zu Werke gingt, das würde sich gar nicht gegen +ein Fräulein schicken und wäre ein recht nichtsnutziger Handel. + +ROMEO +Empfiehl mich deinem Fräulein! Ich beteure dir-- + +WÄRTERIN +Du meine Zeit! Gewiß und wahrhaftig, das will ich ihr wiedersagen. +O jemine, sie wird sich vor Freude nicht zu lassen wissen! + +ROMEO +Was willst du ihr sagen, gute Frau? Du gibst nicht Achtung. + +WÄRTERIN +Ich will ihr sagen, daß Ihr beteuert, und ich meine, das ist +recht wie ein Kavalier gesprochen. + +ROMEO +Sag ihr, sie mög ein Mittel doch ersinnen, +Zur Beichte diesen Nachmittag zu gehn. +Dort in Lorenzos Zelle soll alsdann, +Wenn sie gebeichtet, unsre Trauung sein. +Hier ist für deine Müh. + +WÄRTERIN +Nein, wahrhaftig, Herr, keinen Pfennig! + +ROMEO +Nimm, sag ich dir; du mußt! + +WÄRTERIN +Heut nachmittag? Nun gut, sie wird Euch treffen. + +ROMEO +Du, gute Frau, wart hinter der Abtei, +Mein Diener soll dir diese Stunde noch, +Geknüpft aus Seilen, eine Leiter bringen, +Die zu dem Gipfel meiner Freuden ich +Hinan will klimmen in geheimer Nacht. +Leb wohl! Sei treu, so lohn ich deine Müh. +Leb wohl! Empfiehl mich deinem Fräulein! + +WÄRTERIN +Nun, Gott der Herr gesegn es!--Hört, noch eins! + +ROMEO +Was willst du, gute Frau? + +WÄRTERIN +Schweigt Euer Diener? Habt Ihr nie vernommen: +Wo zwei zu Rate gehn, laßt keinen dritten kommen? + +ROMEO +Verlaß dich drauf, der Mensch ist treu wie Gold. + +WÄRTERIN +Nun gut, Herr, meine Herrschaft ist ein allerliebstes Fräulein. +O jemine, als sie noch so ein kleines Dingelchen war--Oh, da ist +ein Edelmann in der Stadt, einer, der Paris heißt, der gern +einhaken möchte; aber das gute Herz mag ebenso lieb eine Kröte +sehn, eine rechte Kröte, als ihn.--Ich ärgre sie zuweilen und sag +ihr: Paris wär doch der hübscheste; aber Ihr könnt mirs glauben, +wenn ich das sage, so wird sie so blaß wie ein Tischtuch. Fängt +nicht Rosmarin und Romeo mit demselben Buchstaben an? + +ROMEO +Ja, gute Frau; beide mit einem R. + +WÄRTERIN +Ach, Spaßvogel, warum nicht gar? Das schnurrt ja wie 'n Spinnrad. +Nein, ich weiß wohl, es fängt mit einem andern Buchstaben an, und +sie hat die prächtigsten Reime und Sprichwörter darauf, daß Euch +das Herz im Leibe lachen tät, wenn Ihrs hörtet. + +ROMEO +Empfiehl mich deinem Fräulein! + +(Ab.) + +WÄRTERIN +Jawohl, viel tausendmal! + +(Romeo geht ab.) + +--Peter! + +PETER +Was beliebt? + +WÄRTERIN +Peter, nimm meinen Fächer und geh vorauf! + +(Beide ab.) + + + +FÜNFTE SZENE + +(Capulets Garten) + +(Julia tritt auf.) + + +JULIA +Neun schlug die Glock, als ich die Amme sandte. +In einer halben Stunde wollte sie +Schon wieder hier sein. Kann sie ihn vielleicht +Nicht treffen? Nein, das nicht. Oh, sie ist lahm! +Zu Liebesboten taugen nur Gedanken, +Die zehnmal schneller fliehn als Sonnenstrahlen, +Wenn sie die Nacht von finstern Hügeln scheuchen. +Deswegen ziehn ja leichtbeschwingte Tauben +Der Liebe Wagen, und Cupido hat +Windschnelle Flügel. Auf der steilsten Höhe +Der Tagereise steht die Sonne jetzt; +Von neun bis zwölf, drei lange Stunden sinds, +Und dennoch bleibt sie aus. O hätte sie +Ein Herz und warmes, jugendliches Blut, +Sie würde wie ein Ball behende fliegen, +Es schnellte sie mein Wort dem Trauten zu +Und seines mir. +Doch Alte tun, als lebten sie nicht mehr, +Träg, unbehülflich, und wie Blei so schwer. + +(Die Wärterin und Peter kommen.) + +O Gott, sie kommt! + +(Die Amme und Peter treten auf.) + + Was bringst du, goldne Amme? +Trafst du ihn an? Schick deinen Diener weg! + +WÄRTERIN +Wart vor der Türe, Peter! + +(Peter ab.) + +JULIA +Nun, Mütterchen? Gott, warum blickst du traurig? +Ist dein Bericht schon traurig, gib ihn fröhlich, +Und klingt er gut, verdirb die Weise nicht, +Indem du sie mit saurer Miene spielst. + +WÄRTERIN +Ich bin ermattet; laßt ein Weilchen mich! +Das war 'ne Jagd! Das reißt in Gliedern mir! + +JULIA +Ich wollt, ich hätte deine Neuigkeit, +Du meine Glieder. Nun, so sprich geschwind! +Ich bitt dich, liebe, liebe Amme, sprich! + +WÄRTERIN +Was für 'ne Hast! Könnt Ihr kein Weilchen warten? +Seht Ihr nicht, daß ich außer Atem bin? + +JULIA +Wie außer Atem, wenn du Atem hast, +Um mir zu sagen, daß du keinen hast? +Der Vorwand deines Zögerns währt ja länger +Als der Bericht, den du dadurch verzögerst. +Gib Antwort: Bringst du Gutes oder Böses! +Nur das, so wart ich auf das Nähere gern. +Beruhge mich! Ists Gutes oder Böses? + +WÄRTERIN +Ei, Ihr habt mir eine recht einfältige Wahl getroffen; Ihr versteht +auch einen Mann auszulosen! Romeo--ja, das ist der rechte!--Er hat +zwar ein hübscher Gesicht wie andre Leute; aber seine Beine gehen +über alle Beine, und Hand und Fuß und die ganze Positur--es läßt +sich eben nicht viel davon sagen, aber man kann sie mit nichts +vergleichen. Er ist kein Ausbund von feinen Manieren, doch wett +ich drauf, wie ein Lamm so sanft.--Treibs nur so fort, Kind, und +fürchte Gott!--Habt Ihr diesen Mittag zu Hause gegessen? + +JULIA +Nein, nein! Doch all dies wußt ich schon zuvor. +Was sagt er von der Trauung? Hurtig: was? + +WÄRTERIN +O je, wie schmerzt der Kopf mir! Welch ein Kopf! +Er schlägt, als wollt er gleich in Stücke springen. +Da hier mein Rücken, o mein armer Rücken! +Gott sei Euch gnädig, daß Ihr hin und her +So viel mich schickt, mich bald zu Tode hetzt. + +JULIA +Im Ernst, daß du nicht wohl bist, tut mir leid. +Doch, beste, beste Amme, sage mir: +Was macht mein Liebster? + +WÄRTERIN +Eur Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr--und ein artiger und +ein freundlicher und ein hübscher Herr und, auf mein Wort, ein +tugendsamer Herr.--Wo ist denn Eure Mutter? + +JULIA +Wo meine Mutter ist? Nun, sie ist drinnen; +Wo wär sie sonst? Wie seltsam du erwiderst: +Eur Liebster sagt, so wie ein wackrer Herr-- +Wo ist denn Eure Mutter? + +WÄRTERIN + Jemine! +Seid Ihr so hitzig? Seht doch! Kommt mir nur! +Ist das die Bähung für mein Gliederweh? +Geht künftig selbst, wenn Ihr 'ne Botschaft habt. + +JULIA +Das ist 'ne Not! Was sagt er? Bitte, sprich! + +WÄRTERIN +Habt Ihr Erlaubnis, heut zu beichten? + +JULIA + Ja. + +WÄRTERIN +So macht Euch auf zu Eures Paters Zelle, +Da harrt ein Mann, um Euch zur Frau zu machen. +Nun steigt das lose Blut Euch in die Wangen, +Gleich sind sie Scharlach, wenns was Neues gibt. +Eilt Ihr ins Kloster; ich muß sonst wohin, +Die Leiter holen, die der Liebste bald +Zum Nest hinan, wenns Nacht wird, klimmen soll. +Ich bin das Lasttier, muß für Euch mich plagen, +Doch Ihr sollt Eure Last zur Nacht schon tragen. +Ich will zur Mahlzeit erst; eilt Ihr zur Zelle hin! + +JULIA +Zu hohem Glücke, treue Pflegerin! + +(Beide ab.) + + + +SECHSTE SZENE + +(Bruder Lorenzos Zelle) + +(Lorenzo und Romeo.) + + +LORENZO +Der Himmel lächle so dem heilgen Bund, +Daß künftge Tag' uns nicht durch Kummer schelten! + +ROMEO +Amen! So sei's! Doch laß den Kummer kommen, +So sehr er mag; wiegt er die Freuden auf, +Die mir in ihrem Anblick eine flüchtge +Minute gibt? Füg unsre Hände nur +Durch deinen Segensspruch in eins, dann tue +Sein Äußerstes der Liebeswürger Tod; +Genug, daß ich nur mein sie nennen darf. + +LORENZO +So wilde Freude nimmt ein wildes Ende +Und stirbt im höchsten Sieg, wie Feur und Pulver +Im Kusse sich verzehrt. Die Süßigkeit +Des Honigs widert durch ihr Übermaß, +Und im Geschmack erstickt sie unsre Lust. +Drum liebe mäßig; solche Lieb ist stet; +Zu hastig und zu träge kommt gleich spät. + +(Julia tritt auf.) + +Hier kommt das Fräulein, sieh, +Mit leichtem Tritt, der keine Blume biegt. +Sieh, wie die Macht der Lieb und Wonne siegt! + +(Julia tritt auf.) + +JULIA +Ehrwürdger Herr, ich sag Euch guten Abend. + +LORENZO +Für mich und sich dankt Romeo, mein Kind. + +JULIA +Es gilt ihm mit, sonst wär sein Dank zuviel. + +ROMEO +Ach Julia! Ist deiner Freude Maß +Gehäuft wie meins und weißt du mehr die Kunst, +Ihr Schmuck zu leihn, so würze rings die Luft +Durch deinen Hauch; laß des Gesanges Mund +Die Seligkeit verkünden, die wir beide +Bei dieser teuern Näh im andern finden. + +JULIA +Gefühl, an Inhalt reicher als an Worten, +Ist stolz auf seinen Wert und nicht auf Schmuck. +Nur Bettler wissen ihres Guts Betrag; +Doch meine treue Liebe stieg so hoch, +Daß keine Schätzung ihre Schätz erreicht. + +LORENZO +Kommt, kommt mit mir, wir schreiten gleich zur Sache. +Ich leide nicht, daß ihr allein mir bleibt, +Bis euch die Kirch einander einverleibt. + +(Alle ab.) + + + + +DRITTER AKT + + + +ERSTE SZENE + +(Ein öffentlicher Platz) + +(Mercutio, Benvolio, Page und Diener.) + + +BENVOLIO +Ich bitt dich, Freund, laß uns nach Hause gehn! +Der Tag ist heiß, die Capulets sind draußen, +Und treffen wir, so gibt es sicher Zank: +Denn bei der Hitze tobt das tolle Blut. + +MERCUTIO +Du bist mir so ein Zeisig, der, sobald er die Schwelle eines +Wirtshauses betritt, mit dem Degen auf den Tisch schlägt und +ausruft: Gebe Gott, daß ich dich nicht nötig habe!--a kommen +die Capulets. + +MERCUTIO +Bei meiner Sohle! Mich kümmerts nicht. + +(Tybalt und andre kommen.) + +TYBALT (zu seinen Leuten.) +Schließt euch mir an, ich will mit ihnen reden.-- +Guten Tag, Ihr Herrn! Ein Wort mit Euer einem! + +MERCUTIO +Nur ein Wort mit einem von uns? Gebt noch was zu, laßt es ein Wort +und einen Schlag sein! + +TYBALT +Dazu werdet Ihr mich bereit genug finden, wenn Ihr mir Anlaß gebt. + +MERCUTIO +Könntet Ihr ihn nicht nehmen, ohne daß wir ihn gäben? + +TYBALT +Mercutio, du harmonierst mit Romeo. + +MERCUTIO +Harmonierst? Was? Machst du uns zu Musikanten? Wenn du uns zu +Musikanten machen willst, so sollst du auch nichts als Dissonanzen +zu hören kriegen. Hier ist mein Fiedelbogen, wart, der soll Euch +tanzen lehren! Alle Wetter! Über das Harmonieren! + +BENVOLIO +Wir reden hier auf öffentlichem Markt; +Entweder sucht Euch einen stillern Ort, +Wo nicht, besprecht Euch kühl von Eurem Zwist. +Sonst geht! Hier gafft ein jedes Aug auf uns. + +MERCUTIO +Zum Gaffen hat das Volk die Augen; laß sie! +Ich weich und wank um keines willen, ich! + +(Romeo tritt auf.) + +TYBALT +Herr, zieht in Frieden! Hier kommt mein Gesell. + +(Romeo tritt auf.) + +MERCUTIO +Ich will gehängt sein, Herr, wenn Ihr sein Meister seid. +Doch stellt Euch nur, er wird sich zu Euch halten; +In dem Sinn mögen Eure Gnaden wohl +Gesell ihn nennen. + +TYBALT +Hör, Romeo! Der Haß, den ich dir schwur, +Gönnt diesen Gruß dir nur: Du bist ein Schurke! + +ROMEO +Tybalt, die Ursach, die ich habe, dich +Zu lieben, mildert sehr die Wut, die sonst +Auf diesen Gruß sich ziemt. Ich bin kein Schurke, +Drum lebe wohl! Ich seh, du kennst mich nicht. + +TYBALT +Nein, Knabe, dies entschuldigt nicht den Hohn, +Den du mir angetan; kehr um und zieh! + +ROMEO +Ich schwöre dir, nie tat ich Hohn dir an. +Ich liebe mehr dich, als du denken kannst, +Bis du die Ursach meiner Liebe weißt. +Drum, guter Capulet, ein Name, den +Ich wert wie meinen halte, sei zufrieden! + +MERCUTIO +O zahme, schimpfliche, verhaßte Demut! +Die Kunst des Raufers trägt den Sieg davon.-- + +(Er zieht.) + +Tybalt, du Ratzenfänger, willst du dran? + +TYBALT +Was willst du denn von mir? + +MERCUTIO +Mein guter Katzenkönig, nichts als eins von Euern neun Leben; +damit will ich mich nebenbei lustig machen, und wenn Ihr mir +wieder über den Weg lauft, auch die andern acht ausklopfen. +Wollt Ihr bald Euren Degen bei den Ohren aus der Scheide ziehn? +Macht zu, sonst habt Ihr meinen um die Ohren, eh er heraus ist. + +TYBALT +Ich steh zu Dienst. + +(Er zieht.) + +ROMEO +Lieber Mercutio, steck den Degen ein! + +MERCUTIO +Kommt, Herr! Laßt Eure Finten sehn! + +(Sie fechten.) + +ROMEO +Zieh, Benvolio! +Schlag zwischen ihre Degen! Schämt euch doch +Und haltet ein mit Wüten! Tybalt! Mercutio! +Der Prinz verbot ausdrücklich solchen Aufruhr +In Veronas Gassen. Halt, Tybalt! Freund Mercutio! + +(Tybalt entfernt sich mit seinen Anhängern.) + +MERCUTIO +Ich bin verwundet.-- +Zum Teufel beider Sippschaft! Ich bin hin. +Und ist er fort? Und hat nichts abgekriegt? + +BENVOLIO +Bist du verwundet, wie? + +MERCUTIO +Ja, ja, geritzt, geritzt!--Wetter, 's ist genug.-- +Wo ist mein Page?--Bursch, hol einen Wundarzt! + +(Der Page geht ab.) + +ROMEO +Sei guten Muts, Freund! Die Wunde kann nicht beträchtlich sein. + +MERCUTIO +Nein, nicht so tief wie ein Brunnen noch so weit wie eine +Kirchtüre; aber es reicht eben hin. Fragt morgen nach mir, +und Ihr werdet einen stillen Mann an mir finden. Für diese +Welt, glaubts nur, ist mir der Spaß versalzen.--Hol der Henker +eure beiden Häuser!--Was? Von einem Hund, einer Maus, einer +Ratze, einer Katze zu Tode gekratzt zu werden! Von so einem +Prahler, einem Schuft, der nach dem Rechenbuche ficht!--Warum +zum Teufel kamt Ihr zwischen uns? Unter Eurem Arm wurde ich +verwundet. + +ROMEO +Ich dacht es gut zu machen. + +MERCUTIO +O hilf mir in ein Haus hinein, Benvolio. +Sonst sink ich hin.--Zum Teufel eure Häuser! +Sie haben Würmerspeis aus mir gemacht. +Ich hab es tüchtig weg; verdammte Sippschaft! + +(Mercutio und Benvolio ab.) + +ROMEO +Um meinetwillen wurde dieser Ritter, +Dem Prinzen nah verwandt, mein eigner Freund, +Verwundet auf den Tod; mein Ruf befleckt +Durch Tybalts Lästerungen, Tybalts, der +Seit einer Stunde mir verschwägert war. +O süße Julia, deine Schönheit hat +So weibisch mich gemacht; sie hat den Stahl +Der Tapferkeit in meiner Brust erweicht. + +(Benvolio kommt zurück.) + +BENVOLIO +O Romeo, der wackre Freund ist tot, +Sein edler Geist schwang in die Wolken sich, +Der allzu früh der Erde Staub verschmäht. + +ROMEO +Nichts kann den Unstern dieses Tages wenden; +Er hebt das Weh an, andre müssens enden. + +(Tybalt kommt zurück.) + +BENVOLIO +Da kommt der grimmige Tybalt wieder her. + +ROMEO +Am Leben! Siegreich! Und mein Freund erschlagen! +Nun flieh gen Himmel, schonungsreiche Milde! +Entflammte Wut, sei meine Führerin! + +(Tybalt kommt zurück.) + +Nun, Tybalt, nimm den Schurken wieder, den du +Mir eben gabst! Der Geist Mercutios +Schwebt nah noch über unsern Häuptern hin +Und harrt, daß deiner sich ihm zugeselle. +Du oder ich! sonst folgen wir ihm beide. + +TYBALT +Elendes Kind, hier hieltest du's mit ihm +Und sollst mit ihm von hinnen. + +ROMEO + Dies entscheide! + +(Sie fechten; Tybalt fällt.) + +BENVOLIO +Flieh, Romeo, die Bürger sind in Wehr +Und Tybalt tot. Steh so versteinert nicht! +Flieh, flieh, der Prinz verdammt zum Tode dich, +Wenn sie dich greifen. Fort, nur fort mit dir! + +ROMEO +Weh mir, ich Narr des Glücks! + +BENVOLIO + Was weilst du noch? + +(Romeo ab. Bürger treten auf.) + +EIN BÜRGER +Wo lief er hin, der den Mercutio totschlug? +Der Mörder Tybalts? Hat ihn wer gesehn? + +BENVOLIO +Da liegt der Tybalt. + +EIN BÜRGER + Auf, Herr, geht mit mir! +Gehorcht! Ich mahn Euch von des Fürsten wegen. + +(Der Prinz mit Gefolge, Montague, Capulet, ihre +Gemahlinnen und andre.) + +PRINZ +Wer durfte freventlich hier Streit erregen? + +BENVOLIO +O edler Fürst, ich kann verkünden recht +Nach seinem Hergang dies unselige Gefecht. +Der deinen wackren Freund Mercutio +Erschlagen, liegt hier tot, entleibt vom Romeo. + +GRÄFIN CAPULET +Mein Vetter! Tybalt! Meines Bruders Kind! +O Fürst! O mein Gemahl! O seht, noch rinnt +Das teure Blut! Mein Fürst, bei Ehr und Huld, +Im Blut der Montagues tilg ihre Schuld!-- +O Vetter, Vetter! + +PRINZ +Benvolio, sprich, wer hat den Streit erregt? + +BENVOLIO +Der tot hier liegt, von Romeo erlegt. +Viel gute Worte gab ihm Romeo, +Hieß ihn bedenken, wie gering der Anlaß, +Wie sehr zu fürchten Euer höchster Zorn. +Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton, +Gelaßnem Blick, bescheidner Stellung, konnte +Nicht Tybalts ungezähmte Wut entwaffnen. +Dem Frieden taub, berennt mit scharfem Stahl +Er die entschloßne Brust Mercutios; +Der kehrt gleich rasch ihm Spitze gegen Spitze +Und wehrt mit Kämpfertrotz mit einer Hand +Den kalten Tod ab, schickt ihn mit der andern +Dem Gegner wieder, des Behendigkeit +Zurück ihn schleudert. Romeo ruft laut: +Halt, Freunde, auseinander! Und geschwinder +Als seine Zunge schlägt sein rüstger Arm, +Dazwischen stürzend, beider Mordstahl nieder. +Recht unter diesem Arm traf des Mercutio Leben +Ein falscher Stoß vom Tybalt. Der entfloh, +Kam aber gleich zum Romeo zurück, +Der eben erst der Rache Raum gegeben. +Nun fallen sie mit Blitzeseil sich an, +Denn eh ich ziehen konnt, um sie zu trennen, +War der beherzte Tybalt umgebracht. +Er fiel, und Romeo, bestürzt, entwich. +Ich rede wahr, sonst führt zum Tode mich. + +GRÄFIN CAPULET +Er ist verwandt mit Montagues Geschlecht, +Aus Freundschaft spricht er falsch, verletzt das Recht. +Die Fehd erhoben sie zu ganzen Horden, +Und alle konnten nur ein Leben morden. +Ich fleh um Recht; Fürst, weise mich nicht ab: +Gib Romeo, was er dem Tybalt gab! + +PRINZ +Er hat Mercutio, ihn Romeo erschlagen; +Wer soll die Schuld des teuren Blutes tragen? + +GRÄFIN MONTAGUE +Fürst, nicht mein Sohn, der Freund Mercutios; +Was dem Gesetz doch heimfiel, nahm er bloß: +Das Leben Tybalts. + +PRINZ + Weil er das verbrochen, +Sei über ihn sofort der Bann gesprochen. +Mich selber trifft der Ausbruch eurer Wut, +Um euren Zwiespalt fließt mein eignes Blut; +Allein ich will dafür so streng euch büßen, +Daß mein Verlust euch ewig soll verdrießen. +Taub bin ich jeglicher Beschönigung, +Kein Flehn, kein Weinen kauft Begnadigung; +Drum spart sie. Romeo flieh schnell von hinnen! +Greift man ihn, soll er nicht dem Tod entrinnen. +Tragt diese Leiche weg! Vernehmt mein Wort! +Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord! + +(Alle ab.) + + + +ZWEITE SZENE + +(Ein Zimmer in Capulets Hause) + +(Julia tritt auf.) + + +JULIA +Hinab, du flammenhufiges Gespann, +Zu Phöbus' Wohnung! Solch ein Wagenlenker +Wie Phaethon jagt' euch gen Westen wohl +Und brächte schnell die wolkige Nacht herauf. +Verbreite deinen dichten Vorhang, Nacht, +Du Liebespflegerin, damit das Auge +Der Neubegier sich schließ und Romeo +Mir unbelauscht in diese Arme schlüpfe. +Verliebten gnügt zu der geheimen Weihe +Das Licht der eignen Schönheit, oder wenn +Die Liebe blind ist, stimmt sie wohl zur Nacht. +Komm, ernste Nacht, du züchtig stille Frau, +Ganz angetan mit Schwarz, und lehre mich +Ein Spiel, wo jedes reiner Jugend Blüte +Zum Pfände setzt, gewinnend zu verlieren! +Verhülle mit dem schwarzen Mantel mir +Das wilde Blut, das in den Wangen flattert, +Bis scheue Liebe kühner wird und nichts +Als Unschuld sieht in innger Liebe Tun. +Komm, Nacht! Komm, Romeo, du Tag in Nacht, +Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht +Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken. +Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib +Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst, +Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn: +Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, +Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt +Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt.-- +Ich habe Lieb erworben wie ein Haus, +Und durfte noch nicht einziehn; bin verkauft, +Doch noch nicht übergeben. Dieser Tag +Währt so verdrießlich lang mir wie die Nacht +Vor einem Fest dem ungeduldgen Kinde, +Das noch sein neues Kleid nicht tragen durfte. + +(Die Wärterin mit einer Strickleiter.) + +Da kommt die Amme ja, die bringt Bericht, +Und jede Zunge, die nur Romeo +Beim Namen nennt, spricht so beredt wie Engel. + +(Die Amme tritt auf mit einer Strickleiter.) + +Nun, Amme? Sag, was gibts, was hast du da? +Die Stricke, die dich Romeo hieß holen? + +WÄRTERIN +Ja, ja, die Stricke! + +(Sie wirft sie auf die Erde.) + +JULIA +Weh mir! Was gibts? Was ringst du so die Hände? + +WÄRTERIN +Daß Gott erbarm! Er ist tot, er ist tot, er ist tot! +Wir sind verloren, Fräulein, sind verloren! +O weh uns! Er ist hin! Ermordet! Tot! + +JULIA +So neidisch kann der Himmel sein? + +WÄRTERIN +Ja, das kann Romeo; der Himmel nicht. +O Romeo, wer hätt es je gedacht? +O Romeo, Romeo! + +JULIA +Welch Teufel bist du, daß du so mich folterst? +Die grause Hölle nur brüllt solche Qual. +Hat Romeo sich selbst ermordet? Sprich! +Und sagt du "Ja", vergiftet dieser Laut +Mehr als des Basilisks todbringend "Aug". +Ich bin nicht "ich", wenns gibt ein solches "Ja", +Dies Auge zu, das dich zwingt zu dem "Ja". + +{Ein Wortspiel mit den Wörtern "aye" (ja), "I" (ich) und +"eye" (Auge), die alle gleich ausgesprochen werden.} + +Ist er entleibt, sag ja, wo nicht, sag nein! +Ein kurzer Laut entscheidet Wonn und Pein. + +WÄRTERIN +Ich sah die Wunde, meine Augen sahn sie +--Behüte Gott!--auf seiner tapfern Brust; +Die blutge Leiche, jämmerlich und blutig, +Bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut besudelt, +Ganz starres Blut--de wieder! Pulsschlag, hemme dich! +Ein Sarg empfange Romeo und mich! + +WÄRTERIN +O Tybalt, Tybalt! O mein bester Freund! +Leutselger Tybalt, wohlgesinnter Herr! +So mußt ich leben, um dich tot zu sehn? + +JULIA +Was für ein Sturm tobt so von jeder Seite? +Ist Romeo erschlagen? Tybalt tot? +Mein teurer Vetter? Teuerster Gemahl? +Dann töne nur des Weltgerichts Posaune! +Wer lebt noch, wenn dahin die beiden sind? + +WÄRTERIN +Dahin ist Tybalt, Romeo verbannt; +Verbannt ist Romeo, der ihn erschlug. + +JULIA +Gott! Seine Hand, vergoß sie Tybalts Blut? + +WÄRTERIN +Sie tats, sie tats! O weh uns, weh, sie tats! + +JULIA +O Schlangenherz, von Blumen überdeckt! +Wohnt' in so schöner Höhl ein Drache je? +Holdselger Wütrich! Engelgleicher Unhold! +Ergrimmte Taube! Lamm mit Wolfesgier! +Verworfne Art in göttlichster Gestalt! +Das rechte Gegenteil des, was mit Recht +Du scheinest: ein verdammter Heiliger, +Ein ehrenwerter Schurke!--O Natur! +Was hattest du zu schaffen in der Hölle, +Als du des holden Leibes Paradies +Zum Lustsitz einem Teufel übergabst? +War je ein Buch, so arger Dinge voll, +So schön gebunden? Oh, daß Falschheit doch +Solch herrlichen Palast bewohnen kann! + +WÄRTERIN +Kein Glaube, keine Treu noch Redlichkeit +Ist unter Männern mehr. Sie sind meineidig, +Falsch sind sie, lauter Schelme, lauter Heuchler!-- +Wo ist mein Diener? Gebt mir Aquavit! +Die Not, die Angst, der Jammer macht mich alt. +Zu Schanden werde Romeo! + +JULIA + Die Zunge +Erkranke dir für einen solchen Wunsch! +Er war zur Schande nicht geboren; Schande +Weilt mit Beschämung nur auf seiner Stirn. +Sie ist ein Thron, wo man die Ehre mag +Als Allbeherrscherin der Erde krönen. +O wie unmenschlich war ich, ihn zu schelten! + +WÄRTERIN +Von Eures Vetters Mörder sprecht Ihr Gutes? + +JULIA +Soll ich von meinem Gatten Übles reden? +Ach, armer Gatte! Welche Zunge wird +Wohl deinem Namen Liebes tun, wenn ich, +Dein Weib von wenig Stunden, ihn zerrissen? +Doch, Arger, was erschlugst du meinen Vetter? +Der Arge wollte den Gemahl erschlagen. +Zurück zu eurem Quell, verkehrte Tränen! +Dem Schmerz gebühret eurer Tropfen Zoll, +Ihr bringt aus Irrtum ihn der Freude dar. +Mein Gatte lebt, den Tybalt fast getötet, +Und tot ist Tybalt, der ihn töten wollte. +Dies alles ist ja Trost: was wein ich denn? +Ich hört ein schlimmres Wort als Tybalts Tod, +Das mich erwürgte; ich vergäß es gern! +Doch ach, es drückt auf mein Gedächtnis schwer +Wie Freveltaten auf des Sünders Seele. +Tybalt ist tot und Romeo verbannt! +O dies "Verbannt", dies eine Wort "Verbannt" +Erschlug zehntausend Tybalts. Tybalts Tod +War gnug des Wehes, hätt es da geendet! +Und liebt das Leid Gefährten, reiht durchaus +An andre Leiden sich, warum denn folgte +Auf ihre Botschaft: tot ist Tybalt, nicht: +Dein Vater, deine Mutter, oder beide? +Das hätte sanftre Klage wohl erregt. +Allein dies Wort: verbannt ist Romeo, +Aus jenes Todes Hinterhalt gesprochen, +Bringt Vater, Mutter, Tybalt, Romeo +Und Julien um! Verbannt ist Romeo! +Nicht Maß noch Ziel kennt dieses Wortes Tod, +Und keine Zung erschöpfet meine Not.-- +Wo mag mein Vater, meine Mutter sein? + +WÄRTERIN +Bei Tybalts Leiche heulen sie und schrein. +Wollt Ihr zu ihnen gehn? Ich bring Euch hin. + +JULIA +So waschen sie die Wunden ihm mit Tränen? +Ich spare meine für ein bängres Sehnen. +Nimm diese Seile auf.--Ach, armer Strick, +Getäuscht wie ich! Wer bringt ihn uns zurück? +Zum Steg der Liebe knüpft' er deine Bande, +Ich aber sterb als Braut im Witwenstande. +Komm, Amme, komm! Ich will ins Brautbett! Fort! +Nicht Romeo, den Tod umarm ich dort. + +WÄRTERIN +Geht nur ins Schlafgemach! Zum Troste find ich +Euch Romeo: ich weiß wohl, wo er steckt. +Hört, Romeo soll Euch zur Nacht erfreuen; +Ich geh zu ihm; beim Pater wartet er. + +JULIA +O such ihn auf! Gib diesen Ring dem Treuen; +Bescheid aufs letzte Lebewohl ihn her! + +(Beide ab.) + + + +DRITTE SZENE + +(Bruder Lorenzos Zelle) + +(Lorenzo und Romeo kommen.] Bruder Lorenzo tritt auf.) + + +LORENZO +Komm, Romeo! Hervor, du Mann der Furcht! +Bekümmernis hängt sich mit Lieb an dich, +Und mit dem Mißgeschick bist du vermählt. + +(Romeo tritt auf.) + +ROMEO +Vater, was gibts? Wie heißt des Prinzen Spruch? +Wie heißt der Kummer, der sich zu mir drängt +Und noch mir fremd ist? + +LORENZO + Zu vertraut, mein Sohn, +Bist du mit solchen widrigen Gefährten. +Ich bring dir Nachricht von des Prinzen Spruch. + +ROMEO +Und hat sein Spruch mir nicht den Stab gebrochen? + +LORENZO +Ein mildres Urteil floß von seinen Lippen: +Nicht Leibes Tod, nur leibliche Verbannung. + +ROMEO +Verbannung? Sei barmherzig! Sage: Tod! +Verbannung trägt der Schrecken mehr im Blick, +Weit mehr als Tod!--O sage nicht Verbannung! + +LORENZO +Hier aus Verona bist du nur verbannt; +Sei ruhig, denn die Welt ist groß und weit. + +ROMEO +Die Welt ist nirgends außer diesen Mauern; +Nur Fegefeuer, Qual, die Hölle selbst. +Von hier verbannt ist aus der Welt verbannt, +Und solcher Bann ist Tod. Drum gibst du ihm +Den falschen Namen.--Nennst du Tod Verbannung, +Enthauptest du mit goldnem Beile mich +Und lächelst zu dem Streich, der mich ermordet. + +LORENZO +O schwere Sünd, o undankbarer Trotz! +Dein Fehltritt heißt nach unsrer Satzung Tod; +Doch dir zulieb hat sie der gütge Fürst +Beiseit gestoßen und Verbannung nur +Statt jenes schwarzen Wortes ausgesprochen. +Und diese teure Gnad erkennst du nicht? + +ROMEO +Nein, Folter; Gnade nicht! Hier ist der Himmel, +Wo Julia lebt, und jeder Hund und Katze +Und kleine Maus, das schlechteste Geschöpf, +Lebt hier im Himmel, darf ihr Antlitz sehn; +Doch Romeo darf nicht. Mehr Würdigkeit, +Mehr Ansehn, mehr gefällge Sitte lebt +In Fliegen als in Romeo. Sie dürfen +Das Wunderwerk der weißen Hand berühren +Und Himmelswonne rauben ihren Lippen, +Die sittsam in Vestalenunschuld stets +Erröten, gleich als wäre Sünd ihr Kuß. +Dies dürfen Fliegen tun, ich muß entfliehn; +Sie sind ein freies Volk, ich bin verbannt. +Und sagst du noch, Verbannung sei nicht Tod? +So hattest du kein Gift gemischt, kein Messer +Geschärft, kein schmählich Mittel schnellen Todes, +Als dies "Verbannt", zu töten mich? Verbannt! +O Mönch! Verdammte sprechen in der Hölle +Dies Wort mit Heulen aus; hast du das Herz, +Da du ein heilger Mann, ein Beichtiger bist, +Ein Sündenlöser, mein erklärter Freund, +Mich zu zermalmen mit dem Wort Verbannung? + +LORENZO +Du kindisch blöder Mann, hör doch ein Wort! + +ROMEO +O du willst wieder von Verbannung sprechen! + +LORENZO +Ich will dir eine Wehr dagegen leihn, +Der Trübsal süße Milch, Philosophie, +Um dich zu trösten, bist du gleich verbannt. + +ROMEO +Und noch verbannt? Hängt die Philosophie! +Kann sie nicht schaffen eine Julia, +Aufheben eines Fürsten Urteilspruch, +Verpflanzen eine Stadt, so hilft sie nicht, +So taugt sie nicht, so rede länger nicht! + +LORENZO +Nun seh ich wohl. Wahnsinnige sind taub. + +ROMEO +Wärs anders möglich? Sind doch Weise blind. + +LORENZO +Laß über deinen Fall mit dir mich rechten! + +ROMEO +Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden. +Wärst du so jung wie ich und Julia dein, +Vermählt seit einer Stund, erschlagen Tybalt, +Wie ich von Lieb entglüht, wie ich verbannt, +Dann möchtest du nur reden, möchtest nur +Das Haar dir raufen, dich zu Boden werfen +Wie ich und so dein künftges Grab dir messen. + +([Er wirft sich an den Boden.] Man klopft draußen.) + +LORENZO +Steh auf, man klopft; verbirg dich, lieber Freund! + +ROMEO +O nein, wo nicht des bangen Stöhnens Hauch +Gleich Nebeln mich vor Späheraugen schirmt. + +(Man klopft.) + +LORENZO +Horch, wie man klopft!--Wer da?--Fort, Romeo! +Man wird dich fangen.--Wartet doch ein Weilchen!-- +Steh auf + +(Man klopft.) + + und rett ins Lesezimmer dich!-- + +(Man klopft.) + +Ja, ja! im Augenblick!--Gerechter Gott, +Was für ein starrer Sinn!--ehn und dich zurückzurufen +Mit zwanzighunderttausendmal mehr Freude, +Als du mit Jammer jetzt von hinnen ziehst. +Geh, Wärterin, voraus, grüß mir dein Fräulein; +Heiß sie das ganze Haus zu Bette treiben, +Wohin der schwere Gram von selbst sie treibt; +Denn Romeo soll kommen. + +WÄRTERIN +O je, ich blieb hier gern die ganze Nacht +Und hörte gute Lehr. Da sieht man doch, +Was die Gelahrtheit ist!--Nun, gnädger Herr, +Ich will dem Fräulein sagen, daß Ihr kommt. + +ROMEO +Tu das und sag der Holden, daß sie sich +Bereite, mich zu schelten. + +WÄRTERIN + Gnädger Herr, +Hier ist ein Ring, den sie für Euch mir gab. +Eilt Euch, macht fort, sonst wird es gar zu spät. + +(Ab.) + +ROMEO +Wie ist mein Mut nun wieder neu belebt! + +LORENZO +Geh! Gute Nacht! Und hieran hängt dein Los: +Entweder geh, bevor man Wachen stellt, +Wo nicht, verkleidet in der Frühe fort. +Verweil in Mantua; ich forsch indessen +Nach deinem Diener, und er meldet dir +Von Zeit zu Zeit ein jedes gute Glück, +Das hier begegnet. Gib mir deine Hand! +Es ist schon spät. Fahr wohl denn! Gute Nacht! + +ROMEO +Mich rufen Freuden über alle Freuden, +Sonst wärs ein Leid, von dir so schnell zu scheiden. +Leb wohl! + +(Beide ab.) + + + +VIERTE SZENE + +(Ein Zimmer in Capulets Hause) + +(Capulet, Gräfin Capulet, Paris.) + + +CAPULET +Es ist so schlimm ergangen, Graf, daß wir +Nicht Zeit gehabt, die Tochter anzumahnen. +Denn seht, sie liebte herzlich ihren Vetter. +Das tat ich auch; nun, einmal stirbt man doch.-- +Es ist schon spät, sie kommt nicht mehr herunter, +Ich sag Euch, wärs nicht der Gesellschaft wegen, +Seit einer Stunde läg ich schon im Bett. + +PARIS +So trübe Zeit gewährt nicht Zeit zum Frein; +Gräfin, schlaft wohl, empfehlt mich Eurer Tochter! + +GRÄFIN CAPULET +Ich tu's und forsche morgen früh sie aus. +Heut nacht verschloß sie sich mit ihrem Gram. + +CAPULET +Graf Paris, ich vermesse mich zu stehn +Für meines Kindes Lieb; ich denke wohl, +Sie wird von mir in allen Stücken sich +Bedeuten lassen, ja ich zweifle nicht.-- +Frau, geh noch zu ihr, eh du schlafen gehst, +Tu meines Sohnes Paris Lieb ihr kund +Und sag ihr, merk es wohl: auf nächsten Mittwoch! +Still, was ist heute? + +PARIS + Montag, edler Herr. + +CAPULET +Montag? So, so! Gut, Mittwoch ist zu früh. +Sei's Donnerstag!--Sag ihr: am Donnerstag +Wird sie vermählt mit diesem edlen Grafen. +Wollt Ihr bereit sein? Liebt Ihr diese Eil? +Wir tuns im stillen ab: nur ein paar Freunde; +Denn seht, weil Tybalt erst erschlagen ist, +So dächte man, er läg uns nicht am Herzen, +Als unser Blutsfreund, schwärmten wir zu viel. +Drum laßt uns ein halb Dutzend Freunde laden +Und damit gut. Wie dünkt Euch Donnerstag? + +PARIS +Mein Graf, ich wollte, Donnerstag wär morgen. + +CAPULET +Gut, geht nur heim! Sei's denn am Donnerstag.-- +Geh, Frau, zu Julien, eh du schlafen gehst, +Bereite sie auf diesen Hochzeittag.-- +Lebt wohl, mein Graf! + +(Paris ab.) + + He! Licht auf meine Kammer! +Nach meiner Weise ists so spät, daß wir +Bald früh es nennen können. Gute Nacht! + +([Capulet und die Gräfin ab.] Alle ab.) + + + +FÜNFTE SZENE + +(Eine offene Galerie vor Juliens Zimmer mit Blick auf den Garten) + +(Romeo und Julia.) + + +JULIA +Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern. +Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, +Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang; +Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort. +Glaub, Lieber, mir: es war die Nachtigall. + +ROMEO +Die Lerche wars, die Tagverkünderin, +Nicht Philomele; sieh den neidschen Streif, +Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt. +Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt, +Der muntre Tag erklimmt die dunstgen Höhn; +Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod. + +JULIA +Trau mir, das Licht ist nicht des Tages Licht, +Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus, +Dein Fackelträger diese Nacht zu sein, +Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten. +Drum bleibe noch; zu gehn ist noch nicht not. + +ROMEO +Laß sie mich greifen, ja, laß sie mich töten! +Ich gebe gern mich drein, wenn du es willst. +Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge, +Der bleiche Abglanz nur von Cynthias Stirn. +Das ist auch nicht die Lerche, deren Schlag +Hoch über uns des Himmels Wölbung trifft. +Ich bleibe gern; zum Gehn bin ich verdrossen. +Willkommen, Tod, hat Julia dich beschlossen!-- +Nun, Herz? Noch tagt es nicht, noch plaudern wir. + +JULIA +Es tagt, es tagt! Auf, eile, fort von hier! +Es ist die Lerche, die so heiser singt +Und falsche Weisen, rauhen Mißton gurgelt. +Man sagt, der Lerche Harmonie sei süß; +Nicht diese: sie zerreißt die unsre ja. +Die Lerche, sagt man, wechselt mit der Kröte +Die Augen; möchte sie doch auch die Stimme! +Die Stimm ists ja, die Arm aus Arm uns schreckt, +Dich von mir jagt, da sie den Tag erweckt. +Stets hell und heller wirds: wir müssen scheiden. + +ROMEO +Hell? Dunkler stets und dunkler unsre Leiden! + +(Die Wärterin kommt herein.) + +WÄRTERIN +Fräulein! + +JULIA +Amme? + +WÄRTERIN +Die gnädge Gräfin kommt in Eure Kammer; +Seid auf der Hut; schon regt man sich im Haus. + +(Wärterin ab.) + +JULIA (das Fenster öffnend.) +Tag, schein herein, und Leben, flieh hinaus! + +ROMEO +Ich steig hinab; laß dich noch einmal küssen! + +(Er steigt [aus dem Fenster] herab.) + +JULIA (aus dem Fenster ihm nachsehend.) +Freund! Gatte! Trauter! Bist du mir entrissen? +Gib Nachricht jeden Tag, zu jeder Stunde; +Schon die Minut enthält der Tage viel. +Ach, so zu rechnen bin ich hoch in Jahren, +Eh meinen Romeo ich wiederseh. + +ROMEO (außerhalb.) +Leb wohl! Kein Mittel laß ich aus den Händen, +Um dir, du Liebe, meinen Gruß zu senden. + +JULIA +O denkst du, daß wir je uns wiedersehn? + +ROMEO +Ich zweifle nicht, und all dies Leiden dient +In Zukunft uns zu süßerem Geschwätz. + +JULIA +O Gott, ich hab ein Unglück ahnend Herz, +Mir deucht, ich säh dich, da du unten bist, +Als lägst du tot in eines Grabes Tiefe. +Mein Auge trügt mich, oder du bist bleich. + +ROMEO +So, Liebe, scheinst du meinen Augen auch. +Der Schmerz trinkt unser Blut. Leb wohl, leb wohl! + +(Ab.) + +JULIA +O Glück, ein jeder nennt dich unbeständig; +Wenn du es bist: was tust du mit dem Treuen? +Sei unbeständig. Glück! Dann hältst du ihn +Nicht lange, hoff ich, sendest ihn zurück. + +GRÄFIN CAPULET (hinter der Szene.) +He, Tochter, bist du auf? + +JULIA +Wer ruft mich? Ist es meine gnädge Mutter? +Wacht sie so spät noch, oder schon so früh? +Welch ungewohnter Anlaß bringt sie her? + +(Gräfin Capulet kommt herein.) + +GRÄFIN CAPULET +Nun, Julia, wie gehts? + +JULIA + Mir ist nicht gut. + +GRÄFIN CAPULET +Noch immer weinend um des Vetters Tod? +Willst du mit Tränen aus der Gruft ihn waschen? +Und könntest du's, das rief' ihn nicht ins Leben; +Drum laß das! Trauern zeugt von vieler Liebe, +Doch zu viel trauern zeugt von wenig Witz. + +JULIA +Um einen Schlag, der so empfindlich traf, +Erlaubt zu weinen mir! + +GRÄFIN CAPULET + So trifft er dich; +Der Freund empfindet nichts, den du beweinst. + +JULIA +Doch ich empfind und muß den Freund beweinen. + +GRÄFIN CAPULET +Mein Kind, nicht seinen Tod so sehr beweinst du, +Als daß der Schurke lebt, der ihn erschlug. + +JULIA +Was für ein Schurke? + +GRÄFIN CAPULET + Nun, der Romeo. + +JULIA (beiseit.) +Er und ein Schurk sind himmelweit entfernt.-- + +(Laut.) + +Vergeb ihm Gott! Ich tu's von ganzem Herzen; +Und dennoch kränkt kein Mann, wie er, mein Herz. + +GRÄFIN CAPULET +Ja freilich, weil der Meuchelmörder lebt. + +JULIA +Ja, wo ihn diese Hände nicht erreichen!-- +O rächte niemand doch als ich den Vetter! + +GRÄFIN CAPULET +Wir wollen Rache nehmen, sorge nicht; +Drum weine du nicht mehr. Ich send an jemand +Zu Mantua, wo der Verlaufne lebt, +Der soll ein kräftig Tränkchen ihm bereiten, +Das bald ihn zum Gefährten Tybalts macht. +Dann wirst du hoffentlich zufrieden sein. + +JULIA +Fürwahr, ich werde nie mit Romeo +Zufrieden sein, erblick ich ihn nicht--tot--, +Wenn so mein Herz um einen Blutsfreund leidet. +Ach, fändet Ihr nur jemand, der ein Gift +Ihm reichte, gnädge Frau; ich wollt es mischen, +Daß Romeo, wenn ers genommen, bald +In Ruhe schliefe.--Wie mein Herz es haßt, +Ihn nennen hören--und nicht zu ihm können, +Die Liebe, die ich zu dem Vetter trug, +An dem, der ihn erschlagen hat, zu büßen! + +GRÄFIN CAPULET +Findst du das Mittel, find ich wohl den Mann. +Doch bring ich jetzt dir frohe Zeitung, Mädchen. + +JULIA +In so bedrängter Zeit kommt Freude recht. +Wie lautet sie, ich bitt Euch, gnädge Mutter? + +GRÄFIN CAPULET +Nun Kind, du hast 'nen aufmerksamen Vater: +Um dich von deinem Trübsinn abzubringen, +Ersann er dir ein plötzlich Freudenfest, +Des ich so wenig mich versah wie du. + +JULIA +Ei, wie erwünscht! Was wär das, gnädge Mutter? + +GRÄFIN CAPULET +Ja, denk dir, Kind, am Donnerstag frühmorgens +Soll der hochedle, wackre junge Herr, +Graf Paris, in Sankt Peters Kirche dich +Als frohe Braut an den Altar geleiten. + +JULIA +Nun, bei Sankt Peters Kirch und Petrus selbst, +Er soll mich nicht als frohe Braut geleiten! +Mich wundert diese Eil, daß ich vermählt +Muß werden, eh mein Freier kommt zu werben. +Ich bitt Euch, gnädge Frau, sagt meinem Vater +Und Herrn, ich wollte noch mich nicht vermählen, +Und wenn ichs tue, schwör ich: Romeo, +Von dem Ihr wißt, ich haß ihn, soll es lieber +Als Paris sein.--Fürwahr, das ist wohl Zeitung! + +GRÄFIN CAPULET +Da kommt dein Vater, sag du selbst ihm das, +Sieh, wie er sichs von dir gefallen läßt. + +(Capulet und die Wärterin kommen.) + +CAPULET +Die Luft sprüht Tau beim Sonnenuntergang, +Doch bei dem Untergange meines Neffen, +Da gießt der Regen recht. +Was? Eine Traufe, Mädchen? Stets in Tränen? +Stets Regenschauer? In so kleinem Körper +Spielst du auf einmal See und Wind und Kahn, +Denn deine Augen ebben stets und fluten +Von Tränen wie die See; dein Körper ist der Kahn, +Der diese salzge Flut befährt; die Seufzer +Sind Winde, die, mit deinen Tränen tobend, +Wie die mit ihnen, wenn nicht Stille plötzlich +Erfolgt, den hin und her geworfnen Körper +Zertrümmern werden.--Nun, wie steht es, Frau? +Hast du ihr unsern Ratschluß hinterbracht? + +GRÄFIN CAPULET +Ja, doch sie will es nicht, sie dankt Euch sehr. +Wär doch die Törin ihrem Grab vermählt! + +CAPULET +Sacht, rede deutlich, rede deutlich, Frau! +Was? Will sie nicht? Weiß sie uns keinen Dank? +Ist sie nicht stolz? Schätzt sie sich nicht beglückt, +Daß wir solch einen würdgen Herrn vermocht, +Trotz ihrem Unwert, ihr Gemahl zu sein? + +JULIA +Nicht stolz darauf, doch dankbar, daß Ihrs tatet. +Stolz kann ich nie auf das sein, was ich hasse, +Doch dankbar selbst für Haß, gemeint wie Liebe. + +CAPULET +Ei seht mir, seht mir! Kramst du Weisheit aus? +Stolz--und ich dank Euch--ner Schleife hin. +Pfui, du bleichsüchtges Ding, du lose Dirne! +Du Talggesicht! + +GRÄFIN CAPULET + O pfui! Seid Ihr von Sinnen? + +JULIA +Ich fleh Euch auf den Knien, mein guter Vater, +Hört mit Geduld ein einzig Wort nur an! + +CAPULET +Geh mir zum Henker, widerspenstge Dirne! +Ich sage dirs: zur Kirch auf Donnerstag, +Sonst komm mir niemals wieder vors Gesicht. +Sprich nicht! Erwidre nicht! Gib keine Antwort! +Die Finger jucken mir. O Weib, wir glaubten +Uns kaum genug gesegnet, weil uns Gott +Dies eine Kind nur sandte; doch nun seh ich, +Dies eine war um eines schon zuviel, +Und nur ein Fluch ward uns in ihr beschert. +Du Hexe! + +WÄRTERIN + Gott im Himmel segne sie! +Eur Gnaden tun nicht wohl, sie so zu schelten. + +CAPULET +Warum, Frau Weisheit? Haltet Euern Mund, +Prophetin! Schnattert mit Gevatterinnen! + +WÄRTERIN +Ich sage keine Schelmstück! + +CAPULET + Geht mit Gott! + +WÄRTERIN +Darf man nicht sprechen? + +CAPULET + Still doch, altes Waschmaul! +Spart Eure Predigt zum Gevatterschmaus; +Hier brauchen wir sie nicht. + +GRÄFIN CAPULET + Ihr seid zu hitzig! + +CAPULET +Gotts Sakrament, es macht mich toll! Bei Tag, +Bei Nacht, spät, früh, allein und in Gesellschaft, +Zu Hause, draußen, wachend und im Schlaf, +War meine Sorge stets, sie zu vermählen. +Nun, da ich einen Herrn ihr ausgemittelt, +Von fürstlicher Verwandtschaft, schönen Gütern, +Jung, edel auferzogen, ausstaffiert, +Wie man wohl sagt, mit ritterlichen Gaben, +Kurz, wie man einen Mann sich wünschen möchte, +Und dann ein albern, winselndes Geschöpf, +Ein weinerliches Püppchen da zu haben, +Die, wenn ihr Glück erscheint, zur Antwort gibt: +Heiraten will ich nicht, ich kann nicht lieben, +Ich bin zu jung, ich bitt, entschuldigt mich.-- +Gut, willst du nicht, du sollst entschuldigt sein; +Gras', wo du willst, du sollst bei mir nicht hausen. +Sieh zu! Bedenk! Ich pflege nicht zu spaßen. +Der Donnerstag ist nah: die Hand aufs Herz! +Und bist du mein, so soll mein Freund dich haben; +Wo nicht, geh, bettle, hungre, stirb am Wege! +Denn nie, bei meiner Seel, erkenn ich dich, +Und nichts, was mein, soll dir zugute kommen. +Bedenk dich! Glaub, ich halte, was ich schwur! + +(Ab.) + +JULIA +Und wohnt kein Mitleid droben in den Wolken, +Das in die Tiefe meines Jammers schaut? +O süße Mutter, stoß mich doch nicht weg! +Nur einen Monat, eine Woche Frist! +Wo nicht, bereite mir das Hochzeitsbette +In jener düstern Gruft, wo Tybalt liegt! + +GRÄFIN CAPULET +Sprich nicht zu mir, ich sage nicht ein Wort. +Tu, was du willst, denn ich bin mit dir fertig. + +(Ab.) + +JULIA +O Gott! Wie ist dem vorzubeugen, Amme? +Mein Gatt auf Erden, meine Treu im Himmel-- +Wie soll die Treu zur Erde wiederkehren, +Wenn sie der Gatte nicht, der Erd entweichend, +Vom Himmel sendet? Tröste, rate, hilf! +Weh, weh mir, daß der Himmel solche Tücken +An einem sanften Wesen übt wie mir! +Was sagst du? Hast du kein erfreuend Wort, +Kein Wort des Trostes? + +WÄRTERIN + Meiner Seel, hier ists: +Er ist verbannt, und tausend gegen eins, +Daß er sich nimmer wieder her getraut, +Euch anzusprechen; oder tät ers doch, +So müßt es schlechterdings verstohlen sein. +Nun, weil denn so die Sachen stehn, so denk ich, +Das beste wär, daß Ihr den Grafen nähmt. +Ach, er ist solch ein allerliebster Herr! +Ein Lump ist Romeo nur gegen ihn. +Ein Adlersauge, Fräulein, ist so grell, +So schön, so feurig nicht, wie Paris seins. +Ich will verwünscht sein, ist die zweite Heirat +Nicht wahres Glück für Euch; weit vorzuziehn +Ist sie der ersten. Oder wär sie's nicht? +Der erste Mann ist tot, so gut als tot; +Denn lebt er schon, habt Ihr doch nichts von ihm. + +JULIA +Sprichst du von Herzen? + +WÄRTERIN + Und von ganzer Seele, +Sonst möge Gott mich strafen! + +JULIA + Amen! + +WÄRTERIN + Was? + +JULIA +Nun ja, du hast mich wunderbar getröstet. +Geh, sag der Mutter, weil ich meinen Vater +Erzürnt, so woll ich nach Lorenzos Zelle, +Zu beichten und Vergebung zu empfangen. + +WÄRTERIN +Gewiß, das will ich; Ihr tut weislich dran. + +(Ab.) + +JULIA +O alter Erzfeind, höllischer Versucher! +Ists ärgre Sünde, so zum Meineid mich +Verleiten, oder meinen Gatten schmähn +Mit eben dieser Zunge, die zuvor +Viel tausendmal ihn ohne Maß und Ziel +Gepriesen hat?-- +Seht, wie sie fröhlich aus der Beichte kommt! + +(Julia tritt auf.) + +CAPULET +Nun, Starrkopf? Sag, wo bist herumgeschwärmt? + +JULIA +Wo ich gelernt, die Sünde zu bereun +Hartnäckgen Ungehorsams gegen Euch +Und Eur Gebot, und wo der heilge Mann +Mir auferlegt, vor Euch mich hinzuwerfen, +Vergebung zu erflehn.--Vergebt, ich bitt Euch! +Von nun an will ich stets Euch folgsam sein. + +CAPULET +Schickt nach dem Grafen, geht und sagt ihm dies. +Gleich morgen früh will ich dies Band geknüpft sehn. + +JULIA +Ich traf den jungen Grafen bei Lorenzo, +Und alle Huld und Lieb erwies ich ihm, +So das Gesetz der Zucht nicht übertritt. + +CAPULET +Nun wohl, das freut mich, das ist gut.--Steh auf! +So ist es recht.--Laßt mich den Grafen sehn. +Potztausend, geht, sag ich, und holt ihn her!-- +So wahr Gott lebt, der würdge fromme Pater, +Von unsrer ganzen Stadt verdient er Dank. + +JULIA +Kommt, Amme, wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer? +Mir helfen Putz erlesen, wie Ihr glaubt, +Daß mir geziemt, ihn morgen anzulegen? + +GRÄFIN CAPULET +Nein, nicht vor Donnerstag; es hat noch Zeit. + +CAPULET +Geh mit ihr, Amme, morgen gehts zur Kirche. + +(Julia und die Wärterin ab.) + +GRÄFIN CAPULET +Die Zeit wird kurz zu unsrer Anstalt fallen; +Es ist fast Nacht. + +CAPULET + Blitz! Ich will frisch mich rühren, +Und alles soll schon gehn, Frau, dafür steh ich. +Geh du zu Julien, hilf an ihrem Putz. +Ich gehe nicht zu Bett; laß mich gewähren, +Ich will die Hausfrau diesmal machen.--Heda!-- +Kein Mensch zur Hand?--Gut, ich will selber gehn +Zum Grafen Paris, um ihn anzutreiben +Auf morgen früh; mein Herz ist mächtig leicht, +Seit dies verkehrte Mädchen sich besonnen. + +(Capulet und die Gräfin ab.) + + + +DRITTE SZENE + +(Juliens Kammer) + +(Julia und die Wärterin.) + + +JULIA +Ja, dieser Anzug ist der beste.--Doch +Ich bitt dich, liebe Amme, laß mich nun +Für diese Nacht allein; denn viel Gebete +Tun not mir, um den Himmel zu bewegen, +Daß er auf meinen Zustand gnädig lächle, +Der, wie du weißt, verderbt und sündlich ist. + +(Gräfin Capulet kommt.) + +GRÄFIN CAPULET +Seid ihr geschäftig? Braucht ihr meine Hülfe? + +JULIA +Nein, gnädge Mutter, wir erwählten schon +Zur Tracht für morgen alles Zubehör. +Gefällt es Euch, so laßt mich jetzt allein +Und laßt zu Nacht die Amme mit Euch wachen, +Denn sicher habt Ihr alle Hände voll +Bei dieser eilgen Anstalt. + +GRÄFIN CAPULET + Gute Nacht! +Geh nun zu Bett und ruh; du hast es nötig. + +(Gräfin Capulet und die Wärterin ab.) + +JULIA +Lebt wohl!--Gott weiß, wann wir uns wiedersehn. +Kalt rieselt matter Schau'r durch meine Adern, +Der fast die Lebenswärm erstarren macht. +Ich will zurück sie rufen mir zum Trost. +Amme!--Doch was soll sie hier? +Mein düstres Spiel muß ich allein vollenden. +Komm du, mein Kelch!-- +Doch wie, wenn dieser Trank nun gar nichts wirkte, +Wird man dem Grafen mit Gewalt mich geben? +Nein, nein! Dies solls verwehren. Lieg du hier!-- + +(Sie legt einen Dolch neben sich.) + +Wie? Wär es Gift, das mir mit schlauer Kunst +Der Mönch bereitet, mir den Tod zu bringen, +Auf daß ihn diese Heirat nicht entehre, +Weil er zuvor mich Romeo vermählt? +So, fürcht ich, ists!--Doch dünkt mich, kanns nicht sein, +Denn er ward stets ein frommer Mann erfunden. +Ich will nicht Raum so bösem Argwohn geben. +Wie aber, wenn ich, in die Gruft gelegt, +Erwache vor der Zeit, da Romeo +Mich zu erlösen kommt? Furchtbarer Fall! +Werd ich dann nicht in dem Gewölb ersticken, +Des giftger Mund nie reine Lüfte einhaucht, +Und so erwürgt da liegen, wann er kommt? +Und leb ich auch, könnt es nicht leicht geschehn, +Daß mich das grause Bild von Tod und Nacht +Zusammen mit den Schrecken jenes Ortes +Dort im Gewölb in alter Katakombe, +Wo die Gebeine aller meiner Ahnen +Seit vielen hundert Jahren aufgehäuft, +Wo frisch beerdigt erst der blutge Tybalt +Im Leichentuch verwest; wo, wie man sagt, +In mitternächtger Stunde Geister hausen-- +Weh, weh!--könnt es nicht leicht geschehn, daß ich, +Zu früh erwachend--und nun ekler Dunst, +Gekreisch wie von Alraunen, die man aufwühlt, +Das Sterbliche, die's hören, sinnlos macht-- +Oh, wach ich auf, werd ich nicht rasend werden, +Umringt von all den greuelvollen Schrecken, +Und toll mit meiner Väter Gliedern spielen? +Und Tybalt aus dem Leichentuche zerren? +Und in der Wut mit irgendeines Ahnherrn +Gebein zerschlagen mein zerrüttet Hirn? +O da! Mich dünkt, ich sehe Tybalts Geist! +Er späht nach Romeo, der seinen Leib +Auf einen Degen spießte.--Tybalt, halt!-- +Ich komme, Romeo! Dies trink ich dir! + +([Sie trinkt und] wirft sich auf das Bett.) + + + +VIERTE SZENE + +(Ein Saal in Capulets Hause) + +(Gräfin Capulet und die Wärterin.) + + +GRÄFIN CAPULET +Da, nehmt die Schlüssel, holt noch mehr Gewürz! + +WÄRTERIN +Sie wollen Quitten und Orangen haben +Für ihre Bäckerei. + +(Capulet kommt.) + +CAPULET +Auf, rührt euch, frisch! Schon kräht der zweite Hahn, +Die Morgenglocke läutet; 's ist drei Uhr. +Sieh nach dem Backwerk, Frau Angelika, +Spar nichts daran! + +WÄRTERIN + Topfgucker! Geht nur, geht! +Macht Euch zu Bett! Ja, Ihr seid morgen krank, +Wenn Ihr die ganze Nacht nicht schlaf! + +CAPULET +Kein bißchen! Was! Ich hab um Kleiners wohl +Die Nächte durchgewacht und war nie krank. + +GRÄFIN CAPULET +Ja, ja! Ihr wart ein feiner Vogelsteller +Zu Eurer Zeit! Nun aber will ich Euch +Vor solchem Wachen schon bewachen. + +(Gräfin und Wärterin ab.) + +CAPULET +O Ehestand, o Wehestand! Nun, Kerle! + +(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben treten auf.) + +Was bringt ihr da! + +(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben gehn über die Bühne.) + +ERSTER DIENER +'s ist für den Koch, Herr; was, das weiß ich nicht. + +CAPULET +Macht zu, macht zu! + +(Erster Diener ab.) + + Hol trockne Klötze, Bursch! +Ruf Petern, denn der weiß es, wo sie sind. + +ZWEITER DIENER +Braucht Ihr 'nen Klotz, Herr, bin ich selber da +Und hab nicht nötig, Petern anzugehn. + +(Ab.) + +CAPULET +Blitz! Gut gesagt! Ein lustger Teufel! ha, +Du sollst das Haupt der Klötze sein.--Wahrhaftig, +'s ist Tag; der Graf wird mit Musik gleich kommen. +Das woll er, sagt' er ja; ich hör ihn schon. + +(Musik hinter der Szene.) + +Frau! Wärterin! He, sag ich, Wärterin! + +(Die Wärterin kommt.) + +Weckt Julien auf! Geht, putzt sie mir heraus! +Ich geh indes und plaudre mit dem Grafen. +Eilt Euch, macht fort! Der Bräutgam ist schon da. +Fort, sag ich Euch. + +(Beide ab.) + + + +FÜNFTE SZENE + +(Juliens Kammer) + +(Julia auf dem Bett. Die Wärterin kommt.) + + +WÄRTERIN +Fräulein!--Nun, Fräulein! Julia!--Nun, das schläft! +He, Lamm! He, Fräulein! Pfui, Langschläferin! +Mein Schätzchen, sag ich! Süßes Herz! Mein Bräutchen! +Was, nicht ein Laut? Ihr nehmt Eur Teil voraus, +Schlaft für 'ne Woche; denn ich steh dafür, +Auf nächste Nacht hat seine Ruh Graf Paris +Daran gesetzt, daß wenig Ruh Ihr habt! +Behüt der Herr sie! Wie gesund sie schläft! +Ich muß sie aber wecken.--Fräulein! Fräulein! +Laßt Euch den Grafen nur im Bett ertappen, +Der wird Euch schon ermuntern; meint Ihr nicht?-- +Was, schon in vollen Kleidern? Und so wieder +Sich hingelegt? Ich muß durchaus Euch wecken. +He, Fräulein! Fräulein! Fräulein!-- +Daß Gott, daß Gott! Zu Hülfe! Sie ist tot! +Ach, liebe Zeit! Daß ich je ward geboren! +Bringt Weingeist, he! He, gnädger Herr! Frau Gräfin! + +(Grafin Capulet kommt.) + +GRÄFIN CAPULET +Was ist das für ein Lärm? + +WÄRTERIN + O Unglückstag! + +GRÄFIN CAPULET +Was gibts? + +WÄRTERIN + Seht, seht nur! O betrübter Tag! + +GRÄFIN CAPULET +O weh, o weh! Mein Kind, mein einzig Leben! +Erwach, leb auf, ich sterbe sonst mit dir! +O Hülfe, Hülfe! Ruft doch Hülfe! + +(Capulet kommt.) + +CAPULET +Schämt euch! Bringt Julien her! Der Graf ist da. + +WÄRTERIN +Ach sie ist tot, verblichen, tot! O wehe! + +GRÄFIN CAPULET +O wehe, wehe, sie ist tot, tot, tot! + +CAPULET +Laßt mich sie sehn!--Gott helf uns! Sie ist kalt, +Ihr Blut steht still, die Glieder sind ganz starr, +Von diesen Lippen schied das Leben längst, +Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost +Auf des Gefildes schönster Blume liegt. +Fluch dieser Stund! Ich armer alter Mann! + +WÄRTERIN +O Unglückstag! + +GRÄFIN CAPULET + O jammervolle Stunde! + +CAPULET +Der Tod, der mir sie nahm, mir Klagen auszupressen, +Er bindet meine Zung und macht sie stumm. + +(Bruder Lorenzo, Graf Paris und Musikanten treten auf.) + +LORENZO +Kommt! Ist die Braut bereit zur Kirch zu gehn? + +CAPULET +Bereit zu gehn, um nie zurückzukehren.-- +O Sohn, die Nacht vor deiner Hochzeit buhlte +Der Tod mit deiner Braut. Sieh, wie sie liegt, +Die Blume, die in seinem Arm verblühte. +Mein Eidam ist der Tod, der Tod mein Erbe; +Er freite meine Tochter. Ich will sterben, +Ihm alles lassen; wer das Leben läßt, +Der läßt dem Tode alles. + +PARIS +Hab ich nach dieses Morgens Licht geschmachtet, +Und bietet es mir solchen Anblick dar? + +GRÄFIN CAPULET +Unseliger, verhaßter, schwarzer Tag! +Der Stunden jammervollste, so die Zeit +Seit ihrer langen Pilgerschaft gesehn. +Nur eins, ein einzig armes, liebes Kind, +Ein Wesen nur, mich dran zu freun, zu laben-- +Und grausam riß es nun der Tod mir weg! + +WÄRTERIN +O Weh! O Jammer--Jammer--Sachen hier sehn gar erbärmlich aus. + +(Ab.) + +[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT (zeigt auf sein Instrument.) +Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen, +aber sie klingen doch gut. + +{Im Original bezieht der Musiker den Ausspruch der Amme aufgrund +der Doppeldeutigkeit des Wortes "case" (Sache, Kasten) auf den +Kasten für sein Instrument: "Ja, bei meiner Treu, den Kasten kann +man doch ausbessern."} + +PETER +O Musikanten, Musikanten, spielt: +"Frisch auf, mein Herz! Frisch auf, mein Herz, und singe!" +O spielt, wenn euch mein Leben lieb ist, spielt: +"Frisch auf, mein Herz!" + +ERSTER MUSIKANT +Warum: "Frisch auf, mein Herz?" + +PETER +O Musikanten, weil mein Herz selber spielt: "Mein Herz voll Angst +und Nöten." O spielt mir eine lustige Litanei, um mich aufzurichten. + +[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT +Nichts da von Litanei! Es ist jetzt nicht Spielens Zeit. + +PETER +Ihr wollt es also nicht? + +[MUSIKANTEN] ERSTER MUSIKANT +Nein. + +PETER +Nun, so will ich es euch schon [eintränken] gründlich geben. + +ERSTER MUSIKANT +Was wollt Ihr uns [eintränken] geben? + +PETER +[Keinen Wein] Kein Geld, wahrhaftig; sondern Spott,--ich werde +es euch geben, indem ich euch als Spielmänner beschimpfe. + +ERSTER MUSIKANT +Dann werde ich Euch eine Dienstboten-Kreatur nennen. + +PETER +Dann wird Euer Schädel den Dolch dieser Dienstboten-Kreatur zu +spüren bekommen. Ich dulde solche Töne nicht: [ich will euch eure +Instrumente um den Kopf schlagen.] Ich will euch befa-sol-laen. +Das notiert euch! + +ERSTER MUSIKANT +Wenn Ihr uns befa-sol-laet, so notiert Ihr uns. + +ZWEITER MUSIKANT +Bitte steckt Euren Dolch ein und zieht Euren Witz hervor. + +PETER +Dann legt euch mit meinem Witz an! Ich werde euch mit eisernem +Witz verbleuen und meinen eisernen Dolch einstecken.-- +[Hört, spannt mir einmal eure Schafsköpfe wie die Schafsdärme an +euren Geigen.] Antwortet verständlich: Wenn in der Leiden hartem Drang +Das bange Herze will erliegen, +Musik mit ihrem Silberklang--Warum "Silberklang"? warum "Musik +mit ihrem Silberklang"? Was sagt Ihr, Hans Kolophonium? + +ERSTER MUSIKANT +Ei nun, Musje, weil Silber einen feinen Klang hat. + +PETER +Recht artig! Was sagt Ihr, Michel Hackebrett? + +ZWEITER MUSIKANT +Ich sage "Silberklang", weil Musik nur für Silber klingt. + +PETER +Auch recht artig! Was sagt Ihr, Jakob Gellohr? + +DRITTER MUSIKANT +Mein Seel, ich weiß nicht, was ich sagen soll. + +PETER +Oh, ich bitt Euch um Vergebung! Ihr seid der Sänger, Ihr singt +nur; so will ich es denn für Euch sagen. Es heißt "Musik mit +ihrem Silberklang", weil solche Kerle wie Ihr kein Gold fürs +Spielen kriegen! Musik mit ihrem Silberklang +Weiß hülfreich ihnen obzusiegen. + +(Geht [singend] ab.) + +ERSTER MUSIKANT +Was für ein Pestkerl ist das? + +ZWEITER MUSIKANT +Hol ihn der Henker! Kommt, wir wollen hier hineingehn, auf +die Trauerleute warten und sehen, ob es nichts zu essen gibt. + +(Alle ab.) + + + + +FÜNFTER AKT + + + +ERSTE SZENE + +(Mantua. Eine Straße) + +(Romeo tritt auf.) + + +ROMEO +Darf ich dem Schmeichelblick des Schlafes traun, +So deuten meine Träum ein nahes Glück. +Leicht auf dem Thron sitzt meiner Brust Gebieter; +Mich hebt ein ungewohnter Geist mit frohen +Gedanken diesen ganzen Tag empor. +Mein Mädchen, träumt ich, kam und fand mich tot +--Seltsamer Traum, der Tote denken läßt!-- +Und hauchte mir solch Leben ein mit Küssen, +Daß ich vom Tod erstand und Kaiser war. +Ach Herz! Wie süß ist Liebe selbst begabt, +Da schon so reich an Freud ihr Schatten ist! + +(Balthasar tritt auf.) + +Ha, Neues von Verona! Sag, wie stehts? +Bringst du vom Pater keine Briefe mit? +Was macht mein teures Weib? Wie lebt mein Vater? +Ist meine Julie wohl? Das frag ich wieder, +Denn nichts kann übel stehn, gehts ihr nur wohl. + +BALTHASAR +Nun, ihr gehts wohl, und nichts kann übel stehn. +Ihr Körper schläft in Capulets Begräbnis, +Und ihr unsterblich Teil lebt bei den Engeln. +Ich sah sie senken in der Väter Gruft +Und ritt in Eil hieher, es Euch zu melden. +O Herr, verzeiht die schlimme Botschaft mir, +Weil Ihr dazu den Auftrag selbst mir gabt! + +ROMEO +Ist es denn so? Ich biet euch Trotz, ihr Sterne!-- +Du kennst mein Haus, hol mir Papier und Tinte +Und miete Pferde; ich will fort zu Nacht. + +BALTHASAR +Verzeiht, ich darf Euch so nicht lassen, Herr! +Ihr seht so blaß und wild, und Eure Blicke +Weissagen Unglück. + +ROMEO + Nicht doch, du betrügst dich. +Laß mich und tu, was ich dich heiße tun. +Hast du für mich vom Pater keine Briefe? + +BALTHASAR +Nein, bester Herr. + +ROMEO + Es tut nichts; mach dich auf +Und miete Pferd', ich komme gleich nach Haus. + +(Balthasar ab.) + +Wohl, Julia, heute nacht ruh ich bei dir. +Ich muß auf Mittel sinnen.--O wie schnell +Drängt Unheil sich in der Verzweiflung Rat! +Mir fällt ein Apotheker ein; er wohnt +Hier irgendwo herum.--Ich sah ihn neulich, +Zerlumpt, die Augenbrauen überhangend; +Er suchte Kräuter aus; hohl war sein Blick, +Ihn hatte herbes Elend ausgemergelt. +Ein Schildpatt hing in seinem dürftgen Laden, +Ein ausgestopftes Krokodil und Häute +Von mißgestalten Fischen; auf dem Sims +Ein bettelhafter Prunk von leeren Büchsen +Und grüne Töpfe, Blasen, muffger Samen, +Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen, +Das alles dünn verteilt, zur Schau zu dienen. +Betrachtend diesen Mangel, sagt ich mir: +Bedürfte jemand Gift hier, des Verkauf +In Mantua sogleich zum Tode führt, +Da lebt ein armer Schelm, ders ihm verkaufte. +Oh, der Gedanke zielt' auf mein Bedürfnis, +Und dieser dürftge Mann muß mirs verkaufen. +Soviel ich mich entsinn, ist dies das Haus. +Weils Festtag ist, schloß seinen Kram der Bettler. +Hei Holla! Apotheker! + +(Der Apotheker kommt heraus.) + +APOTHEKER + Wer ruft so laut? + +ROMEO +Mann, komm hieher!--erregt mir Schrecken. + +(Entfernt sich.) + +ROMEO +O du verhaßter Schlund, du Bauch des Todes, +Der du der Erde Köstlichstes verschlangst, +So brech ich deine morschen Kiefer auf + +(Er bricht die Tür des Grabmals auf.) + +Und will, zum Trotz, noch mehr dich überfüllen. + +(Er bricht die Tür des Gewölbes auf.) + +PARIS +Ha, der verbannte, stolze Montague, +Der Juliens Vetter mordete; man glaubt, +An diesem Grame starb das holde Wesen. +Hier kommt er jetzt, um niederträchtgen Schimpf +Den Leichen anzutun; ich will ihn greifen! + +(Tritt hervor.) + +Laß dein verruchtes Werk, du Montague! +Wird Rache übern Tod hinaus verfolgt? +Verdammter Bube, ich verhafte dich; +Gehorch und folge mir, denn du mußt sterben. + +ROMEO +Fürwahr, das muß ich; darum kam ich her. +Versuch nicht, guter Jüngling, den Verzweifelnden! +Entflieh und laß mich; denke dieser Toten! +Laß sie dich schrecken!--Ich beschwör dich, Jüngling, +Lad auf mein Haupt nicht eine neue Sünde, +Wenn du zur Wut mich reizest; geh, o geh, +Bei Gott, ich liebe mehr dich wie mich selbst, +Denn gegen mich gewaffnet komm ich her. +Fort, eile, leb und nenn barmherzig ihn, +Den Rasenden, der dir gebot zu fliehn! + +PARIS +Ich kümmre mich um dein Beschwören nicht +Und greife dich als Missetäter hier. + +ROMEO +Willst du mich zwingen? Knabe, sieh dich vor! + +(Sie fechten.) + +PAGE +Sie fechten! Gott, ich will die Wache rufen. + +PARIS +O ich bin hin!-- + +(Fällt.) + + Hast du Erbarmen, öffne +Die Gruft und lege mich zu Julien. + +(Er stirbt.) + +ROMEO +Auf Ehr, ich wills.--Laßt sein Gesicht mich schaun. +Mercutios edler Vetter ists, Graf Paris. +Was sagte doch mein Diener, weil wir ritten, +Als die bestürmte Seel es nicht vernahm? +Ich glaube, Julia habe sich mit Paris +Vermählen sollen: sagt' er mir nicht so? +Wie, oder träumt ichs? Oder bild ichs mir +Im Wahnsinn ein, weil er von Julien sprach? +O gib mir deine Hand, du, so wie ich, +Ins Buch des herben Unglücks eingezeichnet! +Ich bette dich in eine stolze Gruft. +Doch Gruft? Nein, helle Wölbung, Jungerschlagner! +Denn hier liegt Julia: ihre Schönheit macht +Dies Grab zur Feierhalle voll von Licht. +Toter, lieg da, von totem Mann begraben! + +(Er legt Paris in das Begräbnis.) + +Wie oft sind Menschen, schon des Todes Raub, +Noch fröhlich worden! Ihre Wärter nennens +Den letzten Lebensblitz. Wohl mag nun dies +Ein Blitz mir heißen.--O mein Herz! Mein Weib! +Der Tod, der deines Odems Balsam sog, +Hat über deine Schönheit nichts vermocht. +Noch bist du nicht besiegt; der Schönheit Fahne +Weht purpurn noch auf Lipp und Wange dir; +Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner.-- +Liegst du da, Tybalt, in dem blutgen Tuch? +O welchen größern Dienst kann ich dir tun, +Als mit der Hand, die deine Jugend fällte, +Des Jugend, der dein Feind war, zu zerreißen? +Vergib mir, Vetter!--Liebe Julia, +Warum bist du so schön noch? Soll ich glauben, +Der körperlose Tod entbrenn in Lieb +Und der verhaßte, hagre Unhold halte +Als seine Buhle hier im Dunkeln dich? +Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen +Und will aus diesem Palast dichter Nacht +Nie wieder weichen. Hier, hier will ich bleiben +Mit Würmern, so dir Dienerinnen sind. +O hier bau ich die ewge Ruhstatt mir +Und schüttle von dem lebensmüden Leibe +Das Joch feindseliger Gestirne.--Augen, +Blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte +Umarmung! Und, o Lippen, ihr, die Tore +Des Odems, siegelt mit rechtmäßgem Kusse +Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod. +Komm, bittrer Führer, widriger Gefährt, +Verzweifelter Pilot! Nun treib auf einmal +Dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung! +Dies auf dein Wohl, wo du auch stranden magst! +Dies meiner Lieben!-- + +(Er trinkt.) + + O wackrer Apotheker, +Dein Trank wirkt schnell.--Und so im Kusse sterb ich. + +(Er stirbt, Bruder Lorenzo kommt vom andern Ende des Kirchhofes +mit Laterne Brecheisen und Spaten.) + +LORENZO +Helf mir Sankt Franz! Wie oft sind über Gräber +Nicht meine alten Füße heut gestolpert. +Wer ist da? +Wer ists, der noch so spät zu Toten geht? + +{"Who is it that consorts, so late, the dead?" Dieser Vers findet +sich in der Fassung des "Project Gutenberg Shakespeare Team's", +fehlt aber in allen anderen mir bekannten Ausgaben.} + +BALTHASAR +Ein Freund, und einer, dem Ihr wohl bekannt. + +LORENZO +Gott segne dich! Sag mir, mein guter Freund, +Welch eine Fackel ists, die dort ihr Licht +Umsonst den Würmern leiht und blinden Schädeln? +Mir scheint, sie brennt in Capulets Begräbnis. + +BALTHASAR +Ja, würdger Pater, und mein Herr ist dort, +Ein Freund von Euch. + +LORENZO + Wer ist es? + +BALTHASAR + Romeo. + +LORENZO +Wie lange schon? + +BALTHASAR + Voll eine halbe Stunde. + +LORENZO +Geh mit mir zu der Gruft! + +BALTHASAR + Ich darf nicht, Herr. +Mein Herr weiß anders nicht, als ich sei fort, +Und drohte furchtbarlich den Tod mir an, +Blieb ich, um seinen Vorsatz auszuspähn. + +LORENZO +So bleib, ich geh allein.--Ein Graun befällt mich; +Oh, ich befürchte sehr ein schlimmes Unglück! + +BALTHASAR +Derweil ich unter dieser Eibe schlief, +Träumt ich, mein Herr und noch ein andrer föchten, +Und er erschlüge jenen. + +LORENZO + Romeo? + +(Er geht weiter nach vorn.) + +O wehe, weh mir! Was für Blut befleckt +Die Steine hier an dieses Grabmals Schwelle? +Was wollen diese herrenlosen Schwerter, +Daß sie verfärbt hier liegen an der Stätte +Des Friedens? + +(Er geht in das Begräbnis.) + + Romeo?--Ach, bleich!--Wer sonst? +Wie? Paris auch? Und in sein Blut getaucht? +O welche unmitleidge Stund ist schuld +An dieser kläglichen Begebenheit?-- +Das Fräulein regt sich. + +JULIA (erwachend.) +O Trostesbringer! Wo ist mein Gemahl? +Ich weiß recht gut noch, wo ich sollte sein; +Da bin ich auch. Wo ist mein Romeo? + +(Geräusch von Kommenden.) + +LORENZO +Ich höre Lärm.--Kommt, Fräulein, flieht die Grube +Des Tods, der Seuchen, des erzwungnen Schlafs; +Denn eine Macht, zu hoch dem Widerspruch, +Hat unsern Rat vereitelt. Komm, o komm! +Dein Gatte liegt an deinem Busen tot, +Und Paris auch; komm, ich versorge dich +Bei einer Schwesternschaft von heilgen Nonnen. +Verweil mit Fragen nicht; die Wache kommt. +Geh, gutes Kind! + +(Geräusch hinter der Szene.) + + Ich darf nicht länger bleiben. + +(Ab.) + +JULIA +Geh nur, entweich, denn ich will nicht von hinnen.-- + +(Bruder Lorenzo geht ab.) + +Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt +In meines Trauten Hand?--Gift, seh ich, war +Sein Ende vor der Zeit.--O Böser! Alles +Zu trinken, keinen gütgen Tropfen mir +Zu gönnen, der mich zu dir brächt?--Ich will +Dir deine Lippen küssen. Ach, vielleicht +Hängt noch ein wenig Gift daran und läßt mich +An einer Labung sterben. + +(Sie küßt ihn.) + + Deine Lippen +Sind warm. + +ERSTER WÄCHTER (hinter der Szene.) + Wo ist es, Knabe? Führ uns! + +JULIA +Wie? Lärm?--Dann schnell nur! + +(Sie ergreift Romeos Dolch.) + + O willkommner Dolch! + +(Sie ergreift Romeos Dolch.) + +Dies werde deine Scheide. + +(Ersticht sich.) + + Roste da +Und laß mich sterben! + +(Sie fällt auf Romeos Leiche und stirbt. +Wächter mit dem Pagen des Paris.) + +PAGE +Dies ist der Ort, da, wo die Fackel brennt. + +ERSTER WÄCHTER +Der Boden ist voll Blut; durchsucht den Kirchhof, +Ein paar von euch; geht, greifet, wen ihr trefft. + +(Einige von der Wache ab.) + +Betrübt zu sehn! Hier liegt der Graf erschlagen, +Und Julia blutend, warm und kaum verschieden, +Die schon zwei Tage hier begraben lag.-- +Geht, sagts dem Fürsten! Weckt die Capulets! +Lauft zu den Montagues! Ihr andern sucht! + +(Andre Wächter ab.) + +Wir sehn den Grund, der diesen Jammer trägt; +Allein den wahren Grund des bittern Jammers +Erfahren wir durch näh're Kundschaft nur. + +(Einige von der Wache kommen mit Balthasar zurück.) + +ZWEITER WÄCHTER +Hier ist der Diener Romeos; wir fanden +Ihn auf dem Kirchhof. + +ERSTER WÄCHTER +Bewahrt ihn sicher, bis der Fürst erscheint! + +([Ein andrer] Andere Wächter kommen zurück mit Lorenzo.) + +DRITTER WÄCHTER +Hier ist ein Mönch, der zittert, weint und ächzt; +Wir nahmen ihm den Spaten und die Haue, +Als er von jener Seit des Kirchhofs kam. + +ERSTER WÄCHTER +Verdächtges Zeichen! Haltet auch den Mönch! + +(Der Prinz und sein Gefolge.) + +PRINZ +Was für ein Unglück ist so früh schon wach, +Das Uns aus Unsrer Morgenruhe stört? + +(Capulet, Gräfin Capulet und andre kommen.) + +CAPULET +Was ists, daß draußen so die Leute schrein? + +GRÄFIN CAPULET +Das Volk ruft auf den Straßen: "Romeo" +Und "Julia" und "Paris"; alles rennt +Mit lautem Ausruf unserm Grabmal zu. + +PRINZ +Welch Schrecken ists, das Unser Ohr betäubt? + +ERSTER WÄCHTER +Durchlauchtger Herr, entleibt liegt hier Graf Paris; +Tot Romeo; und Julia, tot zuvor, +Noch warm und erst getötet. + +PRINZ +Sucht, späht, erforscht die Täter dieser Greuel! + +ERSTER WÄCHTER +Hier ist ein Mönch und Romeos Bedienter; +Man fand Gerät bei ihnen, das die Gräber +Der Toten aufzubrechen dient. + +CAPULET + O Himmel! +O Weib! Sieh hier, wie unsre Tochter blutet. +Der Dolch hat sich verirrt; sieh seine Scheide +Liegt ledig auf dem Rücken Montagues, +Er selbst steckt fehl in unsrer Tochter Busen. + +GRÄFIN CAPULET +O weh mir! Dieser Todesanblick mahnt +Wie Grabgeläut mein Alter an die Grube. + +(Montague und andre kommen.) + +PRINZ +Komm, Montague! Früh hast du dich erhoben, +Um früh gefallen deinen Sohn zu sehn. + +MONTAGUE +Ach, gnädger Fürst, mein Weib starb diese Nacht; +Gram um des Sohnes Bann entseelte sie. +Welch neues Leid bricht auf mein Alter ein? + +PRINZ +Schau hin, und du wirst sehn. + +MONTAGUE +O Ungeratner! Was ist das für Sitte, +Vor deinem Vater dich ins Grab zu drängen? + +PRINZ +Versiegelt noch den Mund des Ungestüms, +Bis wir die Dunkelheiten aufgehellt +Und ihren Quell und wahren Ursprung wissen. +Dann will ich Eurer Leiden Hauptmann sein +Und selbst zum Tod Euch führen.--Still indes! +Das Mißgeschick sei Sklave der Geduld. - +Führt die verdächtigen Personen vor! + +LORENZO +Mich trifft, obschon den Unvermögendsten, +Am meisten der Verdacht des grausen Mordes, +Weil Zeit und Ort sich gegen mich erklärt. +Hier steh ich, mich verdammend und verteidgend, +Der Kläger und der Anwalt meiner selbst. + +PRINZ +So sag ohn Umschweif, was du hievon weißt! + +LORENZO +Kurz will ich sein, denn kurze Frist des Atems +Versagt gedehnte Reden. Romeo, +Der tot hier liegt, war dieser Julia Gatte, +Und sie, die tot hier liegt, sein treues Weib. +Ich traute heimlich sie, ihr Hochzeittag +War Tybalts letzter, des unzeitger Tod +Den jungen Gatten aus der Stadt verbannte; +Und Julia weint' um ihn, nicht um den Vetter. +Ihr, um den Gram aus ihrer Brust zu treiben, +Verspracht und wolltet sie dem Grafen Paris +Vermählen mit Gewalt. Da kommt sie zu mir +Mit wildem Blick, heißt mich auf Mittel sinnen, +Um dieser zweiten Heirat zu entgehn, +Sonst wollt in meiner Zelle sie sich töten. +Da gab ich, so belehrt durch meine Kunst, +Ihr einen Schlaftrunk; er bewies sich wirksam +Nach meiner Absicht, denn er goß den Schein +Des Todes über sie. Indessen schrieb ich +An Romeo, daß er sich herbegäbe +Und hülf aus dem erborgten Grab sie holen +In dieser Schreckensnacht, als um die Zeit, +Wo jenes Trankes Kraft erlösche. Doch +Den Träger meines Briefs, den Bruder Markus, +Hielt Zufall auf, und gestern abend bracht er +Ihn mir zurück. Nun ging ich ganz allein +Um die bestimmte Stunde des Erwachens, +Sie zu befrein aus ihrer Ahnen Gruft, +Und dacht in meiner Zelle sie zu bergen, +Bis ich es Romeo berichten könnte. +Doch wie ich kam, Minuten früher nur, +Eh sie erwacht', fand ich hier tot zu früh +Den treuen Romeo, den edlen Paris. +Jetzt wacht' sie auf; ich bat sie, fortzugehn +Und mit Geduld des Himmels Hand zu tragen; +Doch da verscheucht' ein Lärm mich aus der Gruft. +Sie, in Verzweiflung, wollte mir nicht folgen +Und tat, so scheints, sich selbst ein Leides an. +Dies weiß ich nur; und ihre Heirat war +Der Wärterin vertraut. Ist etwas hier +Durch mich verschuldet, laßt mein altes Leben, +Nur wenig Stunden vor der Zeit, der Härte +Des strengsten Richterspruchs geopfert werden. + +PRINZ +Wir kennen dich als einen heilgen Mann.-- +Wo ist der Diener Romeos? Was sagt er? + +BALTHASAR +Ich brachte meinem Herrn von Juliens Tod +Die Zeitung, und er ritt von Mantua +In Eil zu diesem Platz, zu diesem Grabmal. +Den Brief hier gab er mir für seinen Vater, +Und drohte Tod mir, als er in die Gruft ging, +Wo ich mich nicht entfernt und dort ihn ließe. + +PRINZ +Gib mir den Brief; ich will ihn überlesen.-- +Wo ist der Bub des Grafen, der die Wache +Geholt?--Sag, Bursch, was machte hier dein Herr? + +PAGE +Er kam, um Blumen seiner Braut aufs Grab +Zu streun, und hieß mich fern stehn, und das tat ich. +Drauf naht' sich wer mit Licht, das Grab zu öffnen, +Und gleich zog gegen ihn mein Herr den Degen; +Alsbald lief ich davon und holte Wache. + +PRINZ +Hier dieser Brief bewährt das Wort des Mönchs, +Den Liebesbund, die Zeitung ihres Todes; +Auch schreibt er, daß ein armer Apotheker +Ihm Gift verkauft, womit er gehen wolle +Zu Juliens Gruft, um neben ihr zu sterben.-- +Wo sind sie, diese Feinde?--Capulet, Montague! +Seht, welch ein Fluch auf eurem Hasse ruht, +Daß Liebe eure Freuden töten muß! +Und ich, weil ich dem Zwiespalt nachgesehn, +Verlor auch zwei Verwandte. Alle büßen. + +CAPULET +O Bruder Montague, gib mir die Hand! +Das ist das Leibgedinge meiner Tochter, +Denn mehr kann ich nicht fordern. + +MONTAGUE + Aber ich +Vermag dir mehr zu geben; denn ich will +Aus klarem Gold ihr Bildnis fertgen lassen. +Solang Verona seinen Namen trägt, +Komm nie ein Bild an Wert dem Bilde nah +Der treuen, liebevollen Julia. + +CAPULET +So reich will ich es Romeo bereiten. +O arme Opfer unsrer Zwistigkeiten! + +PRINZ +Nur düstern Frieden bringt uns dieser Morgen; +Die Sonne scheint, verhüllt vor Weh, zu weilen. +Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen, +Ich will dann strafen oder Gnad erteilen, +Denn nie verdarben Liebende noch so +Wie diese: Julia und ihr Romeo. + +(Alle ab.) + + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Romeo und Julia, von +William Shakespeare (Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel) + + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, ROMEO UND JULIA *** + +This file should be named 6996-8.txt or 6996-8.zip + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. 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This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04 + +Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. 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