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-The Project Gutenberg eBook of Der Sagenkreis der Niebelungen, by
-Georg Holz
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you
-will have to check the laws of the country where you are located before
-using this eBook.
-
-Title: Der Sagenkreis der Niebelungen
-
-Author: Georg Holz
-
-Release Date: July 23, 2022 [eBook #68594]
-
-Language: German
-
-Produced by: the Online Distributed Proofreading Team at
- https://www.pgdp.net
-
-*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SAGENKREIS DER
-NIEBELUNGEN ***
-
-
- ####################################################################
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
- Der vorliegende Text wurde anhand der 1914 erschienenen Buchausgabe
- so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische
- Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und
- altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
- unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.
-
- Einige Gedichtzeilen enthalten Zäsuren, die durch breite Leerzeichen
- versinnbildlicht werden. Dies wurde so aus dem Original übernommen.
-
- Die Buchwerbung wurde am Ende des Texts zusammengefasst. Der hierin
- erwähnte Buchkatalog ‚Wissenschaft und Bildung‘ wurde herausgelöst
- und getrennt bearbeitet; dieser kann auf ‚Projekt Gutenberg‘
- eingesehen werden: https://gutenberg.org/ebooks/60431.
-
- Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Besondere
- Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden
- Sonderzeichen gekennzeichnet:
-
- fett: =Gleichheitszeichen=
- gesperrt: +Pluszeichen+
- Antiqua: ~Tilden~
-
- Antiquatext in Buchanzeigen wurde nicht explizit als solcher
- ausgezeichnet.
-
- ####################################################################
-
-
-
-
- Wissenschaft und Bildung
-
- Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens
-
- 6
-
- Der Sagenkreis
- der Nibelungen
-
- Von
-
- Georg Holz
-
- Professor an der Universität Leipzig
-
- 2. Auflage
-
- [Illustration]
-
- 1914
-
- Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig
-
-
-
-
- Alle Rechte vorbehalten
-
-
-
-
- Frau Susanne
-
- zugeeignet
-
-
-
-
-Vorwort der ersten Auflage.
-
-
-Vorliegendes Werkchen ist erwachsen aus einer Reihe im Spätjahre 1906
-gehaltener Vorträge und mag wohl gelegentlich den Stempel dieses
-seines Ursprungs deutlicher tragen, als mir lieb sein kann. Gemäß
-der Absicht, den alten Stoff der Nibelungensage und die Fragen, die
-sich an ihren Ursprung, ihre Entwicklung und spätere Überlieferung
-knüpfen, einer breitern Öffentlichkeit zugänglich und verständlich
-zu machen, ist das wissenschaftliche Beiwerk auf ein geringstes
-Maß beschränkt; insbesondere ist im allgemeinen unterlassen, die
-anerkannten und aufgenommenen Gedanken auf ihre Urheber zurückzuführen.
-Selbstverständlich ist damit keinerlei Schmälerung von irgend jemandes
-Verdienst beabsichtigt; dies kann um so weniger der Fall sein, als
-ich auch mancherlei Eigenes zur Lösung der verschiedenen Fragen
-vorzubringen glaube, dessen Abgrenzung von Fremdem nun nicht ohne
-weiteres möglich ist. Es bleibt den Fachgenossen überlassen, diese
-Grenze zu ziehen und das vorgebrachte Neue anzuerkennen oder zu
-verwerfen.
-
- Leipzig, im April 1907.
-
- G. Holz.
-
-
-
-
-Inhaltsverzeichnis.
-
-
- Seite
-
- I. Einleitung, Übersicht der Quellen 1
-
- II. Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung 13
-
- III. Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung 31-65
-
- ~a~) Der Nibelunge Lied 31
-
- ~b~) Zweikampfsage und Thidrikssaga 56
-
- ~c~) Hürnen Seifrid 65
-
- IV. Die Grundlagen der Sage 66-85
-
- ~a~) Burgunden und Hunnen 66
-
- ~b~) Sage und Mythus 71
-
- ~c~) Die Merowinge 74
-
- ~d~) Einzelheiten 78
-
- V. Die Entwicklung der Sage 86-100
-
- ~a~) Älteste und nordische Form 86
-
- ~b~) Deutsche Form 90
-
- VI. Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der
- Nibelunge 101
-
- VII. Wirkung des Liedes in der alten Literatur. Allmähliches
- Erlöschen des Interesses 115
-
- VIII. Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem
- 18. Jahrhundert 123
-
- IX. Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage 130
-
- Anhang. Literatur 137
-
- Register 139
-
-
-
-
-I.
-
-Einleitung. Übersicht der Quellen.
-
-
-Das in wirtschaftlicher wie in geistiger Beziehung so reiche Leben des
-alten Deutschlands erstarb in den Greueln des Dreißigjährigen Krieges.
-Was unserm Volke bis zu jener Zeit an alten Sagenschätzen lieb und wert
-gewesen war, geriet damit in Vergessenheit, und ein volles Jahrhundert
-verging, bis Gelehrte in alten Büchereien die ersten Spuren des alten
-Reichtums neu entdeckten. Die großen Männer des 18. Jahrhunderts,
-deren Geschmack anfangs in französischem und später in klassischem
-Sinne gebildet und geläutert war, blieben allerdings zunächst kalt
-gegenüber den Denkmälern einer Vergangenheit, deren Empfinden von dem
-ihren durchaus verschieden war. Erst der völlige Zusammenbruch, den
-die deutsche Politik und damalige Geisteskultur vor nunmehr (1906)
-genau hundert Jahren erlebte, bewirkte im Zusammenhange mit dem
-Erwachen unsers nationalen Fühlens auch eine höhere Wertschätzung der
-Denkmäler aus alter großer Zeit. Es ist bezeichnend, daß die erste
-volkstümliche Ausgabe des Nibelungenliedes 1815 in dem Augenblicke
-erschien, da man sich rüstete, den von Elba zurückgekommenen Napoleon
-abzuwehren. Der Herausgeber, August Zeune, nannte sie eine „Feld- und
-Zeltausgabe“ und erwähnte ausdrücklich, daß er sie besorgt habe, „da
-viele Jünglinge dies Lied als ein Palladium in den bevorstehenden
-Feldzug mitzunehmen wünschten“. Von jener Zeit an ist nun das Interesse
-an unserer alten Geschichte und Dichtung ständig gewachsen. Die
-germanistische Wissenschaft erblühte, gestützt auf die romantische
-Geschmacksrichtung, die die klassische in der Poesie abgelöst hatte,
-und erschloß immer neue Quellen für die Kunde der Vorzeit; die moderne
-Dichtung bemächtigte sich der alten Stoffe und goß sie in neue, der
-Gegenwart angemessene Formen. Vor allen andern hat Richard Wagner das
-Verdienst, durch sein gewaltiges Tonwerk, den „Ring des Nibelungen“,
-die alten Sagen volkstümlich gemacht zu haben, ein Verdienst, das
-dadurch nicht verringert wird, daß er mit seinem Stoffe recht
-willkürlich umgesprungen ist. Denn ohne ihn würde das Interesse für
-die Nibelungensage heute wohl nicht so weit verbreitet sein, wie es
-tatsächlich der Fall ist.
-
-Welches sind nun die Quellen, aus denen man geschöpft und die alten
-Stoffe zu neuem Leben erweckt hat? Was bringen sie, und vor allem:
-worauf beruhen sie?
-
-Im allgemeinen darf behauptet werden, daß alle erzählende Dichtung
-ihren letzten Ausgangspunkt in wirklich geschichtlichen Ereignissen
-hat, auch dann, wenn die beglaubigte Geschichte nicht in der Lage ist,
-solche namhaft zu machen; die ursprüngliche Tatsache ist dann von der
-Dichtung mit dichtem Beiwerk umsponnen worden, das wie Schlingpflanzen
-den alten Kern überwuchert und vielleicht erstickt.
-
-Was in der Nibelungensage sicher als geschichtlich erwiesen ist,
-beruht auf Ereignissen des fünften nachchristlichen Jahrhunderts, also
-Ereignissen aus der Zeit der Völkerwanderung, die für die germanische
-Welt des Mittelalters in ganz gleicher Weise das Heldenzeitalter
-gewesen ist, wie es der trojanische Krieg für die Griechen des
-Altertums war. Diese Ereignisse sind in ununterbrochener Überlieferung
-im Gedächtnis bewahrt worden, bis ihr eben der Dreißigjährige Krieg
-das Grab gegraben hat. Die Überlieferung aber ist in folgender Weise
-zustande gekommen.
-
-In einer Zeit ganz unentwickelter Verkehrsmittel und so gut wie
-völlig mangelnder Schrift (die höchstens Besitztum einiger weniger
-auserlesener Personen war) bildete sich ein Stand fahrender, d. h.
-herumziehender Leute, die ein Gewerbe daraus machten, das jederzeit
-lebhaft entwickelte Neuigkeitsbedürfnis ihrer Mitmenschen zu
-befriedigen. Sie zogen von Ort zu Ort, sammelten und verbreiteten
-Neuigkeiten jeder Art und fanden auf diese Weise ihren Unterhalt.
-Solange die Schriftkunde beschränkt war, blieben sie ersehnt und
-hochangesehen. Mit der fortschreitenden Volksbildung und den
-gebesserten Verkehrsverhältnissen sank natürlich ihre Bedeutung und
-damit auch die Achtung.
-
-Naturgemäß sind es in erster Linie die großen politischen, also
-historischen Ereignisse, die sie wiedererzählen und betrachten. Um
-diese möglichst treu im Gedächtnis behalten zu können, gießen sie
-dieselben in eine feste Form, indem sie sie in Verse bringen. Die
-poetische Form ist also zunächst etwas Äußerliches; sie macht aber
-durch ihre Geschlossenheit sogleich ihren Einfluß auf den innern Stoff
-geltend, indem sie den Erzähler zwingt, zu ergänzen, was er nicht weiß,
-also die Beweggründe der handelnden Personen zu erraten. Damit ist aber
-der Erfindung Tür und Tor geöffnet. Je weiter man sich nun von dem
-Zeitpunkt der Geschehnisse entfernt, um so schwerer wird natürlich eine
-richtige Ergänzung, aber auch um so unwichtiger, da schließlich niemand
-mehr existiert, der den Erzähler Lügen strafen kann. So ist zweierlei
-möglich geworden: 1. daß der Bericht von den historischen Ereignissen
-bis zur Unkenntlichkeit entstellt, also zur reinen Sage wird, und 2.
-daß die Überlieferung jahrhundertelang von der eigentlichen Literatur
-so gut wie unbemerkt sich hat fortpflanzen können, um dann plötzlich
-als Stoff größerer Werke in ihr aufzutauchen.
-
-Es sind nun die am Niederrhein wohnenden Franken, die die vorhin
-angedeuteten Ereignisse des 5. Jahrhunderts fürs erste bewahrt haben.
-Von ihnen aus, die geographisch etwa den Mittelpunkt der damaligen
-germanischen Welt darstellen, hat sich dann die Kunde über diese
-ausgebreitet, am wenigsten nach England, dessen älteste Literatur nur
-spärliche Zeugnisse für die Nibelungensage aufweist, desto ausgiebiger
-nach Skandinavien und nach Süddeutschland. Der Gang der Ausbreitung war
-etwa folgender:
-
-Im 9. Jahrhundert zogen von Skandinavien, insbesondere von Norwegen
-aus, zahlreiche Scharen von Seeräubern, die sog. Wikinger, gen Süden
-und plünderten die Küsten Englands und des fränkischen Reiches. An den
-Küsten der heutigen Niederlande, in der Gegend der Rheinmündungen,
-wohnten die Franken, die die Überlieferung von den Ereignissen des
-5. Jahrhunderts bewahrten. Dort haben sich die nordischen Räuber
-zeitweise sogar fest angesiedelt und ungefähr zwei Menschenalter
-hindurch die Küstenländer beherrscht, bis sie im Jahre 891 in der
-Schlacht an der Dyle von König Arnulf vertrieben wurden. In dieser
-Zeit müssen die Nordgermanen die Kunde von der deutschen Überlieferung
-sich angeeignet und nach dem Norden verpflanzt haben. Sie zeigen
-dabei einen ganz eigenartigen Charakterzug: sie vereinigen nämlich
-in sich zwei scheinbar entgegengesetzte Züge des germanischen
-Charakters, auf der einen Seite kriegerisches Wesen in höchster Potenz,
-blutdürstige Wildheit und Grausamkeit, auf der andern Seite ein
-Streben nach Gelehrsamkeit, wie es bei diesen wilden Seeräuberhorden
-kaum verständlich scheint. Es ist das aber vollauf begründet in den
-Eigentümlichkeiten der alten verkehrslosen Zeit. Die Leute sitzen den
-Winter über in abgelegenen Tälern und hören und sehen von der Welt
-nichts. Bei ihrem regen Geistesleben haben sie nun ein ganz besonders
-starkes Bedürfnis nach Neuigkeiten. Die norwegischen Wikinger haben
-keine Gelegenheit vorübergehen lassen, südländische Kunde nach dem
-Norden zu bringen. So haben sie auch die fränkische Nibelungensage nach
-dem Norden gebracht, wahrscheinlich in der Form einer einheitlichen
-Dichtung, denn das, was im Norden uns von der Nibelungensage erzählt
-wird, weicht in vielen Punkten von der deutschen Sage ab, und zwar so,
-daß die Abweichungen nicht die ursprüngliche Gestalt, sondern eine
-Änderung darstellen, die auf einen Akt der Willkür zurückgeht. Es weist
-das darauf hin, daß irgendein nordischer Dichter den am Niederrhein
-erkundeten Stoff in feste Form gegossen und so nach dem Norden gebracht
-hat, wo er dann in dieser Gestalt aufgenommen worden ist.
-
-Im Norden ist er nun in zahlreichen Liedern von zahlreichen uns
-gänzlich unbekannten Dichtern behandelt worden. Zunächst geht die
-Tradition dieser Lieder in der vorhin geschilderten Weise vor sich,
-d. h. sie werden mündlich übertragen und nicht aufgezeichnet. Erst in
-einer wesentlich spätern Zeit, im 13. Jahrhundert, entschloß man sich
-im Norden auf einem eigenartigen Umwege zur Aufzeichnung dieser Lieder.
-
-Bis zum 13. Jahrhundert hatte sich die nordische poetische und
-prosaische Literatur hoch entwickelt, so hoch, daß man das Bedürfnis
-empfand, ein Lehrbuch gewisser Eigentümlichkeiten des nordischen Stils
-anzufertigen. Dies Lehrbuch schrieb um das Jahr 1220 der isländische
-Skalde Snorri Sturluson; es führt den Titel „Edda“. Dies Wort wird
-heute gedeutet als Bezeichnung der Herkunft des Buches: aus Oddi,
-einem Gehöfte im südwestlichen Island, wo Snorri erzogen worden war;
-andere fassen es als Ausdruck für „Poetik“. Eine Poetik war allerdings
-nötig, um dem angehenden Skalden eine besondere Eigentümlichkeit der
-nordischen Dichtweise zu erklären. Man bezeichnete einen einfachen
-konkreten Alltagsgegenstand nicht gern mit seinem schlichten Namen,
-sondern bediente sich statt dessen eines Bildes, das aus der Sage
-entnommen und nicht verständlich war, wenn man nicht die zugehörige
-Sage kannte. So heißt z. B. das Gold „Otterbuße“, und zwar in
-Zusammenhängen, in denen weder von „Buße“ noch von „Otter“ irgendwelche
-Rede ist. Um Ausdrücke dieser Art (die sog. „Kenningar“) zu erklären,
-ist ein Hauptteil der Edda geschrieben; die Erklärung besteht in der
-Erzählung der zugehörigen Geschichte.
-
-So erzählt denn Snorri in der Edda eine große Anzahl der
-verschiedensten Sagen, von denen die überwältigende Mehrzahl uns ohne
-ihn gar nicht bekannt wäre, u. a. auch die Nibelungensage in nordischer
-Form. Vielfach werden dabei Dichtungen zitiert, Verse aus Liedern,
-bruchstückweise natürlich nur, und zwar als Belege. Das hat dazu
-geführt, daß man diese Lieder im Anschluß an die Snorrische Poetik
-gesammelt hat. Wer das getan hat, bleibt unbekannt. Die Sammlung ist
-jedenfalls entstanden um die Mitte des 13. Jahrhunderts und uns im
-wesentlichen erhalten in einer einzigen, aus Island stammenden, jetzt
-in Kopenhagen befindlichen Handschrift, die nach dem Aufbewahrungsort
-in der Königlichen Bibliothek der ~Codex regius~ genannt wird. Diese
-Handschrift stellt sich dar als eine Sammlung von Einzelgedichten in
-lyrisch-epischer Form, gewissermaßen Balladen, aus der Götter- und
-der Heldensage. Der größere, zweite Teil der ganzen Sammlung umfaßt
-nur Lieder aus unserer Nibelungensage. Leider ist uns der Kodex nicht
-vollständig erhalten, sondern es fehlt gerade aus dem wichtigsten
-Teile der Nibelungensage eine vollständige Lage, d. h. ein Heft von
-acht Blättern, das frühzeitig verloren gegangen und nicht ersetzbar
-ist. Diesen ~Codex regius~ bezeichnet man vielfach, aber fälschlich
-mit dem Namen Edda; ja wenn kurzweg von „Edda“ geredet wird, meint man
-gewöhnlich diese Liedersammlung. Derjenige, der sie im 17. Jahrhundert
-entdeckte, der isländische Bischof Brynjolf Sveinsson, nahm an, daß er
-die Quelle von Snorris Edda vor sich habe, und da er den Namen „Edda“
-für Snorris Werk nicht verstand, übertrug er ihn auch auf die Quelle
-und bezeichnete die Liedersammlung als die ältere Edda. Er wußte auch
-gleich einen Sammler oder Verfasser anzugeben, den weisen Sämund,
-von dem uns allerdings nicht viel mehr bekannt ist, als daß er etwa
-hundert Jahre vor Snorri gelebt und in der Tat mit der Liedersammlung
-nicht die Spur zu tun hat. Immerhin hat sich der Titel „Edda“ für
-die Liedersammlung festgesetzt; man unterscheidet sie am besten als
-„poetische“ von Snorris „prosaischer“ Edda, muß sich aber stets
-gegenwärtig halten, daß der Name „Edda“ für die Liedersammlung nicht
-authentisch ist.
-
-In der Sammlung stehen nun zunächst Götterlieder, dann Lieder aus
-verschiedenen Heldensagen, zuletzt, wie gesagt, eine Sammlung von
-Liedern aus der Nibelungensage, die so angeordnet sind, daß sie
-wenigstens äußerlich eine geschlossene Darstellung der Sage geben. An
-der Spitze der Sammlung, soweit sie die Nibelungensage angeht, steht
-ein Gedicht, das sich betitelt: Die Weissagung des Gripir. Sigurd
-(derselbe Held, der in Deutschland den Namen Siegfried führt) kommt
-hier als junger Mann zu einem Oheim, namens Gripir, der eigens zu
-diesem Zwecke von dem Sammler erfunden scheint, und erkundigt sich nach
-seinem künftigen Schicksal; Gripir ist ein Seher und vermag ihn ohne
-weiteres über alles, was ihm bevorsteht bis über seinen Tod hinaus, zu
-orientieren. Es ist das eine Entgleisung der nordischen Dichtweise,
-wie sie ziemlich häufig vorkommt, daß lebenden Leuten ihr künftiges
-Schicksal bis in alle Einzelheiten prophezeit wird, ohne daß sie dann
-auch nur den geringsten Versuch machen, dem Schicksal, das ihnen droht,
-die Stirn zu bieten; in Wirklichkeit ist denn die Weissagung Gripirs
-weiter nichts als eine Übersicht über das, was nun in der Sammlung
-kommt.
-
-Es folgt zunächst eine ganze Reihe von Fragmenten, zu der der
-Sammler eine Rahmenerzählung geliefert hat; die Strophen sind lose
-in die Erzählung eingestreut. Man teilt in unsern Eddaausgaben diese
-Fragmentsammlung in drei Abschnitte ein: die Sprüche von Regin
-(Reginsmál), die Sprüche von Fafnir (Fáfnismál) und die Sprüche von
-Sigrdrifa (Sigrdrifumál). Mitten in diesem letzten Teile bricht die
-Sammlung für uns vorläufig ab, weil die Lücke einsetzt. Nach der Lücke
-stoßen wir auf den Schlußteil eines einst vollständigen Liedes, also
-nicht eines von dem Sammler als Bruchstück aufgenommenen Stückes, das
-nur durch die Ungunst der Verhältnisse für uns ein Bruchstück geworden
-ist. Hier wird nun, während in dem vorausgehenden Stücke die Erzählung
-bis dahin geführt war, wo Sigurd die Brynhild kennen lernt, gleich
-erzählt von den Umständen, die sich um Sigurds Ermordung gruppieren; es
-fehlt uns also der ganze eigentliche Kern der Sage. Es folgt ein sehr
-langes Gedicht, das augenscheinlich vollständig erhalten ist, und das
-den Titel führt: das +kurze+ Sigurdslied. Er erklärt sich daraus, daß
-jedenfalls das Lied, von dem wir nach der Lücke noch den Ausgang haben,
-noch länger gewesen ist. Das kurze Sigurdslied erzählt zusammenhängend,
-aber nicht immer sagenecht, was Sigurd im Reiche der Niflunge[1] erlebt
-hat, von dem Augenblicke an, wo er es betreten, bis an seinen Tod, und
-über ihn hinaus, wie Brynhild ihm im Tode folgt.
-
-Den Fortgang der Erzählung bringt ein umfangreiches und ziemlich altes
-Gedicht, gewöhnlich das zweite Lied von Gudrun genannt (Gudrun ist im
-Norden der Name derselben Figur, die in Deutschland Kriemhilt heißt,
-also Sigurds Witwe). Gudrun erzählt selbst ihre Schicksale: wie sie
-Sigurds Weib und Witwe geworden, wie sie den Atli (den deutschen Etzel)
-geheiratet, und wie dieser ihre Brüder gemordet hat; für diese Tat
-plant sie die Rache; die Begründung dieser Rachegefühle gibt uns hier
-ein zweifellos hochbegabter Dichter. Die Darstellung der Ermordung
-der Niflunge fehlt in diesem Liede leider; wahrscheinlich hat sie der
-Sammler gestrichen, weil er in den beiden Atliliedern (vgl. nachher)
-noch zweimal dieselbe Sache vorgetragen fand.
-
-Mehrere Einzellieder, wirkliche Balladen, die lediglich einen einzelnen
-Moment, ein Stimmungsbild aus der Sage herausgreifen und poetisch
-behandeln, sind ebenfalls in der Sammlung erhalten: das erste Lied von
-Gudrun (es schildert die Haltung von Sigurds Witwe an dessen Bahre),
-dann das Lied von Brynhilds Fahrt zur Unterwelt, ferner ein drittes
-Gudrunlied und das „Oddruns Klage“ betitelte Einzelgedicht; sie
-behandeln sämtlich Nebendinge.
-
-Das Hauptereignis, der Untergang der Niflunge durch Atli samt Gudruns
-Rache, wird erzählt in den beiden Liedern von Atli, die parallel
-nebeneinander herlaufen, einem ältern (Atlakvida) und einem jüngern
-(Atlamál); sie geben beide dieselbe Darstellung, denselben Inhalt,
-dieselbe Szenerie wieder.
-
-Damit ist die Sage, soweit sie der deutschen Überlieferung im Norden
-parallel geht, zu Ende. Seltsamerweise ist im Norden die Erzählung
-noch um eine Stufe weiter geführt: Gudrun verheiratet sich (was
-uns sehr seltsam anmutet) zum drittenmal, und um ihre Schicksale
-in dieser dritten Ehe drehen sich die beiden letzten Gedichte der
-Sammlung: Gudruns Aufreizung (Gudrunarhvot) und die Sprüche von Hamdir
-(Hamdismál); Hamdir ist einer ihrer Söhne aus dritter Ehe.
-
-Es fehlt nun noch eine Brücke über die Lücke; diese bietet uns eine
-Prosaerzählung, die auch noch im 13. Jahrhundert entstanden ist, und
-die unsere Liedersammlung (nicht in der uns erhaltenen Handschrift)
-in vollständiger Gestalt benutzt hat. Die Erzählung führt den Titel:
-Volsungasaga, die Erzählung von den Wolsungen[2]. Sie ist kein
-selbständiges Buch, sondern nur der erste Teil und die Einleitung zu
-einem weiter folgenden Hauptteil, der Ragnars Saga Lodbrokar (Erzählung
-von Ragnar Lodbrok, einem Wikingerkönig des 9. Jahrhunderts). Die
-Absicht des ganzen Werkes ist, den im 13. Jahrhundert regierenden
-norwegischen Königen, die sich als Nachkommen des Ragnar Lodbrok
-ansahen, dadurch, daß dieser zu einem Schwiegersohne Sigurds
-gemacht[3], Sigurd seinerseits aber bis auf die alten Heidengötter
-zurückgeführt wird, göttlichen Ursprung beizulegen. So setzt die
-Volsungasaga damit ein, daß sie erzählt, wie ein Sohn des Gottes Odin,
-namens Sigi, eine Herrschaft auf Erden gewinnt. Von ihm springt die
-Erzählung auf seinen Sohn Rerir und von Rerir auf dessen Sohn Volsung,
-denjenigen, der den Geschlechtsnamen zuerst führt und damit bekundet,
-daß mit ihm die alte Sage überhaupt erst anhebt. Was vorausgeht, ist
-erst, um die Verbindung mit dem Gotte herzustellen, hinzugedichtet. Von
-Volsung und seinen Söhnen, deren bedeutendster Sigmund heißt, erzählt
-nun die Volsungasaga eine höchst altertümliche und grausige Geschichte,
-die, obgleich sie mit der von Sigurd nur äußerlich in Beziehung steht,
-von Wagner für seine Darstellung der Nibelungensage stark ausgenutzt
-ist. An sie schließt sich die Erzählung von Sigurd, dem Sohne Sigmunds,
-und es folgt die gesamte Sage im Anschluß an die vorhin besprochene
-Liedersammlung, so zwar, daß die Lücke, die in jener vorliegt, hier
-vollständig für uns ausgefüllt ist. Der Sagaschreiber verfährt so naiv,
-daß er die Lieder einfach in Prosa umschreibt. Er denkt nicht daran,
-die notwendigerweise existierenden Widersprüche zwischen den einzelnen
-Liedern auszugleichen. Wenn zwei Lieder hintereinander stehen, die
-dieselbe Geschichte behandeln, die einander also in der Prosaerzählung
-eigentlich ausschließen, erzählt er dieselbe Sache ruhig zweimal. --
-Das ist die eigentliche nordische Überlieferung, die im wesentlichen
-schriftlich niedergelegt worden ist im 13. Jahrhundert, obgleich sie
-natürlich auf wesentlich ältern Quellen beruht. Außerdem ist in die
-nordische Olafs Saga Tryggvasonar (die Erzählung von Olaf, Sohn des
-Tryggvi, einem norwegischen Könige, der im Jahre 1000 fiel) auch ein
-Stück unserer Liedersammlung aufgenommen und kann uns infolgedessen als
-Kontrolle dienen.
-
-In Deutschland haben eigentümlicherweise diejenigen, die sicherlich die
-Kunde von den Ereignissen der Nachwelt übermittelt haben, die Franken,
-nichts Direktes für die poetische oder schriftliche Darstellung der
-Sage getan. Wir finden im 10. Jahrhundert, also etwa hundert Jahre
-nach der Wikingerzeit, eine Spur, daß die Sage vom Niederrhein nach
-Bayern gelangt ist, nicht auf dem Wege der volkstümlichen Erzählung,
-sondern, wie es scheint, einheitlich, indem ein fahrender Mann, der
-die Kenntnis der Geschichte besaß, sie dahin gebracht und dem Bischof
-Pilgrim von Passau, der damals in Bayern eine große Rolle spielte
-(er war Bischof von Passau 971-991), vorgetragen hat; der Bischof
-soll sie dann in lateinischer Sprache durch seinen Schreiber Konrad
-haben aufzeichnen lassen. Diese Nachricht ist uns überliefert durch
-eine spätere hochdeutsche Dichtung, die Klage, die zwar nicht ohne
-weiteres glaubwürdig ist, von der man aber nicht einsieht, wie sie zur
-Erfindung der Notiz hätte kommen können. So ist denn die Nibelungensage
-spätestens im 10. Jahrhundert vom Niederrhein nach Oberdeutschland
-verpflanzt worden und hier in ein Gebiet geraten, in dem eine andere
-Sage bereits die Alleinherrschaft hat und den Volksgeist und die
-Volksphantasie vollständig beherrscht und erfüllt; es ist dies die
-gotische Dietrichsage, die in Bayern zu Hause ist, und die auch durch
-die Nibelungensage dort nicht hat verdunkelt werden können. Zwischen
-der gotischen Dietrichsage und der Nibelungensage, wie sie von den
-Franken herüberkommt, besteht nun ein eigenartiges äußeres Band. In
-beiden spielt von Haus aus auf Grund der Geschichte der Hunnenkönig
-Attila eine wesentliche Rolle. Damit ist natürlich für die Menschen des
-10.-12. Jahrhunderts erwiesen, daß die beiden Erzählungen gleichzeitig
-sind und in einem gewissen Zusammenhange stehen; so tritt denn in
-Oberdeutschland die Nibelungensage als Episode in die Dietrichsage
-ein. Das hat nicht verhindert, daß gerade die Nibelungensage im
-12. Jahrhundert als Stoff eines großen Gedichtes, des einzigen, das
-wenigstens den Versuch macht, die ganze Erzählung abschließend zu
-behandeln, verwendet worden ist; das ist unser Nibelungenlied oder, wie
-sein ursprünglicher Titel heißt, „der Nibelunge Not“. Sein Verfasser
-ist ein ritterlicher Sänger, ein Angehöriger der obern Stände; nachdem
-im 12. Jahrhundert die Kulturverhältnisse sich soweit gehoben haben,
-daß der Ritterstand selbst literarisch tätig ist, arbeiten im Westen
-und besonders im Nordwesten Deutschlands die ritterlichen Dichter
-auf Grund modischer, fremder, gewöhnlich französischer Vorlagen; den
-Angehörigen des Südostens waren solche weniger zugänglich; so griff
-der Dichter der Nibelunge Not in die Tiefe der Volksüberlieferung und
-nahm aus ihr einen einheimischen Stoff heraus und herauf. Das ist die
-Stellung des Nibelungenliedes in der Geschichte der deutschen Literatur.
-
-So wie das Lied uns überliefert ist, ist es nicht ohne weiteres als
-Werk jenes Mannes zu betrachten. Die Beurteilung dieser Überlieferung
-ist ganz besonders schwierig; das Originalgedicht besitzen wir ganz
-bestimmt nicht mehr. Doch war das Lied, wie es uns noch vorliegt, zu
-Anfang des 13. Jahrhunderts vorhanden, denn Wolfram von Eschenbach
-zitiert es in seinem Parzival.
-
-„Der Nibelunge Not“ ist ein literarischer Erfolg allerersten Ranges
-gewesen. Denn von dem Augenblick an, wo das Gedicht existiert, schießen
-Gedichte der gleichen Stoffklasse in gleicher Form wie Pilze aus dem
-Boden; bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts beherrschte die deutsche
-Heldensage (wie man dieses Stoffgebiet als Ganzes nennt) einen großen
-Teil des literarischen Interesses Süddeutschlands. Im Laufe dieser
-Zeit tritt allerdings dieser Stoff allmählich mehr und mehr in die
-zweite Linie zurück, eine natürliche Folge der ständigen Schwankungen
-und Wellen des literarischen Geschmacks. Andere, weniger urwüchsige
-Stoffe wurden jetzt bevorzugt; das Lied war für die vornehmen Stände
-nicht vornehm genug, für die untern Stände wiederum aber noch zu fein.
-So geriet es allmählich in Vergessenheit und wurde ungefähr ums Jahr
-1500 abgelöst durch eine eigenartige, wenig künstlerische Dichtung, das
-„Lied vom Hürnen Seifrid“. Es geht nicht einfach auf das Nibelungenlied
-zurück, sondern hat manche Besonderheiten, und darin besteht seine
-Bedeutung für die Sagenforschung. Aber sein dichterischer Wert ist
-gleich Null. Daß Seifrid hier „hürnen“ heißt, will besagen: er hat
-eine durch Drachenblut wie Horn gehärtete Haut. Der Hürnen Seifrid
-ist uns nun schon gar nicht mehr handschriftlich erhalten. Er tritt
-erst in die Literaturgeschichte ein, nachdem der Buchdruck schon
-vorhanden ist: um 1500 tritt er auf, etwa ein Jahrhundert lang (bis
-1611) wird er wiederholt aufgelegt; schließlich liefert das Gedicht
-den Stoff zu dem in eigenartiger Weise modernisierten und eigentlich
-verballhornten Volksbuche vom „gehörnten Siegfried“, das mit modischen,
-halb lateinischen, halb französischen Floskeln verbrämt ist[4]. Aus dem
-„Hürnen Seifried“ ist ein „gehörnter“ Siegfried geworden. Es ist in
-der Tat gemeint, daß er Hörner auf dem Kopfe trägt; ein vollständiges
-Mißverstehen des alten Beinamens. Das Volksbuch ist im wesentlichen
-während des 18. Jahrhunderts lebendig, doch nur in den untersten
-Kreisen des Volkes. Es ist in bezug auf seinen Sagengehalt nichts
-weiter als eine Ausgestaltung des Hürnen Seifried, also für eine
-Untersuchung der älteren Sagenform ohne Belang.
-
-Der deutsche Zweig der Entwicklung unserer Sage ist im 13. Jahrhundert
-auf literarischem Wege in Skandinavien eingeführt worden, und zwar
-durch einen Norweger, der zum nördlichen Deutschland innige Beziehungen
-hatte. Er nennt als seine Gewährsmänner Leute aus Bremen, Münster und
-Soest, also aus Städten, in denen damals der Handel besonders mit
-Skandinavien blühte. Sein Werk umfaßt das ganze Gebiet der deutschen
-Heldensage, in erster Linie also die Dietrichsage, von den Ahnen
-Dietrichs beginnend bis auf seine Entführung durch ein schwarzes
-Höllenroß. Innerhalb dieses Rahmens ist auch die Nibelungensage
-erzählt, und zwar in deutscher Form, in einer Form, die zu unserm
-Nibelungenliede in nächster Beziehung steht, so zwar, daß wir nicht
-etwa nur anzunehmen brauchen, sie beruhe auf denselben Erzählungen,
-sondern es muß, wenigstens stellenweise, ein und dieselbe Dichtung
-beiden zugrunde liegen. Ob etwa das Nibelungenlied selbst vom Verfasser
-dieses Buches benutzt worden ist, mag vorläufig dahingestellt
-bleiben. Der Titel des Werkes ist „Thidrikssaga Konungs af Bern“, die
-Erzählung von König Dietrich von Bern. Dieser, der ja der Hauptheld
-der süddeutschen Sage ist, ist hier der Mittelpunkt des deutschen
-Heldenzeitalters. Um ihn gruppiert sich alles, an ihn schließt sich
-auch die Nibelungensage an; denn er ist in dem großen Nibelungenkampfe
-derjenige, der den Ausschlag gibt, der allein in der Lage ist, die
-Nibelunge zu überwinden. Wie uns die Thidrikssaga erhalten ist, ist
-sie nicht einheitlich, sondern es haben mehrere Hände ihre jetzige
-Gestalt bewirkt. Immerhin ist sie eine wundervolle Quelle, die
-vollständigste Quelle unserer deutschen Heldensage überhaupt. Sie
-hat begreiflicherweise manche Nachdichtung auf nordischem Boden
-hervorgerufen; solche sind für die Erkenntnis der ältern Sagenform
-ebenso belanglos wie das deutsche Volksbuch.
-
-
-
-
-II.
-
-Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung.
-
-
-Die nordische Gestalt der Nibelungensage hat viel Altertümliches
-bewahrt; in vielen Dingen ist sie sicher wesentlich altertümlicher
-als die deutsche. Eine einheitliche Darstellung im strengen Sinne
-ist im Norden nicht zustande gekommen. Wir besitzen nur Lieder und
-Bruchstücke, notdürftige Zusammenstoppelungen der letztern und die
-scheinbare Gesamterzählung der Volsungasaga, die sich aber Schritt für
-Schritt an die Liedersammlung anklammert.
-
-Die Dichtungen selbst sind, soweit sie uns erhalten sind, noch in
-der Weise altgermanischer Poesie abgefaßt, d. h. sie weisen den
-stabreimenden Vers auf. Dieser tritt in den nordischen Liedern in
-der Hauptsache in drei Formen auf. Die gewöhnlichste Art ist die
-„~fornyrdislag~“ (Gesetz der alten Rede) genannte. Sie besteht darin,
-daß die gewöhnlichen alten, vier Haupthebungen aufweisenden Langverse
-zu in der Regel vierversigen Strophen verbunden werden; oft sind die
-Strophen verschieden lang, so daß die Verse durch die betreffende
-Dichtung im Grunde genommen glatt durchlaufen. Der Vers selbst besteht
-immer aus zwei Teilen, die durch einen Einschnitt getrennt sind.
-Innerhalb jedes Teiles stehen zwei haupttonige Silben (Hebungen).
-Die erste Hebung des zweiten Teiles ist die wichtigste; sie gibt den
-Stabreim an. Mit ihr muß eine oder dürfen beide des ersten Teiles durch
-Stabreim gebunden sein, z. B. Kurzes Sigurdslied, Strophe 1:
-
- Einstmals kam =S=igurd zum =S=ale Gjukis,
- der =W=olsungensproß nach =w=ildem Kampfe;
- er schloß den =B=und mit der =B=rüder zweien,
- die =H=elden schwuren sich =h=eilige Eide[5].
-
-Die zweite verhältnismäßig selten vorkommende Form ist der sogenannte
-Málaháttr (Spruchweise); ihre Besonderheit besteht darin, daß die
-einzelnen Halbverse etwas länger sind als beim Fornyrdislag, im
-allgemeinen um eine Silbe. In der deutschen Übersetzung hat Gering dies
-dadurch wiedergegeben, daß er die Halbzeilen dreihebig macht, z. B.
-Atlakvida, Strophe 28:
-
- Der =r=eißende =R=hein nun hüte, was =R=ecken zum Streit entflammte,
- das =e=inst die =A=sen besessen, das =a=lte Niflungenerbe!
- Im =r=innenden Wasser besser sind die =R=inge des Unheils verborgen,
- als wenn an =h=unnischen =H=änden das =h=elle Gold erglänzte.
-
-Das dritte Metrum, Ljódaháttr (Liedweise) genannt, ist ein lyrisches,
-offenbar zum Gesang bestimmtes. Es besteht darin, daß auf einen
-Langvers, der dem im Fornyrdislag üblichen im wesentlichen gleich ist,
-ein einschnittloser Vers von drei Hebungen folgt und mit ihm ein Ganzes
-bildet; in der Regel sind zwei solcher Verspaare zu einer Strophe
-vereinigt, z. B. Reginsmál, Strophe 1:
-
- Was ist’s für ein =F=isch, der im =F=lusse schwimmt
- und sich unklug vor =Sch=aden nicht =sch=ützt?
- Aus =H=els =H=änden dein =H=aupt nun löse,
- schaffe mir =F=euer der =F=lut.
-
-Der Stabreim besteht darin, daß der Anlaut der höchstbetonten Silben
-gleich ist; es ist nur nötig, daß der erste Laut alliteriert, mit
-folgenden Ausnahmen: 1. alle vokalisch anlautenden Silben können
-miteinander reimen, weil der Germane keinen Vokal anders als mit einem
-festen Ansatz ausspricht, den wir auch in der heutigen deutschen
-Sprache noch hören können: also Worte wie „alt“ und „ewig“ klingen
-reimend an für den Stabreim; 2. die mit folgenden p, t und ch eng
-verbundenen s können nur mit ebenso verbundenen gereimt werden, z. B.
-„sprechen“ mit „Sper“, aber nicht mit „schießen“, dies mit „schreien“,
-aber nicht mit „sitzen“ usw. Im übrigen ist jeder einzelne Laut allein
-ausreichend.
-
-Soviel über die poetische Form; die Mehrzahl der nordischen Denkmäler
-ist allerdings in Prosa abgefaßt, Verse bilden immerhin die Ausnahme.
-
-Den Inhalt der nordischen Sagenform kennen wir am vollständigsten aus
-der Volsungasaga. Sie hat die Erzählung bis auf den alten Hauptgott
-der Germanen selbst zurückgeführt; Odin steht an der Spitze des
-Geschlechtes der Wolsunge[6]. Im Norden ist, da das Heidentum sehr
-viel länger lebendig blieb als in Deutschland, die Götterlehre sehr
-viel weiter ausgebildet, und sind die Götter sehr viel persönlicher
-geworden; in Deutschland wissen wir von ihnen so gut wie nichts; sie
-sind hier wesenlose Schemen. Odin ist der Vater des Sigi, der als ein
-König auf Erden herrscht, von seinem Vater eingesetzt. Sein Enkel
-Wolsung ist der eigentliche Ahnherr des Geschlechtes der Wolsunge; daß
-er selbst den Geschlechtsnamen führt, ist im Grunde ein Versehen der
-nordischen Überlieferung, das uns ein altenglisches Zeugnis beseitigen
-hilft: im Gedichte Beowulf, dem ältesten Epos in germanischer Sprache,
-heißt derselbe Mann nicht Wolsung, sondern bloß Wæls. Diese Form ist
-zweifellos die richtige; sie gibt den eigentlichen Personennamen.
-Wolsung, mit der Endung -ung abgeleitet, ist der Geschlechtsname,
-zu vergleichen mit Amelungen, Merowingern, Karolingern, Nibelungen
-usw.; ein Wolsung ist ein Nachkomme des Wals; diese Bildungsweise der
-Geschlechtsnamen ist gut germanisch.
-
-Wolsung hat zehn Söhne und eine Tochter, namens Signy. Um diese wirbt
-ein König Siggeir (er herrscht über die Gauten, die in Südschweden
-sitzen) und erhält sie auch zur Frau. Auf der Hochzeit der beiden
-erscheint ein Mann in blauem Mantel, den Hut ins Gesicht hereingezogen,
-so daß man nur ein Auge sieht, stößt in den Baumstamm, der mitten in
-der Königshalle steht, ein Schwert und bestimmt es demjenigen, der
-imstande ist, es wieder herauszuziehen. Der Mann ist seiner Schilderung
-nach natürlich Odin, der höchste Gott, der in dieser Gestalt auf der
-Erde wandernd gedacht wurde. Die Hochzeitsgäste, vor allen Siggeir,
-der junge Gemahl, versuchen das Schwert herauszuziehen. Keinem gelingt
-es; erst als Sigmund, der älteste Sohn Wolsungs, zugreift, liegt das
-Schwert vor ihm, als ob es gar nicht festgesteckt hätte. Siggeir bietet
-ihm Gold für das Schwert, er aber behält es für sich.
-
-Siggeir scheidet in Ärger von der Familie seiner Frau und denkt
-auf Rache. Nach einiger Zeit ladet er den Schwiegervater und seine
-Söhne zu sich ein. Sie kommen trotz der Warnung der Signy und werden
-unmittelbar, nachdem sie im Gautenlande angekommen sind, überfallen,
-der alte König Wolsung getötet, seine Söhne gefangen; in der
-Gefangenschaft kommen sie nach und nach alle um, mit Ausnahme Sigmunds,
-der durch eine List der Signy am Leben erhalten wird und entflieht. Er
-lebt in der Wildnis und sinnt auf Rache, vermag sie aber noch nicht
-durchzuführen.
-
-Signy ist in einer eigenartigen Lage: sie ist die Schwester des Rächers
-und die Gattin desjenigen, gegen den die Rache geplant ist, gerät also
-in einen Konflikt der Pflichten. Als die Signy-Sigmund-Geschichte
-gedichtet wurde, galt durchaus noch die alte Anschauung, daß
-Blutsverwandtschaft dem Gattenverhältnis unbedingt vorgeht, daß also
-Signy ebenso zur Rache für Wolsung und ihre Brüder verpflichtet ist,
-wie Sigmund. Signy versucht sogar ihre eigenen, dem Siggeir gebotenen
-Söhne, die doch auch Wolsungs Enkel sind, zur Rache zu verwenden und
-schickt sie zu Sigmund in den Wald hinaus, damit dieser sie auf ihre
-Heldenhaftigkeit prüfe. Sie erweisen sich aber als Memmen, weil sie
-zur Hälfte vom Stamme Siggeirs sind und keine vollbürtigen Wolsunge.
-Sigmund tötet sie im Einverständnis mit Signy ohne weiteres, diese
-aber entschließt sich zu einem ganz eigenartigen Schritt: sie tauscht
-mit einem andern Weibe die Gestalt (ein in der nordischen Dichtung
-gar nicht selten auftretender Zug) und lebt dann eine Zeitlang
-unerkannt bei ihrem Bruder, um nach eingetretener Empfängnis wieder
-zurückzukehren[7]. Der Sohn, den sie gebiert, der den Namen Sinfjotli
-trägt, ist infolgedessen ein Wolsung von Vater- und von Mutterseite
-und vollwertig zur Rache. Auch er wird hinaus zu Sigmund geschickt,
-von ihm geprüft und sofort als Held erfunden. Darauf schleichen sich
-Sigmund und Sinfjotli in die Halle Siggeirs ein, werden jedoch entdeckt
-und festgesetzt. In der Gefangenschaft aber reicht ihnen Signy das
-Wunderschwert zu, um das der Streit entbrannt war. Mit dem Schwerte
-sägen sich Sigmund und Sinfjotli aus den Mauern ihres Kerkers, töten
-den Siggeir und brennen die Halle nieder. Die Rache ist vollendet.
-Signy verbrennt sich in den Flammen des brennenden Hauses zur Sühne für
-ihre Teilnahme an derselben.
-
-Sigmund aber kehrt in seine Heimat zurück, vermählt sich mit einer
-dänischen Fürstin, namens Borghild, und wird dadurch dänischer König.
-Diese Borghild hat in der Sage recht wenig Bedeutung; sie bedeutet für
-die Komposition unserer Erzählung nur, daß Sinfjotli, der in ihren
-späteren Teilen keine Stelle mehr hat, herausgebracht wird. Sie haßt
-den Stiefsohn und vergiftet ihn schließlich. Sinfjotli ist damit aus
-der Erzählung ausgeschieden, und Borghild entbehrlich: Sigmund verstößt
-sie.
-
-An die Sigmund-Borghild-Episode anknüpfend hat ein nordischer
-Dichter eine in Deutschland ganz unbekannte Sage dänischen Ursprungs
-angeschlossen: die Geschichte von Helgi dem Hundingstöter. Dieser gilt
-für einen Sohn des Sigmund und der Borghild. Seine Taten und Schicksale
-stehen nur in ganz loser Beziehung zu unserer Sage. Der von Helgi
-getötete Hunding[8] gilt als Vater des Königs Lyngvi, gegen den Sigmund
-gefallen ist -- eine chronologisch fast unmögliche Auffassung.
-
-Sigmund geht an eine zweite Ehe. Obgleich nunmehr schon bejahrt, wirbt
-er doch um eine junge Fürstin, die den Namen Hjordis führt (ein Name,
-der in Deutschland nicht vorkommt; er bedeutet etwa „Schwertmädchen“).
-Gleichzeitig wirbt um diese Hjordis ein König Lyngvi. Obgleich
-er jünger ist wie Sigmund, wählt sie doch den Alten, weil er der
-berühmtere ist, und folgt ihm als Gattin. Lyngvi zieht zur Rache gegen
-ihn zu Felde. Es kommt zu einer Schlacht, in der Sigmund wie immer
-das unüberwindliche Gottesschwert schwingt; im entscheidenden Moment
-aber tritt ihm Odin selbst entgegen und hält seinen Speer gegen das
-Schwert: es zerspringt, und Lyngvi kann Sigmund tödlich verwunden.
-Er kommt aber nicht zu seinem Ziele, denn er findet die versteckte
-Hjordis nicht und zieht ohne sie ab. Hjordis sucht ihrerseits auf dem
-Schlachtfelde den todwunden Gatten auf und erhält von ihm, bevor er
-stirbt, die Bruchstücke des Schwertes, um sie dem zu erwartenden Sohne
-aufzubewahren.
-
-Irgendwie motiviert ist in der Erzählung das Auftreten des Gottes Odin
-nicht: er schenkt das Schwert, ebenso wie er es später zum Springen
-bringt, ohne Grund. Irgendwelche tiefern religiösen Ideen darf man
-nicht darin suchen, auch nicht das, was man gemeinhin einen Mythus
-nennt. Es ist nichts weiter darin zu finden als ein Bild: Odin ist
-der Gott des Sieges; Sigmund ist im wichtigsten Teile seines Lebens
-als unüberwindlicher, siegreicher Held gedacht, er genießt also die
-Gunst des Sieggottes, er hat ein von diesem ihm geschenktes Schwert.
-Schließlich fällt er doch in der Schlacht; also muß ihm der Gott selbst
-den Sieg entzogen haben; warum er dies getan hat, danach hat man bei
-einem Gotte nicht zu fragen.
-
-Hjordis wurde mit ihrer Begleitung kurz nach dem Tode ihres Gatten
-von Seeräubern entführt. An ihrer Spitze stand Alf, der Sohn des
-Königs Hjalprik von Dänemark. Alf fand Gefallen an der Witwe und
-vermählte sich mit ihr, nachdem sie den Sigurd, den Sohn Sigmunds,
-geboren hatte; so wurde Sigurd (unser deutscher Siegfried) erzogen
-am Hofe des Königs von Dänemark -- nach der Auffassung einer spätern
-nordischen Dichtung. Damit aber hören die Beziehungen Sigurds zum
-dänischen Königshofe so gut wie ganz auf. Außer seinem Stiefvater hat
-Sigurd noch einen Pflegevater, den Regin, einen Mann verhältnismäßig
-niederer Herkunft. Die Doppelheit des Stiefvaters und Pflegevaters
-zu gleicher Zeit und scheinbar auch am gleichen Orte wäre zur Not zu
-verstehen. Nicht zu verstehen aber ist, daß der Stiefvater in Dänemark
-lebt, der Pflegevater dagegen, wie sich gleich aus dem folgenden
-ergibt, in Deutschland am Rheine lebend gedacht wird. Wir sehen hier,
-daß die Darstellung Sprünge hat, daß ältere und jüngere Schichten
-übereinander liegen; der ältern gehört hier der Pflegevater Regin am
-Rheine an. Der Umstand, daß Sigurd, der später ein großer Held wird,
-unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein soll, hat die spätern,
-verfeinerten Geschlechter gestört; man hat ihm deshalb einen Stiefvater
-aus königlichem Blute gegeben, so daß eine dementsprechende königliche
-Erziehung möglich war.
-
-Regin ist, wie gesagt, ein Mann vergleichsweise niederer Herkunft.
-Er versucht den Sigurd, nachdem er herangewachsen ist, in seinem
-eigenen Interesse auszunutzen; zu diesem Zwecke erzählt er ihm seine
-Schicksale und damit verbunden die Herkunft des großen Schatzes, den er
-beansprucht, den aber ein Drache hütet.
-
-Nach dieser Erzählung war der Vater des Regin und noch zweier Brüder,
-die die Namen Fafnir und Otr führen, ein Bauer namens Hreidmar. Die
-Söhne hatten die Fähigkeit, beliebig Tiergestalt anzunehmen. Es ist das
-eine Erscheinung ähnlich dem Gestaltentausch der Signy.
-
-Eines Tages ziehen nun drei Götter, Odin, Hönir und Loki (eine
-Dreiheit, die oft zusammen genannt wird) auf Erden umher in
-menschlicher Gestalt. An einem Wasserfall sehen sie einen Fischotter
-einen Fisch schmausen. Loki tötet durch einen Steinwurf den Fischotter
-und zieht ihm den Balg ab. Mit dieser Beute kehren sie dann bei dem
-Bauern Hreidmar ein; dieser erkennt an dem Otterfell, daß sein Sohn Otr
-hat das Leben lassen müssen. Er setzt infolgedessen die drei Götter
-gefangen und legt ihnen die Mordbuße für den Sohn auf: der Otterbalg
-soll mit Gold ausgefüllt werden, bis er auf seinen vier Beinen
-wieder stehen kann, und dann auch mit Gold überzogen werden, bis das
-letzte Härchen verschwunden ist. Darauf wird einer der Götter, Loki,
-beurlaubt, um das nötige Lösegeld herbeizuschaffen. Er kommt wieder
-an den Wasserfall, wo, wie er weiß, ein Zwerg, namens Andvari, lebt,
-der große Schätze hat und sich oft in Hechtgestalt im Wasser aufhält.
-Loki fängt diesen Hecht, und nun muß sich Andvari durch Herausgabe
-seines Reichtums lösen. Er gibt verhältnismäßig rasch alles heraus
-bis auf einen Ring, der in der Folge unter dem Namen Andvaranaut
-(Andvari’s Kleinod) eine wichtige Rolle spielt; da Loki auch diesen
-nimmt, das letzte, was Andvari hat, belegt der Zwerg den Ring mit
-einem furchtbaren Fluche, der darauf hinzielt, daß alle die, die ihn
-später besitzen werden, vom Fluche betroffen zugrunde gehen. Mit der
-gewonnenen Beute wandert Loki zu Hreidmar und übergibt das Gold Odin.
-Dieser füllt den Balg aus und überkleidet seine Außenseite, behält
-aber den Ring vorläufig zurück. Hreidmar sieht sich die Mordbuße an
-und erklärt schließlich, daß noch ein Schnurrbarthaar des Otters
-durchscheine; das müsse noch bedeckt werden, dann sei die Sache in
-Ordnung. Darauf erst gibt Odin den unheilbringenden Ring noch hinzu,
-und die Götter sind gelöst. Sofort aber beginnt der Fluch zu wirken:
-die beiden andern Söhne Hreidmars fordern Anteil an der Buße; da er das
-verweigert, erschlagen ihn seine Söhne und geraten nun untereinander
-in Zwist. Fafnir verjagt Regin, behält den ganzen Schatz für sich und
-hütet ihn nun in einer Höhle auf der Gnitaheide[9]. Hier liegt er von
-nun an in Drachengestalt auf dem Schatze.
-
-Regins Bestreben ist nun, Fafnir zu töten und damit den Schatz zu
-gewinnen; zu diesem Zwecke will er sich Sigurds bedienen. Sigurd
-verlangt dazu zunächst ein Schwert. Die Schwerter, die Regin selbst
-schmiedet, sind ihm alle nicht gut genug; sie versagen bei der Probe.
-Daraufhin begibt sich Sigurd zu seiner Mutter und erhält von ihr
-die Stücke des Gottesschwertes, das der Vater geführt hat. Regin
-schweißt sie wieder zusammen[10]. Dies Schwert besteht jede Probe. Es
-wird im Rhein erprobt, indem im langsam fließenden Wasser gegen die
-Schärfe des Schwertes eine Wollflocke entgegentreibt; sie wird glatt
-durchschnitten. Das Schwert wird für gut erklärt, und nun verlangt
-Regin die Tötung des Drachens. Sigurd aber denkt zunächst an etwas
-anderes, was in der nordischen Sagengestalt unvermeidlich ist, aber
-zweifellos nicht ursprünglich zu unserer Darstellung gehört: er denkt
-an Vaterrache. Er muß seinen gefallenen Vater Sigmund an Lyngvi rächen.
-So zieht er denn zunächst mit Heeresmacht, die er natürlich von seinem
-Stiefvater Alf erhalten hat, gegen Lyngvi und fängt und tötet ihn.
-Dann erst, nachdem die Vaterrache gelungen ist, macht sich Sigurd an
-die Tötung Fafnirs. Er kundschaftet seine Höhle aus, gräbt eine Grube,
-setzt sich hinein und ersticht ihn von unten, während jener über ihn
-hinwegschreitet. Die nordische Dichtung bringt nunmehr ein langes
-Zwiegespräch zwischen dem sterbenden Drachen und Sigurd; gerade in
-solche Momente lange, meist auf die Zukunft hinausdeutende Erzählungen
-einzulegen, ist im Norden nicht unbeliebt, erscheint uns freilich
-ungeschickt und unbegreiflich.
-
-Dann stirbt der Drache, Regin begrüßt den Sigurd, bittet ihn, ihm
-das Herz des Drachens zu braten und legt sich einstweilen zur Ruhe.
-Sigurd geht an diese kleine Arbeit und versucht nach einiger Zeit,
-ob das Herz wohl gar ist, indem er es mit den Fingern anfaßt; dabei
-verbrennt er sich und steckt die Finger rasch in den Mund. Darüber
-kommt etwas Drachenblut an seine Zunge, und er versteht plötzlich,
-was die Vögel in den Bäumen über ihm reden. So erfährt er denn von
-ihnen, daß Regin darauf denkt, wie er Sigurd beseitigen kann, teils um
-seine Rachegelüste zu befriedigen, -- denn er hat gewissermaßen die
-Verpflichtung, seinen Bruder Fafnir zu rächen, -- teils um den Hort
-für sich zu gewinnen. Daraufhin tötet Sigurd den Regin. Durch die Vögel
-erfährt er weiter von dem Dasein des Schatzes und wird hingewiesen
-auf eine Jungfrau, zu der ihn zunächst sein Weg führen soll. Mit dem
-Schatze beladen zieht er ab und kommt nach einiger Zeit an eine Höhe,
-die den Namen Hindarfjall (der Hindenberg) führt. Die Erzählung (hier
-die Prosa des Sammlers der Lieder-Edda) fährt wörtlich fort (Gering S.
-210): „Sigurd ritt hinauf nach Hindarfjall, und seine Absicht war es,
-gen Süden nach dem Frankenlande zu ziehen. Auf dem Berge sah er ein
-helles Licht, als ob Feuer darauf brannte, und der Schein leuchtete zum
-Himmel empor. Als er aber näher kam, stand dort eine Schildburg, und
-über ihr wehte ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg und erblickte
-darin einen Mann, der in voller Rüstung da lag und schlief.“ Es brennt
-also kein Feuer, sondern die glänzenden Schilde, die zu einer Art von
-Zaun zusammengestellt sind -- das ist die Schildburg --, leuchten in
-der Sonne, so daß es von weitem aussieht, als brännte ein Feuer. Ein
-wirkliches Feuer aber ist hier in der Überlieferung nicht gemeint. Es
-ist das wesentlich für die Auffassung eines bestimmten Zugs unserer
-Sage. Der schlafende Mann wird von Sigurd erweckt; er schneidet ihm
-den Panzer auf und erkennt nun, daß er ein Weib vor sich hat. Das Weib
-erwacht und erzählt ihm ihre Schicksale. Sie heißt Brynhild und war
-früher eine Walküre des Gottes Odin (also ursprünglich ein dämonisches,
-kein menschliches Wesen). Als einmal ein Kampf zwischen zwei Königen
-ausbrach, Hjalmgunnar und Agnar, da stand Odin auf Seite des erstern,
-des ältern und berühmtern. Niemand aber wollte dem Agnar helfen. Das
-unternahm nun gegen den Willen des Gottes die Walküre Brynhild. Dafür
-ist sie von Odin aus der Schar der Walküren ausgestoßen, in Schlaf
-versenkt und zur Vermählung bestimmt worden. Sie aber hat vorher noch
-das Gelübde getan, nur dem sich zu vermählen, der das Fürchten nicht
-kenne. Erweckt, gibt sie zunächst dem Sigurd weise Lehren. Alsdann
-verloben sie sich miteinander. Sigurd aber nimmt Abschied, ohne daß
-die Ehe sofort vollzogen wird[11]. Diese Unterlassung wird nicht
-begründet, wie überhaupt die ganze Erzählung viel Seltsames hat und
-uns noch seltsamer anmutet, wenn wir unmittelbar hinterher von einer
-zweiten Begegnung Sigurds mit Brynhild erfahren, die so erzählt
-wird, als ob die erste gar nicht stattgefunden hätte. Wir stehen
-allerdings jetzt in der Lücke des ~Codex regius~ und können nur die
-Volsungasaga benutzen, die für uns die Lücke ausfüllt. Nach ihr kommt
-Sigurd, nachdem er vom Hindenberge weggeritten ist, zu einem Helden,
-namens Heimir, der in Hlymdalir wohnt. Dieser Heimir hat einen Sohn
-Alsvinn, mit dem sich Sigurd befreundet. Sie jagen zusammen. Auf einer
-Jagd gelangt Sigurd im Walde auf einen einsamen Turm. Hier findet er
-Brynhild, wird mit ihr bekannt, wirbt um sie und wird nicht abgewiesen,
-obgleich sie Bedenken gegen die Werbung hat, denn sie sagt, sie wäre
-eine Schildmaid und trüge im Dienste von Königen die Waffen. Sie ist
-hier also kein übermenschliches, sondern ein rein menschliches Mädchen.
-Schildmädchen, d. h. Frauen, die sich dem Kriegerberufe gewidmet haben,
-sind in der nordischen Tradition gar nichts seltenes, sind sogar auch
-in der altgermanischen Welt überhaupt nichts seltenes gewesen. Man
-erinnere sich ferner daran, daß schon die Griechen im Norden Europas
-die Amazonenvölker, also kriegerische Frauen, kennen. -- Sigurd und
-Brynhild schwören einander Eide, und zwar, wie die Volsungasaga ganz
-naiv sagt, von neuem; die Verlobung wird also zweimal geschlossen.
-Selbstverständlich haben wir hier zwei parallele Dichtungen, die
-nebeneinander stehen, die aber der Sagaschreiber einfach hintereinander
-erzählt. Die eine schließt die andere aus. Welches die altertümlichere
-ist, kann meines Erachtens nicht zweifelhaft sein: die zweite ist die
-ältere.
-
-Das menschliche Schildmädchen ist aus den altgermanischen Verhältnissen
-heraus ohne weiteres verständlich; die zur Strafe unter die
-Menschen versetzte, ursprünglich rein dämonische Walküre setzt die
-ganze Entwicklung der speziell nordischen Form des germanischen
-Götterglaubens notwendig voraus; die Walküren als Botinnen Odins
-und Gefährtinnen der seligen Helden können nicht ohne diese (die
-Einherjar) gedacht werden, letztere wieder nicht ohne die nordische
-Eschatologie, die ihrerseits bestimmt erst unter südeuropäischen
-(römisch-klassischen und römisch-christlichen) Einflüssen zustande
-gekommen ist.
-
-Nachdem Sigurd die Brynhild zum zweiten Male und ebenfalls ohne Angabe
-eines rechten Grundes verlassen hat, zieht er weiter und kommt an den
-Hof des Königs Gjuki. Gjuki ist die nordische Namensform des deutschen
-Gibich (mhd. Gibeche, ursprünglich Gibica). König Gjukis Volk wird im
-Norden entweder nicht oder als „Goten“ benannt, eine Auffassung, die
-wohl damit zusammenhängt, daß man sich im Norden die eng mit den Goten
-verbundenen Hunnen in Norddeutschland wohnend dachte und Sigurd zu den
-Hunnen rechnete. Im allgemeinen wird Gjukis Geschlecht und dann auch
-sein Volk mit dem Namen der Nibelunge bezeichnet (die nordische Form
-ist Niflungar). Der Name Nibelunge ist im Norden ziemlich selten. Wo er
-vorkommt, bezeichnet er stets den König Gjuki und seine Angehörigen.
-König Gjuki hat eine Gattin Grimhild und mehrere Kinder, vor allen
-die Söhne Gunnar (deutsch Günther) und Hogni (deutsch Hagen, der also
-im Norden ein Bruder Günthers ist) und die Tochter Gudrun. Außerdem
-erscheinen noch gelegentlich andere Kinder Gjukis, darunter ein Sohn
-Gudorm, der in der nordischen Sage zu besondern Zwecken verwandt wird
-und nicht auf gleicher Stufe mit seinen Geschwistern steht.
-
-Am Hofe des Königs Gjuki erregt Sigurd großes Aufsehen, so daß man
-beschließt, ihn an sich zu fesseln. Als treibend tritt hierbei
-Grimhild, die Gattin Gjukis, auf (nicht zu verwechseln mit unserer
-deutschen Kriemhilt die vielmehr der nordischen Gudrun entspricht).
-Sie gibt dem Sigurd einen Vergessenheitstrank, worauf er nicht mehr an
-Brynhild denkt, und rät dann ihrem Manne, dem Sigurd die Tochter Gudrun
-zum Weibe anzubieten. Gjuki antwortet darauf, es sei nicht üblich,
-daß man seine Tochter jemandem zum Weibe anbiete, aber doch noch
-ruhmvoller, sie Sigurd anzubieten, als wenn ein anderer käme, um sie zu
-werben. Also die Wertschätzung Sigurds ist sehr groß. Sigurd vermählt
-sich darauf mit Gudrun und wird in die Familie aufgenommen durch die
-Formel des Blutsbundes. Gunnar, Hogni und Sigurd fügen sich eine
-leichte Wunde zu, lassen das Blut in ihre gemeinsame Fußspur rinnen,
-vermischen es auf diese Weise und gelten nunmehr als Blutsverwandte,
-als wirkliche Brüder. Ein solcher Blutsbund ist heilig und hat alle
-rechtlichen Folgen echter Verwandtschaft.
-
-Nach einiger Zeit beschließt Gunnar, Gjukis Sohn und Sigurds Schwager,
-sich um Brynhild zu bewerben. Zu dieser Werbung ziehen aus Gunnar,
-Hogni und Sigurd. Sie holen sich zunächst an den zuständigen Stellen
-die Einwilligung, erst bei König Atli, dem Bruder der Brynhild, dann
-bei ihrem Pflegevater Heimir, bei dem Sigurd sie kennen gelernt hatte,
-und begeben sich dann zu ihr. Sie sitzt jetzt in einem Schlosse, das
-von wogendem Feuer umgeben ist. Gunnar versucht hindurchzureiten; sein
-Roß scheut zurück. Er bittet daraufhin zunächst Sigurd um sein Pferd
-Grani und erhält es; aber unter Gunnar geht auch Grani nicht durchs
-Feuer. So tauscht denn schließlich Sigurd mit Gunnar die Gestalt
-(wieder ein solcher Gestaltentausch, der ohne Schwierigkeit gelingt)
-und reitet auf Grani in Gunnars Gestalt durch die Flammen. Drinnen
-sitzt Brynhild und ist gewärtig (was eigentlich nicht erklärt wird),
-daß nur Sigurd es wagen werde, durch die Flammen zu reiten. Sie sieht
-aber, daß ein anderer kommt, der sich Gunnar nennt, und da er durch die
-Flammen geritten ist, also die erforderliche Bedingung erfüllt hat,
-so ergibt sie sich ruhig in ihr Schicksal. Sigurd in Gunnars Gestalt
-bleibt drei Nächte lang bei ihr, ohne sie jedoch zu berühren; vielmehr
-trennt ein blankes Schwert ihrer beider Lager. Dann folgt Brynhild dem
-Gunnar als Ehefrau, und eine Zeitlang leben die beiden jungen Paare
-neben Hogni und den übrigen Familienmitgliedern zusammen in allem
-Frieden an demselben Hofe.
-
-Da erhebt sich ein Streit zwischen den beiden Königinnen Brynhild
-und Gudrun, und zwar um den Rang. Es sind außerordentlich einfache
-Verhältnisse, die hier geschildert werden: obgleich königliche Frauen,
-gehen sie doch in ganz volkstümlicher Weise zusammen im Flusse baden.
-Während des Badens ändert plötzlich Brynhild ihren Platz, indem sie
-ihre bisherige Stellung unterhalb der Gudrun mit einer oberhalb
-derselben vertauscht. Gudrun fällt das auf; sie fragt, warum sie das
-täte, worauf Brynhild erwidert, sie möge nicht mit dem Wasser baden,
-das von der Gudrun abgelaufen ist, weil sie (Brynhild) die vornehmere
-sei. Gudrun sei die Gattin eines Knechtes[12], während Gunnar den Ritt
-durch die Flammen vollbracht habe. Gudrun, über diese Vorwürfe sehr
-erzürnt, enthüllt das Geheimnis: nicht Gunnar, sondern Sigurd ist durch
-die Flammen geritten; der Mann, der dabei den Ring Andvaranaut gegeben
-hat (oder genommen -- das ist nach den Darstellungen verschieden),
-kann nur Sigurd gewesen sein. Brynhild ist über diese Enthüllung sehr
-unglücklich, geht nach Hause und brütet Rache.
-
-Die Rolle, die der Ring als Beweisstück in dem Zanke der Königinnen
-spielt, ist je nach der Einzelquelle verschieden gefaßt, doch bleibt
-es sich tatsächlich gleich, ob im Augenblicke des Zankes Brynhild den
-Ring trägt, und Gudrun ihr sagt, „dieser Ring stammt doch aus Fafnirs
-Schatze, den kann dir nur Sigurd gegeben haben“, oder ob Gudrun den
-Ring trägt und sagt „den Ring, den ich hier habe, den hat Sigurd dir
-damals abgenommen“. Die Wirkung bleibt die gleiche.
-
-Die Tatsache des dreitägigen, wenn auch keuschen Beilagers von Sigurd
-und Brynhild wird natürlich in dem Königinnenstreite verdreht und dazu
-benutzt, die Katastrophe herbeizuführen: Gudrun wirft der Brynhild vor,
-daß nicht Gunnar, sondern Sigurd ihr erster Mann gewesen sei. Über die
-Wirkung dieser Behauptung im einzelnen sind die nordischen Quellen
-nicht recht einig, vermutlich, weil wieder mehrere Parallelerzählungen,
-die sich gelegentlich widersprechen, nicht voll miteinander
-ausgeglichen sind. Das Ursprüngliche scheint zu sein, daß Brynhild die
-falsche Behauptung aufnimmt und bewußt verlogen zugibt, daß Sigurd
-dem Gunnar in jenen kritischen Nächten die Treue nicht gewahrt habe.
-Dadurch gewinnt sie letztern für die Rache, die Ermordung Sigurds.
-Freilich sind Gunnar sowohl wie Hogni vermöge des Blutbundes nicht in
-der Lage, die Rache persönlich auszuführen. Zu diesem Zwecke taucht nun
-jener dritte Sohn Gjukis, Gudorm, auf. Er wird als geeignetes Werkzeug
-zur Rache verwendet. Die Art, wie Sigurd von Gudorm getötet wird, wird
-wieder in der verschiedensten Weise erzählt. Die nordischen Texte
-kennen drei Darstellungen von Sigurds Tode: nach der einen (sie scheint
-im Norden die altertümlichste zu sein) wird er ermordet während des
-Rittes zur Volksversammlung; nach der zweiten, ausdrücklich als deutsch
-bezeichneten Darstellung wird er im Walde auf der Jagd ermordet, und
-nach der dritten Darstellung, die im kurzen Sigurdsliede vorliegt und
-von der Volsungasaga aufgenommen ist, wird er nachts im Bette schlafend
-ermordet, an der Seite seiner Gattin. Diese Darstellungen gehen zum
-Teil auf verschiedene Grundlagen zurück, zum Teil sind sie willkürliche
-Änderungen derselben.
-
-Nach Sigurds Ermordung gibt Brynhild zu, daß er stets die Treue
-gehalten hat und unschuldig ermordet worden ist; sie läßt sich mit
-ihm auf demselben Scheiterhaufen verbrennen. Gudrun aber nimmt nach
-einiger Zeit von ihren Angehörigen die Mordbuße für den erschlagenen
-Gatten an, und es führt im Grunde von diesem Teile der Erzählung zu dem
-folgenden keine innere Brücke. Dieser ist mit dem bisher betrachteten
-lediglich dadurch verbunden, daß dieselben Personen auftreten, nicht
-aber dadurch, daß die Handlung des zweiten Teiles mit der des ersten
-innerlich in Zusammenhang steht. Einen schwachen Versuch hat der Norden
-gemacht, einen Zusammenhang herzustellen, indem er Brynhild zu einer
-Schwester des Königs Atli, des demnächst auftretenden zweiten Gatten
-Gudruns, gemacht und diesem damit die Pflicht auferlegt hat, diese
-Schwester zu rächen.
-
-Nachdem Gudrun eine Zeitlang bei ihren Verwandten gelebt hat, kommt der
-neue Werber, König Atli[13], und Gudrun reicht ihm ihre Hand. Nachdem
-sie eine Zeitlang verheiratet sind, beschließt Atli, ohne daß Gudrun
-dazu irgend etwas tut, die Niflunge zu vernichten, um einerseits --
-das ist die nordische Zugabe -- seine Schwester Brynhild zu rächen
-und andererseits -- das ist die eigentliche Hauptsache -- den großen
-Hort zu gewinnen, der nach Sigurds Ermordung natürlich in den Besitz
-der Niflunge übergegangen ist. Er ladet die Niflunge freundlich,
-aber verräterisch zu sich ein. Gudrun versucht sie zu warnen, aber
-ohne Erfolg. Gunnar und Hogni kommen mit mäßigem Gefolge an den Hof
-des Atli. Den Hort haben sie, wie sich aus der folgenden Darstellung
-ergibt, vorher versteckt: sie haben ihn in den Rhein versenkt. Auch
-hier tritt der deutsche Strom, der Rhein, auf und zeigt, wo die Sage
-zunächst heimisch war.
-
-In Atlis Lande angekommen, werden Gunnar und Hogni von den Feinden
-überwältigt und gefangen. Atli richtet an Gunnar die Frage, ob er sein
-Leben durch Auslieferung des Hortes lösen wolle. Er erklärt, erst müsse
-er Hognis Herz als Beweis von dessen Tode sehen. Daraufhin wird Hogni
-getötet und sein Herz dem Gunnar gebracht; nun ruft dieser aus, daß der
-reißende Rhein viel besser geeignet sei, den Schatz zu hüten, als Atli
-und seine Leute. Gunnar wird in die Schlangengrube geworfen, erwehrt
-sich aber der Schlangen noch eine Zeitlang durch ein seltsames Mittel:
-da ihm die Hände gefesselt sind, schlägt er mit den Füßen eine Harfe,
-die ihm seine Schwester Gudrun noch zugereicht hat, und schläfert
-dadurch alle Schlangen ein bis auf eine, die ihn schließlich ins Herz
-sticht.
-
-Damit sind die Niflunge vom Schauplatz abgetreten, und der Gudrun,
-ihrer Schwester, als der letzten des Geschlechtes, fällt die Pflicht
-der Rache zu; sie rächt ihre Brüder an ihrem Gatten. Immer geht in der
-nordischen Anschauung die Blutsverwandtschaft der Ehegemeinschaft vor,
-ein besonders altertümlicher Zug, der dieser Gestalt anhaftet. Die
-Rache setzt Gudrun ins Werk, indem sie ihre beiden, dem Atli geborenen
-Söhne schlachtet und ihm beim Festmahle vorsetzt; nachdem er vom
-Fleische seiner Söhne gegessen und ihre Hirnschalen als Becher benutzt
-hat, enthüllt sie ihm, was sie getan, und tötet ihn selbst.
-
-Der zweite Teil der Sage hat damit sein Ende erreicht; von den
-handelnden Personen ist Gudrun allein übrig. Ein innerer Zusammenhang
-zwischen diesem zweiten Teile und dem ersten besteht, wie gesagt,
-nicht, denn der zweite Teil kann an sich allein vollkommen verstanden
-werden. Er ist keine innere Folge des ersten. In der nordischen
-Überlieferung kommt aber noch ein dritter Teil hinzu, dessen Anknüpfung
-uns höchst seltsam anmuten muß: Gudrun versucht, sich das Leben zu
-nehmen, indem sie sich ins Meer stürzt; allein die Wogen tragen sie
-und bringen sie an einen fremden Strand, wo sie aufgenommen wird und
-sich zum dritten Male vermählt. Der König des Landes, Jonakr (ein Name,
-der uns sonst nicht weiter bekannt ist), nimmt sie zur Gattin, und sie
-hat bei ihm noch zwei oder drei Söhne (darin ist die Überlieferung
-nicht ganz klar). Diese heißen Hamdir, Sorli und Erp; nach der einen
-Tradition sind sie alle drei die Söhne Gudruns, nach der andern ist
-Erp ein Sohn Jonakrs von einer andern Mutter. Außerdem wird am Hofe
-Jonakrs die nachgelassene Tochter des Sigurd und der Gudrun erzogen.
-Wie sie dahin gekommen ist, wird gar nicht erklärt. Sie führt den Namen
-Svanhild[14].
-
-Um sie wirbt ein schon bejahrter, aber mächtiger und gewaltiger König,
-Jormunrek, wie er im Norden heißt. Er ist der historische Gotenkönig
-des 4. Jahrhunderts Ermanarich. Er sendet seinen Ratgeber Bikki und den
-bereits erwachsenen Sohn erster Ehe Randver die junge Braut einholen.
-Svanhild wird ihnen übergeben. Unterwegs fängt Bikki an, seine Ränke zu
-spinnen; er raunt dem jungen Paare, der Stiefmutter und dem Stiefsohne,
-zu, daß sie zueinander viel besser paßten, als der alte König zu der
-jungen Svanhild, und versucht auf diese Weise ein Verhältnis zwischen
-den beiden herbeizuführen, aber ohne Erfolg. Als die Braut am Hofe
-Jormunreks eingetroffen ist, berichtet Bikki dem Könige das Verhältnis
-als Tatsache, und dieser rächt sich, indem er seinen Sohn erhängen und
-Svanhild von wilden Pferden zertreten läßt.
-
-So erwächst der Gudrun wiederum die Pflicht der Rache für ihre nächste
-Verwandtschaft. Sie reizt ihre Söhne dritter Ehe auf, die Rache zu
-vollziehen; diese lassen sich auch dazu bereit finden und machen sich
-auf den Weg. Unterwegs geraten sie miteinander in Streit, und Erp wird
-von den beiden andern erschlagen. Als sie dann am Hofe Jormunreks
-erscheinen, greifen sie den König an und verwunden ihn, indem der
-eine ihm die Hände, der andere die Füße abschlägt. Dem Erp aber war
-nach der etwas merkwürdigen Auffassung dieser Dichtung zugedacht, das
-Haupt des Königs abzuschlagen; da Erp nun fehlt, wird Jormunrek also
-nur verwundet, aber nicht getötet. Er hat noch die nötigen Kräfte,
-sich zu rächen, indem er seine Mannen aufruft: „Tötet die Fremden mit
-Steinwürfen.“ So fallen Hamdir und Sorli durch die Goten; damit hat
-die nordische Form der Nibelungensage ihr letztes Ende erreicht.
-
-Gudrun, die Hauptfigur, die durch alle drei Teile der eigentlichen
-Nibelungensage, ungerechnet die Vorgeschichte, hindurchgeht, ist noch
-am Leben. Wo sie hingekommen, was aus ihr geworden, wird nicht erzählt;
-nur das Gedicht von „Gudruns Aufreizung“ deutet an, daß sie schließlich
-(wie Signy) freiwillig den Flammentod suchen wird.
-
-Die nordische Form der Nibelungensage hat noch eine Erweiterung
-erfahren durch die Geschichte der Aslaug, der bei Heimir aufwachsenden
-Tochter Sigurds und der Brynhild; die Annahme, daß dies Paar eine
-Tochter gezeugt habe, ist zwar dem Geiste der alten Sage zweifellos
-zuwider, doch nicht so sehr, wie es uns auf den ersten Blick scheint:
-Aslaug ist eine Frucht der frühern Bekanntschaft ihrer Eltern, hat
-also nichts zu tun mit der Pflicht der Treue, die Sigurd dem Gunnar
-bei Gewinnung der Brynhild schuldig ist. Heimir befürchtet für Aslaug
-nach dem Tode ihrer Eltern Nachstellungen und entflieht mit dem Kinde
-in Verkleidung; unterwegs wird er von einem Bauernehepaare, bei dem er
-eingekehrt ist, ermordet, und Aslaug wächst nun in niedriger Umgebung
-auf. Als Jungfrau erregt sie die Liebe des Königs Ragnar Lodbrok, der
-auf einer seiner Wikingsfahrten in die Gegend, wo sie lebt, gelangt
-ist, wird seine Gemahlin und gebiert ihm eine stattliche Reihe Söhne,
-unter ihnen den Sigurd ~ormr í auga~ (Schlange im Auge), der zum
-Beweise seiner Herkunft vom Drachentöter das Bild des Fafnir auf der
-Hornhaut seines Auges trägt; seine Tochter heißt wiederum Aslaug und
-ist die Urgroßmutter des Harald Harfagri, ersten Alleinherrschers in
-Norwegen (gestorben um 930). Die ganze Erzählung zielt, wie vorhin
-schon bemerkt wurde, darauf ab, die norwegischen Könige als Nachkommen
-der Volsunge zu erweisen; der Name Aslaug ist offenbar von der
-gleichnamigen jüngern (die historisch zu sein scheint) auf Brynhilds
-Tochter übertragen.
-
-Schon aus der einfachen Erzählung der nordischen Sagenform dürfte
-sich ergeben haben, wie wenig klar die ganze Darstellung ist. Wir
-dürfen diese Unklarheit aber nicht etwa einem einzelnen Manne, einem
-Dichter der ganzen Sage, in die Schuhe schieben, sondern wir müssen
-uns gegenwärtig halten, daß wir hier keine geschlossene Überlieferung
-vor uns haben, sondern uns lediglich eine Reihe von Einzelgedichten
-überliefert ist, von denen jedes für sich seine besondere
-Selbständigkeit hat und seine eigene Würdigung erfordert. Die einzelnen
-Dichter in sich sind in der Regel geschickt und geschlossen; aber der
-eine hat die Erzählung so, der andere so aufgefaßt und durchgeführt.
-
-Eine älteste Gestalt der Sage aus diesen ziemlich stark
-auseinanderklaffenden Stücken herauszufinden, würde wohl kaum möglich
-sein, wenn wir nicht neben der nordischen Überlieferung noch die ganz
-selbständige deutsche Überlieferung hätten, die sich von der nordischen
-getrennt hat im 9. Jahrhundert, als die Wikinger den deutschen Stoff
-vom untern Rheine nach dem Norden verpflanzten.
-
-
-
-
-III.
-
-Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung.
-
-
-~a~) Der Nibelunge Lied.
-
-In Deutschland ist uns nun die Sage in allererster Linie erhalten in
-unserm Nibelungenliede. Das Nibelungenlied ist ein ritterliches Epos,
-in der ältesten Form entstanden im 12. Jahrhundert. Es steht also dem
-Zeitpunkte, da sich der deutsche Überlieferungszweig vom nordischen
-trennte, dem 9. Jahrhundert, schon ziemlich fern und hat bereits
-stofflich eine weitere Entwickelung durchgemacht. Der Stoff war, ehe
-der Nibelungendichter daran ging, sein Werk zu gestalten, bereits sehr
-stark verändert. Selbstverständlich hat nun auch unser Dichter noch
-alles mögliche Neue hinzugefügt und den alten Stoff nach vielen Seiten
-hin ergänzt oder auch verkürzt.
-
-Das Lied, das uns in mehreren Handschriften erhalten ist, und von
-dessen weiter Verbreitung außerdem eine große Anzahl Bruchstücke
-anderer Handschriften zeugen, ist in eine eigenartige Form gegossen.
-Obgleich ein großes Epos, ein langes erzählendes Gedicht, benutzt es
-doch keinen glatt durchlaufenden epischen Vers, sondern es liegt uns
-vor in einer der Ballade nahekommenden Form. Es ist nämlich abgefaßt
-in Strophen, die, verhältnismäßig wenig umfangreich, dem Dichter
-häufig beschränkende Fesseln anlegen. Bald ist die Strophe zu kurz,
-den gegebenen Stoff in sich aufzunehmen, bald zu lang, einen einfachen
-Gedanken kurz darzustellen. Oft bleibt dann in ihr noch Platz für
-etwas anderes, etwa für den Anfang eines neuen Gedankens. Der Dichter
-ist bei dieser formalen Schwierigkeit vor die Frage gestellt: soll er
-den noch freien Raum der vorliegenden Strophe dazu benutzen, einen
-neuen Gedanken anzufangen, der dann in der Strophe nicht aufgeht,
-sondern in die nächste übergreift und damit die strophische Gliederung
-zerstört, oder soll er den Rest mit leeren Redensarten ausfüllen?
-Beides kommt ziemlich häufig vor. Das hat die Gelehrten, die sich mit
-dem Nibelungenliede beschäftigt haben, lange Zeit sehr gestört; daß
-der Grund der vielen vorkommenden leeren vierten Zeilen lediglich
-der ist, daß die Strophenform eben entweder zu kurz oder zu lang
-für die geschlossene Darstellung eines Gedankens ist, hat man erst
-verhältnismäßig spät erkannt.
-
-Die Nibelungenstrophe besteht aus vier paarig gereimten Langversen, so
-daß also der erste mit dem zweiten, der dritte mit dem vierten durch
-Reim gebunden ist. Die drei ersten Verse sind einander gleich, und
-zwar haben sie vor dem Abschnitt, der in die Mitte des Verses fällt,
-vier Hebungen, nach dem Abschnitt drei Hebungen; die vierte Zeile aber
-hat vor und nach dem Abschnitt je vier Hebungen. Die vierten Hebungen
-vor dem Abschnitte (gelegentlich auch die dritten Hebungen der zweiten
-Hälften des ersten und zweiten Verses) dürfen durch klingende Ausgänge
-vertreten werden. Als Beispiel setze ich Strophe 924 des Textes ~C~
-(nach Holtzmanns Bezifferung) hierher und bezeichne die Hebungen:
-
- ~Gúnthér und Hágené, die réckén vil bált,
- lóbten mít untríuwén ein pírsen ín den wált;
- mít ir schárpfen gếrén si wólden jágen swî́n,
- pérn únde wísendé. waz móhte kǘenérs gesî́n?~
-
-Spätere Dichter haben die vierte Zeile den drei übrigen meist gleich
-behandelt. Diese Neuerung, die in moderner Zeit Uhland aufgenommen hat
-(z. B. in seinem Balladenzyklus von Eberhard dem Greiner), ist nicht
-glücklich, denn sie löst die Strophe in Reimpaare auf; dann ist ja
-durch nichts mehr markiert, daß die Strophe aus vier Versen bestehen
-soll, sondern die beiden Reimpaare stehen in der Form ganz gleich
-nebeneinander, und ob wir dann zwei derselben oder drei oder auch nur
-eins als Ganzes fassen, ist für unser Empfinden ganz gleichgültig. Die
-vier Zeilen der zwei Reimpaare müssen erst durch eine Besonderheit am
-Schlusse der ganzen Reihe zusammengeschlossen werden, wie es im alten
-Liede der Fall ist.
-
-Das Lied setzt (abgesehen davon, daß es mit einer Art
-Theaterzettel[15] beginnt, der aufzählt, was in Worms, am Sitze des
-Königs Günther, des Bruders der Kriemhilt, alles vorhanden ist an
-Helden) gleich an einer vorgerückten Stelle des Stoffes ein, fängt also
-nicht mit dem eigentlichen Anfang der Sage an. Infolgedessen hat der
-Dichter an spätern Stellen das eine oder andere berichtweise nachholen
-müssen.
-
-An den Theaterzettel (wie man die einleitenden Strophen genannt hat,
-da sie poetisch ohne Wert sind) schließt sich zunächst die Erzählung
-vom Traume der Kriemhilt an. Kriemhilt ist dieselbe Person, die in der
-nordischen Sage Gudrun heißt, also die Schwester des burgundischen
-Königs Günther aus dem Geschlecht der Nibelunge[16]. Sie erzählt ihrer
-Mutter Ute folgenden Traum: sie hat sich einen Falken erzogen, der ihr
-lieb ist, und den ihr zwei Adler töten; das ist ihr größter Kummer.
-Die Mutter deutet den Traum auf den künftigen Gatten Kriemhilts und
-darauf, daß sie ihn vorzeitig verlieren werde. Daraufhin verschwört die
-junge Kriemhilt das Heiraten, die Mutter meint aber, sie solle die Rede
-lassen, denn allein durch die Liebe werde sie auf der Welt froh werden.
-
-Diese kurze Geschichte geht der eigentlichen Erzählung voraus.
-Sie findet in der nordischen Version gelegentlich ihr Gegenstück,
-ohne daß dies irgendwie die Darstellung und den Gang der Erzählung
-beeinflußt. Ehe Sigurd in der nordischen Erzählung an den Hof Gjukis
-kommt, hat Gudrun einen ähnlichen Traum wie Kriemhilt in der deutschen
-Sagenfassung. Die nordische Gudrun fährt zu Brynhild[17] und läßt sich
-von ihr den Traum deuten. Brynhild weiß denn auch gleich (ein Motiv,
-das im Norden oft verwendet wird, so ungeschickt es ist) alles, was
-sich aus dem Traume ergibt, und erzählt ihre beiderseitigen Schicksale
-bis ans Ende mit klaren Worten, ohne daß dies Wissen auf das spätere
-Verhalten der Personen auch nur den geringsten Einfluß ausübte; eine
-Seltsamkeit, die wir ähnlich schon S. 6 beobachten konnten.
-
-Das Lied setzt dann an einer ganz andern Stelle ein. Über
-Niederland[18] regiert der König Sigemund, vermählt mit einer Gemahlin
-namens Sigelind. Beider Kind ist Siegfried (mittelhochdeutsch Sîfrit),
-der als junger Fürst am Hofe seiner Eltern erzogen und mit aller
-Vornehmheit, aller zeitgemäßen Bildung ausgestattet wird. Er wird
-waffenfähig erklärt, wie es sich für einen Ritter des 12. Jahrhunderts
-geziemt, und beschließt, einmal soweit gekommen, zu heiraten. Diesen
-Wunsch trägt er seinem Vater vor, und zwar will er sich um Kriemhilt,
-die Schwester des Königs Günther in Worms, bewerben. Der Vater warnt
-ihn: am Hofe Günthers sei eine Reihe trotziger Helden, die Gefahr,
-dorthin zu gehen, also ziemlich groß. Siegfried läßt sich dadurch nicht
-abschrecken, im Gegenteil, er wird eher angereizt, und begibt sich mit
-geringem Gefolge nach Worms. Dort erscheint er, sofort erkannt von
-Hagen, der hier der vornehmste Vasall des Königs Günther ist und nicht
-sein Bruder, aber immerhin ein Verwandter; er führt den Beinamen „von
-Tronje“ (vgl. S. 83).
-
-Hagen beobachtet den ankommenden Siegfried mit seinen Leuten und sagt:
-„Ich habe ihn zwar nie gesehen, aber nach dem Auftreten kann der
-Ankömmling niemand weiter sein als Siegfried.“ Nun berichtet uns der
-Dichter durch Hagens Mund nachträglich alles, was Siegfried bisher
-getan hat.
-
-Als Siegfried einst allein unterwegs war, stieß er auf zwei Könige, die
-miteinander stritten. Es waren die Brüder Nibelung und Schilbung, Söhne
-eines alten Königs Nibelung, der eben verstorben war; sie stritten
-um die Teilung des Erbes. Als Siegfried hinzukam, ward er von ihnen
-sofort als Unparteiischer berufen und beauftragt, ihnen den Hort, den
-der Vater hinterlassen, zu teilen; als Lohn gaben sie ihm zuvor das
-Schwert, das ihr Vater früher geführt hatte, und das Balmung hieß.
-Siegfried konnte ihnen indes die Teilung nicht zu Danke machen und
-geriet darüber mit ihnen beiden in Kampf; er besiegte und tötete sie,
-dann überwand er noch ihren Diener Alberich und ward dadurch Herr der
-Nibelunge und ihres unermeßlichen Hortes, dessen Bewachung er Alberich
-anvertraute. Nibelunge heißen also in diesem Teile der Erzählung die
-ursprünglichen Besitzer des Schatzes.
-
-Weiter berichtet Hagen noch, daß Siegfried einen Drachen getötet
-hat; doch steht hier die Drachentötung nicht in Zusammenhang mit der
-Gewinnung des Hortes, sondern ist ein Ereignis für sich. Dagegen wird
-an sie die Behauptung angeknüpft, daß Siegfried sich im Blute des
-erschlagenen Drachen gebadet und dadurch eine Hornhaut bekommen habe,
-die kein Schwert zerschneiden könne. Nur an einer Stelle, auf dem
-Rücken, wo ihm ein Lindenblatt auf den nackten Körper gefallen wäre,
-sei das Drachenblut nicht direkt mit der Haut in Berührung gekommen,
-und habe diese daher ihre natürliche Weichheit behalten.
-
-Die Trennung des Drachenkampfes vom Hortgewinn kann unmöglich alt
-sein. Schon der Umstand, daß es sich um einen Drachen handelt, den
-er tötet, weist darauf hin, daß die beiden Ereignisse, Drachentötung
-und Hortgewinn, zusammenfallen. Denn ein Drache ist an sich ein
-Schatzhüter. Als solcher ist dies mythische Wesen von vornherein
-gedacht. Man hat das in Deutschland offenbar vergessen, wie man
-überhaupt auf die jugendlichen Heldentaten Siegfrieds hier wenig Wert
-legt; hat man doch auch die Jugendgeschichte schon dadurch, daß er am
-Hofe des Königs, seines Vaters, als vollgültiger Prinz erzogen wird,
-gänzlich umgestaltet.
-
-Inzwischen hat Hagen seine Erzählung beendet. Siegfried tritt herein
-und wird von Günther feierlich empfangen. Wir erinnern uns, daß er
-ausgezogen war, um Kriemhilt zu werben. Hier in Worms sagt er davon
-kein Wort, sondern fordert plötzlich ohne jeden Grund Günther zum
-Kampf um Land und Leute heraus; das dürfte doch wohl so ziemlich das
-ungeeignetste Mittel für ihn sein, den angegebenen Zweck zu erreichen.
-Es entwickelt sich eine heftige Szene, die ebenso unbegründet, wie sie
-entstanden ist, durch ein freundliches Wort Giselhers, des jüngsten
-Bruders des Königs, beigelegt wird. Siegfried wird wieder ganz
-friedlich und liebenswürdig, und die ganze Sache ist vergessen. Aber
-ebenso vergessen ist im Augenblick auch, weshalb er überhaupt nach
-Worms gekommen ist.
-
-Die Szene hat gar keine Wirkung, vielmehr bringt die liebenswürdige
-Rede des jungen Giselher alles ins gleiche. Damit ist Siegfried als
-Gast am Hofe des Königs Günther aufgenommen. Er scheint ganz und
-gar vergessen zu haben, weshalb er nach Worms gekommen ist, und hält
-sich hier ein volles Jahr auf, ohne auch nur eine Spur seiner Absicht
-laut werden zu lassen. Der Dichter bedarf erst eines neuen treibenden
-Momentes, um die Erzählung ins Rollen zu bringen. Er hat sich dabei
-nicht ohne Geschick einer Sage bedient, die sonst selbständig vorkommt:
-er verwendet die Geschichte vom Kampfe der Sachsen und Dänen gegen die
-Franken oder Burgunden[19]. Die Franken haben in der Zeit Karls des
-Großen mit den Sachsen und auch mit den hinter den Sachsen wohnenden
-Dänen, die jene unterstützten, mannigfache Kämpfe ausgefochten. Von
-diesen Kämpfen ist die Erinnerung jahrhundertelang lebendig geblieben;
-sie werden nun hier verwendet, um Siegfried zu einem Entschluß zu
-bringen, sonst würde er zeitlebens der schüchterne Liebhaber bleiben.
-
-Es kommen Boten von Liudeger von Sachsen und Liudegast von Dänemark,
-um den Burgunden Fehde anzusagen. Günther hat große Sorge, aber
-Siegfried erlöst ihn, indem er ihm seine Hilfe zusagt. Es wird nun der
-Feldzug geschildert, der im Handumdrehen durch Siegfrieds Tüchtigkeit
-den Burgunden die beiden feindlichen Herrscher in die Hände liefert.
-Damit ist Gelegenheit gegeben zu einem Siegesfeste[20]. Siegfried hat
-für seine entscheidende Teilnahme am Kampfe eine besondere Belohnung
-verdient. Sie besteht darin, daß man ihn bei dem Feste zum ersten Male
-den Frauen des Hofes vorstellt und ihm Kriemhilt zu führen gestattet.
-So sehen sich Siegfried und Kriemhilt zum ersten Male, ohne sein
-direktes Zutun (abgesehen davon, daß er mit der Absicht, zu werben,
-nach Worms gegangen ist), und ohne daß er hier seine Pläne irgendwie
-weiter verfolgt. Dazu bedarf der Dichter noch eines weitern treibenden
-Momentes.
-
-Plötzlich kommt eine ganz neue Botschaft nach Worms: es sitzt
-eine Königin jenseits des Meeres von so großer Schönheit, daß
-man ihresgleichen nicht kennt, dazu von einer solchen Kraft, daß
-sie denjenigen, die ihre Hand begehren, auferlegen kann, sie im
-Speerschießen, Steinwerfen und Weitspringen zu übertreffen; eine
-Aufgabe, die bisher noch niemand gelöst hat. So führt uns die Erzählung
-mit einem Sprunge hinüber zu Brünhilt, die uns in der deutschen
-Überlieferung bisher noch nicht begegnet ist. Sie ist eine heldenhafte
-Königin, und zwar nach der Anschauung des Dichters in Island gesessen.
-Wie er dazu kommt, sie nach Island zu versetzen, ist unklar und
-führt zu Unstimmigkeiten. Aber sie muß jenseits des Meeres sitzen
-und möglichst weit entfernt, sonst hätten die Zuhörer möglicherweise
-kontrollieren und dem Dichter falsche Angaben vorwerfen können.
-
-Die Erzählung fährt ganz nach der Art der so häufigen
-Brautfahrtgedichte fort: Günther überlegt sich, daß er als regierender
-König verpflichtet ist zu heiraten. Man rät ihm, sich um Brünhilt
-zu bewerben, die in Island als Königin und als schönste Frau der
-Gegenwart lebt. Siegfried aber spricht dagegen. Er kennt alles, was
-sich auf Island bezieht, ohne daß irgendwie erklärt wird, woher.
-Gewisse Beziehungen zwischen Siegfried und Brünhilt werden durch
-die eigentümliche Art der Darstellung in unserm Liede zweifellos
-vorausgesetzt. Aber kein Wort deutet darauf hin, daß der Dichter von
-einem Verlöbnis zwischen Siegfried und Brünhilt irgendwelche Ahnung
-hätte. Siegfried weiß nur, daß die Werbung um Brünhilt eine große
-Gefahr bedeutet. Da sagt nun Hagen: „Wenn du so genau weißt, wie es
-um die Königin steht, so hilf uns doch dazu, daß wir sie gewinnen“,
-und Siegfried sagt diese Hilfe zu, wenn Günther ihm seine Schwester
-zur Frau geben will. Nun ist er endlich so weit, daß er seine Werbung
-anbringt, um deretwillen er vor mehr als Jahresfrist nach Worms
-gekommen ist. Günther sagt ihm die Hand der Kriemhilt zu, und nun
-fahren Günther, Hagen, Siegfried und (verhältnismäßig nebensächlich)
-Dankwart, Hagens jüngerer Bruder, ohne weitere Begleitung von Worms den
-Rhein hinab nach Island, nachdem sie sich vorher durch die fleißigen
-Hände der Frauen in ritterlichem Geschmack haben ausstaffieren lassen.
-Daran, daß sie unterwegs Siegfrieds Heimat passieren müssen, denkt
-der Dichter nicht. Als sie sich nach zwölftägiger Fahrt dem Lande der
-Brünhilt nähern, und allmählich ihr Schloß in Sicht kommt, spricht
-Siegfried sich darüber aus, wie man die Sache angreifen soll. Dabei
-sagt er: „Wenn wir dahin kommen, will ich euch leiten, dann werden wir
-am besten zu unserm Ziele kommen. Nur müssen alle ein und dasselbe
-behaupten, nämlich Günther sei mein Herr und ich sein leibeigener Mann,
-dann kommen wir am besten durch.“ Warum er das sagt, ist hier nicht
-abzusehen. Später allerdings wird seiner Gattin vorgeworfen, daß er
-ein leibeigener Mann sei. Da nun der Dichter Siegfried als Königssohn
-schildert, so würde diese in der alten Sage begründete Schmähung
-hinfällig sein, wenn hier nicht eine neue Unterlage geschaffen würde.
-Das ist ziemlich ungeschickt angefangen, denn es führt zu nichts; ob
-er als Freund Günthers oder als sein Vasall nach Island kommt, bleibt
-gleichgültig.
-
-Inzwischen haben die Frauen die Fremden kommen sehen. Eine von ihnen
-schildert der Königin, wie die Fremden aussehen, und daß einer in
-seinem Aussehen dem Siegfried entspräche, ganz als ob Siegfried schon
-einmal dagewesen wäre. Darauf sagt Brünhilt: „Wenn er hierher gekommen
-ist, um meine Liebe zu erwerben, so wird es ihm gehen wie jedem
-andern.“ Dann aber begrüßt sie ihn vor allen andern wie einen alten
-Bekannten. Er sagt darauf: „Ich danke Euch sehr, Frau Königin, daß Ihr
-mich zu grüßen geruht. Aber erst müßt Ihr den begrüßen, des Untertan
-ich bin; Günther ist mein Herr, ihm kommt der Gruß zuerst zu. Er wirbt
-um Eure Liebe.“ „Gut,“ sagt sie, „wenn dein Herr um meine Liebe wirbt,
-so muß er wie jeder andere die Kampfspiele bestehen.“ Diese bestehen
-darin, daß zunächst mit dem Speer geworfen, und der Wurf pariert
-wird; an zweiter Stelle, daß ein Stein von ungewöhnlicher Schwere
-möglichst weit geworfen wird, und endlich drittens, daß ein weiter
-Sprung ausgeführt wird. Günther würde diese Bedingungen nicht erfüllen
-können, Siegfried kann sie erfüllen. Er kann nun nicht für Günther
-eintreten, denn dieser muß öffentlich in Gegenwart von Brünhilts Leuten
-kämpfen. So greift denn der Dichter zu folgendem Auswege: Siegfried
-bekleidet sich mit der Tarnkappe, dem unsichtbar machenden Mantel,
-den er seinerzeit dem Zwerg Alberich abgenommen hat, und unterstützt
-Günther bei den Spielen: beim Speerwerfen mit dem Erfolge, daß Brünhilt
-ins Straucheln kommt und fällt; beim Steinwerfen wirft er für Günther
-und übertrifft Brünhilts außerordentlich weiten Wurf. Beim Springen
-aber wird die Sache recht bedenklich; dem Dichter selbst fällt auf, daß
-er seinen Zuhörern reichlich viel zu glauben zumutet; er sagt: „Das
-war ein großes Wunder, nicht bloß weiter zu springen als Brünhilt,
-sondern im Sprunge auch noch den König Günther zu tragen.“ Diese
-Ungeschicklichkeit ist eine Folge der Komposition des Ganzen: nach
-der nordischen Darstellung ward der Preis erworben im Durchreiten des
-Feuers; das tat Sigurd an Stelle und in Gestalt Gunnars; wenn aber
-Günther vor allem Volke den Beweis seiner Überlegenheit erbringen muß,
-wird die Aufgabe des Dichters allerdings arg erschwert.
-
-Siegfried begibt sich nun zum Schiffe zurück, legt dort, ungesehen von
-den übrigen, die Tarnkappe ab und stellt sich bei der Rückkehr, als ob
-er keine Ahnung davon hätte, daß die Wettkämpfe schon vorüber sind.
-Brünhilt, von Günthers überlegener Tüchtigkeit überzeugt, sagt diesem
-ohne Zögern ihre Hand zu.
-
-Es folgt nun eine eigentümliche Szene, die für den Fortgang
-der Erzählung nichts bedeutet: um nämlich dem neuen Herrn zu
-huldigen, werden die Mannen der Brünhilt nach der Burg der Königin
-zusammengerufen. Jetzt sehen die Gäste, was für eine Menge Recken sich
-versammeln, und fürchten Verrat. Deshalb entschließt sich Siegfried,
-heimlich nach dem Nibelungenlande (das etwa in Norwegen gedacht wird)
-zu fahren und seine Recken zu holen. Er stellt sich dort als Fremder,
-bezwingt den riesenhaften Burghüter, kämpft mit seinem Kämmerer, dem
-Zwerge Alberich, und besiegt ihn, erprobt auf diese Weise die Treue
-seiner Mannen und führt dann tausend der besten Nibelunge zu Schiffe
-hinüber nach Island. -- Die ganze Erzählung ist nur eingeflochten, um
-darzustellen, wie Siegfried mit Alberich kämpft; der Dichter hat ja
-die ganze Vorgeschichte weggelassen und bemüht sich, einzelne Szenen
-derselben gelegentlich nachzuholen; dabei hat er für sein ritterliches
-Empfinden noch den Vorteil, dem König Günther ein größeres Gefolge zu
-verschaffen, als die drei Männer, die ihm nach der alten einfachen
-Darstellung folgten.
-
-Nachdem nun Brünhilt gewonnen ist, fährt man nach der Heimat
-zurück. Siegfried wird als Bote vorausgeschickt und verkündet den
-Frauen das Nahen der Braut. Nach der Ankunft wird er mit Kriemhilt
-verlobt, indem Günther sie bittet, sein Wort einzulösen. Kriemhilt
-gibt gern ihr Jawort, und die Hochzeit der beiden jungen Paare wird
-gleichzeitig gefeiert. Als aber an der Hochzeitstafel Brünhilt
-unerwartet sieht, daß ihres Gatten Schwester mit Siegfried vermählt
-wird, bricht sie in Tränen aus und erklärt es für eine Schmach, daß
-Kriemhilt einen Leibeigenen ihres Bruders heiraten soll. Dadurch kommt
-Günther natürlich in große Verlegenheit; er vermag Brünhilt über die
-eigentlichen Gründe dieser Heirat nicht aufzuklären, kann aber auch das
-Vasallentum Siegfrieds nicht ableugnen, da dieser seinerzeit selbst den
-Rat gegeben hat, ihn als Eigenen hinzustellen.
-
-An dieser Stelle wird Siegfrieds Leibeigenschaft, seine minderwertige
-Herkunft notwendig gebraucht, und da man ihn zu Anfang des Gedichtes
-zu einem Prinzen gemacht hatte, mußte man etwas finden, was es der
-Brünhilt ermöglicht, ihn für einen Leibeigenen zu halten. Daher der
-seltsame Rat, den Siegfried auf der Reise zu Brünhilt gibt.
-
-In der Brautnacht widersetzt sich Brünhilt ihrem Gatten, weil sie
-von ihm durchaus den Grund erfahren will, weshalb seine Schwester
-mit einem Leibeigenen verheiratet wird. Als Günther sein Gattenrecht
-geltend machen will, fesselt sie ihn sogar; seine Kräfte reichen
-eben nicht aus, sie zu besiegen. Am andern Tage klagt Günther dem
-Siegfried, der mit Kriemhilt glücklicher gewesen ist, sein Leid,
-und dieser muß nochmals helfend mittels der Tarnkappe eingreifen.
-In der folgenden Nacht überwindet er abermals an Günthers Statt die
-gewaltigen Körperkräfte der Brünhilt, bis sie selbst sagt, sie habe
-erkannt, daß er ihr Meister sein könne; dann tritt er zurück, ohne ihre
-Jungfräulichkeit berührt zu haben, und Günther wird nun ihr Mann.
-
-Diese eigenartige und nicht durchweg glückliche Fassung der Erzählung
-ist nötig, weil Siegfried später doch wegen unlautern Verkehrs mit
-Brünhilt ermordet werden muß. Hat er nichts weiter getan, als Günther
-bei den Kampfspielen unterstützt, so war zu solchem Verkehr keine
-Gelegenheit. Es ist aber notwendig, daß Siegfried und Brünhilt so
-vereinigt werden, daß üble Nachrede möglich ist; sonst ist die weitere
-Entwicklung nicht verständlich. In der nordischen Darstellung ritt
-Sigurd durch die Lohe und blieb drei Nächte bei der Braut; damit war
-die Möglichkeit übler Nachrede ohne weiteres gegeben. In der deutschen
-Darstellung muß sie erst geschaffen werden; die Gewinnung der Brünhilt
-ist damit in zwei Akte zerlegt.
-
-Nachher zieht Siegfried mit seiner jungen Frau von Worms in seine
-Heimat am Niederrhein zurück. Die Erzählung ist also vorläufig bei
-einem Ruhepunkte angekommen. Jahrelang leben beide Paare in glücklicher
-Ehe an getrennten Orten, Günther mit Brünhilt in Worms, Siegfried mit
-Kriemhilt in Niederland. Die Erzählung würde zu Ende sein, wenn man die
-Hauptpersonen nicht wieder zusammenbrächte. Deshalb wird behauptet,
-daß Brünhilt sich noch immer nicht über Siegfrieds Leibeigenschaft
-beruhigt habe. Er ist nun zwar, nachdem sein Vater abgedankt hat, König
-in Niederland, muß aber doch, wenn er Günthers Eigenmann ist, diesem
-Tribut zahlen; davon bemerkt Brünhilt natürlich nicht das geringste.
-Sie wendet sich daher an ihren Gatten mit der Bitte, Siegfried und
-Kriemhilt nach Worms einzuladen. Das geschieht, und sie leisten ohne
-Hintergedanken Folge, ja sogar der alte Sigemund begleitet sie. In
-Worms findet glänzender Empfang statt, und es werden die vom Dichter
-unseres Liedes so gern geschilderten ritterlichen Feste gefeiert. Bei
-einem Turnier, dem die Damen zuschauen, freut sich jede ihres Gatten
-und preist seine Vorzüge. Dabei geraten Kriemhilt und Brünhilt in
-Zwist, denn letztere sagt: „Mag dein Siegfried noch so tapfer sein,
-er hat doch einen großen Fehler, da er ein Leibeigener ist.“ Darauf
-erwidert Kriemhilt: „So hätten meine Brüder nie an mir gehandelt,
-daß sie mich an einen Leibeigenen verheirateten.“ Sie ist also genau
-derselben Ansicht wie Brünhilt, daß die Ehe mit einem Leibeigenen eine
-große Schmach wäre. Daraus entwickelt sich das heftige Zerwürfnis der
-beiden Frauen. Kriemhilt sagt: „Ich werde dir zeigen, daß ich dir nicht
-nachstehe, indem ich beim Kirchgang den Vortritt vor dir behaupten
-werde.“ Am Portal des Münsters geraten dann beide Königinnen feindselig
-aneinander, da Brünhilt natürlich nicht zurücktreten will; Kriemhilt
-aber überwindet die Gegnerin, indem sie ihr vorwirft, Siegfrieds Kebse
-gewesen zu sein, und als Beweis den Gürtel vorweist, den Siegfried
-ungeschickterweise seinerzeit, als er Brünhilt an Günthers Stelle
-bezwang, mitgenommen und Kriemhilt gegeben hat. Die völlig zerschlagene
-Brünhilt bricht in Tränen aus; Kriemhilt geht stolz an ihr vorüber und
-vor ihr ins Münster. Brünhilt klagt ihrem Gatten die ihr widerfahrene
-Schmach. Siegfried wird von Günther vorgefordert und verteidigt sich,
-indem er sich mit einem Eide von dem Verdachte reinigt; die Sache
-erweist sich als das, was sie ist, als bloßer Klatsch, und gilt damit
-für erledigt. Kriemhilt erhält von Siegfried ihre Strafe für ihre
-boshaften Reden.
-
-Die ganze Szene ist unglücklich, ungeschickt komponiert. Unser Dichter
-arbeitet häufig so, daß die Erzählung eigentlich zu Ende gekommen ist
-und erst durch Einfügung eines neuen Momentes wieder in Fluß gebracht
-werden kann. Dies neue ist die Gier nach Siegfrieds großem Horte,
-die in der nordischen Überlieferung nur dem Atli zugeschrieben, hier
-aber von den Burgunden behauptet wird. Hagen ist der Vertreter des
-Gedankens, daß durch Siegfrieds Ermordung sein Hort gewonnen werden
-kann. Dadurch wird die Grundlage der ganzen Dichtung verschoben;
-führte bisher Brünhilt das Gegenspiel gegenüber Kriemhilt, so geht
-diese Rolle jetzt völlig an Hagen über. Seinen Herrn gewinnt dieser
-durch abermaligen Hinweis auf Siegfrieds mögliche Untreue: „Sollen
-wir Bastarde aufziehen? das wäre geringe Ehre für so gute Helden!“
-So wird denn der schwarze Plan geschmiedet, Siegfried zu ermorden,
-und etwas umständlich ins Werk gesetzt. Man weiß, daß Siegfried eine
-Hornhaut hat und, außer an einer Stelle zwischen den Schultern, nicht
-verwundbar ist. Diese Stelle muß herausgebracht werden; mit teuflischer
-Verschlagenheit holt sich Hagen die Kunde bei Kriemhilt. Er läßt zuerst
-falsche Boten angeblich von Liudegast und Liudeger nach Worms kommen,
-die eine erneute Herausforderung zum Kriege überbringen; Siegfried
-wird um Beistand gebeten und sagt ihn ohne weiteres zu. Nun begibt
-sich Hagen zu Kriemhilt, kündigt ihr den bevorstehenden Kriegszug an
-und verspricht ihr, Siegfried an der verwundbaren Stelle besonders zu
-schützen, da dieser bei seiner großen Tapferkeit und das durch die
-Hornhaut erzeugte Sicherheitsgefühl gerade leicht verwundet werden
-könnte; so bringt er sie dazu, die verwundbare Stelle durch ein dem
-Rocke aufgenähtes Kreuzchen zu bezeichnen, das ihm einen bequemen
-Zielpunkt für seinen Speer bieten soll. Dann wird der angebliche
-Kriegszug gegen die Sachsen angetreten. Als Hagen das Kreuzchen auf
-Siegfrieds Rücken gesehen hat, läßt er andere Boten kommen, die wieder
-Frieden anbieten, und der Feldzug ist zu Ende. An seiner Stelle wird
-eine große Jagd angesagt, die in den nächsten Tagen im Odenwald
-stattfindet[21]. Auf dieser Jagd nun wird Siegfried ermordet, und
-zwar unter Anwendung einer neuen Hinterlist: das Getränk fehlt beim
-Jägermahle; Hagen hat es absichtlich nach einem anderen Orte gelenkt,
-damit der große Jägerdurst nur an einem Waldbrunnen zu stillen sei.
-Während Siegfried niedergebeugt aus diesem seinen Durst löscht, stößt
-ihm Hagen von hinten durch das aufgenähte Kreuzchen den Speer ins
-Herz[22].
-
-Nach Einbruch der Nacht wird der tote Siegfried über den Rhein nach
-Worms gebracht und der Kriemhilt vor die Kammertür gelegt, so daß sie
-am andern Morgen, als sie zur Mette gehen will, sofort die Leiche
-des Gatten findet. Sie erkennt ohne weiteres, daß dieser Mord in
-Zusammenhang steht mit dem Streite, den sie mit Brünhilt gehabt hat,
-sowie mit dem, was Hagen aus ihr herausgebracht hat, und erkennt somit
-zunächst ohne Beweis den Mörder. Der Beweis selbst wird ihr bei der
-Beisetzung geliefert, indem Siegfrieds Wunde, als Günther und Hagen
-an seine Bahre herantreten, von neuem zu bluten anfängt. Das ist das
-Bahrrecht, ein merkwürdiger Aberglaube des Mittelalters, nach dem
-die Wunde eines Gemordeten wieder zu bluten anfängt, wenn der Mörder
-in seine Nähe tritt. Trotzdem wird die Übeltat von Günther und Hagen
-geleugnet: nach ihrer Aussage haben ihn Räuber erschlagen.
-
-Der alte Sigemund, der mit Siegfrieds Mannen doch auch in Worms zugegen
-ist, denkt nicht daran, sofort Rache für seines Sohnes Tod zu nehmen,
-sondern zieht klagend in seine Heimat am Niederrhein ab, läßt aber
-seltsamerweise seine Schwiegertochter in Worms zurück; sie will nicht
-mitgehen, sondern bei ihren Brüdern bleiben. Dieser ihr Entschluß ist
-innerlich nicht begründet und um so auffallender, als sie damit ihr
-Kind verläßt, das sie von Siegfried geboren hat; er ist nur dadurch
-bedingt, daß die weitere Erzählung ihren ferneren Aufenthalt in Worms
-erfordert. Diese Seltsamkeiten sind wieder Folgeerscheinungen jener
-Änderung unseres Dichters, die Siegfried den niedrig erzogenen in einen
-nach jeder Seite vollwertigen Königssohn umgeschaffen hat; ursprünglich
-hat offenbar Siegfried als Ehemann keine andere Heimat als Worms, wo
-denn natürlich seine Witwe zurückbleibt. Von Sigemund hat unser Dichter
-gewiß nichts weiter gewußt als den Namen, sonst verstünde man nicht die
-Umwandlung des alten gewaltigen Helden in einen schwächlichen Greis.
-
-Eine weitere Folge des veränderten Standes Siegfrieds ist auch die nun
-folgende Erzählung, daß der Hort der Nibelunge jetzt erst, indem er
-als Kriemhilts Eigentum angesprochen wird, aus fernem Lande nach Worms
-geholt wird. Über das weitere Schicksal des Schatzes ist das Gedicht im
-Unklaren: an unserer Stelle (Holtzmann 1144 ff.) nimmt ihn Hagen auf
-eigene Verantwortung ihr weg und versenkt ihn bei „Loche“ (unbekannter
-Lage) in den Rhein; als Kriemhilt später Etzels Werbung folgt, wird
-er ihr abermals weggenommen, damit sie die große Macht, die er ihr
-verleiht, nicht zur Rache benutzen kann; die letztere Auffassung ist
-gewiß die ältere.
-
-Der erste Teil der Erzählung ist damit zu Ende. Obgleich er in der
-deutschen Fassung äußerlich recht reichlich ausgestaltet erscheint, ist
-er innerlich doch viel dürftiger als in der nordischen. Die wichtigen
-Geschichten von Siegfrieds Jugend und seinem ursprünglichen Verhältnis
-zu Brünhilt sind kaum erwähnt. Was aus letzterer schließlich wird, hat
-der Dichter uns zu sagen ganz und gar vergessen. Sie hört für ihn auf
-interessant zu sein, nachdem sie den Anlaß zur Ermordung Siegfrieds
-gegeben hat; später wird ihrer kaum noch gedacht; ihre Aufgabe in
-der Dichtung, Kriemhilts Gegenspieler zu sein, ist eben auf Hagen
-übergegangen.
-
-So dürftig im Grunde der erste Teil unseres Liedes ist, um so wuchtiger
-schreitet die Erzählung im zweiten Teile vorwärts. Dieser ist in
-der nordischen Fassung dürftiger, wenn auch altertümlicher; in der
-deutschen ist er an Inhalt viel reicher geworden. Charakteristisch ist
-für ihn das Auftreten vieler neuer Personen, die nur mit ihrem Namen
-ohne jede erklärende Bemerkung eingeführt werden; so gleich im Anfang
-(Strophe 1166 des Textes ~C~):
-
- ~Daz geschach in den gezîten, dô frou Helche erstarp
- unt daz der künec Ezele ein ander wîp warp.~
-
-Wer Helche und Etzel sind, wird mit keinem Worte angedeutet, sondern es
-wird einfach vorausgesetzt, daß das Publikum sie kennt. Wir treten hier
-in die Dietrichsage ein, die in Süddeutschland heimisch und jedermann
-bekannt war; alle diejenigen Figuren, die der Dietrichsage entstammen,
-werden vom Nibelungendichter einfach als bekannt vorausgesetzt. Für
-Günther und seine Brüder, für Kriemhilt, Siegfried usw. hat er eine
-erklärende Einführung gegeben; für die Helden der Dietrichsage hatte er
-das nicht nötig.
-
-Etzel der Hunnenkönig überlegt mit seinen Leuten, wer geeignet ist,
-seine verstorbene Gattin, die Königin Helche, zu ersetzen. Man rät ihm
-zu Kriemhilt, der Witwe Siegfrieds, und Etzel schickt seinen ersten
-Vasallen, den Markgrafen Rüdeger von Bechelaren, nach Worms, daß er
-für ihn um sie werbe. Rüdeger reist nach Worms und bringt die Werbung
-vor. Die Könige, ihre Brüder, wissen die große Ehre, die ihnen damit
-erwiesen wird, wohl zu würdigen; um so bedenklicher äußert sich Hagen.
-Kriemhilt lehnt indes die Werbung kurzerhand ab, denn sie lebt nur
-noch dem Andenken ihres gemordeten Gatten. Erst allmählich, als ihr
-zugeredet wird, kommt ihr der Gedanke, daß sie durch die angebotene
-Heirat in die Lage versetzt wird, Rache an den Mördern zu nehmen,
-und auf diese Aussicht hin nimmt sie schließlich Etzels Werbung an.
-Markgraf Rüdeger muß ihr freilich mit allen seinen Mannen schwören,
-ihr immer treu zu dienen, angetanes Leid zu rächen und nichts zu
-versagen. Er denkt dabei nicht an Rache für Siegfried, sondern will ihr
-die Furcht vor den ihr fremden Verhältnissen, in die sie gehen soll,
-benehmen. Er hat sich damit für später die Hände gebunden. Hier hat der
-Dichter die künftige Entwickelung der Dinge sehr geschickt vorbereitet.
-
-Rüdeger geleitet nunmehr Kriemhilt von Worms nach Etzelnburg[23]; König
-Etzel zieht seiner Braut mit glänzendem Gefolge entgegen und empfängt
-sie bei Tuln (an der Donau, oberhalb Wiens). Innerhalb Österreichs (im
-engern Sinne) zeigt sich der Dichter mit den örtlichen Verhältnissen
-auf das genaueste bekannt; Schritt für Schritt begleitet er Kriemhilt
-und weiß jeden Ort der Wirklichkeit entsprechend zu benennen, in dem
-sie über Nacht Herberge genommen hat. In Wien findet das Beilager statt
-unter großen Festlichkeiten, an denen sich all die ungezählten Scharen
-des Ostens beteiligen, die sich der Dichter unter König Etzels Hoheit
-stehend denkt.
-
-Als Gattin des Hunnenkönigs lebt sie zwölf Jahre friedlich; während
-dieser Zeit gebiert sie Etzel einen Sohn und Erben, den jungen Ortlieb.
-Dann aber denkt sie an ihre Rache und bewegt ihren Gatten, ihre
-Brüder einzuladen. Er tut es in guter Meinung. Als Boten werden zwei
-einfache Spielleute verwendet[24]. Die burgundischen Könige sind trotz
-übler Vorzeichen bereit, die Schwester aufzusuchen, nur Hagen äußert
-Bedenken, läßt sie aber fallen, als man ihm vorwirft, er habe wohl
-Furcht; dann natürlich ist er der erste, der sich dem Zuge nach dem
-Hunnenlande anschließt. Tausend Ritter und neuntausend Knechte werden
-mitgenommen.
-
-In dem Augenblicke, da die Burgunden von Worms aufbrechen, tritt
-uns auf einmal der Name „Nibelunge“ für „Burgunden“ entgegen; im
-Anfange des Liedes bezeichnete dieser Name nur das Volk, das den Hort
-ursprünglich besaß, jetzt geht er unvermittelt auf die Burgunden über.
-Eine Erklärung ist frühzeitig versucht worden (wie es scheint, nicht
-vom Dichter des Liedes); nach ihr wäre der Name an das Land der früher
-erwähnten Nibelunge geknüpft und mit diesem nach Siegfrieds Tode auf
-die Burgunden übergegangen; das ist nach Lehnsrecht ganz korrekt
-gedacht; doch widerspricht dieser Auffassung, daß Siegfried selbst
-niemals zu den Nibelungen gerechnet wird. In Wirklichkeit treten wir
-in diesem Augenblicke in eine vom Dichter benutzte neue Quelle ein.
-Von hier an beginnt die Erzählung den großartigsten Schwung zu nehmen,
-von hier an beginnt auch die genauere Übereinstimmung mit der noch
-zu besprechenden Thidrikssaga. Die Quellen, die unser Dichter bisher
-benutzt hatte, hatten ihm die jetzt auftretende Bedeutung des Namens
-Nibelunge nicht geboten.
-
-Die Erzählung, wie die Burgunden an den hunnischen Hof gelangen,
-berichtet mannigfache Abenteuer. Zunächst erreichen sie die Donau und
-haben Schwierigkeit, hinüber zu gelangen: das Wasser ist ausgetreten,
-eine Brücke ist nicht da, auch keine Fähre. Da geht Hagen selbst
-nach einer Gelegenheit suchen. In einem dem Flusse nahegelegenen
-Brunnen hört er ein Plätschern und entdeckt zwei badende Wasserweiber
-(übernatürliche Wesen); ihre Gewänder liegen am Ufer. Er bemächtigt
-sich derselben und bringt die Nixen dadurch in seine Gewalt. Für
-Herausgabe der Gewänder versprechen sie ihm zu sagen, was aus der Reise
-ins Hunnenland wird. Darauf geht er ein, und die eine sagt ihm: „Ihr
-kommt alle gesund wieder nach Hause.“ Sehr erfreut gibt er ihnen die
-Gewänder zurück, da aber ruft die andere: „Meine Muhme hat gelogen;
-in Wirklichkeit kommt niemand von euch zurück als des Königs Kaplan;
-alle andern bleiben tot im Hunnenlande.“ Außerdem gibt sie ihm noch
-einen Hinweis, wo eine Fähre zu finden ist, und wie er den Fährmann
-gewinnen kann. Dieser gilt für einen Dienstmann und Grenzwächter
-der Bayernfürsten Else und Gelfrat. Hagen sucht ihn auf und ruft in
-grimmiger Laune hinüber: „Hol’ mich über, ich bin Amelrich, der wegen
-Feindschaft aus diesem Lande hat fliehen müssen.“ Daraufhin fährt
-der Fährmann zu ihm hinüber. Hagen bietet ihm außerdem noch einen
-goldenen Ring von großem Werte an (ein Anerbieten, das sich mit den
-übrigen Verhältnissen nicht recht verträgt, denn entweder fährt der
-Fährmann um Lohn oder im Dienste seiner Herren; eins schließt das
-andere aus; es liegt wieder eine Unstimmigkeit vor, entstanden durch
-ein Übereinander zweier Schichten der Erzählung). Der Fährmann sagt:
-„Ihr mögt wohl Amelrich heißen, aber der, den ich zu sehen erwartete,
-seid Ihr nicht. Das war mein Bruder.“ Indes, das Schiff ist einmal an
-Hagens Ufer, er springt einfach hinein. Der Fährmann widersetzt sich
-und schlägt mit seinem Ruder auf den Helden ein; aber Hagen tötet ihn
-kurzerhand und bringt die Fähre zu seinen Herren; er hat nun lange
-zu tun, bis er mit dem einen kleinen Schiffchen das ganze Heer von
-zehntausend Mann übergesetzt hat. Auch hier eine Unstimmigkeit, die
-durch Überarbeitung hervorgerufen ist: in der ältern Erzählung haben
-die Könige offenbar eine an Zahl nur geringe Begleitung mitgehabt;
-der Ferge war ursprünglich ein einfacher Mann, der durch das Angebot
-eines größern Lohnes sich bereit finden ließ, zu fahren. Das blickt
-alles noch durch, ist aber übertüncht. Als Hagen die letzten übersetzt,
-packt er den Kaplan, der mit auf dem Schiffe ist, wirft ihn in die Flut
-und verhindert ihn sogar, sich aufs Schiff zu retten; trotzdem er
-nicht schwimmen kann, ertrinkt er indes nicht, sondern gelangt an das
-eben verlassene Ufer zurück und geht wieder nach Worms. Daran erkennt
-Hagen, daß ihm das zweite Wasserweib die Wahrheit vorausgesagt hat, und
-zertrümmert das Fahrzeug, damit kein Feigling entrinnen könne.
-
-Nun ziehen die Nibelunge weiter durch Bayern und bilden eine Nachhut,
-weil sie erwarten, daß wegen des erschlagenen Fährmannes Rache versucht
-werden wird. In der Tat werden sie von den Bayern nachts eingeholt und
-angefallen. Es kommt zu einem Gefecht, in dem sich Dankwart besonders
-auszeichnet[25]. Nachdem sich die Nibelunge der verfolgenden Bayern
-entledigt haben, erreichen sie die Grenze des Nachbarlandes und finden
-den Grenzwächter schlafend. Hagen nimmt ihm sein Schwert ab und weckt
-ihn; er beklagt sich, daß er die Grenze so schlecht gehütet hat; dabei
-stellt sich heraus, daß es Eckewart ist, der einzige Burgunde, der
-Kriemhilt ins Hunnenland gefolgt ist. Eckewart warnt die Burgunden vor
-Kriemhilt; dann aber weist er sie nicht nach Etzelnburg, wie man doch
-erwarten sollte, da er im persönlichen Dienste der Kriemhilt steht,
-sondern nach Bechelaren. Die Eckewart-Episode ist nur verständlich als
-Überbleibsel einer ältern Fassung, der der Aufenthalt in Bechelaren
-ganz unbekannt war. In Bechelaren finden sie eine außerordentlich
-liebenswürdige Aufnahme. Im einzelnen ist die Schilderung derselben
-ganz besonders wohl gelungen. Der Dichter hat eine neue Verwickelung
-hineingebracht, indem er den jungen Giselher sich mit des Markgrafen
-Tochter verloben läßt; das Beilager soll erst bei der doch bald zu
-erwartenden Rückkehr von Etzelnburg stattfinden. Wie jung diese Einlage
-ist, zeigt auch der Umstand, daß man im Liede nicht einmal den Namen
-dieser Tochter Rüdegers erfährt (erst in der Klage wird er genannt: sie
-heißt Dietlind).
-
-Nun ziehen sie nach Ungarn, dem eigentlichen Hunnenlande, und
-schicken Boten voraus; daraufhin macht sich Dietrich auf, um mit
-seinen Amelungen den Nibelungen entgegenzureiten und sie zu warnen.
-Wer dieser Dietrich ist, und wie er an Etzels Hof kommt, wird als
-selbstverständlich bekannt vorausgesetzt. Dietrich ist der König
-(der Ostgoten), der früher in Italien geherrscht hat (in Bern, d. i.
-Verona), damals aber aus seiner Heimat vertrieben ist und im Exil bei
-Etzel lebt, bis er schließlich mit hunnischer Hilfe in sein Reich
-zurückgeführt wird. Die Warnung, die Dietrich den Nibelungen angedeihen
-läßt, hat keinen Erfolg; sie ziehen weiter und werden zunächst von
-Kriemhilt allein empfangen: sie begrüßt Giselher, allenfalls auch die
-andern Brüder, nicht aber den Hagen. Es kommt daher sofort zu einer
-scharfen Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden, die im Grunde die
-folgende Erzählung teilweise unmöglich macht: klipp und klar tritt
-hervor, daß die Burgunden sich auf die allergrößte Hinterlist gefaßt
-machen müssen, daß sie verraten und überfallen werden sollen. Kriemhilt
-stellt gleich die Frage an Hagen, wo der Nibelungenhort stecke, den er
-ihr doch hätte mitbringen müssen, und das Ende ist, daß Kriemhilt im
-Bösen die Burgunden stehen läßt, nachdem ihr Dietrichs Warnung bekannt
-geworden ist. Während dieser Zeit wird Etzel im Schlosse sitzend und
-die Gäste erwartend gedacht; er schaut vom Fenster herab, ohne ihnen
-entgegenzugehen, und macht seine Bemerkungen über die einzelnen Helden,
-die er sieht. Auch dann erfolgt der eigentliche Empfang noch nicht,
-sondern es wird erzählt, daß zwei Helden, nämlich Hagen und Volker,
-der Spielmann von Alzei, sich von den übrigen trennen und den Saal
-aufsuchen, in dem sich Kriemhilt im Augenblicke aufhält. Sie setzen
-sich ihren Fenstern gegenüber auf eine Bank, und Hagen legt in offenem
-Hohne das Schwert Siegfrieds, den Balmung, über seine Knie, damit
-Kriemhilt an Siegfrieds Tod erinnert werde. Sie erscheint denn auch
-haßerfüllt vor ihrem Saale, sammelt eine Anzahl Hunnen und fordert sie
-auf, die beiden festzunehmen. Aber an deren trotziger Haltung scheitert
-das; die Hunnen haben viel zu große Angst, als daß sie es wagten, sich
-an ihnen zu vergreifen. Damit muß Kriemhilt den Versuch, Hagen und
-Volker in ihre Gewalt zu bringen, aufgeben. Sie kehrt in ihren Palast
-zurück, die Helden aber begeben sich zu ihren Königen, die immer noch
-auf Etzels Hofe zwecklos herumstehen.
-
-Man sieht, wie ungeschickt der Dichter in der Verbindung der einzelnen
-Szenen verfährt. Jede ist nur für sich betrachtet künstlerisch zu
-genießen. Aber es ist alles in die alte Grunderzählung hineingestopft
--- eine Folge des Stoffhungers jener verkehrsarmen Zeit; kein
-Dichter mochte, weil er etwas Neues zu sagen wußte, deswegen das Alte
-weglassen, wenn es sich auch mit jenem nicht vertrug.
-
-Jetzt endlich begeben sich die burgundischen Gäste, geleitet von
-Rüdeger, in den Saal zu König Etzel um ihn zu begrüßen, werden von
-ihm in feierlicher Weise empfangen und treten ihm nicht minder
-höflich entgegen -- was nach den beiden scharfen Szenen, die sich
-bereits zwischen Kriemhilt und ihren Feinden abgespielt haben, ganz
-unbegreiflich erscheint. Es findet ein Abendessen statt, dann werden
-die Gäste in einem großen Saale untergebracht, der für die Menge der
-Erschienenen Platz hat. Nicht alle werden hier einquartiert, nur die
-Könige und die Ritter, während die Knechte eine Herberge für sich
-erhalten; an ihrer Spitze steht als Marschall, dessen Amt es ja ist,
-für das Gefolge zu sorgen, Dankwart, Hagens Bruder. In der Nacht haben
-die Nibelunge große Sorge vor einem Überfall. Hagen und Volker halten
-die Nachtwache; letzterer spielt die Fiedel und schläfert damit die
-übrigen reisemüden, sorgenden Helden ein. Diese Wachsamkeit erweist
-sich als begründet: bewaffnete Hunnen, von Kriemhilt abgeschickt,
-schleichen heran. Die beiden Wächter erkennen aber rechtzeitig den
-geplanten Überfall und rufen die Feinde an; ohne Antwort drückt sich
-der Gegner, sobald er merkt, daß er seine Absicht nicht erreichen kann,
-verfolgt von Volkers Hohnreden.
-
-Die Luft wird kühler, der Morgen bricht an. Sie kleiden sich nicht in
-Festgewänder, sondern in Panzerringe. So gehen sie zur Kirche[26].
-Nach dem Kirchgang folgt ein Turnier, bei welchem Volker böswillig
-einen edlen Hunnen, der recht fein geputzt erscheint, niederstößt, und
-dadurch große Aufregung bewirkt; Kampf droht auszubrechen, wird aber
-unterbrochen durch persönliches Eingreifen Etzels, der (wie es scheint,
-mit bewußter Unwahrheit) sagt: „Volker kann nichts dafür, sein Pferd
-ist gestrauchelt, so hat sein Speer aus Versehen den Mann getroffen.“
-Dann begibt man sich zu Tisch in den Saal, in dem die Helden nachts
-untergebracht waren.
-
-Bevor man zu Tische geht, sucht Kriemhilt nochmals ihren Willen
-durchzusetzen. Sie wendet sich aber an ungeeignete Leute, sogar auch
-an Dietrich, von dem sie doch weiß, daß er zuerst die Nibelunge gewarnt
-hat. Alle lehnen es ab, bis endlich Etzels Bruder Blödel es unternimmt,
-gegen das Versprechen hoher Belohnung Kriemhilts Willen zu tun: er soll
-die Knechte in der Herberge überfallen und damit den Kampf zum Ausbruch
-bringen. Unmittelbar nachdem Blödel sich bereit erklärt hat, den Verrat
-zu beginnen, fährt das Gedicht (in der Fassung ~B~, Bartsch Strophe
-1912) fort:
-
- ~Dô der strît niht anders kunde sîn erhaben
- (Kriemhilde leit daz alte in ir herzen was begraben),
- dô hiez si tragen ze tische den Etzelen sun.
- wie kunde ein wîp durch râche immer vreislîcher tuon?~
-
-Also: da es auf keine andere Weise möglich ist, den Streit ins Werk
-zu setzen, so beabsichtigt Kriemhilt ihren und Etzels Sohn der
-Rache zu opfern. Die Strophe setzt voraus, daß Kriemhilt mit dem
-Versuche, einige Helden für sich zu gewinnen, nichts erzielt hat; im
-vorausgehenden ist das gerade Gegenteil berichtet (der Text ~C~ hat
-deshalb auch geändert). Die Erzählung vom Opfer des Kindes wird durch
-die Thidrikssaga und einen vereinzelten deutschen Bericht des 15.
-Jahrhunderts[27] bestätigt, auch durch die nordische Darstellung (in
-der ja Gudrun ihre Söhne schlachtet) unterstützt; auch in unserm Liede
-war sie offenbar ursprünglich, ist aber durch mehrfache Bearbeitung
-gemildert worden.
-
-Bei Tisch erscheint nun der junge Ortlieb und wird den Verwandten
-vorgestellt. Etzel gedenkt der Verwandtschaft mit außerordentlich
-freundlichen Worten: er hofft, daß sein Sohn das werden soll, was die
-Oheime sind; allein Hagen meint, der junge Königssohn sähe aus, als ob
-er nicht lange leben würde.
-
-In diesem Augenblicke erscheint an der Tür des Saales Dankwart, über
-und über blutbespritzt, und bringt die Botschaft, daß Blödel mit
-hunnischen Scharen die Knechte der Burgunden überfallen habe, und alle
-erschlagen seien, auch Blödel selbst. Als einziger ist Dankwart aus
-dem Gemetzel entkommen. Als Hagen dies hört, springt er sofort auf und
-schlägt dem Sohne Etzels kurzerhand das Haupt ab, so daß es der Mutter
-in den Schoß springt[28]. Damit ist Etzel zum Feinde seiner Gäste
-geworden; er ruft seine Mannen zur Rache auf. Allein da die Burgunden
-auf den Kampf vorbereitet sind und sogar bei Tische im Harnisch
-sitzen, die übrigen aber im Festgewande, so haben sie jetzt die Hunnen
-völlig in der Hand. Volker und Dankwart versperren den Ausgang, und
-die Burgunden machen zur Rache für ihre erschlagenen Knechte alles
-nieder, was in der Halle ist, bis Dietrich mit lauter Stimme für sich
-und die Seinen freien Abzug verlangt. Ihm und Rüdeger wird daraufhin
-von Günther gestattet, mit den Ihren den Saal zu verlassen; Günthers
-Feinde, die Hunnen, sollen jedoch drinnen bleiben. Es folgt nun eine
-höchst seltsame Szene: Dietrich nimmt, als ihm der Ausgang gewährt
-wird, den König Etzel an einen Arm, die Königin an den andern, und geht
-mit ihnen ungehindert hinaus. Die Burgunden lassen das zu. Als aber
-ein Hunne versucht, hinter seinem Könige auch hinauszukommen, schlägt
-ihm Volker das Haupt ab, so daß es Etzel vor die Füße rollt. Immerhin
-sind nun Etzel und Kriemhilt, die ärgsten Feinde der Burgunden, aus
-dem Saale entlassen (was noch drinnen ist, wird von den Burgunden
-erschlagen), und wir haben eine neue Lage: die Hunnen befinden sich vor
-dem Saale, die Burgunden in demselben und richten sich zu hartnäckiger
-Verteidigung ein. Unverständlich aber am Verhalten der Burgunden
-bleibt, daß sie Etzel und Kriemhilt ungehindert hinauslassen; wenn sie
-jetzt, da sie wissen, wie die Verhältnisse liegen, sich dieser beiden
-Hauptpersonen bemächtigen -- sie brauchen sie nicht einmal zu töten --
-so ist der Sieg auf ihrer Seite, aber auch -- die Erzählung zu Ende.
-Offenbar ist hier ein neuer Lappen auf das alte Tuch der überlieferten
-Erzählung genäht: das Gastmahl, der Kampf des viel zu zahlreichen
-Gefolges in der Herberge, in dem Dankwart sich besonders auszeichnet,
-der Kampf der Helden im Saale, all das sind neue Zutaten, im einzelnen
-zwar gut ausgeführt, mit dem Alten aber ungeschickt verbunden, so daß,
-wie gesagt, die Erzählung von Rechts wegen in diesem Augenblicke zu
-Ende gelangt, und zwar zu einem der Überlieferung widersprechenden
-Ende. Die Torheit, die der Dichter die Burgunden mit der Entlassung der
-ärgsten Feinde begehen läßt, muß ihm die Möglichkeit geben, in den
-ursprünglichen Gang der Sage wieder einzulenken. Die Lage wird wieder
-hergestellt, die sich schon an einer frühern Stelle des Gedichtes
-vorfindet: die Burgunden in dem Saale, in dem sie während der Nacht
-untergebracht waren, an der Tür wachend die Haupthelden, in erster
-Linie Hagen und Volker, und von außen herannahend die feindlichen
-Hunnen.
-
-Mit Hohnreden begrüßen sich die Gegner, und Kriemhilt bietet großen
-Lohn demjenigen, der ihr Hagen in die Hände liefert. Hier treten einige
-Helden auf, die ursprünglich einem andern Sagenkreise angehören, aber,
-da man sie sich im Hunnenlande lebend denkt, in unsere Sage eingeführt
-werden. Es sind Irnfrid, Landgraf von Thüringen, Hawart der Däne und
-sein Mann Iring. Sie versuchen zuerst den Ansturm auf die im Saale
-verschanzten Burgunden, finden aber nach kleinen Erfolgen ihren Tod,
-ohne daß die Gesamtlage sich ändert; die Szene ist also überflüssig und
-dadurch als junger Zusatz gekennzeichnet[29].
-
-Die Nacht bricht herein. Während derselben versucht Kriemhilt ihre
-Feinde zu vernichten, indem sie den Saal in Brand stecken läßt. Allein
-trotz der großen Not, die dadurch über die Burgunden hereinbricht,
-entgehen sie doch dem sichern Tode, hauptsächlich durch Hagens
-Ratschläge. Sie trinken das Blut der Gefallenen und sind am andern
-Morgen noch alle am Leben. Es bedarf also noch stärkerer Mittel, die
-Vernichtung der Burgunden durchzuführen. Von den eigentlichen Hunnen
-ist niemand geeignet, mit ihnen fertig zu werden; es muß ein besonderer
-Held gewonnen werden, und das ist derjenige, der auf der einen Seite
-als erster der Vasallen dem Etzel, auf der andern als Vater der
-Dietlind den Burgunden in gleicher Weise verpflichtet ist, Rüdeger von
-Bechelaren. Durch fußfällige Bitten erreichen der König und Kriemhilt,
-daß er sich zum Angriff auf die Burgunden entschließt, trotz seiner
-verwandtschaftlichen Beziehungen. Damit wird die vom Dichter an seine
-Person geknüpfte Frage entschieden, welche Treue heiliger ist, die
-Treue gegen den Herrn oder die gegen Anverwandte. Rüdeger entschließt
-sich als Urbild eines getreuen Mannes, die Treue gegen seinen Herrn
-zu wahren, und greift mit seinen Leuten die Burgunden an. Der Kampf
-endet damit, daß Rüdeger und Gernot einander im Zweikampf töten.
-Rüdegers Mannen kommen ebenfalls um, und Kriemhilts Ziel ist noch nicht
-erreicht. Großes Klagen erhebt sich um den vornehmsten der hunnischen
-Helden, den Freund aller hilfesuchenden Landfremden. Es schallt bis zum
-Hause König Dietrichs, und er sendet seine Mannen aus, zu erkunden,
-was denn geschehen sei. Hiltebrand, Dietrichs alter Waffenmeister
-und Führer seiner Mannen, Wolfhart, der übermütigste von ihnen, und
-die übrigen Amelunge[30], alle machen sich nach dem Kampfplatze auf;
-als sie erfahren, daß Rüdeger gefallen ist, erbitten sie sich von
-den Burgunden seine Leiche. Es wird ihnen aber die höhnische Antwort
-zuteil: „Holt sie euch selbst, wenn ihr keine Furcht habt.“ So greifen
-denn die Amelunge grimmerfüllt, aber wider ihres Herrn Dietrichs
-Willen, die Nibelunge an. In diesem Kampfe kommen alle zu Tode mit
-Ausnahme von Günther und Hagen auf burgundischer und Hiltebrand, der
-sich schließlich zur Flucht wenden muß, auf gotischer Seite.
-
-Hiltebrand begibt sich zu Dietrich zurück und berichtet ihm, daß
-Rüdeger erschlagen ist; als das Dietrich erfährt, rüstet er sich
-selbst und befiehlt Hiltebrand, die Mannen zu sammeln, da er nun
-selbst eingreifen will. Hiltebrand erwidert: „Wen soll ich Euch rufen?
-Alle, die Ihr habt, seht Ihr vor Euch stehen“, und dadurch erfährt
-Dietrich erst, daß inzwischen seine Leute auch umgekommen sind. Der
-Angriff erfolgt nun durch Dietrich selbst, der durch seine Stärke die
-Entscheidung bringt. Immer noch ist er trotz des großen Schadens, der
-ihm geschehen, geneigt, die letzten burgundischen Helden zu retten. Es
-gelingt ihm, sie gefangen zu nehmen, und er übergibt sie Kriemhilt mit
-dem ausdrücklichen Wunsche, daß ihnen nichts am Leben geschehen möge.
-Kriemhilt verlangt nun von Hagen die Auslieferung des Nibelungenhortes
-und erhält die Antwort, daß er durch einen schweren Eid gebunden
-sei, den Ort, wo der Schatz liegt, niemandem zu verraten, solange
-einer seiner Herren lebe. Darauf läßt Kriemhilt dem Günther das Haupt
-abschlagen und bringt es Hagen als Beweis des Todes seines Herrn. Hagen
-aber erwidert (Strophe 2371 Bartsch):
-
- „~Nu ist von Burgonden der edel künec tôt,
- Gîselher der junge und ouch her Gêrnôt.
- den schaz den weiz nu niemen wan got unde mîn:
- der sol dich, vâlandinne, immer wol verholen sîn.~“
-
-Sie erfährt also den Aufbewahrungsort des Schatzes nicht, tröstet sich
-aber damit, daß sie den Balmung, den einst ihr Siegfried geführt hat,
-durch Hagens Gefangennahme in die Hände bekommen hat. Mit ihm rächt
-sie ihren Jammer, indem sie Hagen eigenhändig tötet. Aber Hiltebrand
-erträgt nicht, daß Helden von der Art Hagens von einem Weibe fallen;
-er springt hinzu und tötet Kriemhilt selbst. Der Vernichtungskampf hat
-nun ein Ende; von namhaften Personen sind ihm nur entgangen Etzel (auf
-dessen Tod doch gerade die nordische Darstellung hinausgeht), Dietrich
-und Hiltebrand. Damit schließt unser Lied.
-
-Ein etwas späterer Dichter hat ihm eine Fortsetzung in abweichender
-Versform (sogenannten kurzen Reimpaaren) unter dem Titel „Klage“
-angehängt, ein matt nachklappendes Gedicht, das erzählt, wie die Toten
-beerdigt werden, und was aus den wenigen Überlebenden noch geworden
-ist. Für uns ist nur von Interesse die merkwürdige Stelle, die sich am
-Schlusse der einen Bearbeitung der Klage (~C~) findet; hier heißt es:
-was aus Etzel geworden ist, das weiß kein Mensch; es ist unbekannt, was
-er für ein Ende genommen hat. Für die Entwickelung der Sage aus der
-Geschichte ist diese Bemerkung von größter Wichtigkeit.
-
-Im Nibelungenliede hat sich das Interesse der Dichter und ihrer Zuhörer
-andern Teilen zugewendet als in der Lieder-Edda. Während im Norden
-der erste Teil der Sage ausführlich und breit, teilweise auch in
-verschiedenen Variationen erzählt wird, ist der zweite Teil einfach
-und kurz; zwischen den beiden Hauptteilen besteht ein eigentlicher
-Zusammenhang nicht; ganz äußerlich ist ferner noch ein dritter Teil
-angehängt, die Geschichte von Svanhild, die zwar in Deutschland wohl
-bekannt, aber nicht an die Nibelungen-, sondern an die Dietrichsage
-angeschlossen ist. In Deutschland aber sind die beiden Hauptteile der
-Sage dadurch innerlich in Verbindung gebracht, daß der Untergang der
-Burgunden aufgefaßt wird nicht als von Etzel, sondern von Kriemhilt
-ausgehend, und daß diese nicht, wie im Norden, an ihrem zweiten
-Gatten den Tod ihrer Brüder rächt, sondern an ihren Brüdern den Tod
-ihres ersten Gatten; damit ist ein innerer Zusammenhang zwischen
-dem ersten und zweiten Teile hergestellt: der erste Teil ist die
-Ursache des zweiten geworden. Daraus ist weiter die Notwendigkeit
-erwachsen, daß Etzel nicht ermordet wird, sondern übrig bleibt, und die
-Erzähler zunächst nicht wissen, was aus ihm geworden sein mag. Seine
-und Kriemhilts Interessen fallen in der deutschen Darstellung eben
-zusammen, und es mangelt der Kriemhilt jeder Grund, ihn zu töten.
-
-Welche Darstellung der Sage, die nordische oder die deutsche, die
-ältere ist, das ist nicht schwer zu entscheiden: selbstverständlich
-diejenige, in der die beiden Teile auseinanderklaffen. Denn das
-Auseinanderreißen zusammengehöriger Stücke würde niemand unternommen
-haben; wohl aber kann man jemandem zutrauen, daß er zwei Erzählungen,
-wie die Geschichte von Siegfried und die Geschichte von dem Untergang
-der Burgunden und Attilas Tod, die durch beiden gemeinsame handelnde
-Personen zusammengehalten werden, auch innerlich in ursächlichen
-Zusammenhang bringt.
-
-
-~b~) Zweikampfsage und Thidrikssaga.
-
-Im deutschen Liede spielt eine Figur, die in der Lieder-Edda uns nur
-ganz beiläufig entgegentritt[31], eine Hauptrolle: Dietrich von Bern.
-Er ist im Grunde die Hauptperson, denn er bringt in dem großen Kampfe
-die Entscheidung.
-
-Dietrich von Bern ist der Held einer selbständigen weitverzweigten
-Sage; er ist der sagenhafte Niederschlag der gewaltigen historischen
-Persönlichkeit des Ostgotenkönigs Theodorichs des Großen. Bei den
-Bayern, die gewissermaßen die unmittelbaren Nachfolger der alten Goten
-sind[32], hat sich die Erinnerung an seine große Zeit stets lebendig
-erhalten: er ist ihr Nationalheld. Während der Zeit seiner Verbannung
-aus der Heimat lebt er (in der Sage) am Hofe Etzels[33]. Da nun die
-Burgunder nach der niederrheinischen Sage am Hofe Etzels zugrunde
-gehen, so müssen die beiden Erzählungen, sobald sie sich lokal und
-im Gehirn eines und desselben Dichters vereinigen, in Zusammenhang
-miteinander kommen, denn sie sind ja durch Etzel als gleichzeitig,
-Dietrich und Siegfried also als Zeitgenossen erwiesen. Dadurch
-entsteht aber sofort eine eigenartige Schwierigkeit. In der alten
-niederfränkischen Siegfriedsage ist Siegfried als erster Held seiner
-Zeit geschildert. Genau dasselbe behauptet die bayrische Sage von ihrem
-Dietrich. Durch die Verbindung der beiden Sagen vermittelst der Person
-Etzels stehen nun zwei einander ausschließende Superlative, Dietrich
-und Siegfried, nebeneinander als Zeitgenossen. Beide erheben ja den
-Anspruch, die ersten Helden ihrer Zeit zu sein. Es ergibt sich also
-die Frage, welcher von beiden wirklich der erste ist; für die Dichtung
-liegt es nahe, sie zu lösen, indem sie die beiden einander in einem
-Zweikampfe gegenüberstellt; die Lösung wird verschieden ausfallen je
-nach der Heimat dessen, der sie gibt. Eine Dichtung vom Zweikampfe der
-beiden Helden ist nun spätestens im 12. Jahrhundert entstanden. Wenn
-sie dem Norden Deutschlands, dem Lande am Niederrhein, entstammte,
-würde sie Siegfried haben siegen lassen; da sie zugunsten Dietrichs
-entscheidet, muß sie wohl in Süddeutschland (Bayern) entstanden sein.
-Etwas anderes darf man natürlich aus dem für Siegfried ungünstigen
-Ausfall des Kampfes nicht schließen.
-
-Diese Dichtung liegt im 13. Jahrhundert bereits in drei verschiedenen
-Zweigen vor; die vergleichsweise einfachste Darstellung findet sich
-in dem hochdeutschen Gedichte „Biterolf“, einer Bearbeitung der
-Dietrichsage in ritterlichem Geschmack: durch eine feindselige Handlung
-der Wormser, bei denen sich Siegfried aufhält, werden die östlichen
-Helden, unter ihnen Dietrich, bewogen, gegen Worms zu ziehen. Dietrich
-wagt es zunächst nicht recht, den Kampf gegen Siegfried aufzunehmen,
-wird aber schließlich durch die Hohnreden seiner Mannen dazu genötigt
-und besiegt ihn.
-
-Die zweite, ebenfalls hochdeutsche Version liegt in dem Gedichte vom
-Rosengarten zu Worms vor, das uns in fünf verschiedenen, aber auf
-dieselbe Grunddichtung zurückgehenden Bearbeitungen erhalten ist; sie
-behandeln als Kern genau dieselbe Erzählung wie der „Biterolf“, nur daß
-sie das Lokal noch näher bestimmen: sie nehmen an, daß in Worms ein
-Rosengarten liegt, der Kriemhilts Eigentum ist. Der Dichter versetzt
-mit einem kühnen Griff die Kriemhilt der spätern Zeit der Rache, ihrem
-Charakter nach, in ihre Mädchenzeit zurück: die jugendliche Kriemhilt,
-die im Begriff ist, Siegfried zu heiraten, veranlaßt den Kampf, um zu
-sehen, ob Siegfried der erste aller Männer ist; sie fordert dazu den
-Dietrich heraus. Die Entscheidung fällt gegen Siegfried; im einzelnen
-ist die Darstellung der im „Biterolf“ sehr ähnlich.
-
-Der dritte Zweig der Zweikampfsage liegt in der Thidrikssaga vor,
-jener großen nordischen Sagensammlung, die auch die in Deutschland
-umgebildete Nibelungensage nach dem Norden übertragen hat.
-
-So wie die Thidrikssaga uns überliefert ist, ist sie nicht einmal
-äußerlich ganz einheitlich, sondern wir können der ältesten
-Handschrift noch ansehen, daß Einlagen hinzugekommen sind; da
-diese Handschrift nicht ganz vollständig ist, können wir nicht von
-jedem einzelnen Abschnitt mit Sicherheit sagen, wie alt und wie
-ursprünglich er ist. Doch darf man behaupten, daß im Urtexte der Saga
-die Nibelungengeschichte erst von Siegfrieds Dienst bei Isung (vgl.
-nachher) an vorhanden war, während die Darstellung seiner Jugendzeit
-erst später eingelegt worden ist. Im folgenden werden nur diejenigen
-Teile inhaltlich wiedergegeben, welche die Nibelungensage enthalten.
-
-Es wird erzählt, daß ein König Sigmund über Karlungaland (Frankreich)
-herrscht. Er verheiratet sich mit Sisibe. Bald nach der Hochzeit muß er
-eine Kriegsfahrt unternehmen und die junge Frau der Hut zweier Edlen
-überlassen. Diese Pfleger beginnen bald die Königin mit Liebesanträgen
-zu verfolgen; als sie abgewiesen werden, drohen sie mit Verleumdung.
-Bei der Rückkehr des Königs führen sie ihre Drohung auch aus. Daraufhin
-wird Sisibe verstoßen und von den Verrätern in einen Wald verschleppt;
-während diese über ihr Schicksal in Zwist geraten, gebiert die Königin
-plötzlich und stirbt an der Geburt. Das Kind, ein Knabe, wird in ein
-Gefäß gelegt, das dann in den vorüberfließenden Strom gerät und von
-seinen Wellen weggetragen wird.
-
-Weiter unterhalb strandet das Gefäß und zerbricht. Des weinenden Kindes
-erbarmt sich eine Hirschkuh, nährt es und zieht es auf. Ein Schmied,
-der in der Nähe im Walde haust, namens Mimir, entdeckt den Knaben bei
-der Hirschkuh, nimmt ihn auf und gibt ihm den Namen Siegfried.
-
-Jung Siegfried entwickelt sich zu einem ganz ungewöhnlich kräftigen,
-aber dabei doch zu nichts verwendbaren Jüngling. Mimir wird von ihm
-arg belästigt und beginnt sich vor ihm zu fürchten. Infolgedessen
-beschließt er, den Knaben zu beseitigen. Im Walde lebt ein Drache, den
-die Saga seltsamerweise Regin nennt[34]. Durch diesen Drachen hofft
-Mimir den Siegfried loszuwerden; er schickt ihn in den Wald, Kohlen
-zu brennen, und stattet ihn für mehrere Tage mit Proviant aus. Im
-Walde angelangt, erledigt Siegfried rasch seine Arbeit, ist aber dann
-gleich so verhungert, daß er seinen ganzen Vorrat, der für mehrere Tage
-ausreichen soll, auf einmal aufzehrt. Da erscheint der Drache, wird
-aber bald von Siegfried getötet. Das scheint ihm kaum eine gefahrvolle
-Sache; er braucht dazu nur seinen Mut. Nun hat er Gelegenheit, seinen
-Hunger weiter zu stillen: er schneidet sich ein Stück Fleisch aus dem
-Drachen und siedet es. Um zu versuchen, ob es gar ist, faßt er es an,
-verbrennt sich die Finger und steckt sie zur Kühlung in den Mund.
-Dadurch gelangt etwas Drachenblut auf seine Zunge, und er versteht
-auf einmal die Sprache der Vögel. Von ihnen erfährt er, daß Mimir ihn
-böswillig hinausgeschickt hat, und kehrt wütend nach Hause zurück. Als
-Mimir ihn kommen sieht, erkennt er, daß sein Plan fehlgeschlagen ist,
-und versucht ihn zu besänftigen, indem er ihm eine wundervolle Rüstung
-und ein Schwert gibt, ihm auch ein geeignetes Roß aus Brynhilds Gestüt
-nachweist[35]. Siegfried nimmt alles an; der erste, den er mit dem
-Schwerte tötet, ist Mimir. Dann sucht er die Burg der Brynhild auf.
-Wer Brynhild ist, wird gar nicht erklärt. Sie ist jedenfalls eine rein
-menschliche Fürstin, die unter anderm ein großes Gestüt besitzt; die
-edlen Heldenrosse, die in der Saga erwähnt werden, stammen alle aus
-diesem Gestüt. Siegfried dringt gewaltsam in ihre Burg ein; als sie den
-Lärm hört, sagt sie sofort: „Da wird Siegfried, Sigmunds Sohn, gekommen
-sein, und er soll mir immer willkommen sein.“ Beim Empfang fragt sie
-ihn, wer er sei; das weiß Siegfried nicht. Da eröffnet sie ihm, daß er
-König Sigmunds Sohn ist (woher sie das weiß, wird nicht erörtert), und
-überläßt ihm auf seinen Wunsch aus ihrem Gestüt den Hengst Grani. Von
-Liebschaft oder Verlobung aber ist mit keinem Worte die Rede. Siegfried
-zieht weiter und tritt in den Dienst eines Königs, der Isung heißt
-und in Bertangaland (Bretagne) herrscht. Dieser König Isung gehört
-nur unserer Thidrikssaga an und ist für die Komposition derselben
-wesentlich.
-
-Inzwischen hat der junge König Dietrich, der eigentliche Held der Saga,
-der zu dieser Zeit noch nicht in der Verbannung lebt, sondern sein Volk
-in Italien beherrscht, eine Reihe gewaltiger Helden um sich gesammelt;
-er stellt die Behauptung auf, daß es niemand gäbe, der ihm und seinen
-Mannen entgegentreten könnte. Einer der Helden erwidert ihm, daß Isung
-mit seinen elf Söhnen und seinem Bannerträger -- als solcher dient
-ihm der junge Siegfried -- ihm mindestens gewachsen sei. Daraufhin
-zieht Dietrich mit seinen Mannen, unter denen sich diesmal auch, auf
-freundliche Einladung hin, Günther und Hagen[36] befinden, zum Kampfe
-gegen Isung und seine Söhne aus. In Zweikämpfen mit verschiedenem
-Erfolge wird die Angelegenheit ausgefochten (ähnlich wie im Biterolf
-und im Rosengarten); Siegfried und Dietrich messen ihre Kräfte als
-letzte miteinander, und auch in dieser Sagenform siegt Dietrich.
-Das hat, wie gesagt, seinen Grund in dem oberdeutschen Ursprung der
-Zweikampfsage; allein der nordische Sagaschreiber (vielleicht schon
-seine niederdeutsche Quelle) vermochte es nicht über sich, seinen
-unüberwindlichen Siegfried so ohne weiteres besiegen zu lassen: er
-erklärt die Niederlage durch unlautere Mittel, die Dietrich angewendet
-habe. Dietrich kann den Siegfried nur mit einem bestimmten Schwerte,
-dem Mimung, das dem Witig gehört, besiegen. Das weiß Siegfried auch und
-verlangt deshalb von Dietrich den Eid, daß er den Mimung nicht habe.
-Darauf steckt Dietrich das Schwert hinter sich mit der Spitze in die
-Erde und lehnt sich gegen den Griff, dann schwört er, daß er Mimungs
-Spitze nicht oberhalb der Erde wisse, noch seinen Griff in eines
-Mannes Hand; mit Mimung besiegt er Siegfried, also unter Anwendung von
-Hinterlist.
-
-Siegfried tritt nun in den Dienst Dietrichs und zieht mit ihm zusammen
-an den Hof Günthers; dort wird ohne besondere Bedingungen die Heirat
-gestiftet, daß Siegfried die Grimhild, Günthers Schwester, zur Gattin
-erhält. Bei der Hochzeit erwähnt Siegfried dann die Brynhild und
-schlägt sie seinem neuen Schwager Günther als geeignete Gemahlin vor.
-Günther, Hagen, Siegfried und Dietrich[37] ziehen sofort aus, die
-Werbung anzubringen; Brynhild ist ärgerlich, daß Siegfried bereits eine
-Frau hat, und wirft ihm vor, daß er sich doch mit ihr verlobt habe[38].
-Schließlich nimmt sie ohne besondere Prüfung Günthers Werbung an; in
-der Brautnacht aber widersetzt sie sich ihm, ohne daß die Erzählung
-auch nur den Versuch machte, ihr Verhalten zu erklären, Günther kann
-sie nicht gewinnen und bittet nach einigen Tagen Siegfried um Hilfe.
-Dieser gewährt sie ihm auch, aber nicht in der keuschen Weise, die der
-alten Sage gemäß ist, sondern er überwältigt Brynhild (übrigens ohne
-Schwierigkeit) völlig und wird wirklich schuldig.
-
-Nach einiger Zeit geraten Brynhild und Grimhild in den unvermeidlichen
-Zank, der ja für die weitere Entwicklung der Sage notwendig und der
-eigentliche Kern der Erzählung ist. Hier dreht es sich nicht ums Baden,
-auch nicht um den Vortritt an der Kirche, sondern um den Hochsitz, den
-früher die Mutter Grimhilds innegehabt hat, und der jetzt natürlich
-der Gattin Günthers gebührt. Grimhild beansprucht ihn vergeblich für
-sich und enthüllt in ihrem Zorn das Geheimnis, daß Siegfried der
-Brynhild Liebe genossen hat. So wird denn der Mord beschlossen und im
-wesentlichen so ausgeführt, wie es in unserm Liede erzählt wird, bei
-Gelegenheit einer Jagd.
-
-Auch im zweiten Teile der Nibelungensage schließt sich die Saga sehr
-eng an die deutsche Fassung an, stellenweise so eng, daß man den
-Eindruck hat, der Sagaschreiber hat unser Lied vor sich oder wenigstens
-im Ohre gehabt und danach seine Erzählung zusammengestellt. Doch sind
-einige tiefgehende Abweichungen vorhanden. Eine der auffälligsten ist
-die, daß Dankwart ganz unbekannt ist, während Volker eine Rolle wie
-im Liede spielt; eine ganze Reihe von Szenen, die wir vorhin bei der
-Betrachtung des Liedes als jung erkannten, fehlen der Saga. Aber auch
-sonst weicht manches ab, denn der Sagaschreiber ist ein überlegender
-Mann; er bringt nicht gern Unmöglichkeiten vor, sondern hat seinen
-Text, so gut es geht, auf den festen Boden der Wirklichkeit gestellt.
-Das ist ihm freilich nicht immer geglückt. Einige Stellen verdienen
-besondere Betrachtung. Die Geschichte mit dem Fährmann wird in der
-einfachen Weise, die auch im Liede noch durchklingt, vorgetragen: er
-läßt sich durch einen dargebotenen Goldring geneigt machen, da er
-ihn seiner jungen Frau mitbringen will. Der Ausbruch des Kampfes am
-hunnischen Hofe wird deutlich dadurch herbeigeführt, daß Grimhild
-bewußt ihren Sohn opfert, was im Liede nur noch angedeutet ist.
-Wir haben hier zweifellos in der Quelle der Saga eine Darstellung,
-die etwas altertümlicher ist als die unseres Liedes; die Vermutung
-drängt sich auf, daß Nibelungendichter und Sagaschreiber auf Grund
-derselben Vorlage gearbeitet haben. Gegen den Schluß hin ist eine
-wesentliche Abweichung die, daß Günther frühzeitig gefangen und in
-den Schlangenturm geworfen wird, so daß er also nicht neben Hagen der
-letzte sein kann, wie sonst überall berichtet wird. Dafür bleibt neben
-Hagen Giselher bis zuletzt übrig. Das ist ein Zugeständnis, das der
-Sagaschreiber der nordischen Sagenform machen muß; im Norden steht
-fest, daß Gunnar im Schlangenturme zugrunde geht. Eigentümlich ist
-ferner, daß Hagen hier nicht von Grimhild getötet[39], sondern, wenn
-auch todwund, von Dietrich gefangen und gerettet wird, so daß er sogar
-die Freunde noch einige Zeit überlebt. Diese Neuerung zielt auf eine
-uns hier zum ersten Male begegnende Nachdichtung hin: von Dietrich läßt
-sich Hagen ein edles Mädchen beschaffen, mit der er in den letzten
-Tagen seines Lebens seinen Rächer erzeugt; bevor er stirbt, gibt er
-ihr noch die Schlüssel zum Nibelungenhorte (der in einem Berge liegend
-gedacht wird) und die nötigen Anweisungen. Nach seinem Tode gebiert das
-Mädchen einen Sohn und nennt ihn Aldrian, nach Hagens Vater. Dieser
-Aldrian wird an Attilas Hofe erzogen und, herangewachsen, von seiner
-Mutter über seine Bestimmung unterrichtet. Er kommt ihr nach, indem er
-Attila fragt, ob er den Nibelungenhort haben will, und als dieser --
-wie natürlich -- darauf eingeht, führt er ihn zum Horte und schließt
-ihn bei demselben ein; seitdem ist Attila verschwunden. Aldrian kehrt
-aber nach dem Nibelungenlande zurück und wird dort König. Das ist der
-letzte Abschnitt der Saga, der uns hier angeht.
-
-Die Erzählung ist hier weiter geführt als im Liede und zwar in ganz
-neuer Art; die Nachbildung von Aldrian (die natürlich nicht vom
-Sagaschreiber herrührt) erfüllt mit Geschick einen doppelten Zweck: sie
-befriedigt das Bedürfnis der Rache für die ausgemordeten Burgunden, und
-sie schafft Etzel aus der Geschichte.
-
-Im eddischen Liede Atlamál erscheint neben Gudrun ein Niflung als
-Rächer der verratenen Burgunden; sein Auftreten beruht wohl auf
-Beeinflussung durch die eben besprochene Aldriansage, die demnach schon
-etwa im 11. Jahrhundert entstanden sein dürfte.
-
-Der Verfasser der Saga hat augenscheinlich, neben andern Quellen,
-für die Nibelungensage in der Hauptsache zwei Dichtungen benutzt:
-eine, die vom Auftreten Siegfrieds in Worms an bis zum großen Kampfe
-reichte und mit dem Nibelungenliede ganz nahe verwandt war, und
-die Grundlage der Zweikampfdichtung. Da die letztere innerhalb der
-ersteren keine Stelle hat, so verfuhr der Sagaschreiber so, daß er
-sie dieser voranstellte; Siegfried steht daher bei ihm zur Zeit des
-Zweikampfes noch nicht in Günthers Umgebung (wie die angeführten
-hochdeutschen Gedichte behaupten, und wie es natürlich ist), sondern
-wird in diese erst durch Dietrichs Sieg eingeführt. Der König Isung von
-Bertangaland ist nach meiner Empfindung nichts als eine Schöpfung des
-Sagaschreibers, notwendig geworden dadurch, daß Siegfried erst später
-in Günthers Kreis tritt, also zur Zeit des Zweikampfes einen andern
-Herrn haben muß. Jung ist die Figur auf jeden Fall, denn die Verwendung
-von Bertangaland (der Bretagne) in unserm Literaturkreise kann nicht
-wohl vor dem Bekanntwerden der Artussage (frühestens Ende des 12.
-Jahrhunderts) möglich gewesen sein. Eine dritte norddeutsche Quelle
-benutzte der Sagaschreiber in der Geschichte von Etzels Tod; nach einer
-vierten, von der das gleich nachher zu besprechende Gedicht vom Hürnen
-Seifrid teilweise abhängt, legte ein jüngerer Bearbeiter der Saga die
-Geschichte von Siegfrieds Jugend ein.
-
- * * * * *
-
-Anhangsweise mag an dieser Stelle angeführt werden, was über das
-Fortleben unserer Sage in Skandinavien besonders wissenswert ist.
-
-Durch die im 13. Jahrhundert entstandene Thidrikssaga gelangte die
-deutsche Sagenform den Nordleuten zur Kenntnis und schließlich,
-wenigstens in Dänemark, zur Herrschaft. Die im Jahre 1591 zum ersten
-Male veröffentlichten dänischen Heldenlieder (~Kämpeviser~) bieten,
-soweit sie die Nibelungensage behandeln, durchaus die Stoffgestalt der
-Thidrikssaga dar. Charakteristisch ist, daß schließlich die Figuren
-des Hagen und des Volker alle andern Nibelunge derartig überwuchern,
-daß diese der Vergessenheit anheimfallen; die Sympathie des Publikums
-hat sich dem Hagen und Volker ausschließlich zugewandt, so daß zuletzt
-sogar Siegfried zu unwürdiger Rolle verdammt wird. Am drastischsten
-tritt das zutage in der 1603 dänisch abgefaßten „Chronik der Insel
-Hven“, die aus dem Lateinischen übersetzt zu sein vorgibt. Als Lokal
-der Ereignisse ist hier die im Sunde gelegene Insel Hven an die Stelle
-von Etzelnburg getreten.
-
-Auf den im nördlichen Teile des Atlantischen Ozeans gelegenen
-Färöer, die von Norwegen aus besiedelt sind, entdeckte 1817 Lyngbye
-volkstümliche Lieder, die alte Stoffe behandeln; drei von ihnen geben
-einander anschließend die ganze Nibelungensage wieder: ~Regin smidur~,
-~Brinhild~ und ~Högni~; während die beiden erstgenannten noch die
-spezifisch nordische Sagenform aufweisen, gibt das Lied von Högni die
-Erzählung in der jüngern Gestalt wieder. Bis auf die Färöer also hat
-die Thidrikssaga die deutsche Sagenform verbreitet.
-
-
-~c~) Hürnen Seifrid.
-
-In der Erzählung vom jungen Siegfried, wie sie in der Saga uns
-entgegentritt, kommen nicht wenig Züge vor, die, im Nibelungenliede
-fehlend, doch altertümlich sind und, wenn auch verwischt, in dem
-späten deutschen Liede vom Hürnen Seifrid wieder auftauchen. Dies
-Gedicht besteht aus zwei ganz lose verbundenen Teilen, deren erster ein
-kurzer Auszug aus einem verlorenen längern Gedicht ist. Der zweite,
-größere hebt vollständig von neuem an, als ob nichts vorausginge, und
-sein Inhalt widerspricht in wesentlichen Dingen dem des ersten. Im
-ersten Teil ist Siegfried als Sohn des Königs Sigmund aufgewachsen und
-so ungebärdig, daß man ihn gern ziehen läßt, als er nicht zu Hause
-bleiben will. Er tritt dann bei einem Schmiede in die Lehre, treibt
-aber nichts als Unfug; der Schmied schickt ihn deshalb in den Wald,
-damit ihn ein Drache töte, allein Siegfried überwindet den Drachen
-und badet sich in seinem Blute, wodurch er eine Hornhaut erwirbt. Die
-Erzählung ist der in der Thidrikssaga nahe verwandt. Angeschlossen sind
-(ziemlich zusammenhanglos) Bemerkungen über Herkunft und Bedeutung des
-Nibelungenhortes. Der zweite Teil erzählt, daß Kriemhilt, die Tochter
-des in Worms regierenden Königs Gibich, von einem Drachen entführt
-wird; Siegfried stößt jagend auf die Spur des Drachen, tötet ihn nach
-hartem Kampfe und erlöst die Jungfrau, die seine Gattin wird. Die
-Erzählung wird kurz bis auf seinen Tod fortgeführt. Der zweite Teil
-ist offenbare Neudichtung nach bekannten Motiven; für uns wichtig ist
-nur, daß (in offenbarem Widerspruche zum ersten Teile) erzählt wird,
-Siegfried sei ohne Kenntnis seiner Eltern aufgewachsen; in diesem
-Punkte ist der „Hürnen Seifrid“ altertümlich. -- Auffälligerweise gilt
-Hagen im „Hürnen Seifrid“ als dritter Sohn Gibichs (neben Günther und
-Gernot); diese Übereinstimmung mit der nordischen Sagenform ist wohl
-zufällig; man wußte, daß Gibich drei Söhne gehabt hatte, und ersetzte
-den vergessenen Giselher durch den berühmten Helden.
-
-
-
-
-IV.
-
-Die Grundlagen der Sage.
-
-
-Die bisher besprochenen Formen unserer Sage müssen sich nun, soweit
-sie auch im Laufe der Entwickelung auseinander gegangen sein mögen,
-notwendig auf eine einheitliche Grundlage zurückführen lassen. Wollen
-wir diese Grundlage finden und den langen Weg, den die Stoffe bis zur
-Aufzeichnung zurückgelegt haben, mit einiger Sicherheit aufhellen,
-so tun wir gut, fürs erste diejenigen geschichtlichen Ereignisse ins
-Auge zu fassen, die unzweifelhaft zu den Ausgangspunkten der ganzen
-Stoffmasse gehören; wir haben dann einen feststehenden Anfang und
-dürfen hoffen, die Linie zu finden, die von ihm bis zu den Denkmälern
-der Sage in der Literatur hinführt.
-
-
-~a~) Burgunden und Hunnen.
-
-Im 4. nachchristlichen Jahrhundert saß das germanische Volk der
-Burgunden im Stromgebiete des Mains; am Rheine war die römische
-Grenzwehr noch ungebrochen. Da kam, etwa im Jahre 405, vermutlich
-infolge eines erneuten hunnischen Ansturms, Bewegung in die östlich
-von den Burgunden sitzenden Germanenvölker: Sueben und Vandalen, mit
-ihnen die nichtgermanischen Alanen, drangen westwärts vor, durchbrachen
-406 die römische Rheingrenze und ergossen sich über Gallien. Daß die
-Burgunden von diesen Ereignissen nicht unberührt bleiben konnten, ist
-klar; wir finden sie nunmehr auch links des Rheins gegenüber ihren
-bisherigen Sitzen. Im Jahre 411 stellten der Alanenhäuptling Goar und
-der Burgundenkönig Gundicarius in Gallien den Jovinus als römischen
-Kaiser auf; 413 aber ließen sie ihn fallen und vertrugen sich mit der
-rechtmäßigen Regierung des Kaisers Honorius; dabei erhielt Gundicarius
-für sich und sein Volk die römische Provinz ~Germania superior~ (sie
-umfaßte die Bezirke der Städte Mainz, Worms, Speier und Straßburg)
-angewiesen, und zwar sollten die Burgunden hier eine Grenzwacht im
-römischen Sinne bilden. Sie sitzen jetzt also in derjenigen Gegend, in
-der unsere Sage sie annimmt; ihr Herrscher führt den Namen Gundicarius,
-das ist derselbe wie hochdeutsch Günther, nordisch Gunnar.
-
-Jeden Zweifel an der Identität des historischen und des sagenhaften
-Königs und Volkes müssen uns die nun folgenden Ereignisse nehmen. Das
-Bündnis zwischen Burgunden und Römern fand sein Ende durch den Tod
-des Kaisers Honorius 423. Es ist eine Eigentümlichkeit aller dieser
-Barbarenbündnisse der Völkerwanderungszeit, daß sie als erloschen
-gelten, sobald der eine der beiden Kontrahenten stirbt. Daß der
-römische Staat weiter existiert, kümmert die Burgunden nicht; sie haben
-nur mit Honorius persönlich abgeschlossen. Jetzt ist der Kriegszustand
-wieder da; sie greifen wieder um sich. Nach einigen Jahren ist die
-römische Macht wieder so weit gefestigt, daß sie in Gallien Ordnung zu
-schaffen unternehmen kann. Der Feldherr Aetius tut es unter heftigen
-Kämpfen; im Jahre 435 wird er auch mit den Burgunden fertig. Über diese
-Kämpfe berichten uns zwei Zeitgenossen, die sich gegenseitig ergänzen;
-der eine ist Prosper Aquitanus, der andere der Spanier Idacius. In ganz
-kurzer chronistischer Art und Weise haben sie uns die Kenntnis der
-Zeit übermittelt. Zum Jahre 435 sagt Prosper: „Um diese Zeit besiegte
-Aetius den Burgundenkönig Gundicarius, der sich in Gallien herumtrieb,
-im Kriege und gab ihm auf seine Bitten Frieden;“ d. h. das Bündnis
-ward wieder hergestellt. Prosper fährt aber fort: „Den genoß er nicht
-lange; denn ihn, seine ganze Familie und sein ganzes Volk haben die
-Hunnen vernichtet.“ Zum Jahre 437, also zwei Jahre später, gibt Idacius
-die kurze Notiz: „20000 Burgunden wurden geschlagen.“ Wir haben diese
-Notizen so zu verbinden, daß im Jahre 435 das alte Verhältnis zwischen
-Römern und Burgunden wieder hergestellt wurde, daß aber zwei Jahre
-darauf die Burgunden am Rheine durch die Hunnen zugrunde gingen. Über
-diese Hunnen hat man viel gestritten: waren es römische Söldner, die
-etwa im Dienste des Aetius den Angriff unternahmen? oder war es das
-Hunnenvolk selbst, sei es das ganze oder ein Teil? führte sie der König
-Attila, der ja seit 433 über einen Teil dieses Volkes herrschte? Meiner
-Meinung nach kann es nur das Hunnenvolk sein, nicht etwa ein hunnisches
-Söldnerheer im römischen Dienst. Denn mit den Römern hatte Gundicarius
-das Bündnis eben erneut; zum Bruch lag keine Veranlassung vor. Wohl
-aber konnte er nun im römischen Dienst seine Front ostwärts gegen die
-andringenden Hunnen genommen haben. Bei dieser Gelegenheit ist nun das
-Burgundenvolk mit seinem Königshaus und dem König Gundicarius an der
-Spitze im wesentlichen vernichtet worden; 20000 Mann sollen umgekommen
-sein. Näheres wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß Aetius sechs Jahre
-später, 443, die Burgunden vom Oberrhein weggenommen und nach Savoyen
-an das Südufer des Genfersees versetzt hat, offenbar weil sie durch
-jenen unglücklichen Kampf so geschwächt waren, daß sie als Grenzwacht
-nicht mehr ausreichten. Von Savoyen aus haben sie sich in etwas
-späterer Zeit wieder ausgebreitet und ein größeres Reich gewonnen, an
-dessen Dasein noch die Landschaft Bourgogne in Frankreich erinnert. Von
-413 bis 443 haben also die Burgunden am Oberrhein gesessen und sind
-hier einmal durch einen Angriff der Hunnen schwer geschädigt worden.
-Die näheren Umstände bei diesem Angriff kennen wir, wie gesagt, nicht;
-daß Attila die Hunnen geführt hat, ist möglich, aber nicht notwendig
-anzunehmen; die Sage hätte ihm als berühmtestem Hunnenkönig die Tat auf
-jeden Fall zugeschrieben. Die von der Sage berichteten näheren Umstände
-gehen vermutlich auf historische Einzelheiten zurück; so ist es z.
-B. gar nicht unwahrscheinlich, daß Attila (oder wer sonst die Hunnen
-geführt hat) die burgundischen Fürsten scheinbar wegen Verhandlungen zu
-sich geladen und dabei verräterisch niedergemacht hat; man sieht sonst
-wenigstens nicht ein, wie die Sage auf das Motiv von der verräterischen
-Einladung gekommen wäre.
-
-In der neuen Heimat der Burgunden ließ um das Jahr 500 ihr König
-Gundebad das burgundische Recht aufzeichnen; im Eingange zu diesem
-Gesetzbuche nennt er seine Vorgänger als burgundische Könige. Als
-erster tritt uns entgegen Gibica; dann folgen Gundomar, Gislaharius,
-Gundaharius und endlich Gundebads unmittelbare Vorgänger. Hier treten
-uns mehrere aus der Sage wohlbekannte Namen entgegen: Gundaharius
-(von Gundicarius nur in der Schreibung verschieden, also der 437
-gefallene) ist Günther, Gislaharius ist Giselher, Gibica ist Gibich
-(mhd. Gibeche), der nordische Gjuki. Letzterer ist also der älteste
-historisch bekannte Burgundenkönig, den auch die Sage festgehalten
-hat. In welchem Verwandtschaftsverhältnis seine drei Nachfolger zu
-ihm stehen, sagt das Gesetzbuch nicht; wir dürfen auch hier der Sage
-trauen, die ihm drei Söhne gibt, von denen zwei die gleichen Namen wie
-die entsprechenden im Gesetzbuche führen, und annehmen, daß sie seine
-Söhne waren; dann begreift man wenigstens am leichtesten, wie der doch
-ganz unbedeutende Giselher bis in späteste Zeiten unvergessen geblieben
-ist. Gibicas drei Söhne hätten dann im wesentlichen neben- und
-miteinander regiert; in Deutschland wäre später Gundomar dem Namen nach
-vergessen und für ihn Gernot eingesetzt worden. Auch im Norden werden
-ja drei Brüder genannt: Gunnar, Hogni und der etwas beiseite stehende
-Gudorm; letzterer könnte dem Namen nach auf Gundomar zurückführen, dann
-wäre Hogni (ursprünglich, wie in Deutschland, nur der erste Vasall des
-Königs) für Giselher in die Familie eingerückt.
-
-Daß von diesem Untergange des Burgundenstaates am Oberrhein durch
-die Hunnen ein Teil unserer Sage ausgegangen ist, darf bei der
-Übereinstimmung einer ganzen Reihe von Umständen und Namen wohl als
-sicher gelten.
-
-Attila, seit 433 König eines Teiles der Hunnen, wurde 444 durch
-Ermordung seines Bruders Bleda Alleinherrscher, brachte sich durch
-seinen großen Kriegszug nach Gallien 451 den westlichen Germanen erneut
-in furchtbare Erinnerung, kam aber 453 unter auffälligen Umständen
-plötzlich zu Tode. Er war als echter Nomadenfürst Besitzer eines großen
-Harems, den er fortgesetzt vermehrte; 453 feierte er sein Beilager
-mit einem Mädchen namens Hildiko. Am Morgen nach der Brautnacht fand
-man den König tot; die junge Frau allein war bei ihm. Zeitgenossen
-behaupten, daß Attila durch einen Blutsturz zu Tode gekommen sei.
-Aber auch schon zeitgenössisch tritt die Behauptung auf, Hildiko habe
-ihn getötet. Was richtig ist, läßt sich nach Lage der Dinge nicht
-entscheiden, denn die einzige Zeugin des wirklichen Herganges war
-ja eben nur Hildiko, und diese war, falls sie ihn wirklich getötet
-hat, Partei. Daß manche sie für seine Mörderin gehalten haben, ist
-begreiflich. Für die Sage ist es natürlich gleichgültig, ob sie das
-war; ihr genügt es, daß man sie dafür hielt.
-
-Von großer Bedeutung ist ihr Name, der gut germanisch (speziell
-gotisch) ist: er ist eine Koseform von einem mit hild zusammengesetzten
-Frauennamen, „Hildchen“; Hildiko kann also mit ihrem vollen Namen (die
-Koseform setzt immer einen vollen Namen voraus) gut und gern „Grimhild“
-geheißen haben. Jedenfalls nimmt die Sage an, daß dies ihr rechter
-Name war. In irgendwelcher Beziehung zu den historischen Burgunden
-steht diese historische Grimhild nicht. Wohl aber ist erklärlich,
-wie man darauf gekommen ist, anzunehmen, daß sie den Attila getötet
-habe: sie hatte Angehörige an ihm zu rächen. Man braucht sich nur
-in jene wilden Zeiten zurück zu versetzen. Attila war der Herrscher
-eines wilden, kriegerischen Volkes, das dort, wo es als Feind auftrat,
-niemanden schonte, die Männer ausrottete und die Weiber der Niedrigsten
-so gut wie die der Edlen bis zum König hinauf in Besitz nahm. Daß
-also manche Weiber am Hunnenhofe Ursache haben mochten, Angehörige an
-den Hunnen zu rächen, darf man glauben. Die Vorstellung ist denn auch
-sehr alt, daß die Mörderin (wie wir sie mit der Sage nennen wollen) an
-Attila Angehörige gerächt hat. Nach einigen alten Angaben (des sog.
-~Poeta Saxo~ im 9. und der Quedlinburger Chronik im 11. Jahrhundert),
-die aber ebensowenig beglaubigt sind wie die unserer Sage, hat sie
-ihren Vater gerächt, in unserer Sage aber (nach der nordischen
-Darstellung) ihre Brüder, und diese letztere Anschauung muß bereits
-im 9. Jahrhundert am Niederrhein fest gegolten haben, sonst könnte
-nicht Kriemhilt in Deutschland wie Gudrun im Norden als Schwester der
-burgundischen Könige angesehen werden.
-
-Die beiden großen Ereignisse, die Vernichtung des Burgundenstaates am
-Mittelrhein durch die Hunnen im Jahre 437 und die Ermordung des Königs
-Attila durch sein Weib im Jahre 453, erscheinen nun im zweiten Teile
-unserer Sage verbunden und in ursächlichen Zusammenhang gebracht.
-Unsere Erzählung nimmt an, daß Hildiko oder Grimhild, wie wir sie
-gleich nennen können, die Schwester der untergegangenen Burgundenkönige
-ist und diese an ihrem Gatten Attila rächt. Der Vergleich mit der
-Geschichte bestätigt, was vorhin aus der innern Gestalt der beiden
-Hauptfassungen unserer Sage geschlossen wurde: die nordische ist
-die altertümlichere, denn sie deckt sich im wesentlichen mit den
-historischen Vorgängen; die deutsche ist durch die hergestellte innere
-Verbindung mit dem ersten Teile wesentlich verändert. Sicher aber haben
-wir für den zweiten Teil unserer Sage an den historischen Tatsachen
-eine gute und einwandfreie Grundlage.
-
-Die Erzählung ist allerdings nicht ohne weiteres mit der Geschichte
-identisch, sondern die Sage ist dadurch geschaffen, daß jemand bereits
-in alter Zeit (gewiß nicht allzu lange nach den Geschehnissen) die
-beiden historischen Tatsachen: Untergang der Burgunden, und: Attilas
-Tod, in Zusammenhang gebracht hat. Dieser Jemand muß wohl einer von
-jenen Berufsdichtern gewesen sein, wie sie eingangs erwähnt worden
-sind; genauer dürfen wir nach seiner Person selbstverständlich nicht
-fragen, wohl aber nach dem Volke, dem er angehört hat. Das ist
-wahrscheinlich eben das fränkische gewesen. Die Burgunden selbst
-können es nicht gewesen sein, denn sie sind aus jenen Gegenden durch
-die Ereignisse weggeschwemmt worden; auch finden wir bei ihnen
-später keine Kunde von unserer Dichtung. Die Franken waren aber in
-der Zeit, da die Ereignisse sich zutrugen, der Burgunden nördliche
-Nachbarn; sie erlebten staunend diese Katastrophen mit, sie waren
-auch vielfach selbst in die Kämpfe verwickelt und haben im Jahre 451
-teils für, teils gegen Attila gefochten. Daß also die Franken jene
-Vorgänge im Gedächtnis festhielten und die Kunde von ihnen der Nachwelt
-übermittelten, ist demnach wohl verständlich.
-
-
-~b~) Sage und Mythus.
-
-Besitzen wir so für den zweiten Teil der Sage eine einwandfreie
-geschichtliche Grundlage, so ist es leider bis jetzt noch nicht
-möglich gewesen, eine solche mit einiger Sicherheit für den ersten
-Teil (d. i. die Geschichte, die mit Siegfrieds wunderbarer Jugend
-beginnt und mit seiner Ermordung schließt) zu finden. Man hat deshalb
-für diesen Teil ganz besonders lange, ja bis heute noch, an der
-Behauptung festgehalten, er beruhe auf mythischen Grundlagen, d. h.
-es seien vermenschlichte Götter, die uns hier vorgeführt würden, die
-Dichtung behandle also im Grunde nicht Schicksale von Menschen, sondern
-Ereignisse der Natur.
-
-Bevor wir zu dieser Anschauung Stellung nehmen, dürfte es sich
-empfehlen, die Begriffe „Sage“ und „Mythus“ möglichst genau
-festzulegen. Was „Sage“ ist, läßt sich aus der eben behandelten
-Herkunft des Stoffes der Attila-Burgunden-Erzählung am besten erkennen:
-„Sage“ ist eine Form der Überlieferung historischer Ereignisse, die
-sich von andern Formen (der annalistischen oder der pragmatischen
-Geschichtschreibung) in erster Linie dadurch unterscheidet, daß sie im
-wesentlichen auf mündlichem Wege weitergegeben wird; die Möglichkeit,
-alle Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist außerordentlich
-gering; um so größer ist die Einwirkung derjenigen Männer, in deren
-Händen ihre Pflege liegt; so wird sie denn bald von dichterischem
-Beiwerk dicht umrankt, ist aber doch ihrem Ausgangspunkt nach
-Geschichte und beansprucht das so lange zu sein, solange nicht eine
-urkundliche Kontrolle sie unrichtiger Angaben überführt.
-
-Den Ausdruck „Mythus“ dagegen beschränken wir am richtigsten auf
-diejenigen Erzählungen, die der naive Mensch als Erklärung von
-Naturerscheinungen vorgebracht hat; sie verdanken ihre Entstehung dem
-menschlichen Bedürfnis, für die zur Empfindung gelangenden Wirkungen
-der Naturkräfte die hinter ihnen liegenden Ursachen zu finden. Wie
-also „Sage“ das Resultat einer naiven Weltgeschichte ist, so darf man
-„Mythus“ als das Resultat einer naiven Naturgeschichte bezeichnen. Der
-Mythus erklärt die großen Naturkräfte, besonders diejenigen, die das
-Klima beeinflussen, als das Wirken großer Götter, das geheimnisvolle
-Treiben in der scheinbar unbelebten Natur als Lebensäußerungen mehr
-oder minder mächtiger dämonischer Wesen, die eigenartigen Tatsachen des
-Traumes und des Todes als Folge des möglichen körperlosen Daseins der
-menschlichen Seele. So ist denn der Mythus in erster Linie Grundlage
-der Religion; solange er rein existiert (und das tut er in vieler
-Beziehung noch heute, sei es im Glauben, sei es im Aberglauben),
-ist er wirklich, und kann also jeder Erzähler seine Helden mit
-mythischen Wesen in Zusammenhang darstellen, da seine Zuhörer die
-Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges für ihre eigenen Personen
-ohne weiteres zugeben; ich verweise zur Erläuterung auf die Wirkung
-von Gespenstergeschichten, wenn sie im Kreise abergläubischer Menschen
-vorgebracht werden.
-
-Damit ist nun die Möglichkeit mythischen Beiwerks in der Sage ohne
-weiteres zugegeben, dagegen die Möglichkeit mythischen Ursprungs
-einer Sage noch keineswegs erwiesen. Ich will nun eine solche nicht
-allgemein leugnen, muß aber behaupten, daß ein Mythus einen sehr
-langen Weg zu durchlaufen hat, ehe er als Sage in die Erscheinung
-treten kann. Ein solcher Weg dürfte etwa der folgende sein: die naive
-Erklärung einer Naturerscheinung verdichtet sich zur Erzählung von
-den Taten einer Gottheit; diese Gottheit, erst hochverehrt, sinkt
-allmählich in der Achtung infolge fortgesetzt wachsender menschlicher
-Erkenntnis; hauptsächlich ist es naturgemäß die menschliche äußere
-Form der Götterhandlung, die einst der naive Mensch mangels einer
-bessern zur Darstellung der Naturerscheinung gewählt hat, die aber
-nunmehr, unverstanden, den Spott des fortgeschrittenen herausfordert.
-Schließlich kommt ein Erklärer mit der Behauptung heraus, der
-angebliche Gott sei überhaupt nur ein göttlich verehrter Mensch der
-Vorzeit; soweit hat eben das menschliche Beiwerk bereits den alten
-Grundgedanken überwuchert. Nun erst ist der Punkt erreicht, an dem der
-Mythus zur Sage werden kann. Die altgriechischen Göttergeschichten
-haben im allgemeinen den eben geschilderten Weg durchlaufen; wie
-selten aber ist ihre Entwicklung so weit gediehen, daß der Held des
-ursprünglichen Mythus überhaupt nur noch als Mensch empfunden worden
-ist!
-
-Die germanische Götterwelt war, als das römische Christentum ihre
-Herrschaft beendete (vom vierten nachchristlichen Jahrhundert an),
-in ihrer Entwickelung überhaupt noch nicht weit gediehen; es scheint
-vielmehr, als ob die schemenhaften Gestalten, in denen die alten
-Götter noch bis in die neueste Zeit umgehen, gerade das wären, was die
-Germanen in vorchristlicher Zeit an religiösen Vorstellungen besessen
-hätten. Daraus erklärt sich denn die rasche und kampflose Annahme
-des Christentums bei allen südlichen Germanen; der alte Volksglaube
-wurde dabei kaum angetastet, sondern rückte nur in die zweite Linie.
-Erst bei denjenigen Germanen, die sich längere Zeit feindlich an
-ihren christlichen Stammverwandten gerieben haben, erscheint der
-alte Götterglaube zur wirklichen Religion erhoben, ja zur Göttersage
-ausgebildet; so bei den Sachsen und den nordischen Völkern.
-
-Daß also der Kern des ersten Teiles unserer Nibelungensage mythischen
-Ursprungs sei, also Siegfried etwa als vermenschlichter Sonnengott
-gedacht werden könne, der in der Jugend strahlend die Mächte der
-Finsternis überwunden hat, um ihnen am Ende seiner Laufbahn wieder
-zu verfallen, vermag ich unter diesen Umständen nicht zu glauben.
-Mythisches Beiwerk wird selbstverständlich nicht geleugnet, doch
-beweist dies, wie wir gesehen haben, nichts für mythischen Ursprung.
-Wir müssen uns nach andern Erklärungsmöglichkeiten der Siegfriedsage
-umsehen.
-
-Es wäre denkbar, daß die Siegfriedgeschichte nicht einheimischen
-Ursprungs, sondern im wesentlichen aus dem Auslande übernommen wäre
-(man hat z. B. an eine Umdichtung der Argonautensage gedacht: goldenes
-Vließ = Nibelungenhort, Jason = Siegfried, Medea = Brünhilt); dann
-müßte die eigentliche Erklärung sich mit der ausländischen Grundlage
-beschäftigen. Allein die Versuche dieser Art sind ebenso als
-gescheitert anzusehen wie die eben abgelehnten, weil sie ebensowenig
-vom eigentlichen Kernpunkt der Erzählung ausgehen; dieser Kernpunkt
-aber ist der Zank der Königinnen. Es bleibt nur die Möglichkeit der
-historischen Ableitung, und zwar nach zwei Seiten hin: 1. entweder
-ist die ganze Geschichte in allen wesentlichen Punkten historisch,
-und nur die Dürftigkeit der beglaubigten Geschichte gestattet uns
-nicht, sie in dieser wiederzufinden, oder 2. der (uns wohlbekannte)
-historische Ausgangspunkt ist von der Dichtung derart überwuchert, daß
-er eben deshalb schwer zu erkennen ist. Im ersten Falle müssen wir uns
-bescheiden; im zweiten Falle dürfen wir noch eine Erklärung erhoffen.
-
-
-~c~) Die Merowinge.
-
-Es gibt eine Periode der Geschichte, in der alle wesentlichen Motive
-der Siegfriedsage sowie mehrere Personen mit Namen, die denen dieser
-Sage gleich oder ähnlich sind, beisammen gefunden werden: das ist die
-Zeit der Enkel des Frankenkönigs Chlodowech. Sein Sohn Chlothachari
-I., der das ganze fränkische Reich in seiner Gewalt vereinigt hatte,
-starb 561 und hinterließ vier Söhne; einer von ihnen, Charibert,
-starb bereits 567 sohnlos, und es blieben seine drei Brüder übrig,
-deren gleichzeitige Herrschaft die lange geltende Dreiteilung
-des Frankenreiches begründete: Sigebert herrschte in Austrasien
-(Ostfranken), Chilperich in Neustrien (Westfranken), Gunthchramn im
-südlichen Teile des Reiches, der nach dem dazu gehörigen Hauptlande
-Burgund genannt wurde. Von der damals geltenden Sitte, einheimische,
-also nicht ebenbürtige Frauen zu heiraten, wich zuerst im Jahre 567
-Sigebert ab, indem er sich mit Brunichild, der Tochter des in Spanien
-herrschenden Westgotenkönigs Athanagild, vermählte. Ihr feierlicher
-Einzug in Frankreich machte auf die Zeitgenossen großen Eindruck, der
-aus den Berichten des Hofdichters Fortunatus und des Historikers Gregor
-von Tours noch hervorleuchtet. Besonders aber stach den Herrschern die
-reiche Mitgift, die die königliche Braut einbrachte, der „Hort“, in die
-Augen; ist doch in jener Zeit die Größe des Schatzes, den ein König
-besitzt, bestimmend für die Größe seines Einflusses und damit seiner
-Macht. So verstieß denn auch Chilperich seine bisherigen Weiber (er
-hatte deren mehrere), unter denen Fredegund hervorragt, und bewarb sich
-um Brunichilds Schwester Gailswinth; sie ward ihm mit reicher Mitgift
-vermählt. Allein als Chilperich diese einmal in der Hand hatte, geriet
-er bald wieder unter den Einfluß der Fredegund und ließ Gailswinth
-erdrosseln. Dieser Mord war die Ursache der immer wieder ausbrechenden
-Fehden zwischen Sigebert und Chilperich, bzw. ihren Nachkommen, bis zum
-Erlöschen der einen Linie im Jahre 613.
-
-König Athanagild war kurz vorher gestorben, und, da Spanien damals ein
-Wahlreich war, hier ein anderes Geschlecht auf den Thron gekommen;
-so fiel der Brunichild die Pflicht der Rache für den Tod ihrer
-Schwester zu. Die einzelnen Phasen des Kampfes brauchen wir hier nicht
-zu betrachten; kurz, im Jahre 575 gewann Sigebert vollen Sieg über
-Chilperich und ward sogar von den Neustriern als ihr König auf den
-Schild erhoben. Kurz darauf aber erlag er bei einer Heerschau in Vitry
-den Streichen der von Fredegund ausgesandten Mörder.
-
-Von den in der Geschichte noch folgenden Ereignissen ist für uns nur
-von Wichtigkeit, daß Brunichild erst für ihren jungen Sohn Childebert
-(† 595), dann für dessen Söhne, ihre Enkel, schließlich (613) sogar
-für ihre Urenkel die Regierung zu führen und ein mächtiges Königtum
-gegenüber dem trotzigen Adel zu behaupten sucht, zuletzt aber doch
-unterliegt: der Adel liefert sie 613 dem Sohne ihrer Feindin Fredegund,
-Chlothachari II., aus, und sie wird getötet. Nicht selten hat sie,
-gewaffnet zu Rosse sitzend, die Vasallen persönlich im Zaum gehalten.
-
-Die Erinnerung an die große Regentin Ostfrankens ist jedenfalls lange
-nicht erloschen; so führt z. B. eine alte Römerstraße im südlichen
-Belgien noch heute volkstümlich den Namen ~chaussée Brunehaut~
-(Brünhildenstraße), man hat also Kulturanlagen an den Namen der
-berühmten Königin angeknüpft; und am nördlichen Abhange des Feldbergs
-im Taunus heißt ein vereinzelter, vier Meter hoher Fels schon seit dem
-frühen Mittelalter der „Brunhildenstein“; wenn eine alte Urkunde für
-diesen die Bezeichnung ~lectulus Brunnihildae~ gebraucht, so dürfte
-dies nicht als „Bett“, sondern als „Königssitz“ der Brünhilt zu deuten
-sein; der gepolsterte Hochsitz des Herrn ist ~lectum~ (man vergleiche
-das altfranzösische ~lit de justice~). Auf jeden Fall meinen diese
-örtlichen Benennungen zunächst die geschichtliche Königin und erst
-in zweiter Linie die aus ihr erwachsene Sagenfigur. Wohl aber kann
-die alte Lokalisierung der Gnitaheide (S. 19 Anm.) in der Nähe des
-Feldbergs durch den überlieferten Namen jenes Felsens veranlaßt sein.
-
-In der Geschichte der Merowinger im 6. Jahrhundert finden wir, meine
-ich, alle wesentlichen Punkte der Siegfriedsage, wenn auch in anderer
-Gruppierung, beisammen, vor allem den Zank der Königinnen und als seine
-Folge die von Verwandten herbeigeführte Ermordung des Königs Sigebert,
-der seinen Zeitgenossen als der herrlichste Held unter seinen Brüdern
-erschien. Der Name Sigebert ist zwar nicht identisch mit Siegfried,
-allein dieser Name steht in unserer Sage ja auch nicht fest, da er
-nordisch Sigurd (das wäre deutsch Siegwart) heißt; wir finden also
-drei Formen nebeneinander, die althochdeutsch ~Sigiberht~, ~Sigifrid~,
-~Sigiwart~ heißen würden; der zweite Teil ist verschieden, überall
-aber beginnt er mit Labial, schließt mit Dental und enthält r; die
-Vertauschung der Formen ist also leicht begreiflich. Der Charakter des
-Königs ist in dem des sagenhaften Siegfried leicht wiederzuerkennen;
-der Ort seines Todes ist in der nordischen Version (gelegentlich einer
-Volksversammlung) leidlich festgehalten. Die ausländische, reiche und
-waffengewaltige Brunichild deckt sich nach Namen und Charakter völlig
-mit der Brynhild der Sage; ihre Schicksale allerdings sind wesentlich
-verschoben. Die verhältnismäßig unbedeutende Gailswinth ist in der Sage
-vergessen; ihre Schwester vertritt sie mit: an Stelle der Ermordung
-ist das Herausdrängen aus der ihr rechtmäßig gebührenden Ehe durch
-ihre Rivalin getreten. Damit fallen zugleich Chilperich und Sigebert
-in eine Person zusammen. Nicht unwesentlich ist noch Gunthchramn von
-Burgund, der gelegentlich in den gewaltigen Frauenkrieg eingreifende
-dritte Bruder; er erinnert in Namen und Stellung so sehr an den alten
-Burgundenkönig Gundicari, daß man wohl annehmen darf, durch die
-Gleichsetzung beider sei die Attila-Burgunden-Geschichte mit der vom
-Kriege der beiden Königinnen und Sigeberts Ende vereinigt worden.
-
-Die Vereinigung beider Erzählungen kann nicht vor der Mitte des 7.
-Jahrhunderts stattgefunden haben, weil doch mindestens etwa ein
-Menschenalter seit Brunichilds Tode vergangen sein muß, ehe die
-Erinnerung an sie und ihre Zeit so wirr werden konnte, wie sie bei
-unserer Annahme geworden ist. Infolge der Vereinigung ist dann
-Grimhild, die Hauptheldin des 2. Teiles, mit Fredegund identifiziert
-worden oder vielmehr dem Namen nach an ihre Stelle getreten. Das hat
-ohne weiteres eine wichtige Änderung zur Folge: ist Grimhild-Fredegund
-eine Schwester des Gundicari-Gunthchramn (wie die Attila-Burgundensage
-annimmt), so kann ihr Gatte Sigebert nicht ein Bruder des letztern
-sein; Sigebert scheidet deshalb in der Sage aus der Familie, der
-er historisch angehört, aus und wird zu einem Manne unbekannten
-Ursprungs oder, wie die Sage es ausdrückt, zu einem Findling. Damit
-ist ihr weiter Gelegenheit gegeben, an dieser Stelle noch andern Stoff
-anzuknüpfen.
-
-Nach unserer Auffassung wäre also der erste Teil der Sage in
-Wirklichkeit um mehr als hundert Jahre später entstanden als die
-zweite; das darf uns nicht irre machen, denn es ist eine Eigenart
-menschlichen Erinnerns, daß alles Vergangene sich gewissermaßen auf
-eine Fläche projiziert und zeitlich unbestimmt nebeneinander liegt;
-verknüpft ein Späterer zwei in der Vergangenheit liegende Erzählungen
-miteinander, so hat er volle Freiheit für die Bestimmung der Zeitfolge.
-In unserer Sage hat der zweite, ältere Teil den ersten, jüngern bei
-der Vereinigung stark beeinflußt; der letztere ist eben deshalb schwer
-als Fortsetzung der ihm zugrundeliegenden historischen Ereignisse zu
-erkennen.
-
-Siegfrieds Ermordung wird, wie wir gesehen haben, in Skandinavien und
-Deutschland verschieden berichtet: dort geschieht sie auf dem Ritt
-zur Volksversammlung (entsprechend dem Tode König Sigeberts 575),
-hier auf der Jagd im Odenwalde. Auch für die letztere Darstellung
-läßt sich unschwer eine historische Grundlage finden: der letzte
-König der ripuarischen Franken, Sigebert, wurde um 510 auf Befehl
-seines Sohnes Chloderich, den König Chlodowech dazu aufgereizt
-hatte, im Walde Buchonia ermordet; der Name Buchonia umfaßt die
-östlich des Mittelrheins gelegenen Waldgebirge, also auch den
-Odenwald mit. Die Übereinstimmung dieser historischen Angabe mit
-der deutschen Darstellung von Siegfrieds Ermordung ist so groß,
-als sie bei der Knappheit jener Überlieferung nur sein kann; wir
-dürfen also wohl annehmen, daß die Erzählung vom Tode dieses ältern
-Sigebert gelegentlich an die Stelle derjenigen, die den Mord des
-Jahres 575 berichtete, getreten ist; beide Sigebert wurden infolge
-Namensgleichheit zusammengeworfen, die Ermordung infolge Hinterlist der
-Verwandten von den Sängern bald nach der ältern, bald nach der jüngern
-Version dargestellt.
-
-Aus der Geschichte der Merowinge stammt auch der Ansatz, daß die
-Burgundenkönige als in Worms regierend gedacht werden; der historische
-Gundicari kann nicht wohl an anderer Stelle als in der römischen
-Metropolis Obergermaniens, das war Mainz, seinen Amtssitz gehabt haben;
-in etwas späterer Zeit aber führen nur zwei Städte des fränkischen
-Reiches in Königsurkunden den auszeichnenden Titel ~civitas publica~,
-weil sie königliche Pfalzen enthielten, nämlich in Westfranken Poitiers
-und in Ostfranken Worms (Rietschel, Die Civitas, 1898, S. 75); es
-springt in die Augen, daß der besondere Rang dieser Stadt die Ursache
-gewesen ist, die berühmten Könige der Sage in ihr hausen zu lassen.
-
-
-~d~) Einzelheiten.
-
-Nachdem durch die Verknüpfung der Attila-Burgundensage mit der vom
-Streite der Königinnen und Siegfrieds Ermordung deren Hauptheld
-aus der ihm historisch zukommenden Familienstellung herausgedrängt
-und zum Findling geworden war, gab das Rätsel seiner Herkunft die
-Möglichkeit an die Hand, eine bereits vorhandene Sage ältern Ursprungs
-vorzuschieben und anzuknüpfen. Im altenglischen Gedichte Beowulf wird
-gelegentlich Bezug genommen auf die Taten des Sigemund, des Sohnes des
-Wæls, und seines Neffen Fitela; gemeinsam, heißt es hier, haben sie
-alle Gefahren bestanden, nur die Tötung des Drachen hat Sigemund allein
-vollbracht und dadurch den großen Hort gewonnen. Die Geschichte von
-Sigmund und Sinfjotli (dessen Name ohne das vorgeschobene Sin- sich mit
-„Fitela“ völlig deckt) ist in der Volsungasaga ausführlich erzählt und
-nach ihr vorhin im Auszuge wiedergegeben worden; sie ist so, wie sie
-vorliegt, gewiß erst in späterer Zeit ausgestaltet worden, denn sie
-berührt sich in ihrem Verlaufe aufs nächste mit der nordischen Form der
-Attila-Burgundensage: Siggeir entspricht dem Atli, der die Verwandten
-seiner Frau in böser Absicht einladet, Signy der Gudrun, auch darin,
-daß sie die mit ihrem Gatten erzeugten Kinder der Rache am Gatten
-opfert. Also Beeinflussung durch den zweiten Hauptteil unserer Sage ist
-wohl anzunehmen, die alte Gestalt der Sigmundsage demnach schwerlich
-erhalten; daß Fitela im Beowulf Sigemunds Neffe heißt, ist natürlich
-kein Widerspruch, denn auch Sinfjotli wächst als Sohn der Signy von
-Siggeir auf, ist also zunächst nur Sigmunds Neffe.
-
-Das Gedicht Beowulf schreibt dem Sigemund Drachentötung und Hortgewinn
-zu, also die Haupttaten, die sonst vom jungen Siegfried berichtet
-werden; da dies Gedicht überhaupt das älteste Zeugnis für unsere
-Sage ist, wäre es unmethodisch, einfach eine ihm untergelaufene
-Verwechselung mit Siegfried anzunehmen. Bei der vorgetragenen Meinung
-vom Ursprung der Siegfriedsage muß uns der Bericht des Beowulf vielmehr
-willkommen sein: Drachentötung und Hortgewinn wurden ursprünglich von
-Sigmund erzählt und erst nach Verbindung beider Sagen auf Siegfried
-übertragen. Sonst sind noch aus der Sigmundsage entnommen eben der Name
-Sigmund (in Deutschland ihr letzter Rest) und der (in Deutschland nicht
-geläufige) Geschlechtsname der Wolsunge. Den Ursprung der Sigmundsage
-aber aufzuhellen, gibt es kein Mittel, weil wir überhaupt keine
-unbeeinflußte Darstellung derselben mehr besitzen.
-
-Aus den bisher vorgeführten historischen Ereignissen lassen sich wohl
-die Grundzüge der Nibelungensage ableiten, allein noch sind eine Reihe
-wichtiger Einzelheiten übrig, die vorläufig ganz unerklärt geblieben
-sind. Zuerst der Name „Nibelunge“ selbst. Er erscheint in Deutschland
-in zwei verschiedenen Bedeutungen, im Norden (wo er Niflungar heißt)
-nur in einer, die mit einer der in Deutschland üblichen zusammentrifft;
-methodisch folgerichtig kann man nur diese als die ursprüngliche
-ansehen: sie versteht unter Nibelungen das Königshaus und dann auch das
-Volk der Burgunden. Woher stammt der Name? Die einfachste Annahme wäre
-die, das burgundische Königshaus habe wirklich den Geschlechtsnamen
-„Nibelunge“ geführt (wie das ostgotische den Namen „Amelunge“ u. dgl.);
-allein die beglaubigte Geschichte gibt dafür gar keinen Anhalt. Als
-Personenname ist „Nibulung“ häufig in einem Zweige der fränkischen
-Arnulfinge: Majordomus Pipin der Mittlere († 714) hatte neben ehelichen
-Kindern mehrere unebenbürtige Söhne, von denen Karl der Hammer das
-Haus der Karlinge begründet, Childebrand aber der Vater des ersten
-bekannten Nibulung ist; der Name erscheint dann bis zum Schlusse des
-9. Jahrhunderts noch häufig, und zwar immer so, daß man seine Träger
-als Angehörige jener Familie betrachten kann. Das sind aber alles
-Rheinfranken, also Angehörige jenes Volkes, das lokal der Nachfolger
-von Günthers Burgunden ist. Es liegt also nahe, anzunehmen, daß der
-Name eines im 8. Jahrhundert dort mächtigen edeln Geschlechtes auf die
-Familie der alten Burgundenkönige übertragen worden ist[40].
-
-Die nur in Deutschland vorkommende zweite Bedeutung des Namens
-„Nibelunge“ versteht sie als die ursprünglichen Besitzer des „Hortes
-der Nibelunge“. Dieser Hort trägt seinen Namen sicher von seinen
-letzten Besitzern; nachdem man sich aber einmal gewöhnt hatte, ihn
-„der Nibelunge Hort“ zu nennen, übertrug man diese Bezeichnung auch
-in die Zeit, da er den Nibelungen noch gar nicht gehörte, und gab so
-Veranlassung zu der Annahme früherer Nibelunge, als der ursprünglichen
-Besitzer desselben.
-
-Der Hort selbst versteht sich aus der Zeit der historischen Ereignisse
-und ihrer ältesten Umdichtungen unseres Stoffes ohne weiteres: er
-ist in jener Epoche zugleich materielle Grundlage und Symbol aller
-Königsgewalt. Man erinnere sich, welche Rolle die Mitgift der
-westgotischen Fürstinnen spielt. So war er geeignet, den roten Faden
-darzustellen, der durch die gesamte Erzählung sich hinzieht. Für seine
-Herkunft bot die angeknüpfte Sigmundsage eine geeignete Geschichte dar:
-er ist einem schatzhütenden Drachen abgenommen; das ist ein uraltes
-Motiv, das uns schon in den ältesten Sagen des klassischen Altertums
-entgegentritt. Über den Drachen hinaus brauchte man zunächst die
-Geschichte des Schatzes nicht zu wissen; spätere Wißbegier hat aber
-auch hier weitergehende Fragen gestellt und beantwortet. So entstand
-im Norden die Erzählung von Hreidmar, Andvari und dem Eingreifen
-der Götter; sinnig ist dabei die Habgier, die der Reichtum erregt,
-als Wirkung eines Fluches des ersten Beraubten hingestellt. In
-Deutschland, wo man die Zusammengehörigkeit von Drachen und Schatz früh
-vergessen hatte, entstand auf gleichem Wege, wie vorhin angegeben, das
-unhistorische Volk der Nibelunge.
-
-Daß man sich den Hort schließlich im Rheine versenkt dachte, ist
-sicher eine Folge des Umstandes, daß man aus ihm Gold gewann: man
-betrachtete dieses Gold als Spuren eines (unseres) versenkten Schatzes.
-
-Noch mangelt uns die Herleitung mehrerer einzelner Heldenfiguren, die
-gerade, je länger der alte Stoff lebt und besungen wird, um so mehr in
-den Vordergrund treten; von ihnen ist in erster Linie Hagen zu nennen;
-er war, wie die Übereinstimmung der nordischen und deutschen Version
-zeigt, schon in der ältesten erreichbaren Form der Nibelungensage als
-bedeutende Person vorhanden, hat aber in den historischen Vorgängen
-seine Erklärung nicht gefunden. In Deutschland gilt er als vornehmster
-Vasall Günthers und eigentlicher Mörder Siegfrieds; im Norden heißt
-er (als Hogni) Gunnars Bruder, direkte Tätigkeit bei der Ermordung
-Sigurds wird ihm nicht zugeschrieben. Welche Fassung in diesem Falle
-altertümlicher ist, kann nicht zweifelhaft sein: die deutsche; denn aus
-der Familie des Königs fällt er seines Namens wegen heraus: alle nahen
-Verwandten Günthers haben mit G beginnende Namen, in der Geschichte
-sowohl wie der Sage, eine Erscheinung, die in der altgermanischen
-Sitte und Sprache begründet ist; Hagen also gehört ursprünglich nicht
-zu ihnen. Siegfrieds Ermordung ist ihm aber sicher erst im Norden
-abgenommen worden, weil er, einmal zu Gunnars Bruder geworden, durch
-den eingegangenen Blutsbund an solcher Tat verhindert war; sie wäre zu
-schändlich und von solchem Helden nicht begreiflich gewesen. So müssen
-wir von seiner Stellung in der deutschen Sagenform ausgehen. Historisch
-könnte er höchstens die Fortsetzung des persönlich unbedeutenden
-Mörders des Sigebert, sei es des ripuarischen oder des Gatten der
-Brunichild, sein, also einer untergeordneten Person, die nur Werkzeug
-war; von diesem Ausgangspunkte aus begreift man den Hagen der Dichtung
-schwer.
-
-Nun erscheint derselbe Hagen in einer andern, nahe verwandten Sage
-an bedeutsamer Stelle, die so beschaffen ist, daß ohne diesen Helden
-die Erzählung ohne Spitze wäre; hier ist er also im Grunde wichtiger
-als in der eigentlichen Nibelungensage, hier dürfte die Figur
-demnach ursprünglich erwachsen sein. Ich meine Walthersage. Sie ist
-uns frühzeitig berichtet und zwar 1. vollständig durch das um 930
-entstandene lateinische Gedicht des St. Galler Mönches Eckehard I.,
-und 2. in Bruchstücken eines altenglischen Epos aus dem 8. oder 9.
-Jahrhundert; beide stimmen so genau überein, daß sie eine deutsche
-Dichtung dieses Inhalts mindestens aus dem 8. Jahrhundert bezeugen.
-Der Inhalt ist kurz der folgende: Attila der Hunnenkönig überzieht
-die westlichen Länder mit Krieg; alle aber ziehen Unterwerfung vor,
-zahlen Tribut und stellen Geiseln: der König der Burgunden (die der
-Mönch Eckehard, an die zeitgenössischen Verhältnisse sich anschließend,
-Franken nennt) Gibich den jungen Edelmann Hagen, zwei andere, in
-Gallien regierende Herrscher, der eine die Tochter Hiltegund, der
-andere den Sohn Walther. Die Geiseln werden am hunnischen Hofe
-standesgemäß erzogen, und Hagen und Walther entwickeln sich zu
-gewaltigen Kriegshelden, die miteinander innige Freundschaft (den
-heidnischen Blutsbund) schließen; Hiltegund aber erhält die Aufsicht
-der königlichen Schatzkammer. Nun stirbt König Gibich; sein Sohn
-und Nachfolger Günther sagt den Hunnen sofort den Gehorsam auf und
-bringt dadurch seinen Geisel Hagen in eine gefährliche Lage, der sich
-dieser durch Flucht entzieht. Der nun allein zurückgebliebene Walther
-erficht bald darauf in Attilas Dienst einen großen Sieg; das zu seiner
-Feier veranstaltete Fest benutzt er, um ebenfalls der Knechtschaft
-zu entgehen: er verabredet mit Hiltegund, die er sich verlobt, den
-Plan zur Flucht, macht die Hunnen bei dem Feste trunken und entkommt
-mit ihr; den ihr anvertrauten Schatz nimmt Hiltegund mit. Als die
-Hunnen ihren Rausch ausgeschlafen haben, wagt keiner, den berühmten
-Kriegshelden zu verfolgen. So können sie ungefährdet den Rhein
-erreichen, den sie in Worms überschreiten. Durch den Fährmann, der sie
-übergesetzt hat, gelangt die Kunde an Günthers Hof; Hagen erkennt an
-der Beschreibung, wer die Fremden gewesen sind, veranlaßt aber dadurch
-wider seinen Willen den Günther, sie zu verfolgen. Im Wasgenwalde
-werden die Flüchtlinge gestellt und gegen Hagens Rat angegriffen;
-Walther aber erwehrt sich der Feinde. Hagen beteiligt sich zunächst,
-seiner Freundschaft mit Walther wegen, nicht; erst als dieser, obgleich
-gezwungen, den Patafrid, Hagens Schwestersohn, getötet hat, läßt er
-sich von Günther bestimmen, einzugreifen. Der Schlußkampf endet damit,
-daß die drei namhaften Helden, nachdem sie schwer verletzt sind, sich
-vertragen; Walther gelangt mit Hiltegund in seine Heimat.
-
-In dieser Sage haben wir eine verhältnismäßig einfache Erzählung
-auf klar historischem Hintergrund. Die Rahmenerzählung benutzt
-die Tatsache von Attilas Feldzug nach Gallien im Jahre 451 und
-macht den Eindruck, als ob sie zunächst als Vorgeschichte der
-Attila-Burgundensage (des 2. Teiles unserer Nibelungensage) gedacht
-gewesen wäre, als sie noch ohne Siegfriedsage bestand; jene erzählt
-von der Vernichtung der Burgunden durch Attila, die Walthersage
-berichtet, wie die Burgunden den Hunnen zinspflichtig werden und wieder
-abfallen, gibt also eine Begründung für jene. Auf diesen Hintergrund
-ist nun die Erzählung von Hagens und Walthers Freundesbund und Kampf
-in einer Weise gebracht, die den Eindruck erweckt, als ob ein Dichter
-des 7. oder 8. Jahrhunderts das Problem aufgeworfen und zu lösen
-versucht hätte: wie hat sich der Krieger zu entscheiden, wenn er vor
-die Frage gestellt wird, entweder die Freundes- oder die Mannentreue
-zu brechen? Sie ist in der Walthersage zugunsten der Mannentreue
-beantwortet; die Verletzung der Freundestreue wird allerdings durch
-die vorhergehende Tötung des Patafrid erleichtert[41]. Jedenfalls aber
-hat der alte Dichter in Hagen den Typus der alle andern Rücksichten
-hintenansetzenden Mannentreue geschaffen; als solcher eignet sich
-Hagen, nachdem einmal die Siegfriedgeschichte hinzugekommen ist,
-vorzüglich zum Mörder des von allen sonst zu sehr verehrten Helden.
-Hagen ist somit keine historische, sondern eine durch die Dichtung
-geschaffene Figur.
-
-Als Hagens Heimat gilt in der deutschen Sage ein geographisch ganz
-unbekanntes Tronje; schon die mittelhochdeutschen Dichter wissen mit
-diesem Ortsnamen nichts Rechtes anzufangen und identifizieren ihn
-gelegentlich mit bekannten, z. B. mit Troyes in der Champagne, oft aber
-erscheint statt Tronje direkt Troye, Troja (so in der Thidrikssaga);
-ja, schon die älteste Quelle, eben Eckehards Waltherdichtung, nennt
-Hagen ~venientem de germine Trojae~. Nun ist „Tronje“ eine ganz
-undeutsche Bildung; wäre sie alt, so würde der Ort „Trünne“ oder
-ähnlich lauten müssen[42]. Da nun die Franken seit der Besitznahme
-Galliens sich nach dem Vorbilde der Römer trojanischer Abkunft rühmten,
-so ist mir immer noch das wahrscheinlichste, daß in Tronje eine
-verdunkelte Erinnerung an Troja steckt. Die fränkische Trojanersage
-spielt übrigens vielleicht noch an einer andern Stelle in unsern Stoff
-herein: darin, daß aus Siegfrieds Reiche im Nibelungenliede gerade nur
-das Städtchen Xanten genannt wird. Denn dies ist die Fortsetzung der
-alten Römerstadt ~Colonia Trajana~, die man, nachdem Kaiser Trajans
-Gedächtnis erloschen war, als ~Colonia Trojana~ verstand; Xanten
-heißt daher auch Klein-Troja (lützel Troye). Doch höchstens in der
-Wahl gerade dieses Ortes für den Sitz Sigemunds hat die Trojanersage
-bestimmend gewirkt, sonst ist sie ohne Bedeutung für Siegfrieds
-Geschichte geblieben.
-
-Neben Hagen tritt später in der deutschen Version sein treuer
-Kampfgenosse Volker der Spielmann; er ist dem Nibelungenliede und der
-Thidrikssaga gemeinsam geläufig. Seine Figur verdankt ihre Entstehung
-wohl den fahrenden Spielleuten, die nicht leicht unterließen, in
-den von ihnen behandelten Stoffen ihresgleichen möglichst in den
-Vordergrund zu rücken; in unserer Sage haben sie es, im Anschluß an
-damals geübte Sitte, dadurch getan, daß sie im Gefolge der namhaften
-Könige Spielleute auftreten ließen: bei Etzel den Werbel und den
-Swemmel, bei Günther den Volker. Während jene im Nibelungenliede
-einfache Leute geblieben sind, erscheint Volker aus der alten niedern
-Sphäre herausgehoben; den Grund erkennt man aus folgender Strophe (Text
-~B~ 1477 Bartsch):
-
- ~Wer der Volkêr wære, daz wil ich iuch wizzen lân:
- er was ein edel herre; im was ouch undertân
- vil der guoten recken in Burgonden lant.
- durch daz er videln kunde, was er der spilman genant.~
-
-Dem Dichter des Nibelungenliedes ist offenbar der einfache Spielmann
-nicht gut genug gewesen (ebensowenig wie der Findling Siegfried);
-er erhebt ihn deshalb zum edeln Herrn und erklärt die Bezeichnung
-„Spielmann“ aus seiner Kunstfertigkeit. Seit der Mitte des 12.
-Jahrhunderts hat ja auch die Annahme dichtender und musizierender
-Edelleute nichts seltsames mehr.
-
-Schließlich tritt noch, aber nur im Nibelungenliede, Hagens Bruder
-Dankwart über das Durchschnittsmaß hervor; er ist des Königs Marschall
-und hat als solcher Führung und Pflege der großen Schar von Knechten,
-die mit nach dem Hunnenlande ziehen. Mit diesem Heere steht und fällt
-Dankwart: seine Figur ist von demselben Autor geschaffen, dem die
-verhältnismäßig einfache Grundlage der Erzählung nicht mehr zeitgemäß
-erschien, eben dem eigentlichen Dichter unseres Liedes. Wir haben
-bei der Analyse desselben vorhin gesehen, daß alle Szenen, in denen
-Dankwart auftritt, jüngern Ursprungs sind. Auffällig bleibt aber eins:
-im 1. Teile des Liedes tritt Dankwart nur einmal deutlich hervor, bei
-der Fahrt zur Brünhilt, die er als vierter neben den drei sagenechten
-Gesellen Günther, Hagen und Siegfried mitmacht; er ist also damals
-bereits erwachsen. Trotzdem sagt er später zu Blödel (~B~ 1924 Bartsch):
-
- ~ich was ein wênic kindel, dô Sîfrit vlôs den lîp~,
-
-könnte also danach zur Zeit jener Fahrt überhaupt noch nicht
-gelebt haben. Wir kommen hier um die Annahme einer Entgleisung
-unseres Dichters nicht herum, da ihm alles, was Dankwart betrifft,
-zugeschrieben werden muß. Ein solcher Fehler wiegt in einer Zeit, da
-Bücher nicht gelesen, sondern vorgelesen werden, nicht so schwer:
-der Leser kann, wenn ihm dergleichen auffällt, zurückblättern und
-nachprüfen, der Zuhörer aber wird durch den Strom der Vorlesung zu
-rasch weiter gerissen, als daß er sich lange bei Anstößen aufhalten
-könnte.
-
-Soviel vorläufig über die Ausgangspunkte unserer Sage. Wir müssen nun
-zunächst versuchen, zwischen diesen Ausgangspunkten und dem Zustande,
-in dem sie uns in den literarischen Denkmälern überliefert ist, eine
-Brücke zu schlagen, mit andern Worten, die Entwickelung der Sage aus
-der historischen Grundlage zu begreifen.
-
-
-
-
-V.
-
-Die Entwicklung der Sage.
-
-
-~a~) Älteste und nordische Form.
-
-Zuerst, noch im 5. Jahrhundert, hat man die beiden Ereignisse,
-den Untergang der Burgunden und den Tod Attilas, in ursächlichen
-Zusammenhang gebracht, indem man letztern als Folge jenes Untergangs
-hingestellt hat: Hildiko wurde zur nachgelassenen Schwester des
-Gundicarius gemacht, die ihren Bruder an Attila rächt. Eine
-Vorgeschichte, die Attilas Zug gegen die Burgunden erklären sollte,
-dürfte bald hinzugekommen sein: sie schilderte in Anlehnung an die
-Ereignisse des Jahres 451 die Unterwerfung der westlichen Völker
-durch die Hunnen. In diesem Rahmen wurde an den Figuren Walthers und
-Hagens das vorhin erörterte Problem gelöst. Alsdann ist wesentlich
-später, mindestens ein Menschenalter nach dem Tode der historischen
-Königin Brunichild 613, also keinesfalls vor der zweiten Hälfte
-des 7. Jahrhunderts, eine poetische Darstellung der fränkischen
-Geschichtsereignisse des 6. Jahrhunderts angeknüpft worden. Als
-Vorgeschichte zu den nun verbundenen Sagen von Siegfried und von Attila
-und den Burgunden hat man dann die, wie es scheint, längst vorhandene
-Sigmundsage benutzt. Im großen und ganzen dürfte damals die Sage
-folgenden Gang gehabt haben:
-
-Siegfried, der Hauptheld des ersten Teiles, ist ein Findling, zwar
-von edler Herkunft -- der Sohn des vor seiner Geburt gefallenen
-Sigmund -- aber in niedern Verhältnissen aufgewachsen und erzogen.
-Sein angeborenes Heldentum befähigt ihn dazu, einen gewaltigen Drachen
-zu töten und dadurch den großen Hort zu gewinnen, den dieser bewacht
-hat. So zu unermeßlichem Reichtum gelangt, bewirbt er sich um die Hand
-der Fürstin Brünhilt (Brunichild in älterer Sprachform), zu der er
-auf seinen Zügen gelangt. Ihr ist der reiche Held, der so große Taten
-vollbracht hat, auch recht, aber in ihrem hochmütigen Stolze mag sie
-sich einem Findling nicht vermählen; so verspricht sie ihm nur, sich
-ihm so lange aufzubewahren, bis er ein Königtum gewonnen habe (daß ihm
-das gelingen wird, bezweifelt sie nicht). Inzwischen erlegt sie allen
-um sie freienden Helden Bedingungen zu erfüllen auf, von denen sie
-weiß, daß eben nur Siegfried sie erfüllen kann. Siegfried zieht aus,
-dem Wunsche der Braut nachzukommen; als er an den Hof der Burgunden
-gelangt, fordert er deren König Günther zum Kampfe um Land und Leute
-heraus; so erzählt es allein unser Nibelungenlied außerhalb seines
-eigenen Zusammenhanges, also im Grunde unverständlich; für den Aufbau
-der alten Sage aber ist jener Zug notwendig und richtig, denn in ihrem
-Zusammenhange sieht man den Grund der Herausforderung ein[43]. Die
-Herrscher der Burgunden aber ersehen ihren Vorteil: sie erkennen, was
-für einen reichen und gewaltigen, aber auch unerfahrenen Helden sie
-vor sich haben, und beschließen, ihn für ihr Interesse zu gewinnen. Zu
-diesem Zwecke bieten sie ihm ihre Schwester, die Grimhild, zur Gattin
-an, nehmen ihn als Schwager, Blutsbruder und Mitbeherrscher in Familie
-und Reich auf und lösen ihn dadurch von Brünhilt. Siegfried erreicht
-also das Ziel, das Brünhilt ihm gestellt hatte, indem er sie aufgibt.
-
-Als Günther nun ebenfalls heiraten will, wird ihm Brünhilt als
-geeignete Gattin genannt, und er wirbt um sie. Allein die Bedingungen,
-die jedem Freier auferlegt werden, kann er nicht erfüllen; Siegfried,
-der das Geheimnis ja kennt, löst die Aufgabe an seiner Stelle. Aufgabe
-und Lösung sind von den verschiedenen Sagenversionen im einzelnen
-verschieden dargestellt, aber der Sinn ist immer der gleiche: nur
-Siegfried, auf dessen Heldentum die Bedingungen zugeschnitten sind,
-kann sie erfüllen. Unmittelbar anschließen muß sich eine Szene, in
-der Siegfried Günthers Stelle in einer Weise vertritt, die später die
-üble Nachrede ermöglicht, Brünhilt habe ihre Jungfräulichkeit nicht
-durch Günther, sondern durch Siegfried verloren; eine Szene, die
-in der nordischen Darstellung gewiß besser erhalten ist als in der
-deutschen, weil letztere ihren innern Zusammenhang zerrissen hat. Dann
-aber fügt sich Brünhilt, da sie doch eines Königs Gattin geworden
-ist, der (scheinbar wenigstens) ihre Bedingungen erfüllt hat, in ihr
-Schicksal. Nur fühlt sie es als eine Herabsetzung der Familie, daß ihre
-Schwägerin, ihres Gatten Schwester, mit einem Findling und landlosen
-Menschen verheiratet ist, und läßt sie es fühlen. Grimhild aber gibt
-ihr diesen Vorwurf gesteigert zurück, indem sie ihr vorhält: „Bin ich
-die Gattin eines Findlings, so bist du in all deinem Hochmut nur seine
-Kebse, denn er war’s, der dir deine Jungfräulichkeit raubte.“ Hier ist
-die alte Dichtung auf ihrem Höhepunkte angekommen: Brünhilts Hochmut
-ist bitter gestraft; wollte sie des landlosen Findlings Weib nicht
-werden, so muß sie sich dafür seine Kebse schelten lassen. Natürlich
-kann sie diese Nachrede nicht auf sich sitzen lassen. Sie erweckt
-absichtlich zunächst den Anschein, als ob die Beschuldigung begründet
-wäre, und gewinnt dadurch ihren Gatten für Siegfrieds Ermordung.
-Nachdem der Mord geschehen ist (er wird durch Hagen, Günthers treuesten
-Mann, ausgeführt), gesteht Brünhilt die wirklichen Geschehnisse, also
-die Unschuld Siegfrieds, ein und folgt ihm in den Tod. Die Erzählung
-ist damit zu Ende, denn Grimhild, die Witwe, nimmt von ihren Verwandten
-die Buße für den Mord ihres Gatten an.
-
-Nach einiger Zeit wirbt um sie Attila, der Hunnenkönig, und sie folgt
-ihm als Gattin. Bald darauf aber vernichtet Attila Grimhilds Geschlecht
-und Volk durch Hinterlist. Er ist gierig nach der Macht oder, wie die
-Sage das ausdrückt, nach dem Schatze der Burgunden. Dieser Schatz wird
-nun als derselbe betrachtet, den Siegfried einst dem Drachen abgenommen
-hat; durch seine Ermordung ist er in die Hände der Burgunden gekommen;
-so ist denn in der Geschichte des Schatzes eine gewisse Verbindung der
-beiden Sagenteile erreicht. Attila ladet die Schwäger unter dem Scheine
-der Freundschaft verräterisch ein und läßt sie dann niedermachen.
-Grimhild aber übernimmt die Rache, indem sie ihren Gatten tötet. Die
-Rache ist dadurch verstärkt, daß sie das mit Attila gezeugte Kind
-(oder die Kinder) als Werkzeug benutzt, eine Darstellung, die in der
-Geschichte keine Grundlage hat, aber schon in der in Rede stehenden
-ältesten Form der Dichtung vorhanden gewesen sein muß, da nordische
-und deutsche Version sie kennen. Vermutlich hat der alte Dichter
-ein anderswo verwendetes Motiv herübergenommen; wäre die nordische
-Version sicher alt, so dürfte man an Entlehnung aus der altklassischen
-Atridensage denken. Mit der Tötung Attilas durch Weibeshand schließt
-die alte Sage.
-
-Da die historische Brunichild erst im Jahre 613 gestorben ist,
-andererseits aber unsere Sage spätestens im 9. Jahrhundert nach dem
-Norden gewandert sein muß, so haben wir nur einen verhältnismäßig
-eng begrenzten Zeitraum zur Verfügung, innerhalb dessen die eben
-dargestellte Dichtung (so müssen wir sie doch wohl nennen) entstanden
-sein muß. Sie kann nicht viel früher entstanden sein als um das Jahr
-700, aber auch nicht wesentlich später. Da sie, besonders in ihrem
-ersten Teile, eine wohl durchdachte, wohl durchgeführte, wirklich
-dichterisch aufgefaßte Erzählung ist, muß ein einzelner und zwar ein
-geistig recht hochstehender Sänger der Autor der Erzählung in dieser
-Form sein. Natürlich versagt uns das Schicksal den Namen dieses Mannes.
-Die Namen der Sänger jener Zeit sind sämtlich in ewiger Nacht begraben.
-
-Mit der Übertragung der Sage vom Niederrhein aus nach dem Norden im
-9. Jahrhundert sind nun einige bestimmte, für die nordische Sagenform
-charakteristische Veränderungen eingetreten. Die Erzählung muß auch
-hier wieder zunächst von einem einzelnen Manne, der sie ganz in
-sich aufgenommen hat, reproduziert und in geschlossener Darstellung
-hinübergebracht worden sein. Sonst würde man nicht verstehen, daß
-bestimmte Einzelheiten, die in Deutschland anders berichtet werden, und
-deren deutsche Wiedergabe zu den historischen Ausgangspunkten besser
-stimmt als die nordische, so daß sie also historisch richtiger ist als
-diese, im Norden eine ganz bestimmte feste Form angenommen haben. Es
-sind im wesentlichen folgende Punkte:
-
-1. Hagen ist nicht bloß der untergeordnete Vasall des Königs Günther,
-der dessen Befehle unbedingt vollführt und freudig mit ihm in den
-Tod geht, sondern er ist sein Bruder. Siegfrieds Ermordung ist ihm
-abgenommen und auf den weniger bedeutenden Gudorm übertragen.
-
-2. Der Name Grimhild, der nach Ausweis der historischen Hildiko
-zuerst an der Person haftet, die ihn in Deutschland führt, ist
-merkwürdigerweise zum Namen der Mutter des Königs geworden, die echte
-Grimhild aber führt durchweg den Namen Gudrun. Dieser Name (der mit
-dem der Heldin des mittelhochdeutschen Gedichtes Kudrun nicht das
-geringste zu tun hat) ist einfach dem Namen ihres Bruders Günther
-nachgebildet. Das erste Glied des zusammengesetzten Namens ist das
-gleiche wie bei „Günther“, das zweite ist eins der am häufigsten
-vorkommenden Elemente zur Bildung von Frauennamen. Die Neubildung
-Gudrun ist also gewissermaßen ein Feminin zu Gunnar.
-
-3. Brynhild ist zur Schwester des Atli geworden. Damit hat man
-wenigstens den Versuch gemacht, eine engere Verbindung der beiden
-Hauptteile herzustellen, denn Atli hat nun an den Burgunden den Tod
-seiner Schwester zu rächen.
-
-4. Endlich ist -- wohl auch schon seit der Übertragung[44] -- die
-Ermanarichsage als dritter Teil an die Erzählung angeknüpft. Diese
-Sage, die in Deutschland aufs engste mit der Dietrichsage verbunden
-erscheint, muß, da von letzterer im Norden keine Spur sich findet, sehr
-frühzeitig und selbständig dorthin gewandert sein.
-
-Die Weiterentwickelung der Sage im Norden brauchen wir hier im
-einzelnen nicht zu verfolgen. Sie hat sich, wie wir gesehen
-haben, in lauter Einzeldarstellungen aufgelöst und eine wirkliche
-Zusammenstellung nicht mehr erfahren. Ein Dichter behandelt diesen
-Teil, ein anderer einen andern; der eine gibt das dazu, der andere
-jenes; so kommt eine wüste Verwirrung zustande, in der sich
-zurechtzufinden schwer ist. Neue Zusätze sind im Norden vor allen
-Dingen diejenigen, welche die Götterwelt mit hineinziehen; sie ist
-ganz sekundär in die Sage hineingetragen und hat ursprünglich in ihr
-keinen Platz. Auch die Idee, daß Brynhild eine vermenschlichte Walküre
-sei, also ein ursprünglich übermenschliches Wesen, das durch den Gott
-strafweise in die Menschheit versetzt worden sei, ist spezifisch
-nordisch und nicht einmal einheitlich durchgedrungen, sondern nur von
-einem einzelnen Dichter hineingebracht.
-
-
-~b~) Deutsche Form.
-
-Wichtiger ist die Weiterentwickelung des Stoffes in Deutschland. Hier
-tritt uns die Sage in ausführlichem Berichte erst im 12. Jahrhundert,
-also ziemlich spät, entgegen. Wie sie sich bis dahin entwickelt hat,
-das läßt sich zwar natürlich an den verschiedenen Veränderungen, die
-eingetreten sind, wohl erkennen, aber die zeitliche und örtliche
-Bestimmung der Neuerungen ist nicht leicht. Einigermaßen unterstützt
-werden wir durch einen Bericht, der Ereignisse des Jahres 1131 zum
-Gegenstande hat. Damals wollte der dänische Königssohn Magnus seinen
-Vetter Knut Laward, den König der Wenden und Herzog von Schleswig, auf
-verräterische Weise ermorden. Er sandte einen sächsischen Spielmann,
-namens Siward, also einen fahrenden Sänger, der nach der Überlieferung
-für einen in seiner Kunst wohlerfahrenen Mann galt, zu Knut Laward und
-ließ ihn freundlich zu sich einladen. Knut leistete ohne jeden Argwohn
-Folge. Dem Sänger war bekannt, was Knut bevorstand, aber er war durch
-einen heiligen Eid gebunden, den Plan nicht zu verraten. Da Knut ihn
-dauerte, so versuchte er, ihn auf Umwegen auf das drohende Unheil
-aufmerksam zu machen: er trug ihm das Lied von der allgemein bekannten
-Treulosigkeit der Grimilda gegen ihre Brüder dreimal vor, also eine
-Geschichte, die dem im Augenblicke des Vortrags sich entwickelnden
-Schicksal ganz parallel verläuft. Auf diesem Wege versuchte also
-Siward den König Knut zu retten, aber ohne Erfolg: der Mord gelang am
-7. Januar 1131. Für uns ist interessant, daß hier die Geschichte von
-Grimildas Treulosigkeit gegen ihre Brüder erwähnt und als allgemein
-bekannt hingestellt wird. Das paßt nicht mehr zur alten Form der
-Sage, sondern nur zu der neuen, wie sie uns demnächst in süddeutscher
-Darstellung entgegentritt. Wir lernen hier die Existenz dieser jüngern
-Sagenform in Norddeutschland kennen, denn es ist ein sächsischer
-Spielmann, der den dänischen Fürsten zu retten versucht.
-
-Daraus folgt, daß die Umbildung der Sage, die darin besteht, daß
-nicht mehr Attila, sondern Grimhild die Treulosigkeit gegen die
-burgundischen Brüder begeht, um ihren ersten Gatten Siegfried an ihnen
-zu rächen, noch vor der Übertragung der Sage nach Süddeutschland,
-also wohl noch am Niederrhein vor sich gegangen sein muß. Sie ist
-natürlich hauptsächlich durch innere Gründe verursacht: man wollte die
-beiden Teile, die ursprünglich so lose nur zusammenhingen, innerlich
-aneinanderschließen. Die Neuerung dürfte nach oberflächlicher Schätzung
-um das Jahr 900 oder bald nachher durchgeführt worden sein, weil die
-Überführung des Stoffes nach Bayern wohl noch ins 10. Jahrhundert
-fällt. Die neue Fassung trägt zugleich modernerer Gesittung Rechnung:
-bisher stand die Erzählung auf dem altgermanischen, etwas urzeitlich
-anmutenden Standpunkte, daß Blutrache die erste Pflicht sei, daß
-also die Pflicht der Schwester, ihre Brüder zu rächen, größer sei,
-als die Pflicht ihrer Treue gegen den Gatten; nunmehr, in modernerer
-Zeit, stellte man die Gattenpflicht an die erste Stelle und ließ die
-Blutrache in alter Form fallen.
-
-Mit dieser Änderung ist nun eine Tatsache, die in der Geschichte
-feststeht und als Ausgangspunkt für die Sage anzusehen ist, aus dieser
-selbst verschwunden. Von dem Augenblicke an nämlich, wo Grimhild ihren
-ersten Gatten an ihren Brüdern rächt, fallen ja ihre Interessen mit
-denen ihres zweiten Gatten Attila zusammen; Grimhild und Attila sind
-jetzt einig und führen gemeinsam den Untergang der Burgunden herbei.
-Dann liegt aber für Grimhild keine Veranlassung mehr vor, den Attila zu
-töten. Die Folge davon ist, daß dieser übrig bleibt.
-
-An dieser Entwickelung erkennt man recht, wie die Sage arbeitet: sie
-geht teilweise vom Tode Attilas aus, hat sich aber nach mehreren
-hundert Jahren so verschoben, daß sie von diesem ihrem Ausgangspunkte
-nichts mehr zu erzählen weiß. Hier, an einem Beispiel, das wir doch
-leidlich genau verfolgen können, ist ganz deutlich zu sehen, wie der
-Ausgangspunkt der Sage infolge ihrer Entwickelung schließlich wieder
-aus ihr hinausgebracht wird. Wenn das möglich ist, so wird noch vieles
-andere möglich sein, so wird es vor allen Dingen auch möglich sein, den
-ersten Teil unserer Nibelungensage aus der fränkischen Königsgeschichte
-abzuleiten, von der man nur Einzelheiten, besonders Namen und Motive,
-zur Vergleichung heranziehen kann, nicht aber den ganzen innern
-Zusammenhang.
-
-Die Folge davon, daß Attilas Tod nun auf einmal nicht mehr erzählt
-wird, ist eine Neudichtung, die in Süddeutschland unbekannt geblieben
-ist, also wahrscheinlich in Norddeutschland erst entstanden ist,
-nachdem die Nibelungensage bereits nach Süddeutschland gewandert war:
-ich meine die allein in der Thidrikssaga berichtete Geschichte von
-Hagens nachgeborenem Sohne Aldrian, der durch Attilas Ermordung der
-Gesamterzählung wieder einen vollen Schluß verschafft. Ihre Entstehung
-war natürlich erst möglich, nachdem Attilas Tod aus der Erzählung
-durch die moderne Entwickelung derselben ausgeschaltet worden war.
-
-Nach Süddeutschland ist unsere Sage wahrscheinlich im 10. Jahrhundert
-gewandert. Darauf weist die merkwürdige Einmischung einer historischen
-Person jener Zeit hin, die an der Oberfläche klebt: Bischof Pilgrim
-von Passau (er war im Amte 971-991) gilt im Nibelungenliede für einen
-Zeitgenossen der Nibelunge und Mutterbruder der burgundischen Könige;
-nach der „Klage“, dem mehrerwähnten Anhang zum Liede, hat er den
-ganzen Verlauf der großen Begebenheiten durch seinen Schreiber Konrad
-in lateinischer Sprache aufzeichnen lassen. Diese letztere Nachricht
-wird wahrscheinlich richtig sein; sie ist an sich historisch ganz
-einwandfrei; ist sie richtig, so versteht man, wie Pilgrim in die
-Sage gelangte: der Klagedichter, dem Konrads Werk bekannt war, machte
-den Bischof und seinen Schreiber zu Zeitgenossen der Ereignisse, um
-die Glaubwürdigkeit des Berichtes zu erhöhen. Wenn aber ein Passauer
-Bischof um das Jahr 980 die Nibelungensage aufzeichnen lassen kann,
-so bedeutet dies, daß sie damals in Bayern zwar bereits bekannt,
-aber noch nicht geläufig war; sonst hätte man nicht Wert darauf
-gelegt, daß sie aufgeschrieben würde. Man bedenke, wie die eigentlich
-süddeutsche Sage, die von Dietrich und seinen Helden, jederzeit
-einfach als dem Publikum bekannt vorausgesetzt wird; dann wird man zu
-dem Wahrscheinlichkeitsschlusse kommen, daß zu Pilgrims Zeiten die
-niederdeutsche Nibelungensage eben erst in Bayern bekannt geworden und
-eben deshalb als der Aufzeichnung durch Pilgrims Schreiber Konrad wert
-befunden worden war.
-
-Eine Folge dieser Verpflanzung der Sage auf einen ihr ursprünglich
-fremden Boden ist die in dem Namen der einen Hauptheldin eingetretene
-Veränderung: sie hieß ursprünglich zweifellos Grîmhild, in welcher
-Form der Name etymologisch durchsichtig ist; ~grîma~ bedeutet Larve,
-Maske, Helm. Den Süddeutschen waren Wort und Name nicht geläufig; sie
-verstümmelten letztern infolgedessen, wie man so häufig ein nur mit dem
-Ohre aufgenommenes Fremdwort verstümmelt, zu Krîmhilt oder Kriemhilt.
-Der unrichtige Anlaut und das Schwanken des Vokals im ersten Teile
-der Zusammensetzung geben somit ebenfalls davon Zeugnis, daß die Sage
-in Süddeutschland ursprünglich fremd und erst verhältnismäßig spät
-eingeführt ist.
-
-Noch ein zweiter Name ist vermutlich bei dieser Überführung in
-gewissem Sinne verstümmelt worden: Gernot; hochdeutsch könnte er
-schwerlich etwas anderes als ein Frauenname sein, weil „~nôt~“ ein
-Feminin ist; versteht man ihn aber niederdeutsch, so gibt er den Sinn
-„Schwertgenoß“ und müßte hochdeutsch Gernoz heißen; er dürfte also bei
-der Überführung der Sage nach Süddeutschland seine niederdeutsche Form
-beibehalten haben.
-
-In Oberdeutschland hat sich die Sage nun begreiflicherweise selbständig
-weiter entwickelt. Augenscheinlich ist sie gar nicht vollständig dahin
-gelangt, wenigstens fehlt jede Kunde von Siegfrieds Vorfahren, sowie
-von seinem ursprünglichen Verhältnis zu Brünhilt, während die von
-seiner Jugendzeit äußerst dürftig ist. Die Erzählung beginnt damit,
-daß Siegfried um Kriemhilt freit und dann Brünhilt für seinen Schwager
-gewinnt. So reich ausgestattet ursprünglich und noch in nordischer
-Fassung der erste Teil des Stoffes war, so gering ist sein Kern in
-der deutschen; ritterliche Füllung hat ihn im Liede freilich wieder
-verbreitert. Dafür hat sich der zweite Teil reich entfaltet und
-zwar hauptsächlich dadurch, daß er als Episode in die Dietrichsage
-eingetreten ist; da die Burgunden infolge verräterischer Einladung am
-hunnischen Hofe zugrunde gehen, muß Dietrich, der nach süddeutscher
-Auffassung damals dort als Verbannter lebt, mit den Ereignissen zu
-tun haben; ihm wird die Entscheidung in dem großen Kampfe gegen die
-Burgunden zugewiesen.
-
-Wenn es auch zu weit führen würde, Ursprung und Entwicklung der
-Dietrichsage an dieser Stelle in allen Einzelheiten zu besprechen, so
-erscheint doch eine Darstellung in großen Zügen geboten.
-
-Im vierten Jahrhundert saßen die Goten in Dacien (etwa Rumänien und
-Siebenbürgen) und längs der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zum
-Don. In diesen Gegenden begründete der Amaler Ermanarich (deutsch
-Ermenrich) ein großes gotisches Reich, das seine Macht weit über das
-heutige innere Rußland erstreckte. Um das Jahr 370 erlag diese Macht
-dem plötzlichen Ansturm der Hunnen, eines Volkes türkischen Stammes aus
-dem innern Asien; König Ermanarich, schon hochbejahrt, kam dabei zu
-Tode. Der gotische Geschichtschreiber Jordanes weiß um 550 von seinem
-Tode Einzelheiten zu erzählen, die zwar schlecht beglaubigt, aber an
-sich nicht unwahrscheinlich sind und sich inhaltlich mit dem vorhin S.
-27 f. dargestellten dritten Teile der Nibelungensage nordischer Form
-nahezu decken: das treulose Volk der (sonst unbekannten) Rosomonen
-versucht den Einbruch der Hunnen zur eigenen Befreiung zu benutzen;
-Ermanarich läßt Suanihilda, eine Frau aus diesem Volke, für den
-heimtückischen Abfall ihres Mannes[45] von wilden Pferden zerreißen,
-wird aber dafür von ihren Brüdern Sarus und Ammius (Sorli und Hamdir
-in der Lieder-Edda) tödlich verwundet. Die Erzählung dürfte auf
-Tatsachen beruhen; sie ist geraume Zeit vor der Entstehung der übrigen
-gotischen Sagen, also etwa um 500, nach dem Norden gelangt[46] und hier
-schon im 9. Jahrhundert (vgl. S. 90) dadurch an die Nibelungensage
-angeschlossen worden, daß man Suanihilda und ihre Brüder zu Kindern der
-Gudrun gemacht hat. Vermutlich spielte die Mutter der untergegangenen
-Geschwister schon vor dieser Vereinigung in der Erzählung eine
-Rolle, die es nahelegte, sie mit Gudrun gleichzusetzen; darauf weist
-wenigstens die Art hin, wie der dänische Geschichtschreiber Saxo
-Grammaticus um 1200 die Ermanarich-Sage (ohne ihre Verbindung mit
-der Nibelungensage zu berücksichtigen) in seine dänische Geschichte
-aufgenommen hat.
-
-Der Einbruch der Hunnen trennte die Goten in westliche, die auf
-römisches Gebiet übertraten und uns hier nichts mehr angehen, und
-östliche, die unter hunnischer Hoheit zurückblieben und nach wie
-vor Könige aus dem Amalerhause hatten. Diese Ostgoten bildeten mit
-andern Germanenvölkern zusammen den eigentlichen Kern der hunnischen
-Macht; ihre Führer waren die ersten Helden des Großkönigs. Als solcher
-herrschte 444-453 Attila, nachdem er seinen Bruder und Mitherrscher
-Bleda beseitigt hatte. Dieser Attila hat bei den westlichen Germanen
-das Andenken eines wilden Eroberers hinterlassen; ganz anders bei den
-östlichen: sie erinnern sich seiner als eines mächtigen, aber gnädigen
-Herrschers. Unter seinen vielen Frauen ragt in der Geschichte die
-Kerka oder Rheka (richtig vermutlich Cherka) hervor, die in der Sage
-als Herche oder Helche lebendig geblieben ist. -- An der Spitze der
-Ostgoten standen zu Attilas Zeit drei amalische Brüder, deren einer
-Theodemer (deutsch Dietmar) hieß.
-
-Nach Attilas plötzlichem Tode (vgl. S. 69) zerfiel sein Reich; die
-Ostgoten traten auf das rechte Donauufer in oströmischen Bereich über.
-Theodemer war schließlich ihr alleiniger König und vererbte diese
-Stellung 481 auf seinen Sohn Theodorich (deutsch Dietrich), der sich
-den Beinamen des Großen verdiente.
-
-Inzwischen hatte sich 476 in Italien ein germanischer Fürst namens
-Odoaker (deutsch Otacker) der Herrschaft bemächtigt. Ihn zu beseitigen
-und zugleich die Sorge vor den Ostgoten, die fortgesetzt die Sicherheit
-Konstantinopels bedrohten, loszuwerden, übertrug Kaiser Zeno 489
-dem Theodorich und seinem Volke die Aufgabe, Italien dem Reiche
-zurückzuerobern, um es dann als römische Bundesgenossen zu bewohnen
-und zu beherrschen. Theodorich schlug Odoaker in mehreren Schlachten
-und belagerte ihn schließlich drei Jahre lang in dem festen Ravenna,
-wo damals (seit Honorius) der Regierungssitz Italiens sich befand; 493
-gelangte die Stadt in Theodorichs Gewalt, Odoaker wurde getötet. Als
-Beherrscher Italiens hat nun Theodorich lange Zeit die führende Rolle
-unter den westeuropäischen Germanenkönigen gespielt, ja, dieselben
-durch Heiraten zu einer großen Familie zu vereinigen gesucht, deren
-Haupt er selbst sein wollte. Dabei war sein Bestreben, Kriege zu
-vermeiden und Streitigkeiten auf friedlichem Wege zu schlichten --
-ein Charakterzug, der dem Dietrich der Sage insofern noch anhaftet,
-als auch dieser nur, wenn es ganz unvermeidlich ist, zum Schwerte zu
-greifen pflegt.
-
-526 ist Theodorich gestorben; damit brach sein System zusammen. Auch
-der Ostgotenstaat war nicht von Dauer: bereits 540 geriet Ravenna
-wieder in römische Gewalt, und 553 vernichtete Narses den letzten
-Gotenschwarm, der noch zusammenhielt, am Vesuv. Nur nördlich der Alpen
-blieben gotische Reste übrig und gingen in den Bayern auf (vgl. S. 56),
-die nun die Erinnerung an die ruhmreiche Geschichte der Amaler bewahrt
-und gepflegt haben.
-
-Die deutsche Sage kennt, wie begreiflich, die Goten (die sie
-ausschließlich Amelunge nennt) nur in Italien und Bayern; auch
-Ermenrich ist aus Südrußland dahin versetzt. Sie betrachtet ferner die
-Amelunge als legitime, eingeborne Herrscher ihres Reiches; Dietrichs
-Sieg bedeutet ihr also nicht eine einfache Eroberung, sondern eine
-Wiedereroberung nach vorausgegangener Vertreibung. Zu dieser Anschauung
-mußte die Sage dadurch geführt werden, daß Theodorich in der Tat durch
-den Auftrag des Kaisers Zeno das formale Recht auf seiner Seite hatte,
-während Odoaker nur infolge Usurpation in Italien herrschte. Den
-oströmischen Kaiser ferner hat die Sage, wie sie es fast immer getan
-hat, durch den Hunnenkönig ersetzt; indem sie Dietrich während seiner
-Abwesenheit aus Italien an dessen Hofe lebend dachte, übertrug sie
-auf ihn das, was von den Verhältnissen seines Vaters Dietmar bekannt
-geblieben war. Endlich brachte sie die beiden Amelunge Ermenrich und
-Dietrich dadurch aufs nächste zusammen, daß sie sie als Oheim und Neffe
-betrachtete. So hat denn die Dietrichsage im wesentlichen folgende
-Gestalt erlangt:
-
-Die Brüder Ermenrich und Dietmar aus dem Hause der Amelunge teilen sich
-derart in das Reich, daß Ermenrich als der älteste den Hauptteil mit
-Ravenna, Dietmar den Norden erhält; als Sitz des letztern und seines
-Sohnes wird Verona (Bern) betrachtet, nachdem Theodorichs historische
-Residenz Ravenna zunächst Ermenrichs Eigentum geworden ist. Nach
-Dietmars Tode wird sein Sohn Dietrich von Ermenrich vertrieben; dies
-behauptet die Sage im Anschluß an die historische Eroberertätigkeit,
-die Ermanarich entfaltet hat. Der vertriebene Dietrich begibt sich
-an den Hof des Hunnenkönigs Etzel, um von ihm Hilfe gegen Ermenrich
-zu erbitten; als Vermittler zwischen Dietrich und Etzel spielt
-dabei der Markgraf Rüdeger von Bechelaren, des erstern Freund, des
-letztern vornehmster Vasall, eine hervorragende Rolle. Über Ursprung
-und Bedeutung der Figur Rüdegers hat man mannigfache Vermutungen
-aufgestellt, ja, man hat sogar diesen reinmenschlichen Helden zu einem
-mythischen Wesen machen wollen; und doch ist, wie mir scheint, Rüdegers
-Bedeutung so leicht zu fassen: da die naiven Pfleger der Sage dieser
-jederzeit zeitgenössische Färbung geben, so müssen sie sich Dietrich
-als Bayern, Etzel als Ungarn denken; daraus ergibt sich, daß Rüdeger
-der Repräsentant des vermittelnden Zwischengebietes, der bayerischen
-Ostmark (Österreichs) ist. Im Nibelungenliede gilt als Rüdegers Bereich
-das Land zwischen Enns und Wienerwald; das ist genau das Gebiet der
-bayerischen Ostmark von Otto dem Großen bis auf Heinrich III., dessen
-Eroberung das Land bis zur Leita hinzufügte. Daraus ergibt sich, daß
-die Dichtung die Figur Rüdegers um das Jahr 1000 geschaffen hat[47].
--- Die Sage kennt nun zunächst einen ersten, mißlungenen Versuch
-Dietrichs, mit hunnischer Hilfe zurückzukehren; er führt zu Kämpfen bei
-Ravenna und gibt den Stoff zu dem Gedicht von der „Ravennaschlacht“ ab;
-selbstverständlich beruht er auf dem Walten der Dichtung: die deutschen
-Spielleute des zwölften Jahrhunderts lieben es ja auch, denselben
-Stoff in zwei Variationen nacheinander vorzutragen. Der Inhalt der
-Ravennaschlacht ist eine Variation von Dietrichs Rückkehr. -- Nunmehr
-findet Ermenrich sein Ende ungefähr so, wie es schon Jordanes erzählt;
-als einer der Mörder gilt um das Jahr 1000 Otacker, der Ermenrichs
-Nachfolger wird und also schließlich bei der endgültigen Eroberung
-Italiens Dietrichs Gegner ist, wie es die Geschichte dargeboten hat. In
-Süddeutschland ist allerdings im 12. Jahrhundert Ermenrichs Ermordung
-und die Person Otackers augenscheinlich ganz vergessen; den Thron der
-Amelunge nimmt bei Dietrichs Rückkehr Ermenrichs treuloser Ratgeber
-Sibich ein. Jedenfalls aber gelangt Dietrich schließlich durch Etzels
-Hilfe wieder in den Besitz seines angestammten Reiches[48].
-
-In Gesellschaft Dietrichs und der zu ihm in Beziehung tretenden Leute
-befinden sich nun natürlich zahlreiche Personen minderer Bedeutung,
-die teils selbständige Sagenexistenz gehabt haben, aber durch die
-gewaltige Anziehungskraft der Hauptsage an sie herangezogen und ihr
-angegliedert worden sind (so z. B. Wielands Sohn Witig, ursprünglich
-ein Mann Ermenrichs), teils aber als mehr oder minder nötige Ausfüllung
-erdichtet worden sind; zu letzteren gehören vor allen Hiltebrand,
-der als Dietrichs Erzieher und erfahrener erster Ratgeber eine fast
-selbstverständliche typische Figur ist, und sein Neffe Wolfhart, in
-allem Hiltebrands Gegenbild (besonders in der Art seines Auftretens)
-und gewiß des Kontrastes wegen als solches geschaffen.
-
-Von Personen aus der Umgebung des historischen Attila hat die Sage noch
-bewahrt seine Gattin Cherka als Helche (im Rosengarten Herche, in der
-Thidrikssaga Erka genannt) und seinen Bruder Bleda als Blödel; dieser
-Name ist offenbar volksetymologisch an „blöde“ angelehnt. An Bledas
-wirkliche Schicksale besteht keine Erinnerung, er wird in ziemlich
-willkürlicher Weise verwertet.
-
-In diese in Süddeutschland ganz lebendige Dietrichsage ist nun die
-Nibelungensage nach ihrer Überführung dahin derart eingefügt, daß
-Kriemhilt als zweite Gattin Etzels gilt, die er nach dem Tode der
-Helche geehelicht hat, und daß der große Todeskampf der Nibelunge
-eintritt, während Dietrich noch an Etzels Hofe lebt; der Versuch der
-Rückkehr, der zur Ravennaschlacht führt, muß natürlich, da bei ihm die
-Königin Helche noch eine wichtige Rolle spielt, schon vorüber sein.
-
-Mit Dietrich sind natürlich die meisten seiner Sage angehörigen Figuren
-in die Nibelungengeschichte übergetreten, vor allen auch Rüdeger, der
-nach dem, was vorhin ausgeführt wurde, außerhalb der Dietrichsage
-undenkbar ist. Da nun aber die Nibelungensage zunächst ohne Dietrich
-und Rüdeger existiert hat, so muß es möglich sein, nach Ausscheidung
-oder Abtrennung der diese Helden betreffenden Abschnitte ein Bild
-von dem Zustande zu bekommen, den sie zur Zeit der Überführung nach
-Süddeutschland aufwies. Dabei ergibt sich nun das merkwürdige Resultat,
-daß alle nach dem Saalbrande sich noch abspielenden Szenen wesentlich
-durch die Dietrichsage bedingt sind, mit andern Worten: es wird höchst
-wahrscheinlich, daß der Saalbrand in der ältern Sagenfassung den Schluß
-bildete, und die Nibelunge in ihm umgekommen sind.
-
-Bedenken gegen diese Annahme werden allerdings dadurch erweckt, daß der
-Schluß des Nibelungenliedes mit den eddischen Atli-Liedern insofern
-übereinstimmt, als Günther und Hagen schließlich lebendig gefangen und
-erst nach ihrer Weigerung, den Hort auszuliefern, getötet werden; daß
-im Nibelungenliede erst Günther und dann Hagen getötet wird, während
-die Lieder-Edda beider Rollen vertauscht, macht keinen wesentlichen
-Unterschied. Nun sind aber die Atli-Lieder augenscheinlich keine reinen
-Repräsentanten der nordischen Sagenform, sondern weisen mehrfach
-erneute deutsche Beeinflussung auf; sonach wäre möglich, daß auch die
-nahe Übereinstimmung in der Schlußerzählung erst unter dem Einflusse
-deutscher Neudichtung zustande gekommen ist.
-
-Wenn wir Rüdeger aus einer Grundform unserer Sage zu streichen haben,
-so fällt natürlich auch der Abschnitt vom Aufenthalte der Nibelunge zu
-Bechelaren weg; dann steht die kleine Szene von der Begegnung mit dem
-Grenzwächter Eckewart unmittelbar vor dem Eintreffen bei Kriemhilt, und
-es verschwindet die Sonderbarkeit, an der wir vorhin (S. 48) Anstoß
-nehmen mußten.
-
-Wir haben im wesentlichen den Zustand der Sage erreicht, der in unserm
-Liede die Grundlage der Erzählung bildet. Manches freilich hat der
-Dichter des Liedes, manches haben wohl noch andere Hände geändert, ehe
-die Textgestalt erreicht wurde, die uns heute noch vorliegt. Ehe wir
-diese letzten, dem Liede eigenen Neuerungen betrachten und untersuchen,
-müssen wir uns erst den Fragen zuwenden, die uns die Überlieferung und
-Geschichte seines Textes stellen.
-
-
-
-
-VI.
-
-Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der Nibelunge.
-
-
-Das Nibelungenlied ist uns erhalten in zehn vollständigen[49]
-Handschriften, außerdem in Bruchstücken von siebzehn verschiedenen
-Handschriften. Die Pergamenthandschriften des 13. und 14.
-Jahrhunderts haben wir uns gewöhnt (seit Lachmann) mit großen,
-die Papierhandschriften des 14./15. Jahrhunderts und die einzige
-jüngere Pergamenthandschrift (d aus dem 16. Jahrhundert) mit
-kleinen lateinischen Buchstaben zu bezeichnen und zu benennen.
-Die vollständigen Handschriften sind ~A B C D I a b d h k~, die
-Fragmente ~E F H K L M N O Q R S U Y Z g i l~. In allen vollständigen
-Handschriften mit Ausnahme von ~k~, die überhaupt eine Sonderstellung
-einnimmt, schließt sich die „Klage“ dem Liede unmittelbar an; von den
-Fragmenten bietet nur ~N~ auch ein Bruchstück der Klage; dafür sind uns
-Stücke dieses Gedichtes in Resten von drei andern Handschriften (~G~,
-~W~ und ~X~) noch erhalten, in denen natürlich auch das Nibelungenlied
-vorhanden gewesen sein muß[50].
-
-Die Handschrift ~k~ (im Besitze des Piaristen-Kollegiums zu Wien) ist
-eine völlige Neubearbeitung des alten Textes in Stil und Sprache des
-15. Jahrhunderts, steht also im Grunde auf keiner andern Linie als z.
-B. Simrocks Übertragung ins Neuhochdeutsche; jedoch der Umstand, daß
-sie Vorlagen benutzt hat, die uns nicht mehr zugänglich sind, verleiht
-ihr auch für die Kritik des alten Textes einigen Wert.
-
-Die übrigen 26 Handschriften ordnen sich nach dem Titel, den das Epos
-am Schlusse sich selbst gibt, leicht in zwei große Gruppen: ~der
-Nibelunge nôt~ heißt es in ~A B D H I K L M N O Q S Z b d g h i l~
-(dazu ~W~), ~der Nibelunge liet~ in ~C E F R U Y a~ (dazu ~G X~). Noch
-eingehendere Gruppierung läßt sich durch genauere Betrachtung der
-vollständigen Handschriften gewinnen. Diese sind:
-
-~A~ aus dem 13./14. Jahrhundert, ursprünglich auf Schloß Hohenems,
-jetzt in München;
-
-~B~ aus dem 13. Jahrhundert, in St. Gallen;
-
-~C~ aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, ursprünglich auf Schloß
-Hohenems, dann im Besitze des Freiherrn v. Laßberg, jetzt auf der
-fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen;
-
-~D~ aus dem 13./14. Jahrhundert, in München;
-
-~I~ aus dem 14. Jahrhundert, stammt aus Tirol, jetzt in Berlin;
-
-~a~, früher in Wallerstein, jetzt in Maihingen (bayr. Regierungsbezirk
-Schwaben);
-
-~b~, Hundeshagens Handschrift, jetzt in Berlin;
-
-~d~, die im Auftrage Kaisers Maximilians I. 1502-17 hergestellte große
-Sammelhandschrift, früher auf Schloß Ambras, jetzt in Wien;
-
-~h~, Meusebachs Handschrift, jetzt in Berlin; sie ist eine Abschrift
-von ~I~ und kommt deshalb für die Textkritik nicht in Betracht.
-
-Während die Handschriften der Liet-Gruppe nur in unwesentlichen Dingen
-voneinander abweichen (so daß die junge ~a~ nur zur Ausfüllung der
-Lücken in der guten alten ~C~ herangezogen zu werden braucht), gehen
-die der Not-Gruppe vielfach stark auseinander: ~Db~ gehören zusammen
-und folgen in den ersten 270 Strophen des Liedes, ebenso im Anfange der
-Klage seltsamerweise dem Liet-Texte; ~Id~ sind einerseits im Eingange
-des Liedes nicht unwesentlich kürzer als alle übrigen Texte, haben aber
-andererseits im Verlaufe des Gedichtes im ganzen zwanzig Strophen, die
-sonst nur dem Liet-Texte eigen sind, in den zugrunde liegenden Not-Text
-aufgenommen; ~B~ gibt, von Kleinigkeiten abgesehen, den Not-Text am
-reinsten wieder; ~A~ hat ihn um volle 61 Strophen, die im Laufe des
-Gedichtes, hauptsächlich innerhalb der Strophen 340-720 (der Zählung
-von Bartsch) gestrichen sind, verkürzt.
-
-Da ~A~ infolge dieser Streichungen den kürzesten Text bietet, hielt man
-sie lange Zeit für den Vertreter des ältesten vorhandenen Textes; seit
-es aber W. Braune (Die Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes,
-1900) gelungen ist, nachzuweisen, daß ~A~ mit dem Hauptteile von ~Db~,
-der dem Not-Texte folgt, manche jüngere Änderungen und Fehler gemein
-hat, kann davon keine Rede mehr sein, vielmehr ist ~A~ der Not-Vorlage
-von ~Db~ auf das nächste verwandt und innerhalb der 270 Strophen, in
-denen ~Db~ einer Liet-Vorlage folgen, der alleinige Vertreter dieser
-Handschriftengruppe.
-
-Die größte Schwierigkeit macht noch heute die richtige Einordnung der
-Gruppe ~Id~; im Anfange ist sie kürzer, als alle übrigen Texte und in
-dieser Beziehung, wie ebenfalls Braune nachgewiesen hat, altertümlicher
-als alle diese. Wie aber soll man die zwanzig zum Liet-Texte stimmenden
-Strophen beurteilen? Sie sind im allgemeinen ganz lose in den Not-Text
-eingefügt; von den vierzehn Stellen, auf die sie sich verteilen,
-stimmen elf genau zur Strophenfolge des Liet-Textes; an den drei andern
-Stellen ist eine kleine Verschiebung eingetreten, die dem Zusammenhange
-nicht günstig ist: die Strophen stehen (nach der Zählung von Bartsch)
-
- hinter 969 statt hinter 964 (um 5 Strophen zu spät),
- „ 998 „ „ 1001 ( „ 3 „ „ früh) und
- „ 1571 „ „ 1573 ( „ 2 „ „ „ ).
-
-Eine Mittelstellung zwischen den beiden Hauptgruppen nimmt also ~Id~
-auf jeden Fall ein, es fragt sich nur, ob eine durch Entwicklung der
-Texte bedingte oder eine äußerliche. Braune entscheidet sich für
-das erstere und erblickt in ~Id~ eine Vorstufe zu dem Liet-Texte;
-ich neige mich der andern Auffassung zu, hauptsächlich weil die
-Ordnung der Strophen an den drei erwähnten Stellen um ein weniges
-ohne ersichtlichen Grund abweicht; das scheint sich am besten aus
-äußerlicher Entlehnung zu erklären: der Besitzer der Grundhandschrift
-der Gruppe ~Id~ kannte den Liet-Text und vermißte in ihr einige diesem
-allein eigene Strophen; er trug sie auf den Blatträndern nach; beim
-Abschreiben wurden sie in den Text eingerückt, und dabei kamen nun jene
-kleinen Irrtümer vor, die sich jedenfalls innerhalb des Raumes einer
-Blattseite halten.
-
-Einfacher ist die eigentümliche Textmischung der Gruppe ~Db~ zu
-erklären: in ihrer Grundhandschrift war der Anfang des Liedes (ebenso
-der Anfang der Klage) verloren gegangen und durch Abschrift aus einer
-andern Handschrift, die dem Liet-Texte angehörte, ersetzt worden. Das
-war möglich, da die beiden Haupttexte doch nicht so stark voneinander
-abweichen, daß man die Verschiedenheit auf den ersten Blick erkennen
-müßte; auch in neuerer Zeit ist solche Textmischung vorgekommen, vgl.
-S. 124. Das aus dem Liet-Texte entnommene Anfangsstück des Liedes
-umfaßt ungefähr doppelt soviel Raum wie das eben daher entnommene
-Anfangsstück der Klage; der den Not-Text bietende Hauptteil des
-Liedes ist annähernd achtmal so lang wie der Eingang; daraus darf man
-vermuten, daß von der Grundhandschrift die 1., 2. und 19. Lage verloren
-gegangen und ungenau ersetzt waren.
-
-Die sechs Haupthandschriften des Not-Textes ordnen sich sonach in zwei
-Gruppen: auf der einen Seite ~Id~ mit altertümlich kurzem Eingang, aber
-zwanzig zugesetzten Strophen; auf der andern Seite ~ABDb~ mit längerm
-Eingang (wie ihn auch der Liet-Text bietet); ~Db~, deren alter Eingang
-ja verloren ist, werden durch die nahe Verwandtschaft mit ~A~ bei
-dieser Gruppe festgehalten.
-
-Wie verhalten sich nun aber die beiden Hauptgruppen „Liet“ und „Not“
-zueinander? Geht die eine auf die andere zurück, oder weisen beide auf
-ein verlorenes Original? Von den drei möglichen Antworten, die alle
-drei ihre Vertreter gefunden haben, können wir eine von vornherein
-ablehnen: die „Not“ geht keinesfalls auf das „Liet“ zurück, denn sie
-ist altertümlicher als dies; vor allem aber steht im Not-Texte die
-„Klage“ noch ziemlich selbständig hinter dem Liede, während das „Liet“
-die beiden Gedichte möglichst untereinander auszugleichen strebt; so
-gehen denn zahlreiche Mehrstrophen von ~Ca~ auf Anregungen der „Klage“
-zurück. So bleiben zwei Möglichkeiten: entweder das „Liet“ beruhte auf
-der „Not“, oder beide nebeneinander auf einem verlorenen Original; der
-ersteren neigt sich Braune zu, während ich der zweiten den Vorzug gebe
-auf Grund folgender Überlegung: der Liet-Text muß spätestens zu Anfang
-des 13. Jahrhunderts abgeschlossen sein, denn er hat die alte einfache
-Angabe der Klage, daß Ute, die Mutter der burgundischen Könige, ihre
-alten Tage im Kloster Lorsch verbrachte, breit ausgesponnen und stellt
-die Behauptung auf, sie habe es ausgestattet (Holtzmann 1158)
-
- ~mit starken rîchen urborn, als ez noch hiute hât,
- daz klôster dâ ze Lôrse, des dinc vil hôhe an êren stât~;
-
-nun ist aber dies altberühmte Kloster durch seinen letzten Abt Konrad,
-der 1216 zuerst genannt wird, derartig heruntergebracht worden, daß
-er 1229 abgesetzt, und das Stift an Mainz übergeben wurde; ein so
-lautes Rühmen, wie wir es in ~C~ finden, war also in und nach dieser
-Zeit nicht wohl möglich[51]. Dagegen kann die Grundhandschrift des
-Not-Textes nicht älter als höchstens 1240 sein, denn sie hat 1331
-und 1336 den richtigen Ortsnamen ~Treisenmûre~ durch den falschen
-~Zeizenmûre~ ersetzt. Die Stellen fallen in die Partie, die Kriemhilts
-Reise zu Etzel schildert und dabei innerhalb Österreichs die Tag für
-Tag berührten Stationen in genauer Folge nennt: ~Everdingen~, ~Ense~,
-~Bechelâren~, ~Medelîche~, ~Mûtâren~, ~Treisenmûre~, ~Tulne~, ~Wiene~,
-~Heimburc~, ~Miesenburc~. Setzt man ~Zeizenmûre~ für ~Treisenmûre~
-ein, so erhält man eine widersinnige Folge, denn ~Zeizenmûre~ liegt
-bereits östlich von Wien. Derjenige, der es eingeführt hat, kann
-von Österreichs Geographie keine persönliche Anschauung gehabt
-haben; nun ist aber ~Zeizenmûre~ ein unbedeutendes Dorf, das einem
-Nicht-Österreicher schwerlich bekannt ist, wenn es nicht einen
-besondern Ruf hat; einen solchen hat es dadurch erlangt, daß Nithart
-von Riuwental einen großen Teil seiner österreichischen Dorfgedichte
-dort spielen läßt; Nithart, dessen Dichten schätzungsweise in die Zeit
-von 1210-1240 fällt, lebte ursprünglich in Bayern und vertauschte es
-erst etwa 1230 mit Österreich; vor diesem Zeitpunkte können Nitharts
-österreichische Dorfgedichte nicht entstanden sein. Vorher dürfte also
-jener fälschlich in den Not-Text eingeführte Ort außerhalb Österreichs
-schwerlich bekannt gewesen sein[52].
-
-Ist somit die Grundhandschrift des Not-Textes rund ein Menschenalter
-jünger als die Existenz des Liet-Textes, so kann dieser nicht auf jenen
-zurückgehen, und bleibt nunmehr nur die dritte Möglichkeit übrig: beide
-weisen nebeneinander auf ein verlorenes Original zurück. Dies Original
-kann nach Ausweis der nahen Übereinstimmung beider Texte vom Not-Texte
-nicht allzu verschieden gewesen sein; um 1200 erfuhr es zunächst eine
-Überarbeitung, die im Liet-Texte noch vorliegt. Sie hat den ohnehin
-schon stark vorherrschenden rittermäßigen Geist noch verstärkt,
-außerdem aber den Anhang, die Klage, mit dem Liede in größere
-Übereinstimmung versetzt; den nur auf den letzten Teil passenden Titel
-„~der Nibelunge Nôt~“ hat sie durch den richtigern „~der Nibelunge
-Liet~“ ersetzt. -- Nicht vor 1240, zu einer Zeit, da der ritterliche
-Geschmack schon im Sinken war, hat ein Jüngerer eine Neubearbeitung
-des Gedichtes für angezeigt gehalten und dabei über den im allgemeinen
-Umlauf befindlichen Liet-Text weg auf das Original zurückgegriffen[53];
-sein Werk liegt uns im Not-Texte vor. Er folgt dem Original im ganzen
-recht treu; nur einzelne in spielmannsmäßigem Geschmack gehaltene
-kleine Szenen dürften vielleicht auf ihn zurückzuführen sein (Dankwart
-als Verschwender bei der geizigen Brünhilt; Hagens grobes Verhalten
-gegenüber der jungvermählten Kriemhilt u. dgl.).
-
-Charakteristisch für den spätern Ursprung des Not-Textes ist der
-Umstand, daß er in keiner seiner zahlreichen Handschriften rein
-erhalten, sondern überall mehr oder weniger durch den Liet-Text
-beeinflußt ist: die Gruppe ~Id~ bewahrt den alten Anfang, setzt
-aber die besprochenen zwanzig Strophen zu; die Gruppe ~ABDb~ hat
-umgekehrt (wenn auch nicht in allen Handschriften in gleichem Maße)
-den erweiterten Anfang von ~Ca~ aufgenommen; die Grundhandschrift
-von ~Db~ ist aus dem Liet-Texte ergänzt: die Handschrift ~B~ hat
-einmal zwei Strophen (102. 103 Bartsch) sowie am Schlusse der Klage
-den Abschnitt über Etzels Verbleib aus dem Liet-Texte aufgenommen
-u. s. f. Letzterer lag eben allen Schreibern und Hörern fortgesetzt
-im Ohre; es ist begreiflich, daß Berufsschreiber, die den Liet-Text
-bereits ein- oder mehrere Male abgeschrieben hatten, bei der Arbeit an
-einer Not-Handschrift unwillkürlich Lesarten jenes Textes anbrachten:
-so dürften sich auch die zahlreichen Kreuzungen in den Varianten
-erklären, die aus keinem organisch entwickelten Handschriftenstammbaum
-verständlich sind.
-
-Unter Berücksichtigung aller zugehörigen Bruchstücke dürfte sich die
-spätere Geschichte des Not-Textes etwa in folgender Weise abgespielt
-haben: zunächst trennte sich vom Hauptzweige der Entwicklung die
-Stammhandschrift der Gruppe ~Id~; in ältester reinster Form liegt uns
-diese Textgestalt annähernd vollständig nur in der späten Handschrift
-~d~ vor; ihr zur Seite stehen das alte Fragment ~H~ und das dürftige
-Fragment ~O~, das der direkten Vorlage von ~d~ angehört. Die
-Handschrift ~I~ und die nahe stehenden Fragmente ~K~ und ~Q~ ändern
-den alten Text der Gruppe ~Id~ in vielen Punkten selbständig; ihnen ist
-vielleicht noch das Fragment ~l~ beizuzählen, das ebenfalls zahlreiche
-Textänderungen aufweist. -- Von der andern Hauptgruppe des Not-Textes
-stellt ~B~ eine vollständige, sehr alte Form dar; ihr zunächst
-verwandt ist die Grundhandschrift aller übrigen Nothandschriften,
-auf die zunächst die lückenhafte ~A~ und die Fragmente ~L~ (daraus
-abgeschrieben ~g~) und ~M~, sowie die Grundlage der ~Db~-Gruppe
-zurückgehen; diese wird gebildet durch die recht nahe verwandten
-Handschriften ~D~ und ~b~ und Fragmente ~S~, ~N~ und ~Z~ (wohl auch
-~W~ der Klage). -- Das unbedeutende Fragment ~i~ ist nicht sicher
-einzuordnen.
-
-Die vorgetragene Meinung vom Verhältnis der beiden Nibelungentexte und
-ihrer Handschriften erhält eine wesentliche Stütze durch das relative
-Alter der zugehörigen Pergamentcodices. Dies läßt sich bestimmen
-durch die Art der Einrichtung derselben: die älteste Weise ist, den
-Text (des Liedes und der Klage) ohne Absetzen von Vers oder Strophe
-einspaltig über die ganze Seite zu schreiben; so sind ~C~ und ~E~
-(vom Liet-Text) sowie ~H~ (von der ~Id~-Gruppe) verfahren. Etwas mehr
-Übersicht bei größter Ausnutzung des Pergamentes gestattet zweispaltige
-Einrichtung, bei welcher im Liede die Strophen abgesetzt werden,
-aber nicht die Verse; sie liegt vor in ~FRY~, ~B~, ~DNSZ~, sowie in
-auffallend kleinem Format in ~Q~; innerhalb der Klage verfahren diese
-Codices, entsprechend der andern Versart, verschieden: zweispaltig
-ohne Absetzen schreibt ~B~ (ältere Weise), zweispaltig mit abgesetzten
-Versen ~G~, ~DNW~ (jüngere Weise). Schließlich setzt man auch im Liede
-die Verse ab; zweispaltig verfahren so ~AMI~, einspaltig ~LU~ (kleines
-Format); innerhalb der Klage schreibt ~A~ zweispaltig mit abgesetzten
-Doppelversen, ~I~ dreispaltig mit abgesetzten Versen, beides sichtlich
-aus räumlichen Gründen; das in kleinem Format gehaltene ~X~ schreibt
-einspaltig mit abgesetzten Versen. Ganz großes Format, dreispaltig
-eingerichtet, haben ~O~ und ~K~; jenes setzt gar nicht ab und bringt
-hundert, dies setzt nur Strophen ab und bringt sechzig Strophen auf
-einem Blatte unter; ~K~ bringt also das ganze Nibelungenlied auf
-fünf Quaternionen, ~O~ gar nur auf drei Quaternionen unter; das
-weist darauf hin, daß sie beide (wie das aus ~O~ abgeschriebene ~d~)
-Sammelhandschriften waren; ihre Einrichtung hat mit derjenigen der
-übrigen Handschriften nichts gemein, und sie sind gewiß nicht so alt,
-wie ihr Einrichtungsprinzip anzudeuten scheint.
-
-Der in der Handschrift ~k~ vorliegende, im 15. Jahrhundert
-modernisierte Text beruht in der Hauptsache auf einem Exemplare
-des Liet-Textes, das im Anfange zwei größere Lücken aufwies; diese
-sind ersetzt aus einer Handschrift des Not-Textes, die in nächster
-Verwandtschaft zu ~A~ stand, wie der gleiche Strophenbestand des
-Einganges zeigt.
-
-Das den beiden um 1200 und 1240 entstandenen Bearbeitungen zu
-Grunde liegende Original hat, wie wir gesehen haben, die angehängte
-Klagedichtung bereits besessen; auch war es in bezug auf die Technik
-der Metrik und des Reimes schon ziemlich hoch entwickelt, denn die
-überwältigende Mehrzahl aller Verse der beiden Bearbeitungen hat ihm
-bereits angehört. Es kann also seine Gestalt nicht allzulange vor der
-ersten Bearbeitung und keinesfalls vor dem Jahre 1170 gewonnen haben;
-die um 1200 vorgenommene Bearbeitung ist nicht durch formale, sondern
-durch inhaltliche Bedenken, in erster Linie durch das Streben, Lied und
-Klage miteinander auszugleichen, veranlaßt worden.
-
-Derjenige, der das durch Vergleichung der beiden Bearbeitungen uns
-noch im wesentlichen erreichbare Original geschaffen hat, ist nun noch
-nicht derjenige, den wir als den eigentlichen Nibelungendichter zu
-betrachten haben, sondern es ist vermutlich derselbe, der die Klage
-angehängt hat; dieser „Klagedichter“ hat gewiß auch seine Tätigkeit auf
-das Lied selbst ausgedehnt; sicher hat er ihm die vierzehn[54] Strophen
-eingefügt, die den Bischof Pilgrim erwähnen (1295-99. 1312. 1330. 1427.
-1428. 1495. 1627-30 Bartsch); sie lassen sich ohne jede Schwierigkeit
-herausheben.
-
-Ein Nibelungenlied mit Anhang (Klage) setzt notwendig ein
-Nibelungenlied ohne einen solchen voraus; wir kommen also ohne
-Schwierigkeit noch um eine Stufe weiter zurück und erreichen damit
-endlich die Tätigkeit des Mannes, den wir als den eigentlichen
-Nibelungendichter ansprechen dürfen. Von ihm dürfen wir behaupten,
-daß er ein Mann ritterlichen Standes und ein Österreicher war, da
-auf ihn doch wohl die genaue und sachkundige Beschreibung der Reise
-Kriemhilts zurückgeht; auch die oft durchblickende Abneigung gegen
-die Bayern macht das wahrscheinlich. Wien ist ihm eine wichtige und
-bedeutende Stadt, in ihr läßt er Kriemhilts zweite Hochzeit gefeiert
-werden; es ist aber, wenn auch alt, doch erst durch den ersten Herzog
-Österreichs, Heinrich († 1177), wieder aus jahrhundertelangem Verfall
-erhoben worden; Heinrichs Sohn und Nachfolger war der bekannte Leopold
-I. († 1194), der Gönner Reinmars des Alten, des Lyrikers; unter ihm
-erlangte der Wiener Hof jene Bedeutung als Pflegstätte edler Kunst, als
-welche er in der deutschen Literaturgeschichte bekannt ist. So werden
-wir schwerlich weit neben das Ziel treffen, wenn wir annehmen, daß
-der eigentliche Nibelungendichter unter Leopold I. und dem Einflusse
-seines Hofes gewirkt hat, also etwa 1180-1190. An seinem Werke ist
-manches auffällig, was schon bei der Besprechung des Inhalts erörtert
-worden ist; sein Anteil an der Stoffmasse ist bedeutend: der ganze
-erste Teil des Liedes und der Anfang des zweiten bis gegen Str. 1526
-(vgl. nachher) ist formal ganz von ihm gestaltet und auch inhaltlich
-von ihm mit Ausnahme der Grundzüge im wesentlichen erst geschaffen;
-auf ihn gehen u. a. das Prinzentum Siegfrieds und die durch dasselbe
-bedingten Szenen, auf ihn die Umschaffung des Spielmanns Volker in
-einen ritterlichen Sänger zurück. In der Schlußpartie des Epos benutzte
-er offenbar eine im wesentlichen bereits fertig vorliegende Darstellung
-(die älteste „Nibelunge Not“), die auch dem Verfasser der Thidrikssaga
-bekannt gewesen ist; er hat sie stark überarbeitet und durch Einfügung
-neuer Szenen und Personen (besonders des Dankwart) beträchtlich
-erweitert. Sein Anteil läßt sich mit Hilfe der Thidrikssaga ziemlich
-genau bestimmen: den Fährmann hat er aus einem einfachen, um Lohn
-arbeitenden Manne in einen Grenzwächter der Bayernfürsten umgeschaffen;
-die Verfolgung durch die Bayern und der daraus sich ergebende Kampf ist
-sein Werk, ebenso die Angabe, daß die Burgunden mit einem Heere von
-zehntausend Mann nach dem Hunnenlande gezogen seien; endlich gehört
-ihm im wesentlichen die Reihe von Szenen, die im einzelnen so prächtig
-ausgeführt sind, jedoch mit dem Geiste der ganzen Geschichte vielfach
-im Widerspruch stehen: sie setzen ein unmittelbar nach dem feindseligen
-Empfang durch Kriemhilt mit der Erzählung, daß Hagen und Volker sich
-dem Palaste der Königin gegenüber herausfordernd hingesetzt hätten, und
-schließen mit der unbegreiflichen Entlassung der Hauptgegner aus dem
-Saale; innerhalb dieser Partie blickt nur selten die alte Grundlage
-durch, deren Gang etwa der folgende gewesen sein muß: die Nibelunge
-richten sich, nachdem man sie nächtlicherweile zu überfallen versucht
-hat, in dem ihnen angewiesenen Hause zur Verteidigung ein; um Etzel
-zum Angriff fortzureißen, opfert Kriemhilt ihr Söhnchen, indem sie
-Hagen zu seiner Tötung reizt, und nun folgt unter Hohnreden der
-Nibelunge der Angriff der hunnischen Scharen. Der Rest der Dichtung,
-im wesentlichen aus den vier Abschnitten: Irings Kampf, Saalbrand,
-Rüdegers Kampf, Dietrichs Kampf bestehend, muß im großen und ganzen der
-Vorlage entnommen sein.
-
-Dieser eigentliche Nibelungendichter ist nun natürlich eben derjenige,
-der die auffällige lyrische Form für das Epos gewählt hat, eine
-Form, die nicht sein Eigen ist, sondern in den nicht lange vorher
-entstandenen Liedchen des sogenannten Kürnbergers bereits vorliegt.
-Pfeiffer hat aus dieser Übereinstimmung der Formen geschlossen,
-eben dieser Kürnberger sei der Dichter unseres Liedes; wäre dies
-richtig, so wäre uns damit nicht weiter geholfen, denn wir wissen vom
-Kürnberger nur, daß er ein Österreicher war, und kennen nicht einmal
-seinen Personennamen. Der Schluß ist aber nicht zwingend, denn seine
-Voraussetzung, daß eine bestimmte Strophenform Eigentum ihres Schöpfers
-sei, hat nie in dem angenommenen Umfang gegolten, vor allem nicht in
-so alter Zeit; endlich aber erklärt er ja die Sonderbarkeit, daß ein
-Epos lyrische Form aufweist, überhaupt nicht. Die einzige plausible
-Erklärung ist vielmehr die, daß der Nibelungendichter die benutzte Form
-in seinen Quellen, denen er mehr oder weniger wörtlich folgt, bereits
-vorgefunden hat, und daß die Quellen volkstümliche Balladen gewesen
-sind.
-
-Daß das Nibelungenlied auf derartige Volksgesänge zurückgehe, hat
-bereits der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit dieser Frage
-beschäftigte, Karl Lachmann, 1816 in seiner Schrift „Über die
-ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth“ behauptet.
-In der Durchführung des Gedankens ist er dann freilich weit über
-das Erreichbare und sogar über das Wahrscheinliche hinausgegangen:
-das Gedicht sollte entstanden sein aus einer Sammlung von zwanzig
-ursprünglich selbständigen Liedern, alle von ein und derselben Form,
-die inhaltlich aufeinander folgten[55] und durch Verbindungsstücke
-zu einem Ganzen zusammengeschlossen worden seien. Die Verteidiger
-und Ausgestalter dieser Liedertheorie (Müllenhoff, Rieger, Busch,
-Henning) haben die großen Unwahrscheinlichkeiten, die darin liegen,
-daß die Lieder alle die gleiche Form haben, alle im wesentlichen
-unverändert im Epos stecken sollen, und zum Teil Erzählungsabschnitte
-ohne selbständigen Wert behandeln, nicht zu beheben vermocht; in der
-Form, wie Lachmann seine Theorie durchzuführen versucht hat, muß sie
-heute als überwunden gelten. Anerkannt aber darf heute noch werden, mit
-welch sicherem Gefühl Lachmann die einzelnen Unebenheiten des großen
-Gedichtes erkannt und benutzt hat.
-
-Eine Quelle, und zwar die wichtigste, die der Nibelungendichter benutzt
-hat, ist mit unsern Mitteln noch leidlich zu erkennen; ihr Anfang
-wird markiert durch das plötzliche Auftreten des Namens „Nibelunge“
-im Sinne von Burgunden Str. 1526 (Bartsch); sie umfaßt den ganzen
-letzten Teil vom Auszuge der Burgunden auf ihre letzte Fahrt bis zu
-ihrem Untergange; auf sie allein paßt der alte, in der letzten Strophe
-gegebene Titel „~der Nibelunge nôt~“.
-
-Diese älteste „~Nibelunge nôt~“ muß als ein Werk volkstümlichen
-Ursprunges von geringem Umfange aus der Zeit von 1150-1180 gelten; ihr
-muß die Strophenform bereits eigen gewesen sein. Sie scheint dasselbe
-Werk zu sein, dem der Verfasser des Grundstocks der Thidrikssaga seine
-Kenntnis unserer Sage verdankt; denn wie der erste alte Bestandteil des
-Liedes Siegfrieds Erscheinen in Worms ist, so schließt in der Saga sich
-an die Isungsgeschichte Siegfrieds Bekanntwerden mit den Nibelungen
-an, und von diesem Augenblicke an geben beide Quellen trotz aller
-beiderseitigen Überarbeitungen und Zusätze bis zum großen Schlußkampfe
-durchaus parallel laufende Darstellungen. Bis zum Auszuge der Nibelunge
-nach dem Hunnenlande kann diese alte „~Nibelunge nôt~“ allerdings kaum
-mehr als eine notdürftig orientierende Einleitung gegeben haben. Der
-Nibelungendichter hat sie, überarbeitet und erweitert, seinem Epos
-zugrunde gelegt; neben ihr hat er vielleicht auch noch andere Quellen
-gehabt, deren Form und Umfang aber unbestimmt bleibt. Jedenfalls hat er
-den bei weitem größten Teil des übrigen Gedichtes selbst geschaffen,
-wie die zahlreichen rein höfischen Szenen ohne echten Sagengehalt
-beweisen.
-
-Noch eine Frage wäre zu beantworten: wie verhält sich die alte Ballade
-zu der lateinischen Aufzeichnung unseres Stoffes im 10. Jahrhundert,
-von der wir durch die „Klage“ Kunde haben? G. Roethe hat die Annahme
-aufgestellt, daß das Werk des Schreibers Konrad ein Gedicht gewesen
-sei wie Eckehards Waltharius (eine „Nibelungias“), und daß das
-Nibelungenlied in seiner Grundlage eine deutsche Nachdichtung
-jenes Werkes sei; die Möglichkeit ist zuzugeben, aber groß ist sie
-nicht, denn 1. spricht der Klagedichter nur von einer lateinischen
-Niederschrift und seitdem entstandenen deutschen Gedichten, was darauf
-führt, Konrads Arbeit für Prosa zu halten, und 2. ist die Klage ja ein
-verhältnismäßig junges Anhängsel zum Liede und dürfte eine Verbindung
-zwischen diesem und Konrads Niederschrift überhaupt erst herstellen
-(Einfügung des Bischofs Pilgrim).
-
-Die Schicksale unseres großen Epos lassen sich nun im Schema
-folgendermaßen darstellen:
-
- älteste ~Nibelunge nôt~,
- volkstümliche, balladenartige Dichtungen aus dem dritten Viertel des
- 12. Jahrhunderts.
- |
- |
- Ritterliches Epos gleichen Titels, in Österreich entstanden
- etwa 1180-1190.
- |
- |
- Dasselbe um die „Klage“ erweitert und vielleicht etwas überarbeitet,
- ungefähr 1190-1200.
- |
- |
- +--------------------+---------+
- | |
- Vollkommenste Überarbeitung |
- in rein höfischem Sinne, etwa |
- 1200-1210 (der ~Nibelunge |
- liet~), uns durch die Hand- |
- schriftengruppe ~Ca~ erhalten. |
- |
- Jüngere, treuere und volks-
- tümlichere Überarbeitung,
- etwa 1240-1250 entstanden,
- löst das „~liet~“ in seiner
- Geltung ab (daher Vulgata),
- bleibt aber fortgesetzt von
- ihm beeinflußt.
- |
- |
- +------------------------------+-----+
- | |
- | |
- Handschriftengruppe ~Id~. |
- | |
- | |
- +----+--------------+ +---------+--------+
- | | | |
- | | | |
- Unveränderter Zweig | Handschrift ~B~. |
- derselben, hauptsächlich | +--------+---+
- durch ~d~ repräsentiert. | | |
- | | |
- Zweig mit selbständigen | Handschriften-
- Änderungen, | gruppe ~Db~.
- hauptsächlich durch ~I~ |
- repräsentiert. Die Mehrzahl der
- Vulgata-Handschriften
- (vollständig, aber
- verkürzt, nur ~A~).
-
-Kurze Erwähnung verdient noch eine formale Eigentümlichkeit, die für
-die Beurteilung des Verhältnisses der beiden Hauptzweige nicht ohne
-Bedeutung ist: nicht selten sind die Cäsuren eines Verspaares durch
-Reim miteinander verbunden (Cäsurreim); solange innerhalb einer zwei
-Verspaare umfassenden Strophe nur eins Cäsurreim aufweist, kann er
-zufällig sein; sobald aber beide Verspaare ein und derselben Strophe
-gereimte Cäsuren haben, muß das auf Absicht des Verfassers beruhen.
-Nun sind im Nibelungenliede vereinzelte Cäsurreime zwar nicht gerade
-häufig, kommen aber doch ab und an vor, und zwar auch so, daß sie für
-die Vorlage beider Bearbeitungen gesichert sind. Durchgereimte Strophen
-aber finden sich, vergleichsweise häufig, nur in den Zusatzstrophen
-des Liet-Textes. Nun sind solche Strophen eigentlich keine Vierzeiler
-mehr, sondern Achtzeiler mit überschlagenden Reimen, also eine andre
-Kunstform; mischt sie der Liet-Bearbeiter dem alten Texte unbedenklich
-ein, so zeigt er damit, daß ihm das Verständnis für ihre Besonderheit
-noch nicht aufgegangen ist. Dies Verständnis fand sich erst gegen die
-Mitte des 13. Jahrhunderts ein; der Not-Bearbeiter bedient sich daher
-nie der durchgereimten Strophen, und der Interpolator der Gruppe ~Id~
-hat es vermieden, solche aus dem Liet-Texte herüberzunehmen; dagegen
-hat derjenige, der den erweiterten Anfang des Liet-Textes in den
-Not-Text übertrug, nicht dieselbe Zurückhaltung bewahrt: von den beiden
-durchgereimten Strophen dieses Stückes findet sich 17 in ~B~ und ~A~, 1
-nur in ~A~.
-
-
-
-
-VII.
-
-Wirkung des Liedes in der alten Literatur. Allmähliches Erlöschen des
-Interesses.
-
-
-Das Erscheinen des Nibelungenliedes ist ein großes literarisches
-Ereignis gewesen; man erkennt dies nicht nur aus der Tatsache der
-wiederholten Überarbeitungen und der großen Zahl der Handschriften,
-sondern vor allem auch daraus, daß vom 13. Jahrhundert an zahlreiche
-Epen in der Nibelungenstrophe oder einer nahe verwandten Form
-auftauchen. Das älteste derartige Gedicht, von dem wir allerdings nur
-dürftige Bruchstücke besitzen, ist die mittelhochdeutsche Bearbeitung
-der (vorhin besprochenen) Walthersage. Hier ist die Nibelungenstrophe
-dadurch variiert, daß die vorletzte Halbzeile um zwei Hebungen
-verlängert ist, z. B.
-
- ~er pflác des lándes nâch der krône réhté,
- wand im riet diu júncfrówe dáz~.
-
-Inhaltlich ist die alte Walthersage dadurch verändert, daß Hagen zur
-Zeit von Walthers Flucht noch an Etzels Hofe lebt, daß es die Hunnen
-sind, die Walther verfolgen und angreifen, und daß Hagen in hunnischen
-Diensten die Rolle des Hauptgegners spielt. Das Nibelungenlied, das
-mehrmals auf die Walthersage anspielt, kennt sie nur in der alten
-Gestalt; auch aus diesem Grunde ist die fragmentarisch erhaltene
-Waltherdichtung jünger, doch kann sie nicht allzu spät entstanden sein,
-denn sie mischt noch zahlreiche Cäsurreime ohne bestimmtes Prinzip ein;
-sie dürfte dem Liet-Texte zeitlich an die Seite zu stellen sein.
-
-Formell, nicht inhaltlich, ist ein Schößling des Nibelungenliedes
-auch das Gedicht von Kudrun; es behandelt einen aus dem Auslande
-(ursprünglich vermutlich aus England) eingeführten Stoff, den sein
-Dichter nicht in jeder Beziehung begriffen hat, und setzt in seinem
-Kolorit die Zeit des Kreuzzuges Friedrichs II. voraus, ist also wohl
-zwischen 1230-50 entstanden[56]. Die Nibelungenstrophe ist hier
-dadurch variiert, daß sie in der zweiten Hälfte klingenden Ausgang
-erhalten hat; auch erscheint die Schlußzeile (aber nicht durchgängig)
-um eine Hebung verlängert. Sehr erschwert wird uns die Beurteilung der
-Geschichte dieses Gedichtes dadurch, daß es nur in einer ganz jungen
-Sammelhandschrift (derselben, die im Handschriftenschema der Nibelungen
-d heißt) erhalten ist; ihre Vorlage ~O~ (vgl. S. 107 u. 120) gehört, da
-sie doch wohl wesentlich dieselben Stücke wie d enthalten hat, erst der
-Anfangszeit des 14. Jahrhunderts an, steht also vom Ursprungstermin der
-Kudrun noch erheblich ab. Viele Hände dürfen wir uns an diesem Gedichte
-nicht tätig gewesen denken, da seine Bezeugung und Bekanntschaft in
-der gleichzeitigen Literatur sehr gering ist; doch ist wahrscheinlich,
-daß einmal ein Bearbeiter versucht hat, es durchweg mit Cäsurreimen zu
-schmücken; er ist indes mit seiner Arbeit nicht zum Ziele gelangt.
-
-Etwa gleichaltrig der Kudrun ist ein Gedicht, das Ausgangspunkt für
-eine ganze Sippe von Epen geworden ist: die Geschichte von König
-Ortnid. In ihm wird die Nibelungenstrophe unverändert verwendet, doch
-ist meist die letzte Zeile um eine Hebung verkürzt, also den drei
-übrigen gleich gemacht; diese Erscheinung hat ihren Grund wohl darin,
-daß spätere Aussprache auch im Nibelungenliede manche vierhebige
-Schlußzeile bereits nur dreihebig wiederzugeben verstand, z. B.
-
- ~diu wás ze Sántén genánt~
- als ~diu wás ze Sánten gnánt~, oder
- ~béidiu líut únde lánt~
- als ~béidiu líut und lánt~.
-
-Der Stoff des Ortnid ist der Sage von Ortnid und Wolfdietrich
-entnommen und ohne Wolfdietrichs Geschichte unvollständig; auch der
-Ortnid-Dichter hat die Absicht gehabt, einen Wolfdietrich folgen zu
-lassen, wie er im letzten Verse andeutet, aber er hat seine Absicht
-nicht ausgeführt, vermutlich weil er vorher starb. Zwei andre Männer
-haben, unabhängig voneinander, dem Ortnid einen Wolfdietrich angehängt;
-den einen bezeichnen wir als ~A~, den andern als ~C~. Außerdem
-existiert noch eine dritte, leider nur in schlechten Handschriften
-erhaltene Bearbeitung der Ortnid-Wolfdietrich-Sage: hier ist die
-Ortnid-Geschichte im Zusammenhange des Wolfdietrich erledigt und statt
-ihrer eine selbständige Vorgeschichte, die Erzählung von Wolfdietrichs
-Vater Hugdietrich, vorgeschoben; wir bezeichnen diese Textgestalt
-als ~B~. Alle diese Dichtungen entstanden in der zweiten Hälfte des
-13. Jahrhunderts. Zu Anfang des 14. hat ein Kompilator, der sich für
-Wolfram von Eschenbach ausgibt, die Texte ~B~ und ~C~ dergestalt zu
-einem großen Epos vereinigt, daß er mit Ortnids Brautfahrt beginnt,
-Hugdietrich folgen läßt und mit dem zu einem ungeheuerlichen
-Stoffsammler angewachsenen Wolfdietrich schließt; das ist der große
-Wolfdietrich (~D~), der bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, mehrfach
-modernisiert, sein Publikum gefunden und ergötzt hat. Für die
-Geschichte des Cäsurreims ist der Wolfdietrich ~D~ besonders lehrreich:
-der ursprüngliche Text verwendet sie planmäßig in schildernden
-Abschnitten, besonders wenn Kämpfe dargestellt werden; zwei neue
-Bearbeitungen aus dem 15. Jahrhundert aber verfahren anders: die
-eine, in derselben Handschrift bewahrt, die im Schema der Nibelungen
-~k~ heißt, tilgt die Cäsurreime durchaus, die andre, im gedruckten
-Heldenbuch (vgl. nachher S. 118) vorliegende führt sie im Gegenteil
-durch das ganze Gedicht durch.
-
-Eine nicht nur formell, sondern auch inhaltlich dem Nibelungenliede
-sehr nahestehende Dichtung ist die (in der gleichen modernisierten
-Strophenform abgefaßte) vom Rosengarten zu Worms, deren Stoff wir
-schon früher berührt haben. Sie ist in der Mitte des 13. Jahrhunderts
-entstanden und in fünf verschiedenen Fassungen auf uns gekommen: die
-inhaltlich altertümlichste, aber nicht mit dem Original identische
-bezeichnen wir mit ~A~; die vier andern sind Erscheinungsformen ein
-und derselben Entwicklungsreihe, aus der nacheinander die Texte ~F~,
-~P~ und ~C~ sich abzweigen, und die in dem Anfang des 14. Jahrhunderts
-in der Straßburger Gegend abgeschlossenen Texte ~D~ gipfelt. Außerdem
-existieren mehrere jüngere Bearbeitungen.
-
-Das (in kurzen Reimpaaren abgefaßte) Gedicht von König Laurin
-und seinem Rosengarten hat mit der Nibelungensage und ihrem
-Literaturkreise ursprünglich nichts zu tun; da es aber in seinen
-Motiven Verwandtschaft mit dem „Rosengarten zu Worms“ zeigt, ist es
-frühzeitig äußerlich mit diesem vereinigt worden: schon die Handschrift
-des Rosengartens ~P~ enthält auch den Laurin; in den Stufen ~C~ und ~D~
-sind die beiden Gedichte im Titel zu einander in Beziehung gesetzt als
-der „große“ und der „kleine“ Rosengarten (letzterer ist der Laurin).
-Der Bearbeiter ~D~ schreibt das Werk dem nur aus dem sogenannten
-Wartburgkriege bekannten Heinrich von Ofterdingen zu[57].
-
-Im 15. Jahrhundert entstand aus der Vereinigung des Großen Wolfdietrich
-mit den beiden Rosengärten (in der Fassung ~D~) das sogenannte
-„Heldenbuch“; ihm wurde eine prosaische Vorrede beigegeben, die
-sich als der erste deutsche Versuch einer Übersicht der gesamten
-Heldensage darstellt, allerdings in äußerst ungeschickter Form. Der
-Verfasser dieser Vorrede läßt, vermutlich infolge Mißverständnisses,
-Siegfried im Rosengarten von Dietrich erschlagen werden und stellt
-den zweiten Teil der Nibelungensage als Folge dieses Geschehnisses
-hin: Kriemhilts Haß ist gegen Dietrich gewendet; trotzdem tötet sie
-schließlich eigenhändig ihre Brüder; es ist dem Sagensammler also nicht
-gelungen, seine Erzählung innerlich auszugleichen. Für uns aber ist
-besonders interessant, daß Kriemhilt in dieser Vorrede den Kampf ganz
-in derselben Weise, wie es in der Thidrikssaga geschieht, durch bewußte
-Opferung ihres Sohnes in Gang bringt. -- Das Heldenbuch wurde von der
-zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an bis 1590 immer wieder gedruckt;
-als in mehreren Exemplaren gedruckt vorliegendes Werk hat es nicht
-wenig dazu beigetragen, daß im 18. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der
-Gelehrten wieder auf unsere alten Sagenstoffe gelenkt wurde.
-
-Der Strophenform des Nibelungenliedes bedient sich ferner noch das Epos
-von Alpharts Tod, uns nur in einer einzigen späten und lückenhaften
-Handschrift erhalten; es entstammt etwa der zweiten Hälfte des 13.
-Jahrhunderts und behandelt einen Abschnitt der Dietrichsage.
-
-Formal abhängig vom Nibelungenliede dürfte auch das Gedicht von der
-Ravennaschlacht sein; es ist in einer eigentümlichen Strophe verfaßt,
-deren erste Hälfte annähernd eine halbe, auf den Cäsuren gereimte
-Nibelungenstrophe darstellt, während die zweite aus zwei mittellangen,
-cäsurlosen, klingend gereimten Versen besteht; ganz klar ist die
-ursprüngliche Form wegen starker Überarbeitung nicht erkennbar. Wie
-uns nämlich die Ravennaschlacht überliefert ist, entstammt sie erst
-dem Anfang des 14. Jahrhunderts und bildet den zweiten Teil zu dem in
-kurzen Reimpaaren verfaßten Gedichte von Dietrichs Ahnen und Flucht.
-Der Verfasser des ganzen Werkes nennt sich Heinrich der Vogler und ist
-ein Spielmann. Schon der Umstand, daß er im Verlaufe seiner Dichtung
-von der einfachen epischen Weise zu einer Strophenform übergeht, zeigt,
-daß er hier eine alte Grundlage überarbeitet. Für diese Grundlage
-besitzen wir noch zwei selbständige Zeugnisse: die betreffende Partie
-der Thidrikssaga, die sie inhaltlich wiedergibt, und einen deutlichen
-Hinweis in dem Gedichte „Meier Helmbrecht“ von Wernher dem Gärtner,
-das etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Die
-Grundlage der Ravennaschlacht wird damit in der ersten Hälfte des 13.
-Jahrhunderts festgehalten.
-
-Das von uns früher (S. 65) besprochene Gedicht vom „Hürnen
-Seifried“, das uns nur in Drucken des 16. Jahrhunderts erhalten ist,
-gehört natürlich nach Inhalt und Form ebenfalls zu den durch das
-Nibelungenlied befruchteten Werken. Es geht auf eine verlorene ältere
-Dichtung zurück, aus der es augenscheinlich nur ausgezogen ist. Wir
-besitzen nämlich in dem Bruchstück m einer Nibelungenhandschrift einen
-Beweis für des „Hürnen Seifrid“ früheres und umfangreicheres Dasein:
-das Bruchstück ist nur ein Teil eines Verzeichnisses von Überschriften
-der Gesänge nebst Blattweiser, es genügt aber, um zu erkennen, daß der
-verlorene Text den „Hürnen Seifrid“ in das Lied hineingearbeitet hatte,
-und zwar sowohl die Jugendgeschichte wie den Drachenkampf; Kriemhilt
-wird in dem Augenblicke, da man sich zur Fahrt nach Island rüstet, vom
-Drachen entführt und demnächst von Siegfried befreit. Das Bruchstück
-ist um 1400 geschrieben und hält damit den ältern „Hürnen Seifrid“ im
-14. Jahrhundert fest.
-
-In den beiden nächsten Jahrhunderten ist die Verwendung der
-Nibelungenstrophe in jüngerer Form so häufig, daß ihr Auftreten nur
-noch einen ganz äußerlichen Zusammenhang mit dem Nibelungenliede
-bedeutet; es genügt für uns, die Entwicklung der Strophenform selbst
-kurz darzulegen: durchweg ist die vierte Zeile den drei ersten
-gleichgemacht; nach meistersingerischer Weise wird feste Silbenzahl
-beabsichtigt (vor der Cäsur sieben Silben klingend ausgehend, nach
-derselben sechs stumpf ausgehend); die Cäsuren sind konsequent
-entweder reimlos oder durchgereimt: in ersterem Falle heißt die Form
-„Hiltebrandston“ (ihn verwenden das modernisierte Nibelungenlied
-der Handschrift ~k~ und der Hürnen Seifrid), in letzterem Falle
-„Heunenweise“. Das Bewußtsein von der Besonderheit der Form, die durch
-gereimte Cäsuren bedingt wird, ist also völlig durchgedrungen.
-
-Bis in das 15. Jahrhundert hinein bleibt das Interesse am
-Nibelungenliede lebhaft und wach; der Stoff wird sogar gelegentlich
-dem Zeitgeschmack angepaßt. So wird um 1400 in der Handschrift ~b~ an
-der Stelle, wo Dietrich die ankommenden Burgunden vor Kriemhilt warnt,
-eine Interpolation eingelegt, die erzählt, Kriemhilt habe Röhren,
-gefüllt mit Schwefel und Kohle (also Pulverminen), legen lassen, um die
-Burgunden im Nachtlager in die Luft zu sprengen. Im 15. Jahrhundert
-ist dann die ganze Dichtung neu überarbeitet und nach den Regeln der
-Meistersinger sprachlich behandelt worden; es ist dies der Text, der
-uns in der Handschrift ~k~ erhalten ist. Das Gedicht wird hier in
-seinen beiden Abschnitten betitelt „die erste Hochzeit Kriemhilts mit
-Siegfried“ und „die zweite Hochzeit Kriemhilts mit Etzel“.
-
-Dann aber fängt das Interesse an zu erlöschen. Der letzte namhafte
-Mann, der zu unserm Liede in Beziehung steht, ist Kaiser Maximilian I.,
-der letzte Ritter. Er hat das sog. Heldenbuch an der Etsch (offenbar
-eine ältere Sammelhandschrift, von der vermutlich ~O~ ein Rest ist)
-abschreiben lassen und dadurch in den Jahren 1502-1517 die noch
-erhaltene große Ambraser Sammelhandschrift geschaffen, die auch unser
-Lied enthält (~d~). Es ist die letzte Handschrift unseres Gedichtes.
-Gedruckt worden ist das Lied in alter Zeit nicht. Mit dem Augenblicke,
-da der Buchdruck durchgedrungen war, ist das Interesse an ihm erlahmt;
-warum, ist schwer zu ersehen; wahrscheinlich, weil der Geschmack des
-Liedes für die damalige Zeit auf der einen Seite zu ritterlich-vornehm,
-auf der andern aber wieder zu volkstümlich-einfach war; die einfachern
-Kreise mochten es seiner Vornehmheit wegen nicht, und die vornehmern
-hatten ihre Neigung bereits den neu auftretenden humanistischen Stoffen
-zugewendet. Wir finden nun an Stelle des Liedes im 16. Jahrhundert
-nur das gedruckte, wenig wertvolle Gedicht vom „Hürnen Seifrid“,
-das bis 1611 immer wieder aufgelegt wurde, das sich aber nur an ein
-untergeordnetes Publikum wendet. Bezeichnend ist die ebengenannte
-Jahreszahl 1611: sieben Jahre vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges!
-Von da an sind die älteren Dichtungen nicht mehr beachtet, also auch
-nicht mehr aufgelegt worden, sondern in Vergessenheit geraten. Ja,
-sogar die Erinnerung an die alte Sage, die doch in Oberdeutschland,
-wenigstens was die Dietrichsage angeht, ganz lebendig im Volke haftete,
-ist im Dreißigjährigen Kriege völlig erloschen. Nur in einer ganz
-verzerrten Form hat die Nibelungensage diese Zeit überdauert: im sog.
-Volksbuch vom gehörnten Siegfried. Der erste erhaltene Druck dieses
-Buches stammt aus dem Jahre 1726; der Text selbst ist vielleicht noch
-etwas älter. Er ist in ganz rohem Geschmack hergestellt: auf der
-einen Seite ist er äußerlich in die Höhe geschraubt durch Einführung
-fremdklingender Namen, lateinischer Endungen u. dgl. (so heißt Gibich
-jetzt Gibaldus, Kriemhilt Florigunda); auf der andern Seite wieder
-sind komische Szenen eingelegt, Narrenstreiche und ähnliche höchst
-unbedeutende kleine Episoden. Im großen und ganzen ist das Volksbuch
-weiter nichts als eine Umarbeitung des „Hürnen Seifrid“. Es ist dann
-immer wieder aufgelegt worden bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts
-hinein, ohne daß die bessern Kreise sich um dasselbe irgendwie
-gekümmert hätten. Auf dem Titel steht zu lesen: „Gedruckt in diesem
-Jahr“; so wird dem ungebildeten Leser weisgemacht, daß er das Neueste
-vom Jahre in der Hand habe. Die Behörden haben nicht nur den Gehörnten
-Siegfried, sondern auch alle andern Volksbücher öfter verboten. Man
-begreift ihr Vorgehen, wenn man auf den ungeläuterten Geschmack achtet,
-der in diesen Büchern waltet: sie stehen ungefähr auf der Stufe der
-modernen Hintertreppenromane. Aber die „albernen Dinge“ (wie die
-einschreitenden Behörden die Volksbücher nannten) waren manchen Leuten
-noch nicht albern genug; so konnte es geschehen, daß das Volksbuch vom
-gehörnten Siegfried zweimal noch weiter heruntergezogen wurde: 1783
-verbreiterte es ein ~Dr.~ Kindleben zu einem zweibändigen Volksroman
-von mehr als 550 Seiten, und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts
-erschien eine Neubearbeitung unter folgendem bezeichnenden Titel:
-„Siegfried und Florigunde. Oder: durch Gefahren wird die Tugend
-gestärkt, und die Ausdauer in derselben belohnt. Eine mährchenhafte
-Historie von den Abenteuern, welche Siegfried der Ungehörnte wegen
-der schönen Florigunde bestanden hat. Erster Teil. Ganz umgearbeitet,
-neu aufgelegt und in ein heilsames Lesebuch verwandelt.“ ~Sapienti
-sat.~ Vor dem angekündigten zweiten Teile scheint das Publikum bewahrt
-geblieben zu sein. Das Buch blieb der letzte direkte Ausläufer des
-alten Stoffes; mit dem inzwischen bereits eingeleiteten Wiedererwecken
-desselben hat es keinen Zusammenhang.
-
-
-
-
-VIII.
-
-Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem 18. Jahrhundert.
-
-
-Der erste, der dafür tätig gewesen ist, daß wir wieder Geschmack und
-Interesse für unsere ältere Literatur bekommen haben, und der deshalb
-nicht vergessen werden darf, obgleich ihn seine jüngern Zeitgenossen
-(im allgemeinen unverdienter Weise) viel geschmäht und dadurch fast
-der Vergessenheit überliefert haben, ist Gottsched. Er hat 1752 dem
-Heldenbuch und dem Hürnen Seifrid gelehrte Beachtung geschenkt; vom
-Nibelungenliede weiß er noch nichts. Das lag damals noch für Gelehrte
-und Ungelehrte im Staube der alten Bibliotheken vergraben. Erst drei
-Jahre nach dieser ersten Betätigung Gottscheds auf dem Gebiete unserer
-alten Literatur entdeckte ein junger Mediziner, Namens Obereit, bei
-einem Besuche des Schlosses Hohenems in Vorarlberg 1755 am 29. Juni die
-von uns jetzt mit ~C~ bezeichnete Handschrift des Nibelungenliedes,
-und von diesem Augenblicke an ist das Gedicht neu belebt, denn durch
-Obereit ward Bodmer, der Führer der Schweizer im Streite wider
-Gottsched, bekannt mit der Handschrift und gab einen Teil von ihr
-heraus: 1757 ließ er den zweiten Teil des Liedes samt der Klage von
-einem zufälligen Punkte an, nämlich vom Wiedereinsetzen des Textes
-nach der letzten Lücke von ~C~ (Str. 1682 Holtzmann) an, abdrucken.
-Den fehlenden Eingang hat er durch eine eigene mittelhochdeutsche
-Reimerei ersetzt, die ihm natürlich mißglückt ist. Die Ausgabe trägt
-den Titel: „Chriemhilden Rache, und die Klage; zwey Heldengedichte
-aus dem schwäbischen Zeitpuncte“. Viel Erfolg hat sie freilich nicht
-gehabt, obgleich Bodmer selbst noch für die erste neuhochdeutsche
-Bearbeitung gesorgt hat: im Jahre 1767, also zehn Jahre später,
-veröffentlichte er unter dem Titel „Die Rache der Schwester“ eine
-Übertragung des mittelhochdeutschen Textes seiner Ausgabe in deutsche,
-wenig glücklich gebaute Hexameter. Wenn auch damit nicht allzuviel
-für das Lied geschehen war, so war doch ein Schritt getan, auf dem
-weiter gebaut werden konnte; das Interesse war geweckt. Nach kaum einem
-Menschenalter ist ein jüngerer Gelehrter, ein Schüler Bodmers, Myller,
-in der Lage, nicht bloß das Nibelungenlied, und zwar vollständig,
-sondern eine größere Anzahl von Gedichten aus dem deutschen Mittelalter
-in einer Sammlung herausgeben zu können, auf die bereits hervorragende
-Personen subskribieren, und die sich sogar an die höchsten Stellen
-wendet: Myller erbat und erhielt noch 1780 von König Friedrich II.
-von Preußen die Erlaubnis, ihm das Sammelwerk zueignen zu dürfen. Im
-Jahre 1782 erschien daher als erstes Stück der Myllerschen Sammlung die
-erste vollständige Ausgabe: „Der Nibelungen Liet, ein Rittergedicht aus
-dem XIII. oder XIV. Jahrhundert. Zum ersten Male aus der Handschrift
-ganz abgedruckt“. Myller legte Bodmers Ausgabe zugrunde und fügte
-den ersten Teil aus einer Bodmer gehörigen Abschrift hinzu; als
-Bodmer sich seinerzeit diese Ergänzung zu seinem Texte aus Hohenems
-verschaffte, war aber ein Irrtum untergelaufen: in Hohenems lagen ja
-zwei Handschriften, nämlich außer ~C~, auf der Bodmers Ausgabe beruht,
-noch ~A~; letztere wurde zufälligerweise zur Ergänzung benutzt, und so
-stellt sich die erste vollständige Nibelungen-Ausgabe in ähnlicher Art
-als Mischtext dar, wie es um 1300 mit der Gruppe ~Db~ und um 1450 mit
-der Bearbeitung ~k~ der Fall war. Daß die Handschriften ~C~ und ~A~
-im Texte ziemlich weit voneinander abstehen, konnte man um 1780 noch
-nicht beurteilen. Das Werk war, wie gesagt, keinem Geringern gewidmet
-als Friedrich dem Großen, und ihm natürlich auch ein Exemplar übersandt
-worden. Dafür hat sich der König in einem höchst charakteristischen und
-eigentümlichen Briefe bedankt, aus dem hervorgeht, daß damals die Zeit
-des Verständnisses für unsere ältere Literatur noch nicht gekommen war,
-am allerwenigsten Friedrich dem Großen, der ja nicht einmal an der eben
-neuerblühten deutschen Literatur irgendwelchen Anteil nahm. Der Brief
-lautet:
-
- Hochgelahrter, lieber getreuer.
-
- Ihr urtheilt, viel zu vortheilhafft, von denen Gedichten, aus dem
- 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur
- Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner
- Einsicht nach, sind solche, nicht einen Schuß Pulver, werth; und
- verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit, gezogen zu
- werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens, würde Ich, dergleichen
- elendes Zeug, nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon
- eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal, in der dortigen
- großen Bibliothec, abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem
- nicht, Euer sonst gnädiger König
-
- Potsdam, d. 22. Februar 1784. Frch.
-
-
-Der Brief wird auf der Züricher Bibliothek unter Glas und Rahmen
-aufbewahrt. Er ist geschrieben nach Vollendung des ersten Bandes der
-Sammlung, der außer den Nibelungen noch die Eneit, den Parzival und
-den Armen Heinrich enthält, bezieht sich also nicht ausschließlich auf
-unser großes Epos (der König spricht ja auch von „denen Gedichten“);
-man hat deshalb neuerdings geglaubt, die Nibelungen von des Königs
-hartem Urteil entlasten zu dürfen. Allein das ist vergebliches Bemühen:
-sie gehören eben gleich als erstes mit zu „denen Gedichten“, und es
-wäre sehr merkwürdig, wenn Friedrich bei seiner, wenn auch einseitigen,
-doch offenbar ehrlichen Kenntnisnahme gerade am ersten Stücke
-vorübergegangen wäre. Vom Standpunkte des Königs Friedrich ist diese
-Mißachtung unsers Gedichts wohl zu verstehen, denn wir müssen erst von
-seinen Anschauungen hinweg über Goethe bis in die Romantik hinein, ehe
-wir wirklich Interesse und Geschmack für unsere alte Vergangenheit
-erwarten dürfen.
-
-Wichtig für die weitere Entwicklung unserer Kenntnis des alten Liedes
-sind die Vorlesungen, die August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1802
-und 1803 in Berlin gehalten hat. Diese Vorlesungen sind zwar nicht
-gedruckt worden, allein es wohnte ihnen ein Mann bei, der dann sein
-ganzes Leben der Germanistik und in erster Linie dem Nibelungenliede
-gewidmet hat, Friedrich Heinrich von der Hagen. Er hat zuerst im Jahre
-1807 den Versuch gemacht, eine Erneuung des Liedes zu schaffen, d.
-h. die alte Sprachform der neuhochdeutschen im äußern Gewande, der
-Orthographie, vielleicht auch in der Wortwahl, so weit anzunähern,
-daß man den alten Text zur Not mit Verständnis lesen konnte. Diese
-Erneuung ist nun freilich noch keine Übersetzung; ohne Wörterbuch
-kommt Hagen noch nicht aus; sie bedeutet aber einen gewaltigen Schritt
-vorwärts, auch insofern, als hier zum ersten Male die strophische Form
-der alten Dichtung erkannt war. 1810 ließ Hagen seine erste Ausgabe
-des alten Textes erscheinen; freilich bot sie (und ebenso die bald
-darauf geschaffene, eingangs erwähnte Zeunesche) noch die Myllersche
-Handschriftenmischung. Doch bald darauf erkannte Hagen den bisher
-obwaltenden Irrtum, und in der zweiten, 1816 erschienen Auflage seiner
-Ausgabe hat er die St. Galler Handschrift (~B~) zugrunde gelegt und so
-zum ersten Male einen authentischen Text dargeboten. In seinem langen,
-bis 1856 währenden Leben hat er am Liede immer weiter gearbeitet.
-
-Die erste kritische Ausgabe unseres Gedichtes lieferte 1826 Karl
-Lachmann; er legte den von der Hohenems-Münchner Handschrift ~A~
-gebotenen Text zugrunde, weil er ihn, als den kürzesten, auch für den
-ältesten hielt; alle übrigen Handschriften enthielten nach seiner
-Meinung nur Überarbeitungen, also ~B~ sollte auf Grund von ~A~, ~C~
-auf Grund von ~B~ entstanden sein usw. Mit seiner Anschauung vom
-Werte der überlieferten Texte verband Lachmann seine Theorie vom
-Ursprunge des Gedichtes, die er bereits 1816 in seiner Schrift „Über
-die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth“
-dargelegt hatte und 1836 unter dem Titel „Zu den Nibelungen und zur
-Klage: Anmerkungen“ im einzelnen ausführte. Er nahm an, daß der Text
-nichts weiter sei, als die Überarbeitung einer Sammlung von zwanzig
-an sich selbständigen Liedern, die im allgemeinen inhaltlich eins auf
-das andere folgten und, wenn nötig, durch eingelegte Zwischenstücke
-verbunden worden wären; auch glaubte er, diese Lieder noch in allen
-Einzelheiten wiederherstellen zu können. Er stützte sich bei seiner
-Arbeit auf das häufige Wechseln des Tones, das er allerdings, wie man
-zugestehen muß, mit großer Sicherheit herausempfunden hat, sowie auf
-das Vorhandensein mehrerer Widersprüche. Von letzteren sind zwei (der
-bei der Verwechslung von ~Treisenmûre~ und ~Zeizenmûre~ obwaltende
-und derjenige, der Dankwarts Lebensalter betrifft) bereits vorhin (S.
-105 und 85) erörtert worden; ein dritter besteht darin, daß Günther
-in Str. 911 (Bartsch) die Jagd, auf der Siegfried ermordet werden
-soll, im Wasgenwalde ansetzt, während sie doch dann, von Worms aus
-gerechnet, jenseits des Rheines stattfindet; er erledigt sich nach
-unserer vorhin vorgetragenen Anschauung als einfacher Schreibfehler
-der Grundhandschrift der Not-Gruppe. -- Ferner war Lachmann, als er
-sich dem Nibelungenliede zuwandte, beeinflußt von der Homerkritik
-Friedrich August Wolfs; er glaubte dessen für das griechische Altertum
-gültige Anschauungen auf das deutsche Mittelalter übertragen zu
-dürfen; daß dies nicht angängig ist, bedarf heute wohl kaum einer
-Widerlegung. Immerhin gewährt die Liedertheorie stellenweise die
-einzige Möglichkeit, Fragen, die der überlieferte Text dem gelehrten
-Kritiker stellt, zu lösen, und wir haben sie selbst, wenn auch in
-bescheidenem Umfange, bei der Untersuchung des Stoffes angewendet; es
-ist nur keineswegs angängig, eine Lösung auf dem Wege anzustreben, daß
-man nebeneinander liegende Stücke einfach wie mit einem Scherenschnitte
-voneinander trennt; übereinander liegen die Schichten, die die lange
-Entwicklung des Stoffes abgesetzt hat, nicht nebeneinander.
-
-Bei der Abgrenzung der echten und unechten Teile im einzelnen hat
-sich Lachmann von der Vorstellung leiten lassen, daß jedes „echte“
-Lied aus einer Anzahl von Strophen bestehe, die durch sieben teilbar
-sein müsse. Er hat sich darüber nicht geäußert; erst kurz nach seinem
-1851 erfolgten Tode erkannte Jakob Grimm dies merkwürdige Verhältnis.
-Lachmanns unbedingte Anhänger versuchten auch die Geltung der
-Siebenzahl zu erhärten, doch ohne irgendwelche schlagenden Gründe.
-
-Nachdem die Meinung, daß der echte Nibelungentext allein in der
-Handschrift ~A~ vorliege, ein Menschenalter hindurch unbedingt
-geherrscht hatte, traten im Jahre 1854 kurz nacheinander zwei
-Gelehrte mit der Ansicht hervor, daß der echte Text vielmehr durch
-die Hohenems-Laßbergische Handschrift ~C~, als die vollständigste und
-inhaltlich am besten abgerundete von allen, repräsentiert werde, ~B~
-aber und gar erst ~A~ verkürzende Bearbeitungen des in ~C~ vorliegenden
-Originales seien; es waren Adolf Holtzmann („Untersuchungen über das
-Nibelungenlied“) und Friedrich Zarncke („Zur Nibelungenfrage“); sie
-verwarfen natürlich auch die Liedertheorie und behaupteten einheitliche
-Konzeption des Gedichtes. Ihr Auftreten war das Zeichen zum Ausbruche
-eines heftigen, mit großer Hitze geführten Gelehrtenstreites;
-er ist begreiflich, denn während Lachmann von dem kürzesten und
-schlechtesten Texte ausgegangen war, verfielen Holtzmann und Zarncke
-in das entgegengesetzte Extrem, indem sie den längsten, zweifellos
-interpolierten Text zugrunde legten (auch in ihren, zuerst 1857, bez.
-1856 erschienenen Ausgaben).
-
-Einen vermittelnden Standpunkt nahm zuerst Karl Bartsch ein; nachdem
-er ihn bereits 1862 auf einer Philologenversammlung geltend gemacht
-hatte, legte er ihn im einzelnen dar in seinen 1865 erschienenen
-„Untersuchungen über das Nibelungenlied“. Nach seiner Meinung ist
-der Originaltext verloren; wir besitzen nur zwei zu Ende des 12.
-Jahrhunderts entstandene und im wesentlichen durch die Handschriften
-~B~ und ~C~ repräsentierte Überarbeitungen desselben; diese
-Überarbeitungen sollen durch den Umstand veranlaßt sein, daß das
-Original in seiner Reimtechnik noch ziemlich unvollkommen gewesen
-sei; die fortgeschrittenere Kunst des ausgehenden 12. Jahrhunderts
-habe reinere Reime verlangt und dadurch zwei Männer, die voneinander
-nichts wußten, bewogen, das Original im wesentlichen reimbessernd zu
-überarbeiten.
-
-Bartschs Theorie hat sich viel Anhänger erworben, besonders in der
-Anschauung, daß die Handschrift ~B~ zwar nicht das Original, wohl aber
-einen diesem sehr nahestehenden Text biete; dagegen hat die Meinung,
-daß Reimungenauigkeit die Ursache der doppelten Überarbeitung sei,
-fortgesetzt an Boden verloren, weil 1) die große Mehrzahl aller Reime
-beiden Bearbeitungen eigen ist, also aus dem Original stammt, aber auch
-ohne Tadel ist, und 2) Bartsch so verfährt, als ob jede Abweichung der
-beiden Texte voneinander lediglich durch ungenauen Reim des Originals
-veranlaßt sein könnte. In dieser Beziehung ist Bartschs Theorie durch
-Hermann Paul („Zur Nibelungenfrage“, 1876) wesentlich modifiziert
-worden; er gibt zwar zu, daß ~B~ und ~C~ Paralleltexte sind, die auf
-ein verlorenes Original zurückweisen, lehnt aber die Begründung der
-Abweichungen auf Reimungenauigkeiten des Originals ab.
-
-Wesentlich gefördert, besonders in bezug auf die Bestimmung
-aller einzelnen Handschriften, ist neuerdings unsere Kenntnis
-worden durch die schon erwähnte Schrift von Wilhelm Braune „Die
-Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes“ (1900); auch ihm sind
-~B~ und ~C~ im wesentlichen Paralleltexte, doch steht nach seiner
-Meinung ~B~ dem Original so nahe, daß es für dasselbe gelten kann;
-~C~ dagegen ist für Braune eine allmählich entstehende planmäßige
-Überarbeitung: ihr Autor soll längere Zeit an ihr tätig gewesen sein,
-die erste Stufe seiner Arbeit in ~d~ und ihren nächsten Verwandten,
-die zweite desgleichen in ~I~ und die vollendete erst in ~C~ uns
-vorliegen; es ist die vorhin eingehend erörterte, schwierig zu
-beurteilende Handschriftengruppe Id, die Braune zu dieser immerhin
-seltsamen Anschauung veranlaßt hat. Wie diese Gruppe auch einzuordnen
-sein mag, jedenfalls steht heutzutage fest, daß ~B~ dem Originale des
-Gedichtes am nächsten steht, daß ~C~ stark überarbeitet ist, und daß
-~A~ auf irgendwelchen selbständigen Wert keinerlei Anspruch machen
-kann; alles übrige mag immer noch nach subjektivem Empfinden beurteilt
-werden.
-
-Es konnte an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, alle Arbeiten zu
-erwähnen, die unsere Kenntnis von Nibelungenlied und Nibelungensage
-gefördert haben; nur die Marksteine der Entwicklung unserer Kenntnis
-sollten hervorgehoben werden, und das ist geschehen, soweit die
-wissenschaftliche Seite in Frage kommt; nicht geringer aber ist das
-Verdienst derjenigen, die in erster Linie dahin gewirkt haben, die alte
-Dichtung unserm Volke wieder näher zu bringen, der Übersetzer und der
-modernen Bearbeiter. Von jenen erwähne ich nur Karl Simrock, der seine
-Übersetzung bereits 1827 erscheinen ließ; heute (1906) liegt sie in
-58. Auflage vor; sie ist diejenige, die sich am treuesten von allen
-dem Original anschmiegt, und deshalb besonders geeignet zur ersten
-Einführung in das Verständnis des alten Gedichtes. Daher habe ich sie
-1909 für Meyers Klassiker-Ausgaben neu herausgegeben, sowie mit einer
-Einleitung und den Text Schritt für Schritt begleitenden Anmerkungen
-versehen.
-
-
-
-
-IX.
-
-Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage.
-
-
-Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine ganze Reihe von Dichtern
-ihre Stoffe aus dem alten Liede und aus den verwandten Gebieten
-entnommen; in moderner, freier Weise sind sie unter Bewahrung ihrer
-dichterischen Selbständigkeit auf Grund der alten Sage dichterisch
-wirksam gewesen; sie alle hier aufzuzählen und durchzusprechen, wäre
-ganz unmöglich; nur die drei bedeutendsten, Richard Wagner, Friedrich
-Hebbel und Wilhelm Jordan, sollen erwähnt und gewürdigt werden. In
-der Reihenfolge wie sie eben genannt sind, haben sie ihre Texte
-verfaßt, aber ihre Wirkung hat sich in ganz anderer Folge geltend
-gemacht. Wagner war unter ihnen der erste, der sich als moderner
-Dichter des alten Stoffes bemächtigte. Er hat sein dramatisches
-Gedicht „der Ring des Nibelungen“ im Jahre 1853 vollendet, in der
-Zeit seines Aufenthaltes in Zürich, als er infolge seiner Beteiligung
-an der Dresdener Revolution in der Verbannung lebte. In Zürich stand
-er in Beziehung zu den Gelehrten der Universität, besonders dem
-Germanisten Ludwig Ettmüller; man erkennt aus der Art, wie Wagner den
-Stoff angreift, sehr deutlich den damaligen Stand der Wissenschaft,
-insbesondere der Sagenforschung. Wagner ist durchaus von ihm abhängig,
-ein Umstand, aus dem man Wagner natürlich keinen Vorwurf machen kann.
-Eher kann man ihm vorwerfen, daß er (obgleich er als Dichter das Recht
-dazu hat) gar so willkürlich mit dem Stoffe umspringt. Er hat die
-Erzählung auf der einen Seite nur bis Siegfrieds Tod durchgeführt,
-so daß der ganze grandiose zweite Teil vollständig wegfällt; auf
-der andern Seite hat er die Geschichte der Siegfriedsage, verführt
-durch die damalige Anschauung der Mythenforscher, in die Göttersage
-hinaufgehoben.
-
-Sein Werk besteht aus vier Teilen: Dem Vorspiel „Rheingold“ und den
-drei Teilen der Trilogie „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“.
--- Im „Rheingold“ schildert Wagner im Anschluß an die Darstellung
-der Edda, aber unter ganz freier Umgestaltung dieser Geschichte, die
-Herkunft des Ringes. Dieser Ring ist das wesentlichste Stück des
-Hortes, denn er kann den Hort immer neu gebären; solange der Ring
-existiert, wird der Hort nicht kleiner. „Der Ring des Nibelungen“
-heißt Wagners Gedicht. Der Nibelunge, den der Titel meint, ist der
-ursprüngliche Besitzer des Rings. Im „Rheingold“ also wird erzählt, wie
-diesem ursprünglichen Besitzer, der ein Abbild des Zwerges Andvari der
-Edda ist, der Hort entrissen wird.
-
-In der „Walküre“ wird entwickelt, wie die Walküre Brynhild dazu
-kommt, sich Wodans Willen zu widersetzen, so daß sie vom Gotte
-bestraft und in Schlaf versenkt wird; diese von uns als jüngste
-Fassung charakterisierte Form der Brynhild-Geschichte hat Wagner als
-Grundlage gewählt, weil der Gott hier tätig eingreift; Wagner geht von
-der Voraussetzung aus, daß die Beziehungen der Nibelungensage zu den
-Göttern alt seien; ja, er hat die Entwicklung der Nibelungengeschichte
-direkt als einen Teil der Entwicklung der Göttergeschichte hingestellt.
-
-Im zweiten Hauptteile „Siegfried“ wird dann geschildert, wie der junge
-Siegfried aufwächst, den Drachen tötet und die Walküre befreit.
-
-Im dritten Teile sehen wir ihn zunächst die Walküre verlassen und dann
-plötzlich in die Gewalt der Gegner verfallen, die dargestellt werden
-als echte Nibelungen, als Angehörige des ursprünglichen Besitzers
-des Ringes. „Götterdämmerung“ heißt dieser letzte Teil, weil mit dem
-Untergange Siegfrieds der Untergang der alten Götterwelt nach Wagners
-Auffassung besiegelt ist; unter „Götterdämmerung“ versteht man infolge
-eines seltsamen Irrtums die Eschatologie der Nordgermanen. Ursprünglich
-lautet das Wort, das man sich mit „Götterdämmerung“ wiederzugeben
-gewöhnt hat, ~ragna rok~, d. i. Götterschicksal, also ein ganz
-passender Ausdruck für das, was man sich in der spätnordischen Zeit
-kurz vor Einführung des Christentums als Entwicklung der Götterwelt
-dachte; später mißverstand man ihn, weil man nicht mehr ~ragna rok~
-las, sondern ~ragna rökkr~, d. i. Götterverfinsterung; diesen an sich
-kaum verständlichen Ausdruck hat man im Deutschen mit „Götterdämmerung“
-wiedergegeben; so hat dies Wort den Sinn von „Weltuntergang“ erlangt.
-
-Was das Formale bei Wagner angeht, so hat er seine Dichtung in
-stabreimenden Versen abgefaßt, und zwar wechselt er nach Belieben,
-aber geleitet von einem bestimmten rhythmischen Gefühl zwischen zwei-
-und dreihebigen stabreimenden Versen ab. Daß er in der Behandlung der
-einmal gewählten Form glücklich gewesen ist, kann man nicht behaupten.
-Gewiß würde Wagners Dichtung schwerlich irgendwelchen Einfluß erlangt
-haben, wenn Wagner nur Dichter, nicht auch der große Komponist gewesen
-wäre. Aber die Komposition des Ringes ist erst mehr als 20 Jahre später
-bekannt geworden: zum ersten Male wurde sie in Baireuth im August 1876
-vorgeführt. Mit dieser seiner so wirkungsvollen Komposition hat Wagner
-allerdings für die Wiederbelebung des Interesses an der alten Sage das
-Höchste beigetragen, durch sein großes Tonwerk hat er für sie wohl am
-allertiefsten und mächtigsten gewirkt. Um so mehr darf man bedauern,
-daß er, unbeschadet wundervoller Einzeldarstellung (besonders im
-Siegfried), dem Geiste der alten Sage so wenig gerecht geworden ist.
-
-Der nächste, der sich an den alten Stoff gewagt hat, ist Hebbel. Er
-ließ im Jahre 1862 die große Dichtung „Die Nibelungen“ erscheinen,
-abermals ein Drama; es umfaßt ein Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ und
-zwei fünfaktige Trauerspiele „Siegfrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“.
-„Siegfrieds Tod“ entspricht im wesentlichen dem ersten, „Kriemhilds
-Rache“ im wesentlichen dem zweiten Teile unseres Nibelungenliedes.
-Im Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ wird nur geschildert, durchaus
-im Anschluß an unser Lied, wie Siegfried in Worms erscheint und
-aufgenommen wird. Der Titel „Der gehörnte Siegfried“ ist von Hebbel
-natürlich unter dem Einfluß des Volksbuches gewählt. Hebbels Form ist
-die seit den Zeiten unserer Klassiker im Drama übliche, der fünfhebige
-Blankvers. Inhaltlich schließt sich Hebbel so genau wie nur irgend
-möglich an unser Nibelungenlied an, und man kann nicht genug die
-Kunst bewundern, mit der er es versteht, diesen doch manchmal recht
-spröden Stoff aus dem Epischen ins Dramatische umzusetzen und damit
-notwendigerweise die vielen Anstöße, die sich bei der Betrachtung des
-Liedes aufdrängen, zu umgehen oder zu beseitigen. Mit virtuoser Kunst
-hat Hebbel das durchgeführt, und seine Arbeit dürfte unter den hier
-zu besprechenden bei weitem am besten gelungen sein. Vor allen Dingen
-ist er möglichst treu, nimmt den Stoff, wie er gegeben ist, und tut
-nicht allzuviel Eigenes hinzu. Das Hinzufügen neuer Gedanken soll
-damit natürlich nicht allgemein verurteilt werden, allein es bringt
-bei der Behandlung alter Stoffe doch die Gefahr mit sich, daß es von
-der Grundlage fühlbar absteht und den Eindruck von grellen Mißtönen
-hervorruft. Mit feiner Empfindung ist Hebbel daher im Hineinbringen
-neuer, eigener Gedanken sehr sparsam verfahren; eigentlich hat er nur
-zwei selbständige Zutaten gebracht: die eine besteht in der Art, wie
-er Brünhilt zur Zeit, da sie als Mädchen in Island lebt, auffaßt;
-ihr wird eine alte Magd, namens Fricka, an die Seite gestellt, die
-sie erzogen hat und gewissermaßen die alte Zeit, das alte Heidentum,
-repräsentiert; Brünhilts Person wird hauptsächlich durch das Hinzufügen
-dieser Fricka in eine übernatürliche, göttliche Sphäre hinaufgehoben.
-Die andre Zutat liegt in der am Schlusse der ganzen Dichtung erst
-deutlicher hervortretenden Auffassung Dietrichs von Bern. Auf welche
-Weise Dietrich an den Hof des Hunnenkönigs gekommen ist, läßt Hebbel
-einigermaßen im unklaren; er behauptet, Dietrich sei freiwillig,
-ohne durch irgendwelche äußern Umstände genötigt zu sein, an den Hof
-Etzels gekommen unter dem Einfluß gewisser übernatürlicher, mythischer
-Gewalten. Dietrich selbst erzählt einmal, wie er in einem Brunnen die
-Stimmen der Unterirdischen belauscht habe; damit wird sein Entschluß
-begründet, freiwillig in die Dienste eines andern Königs zu treten,
-obgleich er selbst ein König und dem erwählten Herrn mindestens
-ebenbürtig ist. Dietrich vertritt bei Hebbel die neue Zeit. Er
-verwaltet in der großen Tragödie ein göttliches Richteramt und spricht
-das Schlußwort:
-
- Im Namen dessen, der am Kreuz erblich.
-
-Dietrich ist also bei Hebbel der Vertreter des Christentums, wie
-andrerseits Brünhilt die Vertreterin des germanischen Heidentums ist.
-Diese beiden Pole stellt der Dichter einander gegenüber, und als
-Übergang und Verbindung beider denkt er sich die Ereignisse unseres
-Liedes.
-
-Das ist im wesentlichen alles, was Hebbel aus Eigenem zu dem sonst
-treu bewahrten Inhalt des Liedes hinzugetan hat; man empfindet leicht,
-daß dies Wenige schon über das eigentliche innere Wesen der alten
-Sage hinausgeht; auch Hebbel ist in seinen Zutaten nicht glücklich
-gewesen, wenn er auch nicht so weit, wie vor ihm Wagner und nach ihm
-Jordan, von der alten Sage abgewichen ist. Hebbels Werk wird erst
-neuerdings anerkannt, doch noch lange nicht genug gewürdigt; sicher
-ist er derjenige, der einerseits den alten Stoff sich am innigsten
-zu eigen gemacht und andrerseits mit der größten dramatischen Kunst
-zur Darstellung gebracht hat. In der Zeit, da die „Nibelungen“
-erschienen, stießen sie auf Unverstand und Übelwollen; es erschien
-eine (übrigens gar nicht so üble) Parodie des Hebbelschen Werkes unter
-dem Titel „Die Niegelungnen“, wenn ich nicht irre, aus der Feder des
-Humoristen Glasbrenner, der sich Brennglas nannte.[58] Immerhin --
-auch in der Verspottung liegt ein Maß von Anerkennung; Wertloses lohnt
-die Mühe des Parodierens nicht; und in diesem Sinne der (vielleicht
-unbeabsichtigten) Anerkennung können wir Glasbrenners Scherze wohl
-gelten lassen.
-
-Der dritte namhafte moderne Bearbeiter unserer alten Sage ist Wilhelm
-Jordan. Er hat im Anschluß an Homer und unter dem bewußten Bestreben,
-ein deutscher Homer zu werden, die alte Sage behandelt; schon in der
-äußern Form seiner Dichtung „Die Nibelunge“ erkennt man dies Streben.
-Während Wagner und Hebbel Dramatiker sind, ist Jordan Epiker. Er
-gliedert seinen Stoff in zwei umfangreiche Epen, „Sigfridsage“ und
-„Hildebrands Heimkehr“ betitelt. Jedes dieser Epen umfaßt 24 Gesänge,
-genau nach dem Vorbilde der Einteilung Homers. Die gewählte Form ist
-ein freifließender Vers, stichisch wie der Hexameter des griechischen
-Vorbildes; mit großem Geschick hat Jordan nicht den für das deutsche
-Epos doch so fremdartig anmutenden, wenig geeigneten Hexameter gewählt,
-sondern den altgermanischen stabreimenden Vers nachzubilden gesucht.
-
-Die Anlehnung an Homer ist, wie gesagt, bei Jordan bewußt; ist er doch
-sogar als Rhapsode, als wandernder Sänger in Deutschland und Amerika
-herumgezogen und hat seine eigenen Dichtungen vorgetragen. Und gerade
-sprachlich sind sie von wunderbarer Schönheit; wenig eignet sich so zum
-Vorlesen, wie Jordans „Nibelunge“ wegen der reinen Musik ihrer Sprache.
-
-Was den Inhalt angeht, so hat sich Jordan in der Sigfridsage im
-wesentlichen an den alten Stoff gehalten, und zwar in ziemlich
-menschlicher Auffassung der alten Erzählung. Insofern ist er also der
-alten Sage wohl gerecht geworden. Selbstverständlich behandelt er in
-dem Gedichte „Sigfridsage“ nur ihren ersten Teil. Den zweiten hat er
-als Episode in sein zweites Epos, „Hildebrands Heimkehr“, verwiesen;
-in diesem hat er sich freilich hinreißen lassen, sehr viel aus Eigenem
-hinzuzutun; der ganze Rahmen von „Hildebrands Heimkehr“ ist Jordansches
-Eigentum, die alte Sage ist ganz frei behandelt, sogar mit Ausblicken
-auf modernste Geschichte, und so geht denn „Hildebrands Heimkehr“
-weit über den Inhalt unserer Nibelungensage hinaus. -- Die Dichtungen
-Jordans sind erschienen: „Sigfridsage“ 1867 und 68, „Hildebrands
-Heimkehr“ 1874.
-
-In der Art, wie Jordan den altgermanischen Vers auf die heutige
-Sprachform anwendet, beweist er großes formales Geschick: jeder Vers
-hat bei ihm vier Hebungen, die durch ein- bis zweisilbige Senkungen
-getrennt sind, und ist in der Mitte durch einen Einschnitt gegliedert.
-Der Stabreim verbindet (in der Regel) mindestens je eine Hebung vor
-und nach dem Einschnitt miteinander; doch weicht Jordan vom Gesetz des
-altgermanischen Verses insofern ab, als er nicht mehr die dritte Hebung
-(d. i. die erste der zweiten Vershälfte) unter allen Umständen mit
-Stabreim versieht, für den Schmuck des Verses also nicht mehr maßgebend
-sein läßt; zu dieser Abweichung berechtigt Jordan die Entwicklung
-unserer Sprache: altgermanische Syntax stellt bei Verbindung zweier
-Nomina das höher betonte unbedingt voran; eben dies aber mußte und
-muß den Stabreim tragen, soll er hörbar sein; wir ordnen heute die
-Wortfolge in der Regel umgekehrt, stellen also z. B. auch ein wenig
-wichtiges Adjektiv vor das zugehörige Substantiv; davon ist die
-notwendige Folge, daß bei ungezwungenem Bau stabreimender Verse viel
-eher die vierte Hebung wichtig wird als die dritte. Um einen Begriff
-von Jordans Weise zu geben, setze ich den Eingang des ersten Gesanges
-der „Sigfridsage“ hierher:
-
- Zu =s=üßem Ge=s=ang, unsterbliche =S=age,
- Laß =m=ich nun dein =M=und sein voll uralter =M=ären
- Und =l=eg’ auf die =L=ippen das =L=ied von Sigfrid,
- Dem =h=errlichen =H=elden mit furchtlosem =H=erzen,
- Der den =H=üter des =H=ortes den =L=intwurm er=l=egte,
-
- Durch die =fl=ammende =Fl=ur auf =fl=üchtigem Rosse
- Den =Br=autritt voll=br=achte und =Br=unhild erweckte,
- Die der =z=ürnende =G=ott im =Z=auber=g=arten
- Zu =schl=afen ver=d=ammt und mit =D=ornen um=schl=ossen.
-
-Von diesen neun Versen sind drei (3., 6., 7.) dreistäbig mit nach
-alter Weise herrschender dritter Hebung, drei (1., 2., 4.) dreistäbig
-mit herrschender vierter Hebung. Zwei (8., 9.) haben doppelten
-Stabreim, insofern als in ihnen die erste Hebung mit der dritten (bzw.
-vierten), die zweite mit der vierten (bzw. dritten) gebunden ist; solch
-doppelter Stabreim kommt auch in der alten Zeit vor, doch immer so, daß
-gleichhochbetonte Silben gleichen Anlaut aufweisen; der Stabreim der
-minder betonten erscheint als etwas Nebensächliches und Zufälliges;
-nach diesem Gesichtspunkte müßte Jordan zunächst in Vers 8 die zweite
-Hebung mit der dritten, in Vers 9 die erste Hebung mit der dritten
-gebunden haben; die Verse sind also falsch gebaut, ihr Reim würde bei
-richtigem Vortrage ohne jede Wirkung sein. Falsch gebaut ist zweifellos
-auch Vers 5, dessen beide Hälften nur in sich reimen, also auseinander
-klaffen.
-
-Wagner, Hebbel und Jordan sind die bedeutendsten modernen Bearbeiter
-der Nibelungensage; von ihnen steht, was die glücklichste Auffassung
-der alten Sage, das tiefste Eindringen in ihren Geist angeht,
-zweifellos Hebbel an erster, Wagner an letzter Stelle. Allein gerade
-Wagner ist es natürlich, der am meisten dazu beigetragen hat, das
-Interesse am heimischen Altertum in weitesten Kreisen zu erwecken:
-durch die wunderbare musikalische Komposition seines „Ringes“, die
-er zum ersten Male im August 1876 dem deutschen Volke und der ganzen
-Kulturwelt darbot, hat er so gewaltig für die Kenntnis der alten Sage
-gewirkt, daß jeder Freund derselben ihm größten Dank schuldig ist.
-
-
-
-
-Anhang.
-
-Literatur.
-
-
-Außer den im Verlaufe der Darstellung herangezogenen Werken sollen hier
-noch diejenigen Schriften Erwähnung finden, welche am besten geeignet
-sind, als Hilfsmittel zum Selbststudium zu dienen.
-
-Die umfassendste Ausgabe des Nibelungenliedes ist die von Karl
-+Bartsch+: Der Nibelunge Not mit den Abweichungen von der Nibelunge
-Liet, den Lesarten sämtlicher Handschriften und einem Wörterbuche.
-I. Teil: Text, 1870. II. Teil, erste Hälfte: Lesarten, 1876. II.
-Teil, zweite Hälfte: Wörterbuch, 1880. Wegen ihrer reichen Einleitung
-besonders empfehlenswert ist die Ausgabe von Friedrich +Zarncke+: Das
-Nibelungenlied, 6. Auflage 1887; sie gibt freilich nur den Text ~C~,
-kann aber zusammen mit Karl +Lachmanns+ Ausgabe (Der Nibelunge Noth
-und die Klage nach der ältesten Überlieferung mit Bezeichnung des
-Unechten und mit den Abweichungen der gemeinen Lesart, fünfte Ausgabe
-1878) fürs erste die Ausgabe von Bartsch vertreten. Bloße Textabdrücke
-nach Lachmann oder Zarncke sind wertlos. -- +Bartsch+ hat auch die
-beste Ausgabe der +Klage+ geliefert (1875, mit den Lesarten sämtlicher
-Handschriften).
-
-Für die sog. Edda ist zu empfehlen Karl +Hildebrands+ Ausgabe:
-Die Lieder der älteren Edda, 2. Auflage 1904, besorgt von Hugo
-+Gering+, und des ebengenannten mustergültige Übersetzung (in Meyers
-Klassiker-Ausgaben).
-
-Die nordischen Sagatexte sind am leichtesten zugänglich durch die
-„Altdeutschen und altnordischen Helden-Sagen“, übersetzt von Friedrich
-Heinrich v. d. Hagen, 1. und 2. Band: Wilkina- und Niflungasaga[59] (3.
-Ausgabe 1872), 3. Band: Wolsunga- und Ragnarssaga (2. Auflage, besorgt
-von Anton Edzardi, 1880). Sie alle sind in deutscher Wiedergabe auch
-enthalten in dem umfassenden Werke von August +Raßmann+, „Die deutsche
-Heldensage“ (2. Ausgabe 1863); seiner Reichhaltigkeit wegen ist dies
-Buch sehr zu empfehlen, doch kann man es nur mit größter Vorsicht
-benutzen, da Raßmann den Stoff nach vorgefaßten haltlosen Meinungen
-willkürlich geordnet hat.
-
-Von Schriften über Lied und Sage seien außer den gelegentlich zitierten
-erwähnt: Karl +Müllenhoff+, Zur Geschichte der Nibelungensage
-(Zeitschrift für deutsches Altertum, Band X, 1855); Wilhelm +Wilmanns+,
-Beiträge zur Erklärung und Geschichte des Nibelungenliedes, 1877;
-Emil +Kettner+, Die österreichische Nibelungendichtung, 1897,
-und besonders Wilmanns’ eingehende, an feinen Bemerkungen reiche
-Besprechung des Lichtenbergerschen Buches ~Le poème et la légende des
-Nibelungen~ (im Anzeiger für deutsches Altertum, Band XVIII, 1892);
-endlich +Boer+, Untersuchungen über den Ursprung und die Entwicklung
-der Nibelungensage, 3 Bände, 1906-9. Eine gute Übersicht über die
-Bibliographie gibt jetzt Theodor +Abeling+, Das Nibelungenlied und
-seine Literatur, 1907, dazu ein Supplement 1909; eine glänzende
-Einführung in die Geschichte des Auferstehens des alten Epos bietet
-Josef +Körner+, Nibelungenforschungen der deutschen Romantik, 1911.
-
-
-
-
-Namenregister.
-
-
-Die Zahlen bedeuten die Seiten.
-
- A
-
- Abeling, Theodor 138.
-
- Aetius 67.
-
- Agnar 21.
-
- Alberich 34, 39.
-
- Aldrian 63, 92.
-
- Alf 18, 20.
-
- Alphart 118.
-
- Alsvinn 22.
-
- Alzei 49.
-
- Ambras, Schloß 102.
-
- Amelreich 47.
-
- Ammius 95.
-
- Andvari 19, 131.
-
- Arnulf, König 3.
-
- Aslaug 21, 29.
-
- Athanagild 74, 75.
-
- Atli 7, 24, 26 ff., 78, 90.
-
- Attila 9, 53, 56, 63, 67 ff., 82 f., 86, 88 f., 91 f., 95 f., 99.
-
-
- B
-
- Bartsch, Karl 51, 55, 85, 109, 112, 126, 128, 137.
-
- Bayreuth 132.
-
- Bechelaren 48, 98.
-
- Berlin 102, 125.
-
- Bikki 28.
-
- Bleda 69, 95, 99.
-
- Bleyer 106.
-
- Blödel 51, 85, 99.
-
- Bodmer 123 f.
-
- Boer 138.
-
- Borghild 17.
-
- Bragi der Alte 90.
-
- Braune, Wilhelm 34, 103, 128 f.
-
- Bremen 11.
-
- Brünhilt 37 ff., 73, 75, 85 ff., 94, 107, 133.
-
- Brunichild 74 ff., 81, 86, 89.
-
- Brüssel 80.
-
- Brynhild 6 ff., 21 ff., 29, 33, 59 ff., 76, 90, 131.
-
- Busch 111.
-
-
- C
-
- Charibert 74.
-
- Cherka 99.
-
- Childebert 75.
-
- Childebrand 79.
-
- Chilperich 74 ff.
-
- Chloderich 77.
-
- Chlodowech 74, 77.
-
- Chlothachari I. 74.
-
- Chlothachari II. 75.
-
-
- D
-
- Dankrat 33.
-
- Dankwart 37, 48, 50 ff., 61 f., 85, 107, 110, 126.
-
- Dietlind 48, 53.
-
- Dietmar 96 f.
-
- Dietrich von Bern 11 f., 48 f., 51 f., 54 ff., 60 ff., 93, 96 ff.,
- 111, 118 ff., 133.
-
- Donaueschingen 102.
-
- Dülmen 101.
-
-
- E
-
- Eberhard der Greiner 32.
-
- Eckehard I. 81 ff., 112.
-
- Eckewart 48, 100.
-
- Eisenach 118.
-
- Elba 1.
-
- Else 47.
-
- Erka 99.
-
- Ermanarich 28, 94 f., 97.
-
- Ermanfrid 53.
-
- Ermenrich 94, 96, 98.
-
- Ernst, Herzog 107.
-
- Erp 27 f.
-
- Ettmüller, Ludwig 130.
-
- Etzel 7, 44 ff., 48 ff., 55 ff., 63 f., 84, 97 ff., 105, 107, 111,
- 115, 120, 133.
-
- Etzelnburg 45, 48, 64.
-
-
- F
-
- Fafnir 6, 18 ff., 25, 29, 59.
-
- Fitela 78.
-
- Florigunda 121 f.
-
- Fortunatus 74.
-
- Fredegund 74 ff.
-
- Fricka 133.
-
- Friedrich II., Kaiser 116.
-
- Friedrich II. von Preußen 124 f.
-
-
- G
-
- Gailswinth 74 ff.
-
- Gelfrat 47.
-
- Gering, Hugo 13 f., 21, 137.
-
- Gernot 54, 65, 69, 94.
-
- Gernoz 94.
-
- Gertrud, Hl. 80.
-
- Gibaldus 121.
-
- Gibeche 23, 68.
-
- Gibica 23, 68, 69.
-
- Gibich 23, 33, 65, 68, 82, 121.
-
- Giselher 35, 48 f., 62, 65, 68 f.
-
- Gislaharius 68.
-
- Gjuki 13, 23 ff., 33, 68.
-
- Glasbrenner 134.
-
- Goar 66.
-
- Goethe 125.
-
- Gottsched 123.
-
- Gran 45.
-
- Gregor von Tours 74.
-
- Grimhild 23, 61 f., 69 f., 76, 87 ff., 91 ff.
-
- Grimilda 91.
-
- Grimm, Jakob 127.
-
- Gripir 6.
-
- Gudorm 23, 25, 69, 89.
-
- Gudrun 7, 23 ff., 27 ff., 33, 51, 63, 70, 78, 90, 95.
-
- Gundaharius 68.
-
- Gundebad 68.
-
- Gundicarius 66 ff., 76 f., 86.
-
- Gundomar 68 f.
-
- Gunnar 23 ff., 39, 62, 67, 69, 81, 90.
-
- Gunthchramn 74, 76.
-
- Günther 23, 33 ff., 45, 52, 54 f., 60 f., 63, 65, 67 f., 79, 81 f.,
- 85, 87 ff., 99.
-
-
- H
-
- Hagen (von Tronje) 23, 34 f., 37, 42 f., 45 ff., 53 ff., 60 ff., 81
- ff., 88 f., 92, 99, 107, 110 f., 115.
-
- Hagen, F. H. von der 125 f., 137.
-
- Hamdir 8, 27, 95.
-
- Harfagri, Harald 29.
-
- Hawart 53.
-
- Hebbel, Friedrich 130, 132 ff., 136.
-
- Heimir 22, 24, 29.
-
- Heinrich III. 97.
-
- Heinrich der Vogler 119.
-
- Heinrich von Ofterdingen 118.
-
- Heinrich von Österreich 110.
-
- Helche 45, 95, 99.
-
- Helgi 17.
-
- Henning 111.
-
- Herche 95, 99.
-
- Hildebrand, Karl 137.
-
- Hildiko 69, 70, 86, 89.
-
- Hiltebrand 54 f., 62, 98 f.
-
- Hiltegund 82.
-
- Hjalmgunnar 21.
-
- Hjalprik 18.
-
- Hjordis 17 f.
-
- Hlymdalir 22.
-
- Hogni 23 ff., 69, 81.
-
- Högni 64.
-
- Hohenems 102, 123 f.
-
- Holtzmann, Adolf 34, 105, 123, 127.
-
- Homer 134.
-
- Hönir 19.
-
- Honorius 66 f., 96.
-
- Hreidmar 18 f.
-
- Hugdietrich 117.
-
- Hundeshagen 102.
-
-
- I
-
- Idacius 67.
-
- Iring 53, 111.
-
- Irnfrid 53.
-
- Isung 58, 60, 63.
-
-
- J
-
- Jason 73.
-
- Jonakr 27.
-
- Jordan, Wilhelm 87, 130, 134 ff.
-
- Jordanes 94 f., 98.
-
- Jormunrek 28.
-
- Jovinus 66.
-
-
- K
-
- Karl der Große 36.
-
- Karl der Hammer 79.
-
- Kerka 95.
-
- Kettner, Emil 138.
-
- Kézai, Simon 106.
-
- Kindleben 121.
-
- Kirchheim 27.
-
- Konrad (Abt) 105.
-
- Konrad (Schreiber) 9, 93, 112 f.
-
- Konstantinopel 96.
-
- Kopenhagen 5.
-
- Körner, Josef 138.
-
- Kriemhilt 7, 23, 33, 35 f., 40 ff., 48 ff., 58, 65, 70, 93 f., 99 f.,
- 105, 110 f., 118 ff.
-
- Kudrun 90, 115 f.
-
- Kürnberger 111.
-
-
- L
-
- Lachmann, Karl 101, 109, 111 f., 126 f., 137.
-
- Laßberg, Frhr. von 102.
-
- Laurin, König 117 f.
-
- Laward, Knut 91.
-
- Lazius 102.
-
- Leopold I. 110.
-
- Liudegast 36, 42.
-
- Liudeger 36, 42.
-
- Lodbrok, Ragnar 8, 21, 29.
-
- Loki 19.
-
- Lorsch, Kloster 105.
-
- Lyngbye 64.
-
- Lyngwi 17, 20.
-
-
- M
-
- Magnus 91.
-
- Maihingen 102.
-
- Mainz 19, 67, 78, 105.
-
- Maximilian I. 102, 120.
-
- Medea 73.
-
- Meusebach 102.
-
- Mimir 59 f.
-
- Müllenhoff, Karl 111, 138.
-
- München 102.
-
- Münster 11.
-
- Myller 124, 126.
-
-
- N
-
- Napoleon 1.
-
- Nibelung 34.
-
- Nikolaus, Abt 19.
-
- Nithart von Riuwental 105 f.
-
- Nivelles 80.
-
- Nudung 98.
-
-
- O
-
- Obereit 123.
-
- Oddi 4.
-
- Oddrun 7.
-
- Odin 8, 14 f., 17, 19, 21 f.
-
- Odoaker 96 f.
-
- Ofen (Budapest) 45.
-
- Olaf 9.
-
- Ortlieb 46, 51 f.
-
- Ortnid 116 f.
-
- Otacker 96, 98.
-
- Otr 18 f.
-
- Otto der Große 97.
-
-
- P
-
- Paderborn 19.
-
- Panzer, Fr. 106.
-
- Patafrid 82 f.
-
- Paul, Hermann 128.
-
- Pfeiffer 111.
-
- Pilgrim, Bischof von Passau 9, 93, 109, 113.
-
- Pipin der Ältere 80.
-
- Pipin der Mittlere 79.
-
- Pöchlarn 98.
-
- Poitiers 78.
-
- Procopius von Caesarea 95.
-
- Prosper Aquitanus 67.
-
-
- R
-
- Randver 28.
-
- Raßmann, August 138.
-
- Ravenna 96 ff.
-
- Regin 6, 18 ff., 59.
-
- Reinmar der Alte 110.
-
- Rerir 8.
-
- Rheka 95.
-
- Rieger 111.
-
- Rietschel 78.
-
- Roethe, G. 112.
-
- Rüdeger von Bechelaren 45, 48, 50, 52 ff., 97 ff., 111.
-
-
- S
-
- Sämund 5.
-
- Santen 34.
-
- Sarus 95.
-
- Saxo Grammaticus 95.
-
- Schilbung 34.
-
- Schlegel, Aug. Wilh. 125.
-
- Schönbach 116.
-
- Seifrid 10 f., 64 f., 119, 121, 123.
-
- Sibich 98.
-
- Siefjotli 16 f., 78.
-
- Siegfrid 6, 11, 16, 18, 34 ff., 49, 55 ff., 71, 73, 76 ff., 81, 83
- ff., 91, 94, 112, 118 ff., 131 f.
-
- Siegwart 76.
-
- Sîfrit 34.
-
- Sigebert 74 ff., 81.
-
- Sigelind 34.
-
- Sigemund 34, 41, 43 f., 78, 84.
-
- Siggeir 15 ff., 78.
-
- Sigi 8, 15.
-
- Sigmund 8, 15 ff., 20, 58, 60, 65, 78 f., 86.
-
- Signy 15 f., 18, 29, 78.
-
- Sigrdrifa 6, 21.
-
- Sigurd 6 ff., 13, 18, 20 ff., 33, 39 f., 76, 81.
-
- Simrock, Karl 102, 129.
-
- Sisibe 58.
-
- Siward 91.
-
- Soest 11.
-
- Sorli 27, 29, 95.
-
- Speier 67.
-
- Sterzing 101.
-
- St. Gallen 102, 106.
-
- Straßburg 67, 117.
-
- Sturluson, Snorri 4 f.
-
- Suanihilda 95.
-
- Svanhild 27 f., 55.
-
- Sveinsson, Brynjolf 5.
-
- Swemmel 84.
-
-
- T
-
- Theodemer 96.
-
- Theodorich der Große 56, 96 f.
-
- Trajan 84.
-
- Troja 83 f.
-
- Tronje 83 f.
-
- Troye 83.
-
- Troyes 83.
-
- Trünne 83.
-
- Tryggvi 9.
-
- Tuln 45.
-
-
- U
-
- Uhland 32.
-
- Ute 33, 105.
-
-
- V
-
- Verona 49, 97.
-
- Vitry 75.
-
- Volker 49 f., 52 f., 64, 84, 110.
-
- Volsung 8.
-
-
- W
-
- Wæls 15, 78.
-
- Wagner, Richard 8, 16 f., 130 ff., 134, 136.
-
- Wallerstein 102.
-
- Walther 82 f., 86, 115.
-
- Werbel 84.
-
- Wernher der Gärtner 119.
-
- Wieland 98.
-
- Wien 45 f., 105, 109.
-
- Wilmanns, Wilh. 138.
-
- Witig 98.
-
- Wodan 15.
-
- Wolf, Friedr. Aug. 127.
-
- Wolfdietrich 116 ff.
-
- Wolfhart 54, 99.
-
- Wolfram von Eschenbach 10, 105, 117.
-
- Wolsung 15 f.
-
- Worms 33 ff., 41 ff., 48, 57 f., 63, 65, 67, 77 f., 82, 112, 117 f.,
- 126, 131 f.
-
-
- X
-
- Xanten 34, 84.
-
-
- Z
-
- Zarncke, Friedrich 106, 127, 137.
-
- Zeizenmure 105, 126.
-
- Zeno 96 f.
-
- Zeune, August 1, 126.
-
- Zürich 130.
-
-
-
-
- Druck von Hallberg & Büchting
- (Inh.: Alfred Klepzig) in Leipzig.
-
-
-
-
-Wissenschaft und Bildung
-
-Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens
-
- Im Umfange von 130-180 Seiten
- Geh. 1 M. Originalleinenbd. 1.25 M.
-
-
-Die Sammlung bringt aus der Feder unserer berufensten Gelehrten
-in anregender Darstellung und systematischer Vollständigkeit die
-Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung aus allen Wissensgebieten.
-:: :: :: ::
-
-Sie will den Leser schnell und mühelos, ohne Fachkenntnisse
-vorauszusetzen, in das Verständnis aktueller wissenschaftlicher
-Fragen einführen, ihn in ständiger Fühlung mit den Fortschritten der
-Wissenschaft halten und ihm so ermöglichen, seinen Bildungskreis
-zu erweitern, vorhandene Kenntnisse zu vertiefen, sowie neue
-Anregungen für die berufliche Tätigkeit zu gewinnen. Die Sammlung
-„+Wissenschaft und Bildung+“ will nicht nur dem Laien eine belehrende
-und unterhaltende Lektüre, dem Fachmann eine bequeme Zusammenfassung,
-sondern auch dem Gelehrten ein geeignetes Orientierungsmittel sein, der
-gern zu einer gemeinverständlichen Darstellung greift, um sich in Kürze
-über ein seiner Forschung ferner liegendes Gebiet zu unterrichten. Der
-weitere Ausbau der Sammlung wird planmäßig durchgeführt. Abbildungen
-werden den in sich abgeschlossenen und einzeln käuflichen Bändchen nach
-Bedarf in sorgfältiger Auswahl beigegeben.
-
-[Illustration]
-
-Über die bisher erschienenen Bändchen vergleiche den Anhang
-
-
-
-
-Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig
-
-Naturwissenschaftliche Bibliothek für Jugend und Volk
-
- Geb. M. 1.80
-
- Geb. M. 1.80
-
-Herausgegeben von +Konrad Höller+ und +Georg Ulmer+. =Reich
-illustrierte= Bändchen im Umfange von =140 bis 200 Seiten=.
-
-In die Liste der von den Vereinigten Jugendschriften-Ausschüssen
-empfohlenen Bücher aufgenommen.
-
-=Aus Deutschlands Urgeschichte.= Von +G. Schwantes+.
-
- „Eine +klare und gemeinverständliche Arbeit+, erfreulich durch die
- weise Beschränkung auf die gesicherten Ergebnisse der Wissenschaft;
- erfreulich auch durch den lebenswarmen Ton.“
-
- Frankfurter Zeitung.
-
-
-=Der deutsche Wald.= Von Prof. ~Dr~. +M. Buesgen+.
-
- „Unter den zahlreichen, für ein größeres Publikum berechneten
- botanischen Werken, die in jüngster Zeit erschienen sind, beansprucht
- das vorliegende ganz besondere Beachtung. Es ist +ebenso interessant
- wie belehrend+.“
-
- Naturwissenschaftliche Rundschau.
-
-
-=Die Heide.= Von +W. Wagner+.
-
- „Alles in allem -- +ein liebenswürdiges Büchlein+, daß wir in die
- Schülerbibliotheken eingestellt wünschen möchten; denn es gehört zu
- jenen, welche darnach angetan sind, unserer Jugend +in anregendster
- Weise Belehrung+ zu schaffen.“
-
- Land- u. Forstwirtschaftl. Unterrichtszeitung.
-
-
-=Im Hochgebirge.= Von Prof. +C. Keller+.
-
- „Auf 141 Seiten entrollt der Verfasser ein so intimes, anschauliches
- Bild des Tierlebens in den Hochalpen, daß man schier mehr Belehrung
- +als aus dicken Wälzern+ geschöpft zu haben glaubt. Ein treffliches
- Buch, das keiner ungelesen lassen sollte.“
-
- Deutsche Tageszeitung.
-
-
-=Die Tiere des Waldes.= Von Forstmeister +K. Sellheim+.
-
- „Die Sehnsucht nach dem Walde ist dem Deutschen eingeboren... Aber
- wie wenig wird er dabei das Tierleben gewahr, das ihn da umgibt. Da
- wird dieses Buch +ein willkommener Führer und Anleiter+ sein.“
-
- Deutsche Lehrerzeitung.
-
-
-=Unsere Singvögel.= Von Prof. ~Dr~. +A. Voigt+.
-
- „Mit nicht geringen Erwartungen gingen wir an Professor Voigts
- neuestes Buch. Aber als wir nur wenige Abschnitte gelesen, da konnten
- wir mit Freude feststellen, +daß diesmal der Meister sich selbst
- übertroffen+....“
-
- Nationalzeitung.
-
-
- Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlags.
-
-
-
-
-Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig.
-
-
-Altgermanische
-
-Religionsgeschichte
-
-Von Dr. Richard M. Meyer
-
-a. o. Professor an der Universität Berlin
-
-665 S. Brosch. M. 16.-- In Originalleinenband M. 17.--
-
-Das Werk gibt zunächst eine vollständige Darstellung der altgermanischen
-Religion oder besser gesagt, der altgermanischen Religionen und
-versucht auf dieser Grundlage eine Entwickelungsgeschichte der
-germanischen Mythologie von den frühesten Spuren bis zum Uebergang in
-das Christentum. Durchweg ist dabei der Standpunkt der +vergleichenden+
-Mythologie (im neueren Sinne des Wortes) eingehalten, der in zwei
-einleitenden Kapiteln über typische Entwicklung der Mythologie und über
-mythologische Formenlehre eingehend begründet wird. Daneben wird der
-Einwirkung der Heldensage auf die Mythologie besondere Aufmerksamkeit
-gewidmet. Durch die Vereinigung dieser verschiedenen Gesichtspunkte
-ergeben sich eine Fülle neuer Probleme und neuer Erkenntnis,
-wodurch das Werk einen höchst wertvollen Beitrag zur Wissenschaft
-vom deutschen Geist und seiner Geschichte bildet, um so mehr, als
-Verfasser allen auftauchenden, historischen, kulturgeschichtlichen,
-allgemein-religionsgeschichtlichen und literarhistorischen Fragen
-besondere Beachtung geschenkt hat.
-
-In der Darstellung ist größte Gemeinverständlichkeit angestrebt.
-Alle speziellen wissenschaftlichen Erörterungen sind in Anmerkungen
-verwiesen. Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, eine chronologische
-Tabelle und mehrere Register erhöhen die Benutzbarkeit des Buches.
-
-
-Prospekte unentgeltlich und postfrei
-
-
-
-
-[Illustration] Naturwissenschaftliche Bibliothek [Illustration]
-
-
-=Das Süßwasser-Aquarium.= Von +C. Heller+.
-
- „Dieses Buch ist nicht nur ein +unentbehrlicher Ratgeber+ für jeden
- Aquarienfreund, sondern es macht vor allen Dingen seinen Leser mit
- den interessanten Vorgängen aus dem Leben im Wasser bekannt ...“
-
- Bayersche Lehrerzeitung.
-
-
-=Reptilien- und Amphibienpflege.= Von ~Dr.~ +P. Krefft+.
-
- „Die einheimischen, für den Anfänger zunächst in Betracht kommenden
- Arten sind +vorzüglich geschildert+ in bezug auf Lebensgewohnheiten
- und Pflegebedürfnisse, -- die fremdländischen Terrarientiere nehmen
- einen sehr breiten Raum ein.“
-
- O. Kr. Pädagogische Reform.
-
-
-=Die Ameisen.= Von +H. Viehmeyer+.
-
- „Viehmeyer ist allen Ameisenfreunden als +bester Kenner+ bekannt. Von
- seinen Bildern kann man sagen, daß sie vom ersten bis zum letzten
- Wort +der Natur geradezu abgeschrieben+ sind.“
-
- Thüringer Schulblatt.
-
-
-=Die Schmarotzer= der Menschen und Tiere. Von ~Dr.~ +v. Linstow+.
-
- „Es ist eine unappetitliche Gesellschaft, die hier in Wort und Bild
- vor dem Leser aufmarschiert. Aber gerade jene Parasiten, die unserer
- Existenz abträglich sind, gerade sie verdienen, von ihm nach Form und
- Wesen gekannt zu sein, weil damit der erste wirksame Schritt zu ihrer
- Bekämpfung eingeleitet ist.“
-
- K. Süddeutsche Apotheker-Zeitung.
-
-
-=Unsere Wasserinsekten.= Von +Georg Ulmer+.
-
- Für Freunde des Wassers, für Liebhaber von Aquarien ist dies Buch
- geschrieben. Es bietet +eine Fülle von Anregungen+ und wird den Leser
- veranlassen, selbst hinauszuziehen in die Natur, sie mit eigenen
- Augen zu betrachten.
-
-
-=Die mikroskopische Kleinwelt unserer Gewässer.= Eine Einführung in die
-Naturgeschichte der einfachsten Lebensformen nebst kurzer Anleitung zu
-deren Studium. Von +E. Reukauf+.
-
- „Nur wenige haben eine Ahnung von dem ungeheuren Formenreichtum und
- eine auch nur annähernd richtige Vorstellung von dem Wesen jener
- Mikroorganismen, die unsere Gewässer bevölkern. Als ein Schlüssel
- hierzu wird das vorliegende Bändchen +vorzüglich geeignet+ sein....“
-
- Deutsche Zeitung.
-
-
-=Aus der Vorgeschichte der Pflanzenwelt.= Von ~Dr.~ +W. Gothan+.
-
- An einer solchen allgemeinverständlichen Einführung in die Geschichte
- der Pflanzenwelt fehlte es bisher. Der Verfasser bespricht zunächst
- die geologischen Grundbegriffe, geht dann auf die Art der Erhaltung
- der fossilen Pflanzenreihe ein und schildert die Vorgeschichte der
- großen wichtigsten Gruppen des Pflanzenreiches der Jetzt- und Vorzeit.
-
-
-
-
-[Illustration] Naturwissenschaftliche Bibliothek [Illustration]
-
-
-=Niedere Pflanzen.= Von Prof. ~Dr.~ +R. Timm+.
-
- „In dieser Weise führt das kleine Büchlein den Leser +in die gesamte
- Welt+ der so mannigfachen Kryptogamen ein und lehrt ihn, sie
- verständnisvoll zu beobachten.“
-
- Naturwissenschaftliche Rundschau.
-
-
-=Häusliche Blumenpflege.= Von +Paul+ F. F. +Schulz+.
-
- „Der Stoff ist mit großer +Übersichtlichkeit+ gruppiert, und der
- Text ist so +faßlich+ und +klar+ gehalten, außerdem durch eine Fülle
- von Illustrationen unterstützt, daß auch der Laie sich mühelos
- zurechtfinden kann. ... Dem Verfasser gebührt für seine reiche,
- anmutige Gabe Dank.“
-
- Pädagogische Studien.
-
-
-=Chemisches Experimentierbuch.= Von +O. Hahn+.
-
- Das Buch will jedem, der Lust zum chemischen Experimentieren hat, mit
- einfachen Apparaten und geringen Mitteln eine Anleitung sein, für
- sich selbst im Hause die richtigsten Experimente auszuführen.
-
-
-=Die Photographie.= Von +W. Zimmermann+.
-
- „Das Buch behandelt die theoretischen und praktischen Grundlagen der
- Photographie und bildet ein +Lehrbuch bester Art+. Durch die populäre
- Fassung eignet es sich ganz besonders für den Anfänger.“
-
- „Apollo“, Zentralorgan f. Amateur- u. Fachphotogr.
-
-
-=Beleuchtung und Heizung.= Von +J. F. Herding+.
-
- „Ich möchte gerade diesem Buche, seiner +praktischen, ökonomischen
- Bedeutung+ wegen, eine weite Verbreitung wünschen. Hier liegt, vor
- allem im Kleinbetrieb, noch vieles sehr im argen.“
-
- Frankfurter Zeitung.
-
-
-=Kraftmaschinen.= Von Ingenieur +Charles Schütze+.
-
- „Schützes Kraftmaschinen sollten deshalb in +keiner
- Schülerbibliothek+, weder an höheren noch an Volksschulen, +fehlen+.
- Das Büchlein gibt aber auch dem Lehrer Gelegenheit, seine technischen
- Kenntnisse schnell und leicht zu erweitern.“
-
- Monatsschrift für höhere Schulen.
-
-
-=Signale in Krieg und Frieden.= Von ~Dr.~ +Fritz Ulmer+.
-
- „Ein interessantes Büchlein, welches vor uns liegt. Es behandelt das
- Signalwesen von den ersten Anfängen im Altertume und den Naturvölkern
- bis zur jetzigen Vollkommenheit im Land- und Seeverkehr.“
-
- Deutsche Lehrerzeitung.
-
-
-=Seelotsen-, Leucht- und Rettungswesen.= Ein Beitrag zur Charakteristik
-der Nordsee u. Niederelbe. Von ~Dr.~ +F. Dannmeyer+.
-
- „Mit über 100 guten Bildern interessantester Art, mit Zeichnungen
- und zwei Karten versehen, führt das Buch uns das +Schiffahrtsleben+
- in anschaulicher, fesselnder Form vor Augen, wie es sich täglich an
- unseren Flußmündungen abspielt.“
-
- Allgemeine Schiffahrts-Zeitung.
-
-
- [Illustration] Ausführliche Prospekte
- unentgeltlich und postfrei [Illustration]
-
-
-
-
-~Schönste Festgeschenke~
-
-~aus dem Verlage von Quelle & Meyer, Leipzig~
-
-
-Der Sinn und Wert des Lebens
-
-für den Menschen der Gegenwart. Von Geheimrat +R. Eucken+.
-
-3. völlig umgearbeitete Auflage. 13. und 14. Tausend. 192 Seiten.
-
-In Originalleinenband M. =3.60=
-
-
-Die bildende Kunst der Gegenwart
-
-Von Hofrat ~Dr.~ +J. Strzygowski+. 235 S. mit zahlreichen Abbildungen.
-
-In Originalleinenband M. =4.80=
-
-
-Geschichte der Römischen Kaiser
-
-Von Geheimrat Professor ~Dr.~ +A. v. Domaszewski+. 2 Bände zu je 332 S.
-mit 12 Porträts auf Tafeln in künstlerischer Ausführung u. 8 Karten. In
-Originalleinenband je M. =9.--=, in Halbfranzband je M. =11.--=
-
-
-Unsere religiösen Erzieher
-
-Eine Geschichte des Christentums in Lebensbildern, herausgegeben von
-Professor Lic. +B. Beß+. 2 Bände zu je 280 S. In Origbd. je M. =4.40=
-
-
-Preußens Geschichte
-
-von +Rudolf Herzog+. 384 S. mit 22 farb. und schwarzen Bildern von
-Professor +Kampf+. Buchschmuck und Einbandzeichnung von Professor G.
-Belwe. In Origb. M. =3.40=. Vorzugsausgabe auf Bütten M. =10.--=
-
-
-Männer und Zeiten
-
-Essays zur neueren Geschichte. Von Geheimrat Prof. ~Dr.~ +E. Marcks+.
-2 Bände 640 S. 5. und 6. Tausend. In Originalleinenband M. =12.--=, in
-Halbfranzband M. =16.--=
-
-
-Große Denker
-
-Eine Geschichte der Philosophie in Einzeldarstellungen. Herausgegeben
-von Privatdozent ~Dr.~ +E. v. Aster+. 2 Bände zu je 320 S. mit 8
-Porträts. In Originallbd. M. =16.--=, in Halbfrzbd. M. =20.--=
-
-
-~Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei.~
-
-
-
-
-Fußnoten:
-
-[1] Nordische Form des deutschen Namens Nibelunge.
-
-[2] Volsungar ist der im Norden gebräuchliche Geschlechtsname des
-Sigurd und seiner Angehörigen.
-
-[3] Ragnar wird verheiratet gedacht mit Aslaug, einer hinterlassenen
-Tochter des Sigurd und der Brynhild.
-
-[4] Da sein Verfasser im Grunde nur den gedruckt vorliegenden „Hürnen
-Seifrid“ umschreibt, widerspricht das Auftauchen des Volksbuches im 18.
-Jahrhundert nicht der S. 1 aufgestellten Behauptung, daß die direkte
-volkstümliche Überlieferung im Dreißigjährigen Kriege erloschen ist.
-
-[5] Die Beispiele sind entnommen aus „Die Edda“, übersetzt und
-erläutert von Hugo Gering.
-
-[6] Odin ist die nordische Form des Namens für denselben Gott, der in
-Deutschland Wodan hieß.
-
-[7] Wagner hat diesen Zug der Sage in der „Walküre“ benutzt, ihn aber
-verschoben; bei ihm ist Siegfrieds Mutter an die Stelle der Signy
-getreten.
-
-[8] Wagner überträgt den Namen auf die Person seiner Dichtung, die
-eigentlich die Figur des Siggeir fortsetzt.
-
-[9] Man dachte sich die Gnitaheide auf dem halben Wege von Paderborn
-nach Mainz gelegen, wo sie im 12. Jahrhundert ein wandernder Norweger,
-Abt Nikolaus, wiedergefunden zu haben glaubte.
-
-[10] Daß Sigurds Schwert dasselbe ist, das sein Vater geführt hat,
-behauptet erst die Volsungasaga; die Lieder-Edda weiß noch nichts davon.
-
-[11] Nach späterer nordischer Sage ist allerdings die Aslaug, die
-Gattin des Ragnar Lodbrok, eine Frucht dieser frühern Bekanntschaft
-Sigurds mit Brynhild. Übrigens nennt der Liedersammler die Brynhild bei
-ihrer ersten Begegnung mit Sigurd „Sigrdrifa“, indem er einen Beinamen
-(Spenderin des Sieges) als Namen auffaßt; vielleicht hat er dadurch
-für die beiden Verlobungsgeschichten (vgl. S. 22) zwei verschiedene
-Heldinnen schaffen wollen.
-
-[12] Die ursprüngliche Fassung der Sage, daß Sigurd in untergeordneten
-Verhältnissen aufgewachsen ist, blickt deutlich hindurch.
-
-[13] Im Norden wird sein Volk nicht das hunnische genannt, wenigstens
-nicht in den älteren Quellen; nach vereinzelten Andeutungen herrscht er
-in Walland (Italien).
-
-[14] Ihr Alter dürfen wir freilich nicht nachrechnen. Svanhild ist beim
-Eintritt in die Erzählung ein junges Mädchen. Inzwischen sind aber
-ihre Brüder aus der dritten Ehe ihrer Mutter bereits zu waffenfähigen
-Männern herangewachsen. Gudruns zweite Ehe mit Atli, sowie die Zeit
-ihrer Witwenschaft sind inzwischen vergangen, auch die Zeit der Ehe mit
-Sigurd, die doch immerhin einige Jahre gewährt hat, ist vorüber. Wir
-kommen also für Svanhild, wenn wir nachrechnen, auf ein ziemlich hohes
-Alter, das zur Erzählung nicht stimmt. Wir dürfen in dieser Beziehung
-nicht zu streng sein. Denn gerade diese Dinge, wie überhaupt jede
-Chronologie, sind die schwächsten Punkte aller sagenmäßigen Tradition.
-Alles dies verschwimmt in der Erinnerung der Menschen zu allererst;
-sie werfen alles auf eine Fläche, sie sehen in der Erinnerung alles
-nebeneinander, kein Vor- und kein Hintereinander mehr; Personen, die
-in Wirklichkeit durch hundert Jahre getrennt waren, können leicht als
-Zeitgenossen erscheinen. Es war für die einfachen Leute, welche die
-Überlieferung gepflegt haben, eben nicht möglich, solche Dinge zu
-kontrollieren.
-
-[15] Er gehört übrigens ursprünglich nur dem Texte ~C~ an, vergleiche
-später S. 107.
-
-[16] Den Namen des Vaters (Gibich, der in andern deutschen Dichtungen
-wohlbekannt ist) hat das Nibelungenlied vergessen; erst der Text ~C~
-nennt ihn im Anschluß an die „Klage“ mit einem offenbar willkürlich
-herausgegriffenen Namen Dankrat.
-
-[17] Woher sie mit ihr bekannt ist (die Geschichte spielt ja in der
-Mädchenzeit der beiden), wird nicht erklärt.
-
-[18] Etwa dem alten Herzogtum Nieder-Lothringen entsprechend. Eine
-Residenz Santen (heute Xanten) hat erst der Text ~C~ aus der einmaligen
-Erwähnung dieses Städtchens Str. 715 (Holtzmann) herausgesponnen, vgl.
-Braune, Die Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes, S. 178.
-
-[19] Die Burgunden sitzen nach der Sage in einer Gegend, die zur Zeit
-der vollendeten Dichtung den Franken gehört; sie fallen infolgedessen
-in der Auffassung des Dichters und seiner Zuhörer mit diesen zusammen.
-
-[20] Solche Feste werden in unserm Liede stets mit besonderer Liebe
-behandelt. Unserm heutigen Geschmack sagen die Schilderungen von Festen
-und dem dabei entwickelten Prunke, besonders was Kleidung anbetrifft,
-wenig zu, und man hat deshalb die betreffenden Abschnitte gar für
-unecht erklären wollen; sie sind jedoch nur leer an Sagengehalt.
-Wir müssen uns in die damalige Zeit hineinversetzen, um diese
-Schneiderszenen, wie man sie genannt hat, zu würdigen. Man erwartete
-im Mittelalter von der erzählenden Dichtung nicht nur Anregungen
-innerlichen, sondern auch solche äußerlichen Charakters, als da sind
-Berichte über neue oder absonderliche Moden oder Gebräuche.
-
-[21] Die Schilderung dieser Jagd im 16. Gesange unseres Liedes ist
-in gewisser dichterischer Beziehung vielleicht sein Höhepunkt. Der
-Verfasser weiß auf das genaueste Bescheid von allem, was bei einer Jagd
-jener Zeit vorkommt, und versetzt sich und seine Zuhörer so lebhaft
-in die richtige Wald- und Jagdstimmung, daß man diesen Gesang nur mit
-großem Genusse lesen kann.
-
-[22] Seltsamerweise wird vorausgesetzt, daß Siegfried für den
-Scheinfeldzug vor einigen Tagen und für die Jagd ein und denselben Rock
-trägt.
-
-[23] Unter diesem Namen verstehen die Deutschen späterhin immer Ofen
-(Budapest); ob das Nibelungenlied schon diese Stadt meint, bleibt
-zweifelhaft: Ungarns alte Hauptstadt ist Gran (noch heute Sitz des
-Primas); erst nach seiner Zerstörung durch die Mongolen 1241 trat Ofen
-an seine Stelle.
-
-[24] Diese einfachen Boten sind sicher eine aus einer ältern
-Erzählungsschicht stehengebliebene Altertümlichkeit; der ritterliche
-Dichter würde vornehmere Herren zu diesem Zwecke bemüht haben.
-
-[25] Dieser Held, der keiner andern Quelle unserer Sage bekannt ist,
-spielt von jetzt an eine Schritt für Schritt wachsende Rolle, und
-zwar tritt er immer an Stellen hervor, die eine Neuerung in der Sage
-bedeuten.
-
-[26] Die Dichter des Mittelalters vermögen ihren Werken kein andres
-Kolorit als das ihrer eigenen Zeit zu geben.
-
-[27] Die „Vorrede“ des Heldenbuches, vgl. später S. 118.
-
-[28] Der Kampf im Saale beginnt also auch hier mit Ortliebs Tode, doch
-ist der Umstand, daß Kriemhilt diesen mit Absicht herbeiführt, um Etzel
-zur Rache zu entflammen, als zu grauenerregend abgeschwächt.
-
-[29] Irnfrid von Thüringen ist der historische letzte König der
-Thüringe Ermanfrid, der um 530 von den Franken besiegt und vertrieben
-(später auch getötet) wurde; die letzten seiner Familie flohen zum
-oströmischen Kaiser, den unsere deutsche Sage in älterer Zeit immer
-durch den ihr geläufigen Hunnenkönig Attila ersetzt.
-
-[30] Amelunge (Amaler) ist ursprünglich der Name des Königshauses der
-Ostgoten; er wird (was auch anderwärts nicht selten vorkommt, z. B.
-Kärlinge = Franken) so häufig für „Goten“, den Namen des beherrschten
-Volkes, gebraucht, daß die hochdeutsche Überlieferung diesen ganz
-vergessen hat.
-
-[31] Im dritten Gudrunliede, das einen Einzelzug behandelt, der nicht
-einmal sagenecht ist, wird er erwähnt.
-
-[32] Das Volk der Bayern begegnet uns zuerst um die Mitte des 6.
-Jahrhunderts unter einheimischen, von den fränkischen Königen
-abhängigen Fürsten; das ihnen gehörige Land war kurz vorher noch
-ein Teil des Gotenreiches. Als die Oströmer dies eroberten, drangen
-sie nicht bis über die Alpen vor; es scheint daher, daß sich die
-zwischen Donau und Alpen übrig gebliebenen Goten mit Resten anderer
-Germanenstämme zu einem neuen Volke unter dem Namen „Bayern“
-(~Baiuuarii~) zusammengeschlossen haben. Wenigstens betrachten die
-Bayern noch später sich als identisch mit den Amelungen (Goten) und
-also den Dietrich als ihres Stammes.
-
-[33] Auch hier ist Etzel sagenhafter Vertreter des oströmischen Kaisers
-(Zeno, der den Theodorich 489 gegen Odoaker schickte).
-
-[34] Eine Namenverschiebung: da derjenige, der in der Lieder-Edda
-Regin heißt, hier bereits (auf Grund deutscher Sage) Mimir benannt
-ist, überträgt der Sagaschreiber jenen Namen auf den Drachen (der in
-nordischer Sage Fafnir heißt und Regins Bruder ist).
-
-[35] Schwert und Roß führen hier die aus der Lieder-Edda bekannten
-Namen Gram und Grani; jenes entspricht dem deutschen Balmung, dies wird
-in Deutschland nicht mit Namen genannt.
-
-[36] Dieser gilt in der Saga als Bruder der Burgundenkönige; ein
-Zugeständnis an die nordische Sagenform der Lieder-Edda.
-
-[37] Der also hier als vierter die Stelle Dankwarts im Nibelungenliede
-einnimmt; Dietrichs Mitgehen ist halbwegs begründet, das Dankwarts aber
-nicht; liegt hier vielleicht eine dunkle Beziehung zwischen den beiden
-Überlieferungen vor?
-
-[38] Davon war bisher nichts erzählt; die Saga ist hier mit sich selbst
-nicht einig. Ihre einzelnen Teile stammen aus verschiedenen Quellen und
-sind nicht durchweg ineinander gearbeitet und miteinander ausgeglichen.
-
-[39] Als persönliches Opfer ihrer Rache fällt hier Giselher; einer muß
-durch ihre Hand umkommen, damit begründet ist, daß Dietrich (statt
-Hiltebrands im Liede) sie tötet.
-
-[40] Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß der
-Personenname „Nibulung“ im Geschlechte der Arnulfinge einen ganz
-besonderen Sinn gehabt haben kann: die Stifterin des Klosters Nivelles
-(belgische Stadt südlich von Brüssel) ist die Heilige Gertrud (†
-659), Tochter Pipins des Ältern; dies Nivelles ist also ein jenem
-Geschlechte ganz besonders wertes Heiligtum; ist es danach nicht
-denkbar, daß Söhne dieser Familie gelegentlich „Mann von Nivelles“, in
-altfränkischer Sprachform „Nibulung“, benannt worden sind? Ist diese
-Annahme richtig, so müssen natürlich die Nibelunge der Sage unbedingt
-von diesen historischen Nibelungen hergeleitet werden. Ich wage nun
-freilich für die Richtigkeit nicht einzustehen, muß aber behaupten, daß
-diese Herleitung plausibler ist als die alte, die in den Nibelungen
-„Nebelsöhne“, „Mächte der Finsternis“ erkennen wollte; sie ist ja schon
-dadurch widerlegt, daß es mythische Nibelunge in der Sage ursprünglich
-gar nicht gegeben hat.
-
-[41] Daß dieser als Schwestersohn dem Oheim den Grund für sein
-Verhalten gibt, ist ein höchst altertümlicher Zug, der die ältesten
-germanischen (mutterrechtlichen) Verhältnisse widerspiegelt, vgl. ~Tac.
-Germ. c. 20~: ~sororum filiis idem apud avunculum qui apud patrem
-honor. quidam sanctiorem artioremque hunc nexum sanguinis arbitrantur~
-(Schwestersöhne stehen beim Oheim in derselben Geltung wie beim Vater;
-einige halten dies Blutsband sogar für heiliger und enger).
-
-[42] Deshalb vermag ich, wenn ein elsässisches Kirchheim urkundlich
-gelegentlich auch ~Tronia~ genannt wird, darin nichts altes zu sehen,
-sondern höchstens den Versuch einer Lokalisierung des sagenhaften
-Tronje.
-
-[43] Wilhelm Jordan hat in seiner „Sigfridsage“ als Grund für
-Siegfrieds Verhalten gegenüber Brünhilt angenommen, sie habe an
-Siegfried das im Text angeführte Verlangen gestellt; damit hat Jordan
-gewiß das sagenechte getroffen; eine Nachdichtung der durch die Ungunst
-der Überlieferung zerpflückten alten Dichtung (und um eine solche
-handelt es sich doch, unbeschadet aller Grundlagen) führt am sichersten
-zu den alten Zusammenhängen.
-
-[44] Wenigstens setzt der Skalde Bragi der Alte, der um das Jahr 900
-gestorben ist, in seiner Ragnarsdrapa diese Verbindung bereits voraus.
-
-[45] ~Pro mariti fraudulento discessu~; das hat man auch übersetzen
-wollen: dafür, daß sie ihren Mann (nämlich Ermanarich) trügerisch
-verlassen hatte; dann wäre die Übereinstimmung mit den Eddaliedern
-nahezu vollkommen; allein der Zusammenhang bei Jordanes unterstützt
-diese Übersetzung nicht.
-
-[46] Man hat mit Recht daran erinnert, daß die an der mittlern Donau
-sitzenden Heruler (nach Procopius von Caesarea) noch im Anfang des
-6. Jahrhunderts mit ihren Stammesgenossen im südlichen Schweden in
-lebhaftem Verkehr stehen.
-
-[47] Pöchlarn (Bechelaren) wird in dieser Zeit tatsächlich der Sitz des
-bayrischen Ostmarkgrafen gewesen sein.
-
-[48] Da das Nibelungenlied gelegentlich den Tod Nudungs erwähnt, der
-von Witig in der Ravennaschlacht getötet wurde, so muß es letztere
-als vergangen annehmen; da nun ursprünglich gewiß diese Schlacht
-zur Rückführung Dietrichs geführt hat, war nicht recht begreiflich,
-warum er nach ihr noch an Etzels Hof lebt; das hat zur Annahme zweier
-Feldzüge gegen Ermenrich (und seinen Nachfolger) geführt, deren erster
-dann unglücklich verlaufen sein muß. Die „Klage“ läßt übrigens am
-Schlusse Dietrich mit seiner Gattin und Hiltebrand in friedlicher Reise
-nach Bern zurückkehren, nimmt also an, daß er seit der Ravennaschlacht
-im Besitze seines Reiches ist. Daß der Verräter Sibich nach Ermenrich
-in Italien geherrscht habe, behauptet nur die Thidrikssaga.
-
-[49] D. h. als Buch erhaltenen; lückenhaft infolge Verlustes einzelner
-Blätter kann eine solche vollständige Handschrift immerhin sein.
-
-[50] Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches hat sich das
-handschriftliche Material, außer um Blätter bereits bekannter
-Handschriften, noch um Reste von drei bisher unbekannten vermehrt:
-~X~, ein Blatt aus der Klage, gefunden in Sterzing; ~Y~, ein Wiener
-Blatt; ~Z~, ein in Dülmen gefundenes Blatt. Ich will nicht unerwähnt
-lassen, daß mir scheint, als gehöre ~W~ zur Nibelungenhandschrift
-~S~, ~X~ zur Nibelungenhandschrift ~U~. -- Die in der alphabetischen
-Folge fehlenden Buchstaben sind verwendet wie folgt: ~P~ bezeichnete
-früher ein Fragment, das sich als der gleichen Handschrift wie ~N~
-entstammend erwiesen hat; ~T~ ist die Signatur der fragmentarisch
-erhaltenen niederländischen Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert; ~V~
-ist (wegen Ähnlichkeit mit ~U~) nicht verwendet; ~c~ gilt für die
-Zitate, die Lazius, ein Gelehrter des 16. Jahrhunderts, in seiner
-Schrift ~De gentium aliquot migrationibus~ aus einer alten Handschrift
-angebracht hat; ~e~ und ~f~ hatte man anfangs irrtümlich die jetzt mit
-~L~ bezeichneten Fragmente benannt; ~m~ ist Inhaltsverzeichnis einer
-verlorenen Handschrift.
-
-[51] Vielleicht hat Wolfram von Eschenbach, der Parzival 420 f. sich
-auf das Nibelungenlied bezieht, schon den Liet-Text gekannt; doch ist
-sein Zitat auch verständlich, wenn er nur die beiden Texten gemeinsame
-Strophe 1496 (Holtzmann) vor sich gehabt hat; die folgende, dem
-Liet-Texte eigentümliche Strophe, in der, wie bei Wolfram, „Schnitten“
-als eine gute Speise erwähnt werden, dürfte eher in Anlehnung an die
-etwas spöttisch gehaltene Ausführung im Parzival verfaßt sein.
-
-[52] In einer Besprechung der 1. Auflage dieses Buches (Literarische
-Rundschau vom 1. Juni 1909) hat Fr. Panzer die hier entwickelte
-Gedankenreihe beanstandet und darauf hingewiesen, daß Zeizenmure in
-der ungarischen Sage als Ort einer Schlacht eine große Rolle spielt
-und infolgedessen in die Grundhandschrift des Not-Textes gelangt
-sei. Das könnte möglich sein, hilft uns aber nicht weiter, denn 1)
-ist die Darstellung der ungarischen Sage, wie sie bei Simon Kézai
-vorliegt, trotz Bleyers Ausführungen (im 31. Bande der Beiträge) eine
-halbgelehrte Kompilation aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, 2)
-ist nicht abzusehen, wie ein Nicht-Österreicher (denn ein Österreicher
-konnte den Fehler nicht begehen) zur Kenntnis ungarischer Sage
-gelangt sein sollte, und 3) bleibt die Sache beim alten, weil die
-Grundhandschrift des Not-Textes den Fehler, mag seine Ursache sein,
-welche sie will, eben begangen hat und daher notwendigerweise nur
-eine nebengeordnete, nicht eine übergeordnete Stelle neben den
-Liet-Handschriften einnehmen kann. Auf Zarncke’s feinen Gedanken,
-Nithart zur Erklärung heranzuziehen, könnte man schließlich
-verzichten; den in der „Not“ vorliegenden Text aber weit über 1230
-hinaufzuschieben, ist trotzdem unmöglich wegen gewisser unbestreitbarer
-Zusätze, wegen Spuren beginnenden Verfalles in der Verstechnik und
-besonders wegen des Zustandes aller hierher gehörigen Handschriften (s.
-S. 107).
-
-[53] Das ist nicht ohne Beispiel; so wurde das um 1170 entstandene
-Gedicht vom Herzog Ernst bereits um 1200 (hauptsächlich reimtechnisch)
-überarbeitet; als aber in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein
-neuer Bearbeiter den Text vornahm, griff er auf das Original zurück und
-ignorierte die um 1200 entstandene Überarbeitung.
-
-[54] Nach Lachmann nur dreizehn; er behielt 1627 bei und änderte sie
-durch Konjektur; wir haben dazu heute keine Veranlassung mehr.
-
-[55] Mit einer Ausnahme: Lachmanns 17. Lied schließt an das 15. an; das
-16. ist eine Parallelerzählung.
-
-[56] Vgl. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen
-Heldendichtung, S. 203.
-
-[57] Heinrich von Ofterdingen, den manche beim Wiedererwachen
-unserer Kenntnis der mittelalterlichen Literatur als Dichter des
-Nibelungenliedes in Anspruch genommen haben, ist keine historische
-Person, sondern vom Dichter des Wartburgkrieges erfunden; dieser Mann
-brauchte eine Figur, die als Gegenstück und Widerpart der historisch
-bekannten Sänger am Hofe zu Eisenach hingestellt werden konnte.
-
-[58] Es ist mir leider nicht gelungen, das Werkchen, das ich vor mehr
-als dreißig Jahren selbst gelesen habe, irgendwo wieder aufzutreiben.
-
-[59] Wilkina- (richtiger Wilcina-) und Niflungasaga sind Teile und
-Untertitel der Thidrikssaga.
-
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-NIEBELUNGEN ***
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- Der Sagenkreis der Nibelungen, by Georg Holz&mdash;A Project Gutenberg eBook
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-<p style='text-align:center; font-size:1.2em; font-weight:bold'>The Project Gutenberg eBook of <span lang='de' xml:lang='de'>Der Sagenkreis der Niebelungen</span>, by Georg Holz</p>
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online
-at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you
-are not located in the United States, you will have to check the laws of the
-country where you are located before using this eBook.
-</div>
-</div>
-
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: <span lang='de' xml:lang='de'>Der Sagenkreis der Niebelungen</span></p>
-<p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Georg Holz</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Release Date: July 23, 2022 [eBook #68594]</p>
-<p style='display:block; text-indent:0; margin:1em 0'>Language: German</p>
- <p style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:0; margin-left:2em; text-indent:-2em; text-align:left'>Produced by: the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net</p>
-<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DER SAGENKREIS DER NIEBELUNGEN</span> ***</div>
-
-<div class="transnote">
-
-<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1914 erschienenen
-Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
-Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche
-und altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
-unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.</p>
-
-<p class="p0">Einige Gedichtzeilen enthalten Zäsuren, die durch breite
-Leerzeichen versinnbildlicht werden. Dies wurde so aus dem Original
-übernommen.</p>
-
-<p class="p0">Die Buchwerbung wurde am Ende des Texts
-zusammengefasst. Der hierin erwähnte Buchkatalog ‚Wissenschaft
-und Bildung‘ wurde herausgelöst und getrennt bearbeitet;
-dieser kann auf ‚Projekt Gutenberg‘ eingesehen werden:
-https://gutenberg.org/ebooks/60431.</p>
-
-<p class="p0">Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Passagen
-in <span class="antiqua">Antiquaschrift</span> werden im vorliegenden
-Text kursiv dargestellt. <span class="nohtml">Abhängig von der im
-jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original
-<em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten Passagen gesperrt, in
-serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt
-erscheinen.</span></p>
-
-</div>
-
-<div class="figcenter illowe32 break-before x-ebookmaker-drop">
- <img class="w100" src="images/cover_h1000.jpg" alt="" />
- <div class="caption u mbot3">Original-Einband</div>
-</div>
-
-<div class="titelei">
-
-<div class="bbox">
-
-<p class="s3 center">Wissenschaft und Bildung</p>
-
-<p class="center">Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens</p>
-
-<p class="center">6</p>
-
-</div>
-
-<h1>Der Sagenkreis<br />
-der Nibelungen</h1>
-
-<p class="center mtop3">Von</p>
-
-<p class="s2 center">Georg Holz</p>
-
-<p class="s5 center">Professor an der Universität Leipzig</p>
-
-<p class="s4 center">2. Auflage</p>
-
-<div class="figcenter illowe4" id="signet">
- <img class="w100 mtop2 mbot2" src="images/signet.jpg" alt="" />
-</div>
-
-<p class="s4 center">1914</p>
-
-<p class="s4 center">Verlag von Quelle &amp; Meyer in Leipzig</p>
-
-<p class="center padtop5 break-before">Alle Rechte vorbehalten</p>
-
-<p class="s2 center padtop5 mright5 break-before">Frau Susanne</p>
-
-<p class="s3 center mtop2 mleft5">zugeeignet</p>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Vorwort_der_ersten_Auflage">Vorwort der ersten Auflage.</h2>
-
-</div>
-
-<p>Vorliegendes Werkchen ist erwachsen aus einer Reihe im Spätjahre 1906
-gehaltener Vorträge und mag wohl gelegentlich den Stempel dieses
-seines Ursprungs deutlicher tragen, als mir lieb sein kann. Gemäß
-der Absicht, den alten Stoff der Nibelungensage und die Fragen, die
-sich an ihren Ursprung, ihre Entwicklung und spätere Überlieferung
-knüpfen, einer breitern Öffentlichkeit zugänglich und verständlich
-zu machen, ist das wissenschaftliche Beiwerk auf ein geringstes
-Maß beschränkt; insbesondere ist im allgemeinen unterlassen, die
-anerkannten und aufgenommenen Gedanken auf ihre Urheber zurückzuführen.
-Selbstverständlich ist damit keinerlei Schmälerung von irgend jemandes
-Verdienst beabsichtigt; dies kann um so weniger der Fall sein, als
-ich auch mancherlei Eigenes zur Lösung der verschiedenen Fragen
-vorzubringen glaube, dessen Abgrenzung von Fremdem nun nicht ohne
-weiteres möglich ist. Es bleibt den Fachgenossen überlassen, diese
-Grenze zu ziehen und das vorgebrachte Neue anzuerkennen oder zu
-verwerfen.</p>
-
-<p class="mtop2">Leipzig, im April 1907.</p>
-
-<p class="right mright3">G. Holz.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Inhaltsverzeichnis">Inhaltsverzeichnis.</h2>
-
-</div>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis">
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="s5 vab">
- <div class="right">Seite</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">I.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Einleitung, Übersicht der Quellen</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#I">1</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">II.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#II">13</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">III.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#III">31&ndash;65</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">a</span>) Der Nibelunge Lied</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Der_Nibelunge_Lied">31</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">b</span>) Zweikampfsage und
- Thidrikssaga</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Zweikampfsage_und_Thidrikssaga">56</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">c</span>) Hürnen Seifrid</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Huernen_Seifrid">65</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">IV.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Die Grundlagen der Sage</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#IV">66&ndash;85</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">a</span>) Burgunden und Hunnen</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Burgunden_und_Hunnen">66</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">b</span>) Sage und Mythus</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Sage_und_Mythus">71</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">c</span>) Die Merowinge</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Die_Merowinge">74</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">d</span>) Einzelheiten</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Einzelheiten">78</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">V.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Die Entwicklung der Sage</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#V">86&ndash;100</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">a</span>) Älteste und nordische
- Form</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Aelteste_und_nordische_Form">86</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt2">
- <div class="left"><span class="antiqua">b</span>) Deutsche Form</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Deutsche_Form">90</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">VI.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der
- Nibelunge</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#VI">101</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">VII.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Wirkung des Liedes in der alten Literatur.
- Allmähliches Erlöschen des Interesses</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#VII">115</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">VIII.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem
- 18. Jahrhundert</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#VIII">123</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">IX.</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#IX">130</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Anhang. Literatur</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Anhang">137</a></div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- <div class="right">&nbsp;</div>
- </td>
- <td class="inhalt">
- <div class="left">Register</div>
- </td>
- <td class="nowrap">
- <div class="right"><a href="#Namenregister">139</a></div>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_1">[S. 1]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="I"><span class="s5">I.</span><br />
-<b>Einleitung. Übersicht der Quellen.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0" id="Dreissigjaheriger_Krieg"><span class="drop-cap">D</span>as in wirtschaftlicher wie in geistiger Beziehung so reiche Leben des
-alten Deutschlands erstarb in den Greueln des Dreißigjährigen Krieges.
-Was unserm Volke bis zu jener Zeit an alten Sagenschätzen lieb und wert
-gewesen war, geriet damit in Vergessenheit, und ein volles Jahrhundert
-verging, bis Gelehrte in alten Büchereien die ersten Spuren des alten
-Reichtums neu entdeckten. Die großen Männer des 18. Jahrhunderts,
-deren Geschmack anfangs in französischem und später in klassischem
-Sinne gebildet und geläutert war, blieben allerdings zunächst kalt
-gegenüber den Denkmälern einer Vergangenheit, deren Empfinden von dem
-ihren durchaus verschieden war. Erst der völlige Zusammenbruch, den
-die deutsche Politik und damalige Geisteskultur vor nunmehr (1906)
-genau hundert Jahren erlebte, bewirkte im Zusammenhange mit dem
-Erwachen unsers nationalen Fühlens auch eine höhere Wertschätzung der
-Denkmäler aus alter großer Zeit. Es ist bezeichnend, daß die erste
-volkstümliche Ausgabe des Nibelungenliedes 1815 in dem Augenblicke
-erschien, da man sich rüstete, den von Elba zurückgekommenen Napoleon
-abzuwehren. Der Herausgeber, August Zeune, nannte sie eine „Feld- und
-Zeltausgabe“ und erwähnte ausdrücklich, daß er sie besorgt habe, „da
-viele Jünglinge dies Lied als ein Palladium in den bevorstehenden
-Feldzug mitzunehmen wünschten“. Von jener Zeit an ist nun das Interesse
-an unserer alten Geschichte und Dichtung ständig gewachsen. Die
-germanistische Wissenschaft erblühte, gestützt auf die romantische
-Geschmacksrichtung, die die klassische in der Poesie abgelöst hatte,
-und erschloß immer neue Quellen für die Kunde der Vorzeit; die moderne
-Dichtung bemächtigte sich der alten Stoffe und goß sie in neue, der
-Gegenwart angemessene Formen. Vor allen<span class="pagenum" id="Seite_2">[S. 2]</span> andern hat Richard Wagner das
-Verdienst, durch sein gewaltiges Tonwerk, den „Ring des Nibelungen“,
-die alten Sagen volkstümlich gemacht zu haben, ein Verdienst, das
-dadurch nicht verringert wird, daß er mit seinem Stoffe recht
-willkürlich umgesprungen ist. Denn ohne ihn würde das Interesse für
-die Nibelungensage heute wohl nicht so weit verbreitet sein, wie es
-tatsächlich der Fall ist.</p>
-
-<p>Welches sind nun die Quellen, aus denen man geschöpft und die alten
-Stoffe zu neuem Leben erweckt hat? Was bringen sie, und vor allem:
-worauf beruhen sie?</p>
-
-<p>Im allgemeinen darf behauptet werden, daß alle erzählende Dichtung
-ihren letzten Ausgangspunkt in wirklich geschichtlichen Ereignissen
-hat, auch dann, wenn die beglaubigte Geschichte nicht in der Lage ist,
-solche namhaft zu machen; die ursprüngliche Tatsache ist dann von der
-Dichtung mit dichtem Beiwerk umsponnen worden, das wie Schlingpflanzen
-den alten Kern überwuchert und vielleicht erstickt.</p>
-
-<p>Was in der Nibelungensage sicher als geschichtlich erwiesen ist,
-beruht auf Ereignissen des fünften nachchristlichen Jahrhunderts, also
-Ereignissen aus der Zeit der Völkerwanderung, die für die germanische
-Welt des Mittelalters in ganz gleicher Weise das Heldenzeitalter
-gewesen ist, wie es der trojanische Krieg für die Griechen des
-Altertums war. Diese Ereignisse sind in ununterbrochener Überlieferung
-im Gedächtnis bewahrt worden, bis ihr eben der Dreißigjährige Krieg
-das Grab gegraben hat. Die Überlieferung aber ist in folgender Weise
-zustande gekommen.</p>
-
-<p>In einer Zeit ganz unentwickelter Verkehrsmittel und so gut wie
-völlig mangelnder Schrift (die höchstens Besitztum einiger weniger
-auserlesener Personen war) bildete sich ein Stand fahrender, d. h.
-herumziehender Leute, die ein Gewerbe daraus machten, das jederzeit
-lebhaft entwickelte Neuigkeitsbedürfnis ihrer Mitmenschen zu
-befriedigen. Sie zogen von Ort zu Ort, sammelten und verbreiteten
-Neuigkeiten jeder Art und fanden auf diese Weise ihren Unterhalt.
-Solange die Schriftkunde beschränkt war, blieben sie ersehnt und
-hochangesehen. Mit der fortschreitenden Volksbildung und den
-gebesserten Verkehrsverhältnissen sank natürlich ihre Bedeutung und
-damit auch die Achtung.</p>
-
-<p>Naturgemäß sind es in erster Linie die großen politischen, also
-historischen Ereignisse, die sie wiedererzählen und betrachten.<span class="pagenum" id="Seite_3">[S. 3]</span> Um
-diese möglichst treu im Gedächtnis behalten zu können, gießen sie
-dieselben in eine feste Form, indem sie sie in Verse bringen. Die
-poetische Form ist also zunächst etwas Äußerliches; sie macht aber
-durch ihre Geschlossenheit sogleich ihren Einfluß auf den innern Stoff
-geltend, indem sie den Erzähler zwingt, zu ergänzen, was er nicht weiß,
-also die Beweggründe der handelnden Personen zu erraten. Damit ist aber
-der Erfindung Tür und Tor geöffnet. Je weiter man sich nun von dem
-Zeitpunkt der Geschehnisse entfernt, um so schwerer wird natürlich eine
-richtige Ergänzung, aber auch um so unwichtiger, da schließlich niemand
-mehr existiert, der den Erzähler Lügen strafen kann. So ist zweierlei
-möglich geworden: 1. daß der Bericht von den historischen Ereignissen
-bis zur Unkenntlichkeit entstellt, also zur reinen Sage wird, und 2.
-daß die Überlieferung jahrhundertelang von der eigentlichen Literatur
-so gut wie unbemerkt sich hat fortpflanzen können, um dann plötzlich
-als Stoff größerer Werke in ihr aufzutauchen.</p>
-
-<p>Es sind nun die am Niederrhein wohnenden Franken, die die vorhin
-angedeuteten Ereignisse des 5. Jahrhunderts fürs erste bewahrt haben.
-Von ihnen aus, die geographisch etwa den Mittelpunkt der damaligen
-germanischen Welt darstellen, hat sich dann die Kunde über diese
-ausgebreitet, am wenigsten nach England, dessen älteste Literatur nur
-spärliche Zeugnisse für die Nibelungensage aufweist, desto ausgiebiger
-nach Skandinavien und nach Süddeutschland. Der Gang der Ausbreitung war
-etwa folgender:</p>
-
-<p>Im 9. Jahrhundert zogen von Skandinavien, insbesondere von Norwegen
-aus, zahlreiche Scharen von Seeräubern, die sog. Wikinger, gen Süden
-und plünderten die Küsten Englands und des fränkischen Reiches. An den
-Küsten der heutigen Niederlande, in der Gegend der Rheinmündungen,
-wohnten die Franken, die die Überlieferung von den Ereignissen des
-5. Jahrhunderts bewahrten. Dort haben sich die nordischen Räuber
-zeitweise sogar fest angesiedelt und ungefähr zwei Menschenalter
-hindurch die Küstenländer beherrscht, bis sie im Jahre 891 in der
-Schlacht an der Dyle von König Arnulf vertrieben wurden. In dieser
-Zeit müssen die Nordgermanen die Kunde von der deutschen Überlieferung
-sich angeeignet und nach dem Norden verpflanzt haben. Sie zeigen
-dabei einen ganz eigenartigen Charakterzug: sie vereinigen nämlich
-in sich zwei scheinbar entgegengesetzte Züge des germanischen<span class="pagenum" id="Seite_4">[S. 4]</span>
-Charakters, auf der einen Seite kriegerisches Wesen in höchster Potenz,
-blutdürstige Wildheit und Grausamkeit, auf der andern Seite ein
-Streben nach Gelehrsamkeit, wie es bei diesen wilden Seeräuberhorden
-kaum verständlich scheint. Es ist das aber vollauf begründet in den
-Eigentümlichkeiten der alten verkehrslosen Zeit. Die Leute sitzen den
-Winter über in abgelegenen Tälern und hören und sehen von der Welt
-nichts. Bei ihrem regen Geistesleben haben sie nun ein ganz besonders
-starkes Bedürfnis nach Neuigkeiten. Die norwegischen Wikinger haben
-keine Gelegenheit vorübergehen lassen, südländische Kunde nach dem
-Norden zu bringen. So haben sie auch die fränkische Nibelungensage nach
-dem Norden gebracht, wahrscheinlich in der Form einer einheitlichen
-Dichtung, denn das, was im Norden uns von der Nibelungensage erzählt
-wird, weicht in vielen Punkten von der deutschen Sage ab, und zwar so,
-daß die Abweichungen nicht die ursprüngliche Gestalt, sondern eine
-Änderung darstellen, die auf einen Akt der Willkür zurückgeht. Es weist
-das darauf hin, daß irgendein nordischer Dichter den am Niederrhein
-erkundeten Stoff in feste Form gegossen und so nach dem Norden gebracht
-hat, wo er dann in dieser Gestalt aufgenommen worden ist.</p>
-
-<p>Im Norden ist er nun in zahlreichen Liedern von zahlreichen uns
-gänzlich unbekannten Dichtern behandelt worden. Zunächst geht die
-Tradition dieser Lieder in der vorhin geschilderten Weise vor sich,
-d. h. sie werden mündlich übertragen und nicht aufgezeichnet. Erst in
-einer wesentlich spätern Zeit, im 13. Jahrhundert, entschloß man sich
-im Norden auf einem eigenartigen Umwege zur Aufzeichnung dieser Lieder.</p>
-
-<p>Bis zum 13. Jahrhundert hatte sich die nordische poetische und
-prosaische Literatur hoch entwickelt, so hoch, daß man das Bedürfnis
-empfand, ein Lehrbuch gewisser Eigentümlichkeiten des nordischen Stils
-anzufertigen. Dies Lehrbuch schrieb um das Jahr 1220 der isländische
-Skalde Snorri Sturluson; es führt den Titel „Edda“. Dies Wort wird
-heute gedeutet als Bezeichnung der Herkunft des Buches: aus Oddi,
-einem Gehöfte im südwestlichen Island, wo Snorri erzogen worden war;
-andere fassen es als Ausdruck für „Poetik“. Eine Poetik war allerdings
-nötig, um dem angehenden Skalden eine besondere Eigentümlichkeit der
-nordischen Dichtweise zu erklären. Man bezeichnete einen einfachen
-konkreten Alltagsgegenstand nicht gern mit seinem schlichten<span class="pagenum" id="Seite_5">[S. 5]</span> Namen,
-sondern bediente sich statt dessen eines Bildes, das aus der Sage
-entnommen und nicht verständlich war, wenn man nicht die zugehörige
-Sage kannte. So heißt z. B. das Gold „Otterbuße“, und zwar in
-Zusammenhängen, in denen weder von „Buße“ noch von „Otter“ irgendwelche
-Rede ist. Um Ausdrücke dieser Art (die sog. „Kenningar“) zu erklären,
-ist ein Hauptteil der Edda geschrieben; die Erklärung besteht in der
-Erzählung der zugehörigen Geschichte.</p>
-
-<p>So erzählt denn Snorri in der Edda eine große Anzahl der
-verschiedensten Sagen, von denen die überwältigende Mehrzahl uns ohne
-ihn gar nicht bekannt wäre, u. a. auch die Nibelungensage in nordischer
-Form. Vielfach werden dabei Dichtungen zitiert, Verse aus Liedern,
-bruchstückweise natürlich nur, und zwar als Belege. Das hat dazu
-geführt, daß man diese Lieder im Anschluß an die Snorrische Poetik
-gesammelt hat. Wer das getan hat, bleibt unbekannt. Die Sammlung ist
-jedenfalls entstanden um die Mitte des 13. Jahrhunderts und uns im
-wesentlichen erhalten in einer einzigen, aus Island stammenden, jetzt
-in Kopenhagen befindlichen Handschrift, die nach dem Aufbewahrungsort
-in der Königlichen Bibliothek der <span class="antiqua">Codex regius</span> genannt wird.
-Diese Handschrift stellt sich dar als eine Sammlung von Einzelgedichten
-in lyrisch-epischer Form, gewissermaßen Balladen, aus der Götter- und
-der Heldensage. Der größere, zweite Teil der ganzen Sammlung umfaßt
-nur Lieder aus unserer Nibelungensage. Leider ist uns der Kodex nicht
-vollständig erhalten, sondern es fehlt gerade aus dem wichtigsten Teile
-der Nibelungensage eine vollständige Lage, d. h. ein Heft von acht
-Blättern, das frühzeitig verloren gegangen und nicht ersetzbar ist.
-Diesen <span class="antiqua">Codex regius</span> bezeichnet man vielfach, aber fälschlich
-mit dem Namen Edda; ja wenn kurzweg von „Edda“ geredet wird, meint man
-gewöhnlich diese Liedersammlung. Derjenige, der sie im 17. Jahrhundert
-entdeckte, der isländische Bischof Brynjolf Sveinsson, nahm an, daß er
-die Quelle von Snorris Edda vor sich habe, und da er den Namen „Edda“
-für Snorris Werk nicht verstand, übertrug er ihn auch auf die Quelle
-und bezeichnete die Liedersammlung als die ältere Edda. Er wußte auch
-gleich einen Sammler oder Verfasser anzugeben, den weisen Sämund,
-von dem uns allerdings nicht viel mehr bekannt ist, als daß er etwa
-hundert Jahre vor Snorri gelebt und in der Tat mit der Liedersammlung
-nicht die Spur zu tun hat. Immerhin hat sich der Titel „Edda“<span class="pagenum" id="Seite_6">[S. 6]</span> für
-die Liedersammlung festgesetzt; man unterscheidet sie am besten als
-„poetische“ von Snorris „prosaischer“ Edda, muß sich aber stets
-gegenwärtig halten, daß der Name „Edda“ für die Liedersammlung nicht
-authentisch ist.</p>
-
-<p id="Schicksal">In der Sammlung stehen nun zunächst Götterlieder, dann Lieder aus
-verschiedenen Heldensagen, zuletzt, wie gesagt, eine Sammlung von
-Liedern aus der Nibelungensage, die so angeordnet sind, daß sie
-wenigstens äußerlich eine geschlossene Darstellung der Sage geben. An
-der Spitze der Sammlung, soweit sie die Nibelungensage angeht, steht
-ein Gedicht, das sich betitelt: Die Weissagung des Gripir. Sigurd
-(derselbe Held, der in Deutschland den Namen Siegfried führt) kommt
-hier als junger Mann zu einem Oheim, namens Gripir, der eigens zu
-diesem Zwecke von dem Sammler erfunden scheint, und erkundigt sich nach
-seinem künftigen Schicksal; Gripir ist ein Seher und vermag ihn ohne
-weiteres über alles, was ihm bevorsteht bis über seinen Tod hinaus, zu
-orientieren. Es ist das eine Entgleisung der nordischen Dichtweise,
-wie sie ziemlich häufig vorkommt, daß lebenden Leuten ihr künftiges
-Schicksal bis in alle Einzelheiten prophezeit wird, ohne daß sie dann
-auch nur den geringsten Versuch machen, dem Schicksal, das ihnen droht,
-die Stirn zu bieten; in Wirklichkeit ist denn die Weissagung Gripirs
-weiter nichts als eine Übersicht über das, was nun in der Sammlung
-kommt.</p>
-
-<p>Es folgt zunächst eine ganze Reihe von Fragmenten, zu der der
-Sammler eine Rahmenerzählung geliefert hat; die Strophen sind lose
-in die Erzählung eingestreut. Man teilt in unsern Eddaausgaben diese
-Fragmentsammlung in drei Abschnitte ein: die Sprüche von Regin
-(Reginsmál), die Sprüche von Fafnir (Fáfnismál) und die Sprüche von
-Sigrdrifa (Sigrdrifumál). Mitten in diesem letzten Teile bricht die
-Sammlung für uns vorläufig ab, weil die Lücke einsetzt. Nach der Lücke
-stoßen wir auf den Schlußteil eines einst vollständigen Liedes, also
-nicht eines von dem Sammler als Bruchstück aufgenommenen Stückes, das
-nur durch die Ungunst der Verhältnisse für uns ein Bruchstück geworden
-ist. Hier wird nun, während in dem vorausgehenden Stücke die Erzählung
-bis dahin geführt war, wo Sigurd die Brynhild kennen lernt, gleich
-erzählt von den Umständen, die sich um Sigurds Ermordung gruppieren;
-es fehlt uns also der ganze eigentliche Kern der Sage. Es folgt ein
-sehr langes Gedicht, das augenscheinlich vollständig erhalten ist, und
-das den Titel führt:<span class="pagenum" id="Seite_7">[S. 7]</span> das <em class="gesperrt">kurze</em> Sigurdslied. Er erklärt sich
-daraus, daß jedenfalls das Lied, von dem wir nach der Lücke noch den
-Ausgang haben, noch länger gewesen ist. Das kurze Sigurdslied erzählt
-zusammenhängend, aber nicht immer sagenecht, was Sigurd im Reiche der
-Niflunge<a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a> erlebt hat, von dem Augenblicke an, wo er es betreten, bis
-an seinen Tod, und über ihn hinaus, wie Brynhild ihm im Tode folgt.</p>
-
-<p>Den Fortgang der Erzählung bringt ein umfangreiches und ziemlich altes
-Gedicht, gewöhnlich das zweite Lied von Gudrun genannt (Gudrun ist im
-Norden der Name derselben Figur, die in Deutschland Kriemhilt heißt,
-also Sigurds Witwe). Gudrun erzählt selbst ihre Schicksale: wie sie
-Sigurds Weib und Witwe geworden, wie sie den Atli (den deutschen Etzel)
-geheiratet, und wie dieser ihre Brüder gemordet hat; für diese Tat
-plant sie die Rache; die Begründung dieser Rachegefühle gibt uns hier
-ein zweifellos hochbegabter Dichter. Die Darstellung der Ermordung
-der Niflunge fehlt in diesem Liede leider; wahrscheinlich hat sie der
-Sammler gestrichen, weil er in den beiden Atliliedern (vgl. nachher)
-noch zweimal dieselbe Sache vorgetragen fand.</p>
-
-<p>Mehrere Einzellieder, wirkliche Balladen, die lediglich einen einzelnen
-Moment, ein Stimmungsbild aus der Sage herausgreifen und poetisch
-behandeln, sind ebenfalls in der Sammlung erhalten: das erste Lied von
-Gudrun (es schildert die Haltung von Sigurds Witwe an dessen Bahre),
-dann das Lied von Brynhilds Fahrt zur Unterwelt, ferner ein drittes
-Gudrunlied und das „Oddruns Klage“ betitelte Einzelgedicht; sie
-behandeln sämtlich Nebendinge.</p>
-
-<p>Das Hauptereignis, der Untergang der Niflunge durch Atli samt Gudruns
-Rache, wird erzählt in den beiden Liedern von Atli, die parallel
-nebeneinander herlaufen, einem ältern (Atlakvida) und einem jüngern
-(Atlamál); sie geben beide dieselbe Darstellung, denselben Inhalt,
-dieselbe Szenerie wieder.</p>
-
-<p>Damit ist die Sage, soweit sie der deutschen Überlieferung im Norden
-parallel geht, zu Ende. Seltsamerweise ist im Norden die Erzählung
-noch um eine Stufe weiter geführt: Gudrun verheiratet sich (was
-uns sehr seltsam anmutet) zum drittenmal, und um ihre Schicksale
-in dieser dritten Ehe drehen sich die beiden letzten Gedichte der
-Sammlung: Gudruns Aufreizung (Gudrunarhvot) und<span class="pagenum" id="Seite_8">[S. 8]</span> die Sprüche von Hamdir
-(Hamdismál); Hamdir ist einer ihrer Söhne aus dritter Ehe.</p>
-
-<p>Es fehlt nun noch eine Brücke über die Lücke; diese bietet uns eine
-Prosaerzählung, die auch noch im 13. Jahrhundert entstanden ist, und
-die unsere Liedersammlung (nicht in der uns erhaltenen Handschrift)
-in vollständiger Gestalt benutzt hat. Die Erzählung führt den Titel:
-Volsungasaga, die Erzählung von den Wolsungen<a id="FNAnker_2" href="#Fussnote_2" class="fnanchor">[2]</a>. Sie ist kein
-selbständiges Buch, sondern nur der erste Teil und die Einleitung zu
-einem weiter folgenden Hauptteil, der Ragnars Saga Lodbrokar (Erzählung
-von Ragnar Lodbrok, einem Wikingerkönig des 9. Jahrhunderts). Die
-Absicht des ganzen Werkes ist, den im 13. Jahrhundert regierenden
-norwegischen Königen, die sich als Nachkommen des Ragnar Lodbrok
-ansahen, dadurch, daß dieser zu einem Schwiegersohne Sigurds
-gemacht<a id="FNAnker_3" href="#Fussnote_3" class="fnanchor">[3]</a>, Sigurd seinerseits aber bis auf die alten Heidengötter
-zurückgeführt wird, göttlichen Ursprung beizulegen. So setzt die
-Volsungasaga damit ein, daß sie erzählt, wie ein Sohn des Gottes Odin,
-namens Sigi, eine Herrschaft auf Erden gewinnt. Von ihm springt die
-Erzählung auf seinen Sohn Rerir und von Rerir auf dessen Sohn Volsung,
-denjenigen, der den Geschlechtsnamen zuerst führt und damit bekundet,
-daß mit ihm die alte Sage überhaupt erst anhebt. Was vorausgeht, ist
-erst, um die Verbindung mit dem Gotte herzustellen, hinzugedichtet. Von
-Volsung und seinen Söhnen, deren bedeutendster Sigmund heißt, erzählt
-nun die Volsungasaga eine höchst altertümliche und grausige Geschichte,
-die, obgleich sie mit der von Sigurd nur äußerlich in Beziehung steht,
-von Wagner für seine Darstellung der Nibelungensage stark ausgenutzt
-ist. An sie schließt sich die Erzählung von Sigurd, dem Sohne Sigmunds,
-und es folgt die gesamte Sage im Anschluß an die vorhin besprochene
-Liedersammlung, so zwar, daß die Lücke, die in jener vorliegt, hier
-vollständig für uns ausgefüllt ist. Der Sagaschreiber verfährt so naiv,
-daß er die Lieder einfach in Prosa umschreibt. Er denkt nicht daran,
-die notwendigerweise existierenden Widersprüche zwischen den einzelnen
-Liedern auszugleichen. Wenn zwei Lieder hintereinander stehen, die
-dieselbe Geschichte behandeln, die einander also in der<span class="pagenum" id="Seite_9">[S. 9]</span> Prosaerzählung
-eigentlich ausschließen, erzählt er dieselbe Sache ruhig zweimal. &mdash;
-Das ist die eigentliche nordische Überlieferung, die im wesentlichen
-schriftlich niedergelegt worden ist im 13. Jahrhundert, obgleich sie
-natürlich auf wesentlich ältern Quellen beruht. Außerdem ist in die
-nordische Olafs Saga Tryggvasonar (die Erzählung von Olaf, Sohn des
-Tryggvi, einem norwegischen Könige, der im Jahre 1000 fiel) auch ein
-Stück unserer Liedersammlung aufgenommen und kann uns infolgedessen als
-Kontrolle dienen.</p>
-
-<p>In Deutschland haben eigentümlicherweise diejenigen, die sicherlich die
-Kunde von den Ereignissen der Nachwelt übermittelt haben, die Franken,
-nichts Direktes für die poetische oder schriftliche Darstellung der
-Sage getan. Wir finden im 10. Jahrhundert, also etwa hundert Jahre
-nach der Wikingerzeit, eine Spur, daß die Sage vom Niederrhein nach
-Bayern gelangt ist, nicht auf dem Wege der volkstümlichen Erzählung,
-sondern, wie es scheint, einheitlich, indem ein fahrender Mann, der
-die Kenntnis der Geschichte besaß, sie dahin gebracht und dem Bischof
-Pilgrim von Passau, der damals in Bayern eine große Rolle spielte
-(er war Bischof von Passau 971&ndash;991), vorgetragen hat; der Bischof
-soll sie dann in lateinischer Sprache durch seinen Schreiber Konrad
-haben aufzeichnen lassen. Diese Nachricht ist uns überliefert durch
-eine spätere hochdeutsche Dichtung, die Klage, die zwar nicht ohne
-weiteres glaubwürdig ist, von der man aber nicht einsieht, wie sie zur
-Erfindung der Notiz hätte kommen können. So ist denn die Nibelungensage
-spätestens im 10. Jahrhundert vom Niederrhein nach Oberdeutschland
-verpflanzt worden und hier in ein Gebiet geraten, in dem eine andere
-Sage bereits die Alleinherrschaft hat und den Volksgeist und die
-Volksphantasie vollständig beherrscht und erfüllt; es ist dies die
-gotische Dietrichsage, die in Bayern zu Hause ist, und die auch durch
-die Nibelungensage dort nicht hat verdunkelt werden können. Zwischen
-der gotischen Dietrichsage und der Nibelungensage, wie sie von den
-Franken herüberkommt, besteht nun ein eigenartiges äußeres Band. In
-beiden spielt von Haus aus auf Grund der Geschichte der Hunnenkönig
-Attila eine wesentliche Rolle. Damit ist natürlich für die Menschen des
-10.-12. Jahrhunderts erwiesen, daß die beiden Erzählungen gleichzeitig
-sind und in einem gewissen Zusammenhange stehen; so tritt denn in
-Oberdeutschland die Nibelungensage als Episode in die Dietrichsage
-ein. Das hat nicht<span class="pagenum" id="Seite_10">[S. 10]</span> verhindert, daß gerade die Nibelungensage im
-12. Jahrhundert als Stoff eines großen Gedichtes, des einzigen, das
-wenigstens den Versuch macht, die ganze Erzählung abschließend zu
-behandeln, verwendet worden ist; das ist unser Nibelungenlied oder, wie
-sein ursprünglicher Titel heißt, „der Nibelunge Not“. Sein Verfasser
-ist ein ritterlicher Sänger, ein Angehöriger der obern Stände; nachdem
-im 12. Jahrhundert die Kulturverhältnisse sich soweit gehoben haben,
-daß der Ritterstand selbst literarisch tätig ist, arbeiten im Westen
-und besonders im Nordwesten Deutschlands die ritterlichen Dichter
-auf Grund modischer, fremder, gewöhnlich französischer Vorlagen; den
-Angehörigen des Südostens waren solche weniger zugänglich; so griff
-der Dichter der Nibelunge Not in die Tiefe der Volksüberlieferung und
-nahm aus ihr einen einheimischen Stoff heraus und herauf. Das ist die
-Stellung des Nibelungenliedes in der Geschichte der deutschen Literatur.</p>
-
-<p>So wie das Lied uns überliefert ist, ist es nicht ohne weiteres als
-Werk jenes Mannes zu betrachten. Die Beurteilung dieser Überlieferung
-ist ganz besonders schwierig; das Originalgedicht besitzen wir ganz
-bestimmt nicht mehr. Doch war das Lied, wie es uns noch vorliegt, zu
-Anfang des 13. Jahrhunderts vorhanden, denn Wolfram von Eschenbach
-zitiert es in seinem Parzival.</p>
-
-<p>„Der Nibelunge Not“ ist ein literarischer Erfolg allerersten Ranges
-gewesen. Denn von dem Augenblick an, wo das Gedicht existiert, schießen
-Gedichte der gleichen Stoffklasse in gleicher Form wie Pilze aus dem
-Boden; bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts beherrschte die deutsche
-Heldensage (wie man dieses Stoffgebiet als Ganzes nennt) einen großen
-Teil des literarischen Interesses Süddeutschlands. Im Laufe dieser
-Zeit tritt allerdings dieser Stoff allmählich mehr und mehr in die
-zweite Linie zurück, eine natürliche Folge der ständigen Schwankungen
-und Wellen des literarischen Geschmacks. Andere, weniger urwüchsige
-Stoffe wurden jetzt bevorzugt; das Lied war für die vornehmen Stände
-nicht vornehm genug, für die untern Stände wiederum aber noch zu fein.
-So geriet es allmählich in Vergessenheit und wurde ungefähr ums Jahr
-1500 abgelöst durch eine eigenartige, wenig künstlerische Dichtung, das
-„Lied vom Hürnen Seifrid“. Es geht nicht einfach auf das Nibelungenlied
-zurück, sondern hat manche Besonderheiten, und darin besteht seine
-Bedeutung für die Sagenforschung. Aber sein dichterischer Wert ist
-gleich Null. Daß Seifrid<span class="pagenum" id="Seite_11">[S. 11]</span> hier „hürnen“ heißt, will besagen: er hat
-eine durch Drachenblut wie Horn gehärtete Haut. Der Hürnen Seifrid
-ist uns nun schon gar nicht mehr handschriftlich erhalten. Er tritt
-erst in die Literaturgeschichte ein, nachdem der Buchdruck schon
-vorhanden ist: um 1500 tritt er auf, etwa ein Jahrhundert lang (bis
-1611) wird er wiederholt aufgelegt; schließlich liefert das Gedicht
-den Stoff zu dem in eigenartiger Weise modernisierten und eigentlich
-verballhornten Volksbuche vom „gehörnten Siegfried“, das mit modischen,
-halb lateinischen, halb französischen Floskeln verbrämt ist<a id="FNAnker_4" href="#Fussnote_4" class="fnanchor">[4]</a>. Aus dem
-„Hürnen Seifried“ ist ein „gehörnter“ Siegfried geworden. Es ist in
-der Tat gemeint, daß er Hörner auf dem Kopfe trägt; ein vollständiges
-Mißverstehen des alten Beinamens. Das Volksbuch ist im wesentlichen
-während des 18. Jahrhunderts lebendig, doch nur in den untersten
-Kreisen des Volkes. Es ist in bezug auf seinen Sagengehalt nichts
-weiter als eine Ausgestaltung des Hürnen Seifried, also für eine
-Untersuchung der älteren Sagenform ohne Belang.</p>
-
-<p>Der deutsche Zweig der Entwicklung unserer Sage ist im 13. Jahrhundert
-auf literarischem Wege in Skandinavien eingeführt worden, und zwar
-durch einen Norweger, der zum nördlichen Deutschland innige Beziehungen
-hatte. Er nennt als seine Gewährsmänner Leute aus Bremen, Münster und
-Soest, also aus Städten, in denen damals der Handel besonders mit
-Skandinavien blühte. Sein Werk umfaßt das ganze Gebiet der deutschen
-Heldensage, in erster Linie also die Dietrichsage, von den Ahnen
-Dietrichs beginnend bis auf seine Entführung durch ein schwarzes
-Höllenroß. Innerhalb dieses Rahmens ist auch die Nibelungensage
-erzählt, und zwar in deutscher Form, in einer Form, die zu unserm
-Nibelungenliede in nächster Beziehung steht, so zwar, daß wir nicht
-etwa nur anzunehmen brauchen, sie beruhe auf denselben Erzählungen,
-sondern es muß, wenigstens stellenweise, ein und dieselbe Dichtung
-beiden zugrunde liegen. Ob etwa das Nibelungenlied selbst vom Verfasser
-dieses Buches benutzt worden ist, mag vorläufig dahingestellt
-bleiben. Der Titel des Werkes ist „Thidrikssaga Konungs af Bern“, die
-Erzählung von König Dietrich<span class="pagenum" id="Seite_12">[S. 12]</span> von Bern. Dieser, der ja der Hauptheld
-der süddeutschen Sage ist, ist hier der Mittelpunkt des deutschen
-Heldenzeitalters. Um ihn gruppiert sich alles, an ihn schließt sich
-auch die Nibelungensage an; denn er ist in dem großen Nibelungenkampfe
-derjenige, der den Ausschlag gibt, der allein in der Lage ist, die
-Nibelunge zu überwinden. Wie uns die Thidrikssaga erhalten ist, ist
-sie nicht einheitlich, sondern es haben mehrere Hände ihre jetzige
-Gestalt bewirkt. Immerhin ist sie eine wundervolle Quelle, die
-vollständigste Quelle unserer deutschen Heldensage überhaupt. Sie
-hat begreiflicherweise manche Nachdichtung auf nordischem Boden
-hervorgerufen; solche sind für die Erkenntnis der ältern Sagenform
-ebenso belanglos wie das deutsche Volksbuch.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_13">[S. 13]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="II"><span class="s5">II.</span><br />
-<b>Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>ie nordische Gestalt der Nibelungensage hat viel Altertümliches
-bewahrt; in vielen Dingen ist sie sicher wesentlich altertümlicher
-als die deutsche. Eine einheitliche Darstellung im strengen Sinne
-ist im Norden nicht zustande gekommen. Wir besitzen nur Lieder und
-Bruchstücke, notdürftige Zusammenstoppelungen der letztern und die
-scheinbare Gesamterzählung der Volsungasaga, die sich aber Schritt für
-Schritt an die Liedersammlung anklammert.</p>
-
-<p>Die Dichtungen selbst sind, soweit sie uns erhalten sind, noch in
-der Weise altgermanischer Poesie abgefaßt, d. h. sie weisen den
-stabreimenden Vers auf. Dieser tritt in den nordischen Liedern in
-der Hauptsache in drei Formen auf. Die gewöhnlichste Art ist die
-„<span class="antiqua">fornyrdislag</span>“ (Gesetz der alten Rede) genannte. Sie besteht
-darin, daß die gewöhnlichen alten, vier Haupthebungen aufweisenden
-Langverse zu in der Regel vierversigen Strophen verbunden werden;
-oft sind die Strophen verschieden lang, so daß die Verse durch die
-betreffende Dichtung im Grunde genommen glatt durchlaufen. Der Vers
-selbst besteht immer aus zwei Teilen, die durch einen Einschnitt
-getrennt sind. Innerhalb jedes Teiles stehen zwei haupttonige Silben
-(Hebungen). Die erste Hebung des zweiten Teiles ist die wichtigste; sie
-gibt den Stabreim an. Mit ihr muß eine oder dürfen beide des ersten
-Teiles durch Stabreim gebunden sein, z. B. Kurzes Sigurdslied, Strophe
-1:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2">Einstmals kam <b>S</b>igurd <span class="mleft2">zum <b>S</b>ale Gjukis,</span></div>
- <div class="verse indent2">der <b>W</b>olsungensproß <span class="mleft2">nach <b>w</b>ildem Kampfe;</span></div>
- <div class="verse indent2">er schloß den <b>B</b>und <span class="mleft2">mit der <b>B</b>rüder zweien,</span></div>
- <div class="verse indent2">die <b>H</b>elden schwuren sich <span class="mleft2"><b>h</b>eilige Eide<a id="FNAnker_5" href="#Fussnote_5" class="fnanchor">[5]</a>.</span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_14">[S. 14]</span></p>
-
-<p>Die zweite verhältnismäßig selten vorkommende Form ist der sogenannte
-Málaháttr (Spruchweise); ihre Besonderheit besteht darin, daß die
-einzelnen Halbverse etwas länger sind als beim Fornyrdislag, im
-allgemeinen um eine Silbe. In der deutschen Übersetzung hat Gering dies
-dadurch wiedergegeben, daß er die Halbzeilen dreihebig macht, z. B.
-Atlakvida, Strophe 28:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2">Der <b>r</b>eißende <b>R</b>hein nun hüte, <span class="mleft2">was <b>R</b>ecken zum Streit entflammte,</span></div>
- <div class="verse indent2">das <b>e</b>inst die <b>A</b>sen besessen, <span class="mleft2">das <b>a</b>lte Niflungenerbe!</span></div>
- <div class="verse indent2">Im <b>r</b>innenden Wasser besser <span class="mleft2">sind die <b>R</b>inge des Unheils verborgen,</span></div>
- <div class="verse indent2">als wenn an <b>h</b>unnischen <b>H</b>änden <span class="mleft2">das <b>h</b>elle Gold erglänzte.</span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Das dritte Metrum, Ljódaháttr (Liedweise) genannt, ist ein lyrisches,
-offenbar zum Gesang bestimmtes. Es besteht darin, daß auf einen
-Langvers, der dem im Fornyrdislag üblichen im wesentlichen gleich ist,
-ein einschnittloser Vers von drei Hebungen folgt und mit ihm ein Ganzes
-bildet; in der Regel sind zwei solcher Verspaare zu einer Strophe
-vereinigt, z. B. Reginsmál, Strophe 1:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2">Was ist’s für ein <b>F</b>isch, <span class="mleft2">der im <b>F</b>lusse schwimmt</span></div>
- <div class="verse indent6">und sich unklug vor <b>Sch</b>aden nicht <b>sch</b>ützt?</div>
- <div class="verse indent2">Aus <b>H</b>els <b>H</b>änden <span class="mleft2">dein <b>H</b>aupt nun löse,</span></div>
- <div class="verse indent6">schaffe mir <b>F</b>euer der <b>F</b>lut.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der Stabreim besteht darin, daß der Anlaut der höchstbetonten Silben
-gleich ist; es ist nur nötig, daß der erste Laut alliteriert, mit
-folgenden Ausnahmen: 1. alle vokalisch anlautenden Silben können
-miteinander reimen, weil der Germane keinen Vokal anders als mit einem
-festen Ansatz ausspricht, den wir auch in der heutigen deutschen
-Sprache noch hören können: also Worte wie „alt“ und „ewig“ klingen
-reimend an für den Stabreim; 2. die mit folgenden p, t und ch eng
-verbundenen s können nur mit ebenso verbundenen gereimt werden, z. B.
-„sprechen“ mit „Sper“, aber nicht mit „schießen“, dies mit „schreien“,
-aber nicht mit „sitzen“ usw. Im übrigen ist jeder einzelne Laut allein
-ausreichend.</p>
-
-<p>Soviel über die poetische Form; die Mehrzahl der nordischen Denkmäler
-ist allerdings in Prosa abgefaßt, Verse bilden immerhin die Ausnahme.</p>
-
-<p>Den Inhalt der nordischen Sagenform kennen wir am vollständigsten aus
-der Volsungasaga. Sie hat die Erzählung bis auf den alten Hauptgott
-der Germanen selbst zurückgeführt; Odin<span class="pagenum" id="Seite_15">[S. 15]</span> steht an der Spitze des
-Geschlechtes der Wolsunge<a id="FNAnker_6" href="#Fussnote_6" class="fnanchor">[6]</a>. Im Norden ist, da das Heidentum sehr
-viel länger lebendig blieb als in Deutschland, die Götterlehre sehr
-viel weiter ausgebildet, und sind die Götter sehr viel persönlicher
-geworden; in Deutschland wissen wir von ihnen so gut wie nichts; sie
-sind hier wesenlose Schemen. Odin ist der Vater des Sigi, der als ein
-König auf Erden herrscht, von seinem Vater eingesetzt. Sein Enkel
-Wolsung ist der eigentliche Ahnherr des Geschlechtes der Wolsunge; daß
-er selbst den Geschlechtsnamen führt, ist im Grunde ein Versehen der
-nordischen Überlieferung, das uns ein altenglisches Zeugnis beseitigen
-hilft: im Gedichte Beowulf, dem ältesten Epos in germanischer Sprache,
-heißt derselbe Mann nicht Wolsung, sondern bloß Wæls. Diese Form ist
-zweifellos die richtige; sie gibt den eigentlichen Personennamen.
-Wolsung, mit der Endung -ung abgeleitet, ist der Geschlechtsname,
-zu vergleichen mit Amelungen, Merowingern, Karolingern, Nibelungen
-usw.; ein Wolsung ist ein Nachkomme des Wals; diese Bildungsweise der
-Geschlechtsnamen ist gut germanisch.</p>
-
-<p>Wolsung hat zehn Söhne und eine Tochter, namens Signy. Um diese wirbt
-ein König Siggeir (er herrscht über die Gauten, die in Südschweden
-sitzen) und erhält sie auch zur Frau. Auf der Hochzeit der beiden
-erscheint ein Mann in blauem Mantel, den Hut ins Gesicht hereingezogen,
-so daß man nur ein Auge sieht, stößt in den Baumstamm, der mitten in
-der Königshalle steht, ein Schwert und bestimmt es demjenigen, der
-imstande ist, es wieder herauszuziehen. Der Mann ist seiner Schilderung
-nach natürlich Odin, der höchste Gott, der in dieser Gestalt auf der
-Erde wandernd gedacht wurde. Die Hochzeitsgäste, vor allen Siggeir,
-der junge Gemahl, versuchen das Schwert herauszuziehen. Keinem gelingt
-es; erst als Sigmund, der älteste Sohn Wolsungs, zugreift, liegt das
-Schwert vor ihm, als ob es gar nicht festgesteckt hätte. Siggeir bietet
-ihm Gold für das Schwert, er aber behält es für sich.</p>
-
-<p>Siggeir scheidet in Ärger von der Familie seiner Frau und denkt
-auf Rache. Nach einiger Zeit ladet er den Schwiegervater und seine
-Söhne zu sich ein. Sie kommen trotz der Warnung der Signy und werden
-unmittelbar, nachdem sie im Gautenlande<span class="pagenum" id="Seite_16">[S. 16]</span> angekommen sind, überfallen,
-der alte König Wolsung getötet, seine Söhne gefangen; in der
-Gefangenschaft kommen sie nach und nach alle um, mit Ausnahme Sigmunds,
-der durch eine List der Signy am Leben erhalten wird und entflieht. Er
-lebt in der Wildnis und sinnt auf Rache, vermag sie aber noch nicht
-durchzuführen.</p>
-
-<p>Signy ist in einer eigenartigen Lage: sie ist die Schwester des Rächers
-und die Gattin desjenigen, gegen den die Rache geplant ist, gerät also
-in einen Konflikt der Pflichten. Als die Signy-Sigmund-Geschichte
-gedichtet wurde, galt durchaus noch die alte Anschauung, daß
-Blutsverwandtschaft dem Gattenverhältnis unbedingt vorgeht, daß also
-Signy ebenso zur Rache für Wolsung und ihre Brüder verpflichtet ist,
-wie Sigmund. Signy versucht sogar ihre eigenen, dem Siggeir gebotenen
-Söhne, die doch auch Wolsungs Enkel sind, zur Rache zu verwenden und
-schickt sie zu Sigmund in den Wald hinaus, damit dieser sie auf ihre
-Heldenhaftigkeit prüfe. Sie erweisen sich aber als Memmen, weil sie
-zur Hälfte vom Stamme Siggeirs sind und keine vollbürtigen Wolsunge.
-Sigmund tötet sie im Einverständnis mit Signy ohne weiteres, diese
-aber entschließt sich zu einem ganz eigenartigen Schritt: sie tauscht
-mit einem andern Weibe die Gestalt (ein in der nordischen Dichtung
-gar nicht selten auftretender Zug) und lebt dann eine Zeitlang
-unerkannt bei ihrem Bruder, um nach eingetretener Empfängnis wieder
-zurückzukehren<a id="FNAnker_7" href="#Fussnote_7" class="fnanchor">[7]</a>. Der Sohn, den sie gebiert, der den Namen Sinfjotli
-trägt, ist infolgedessen ein Wolsung von Vater- und von Mutterseite
-und vollwertig zur Rache. Auch er wird hinaus zu Sigmund geschickt,
-von ihm geprüft und sofort als Held erfunden. Darauf schleichen sich
-Sigmund und Sinfjotli in die Halle Siggeirs ein, werden jedoch entdeckt
-und festgesetzt. In der Gefangenschaft aber reicht ihnen Signy das
-Wunderschwert zu, um das der Streit entbrannt war. Mit dem Schwerte
-sägen sich Sigmund und Sinfjotli aus den Mauern ihres Kerkers, töten
-den Siggeir und brennen die Halle nieder. Die Rache ist vollendet.
-Signy verbrennt sich in den Flammen des brennenden Hauses zur Sühne für
-ihre Teilnahme an derselben.</p>
-
-<p>Sigmund aber kehrt in seine Heimat zurück, vermählt sich<span class="pagenum" id="Seite_17">[S. 17]</span> mit einer
-dänischen Fürstin, namens Borghild, und wird dadurch dänischer König.
-Diese Borghild hat in der Sage recht wenig Bedeutung; sie bedeutet für
-die Komposition unserer Erzählung nur, daß Sinfjotli, der in ihren
-späteren Teilen keine Stelle mehr hat, herausgebracht wird. Sie haßt
-den Stiefsohn und vergiftet ihn schließlich. Sinfjotli ist damit aus
-der Erzählung ausgeschieden, und Borghild entbehrlich: Sigmund verstößt
-sie.</p>
-
-<p>An die Sigmund-Borghild-Episode anknüpfend hat ein nordischer
-Dichter eine in Deutschland ganz unbekannte Sage dänischen Ursprungs
-angeschlossen: die Geschichte von Helgi dem Hundingstöter. Dieser gilt
-für einen Sohn des Sigmund und der Borghild. Seine Taten und Schicksale
-stehen nur in ganz loser Beziehung zu unserer Sage. Der von Helgi
-getötete Hunding<a id="FNAnker_8" href="#Fussnote_8" class="fnanchor">[8]</a> gilt als Vater des Königs Lyngvi, gegen den Sigmund
-gefallen ist &mdash; eine chronologisch fast unmögliche Auffassung.</p>
-
-<p>Sigmund geht an eine zweite Ehe. Obgleich nunmehr schon bejahrt, wirbt
-er doch um eine junge Fürstin, die den Namen Hjordis führt (ein Name,
-der in Deutschland nicht vorkommt; er bedeutet etwa „Schwertmädchen“).
-Gleichzeitig wirbt um diese Hjordis ein König Lyngvi. Obgleich
-er jünger ist wie Sigmund, wählt sie doch den Alten, weil er der
-berühmtere ist, und folgt ihm als Gattin. Lyngvi zieht zur Rache gegen
-ihn zu Felde. Es kommt zu einer Schlacht, in der Sigmund wie immer
-das unüberwindliche Gottesschwert schwingt; im entscheidenden Moment
-aber tritt ihm Odin selbst entgegen und hält seinen Speer gegen das
-Schwert: es zerspringt, und Lyngvi kann Sigmund tödlich verwunden.
-Er kommt aber nicht zu seinem Ziele, denn er findet die versteckte
-Hjordis nicht und zieht ohne sie ab. Hjordis sucht ihrerseits auf dem
-Schlachtfelde den todwunden Gatten auf und erhält von ihm, bevor er
-stirbt, die Bruchstücke des Schwertes, um sie dem zu erwartenden Sohne
-aufzubewahren.</p>
-
-<p>Irgendwie motiviert ist in der Erzählung das Auftreten des Gottes Odin
-nicht: er schenkt das Schwert, ebenso wie er es später zum Springen
-bringt, ohne Grund. Irgendwelche tiefern religiösen Ideen darf man
-nicht darin suchen, auch nicht das, was man gemeinhin einen Mythus
-nennt. Es ist nichts weiter darin zu finden als ein Bild: Odin ist
-der Gott des Sieges;<span class="pagenum" id="Seite_18">[S. 18]</span> Sigmund ist im wichtigsten Teile seines Lebens
-als unüberwindlicher, siegreicher Held gedacht, er genießt also die
-Gunst des Sieggottes, er hat ein von diesem ihm geschenktes Schwert.
-Schließlich fällt er doch in der Schlacht; also muß ihm der Gott selbst
-den Sieg entzogen haben; warum er dies getan hat, danach hat man bei
-einem Gotte nicht zu fragen.</p>
-
-<p>Hjordis wurde mit ihrer Begleitung kurz nach dem Tode ihres Gatten
-von Seeräubern entführt. An ihrer Spitze stand Alf, der Sohn des
-Königs Hjalprik von Dänemark. Alf fand Gefallen an der Witwe und
-vermählte sich mit ihr, nachdem sie den Sigurd, den Sohn Sigmunds,
-geboren hatte; so wurde Sigurd (unser deutscher Siegfried) erzogen
-am Hofe des Königs von Dänemark &mdash; nach der Auffassung einer spätern
-nordischen Dichtung. Damit aber hören die Beziehungen Sigurds zum
-dänischen Königshofe so gut wie ganz auf. Außer seinem Stiefvater hat
-Sigurd noch einen Pflegevater, den Regin, einen Mann verhältnismäßig
-niederer Herkunft. Die Doppelheit des Stiefvaters und Pflegevaters
-zu gleicher Zeit und scheinbar auch am gleichen Orte wäre zur Not zu
-verstehen. Nicht zu verstehen aber ist, daß der Stiefvater in Dänemark
-lebt, der Pflegevater dagegen, wie sich gleich aus dem folgenden
-ergibt, in Deutschland am Rheine lebend gedacht wird. Wir sehen hier,
-daß die Darstellung Sprünge hat, daß ältere und jüngere Schichten
-übereinander liegen; der ältern gehört hier der Pflegevater Regin am
-Rheine an. Der Umstand, daß Sigurd, der später ein großer Held wird,
-unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein soll, hat die spätern,
-verfeinerten Geschlechter gestört; man hat ihm deshalb einen Stiefvater
-aus königlichem Blute gegeben, so daß eine dementsprechende königliche
-Erziehung möglich war.</p>
-
-<p>Regin ist, wie gesagt, ein Mann vergleichsweise niederer Herkunft.
-Er versucht den Sigurd, nachdem er herangewachsen ist, in seinem
-eigenen Interesse auszunutzen; zu diesem Zwecke erzählt er ihm seine
-Schicksale und damit verbunden die Herkunft des großen Schatzes, den er
-beansprucht, den aber ein Drache hütet.</p>
-
-<p>Nach dieser Erzählung war der Vater des Regin und noch zweier Brüder,
-die die Namen Fafnir und Otr führen, ein Bauer namens Hreidmar. Die
-Söhne hatten die Fähigkeit, beliebig Tiergestalt anzunehmen. Es ist das
-eine Erscheinung ähnlich dem Gestaltentausch der Signy.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_19">[S. 19]</span></p>
-
-<p>Eines Tages ziehen nun drei Götter, Odin, Hönir und Loki (eine
-Dreiheit, die oft zusammen genannt wird) auf Erden umher in
-menschlicher Gestalt. An einem Wasserfall sehen sie einen Fischotter
-einen Fisch schmausen. Loki tötet durch einen Steinwurf den Fischotter
-und zieht ihm den Balg ab. Mit dieser Beute kehren sie dann bei dem
-Bauern Hreidmar ein; dieser erkennt an dem Otterfell, daß sein Sohn Otr
-hat das Leben lassen müssen. Er setzt infolgedessen die drei Götter
-gefangen und legt ihnen die Mordbuße für den Sohn auf: der Otterbalg
-soll mit Gold ausgefüllt werden, bis er auf seinen vier Beinen
-wieder stehen kann, und dann auch mit Gold überzogen werden, bis das
-letzte Härchen verschwunden ist. Darauf wird einer der Götter, Loki,
-beurlaubt, um das nötige Lösegeld herbeizuschaffen. Er kommt wieder
-an den Wasserfall, wo, wie er weiß, ein Zwerg, namens Andvari, lebt,
-der große Schätze hat und sich oft in Hechtgestalt im Wasser aufhält.
-Loki fängt diesen Hecht, und nun muß sich Andvari durch Herausgabe
-seines Reichtums lösen. Er gibt verhältnismäßig rasch alles heraus
-bis auf einen Ring, der in der Folge unter dem Namen Andvaranaut
-(Andvari’s Kleinod) eine wichtige Rolle spielt; da Loki auch diesen
-nimmt, das letzte, was Andvari hat, belegt der Zwerg den Ring mit
-einem furchtbaren Fluche, der darauf hinzielt, daß alle die, die ihn
-später besitzen werden, vom Fluche betroffen zugrunde gehen. Mit der
-gewonnenen Beute wandert Loki zu Hreidmar und übergibt das Gold Odin.
-Dieser füllt den Balg aus und überkleidet seine Außenseite, behält
-aber den Ring vorläufig zurück. Hreidmar sieht sich die Mordbuße an
-und erklärt schließlich, daß noch ein Schnurrbarthaar des Otters
-durchscheine; das müsse noch bedeckt werden, dann sei die Sache in
-Ordnung. Darauf erst gibt Odin den unheilbringenden Ring noch hinzu,
-und die Götter sind gelöst. Sofort aber beginnt der Fluch zu wirken:
-die beiden andern Söhne Hreidmars fordern Anteil an der Buße; da er das
-verweigert, erschlagen ihn seine Söhne und geraten nun untereinander
-in Zwist. Fafnir verjagt Regin, behält den ganzen Schatz für sich und
-hütet ihn nun in einer Höhle auf der Gnitaheide<a id="FNAnker_9" href="#Fussnote_9" class="fnanchor">[9]</a>. Hier liegt er von
-nun an in Drachengestalt auf dem Schatze.</p>
-
-<p>Regins Bestreben ist nun, Fafnir zu töten und damit den<span class="pagenum" id="Seite_20">[S. 20]</span> Schatz zu
-gewinnen; zu diesem Zwecke will er sich Sigurds bedienen. Sigurd
-verlangt dazu zunächst ein Schwert. Die Schwerter, die Regin selbst
-schmiedet, sind ihm alle nicht gut genug; sie versagen bei der Probe.
-Daraufhin begibt sich Sigurd zu seiner Mutter und erhält von ihr
-die Stücke des Gottesschwertes, das der Vater geführt hat. Regin
-schweißt sie wieder zusammen<a id="FNAnker_10" href="#Fussnote_10" class="fnanchor">[10]</a>. Dies Schwert besteht jede Probe. Es
-wird im Rhein erprobt, indem im langsam fließenden Wasser gegen die
-Schärfe des Schwertes eine Wollflocke entgegentreibt; sie wird glatt
-durchschnitten. Das Schwert wird für gut erklärt, und nun verlangt
-Regin die Tötung des Drachens. Sigurd aber denkt zunächst an etwas
-anderes, was in der nordischen Sagengestalt unvermeidlich ist, aber
-zweifellos nicht ursprünglich zu unserer Darstellung gehört: er denkt
-an Vaterrache. Er muß seinen gefallenen Vater Sigmund an Lyngvi rächen.
-So zieht er denn zunächst mit Heeresmacht, die er natürlich von seinem
-Stiefvater Alf erhalten hat, gegen Lyngvi und fängt und tötet ihn.
-Dann erst, nachdem die Vaterrache gelungen ist, macht sich Sigurd an
-die Tötung Fafnirs. Er kundschaftet seine Höhle aus, gräbt eine Grube,
-setzt sich hinein und ersticht ihn von unten, während jener über ihn
-hinwegschreitet. Die nordische Dichtung bringt nunmehr ein langes
-Zwiegespräch zwischen dem sterbenden Drachen und Sigurd; gerade in
-solche Momente lange, meist auf die Zukunft hinausdeutende Erzählungen
-einzulegen, ist im Norden nicht unbeliebt, erscheint uns freilich
-ungeschickt und unbegreiflich.</p>
-
-<p>Dann stirbt der Drache, Regin begrüßt den Sigurd, bittet ihn, ihm
-das Herz des Drachens zu braten und legt sich einstweilen zur Ruhe.
-Sigurd geht an diese kleine Arbeit und versucht nach einiger Zeit,
-ob das Herz wohl gar ist, indem er es mit den Fingern anfaßt; dabei
-verbrennt er sich und steckt die Finger rasch in den Mund. Darüber
-kommt etwas Drachenblut an seine Zunge, und er versteht plötzlich,
-was die Vögel in den Bäumen über ihm reden. So erfährt er denn von
-ihnen, daß Regin darauf denkt, wie er Sigurd beseitigen kann, teils um
-seine Rachegelüste zu befriedigen, &mdash; denn er hat gewissermaßen die
-Verpflichtung, seinen Bruder Fafnir zu rächen, &mdash; teils um<span class="pagenum" id="Seite_21">[S. 21]</span> den Hort
-für sich zu gewinnen. Daraufhin tötet Sigurd den Regin. Durch die Vögel
-erfährt er weiter von dem Dasein des Schatzes und wird hingewiesen
-auf eine Jungfrau, zu der ihn zunächst sein Weg führen soll. Mit dem
-Schatze beladen zieht er ab und kommt nach einiger Zeit an eine Höhe,
-die den Namen Hindarfjall (der Hindenberg) führt. Die Erzählung (hier
-die Prosa des Sammlers der Lieder-Edda) fährt wörtlich fort (Gering S.
-210): „Sigurd ritt hinauf nach Hindarfjall, und seine Absicht war es,
-gen Süden nach dem Frankenlande zu ziehen. Auf dem Berge sah er ein
-helles Licht, als ob Feuer darauf brannte, und der Schein leuchtete zum
-Himmel empor. Als er aber näher kam, stand dort eine Schildburg, und
-über ihr wehte ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg und erblickte
-darin einen Mann, der in voller Rüstung da lag und schlief.“ Es brennt
-also kein Feuer, sondern die glänzenden Schilde, die zu einer Art von
-Zaun zusammengestellt sind &mdash; das ist die Schildburg &mdash;, leuchten in
-der Sonne, so daß es von weitem aussieht, als brännte ein Feuer. Ein
-wirkliches Feuer aber ist hier in der Überlieferung nicht gemeint. Es
-ist das wesentlich für die Auffassung eines bestimmten Zugs unserer
-Sage. Der schlafende Mann wird von Sigurd erweckt; er schneidet ihm
-den Panzer auf und erkennt nun, daß er ein Weib vor sich hat. Das Weib
-erwacht und erzählt ihm ihre Schicksale. Sie heißt Brynhild und war
-früher eine Walküre des Gottes Odin (also ursprünglich ein dämonisches,
-kein menschliches Wesen). Als einmal ein Kampf zwischen zwei Königen
-ausbrach, Hjalmgunnar und Agnar, da stand Odin auf Seite des erstern,
-des ältern und berühmtern. Niemand aber wollte dem Agnar helfen. Das
-unternahm nun gegen den Willen des Gottes die Walküre Brynhild. Dafür
-ist sie von Odin aus der Schar der Walküren ausgestoßen, in Schlaf
-versenkt und zur Vermählung bestimmt worden. Sie aber hat vorher noch
-das Gelübde getan, nur dem sich zu vermählen, der das Fürchten nicht
-kenne. Erweckt, gibt sie zunächst dem Sigurd weise Lehren. Alsdann
-verloben sie sich miteinander. Sigurd aber nimmt Abschied, ohne daß
-die Ehe sofort vollzogen wird<a id="FNAnker_11" href="#Fussnote_11" class="fnanchor">[11]</a>.<span class="pagenum" id="Seite_22">[S. 22]</span> Diese Unterlassung wird nicht
-begründet, wie überhaupt die ganze Erzählung viel Seltsames hat und
-uns noch seltsamer anmutet, wenn wir unmittelbar hinterher von einer
-zweiten Begegnung Sigurds mit Brynhild erfahren, die so erzählt wird,
-als ob die erste gar nicht stattgefunden hätte. Wir stehen allerdings
-jetzt in der Lücke des <span class="antiqua">Codex regius</span> und können nur die
-Volsungasaga benutzen, die für uns die Lücke ausfüllt. Nach ihr kommt
-Sigurd, nachdem er vom Hindenberge weggeritten ist, zu einem Helden,
-namens Heimir, der in Hlymdalir wohnt. Dieser Heimir hat einen Sohn
-Alsvinn, mit dem sich Sigurd befreundet. Sie jagen zusammen. Auf einer
-Jagd gelangt Sigurd im Walde auf einen einsamen Turm. Hier findet er
-Brynhild, wird mit ihr bekannt, wirbt um sie und wird nicht abgewiesen,
-obgleich sie Bedenken gegen die Werbung hat, denn sie sagt, sie wäre
-eine Schildmaid und trüge im Dienste von Königen die Waffen. Sie ist
-hier also kein übermenschliches, sondern ein rein menschliches Mädchen.
-Schildmädchen, d. h. Frauen, die sich dem Kriegerberufe gewidmet haben,
-sind in der nordischen Tradition gar nichts seltenes, sind sogar auch
-in der altgermanischen Welt überhaupt nichts seltenes gewesen. Man
-erinnere sich ferner daran, daß schon die Griechen im Norden Europas
-die Amazonenvölker, also kriegerische Frauen, kennen. &mdash;
-<a id="Verlobungsgeschichten"></a>Sigurd und
-Brynhild schwören einander Eide, und zwar, wie die Volsungasaga ganz
-naiv sagt, von neuem; die Verlobung wird also zweimal geschlossen.
-Selbstverständlich haben wir hier zwei parallele Dichtungen, die
-nebeneinander stehen, die aber der Sagaschreiber einfach hintereinander
-erzählt. Die eine schließt die andere aus. Welches die altertümlichere
-ist, kann meines Erachtens nicht zweifelhaft sein: die zweite ist die
-ältere.</p>
-
-<p>Das menschliche Schildmädchen ist aus den altgermanischen Verhältnissen
-heraus ohne weiteres verständlich; die zur Strafe unter die
-Menschen versetzte, ursprünglich rein dämonische Walküre setzt die
-ganze Entwicklung der speziell nordischen Form des germanischen
-Götterglaubens notwendig voraus; die Walküren als Botinnen Odins
-und Gefährtinnen der seligen Helden können nicht ohne diese (die
-Einherjar) gedacht werden, letztere wieder nicht ohne die nordische
-Eschatologie, die ihrerseits bestimmt<span class="pagenum" id="Seite_23">[S. 23]</span> erst unter südeuropäischen
-(römisch-klassischen und römisch-christlichen) Einflüssen zustande
-gekommen ist.</p>
-
-<p>Nachdem Sigurd die Brynhild zum zweiten Male und ebenfalls ohne Angabe
-eines rechten Grundes verlassen hat, zieht er weiter und kommt an den
-Hof des Königs Gjuki. Gjuki ist die nordische Namensform des deutschen
-Gibich (mhd. Gibeche, ursprünglich Gibica). König Gjukis Volk wird im
-Norden entweder nicht oder als „Goten“ benannt, eine Auffassung, die
-wohl damit zusammenhängt, daß man sich im Norden die eng mit den Goten
-verbundenen Hunnen in Norddeutschland wohnend dachte und Sigurd zu den
-Hunnen rechnete. Im allgemeinen wird Gjukis Geschlecht und dann auch
-sein Volk mit dem Namen der Nibelunge bezeichnet (die nordische Form
-ist Niflungar). Der Name Nibelunge ist im Norden ziemlich selten. Wo er
-vorkommt, bezeichnet er stets den König Gjuki und seine Angehörigen.
-König Gjuki hat eine Gattin Grimhild und mehrere Kinder, vor allen
-die Söhne Gunnar (deutsch Günther) und Hogni (deutsch Hagen, der also
-im Norden ein Bruder Günthers ist) und die Tochter Gudrun. Außerdem
-erscheinen noch gelegentlich andere Kinder Gjukis, darunter ein Sohn
-Gudorm, der in der nordischen Sage zu besondern Zwecken verwandt wird
-und nicht auf gleicher Stufe mit seinen Geschwistern steht.</p>
-
-<p>Am Hofe des Königs Gjuki erregt Sigurd großes Aufsehen, so daß man
-beschließt, ihn an sich zu fesseln. Als treibend tritt hierbei
-Grimhild, die Gattin Gjukis, auf (nicht zu verwechseln mit unserer
-deutschen Kriemhilt die vielmehr der nordischen Gudrun entspricht).
-Sie gibt dem Sigurd einen Vergessenheitstrank, worauf er nicht mehr an
-Brynhild denkt, und rät dann ihrem Manne, dem Sigurd die Tochter Gudrun
-zum Weibe anzubieten. Gjuki antwortet darauf, es sei nicht üblich,
-daß man seine Tochter jemandem zum Weibe anbiete, aber doch noch
-ruhmvoller, sie Sigurd anzubieten, als wenn ein anderer käme, um sie zu
-werben. Also die Wertschätzung Sigurds ist sehr groß. Sigurd vermählt
-sich darauf mit Gudrun und wird in die Familie aufgenommen durch die
-Formel des Blutsbundes. Gunnar, Hogni und Sigurd fügen sich eine
-leichte Wunde zu, lassen das Blut in ihre gemeinsame Fußspur rinnen,
-vermischen es auf diese Weise und gelten nunmehr als Blutsverwandte,
-als wirkliche Brüder. Ein solcher Blutsbund ist heilig und hat alle
-rechtlichen Folgen echter Verwandtschaft.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_24">[S. 24]</span></p>
-
-<p>Nach einiger Zeit beschließt Gunnar, Gjukis Sohn und Sigurds Schwager,
-sich um Brynhild zu bewerben. Zu dieser Werbung ziehen aus Gunnar,
-Hogni und Sigurd. Sie holen sich zunächst an den zuständigen Stellen
-die Einwilligung, erst bei König Atli, dem Bruder der Brynhild, dann
-bei ihrem Pflegevater Heimir, bei dem Sigurd sie kennen gelernt hatte,
-und begeben sich dann zu ihr. Sie sitzt jetzt in einem Schlosse, das
-von wogendem Feuer umgeben ist. Gunnar versucht hindurchzureiten; sein
-Roß scheut zurück. Er bittet daraufhin zunächst Sigurd um sein Pferd
-Grani und erhält es; aber unter Gunnar geht auch Grani nicht durchs
-Feuer. So tauscht denn schließlich Sigurd mit Gunnar die Gestalt
-(wieder ein solcher Gestaltentausch, der ohne Schwierigkeit gelingt)
-und reitet auf Grani in Gunnars Gestalt durch die Flammen. Drinnen
-sitzt Brynhild und ist gewärtig (was eigentlich nicht erklärt wird),
-daß nur Sigurd es wagen werde, durch die Flammen zu reiten. Sie sieht
-aber, daß ein anderer kommt, der sich Gunnar nennt, und da er durch die
-Flammen geritten ist, also die erforderliche Bedingung erfüllt hat,
-so ergibt sie sich ruhig in ihr Schicksal. Sigurd in Gunnars Gestalt
-bleibt drei Nächte lang bei ihr, ohne sie jedoch zu berühren; vielmehr
-trennt ein blankes Schwert ihrer beider Lager. Dann folgt Brynhild dem
-Gunnar als Ehefrau, und eine Zeitlang leben die beiden jungen Paare
-neben Hogni und den übrigen Familienmitgliedern zusammen in allem
-Frieden an demselben Hofe.</p>
-
-<p>Da erhebt sich ein Streit zwischen den beiden Königinnen Brynhild
-und Gudrun, und zwar um den Rang. Es sind außerordentlich einfache
-Verhältnisse, die hier geschildert werden: obgleich königliche Frauen,
-gehen sie doch in ganz volkstümlicher Weise zusammen im Flusse baden.
-Während des Badens ändert plötzlich Brynhild ihren Platz, indem sie
-ihre bisherige Stellung unterhalb der Gudrun mit einer oberhalb
-derselben vertauscht. Gudrun fällt das auf; sie fragt, warum sie das
-täte, worauf Brynhild erwidert, sie möge nicht mit dem Wasser baden,
-das von der Gudrun abgelaufen ist, weil sie (Brynhild) die vornehmere
-sei. Gudrun sei die Gattin eines Knechtes<a id="FNAnker_12" href="#Fussnote_12" class="fnanchor">[12]</a>, während Gunnar den Ritt
-durch die Flammen vollbracht habe. Gudrun,<span class="pagenum" id="Seite_25">[S. 25]</span> über diese Vorwürfe sehr
-erzürnt, enthüllt das Geheimnis: nicht Gunnar, sondern Sigurd ist durch
-die Flammen geritten; der Mann, der dabei den Ring Andvaranaut gegeben
-hat (oder genommen &mdash; das ist nach den Darstellungen verschieden),
-kann nur Sigurd gewesen sein. Brynhild ist über diese Enthüllung sehr
-unglücklich, geht nach Hause und brütet Rache.</p>
-
-<p>Die Rolle, die der Ring als Beweisstück in dem Zanke der Königinnen
-spielt, ist je nach der Einzelquelle verschieden gefaßt, doch bleibt
-es sich tatsächlich gleich, ob im Augenblicke des Zankes Brynhild den
-Ring trägt, und Gudrun ihr sagt, „dieser Ring stammt doch aus Fafnirs
-Schatze, den kann dir nur Sigurd gegeben haben“, oder ob Gudrun den
-Ring trägt und sagt „den Ring, den ich hier habe, den hat Sigurd dir
-damals abgenommen“. Die Wirkung bleibt die gleiche.</p>
-
-<p>Die Tatsache des dreitägigen, wenn auch keuschen Beilagers von Sigurd
-und Brynhild wird natürlich in dem Königinnenstreite verdreht und dazu
-benutzt, die Katastrophe herbeizuführen: Gudrun wirft der Brynhild vor,
-daß nicht Gunnar, sondern Sigurd ihr erster Mann gewesen sei. Über die
-Wirkung dieser Behauptung im einzelnen sind die nordischen Quellen
-nicht recht einig, vermutlich, weil wieder mehrere Parallelerzählungen,
-die sich gelegentlich widersprechen, nicht voll miteinander
-ausgeglichen sind. Das Ursprüngliche scheint zu sein, daß Brynhild die
-falsche Behauptung aufnimmt und bewußt verlogen zugibt, daß Sigurd
-dem Gunnar in jenen kritischen Nächten die Treue nicht gewahrt habe.
-Dadurch gewinnt sie letztern für die Rache, die Ermordung Sigurds.
-Freilich sind Gunnar sowohl wie Hogni vermöge des Blutbundes nicht in
-der Lage, die Rache persönlich auszuführen. Zu diesem Zwecke taucht nun
-jener dritte Sohn Gjukis, Gudorm, auf. Er wird als geeignetes Werkzeug
-zur Rache verwendet. Die Art, wie Sigurd von Gudorm getötet wird, wird
-wieder in der verschiedensten Weise erzählt. Die nordischen Texte
-kennen drei Darstellungen von Sigurds Tode: nach der einen (sie scheint
-im Norden die altertümlichste zu sein) wird er ermordet während des
-Rittes zur Volksversammlung; nach der zweiten, ausdrücklich als deutsch
-bezeichneten Darstellung wird er im Walde auf der Jagd ermordet, und
-nach der dritten Darstellung, die im kurzen Sigurdsliede vorliegt und
-von der Volsungasaga aufgenommen ist, wird er nachts im Bette schlafend
-ermordet, an der Seite seiner Gattin. Diese Darstellungen gehen<span class="pagenum" id="Seite_26">[S. 26]</span> zum
-Teil auf verschiedene Grundlagen zurück, zum Teil sind sie willkürliche
-Änderungen derselben.</p>
-
-<p>Nach Sigurds Ermordung gibt Brynhild zu, daß er stets die Treue
-gehalten hat und unschuldig ermordet worden ist; sie läßt sich mit
-ihm auf demselben Scheiterhaufen verbrennen. Gudrun aber nimmt nach
-einiger Zeit von ihren Angehörigen die Mordbuße für den erschlagenen
-Gatten an, und es führt im Grunde von diesem Teile der Erzählung zu dem
-folgenden keine innere Brücke. Dieser ist mit dem bisher betrachteten
-lediglich dadurch verbunden, daß dieselben Personen auftreten, nicht
-aber dadurch, daß die Handlung des zweiten Teiles mit der des ersten
-innerlich in Zusammenhang steht. Einen schwachen Versuch hat der Norden
-gemacht, einen Zusammenhang herzustellen, indem er Brynhild zu einer
-Schwester des Königs Atli, des demnächst auftretenden zweiten Gatten
-Gudruns, gemacht und diesem damit die Pflicht auferlegt hat, diese
-Schwester zu rächen.</p>
-
-<p>Nachdem Gudrun eine Zeitlang bei ihren Verwandten gelebt hat, kommt der
-neue Werber, König Atli<a id="FNAnker_13" href="#Fussnote_13" class="fnanchor">[13]</a>, und Gudrun reicht ihm ihre Hand. Nachdem
-sie eine Zeitlang verheiratet sind, beschließt Atli, ohne daß Gudrun
-dazu irgend etwas tut, die Niflunge zu vernichten, um einerseits &mdash;
-das ist die nordische Zugabe &mdash; seine Schwester Brynhild zu rächen
-und andererseits &mdash; das ist die eigentliche Hauptsache &mdash; den großen
-Hort zu gewinnen, der nach Sigurds Ermordung natürlich in den Besitz
-der Niflunge übergegangen ist. Er ladet die Niflunge freundlich,
-aber verräterisch zu sich ein. Gudrun versucht sie zu warnen, aber
-ohne Erfolg. Gunnar und Hogni kommen mit mäßigem Gefolge an den Hof
-des Atli. Den Hort haben sie, wie sich aus der folgenden Darstellung
-ergibt, vorher versteckt: sie haben ihn in den Rhein versenkt. Auch
-hier tritt der deutsche Strom, der Rhein, auf und zeigt, wo die Sage
-zunächst heimisch war.</p>
-
-<p>In Atlis Lande angekommen, werden Gunnar und Hogni von den Feinden
-überwältigt und gefangen. Atli richtet an Gunnar die Frage, ob er sein
-Leben durch Auslieferung des Hortes lösen wolle. Er erklärt, erst müsse
-er Hognis Herz als Beweis von dessen Tode sehen. Daraufhin wird Hogni
-getötet und sein Herz dem Gunnar gebracht; nun ruft dieser aus, daß der
-reißende<span class="pagenum" id="Seite_27">[S. 27]</span> Rhein viel besser geeignet sei, den Schatz zu hüten, als Atli
-und seine Leute. Gunnar wird in die Schlangengrube geworfen, erwehrt
-sich aber der Schlangen noch eine Zeitlang durch ein seltsames Mittel:
-da ihm die Hände gefesselt sind, schlägt er mit den Füßen eine Harfe,
-die ihm seine Schwester Gudrun noch zugereicht hat, und schläfert
-dadurch alle Schlangen ein bis auf eine, die ihn schließlich ins Herz
-sticht.</p>
-
-<p>Damit sind die Niflunge vom Schauplatz abgetreten, und der Gudrun,
-ihrer Schwester, als der letzten des Geschlechtes, fällt die Pflicht
-der Rache zu; sie rächt ihre Brüder an ihrem Gatten. Immer geht in der
-nordischen Anschauung die Blutsverwandtschaft der Ehegemeinschaft vor,
-ein besonders altertümlicher Zug, der dieser Gestalt anhaftet. Die
-Rache setzt Gudrun ins Werk, indem sie ihre beiden, dem Atli geborenen
-Söhne schlachtet und ihm beim Festmahle vorsetzt; nachdem er vom
-Fleische seiner Söhne gegessen und ihre Hirnschalen als Becher benutzt
-hat, enthüllt sie ihm, was sie getan, und tötet ihn selbst.</p>
-
-<p id="Nibelungen_III">Der zweite Teil der Sage hat damit sein Ende erreicht; von den
-handelnden Personen ist Gudrun allein übrig. Ein innerer Zusammenhang
-zwischen diesem zweiten Teile und dem ersten besteht, wie gesagt,
-nicht, denn der zweite Teil kann an sich allein vollkommen verstanden
-werden. Er ist keine innere Folge des ersten. In der nordischen
-Überlieferung kommt aber noch ein dritter Teil hinzu, dessen Anknüpfung
-uns höchst seltsam anmuten muß: Gudrun versucht, sich das Leben zu
-nehmen, indem sie sich ins Meer stürzt; allein die Wogen tragen sie
-und bringen sie an einen fremden Strand, wo sie aufgenommen wird und
-sich zum dritten Male vermählt. Der König des Landes, Jonakr (ein Name,
-der uns sonst nicht weiter bekannt ist), nimmt sie zur Gattin, und sie
-hat bei ihm noch zwei oder drei Söhne (darin ist die Überlieferung
-nicht ganz klar). Diese heißen Hamdir, Sorli und Erp; nach der einen
-Tradition sind sie alle drei die Söhne Gudruns, nach der andern ist
-Erp ein Sohn Jonakrs von einer andern Mutter. Außerdem wird am Hofe
-Jonakrs die nachgelassene Tochter des Sigurd und der Gudrun erzogen.
-Wie sie dahin gekommen ist, wird gar nicht erklärt. Sie führt den Namen
-Svanhild<a id="FNAnker_14" href="#Fussnote_14" class="fnanchor">[14]</a>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_28">[S. 28]</span></p>
-
-<p>Um sie wirbt ein schon bejahrter, aber mächtiger und gewaltiger König,
-Jormunrek, wie er im Norden heißt. Er ist der historische Gotenkönig
-des 4. Jahrhunderts Ermanarich. Er sendet seinen Ratgeber Bikki und den
-bereits erwachsenen Sohn erster Ehe Randver die junge Braut einholen.
-Svanhild wird ihnen übergeben. Unterwegs fängt Bikki an, seine Ränke zu
-spinnen; er raunt dem jungen Paare, der Stiefmutter und dem Stiefsohne,
-zu, daß sie zueinander viel besser paßten, als der alte König zu der
-jungen Svanhild, und versucht auf diese Weise ein Verhältnis zwischen
-den beiden herbeizuführen, aber ohne Erfolg. Als die Braut am Hofe
-Jormunreks eingetroffen ist, berichtet Bikki dem Könige das Verhältnis
-als Tatsache, und dieser rächt sich, indem er seinen Sohn erhängen und
-Svanhild von wilden Pferden zertreten läßt.</p>
-
-<p>So erwächst der Gudrun wiederum die Pflicht der Rache für ihre nächste
-Verwandtschaft. Sie reizt ihre Söhne dritter Ehe auf, die Rache zu
-vollziehen; diese lassen sich auch dazu bereit finden und machen sich
-auf den Weg. Unterwegs geraten sie miteinander in Streit, und Erp wird
-von den beiden andern erschlagen. Als sie dann am Hofe Jormunreks
-erscheinen, greifen sie den König an und verwunden ihn, indem der
-eine ihm die Hände, der andere die Füße abschlägt. Dem Erp aber war
-nach der etwas merkwürdigen Auffassung dieser Dichtung zugedacht, das
-Haupt des Königs abzuschlagen; da Erp nun fehlt, wird Jormunrek also
-nur verwundet, aber nicht getötet. Er hat noch die nötigen Kräfte,
-sich zu rächen, indem er seine Mannen aufruft: „Tötet die Fremden mit
-Steinwürfen.“ So fallen Hamdir<span class="pagenum" id="Seite_29">[S. 29]</span> und Sorli durch die Goten; damit hat
-die nordische Form der Nibelungensage ihr letztes Ende erreicht.</p>
-
-<p>Gudrun, die Hauptfigur, die durch alle drei Teile der eigentlichen
-Nibelungensage, ungerechnet die Vorgeschichte, hindurchgeht, ist noch
-am Leben. Wo sie hingekommen, was aus ihr geworden, wird nicht erzählt;
-nur das Gedicht von „Gudruns Aufreizung“ deutet an, daß sie schließlich
-(wie Signy) freiwillig den Flammentod suchen wird.</p>
-
-<p>Die nordische Form der Nibelungensage hat noch eine Erweiterung
-erfahren durch die Geschichte der Aslaug, der bei Heimir aufwachsenden
-Tochter Sigurds und der Brynhild; die Annahme, daß dies Paar eine
-Tochter gezeugt habe, ist zwar dem Geiste der alten Sage zweifellos
-zuwider, doch nicht so sehr, wie es uns auf den ersten Blick scheint:
-Aslaug ist eine Frucht der frühern Bekanntschaft ihrer Eltern, hat
-also nichts zu tun mit der Pflicht der Treue, die Sigurd dem Gunnar
-bei Gewinnung der Brynhild schuldig ist. Heimir befürchtet für Aslaug
-nach dem Tode ihrer Eltern Nachstellungen und entflieht mit dem Kinde
-in Verkleidung; unterwegs wird er von einem Bauernehepaare, bei dem er
-eingekehrt ist, ermordet, und Aslaug wächst nun in niedriger Umgebung
-auf. Als Jungfrau erregt sie die Liebe des Königs Ragnar Lodbrok, der
-auf einer seiner Wikingsfahrten in die Gegend, wo sie lebt, gelangt
-ist, wird seine Gemahlin und gebiert ihm eine stattliche Reihe Söhne,
-unter ihnen den Sigurd <span class="antiqua">ormr í auga</span> (Schlange im Auge), der zum
-Beweise seiner Herkunft vom Drachentöter das Bild des Fafnir auf der
-Hornhaut seines Auges trägt; seine Tochter heißt wiederum Aslaug und
-ist die Urgroßmutter des Harald Harfagri, ersten Alleinherrschers in
-Norwegen (gestorben um 930). Die ganze Erzählung zielt, wie vorhin
-schon bemerkt wurde, darauf ab, die norwegischen Könige als Nachkommen
-der Volsunge zu erweisen; der Name Aslaug ist offenbar von der
-gleichnamigen jüngern (die historisch zu sein scheint) auf Brynhilds
-Tochter übertragen.</p>
-
-<p>Schon aus der einfachen Erzählung der nordischen Sagenform dürfte
-sich ergeben haben, wie wenig klar die ganze Darstellung ist. Wir
-dürfen diese Unklarheit aber nicht etwa einem einzelnen Manne, einem
-Dichter der ganzen Sage, in die Schuhe schieben, sondern wir müssen
-uns gegenwärtig halten, daß wir hier keine geschlossene Überlieferung
-vor uns haben, sondern uns lediglich eine Reihe von Einzelgedichten
-überliefert ist, von<span class="pagenum" id="Seite_30">[S. 30]</span> denen jedes für sich seine besondere
-Selbständigkeit hat und seine eigene Würdigung erfordert. Die einzelnen
-Dichter in sich sind in der Regel geschickt und geschlossen; aber der
-eine hat die Erzählung so, der andere so aufgefaßt und durchgeführt.</p>
-
-<p>Eine älteste Gestalt der Sage aus diesen ziemlich stark
-auseinanderklaffenden Stücken herauszufinden, würde wohl kaum möglich
-sein, wenn wir nicht neben der nordischen Überlieferung noch die ganz
-selbständige deutsche Überlieferung hätten, die sich von der nordischen
-getrennt hat im 9. Jahrhundert, als die Wikinger den deutschen Stoff
-vom untern Rheine nach dem Norden verpflanzten.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_31">[S. 31]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="III"><span class="s5">III.</span><br />
-<b>Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung.</b></h2>
-
-</div>
-
-<h3 id="Der_Nibelunge_Lied"><span class="antiqua">a</span>) Der Nibelunge Lied.</h3>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">I</span>n Deutschland ist uns nun die Sage in allererster Linie erhalten in
-unserm Nibelungenliede. Das Nibelungenlied ist ein ritterliches Epos,
-in der ältesten Form entstanden im 12. Jahrhundert. Es steht also dem
-Zeitpunkte, da sich der deutsche Überlieferungszweig vom nordischen
-trennte, dem 9. Jahrhundert, schon ziemlich fern und hat bereits
-stofflich eine weitere Entwickelung durchgemacht. Der Stoff war, ehe
-der Nibelungendichter daran ging, sein Werk zu gestalten, bereits sehr
-stark verändert. Selbstverständlich hat nun auch unser Dichter noch
-alles mögliche Neue hinzugefügt und den alten Stoff nach vielen Seiten
-hin ergänzt oder auch verkürzt.</p>
-
-<p>Das Lied, das uns in mehreren Handschriften erhalten ist, und von
-dessen weiter Verbreitung außerdem eine große Anzahl Bruchstücke
-anderer Handschriften zeugen, ist in eine eigenartige Form gegossen.
-Obgleich ein großes Epos, ein langes erzählendes Gedicht, benutzt es
-doch keinen glatt durchlaufenden epischen Vers, sondern es liegt uns
-vor in einer der Ballade nahekommenden Form. Es ist nämlich abgefaßt
-in Strophen, die, verhältnismäßig wenig umfangreich, dem Dichter
-häufig beschränkende Fesseln anlegen. Bald ist die Strophe zu kurz,
-den gegebenen Stoff in sich aufzunehmen, bald zu lang, einen einfachen
-Gedanken kurz darzustellen. Oft bleibt dann in ihr noch Platz für
-etwas anderes, etwa für den Anfang eines neuen Gedankens. Der Dichter
-ist bei dieser formalen Schwierigkeit vor die Frage gestellt: soll er
-den noch freien Raum der vorliegenden Strophe dazu benutzen, einen
-neuen Gedanken anzufangen, der<span class="pagenum" id="Seite_32">[S. 32]</span> dann in der Strophe nicht aufgeht,
-sondern in die nächste übergreift und damit die strophische Gliederung
-zerstört, oder soll er den Rest mit leeren Redensarten ausfüllen?
-Beides kommt ziemlich häufig vor. Das hat die Gelehrten, die sich mit
-dem Nibelungenliede beschäftigt haben, lange Zeit sehr gestört; daß
-der Grund der vielen vorkommenden leeren vierten Zeilen lediglich
-der ist, daß die Strophenform eben entweder zu kurz oder zu lang
-für die geschlossene Darstellung eines Gedankens ist, hat man erst
-verhältnismäßig spät erkannt.</p>
-
-<p>Die Nibelungenstrophe besteht aus vier paarig gereimten Langversen, so
-daß also der erste mit dem zweiten, der dritte mit dem vierten durch
-Reim gebunden ist. Die drei ersten Verse sind einander gleich, und
-zwar haben sie vor dem Abschnitt, der in die Mitte des Verses fällt,
-vier Hebungen, nach dem Abschnitt drei Hebungen; die vierte Zeile
-aber hat vor und nach dem Abschnitt je vier Hebungen. Die vierten
-Hebungen vor dem Abschnitte (gelegentlich auch die dritten Hebungen der
-zweiten Hälften des ersten und zweiten Verses) dürfen durch klingende
-Ausgänge vertreten werden. Als Beispiel setze ich Strophe 924 des
-Textes <span class="antiqua">C</span> (nach Holtzmanns Bezifferung) hierher und bezeichne die
-Hebungen:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Gúnthér und Hágené, <span class="mleft2">die réckén vil bált,</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">lóbten mít untríuwén <span class="mleft2">ein pírsen ín den wált;</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">mít ir schárpfen gếrén <span class="mleft2">si wólden jágen swî́n,</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">pérn únde wísendé. <span class="mleft2">waz móhte kǘenérs gesî́n?</span></span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="p0">Spätere Dichter haben die vierte Zeile den drei übrigen meist gleich
-behandelt. Diese Neuerung, die in moderner Zeit Uhland aufgenommen hat
-(z. B. in seinem Balladenzyklus von Eberhard dem Greiner), ist nicht
-glücklich, denn sie löst die Strophe in Reimpaare auf; dann ist ja
-durch nichts mehr markiert, daß die Strophe aus vier Versen bestehen
-soll, sondern die beiden Reimpaare stehen in der Form ganz gleich
-nebeneinander, und ob wir dann zwei derselben oder drei oder auch nur
-eins als Ganzes fassen, ist für unser Empfinden ganz gleichgültig. Die
-vier Zeilen der zwei Reimpaare müssen erst durch eine Besonderheit am
-Schlusse der ganzen Reihe zusammengeschlossen werden, wie es im alten
-Liede der Fall ist.</p>
-
-<p>Das Lied setzt (abgesehen davon, daß es mit einer Art<span class="pagenum" id="Seite_33">[S. 33]</span>
-Theaterzettel<a id="FNAnker_15" href="#Fussnote_15" class="fnanchor">[15]</a> beginnt, der aufzählt, was in Worms, am Sitze des
-Königs Günther, des Bruders der Kriemhilt, alles vorhanden ist an
-Helden) gleich an einer vorgerückten Stelle des Stoffes ein, fängt also
-nicht mit dem eigentlichen Anfang der Sage an. Infolgedessen hat der
-Dichter an spätern Stellen das eine oder andere berichtweise nachholen
-müssen.</p>
-
-<p>An den Theaterzettel (wie man die einleitenden Strophen genannt hat,
-da sie poetisch ohne Wert sind) schließt sich zunächst die Erzählung
-vom Traume der Kriemhilt an. Kriemhilt ist dieselbe Person, die in der
-nordischen Sage Gudrun heißt, also die Schwester des burgundischen
-Königs Günther aus dem Geschlecht der Nibelunge<a id="FNAnker_16" href="#Fussnote_16" class="fnanchor">[16]</a>. Sie erzählt ihrer
-Mutter Ute folgenden Traum: sie hat sich einen Falken erzogen, der ihr
-lieb ist, und den ihr zwei Adler töten; das ist ihr größter Kummer.
-Die Mutter deutet den Traum auf den künftigen Gatten Kriemhilts und
-darauf, daß sie ihn vorzeitig verlieren werde. Daraufhin verschwört die
-junge Kriemhilt das Heiraten, die Mutter meint aber, sie solle die Rede
-lassen, denn allein durch die Liebe werde sie auf der Welt froh werden.</p>
-
-<p>Diese kurze Geschichte geht der eigentlichen Erzählung voraus.
-Sie findet in der nordischen Version gelegentlich ihr Gegenstück,
-ohne daß dies irgendwie die Darstellung und den Gang der Erzählung
-beeinflußt. Ehe Sigurd in der nordischen Erzählung an den Hof Gjukis
-kommt, hat Gudrun einen ähnlichen Traum wie Kriemhilt in der deutschen
-Sagenfassung. Die nordische Gudrun fährt zu Brynhild<a id="FNAnker_17" href="#Fussnote_17" class="fnanchor">[17]</a> und läßt sich
-von ihr den Traum deuten. Brynhild weiß denn auch gleich (ein Motiv,
-das im Norden oft verwendet wird, so ungeschickt es ist) alles, was
-sich aus dem Traume ergibt, und erzählt ihre beiderseitigen Schicksale
-bis ans Ende mit klaren Worten, ohne daß dies Wissen auf das spätere
-Verhalten der Personen auch nur den geringsten Einfluß ausübte; eine
-Seltsamkeit, die wir ähnlich schon <a href="#Schicksal">S. 6</a> beobachten konnten.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_34">[S. 34]</span></p>
-
-<p>Das Lied setzt dann an einer ganz andern Stelle ein. Über
-Niederland<a id="FNAnker_18" href="#Fussnote_18" class="fnanchor">[18]</a> regiert der König Sigemund, vermählt mit einer Gemahlin
-namens Sigelind. Beider Kind ist Siegfried (mittelhochdeutsch Sîfrit),
-der als junger Fürst am Hofe seiner Eltern erzogen und mit aller
-Vornehmheit, aller zeitgemäßen Bildung ausgestattet wird. Er wird
-waffenfähig erklärt, wie es sich für einen Ritter des 12. Jahrhunderts
-geziemt, und beschließt, einmal soweit gekommen, zu heiraten. Diesen
-Wunsch trägt er seinem Vater vor, und zwar will er sich um Kriemhilt,
-die Schwester des Königs Günther in Worms, bewerben. Der Vater warnt
-ihn: am Hofe Günthers sei eine Reihe trotziger Helden, die Gefahr,
-dorthin zu gehen, also ziemlich groß. Siegfried läßt sich dadurch nicht
-abschrecken, im Gegenteil, er wird eher angereizt, und begibt sich mit
-geringem Gefolge nach Worms. Dort erscheint er, sofort erkannt von
-Hagen, der hier der vornehmste Vasall des Königs Günther ist und nicht
-sein Bruder, aber immerhin ein Verwandter; er führt den Beinamen „von
-Tronje“ (vgl. <a href="#von_Tronje">S. 83</a>).</p>
-
-<p>Hagen beobachtet den ankommenden Siegfried mit seinen Leuten und sagt:
-„Ich habe ihn zwar nie gesehen, aber nach dem Auftreten kann der
-Ankömmling niemand weiter sein als Siegfried.“ Nun berichtet uns der
-Dichter durch Hagens Mund nachträglich alles, was Siegfried bisher
-getan hat.</p>
-
-<p>Als Siegfried einst allein unterwegs war, stieß er auf zwei Könige, die
-miteinander stritten. Es waren die Brüder Nibelung und Schilbung, Söhne
-eines alten Königs Nibelung, der eben verstorben war; sie stritten
-um die Teilung des Erbes. Als Siegfried hinzukam, ward er von ihnen
-sofort als Unparteiischer berufen und beauftragt, ihnen den Hort, den
-der Vater hinterlassen, zu teilen; als Lohn gaben sie ihm zuvor das
-Schwert, das ihr Vater früher geführt hatte, und das Balmung hieß.
-Siegfried konnte ihnen indes die Teilung nicht zu Danke machen und
-geriet darüber mit ihnen beiden in Kampf; er besiegte und tötete sie,
-dann überwand er noch ihren Diener Alberich und ward dadurch Herr der
-Nibelunge und ihres unermeßlichen Hortes, dessen Bewachung er Alberich
-anvertraute. Nibelunge<span class="pagenum" id="Seite_35">[S. 35]</span> heißen also in diesem Teile der Erzählung die
-ursprünglichen Besitzer des Schatzes.</p>
-
-<p>Weiter berichtet Hagen noch, daß Siegfried einen Drachen getötet
-hat; doch steht hier die Drachentötung nicht in Zusammenhang mit der
-Gewinnung des Hortes, sondern ist ein Ereignis für sich. Dagegen wird
-an sie die Behauptung angeknüpft, daß Siegfried sich im Blute des
-erschlagenen Drachen gebadet und dadurch eine Hornhaut bekommen habe,
-die kein Schwert zerschneiden könne. Nur an einer Stelle, auf dem
-Rücken, wo ihm ein Lindenblatt auf den nackten Körper gefallen wäre,
-sei das Drachenblut nicht direkt mit der Haut in Berührung gekommen,
-und habe diese daher ihre natürliche Weichheit behalten.</p>
-
-<p>Die Trennung des Drachenkampfes vom Hortgewinn kann unmöglich alt
-sein. Schon der Umstand, daß es sich um einen Drachen handelt, den
-er tötet, weist darauf hin, daß die beiden Ereignisse, Drachentötung
-und Hortgewinn, zusammenfallen. Denn ein Drache ist an sich ein
-Schatzhüter. Als solcher ist dies mythische Wesen von vornherein
-gedacht. Man hat das in Deutschland offenbar vergessen, wie man
-überhaupt auf die jugendlichen Heldentaten Siegfrieds hier wenig Wert
-legt; hat man doch auch die Jugendgeschichte schon dadurch, daß er am
-Hofe des Königs, seines Vaters, als vollgültiger Prinz erzogen wird,
-gänzlich umgestaltet.</p>
-
-<p>Inzwischen hat Hagen seine Erzählung beendet. Siegfried tritt herein
-und wird von Günther feierlich empfangen. Wir erinnern uns, daß er
-ausgezogen war, um Kriemhilt zu werben. Hier in Worms sagt er davon
-kein Wort, sondern fordert plötzlich ohne jeden Grund Günther zum
-Kampf um Land und Leute heraus; das dürfte doch wohl so ziemlich das
-ungeeignetste Mittel für ihn sein, den angegebenen Zweck zu erreichen.
-Es entwickelt sich eine heftige Szene, die ebenso unbegründet, wie sie
-entstanden ist, durch ein freundliches Wort Giselhers, des jüngsten
-Bruders des Königs, beigelegt wird. Siegfried wird wieder ganz
-friedlich und liebenswürdig, und die ganze Sache ist vergessen. Aber
-ebenso vergessen ist im Augenblick auch, weshalb er überhaupt nach
-Worms gekommen ist.</p>
-
-<p>Die Szene hat gar keine Wirkung, vielmehr bringt die liebenswürdige
-Rede des jungen Giselher alles ins gleiche. Damit ist Siegfried als
-Gast am Hofe des Königs Günther aufgenommen.<span class="pagenum" id="Seite_36">[S. 36]</span> Er scheint ganz und
-gar vergessen zu haben, weshalb er nach Worms gekommen ist, und hält
-sich hier ein volles Jahr auf, ohne auch nur eine Spur seiner Absicht
-laut werden zu lassen. Der Dichter bedarf erst eines neuen treibenden
-Momentes, um die Erzählung ins Rollen zu bringen. Er hat sich dabei
-nicht ohne Geschick einer Sage bedient, die sonst selbständig vorkommt:
-er verwendet die Geschichte vom Kampfe der Sachsen und Dänen gegen die
-Franken oder Burgunden<a id="FNAnker_19" href="#Fussnote_19" class="fnanchor">[19]</a>. Die Franken haben in der Zeit Karls des
-Großen mit den Sachsen und auch mit den hinter den Sachsen wohnenden
-Dänen, die jene unterstützten, mannigfache Kämpfe ausgefochten. Von
-diesen Kämpfen ist die Erinnerung jahrhundertelang lebendig geblieben;
-sie werden nun hier verwendet, um Siegfried zu einem Entschluß zu
-bringen, sonst würde er zeitlebens der schüchterne Liebhaber bleiben.</p>
-
-<p>Es kommen Boten von Liudeger von Sachsen und Liudegast von Dänemark,
-um den Burgunden Fehde anzusagen. Günther hat große Sorge, aber
-Siegfried erlöst ihn, indem er ihm seine Hilfe zusagt. Es wird nun der
-Feldzug geschildert, der im Handumdrehen durch Siegfrieds Tüchtigkeit
-den Burgunden die beiden feindlichen Herrscher in die Hände liefert.
-Damit ist Gelegenheit gegeben zu einem Siegesfeste<a id="FNAnker_20" href="#Fussnote_20" class="fnanchor">[20]</a>. Siegfried hat
-für seine entscheidende Teilnahme am Kampfe eine besondere Belohnung
-verdient. Sie besteht darin, daß man ihn bei dem Feste zum ersten Male
-den Frauen des Hofes vorstellt und ihm Kriemhilt zu führen gestattet.
-So sehen sich Siegfried und Kriemhilt zum ersten Male, ohne sein
-direktes Zutun (abgesehen davon, daß er mit der Absicht, zu werben,
-nach Worms gegangen ist), und ohne daß er<span class="pagenum" id="Seite_37">[S. 37]</span> hier seine Pläne irgendwie
-weiter verfolgt. Dazu bedarf der Dichter noch eines weitern treibenden
-Momentes.</p>
-
-<p>Plötzlich kommt eine ganz neue Botschaft nach Worms: es sitzt
-eine Königin jenseits des Meeres von so großer Schönheit, daß
-man ihresgleichen nicht kennt, dazu von einer solchen Kraft, daß
-sie denjenigen, die ihre Hand begehren, auferlegen kann, sie im
-Speerschießen, Steinwerfen und Weitspringen zu übertreffen; eine
-Aufgabe, die bisher noch niemand gelöst hat. So führt uns die Erzählung
-mit einem Sprunge hinüber zu Brünhilt, die uns in der deutschen
-Überlieferung bisher noch nicht begegnet ist. Sie ist eine heldenhafte
-Königin, und zwar nach der Anschauung des Dichters in Island gesessen.
-Wie er dazu kommt, sie nach Island zu versetzen, ist unklar und
-führt zu Unstimmigkeiten. Aber sie muß jenseits des Meeres sitzen
-und möglichst weit entfernt, sonst hätten die Zuhörer möglicherweise
-kontrollieren und dem Dichter falsche Angaben vorwerfen können.</p>
-
-<p>Die Erzählung fährt ganz nach der Art der so häufigen
-Brautfahrtgedichte fort: Günther überlegt sich, daß er als regierender
-König verpflichtet ist zu heiraten. Man rät ihm, sich um Brünhilt
-zu bewerben, die in Island als Königin und als schönste Frau der
-Gegenwart lebt. Siegfried aber spricht dagegen. Er kennt alles, was
-sich auf Island bezieht, ohne daß irgendwie erklärt wird, woher.
-Gewisse Beziehungen zwischen Siegfried und Brünhilt werden durch
-die eigentümliche Art der Darstellung in unserm Liede zweifellos
-vorausgesetzt. Aber kein Wort deutet darauf hin, daß der Dichter von
-einem Verlöbnis zwischen Siegfried und Brünhilt irgendwelche Ahnung
-hätte. Siegfried weiß nur, daß die Werbung um Brünhilt eine große
-Gefahr bedeutet. Da sagt nun Hagen: „Wenn du so genau weißt, wie es
-um die Königin steht, so hilf uns doch dazu, daß wir sie gewinnen“,
-und Siegfried sagt diese Hilfe zu, wenn Günther ihm seine Schwester
-zur Frau geben will. Nun ist er endlich so weit, daß er seine Werbung
-anbringt, um deretwillen er vor mehr als Jahresfrist nach Worms
-gekommen ist. Günther sagt ihm die Hand der Kriemhilt zu, und nun
-fahren Günther, Hagen, Siegfried und (verhältnismäßig nebensächlich)
-Dankwart, Hagens jüngerer Bruder, ohne weitere Begleitung von Worms den
-Rhein hinab nach Island, nachdem sie sich vorher durch die fleißigen
-Hände der Frauen in ritterlichem Geschmack haben ausstaffieren lassen.
-Daran, daß sie unterwegs Siegfrieds Heimat passieren<span class="pagenum" id="Seite_38">[S. 38]</span> müssen, denkt
-der Dichter nicht. Als sie sich nach zwölftägiger Fahrt dem Lande der
-Brünhilt nähern, und allmählich ihr Schloß in Sicht kommt, spricht
-Siegfried sich darüber aus, wie man die Sache angreifen soll. Dabei
-sagt er: „Wenn wir dahin kommen, will ich euch leiten, dann werden wir
-am besten zu unserm Ziele kommen. Nur müssen alle ein und dasselbe
-behaupten, nämlich Günther sei mein Herr und ich sein leibeigener Mann,
-dann kommen wir am besten durch.“ Warum er das sagt, ist hier nicht
-abzusehen. Später allerdings wird seiner Gattin vorgeworfen, daß er
-ein leibeigener Mann sei. Da nun der Dichter Siegfried als Königssohn
-schildert, so würde diese in der alten Sage begründete Schmähung
-hinfällig sein, wenn hier nicht eine neue Unterlage geschaffen würde.
-Das ist ziemlich ungeschickt angefangen, denn es führt zu nichts; ob
-er als Freund Günthers oder als sein Vasall nach Island kommt, bleibt
-gleichgültig.</p>
-
-<p>Inzwischen haben die Frauen die Fremden kommen sehen. Eine von ihnen
-schildert der Königin, wie die Fremden aussehen, und daß einer in
-seinem Aussehen dem Siegfried entspräche, ganz als ob Siegfried schon
-einmal dagewesen wäre. Darauf sagt Brünhilt: „Wenn er hierher gekommen
-ist, um meine Liebe zu erwerben, so wird es ihm gehen wie jedem
-andern.“ Dann aber begrüßt sie ihn vor allen andern wie einen alten
-Bekannten. Er sagt darauf: „Ich danke Euch sehr, Frau Königin, daß Ihr
-mich zu grüßen geruht. Aber erst müßt Ihr den begrüßen, des Untertan
-ich bin; Günther ist mein Herr, ihm kommt der Gruß zuerst zu. Er wirbt
-um Eure Liebe.“ „Gut,“ sagt sie, „wenn dein Herr um meine Liebe wirbt,
-so muß er wie jeder andere die Kampfspiele bestehen.“ Diese bestehen
-darin, daß zunächst mit dem Speer geworfen, und der Wurf pariert
-wird; an zweiter Stelle, daß ein Stein von ungewöhnlicher Schwere
-möglichst weit geworfen wird, und endlich drittens, daß ein weiter
-Sprung ausgeführt wird. Günther würde diese Bedingungen nicht erfüllen
-können, Siegfried kann sie erfüllen. Er kann nun nicht für Günther
-eintreten, denn dieser muß öffentlich in Gegenwart von Brünhilts Leuten
-kämpfen. So greift denn der Dichter zu folgendem Auswege: Siegfried
-bekleidet sich mit der Tarnkappe, dem unsichtbar machenden Mantel,
-den er seinerzeit dem Zwerg Alberich abgenommen hat, und unterstützt
-Günther bei den Spielen: beim Speerwerfen mit dem Erfolge, daß Brünhilt
-ins Straucheln kommt und fällt; beim Steinwerfen wirft er für<span class="pagenum" id="Seite_39">[S. 39]</span> Günther
-und übertrifft Brünhilts außerordentlich weiten Wurf. Beim Springen
-aber wird die Sache recht bedenklich; dem Dichter selbst fällt auf, daß
-er seinen Zuhörern reichlich viel zu glauben zumutet; er sagt: „Das
-war ein großes Wunder, nicht bloß weiter zu springen als Brünhilt,
-sondern im Sprunge auch noch den König Günther zu tragen.“ Diese
-Ungeschicklichkeit ist eine Folge der Komposition des Ganzen: nach
-der nordischen Darstellung ward der Preis erworben im Durchreiten des
-Feuers; das tat Sigurd an Stelle und in Gestalt Gunnars; wenn aber
-Günther vor allem Volke den Beweis seiner Überlegenheit erbringen muß,
-wird die Aufgabe des Dichters allerdings arg erschwert.</p>
-
-<p>Siegfried begibt sich nun zum Schiffe zurück, legt dort, ungesehen von
-den übrigen, die Tarnkappe ab und stellt sich bei der Rückkehr, als ob
-er keine Ahnung davon hätte, daß die Wettkämpfe schon vorüber sind.
-Brünhilt, von Günthers überlegener Tüchtigkeit überzeugt, sagt diesem
-ohne Zögern ihre Hand zu.</p>
-
-<p>Es folgt nun eine eigentümliche Szene, die für den Fortgang
-der Erzählung nichts bedeutet: um nämlich dem neuen Herrn zu
-huldigen, werden die Mannen der Brünhilt nach der Burg der Königin
-zusammengerufen. Jetzt sehen die Gäste, was für eine Menge Recken sich
-versammeln, und fürchten Verrat. Deshalb entschließt sich Siegfried,
-heimlich nach dem Nibelungenlande (das etwa in Norwegen gedacht wird)
-zu fahren und seine Recken zu holen. Er stellt sich dort als Fremder,
-bezwingt den riesenhaften Burghüter, kämpft mit seinem Kämmerer, dem
-Zwerge Alberich, und besiegt ihn, erprobt auf diese Weise die Treue
-seiner Mannen und führt dann tausend der besten Nibelunge zu Schiffe
-hinüber nach Island. &mdash; Die ganze Erzählung ist nur eingeflochten, um
-darzustellen, wie Siegfried mit Alberich kämpft; der Dichter hat ja
-die ganze Vorgeschichte weggelassen und bemüht sich, einzelne Szenen
-derselben gelegentlich nachzuholen; dabei hat er für sein ritterliches
-Empfinden noch den Vorteil, dem König Günther ein größeres Gefolge zu
-verschaffen, als die drei Männer, die ihm nach der alten einfachen
-Darstellung folgten.</p>
-
-<p>Nachdem nun Brünhilt gewonnen ist, fährt man nach der Heimat
-zurück. Siegfried wird als Bote vorausgeschickt und verkündet den
-Frauen das Nahen der Braut. Nach der Ankunft<span class="pagenum" id="Seite_40">[S. 40]</span> wird er mit Kriemhilt
-verlobt, indem Günther sie bittet, sein Wort einzulösen. Kriemhilt
-gibt gern ihr Jawort, und die Hochzeit der beiden jungen Paare wird
-gleichzeitig gefeiert. Als aber an der Hochzeitstafel Brünhilt
-unerwartet sieht, daß ihres Gatten Schwester mit Siegfried vermählt
-wird, bricht sie in Tränen aus und erklärt es für eine Schmach, daß
-Kriemhilt einen Leibeigenen ihres Bruders heiraten soll. Dadurch kommt
-Günther natürlich in große Verlegenheit; er vermag Brünhilt über die
-eigentlichen Gründe dieser Heirat nicht aufzuklären, kann aber auch das
-Vasallentum Siegfrieds nicht ableugnen, da dieser seinerzeit selbst den
-Rat gegeben hat, ihn als Eigenen hinzustellen.</p>
-
-<p>An dieser Stelle wird Siegfrieds Leibeigenschaft, seine minderwertige
-Herkunft notwendig gebraucht, und da man ihn zu Anfang des Gedichtes
-zu einem Prinzen gemacht hatte, mußte man etwas finden, was es der
-Brünhilt ermöglicht, ihn für einen Leibeigenen zu halten. Daher der
-seltsame Rat, den Siegfried auf der Reise zu Brünhilt gibt.</p>
-
-<p>In der Brautnacht widersetzt sich Brünhilt ihrem Gatten, weil sie
-von ihm durchaus den Grund erfahren will, weshalb seine Schwester
-mit einem Leibeigenen verheiratet wird. Als Günther sein Gattenrecht
-geltend machen will, fesselt sie ihn sogar; seine Kräfte reichen
-eben nicht aus, sie zu besiegen. Am andern Tage klagt Günther dem
-Siegfried, der mit Kriemhilt glücklicher gewesen ist, sein Leid,
-und dieser muß nochmals helfend mittels der Tarnkappe eingreifen.
-In der folgenden Nacht überwindet er abermals an Günthers Statt die
-gewaltigen Körperkräfte der Brünhilt, bis sie selbst sagt, sie habe
-erkannt, daß er ihr Meister sein könne; dann tritt er zurück, ohne ihre
-Jungfräulichkeit berührt zu haben, und Günther wird nun ihr Mann.</p>
-
-<p>Diese eigenartige und nicht durchweg glückliche Fassung der Erzählung
-ist nötig, weil Siegfried später doch wegen unlautern Verkehrs mit
-Brünhilt ermordet werden muß. Hat er nichts weiter getan, als Günther
-bei den Kampfspielen unterstützt, so war zu solchem Verkehr keine
-Gelegenheit. Es ist aber notwendig, daß Siegfried und Brünhilt so
-vereinigt werden, daß üble Nachrede möglich ist; sonst ist die weitere
-Entwicklung nicht verständlich. In der nordischen Darstellung ritt
-Sigurd durch<span class="pagenum" id="Seite_41">[S. 41]</span> die Lohe und blieb drei Nächte bei der Braut; damit war
-die Möglichkeit übler Nachrede ohne weiteres gegeben. In der deutschen
-Darstellung muß sie erst geschaffen werden; die Gewinnung der Brünhilt
-ist damit in zwei Akte zerlegt.</p>
-
-<p>Nachher zieht Siegfried mit seiner jungen Frau von Worms in seine
-Heimat am Niederrhein zurück. Die Erzählung ist also vorläufig bei
-einem Ruhepunkte angekommen. Jahrelang leben beide Paare in glücklicher
-Ehe an getrennten Orten, Günther mit Brünhilt in Worms, Siegfried mit
-Kriemhilt in Niederland. Die Erzählung würde zu Ende sein, wenn man die
-Hauptpersonen nicht wieder zusammenbrächte. Deshalb wird behauptet,
-daß Brünhilt sich noch immer nicht über Siegfrieds Leibeigenschaft
-beruhigt habe. Er ist nun zwar, nachdem sein Vater abgedankt hat, König
-in Niederland, muß aber doch, wenn er Günthers Eigenmann ist, diesem
-Tribut zahlen; davon bemerkt Brünhilt natürlich nicht das geringste.
-Sie wendet sich daher an ihren Gatten mit der Bitte, Siegfried und
-Kriemhilt nach Worms einzuladen. Das geschieht, und sie leisten ohne
-Hintergedanken Folge, ja sogar der alte Sigemund begleitet sie. In
-Worms findet glänzender Empfang statt, und es werden die vom Dichter
-unseres Liedes so gern geschilderten ritterlichen Feste gefeiert. Bei
-einem Turnier, dem die Damen zuschauen, freut sich jede ihres Gatten
-und preist seine Vorzüge. Dabei geraten Kriemhilt und Brünhilt in
-Zwist, denn letztere sagt: „Mag dein Siegfried noch so tapfer sein,
-er hat doch einen großen Fehler, da er ein Leibeigener ist.“ Darauf
-erwidert Kriemhilt: „So hätten meine Brüder nie an mir gehandelt,
-daß sie mich an einen Leibeigenen verheirateten.“ Sie ist also genau
-derselben Ansicht wie Brünhilt, daß die Ehe mit einem Leibeigenen eine
-große Schmach wäre. Daraus entwickelt sich das heftige Zerwürfnis der
-beiden Frauen. Kriemhilt sagt: „Ich werde dir zeigen, daß ich dir nicht
-nachstehe, indem ich beim Kirchgang den Vortritt vor dir behaupten
-werde.“ Am Portal des Münsters geraten dann beide Königinnen feindselig
-aneinander, da Brünhilt natürlich nicht zurücktreten will; Kriemhilt
-aber überwindet die Gegnerin, indem sie ihr vorwirft, Siegfrieds Kebse
-gewesen zu sein, und als Beweis den Gürtel vorweist, den Siegfried
-ungeschickterweise seinerzeit, als er Brünhilt an Günthers Stelle
-bezwang, mitgenommen und Kriemhilt gegeben hat. Die völlig zerschlagene
-Brünhilt bricht in Tränen aus; Kriemhilt geht stolz an ihr vorüber und
-vor ihr ins Münster.<span class="pagenum" id="Seite_42">[S. 42]</span> Brünhilt klagt ihrem Gatten die ihr widerfahrene
-Schmach. Siegfried wird von Günther vorgefordert und verteidigt sich,
-indem er sich mit einem Eide von dem Verdachte reinigt; die Sache
-erweist sich als das, was sie ist, als bloßer Klatsch, und gilt damit
-für erledigt. Kriemhilt erhält von Siegfried ihre Strafe für ihre
-boshaften Reden.</p>
-
-<p>Die ganze Szene ist unglücklich, ungeschickt komponiert. Unser Dichter
-arbeitet häufig so, daß die Erzählung eigentlich zu Ende gekommen ist
-und erst durch Einfügung eines neuen Momentes wieder in Fluß gebracht
-werden kann. Dies neue ist die Gier nach Siegfrieds großem Horte,
-die in der nordischen Überlieferung nur dem Atli zugeschrieben, hier
-aber von den Burgunden behauptet wird. Hagen ist der Vertreter des
-Gedankens, daß durch Siegfrieds Ermordung sein Hort gewonnen werden
-kann. Dadurch wird die Grundlage der ganzen Dichtung verschoben;
-führte bisher Brünhilt das Gegenspiel gegenüber Kriemhilt, so geht
-diese Rolle jetzt völlig an Hagen über. Seinen Herrn gewinnt dieser
-durch abermaligen Hinweis auf Siegfrieds mögliche Untreue: „Sollen
-wir Bastarde aufziehen? das wäre geringe Ehre für so gute Helden!“
-So wird denn der schwarze Plan geschmiedet, Siegfried zu ermorden,
-und etwas umständlich ins Werk gesetzt. Man weiß, daß Siegfried eine
-Hornhaut hat und, außer an einer Stelle zwischen den Schultern, nicht
-verwundbar ist. Diese Stelle muß herausgebracht werden; mit teuflischer
-Verschlagenheit holt sich Hagen die Kunde bei Kriemhilt. Er läßt zuerst
-falsche Boten angeblich von Liudegast und Liudeger nach Worms kommen,
-die eine erneute Herausforderung zum Kriege überbringen; Siegfried
-wird um Beistand gebeten und sagt ihn ohne weiteres zu. Nun begibt
-sich Hagen zu Kriemhilt, kündigt ihr den bevorstehenden Kriegszug an
-und verspricht ihr, Siegfried an der verwundbaren Stelle besonders zu
-schützen, da dieser bei seiner großen Tapferkeit und das durch die
-Hornhaut erzeugte Sicherheitsgefühl gerade leicht verwundet werden
-könnte; so bringt er sie dazu, die verwundbare Stelle durch ein dem
-Rocke aufgenähtes Kreuzchen zu bezeichnen, das ihm einen bequemen
-Zielpunkt für seinen Speer bieten soll. Dann wird der angebliche
-Kriegszug gegen die Sachsen angetreten. Als Hagen das Kreuzchen auf
-Siegfrieds Rücken gesehen hat, läßt er andere Boten kommen, die wieder
-Frieden anbieten, und der Feldzug ist zu Ende. An seiner Stelle wird
-eine große Jagd angesagt, die in den nächsten<span class="pagenum" id="Seite_43">[S. 43]</span> Tagen im Odenwald
-stattfindet<a id="FNAnker_21" href="#Fussnote_21" class="fnanchor">[21]</a>. Auf dieser Jagd nun wird Siegfried ermordet, und
-zwar unter Anwendung einer neuen Hinterlist: das Getränk fehlt beim
-Jägermahle; Hagen hat es absichtlich nach einem anderen Orte gelenkt,
-damit der große Jägerdurst nur an einem Waldbrunnen zu stillen sei.
-Während Siegfried niedergebeugt aus diesem seinen Durst löscht, stößt
-ihm Hagen von hinten durch das aufgenähte Kreuzchen den Speer ins
-Herz<a id="FNAnker_22" href="#Fussnote_22" class="fnanchor">[22]</a>.</p>
-
-<p>Nach Einbruch der Nacht wird der tote Siegfried über den Rhein nach
-Worms gebracht und der Kriemhilt vor die Kammertür gelegt, so daß sie
-am andern Morgen, als sie zur Mette gehen will, sofort die Leiche
-des Gatten findet. Sie erkennt ohne weiteres, daß dieser Mord in
-Zusammenhang steht mit dem Streite, den sie mit Brünhilt gehabt hat,
-sowie mit dem, was Hagen aus ihr herausgebracht hat, und erkennt somit
-zunächst ohne Beweis den Mörder. Der Beweis selbst wird ihr bei der
-Beisetzung geliefert, indem Siegfrieds Wunde, als Günther und Hagen
-an seine Bahre herantreten, von neuem zu bluten anfängt. Das ist das
-Bahrrecht, ein merkwürdiger Aberglaube des Mittelalters, nach dem
-die Wunde eines Gemordeten wieder zu bluten anfängt, wenn der Mörder
-in seine Nähe tritt. Trotzdem wird die Übeltat von Günther und Hagen
-geleugnet: nach ihrer Aussage haben ihn Räuber erschlagen.</p>
-
-<p>Der alte Sigemund, der mit Siegfrieds Mannen doch auch in Worms zugegen
-ist, denkt nicht daran, sofort Rache für seines Sohnes Tod zu nehmen,
-sondern zieht klagend in seine Heimat am Niederrhein ab, läßt aber
-seltsamerweise seine Schwiegertochter in Worms zurück; sie will nicht
-mitgehen, sondern bei ihren Brüdern bleiben. Dieser ihr Entschluß ist
-innerlich nicht begründet und um so auffallender, als sie damit ihr
-Kind verläßt, das sie von Siegfried geboren hat; er ist nur dadurch
-bedingt, daß die weitere Erzählung ihren ferneren Aufenthalt in Worms
-erfordert. Diese Seltsamkeiten sind wieder Folgeerscheinungen<span class="pagenum" id="Seite_44">[S. 44]</span> jener
-Änderung unseres Dichters, die Siegfried den niedrig erzogenen in einen
-nach jeder Seite vollwertigen Königssohn umgeschaffen hat; ursprünglich
-hat offenbar Siegfried als Ehemann keine andere Heimat als Worms, wo
-denn natürlich seine Witwe zurückbleibt. Von Sigemund hat unser Dichter
-gewiß nichts weiter gewußt als den Namen, sonst verstünde man nicht die
-Umwandlung des alten gewaltigen Helden in einen schwächlichen Greis.</p>
-
-<p>Eine weitere Folge des veränderten Standes Siegfrieds ist auch die nun
-folgende Erzählung, daß der Hort der Nibelunge jetzt erst, indem er
-als Kriemhilts Eigentum angesprochen wird, aus fernem Lande nach Worms
-geholt wird. Über das weitere Schicksal des Schatzes ist das Gedicht im
-Unklaren: an unserer Stelle (Holtzmann 1144 ff.) nimmt ihn Hagen auf
-eigene Verantwortung ihr weg und versenkt ihn bei „Loche“ (unbekannter
-Lage) in den Rhein; als Kriemhilt später Etzels Werbung folgt, wird
-er ihr abermals weggenommen, damit sie die große Macht, die er ihr
-verleiht, nicht zur Rache benutzen kann; die letztere Auffassung ist
-gewiß die ältere.</p>
-
-<p>Der erste Teil der Erzählung ist damit zu Ende. Obgleich er in der
-deutschen Fassung äußerlich recht reichlich ausgestaltet erscheint, ist
-er innerlich doch viel dürftiger als in der nordischen. Die wichtigen
-Geschichten von Siegfrieds Jugend und seinem ursprünglichen Verhältnis
-zu Brünhilt sind kaum erwähnt. Was aus letzterer schließlich wird, hat
-der Dichter uns zu sagen ganz und gar vergessen. Sie hört für ihn auf
-interessant zu sein, nachdem sie den Anlaß zur Ermordung Siegfrieds
-gegeben hat; später wird ihrer kaum noch gedacht; ihre Aufgabe in
-der Dichtung, Kriemhilts Gegenspieler zu sein, ist eben auf Hagen
-übergegangen.</p>
-
-<p>So dürftig im Grunde der erste Teil unseres Liedes ist, um so wuchtiger
-schreitet die Erzählung im zweiten Teile vorwärts. Dieser ist in
-der nordischen Fassung dürftiger, wenn auch altertümlicher; in der
-deutschen ist er an Inhalt viel reicher geworden. Charakteristisch ist
-für ihn das Auftreten vieler neuer Personen, die nur mit ihrem Namen
-ohne jede erklärende Bemerkung eingeführt werden; so gleich im Anfang
-(Strophe 1166 des Textes <span class="antiqua">C</span>):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Daz geschach in den gezîten, <span class="mleft2">dô frou Helche erstarp</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">unt daz der künec Ezele <span class="mleft2">ein ander wîp warp.</span></span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_45">[S. 45]</span></p>
-
-<p>Wer Helche und Etzel sind, wird mit keinem Worte angedeutet, sondern es
-wird einfach vorausgesetzt, daß das Publikum sie kennt. Wir treten hier
-in die Dietrichsage ein, die in Süddeutschland heimisch und jedermann
-bekannt war; alle diejenigen Figuren, die der Dietrichsage entstammen,
-werden vom Nibelungendichter einfach als bekannt vorausgesetzt. Für
-Günther und seine Brüder, für Kriemhilt, Siegfried usw. hat er eine
-erklärende Einführung gegeben; für die Helden der Dietrichsage hatte er
-das nicht nötig.</p>
-
-<p>Etzel der Hunnenkönig überlegt mit seinen Leuten, wer geeignet ist,
-seine verstorbene Gattin, die Königin Helche, zu ersetzen. Man rät ihm
-zu Kriemhilt, der Witwe Siegfrieds, und Etzel schickt seinen ersten
-Vasallen, den Markgrafen Rüdeger von Bechelaren, nach Worms, daß er
-für ihn um sie werbe. Rüdeger reist nach Worms und bringt die Werbung
-vor. Die Könige, ihre Brüder, wissen die große Ehre, die ihnen damit
-erwiesen wird, wohl zu würdigen; um so bedenklicher äußert sich Hagen.
-Kriemhilt lehnt indes die Werbung kurzerhand ab, denn sie lebt nur
-noch dem Andenken ihres gemordeten Gatten. Erst allmählich, als ihr
-zugeredet wird, kommt ihr der Gedanke, daß sie durch die angebotene
-Heirat in die Lage versetzt wird, Rache an den Mördern zu nehmen,
-und auf diese Aussicht hin nimmt sie schließlich Etzels Werbung an.
-Markgraf Rüdeger muß ihr freilich mit allen seinen Mannen schwören,
-ihr immer treu zu dienen, angetanes Leid zu rächen und nichts zu
-versagen. Er denkt dabei nicht an Rache für Siegfried, sondern will ihr
-die Furcht vor den ihr fremden Verhältnissen, in die sie gehen soll,
-benehmen. Er hat sich damit für später die Hände gebunden. Hier hat der
-Dichter die künftige Entwickelung der Dinge sehr geschickt vorbereitet.</p>
-
-<p>Rüdeger geleitet nunmehr Kriemhilt von Worms nach Etzelnburg<a id="FNAnker_23" href="#Fussnote_23" class="fnanchor">[23]</a>; König
-Etzel zieht seiner Braut mit glänzendem Gefolge entgegen und empfängt
-sie bei Tuln (an der Donau, oberhalb Wiens). Innerhalb Österreichs (im
-engern Sinne) zeigt sich der Dichter mit den örtlichen Verhältnissen
-auf das genaueste bekannt; Schritt für Schritt begleitet er Kriemhilt
-und weiß jeden<span class="pagenum" id="Seite_46">[S. 46]</span> Ort der Wirklichkeit entsprechend zu benennen, in dem
-sie über Nacht Herberge genommen hat. In Wien findet das Beilager statt
-unter großen Festlichkeiten, an denen sich all die ungezählten Scharen
-des Ostens beteiligen, die sich der Dichter unter König Etzels Hoheit
-stehend denkt.</p>
-
-<p>Als Gattin des Hunnenkönigs lebt sie zwölf Jahre friedlich; während
-dieser Zeit gebiert sie Etzel einen Sohn und Erben, den jungen Ortlieb.
-Dann aber denkt sie an ihre Rache und bewegt ihren Gatten, ihre
-Brüder einzuladen. Er tut es in guter Meinung. Als Boten werden zwei
-einfache Spielleute verwendet<a id="FNAnker_24" href="#Fussnote_24" class="fnanchor">[24]</a>. Die burgundischen Könige sind trotz
-übler Vorzeichen bereit, die Schwester aufzusuchen, nur Hagen äußert
-Bedenken, läßt sie aber fallen, als man ihm vorwirft, er habe wohl
-Furcht; dann natürlich ist er der erste, der sich dem Zuge nach dem
-Hunnenlande anschließt. Tausend Ritter und neuntausend Knechte werden
-mitgenommen.</p>
-
-<p>In dem Augenblicke, da die Burgunden von Worms aufbrechen, tritt
-uns auf einmal der Name „Nibelunge“ für „Burgunden“ entgegen; im
-Anfange des Liedes bezeichnete dieser Name nur das Volk, das den Hort
-ursprünglich besaß, jetzt geht er unvermittelt auf die Burgunden über.
-Eine Erklärung ist frühzeitig versucht worden (wie es scheint, nicht
-vom Dichter des Liedes); nach ihr wäre der Name an das Land der früher
-erwähnten Nibelunge geknüpft und mit diesem nach Siegfrieds Tode auf
-die Burgunden übergegangen; das ist nach Lehnsrecht ganz korrekt
-gedacht; doch widerspricht dieser Auffassung, daß Siegfried selbst
-niemals zu den Nibelungen gerechnet wird. In Wirklichkeit treten wir
-in diesem Augenblicke in eine vom Dichter benutzte neue Quelle ein.
-Von hier an beginnt die Erzählung den großartigsten Schwung zu nehmen,
-von hier an beginnt auch die genauere Übereinstimmung mit der noch
-zu besprechenden Thidrikssaga. Die Quellen, die unser Dichter bisher
-benutzt hatte, hatten ihm die jetzt auftretende Bedeutung des Namens
-Nibelunge nicht geboten.</p>
-
-<p>Die Erzählung, wie die Burgunden an den hunnischen Hof gelangen,
-berichtet mannigfache Abenteuer. Zunächst erreichen sie die Donau und
-haben Schwierigkeit, hinüber zu gelangen:<span class="pagenum" id="Seite_47">[S. 47]</span> das Wasser ist ausgetreten,
-eine Brücke ist nicht da, auch keine Fähre. Da geht Hagen selbst
-nach einer Gelegenheit suchen. In einem dem Flusse nahegelegenen
-Brunnen hört er ein Plätschern und entdeckt zwei badende Wasserweiber
-(übernatürliche Wesen); ihre Gewänder liegen am Ufer. Er bemächtigt
-sich derselben und bringt die Nixen dadurch in seine Gewalt. Für
-Herausgabe der Gewänder versprechen sie ihm zu sagen, was aus der Reise
-ins Hunnenland wird. Darauf geht er ein, und die eine sagt ihm: „Ihr
-kommt alle gesund wieder nach Hause.“ Sehr erfreut gibt er ihnen die
-Gewänder zurück, da aber ruft die andere: „Meine Muhme hat gelogen;
-in Wirklichkeit kommt niemand von euch zurück als des Königs Kaplan;
-alle andern bleiben tot im Hunnenlande.“ Außerdem gibt sie ihm noch
-einen Hinweis, wo eine Fähre zu finden ist, und wie er den Fährmann
-gewinnen kann. Dieser gilt für einen Dienstmann und Grenzwächter
-der Bayernfürsten Else und Gelfrat. Hagen sucht ihn auf und ruft in
-grimmiger Laune hinüber: „Hol’ mich über, ich bin Amelrich, der wegen
-Feindschaft aus diesem Lande hat fliehen müssen.“ Daraufhin fährt
-der Fährmann zu ihm hinüber. Hagen bietet ihm außerdem noch einen
-goldenen Ring von großem Werte an (ein Anerbieten, das sich mit den
-übrigen Verhältnissen nicht recht verträgt, denn entweder fährt der
-Fährmann um Lohn oder im Dienste seiner Herren; eins schließt das
-andere aus; es liegt wieder eine Unstimmigkeit vor, entstanden durch
-ein Übereinander zweier Schichten der Erzählung). Der Fährmann sagt:
-„Ihr mögt wohl Amelrich heißen, aber der, den ich zu sehen erwartete,
-seid Ihr nicht. Das war mein Bruder.“ Indes, das Schiff ist einmal an
-Hagens Ufer, er springt einfach hinein. Der Fährmann widersetzt sich
-und schlägt mit seinem Ruder auf den Helden ein; aber Hagen tötet ihn
-kurzerhand und bringt die Fähre zu seinen Herren; er hat nun lange
-zu tun, bis er mit dem einen kleinen Schiffchen das ganze Heer von
-zehntausend Mann übergesetzt hat. Auch hier eine Unstimmigkeit, die
-durch Überarbeitung hervorgerufen ist: in der ältern Erzählung haben
-die Könige offenbar eine an Zahl nur geringe Begleitung mitgehabt;
-der Ferge war ursprünglich ein einfacher Mann, der durch das Angebot
-eines größern Lohnes sich bereit finden ließ, zu fahren. Das blickt
-alles noch durch, ist aber übertüncht. Als Hagen die letzten übersetzt,
-packt er den Kaplan, der mit auf dem Schiffe ist, wirft ihn in die Flut
-und<span class="pagenum" id="Seite_48">[S. 48]</span> verhindert ihn sogar, sich aufs Schiff zu retten; trotzdem er
-nicht schwimmen kann, ertrinkt er indes nicht, sondern gelangt an das
-eben verlassene Ufer zurück und geht wieder nach Worms. Daran erkennt
-Hagen, daß ihm das zweite Wasserweib die Wahrheit vorausgesagt hat, und
-zertrümmert das Fahrzeug, damit kein Feigling entrinnen könne.</p>
-
-<p id="Sonderbarkeit">Nun ziehen die Nibelunge weiter durch Bayern und bilden eine Nachhut,
-weil sie erwarten, daß wegen des erschlagenen Fährmannes Rache versucht
-werden wird. In der Tat werden sie von den Bayern nachts eingeholt und
-angefallen. Es kommt zu einem Gefecht, in dem sich Dankwart besonders
-auszeichnet<a id="FNAnker_25" href="#Fussnote_25" class="fnanchor">[25]</a>. Nachdem sich die Nibelunge der verfolgenden Bayern
-entledigt haben, erreichen sie die Grenze des Nachbarlandes und finden
-den Grenzwächter schlafend. Hagen nimmt ihm sein Schwert ab und weckt
-ihn; er beklagt sich, daß er die Grenze so schlecht gehütet hat; dabei
-stellt sich heraus, daß es Eckewart ist, der einzige Burgunde, der
-Kriemhilt ins Hunnenland gefolgt ist. Eckewart warnt die Burgunden vor
-Kriemhilt; dann aber weist er sie nicht nach Etzelnburg, wie man doch
-erwarten sollte, da er im persönlichen Dienste der Kriemhilt steht,
-sondern nach Bechelaren. Die Eckewart-Episode ist nur verständlich als
-Überbleibsel einer ältern Fassung, der der Aufenthalt in Bechelaren
-ganz unbekannt war. In Bechelaren finden sie eine außerordentlich
-liebenswürdige Aufnahme. Im einzelnen ist die Schilderung derselben
-ganz besonders wohl gelungen. Der Dichter hat eine neue Verwickelung
-hineingebracht, indem er den jungen Giselher sich mit des Markgrafen
-Tochter verloben läßt; das Beilager soll erst bei der doch bald zu
-erwartenden Rückkehr von Etzelnburg stattfinden. Wie jung diese Einlage
-ist, zeigt auch der Umstand, daß man im Liede nicht einmal den Namen
-dieser Tochter Rüdegers erfährt (erst in der Klage wird er genannt: sie
-heißt Dietlind).</p>
-
-<p>Nun ziehen sie nach Ungarn, dem eigentlichen Hunnenlande, und
-schicken Boten voraus; daraufhin macht sich Dietrich auf, um mit
-seinen Amelungen den Nibelungen entgegenzureiten und sie zu warnen.
-Wer dieser Dietrich ist, und wie er an Etzels<span class="pagenum" id="Seite_49">[S. 49]</span> Hof kommt, wird als
-selbstverständlich bekannt vorausgesetzt. Dietrich ist der König
-(der Ostgoten), der früher in Italien geherrscht hat (in Bern, d. i.
-Verona), damals aber aus seiner Heimat vertrieben ist und im Exil bei
-Etzel lebt, bis er schließlich mit hunnischer Hilfe in sein Reich
-zurückgeführt wird. Die Warnung, die Dietrich den Nibelungen angedeihen
-läßt, hat keinen Erfolg; sie ziehen weiter und werden zunächst von
-Kriemhilt allein empfangen: sie begrüßt Giselher, allenfalls auch die
-andern Brüder, nicht aber den Hagen. Es kommt daher sofort zu einer
-scharfen Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden, die im Grunde die
-folgende Erzählung teilweise unmöglich macht: klipp und klar tritt
-hervor, daß die Burgunden sich auf die allergrößte Hinterlist gefaßt
-machen müssen, daß sie verraten und überfallen werden sollen. Kriemhilt
-stellt gleich die Frage an Hagen, wo der Nibelungenhort stecke, den er
-ihr doch hätte mitbringen müssen, und das Ende ist, daß Kriemhilt im
-Bösen die Burgunden stehen läßt, nachdem ihr Dietrichs Warnung bekannt
-geworden ist. Während dieser Zeit wird Etzel im Schlosse sitzend und
-die Gäste erwartend gedacht; er schaut vom Fenster herab, ohne ihnen
-entgegenzugehen, und macht seine Bemerkungen über die einzelnen Helden,
-die er sieht. Auch dann erfolgt der eigentliche Empfang noch nicht,
-sondern es wird erzählt, daß zwei Helden, nämlich Hagen und Volker,
-der Spielmann von Alzei, sich von den übrigen trennen und den Saal
-aufsuchen, in dem sich Kriemhilt im Augenblicke aufhält. Sie setzen
-sich ihren Fenstern gegenüber auf eine Bank, und Hagen legt in offenem
-Hohne das Schwert Siegfrieds, den Balmung, über seine Knie, damit
-Kriemhilt an Siegfrieds Tod erinnert werde. Sie erscheint denn auch
-haßerfüllt vor ihrem Saale, sammelt eine Anzahl Hunnen und fordert sie
-auf, die beiden festzunehmen. Aber an deren trotziger Haltung scheitert
-das; die Hunnen haben viel zu große Angst, als daß sie es wagten, sich
-an ihnen zu vergreifen. Damit muß Kriemhilt den Versuch, Hagen und
-Volker in ihre Gewalt zu bringen, aufgeben. Sie kehrt in ihren Palast
-zurück, die Helden aber begeben sich zu ihren Königen, die immer noch
-auf Etzels Hofe zwecklos herumstehen.</p>
-
-<p>Man sieht, wie ungeschickt der Dichter in der Verbindung der einzelnen
-Szenen verfährt. Jede ist nur für sich betrachtet künstlerisch zu
-genießen. Aber es ist alles in die alte Grunderzählung hineingestopft
-&mdash; eine Folge des Stoffhungers jener<span class="pagenum" id="Seite_50">[S. 50]</span> verkehrsarmen Zeit; kein
-Dichter mochte, weil er etwas Neues zu sagen wußte, deswegen das Alte
-weglassen, wenn es sich auch mit jenem nicht vertrug.</p>
-
-<p>Jetzt endlich begeben sich die burgundischen Gäste, geleitet von
-Rüdeger, in den Saal zu König Etzel um ihn zu begrüßen, werden von
-ihm in feierlicher Weise empfangen und treten ihm nicht minder
-höflich entgegen &mdash; was nach den beiden scharfen Szenen, die sich
-bereits zwischen Kriemhilt und ihren Feinden abgespielt haben, ganz
-unbegreiflich erscheint. Es findet ein Abendessen statt, dann werden
-die Gäste in einem großen Saale untergebracht, der für die Menge der
-Erschienenen Platz hat. Nicht alle werden hier einquartiert, nur die
-Könige und die Ritter, während die Knechte eine Herberge für sich
-erhalten; an ihrer Spitze steht als Marschall, dessen Amt es ja ist,
-für das Gefolge zu sorgen, Dankwart, Hagens Bruder. In der Nacht haben
-die Nibelunge große Sorge vor einem Überfall. Hagen und Volker halten
-die Nachtwache; letzterer spielt die Fiedel und schläfert damit die
-übrigen reisemüden, sorgenden Helden ein. Diese Wachsamkeit erweist
-sich als begründet: bewaffnete Hunnen, von Kriemhilt abgeschickt,
-schleichen heran. Die beiden Wächter erkennen aber rechtzeitig den
-geplanten Überfall und rufen die Feinde an; ohne Antwort drückt sich
-der Gegner, sobald er merkt, daß er seine Absicht nicht erreichen kann,
-verfolgt von Volkers Hohnreden.</p>
-
-<p>Die Luft wird kühler, der Morgen bricht an. Sie kleiden sich nicht in
-Festgewänder, sondern in Panzerringe. So gehen sie zur Kirche<a id="FNAnker_26" href="#Fussnote_26" class="fnanchor">[26]</a>.
-Nach dem Kirchgang folgt ein Turnier, bei welchem Volker böswillig
-einen edlen Hunnen, der recht fein geputzt erscheint, niederstößt, und
-dadurch große Aufregung bewirkt; Kampf droht auszubrechen, wird aber
-unterbrochen durch persönliches Eingreifen Etzels, der (wie es scheint,
-mit bewußter Unwahrheit) sagt: „Volker kann nichts dafür, sein Pferd
-ist gestrauchelt, so hat sein Speer aus Versehen den Mann getroffen.“
-Dann begibt man sich zu Tisch in den Saal, in dem die Helden nachts
-untergebracht waren.</p>
-
-<p>Bevor man zu Tische geht, sucht Kriemhilt nochmals ihren Willen
-durchzusetzen. Sie wendet sich aber an ungeeignete Leute,<span class="pagenum" id="Seite_51">[S. 51]</span> sogar auch
-an Dietrich, von dem sie doch weiß, daß er zuerst die Nibelunge gewarnt
-hat. Alle lehnen es ab, bis endlich Etzels Bruder Blödel es unternimmt,
-gegen das Versprechen hoher Belohnung Kriemhilts Willen zu tun: er soll
-die Knechte in der Herberge überfallen und damit den Kampf zum Ausbruch
-bringen. Unmittelbar nachdem Blödel sich bereit erklärt hat, den Verrat
-zu beginnen, fährt das Gedicht (in der Fassung <span class="antiqua">B</span>, Bartsch
-Strophe 1912) fort:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Dô der strît niht anders <span class="mleft2">kunde sîn erhaben</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">(Kriemhilde leit daz alte <span class="mleft2">in ir herzen was begraben),</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">dô hiez si tragen ze tische <span class="mleft2">den Etzelen sun.</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">wie kunde ein wîp durch râche <span class="mleft2">immer vreislîcher tuon?</span></span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Also: da es auf keine andere Weise möglich ist, den Streit ins Werk
-zu setzen, so beabsichtigt Kriemhilt ihren und Etzels Sohn der
-Rache zu opfern. Die Strophe setzt voraus, daß Kriemhilt mit dem
-Versuche, einige Helden für sich zu gewinnen, nichts erzielt hat; im
-vorausgehenden ist das gerade Gegenteil berichtet (der Text <span class="antiqua">C</span>
-hat deshalb auch geändert). Die Erzählung vom Opfer des Kindes wird
-durch die Thidrikssaga und einen vereinzelten deutschen Bericht des 15.
-Jahrhunderts<a id="FNAnker_27" href="#Fussnote_27" class="fnanchor">[27]</a> bestätigt, auch durch die nordische Darstellung (in
-der ja Gudrun ihre Söhne schlachtet) unterstützt; auch in unserm Liede
-war sie offenbar ursprünglich, ist aber durch mehrfache Bearbeitung
-gemildert worden.</p>
-
-<p>Bei Tisch erscheint nun der junge Ortlieb und wird den Verwandten
-vorgestellt. Etzel gedenkt der Verwandtschaft mit außerordentlich
-freundlichen Worten: er hofft, daß sein Sohn das werden soll, was die
-Oheime sind; allein Hagen meint, der junge Königssohn sähe aus, als ob
-er nicht lange leben würde.</p>
-
-<p>In diesem Augenblicke erscheint an der Tür des Saales Dankwart, über
-und über blutbespritzt, und bringt die Botschaft, daß Blödel mit
-hunnischen Scharen die Knechte der Burgunden überfallen habe, und alle
-erschlagen seien, auch Blödel selbst. Als einziger ist Dankwart aus
-dem Gemetzel entkommen. Als Hagen dies hört, springt er sofort auf und
-schlägt dem Sohne Etzels kurzerhand das Haupt ab, so daß es der Mutter
-in den<span class="pagenum" id="Seite_52">[S. 52]</span> Schoß springt<a id="FNAnker_28" href="#Fussnote_28" class="fnanchor">[28]</a>. Damit ist Etzel zum Feinde seiner Gäste
-geworden; er ruft seine Mannen zur Rache auf. Allein da die Burgunden
-auf den Kampf vorbereitet sind und sogar bei Tische im Harnisch
-sitzen, die übrigen aber im Festgewande, so haben sie jetzt die Hunnen
-völlig in der Hand. Volker und Dankwart versperren den Ausgang, und
-die Burgunden machen zur Rache für ihre erschlagenen Knechte alles
-nieder, was in der Halle ist, bis Dietrich mit lauter Stimme für sich
-und die Seinen freien Abzug verlangt. Ihm und Rüdeger wird daraufhin
-von Günther gestattet, mit den Ihren den Saal zu verlassen; Günthers
-Feinde, die Hunnen, sollen jedoch drinnen bleiben. Es folgt nun eine
-höchst seltsame Szene: Dietrich nimmt, als ihm der Ausgang gewährt
-wird, den König Etzel an einen Arm, die Königin an den andern, und geht
-mit ihnen ungehindert hinaus. Die Burgunden lassen das zu. Als aber
-ein Hunne versucht, hinter seinem Könige auch hinauszukommen, schlägt
-ihm Volker das Haupt ab, so daß es Etzel vor die Füße rollt. Immerhin
-sind nun Etzel und Kriemhilt, die ärgsten Feinde der Burgunden, aus
-dem Saale entlassen (was noch drinnen ist, wird von den Burgunden
-erschlagen), und wir haben eine neue Lage: die Hunnen befinden sich vor
-dem Saale, die Burgunden in demselben und richten sich zu hartnäckiger
-Verteidigung ein. Unverständlich aber am Verhalten der Burgunden
-bleibt, daß sie Etzel und Kriemhilt ungehindert hinauslassen; wenn sie
-jetzt, da sie wissen, wie die Verhältnisse liegen, sich dieser beiden
-Hauptpersonen bemächtigen &mdash; sie brauchen sie nicht einmal zu töten &mdash;
-so ist der Sieg auf ihrer Seite, aber auch &mdash; die Erzählung zu Ende.
-Offenbar ist hier ein neuer Lappen auf das alte Tuch der überlieferten
-Erzählung genäht: das Gastmahl, der Kampf des viel zu zahlreichen
-Gefolges in der Herberge, in dem Dankwart sich besonders auszeichnet,
-der Kampf der Helden im Saale, all das sind neue Zutaten, im einzelnen
-zwar gut ausgeführt, mit dem Alten aber ungeschickt verbunden, so daß,
-wie gesagt, die Erzählung von Rechts wegen in diesem Augenblicke zu
-Ende gelangt, und zwar zu einem der Überlieferung widersprechenden
-Ende. Die Torheit, die der Dichter die Burgunden mit der Entlassung der
-ärgsten Feinde begehen läßt, muß ihm die Möglichkeit geben, in den<span class="pagenum" id="Seite_53">[S. 53]</span>
-ursprünglichen Gang der Sage wieder einzulenken. Die Lage wird wieder
-hergestellt, die sich schon an einer frühern Stelle des Gedichtes
-vorfindet: die Burgunden in dem Saale, in dem sie während der Nacht
-untergebracht waren, an der Tür wachend die Haupthelden, in erster
-Linie Hagen und Volker, und von außen herannahend die feindlichen
-Hunnen.</p>
-
-<p>Mit Hohnreden begrüßen sich die Gegner, und Kriemhilt bietet großen
-Lohn demjenigen, der ihr Hagen in die Hände liefert. Hier treten einige
-Helden auf, die ursprünglich einem andern Sagenkreise angehören, aber,
-da man sie sich im Hunnenlande lebend denkt, in unsere Sage eingeführt
-werden. Es sind Irnfrid, Landgraf von Thüringen, Hawart der Däne und
-sein Mann Iring. Sie versuchen zuerst den Ansturm auf die im Saale
-verschanzten Burgunden, finden aber nach kleinen Erfolgen ihren Tod,
-ohne daß die Gesamtlage sich ändert; die Szene ist also überflüssig und
-dadurch als junger Zusatz gekennzeichnet<a id="FNAnker_29" href="#Fussnote_29" class="fnanchor">[29]</a>.</p>
-
-<p>Die Nacht bricht herein. Während derselben versucht Kriemhilt ihre
-Feinde zu vernichten, indem sie den Saal in Brand stecken läßt. Allein
-trotz der großen Not, die dadurch über die Burgunden hereinbricht,
-entgehen sie doch dem sichern Tode, hauptsächlich durch Hagens
-Ratschläge. Sie trinken das Blut der Gefallenen und sind am andern
-Morgen noch alle am Leben. Es bedarf also noch stärkerer Mittel, die
-Vernichtung der Burgunden durchzuführen. Von den eigentlichen Hunnen
-ist niemand geeignet, mit ihnen fertig zu werden; es muß ein besonderer
-Held gewonnen werden, und das ist derjenige, der auf der einen Seite
-als erster der Vasallen dem Etzel, auf der andern als Vater der
-Dietlind den Burgunden in gleicher Weise verpflichtet ist, Rüdeger von
-Bechelaren. Durch fußfällige Bitten erreichen der König und Kriemhilt,
-daß er sich zum Angriff auf die Burgunden entschließt, trotz seiner
-verwandtschaftlichen Beziehungen. Damit wird die vom Dichter an seine
-Person geknüpfte Frage entschieden, welche Treue heiliger ist, die
-Treue gegen den Herrn oder die gegen Anverwandte. Rüdeger entschließt<span class="pagenum" id="Seite_54">[S. 54]</span>
-sich als Urbild eines getreuen Mannes, die Treue gegen seinen Herrn
-zu wahren, und greift mit seinen Leuten die Burgunden an. Der Kampf
-endet damit, daß Rüdeger und Gernot einander im Zweikampf töten.
-Rüdegers Mannen kommen ebenfalls um, und Kriemhilts Ziel ist noch nicht
-erreicht. Großes Klagen erhebt sich um den vornehmsten der hunnischen
-Helden, den Freund aller hilfesuchenden Landfremden. Es schallt bis zum
-Hause König Dietrichs, und er sendet seine Mannen aus, zu erkunden,
-was denn geschehen sei. Hiltebrand, Dietrichs alter Waffenmeister
-und Führer seiner Mannen, Wolfhart, der übermütigste von ihnen, und
-die übrigen Amelunge<a id="FNAnker_30" href="#Fussnote_30" class="fnanchor">[30]</a>, alle machen sich nach dem Kampfplatze auf;
-als sie erfahren, daß Rüdeger gefallen ist, erbitten sie sich von
-den Burgunden seine Leiche. Es wird ihnen aber die höhnische Antwort
-zuteil: „Holt sie euch selbst, wenn ihr keine Furcht habt.“ So greifen
-denn die Amelunge grimmerfüllt, aber wider ihres Herrn Dietrichs
-Willen, die Nibelunge an. In diesem Kampfe kommen alle zu Tode mit
-Ausnahme von Günther und Hagen auf burgundischer und Hiltebrand, der
-sich schließlich zur Flucht wenden muß, auf gotischer Seite.</p>
-
-<p>Hiltebrand begibt sich zu Dietrich zurück und berichtet ihm, daß
-Rüdeger erschlagen ist; als das Dietrich erfährt, rüstet er sich
-selbst und befiehlt Hiltebrand, die Mannen zu sammeln, da er nun
-selbst eingreifen will. Hiltebrand erwidert: „Wen soll ich Euch rufen?
-Alle, die Ihr habt, seht Ihr vor Euch stehen“, und dadurch erfährt
-Dietrich erst, daß inzwischen seine Leute auch umgekommen sind. Der
-Angriff erfolgt nun durch Dietrich selbst, der durch seine Stärke die
-Entscheidung bringt. Immer noch ist er trotz des großen Schadens, der
-ihm geschehen, geneigt, die letzten burgundischen Helden zu retten. Es
-gelingt ihm, sie gefangen zu nehmen, und er übergibt sie Kriemhilt mit
-dem ausdrücklichen Wunsche, daß ihnen nichts am Leben geschehen möge.
-Kriemhilt verlangt nun von Hagen die Auslieferung des Nibelungenhortes
-und erhält die Antwort, daß er durch einen schweren Eid gebunden
-sei, den Ort, wo der<span class="pagenum" id="Seite_55">[S. 55]</span> Schatz liegt, niemandem zu verraten, solange
-einer seiner Herren lebe. Darauf läßt Kriemhilt dem Günther das Haupt
-abschlagen und bringt es Hagen als Beweis des Todes seines Herrn. Hagen
-aber erwidert (Strophe 2371 Bartsch):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2">„<span class="antiqua">Nu ist von Burgonden <span class="mleft2">der edel künec tôt,</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Gîselher der junge <span class="mleft2">und ouch her Gêrnôt.</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">den schaz den weiz nu niemen <span class="mleft2">wan got unde mîn:</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">der sol dich, vâlandinne, <span class="mleft2">immer wol verholen sîn.</span></span>“</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Sie erfährt also den Aufbewahrungsort des Schatzes nicht, tröstet sich
-aber damit, daß sie den Balmung, den einst ihr Siegfried geführt hat,
-durch Hagens Gefangennahme in die Hände bekommen hat. Mit ihm rächt
-sie ihren Jammer, indem sie Hagen eigenhändig tötet. Aber Hiltebrand
-erträgt nicht, daß Helden von der Art Hagens von einem Weibe fallen;
-er springt hinzu und tötet Kriemhilt selbst. Der Vernichtungskampf hat
-nun ein Ende; von namhaften Personen sind ihm nur entgangen Etzel (auf
-dessen Tod doch gerade die nordische Darstellung hinausgeht), Dietrich
-und Hiltebrand. Damit schließt unser Lied.</p>
-
-<p>Ein etwas späterer Dichter hat ihm eine Fortsetzung in abweichender
-Versform (sogenannten kurzen Reimpaaren) unter dem Titel „Klage“
-angehängt, ein matt nachklappendes Gedicht, das erzählt, wie die Toten
-beerdigt werden, und was aus den wenigen Überlebenden noch geworden
-ist. Für uns ist nur von Interesse die merkwürdige Stelle, die sich am
-Schlusse der einen Bearbeitung der Klage (<span class="antiqua">C</span>) findet; hier heißt
-es: was aus Etzel geworden ist, das weiß kein Mensch; es ist unbekannt,
-was er für ein Ende genommen hat. Für die Entwickelung der Sage aus der
-Geschichte ist diese Bemerkung von größter Wichtigkeit.</p>
-
-<p>Im Nibelungenliede hat sich das Interesse der Dichter und ihrer Zuhörer
-andern Teilen zugewendet als in der Lieder-Edda. Während im Norden
-der erste Teil der Sage ausführlich und breit, teilweise auch in
-verschiedenen Variationen erzählt wird, ist der zweite Teil einfach
-und kurz; zwischen den beiden Hauptteilen besteht ein eigentlicher
-Zusammenhang nicht; ganz äußerlich ist ferner noch ein dritter Teil
-angehängt, die Geschichte von Svanhild, die zwar in Deutschland wohl
-bekannt, aber nicht an die Nibelungen-, sondern an die Dietrichsage
-angeschlossen ist. In Deutschland aber sind die beiden Hauptteile der
-Sage dadurch innerlich in Verbindung gebracht, daß der Untergang der
-Burgunden<span class="pagenum" id="Seite_56">[S. 56]</span> aufgefaßt wird nicht als von Etzel, sondern von Kriemhilt
-ausgehend, und daß diese nicht, wie im Norden, an ihrem zweiten
-Gatten den Tod ihrer Brüder rächt, sondern an ihren Brüdern den Tod
-ihres ersten Gatten; damit ist ein innerer Zusammenhang zwischen
-dem ersten und zweiten Teile hergestellt: der erste Teil ist die
-Ursache des zweiten geworden. Daraus ist weiter die Notwendigkeit
-erwachsen, daß Etzel nicht ermordet wird, sondern übrig bleibt, und die
-Erzähler zunächst nicht wissen, was aus ihm geworden sein mag. Seine
-und Kriemhilts Interessen fallen in der deutschen Darstellung eben
-zusammen, und es mangelt der Kriemhilt jeder Grund, ihn zu töten.</p>
-
-<p>Welche Darstellung der Sage, die nordische oder die deutsche, die
-ältere ist, das ist nicht schwer zu entscheiden: selbstverständlich
-diejenige, in der die beiden Teile auseinanderklaffen. Denn das
-Auseinanderreißen zusammengehöriger Stücke würde niemand unternommen
-haben; wohl aber kann man jemandem zutrauen, daß er zwei Erzählungen,
-wie die Geschichte von Siegfried und die Geschichte von dem Untergang
-der Burgunden und Attilas Tod, die durch beiden gemeinsame handelnde
-Personen zusammengehalten werden, auch innerlich in ursächlichen
-Zusammenhang bringt.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Zweikampfsage_und_Thidrikssaga"><span class="antiqua">b</span>) Zweikampfsage und Thidrikssaga.</h3>
-
-</div>
-
-<p>Im deutschen Liede spielt eine Figur, die in der Lieder-Edda uns nur
-ganz beiläufig entgegentritt<a id="FNAnker_31" href="#Fussnote_31" class="fnanchor">[31]</a>, eine Hauptrolle: Dietrich von Bern.
-Er ist im Grunde die Hauptperson, denn er bringt in dem großen Kampfe
-die Entscheidung.</p>
-
-<p id="Goten_und_Bayern">Dietrich von Bern ist der Held einer selbständigen weitverzweigten
-Sage; er ist der sagenhafte Niederschlag der gewaltigen historischen
-Persönlichkeit des Ostgotenkönigs Theodorichs des Großen. Bei den
-Bayern, die gewissermaßen die unmittelbaren Nachfolger der alten Goten
-sind<a id="FNAnker_32" href="#Fussnote_32" class="fnanchor">[32]</a>, hat sich die Erinnerung an<span class="pagenum" id="Seite_57">[S. 57]</span> seine große Zeit stets lebendig
-erhalten: er ist ihr Nationalheld. Während der Zeit seiner Verbannung
-aus der Heimat lebt er (in der Sage) am Hofe Etzels<a id="FNAnker_33" href="#Fussnote_33" class="fnanchor">[33]</a>. Da nun die
-Burgunder nach der niederrheinischen Sage am Hofe Etzels zugrunde
-gehen, so müssen die beiden Erzählungen, sobald sie sich lokal und
-im Gehirn eines und desselben Dichters vereinigen, in Zusammenhang
-miteinander kommen, denn sie sind ja durch Etzel als gleichzeitig,
-Dietrich und Siegfried also als Zeitgenossen erwiesen. Dadurch
-entsteht aber sofort eine eigenartige Schwierigkeit. In der alten
-niederfränkischen Siegfriedsage ist Siegfried als erster Held seiner
-Zeit geschildert. Genau dasselbe behauptet die bayrische Sage von ihrem
-Dietrich. Durch die Verbindung der beiden Sagen vermittelst der Person
-Etzels stehen nun zwei einander ausschließende Superlative, Dietrich
-und Siegfried, nebeneinander als Zeitgenossen. Beide erheben ja den
-Anspruch, die ersten Helden ihrer Zeit zu sein. Es ergibt sich also
-die Frage, welcher von beiden wirklich der erste ist; für die Dichtung
-liegt es nahe, sie zu lösen, indem sie die beiden einander in einem
-Zweikampfe gegenüberstellt; die Lösung wird verschieden ausfallen je
-nach der Heimat dessen, der sie gibt. Eine Dichtung vom Zweikampfe der
-beiden Helden ist nun spätestens im 12. Jahrhundert entstanden. Wenn
-sie dem Norden Deutschlands, dem Lande am Niederrhein, entstammte,
-würde sie Siegfried haben siegen lassen; da sie zugunsten Dietrichs
-entscheidet, muß sie wohl in Süddeutschland (Bayern) entstanden sein.
-Etwas anderes darf man natürlich aus dem für Siegfried ungünstigen
-Ausfall des Kampfes nicht schließen.</p>
-
-<p>Diese Dichtung liegt im 13. Jahrhundert bereits in drei verschiedenen
-Zweigen vor; die vergleichsweise einfachste Darstellung findet sich
-in dem hochdeutschen Gedichte „Biterolf“, einer Bearbeitung der
-Dietrichsage in ritterlichem Geschmack: durch eine feindselige Handlung
-der Wormser, bei denen sich Siegfried aufhält, werden die östlichen
-Helden, unter ihnen Dietrich, bewogen, gegen Worms zu ziehen. Dietrich
-wagt es zunächst nicht<span class="pagenum" id="Seite_58">[S. 58]</span> recht, den Kampf gegen Siegfried aufzunehmen,
-wird aber schließlich durch die Hohnreden seiner Mannen dazu genötigt
-und besiegt ihn.</p>
-
-<p>Die zweite, ebenfalls hochdeutsche Version liegt in dem Gedichte vom
-Rosengarten zu Worms vor, das uns in fünf verschiedenen, aber auf
-dieselbe Grunddichtung zurückgehenden Bearbeitungen erhalten ist; sie
-behandeln als Kern genau dieselbe Erzählung wie der „Biterolf“, nur daß
-sie das Lokal noch näher bestimmen: sie nehmen an, daß in Worms ein
-Rosengarten liegt, der Kriemhilts Eigentum ist. Der Dichter versetzt
-mit einem kühnen Griff die Kriemhilt der spätern Zeit der Rache, ihrem
-Charakter nach, in ihre Mädchenzeit zurück: die jugendliche Kriemhilt,
-die im Begriff ist, Siegfried zu heiraten, veranlaßt den Kampf, um zu
-sehen, ob Siegfried der erste aller Männer ist; sie fordert dazu den
-Dietrich heraus. Die Entscheidung fällt gegen Siegfried; im einzelnen
-ist die Darstellung der im „Biterolf“ sehr ähnlich.</p>
-
-<p>Der dritte Zweig der Zweikampfsage liegt in der Thidrikssaga vor,
-jener großen nordischen Sagensammlung, die auch die in Deutschland
-umgebildete Nibelungensage nach dem Norden übertragen hat.</p>
-
-<p>So wie die Thidrikssaga uns überliefert ist, ist sie nicht einmal
-äußerlich ganz einheitlich, sondern wir können der ältesten
-Handschrift noch ansehen, daß Einlagen hinzugekommen sind; da
-diese Handschrift nicht ganz vollständig ist, können wir nicht von
-jedem einzelnen Abschnitt mit Sicherheit sagen, wie alt und wie
-ursprünglich er ist. Doch darf man behaupten, daß im Urtexte der Saga
-die Nibelungengeschichte erst von Siegfrieds Dienst bei Isung (vgl.
-nachher) an vorhanden war, während die Darstellung seiner Jugendzeit
-erst später eingelegt worden ist. Im folgenden werden nur diejenigen
-Teile inhaltlich wiedergegeben, welche die Nibelungensage enthalten.</p>
-
-<p>Es wird erzählt, daß ein König Sigmund über Karlungaland (Frankreich)
-herrscht. Er verheiratet sich mit Sisibe. Bald nach der Hochzeit muß er
-eine Kriegsfahrt unternehmen und die junge Frau der Hut zweier Edlen
-überlassen. Diese Pfleger beginnen bald die Königin mit Liebesanträgen
-zu verfolgen; als sie abgewiesen werden, drohen sie mit Verleumdung.
-Bei der Rückkehr des Königs führen sie ihre Drohung auch aus. Daraufhin
-wird Sisibe verstoßen und von den Verrätern in einen Wald<span class="pagenum" id="Seite_59">[S. 59]</span> verschleppt;
-während diese über ihr Schicksal in Zwist geraten, gebiert die Königin
-plötzlich und stirbt an der Geburt. Das Kind, ein Knabe, wird in ein
-Gefäß gelegt, das dann in den vorüberfließenden Strom gerät und von
-seinen Wellen weggetragen wird.</p>
-
-<p>Weiter unterhalb strandet das Gefäß und zerbricht. Des weinenden Kindes
-erbarmt sich eine Hirschkuh, nährt es und zieht es auf. Ein Schmied,
-der in der Nähe im Walde haust, namens Mimir, entdeckt den Knaben bei
-der Hirschkuh, nimmt ihn auf und gibt ihm den Namen Siegfried.</p>
-
-<p>Jung Siegfried entwickelt sich zu einem ganz ungewöhnlich kräftigen,
-aber dabei doch zu nichts verwendbaren Jüngling. Mimir wird von ihm
-arg belästigt und beginnt sich vor ihm zu fürchten. Infolgedessen
-beschließt er, den Knaben zu beseitigen. Im Walde lebt ein Drache, den
-die Saga seltsamerweise Regin nennt<a id="FNAnker_34" href="#Fussnote_34" class="fnanchor">[34]</a>. Durch diesen Drachen hofft
-Mimir den Siegfried loszuwerden; er schickt ihn in den Wald, Kohlen
-zu brennen, und stattet ihn für mehrere Tage mit Proviant aus. Im
-Walde angelangt, erledigt Siegfried rasch seine Arbeit, ist aber dann
-gleich so verhungert, daß er seinen ganzen Vorrat, der für mehrere Tage
-ausreichen soll, auf einmal aufzehrt. Da erscheint der Drache, wird
-aber bald von Siegfried getötet. Das scheint ihm kaum eine gefahrvolle
-Sache; er braucht dazu nur seinen Mut. Nun hat er Gelegenheit, seinen
-Hunger weiter zu stillen: er schneidet sich ein Stück Fleisch aus dem
-Drachen und siedet es. Um zu versuchen, ob es gar ist, faßt er es an,
-verbrennt sich die Finger und steckt sie zur Kühlung in den Mund.
-Dadurch gelangt etwas Drachenblut auf seine Zunge, und er versteht
-auf einmal die Sprache der Vögel. Von ihnen erfährt er, daß Mimir ihn
-böswillig hinausgeschickt hat, und kehrt wütend nach Hause zurück. Als
-Mimir ihn kommen sieht, erkennt er, daß sein Plan fehlgeschlagen ist,
-und versucht ihn zu besänftigen, indem er ihm eine wundervolle Rüstung
-und ein Schwert gibt, ihm auch ein geeignetes Roß aus Brynhilds Gestüt
-nachweist<a id="FNAnker_35" href="#Fussnote_35" class="fnanchor">[35]</a>. Siegfried<span class="pagenum" id="Seite_60">[S. 60]</span> nimmt alles an; der erste, den er mit dem
-Schwerte tötet, ist Mimir. Dann sucht er die Burg der Brynhild auf.
-Wer Brynhild ist, wird gar nicht erklärt. Sie ist jedenfalls eine rein
-menschliche Fürstin, die unter anderm ein großes Gestüt besitzt; die
-edlen Heldenrosse, die in der Saga erwähnt werden, stammen alle aus
-diesem Gestüt. Siegfried dringt gewaltsam in ihre Burg ein; als sie den
-Lärm hört, sagt sie sofort: „Da wird Siegfried, Sigmunds Sohn, gekommen
-sein, und er soll mir immer willkommen sein.“ Beim Empfang fragt sie
-ihn, wer er sei; das weiß Siegfried nicht. Da eröffnet sie ihm, daß er
-König Sigmunds Sohn ist (woher sie das weiß, wird nicht erörtert), und
-überläßt ihm auf seinen Wunsch aus ihrem Gestüt den Hengst Grani. Von
-Liebschaft oder Verlobung aber ist mit keinem Worte die Rede. Siegfried
-zieht weiter und tritt in den Dienst eines Königs, der Isung heißt
-und in Bertangaland (Bretagne) herrscht. Dieser König Isung gehört
-nur unserer Thidrikssaga an und ist für die Komposition derselben
-wesentlich.</p>
-
-<p>Inzwischen hat der junge König Dietrich, der eigentliche Held der Saga,
-der zu dieser Zeit noch nicht in der Verbannung lebt, sondern sein Volk
-in Italien beherrscht, eine Reihe gewaltiger Helden um sich gesammelt;
-er stellt die Behauptung auf, daß es niemand gäbe, der ihm und seinen
-Mannen entgegentreten könnte. Einer der Helden erwidert ihm, daß Isung
-mit seinen elf Söhnen und seinem Bannerträger &mdash; als solcher dient
-ihm der junge Siegfried &mdash; ihm mindestens gewachsen sei. Daraufhin
-zieht Dietrich mit seinen Mannen, unter denen sich diesmal auch, auf
-freundliche Einladung hin, Günther und Hagen<a id="FNAnker_36" href="#Fussnote_36" class="fnanchor">[36]</a> befinden, zum Kampfe
-gegen Isung und seine Söhne aus. In Zweikämpfen mit verschiedenem
-Erfolge wird die Angelegenheit ausgefochten (ähnlich wie im Biterolf
-und im Rosengarten); Siegfried und Dietrich messen ihre Kräfte als
-letzte miteinander, und auch in dieser Sagenform siegt Dietrich.
-Das hat, wie gesagt, seinen Grund in dem oberdeutschen Ursprung der
-Zweikampfsage; allein der nordische Sagaschreiber (vielleicht schon
-seine niederdeutsche Quelle) vermochte es nicht über sich, seinen
-unüberwindlichen Siegfried so ohne weiteres besiegen zu lassen: er
-erklärt die Niederlage durch unlautere Mittel, die<span class="pagenum" id="Seite_61">[S. 61]</span> Dietrich angewendet
-habe. Dietrich kann den Siegfried nur mit einem bestimmten Schwerte,
-dem Mimung, das dem Witig gehört, besiegen. Das weiß Siegfried auch und
-verlangt deshalb von Dietrich den Eid, daß er den Mimung nicht habe.
-Darauf steckt Dietrich das Schwert hinter sich mit der Spitze in die
-Erde und lehnt sich gegen den Griff, dann schwört er, daß er Mimungs
-Spitze nicht oberhalb der Erde wisse, noch seinen Griff in eines
-Mannes Hand; mit Mimung besiegt er Siegfried, also unter Anwendung von
-Hinterlist.</p>
-
-<p>Siegfried tritt nun in den Dienst Dietrichs und zieht mit ihm zusammen
-an den Hof Günthers; dort wird ohne besondere Bedingungen die Heirat
-gestiftet, daß Siegfried die Grimhild, Günthers Schwester, zur Gattin
-erhält. Bei der Hochzeit erwähnt Siegfried dann die Brynhild und
-schlägt sie seinem neuen Schwager Günther als geeignete Gemahlin vor.
-Günther, Hagen, Siegfried und Dietrich<a id="FNAnker_37" href="#Fussnote_37" class="fnanchor">[37]</a> ziehen sofort aus, die
-Werbung anzubringen; Brynhild ist ärgerlich, daß Siegfried bereits eine
-Frau hat, und wirft ihm vor, daß er sich doch mit ihr verlobt habe<a id="FNAnker_38" href="#Fussnote_38" class="fnanchor">[38]</a>.
-Schließlich nimmt sie ohne besondere Prüfung Günthers Werbung an; in
-der Brautnacht aber widersetzt sie sich ihm, ohne daß die Erzählung
-auch nur den Versuch machte, ihr Verhalten zu erklären, Günther kann
-sie nicht gewinnen und bittet nach einigen Tagen Siegfried um Hilfe.
-Dieser gewährt sie ihm auch, aber nicht in der keuschen Weise, die der
-alten Sage gemäß ist, sondern er überwältigt Brynhild (übrigens ohne
-Schwierigkeit) völlig und wird wirklich schuldig.</p>
-
-<p>Nach einiger Zeit geraten Brynhild und Grimhild in den unvermeidlichen
-Zank, der ja für die weitere Entwicklung der Sage notwendig und der
-eigentliche Kern der Erzählung ist. Hier dreht es sich nicht ums Baden,
-auch nicht um den Vortritt an der Kirche, sondern um den Hochsitz, den
-früher die Mutter Grimhilds innegehabt hat, und der jetzt natürlich
-der Gattin Günthers gebührt. Grimhild beansprucht ihn vergeblich für
-sich<span class="pagenum" id="Seite_62">[S. 62]</span> und enthüllt in ihrem Zorn das Geheimnis, daß Siegfried der
-Brynhild Liebe genossen hat. So wird denn der Mord beschlossen und im
-wesentlichen so ausgeführt, wie es in unserm Liede erzählt wird, bei
-Gelegenheit einer Jagd.</p>
-
-<p>Auch im zweiten Teile der Nibelungensage schließt sich die Saga sehr
-eng an die deutsche Fassung an, stellenweise so eng, daß man den
-Eindruck hat, der Sagaschreiber hat unser Lied vor sich oder wenigstens
-im Ohre gehabt und danach seine Erzählung zusammengestellt. Doch sind
-einige tiefgehende Abweichungen vorhanden. Eine der auffälligsten ist
-die, daß Dankwart ganz unbekannt ist, während Volker eine Rolle wie
-im Liede spielt; eine ganze Reihe von Szenen, die wir vorhin bei der
-Betrachtung des Liedes als jung erkannten, fehlen der Saga. Aber auch
-sonst weicht manches ab, denn der Sagaschreiber ist ein überlegender
-Mann; er bringt nicht gern Unmöglichkeiten vor, sondern hat seinen
-Text, so gut es geht, auf den festen Boden der Wirklichkeit gestellt.
-Das ist ihm freilich nicht immer geglückt. Einige Stellen verdienen
-besondere Betrachtung. Die Geschichte mit dem Fährmann wird in der
-einfachen Weise, die auch im Liede noch durchklingt, vorgetragen: er
-läßt sich durch einen dargebotenen Goldring geneigt machen, da er
-ihn seiner jungen Frau mitbringen will. Der Ausbruch des Kampfes am
-hunnischen Hofe wird deutlich dadurch herbeigeführt, daß Grimhild
-bewußt ihren Sohn opfert, was im Liede nur noch angedeutet ist.
-Wir haben hier zweifellos in der Quelle der Saga eine Darstellung,
-die etwas altertümlicher ist als die unseres Liedes; die Vermutung
-drängt sich auf, daß Nibelungendichter und Sagaschreiber auf Grund
-derselben Vorlage gearbeitet haben. Gegen den Schluß hin ist eine
-wesentliche Abweichung die, daß Günther frühzeitig gefangen und in
-den Schlangenturm geworfen wird, so daß er also nicht neben Hagen der
-letzte sein kann, wie sonst überall berichtet wird. Dafür bleibt neben
-Hagen Giselher bis zuletzt übrig. Das ist ein Zugeständnis, das der
-Sagaschreiber der nordischen Sagenform machen muß; im Norden steht
-fest, daß Gunnar im Schlangenturme zugrunde geht. Eigentümlich ist
-ferner, daß Hagen hier nicht von Grimhild getötet<a id="FNAnker_39" href="#Fussnote_39" class="fnanchor">[39]</a>, sondern, wenn
-auch todwund, von Dietrich gefangen und gerettet wird,<span class="pagenum" id="Seite_63">[S. 63]</span> so daß er sogar
-die Freunde noch einige Zeit überlebt. Diese Neuerung zielt auf eine
-uns hier zum ersten Male begegnende Nachdichtung hin: von Dietrich läßt
-sich Hagen ein edles Mädchen beschaffen, mit der er in den letzten
-Tagen seines Lebens seinen Rächer erzeugt; bevor er stirbt, gibt er
-ihr noch die Schlüssel zum Nibelungenhorte (der in einem Berge liegend
-gedacht wird) und die nötigen Anweisungen. Nach seinem Tode gebiert das
-Mädchen einen Sohn und nennt ihn Aldrian, nach Hagens Vater. Dieser
-Aldrian wird an Attilas Hofe erzogen und, herangewachsen, von seiner
-Mutter über seine Bestimmung unterrichtet. Er kommt ihr nach, indem er
-Attila fragt, ob er den Nibelungenhort haben will, und als dieser &mdash;
-wie natürlich &mdash; darauf eingeht, führt er ihn zum Horte und schließt
-ihn bei demselben ein; seitdem ist Attila verschwunden. Aldrian kehrt
-aber nach dem Nibelungenlande zurück und wird dort König. Das ist der
-letzte Abschnitt der Saga, der uns hier angeht.</p>
-
-<p>Die Erzählung ist hier weiter geführt als im Liede und zwar in ganz
-neuer Art; die Nachbildung von Aldrian (die natürlich nicht vom
-Sagaschreiber herrührt) erfüllt mit Geschick einen doppelten Zweck: sie
-befriedigt das Bedürfnis der Rache für die ausgemordeten Burgunden, und
-sie schafft Etzel aus der Geschichte.</p>
-
-<p>Im eddischen Liede Atlamál erscheint neben Gudrun ein Niflung als
-Rächer der verratenen Burgunden; sein Auftreten beruht wohl auf
-Beeinflussung durch die eben besprochene Aldriansage, die demnach schon
-etwa im 11. Jahrhundert entstanden sein dürfte.</p>
-
-<p>Der Verfasser der Saga hat augenscheinlich, neben andern Quellen,
-für die Nibelungensage in der Hauptsache zwei Dichtungen benutzt:
-eine, die vom Auftreten Siegfrieds in Worms an bis zum großen Kampfe
-reichte und mit dem Nibelungenliede ganz nahe verwandt war, und
-die Grundlage der Zweikampfdichtung. Da die letztere innerhalb der
-ersteren keine Stelle hat, so verfuhr der Sagaschreiber so, daß er
-sie dieser voranstellte; Siegfried steht daher bei ihm zur Zeit des
-Zweikampfes noch nicht in Günthers Umgebung (wie die angeführten
-hochdeutschen Gedichte behaupten, und wie es natürlich ist), sondern
-wird in diese erst durch Dietrichs Sieg eingeführt. Der König Isung von
-Bertangaland ist nach meiner Empfindung nichts als eine Schöpfung des
-Sagaschreibers, notwendig geworden dadurch, daß Siegfried erst später
-in Günthers Kreis tritt, also<span class="pagenum" id="Seite_64">[S. 64]</span> zur Zeit des Zweikampfes einen andern
-Herrn haben muß. Jung ist die Figur auf jeden Fall, denn die Verwendung
-von Bertangaland (der Bretagne) in unserm Literaturkreise kann nicht
-wohl vor dem Bekanntwerden der Artussage (frühestens Ende des 12.
-Jahrhunderts) möglich gewesen sein. Eine dritte norddeutsche Quelle
-benutzte der Sagaschreiber in der Geschichte von Etzels Tod; nach einer
-vierten, von der das gleich nachher zu besprechende Gedicht vom Hürnen
-Seifrid teilweise abhängt, legte ein jüngerer Bearbeiter der Saga die
-Geschichte von Siegfrieds Jugend ein.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Anhangsweise mag an dieser Stelle angeführt werden, was über das
-Fortleben unserer Sage in Skandinavien besonders wissenswert ist.</p>
-
-<p>Durch die im 13. Jahrhundert entstandene Thidrikssaga gelangte die
-deutsche Sagenform den Nordleuten zur Kenntnis und schließlich,
-wenigstens in Dänemark, zur Herrschaft. Die im Jahre 1591 zum ersten
-Male veröffentlichten dänischen Heldenlieder (<span class="antiqua">Kämpeviser</span>)
-bieten, soweit sie die Nibelungensage behandeln, durchaus die
-Stoffgestalt der Thidrikssaga dar. Charakteristisch ist, daß
-schließlich die Figuren des Hagen und des Volker alle andern Nibelunge
-derartig überwuchern, daß diese der Vergessenheit anheimfallen; die
-Sympathie des Publikums hat sich dem Hagen und Volker ausschließlich
-zugewandt, so daß zuletzt sogar Siegfried zu unwürdiger Rolle verdammt
-wird. Am drastischsten tritt das zutage in der 1603 dänisch abgefaßten
-„Chronik der Insel Hven“, die aus dem Lateinischen übersetzt zu sein
-vorgibt. Als Lokal der Ereignisse ist hier die im Sunde gelegene Insel
-Hven an die Stelle von Etzelnburg getreten.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_65">[S. 65]</span></p>
-
-<p>Auf den im nördlichen Teile des Atlantischen Ozeans gelegenen
-Färöer, die von Norwegen aus besiedelt sind, entdeckte 1817 Lyngbye
-volkstümliche Lieder, die alte Stoffe behandeln; drei von ihnen geben
-einander anschließend die ganze Nibelungensage wieder: <span class="antiqua">Regin
-smidur</span>, <span class="antiqua">Brinhild</span> und <span class="antiqua">Högni</span>; während die beiden
-erstgenannten noch die spezifisch nordische Sagenform aufweisen, gibt
-das Lied von Högni die Erzählung in der jüngern Gestalt wieder. Bis auf
-die Färöer also hat die Thidrikssaga die deutsche Sagenform verbreitet.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Huernen_Seifrid"><span class="antiqua">c</span>) Hürnen Seifrid.</h3>
-
-</div>
-
-<p>In der Erzählung vom jungen Siegfried, wie sie in der Saga uns
-entgegentritt, kommen nicht wenig Züge vor, die, im Nibelungenliede
-fehlend, doch altertümlich sind und, wenn auch verwischt, in dem
-späten deutschen Liede vom Hürnen Seifrid wieder auftauchen. Dies
-Gedicht besteht aus zwei ganz lose verbundenen Teilen, deren erster ein
-kurzer Auszug aus einem verlorenen längern Gedicht ist. Der zweite,
-größere hebt vollständig von neuem an, als ob nichts vorausginge, und
-sein Inhalt widerspricht in wesentlichen Dingen dem des ersten. Im
-ersten Teil ist Siegfried als Sohn des Königs Sigmund aufgewachsen und
-so ungebärdig, daß man ihn gern ziehen läßt, als er nicht zu Hause
-bleiben will. Er tritt dann bei einem Schmiede in die Lehre, treibt
-aber nichts als Unfug; der Schmied schickt ihn deshalb in den Wald,
-damit ihn ein Drache töte, allein Siegfried überwindet den Drachen
-und badet sich in seinem Blute, wodurch er eine Hornhaut erwirbt. Die
-Erzählung ist der in der Thidrikssaga nahe verwandt. Angeschlossen sind
-(ziemlich zusammenhanglos) Bemerkungen über Herkunft und Bedeutung des
-Nibelungenhortes. Der zweite Teil erzählt, daß Kriemhilt, die Tochter
-des in Worms regierenden Königs Gibich, von einem Drachen entführt
-wird; Siegfried stößt jagend auf die Spur des Drachen, tötet ihn nach
-hartem Kampfe und erlöst die Jungfrau, die seine Gattin wird. Die
-Erzählung wird kurz bis auf seinen Tod fortgeführt. Der zweite Teil
-ist offenbare Neudichtung nach bekannten Motiven; für uns wichtig ist
-nur, daß (in offenbarem Widerspruche zum ersten Teile) erzählt wird,
-Siegfried sei ohne Kenntnis seiner Eltern aufgewachsen; in diesem
-Punkte ist der „Hürnen Seifrid“ altertümlich. &mdash; Auffälligerweise gilt
-Hagen im „Hürnen Seifrid“ als dritter Sohn Gibichs (neben Günther und
-Gernot); diese Übereinstimmung mit der nordischen Sagenform ist wohl
-zufällig; man wußte, daß Gibich drei Söhne gehabt hatte, und ersetzte
-den vergessenen Giselher durch den berühmten Helden.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_66">[S. 66]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="IV"><span class="s5">IV.</span><br />
-<b>Die Grundlagen der Sage.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>ie bisher besprochenen Formen unserer Sage müssen sich nun, soweit
-sie auch im Laufe der Entwickelung auseinander gegangen sein mögen,
-notwendig auf eine einheitliche Grundlage zurückführen lassen. Wollen
-wir diese Grundlage finden und den langen Weg, den die Stoffe bis zur
-Aufzeichnung zurückgelegt haben, mit einiger Sicherheit aufhellen,
-so tun wir gut, fürs erste diejenigen geschichtlichen Ereignisse ins
-Auge zu fassen, die unzweifelhaft zu den Ausgangspunkten der ganzen
-Stoffmasse gehören; wir haben dann einen feststehenden Anfang und
-dürfen hoffen, die Linie zu finden, die von ihm bis zu den Denkmälern
-der Sage in der Literatur hinführt.</p>
-
-<h3 id="Burgunden_und_Hunnen"><span class="antiqua">a</span>) Burgunden und
-Hunnen.</h3>
-
-<p>Im 4. nachchristlichen Jahrhundert saß das germanische Volk der
-Burgunden im Stromgebiete des Mains; am Rheine war die römische
-Grenzwehr noch ungebrochen. Da kam, etwa im Jahre 405, vermutlich
-infolge eines erneuten hunnischen Ansturms, Bewegung in die östlich
-von den Burgunden sitzenden Germanenvölker: Sueben und Vandalen, mit
-ihnen die nichtgermanischen Alanen, drangen westwärts vor, durchbrachen
-406 die römische Rheingrenze und ergossen sich über Gallien. Daß die
-Burgunden von diesen Ereignissen nicht unberührt bleiben konnten,
-ist klar; wir finden sie nunmehr auch links des Rheins gegenüber
-ihren bisherigen Sitzen. Im Jahre 411 stellten der Alanenhäuptling
-Goar und der Burgundenkönig Gundicarius in Gallien den Jovinus als
-römischen Kaiser auf; 413 aber ließen sie ihn fallen und vertrugen sich
-mit der rechtmäßigen Regierung des Kaisers Honorius; dabei erhielt
-Gundicarius für sich und sein Volk die römische Provinz <span class="antiqua">Germania
-superior</span> (sie umfaßte die Bezirke der<span class="pagenum" id="Seite_67">[S. 67]</span> Städte Mainz, Worms,
-Speier und Straßburg) angewiesen, und zwar sollten die Burgunden hier
-eine Grenzwacht im römischen Sinne bilden. Sie sitzen jetzt also in
-derjenigen Gegend, in der unsere Sage sie annimmt; ihr Herrscher führt
-den Namen Gundicarius, das ist derselbe wie hochdeutsch Günther,
-nordisch Gunnar.</p>
-
-<p>Jeden Zweifel an der Identität des historischen und des sagenhaften
-Königs und Volkes müssen uns die nun folgenden Ereignisse nehmen. Das
-Bündnis zwischen Burgunden und Römern fand sein Ende durch den Tod
-des Kaisers Honorius 423. Es ist eine Eigentümlichkeit aller dieser
-Barbarenbündnisse der Völkerwanderungszeit, daß sie als erloschen
-gelten, sobald der eine der beiden Kontrahenten stirbt. Daß der
-römische Staat weiter existiert, kümmert die Burgunden nicht; sie haben
-nur mit Honorius persönlich abgeschlossen. Jetzt ist der Kriegszustand
-wieder da; sie greifen wieder um sich. Nach einigen Jahren ist die
-römische Macht wieder so weit gefestigt, daß sie in Gallien Ordnung zu
-schaffen unternehmen kann. Der Feldherr Aetius tut es unter heftigen
-Kämpfen; im Jahre 435 wird er auch mit den Burgunden fertig. Über diese
-Kämpfe berichten uns zwei Zeitgenossen, die sich gegenseitig ergänzen;
-der eine ist Prosper Aquitanus, der andere der Spanier Idacius. In ganz
-kurzer chronistischer Art und Weise haben sie uns die Kenntnis der
-Zeit übermittelt. Zum Jahre 435 sagt Prosper: „Um diese Zeit besiegte
-Aetius den Burgundenkönig Gundicarius, der sich in Gallien herumtrieb,
-im Kriege und gab ihm auf seine Bitten Frieden;“ d. h. das Bündnis
-ward wieder hergestellt. Prosper fährt aber fort: „Den genoß er nicht
-lange; denn ihn, seine ganze Familie und sein ganzes Volk haben die
-Hunnen vernichtet.“ Zum Jahre 437, also zwei Jahre später, gibt Idacius
-die kurze Notiz: „20000 Burgunden wurden geschlagen.“ Wir haben diese
-Notizen so zu verbinden, daß im Jahre 435 das alte Verhältnis zwischen
-Römern und Burgunden wieder hergestellt wurde, daß aber zwei Jahre
-darauf die Burgunden am Rheine durch die Hunnen zugrunde gingen. Über
-diese Hunnen hat man viel gestritten: waren es römische Söldner, die
-etwa im Dienste des Aetius den Angriff unternahmen? oder war es das
-Hunnenvolk selbst, sei es das ganze oder ein Teil? führte sie der König
-Attila, der ja seit 433 über einen Teil dieses Volkes herrschte? Meiner
-Meinung nach kann es nur das Hunnenvolk sein, nicht etwa ein hunnisches
-Söldnerheer im römischen Dienst. Denn mit den Römern hatte<span class="pagenum" id="Seite_68">[S. 68]</span> Gundicarius
-das Bündnis eben erneut; zum Bruch lag keine Veranlassung vor. Wohl
-aber konnte er nun im römischen Dienst seine Front ostwärts gegen die
-andringenden Hunnen genommen haben. Bei dieser Gelegenheit ist nun das
-Burgundenvolk mit seinem Königshaus und dem König Gundicarius an der
-Spitze im wesentlichen vernichtet worden; 20000 Mann sollen umgekommen
-sein. Näheres wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß Aetius sechs Jahre
-später, 443, die Burgunden vom Oberrhein weggenommen und nach Savoyen
-an das Südufer des Genfersees versetzt hat, offenbar weil sie durch
-jenen unglücklichen Kampf so geschwächt waren, daß sie als Grenzwacht
-nicht mehr ausreichten. Von Savoyen aus haben sie sich in etwas
-späterer Zeit wieder ausgebreitet und ein größeres Reich gewonnen, an
-dessen Dasein noch die Landschaft Bourgogne in Frankreich erinnert. Von
-413 bis 443 haben also die Burgunden am Oberrhein gesessen und sind
-hier einmal durch einen Angriff der Hunnen schwer geschädigt worden.
-Die näheren Umstände bei diesem Angriff kennen wir, wie gesagt, nicht;
-daß Attila die Hunnen geführt hat, ist möglich, aber nicht notwendig
-anzunehmen; die Sage hätte ihm als berühmtestem Hunnenkönig die Tat auf
-jeden Fall zugeschrieben. Die von der Sage berichteten näheren Umstände
-gehen vermutlich auf historische Einzelheiten zurück; so ist es z.
-B. gar nicht unwahrscheinlich, daß Attila (oder wer sonst die Hunnen
-geführt hat) die burgundischen Fürsten scheinbar wegen Verhandlungen zu
-sich geladen und dabei verräterisch niedergemacht hat; man sieht sonst
-wenigstens nicht ein, wie die Sage auf das Motiv von der verräterischen
-Einladung gekommen wäre.</p>
-
-<p>In der neuen Heimat der Burgunden ließ um das Jahr 500 ihr König
-Gundebad das burgundische Recht aufzeichnen; im Eingange zu diesem
-Gesetzbuche nennt er seine Vorgänger als burgundische Könige. Als
-erster tritt uns entgegen Gibica; dann folgen Gundomar, Gislaharius,
-Gundaharius und endlich Gundebads unmittelbare Vorgänger. Hier treten
-uns mehrere aus der Sage wohlbekannte Namen entgegen: Gundaharius
-(von Gundicarius nur in der Schreibung verschieden, also der 437
-gefallene) ist Günther, Gislaharius ist Giselher, Gibica ist Gibich
-(mhd. Gibeche), der nordische Gjuki. Letzterer ist also der älteste
-historisch bekannte Burgundenkönig, den auch die Sage festgehalten
-hat. In welchem Verwandtschaftsverhältnis seine drei Nachfolger zu
-ihm stehen, sagt das Gesetzbuch nicht; wir dürfen<span class="pagenum" id="Seite_69">[S. 69]</span> auch hier der Sage
-trauen, die ihm drei Söhne gibt, von denen zwei die gleichen Namen wie
-die entsprechenden im Gesetzbuche führen, und annehmen, daß sie seine
-Söhne waren; dann begreift man wenigstens am leichtesten, wie der doch
-ganz unbedeutende Giselher bis in späteste Zeiten unvergessen geblieben
-ist. Gibicas drei Söhne hätten dann im wesentlichen neben- und
-miteinander regiert; in Deutschland wäre später Gundomar dem Namen nach
-vergessen und für ihn Gernot eingesetzt worden. Auch im Norden werden
-ja drei Brüder genannt: Gunnar, Hogni und der etwas beiseite stehende
-Gudorm; letzterer könnte dem Namen nach auf Gundomar zurückführen, dann
-wäre Hogni (ursprünglich, wie in Deutschland, nur der erste Vasall des
-Königs) für Giselher in die Familie eingerückt.</p>
-
-<p>Daß von diesem Untergange des Burgundenstaates am Oberrhein durch
-die Hunnen ein Teil unserer Sage ausgegangen ist, darf bei der
-Übereinstimmung einer ganzen Reihe von Umständen und Namen wohl als
-sicher gelten.</p>
-
-<p id="Attilas_Tod">Attila, seit 433 König eines Teiles der Hunnen, wurde 444 durch
-Ermordung seines Bruders Bleda Alleinherrscher, brachte sich durch
-seinen großen Kriegszug nach Gallien 451 den westlichen Germanen erneut
-in furchtbare Erinnerung, kam aber 453 unter auffälligen Umständen
-plötzlich zu Tode. Er war als echter Nomadenfürst Besitzer eines großen
-Harems, den er fortgesetzt vermehrte; 453 feierte er sein Beilager
-mit einem Mädchen namens Hildiko. Am Morgen nach der Brautnacht fand
-man den König tot; die junge Frau allein war bei ihm. Zeitgenossen
-behaupten, daß Attila durch einen Blutsturz zu Tode gekommen sei.
-Aber auch schon zeitgenössisch tritt die Behauptung auf, Hildiko habe
-ihn getötet. Was richtig ist, läßt sich nach Lage der Dinge nicht
-entscheiden, denn die einzige Zeugin des wirklichen Herganges war
-ja eben nur Hildiko, und diese war, falls sie ihn wirklich getötet
-hat, Partei. Daß manche sie für seine Mörderin gehalten haben, ist
-begreiflich. Für die Sage ist es natürlich gleichgültig, ob sie das
-war; ihr genügt es, daß man sie dafür hielt.</p>
-
-<p>Von großer Bedeutung ist ihr Name, der gut germanisch (speziell
-gotisch) ist: er ist eine Koseform von einem mit hild zusammengesetzten
-Frauennamen, „Hildchen“; Hildiko kann also mit ihrem vollen Namen (die
-Koseform setzt immer einen vollen Namen voraus) gut und gern „Grimhild“
-geheißen haben. Jedenfalls<span class="pagenum" id="Seite_70">[S. 70]</span> nimmt die Sage an, daß dies ihr rechter
-Name war. In irgendwelcher Beziehung zu den historischen Burgunden
-steht diese historische Grimhild nicht. Wohl aber ist erklärlich,
-wie man darauf gekommen ist, anzunehmen, daß sie den Attila getötet
-habe: sie hatte Angehörige an ihm zu rächen. Man braucht sich nur
-in jene wilden Zeiten zurück zu versetzen. Attila war der Herrscher
-eines wilden, kriegerischen Volkes, das dort, wo es als Feind auftrat,
-niemanden schonte, die Männer ausrottete und die Weiber der Niedrigsten
-so gut wie die der Edlen bis zum König hinauf in Besitz nahm. Daß
-also manche Weiber am Hunnenhofe Ursache haben mochten, Angehörige an
-den Hunnen zu rächen, darf man glauben. Die Vorstellung ist denn auch
-sehr alt, daß die Mörderin (wie wir sie mit der Sage nennen wollen)
-an Attila Angehörige gerächt hat. Nach einigen alten Angaben (des
-sog. <span class="antiqua">Poeta Saxo</span> im 9. und der Quedlinburger Chronik im 11.
-Jahrhundert), die aber ebensowenig beglaubigt sind wie die unserer
-Sage, hat sie ihren Vater gerächt, in unserer Sage aber (nach der
-nordischen Darstellung) ihre Brüder, und diese letztere Anschauung
-muß bereits im 9. Jahrhundert am Niederrhein fest gegolten haben,
-sonst könnte nicht Kriemhilt in Deutschland wie Gudrun im Norden als
-Schwester der burgundischen Könige angesehen werden.</p>
-
-<p>Die beiden großen Ereignisse, die Vernichtung des Burgundenstaates am
-Mittelrhein durch die Hunnen im Jahre 437 und die Ermordung des Königs
-Attila durch sein Weib im Jahre 453, erscheinen nun im zweiten Teile
-unserer Sage verbunden und in ursächlichen Zusammenhang gebracht.
-Unsere Erzählung nimmt an, daß Hildiko oder Grimhild, wie wir sie
-gleich nennen können, die Schwester der untergegangenen Burgundenkönige
-ist und diese an ihrem Gatten Attila rächt. Der Vergleich mit der
-Geschichte bestätigt, was vorhin aus der innern Gestalt der beiden
-Hauptfassungen unserer Sage geschlossen wurde: die nordische ist
-die altertümlichere, denn sie deckt sich im wesentlichen mit den
-historischen Vorgängen; die deutsche ist durch die hergestellte innere
-Verbindung mit dem ersten Teile wesentlich verändert. Sicher aber haben
-wir für den zweiten Teil unserer Sage an den historischen Tatsachen
-eine gute und einwandfreie Grundlage.</p>
-
-<p>Die Erzählung ist allerdings nicht ohne weiteres mit der Geschichte
-identisch, sondern die Sage ist dadurch geschaffen, daß jemand bereits
-in alter Zeit (gewiß nicht allzu lange nach den<span class="pagenum" id="Seite_71">[S. 71]</span> Geschehnissen) die
-beiden historischen Tatsachen: Untergang der Burgunden, und: Attilas
-Tod, in Zusammenhang gebracht hat. Dieser Jemand muß wohl einer von
-jenen Berufsdichtern gewesen sein, wie sie eingangs erwähnt worden
-sind; genauer dürfen wir nach seiner Person selbstverständlich nicht
-fragen, wohl aber nach dem Volke, dem er angehört hat. Das ist
-wahrscheinlich eben das fränkische gewesen. Die Burgunden selbst
-können es nicht gewesen sein, denn sie sind aus jenen Gegenden durch
-die Ereignisse weggeschwemmt worden; auch finden wir bei ihnen
-später keine Kunde von unserer Dichtung. Die Franken waren aber in
-der Zeit, da die Ereignisse sich zutrugen, der Burgunden nördliche
-Nachbarn; sie erlebten staunend diese Katastrophen mit, sie waren
-auch vielfach selbst in die Kämpfe verwickelt und haben im Jahre 451
-teils für, teils gegen Attila gefochten. Daß also die Franken jene
-Vorgänge im Gedächtnis festhielten und die Kunde von ihnen der Nachwelt
-übermittelten, ist demnach wohl verständlich.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Sage_und_Mythus"><span class="antiqua">b</span>) Sage und
-Mythus.</h3>
-
-</div>
-
-<p>Besitzen wir so für den zweiten Teil der Sage eine einwandfreie
-geschichtliche Grundlage, so ist es leider bis jetzt noch nicht
-möglich gewesen, eine solche mit einiger Sicherheit für den ersten
-Teil (d. i. die Geschichte, die mit Siegfrieds wunderbarer Jugend
-beginnt und mit seiner Ermordung schließt) zu finden. Man hat deshalb
-für diesen Teil ganz besonders lange, ja bis heute noch, an der
-Behauptung festgehalten, er beruhe auf mythischen Grundlagen, d. h.
-es seien vermenschlichte Götter, die uns hier vorgeführt würden, die
-Dichtung behandle also im Grunde nicht Schicksale von Menschen, sondern
-Ereignisse der Natur.</p>
-
-<p>Bevor wir zu dieser Anschauung Stellung nehmen, dürfte es sich
-empfehlen, die Begriffe „Sage“ und „Mythus“ möglichst genau
-festzulegen. Was „Sage“ ist, läßt sich aus der eben behandelten
-Herkunft des Stoffes der Attila-Burgunden-Erzählung am besten erkennen:
-„Sage“ ist eine Form der Überlieferung historischer Ereignisse, die
-sich von andern Formen (der annalistischen oder der pragmatischen
-Geschichtschreibung) in erster Linie dadurch unterscheidet, daß sie im
-wesentlichen auf mündlichem Wege weitergegeben wird; die Möglichkeit,
-alle Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist außerordentlich
-gering; um so größer ist die Einwirkung derjenigen Männer, in deren
-Händen<span class="pagenum" id="Seite_72">[S. 72]</span> ihre Pflege liegt; so wird sie denn bald von dichterischem
-Beiwerk dicht umrankt, ist aber doch ihrem Ausgangspunkt nach
-Geschichte und beansprucht das so lange zu sein, solange nicht eine
-urkundliche Kontrolle sie unrichtiger Angaben überführt.</p>
-
-<p>Den Ausdruck „Mythus“ dagegen beschränken wir am richtigsten auf
-diejenigen Erzählungen, die der naive Mensch als Erklärung von
-Naturerscheinungen vorgebracht hat; sie verdanken ihre Entstehung dem
-menschlichen Bedürfnis, für die zur Empfindung gelangenden Wirkungen
-der Naturkräfte die hinter ihnen liegenden Ursachen zu finden. Wie
-also „Sage“ das Resultat einer naiven Weltgeschichte ist, so darf man
-„Mythus“ als das Resultat einer naiven Naturgeschichte bezeichnen. Der
-Mythus erklärt die großen Naturkräfte, besonders diejenigen, die das
-Klima beeinflussen, als das Wirken großer Götter, das geheimnisvolle
-Treiben in der scheinbar unbelebten Natur als Lebensäußerungen mehr
-oder minder mächtiger dämonischer Wesen, die eigenartigen Tatsachen des
-Traumes und des Todes als Folge des möglichen körperlosen Daseins der
-menschlichen Seele. So ist denn der Mythus in erster Linie Grundlage
-der Religion; solange er rein existiert (und das tut er in vieler
-Beziehung noch heute, sei es im Glauben, sei es im Aberglauben),
-ist er wirklich, und kann also jeder Erzähler seine Helden mit
-mythischen Wesen in Zusammenhang darstellen, da seine Zuhörer die
-Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges für ihre eigenen Personen
-ohne weiteres zugeben; ich verweise zur Erläuterung auf die Wirkung
-von Gespenstergeschichten, wenn sie im Kreise abergläubischer Menschen
-vorgebracht werden.</p>
-
-<p>Damit ist nun die Möglichkeit mythischen Beiwerks in der Sage ohne
-weiteres zugegeben, dagegen die Möglichkeit mythischen Ursprungs
-einer Sage noch keineswegs erwiesen. Ich will nun eine solche nicht
-allgemein leugnen, muß aber behaupten, daß ein Mythus einen sehr
-langen Weg zu durchlaufen hat, ehe er als Sage in die Erscheinung
-treten kann. Ein solcher Weg dürfte etwa der folgende sein: die naive
-Erklärung einer Naturerscheinung verdichtet sich zur Erzählung von
-den Taten einer Gottheit; diese Gottheit, erst hochverehrt, sinkt
-allmählich in der Achtung infolge fortgesetzt wachsender menschlicher
-Erkenntnis; hauptsächlich ist es naturgemäß die menschliche äußere
-Form der Götterhandlung, die einst der naive Mensch mangels einer
-bessern zur Darstellung der Naturerscheinung gewählt hat, die aber<span class="pagenum" id="Seite_73">[S. 73]</span>
-nunmehr, unverstanden, den Spott des fortgeschrittenen herausfordert.
-Schließlich kommt ein Erklärer mit der Behauptung heraus, der
-angebliche Gott sei überhaupt nur ein göttlich verehrter Mensch der
-Vorzeit; soweit hat eben das menschliche Beiwerk bereits den alten
-Grundgedanken überwuchert. Nun erst ist der Punkt erreicht, an dem der
-Mythus zur Sage werden kann. Die altgriechischen Göttergeschichten
-haben im allgemeinen den eben geschilderten Weg durchlaufen; wie
-selten aber ist ihre Entwicklung so weit gediehen, daß der Held des
-ursprünglichen Mythus überhaupt nur noch als Mensch empfunden worden
-ist!</p>
-
-<p>Die germanische Götterwelt war, als das römische Christentum ihre
-Herrschaft beendete (vom vierten nachchristlichen Jahrhundert an),
-in ihrer Entwickelung überhaupt noch nicht weit gediehen; es scheint
-vielmehr, als ob die schemenhaften Gestalten, in denen die alten
-Götter noch bis in die neueste Zeit umgehen, gerade das wären, was die
-Germanen in vorchristlicher Zeit an religiösen Vorstellungen besessen
-hätten. Daraus erklärt sich denn die rasche und kampflose Annahme
-des Christentums bei allen südlichen Germanen; der alte Volksglaube
-wurde dabei kaum angetastet, sondern rückte nur in die zweite Linie.
-Erst bei denjenigen Germanen, die sich längere Zeit feindlich an
-ihren christlichen Stammverwandten gerieben haben, erscheint der
-alte Götterglaube zur wirklichen Religion erhoben, ja zur Göttersage
-ausgebildet; so bei den Sachsen und den nordischen Völkern.</p>
-
-<p>Daß also der Kern des ersten Teiles unserer Nibelungensage mythischen
-Ursprungs sei, also Siegfried etwa als vermenschlichter Sonnengott
-gedacht werden könne, der in der Jugend strahlend die Mächte der
-Finsternis überwunden hat, um ihnen am Ende seiner Laufbahn wieder
-zu verfallen, vermag ich unter diesen Umständen nicht zu glauben.
-Mythisches Beiwerk wird selbstverständlich nicht geleugnet, doch
-beweist dies, wie wir gesehen haben, nichts für mythischen Ursprung.
-Wir müssen uns nach andern Erklärungsmöglichkeiten der Siegfriedsage
-umsehen.</p>
-
-<p>Es wäre denkbar, daß die Siegfriedgeschichte nicht einheimischen
-Ursprungs, sondern im wesentlichen aus dem Auslande übernommen wäre
-(man hat z. B. an eine Umdichtung der Argonautensage gedacht: goldenes
-Vließ = Nibelungenhort, Jason = Siegfried, Medea = Brünhilt); dann
-müßte die eigentliche Erklärung sich mit der ausländischen Grundlage
-beschäftigen. Allein die Versuche dieser Art sind ebenso als
-gescheitert anzusehen<span class="pagenum" id="Seite_74">[S. 74]</span> wie die eben abgelehnten, weil sie ebensowenig
-vom eigentlichen Kernpunkt der Erzählung ausgehen; dieser Kernpunkt
-aber ist der Zank der Königinnen. Es bleibt nur die Möglichkeit der
-historischen Ableitung, und zwar nach zwei Seiten hin: 1. entweder
-ist die ganze Geschichte in allen wesentlichen Punkten historisch,
-und nur die Dürftigkeit der beglaubigten Geschichte gestattet uns
-nicht, sie in dieser wiederzufinden, oder 2. der (uns wohlbekannte)
-historische Ausgangspunkt ist von der Dichtung derart überwuchert, daß
-er eben deshalb schwer zu erkennen ist. Im ersten Falle müssen wir uns
-bescheiden; im zweiten Falle dürfen wir noch eine Erklärung erhoffen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Die_Merowinge"><span class="antiqua">c</span>) Die Merowinge.</h3>
-
-</div>
-
-<p>Es gibt eine Periode der Geschichte, in der alle wesentlichen Motive
-der Siegfriedsage sowie mehrere Personen mit Namen, die denen dieser
-Sage gleich oder ähnlich sind, beisammen gefunden werden: das ist die
-Zeit der Enkel des Frankenkönigs Chlodowech. Sein Sohn Chlothachari
-I., der das ganze fränkische Reich in seiner Gewalt vereinigt hatte,
-starb 561 und hinterließ vier Söhne; einer von ihnen, Charibert,
-starb bereits 567 sohnlos, und es blieben seine drei Brüder übrig,
-deren gleichzeitige Herrschaft die lange geltende Dreiteilung
-des Frankenreiches begründete: Sigebert herrschte in Austrasien
-(Ostfranken), Chilperich in Neustrien (Westfranken), Gunthchramn im
-südlichen Teile des Reiches, der nach dem dazu gehörigen Hauptlande
-Burgund genannt wurde. Von der damals geltenden Sitte, einheimische,
-also nicht ebenbürtige Frauen zu heiraten, wich zuerst im Jahre 567
-Sigebert ab, indem er sich mit Brunichild, der Tochter des in Spanien
-herrschenden Westgotenkönigs Athanagild, vermählte. Ihr feierlicher
-Einzug in Frankreich machte auf die Zeitgenossen großen Eindruck, der
-aus den Berichten des Hofdichters Fortunatus und des Historikers Gregor
-von Tours noch hervorleuchtet. Besonders aber stach den Herrschern die
-reiche Mitgift, die die königliche Braut einbrachte, der „Hort“, in die
-Augen; ist doch in jener Zeit die Größe des Schatzes, den ein König
-besitzt, bestimmend für die Größe seines Einflusses und damit seiner
-Macht. So verstieß denn auch Chilperich seine bisherigen Weiber (er
-hatte deren mehrere), unter denen Fredegund hervorragt, und bewarb sich
-um Brunichilds Schwester Gailswinth; sie ward ihm mit reicher Mitgift
-vermählt. Allein<span class="pagenum" id="Seite_75">[S. 75]</span> als Chilperich diese einmal in der Hand hatte, geriet
-er bald wieder unter den Einfluß der Fredegund und ließ Gailswinth
-erdrosseln. Dieser Mord war die Ursache der immer wieder ausbrechenden
-Fehden zwischen Sigebert und Chilperich, bzw. ihren Nachkommen, bis zum
-Erlöschen der einen Linie im Jahre 613.</p>
-
-<p>König Athanagild war kurz vorher gestorben, und, da Spanien damals ein
-Wahlreich war, hier ein anderes Geschlecht auf den Thron gekommen;
-so fiel der Brunichild die Pflicht der Rache für den Tod ihrer
-Schwester zu. Die einzelnen Phasen des Kampfes brauchen wir hier nicht
-zu betrachten; kurz, im Jahre 575 gewann Sigebert vollen Sieg über
-Chilperich und ward sogar von den Neustriern als ihr König auf den
-Schild erhoben. Kurz darauf aber erlag er bei einer Heerschau in Vitry
-den Streichen der von Fredegund ausgesandten Mörder.</p>
-
-<p>Von den in der Geschichte noch folgenden Ereignissen ist für uns nur
-von Wichtigkeit, daß Brunichild erst für ihren jungen Sohn Childebert
-(† 595), dann für dessen Söhne, ihre Enkel, schließlich (613) sogar
-für ihre Urenkel die Regierung zu führen und ein mächtiges Königtum
-gegenüber dem trotzigen Adel zu behaupten sucht, zuletzt aber doch
-unterliegt: der Adel liefert sie 613 dem Sohne ihrer Feindin Fredegund,
-Chlothachari II., aus, und sie wird getötet. Nicht selten hat sie,
-gewaffnet zu Rosse sitzend, die Vasallen persönlich im Zaum gehalten.</p>
-
-<p>Die Erinnerung an die große Regentin Ostfrankens ist jedenfalls lange
-nicht erloschen; so führt z. B. eine alte Römerstraße im südlichen
-Belgien noch heute volkstümlich den Namen <span class="antiqua">chaussée Brunehaut</span>
-(Brünhildenstraße), man hat also Kulturanlagen an den Namen der
-berühmten Königin angeknüpft; und am nördlichen Abhange des Feldbergs
-im Taunus heißt ein vereinzelter, vier Meter hoher Fels schon seit
-dem frühen Mittelalter der „Brunhildenstein“; wenn eine alte Urkunde
-für diesen die Bezeichnung <span class="antiqua">lectulus Brunnihildae</span> gebraucht, so
-dürfte dies nicht als „Bett“, sondern als „Königssitz“ der Brünhilt zu
-deuten sein; der gepolsterte Hochsitz des Herrn ist <span class="antiqua">lectum</span> (man
-vergleiche das altfranzösische <span class="antiqua">lit de justice</span>). Auf jeden Fall
-meinen diese örtlichen Benennungen zunächst die geschichtliche Königin
-und erst in zweiter Linie die aus ihr erwachsene Sagenfigur. Wohl aber
-kann die alte Lokalisierung der Gnitaheide (<a href="#Fussnote_9">S. 19 Anm.</a>) in der Nähe des
-Feldbergs durch den überlieferten Namen jenes Felsens veranlaßt sein.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_76">[S. 76]</span></p>
-
-<p>In der Geschichte der Merowinger im 6. Jahrhundert finden wir, meine
-ich, alle wesentlichen Punkte der Siegfriedsage, wenn auch in anderer
-Gruppierung, beisammen, vor allem den Zank der Königinnen und als seine
-Folge die von Verwandten herbeigeführte Ermordung des Königs Sigebert,
-der seinen Zeitgenossen als der herrlichste Held unter seinen Brüdern
-erschien. Der Name Sigebert ist zwar nicht identisch mit Siegfried,
-allein dieser Name steht in unserer Sage ja auch nicht fest, da er
-nordisch Sigurd (das wäre deutsch Siegwart) heißt; wir finden also
-drei Formen nebeneinander, die althochdeutsch <span class="antiqua">Sigiberht</span>,
-<span class="antiqua">Sigifrid</span>, <span class="antiqua">Sigiwart</span> heißen würden; der zweite Teil ist
-verschieden, überall aber beginnt er mit Labial, schließt mit Dental
-und enthält r; die Vertauschung der Formen ist also leicht begreiflich.
-Der Charakter des Königs ist in dem des sagenhaften Siegfried leicht
-wiederzuerkennen; der Ort seines Todes ist in der nordischen Version
-(gelegentlich einer Volksversammlung) leidlich festgehalten. Die
-ausländische, reiche und waffengewaltige Brunichild deckt sich
-nach Namen und Charakter völlig mit der Brynhild der Sage; ihre
-Schicksale allerdings sind wesentlich verschoben. Die verhältnismäßig
-unbedeutende Gailswinth ist in der Sage vergessen; ihre Schwester
-vertritt sie mit: an Stelle der Ermordung ist das Herausdrängen aus
-der ihr rechtmäßig gebührenden Ehe durch ihre Rivalin getreten. Damit
-fallen zugleich Chilperich und Sigebert in eine Person zusammen. Nicht
-unwesentlich ist noch Gunthchramn von Burgund, der gelegentlich in
-den gewaltigen Frauenkrieg eingreifende dritte Bruder; er erinnert
-in Namen und Stellung so sehr an den alten Burgundenkönig Gundicari,
-daß man wohl annehmen darf, durch die Gleichsetzung beider sei die
-Attila-Burgunden-Geschichte mit der vom Kriege der beiden Königinnen
-und Sigeberts Ende vereinigt worden.</p>
-
-<p>Die Vereinigung beider Erzählungen kann nicht vor der Mitte des 7.
-Jahrhunderts stattgefunden haben, weil doch mindestens etwa ein
-Menschenalter seit Brunichilds Tode vergangen sein muß, ehe die
-Erinnerung an sie und ihre Zeit so wirr werden konnte, wie sie bei
-unserer Annahme geworden ist. Infolge der Vereinigung ist dann
-Grimhild, die Hauptheldin des 2. Teiles, mit Fredegund identifiziert
-worden oder vielmehr dem Namen nach an ihre Stelle getreten. Das hat
-ohne weiteres eine wichtige Änderung zur Folge: ist Grimhild-Fredegund
-eine Schwester des Gundicari-Gunthchramn (wie die Attila-Burgundensage<span class="pagenum" id="Seite_77">[S. 77]</span>
-annimmt), so kann ihr Gatte Sigebert nicht ein Bruder des letztern
-sein; Sigebert scheidet deshalb in der Sage aus der Familie, der
-er historisch angehört, aus und wird zu einem Manne unbekannten
-Ursprungs oder, wie die Sage es ausdrückt, zu einem Findling. Damit
-ist ihr weiter Gelegenheit gegeben, an dieser Stelle noch andern Stoff
-anzuknüpfen.</p>
-
-<p>Nach unserer Auffassung wäre also der erste Teil der Sage in
-Wirklichkeit um mehr als hundert Jahre später entstanden als die
-zweite; das darf uns nicht irre machen, denn es ist eine Eigenart
-menschlichen Erinnerns, daß alles Vergangene sich gewissermaßen auf
-eine Fläche projiziert und zeitlich unbestimmt nebeneinander liegt;
-verknüpft ein Späterer zwei in der Vergangenheit liegende Erzählungen
-miteinander, so hat er volle Freiheit für die Bestimmung der Zeitfolge.
-In unserer Sage hat der zweite, ältere Teil den ersten, jüngern bei
-der Vereinigung stark beeinflußt; der letztere ist eben deshalb schwer
-als Fortsetzung der ihm zugrundeliegenden historischen Ereignisse zu
-erkennen.</p>
-
-<p>Siegfrieds Ermordung wird, wie wir gesehen haben, in Skandinavien und
-Deutschland verschieden berichtet: dort geschieht sie auf dem Ritt
-zur Volksversammlung (entsprechend dem Tode König Sigeberts 575),
-hier auf der Jagd im Odenwalde. Auch für die letztere Darstellung
-läßt sich unschwer eine historische Grundlage finden: der letzte
-König der ripuarischen Franken, Sigebert, wurde um 510 auf Befehl
-seines Sohnes Chloderich, den König Chlodowech dazu aufgereizt
-hatte, im Walde Buchonia ermordet; der Name Buchonia umfaßt die
-östlich des Mittelrheins gelegenen Waldgebirge, also auch den
-Odenwald mit. Die Übereinstimmung dieser historischen Angabe mit
-der deutschen Darstellung von Siegfrieds Ermordung ist so groß,
-als sie bei der Knappheit jener Überlieferung nur sein kann; wir
-dürfen also wohl annehmen, daß die Erzählung vom Tode dieses ältern
-Sigebert gelegentlich an die Stelle derjenigen, die den Mord des
-Jahres 575 berichtete, getreten ist; beide Sigebert wurden infolge
-Namensgleichheit zusammengeworfen, die Ermordung infolge Hinterlist der
-Verwandten von den Sängern bald nach der ältern, bald nach der jüngern
-Version dargestellt.</p>
-
-<p>Aus der Geschichte der Merowinge stammt auch der Ansatz, daß die
-Burgundenkönige als in Worms regierend gedacht werden; der historische
-Gundicari kann nicht wohl an anderer Stelle<span class="pagenum" id="Seite_78">[S. 78]</span> als in der römischen
-Metropolis Obergermaniens, das war Mainz, seinen Amtssitz gehabt haben;
-in etwas späterer Zeit aber führen nur zwei Städte des fränkischen
-Reiches in Königsurkunden den auszeichnenden Titel <span class="antiqua">civitas
-publica</span>, weil sie königliche Pfalzen enthielten, nämlich in
-Westfranken Poitiers und in Ostfranken Worms (Rietschel, Die Civitas,
-1898, S. 75); es springt in die Augen, daß der besondere Rang dieser
-Stadt die Ursache gewesen ist, die berühmten Könige der Sage in ihr
-hausen zu lassen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Einzelheiten"><span class="antiqua">d</span>) Einzelheiten.</h3>
-
-</div>
-
-<p>Nachdem durch die Verknüpfung der Attila-Burgundensage mit der vom
-Streite der Königinnen und Siegfrieds Ermordung deren Hauptheld
-aus der ihm historisch zukommenden Familienstellung herausgedrängt
-und zum Findling geworden war, gab das Rätsel seiner Herkunft die
-Möglichkeit an die Hand, eine bereits vorhandene Sage ältern Ursprungs
-vorzuschieben und anzuknüpfen. Im altenglischen Gedichte Beowulf wird
-gelegentlich Bezug genommen auf die Taten des Sigemund, des Sohnes des
-Wæls, und seines Neffen Fitela; gemeinsam, heißt es hier, haben sie
-alle Gefahren bestanden, nur die Tötung des Drachen hat Sigemund allein
-vollbracht und dadurch den großen Hort gewonnen. Die Geschichte von
-Sigmund und Sinfjotli (dessen Name ohne das vorgeschobene Sin- sich mit
-„Fitela“ völlig deckt) ist in der Volsungasaga ausführlich erzählt und
-nach ihr vorhin im Auszuge wiedergegeben worden; sie ist so, wie sie
-vorliegt, gewiß erst in späterer Zeit ausgestaltet worden, denn sie
-berührt sich in ihrem Verlaufe aufs nächste mit der nordischen Form der
-Attila-Burgundensage: Siggeir entspricht dem Atli, der die Verwandten
-seiner Frau in böser Absicht einladet, Signy der Gudrun, auch darin,
-daß sie die mit ihrem Gatten erzeugten Kinder der Rache am Gatten
-opfert. Also Beeinflussung durch den zweiten Hauptteil unserer Sage ist
-wohl anzunehmen, die alte Gestalt der Sigmundsage demnach schwerlich
-erhalten; daß Fitela im Beowulf Sigemunds Neffe heißt, ist natürlich
-kein Widerspruch, denn auch Sinfjotli wächst als Sohn der Signy von
-Siggeir auf, ist also zunächst nur Sigmunds Neffe.</p>
-
-<p>Das Gedicht Beowulf schreibt dem Sigemund Drachentötung und Hortgewinn
-zu, also die Haupttaten, die sonst vom jungen Siegfried berichtet
-werden; da dies Gedicht überhaupt das älteste<span class="pagenum" id="Seite_79">[S. 79]</span> Zeugnis für unsere
-Sage ist, wäre es unmethodisch, einfach eine ihm untergelaufene
-Verwechselung mit Siegfried anzunehmen. Bei der vorgetragenen Meinung
-vom Ursprung der Siegfriedsage muß uns der Bericht des Beowulf vielmehr
-willkommen sein: Drachentötung und Hortgewinn wurden ursprünglich von
-Sigmund erzählt und erst nach Verbindung beider Sagen auf Siegfried
-übertragen. Sonst sind noch aus der Sigmundsage entnommen eben der Name
-Sigmund (in Deutschland ihr letzter Rest) und der (in Deutschland nicht
-geläufige) Geschlechtsname der Wolsunge. Den Ursprung der Sigmundsage
-aber aufzuhellen, gibt es kein Mittel, weil wir überhaupt keine
-unbeeinflußte Darstellung derselben mehr besitzen.</p>
-
-<p>Aus den bisher vorgeführten historischen Ereignissen lassen sich wohl
-die Grundzüge der Nibelungensage ableiten, allein noch sind eine Reihe
-wichtiger Einzelheiten übrig, die vorläufig ganz unerklärt geblieben
-sind. Zuerst der Name „Nibelunge“ selbst. Er erscheint in Deutschland
-in zwei verschiedenen Bedeutungen, im Norden (wo er Niflungar heißt)
-nur in einer, die mit einer der in Deutschland üblichen zusammentrifft;
-methodisch folgerichtig kann man nur diese als die ursprüngliche
-ansehen: sie versteht unter Nibelungen das Königshaus und dann auch das
-Volk der Burgunden. Woher stammt der Name? Die einfachste Annahme wäre
-die, das burgundische Königshaus habe wirklich den Geschlechtsnamen
-„Nibelunge“ geführt (wie das ostgotische den Namen „Amelunge“ u. dgl.);
-allein die beglaubigte Geschichte gibt dafür gar keinen Anhalt. Als
-Personenname ist „Nibulung“ häufig in einem Zweige der fränkischen
-Arnulfinge: Majordomus Pipin der Mittlere († 714) hatte neben ehelichen
-Kindern mehrere unebenbürtige Söhne, von denen Karl der Hammer das
-Haus der Karlinge begründet, Childebrand aber der Vater des ersten
-bekannten Nibulung ist; der Name erscheint dann bis zum Schlusse des
-9. Jahrhunderts noch häufig, und zwar immer so, daß man seine Träger
-als Angehörige jener Familie betrachten kann. Das sind aber alles
-Rheinfranken, also Angehörige jenes Volkes, das lokal der Nachfolger
-von Günthers Burgunden ist. Es liegt also nahe, anzunehmen, daß der
-Name eines im 8. Jahrhundert dort mächtigen edeln Geschlechtes auf die
-Familie der alten Burgundenkönige übertragen worden ist<a id="FNAnker_40" href="#Fussnote_40" class="fnanchor">[40]</a>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_80">[S. 80]</span></p>
-
-<p>Die nur in Deutschland vorkommende zweite Bedeutung des Namens
-„Nibelunge“ versteht sie als die ursprünglichen Besitzer des „Hortes
-der Nibelunge“. Dieser Hort trägt seinen Namen sicher von seinen
-letzten Besitzern; nachdem man sich aber einmal gewöhnt hatte, ihn
-„der Nibelunge Hort“ zu nennen, übertrug man diese Bezeichnung auch
-in die Zeit, da er den Nibelungen noch gar nicht gehörte, und gab so
-Veranlassung zu der Annahme früherer Nibelunge, als der ursprünglichen
-Besitzer desselben.</p>
-
-<p>Der Hort selbst versteht sich aus der Zeit der historischen Ereignisse
-und ihrer ältesten Umdichtungen unseres Stoffes ohne weiteres: er
-ist in jener Epoche zugleich materielle Grundlage und Symbol aller
-Königsgewalt. Man erinnere sich, welche Rolle die Mitgift der
-westgotischen Fürstinnen spielt. So war er geeignet, den roten Faden
-darzustellen, der durch die gesamte Erzählung sich hinzieht. Für seine
-Herkunft bot die angeknüpfte Sigmundsage eine geeignete Geschichte dar:
-er ist einem schatzhütenden Drachen abgenommen; das ist ein uraltes
-Motiv, das uns schon in den ältesten Sagen des klassischen Altertums
-entgegentritt. Über den Drachen hinaus brauchte man zunächst die
-Geschichte des Schatzes nicht zu wissen; spätere Wißbegier hat aber
-auch hier weitergehende Fragen gestellt und beantwortet. So entstand
-im Norden die Erzählung von Hreidmar, Andvari und dem Eingreifen
-der Götter; sinnig ist dabei die Habgier, die der Reichtum erregt,
-als Wirkung eines Fluches des ersten Beraubten hingestellt. In
-Deutschland, wo man die Zusammengehörigkeit von Drachen und Schatz früh
-vergessen hatte, entstand auf gleichem Wege, wie vorhin angegeben, das
-unhistorische Volk der Nibelunge.</p>
-
-<p>Daß man sich den Hort schließlich im Rheine versenkt dachte,<span class="pagenum" id="Seite_81">[S. 81]</span> ist
-sicher eine Folge des Umstandes, daß man aus ihm Gold gewann: man
-betrachtete dieses Gold als Spuren eines (unseres) versenkten Schatzes.</p>
-
-<p>Noch mangelt uns die Herleitung mehrerer einzelner Heldenfiguren, die
-gerade, je länger der alte Stoff lebt und besungen wird, um so mehr in
-den Vordergrund treten; von ihnen ist in erster Linie Hagen zu nennen;
-er war, wie die Übereinstimmung der nordischen und deutschen Version
-zeigt, schon in der ältesten erreichbaren Form der Nibelungensage als
-bedeutende Person vorhanden, hat aber in den historischen Vorgängen
-seine Erklärung nicht gefunden. In Deutschland gilt er als vornehmster
-Vasall Günthers und eigentlicher Mörder Siegfrieds; im Norden heißt
-er (als Hogni) Gunnars Bruder, direkte Tätigkeit bei der Ermordung
-Sigurds wird ihm nicht zugeschrieben. Welche Fassung in diesem Falle
-altertümlicher ist, kann nicht zweifelhaft sein: die deutsche; denn aus
-der Familie des Königs fällt er seines Namens wegen heraus: alle nahen
-Verwandten Günthers haben mit G beginnende Namen, in der Geschichte
-sowohl wie der Sage, eine Erscheinung, die in der altgermanischen
-Sitte und Sprache begründet ist; Hagen also gehört ursprünglich nicht
-zu ihnen. Siegfrieds Ermordung ist ihm aber sicher erst im Norden
-abgenommen worden, weil er, einmal zu Gunnars Bruder geworden, durch
-den eingegangenen Blutsbund an solcher Tat verhindert war; sie wäre zu
-schändlich und von solchem Helden nicht begreiflich gewesen. So müssen
-wir von seiner Stellung in der deutschen Sagenform ausgehen. Historisch
-könnte er höchstens die Fortsetzung des persönlich unbedeutenden
-Mörders des Sigebert, sei es des ripuarischen oder des Gatten der
-Brunichild, sein, also einer untergeordneten Person, die nur Werkzeug
-war; von diesem Ausgangspunkte aus begreift man den Hagen der Dichtung
-schwer.</p>
-
-<p>Nun erscheint derselbe Hagen in einer andern, nahe verwandten Sage
-an bedeutsamer Stelle, die so beschaffen ist, daß ohne diesen Helden
-die Erzählung ohne Spitze wäre; hier ist er also im Grunde wichtiger
-als in der eigentlichen Nibelungensage, hier dürfte die Figur
-demnach ursprünglich erwachsen sein. Ich meine Walthersage. Sie ist
-uns frühzeitig berichtet und zwar 1. vollständig durch das um 930
-entstandene lateinische Gedicht des St. Galler Mönches Eckehard I.,
-und 2. in Bruchstücken eines altenglischen Epos aus dem 8. oder 9.
-Jahrhundert;<span class="pagenum" id="Seite_82">[S. 82]</span> beide stimmen so genau überein, daß sie eine deutsche
-Dichtung dieses Inhalts mindestens aus dem 8. Jahrhundert bezeugen.
-Der Inhalt ist kurz der folgende: Attila der Hunnenkönig überzieht
-die westlichen Länder mit Krieg; alle aber ziehen Unterwerfung vor,
-zahlen Tribut und stellen Geiseln: der König der Burgunden (die der
-Mönch Eckehard, an die zeitgenössischen Verhältnisse sich anschließend,
-Franken nennt) Gibich den jungen Edelmann Hagen, zwei andere, in
-Gallien regierende Herrscher, der eine die Tochter Hiltegund, der
-andere den Sohn Walther. Die Geiseln werden am hunnischen Hofe
-standesgemäß erzogen, und Hagen und Walther entwickeln sich zu
-gewaltigen Kriegshelden, die miteinander innige Freundschaft (den
-heidnischen Blutsbund) schließen; Hiltegund aber erhält die Aufsicht
-der königlichen Schatzkammer. Nun stirbt König Gibich; sein Sohn
-und Nachfolger Günther sagt den Hunnen sofort den Gehorsam auf und
-bringt dadurch seinen Geisel Hagen in eine gefährliche Lage, der sich
-dieser durch Flucht entzieht. Der nun allein zurückgebliebene Walther
-erficht bald darauf in Attilas Dienst einen großen Sieg; das zu seiner
-Feier veranstaltete Fest benutzt er, um ebenfalls der Knechtschaft
-zu entgehen: er verabredet mit Hiltegund, die er sich verlobt, den
-Plan zur Flucht, macht die Hunnen bei dem Feste trunken und entkommt
-mit ihr; den ihr anvertrauten Schatz nimmt Hiltegund mit. Als die
-Hunnen ihren Rausch ausgeschlafen haben, wagt keiner, den berühmten
-Kriegshelden zu verfolgen. So können sie ungefährdet den Rhein
-erreichen, den sie in Worms überschreiten. Durch den Fährmann, der sie
-übergesetzt hat, gelangt die Kunde an Günthers Hof; Hagen erkennt an
-der Beschreibung, wer die Fremden gewesen sind, veranlaßt aber dadurch
-wider seinen Willen den Günther, sie zu verfolgen. Im Wasgenwalde
-werden die Flüchtlinge gestellt und gegen Hagens Rat angegriffen;
-Walther aber erwehrt sich der Feinde. Hagen beteiligt sich zunächst,
-seiner Freundschaft mit Walther wegen, nicht; erst als dieser, obgleich
-gezwungen, den Patafrid, Hagens Schwestersohn, getötet hat, läßt er
-sich von Günther bestimmen, einzugreifen. Der Schlußkampf endet damit,
-daß die drei namhaften Helden, nachdem sie schwer verletzt sind, sich
-vertragen; Walther gelangt mit Hiltegund in seine Heimat.</p>
-
-<p>In dieser Sage haben wir eine verhältnismäßig einfache Erzählung
-auf klar historischem Hintergrund. Die Rahmenerzählung<span class="pagenum" id="Seite_83">[S. 83]</span> benutzt
-die Tatsache von Attilas Feldzug nach Gallien im Jahre 451 und
-macht den Eindruck, als ob sie zunächst als Vorgeschichte der
-Attila-Burgundensage (des 2. Teiles unserer Nibelungensage) gedacht
-gewesen wäre, als sie noch ohne Siegfriedsage bestand; jene erzählt
-von der Vernichtung der Burgunden durch Attila, die Walthersage
-berichtet, wie die Burgunden den Hunnen zinspflichtig werden und wieder
-abfallen, gibt also eine Begründung für jene. Auf diesen Hintergrund
-ist nun die Erzählung von Hagens und Walthers Freundesbund und Kampf
-in einer Weise gebracht, die den Eindruck erweckt, als ob ein Dichter
-des 7. oder 8. Jahrhunderts das Problem aufgeworfen und zu lösen
-versucht hätte: wie hat sich der Krieger zu entscheiden, wenn er vor
-die Frage gestellt wird, entweder die Freundes- oder die Mannentreue
-zu brechen? Sie ist in der Walthersage zugunsten der Mannentreue
-beantwortet; die Verletzung der Freundestreue wird allerdings durch
-die vorhergehende Tötung des Patafrid erleichtert<a id="FNAnker_41" href="#Fussnote_41" class="fnanchor">[41]</a>. Jedenfalls aber
-hat der alte Dichter in Hagen den Typus der alle andern Rücksichten
-hintenansetzenden Mannentreue geschaffen; als solcher eignet sich
-Hagen, nachdem einmal die Siegfriedgeschichte hinzugekommen ist,
-vorzüglich zum Mörder des von allen sonst zu sehr verehrten Helden.
-Hagen ist somit keine historische, sondern eine durch die Dichtung
-geschaffene Figur.</p>
-
-<p id="von_Tronje">Als Hagens Heimat gilt in der deutschen Sage ein geographisch ganz
-unbekanntes Tronje; schon die mittelhochdeutschen Dichter wissen mit
-diesem Ortsnamen nichts Rechtes anzufangen und identifizieren ihn
-gelegentlich mit bekannten, z. B. mit Troyes in der Champagne, oft aber
-erscheint statt Tronje direkt Troye, Troja (so in der Thidrikssaga);
-ja, schon die älteste Quelle, eben Eckehards Waltherdichtung, nennt
-Hagen <span class="antiqua">venientem de germine Trojae</span>. Nun ist „Tronje“ eine ganz
-undeutsche Bildung; wäre sie alt, so würde der Ort „Trünne“ oder
-ähnlich lauten<span class="pagenum" id="Seite_84">[S. 84]</span> müssen<a id="FNAnker_42" href="#Fussnote_42" class="fnanchor">[42]</a>. Da nun die Franken seit der Besitznahme
-Galliens sich nach dem Vorbilde der Römer trojanischer Abkunft rühmten,
-so ist mir immer noch das wahrscheinlichste, daß in Tronje eine
-verdunkelte Erinnerung an Troja steckt. Die fränkische Trojanersage
-spielt übrigens vielleicht noch an einer andern Stelle in unsern Stoff
-herein: darin, daß aus Siegfrieds Reiche im Nibelungenliede gerade
-nur das Städtchen Xanten genannt wird. Denn dies ist die Fortsetzung
-der alten Römerstadt <span class="antiqua">Colonia Trajana</span>, die man, nachdem Kaiser
-Trajans Gedächtnis erloschen war, als <span class="antiqua">Colonia Trojana</span> verstand;
-Xanten heißt daher auch Klein-Troja (lützel Troye). Doch höchstens
-in der Wahl gerade dieses Ortes für den Sitz Sigemunds hat die
-Trojanersage bestimmend gewirkt, sonst ist sie ohne Bedeutung für
-Siegfrieds Geschichte geblieben.</p>
-
-<p>Neben Hagen tritt später in der deutschen Version sein treuer
-Kampfgenosse Volker der Spielmann; er ist dem Nibelungenliede und der
-Thidrikssaga gemeinsam geläufig. Seine Figur verdankt ihre Entstehung
-wohl den fahrenden Spielleuten, die nicht leicht unterließen, in
-den von ihnen behandelten Stoffen ihresgleichen möglichst in den
-Vordergrund zu rücken; in unserer Sage haben sie es, im Anschluß an
-damals geübte Sitte, dadurch getan, daß sie im Gefolge der namhaften
-Könige Spielleute auftreten ließen: bei Etzel den Werbel und den
-Swemmel, bei Günther den Volker. Während jene im Nibelungenliede
-einfache Leute geblieben sind, erscheint Volker aus der alten niedern
-Sphäre herausgehoben; den Grund erkennt man aus folgender Strophe (Text
-<span class="antiqua">B</span> 1477 Bartsch):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Wer der Volkêr wære, <span class="mleft2">daz wil ich iuch wizzen lân:</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">er was ein edel herre; <span class="mleft2">im was ouch undertân</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">vil der guoten recken <span class="mleft2">in Burgonden lant.</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">durch daz er videln kunde, <span class="mleft2">was er der spilman genant.</span></span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Dem Dichter des Nibelungenliedes ist offenbar der einfache Spielmann
-nicht gut genug gewesen (ebensowenig wie der Findling Siegfried);
-er erhebt ihn deshalb zum edeln Herrn und erklärt die Bezeichnung
-„Spielmann“ aus seiner Kunstfertigkeit. Seit der Mitte des 12.
-Jahrhunderts hat ja auch die Annahme dichtender und musizierender
-Edelleute nichts seltsames mehr.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_85">[S. 85]</span></p>
-
-<p id="Dankwarts_Lebensalter">Schließlich tritt noch, aber nur im Nibelungenliede, Hagens Bruder
-Dankwart über das Durchschnittsmaß hervor; er ist des Königs Marschall
-und hat als solcher Führung und Pflege der großen Schar von Knechten,
-die mit nach dem Hunnenlande ziehen. Mit diesem Heere steht und fällt
-Dankwart: seine Figur ist von demselben Autor geschaffen, dem die
-verhältnismäßig einfache Grundlage der Erzählung nicht mehr zeitgemäß
-erschien, eben dem eigentlichen Dichter unseres Liedes. Wir haben
-bei der Analyse desselben vorhin gesehen, daß alle Szenen, in denen
-Dankwart auftritt, jüngern Ursprungs sind. Auffällig bleibt aber eins:
-im 1. Teile des Liedes tritt Dankwart nur einmal deutlich hervor, bei
-der Fahrt zur Brünhilt, die er als vierter neben den drei sagenechten
-Gesellen Günther, Hagen und Siegfried mitmacht; er ist also damals
-bereits erwachsen. Trotzdem sagt er später zu Blödel (<span class="antiqua">B</span> 1924
-Bartsch):</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">ich was ein wênic kindel, <span class="mleft2">dô Sîfrit vlôs den lîp</span>,</span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="p0">könnte also danach zur Zeit jener Fahrt überhaupt noch nicht
-gelebt haben. Wir kommen hier um die Annahme einer Entgleisung
-unseres Dichters nicht herum, da ihm alles, was Dankwart betrifft,
-zugeschrieben werden muß. Ein solcher Fehler wiegt in einer Zeit, da
-Bücher nicht gelesen, sondern vorgelesen werden, nicht so schwer:
-der Leser kann, wenn ihm dergleichen auffällt, zurückblättern und
-nachprüfen, der Zuhörer aber wird durch den Strom der Vorlesung zu
-rasch weiter gerissen, als daß er sich lange bei Anstößen aufhalten
-könnte.</p>
-
-<p>Soviel vorläufig über die Ausgangspunkte unserer Sage. Wir müssen nun
-zunächst versuchen, zwischen diesen Ausgangspunkten und dem Zustande,
-in dem sie uns in den literarischen Denkmälern überliefert ist, eine
-Brücke zu schlagen, mit andern Worten, die Entwickelung der Sage aus
-der historischen Grundlage zu begreifen.</p>
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-<div class="chapter">
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-<p><span class="pagenum" id="Seite_86">[S. 86]</span></p>
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-<h2 class="nobreak" id="V"><span class="s5">V.</span><br />
-<b>Die Entwicklung der Sage.</b></h2>
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-<h3 id="Aelteste_und_nordische_Form"><span class="antiqua">a</span>) Älteste und nordische Form.</h3>
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-<p class="p0"><span class="drop-cap">Z</span>uerst, noch im 5. Jahrhundert, hat man die beiden Ereignisse,
-den Untergang der Burgunden und den Tod Attilas, in ursächlichen
-Zusammenhang gebracht, indem man letztern als Folge jenes Untergangs
-hingestellt hat: Hildiko wurde zur nachgelassenen Schwester des
-Gundicarius gemacht, die ihren Bruder an Attila rächt. Eine
-Vorgeschichte, die Attilas Zug gegen die Burgunden erklären sollte,
-dürfte bald hinzugekommen sein: sie schilderte in Anlehnung an die
-Ereignisse des Jahres 451 die Unterwerfung der westlichen Völker
-durch die Hunnen. In diesem Rahmen wurde an den Figuren Walthers und
-Hagens das vorhin erörterte Problem gelöst. Alsdann ist wesentlich
-später, mindestens ein Menschenalter nach dem Tode der historischen
-Königin Brunichild 613, also keinesfalls vor der zweiten Hälfte
-des 7. Jahrhunderts, eine poetische Darstellung der fränkischen
-Geschichtsereignisse des 6. Jahrhunderts angeknüpft worden. Als
-Vorgeschichte zu den nun verbundenen Sagen von Siegfried und von Attila
-und den Burgunden hat man dann die, wie es scheint, längst vorhandene
-Sigmundsage benutzt. Im großen und ganzen dürfte damals die Sage
-folgenden Gang gehabt haben:</p>
-
-<p>Siegfried, der Hauptheld des ersten Teiles, ist ein Findling, zwar
-von edler Herkunft &mdash; der Sohn des vor seiner Geburt gefallenen
-Sigmund &mdash; aber in niedern Verhältnissen aufgewachsen und erzogen.
-Sein angeborenes Heldentum befähigt ihn dazu, einen gewaltigen Drachen
-zu töten und dadurch den großen Hort zu gewinnen, den dieser bewacht
-hat. So zu unermeßlichem Reichtum gelangt, bewirbt er sich um die Hand
-der Fürstin Brünhilt (Brunichild in älterer Sprachform), zu der er
-auf seinen Zügen gelangt. Ihr ist der reiche Held, der so große Taten
-vollbracht<span class="pagenum" id="Seite_87">[S. 87]</span> hat, auch recht, aber in ihrem hochmütigen Stolze mag sie
-sich einem Findling nicht vermählen; so verspricht sie ihm nur, sich
-ihm so lange aufzubewahren, bis er ein Königtum gewonnen habe (daß ihm
-das gelingen wird, bezweifelt sie nicht). Inzwischen erlegt sie allen
-um sie freienden Helden Bedingungen zu erfüllen auf, von denen sie
-weiß, daß eben nur Siegfried sie erfüllen kann. Siegfried zieht aus,
-dem Wunsche der Braut nachzukommen; als er an den Hof der Burgunden
-gelangt, fordert er deren König Günther zum Kampfe um Land und Leute
-heraus; so erzählt es allein unser Nibelungenlied außerhalb seines
-eigenen Zusammenhanges, also im Grunde unverständlich; für den Aufbau
-der alten Sage aber ist jener Zug notwendig und richtig, denn in ihrem
-Zusammenhange sieht man den Grund der Herausforderung ein<a id="FNAnker_43" href="#Fussnote_43" class="fnanchor">[43]</a>. Die
-Herrscher der Burgunden aber ersehen ihren Vorteil: sie erkennen, was
-für einen reichen und gewaltigen, aber auch unerfahrenen Helden sie
-vor sich haben, und beschließen, ihn für ihr Interesse zu gewinnen. Zu
-diesem Zwecke bieten sie ihm ihre Schwester, die Grimhild, zur Gattin
-an, nehmen ihn als Schwager, Blutsbruder und Mitbeherrscher in Familie
-und Reich auf und lösen ihn dadurch von Brünhilt. Siegfried erreicht
-also das Ziel, das Brünhilt ihm gestellt hatte, indem er sie aufgibt.</p>
-
-<p>Als Günther nun ebenfalls heiraten will, wird ihm Brünhilt als
-geeignete Gattin genannt, und er wirbt um sie. Allein die Bedingungen,
-die jedem Freier auferlegt werden, kann er nicht erfüllen; Siegfried,
-der das Geheimnis ja kennt, löst die Aufgabe an seiner Stelle. Aufgabe
-und Lösung sind von den verschiedenen Sagenversionen im einzelnen
-verschieden dargestellt, aber der Sinn ist immer der gleiche: nur
-Siegfried, auf dessen Heldentum die Bedingungen zugeschnitten sind,
-kann sie erfüllen. Unmittelbar anschließen muß sich eine Szene, in
-der Siegfried Günthers Stelle in einer Weise vertritt, die später die
-üble Nachrede ermöglicht, Brünhilt habe ihre Jungfräulichkeit nicht
-durch<span class="pagenum" id="Seite_88">[S. 88]</span> Günther, sondern durch Siegfried verloren; eine Szene, die
-in der nordischen Darstellung gewiß besser erhalten ist als in der
-deutschen, weil letztere ihren innern Zusammenhang zerrissen hat. Dann
-aber fügt sich Brünhilt, da sie doch eines Königs Gattin geworden
-ist, der (scheinbar wenigstens) ihre Bedingungen erfüllt hat, in ihr
-Schicksal. Nur fühlt sie es als eine Herabsetzung der Familie, daß ihre
-Schwägerin, ihres Gatten Schwester, mit einem Findling und landlosen
-Menschen verheiratet ist, und läßt sie es fühlen. Grimhild aber gibt
-ihr diesen Vorwurf gesteigert zurück, indem sie ihr vorhält: „Bin ich
-die Gattin eines Findlings, so bist du in all deinem Hochmut nur seine
-Kebse, denn er war’s, der dir deine Jungfräulichkeit raubte.“ Hier ist
-die alte Dichtung auf ihrem Höhepunkte angekommen: Brünhilts Hochmut
-ist bitter gestraft; wollte sie des landlosen Findlings Weib nicht
-werden, so muß sie sich dafür seine Kebse schelten lassen. Natürlich
-kann sie diese Nachrede nicht auf sich sitzen lassen. Sie erweckt
-absichtlich zunächst den Anschein, als ob die Beschuldigung begründet
-wäre, und gewinnt dadurch ihren Gatten für Siegfrieds Ermordung.
-Nachdem der Mord geschehen ist (er wird durch Hagen, Günthers treuesten
-Mann, ausgeführt), gesteht Brünhilt die wirklichen Geschehnisse, also
-die Unschuld Siegfrieds, ein und folgt ihm in den Tod. Die Erzählung
-ist damit zu Ende, denn Grimhild, die Witwe, nimmt von ihren Verwandten
-die Buße für den Mord ihres Gatten an.</p>
-
-<p>Nach einiger Zeit wirbt um sie Attila, der Hunnenkönig, und sie folgt
-ihm als Gattin. Bald darauf aber vernichtet Attila Grimhilds Geschlecht
-und Volk durch Hinterlist. Er ist gierig nach der Macht oder, wie die
-Sage das ausdrückt, nach dem Schatze der Burgunden. Dieser Schatz wird
-nun als derselbe betrachtet, den Siegfried einst dem Drachen abgenommen
-hat; durch seine Ermordung ist er in die Hände der Burgunden gekommen;
-so ist denn in der Geschichte des Schatzes eine gewisse Verbindung der
-beiden Sagenteile erreicht. Attila ladet die Schwäger unter dem Scheine
-der Freundschaft verräterisch ein und läßt sie dann niedermachen.
-Grimhild aber übernimmt die Rache, indem sie ihren Gatten tötet. Die
-Rache ist dadurch verstärkt, daß sie das mit Attila gezeugte Kind
-(oder die Kinder) als Werkzeug benutzt, eine Darstellung, die in der
-Geschichte keine Grundlage hat, aber schon in der in Rede stehenden
-ältesten Form der Dichtung vorhanden gewesen sein muß, da nordische
-und deutsche Version<span class="pagenum" id="Seite_89">[S. 89]</span> sie kennen. Vermutlich hat der alte Dichter
-ein anderswo verwendetes Motiv herübergenommen; wäre die nordische
-Version sicher alt, so dürfte man an Entlehnung aus der altklassischen
-Atridensage denken. Mit der Tötung Attilas durch Weibeshand schließt
-die alte Sage.</p>
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-<p>Da die historische Brunichild erst im Jahre 613 gestorben ist,
-andererseits aber unsere Sage spätestens im 9. Jahrhundert nach dem
-Norden gewandert sein muß, so haben wir nur einen verhältnismäßig
-eng begrenzten Zeitraum zur Verfügung, innerhalb dessen die eben
-dargestellte Dichtung (so müssen wir sie doch wohl nennen) entstanden
-sein muß. Sie kann nicht viel früher entstanden sein als um das Jahr
-700, aber auch nicht wesentlich später. Da sie, besonders in ihrem
-ersten Teile, eine wohl durchdachte, wohl durchgeführte, wirklich
-dichterisch aufgefaßte Erzählung ist, muß ein einzelner und zwar ein
-geistig recht hochstehender Sänger der Autor der Erzählung in dieser
-Form sein. Natürlich versagt uns das Schicksal den Namen dieses Mannes.
-Die Namen der Sänger jener Zeit sind sämtlich in ewiger Nacht begraben.</p>
-
-<p>Mit der Übertragung der Sage vom Niederrhein aus nach dem Norden im
-9. Jahrhundert sind nun einige bestimmte, für die nordische Sagenform
-charakteristische Veränderungen eingetreten. Die Erzählung muß auch
-hier wieder zunächst von einem einzelnen Manne, der sie ganz in
-sich aufgenommen hat, reproduziert und in geschlossener Darstellung
-hinübergebracht worden sein. Sonst würde man nicht verstehen, daß
-bestimmte Einzelheiten, die in Deutschland anders berichtet werden, und
-deren deutsche Wiedergabe zu den historischen Ausgangspunkten besser
-stimmt als die nordische, so daß sie also historisch richtiger ist als
-diese, im Norden eine ganz bestimmte feste Form angenommen haben. Es
-sind im wesentlichen folgende Punkte:</p>
-
-<p>1. Hagen ist nicht bloß der untergeordnete Vasall des Königs Günther,
-der dessen Befehle unbedingt vollführt und freudig mit ihm in den
-Tod geht, sondern er ist sein Bruder. Siegfrieds Ermordung ist ihm
-abgenommen und auf den weniger bedeutenden Gudorm übertragen.</p>
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-<p>2. Der Name Grimhild, der nach Ausweis der historischen Hildiko
-zuerst an der Person haftet, die ihn in Deutschland führt, ist
-merkwürdigerweise zum Namen der Mutter des Königs geworden, die echte
-Grimhild aber führt durchweg den Namen<span class="pagenum" id="Seite_90">[S. 90]</span> Gudrun. Dieser Name (der mit
-dem der Heldin des mittelhochdeutschen Gedichtes Kudrun nicht das
-geringste zu tun hat) ist einfach dem Namen ihres Bruders Günther
-nachgebildet. Das erste Glied des zusammengesetzten Namens ist das
-gleiche wie bei „Günther“, das zweite ist eins der am häufigsten
-vorkommenden Elemente zur Bildung von Frauennamen. Die Neubildung
-Gudrun ist also gewissermaßen ein Feminin zu Gunnar.</p>
-
-<p>3. Brynhild ist zur Schwester des Atli geworden. Damit hat man
-wenigstens den Versuch gemacht, eine engere Verbindung der beiden
-Hauptteile herzustellen, denn Atli hat nun an den Burgunden den Tod
-seiner Schwester zu rächen.</p>
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-<p>4. Endlich ist &mdash; wohl auch schon seit der Übertragung<a id="FNAnker_44" href="#Fussnote_44" class="fnanchor">[44]</a> &mdash; die
-Ermanarichsage als dritter Teil an die Erzählung angeknüpft. Diese
-Sage, die in Deutschland aufs engste mit der Dietrichsage verbunden
-erscheint, muß, da von letzterer im Norden keine Spur sich findet, sehr
-frühzeitig und selbständig dorthin gewandert sein.</p>
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-<p id="Sage_im_Norden">Die Weiterentwickelung der Sage im Norden brauchen wir hier im
-einzelnen nicht zu verfolgen. Sie hat sich, wie wir gesehen
-haben, in lauter Einzeldarstellungen aufgelöst und eine wirkliche
-Zusammenstellung nicht mehr erfahren. Ein Dichter behandelt diesen
-Teil, ein anderer einen andern; der eine gibt das dazu, der andere
-jenes; so kommt eine wüste Verwirrung zustande, in der sich
-zurechtzufinden schwer ist. Neue Zusätze sind im Norden vor allen
-Dingen diejenigen, welche die Götterwelt mit hineinziehen; sie ist
-ganz sekundär in die Sage hineingetragen und hat ursprünglich in ihr
-keinen Platz. Auch die Idee, daß Brynhild eine vermenschlichte Walküre
-sei, also ein ursprünglich übermenschliches Wesen, das durch den Gott
-strafweise in die Menschheit versetzt worden sei, ist spezifisch
-nordisch und nicht einmal einheitlich durchgedrungen, sondern nur von
-einem einzelnen Dichter hineingebracht.</p>
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-<div class="section">
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-<h3 id="Deutsche_Form"><span class="antiqua">b</span>) Deutsche Form.</h3>
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-</div>
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-<p>Wichtiger ist die Weiterentwickelung des Stoffes in Deutschland. Hier
-tritt uns die Sage in ausführlichem Berichte erst<span class="pagenum" id="Seite_91">[S. 91]</span> im 12. Jahrhundert,
-also ziemlich spät, entgegen. Wie sie sich bis dahin entwickelt hat,
-das läßt sich zwar natürlich an den verschiedenen Veränderungen, die
-eingetreten sind, wohl erkennen, aber die zeitliche und örtliche
-Bestimmung der Neuerungen ist nicht leicht. Einigermaßen unterstützt
-werden wir durch einen Bericht, der Ereignisse des Jahres 1131 zum
-Gegenstande hat. Damals wollte der dänische Königssohn Magnus seinen
-Vetter Knut Laward, den König der Wenden und Herzog von Schleswig, auf
-verräterische Weise ermorden. Er sandte einen sächsischen Spielmann,
-namens Siward, also einen fahrenden Sänger, der nach der Überlieferung
-für einen in seiner Kunst wohlerfahrenen Mann galt, zu Knut Laward und
-ließ ihn freundlich zu sich einladen. Knut leistete ohne jeden Argwohn
-Folge. Dem Sänger war bekannt, was Knut bevorstand, aber er war durch
-einen heiligen Eid gebunden, den Plan nicht zu verraten. Da Knut ihn
-dauerte, so versuchte er, ihn auf Umwegen auf das drohende Unheil
-aufmerksam zu machen: er trug ihm das Lied von der allgemein bekannten
-Treulosigkeit der Grimilda gegen ihre Brüder dreimal vor, also eine
-Geschichte, die dem im Augenblicke des Vortrags sich entwickelnden
-Schicksal ganz parallel verläuft. Auf diesem Wege versuchte also
-Siward den König Knut zu retten, aber ohne Erfolg: der Mord gelang am
-7. Januar 1131. Für uns ist interessant, daß hier die Geschichte von
-Grimildas Treulosigkeit gegen ihre Brüder erwähnt und als allgemein
-bekannt hingestellt wird. Das paßt nicht mehr zur alten Form der
-Sage, sondern nur zu der neuen, wie sie uns demnächst in süddeutscher
-Darstellung entgegentritt. Wir lernen hier die Existenz dieser jüngern
-Sagenform in Norddeutschland kennen, denn es ist ein sächsischer
-Spielmann, der den dänischen Fürsten zu retten versucht.</p>
-
-<p>Daraus folgt, daß die Umbildung der Sage, die darin besteht, daß
-nicht mehr Attila, sondern Grimhild die Treulosigkeit gegen die
-burgundischen Brüder begeht, um ihren ersten Gatten Siegfried an ihnen
-zu rächen, noch vor der Übertragung der Sage nach Süddeutschland,
-also wohl noch am Niederrhein vor sich gegangen sein muß. Sie ist
-natürlich hauptsächlich durch innere Gründe verursacht: man wollte die
-beiden Teile, die ursprünglich so lose nur zusammenhingen, innerlich
-aneinanderschließen. Die Neuerung dürfte nach oberflächlicher Schätzung
-um das Jahr 900 oder bald nachher durchgeführt worden sein, weil die
-Überführung<span class="pagenum" id="Seite_92">[S. 92]</span> des Stoffes nach Bayern wohl noch ins 10. Jahrhundert
-fällt. Die neue Fassung trägt zugleich modernerer Gesittung Rechnung:
-bisher stand die Erzählung auf dem altgermanischen, etwas urzeitlich
-anmutenden Standpunkte, daß Blutrache die erste Pflicht sei, daß
-also die Pflicht der Schwester, ihre Brüder zu rächen, größer sei,
-als die Pflicht ihrer Treue gegen den Gatten; nunmehr, in modernerer
-Zeit, stellte man die Gattenpflicht an die erste Stelle und ließ die
-Blutrache in alter Form fallen.</p>
-
-<p>Mit dieser Änderung ist nun eine Tatsache, die in der Geschichte
-feststeht und als Ausgangspunkt für die Sage anzusehen ist, aus dieser
-selbst verschwunden. Von dem Augenblicke an nämlich, wo Grimhild ihren
-ersten Gatten an ihren Brüdern rächt, fallen ja ihre Interessen mit
-denen ihres zweiten Gatten Attila zusammen; Grimhild und Attila sind
-jetzt einig und führen gemeinsam den Untergang der Burgunden herbei.
-Dann liegt aber für Grimhild keine Veranlassung mehr vor, den Attila zu
-töten. Die Folge davon ist, daß dieser übrig bleibt.</p>
-
-<p>An dieser Entwickelung erkennt man recht, wie die Sage arbeitet: sie
-geht teilweise vom Tode Attilas aus, hat sich aber nach mehreren
-hundert Jahren so verschoben, daß sie von diesem ihrem Ausgangspunkte
-nichts mehr zu erzählen weiß. Hier, an einem Beispiel, das wir doch
-leidlich genau verfolgen können, ist ganz deutlich zu sehen, wie der
-Ausgangspunkt der Sage infolge ihrer Entwickelung schließlich wieder
-aus ihr hinausgebracht wird. Wenn das möglich ist, so wird noch vieles
-andere möglich sein, so wird es vor allen Dingen auch möglich sein, den
-ersten Teil unserer Nibelungensage aus der fränkischen Königsgeschichte
-abzuleiten, von der man nur Einzelheiten, besonders Namen und Motive,
-zur Vergleichung heranziehen kann, nicht aber den ganzen innern
-Zusammenhang.</p>
-
-<p>Die Folge davon, daß Attilas Tod nun auf einmal nicht mehr erzählt
-wird, ist eine Neudichtung, die in Süddeutschland unbekannt geblieben
-ist, also wahrscheinlich in Norddeutschland erst entstanden ist,
-nachdem die Nibelungensage bereits nach Süddeutschland gewandert war:
-ich meine die allein in der Thidrikssaga berichtete Geschichte von
-Hagens nachgeborenem Sohne Aldrian, der durch Attilas Ermordung der
-Gesamterzählung wieder einen vollen Schluß verschafft. Ihre Entstehung
-war natürlich erst möglich, nachdem Attilas Tod aus der<span class="pagenum" id="Seite_93">[S. 93]</span> Erzählung
-durch die moderne Entwickelung derselben ausgeschaltet worden war.</p>
-
-<p>Nach Süddeutschland ist unsere Sage wahrscheinlich im 10. Jahrhundert
-gewandert. Darauf weist die merkwürdige Einmischung einer historischen
-Person jener Zeit hin, die an der Oberfläche klebt: Bischof Pilgrim
-von Passau (er war im Amte 971&ndash;991) gilt im Nibelungenliede für einen
-Zeitgenossen der Nibelunge und Mutterbruder der burgundischen Könige;
-nach der „Klage“, dem mehrerwähnten Anhang zum Liede, hat er den
-ganzen Verlauf der großen Begebenheiten durch seinen Schreiber Konrad
-in lateinischer Sprache aufzeichnen lassen. Diese letztere Nachricht
-wird wahrscheinlich richtig sein; sie ist an sich historisch ganz
-einwandfrei; ist sie richtig, so versteht man, wie Pilgrim in die
-Sage gelangte: der Klagedichter, dem Konrads Werk bekannt war, machte
-den Bischof und seinen Schreiber zu Zeitgenossen der Ereignisse, um
-die Glaubwürdigkeit des Berichtes zu erhöhen. Wenn aber ein Passauer
-Bischof um das Jahr 980 die Nibelungensage aufzeichnen lassen kann,
-so bedeutet dies, daß sie damals in Bayern zwar bereits bekannt,
-aber noch nicht geläufig war; sonst hätte man nicht Wert darauf
-gelegt, daß sie aufgeschrieben würde. Man bedenke, wie die eigentlich
-süddeutsche Sage, die von Dietrich und seinen Helden, jederzeit
-einfach als dem Publikum bekannt vorausgesetzt wird; dann wird man zu
-dem Wahrscheinlichkeitsschlusse kommen, daß zu Pilgrims Zeiten die
-niederdeutsche Nibelungensage eben erst in Bayern bekannt geworden und
-eben deshalb als der Aufzeichnung durch Pilgrims Schreiber Konrad wert
-befunden worden war.</p>
-
-<p>Eine Folge dieser Verpflanzung der Sage auf einen ihr ursprünglich
-fremden Boden ist die in dem Namen der einen Hauptheldin eingetretene
-Veränderung: sie hieß ursprünglich zweifellos Grîmhild, in welcher Form
-der Name etymologisch durchsichtig ist; <span class="antiqua">grîma</span> bedeutet Larve,
-Maske, Helm. Den Süddeutschen waren Wort und Name nicht geläufig; sie
-verstümmelten letztern infolgedessen, wie man so häufig ein nur mit dem
-Ohre aufgenommenes Fremdwort verstümmelt, zu Krîmhilt oder Kriemhilt.
-Der unrichtige Anlaut und das Schwanken des Vokals im ersten Teile
-der Zusammensetzung geben somit ebenfalls davon Zeugnis, daß die Sage
-in Süddeutschland ursprünglich fremd und erst verhältnismäßig spät
-eingeführt ist.</p>
-
-<p>Noch ein zweiter Name ist vermutlich bei dieser Überführung<span class="pagenum" id="Seite_94">[S. 94]</span> in
-gewissem Sinne verstümmelt worden: Gernot; hochdeutsch könnte er
-schwerlich etwas anderes als ein Frauenname sein, weil „<span class="antiqua">nôt</span>“ ein
-Feminin ist; versteht man ihn aber niederdeutsch, so gibt er den Sinn
-„Schwertgenoß“ und müßte hochdeutsch Gernoz heißen; er dürfte also bei
-der Überführung der Sage nach Süddeutschland seine niederdeutsche Form
-beibehalten haben.</p>
-
-<p>In Oberdeutschland hat sich die Sage nun begreiflicherweise selbständig
-weiter entwickelt. Augenscheinlich ist sie gar nicht vollständig dahin
-gelangt, wenigstens fehlt jede Kunde von Siegfrieds Vorfahren, sowie
-von seinem ursprünglichen Verhältnis zu Brünhilt, während die von
-seiner Jugendzeit äußerst dürftig ist. Die Erzählung beginnt damit,
-daß Siegfried um Kriemhilt freit und dann Brünhilt für seinen Schwager
-gewinnt. So reich ausgestattet ursprünglich und noch in nordischer
-Fassung der erste Teil des Stoffes war, so gering ist sein Kern in
-der deutschen; ritterliche Füllung hat ihn im Liede freilich wieder
-verbreitert. Dafür hat sich der zweite Teil reich entfaltet und
-zwar hauptsächlich dadurch, daß er als Episode in die Dietrichsage
-eingetreten ist; da die Burgunden infolge verräterischer Einladung am
-hunnischen Hofe zugrunde gehen, muß Dietrich, der nach süddeutscher
-Auffassung damals dort als Verbannter lebt, mit den Ereignissen zu
-tun haben; ihm wird die Entscheidung in dem großen Kampfe gegen die
-Burgunden zugewiesen.</p>
-
-<p>Wenn es auch zu weit führen würde, Ursprung und Entwicklung der
-Dietrichsage an dieser Stelle in allen Einzelheiten zu besprechen, so
-erscheint doch eine Darstellung in großen Zügen geboten.</p>
-
-<p>Im vierten Jahrhundert saßen die Goten in Dacien (etwa Rumänien und
-Siebenbürgen) und längs der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zum
-Don. In diesen Gegenden begründete der Amaler Ermanarich (deutsch
-Ermenrich) ein großes gotisches Reich, das seine Macht weit über das
-heutige innere Rußland erstreckte. Um das Jahr 370 erlag diese Macht
-dem plötzlichen Ansturm der Hunnen, eines Volkes türkischen Stammes aus
-dem innern Asien; König Ermanarich, schon hochbejahrt, kam dabei zu
-Tode. Der gotische Geschichtschreiber Jordanes weiß um 550 von seinem
-Tode Einzelheiten zu erzählen, die zwar schlecht beglaubigt, aber an
-sich nicht unwahrscheinlich sind und sich inhaltlich mit dem vorhin <a href="#Nibelungen_III">S.
-27 f.</a> dargestellten dritten Teile der Nibelungensage nordischer Form
-nahezu decken: das<span class="pagenum" id="Seite_95">[S. 95]</span> treulose Volk der (sonst unbekannten) Rosomonen
-versucht den Einbruch der Hunnen zur eigenen Befreiung zu benutzen;
-Ermanarich läßt Suanihilda, eine Frau aus diesem Volke, für den
-heimtückischen Abfall ihres Mannes<a id="FNAnker_45" href="#Fussnote_45" class="fnanchor">[45]</a> von wilden Pferden zerreißen,
-wird aber dafür von ihren Brüdern Sarus und Ammius (Sorli und Hamdir
-in der Lieder-Edda) tödlich verwundet. Die Erzählung dürfte auf
-Tatsachen beruhen; sie ist geraume Zeit vor der Entstehung der übrigen
-gotischen Sagen, also etwa um 500, nach dem Norden gelangt<a id="FNAnker_46" href="#Fussnote_46" class="fnanchor">[46]</a> und hier
-schon im 9. Jahrhundert (vgl. <a href="#Sage_im_Norden">S. 90</a>) dadurch an die Nibelungensage
-angeschlossen worden, daß man Suanihilda und ihre Brüder zu Kindern der
-Gudrun gemacht hat. Vermutlich spielte die Mutter der untergegangenen
-Geschwister schon vor dieser Vereinigung in der Erzählung eine
-Rolle, die es nahelegte, sie mit Gudrun gleichzusetzen; darauf weist
-wenigstens die Art hin, wie der dänische Geschichtschreiber Saxo
-Grammaticus um 1200 die Ermanarich-Sage (ohne ihre Verbindung mit
-der Nibelungensage zu berücksichtigen) in seine dänische Geschichte
-aufgenommen hat.</p>
-
-<p>Der Einbruch der Hunnen trennte die Goten in westliche, die auf
-römisches Gebiet übertraten und uns hier nichts mehr angehen, und
-östliche, die unter hunnischer Hoheit zurückblieben und nach wie
-vor Könige aus dem Amalerhause hatten. Diese Ostgoten bildeten mit
-andern Germanenvölkern zusammen den eigentlichen Kern der hunnischen
-Macht; ihre Führer waren die ersten Helden des Großkönigs. Als solcher
-herrschte 444&ndash;453 Attila, nachdem er seinen Bruder und Mitherrscher
-Bleda beseitigt hatte. Dieser Attila hat bei den westlichen Germanen
-das Andenken eines wilden Eroberers hinterlassen; ganz anders bei den
-östlichen: sie erinnern sich seiner als eines mächtigen, aber gnädigen
-Herrschers. Unter seinen vielen Frauen ragt in der Geschichte die
-Kerka oder Rheka (richtig vermutlich Cherka) hervor, die in der Sage
-als Herche oder Helche lebendig geblieben<span class="pagenum" id="Seite_96">[S. 96]</span> ist. &mdash; An der Spitze der
-Ostgoten standen zu Attilas Zeit drei amalische Brüder, deren einer
-Theodemer (deutsch Dietmar) hieß.</p>
-
-<p>Nach Attilas plötzlichem Tode (vgl. <a href="#Attilas_Tod">S. 69</a>) zerfiel sein Reich; die
-Ostgoten traten auf das rechte Donauufer in oströmischen Bereich über.
-Theodemer war schließlich ihr alleiniger König und vererbte diese
-Stellung 481 auf seinen Sohn Theodorich (deutsch Dietrich), der sich
-den Beinamen des Großen verdiente.</p>
-
-<p>Inzwischen hatte sich 476 in Italien ein germanischer Fürst namens
-Odoaker (deutsch Otacker) der Herrschaft bemächtigt. Ihn zu beseitigen
-und zugleich die Sorge vor den Ostgoten, die fortgesetzt die Sicherheit
-Konstantinopels bedrohten, loszuwerden, übertrug Kaiser Zeno 489
-dem Theodorich und seinem Volke die Aufgabe, Italien dem Reiche
-zurückzuerobern, um es dann als römische Bundesgenossen zu bewohnen
-und zu beherrschen. Theodorich schlug Odoaker in mehreren Schlachten
-und belagerte ihn schließlich drei Jahre lang in dem festen Ravenna,
-wo damals (seit Honorius) der Regierungssitz Italiens sich befand; 493
-gelangte die Stadt in Theodorichs Gewalt, Odoaker wurde getötet. Als
-Beherrscher Italiens hat nun Theodorich lange Zeit die führende Rolle
-unter den westeuropäischen Germanenkönigen gespielt, ja, dieselben
-durch Heiraten zu einer großen Familie zu vereinigen gesucht, deren
-Haupt er selbst sein wollte. Dabei war sein Bestreben, Kriege zu
-vermeiden und Streitigkeiten auf friedlichem Wege zu schlichten &mdash;
-ein Charakterzug, der dem Dietrich der Sage insofern noch anhaftet,
-als auch dieser nur, wenn es ganz unvermeidlich ist, zum Schwerte zu
-greifen pflegt.</p>
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-<p>526 ist Theodorich gestorben; damit brach sein System zusammen. Auch
-der Ostgotenstaat war nicht von Dauer: bereits 540 geriet Ravenna
-wieder in römische Gewalt, und 553 vernichtete Narses den letzten
-Gotenschwarm, der noch zusammenhielt, am Vesuv. Nur nördlich der Alpen
-blieben gotische Reste übrig und gingen in den Bayern auf (vgl. <a href="#Goten_und_Bayern">S. 56</a>),
-die nun die Erinnerung an die ruhmreiche Geschichte der Amaler bewahrt
-und gepflegt haben.</p>
-
-<p>Die deutsche Sage kennt, wie begreiflich, die Goten (die sie
-ausschließlich Amelunge nennt) nur in Italien und Bayern; auch
-Ermenrich ist aus Südrußland dahin versetzt. Sie betrachtet ferner die
-Amelunge als legitime, eingeborne Herrscher ihres<span class="pagenum" id="Seite_97">[S. 97]</span> Reiches; Dietrichs
-Sieg bedeutet ihr also nicht eine einfache Eroberung, sondern eine
-Wiedereroberung nach vorausgegangener Vertreibung. Zu dieser Anschauung
-mußte die Sage dadurch geführt werden, daß Theodorich in der Tat durch
-den Auftrag des Kaisers Zeno das formale Recht auf seiner Seite hatte,
-während Odoaker nur infolge Usurpation in Italien herrschte. Den
-oströmischen Kaiser ferner hat die Sage, wie sie es fast immer getan
-hat, durch den Hunnenkönig ersetzt; indem sie Dietrich während seiner
-Abwesenheit aus Italien an dessen Hofe lebend dachte, übertrug sie
-auf ihn das, was von den Verhältnissen seines Vaters Dietmar bekannt
-geblieben war. Endlich brachte sie die beiden Amelunge Ermenrich und
-Dietrich dadurch aufs nächste zusammen, daß sie sie als Oheim und Neffe
-betrachtete. So hat denn die Dietrichsage im wesentlichen folgende
-Gestalt erlangt:</p>
-
-<p>Die Brüder Ermenrich und Dietmar aus dem Hause der Amelunge teilen sich
-derart in das Reich, daß Ermenrich als der älteste den Hauptteil mit
-Ravenna, Dietmar den Norden erhält; als Sitz des letztern und seines
-Sohnes wird Verona (Bern) betrachtet, nachdem Theodorichs historische
-Residenz Ravenna zunächst Ermenrichs Eigentum geworden ist. Nach
-Dietmars Tode wird sein Sohn Dietrich von Ermenrich vertrieben; dies
-behauptet die Sage im Anschluß an die historische Eroberertätigkeit,
-die Ermanarich entfaltet hat. Der vertriebene Dietrich begibt sich
-an den Hof des Hunnenkönigs Etzel, um von ihm Hilfe gegen Ermenrich
-zu erbitten; als Vermittler zwischen Dietrich und Etzel spielt
-dabei der Markgraf Rüdeger von Bechelaren, des erstern Freund, des
-letztern vornehmster Vasall, eine hervorragende Rolle. Über Ursprung
-und Bedeutung der Figur Rüdegers hat man mannigfache Vermutungen
-aufgestellt, ja, man hat sogar diesen reinmenschlichen Helden zu einem
-mythischen Wesen machen wollen; und doch ist, wie mir scheint, Rüdegers
-Bedeutung so leicht zu fassen: da die naiven Pfleger der Sage dieser
-jederzeit zeitgenössische Färbung geben, so müssen sie sich Dietrich
-als Bayern, Etzel als Ungarn denken; daraus ergibt sich, daß Rüdeger
-der Repräsentant des vermittelnden Zwischengebietes, der bayerischen
-Ostmark (Österreichs) ist. Im Nibelungenliede gilt als Rüdegers Bereich
-das Land zwischen Enns und Wienerwald; das ist genau das Gebiet der
-bayerischen Ostmark von Otto dem Großen bis auf Heinrich III., dessen
-Eroberung das Land bis zur Leita hinzufügte. Daraus ergibt sich, daß
-die Dichtung<span class="pagenum" id="Seite_98">[S. 98]</span> die Figur Rüdegers um das Jahr 1000 geschaffen hat<a id="FNAnker_47" href="#Fussnote_47" class="fnanchor">[47]</a>.
-&mdash; Die Sage kennt nun zunächst einen ersten, mißlungenen Versuch
-Dietrichs, mit hunnischer Hilfe zurückzukehren; er führt zu Kämpfen bei
-Ravenna und gibt den Stoff zu dem Gedicht von der „Ravennaschlacht“ ab;
-selbstverständlich beruht er auf dem Walten der Dichtung: die deutschen
-Spielleute des zwölften Jahrhunderts lieben es ja auch, denselben
-Stoff in zwei Variationen nacheinander vorzutragen. Der Inhalt der
-Ravennaschlacht ist eine Variation von Dietrichs Rückkehr. &mdash; Nunmehr
-findet Ermenrich sein Ende ungefähr so, wie es schon Jordanes erzählt;
-als einer der Mörder gilt um das Jahr 1000 Otacker, der Ermenrichs
-Nachfolger wird und also schließlich bei der endgültigen Eroberung
-Italiens Dietrichs Gegner ist, wie es die Geschichte dargeboten hat. In
-Süddeutschland ist allerdings im 12. Jahrhundert Ermenrichs Ermordung
-und die Person Otackers augenscheinlich ganz vergessen; den Thron der
-Amelunge nimmt bei Dietrichs Rückkehr Ermenrichs treuloser Ratgeber
-Sibich ein. Jedenfalls aber gelangt Dietrich schließlich durch Etzels
-Hilfe wieder in den Besitz seines angestammten Reiches<a id="FNAnker_48" href="#Fussnote_48" class="fnanchor">[48]</a>.</p>
-
-<p>In Gesellschaft Dietrichs und der zu ihm in Beziehung tretenden Leute
-befinden sich nun natürlich zahlreiche Personen minderer Bedeutung,
-die teils selbständige Sagenexistenz gehabt haben, aber durch die
-gewaltige Anziehungskraft der Hauptsage an sie herangezogen und ihr
-angegliedert worden sind (so z. B. Wielands Sohn Witig, ursprünglich
-ein Mann Ermenrichs), teils aber als mehr oder minder nötige Ausfüllung
-erdichtet worden sind; zu letzteren gehören vor allen Hiltebrand,
-der als Dietrichs Erzieher und erfahrener erster Ratgeber eine fast
-selbstverständliche<span class="pagenum" id="Seite_99">[S. 99]</span> typische Figur ist, und sein Neffe Wolfhart, in
-allem Hiltebrands Gegenbild (besonders in der Art seines Auftretens)
-und gewiß des Kontrastes wegen als solches geschaffen.</p>
-
-<p>Von Personen aus der Umgebung des historischen Attila hat die Sage noch
-bewahrt seine Gattin Cherka als Helche (im Rosengarten Herche, in der
-Thidrikssaga Erka genannt) und seinen Bruder Bleda als Blödel; dieser
-Name ist offenbar volksetymologisch an „blöde“ angelehnt. An Bledas
-wirkliche Schicksale besteht keine Erinnerung, er wird in ziemlich
-willkürlicher Weise verwertet.</p>
-
-<p>In diese in Süddeutschland ganz lebendige Dietrichsage ist nun die
-Nibelungensage nach ihrer Überführung dahin derart eingefügt, daß
-Kriemhilt als zweite Gattin Etzels gilt, die er nach dem Tode der
-Helche geehelicht hat, und daß der große Todeskampf der Nibelunge
-eintritt, während Dietrich noch an Etzels Hofe lebt; der Versuch der
-Rückkehr, der zur Ravennaschlacht führt, muß natürlich, da bei ihm die
-Königin Helche noch eine wichtige Rolle spielt, schon vorüber sein.</p>
-
-<p>Mit Dietrich sind natürlich die meisten seiner Sage angehörigen Figuren
-in die Nibelungengeschichte übergetreten, vor allen auch Rüdeger, der
-nach dem, was vorhin ausgeführt wurde, außerhalb der Dietrichsage
-undenkbar ist. Da nun aber die Nibelungensage zunächst ohne Dietrich
-und Rüdeger existiert hat, so muß es möglich sein, nach Ausscheidung
-oder Abtrennung der diese Helden betreffenden Abschnitte ein Bild
-von dem Zustande zu bekommen, den sie zur Zeit der Überführung nach
-Süddeutschland aufwies. Dabei ergibt sich nun das merkwürdige Resultat,
-daß alle nach dem Saalbrande sich noch abspielenden Szenen wesentlich
-durch die Dietrichsage bedingt sind, mit andern Worten: es wird höchst
-wahrscheinlich, daß der Saalbrand in der ältern Sagenfassung den Schluß
-bildete, und die Nibelunge in ihm umgekommen sind.</p>
-
-<p>Bedenken gegen diese Annahme werden allerdings dadurch erweckt, daß der
-Schluß des Nibelungenliedes mit den eddischen Atli-Liedern insofern
-übereinstimmt, als Günther und Hagen schließlich lebendig gefangen und
-erst nach ihrer Weigerung, den Hort auszuliefern, getötet werden; daß
-im Nibelungenliede erst Günther und dann Hagen getötet wird, während
-die Lieder-Edda beider Rollen vertauscht, macht keinen wesentlichen
-Unterschied. Nun sind aber die Atli-Lieder augenscheinlich keine reinen
-Repräsentanten<span class="pagenum" id="Seite_100">[S. 100]</span> der nordischen Sagenform, sondern weisen mehrfach
-erneute deutsche Beeinflussung auf; sonach wäre möglich, daß auch die
-nahe Übereinstimmung in der Schlußerzählung erst unter dem Einflusse
-deutscher Neudichtung zustande gekommen ist.</p>
-
-<p>Wenn wir Rüdeger aus einer Grundform unserer Sage zu streichen haben,
-so fällt natürlich auch der Abschnitt vom Aufenthalte der Nibelunge zu
-Bechelaren weg; dann steht die kleine Szene von der Begegnung mit dem
-Grenzwächter Eckewart unmittelbar vor dem Eintreffen bei Kriemhilt, und
-es verschwindet die Sonderbarkeit, an der wir vorhin (<a href="#Sonderbarkeit">S. 48</a>) Anstoß
-nehmen mußten.</p>
-
-<p>Wir haben im wesentlichen den Zustand der Sage erreicht, der in unserm
-Liede die Grundlage der Erzählung bildet. Manches freilich hat der
-Dichter des Liedes, manches haben wohl noch andere Hände geändert, ehe
-die Textgestalt erreicht wurde, die uns heute noch vorliegt. Ehe wir
-diese letzten, dem Liede eigenen Neuerungen betrachten und untersuchen,
-müssen wir uns erst den Fragen zuwenden, die uns die Überlieferung und
-Geschichte seines Textes stellen.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_101">[S. 101]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="VI"><span class="s5">VI.</span><br />
-<b>Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der Nibelunge.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>as Nibelungenlied ist uns erhalten in zehn vollständigen<a id="FNAnker_49" href="#Fussnote_49" class="fnanchor">[49]</a>
-Handschriften, außerdem in Bruchstücken von siebzehn verschiedenen
-Handschriften. Die Pergamenthandschriften des 13. und 14.
-Jahrhunderts haben wir uns gewöhnt (seit Lachmann) mit großen,
-die Papierhandschriften des 14./15. Jahrhunderts und die einzige
-jüngere Pergamenthandschrift (d aus dem 16. Jahrhundert) mit
-kleinen lateinischen Buchstaben zu bezeichnen und zu benennen.
-Die vollständigen Handschriften sind <span class="antiqua">A B C D I a b d h k</span>,
-die Fragmente <span class="antiqua">E F H K L M N O Q R S U Y Z g i l</span>. In allen
-vollständigen Handschriften mit Ausnahme von <span class="antiqua">k</span>, die überhaupt
-eine Sonderstellung einnimmt, schließt sich die „Klage“ dem Liede
-unmittelbar an; von den Fragmenten bietet nur <span class="antiqua">N</span> auch ein
-Bruchstück der Klage; dafür sind uns Stücke dieses Gedichtes in Resten
-von drei andern Handschriften (<span class="antiqua">G</span>, <span class="antiqua">W</span> und <span class="antiqua">X</span>) noch
-erhalten, in denen natürlich auch das Nibelungenlied vorhanden gewesen
-sein muß<a id="FNAnker_50" href="#Fussnote_50" class="fnanchor">[50]</a>.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_102">[S. 102]</span></p>
-
-<p>Die Handschrift <span class="antiqua">k</span> (im Besitze des Piaristen-Kollegiums zu Wien)
-ist eine völlige Neubearbeitung des alten Textes in Stil und Sprache
-des 15. Jahrhunderts, steht also im Grunde auf keiner andern Linie als
-z. B. Simrocks Übertragung ins Neuhochdeutsche; jedoch der Umstand, daß
-sie Vorlagen benutzt hat, die uns nicht mehr zugänglich sind, verleiht
-ihr auch für die Kritik des alten Textes einigen Wert.</p>
-
-<p>Die übrigen 26 Handschriften ordnen sich nach dem Titel, den das Epos
-am Schlusse sich selbst gibt, leicht in zwei große Gruppen: <span class="antiqua">der
-Nibelunge nôt</span> heißt es in <span class="antiqua">A B D H I K L M N O Q S Z b d g h i
-l</span> (dazu <span class="antiqua">W</span>), <span class="antiqua">der Nibelunge liet</span> in <span class="antiqua">C E F R U Y
-a</span> (dazu <span class="antiqua">G X</span>). Noch eingehendere Gruppierung läßt sich durch
-genauere Betrachtung der vollständigen Handschriften gewinnen. Diese
-sind:</p>
-
-<p><span class="antiqua">A</span> aus dem 13./14. Jahrhundert, ursprünglich auf Schloß Hohenems,
-jetzt in München;</p>
-
-<p><span class="antiqua">B</span> aus dem 13. Jahrhundert, in St. Gallen;</p>
-
-<p><span class="antiqua">C</span> aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, ursprünglich auf Schloß
-Hohenems, dann im Besitze des Freiherrn v. Laßberg, jetzt auf der
-fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen;</p>
-
-<p><span class="antiqua">D</span> aus dem 13./14. Jahrhundert, in München;</p>
-
-<p><span class="antiqua">I</span> aus dem 14. Jahrhundert, stammt aus Tirol, jetzt in Berlin;</p>
-
-<p><span class="antiqua">a</span>, früher in Wallerstein, jetzt in Maihingen (bayr.
-Regierungsbezirk Schwaben);</p>
-
-<p><span class="antiqua">b</span>, Hundeshagens Handschrift, jetzt in Berlin;</p>
-
-<p><span class="antiqua">d</span>, die im Auftrage Kaisers Maximilians I. 1502&ndash;17 hergestellte
-große Sammelhandschrift, früher auf Schloß Ambras, jetzt in Wien;</p>
-
-<p><span class="antiqua">h</span>, Meusebachs Handschrift, jetzt in Berlin; sie ist eine
-Abschrift von <span class="antiqua">I</span> und kommt deshalb für die Textkritik nicht in
-Betracht.</p>
-
-<p>Während die Handschriften der Liet-Gruppe nur in unwesentlichen Dingen
-voneinander abweichen (so daß die junge <span class="antiqua">a</span> nur zur Ausfüllung der
-Lücken in der guten alten <span class="antiqua">C</span> herangezogen<span class="pagenum" id="Seite_103">[S. 103]</span> zu werden braucht),
-gehen die der Not-Gruppe vielfach stark auseinander: <span class="antiqua">Db</span> gehören
-zusammen und folgen in den ersten 270 Strophen des Liedes, ebenso
-im Anfange der Klage seltsamerweise dem Liet-Texte; <span class="antiqua">Id</span> sind
-einerseits im Eingange des Liedes nicht unwesentlich kürzer als alle
-übrigen Texte, haben aber andererseits im Verlaufe des Gedichtes im
-ganzen zwanzig Strophen, die sonst nur dem Liet-Texte eigen sind,
-in den zugrunde liegenden Not-Text aufgenommen; <span class="antiqua">B</span> gibt, von
-Kleinigkeiten abgesehen, den Not-Text am reinsten wieder; <span class="antiqua">A</span> hat
-ihn um volle 61 Strophen, die im Laufe des Gedichtes, hauptsächlich
-innerhalb der Strophen 340&ndash;720 (der Zählung von Bartsch) gestrichen
-sind, verkürzt.</p>
-
-<p>Da <span class="antiqua">A</span> infolge dieser Streichungen den kürzesten Text bietet,
-hielt man sie lange Zeit für den Vertreter des ältesten vorhandenen
-Textes; seit es aber W. Braune (Die Handschriftenverhältnisse des
-Nibelungenliedes, 1900) gelungen ist, nachzuweisen, daß <span class="antiqua">A</span> mit
-dem Hauptteile von <span class="antiqua">Db</span>, der dem Not-Texte folgt, manche jüngere
-Änderungen und Fehler gemein hat, kann davon keine Rede mehr sein,
-vielmehr ist <span class="antiqua">A</span> der Not-Vorlage von <span class="antiqua">Db</span> auf das nächste
-verwandt und innerhalb der 270 Strophen, in denen <span class="antiqua">Db</span> einer
-Liet-Vorlage folgen, der alleinige Vertreter dieser Handschriftengruppe.</p>
-
-<p>Die größte Schwierigkeit macht noch heute die richtige Einordnung
-der Gruppe <span class="antiqua">Id</span>; im Anfange ist sie kürzer, als alle übrigen
-Texte und in dieser Beziehung, wie ebenfalls Braune nachgewiesen hat,
-altertümlicher als alle diese. Wie aber soll man die zwanzig zum
-Liet-Texte stimmenden Strophen beurteilen? Sie sind im allgemeinen ganz
-lose in den Not-Text eingefügt; von den vierzehn Stellen, auf die sie
-sich verteilen, stimmen elf genau zur Strophenfolge des Liet-Textes;
-an den drei andern Stellen ist eine kleine Verschiebung eingetreten,
-die dem Zusammenhange nicht günstig ist: die Strophen stehen (nach der
-Zählung von Bartsch)</p>
-
-<table class="strophenzaehlung" summary="Zählung der Strophen">
- <tr>
- <td>
- <div class="center">hinter</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">&#8199;969</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">statt</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">hinter</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">&#8199;964</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">(</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">um</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">5</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">Strophen</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">zu</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">spät</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">),</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">&nbsp;</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">&#8199;998</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">1001</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">(</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">3</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">früh</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">)</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">und</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">1571</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">1573</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">(</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">2</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">„</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">).</div>
- </td>
- <td>
- <div class="center">&nbsp;</div>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p class="p0">Eine Mittelstellung zwischen den beiden Hauptgruppen nimmt also
-<span class="antiqua">Id</span> auf jeden Fall ein, es fragt sich nur, ob eine durch
-Entwicklung der Texte bedingte oder eine äußerliche. Braune entscheidet
-sich für das erstere und erblickt in <span class="antiqua">Id</span> eine Vorstufe<span class="pagenum" id="Seite_104">[S. 104]</span> zu dem
-Liet-Texte; ich neige mich der andern Auffassung zu, hauptsächlich weil
-die Ordnung der Strophen an den drei erwähnten Stellen um ein weniges
-ohne ersichtlichen Grund abweicht; das scheint sich am besten aus
-äußerlicher Entlehnung zu erklären: der Besitzer der Grundhandschrift
-der Gruppe <span class="antiqua">Id</span> kannte den Liet-Text und vermißte in ihr einige
-diesem allein eigene Strophen; er trug sie auf den Blatträndern nach;
-beim Abschreiben wurden sie in den Text eingerückt, und dabei kamen nun
-jene kleinen Irrtümer vor, die sich jedenfalls innerhalb des Raumes
-einer Blattseite halten.</p>
-
-<p>Einfacher ist die eigentümliche Textmischung der Gruppe <span class="antiqua">Db</span> zu
-erklären: in ihrer Grundhandschrift war der Anfang des Liedes (ebenso
-der Anfang der Klage) verloren gegangen und durch Abschrift aus einer
-andern Handschrift, die dem Liet-Texte angehörte, ersetzt worden. Das
-war möglich, da die beiden Haupttexte doch nicht so stark voneinander
-abweichen, daß man die Verschiedenheit auf den ersten Blick erkennen
-müßte; auch in neuerer Zeit ist solche Textmischung vorgekommen, vgl.
-<a href="#Neubearbeitung">S. 124</a>. Das aus dem Liet-Texte entnommene Anfangsstück des Liedes
-umfaßt ungefähr doppelt soviel Raum wie das eben daher entnommene
-Anfangsstück der Klage; der den Not-Text bietende Hauptteil des
-Liedes ist annähernd achtmal so lang wie der Eingang; daraus darf man
-vermuten, daß von der Grundhandschrift die 1., 2. und 19. Lage verloren
-gegangen und ungenau ersetzt waren.</p>
-
-<p>Die sechs Haupthandschriften des Not-Textes ordnen sich sonach in zwei
-Gruppen: auf der einen Seite <span class="antiqua">Id</span> mit altertümlich kurzem Eingang,
-aber zwanzig zugesetzten Strophen; auf der andern Seite <span class="antiqua">ABDb</span> mit
-längerm Eingang (wie ihn auch der Liet-Text bietet); <span class="antiqua">Db</span>, deren
-alter Eingang ja verloren ist, werden durch die nahe Verwandtschaft mit
-<span class="antiqua">A</span> bei dieser Gruppe festgehalten.</p>
-
-<p>Wie verhalten sich nun aber die beiden Hauptgruppen „Liet“ und „Not“
-zueinander? Geht die eine auf die andere zurück, oder weisen beide auf
-ein verlorenes Original? Von den drei möglichen Antworten, die alle
-drei ihre Vertreter gefunden haben, können wir eine von vornherein
-ablehnen: die „Not“ geht keinesfalls auf das „Liet“ zurück, denn sie
-ist altertümlicher als dies; vor allem aber steht im Not-Texte die
-„Klage“ noch ziemlich selbständig hinter dem Liede, während<span class="pagenum" id="Seite_105">[S. 105]</span> das „Liet“
-die beiden Gedichte möglichst untereinander auszugleichen strebt; so
-gehen denn zahlreiche Mehrstrophen von <span class="antiqua">Ca</span> auf Anregungen der
-„Klage“ zurück. So bleiben zwei Möglichkeiten: entweder das „Liet“
-beruhte auf der „Not“, oder beide nebeneinander auf einem verlorenen
-Original; der ersteren neigt sich Braune zu, während ich der zweiten
-den Vorzug gebe auf Grund folgender Überlegung: der Liet-Text muß
-spätestens zu Anfang des 13. Jahrhunderts abgeschlossen sein, denn
-er hat die alte einfache Angabe der Klage, daß Ute, die Mutter der
-burgundischen Könige, ihre alten Tage im Kloster Lorsch verbrachte,
-breit ausgesponnen und stellt die Behauptung auf, sie habe es
-ausgestattet (Holtzmann 1158)</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">mit starken rîchen urborn, <span class="mleft2">als ez noch hiute hât,</span></span></div>
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">daz klôster dâ ze Lôrse, <span class="mleft2">des dinc vil hôhe an êren stât;</span></span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="p0">nun ist aber dies altberühmte Kloster durch seinen letzten Abt Konrad,
-der 1216 zuerst genannt wird, derartig heruntergebracht worden, daß
-er 1229 abgesetzt, und das Stift an Mainz übergeben wurde; ein so
-lautes Rühmen, wie wir es in <span class="antiqua">C</span> finden, war also in und nach
-dieser Zeit nicht wohl möglich<a id="FNAnker_51" href="#Fussnote_51" class="fnanchor">[51]</a>.
-<a id="Treisenmure"></a>Dagegen kann die Grundhandschrift
-des Not-Textes nicht älter als höchstens 1240 sein, denn sie hat
-1331 und 1336 den richtigen Ortsnamen <span class="antiqua">Treisenmûre</span> durch
-den falschen <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> ersetzt. Die Stellen fallen in die
-Partie, die Kriemhilts Reise zu Etzel schildert und dabei innerhalb
-Österreichs die Tag für Tag berührten Stationen in genauer Folge nennt:
-<span class="antiqua">Everdingen</span>, <span class="antiqua">Ense</span>, <span class="antiqua">Bechelâren</span>, <span class="antiqua">Medelîche</span>,
-<span class="antiqua">Mûtâren</span>, <span class="antiqua">Treisenmûre</span>, <span class="antiqua">Tulne</span>, <span class="antiqua">Wiene</span>,
-<span class="antiqua">Heimburc</span>, <span class="antiqua">Miesenburc</span>. Setzt man <span class="antiqua">Zeizenmûre</span>
-für <span class="antiqua">Treisenmûre</span> ein, so erhält man eine widersinnige Folge,
-denn <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> liegt bereits östlich von Wien. Derjenige,
-der es eingeführt hat, kann von Österreichs Geographie keine
-persönliche Anschauung gehabt haben; nun ist aber <span class="antiqua">Zeizenmûre</span>
-ein unbedeutendes Dorf, das einem Nicht-Österreicher schwerlich
-bekannt ist, wenn es nicht einen besondern Ruf hat; einen solchen
-hat es dadurch erlangt, daß Nithart von Riuwental<span class="pagenum" id="Seite_106">[S. 106]</span> einen großen Teil
-seiner österreichischen Dorfgedichte dort spielen läßt; Nithart,
-dessen Dichten schätzungsweise in die Zeit von 1210&ndash;1240 fällt,
-lebte ursprünglich in Bayern und vertauschte es erst etwa 1230 mit
-Österreich; vor diesem Zeitpunkte können Nitharts österreichische
-Dorfgedichte nicht entstanden sein. Vorher dürfte also jener fälschlich
-in den Not-Text eingeführte Ort außerhalb Österreichs schwerlich
-bekannt gewesen sein<a id="FNAnker_52" href="#Fussnote_52" class="fnanchor">[52]</a>.</p>
-
-<p>Ist somit die Grundhandschrift des Not-Textes rund ein Menschenalter
-jünger als die Existenz des Liet-Textes, so kann dieser nicht auf jenen
-zurückgehen, und bleibt nunmehr nur die dritte Möglichkeit übrig:
-beide weisen nebeneinander auf ein verlorenes Original zurück. Dies
-Original kann nach Ausweis der nahen Übereinstimmung beider Texte
-vom Not-Texte nicht allzu verschieden gewesen sein; um 1200 erfuhr
-es zunächst eine Überarbeitung, die im Liet-Texte noch vorliegt.
-Sie hat den ohnehin schon stark vorherrschenden rittermäßigen Geist
-noch verstärkt, außerdem aber den Anhang, die Klage, mit dem Liede
-in größere Übereinstimmung versetzt; den nur auf den letzten Teil
-passenden Titel „<span class="antiqua">der Nibelunge Nôt</span>“ hat sie durch den richtigern
-„<span class="antiqua">der Nibelunge Liet</span>“ ersetzt. &mdash; Nicht vor 1240, zu einer
-Zeit, da der ritterliche Geschmack schon im Sinken war,<span class="pagenum" id="Seite_107">[S. 107]</span> hat ein
-Jüngerer eine Neubearbeitung des Gedichtes für angezeigt gehalten und
-dabei über den im allgemeinen Umlauf befindlichen Liet-Text weg auf
-das Original zurückgegriffen<a id="FNAnker_53" href="#Fussnote_53" class="fnanchor">[53]</a>; sein Werk liegt uns im Not-Texte
-vor. Er folgt dem Original im ganzen recht treu; nur einzelne in
-spielmannsmäßigem Geschmack gehaltene kleine Szenen dürften vielleicht
-auf ihn zurückzuführen sein (Dankwart als Verschwender bei der geizigen
-Brünhilt; Hagens grobes Verhalten gegenüber der jungvermählten
-Kriemhilt u. dgl.).</p>
-
-<p id="Text_C">Charakteristisch für den spätern Ursprung des Not-Textes ist der
-Umstand, daß er in keiner seiner zahlreichen Handschriften rein
-erhalten, sondern überall mehr oder weniger durch den Liet-Text
-beeinflußt ist: die Gruppe <span class="antiqua">Id</span> bewahrt den alten Anfang, setzt
-aber die besprochenen zwanzig Strophen zu; die Gruppe <span class="antiqua">ABDb</span> hat
-umgekehrt (wenn auch nicht in allen Handschriften in gleichem Maße) den
-erweiterten Anfang von <span class="antiqua">Ca</span> aufgenommen; die Grundhandschrift von
-<span class="antiqua">Db</span> ist aus dem Liet-Texte ergänzt: die Handschrift <span class="antiqua">B</span> hat
-einmal zwei Strophen (102. 103 Bartsch) sowie am Schlusse der Klage
-den Abschnitt über Etzels Verbleib aus dem Liet-Texte aufgenommen
-u. s. f. Letzterer lag eben allen Schreibern und Hörern fortgesetzt
-im Ohre; es ist begreiflich, daß Berufsschreiber, die den Liet-Text
-bereits ein- oder mehrere Male abgeschrieben hatten, bei der Arbeit an
-einer Not-Handschrift unwillkürlich Lesarten jenes Textes anbrachten:
-so dürften sich auch die zahlreichen Kreuzungen in den Varianten
-erklären, die aus keinem organisch entwickelten Handschriftenstammbaum
-verständlich sind.</p>
-
-<p id="Fragment_O">Unter Berücksichtigung aller zugehörigen Bruchstücke dürfte sich die
-spätere Geschichte des Not-Textes etwa in folgender Weise abgespielt
-haben: zunächst trennte sich vom Hauptzweige der Entwicklung die
-Stammhandschrift der Gruppe <span class="antiqua">Id</span>; in ältester reinster Form
-liegt uns diese Textgestalt annähernd vollständig nur in der späten
-Handschrift <span class="antiqua">d</span> vor; ihr zur Seite stehen das alte Fragment
-<span class="antiqua">H</span> und das dürftige Fragment <span class="antiqua">O</span>, das der direkten Vorlage
-von <span class="antiqua">d</span> angehört. Die Handschrift <span class="antiqua">I</span> und die<span class="pagenum" id="Seite_108">[S. 108]</span> nahe stehenden
-Fragmente <span class="antiqua">K</span> und <span class="antiqua">Q</span> ändern den alten Text der Gruppe
-<span class="antiqua">Id</span> in vielen Punkten selbständig; ihnen ist vielleicht noch das
-Fragment <span class="antiqua">l</span> beizuzählen, das ebenfalls zahlreiche Textänderungen
-aufweist. &mdash; Von der andern Hauptgruppe des Not-Textes stellt <span class="antiqua">B</span>
-eine vollständige, sehr alte Form dar; ihr zunächst verwandt ist die
-Grundhandschrift aller übrigen Nothandschriften, auf die zunächst die
-lückenhafte <span class="antiqua">A</span> und die Fragmente <span class="antiqua">L</span> (daraus abgeschrieben
-<span class="antiqua">g</span>) und <span class="antiqua">M</span>, sowie die Grundlage der <span class="antiqua">Db</span>-Gruppe
-zurückgehen; diese wird gebildet durch die recht nahe verwandten
-Handschriften <span class="antiqua">D</span> und <span class="antiqua">b</span> und Fragmente <span class="antiqua">S</span>, <span class="antiqua">N</span>
-und <span class="antiqua">Z</span> (wohl auch <span class="antiqua">W</span> der Klage). &mdash; Das unbedeutende
-Fragment <span class="antiqua">i</span> ist nicht sicher einzuordnen.</p>
-
-<p>Die vorgetragene Meinung vom Verhältnis der beiden Nibelungentexte und
-ihrer Handschriften erhält eine wesentliche Stütze durch das relative
-Alter der zugehörigen Pergamentcodices. Dies läßt sich bestimmen
-durch die Art der Einrichtung derselben: die älteste Weise ist, den
-Text (des Liedes und der Klage) ohne Absetzen von Vers oder Strophe
-einspaltig über die ganze Seite zu schreiben; so sind <span class="antiqua">C</span> und
-<span class="antiqua">E</span> (vom Liet-Text) sowie <span class="antiqua">H</span> (von der <span class="antiqua">Id</span>-Gruppe)
-verfahren. Etwas mehr Übersicht bei größter Ausnutzung des Pergamentes
-gestattet zweispaltige Einrichtung, bei welcher im Liede die Strophen
-abgesetzt werden, aber nicht die Verse; sie liegt vor in <span class="antiqua">FRY</span>,
-<span class="antiqua">B</span>, <span class="antiqua">DNSZ</span>, sowie in auffallend kleinem Format in
-<span class="antiqua">Q</span>; innerhalb der Klage verfahren diese Codices, entsprechend
-der andern Versart, verschieden: zweispaltig ohne Absetzen schreibt
-<span class="antiqua">B</span> (ältere Weise), zweispaltig mit abgesetzten Versen <span class="antiqua">G</span>,
-<span class="antiqua">DNW</span> (jüngere Weise). Schließlich setzt man auch im Liede die
-Verse ab; zweispaltig verfahren so <span class="antiqua">AMI</span>, einspaltig <span class="antiqua">LU</span>
-(kleines Format); innerhalb der Klage schreibt <span class="antiqua">A</span> zweispaltig
-mit abgesetzten Doppelversen, <span class="antiqua">I</span> dreispaltig mit abgesetzten
-Versen, beides sichtlich aus räumlichen Gründen; das in kleinem Format
-gehaltene <span class="antiqua">X</span> schreibt einspaltig mit abgesetzten Versen. Ganz
-großes Format, dreispaltig eingerichtet, haben <span class="antiqua">O</span> und <span class="antiqua">K</span>;
-jenes setzt gar nicht ab und bringt hundert, dies setzt nur Strophen
-ab und bringt sechzig Strophen auf einem Blatte unter; <span class="antiqua">K</span> bringt
-also das ganze Nibelungenlied auf fünf Quaternionen, <span class="antiqua">O</span> gar nur
-auf drei Quaternionen unter; das weist darauf hin, daß sie beide (wie
-das aus <span class="antiqua">O</span> abgeschriebene <span class="antiqua">d</span>) Sammelhandschriften waren;
-ihre Einrichtung hat mit derjenigen der übrigen Handschriften nichts
-gemein, und sie sind gewiß nicht so alt, wie ihr Einrichtungsprinzip
-anzudeuten scheint.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_109">[S. 109]</span></p>
-
-<p>Der in der Handschrift <span class="antiqua">k</span> vorliegende, im 15. Jahrhundert
-modernisierte Text beruht in der Hauptsache auf einem Exemplare
-des Liet-Textes, das im Anfange zwei größere Lücken aufwies; diese
-sind ersetzt aus einer Handschrift des Not-Textes, die in nächster
-Verwandtschaft zu <span class="antiqua">A</span> stand, wie der gleiche Strophenbestand des
-Einganges zeigt.</p>
-
-<p>Das den beiden um 1200 und 1240 entstandenen Bearbeitungen zu
-Grunde liegende Original hat, wie wir gesehen haben, die angehängte
-Klagedichtung bereits besessen; auch war es in bezug auf die Technik
-der Metrik und des Reimes schon ziemlich hoch entwickelt, denn die
-überwältigende Mehrzahl aller Verse der beiden Bearbeitungen hat ihm
-bereits angehört. Es kann also seine Gestalt nicht allzulange vor der
-ersten Bearbeitung und keinesfalls vor dem Jahre 1170 gewonnen haben;
-die um 1200 vorgenommene Bearbeitung ist nicht durch formale, sondern
-durch inhaltliche Bedenken, in erster Linie durch das Streben, Lied und
-Klage miteinander auszugleichen, veranlaßt worden.</p>
-
-<p>Derjenige, der das durch Vergleichung der beiden Bearbeitungen uns
-noch im wesentlichen erreichbare Original geschaffen hat, ist nun noch
-nicht derjenige, den wir als den eigentlichen Nibelungendichter zu
-betrachten haben, sondern es ist vermutlich derselbe, der die Klage
-angehängt hat; dieser „Klagedichter“ hat gewiß auch seine Tätigkeit auf
-das Lied selbst ausgedehnt; sicher hat er ihm die vierzehn<a id="FNAnker_54" href="#Fussnote_54" class="fnanchor">[54]</a> Strophen
-eingefügt, die den Bischof Pilgrim erwähnen (1295&ndash;99. 1312. 1330. 1427.
-1428. 1495. 1627&ndash;30 Bartsch); sie lassen sich ohne jede Schwierigkeit
-herausheben.</p>
-
-<p>Ein Nibelungenlied mit Anhang (Klage) setzt notwendig ein
-Nibelungenlied ohne einen solchen voraus; wir kommen also ohne
-Schwierigkeit noch um eine Stufe weiter zurück und erreichen damit
-endlich die Tätigkeit des Mannes, den wir als den eigentlichen
-Nibelungendichter ansprechen dürfen. Von ihm dürfen wir behaupten,
-daß er ein Mann ritterlichen Standes und ein Österreicher war, da
-auf ihn doch wohl die genaue und sachkundige Beschreibung der Reise
-Kriemhilts zurückgeht; auch die oft durchblickende Abneigung gegen
-die Bayern macht das wahrscheinlich. Wien ist ihm eine wichtige und
-bedeutende Stadt, in ihr läßt er Kriemhilts zweite Hochzeit gefeiert
-werden; es ist aber, wenn auch alt, doch erst durch den ersten Herzog
-Österreichs,<span class="pagenum" id="Seite_110">[S. 110]</span> Heinrich († 1177), wieder aus jahrhundertelangem Verfall
-erhoben worden; Heinrichs Sohn und Nachfolger war der bekannte Leopold
-I. († 1194), der Gönner Reinmars des Alten, des Lyrikers; unter ihm
-erlangte der Wiener Hof jene Bedeutung als Pflegstätte edler Kunst, als
-welche er in der deutschen Literaturgeschichte bekannt ist. So werden
-wir schwerlich weit neben das Ziel treffen, wenn wir annehmen, daß
-der eigentliche Nibelungendichter unter Leopold I. und dem Einflusse
-seines Hofes gewirkt hat, also etwa 1180&ndash;1190. An seinem Werke ist
-manches auffällig, was schon bei der Besprechung des Inhalts erörtert
-worden ist; sein Anteil an der Stoffmasse ist bedeutend: der ganze
-erste Teil des Liedes und der Anfang des zweiten bis gegen Str. 1526
-(vgl. nachher) ist formal ganz von ihm gestaltet und auch inhaltlich
-von ihm mit Ausnahme der Grundzüge im wesentlichen erst geschaffen;
-auf ihn gehen u. a. das Prinzentum Siegfrieds und die durch dasselbe
-bedingten Szenen, auf ihn die Umschaffung des Spielmanns Volker in
-einen ritterlichen Sänger zurück. In der Schlußpartie des Epos benutzte
-er offenbar eine im wesentlichen bereits fertig vorliegende Darstellung
-(die älteste „Nibelunge Not“), die auch dem Verfasser der Thidrikssaga
-bekannt gewesen ist; er hat sie stark überarbeitet und durch Einfügung
-neuer Szenen und Personen (besonders des Dankwart) beträchtlich
-erweitert. Sein Anteil läßt sich mit Hilfe der Thidrikssaga ziemlich
-genau bestimmen: den Fährmann hat er aus einem einfachen, um Lohn
-arbeitenden Manne in einen Grenzwächter der Bayernfürsten umgeschaffen;
-die Verfolgung durch die Bayern und der daraus sich ergebende Kampf ist
-sein Werk, ebenso die Angabe, daß die Burgunden mit einem Heere von
-zehntausend Mann nach dem Hunnenlande gezogen seien; endlich gehört
-ihm im wesentlichen die Reihe von Szenen, die im einzelnen so prächtig
-ausgeführt sind, jedoch mit dem Geiste der ganzen Geschichte vielfach
-im Widerspruch stehen: sie setzen ein unmittelbar nach dem feindseligen
-Empfang durch Kriemhilt mit der Erzählung, daß Hagen und Volker sich
-dem Palaste der Königin gegenüber herausfordernd hingesetzt hätten, und
-schließen mit der unbegreiflichen Entlassung der Hauptgegner aus dem
-Saale; innerhalb dieser Partie blickt nur selten die alte Grundlage
-durch, deren Gang etwa der folgende gewesen sein muß: die Nibelunge
-richten sich, nachdem man sie nächtlicherweile zu überfallen versucht
-hat, in dem ihnen angewiesenen Hause zur<span class="pagenum" id="Seite_111">[S. 111]</span> Verteidigung ein; um Etzel
-zum Angriff fortzureißen, opfert Kriemhilt ihr Söhnchen, indem sie
-Hagen zu seiner Tötung reizt, und nun folgt unter Hohnreden der
-Nibelunge der Angriff der hunnischen Scharen. Der Rest der Dichtung,
-im wesentlichen aus den vier Abschnitten: Irings Kampf, Saalbrand,
-Rüdegers Kampf, Dietrichs Kampf bestehend, muß im großen und ganzen der
-Vorlage entnommen sein.</p>
-
-<p>Dieser eigentliche Nibelungendichter ist nun natürlich eben derjenige,
-der die auffällige lyrische Form für das Epos gewählt hat, eine
-Form, die nicht sein Eigen ist, sondern in den nicht lange vorher
-entstandenen Liedchen des sogenannten Kürnbergers bereits vorliegt.
-Pfeiffer hat aus dieser Übereinstimmung der Formen geschlossen,
-eben dieser Kürnberger sei der Dichter unseres Liedes; wäre dies
-richtig, so wäre uns damit nicht weiter geholfen, denn wir wissen vom
-Kürnberger nur, daß er ein Österreicher war, und kennen nicht einmal
-seinen Personennamen. Der Schluß ist aber nicht zwingend, denn seine
-Voraussetzung, daß eine bestimmte Strophenform Eigentum ihres Schöpfers
-sei, hat nie in dem angenommenen Umfang gegolten, vor allem nicht in
-so alter Zeit; endlich aber erklärt er ja die Sonderbarkeit, daß ein
-Epos lyrische Form aufweist, überhaupt nicht. Die einzige plausible
-Erklärung ist vielmehr die, daß der Nibelungendichter die benutzte Form
-in seinen Quellen, denen er mehr oder weniger wörtlich folgt, bereits
-vorgefunden hat, und daß die Quellen volkstümliche Balladen gewesen
-sind.</p>
-
-<p>Daß das Nibelungenlied auf derartige Volksgesänge zurückgehe, hat
-bereits der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit dieser Frage
-beschäftigte, Karl Lachmann, 1816 in seiner Schrift „Über die
-ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth“ behauptet.
-In der Durchführung des Gedankens ist er dann freilich weit über
-das Erreichbare und sogar über das Wahrscheinliche hinausgegangen:
-das Gedicht sollte entstanden sein aus einer Sammlung von zwanzig
-ursprünglich selbständigen Liedern, alle von ein und derselben Form,
-die inhaltlich aufeinander folgten<a id="FNAnker_55" href="#Fussnote_55" class="fnanchor">[55]</a> und durch Verbindungsstücke
-zu einem Ganzen zusammengeschlossen worden seien. Die Verteidiger
-und Ausgestalter dieser Liedertheorie (Müllenhoff, Rieger, Busch,
-Henning) haben die großen Unwahrscheinlichkeiten, die darin liegen,
-daß die<span class="pagenum" id="Seite_112">[S. 112]</span> Lieder alle die gleiche Form haben, alle im wesentlichen
-unverändert im Epos stecken sollen, und zum Teil Erzählungsabschnitte
-ohne selbständigen Wert behandeln, nicht zu beheben vermocht; in der
-Form, wie Lachmann seine Theorie durchzuführen versucht hat, muß sie
-heute als überwunden gelten. Anerkannt aber darf heute noch werden, mit
-welch sicherem Gefühl Lachmann die einzelnen Unebenheiten des großen
-Gedichtes erkannt und benutzt hat.</p>
-
-<p>Eine Quelle, und zwar die wichtigste, die der Nibelungendichter benutzt
-hat, ist mit unsern Mitteln noch leidlich zu erkennen; ihr Anfang
-wird markiert durch das plötzliche Auftreten des Namens „Nibelunge“
-im Sinne von Burgunden Str. 1526 (Bartsch); sie umfaßt den ganzen
-letzten Teil vom Auszuge der Burgunden auf ihre letzte Fahrt bis zu
-ihrem Untergange; auf sie allein paßt der alte, in der letzten Strophe
-gegebene Titel „<span class="antiqua">der Nibelunge nôt</span>“.</p>
-
-<p>Diese älteste „<span class="antiqua">Nibelunge nôt</span>“ muß als ein Werk volkstümlichen
-Ursprunges von geringem Umfange aus der Zeit von 1150&ndash;1180 gelten; ihr
-muß die Strophenform bereits eigen gewesen sein. Sie scheint dasselbe
-Werk zu sein, dem der Verfasser des Grundstocks der Thidrikssaga seine
-Kenntnis unserer Sage verdankt; denn wie der erste alte Bestandteil des
-Liedes Siegfrieds Erscheinen in Worms ist, so schließt in der Saga sich
-an die Isungsgeschichte Siegfrieds Bekanntwerden mit den Nibelungen
-an, und von diesem Augenblicke an geben beide Quellen trotz aller
-beiderseitigen Überarbeitungen und Zusätze bis zum großen Schlußkampfe
-durchaus parallel laufende Darstellungen. Bis zum Auszuge der Nibelunge
-nach dem Hunnenlande kann diese alte „<span class="antiqua">Nibelunge nôt</span>“ allerdings
-kaum mehr als eine notdürftig orientierende Einleitung gegeben haben.
-Der Nibelungendichter hat sie, überarbeitet und erweitert, seinem Epos
-zugrunde gelegt; neben ihr hat er vielleicht auch noch andere Quellen
-gehabt, deren Form und Umfang aber unbestimmt bleibt. Jedenfalls hat er
-den bei weitem größten Teil des übrigen Gedichtes selbst geschaffen,
-wie die zahlreichen rein höfischen Szenen ohne echten Sagengehalt
-beweisen.</p>
-
-<p>Noch eine Frage wäre zu beantworten: wie verhält sich die alte Ballade
-zu der lateinischen Aufzeichnung unseres Stoffes im 10. Jahrhundert,
-von der wir durch die „Klage“ Kunde haben? G. Roethe hat die Annahme
-aufgestellt, daß das Werk des Schreibers Konrad ein Gedicht gewesen
-sei wie Eckehards Waltharius<span class="pagenum" id="Seite_113">[S. 113]</span> (eine „Nibelungias“), und daß das
-Nibelungenlied in seiner Grundlage eine deutsche Nachdichtung
-jenes Werkes sei; die Möglichkeit ist zuzugeben, aber groß ist sie
-nicht, denn 1. spricht der Klagedichter nur von einer lateinischen
-Niederschrift und seitdem entstandenen deutschen Gedichten, was darauf
-führt, Konrads Arbeit für Prosa zu halten, und 2. ist die Klage ja ein
-verhältnismäßig junges Anhängsel zum Liede und dürfte eine Verbindung
-zwischen diesem und Konrads Niederschrift überhaupt erst herstellen
-(Einfügung des Bischofs Pilgrim).</p>
-
-<p>Die Schicksale unseres großen Epos lassen sich nun im Schema
-folgendermaßen darstellen:</p>
-
-<table class="schema" summary="Entwicklung des Nibelungenepos">
- <tr>
- <td colspan="10">
- <div class="center">älteste <span class="antiqua">Nibelunge nôt</span>,<br />
- volkstümliche, balladenartige Dichtungen aus dem dritten Viertel des
- 12. Jahrhunderts.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1" colspan="6">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td colspan="10">
- <div class="center">Ritterliches Epos gleichen Titels, in Österreich entstanden etwa
- 1180&ndash;1190.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1" colspan="6">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td colspan="10">
- <div class="center">Dasselbe um die „Klage“ erweitert und vielleicht etwas
- überarbeitet, ungefähr 1190&ndash;1200.</div>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1" colspan="6">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 bt br" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="3">
- <div class="center">Vollkommenste Überarbeitung in rein höfischem Sinne,
- etwa 1200&ndash;1210 (der <span class="antiqua">Nibelunge liet</span>), uns
- durch die Handschriftengruppe <span class="antiqua">Ca</span> erhalten.</div>
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td class="br">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="6">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="4">
- <div class="center">Jüngere, treuere und volkstümlichere Überarbeitung,
- etwa 1240&ndash;1250 entstanden, löst das „<span class="antiqua">liet</span>“
- in seiner Geltung ab (daher Vulgata), bleibt aber fortgesetzt
- von ihm beeinflußt.</div>
- </td>
- <td colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="6">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1" colspan="4">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 br bt" colspan="5">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td colspan="4">
- <div class="center">Handschriftengruppe <span class="antiqua">Id</span>.</div>
- </td>
- <td class="br" colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br" colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 br" colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 br bt" colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="he1 br">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 br bt" colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 br" colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="he1 br" colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td colspan="2">
- <div class="center">Unveränderter Zweig derselben, hauptsächlich durch
- <span class="antiqua">d</span> repräsentiert.</div>
- </td>
- <td class="br">
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td class="vat" colspan="1">
- <div class="center mleft2">Handschrift&nbsp;<span class="antiqua">B</span>.</div>
- </td>
- <td class="br">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="br bt" colspan="3">
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
-
- <tr>
- <td colspan="2">
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="2">
- <div class="center">Zweig mit selbständigen Änderungen, hauptsächlich durch
- <span class="antiqua">I</span> repräsentiert.</div>
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td colspan="2">
- <div class="center">Die Mehrzahl der Vulgata-Handschriften (vollständig,
- aber verkürzt, nur <span class="antiqua">A</span>.</div>
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td class="vat">
- <div class="center">Handschriftengruppe <span class="antiqua">Db</span>.</div>
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_114">[S. 114]</span></p>
-
-<p>Kurze Erwähnung verdient noch eine formale Eigentümlichkeit, die für
-die Beurteilung des Verhältnisses der beiden Hauptzweige nicht ohne
-Bedeutung ist: nicht selten sind die Cäsuren eines Verspaares durch
-Reim miteinander verbunden (Cäsurreim); solange innerhalb einer zwei
-Verspaare umfassenden Strophe nur eins Cäsurreim aufweist, kann er
-zufällig sein; sobald aber beide Verspaare ein und derselben Strophe
-gereimte Cäsuren haben, muß das auf Absicht des Verfassers beruhen.
-Nun sind im Nibelungenliede vereinzelte Cäsurreime zwar nicht gerade
-häufig, kommen aber doch ab und an vor, und zwar auch so, daß sie für
-die Vorlage beider Bearbeitungen gesichert sind. Durchgereimte Strophen
-aber finden sich, vergleichsweise häufig, nur in den Zusatzstrophen
-des Liet-Textes. Nun sind solche Strophen eigentlich keine Vierzeiler
-mehr, sondern Achtzeiler mit überschlagenden Reimen, also eine andre
-Kunstform; mischt sie der Liet-Bearbeiter dem alten Texte unbedenklich
-ein, so zeigt er damit, daß ihm das Verständnis für ihre Besonderheit
-noch nicht aufgegangen ist. Dies Verständnis fand sich erst gegen
-die Mitte des 13. Jahrhunderts ein; der Not-Bearbeiter bedient sich
-daher nie der durchgereimten Strophen, und der Interpolator der Gruppe
-<span class="antiqua">Id</span> hat es vermieden, solche aus dem Liet-Texte herüberzunehmen;
-dagegen hat derjenige, der den erweiterten Anfang des Liet-Textes
-in den Not-Text übertrug, nicht dieselbe Zurückhaltung bewahrt: von
-den beiden durchgereimten Strophen dieses Stückes findet sich 17 in
-<span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">A</span>, 1 nur in <span class="antiqua">A</span>.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_115">[S. 115]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="VII"><span class="s5">VII.</span><br />
-<b>Wirkung des Liedes in der alten Literatur. Allmähliches Erlöschen des
-Interesses.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>as Erscheinen des Nibelungenliedes ist ein großes literarisches
-Ereignis gewesen; man erkennt dies nicht nur aus der Tatsache der
-wiederholten Überarbeitungen und der großen Zahl der Handschriften,
-sondern vor allem auch daraus, daß vom 13. Jahrhundert an zahlreiche
-Epen in der Nibelungenstrophe oder einer nahe verwandten Form
-auftauchen. Das älteste derartige Gedicht, von dem wir allerdings nur
-dürftige Bruchstücke besitzen, ist die mittelhochdeutsche Bearbeitung
-der (vorhin besprochenen) Walthersage. Hier ist die Nibelungenstrophe
-dadurch variiert, daß die vorletzte Halbzeile um zwei Hebungen
-verlängert ist, z. B.</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2"><span class="antiqua">er pflác des lándes nâch der krône réhté,</span></div>
- <div class="verse indent37"><span class="antiqua">wand im riet diu júncfrówe dáz</span>.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Inhaltlich ist die alte Walthersage dadurch verändert, daß Hagen zur
-Zeit von Walthers Flucht noch an Etzels Hofe lebt, daß es die Hunnen
-sind, die Walther verfolgen und angreifen, und daß Hagen in hunnischen
-Diensten die Rolle des Hauptgegners spielt. Das Nibelungenlied, das
-mehrmals auf die Walthersage anspielt, kennt sie nur in der alten
-Gestalt; auch aus diesem Grunde ist die fragmentarisch erhaltene
-Waltherdichtung jünger, doch kann sie nicht allzu spät entstanden sein,
-denn sie mischt noch zahlreiche Cäsurreime ohne bestimmtes Prinzip ein;
-sie dürfte dem Liet-Texte zeitlich an die Seite zu stellen sein.</p>
-
-<p>Formell, nicht inhaltlich, ist ein Schößling des Nibelungenliedes
-auch das Gedicht von Kudrun; es behandelt einen aus<span class="pagenum" id="Seite_116">[S. 116]</span> dem Auslande
-(ursprünglich vermutlich aus England) eingeführten Stoff, den sein
-Dichter nicht in jeder Beziehung begriffen hat, und setzt in seinem
-Kolorit die Zeit des Kreuzzuges Friedrichs II. voraus, ist also wohl
-zwischen 1230&ndash;50 entstanden<a id="FNAnker_56" href="#Fussnote_56" class="fnanchor">[56]</a>. Die Nibelungenstrophe ist hier
-dadurch variiert, daß sie in der zweiten Hälfte klingenden Ausgang
-erhalten hat; auch erscheint die Schlußzeile (aber nicht durchgängig)
-um eine Hebung verlängert. Sehr erschwert wird uns die Beurteilung der
-Geschichte dieses Gedichtes dadurch, daß es nur in einer ganz jungen
-Sammelhandschrift (derselben, die im Handschriftenschema der Nibelungen
-d heißt) erhalten ist; ihre Vorlage <span class="antiqua">O</span>
-(vgl. <a href="#Fragment_O">S. 107</a> u. <a href="#Vorlage_O">120</a>)
-gehört, da sie doch wohl wesentlich dieselben Stücke wie d enthalten
-hat, erst der Anfangszeit des 14. Jahrhunderts an, steht also vom
-Ursprungstermin der Kudrun noch erheblich ab. Viele Hände dürfen wir
-uns an diesem Gedichte nicht tätig gewesen denken, da seine Bezeugung
-und Bekanntschaft in der gleichzeitigen Literatur sehr gering ist; doch
-ist wahrscheinlich, daß einmal ein Bearbeiter versucht hat, es durchweg
-mit Cäsurreimen zu schmücken; er ist indes mit seiner Arbeit nicht zum
-Ziele gelangt.</p>
-
-<p>Etwa gleichaltrig der Kudrun ist ein Gedicht, das Ausgangspunkt für
-eine ganze Sippe von Epen geworden ist: die Geschichte von König
-Ortnid. In ihm wird die Nibelungenstrophe unverändert verwendet, doch
-ist meist die letzte Zeile um eine Hebung verkürzt, also den drei
-übrigen gleich gemacht; diese Erscheinung hat ihren Grund wohl darin,
-daß spätere Aussprache auch im Nibelungenliede manche vierhebige
-Schlußzeile bereits nur dreihebig wiederzugeben verstand, z. B.</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent3"><span class="antiqua">diu wás ze Sántén genánt</span></div>
- <div class="verse indent2">als <span class="antiqua">diu wás ze Sánten gnánt</span>, oder</div>
- <div class="verse indent3"><span class="antiqua">béidiu líut únde lánt</span></div>
- <div class="verse indent2">als <span class="antiqua">béidiu líut und lánt</span>.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Der Stoff des Ortnid ist der Sage von Ortnid und Wolfdietrich
-entnommen und ohne Wolfdietrichs Geschichte unvollständig; auch der
-Ortnid-Dichter hat die Absicht gehabt, einen Wolfdietrich folgen
-zu lassen, wie er im letzten Verse andeutet,<span class="pagenum" id="Seite_117">[S. 117]</span> aber er hat seine
-Absicht nicht ausgeführt, vermutlich weil er vorher starb. Zwei andre
-Männer haben, unabhängig voneinander, dem Ortnid einen Wolfdietrich
-angehängt; den einen bezeichnen wir als <span class="antiqua">A</span>, den andern als
-<span class="antiqua">C</span>. Außerdem existiert noch eine dritte, leider nur in schlechten
-Handschriften erhaltene Bearbeitung der Ortnid-Wolfdietrich-Sage:
-hier ist die Ortnid-Geschichte im Zusammenhange des Wolfdietrich
-erledigt und statt ihrer eine selbständige Vorgeschichte, die Erzählung
-von Wolfdietrichs Vater Hugdietrich, vorgeschoben; wir bezeichnen
-diese Textgestalt als <span class="antiqua">B</span>. Alle diese Dichtungen entstanden in
-der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zu Anfang des 14. hat ein
-Kompilator, der sich für Wolfram von Eschenbach ausgibt, die Texte
-<span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> dergestalt zu einem großen Epos vereinigt, daß er
-mit Ortnids Brautfahrt beginnt, Hugdietrich folgen läßt und mit dem zu
-einem ungeheuerlichen Stoffsammler angewachsenen Wolfdietrich schließt;
-das ist der große Wolfdietrich (<span class="antiqua">D</span>), der bis zum Ende des 16.
-Jahrhunderts, mehrfach modernisiert, sein Publikum gefunden und ergötzt
-hat. Für die Geschichte des Cäsurreims ist der Wolfdietrich <span class="antiqua">D</span>
-besonders lehrreich: der ursprüngliche Text verwendet sie planmäßig in
-schildernden Abschnitten, besonders wenn Kämpfe dargestellt werden;
-zwei neue Bearbeitungen aus dem 15. Jahrhundert aber verfahren
-anders: die eine, in derselben Handschrift bewahrt, die im Schema der
-Nibelungen <span class="antiqua">k</span> heißt, tilgt die Cäsurreime durchaus, die andre, im
-gedruckten Heldenbuch (vgl. nachher <a href="#Heldenbuch">S. 118</a>) vorliegende führt sie im
-Gegenteil durch das ganze Gedicht durch.</p>
-
-<p>Eine nicht nur formell, sondern auch inhaltlich dem Nibelungenliede
-sehr nahestehende Dichtung ist die (in der gleichen modernisierten
-Strophenform abgefaßte) vom Rosengarten zu Worms, deren Stoff wir
-schon früher berührt haben. Sie ist in der Mitte des 13. Jahrhunderts
-entstanden und in fünf verschiedenen Fassungen auf uns gekommen: die
-inhaltlich altertümlichste, aber nicht mit dem Original identische
-bezeichnen wir mit <span class="antiqua">A</span>; die vier andern sind Erscheinungsformen
-ein und derselben Entwicklungsreihe, aus der nacheinander die Texte
-<span class="antiqua">F</span>, <span class="antiqua">P</span> und <span class="antiqua">C</span> sich abzweigen, und die in dem Anfang
-des 14. Jahrhunderts in der Straßburger Gegend abgeschlossenen Texte
-<span class="antiqua">D</span> gipfelt. Außerdem existieren mehrere jüngere Bearbeitungen.</p>
-
-<p>Das (in kurzen Reimpaaren abgefaßte) Gedicht von König Laurin
-und seinem Rosengarten hat mit der Nibelungensage und<span class="pagenum" id="Seite_118">[S. 118]</span> ihrem
-Literaturkreise ursprünglich nichts zu tun; da es aber in seinen
-Motiven Verwandtschaft mit dem „Rosengarten zu Worms“ zeigt, ist es
-frühzeitig äußerlich mit diesem vereinigt worden: schon die Handschrift
-des Rosengartens <span class="antiqua">P</span> enthält auch den Laurin; in den Stufen
-<span class="antiqua">C</span> und <span class="antiqua">D</span> sind die beiden Gedichte im Titel zu einander
-in Beziehung gesetzt als der „große“ und der „kleine“ Rosengarten
-(letzterer ist der Laurin). Der Bearbeiter <span class="antiqua">D</span> schreibt das Werk
-dem nur aus dem sogenannten Wartburgkriege bekannten Heinrich von
-Ofterdingen zu<a id="FNAnker_57" href="#Fussnote_57" class="fnanchor">[57]</a>.</p>
-
-<p id="Heldenbuch">Im 15. Jahrhundert entstand aus der Vereinigung des Großen Wolfdietrich
-mit den beiden Rosengärten (in der Fassung <span class="antiqua">D</span>) das sogenannte
-„Heldenbuch“; ihm wurde eine prosaische Vorrede beigegeben, die
-sich als der erste deutsche Versuch einer Übersicht der gesamten
-Heldensage darstellt, allerdings in äußerst ungeschickter Form. Der
-Verfasser dieser Vorrede läßt, vermutlich infolge Mißverständnisses,
-Siegfried im Rosengarten von Dietrich erschlagen werden und stellt
-den zweiten Teil der Nibelungensage als Folge dieses Geschehnisses
-hin: Kriemhilts Haß ist gegen Dietrich gewendet; trotzdem tötet sie
-schließlich eigenhändig ihre Brüder; es ist dem Sagensammler also nicht
-gelungen, seine Erzählung innerlich auszugleichen. Für uns aber ist
-besonders interessant, daß Kriemhilt in dieser Vorrede den Kampf ganz
-in derselben Weise, wie es in der Thidrikssaga geschieht, durch bewußte
-Opferung ihres Sohnes in Gang bringt. &mdash; Das Heldenbuch wurde von der
-zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an bis 1590 immer wieder gedruckt;
-als in mehreren Exemplaren gedruckt vorliegendes Werk hat es nicht
-wenig dazu beigetragen, daß im 18. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der
-Gelehrten wieder auf unsere alten Sagenstoffe gelenkt wurde.</p>
-
-<p>Der Strophenform des Nibelungenliedes bedient sich ferner noch das Epos
-von Alpharts Tod, uns nur in einer einzigen späten und lückenhaften
-Handschrift erhalten; es entstammt etwa der zweiten Hälfte des 13.
-Jahrhunderts und behandelt einen Abschnitt der Dietrichsage.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_119">[S. 119]</span></p>
-
-<p>Formal abhängig vom Nibelungenliede dürfte auch das Gedicht von der
-Ravennaschlacht sein; es ist in einer eigentümlichen Strophe verfaßt,
-deren erste Hälfte annähernd eine halbe, auf den Cäsuren gereimte
-Nibelungenstrophe darstellt, während die zweite aus zwei mittellangen,
-cäsurlosen, klingend gereimten Versen besteht; ganz klar ist die
-ursprüngliche Form wegen starker Überarbeitung nicht erkennbar. Wie
-uns nämlich die Ravennaschlacht überliefert ist, entstammt sie erst
-dem Anfang des 14. Jahrhunderts und bildet den zweiten Teil zu dem in
-kurzen Reimpaaren verfaßten Gedichte von Dietrichs Ahnen und Flucht.
-Der Verfasser des ganzen Werkes nennt sich Heinrich der Vogler und ist
-ein Spielmann. Schon der Umstand, daß er im Verlaufe seiner Dichtung
-von der einfachen epischen Weise zu einer Strophenform übergeht, zeigt,
-daß er hier eine alte Grundlage überarbeitet. Für diese Grundlage
-besitzen wir noch zwei selbständige Zeugnisse: die betreffende Partie
-der Thidrikssaga, die sie inhaltlich wiedergibt, und einen deutlichen
-Hinweis in dem Gedichte „Meier Helmbrecht“ von Wernher dem Gärtner,
-das etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Die
-Grundlage der Ravennaschlacht wird damit in der ersten Hälfte des 13.
-Jahrhunderts festgehalten.</p>
-
-<p>Das von uns früher (<a href="#Huernen_Seifrid">S. 65</a>) besprochene Gedicht vom „Hürnen
-Seifried“, das uns nur in Drucken des 16. Jahrhunderts erhalten ist,
-gehört natürlich nach Inhalt und Form ebenfalls zu den durch das
-Nibelungenlied befruchteten Werken. Es geht auf eine verlorene ältere
-Dichtung zurück, aus der es augenscheinlich nur ausgezogen ist. Wir
-besitzen nämlich in dem Bruchstück m einer Nibelungenhandschrift einen
-Beweis für des „Hürnen Seifrid“ früheres und umfangreicheres Dasein:
-das Bruchstück ist nur ein Teil eines Verzeichnisses von Überschriften
-der Gesänge nebst Blattweiser, es genügt aber, um zu erkennen, daß der
-verlorene Text den „Hürnen Seifrid“ in das Lied hineingearbeitet hatte,
-und zwar sowohl die Jugendgeschichte wie den Drachenkampf; Kriemhilt
-wird in dem Augenblicke, da man sich zur Fahrt nach Island rüstet, vom
-Drachen entführt und demnächst von Siegfried befreit. Das Bruchstück
-ist um 1400 geschrieben und hält damit den ältern „Hürnen Seifrid“ im
-14. Jahrhundert fest.</p>
-
-<p>In den beiden nächsten Jahrhunderten ist die Verwendung der
-Nibelungenstrophe in jüngerer Form so häufig, daß ihr Auftreten<span class="pagenum" id="Seite_120">[S. 120]</span> nur
-noch einen ganz äußerlichen Zusammenhang mit dem Nibelungenliede
-bedeutet; es genügt für uns, die Entwicklung der Strophenform selbst
-kurz darzulegen: durchweg ist die vierte Zeile den drei ersten
-gleichgemacht; nach meistersingerischer Weise wird feste Silbenzahl
-beabsichtigt (vor der Cäsur sieben Silben klingend ausgehend, nach
-derselben sechs stumpf ausgehend); die Cäsuren sind konsequent
-entweder reimlos oder durchgereimt: in ersterem Falle heißt die Form
-„Hiltebrandston“ (ihn verwenden das modernisierte Nibelungenlied der
-Handschrift <span class="antiqua">k</span> und der Hürnen Seifrid), in letzterem Falle
-„Heunenweise“. Das Bewußtsein von der Besonderheit der Form, die durch
-gereimte Cäsuren bedingt wird, ist also völlig durchgedrungen.</p>
-
-<p>Bis in das 15. Jahrhundert hinein bleibt das Interesse am
-Nibelungenliede lebhaft und wach; der Stoff wird sogar gelegentlich dem
-Zeitgeschmack angepaßt. So wird um 1400 in der Handschrift <span class="antiqua">b</span> an
-der Stelle, wo Dietrich die ankommenden Burgunden vor Kriemhilt warnt,
-eine Interpolation eingelegt, die erzählt, Kriemhilt habe Röhren,
-gefüllt mit Schwefel und Kohle (also Pulverminen), legen lassen, um die
-Burgunden im Nachtlager in die Luft zu sprengen. Im 15. Jahrhundert
-ist dann die ganze Dichtung neu überarbeitet und nach den Regeln der
-Meistersinger sprachlich behandelt worden; es ist dies der Text, der
-uns in der Handschrift <span class="antiqua">k</span> erhalten ist. Das Gedicht wird hier in
-seinen beiden Abschnitten betitelt „die erste Hochzeit Kriemhilts mit
-Siegfried“ und „die zweite Hochzeit Kriemhilts mit Etzel“.</p>
-
-<p id="Vorlage_O">Dann aber fängt das Interesse an zu erlöschen. Der letzte namhafte
-Mann, der zu unserm Liede in Beziehung steht, ist Kaiser Maximilian I.,
-der letzte Ritter. Er hat das sog. Heldenbuch an der Etsch (offenbar
-eine ältere Sammelhandschrift, von der vermutlich <span class="antiqua">O</span> ein Rest
-ist) abschreiben lassen und dadurch in den Jahren 1502&ndash;1517 die noch
-erhaltene große Ambraser Sammelhandschrift geschaffen, die auch
-unser Lied enthält (<span class="antiqua">d</span>). Es ist die letzte Handschrift unseres
-Gedichtes. Gedruckt worden ist das Lied in alter Zeit nicht. Mit dem
-Augenblicke, da der Buchdruck durchgedrungen war, ist das Interesse
-an ihm erlahmt; warum, ist schwer zu ersehen; wahrscheinlich, weil
-der Geschmack des Liedes für die damalige Zeit auf der einen Seite zu
-ritterlich-vornehm, auf der andern aber wieder zu volkstümlich-einfach
-war; die einfachern Kreise mochten es seiner Vornehmheit wegen<span class="pagenum" id="Seite_121">[S. 121]</span> nicht,
-und die vornehmern hatten ihre Neigung bereits den neu auftretenden
-humanistischen Stoffen zugewendet. Wir finden nun an Stelle des
-Liedes im 16. Jahrhundert nur das gedruckte, wenig wertvolle Gedicht
-vom „Hürnen Seifrid“, das bis 1611 immer wieder aufgelegt wurde, das
-sich aber nur an ein untergeordnetes Publikum wendet. Bezeichnend
-ist die ebengenannte Jahreszahl 1611: sieben Jahre vor Ausbruch des
-Dreißigjährigen Krieges! Von da an sind die älteren Dichtungen nicht
-mehr beachtet, also auch nicht mehr aufgelegt worden, sondern in
-Vergessenheit geraten. Ja, sogar die Erinnerung an die alte Sage,
-die doch in Oberdeutschland, wenigstens was die Dietrichsage angeht,
-ganz lebendig im Volke haftete, ist im Dreißigjährigen Kriege völlig
-erloschen. Nur in einer ganz verzerrten Form hat die Nibelungensage
-diese Zeit überdauert: im sog. Volksbuch vom gehörnten Siegfried.
-Der erste erhaltene Druck dieses Buches stammt aus dem Jahre 1726;
-der Text selbst ist vielleicht noch etwas älter. Er ist in ganz
-rohem Geschmack hergestellt: auf der einen Seite ist er äußerlich
-in die Höhe geschraubt durch Einführung fremdklingender Namen,
-lateinischer Endungen u. dgl. (so heißt Gibich jetzt Gibaldus,
-Kriemhilt Florigunda); auf der andern Seite wieder sind komische
-Szenen eingelegt, Narrenstreiche und ähnliche höchst unbedeutende
-kleine Episoden. Im großen und ganzen ist das Volksbuch weiter nichts
-als eine Umarbeitung des „Hürnen Seifrid“. Es ist dann immer wieder
-aufgelegt worden bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein, ohne
-daß die bessern Kreise sich um dasselbe irgendwie gekümmert hätten.
-Auf dem Titel steht zu lesen: „Gedruckt in diesem Jahr“; so wird dem
-ungebildeten Leser weisgemacht, daß er das Neueste vom Jahre in der
-Hand habe. Die Behörden haben nicht nur den Gehörnten Siegfried,
-sondern auch alle andern Volksbücher öfter verboten. Man begreift ihr
-Vorgehen, wenn man auf den ungeläuterten Geschmack achtet, der in
-diesen Büchern waltet: sie stehen ungefähr auf der Stufe der modernen
-Hintertreppenromane. Aber die „albernen Dinge“ (wie die einschreitenden
-Behörden die Volksbücher nannten) waren manchen Leuten noch nicht
-albern genug; so konnte es geschehen, daß das Volksbuch vom gehörnten
-Siegfried zweimal noch weiter heruntergezogen wurde: 1783 verbreiterte
-es ein <span class="antiqua">Dr.</span> Kindleben zu einem zweibändigen Volksroman von mehr
-als 550 Seiten, und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts erschien
-eine Neubearbeitung unter folgendem bezeichnenden<span class="pagenum" id="Seite_122">[S. 122]</span> Titel: „Siegfried
-und Florigunde. Oder: durch Gefahren wird die Tugend gestärkt, und
-die Ausdauer in derselben belohnt. Eine mährchenhafte Historie von
-den Abenteuern, welche Siegfried der Ungehörnte wegen der schönen
-Florigunde bestanden hat. Erster Teil. Ganz umgearbeitet, neu aufgelegt
-und in ein heilsames Lesebuch verwandelt.“ <span class="antiqua">Sapienti sat.</span> Vor dem
-angekündigten zweiten Teile scheint das Publikum bewahrt geblieben zu
-sein. Das Buch blieb der letzte direkte Ausläufer des alten Stoffes;
-mit dem inzwischen bereits eingeleiteten Wiedererwecken desselben hat
-es keinen Zusammenhang.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_123">[S. 123]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="VIII"><span class="s5">VIII.</span><br />
-<b>Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem 18. Jahrhundert.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>er erste, der dafür tätig gewesen ist, daß wir wieder Geschmack und
-Interesse für unsere ältere Literatur bekommen haben, und der deshalb
-nicht vergessen werden darf, obgleich ihn seine jüngern Zeitgenossen
-(im allgemeinen unverdienter Weise) viel geschmäht und dadurch fast
-der Vergessenheit überliefert haben, ist Gottsched. Er hat 1752 dem
-Heldenbuch und dem Hürnen Seifrid gelehrte Beachtung geschenkt; vom
-Nibelungenliede weiß er noch nichts. Das lag damals noch für Gelehrte
-und Ungelehrte im Staube der alten Bibliotheken vergraben. Erst drei
-Jahre nach dieser ersten Betätigung Gottscheds auf dem Gebiete unserer
-alten Literatur entdeckte ein junger Mediziner, Namens Obereit,
-bei einem Besuche des Schlosses Hohenems in Vorarlberg 1755 am 29.
-Juni die von uns jetzt mit <span class="antiqua">C</span> bezeichnete Handschrift des
-Nibelungenliedes, und von diesem Augenblicke an ist das Gedicht neu
-belebt, denn durch Obereit ward Bodmer, der Führer der Schweizer im
-Streite wider Gottsched, bekannt mit der Handschrift und gab einen
-Teil von ihr heraus: 1757 ließ er den zweiten Teil des Liedes samt
-der Klage von einem zufälligen Punkte an, nämlich vom Wiedereinsetzen
-des Textes nach der letzten Lücke von <span class="antiqua">C</span> (Str. 1682 Holtzmann)
-an, abdrucken. Den fehlenden Eingang hat er durch eine eigene
-mittelhochdeutsche Reimerei ersetzt, die ihm natürlich mißglückt ist.
-Die Ausgabe trägt den Titel: „Chriemhilden Rache, und die Klage;
-zwey Heldengedichte aus dem schwäbischen Zeitpuncte“. <a id="Neubearbeitung"></a>Viel Erfolg
-hat sie freilich nicht gehabt, obgleich Bodmer selbst noch für die
-erste neuhochdeutsche Bearbeitung gesorgt hat: im Jahre 1767, also
-zehn Jahre später, veröffentlichte er unter dem Titel „Die Rache<span class="pagenum" id="Seite_124">[S. 124]</span> der
-Schwester“ eine Übertragung des mittelhochdeutschen Textes seiner
-Ausgabe in deutsche, wenig glücklich gebaute Hexameter. Wenn auch
-damit nicht allzuviel für das Lied geschehen war, so war doch ein
-Schritt getan, auf dem weiter gebaut werden konnte; das Interesse war
-geweckt. Nach kaum einem Menschenalter ist ein jüngerer Gelehrter, ein
-Schüler Bodmers, Myller, in der Lage, nicht bloß das Nibelungenlied,
-und zwar vollständig, sondern eine größere Anzahl von Gedichten aus
-dem deutschen Mittelalter in einer Sammlung herausgeben zu können, auf
-die bereits hervorragende Personen subskribieren, und die sich sogar
-an die höchsten Stellen wendet: Myller erbat und erhielt noch 1780
-von König Friedrich II. von Preußen die Erlaubnis, ihm das Sammelwerk
-zueignen zu dürfen. Im Jahre 1782 erschien daher als erstes Stück der
-Myllerschen Sammlung die erste vollständige Ausgabe: „Der Nibelungen
-Liet, ein Rittergedicht aus dem XIII. oder XIV. Jahrhundert. Zum
-ersten Male aus der Handschrift ganz abgedruckt“. Myller legte Bodmers
-Ausgabe zugrunde und fügte den ersten Teil aus einer Bodmer gehörigen
-Abschrift hinzu; als Bodmer sich seinerzeit diese Ergänzung zu seinem
-Texte aus Hohenems verschaffte, war aber ein Irrtum untergelaufen: in
-Hohenems lagen ja zwei Handschriften, nämlich außer <span class="antiqua">C</span>, auf der
-Bodmers Ausgabe beruht, noch <span class="antiqua">A</span>; letztere wurde zufälligerweise
-zur Ergänzung benutzt, und so stellt sich die erste vollständige
-Nibelungen-Ausgabe in ähnlicher Art als Mischtext dar, wie es um 1300
-mit der Gruppe <span class="antiqua">Db</span> und um 1450 mit der Bearbeitung <span class="antiqua">k</span>
-der Fall war. Daß die Handschriften <span class="antiqua">C</span> und <span class="antiqua">A</span> im Texte
-ziemlich weit voneinander abstehen, konnte man um 1780 noch nicht
-beurteilen. Das Werk war, wie gesagt, keinem Geringern gewidmet als
-Friedrich dem Großen, und ihm natürlich auch ein Exemplar übersandt
-worden. Dafür hat sich der König in einem höchst charakteristischen und
-eigentümlichen Briefe bedankt, aus dem hervorgeht, daß damals die Zeit
-des Verständnisses für unsere ältere Literatur noch nicht gekommen war,
-am allerwenigsten Friedrich dem Großen, der ja nicht einmal an der eben
-neuerblühten deutschen Literatur irgendwelchen Anteil nahm. Der Brief
-lautet:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p class="mleft2">Hochgelahrter, lieber getreuer.</p>
-
-<p>Ihr urtheilt, viel zu vortheilhafft, von denen Gedichten, aus dem
-12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert<span class="pagenum" id="Seite_125">[S. 125]</span> habet, und zur
-Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner
-Einsicht nach, sind solche, nicht einen Schuß Pulver, werth; und
-verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit, gezogen zu
-werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens, würde Ich, dergleichen
-elendes Zeug, nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon
-eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal, in der dortigen
-großen Bibliothec, abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem
-nicht, Euer sonst gnädiger König</p>
-
-<p>Potsdam, d. 22. Februar 1784. <span class="rght">Frch.</span></p>
-
-</div>
-
-<p>Der Brief wird auf der Züricher Bibliothek unter Glas und Rahmen
-aufbewahrt. Er ist geschrieben nach Vollendung des ersten Bandes der
-Sammlung, der außer den Nibelungen noch die Eneit, den Parzival und
-den Armen Heinrich enthält, bezieht sich also nicht ausschließlich auf
-unser großes Epos (der König spricht ja auch von „denen Gedichten“);
-man hat deshalb neuerdings geglaubt, die Nibelungen von des Königs
-hartem Urteil entlasten zu dürfen. Allein das ist vergebliches Bemühen:
-sie gehören eben gleich als erstes mit zu „denen Gedichten“, und es
-wäre sehr merkwürdig, wenn Friedrich bei seiner, wenn auch einseitigen,
-doch offenbar ehrlichen Kenntnisnahme gerade am ersten Stücke
-vorübergegangen wäre. Vom Standpunkte des Königs Friedrich ist diese
-Mißachtung unsers Gedichts wohl zu verstehen, denn wir müssen erst von
-seinen Anschauungen hinweg über Goethe bis in die Romantik hinein, ehe
-wir wirklich Interesse und Geschmack für unsere alte Vergangenheit
-erwarten dürfen.</p>
-
-<p>Wichtig für die weitere Entwicklung unserer Kenntnis des alten Liedes
-sind die Vorlesungen, die August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1802
-und 1803 in Berlin gehalten hat. Diese Vorlesungen sind zwar nicht
-gedruckt worden, allein es wohnte ihnen ein Mann bei, der dann sein
-ganzes Leben der Germanistik und in erster Linie dem Nibelungenliede
-gewidmet hat, Friedrich Heinrich von der Hagen. Er hat zuerst im Jahre
-1807 den Versuch gemacht, eine Erneuung des Liedes zu schaffen, d.
-h. die alte Sprachform der neuhochdeutschen im äußern Gewande, der
-Orthographie, vielleicht auch in der Wortwahl, so weit anzunähern,
-daß man den alten Text zur Not mit Verständnis lesen<span class="pagenum" id="Seite_126">[S. 126]</span> konnte. Diese
-Erneuung ist nun freilich noch keine Übersetzung; ohne Wörterbuch
-kommt Hagen noch nicht aus; sie bedeutet aber einen gewaltigen Schritt
-vorwärts, auch insofern, als hier zum ersten Male die strophische Form
-der alten Dichtung erkannt war. 1810 ließ Hagen seine erste Ausgabe
-des alten Textes erscheinen; freilich bot sie (und ebenso die bald
-darauf geschaffene, eingangs erwähnte Zeunesche) noch die Myllersche
-Handschriftenmischung. Doch bald darauf erkannte Hagen den bisher
-obwaltenden Irrtum, und in der zweiten, 1816 erschienen Auflage
-seiner Ausgabe hat er die St. Galler Handschrift (<span class="antiqua">B</span>) zugrunde
-gelegt und so zum ersten Male einen authentischen Text dargeboten. In
-seinem langen, bis 1856 währenden Leben hat er am Liede immer weiter
-gearbeitet.</p>
-
-<p>Die erste kritische Ausgabe unseres Gedichtes lieferte 1826 Karl
-Lachmann; er legte den von der Hohenems-Münchner Handschrift <span class="antiqua">A</span>
-gebotenen Text zugrunde, weil er ihn, als den kürzesten, auch für den
-ältesten hielt; alle übrigen Handschriften enthielten nach seiner
-Meinung nur Überarbeitungen, also <span class="antiqua">B</span> sollte auf Grund von
-<span class="antiqua">A</span>, <span class="antiqua">C</span> auf Grund von <span class="antiqua">B</span> entstanden sein usw. Mit
-seiner Anschauung vom Werte der überlieferten Texte verband Lachmann
-seine Theorie vom Ursprunge des Gedichtes, die er bereits 1816 in
-seiner Schrift „Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von
-der Nibelungen Noth“ dargelegt hatte und 1836 unter dem Titel „Zu
-den Nibelungen und zur Klage: Anmerkungen“ im einzelnen ausführte.
-Er nahm an, daß der Text nichts weiter sei, als die Überarbeitung
-einer Sammlung von zwanzig an sich selbständigen Liedern, die im
-allgemeinen inhaltlich eins auf das andere folgten und, wenn nötig,
-durch eingelegte Zwischenstücke verbunden worden wären; auch glaubte
-er, diese Lieder noch in allen Einzelheiten wiederherstellen zu
-können. Er stützte sich bei seiner Arbeit auf das häufige Wechseln
-des Tones, das er allerdings, wie man zugestehen muß, mit großer
-Sicherheit herausempfunden hat, sowie auf das Vorhandensein mehrerer
-Widersprüche. Von letzteren sind zwei (der bei der Verwechslung von
-<span class="antiqua">Treisenmûre</span> und <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> obwaltende und derjenige,
-der Dankwarts Lebensalter betrifft) bereits vorhin
-(<a href="#Treisenmure">S. 105</a> und <a href="#Dankwarts_Lebensalter">85</a>)
-erörtert worden; ein dritter besteht darin, daß Günther in Str.
-911 (Bartsch) die Jagd, auf der Siegfried ermordet werden soll, im
-Wasgenwalde ansetzt, während sie doch dann, von Worms aus gerechnet,
-jenseits des Rheines stattfindet; er erledigt sich<span class="pagenum" id="Seite_127">[S. 127]</span> nach unserer
-vorhin vorgetragenen Anschauung als einfacher Schreibfehler der
-Grundhandschrift der Not-Gruppe. &mdash; Ferner war Lachmann, als er
-sich dem Nibelungenliede zuwandte, beeinflußt von der Homerkritik
-Friedrich August Wolfs; er glaubte dessen für das griechische Altertum
-gültige Anschauungen auf das deutsche Mittelalter übertragen zu
-dürfen; daß dies nicht angängig ist, bedarf heute wohl kaum einer
-Widerlegung. Immerhin gewährt die Liedertheorie stellenweise die
-einzige Möglichkeit, Fragen, die der überlieferte Text dem gelehrten
-Kritiker stellt, zu lösen, und wir haben sie selbst, wenn auch in
-bescheidenem Umfange, bei der Untersuchung des Stoffes angewendet; es
-ist nur keineswegs angängig, eine Lösung auf dem Wege anzustreben, daß
-man nebeneinander liegende Stücke einfach wie mit einem Scherenschnitte
-voneinander trennt; übereinander liegen die Schichten, die die lange
-Entwicklung des Stoffes abgesetzt hat, nicht nebeneinander.</p>
-
-<p>Bei der Abgrenzung der echten und unechten Teile im einzelnen hat
-sich Lachmann von der Vorstellung leiten lassen, daß jedes „echte“
-Lied aus einer Anzahl von Strophen bestehe, die durch sieben teilbar
-sein müsse. Er hat sich darüber nicht geäußert; erst kurz nach seinem
-1851 erfolgten Tode erkannte Jakob Grimm dies merkwürdige Verhältnis.
-Lachmanns unbedingte Anhänger versuchten auch die Geltung der
-Siebenzahl zu erhärten, doch ohne irgendwelche schlagenden Gründe.</p>
-
-<p>Nachdem die Meinung, daß der echte Nibelungentext allein in der
-Handschrift <span class="antiqua">A</span> vorliege, ein Menschenalter hindurch unbedingt
-geherrscht hatte, traten im Jahre 1854 kurz nacheinander zwei Gelehrte
-mit der Ansicht hervor, daß der echte Text vielmehr durch die
-Hohenems-Laßbergische Handschrift <span class="antiqua">C</span>, als die vollständigste
-und inhaltlich am besten abgerundete von allen, repräsentiert werde,
-<span class="antiqua">B</span> aber und gar erst <span class="antiqua">A</span> verkürzende Bearbeitungen des
-in <span class="antiqua">C</span> vorliegenden Originales seien; es waren Adolf Holtzmann
-(„Untersuchungen über das Nibelungenlied“) und Friedrich Zarncke („Zur
-Nibelungenfrage“); sie verwarfen natürlich auch die Liedertheorie und
-behaupteten einheitliche Konzeption des Gedichtes. Ihr Auftreten war
-das Zeichen zum Ausbruche eines heftigen, mit großer Hitze geführten
-Gelehrtenstreites; er ist begreiflich, denn während Lachmann von dem
-kürzesten und schlechtesten Texte ausgegangen war, verfielen Holtzmann
-und Zarncke in das entgegengesetzte Extrem, indem sie den längsten,
-zweifellos<span class="pagenum" id="Seite_128">[S. 128]</span> interpolierten Text zugrunde legten (auch in ihren, zuerst
-1857, bez. 1856 erschienenen Ausgaben).</p>
-
-<p>Einen vermittelnden Standpunkt nahm zuerst Karl Bartsch ein; nachdem
-er ihn bereits 1862 auf einer Philologenversammlung geltend gemacht
-hatte, legte er ihn im einzelnen dar in seinen 1865 erschienenen
-„Untersuchungen über das Nibelungenlied“. Nach seiner Meinung ist
-der Originaltext verloren; wir besitzen nur zwei zu Ende des 12.
-Jahrhunderts entstandene und im wesentlichen durch die Handschriften
-<span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> repräsentierte Überarbeitungen desselben; diese
-Überarbeitungen sollen durch den Umstand veranlaßt sein, daß das
-Original in seiner Reimtechnik noch ziemlich unvollkommen gewesen
-sei; die fortgeschrittenere Kunst des ausgehenden 12. Jahrhunderts
-habe reinere Reime verlangt und dadurch zwei Männer, die voneinander
-nichts wußten, bewogen, das Original im wesentlichen reimbessernd zu
-überarbeiten.</p>
-
-<p>Bartschs Theorie hat sich viel Anhänger erworben, besonders in der
-Anschauung, daß die Handschrift <span class="antiqua">B</span> zwar nicht das Original,
-wohl aber einen diesem sehr nahestehenden Text biete; dagegen hat die
-Meinung, daß Reimungenauigkeit die Ursache der doppelten Überarbeitung
-sei, fortgesetzt an Boden verloren, weil 1) die große Mehrzahl aller
-Reime beiden Bearbeitungen eigen ist, also aus dem Original stammt,
-aber auch ohne Tadel ist, und 2) Bartsch so verfährt, als ob jede
-Abweichung der beiden Texte voneinander lediglich durch ungenauen Reim
-des Originals veranlaßt sein könnte. In dieser Beziehung ist Bartschs
-Theorie durch Hermann Paul („Zur Nibelungenfrage“, 1876) wesentlich
-modifiziert worden; er gibt zwar zu, daß <span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span>
-Paralleltexte sind, die auf ein verlorenes Original zurückweisen,
-lehnt aber die Begründung der Abweichungen auf Reimungenauigkeiten des
-Originals ab.</p>
-
-<p>Wesentlich gefördert, besonders in bezug auf die Bestimmung
-aller einzelnen Handschriften, ist neuerdings unsere Kenntnis
-worden durch die schon erwähnte Schrift von Wilhelm Braune „Die
-Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes“ (1900); auch ihm
-sind <span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> im wesentlichen Paralleltexte, doch
-steht nach seiner Meinung <span class="antiqua">B</span> dem Original so nahe, daß es für
-dasselbe gelten kann; <span class="antiqua">C</span> dagegen ist für Braune eine allmählich
-entstehende planmäßige Überarbeitung: ihr Autor soll längere Zeit an
-ihr tätig gewesen sein, die erste Stufe seiner Arbeit in <span class="antiqua">d</span> und
-ihren nächsten Verwandten, die zweite desgleichen in <span class="antiqua">I</span> und
-die vollendete erst in<span class="pagenum" id="Seite_129">[S. 129]</span> <span class="antiqua">C</span> uns vorliegen; es ist die vorhin
-eingehend erörterte, schwierig zu beurteilende Handschriftengruppe Id,
-die Braune zu dieser immerhin seltsamen Anschauung veranlaßt hat. Wie
-diese Gruppe auch einzuordnen sein mag, jedenfalls steht heutzutage
-fest, daß <span class="antiqua">B</span> dem Originale des Gedichtes am nächsten steht, daß
-<span class="antiqua">C</span> stark überarbeitet ist, und daß <span class="antiqua">A</span> auf irgendwelchen
-selbständigen Wert keinerlei Anspruch machen kann; alles übrige mag
-immer noch nach subjektivem Empfinden beurteilt werden.</p>
-
-<p>Es konnte an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, alle Arbeiten zu
-erwähnen, die unsere Kenntnis von Nibelungenlied und Nibelungensage
-gefördert haben; nur die Marksteine der Entwicklung unserer Kenntnis
-sollten hervorgehoben werden, und das ist geschehen, soweit die
-wissenschaftliche Seite in Frage kommt; nicht geringer aber ist das
-Verdienst derjenigen, die in erster Linie dahin gewirkt haben, die alte
-Dichtung unserm Volke wieder näher zu bringen, der Übersetzer und der
-modernen Bearbeiter. Von jenen erwähne ich nur Karl Simrock, der seine
-Übersetzung bereits 1827 erscheinen ließ; heute (1906) liegt sie in
-58. Auflage vor; sie ist diejenige, die sich am treuesten von allen
-dem Original anschmiegt, und deshalb besonders geeignet zur ersten
-Einführung in das Verständnis des alten Gedichtes. Daher habe ich sie
-1909 für Meyers Klassiker-Ausgaben neu herausgegeben, sowie mit einer
-Einleitung und den Text Schritt für Schritt begleitenden Anmerkungen
-versehen.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_130">[S. 130]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="IX"><span class="s5">IX.</span><br />
-<b>Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">S</span>eit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine ganze Reihe von Dichtern
-ihre Stoffe aus dem alten Liede und aus den verwandten Gebieten
-entnommen; in moderner, freier Weise sind sie unter Bewahrung ihrer
-dichterischen Selbständigkeit auf Grund der alten Sage dichterisch
-wirksam gewesen; sie alle hier aufzuzählen und durchzusprechen, wäre
-ganz unmöglich; nur die drei bedeutendsten, Richard Wagner, Friedrich
-Hebbel und Wilhelm Jordan, sollen erwähnt und gewürdigt werden. In
-der Reihenfolge wie sie eben genannt sind, haben sie ihre Texte
-verfaßt, aber ihre Wirkung hat sich in ganz anderer Folge geltend
-gemacht. Wagner war unter ihnen der erste, der sich als moderner
-Dichter des alten Stoffes bemächtigte. Er hat sein dramatisches
-Gedicht „der Ring des Nibelungen“ im Jahre 1853 vollendet, in der
-Zeit seines Aufenthaltes in Zürich, als er infolge seiner Beteiligung
-an der Dresdener Revolution in der Verbannung lebte. In Zürich stand
-er in Beziehung zu den Gelehrten der Universität, besonders dem
-Germanisten Ludwig Ettmüller; man erkennt aus der Art, wie Wagner den
-Stoff angreift, sehr deutlich den damaligen Stand der Wissenschaft,
-insbesondere der Sagenforschung. Wagner ist durchaus von ihm abhängig,
-ein Umstand, aus dem man Wagner natürlich keinen Vorwurf machen kann.
-Eher kann man ihm vorwerfen, daß er (obgleich er als Dichter das Recht
-dazu hat) gar so willkürlich mit dem Stoffe umspringt. Er hat die
-Erzählung auf der einen Seite nur bis Siegfrieds Tod durchgeführt,
-so daß der ganze grandiose zweite Teil vollständig wegfällt; auf
-der andern Seite hat er die Geschichte der Siegfriedsage, verführt
-durch die damalige Anschauung der Mythenforscher, in die Göttersage
-hinaufgehoben.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_131">[S. 131]</span></p>
-
-<p>Sein Werk besteht aus vier Teilen: Dem Vorspiel „Rheingold“ und den
-drei Teilen der Trilogie „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“.
-&mdash; Im „Rheingold“ schildert Wagner im Anschluß an die Darstellung
-der Edda, aber unter ganz freier Umgestaltung dieser Geschichte, die
-Herkunft des Ringes. Dieser Ring ist das wesentlichste Stück des
-Hortes, denn er kann den Hort immer neu gebären; solange der Ring
-existiert, wird der Hort nicht kleiner. „Der Ring des Nibelungen“
-heißt Wagners Gedicht. Der Nibelunge, den der Titel meint, ist der
-ursprüngliche Besitzer des Rings. Im „Rheingold“ also wird erzählt, wie
-diesem ursprünglichen Besitzer, der ein Abbild des Zwerges Andvari der
-Edda ist, der Hort entrissen wird.</p>
-
-<p>In der „Walküre“ wird entwickelt, wie die Walküre Brynhild dazu
-kommt, sich Wodans Willen zu widersetzen, so daß sie vom Gotte
-bestraft und in Schlaf versenkt wird; diese von uns als jüngste
-Fassung charakterisierte Form der Brynhild-Geschichte hat Wagner als
-Grundlage gewählt, weil der Gott hier tätig eingreift; Wagner geht von
-der Voraussetzung aus, daß die Beziehungen der Nibelungensage zu den
-Göttern alt seien; ja, er hat die Entwicklung der Nibelungengeschichte
-direkt als einen Teil der Entwicklung der Göttergeschichte hingestellt.</p>
-
-<p>Im zweiten Hauptteile „Siegfried“ wird dann geschildert, wie der junge
-Siegfried aufwächst, den Drachen tötet und die Walküre befreit.</p>
-
-<p>Im dritten Teile sehen wir ihn zunächst die Walküre verlassen und dann
-plötzlich in die Gewalt der Gegner verfallen, die dargestellt werden
-als echte Nibelungen, als Angehörige des ursprünglichen Besitzers
-des Ringes. „Götterdämmerung“ heißt dieser letzte Teil, weil mit dem
-Untergange Siegfrieds der Untergang der alten Götterwelt nach Wagners
-Auffassung besiegelt ist; unter „Götterdämmerung“ versteht man infolge
-eines seltsamen Irrtums die Eschatologie der Nordgermanen. Ursprünglich
-lautet das Wort, das man sich mit „Götterdämmerung“ wiederzugeben
-gewöhnt hat, <span class="antiqua">ragna rok</span>, d. i. Götterschicksal, also ein ganz
-passender Ausdruck für das, was man sich in der spätnordischen Zeit
-kurz vor Einführung des Christentums als Entwicklung der Götterwelt
-dachte; später mißverstand man ihn, weil man nicht mehr <span class="antiqua">ragna
-rok</span> las, sondern <span class="antiqua">ragna rökkr</span>, d. i. Götterverfinsterung;
-diesen an sich kaum verständlichen Ausdruck hat man im Deutschen
-mit „Götterdämmerung“ wiedergegeben;<span class="pagenum" id="Seite_132">[S. 132]</span> so hat dies Wort den Sinn von
-„Weltuntergang“ erlangt.</p>
-
-<p>Was das Formale bei Wagner angeht, so hat er seine Dichtung in
-stabreimenden Versen abgefaßt, und zwar wechselt er nach Belieben,
-aber geleitet von einem bestimmten rhythmischen Gefühl zwischen zwei-
-und dreihebigen stabreimenden Versen ab. Daß er in der Behandlung der
-einmal gewählten Form glücklich gewesen ist, kann man nicht behaupten.
-Gewiß würde Wagners Dichtung schwerlich irgendwelchen Einfluß erlangt
-haben, wenn Wagner nur Dichter, nicht auch der große Komponist gewesen
-wäre. Aber die Komposition des Ringes ist erst mehr als 20 Jahre später
-bekannt geworden: zum ersten Male wurde sie in Baireuth im August 1876
-vorgeführt. Mit dieser seiner so wirkungsvollen Komposition hat Wagner
-allerdings für die Wiederbelebung des Interesses an der alten Sage das
-Höchste beigetragen, durch sein großes Tonwerk hat er für sie wohl am
-allertiefsten und mächtigsten gewirkt. Um so mehr darf man bedauern,
-daß er, unbeschadet wundervoller Einzeldarstellung (besonders im
-Siegfried), dem Geiste der alten Sage so wenig gerecht geworden ist.</p>
-
-<p>Der nächste, der sich an den alten Stoff gewagt hat, ist Hebbel. Er
-ließ im Jahre 1862 die große Dichtung „Die Nibelungen“ erscheinen,
-abermals ein Drama; es umfaßt ein Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ und
-zwei fünfaktige Trauerspiele „Siegfrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“.
-„Siegfrieds Tod“ entspricht im wesentlichen dem ersten, „Kriemhilds
-Rache“ im wesentlichen dem zweiten Teile unseres Nibelungenliedes.
-Im Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ wird nur geschildert, durchaus
-im Anschluß an unser Lied, wie Siegfried in Worms erscheint und
-aufgenommen wird. Der Titel „Der gehörnte Siegfried“ ist von Hebbel
-natürlich unter dem Einfluß des Volksbuches gewählt. Hebbels Form ist
-die seit den Zeiten unserer Klassiker im Drama übliche, der fünfhebige
-Blankvers. Inhaltlich schließt sich Hebbel so genau wie nur irgend
-möglich an unser Nibelungenlied an, und man kann nicht genug die
-Kunst bewundern, mit der er es versteht, diesen doch manchmal recht
-spröden Stoff aus dem Epischen ins Dramatische umzusetzen und damit
-notwendigerweise die vielen Anstöße, die sich bei der Betrachtung des
-Liedes aufdrängen, zu umgehen oder zu beseitigen. Mit virtuoser Kunst
-hat Hebbel das durchgeführt, und seine Arbeit<span class="pagenum" id="Seite_133">[S. 133]</span> dürfte unter den hier
-zu besprechenden bei weitem am besten gelungen sein. Vor allen Dingen
-ist er möglichst treu, nimmt den Stoff, wie er gegeben ist, und tut
-nicht allzuviel Eigenes hinzu. Das Hinzufügen neuer Gedanken soll
-damit natürlich nicht allgemein verurteilt werden, allein es bringt
-bei der Behandlung alter Stoffe doch die Gefahr mit sich, daß es von
-der Grundlage fühlbar absteht und den Eindruck von grellen Mißtönen
-hervorruft. Mit feiner Empfindung ist Hebbel daher im Hineinbringen
-neuer, eigener Gedanken sehr sparsam verfahren; eigentlich hat er nur
-zwei selbständige Zutaten gebracht: die eine besteht in der Art, wie
-er Brünhilt zur Zeit, da sie als Mädchen in Island lebt, auffaßt;
-ihr wird eine alte Magd, namens Fricka, an die Seite gestellt, die
-sie erzogen hat und gewissermaßen die alte Zeit, das alte Heidentum,
-repräsentiert; Brünhilts Person wird hauptsächlich durch das Hinzufügen
-dieser Fricka in eine übernatürliche, göttliche Sphäre hinaufgehoben.
-Die andre Zutat liegt in der am Schlusse der ganzen Dichtung erst
-deutlicher hervortretenden Auffassung Dietrichs von Bern. Auf welche
-Weise Dietrich an den Hof des Hunnenkönigs gekommen ist, läßt Hebbel
-einigermaßen im unklaren; er behauptet, Dietrich sei freiwillig,
-ohne durch irgendwelche äußern Umstände genötigt zu sein, an den Hof
-Etzels gekommen unter dem Einfluß gewisser übernatürlicher, mythischer
-Gewalten. Dietrich selbst erzählt einmal, wie er in einem Brunnen die
-Stimmen der Unterirdischen belauscht habe; damit wird sein Entschluß
-begründet, freiwillig in die Dienste eines andern Königs zu treten,
-obgleich er selbst ein König und dem erwählten Herrn mindestens
-ebenbürtig ist. Dietrich vertritt bei Hebbel die neue Zeit. Er
-verwaltet in der großen Tragödie ein göttliches Richteramt und spricht
-das Schlußwort:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2">Im Namen dessen, der am Kreuz erblich.</div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p class="p0">Dietrich ist also bei Hebbel der Vertreter des Christentums, wie
-andrerseits Brünhilt die Vertreterin des germanischen Heidentums ist.
-Diese beiden Pole stellt der Dichter einander gegenüber, und als
-Übergang und Verbindung beider denkt er sich die Ereignisse unseres
-Liedes.</p>
-
-<p>Das ist im wesentlichen alles, was Hebbel aus Eigenem zu dem sonst
-treu bewahrten Inhalt des Liedes hinzugetan hat; man empfindet leicht,
-daß dies Wenige schon über das eigentliche<span class="pagenum" id="Seite_134">[S. 134]</span> innere Wesen der alten
-Sage hinausgeht; auch Hebbel ist in seinen Zutaten nicht glücklich
-gewesen, wenn er auch nicht so weit, wie vor ihm Wagner und nach ihm
-Jordan, von der alten Sage abgewichen ist. Hebbels Werk wird erst
-neuerdings anerkannt, doch noch lange nicht genug gewürdigt; sicher
-ist er derjenige, der einerseits den alten Stoff sich am innigsten
-zu eigen gemacht und andrerseits mit der größten dramatischen Kunst
-zur Darstellung gebracht hat. In der Zeit, da die „Nibelungen“
-erschienen, stießen sie auf Unverstand und Übelwollen; es erschien
-eine (übrigens gar nicht so üble) Parodie des Hebbelschen Werkes unter
-dem Titel „Die Niegelungnen“, wenn ich nicht irre, aus der Feder des
-Humoristen Glasbrenner, der sich Brennglas nannte.<a id="FNAnker_58" href="#Fussnote_58" class="fnanchor">[58]</a> Immerhin &mdash;
-auch in der Verspottung liegt ein Maß von Anerkennung; Wertloses lohnt
-die Mühe des Parodierens nicht; und in diesem Sinne der (vielleicht
-unbeabsichtigten) Anerkennung können wir Glasbrenners Scherze wohl
-gelten lassen.</p>
-
-<p>Der dritte namhafte moderne Bearbeiter unserer alten Sage ist Wilhelm
-Jordan. Er hat im Anschluß an Homer und unter dem bewußten Bestreben,
-ein deutscher Homer zu werden, die alte Sage behandelt; schon in der
-äußern Form seiner Dichtung „Die Nibelunge“ erkennt man dies Streben.
-Während Wagner und Hebbel Dramatiker sind, ist Jordan Epiker. Er
-gliedert seinen Stoff in zwei umfangreiche Epen, „Sigfridsage“ und
-„Hildebrands Heimkehr“ betitelt. Jedes dieser Epen umfaßt 24 Gesänge,
-genau nach dem Vorbilde der Einteilung Homers. Die gewählte Form ist
-ein freifließender Vers, stichisch wie der Hexameter des griechischen
-Vorbildes; mit großem Geschick hat Jordan nicht den für das deutsche
-Epos doch so fremdartig anmutenden, wenig geeigneten Hexameter gewählt,
-sondern den altgermanischen stabreimenden Vers nachzubilden gesucht.</p>
-
-<p>Die Anlehnung an Homer ist, wie gesagt, bei Jordan bewußt; ist er doch
-sogar als Rhapsode, als wandernder Sänger in Deutschland und Amerika
-herumgezogen und hat seine eigenen Dichtungen vorgetragen. Und gerade
-sprachlich sind sie von wunderbarer Schönheit; wenig eignet sich so zum
-Vorlesen, wie Jordans „Nibelunge“ wegen der reinen Musik ihrer Sprache.</p>
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_135">[S. 135]</span></p>
-
-<p>Was den Inhalt angeht, so hat sich Jordan in der Sigfridsage im
-wesentlichen an den alten Stoff gehalten, und zwar in ziemlich
-menschlicher Auffassung der alten Erzählung. Insofern ist er also der
-alten Sage wohl gerecht geworden. Selbstverständlich behandelt er in
-dem Gedichte „Sigfridsage“ nur ihren ersten Teil. Den zweiten hat er
-als Episode in sein zweites Epos, „Hildebrands Heimkehr“, verwiesen;
-in diesem hat er sich freilich hinreißen lassen, sehr viel aus Eigenem
-hinzuzutun; der ganze Rahmen von „Hildebrands Heimkehr“ ist Jordansches
-Eigentum, die alte Sage ist ganz frei behandelt, sogar mit Ausblicken
-auf modernste Geschichte, und so geht denn „Hildebrands Heimkehr“
-weit über den Inhalt unserer Nibelungensage hinaus. &mdash; Die Dichtungen
-Jordans sind erschienen: „Sigfridsage“ 1867 und 68, „Hildebrands
-Heimkehr“ 1874.</p>
-
-<p>In der Art, wie Jordan den altgermanischen Vers auf die heutige
-Sprachform anwendet, beweist er großes formales Geschick: jeder Vers
-hat bei ihm vier Hebungen, die durch ein- bis zweisilbige Senkungen
-getrennt sind, und ist in der Mitte durch einen Einschnitt gegliedert.
-Der Stabreim verbindet (in der Regel) mindestens je eine Hebung vor
-und nach dem Einschnitt miteinander; doch weicht Jordan vom Gesetz des
-altgermanischen Verses insofern ab, als er nicht mehr die dritte Hebung
-(d. i. die erste der zweiten Vershälfte) unter allen Umständen mit
-Stabreim versieht, für den Schmuck des Verses also nicht mehr maßgebend
-sein läßt; zu dieser Abweichung berechtigt Jordan die Entwicklung
-unserer Sprache: altgermanische Syntax stellt bei Verbindung zweier
-Nomina das höher betonte unbedingt voran; eben dies aber mußte und
-muß den Stabreim tragen, soll er hörbar sein; wir ordnen heute die
-Wortfolge in der Regel umgekehrt, stellen also z. B. auch ein wenig
-wichtiges Adjektiv vor das zugehörige Substantiv; davon ist die
-notwendige Folge, daß bei ungezwungenem Bau stabreimender Verse viel
-eher die vierte Hebung wichtig wird als die dritte. Um einen Begriff
-von Jordans Weise zu geben, setze ich den Eingang des ersten Gesanges
-der „Sigfridsage“ hierher:</p>
-
-<div class="poetry-container">
-<div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse indent2">Zu <b>s</b>üßem Ge<b>s</b>ang, <span class="mleft2">unsterbliche <b>S</b>age,</span></div>
- <div class="verse indent2">Laß <b>m</b>ich nun dein <b>M</b>und sein <span class="mleft2">voll uralter <b>M</b>ären</span></div>
- <div class="verse indent2">Und <b>l</b>eg’ auf die <b>L</b>ippen <span class="mleft2">das <b>L</b>ied von Sigfrid,</span></div>
- <div class="verse indent2">Dem <b>h</b>errlichen <b>H</b>elden <span class="mleft2"> mit furchtlosem <b>H</b>erzen,</span></div>
- <div class="verse indent2">Der den <b>H</b>üter des <b>H</b>ortes <span class="mleft2">den <b>L</b>intwurm er<b>l</b>egte,</span></div>
- </div>
- <div class="stanza">
-<span class="pagenum" id="Seite_136">[S. 136]</span>
- <div class="verse indent2">Durch die <b>fl</b>ammende <b>Fl</b>ur <span class="mleft2">auf <b>fl</b>üchtigem Rosse</span></div>
- <div class="verse indent2">Den <b>Br</b>autritt voll<b>br</b>achte <span class="mleft2">und <b>Br</b>unhild erweckte,</span></div>
- <div class="verse indent2">Die der <b>z</b>ürnende <b>G</b>ott <span class="mleft2">im <b>Z</b>auber<b>g</b>arten</span></div>
- <div class="verse indent2">Zu <b>schl</b>afen ver<b>d</b>ammt <span class="mleft2">und mit <b>D</b>ornen um<b>schl</b>ossen.</span></div>
- </div>
-</div>
-</div>
-
-<p>Von diesen neun Versen sind drei (3., 6., 7.) dreistäbig mit nach
-alter Weise herrschender dritter Hebung, drei (1., 2., 4.) dreistäbig
-mit herrschender vierter Hebung. Zwei (8., 9.) haben doppelten
-Stabreim, insofern als in ihnen die erste Hebung mit der dritten (bzw.
-vierten), die zweite mit der vierten (bzw. dritten) gebunden ist; solch
-doppelter Stabreim kommt auch in der alten Zeit vor, doch immer so, daß
-gleichhochbetonte Silben gleichen Anlaut aufweisen; der Stabreim der
-minder betonten erscheint als etwas Nebensächliches und Zufälliges;
-nach diesem Gesichtspunkte müßte Jordan zunächst in Vers 8 die zweite
-Hebung mit der dritten, in Vers 9 die erste Hebung mit der dritten
-gebunden haben; die Verse sind also falsch gebaut, ihr Reim würde bei
-richtigem Vortrage ohne jede Wirkung sein. Falsch gebaut ist zweifellos
-auch Vers 5, dessen beide Hälften nur in sich reimen, also auseinander
-klaffen.</p>
-
-<p>Wagner, Hebbel und Jordan sind die bedeutendsten modernen Bearbeiter
-der Nibelungensage; von ihnen steht, was die glücklichste Auffassung
-der alten Sage, das tiefste Eindringen in ihren Geist angeht,
-zweifellos Hebbel an erster, Wagner an letzter Stelle. Allein gerade
-Wagner ist es natürlich, der am meisten dazu beigetragen hat, das
-Interesse am heimischen Altertum in weitesten Kreisen zu erwecken:
-durch die wunderbare musikalische Komposition seines „Ringes“, die
-er zum ersten Male im August 1876 dem deutschen Volke und der ganzen
-Kulturwelt darbot, hat er so gewaltig für die Kenntnis der alten Sage
-gewirkt, daß jeder Freund derselben ihm größten Dank schuldig ist.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_137">[S. 137]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Anhang"><b class="s5">Anhang.</b><br />
-<span class="s6">Literatur.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p>Außer den im Verlaufe der Darstellung herangezogenen Werken sollen hier
-noch diejenigen Schriften Erwähnung finden, welche am besten geeignet
-sind, als Hilfsmittel zum Selbststudium zu dienen.</p>
-
-<p>Die umfassendste Ausgabe des Nibelungenliedes ist die von Karl
-<em class="gesperrt">Bartsch</em>: Der Nibelunge Not mit den Abweichungen von der
-Nibelunge Liet, den Lesarten sämtlicher Handschriften und einem
-Wörterbuche. I. Teil: Text, 1870. II. Teil, erste Hälfte: Lesarten,
-1876. II. Teil, zweite Hälfte: Wörterbuch, 1880. Wegen ihrer reichen
-Einleitung besonders empfehlenswert ist die Ausgabe von Friedrich
-<em class="gesperrt">Zarncke</em>: Das Nibelungenlied, 6. Auflage 1887; sie gibt freilich
-nur den Text <span class="antiqua">C</span>, kann aber zusammen mit Karl <em class="gesperrt">Lachmanns</em>
-Ausgabe (Der Nibelunge Noth und die Klage nach der ältesten
-Überlieferung mit Bezeichnung des Unechten und mit den Abweichungen
-der gemeinen Lesart, fünfte Ausgabe 1878) fürs erste die Ausgabe von
-Bartsch vertreten. Bloße Textabdrücke nach Lachmann oder Zarncke sind
-wertlos. &mdash; <em class="gesperrt">Bartsch</em> hat auch die beste Ausgabe der <em class="gesperrt">Klage</em>
-geliefert (1875, mit den Lesarten sämtlicher Handschriften).</p>
-
-<p>Für die sog. Edda ist zu empfehlen Karl <em class="gesperrt">Hildebrands</em> Ausgabe:
-Die Lieder der älteren Edda, 2. Auflage 1904, besorgt von Hugo
-<em class="gesperrt">Gering</em>, und des ebengenannten mustergültige Übersetzung (in
-Meyers Klassiker-Ausgaben).</p>
-
-<p>Die nordischen Sagatexte sind am leichtesten zugänglich durch die
-„Altdeutschen und altnordischen Helden-Sagen“, übersetzt von Friedrich
-Heinrich v. d. Hagen, 1. und 2. Band: Wilkina- und Niflungasaga<a id="FNAnker_59" href="#Fussnote_59" class="fnanchor">[59]</a>
-(3. Ausgabe 1872), 3. Band: Wolsunga- und<span class="pagenum" id="Seite_138">[S. 138]</span> Ragnarssaga (2. Auflage,
-besorgt von Anton Edzardi, 1880). Sie alle sind in deutscher Wiedergabe
-auch enthalten in dem umfassenden Werke von August <em class="gesperrt">Raßmann</em>,
-„Die deutsche Heldensage“ (2. Ausgabe 1863); seiner Reichhaltigkeit
-wegen ist dies Buch sehr zu empfehlen, doch kann man es nur mit größter
-Vorsicht benutzen, da Raßmann den Stoff nach vorgefaßten haltlosen
-Meinungen willkürlich geordnet hat.</p>
-
-<p>Von Schriften über Lied und Sage seien außer den gelegentlich
-zitierten erwähnt: Karl <em class="gesperrt">Müllenhoff</em>, Zur Geschichte der
-Nibelungensage (Zeitschrift für deutsches Altertum, Band X, 1855);
-Wilhelm <em class="gesperrt">Wilmanns</em>, Beiträge zur Erklärung und Geschichte des
-Nibelungenliedes, 1877; Emil <em class="gesperrt">Kettner</em>, Die österreichische
-Nibelungendichtung, 1897, und besonders Wilmanns’ eingehende, an feinen
-Bemerkungen reiche Besprechung des Lichtenbergerschen Buches <span class="antiqua">Le
-poème et la légende des Nibelungen</span> (im Anzeiger für deutsches
-Altertum, Band XVIII, 1892); endlich <em class="gesperrt">Boer</em>, Untersuchungen
-über den Ursprung und die Entwicklung der Nibelungensage, 3 Bände,
-1906&ndash;9. Eine gute Übersicht über die Bibliographie gibt jetzt
-Theodor <em class="gesperrt">Abeling</em>, Das Nibelungenlied und seine Literatur,
-1907, dazu ein Supplement 1909; eine glänzende Einführung in die
-Geschichte des Auferstehens des alten Epos bietet Josef <em class="gesperrt">Körner</em>,
-Nibelungenforschungen der deutschen Romantik, 1911.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum" id="Seite_139">[S. 139]</span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Namenregister"><b class="s5">Namenregister.</b></h2>
-
-</div>
-
-<p class="s5 center"><b>Die Zahlen bedeuten die Seiten.</b></p>
-
-<ul class="index">
-
-<li class="ifrst">A</li>
-
-<li class="indx">Abeling, Theodor <a href="#Seite_138">138</a>.</li>
-
-<li class="indx">Aetius <a href="#Seite_67">67</a>.</li>
-
-<li class="indx">Agnar <a href="#Seite_21">21</a>.</li>
-
-<li class="indx">Alberich <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_39">39</a>.</li>
-
-<li class="indx">Aldrian <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_92">92</a>.</li>
-
-<li class="indx">Alf <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_20">20</a>.</li>
-
-<li class="indx">Alphart <a href="#Seite_118">118</a>.</li>
-
-<li class="indx">Alsvinn <a href="#Seite_22">22</a>.</li>
-
-<li class="indx">Alzei <a href="#Seite_49">49</a>.</li>
-
-<li class="indx">Ambras, Schloß <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
-
-<li class="indx">Amelreich <a href="#Seite_47">47</a>.</li>
-
-<li class="indx">Ammius <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Andvari <a href="#Seite_19">19</a>, <a href="#Seite_131">131</a>.</li>
-
-<li class="indx">Arnulf, König <a href="#Seite_3">3</a>.</li>
-
-<li class="indx">Aslaug <a href="#Seite_21">21</a>, <a href="#Seite_29">29</a>.</li>
-
-<li class="indx">Athanagild <a href="#Seite_74">74</a>, <a href="#Seite_75">75</a>.</li>
-
-<li class="indx">Atli <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_24">24</a>, <a href="#Seite_26">26 ff.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_90">90</a>.</li>
-
-<li class="indx">Attila <a href="#Seite_9">9</a>, <a href="#Seite_53">53</a>, <a href="#Seite_56">56</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_67">67 ff.</a>, <a href="#Seite_82">82 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_88">88 f.</a>, <a href="#Seite_91">91 f.</a>, <a href="#Seite_95">95 f.</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">B</li>
-
-<li class="indx">Bartsch, Karl <a href="#Seite_51">51</a>, <a href="#Seite_55">55</a>, <a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_126">126</a>, <a href="#Seite_128">128</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li>
-
-<li class="indx">Bayreuth <a href="#Seite_132">132</a>.</li>
-
-<li class="indx">Bechelaren <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Berlin <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_125">125</a>.</li>
-
-<li class="indx">Bikki <a href="#Seite_28">28</a>.</li>
-
-<li class="indx">Bleda <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_95">95</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
-
-<li class="indx">Bleyer <a href="#Seite_106">106</a>.</li>
-
-<li class="indx">Blödel <a href="#Seite_51">51</a>, <a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
-
-<li class="indx">Bodmer <a href="#Seite_123">123 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Boer <a href="#Seite_138">138</a>.</li>
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-<li class="indx">Borghild <a href="#Seite_17">17</a>.</li>
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-<li class="indx">Bragi der Alte <a href="#Seite_90">90</a>.</li>
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-<li class="indx">Braune, Wilhelm <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_103">103</a>, <a href="#Seite_128">128 f.</a></li>
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-<li class="indx">Bremen <a href="#Seite_11">11</a>.</li>
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-<li class="indx">Brünhilt <a href="#Seite_37">37 ff.</a>, <a href="#Seite_73">73</a>, <a href="#Seite_75">75</a>, <a href="#Seite_85">85 ff.</a>, <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_133">133</a>.</li>
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-<li class="indx">Busch <a href="#Seite_111">111</a>.</li>
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-<li class="ifrst">C</li>
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-<li class="indx">Dülmen <a href="#Seite_101">101</a>.</li>
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-<li class="ifrst">E</li>
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-<li class="indx">Eberhard der Greiner <a href="#Seite_32">32</a>.</li>
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-<li class="indx">Eckehard I. <a href="#Seite_81">81 ff.</a>, <a href="#Seite_112">112</a>.</li>
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-<li class="indx">Eckewart <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_100">100</a>.</li>
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-<li class="indx">Eisenach <a href="#Seite_118">118</a>.</li>
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-<li class="indx">Else <a href="#Seite_47">47</a>.</li>
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-<li class="indx">Ermanfrid <a href="#Seite_53">53</a>.</li>
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-<li class="indx">Ermenrich <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_96">96</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
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-<li class="indx">Ernst, Herzog <a href="#Seite_107">107</a>.</li>
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-<li class="indx">Erp <a href="#Seite_27">27 f.</a></li>
-
-<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_140">[S. 140]</span>
-Ettmüller, Ludwig <a href="#Seite_130">130</a>.</li>
-
-<li class="indx">Etzel <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_44">44 ff.</a>, <a href="#Seite_48">48 ff.</a>, <a href="#Seite_55">55 ff.</a>, <a href="#Seite_63">63 f.</a>, <a href="#Seite_84">84</a>, <a href="#Seite_97">97 ff.</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_111">111</a>,
-<a href="#Seite_115">115</a>, <a href="#Seite_120">120</a>, <a href="#Seite_133">133</a>.</li>
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-<li class="ifrst">F</li>
-
-<li class="indx">Fafnir <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_18">18 ff.</a>, <a href="#Seite_25">25</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_59">59</a>.</li>
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-<li class="indx">Fitela <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Florigunda <a href="#Seite_121">121 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Fortunatus <a href="#Seite_74">74</a>.</li>
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-<li class="indx">Fricka <a href="#Seite_133">133</a>.</li>
-
-<li class="indx">Friedrich II., Kaiser <a href="#Seite_116">116</a>.</li>
-
-<li class="indx">Friedrich II. von Preußen <a href="#Seite_124">124 f.</a></li>
-
-<li class="ifrst">G</li>
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-<li class="indx">Gailswinth <a href="#Seite_74">74 ff.</a></li>
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-<li class="indx">Gelfrat <a href="#Seite_47">47</a>.</li>
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-<li class="indx">Gering, Hugo <a href="#Seite_13">13 f.</a>, <a href="#Seite_21">21</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li>
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-<li class="indx">Gislaharius <a href="#Seite_68">68</a>.</li>
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-
-<li class="indx">Glasbrenner <a href="#Seite_134">134</a>.</li>
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-<li class="indx">Goar <a href="#Seite_66">66</a>.</li>
-
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-<li class="indx">Gottsched <a href="#Seite_123">123</a>.</li>
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-<li class="indx">Gran <a href="#Seite_45">45</a>.</li>
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-<li class="indx">Gregor von Tours <a href="#Seite_74">74</a>.</li>
-
-<li class="indx">Grimhild <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_61">61 f.</a>, <a href="#Seite_69">69 f.</a>, <a href="#Seite_76">76</a>, <a href="#Seite_87">87 ff.</a>, <a href="#Seite_91">91 ff.</a></li>
-
-<li class="indx">Grimilda <a href="#Seite_91">91</a>.</li>
-
-<li class="indx">Grimm, Jakob <a href="#Seite_127">127</a>.</li>
-
-<li class="indx">Gripir <a href="#Seite_6">6</a>.</li>
-
-<li class="indx">Gudorm <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_25">25</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_89">89</a>.</li>
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-<li class="indx">Gudrun <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_27">27 ff.</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_51">51</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_70">70</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_90">90</a>, <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
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-<li class="indx">Gundaharius <a href="#Seite_68">68</a>.</li>
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-<li class="indx">Gundicarius <a href="#Seite_66">66 ff.</a>, <a href="#Seite_76">76 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>.</li>
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-<li class="indx">Gundomar <a href="#Seite_68">68 f.</a></li>
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-<li class="indx">Gunnar <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_39">39</a>, <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_81">81</a>, <a href="#Seite_90">90</a>.</li>
-
-<li class="indx">Gunthchramn <a href="#Seite_74">74</a>, <a href="#Seite_76">76</a>.</li>
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-<li class="indx">Günther <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_33">33 ff.</a>, <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_52">52</a>, <a href="#Seite_54">54 f.</a>, <a href="#Seite_60">60 f.</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_67">67 f.</a>, <a href="#Seite_79">79</a>, <a href="#Seite_81">81 f.</a>,
-<a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_87">87 ff.</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">H</li>
-
-<li class="indx">Hagen (von Tronje) <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_34">34 f.</a>, <a href="#Seite_37">37</a>, <a href="#Seite_42">42 f.</a>, <a href="#Seite_45">45 ff.</a>, <a href="#Seite_53">53 ff.</a>, <a href="#Seite_60">60 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81
-ff.</a>, <a href="#Seite_88">88 f.</a>, <a href="#Seite_92">92</a>, <a href="#Seite_99">99</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_110">110 f.</a>, <a href="#Seite_115">115</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hagen, F. H. von der <a href="#Seite_125">125 f.</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hamdir <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_27">27</a>, <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Harfagri, Harald <a href="#Seite_29">29</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hawart <a href="#Seite_53">53</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hebbel, Friedrich <a href="#Seite_130">130</a>, <a href="#Seite_132">132 ff.</a>, <a href="#Seite_136">136</a>.</li>
-
-<li class="indx">Heimir <a href="#Seite_22">22</a>, <a href="#Seite_24">24</a>, <a href="#Seite_29">29</a>.</li>
-
-<li class="indx">Heinrich III. <a href="#Seite_97">97</a>.</li>
-
-<li class="indx">Heinrich der Vogler <a href="#Seite_119">119</a>.</li>
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-<li class="indx">Heinrich von Ofterdingen <a href="#Seite_118">118</a>.</li>
-
-<li class="indx">Heinrich von Österreich <a href="#Seite_110">110</a>.</li>
-
-<li class="indx">Helche <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_95">95</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
-
-<li class="indx">Helgi <a href="#Seite_17">17</a>.</li>
-
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-<li class="indx">Herche <a href="#Seite_95">95</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
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-<li class="indx">Hildebrand, Karl <a href="#Seite_137">137</a>.</li>
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-<li class="indx">Hildiko <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_70">70</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_89">89</a>.</li>
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-<li class="indx">Hiltebrand <a href="#Seite_54">54 f.</a>, <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_98">98 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Hiltegund <a href="#Seite_82">82</a>.</li>
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-<li class="indx">Hjordis <a href="#Seite_17">17 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Hlymdalir <a href="#Seite_22">22</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hogni <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_81">81</a>.</li>
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-<li class="indx">Högni <a href="#Seite_64">64</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hohenems <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_123">123 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Holtzmann, Adolf <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_123">123</a>, <a href="#Seite_127">127</a>.</li>
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-<li class="indx">Homer <a href="#Seite_134">134</a>.</li>
-
-<li class="indx">Hönir <a href="#Seite_19">19</a>.</li>
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-<li class="indx">Honorius <a href="#Seite_66">66 f.</a>, <a href="#Seite_96">96</a>.</li>
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-<li class="indx">Hreidmar <a href="#Seite_18">18 f.</a></li>
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-<li class="indx">Hugdietrich <a href="#Seite_117">117</a>.</li>
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-<li class="indx">Hundeshagen <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
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-<li class="ifrst">I</li>
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-<li class="indx">Idacius <a href="#Seite_67">67</a>.</li>
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-<li class="indx">Iring <a href="#Seite_53">53</a>, <a href="#Seite_111">111</a>.</li>
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-<li class="indx">Irnfrid <a href="#Seite_53">53</a>.</li>
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-<li class="indx">Isung <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_60">60</a>, <a href="#Seite_63">63</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">J</li>
-
-<li class="indx">Jason <a href="#Seite_73">73</a>.</li>
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-<li class="indx">Jonakr <a href="#Seite_27">27</a>.</li>
-
-<li class="indx">Jordan, Wilhelm <a href="#Seite_87">87</a>, <a href="#Seite_130">130</a>, <a href="#Seite_134">134 ff.</a></li>
-
-<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_141">[S. 141]</span>
-Jordanes <a href="#Seite_94">94 f.</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Jormunrek <a href="#Seite_28">28</a>.</li>
-
-<li class="indx">Jovinus <a href="#Seite_66">66</a>.</li>
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-<li class="ifrst">K</li>
-
-<li class="indx">Karl der Große <a href="#Seite_36">36</a>.</li>
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-<li class="indx">Karl der Hammer <a href="#Seite_79">79</a>.</li>
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-<li class="indx">Kerka <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
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-
-<li class="indx">Kézai, Simon <a href="#Seite_106">106</a>.</li>
-
-<li class="indx">Kindleben <a href="#Seite_121">121</a>.</li>
-
-<li class="indx">Kirchheim <a href="#Seite_27">27</a>.</li>
-
-<li class="indx">Konrad (Abt) <a href="#Seite_105">105</a>.</li>
-
-<li class="indx">Konrad (Schreiber) <a href="#Seite_9">9</a>, <a href="#Seite_93">93</a>, <a href="#Seite_112">112 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Konstantinopel <a href="#Seite_96">96</a>.</li>
-
-<li class="indx">Kopenhagen <a href="#Seite_5">5</a>.</li>
-
-<li class="indx">Körner, Josef <a href="#Seite_138">138</a>.</li>
-
-<li class="indx">Kriemhilt <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_35">35 f.</a>, <a href="#Seite_40">40 ff.</a>, <a href="#Seite_48">48 ff.</a>, <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_70">70</a>, <a href="#Seite_93">93 f.</a>, <a href="#Seite_99">99 f.</a>,
-<a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_110">110 f.</a>, <a href="#Seite_118">118 ff.</a></li>
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-
-<li class="indx">Kürnberger <a href="#Seite_111">111</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">L</li>
-
-<li class="indx">Lachmann, Karl <a href="#Seite_101">101</a>, <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_111">111 f.</a>, <a href="#Seite_126">126 f.</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li>
-
-<li class="indx">Laßberg, Frhr. von <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
-
-<li class="indx">Laurin, König <a href="#Seite_117">117 f.</a></li>
-
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-<li class="indx">Lazius <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
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-<li class="indx">Leopold I. <a href="#Seite_110">110</a>.</li>
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-<li class="indx">Magnus <a href="#Seite_91">91</a>.</li>
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-
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-<li class="indx">Medea <a href="#Seite_73">73</a>.</li>
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-<li class="indx">Meusebach <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
-
-<li class="indx">Mimir <a href="#Seite_59">59 f.</a></li>
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-<li class="indx">Müllenhoff, Karl <a href="#Seite_111">111</a>, <a href="#Seite_138">138</a>.</li>
-
-<li class="indx">München <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
-
-<li class="indx">Münster <a href="#Seite_11">11</a>.</li>
-
-<li class="indx">Myller <a href="#Seite_124">124</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">N</li>
-
-<li class="indx">Napoleon <a href="#Seite_1">1</a>.</li>
-
-<li class="indx">Nibelung <a href="#Seite_34">34</a>.</li>
-
-<li class="indx">Nikolaus, Abt <a href="#Seite_19">19</a>.</li>
-
-<li class="indx">Nithart von Riuwental <a href="#Seite_105">105 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Nivelles <a href="#Seite_80">80</a>.</li>
-
-<li class="indx">Nudung <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">O</li>
-
-<li class="indx">Obereit <a href="#Seite_123">123</a>.</li>
-
-<li class="indx">Oddi <a href="#Seite_4">4</a>.</li>
-
-<li class="indx">Oddrun <a href="#Seite_7">7</a>.</li>
-
-<li class="indx">Odin <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_14">14 f.</a>, <a href="#Seite_17">17</a>, <a href="#Seite_19">19</a>, <a href="#Seite_21">21 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Odoaker <a href="#Seite_96">96 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Ofen (Budapest) <a href="#Seite_45">45</a>.</li>
-
-<li class="indx">Olaf <a href="#Seite_9">9</a>.</li>
-
-<li class="indx">Ortlieb <a href="#Seite_46">46</a>, <a href="#Seite_51">51 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Ortnid <a href="#Seite_116">116 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Otacker <a href="#Seite_96">96</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Otr <a href="#Seite_18">18 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Otto der Große <a href="#Seite_97">97</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">P</li>
-
-<li class="indx">Paderborn <a href="#Seite_19">19</a>.</li>
-
-<li class="indx">Panzer, Fr. <a href="#Seite_106">106</a>.</li>
-
-<li class="indx">Patafrid <a href="#Seite_82">82 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Paul, Hermann <a href="#Seite_128">128</a>.</li>
-
-<li class="indx">Pfeiffer <a href="#Seite_111">111</a>.</li>
-
-<li class="indx">Pilgrim, Bischof von Passau <a href="#Seite_9">9</a>, <a href="#Seite_93">93</a>, <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_113">113</a>.</li>
-
-<li class="indx">Pipin der Ältere <a href="#Seite_80">80</a>.</li>
-
-<li class="indx">Pipin der Mittlere <a href="#Seite_79">79</a>.</li>
-
-<li class="indx">Pöchlarn <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Poitiers <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Procopius von Caesarea <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Prosper Aquitanus <a href="#Seite_67">67</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">R</li>
-
-<li class="indx">Randver <a href="#Seite_28">28</a>.</li>
-
-<li class="indx">Raßmann, August <a href="#Seite_138">138</a>.</li>
-
-<li class="indx">Ravenna <a href="#Seite_96">96 ff.</a></li>
-
-<li class="indx">Regin <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_18">18 ff.</a>, <a href="#Seite_59">59</a>.</li>
-
-<li class="indx">Reinmar der Alte <a href="#Seite_110">110</a>.</li>
-
-<li class="indx">Rerir <a href="#Seite_8">8</a>.</li>
-
-<li class="indx">Rheka <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Rieger <a href="#Seite_111">111</a>.</li>
-
-<li class="indx">Rietschel <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Roethe, G. <a href="#Seite_112">112</a>.</li>
-
-<li class="indx">Rüdeger von Bechelaren <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_50">50</a>, <a href="#Seite_52">52 ff.</a>, <a href="#Seite_97">97 ff.</a>, <a href="#Seite_111">111</a>.</li>
-
-<li class="ifrst"><span class="pagenum" id="Seite_142">[S. 142]</span>
-S</li>
-
-<li class="indx">Sämund <a href="#Seite_5">5</a>.</li>
-
-<li class="indx">Santen <a href="#Seite_34">34</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sarus <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Saxo Grammaticus <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Schilbung <a href="#Seite_34">34</a>.</li>
-
-<li class="indx">Schlegel, Aug. Wilh. <a href="#Seite_125">125</a>.</li>
-
-<li class="indx">Schönbach <a href="#Seite_116">116</a>.</li>
-
-<li class="indx">Seifrid <a href="#Seite_10">10 f.</a>, <a href="#Seite_64">64 f.</a>, <a href="#Seite_119">119</a>, <a href="#Seite_121">121</a>, <a href="#Seite_123">123</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sibich <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Siefjotli <a href="#Seite_16">16 f.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Siegfrid <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_11">11</a>, <a href="#Seite_16">16</a>, <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_34">34 ff.</a>, <a href="#Seite_49">49</a>, <a href="#Seite_55">55 ff.</a>, <a href="#Seite_71">71</a>, <a href="#Seite_73">73</a>, <a href="#Seite_76">76 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81</a>, <a href="#Seite_83">83
-ff.</a>, <a href="#Seite_91">91</a>, <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_118">118 ff.</a>, <a href="#Seite_131">131 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Siegwart <a href="#Seite_76">76</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sîfrit <a href="#Seite_34">34</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigebert <a href="#Seite_74">74 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigelind <a href="#Seite_34">34</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigemund <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_41">41</a>, <a href="#Seite_43">43 f.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_84">84</a>.</li>
-
-<li class="indx">Siggeir <a href="#Seite_15">15 ff.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigi <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_15">15</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigmund <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_15">15 ff.</a>, <a href="#Seite_20">20</a>, <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_60">60</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_78">78 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>.</li>
-
-<li class="indx">Signy <a href="#Seite_15">15 f.</a>, <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigrdrifa <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_21">21</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sigurd <a href="#Seite_6">6 ff.</a>, <a href="#Seite_13">13</a>, <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_20">20 ff.</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_39">39 f.</a>, <a href="#Seite_76">76</a>, <a href="#Seite_81">81</a>.</li>
-
-<li class="indx">Simrock, Karl <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_129">129</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sisibe <a href="#Seite_58">58</a>.</li>
-
-<li class="indx">Siward <a href="#Seite_91">91</a>.</li>
-
-<li class="indx">Soest <a href="#Seite_11">11</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sorli <a href="#Seite_27">27</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Speier <a href="#Seite_67">67</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sterzing <a href="#Seite_101">101</a>.</li>
-
-<li class="indx">St. Gallen <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_106">106</a>.</li>
-
-<li class="indx">Straßburg <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_117">117</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sturluson, Snorri <a href="#Seite_4">4 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Suanihilda <a href="#Seite_95">95</a>.</li>
-
-<li class="indx">Svanhild <a href="#Seite_27">27 f.</a>, <a href="#Seite_55">55</a>.</li>
-
-<li class="indx">Sveinsson, Brynjolf <a href="#Seite_5">5</a>.</li>
-
-<li class="indx">Swemmel <a href="#Seite_84">84</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">T</li>
-
-<li class="indx">Theodemer <a href="#Seite_96">96</a>.</li>
-
-<li class="indx">Theodorich der Große 56, <a href="#Seite_96">96 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Trajan <a href="#Seite_84">84</a>.</li>
-
-<li class="indx">Troja <a href="#Seite_83">83 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Tronje <a href="#Seite_83">83 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Troye <a href="#Seite_83">83</a>.</li>
-
-<li class="indx">Troyes <a href="#Seite_83">83</a>.</li>
-
-<li class="indx">Trünne <a href="#Seite_83">83</a>.</li>
-
-<li class="indx">Tryggvi <a href="#Seite_9">9</a>.</li>
-
-<li class="indx">Tuln <a href="#Seite_45">45</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">U</li>
-
-<li class="indx">Uhland <a href="#Seite_32">32</a>.</li>
-
-<li class="indx">Ute <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_105">105</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">V</li>
-
-<li class="indx">Verona <a href="#Seite_49">49</a>, <a href="#Seite_97">97</a>.</li>
-
-<li class="indx">Vitry <a href="#Seite_75">75</a>.</li>
-
-<li class="indx">Volker <a href="#Seite_49">49 f.</a>, <a href="#Seite_52">52 f.</a>, <a href="#Seite_64">64</a>, <a href="#Seite_84">84</a>, <a href="#Seite_110">110</a>.</li>
-
-<li class="indx">Volsung <a href="#Seite_8">8</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">W</li>
-
-<li class="indx">Wæls <a href="#Seite_15">15</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wagner, Richard <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_16">16 f.</a>, <a href="#Seite_130">130 ff.</a>, <a href="#Seite_134">134</a>, <a href="#Seite_136">136</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wallerstein <a href="#Seite_102">102</a>.</li>
-
-<li class="indx">Walther <a href="#Seite_82">82 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_115">115</a>.</li>
-
-<li class="indx">Werbel <a href="#Seite_84">84</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wernher der Gärtner <a href="#Seite_119">119</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wieland <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wien <a href="#Seite_45">45 f.</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_109">109</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wilmanns, Wilh. <a href="#Seite_138">138</a>.</li>
-
-<li class="indx">Witig <a href="#Seite_98">98</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wodan <a href="#Seite_15">15</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wolf, Friedr. Aug. <a href="#Seite_127">127</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wolfdietrich <a href="#Seite_116">116 ff.</a></li>
-
-<li class="indx">Wolfhart <a href="#Seite_54">54</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wolfram von Eschenbach <a href="#Seite_10">10</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_117">117</a>.</li>
-
-<li class="indx">Wolsung <a href="#Seite_15">15 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Worms <a href="#Seite_33">33 ff.</a>, <a href="#Seite_41">41 ff.</a>, <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_57">57 f.</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_77">77 f.</a>, <a href="#Seite_82">82</a>, <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_117">117 f.</a>,
-<a href="#Seite_126">126</a>, <a href="#Seite_131">131 f.</a></li>
-
-<li class="ifrst">X</li>
-
-<li class="indx">Xanten <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_84">84</a>.</li>
-
-<li class="ifrst">Z</li>
-
-<li class="indx">Zarncke, Friedrich <a href="#Seite_106">106</a>, <a href="#Seite_127">127</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li>
-
-<li class="indx">Zeizenmure <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li>
-
-<li class="indx">Zeno <a href="#Seite_96">96 f.</a></li>
-
-<li class="indx">Zeune, August <a href="#Seite_1">1</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li>
-
-<li class="indx">Zürich <a href="#Seite_130">130</a>.</li>
-</ul>
-
-<p class="s5 center padtop5 break-before"><span class="bt">Druck von Hallberg &amp; Büchting</span><br />
-<span class="bb">(Inh.: Alfred Klepzig) in Leipzig.</span></p>
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="schmal break-before">
-
-<p class="s1 center"><b>Wissenschaft und Bildung</b></p>
-
-<p class="center">Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens</p>
-
-<p class="s5 center">Im Umfange von 130&ndash;180 Seiten<br />
-Geh. 1 M. Originalleinenbd. 1.25 M.</p>
-
-<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>ie Sammlung bringt aus der Feder unserer berufensten Gelehrten
-in anregender Darstellung und systematischer Vollständigkeit die
-Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung aus allen Wissensgebieten.
-&nbsp;&ensp;&nbsp;::&nbsp;&ensp;&nbsp;::&nbsp;&ensp;&nbsp;::&nbsp;&ensp;&nbsp;::</p>
-
-<p class="p0">Sie will den Leser schnell und mühelos, ohne Fachkenntnisse
-vorauszusetzen, in das Verständnis aktueller wissenschaftlicher
-Fragen einführen, ihn in ständiger Fühlung mit den Fortschritten der
-Wissenschaft halten und ihm so ermöglichen, seinen Bildungskreis zu
-erweitern, vorhandene Kenntnisse zu vertiefen, sowie neue Anregungen
-für die berufliche Tätigkeit zu gewinnen. Die Sammlung „<em class="gesperrt">Wissenschaft
-und Bildung</em>“ will nicht nur dem Laien eine belehrende und
-unterhaltende Lektüre, dem Fachmann eine bequeme Zusammenfassung,
-sondern auch dem Gelehrten ein geeignetes Orientierungsmittel sein, der
-gern zu einer gemeinverständlichen Darstellung greift, um sich in Kürze
-über ein seiner Forschung ferner liegendes Gebiet zu unterrichten. Der
-weitere Ausbau der Sammlung wird planmäßig durchgeführt. Abbildungen
-werden den in sich abgeschlossenen und einzeln käuflichen Bändchen nach
-Bedarf in sorgfältiger Auswahl beigegeben.</p>
-
-<div class="figcenter illowe1" id="blatt">
- <img class="w100" src="images/blatt.jpg" alt="" />
-</div>
-
-<p>Über die bisher erschienenen Bändchen vergleiche den Anhang</p>
-
-</div>
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="schmal">
-
-<div class="chapter">
-
-<div class="s4 center"><span class="bboxm"><img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> Verlag
-von Quelle &amp; Meyer in Leipzig <img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" />
-</span></div>
-
-</div>
-
-<p class="s1 center">Naturwissenschaftliche Bibliothek<br />
-<span class="s7 bbox vam">Geb. M. 1.80</span> für Jugend und Volk <span class="s7 bbox vam">Geb. M. 1.80</span></p>
-
-<p class="center">Herausgegeben von <em class="gesperrt">Konrad Höller</em> und <em class="gesperrt">Georg Ulmer</em>.<br />
-<b>Reich illustrierte</b> Bändchen im Umfange von <b>140 bis 200 Seiten</b>.</p>
-
-<p class="center bbox"><b>In die Liste der von den Vereinigten Jugendschriften-Ausschüssen
-empfohlenen Bücher aufgenommen.</b></p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Aus Deutschlands Urgeschichte.</b> Von <em class="gesperrt">G. Schwantes</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Eine <em class="gesperrt">klare und gemeinverständliche Arbeit</em>, erfreulich
-durch die weise Beschränkung auf die gesicherten Ergebnisse der
-Wissenschaft; erfreulich auch durch den lebenswarmen Ton.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Frankfurter Zeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Der deutsche Wald.</b> Von Prof. <span class="antiqua">Dr</span>. <em class="gesperrt">M. Buesgen</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Unter den zahlreichen, für ein größeres Publikum berechneten
-botanischen Werken, die in jüngster Zeit erschienen sind, beansprucht
-das vorliegende ganz besondere Beachtung. Es ist <em class="gesperrt">ebenso
-interessant wie belehrend</em>.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Naturwissenschaftliche Rundschau.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Die Heide.</b> Von <em class="gesperrt">W. Wagner</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Alles in allem &mdash; <em class="gesperrt">ein liebenswürdiges Büchlein</em>, daß wir
-in die Schülerbibliotheken eingestellt wünschen möchten; denn es
-gehört zu jenen, welche darnach angetan sind, unserer Jugend <em class="gesperrt">in
-anregendster Weise Belehrung</em> zu schaffen.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Land- u. Forstwirtschaftl. Unterrichtszeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Im Hochgebirge.</b> Von Prof. <em class="gesperrt">C. Keller</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Auf 141 Seiten entrollt der Verfasser ein so intimes, anschauliches
-Bild des Tierlebens in den Hochalpen, daß man schier mehr Belehrung
-<em class="gesperrt">als aus dicken Wälzern</em> geschöpft zu haben glaubt. Ein
-treffliches Buch, das keiner ungelesen lassen sollte.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Deutsche Tageszeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Die Tiere des Waldes.</b> Von Forstmeister <em class="gesperrt">K. Sellheim</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Die Sehnsucht nach dem Walde ist dem Deutschen eingeboren... Aber
-wie wenig wird er dabei das Tierleben gewahr, das ihn da umgibt. Da
-wird dieses Buch <em class="gesperrt">ein willkommener Führer und Anleiter</em> sein.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Deutsche Lehrerzeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Unsere Singvögel.</b> Von Prof. <span class="antiqua">Dr</span>. <em class="gesperrt">A. Voigt</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Mit nicht geringen Erwartungen gingen wir an Professor Voigts
-neuestes Buch. Aber als wir nur wenige Abschnitte gelesen, da konnten
-wir mit Freude feststellen, <em class="gesperrt">daß diesmal der Meister sich selbst
-übertroffen</em>. ...“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Nationalzeitung.</p>
-
-<p class="s6a right mtop2">Fortsetzung auf <a href="#umschlag3">Seite 3 des Umschlags</a>.</p>
-
-</div>
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="schmal">
-
-<div class="chapter">
-
-<div class="s4 center"><span class="bboxm"><b>Verlag von Quelle &amp; Meyer in
-Leipzig</b></span></div>
-
-</div>
-
-<p class="s1 center"><b><span class="s5">Altgermanische</span><br />
-
-Religionsgeschichte</b></p>
-
-<p class="s3 center"><span class="s4">Von <b>Dr. Richard M. Meyer</b></span></p>
-
-<p class="center">a. o. Professor an der Universität Berlin</p>
-
-<p class="s4 center">665 S. Brosch. M. 16.&mdash; In Originalleinenband
-M. 17.&mdash;</p>
-
-<p>Das Werk gibt zunächst eine vollständige Darstellung der
-altgermanischen Religion oder besser gesagt, der altgermanischen
-Religionen und versucht auf dieser Grundlage eine
-Entwickelungsgeschichte der germanischen Mythologie von den frühesten
-Spuren bis zum Uebergang in das Christentum. Durchweg ist dabei der
-Standpunkt der <em class="gesperrt">vergleichenden</em> Mythologie (im neueren Sinne des
-Wortes) eingehalten, der in zwei einleitenden Kapiteln über typische
-Entwicklung der Mythologie und über mythologische Formenlehre eingehend
-begründet wird. Daneben wird der Einwirkung der Heldensage auf die
-Mythologie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Durch die Vereinigung
-dieser verschiedenen Gesichtspunkte ergeben sich eine Fülle neuer
-Probleme und neuer Erkenntnis, wodurch das Werk einen höchst wertvollen
-Beitrag zur Wissenschaft vom deutschen Geist und seiner Geschichte
-bildet, um so mehr, als Verfasser allen auftauchenden, historischen,
-kulturgeschichtlichen, allgemein-religionsgeschichtlichen und
-literarhistorischen Fragen besondere Beachtung geschenkt hat.</p>
-
-<p>In der Darstellung ist größte Gemeinverständlichkeit angestrebt.
-Alle speziellen wissenschaftlichen Erörterungen sind in Anmerkungen
-verwiesen. Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, eine chronologische
-Tabelle und mehrere Register erhöhen die Benutzbarkeit des Buches.</p>
-
-<div class="s4 center mtop1"><span class="bboxm"><b>Prospekte unentgeltlich und
-postfrei</b></span></div>
-
-</div>
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="schmal">
-
-<div class="chapter" id="umschlag3">
-
-<div class="s4 center mbot2 padtop1"><span class="bboxm"><img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" />
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-</span></div>
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-</div>
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-<p class="p0 s4"><b>Das Süßwasser-Aquarium.</b> Von <em class="gesperrt">C. Heller</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Dieses Buch ist nicht nur ein <em class="gesperrt">unentbehrlicher Ratgeber</em> für
-jeden Aquarienfreund, sondern es macht vor allen Dingen seinen Leser
-mit den interessanten Vorgängen aus dem Leben im Wasser bekannt ...“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Bayersche Lehrerzeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Reptilien- und Amphibienpflege.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">P. Krefft</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Die einheimischen, für den Anfänger zunächst in Betracht
-kommenden Arten sind <em class="gesperrt">vorzüglich geschildert</em> in bezug auf
-Lebensgewohnheiten und Pflegebedürfnisse, &mdash; die fremdländischen
-Terrarientiere nehmen einen sehr breiten Raum ein.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">O. Kr. Pädagogische Reform.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Die Ameisen.</b> Von <em class="gesperrt">H. Viehmeyer</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Viehmeyer ist allen Ameisenfreunden als <em class="gesperrt">bester Kenner</em> bekannt.
-Von seinen Bildern kann man sagen, daß sie vom ersten bis zum letzten
-Wort <em class="gesperrt">der Natur geradezu abgeschrieben</em> sind.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Thüringer Schulblatt.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Die Schmarotzer</b> der Menschen und Tiere. Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">v.
-Linstow</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Es ist eine unappetitliche Gesellschaft, die hier in Wort und Bild
-vor dem Leser aufmarschiert. Aber gerade jene Parasiten, die unserer
-Existenz abträglich sind, gerade sie verdienen, von ihm nach Form und
-Wesen gekannt zu sein, weil damit der erste wirksame Schritt zu ihrer
-Bekämpfung eingeleitet ist.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">K. Süddeutsche Apotheker-Zeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Unsere Wasserinsekten.</b> Von <em class="gesperrt">Georg Ulmer</em>.</p>
-
-<p class="s5">Für Freunde des Wassers, für Liebhaber von Aquarien ist dies Buch
-geschrieben. Es bietet <em class="gesperrt">eine Fülle von Anregungen</em> und wird den
-Leser veranlassen, selbst hinauszuziehen in die Natur, sie mit eigenen
-Augen zu betrachten.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Die mikroskopische Kleinwelt unserer Gewässer.</b> Eine Einführung
-in die Naturgeschichte der einfachsten Lebensformen nebst kurzer
-Anleitung zu deren Studium. Von <em class="gesperrt">E. Reukauf</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Nur wenige haben eine Ahnung von dem ungeheuren Formenreichtum und
-eine auch nur annähernd richtige Vorstellung von dem Wesen jener
-Mikroorganismen, die unsere Gewässer bevölkern. Als ein Schlüssel
-hierzu wird das vorliegende Bändchen <em class="gesperrt">vorzüglich geeignet</em> sein....“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Deutsche Zeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Aus der Vorgeschichte der Pflanzenwelt.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">W.
-Gothan</em>.</p>
-
-<p class="s5">An einer solchen allgemeinverständlichen Einführung in die Geschichte
-der Pflanzenwelt fehlte es bisher. Der Verfasser bespricht zunächst die
-geologischen Grundbegriffe, geht dann auf die Art der Erhaltung der
-fossilen Pflanzenreihe ein und schildert die Vorgeschichte der großen
-wichtigsten Gruppen des Pflanzenreiches der Jetzt- und Vorzeit.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Niedere Pflanzen.</b> Von Prof. <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">R. Timm</em>.</p>
-
-<p class="s5">„In dieser Weise führt das kleine Büchlein den Leser <em class="gesperrt">in die gesamte
-Welt</em> der so mannigfachen Kryptogamen ein und lehrt ihn, sie
-verständnisvoll zu beobachten.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Naturwissenschaftliche Rundschau.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Häusliche Blumenpflege.</b> Von <em class="gesperrt">Paul</em> F. F. <em class="gesperrt">Schulz</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Der Stoff ist mit großer <em class="gesperrt">Übersichtlichkeit</em> gruppiert, und der
-Text ist so <em class="gesperrt">faßlich</em> und <em class="gesperrt">klar</em> gehalten, außerdem durch
-eine Fülle von Illustrationen unterstützt, daß auch der Laie sich
-mühelos zurechtfinden kann. ... Dem Verfasser gebührt für seine reiche,
-anmutige Gabe Dank.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Pädagogische Studien.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Chemisches Experimentierbuch.</b> Von <em class="gesperrt">O. Hahn</em>.</p>
-
-<p class="s5">Das Buch will jedem, der Lust zum chemischen Experimentieren hat, mit
-einfachen Apparaten und geringen Mitteln eine Anleitung sein, für sich
-selbst im Hause die richtigsten Experimente auszuführen.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Die Photographie.</b> Von <em class="gesperrt">W. Zimmermann</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Das Buch behandelt die theoretischen und praktischen Grundlagen der
-Photographie und bildet ein <em class="gesperrt">Lehrbuch bester Art</em>. Durch die
-populäre Fassung eignet es sich ganz besonders für den Anfänger.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">„Apollo“, Zentralorgan f. Amateur- u. Fachphotogr.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Beleuchtung und Heizung.</b> Von <em class="gesperrt">J. F. Herding</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Ich möchte gerade diesem Buche, seiner <em class="gesperrt">praktischen, ökonomischen
-Bedeutung</em> wegen, eine weite Verbreitung wünschen. Hier liegt, vor
-allem im Kleinbetrieb, noch vieles sehr im argen.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Frankfurter Zeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Kraftmaschinen.</b> Von Ingenieur <em class="gesperrt">Charles Schütze</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Schützes Kraftmaschinen sollten deshalb in <em class="gesperrt">keiner
-Schülerbibliothek</em>, weder an höheren noch an Volksschulen,
-<em class="gesperrt">fehlen</em>. Das Büchlein gibt aber auch dem Lehrer Gelegenheit,
-seine technischen Kenntnisse schnell und leicht zu erweitern.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Monatsschrift für höhere Schulen.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Signale in Krieg und Frieden.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Fritz Ulmer</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Ein interessantes Büchlein, welches vor uns liegt. Es behandelt das
-Signalwesen von den ersten Anfängen im Altertume und den Naturvölkern
-bis zur jetzigen Vollkommenheit im Land- und Seeverkehr.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Deutsche Lehrerzeitung.</p>
-
-<p class="p0 s4"><b>Seelotsen-, Leucht- und Rettungswesen.</b> Ein Beitrag zur
-Charakteristik der Nordsee u. Niederelbe. Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">F.
-Dannmeyer</em>.</p>
-
-<p class="s5">„Mit über 100 guten Bildern interessantester Art, mit Zeichnungen und
-zwei Karten versehen, führt das Buch uns das <em class="gesperrt">Schiffahrtsleben</em>
-in anschaulicher, fesselnder Form vor Augen, wie es sich täglich an
-unseren Flußmündungen abspielt.“</p>
-
-<p class="s6a right mright1">Allgemeine Schiffahrts-Zeitung.</p>
-
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-Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei
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-</span></div>
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-</div>
-
-<hr class="full x-ebookmaker-drop" />
-
-<div class="schmal">
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s1 center mtop1"><b class="antiqua">Schönste Festgeschenke</b></p>
-
-</div>
-
-<p class="s3 center"><b class="antiqua bbm">aus dem Verlage von Quelle &amp; Meyer, Leipzig</b></p>
-
-<p class="s1 center">Der Sinn und Wert des Lebens</p>
-
-<p class="p0 s5"><span class="s3">für den Menschen der Gegenwart.</span> Von
-Geheimrat <em class="gesperrt">R. Eucken</em>. 3. völlig umgearbeitete Auflage.
-13. und 14. Tausend. 192 Seiten.</p>
-
-<p class="s5 center">In Originalleinenband M. <b>3.60</b></p>
-
-<p class="s1 center">Die bildende Kunst der Gegenwart</p>
-
-<p class="p0 s5">Von Hofrat <span class="antiqua">Dr.</span>
-<em class="gesperrt">J. Strzygowski</em>. 235 S. mit zahlreichen Abbildungen.</p>
-
-<p class="s5 center">In Originalleinenband M. <b>4.80</b></p>
-
-<p class="s1 center">Geschichte der Römischen Kaiser</p>
-
-<p class="p0 s5">Von Geheimrat Professor <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">A. v. Domaszewski</em>. 2 Bände zu
-je 332 S. mit 12 Porträts auf Tafeln in künstlerischer Ausführung u. 8
-Karten.</p>
-
-<p class="s5 center">In Originalleinenband je M. <b>9.&mdash;</b>, in Halbfranzband je M.
-<b>11.&mdash;</b></p>
-
-<p class="s1 center">Unsere religiösen Erzieher</p>
-
-<p class="p0 s5">Eine Geschichte des Christentums in Lebensbildern, herausgegeben von
-Professor Lic. <em class="gesperrt">B. Beß</em>. 2 Bände zu je 280 S.</p>
-
-<p class="s5 center">In Origbd. je M. <b>4.40</b></p>
-
-<p class="s1 center">Preußens Geschichte</p>
-
-<p class="p0 s5">von <em class="gesperrt">Rudolf Herzog</em>. 384 S. mit 22 farb. und schwarzen Bildern von
-Professor <em class="gesperrt">Kampf</em>. Buchschmuck und Einbandzeichnung von Professor
-G. Belwe.</p>
-
-<p class="s5 center">In Origb. M. <b>3.40</b>. Vorzugsausgabe auf Bütten M.
-<b>10.&mdash;</b></p>
-
-<p class="s1 center">Männer und Zeiten</p>
-
-<p class="p0 s5">Essays zur neueren Geschichte. Von Geheimrat Prof. <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">E.
-Marcks</em>. 2 Bände 640 S. 5. und 6. Tausend.</p>
-
-<p class="s5 center">In Originalleinenband M. <b>12.&mdash;</b>, in
-Halbfranzband M. <b>16.&mdash;</b></p>
-
-<p class="s1 center">Große Denker</p>
-
-<p class="p0 s5">Eine Geschichte der Philosophie in Einzeldarstellungen. Herausgegeben
-von Privatdozent <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">E. v. Aster</em>. 2 Bände zu je 320 S.
-mit 8 Porträts.</p>
-
-<p class="s5 center">In Originallbd. M. <b>16.&mdash;</b>, in Halbfrzbd. M.
-<b>20.&mdash;</b></p>
-
-<p class="center mtop1"><b class="antiqua bt">Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei.</b></p>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s2 center mtop3">Fußnoten:</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnotes">
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Nordische Form des deutschen Namens Nibelunge.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_2" href="#FNAnker_2" class="label">[2]</a> Volsungar ist der im Norden gebräuchliche Geschlechtsname
-des Sigurd und seiner Angehörigen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_3" href="#FNAnker_3" class="label">[3]</a> Ragnar wird verheiratet gedacht mit Aslaug, einer
-hinterlassenen Tochter des Sigurd und der Brynhild.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_4" href="#FNAnker_4" class="label">[4]</a> Da sein Verfasser im Grunde nur den gedruckt vorliegenden
-„Hürnen Seifrid“ umschreibt, widerspricht das Auftauchen des
-Volksbuches im 18. Jahrhundert nicht der <a href="#Dreissigjaheriger_Krieg">S. 1</a> aufgestellten Behauptung,
-daß die direkte volkstümliche Überlieferung im Dreißigjährigen Kriege
-erloschen ist.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_5" href="#FNAnker_5" class="label">[5]</a> Die Beispiele sind entnommen aus „Die Edda“, übersetzt und
-erläutert von Hugo Gering.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_6" href="#FNAnker_6" class="label">[6]</a> Odin ist die nordische Form des Namens für denselben Gott,
-der in Deutschland Wodan hieß.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_7" href="#FNAnker_7" class="label">[7]</a> Wagner hat diesen Zug der Sage in der „Walküre“ benutzt,
-ihn aber verschoben; bei ihm ist Siegfrieds Mutter an die Stelle der
-Signy getreten.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_8" href="#FNAnker_8" class="label">[8]</a> Wagner überträgt den Namen auf die Person seiner Dichtung,
-die eigentlich die Figur des Siggeir fortsetzt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_9" href="#FNAnker_9" class="label">[9]</a> Man dachte sich die Gnitaheide auf dem halben Wege von
-Paderborn nach Mainz gelegen, wo sie im 12. Jahrhundert ein wandernder
-Norweger, Abt Nikolaus, wiedergefunden zu haben glaubte.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_10" href="#FNAnker_10" class="label">[10]</a> Daß Sigurds Schwert dasselbe ist, das sein Vater geführt
-hat, behauptet erst die Volsungasaga; die Lieder-Edda weiß noch nichts
-davon.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_11" href="#FNAnker_11" class="label">[11]</a> Nach späterer nordischer Sage ist allerdings die Aslaug,
-die Gattin des Ragnar Lodbrok, eine Frucht dieser frühern Bekanntschaft
-Sigurds mit Brynhild. Übrigens nennt der Liedersammler die Brynhild bei
-ihrer ersten Begegnung mit Sigurd „Sigrdrifa“, indem er einen Beinamen
-(Spenderin des Sieges) als Namen auffaßt; vielleicht hat er dadurch
-für die beiden Verlobungsgeschichten (vgl. <a href="#Verlobungsgeschichten">S. 22</a>) zwei verschiedene
-Heldinnen schaffen wollen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_12" href="#FNAnker_12" class="label">[12]</a> Die ursprüngliche Fassung der Sage, daß Sigurd in
-untergeordneten Verhältnissen aufgewachsen ist, blickt deutlich
-hindurch.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_13" href="#FNAnker_13" class="label">[13]</a> Im Norden wird sein Volk nicht das hunnische genannt,
-wenigstens nicht in den älteren Quellen; nach vereinzelten Andeutungen
-herrscht er in Walland (Italien).</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_14" href="#FNAnker_14" class="label">[14]</a> Ihr Alter dürfen wir freilich nicht nachrechnen. Svanhild
-ist beim Eintritt in die Erzählung ein junges Mädchen. Inzwischen
-sind aber ihre Brüder aus der dritten Ehe ihrer Mutter bereits zu
-waffenfähigen Männern herangewachsen. Gudruns zweite Ehe mit Atli,
-sowie die Zeit ihrer Witwenschaft sind inzwischen vergangen, auch die
-Zeit der Ehe mit Sigurd, die doch immerhin einige Jahre gewährt hat,
-ist vorüber. Wir kommen also für Svanhild, wenn wir nachrechnen, auf
-ein ziemlich hohes Alter, das zur Erzählung nicht stimmt. Wir dürfen
-in dieser Beziehung nicht zu streng sein. Denn gerade diese Dinge,
-wie überhaupt jede Chronologie, sind die schwächsten Punkte aller
-sagenmäßigen Tradition. Alles dies verschwimmt in der Erinnerung der
-Menschen zu allererst; sie werfen alles auf eine Fläche, sie sehen in
-der Erinnerung alles nebeneinander, kein Vor- und kein Hintereinander
-mehr; Personen, die in Wirklichkeit durch hundert Jahre getrennt waren,
-können leicht als Zeitgenossen erscheinen. Es war für die einfachen
-Leute, welche die Überlieferung gepflegt haben, eben nicht möglich,
-solche Dinge zu kontrollieren.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_15" href="#FNAnker_15" class="label">[15]</a> Er gehört übrigens ursprünglich nur dem Texte <span class="antiqua">C</span>
-an, vergleiche später <a href="#Text_C">S. 107</a>.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_16" href="#FNAnker_16" class="label">[16]</a> Den Namen des Vaters (Gibich, der in andern deutschen
-Dichtungen wohlbekannt ist) hat das Nibelungenlied vergessen; erst der
-Text <span class="antiqua">C</span> nennt ihn im Anschluß an die „Klage“ mit einem offenbar
-willkürlich herausgegriffenen Namen Dankrat.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_17" href="#FNAnker_17" class="label">[17]</a> Woher sie mit ihr bekannt ist (die Geschichte spielt ja
-in der Mädchenzeit der beiden), wird nicht erklärt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_18" href="#FNAnker_18" class="label">[18]</a> Etwa dem alten Herzogtum Nieder-Lothringen entsprechend.
-Eine Residenz Santen (heute Xanten) hat erst der Text <span class="antiqua">C</span> aus
-der einmaligen Erwähnung dieses Städtchens Str. 715 (Holtzmann)
-herausgesponnen, vgl. Braune, Die Handschriftenverhältnisse des
-Nibelungenliedes, S. 178.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_19" href="#FNAnker_19" class="label">[19]</a> Die Burgunden sitzen nach der Sage in einer Gegend,
-die zur Zeit der vollendeten Dichtung den Franken gehört; sie fallen
-infolgedessen in der Auffassung des Dichters und seiner Zuhörer mit
-diesen zusammen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_20" href="#FNAnker_20" class="label">[20]</a> Solche Feste werden in unserm Liede stets mit besonderer
-Liebe behandelt. Unserm heutigen Geschmack sagen die Schilderungen
-von Festen und dem dabei entwickelten Prunke, besonders was
-Kleidung anbetrifft, wenig zu, und man hat deshalb die betreffenden
-Abschnitte gar für unecht erklären wollen; sie sind jedoch nur leer
-an Sagengehalt. Wir müssen uns in die damalige Zeit hineinversetzen,
-um diese Schneiderszenen, wie man sie genannt hat, zu würdigen. Man
-erwartete im Mittelalter von der erzählenden Dichtung nicht nur
-Anregungen innerlichen, sondern auch solche äußerlichen Charakters, als
-da sind Berichte über neue oder absonderliche Moden oder Gebräuche.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_21" href="#FNAnker_21" class="label">[21]</a> Die Schilderung dieser Jagd im 16. Gesange unseres Liedes
-ist in gewisser dichterischer Beziehung vielleicht sein Höhepunkt. Der
-Verfasser weiß auf das genaueste Bescheid von allem, was bei einer Jagd
-jener Zeit vorkommt, und versetzt sich und seine Zuhörer so lebhaft
-in die richtige Wald- und Jagdstimmung, daß man diesen Gesang nur mit
-großem Genusse lesen kann.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_22" href="#FNAnker_22" class="label">[22]</a> Seltsamerweise wird vorausgesetzt, daß Siegfried für den
-Scheinfeldzug vor einigen Tagen und für die Jagd ein und denselben Rock
-trägt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_23" href="#FNAnker_23" class="label">[23]</a> Unter diesem Namen verstehen die Deutschen späterhin
-immer Ofen (Budapest); ob das Nibelungenlied schon diese Stadt meint,
-bleibt zweifelhaft: Ungarns alte Hauptstadt ist Gran (noch heute Sitz
-des Primas); erst nach seiner Zerstörung durch die Mongolen 1241 trat
-Ofen an seine Stelle.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_24" href="#FNAnker_24" class="label">[24]</a> Diese einfachen Boten sind sicher eine aus einer ältern
-Erzählungsschicht stehengebliebene Altertümlichkeit; der ritterliche
-Dichter würde vornehmere Herren zu diesem Zwecke bemüht haben.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_25" href="#FNAnker_25" class="label">[25]</a> Dieser Held, der keiner andern Quelle unserer Sage
-bekannt ist, spielt von jetzt an eine Schritt für Schritt wachsende
-Rolle, und zwar tritt er immer an Stellen hervor, die eine Neuerung in
-der Sage bedeuten.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_26" href="#FNAnker_26" class="label">[26]</a> Die Dichter des Mittelalters vermögen ihren Werken kein
-andres Kolorit als das ihrer eigenen Zeit zu geben.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_27" href="#FNAnker_27" class="label">[27]</a> Die „Vorrede“ des Heldenbuches, vgl. später
-<a href="#Heldenbuch">S. 118</a>.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_28" href="#FNAnker_28" class="label">[28]</a> Der Kampf im Saale beginnt also auch hier mit Ortliebs
-Tode, doch ist der Umstand, daß Kriemhilt diesen mit Absicht
-herbeiführt, um Etzel zur Rache zu entflammen, als zu grauenerregend
-abgeschwächt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_29" href="#FNAnker_29" class="label">[29]</a> Irnfrid von Thüringen ist der historische letzte König
-der Thüringe Ermanfrid, der um 530 von den Franken besiegt und
-vertrieben (später auch getötet) wurde; die letzten seiner Familie
-flohen zum oströmischen Kaiser, den unsere deutsche Sage in älterer
-Zeit immer durch den ihr geläufigen Hunnenkönig Attila ersetzt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_30" href="#FNAnker_30" class="label">[30]</a> Amelunge (Amaler) ist ursprünglich der Name des
-Königshauses der Ostgoten; er wird (was auch anderwärts nicht selten
-vorkommt, z. B. Kärlinge = Franken) so häufig für „Goten“, den Namen
-des beherrschten Volkes, gebraucht, daß die hochdeutsche Überlieferung
-diesen ganz vergessen hat.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_31" href="#FNAnker_31" class="label">[31]</a> Im dritten Gudrunliede, das einen Einzelzug behandelt,
-der nicht einmal sagenecht ist, wird er erwähnt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_32" href="#FNAnker_32" class="label">[32]</a> Das Volk der Bayern begegnet uns zuerst um die Mitte
-des 6. Jahrhunderts unter einheimischen, von den fränkischen Königen
-abhängigen Fürsten; das ihnen gehörige Land war kurz vorher noch
-ein Teil des Gotenreiches. Als die Oströmer dies eroberten, drangen
-sie nicht bis über die Alpen vor; es scheint daher, daß sich die
-zwischen Donau und Alpen übrig gebliebenen Goten mit Resten anderer
-Germanenstämme zu einem neuen Volke unter dem Namen „Bayern“
-(<span class="antiqua">Baiuuarii</span>) zusammengeschlossen haben. Wenigstens betrachten die
-Bayern noch später sich als identisch mit den Amelungen (Goten) und
-also den Dietrich als ihres Stammes.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_33" href="#FNAnker_33" class="label">[33]</a> Auch hier ist Etzel sagenhafter Vertreter des
-oströmischen Kaisers (Zeno, der den Theodorich 489 gegen Odoaker
-schickte).</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_34" href="#FNAnker_34" class="label">[34]</a> Eine Namenverschiebung: da derjenige, der in der
-Lieder-Edda Regin heißt, hier bereits (auf Grund deutscher Sage) Mimir
-benannt ist, überträgt der Sagaschreiber jenen Namen auf den Drachen
-(der in nordischer Sage Fafnir heißt und Regins Bruder ist).</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_35" href="#FNAnker_35" class="label">[35]</a> Schwert und Roß führen hier die aus der Lieder-Edda
-bekannten Namen Gram und Grani; jenes entspricht dem deutschen Balmung,
-dies wird in Deutschland nicht mit Namen genannt.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_36" href="#FNAnker_36" class="label">[36]</a> Dieser gilt in der Saga als Bruder der Burgundenkönige;
-ein Zugeständnis an die nordische Sagenform der Lieder-Edda.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_37" href="#FNAnker_37" class="label">[37]</a> Der also hier als vierter die Stelle Dankwarts im
-Nibelungenliede einnimmt; Dietrichs Mitgehen ist halbwegs begründet,
-das Dankwarts aber nicht; liegt hier vielleicht eine dunkle Beziehung
-zwischen den beiden Überlieferungen vor?</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_38" href="#FNAnker_38" class="label">[38]</a> Davon war bisher nichts erzählt; die Saga ist hier mit
-sich selbst nicht einig. Ihre einzelnen Teile stammen aus verschiedenen
-Quellen und sind nicht durchweg ineinander gearbeitet und miteinander
-ausgeglichen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_39" href="#FNAnker_39" class="label">[39]</a> Als persönliches Opfer ihrer Rache fällt hier Giselher;
-einer muß durch ihre Hand umkommen, damit begründet ist, daß Dietrich
-(statt Hiltebrands im Liede) sie tötet.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_40" href="#FNAnker_40" class="label">[40]</a> Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß
-der Personenname „Nibulung“ im Geschlechte der Arnulfinge einen ganz
-besonderen Sinn gehabt haben kann: die Stifterin des Klosters Nivelles
-(belgische Stadt südlich von Brüssel) ist die Heilige Gertrud (†
-659), Tochter Pipins des Ältern; dies Nivelles ist also ein jenem
-Geschlechte ganz besonders wertes Heiligtum; ist es danach nicht
-denkbar, daß Söhne dieser Familie gelegentlich „Mann von Nivelles“, in
-altfränkischer Sprachform „Nibulung“, benannt worden sind? Ist diese
-Annahme richtig, so müssen natürlich die Nibelunge der Sage unbedingt
-von diesen historischen Nibelungen hergeleitet werden. Ich wage nun
-freilich für die Richtigkeit nicht einzustehen, muß aber behaupten, daß
-diese Herleitung plausibler ist als die alte, die in den Nibelungen
-„Nebelsöhne“, „Mächte der Finsternis“ erkennen wollte; sie ist ja schon
-dadurch widerlegt, daß es mythische Nibelunge in der Sage ursprünglich
-gar nicht gegeben hat.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_41" href="#FNAnker_41" class="label">[41]</a> Daß dieser als Schwestersohn dem Oheim den Grund für sein
-Verhalten gibt, ist ein höchst altertümlicher Zug, der die ältesten
-germanischen (mutterrechtlichen) Verhältnisse widerspiegelt, vgl.
-<span class="antiqua">Tac. Germ. c. 20</span>: <span class="antiqua">sororum filiis idem apud avunculum qui
-apud patrem honor. quidam sanctiorem artioremque hunc nexum sanguinis
-arbitrantur</span> (Schwestersöhne stehen beim Oheim in derselben Geltung
-wie beim Vater; einige halten dies Blutsband sogar für heiliger und
-enger).</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_42" href="#FNAnker_42" class="label">[42]</a> Deshalb vermag ich, wenn ein elsässisches Kirchheim
-urkundlich gelegentlich auch <span class="antiqua">Tronia</span> genannt wird, darin nichts
-altes zu sehen, sondern höchstens den Versuch einer Lokalisierung des
-sagenhaften Tronje.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_43" href="#FNAnker_43" class="label">[43]</a> Wilhelm Jordan hat in seiner „Sigfridsage“ als Grund
-für Siegfrieds Verhalten gegenüber Brünhilt angenommen, sie habe an
-Siegfried das im Text angeführte Verlangen gestellt; damit hat Jordan
-gewiß das sagenechte getroffen; eine Nachdichtung der durch die Ungunst
-der Überlieferung zerpflückten alten Dichtung (und um eine solche
-handelt es sich doch, unbeschadet aller Grundlagen) führt am sichersten
-zu den alten Zusammenhängen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_44" href="#FNAnker_44" class="label">[44]</a> Wenigstens setzt der Skalde Bragi der Alte, der um das
-Jahr 900 gestorben ist, in seiner Ragnarsdrapa diese Verbindung bereits
-voraus.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_45" href="#FNAnker_45" class="label">[45]</a> <span class="antiqua">Pro mariti fraudulento discessu</span>; das hat man auch
-übersetzen wollen: dafür, daß sie ihren Mann (nämlich Ermanarich)
-trügerisch verlassen hatte; dann wäre die Übereinstimmung mit den
-Eddaliedern nahezu vollkommen; allein der Zusammenhang bei Jordanes
-unterstützt diese Übersetzung nicht.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_46" href="#FNAnker_46" class="label">[46]</a> Man hat mit Recht daran erinnert, daß die an der mittlern
-Donau sitzenden Heruler (nach Procopius von Caesarea) noch im Anfang
-des 6. Jahrhunderts mit ihren Stammesgenossen im südlichen Schweden in
-lebhaftem Verkehr stehen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_47" href="#FNAnker_47" class="label">[47]</a> Pöchlarn (Bechelaren) wird in dieser Zeit tatsächlich der
-Sitz des bayrischen Ostmarkgrafen gewesen sein.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_48" href="#FNAnker_48" class="label">[48]</a> Da das Nibelungenlied gelegentlich den Tod Nudungs
-erwähnt, der von Witig in der Ravennaschlacht getötet wurde, so muß
-es letztere als vergangen annehmen; da nun ursprünglich gewiß diese
-Schlacht zur Rückführung Dietrichs geführt hat, war nicht recht
-begreiflich, warum er nach ihr noch an Etzels Hof lebt; das hat zur
-Annahme zweier Feldzüge gegen Ermenrich (und seinen Nachfolger)
-geführt, deren erster dann unglücklich verlaufen sein muß. Die „Klage“
-läßt übrigens am Schlusse Dietrich mit seiner Gattin und Hiltebrand in
-friedlicher Reise nach Bern zurückkehren, nimmt also an, daß er seit
-der Ravennaschlacht im Besitze seines Reiches ist. Daß der Verräter
-Sibich nach Ermenrich in Italien geherrscht habe, behauptet nur die
-Thidrikssaga.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_49" href="#FNAnker_49" class="label">[49]</a> D. h. als Buch erhaltenen; lückenhaft infolge Verlustes
-einzelner Blätter kann eine solche vollständige Handschrift immerhin
-sein.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_50" href="#FNAnker_50" class="label">[50]</a> Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches hat sich
-das handschriftliche Material, außer um Blätter bereits bekannter
-Handschriften, noch um Reste von drei bisher unbekannten vermehrt:
-<span class="antiqua">X</span>, ein Blatt aus der Klage, gefunden in Sterzing; <span class="antiqua">Y</span>,
-ein Wiener Blatt; <span class="antiqua">Z</span>, ein in Dülmen gefundenes Blatt. Ich will
-nicht unerwähnt lassen, daß mir scheint, als gehöre <span class="antiqua">W</span> zur
-Nibelungenhandschrift <span class="antiqua">S</span>, <span class="antiqua">X</span> zur Nibelungenhandschrift
-<span class="antiqua">U</span>. &mdash; Die in der alphabetischen Folge fehlenden Buchstaben
-sind verwendet wie folgt: <span class="antiqua">P</span> bezeichnete früher ein Fragment,
-das sich als der gleichen Handschrift wie <span class="antiqua">N</span> entstammend
-erwiesen hat; <span class="antiqua">T</span> ist die Signatur der fragmentarisch erhaltenen
-niederländischen Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert; <span class="antiqua">V</span> ist
-(wegen Ähnlichkeit mit <span class="antiqua">U</span>) nicht verwendet; <span class="antiqua">c</span> gilt für
-die Zitate, die Lazius, ein Gelehrter des 16. Jahrhunderts, in seiner
-Schrift <span class="antiqua">De gentium aliquot migrationibus</span> aus einer alten
-Handschrift angebracht hat; <span class="antiqua">e</span> und <span class="antiqua">f</span> hatte man anfangs
-irrtümlich die jetzt mit <span class="antiqua">L</span> bezeichneten Fragmente benannt;
-<span class="antiqua">m</span> ist Inhaltsverzeichnis einer verlorenen Handschrift.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_51" href="#FNAnker_51" class="label">[51]</a> Vielleicht hat Wolfram von Eschenbach, der Parzival
-420 f. sich auf das Nibelungenlied bezieht, schon den Liet-Text
-gekannt; doch ist sein Zitat auch verständlich, wenn er nur die beiden
-Texten gemeinsame Strophe 1496 (Holtzmann) vor sich gehabt hat; die
-folgende, dem Liet-Texte eigentümliche Strophe, in der, wie bei
-Wolfram, „Schnitten“ als eine gute Speise erwähnt werden, dürfte eher
-in Anlehnung an die etwas spöttisch gehaltene Ausführung im Parzival
-verfaßt sein.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_52" href="#FNAnker_52" class="label">[52]</a> In einer Besprechung der 1. Auflage dieses Buches
-(Literarische Rundschau vom 1. Juni 1909) hat Fr. Panzer die hier
-entwickelte Gedankenreihe beanstandet und darauf hingewiesen, daß
-Zeizenmure in der ungarischen Sage als Ort einer Schlacht eine große
-Rolle spielt und infolgedessen in die Grundhandschrift des Not-Textes
-gelangt sei. Das könnte möglich sein, hilft uns aber nicht weiter,
-denn 1) ist die Darstellung der ungarischen Sage, wie sie bei Simon
-Kézai vorliegt, trotz Bleyers Ausführungen (im 31. Bande der Beiträge)
-eine halbgelehrte Kompilation aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts,
-2) ist nicht abzusehen, wie ein Nicht-Österreicher (denn ein
-Österreicher konnte den Fehler nicht begehen) zur Kenntnis ungarischer
-Sage gelangt sein sollte, und 3) bleibt die Sache beim alten, weil
-die Grundhandschrift des Not-Textes den Fehler, mag seine Ursache
-sein, welche sie will, eben begangen hat und daher notwendigerweise
-nur eine nebengeordnete, nicht eine übergeordnete Stelle neben den
-Liet-Handschriften einnehmen kann. Auf Zarncke’s feinen Gedanken,
-Nithart zur Erklärung heranzuziehen, könnte man schließlich
-verzichten; den in der „Not“ vorliegenden Text aber weit über 1230
-hinaufzuschieben, ist trotzdem unmöglich wegen gewisser unbestreitbarer
-Zusätze, wegen Spuren beginnenden Verfalles in der Verstechnik und
-besonders wegen des Zustandes aller hierher gehörigen Handschriften
-(s. <a href="#Text_C">S. 107</a>).</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_53" href="#FNAnker_53" class="label">[53]</a> Das ist nicht ohne Beispiel; so wurde das um 1170
-entstandene Gedicht vom Herzog Ernst bereits um 1200 (hauptsächlich
-reimtechnisch) überarbeitet; als aber in der zweiten Hälfte des 13.
-Jahrhunderts ein neuer Bearbeiter den Text vornahm, griff er auf das
-Original zurück und ignorierte die um 1200 entstandene Überarbeitung.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_54" href="#FNAnker_54" class="label">[54]</a> Nach Lachmann nur dreizehn; er behielt 1627 bei und
-änderte sie durch Konjektur; wir haben dazu heute keine Veranlassung
-mehr.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_55" href="#FNAnker_55" class="label">[55]</a> Mit einer Ausnahme: Lachmanns 17. Lied schließt an das
-15. an; das 16. ist eine Parallelerzählung.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_56" href="#FNAnker_56" class="label">[56]</a> Vgl. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen
-Heldendichtung, S. 203.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_57" href="#FNAnker_57" class="label">[57]</a> Heinrich von Ofterdingen, den manche beim Wiedererwachen
-unserer Kenntnis der mittelalterlichen Literatur als Dichter des
-Nibelungenliedes in Anspruch genommen haben, ist keine historische
-Person, sondern vom Dichter des Wartburgkrieges erfunden; dieser Mann
-brauchte eine Figur, die als Gegenstück und Widerpart der historisch
-bekannten Sänger am Hofe zu Eisenach hingestellt werden konnte.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_58" href="#FNAnker_58" class="label">[58]</a> Es ist mir leider nicht gelungen, das Werkchen, das
-ich vor mehr als dreißig Jahren selbst gelesen habe, irgendwo wieder
-aufzutreiben.</p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a id="Fussnote_59" href="#FNAnker_59" class="label">[59]</a> Wilkina- (richtiger Wilcina-) und Niflungasaga sind Teile
-und Untertitel der Thidrikssaga.</p>
-
-</div>
-
-</div>
-
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-<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DER SAGENKREIS DER NIEBELUNGEN</span> ***</div>
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-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg&#8482;
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-Project Gutenberg&#8482; is synonymous with the free distribution of
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-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
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-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.
-</div>
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-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
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-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation&#8217;s EIN or federal tax identification
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-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-The Foundation&#8217;s business office is located at 809 North 1500 West,
-Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
-to date contact information can be found at the Foundation&#8217;s website
-and official page at www.gutenberg.org/contact
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; depends upon and cannot survive without widespread
-public support and donations to carry out its mission of
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-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
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-</div>
-
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-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
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-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.
-</div>
-
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-</div>
-
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-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
-</div>
-
-<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'>
-Section 5. General Information About Project Gutenberg&#8482; electronic works
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg&#8482; concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg&#8482; eBooks with only a loose network of
-volunteer support.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Project Gutenberg&#8482; eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
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-edition.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-Most people start at our website which has the main PG search
-facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>.
-</div>
-
-<div style='display:block; margin:1em 0'>
-This website includes information about Project Gutenberg&#8482;,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
-</div>
-
-</div>
-</div>
-</body>
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