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If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Der Sagenkreis der Niebelungen - -Author: Georg Holz - -Release Date: July 23, 2022 [eBook #68594] - -Language: German - -Produced by: the Online Distributed Proofreading Team at - https://www.pgdp.net - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SAGENKREIS DER -NIEBELUNGEN *** - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1914 erschienenen Buchausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische - Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und - altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original - unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert. - - Einige Gedichtzeilen enthalten Zäsuren, die durch breite Leerzeichen - versinnbildlicht werden. Dies wurde so aus dem Original übernommen. - - Die Buchwerbung wurde am Ende des Texts zusammengefasst. Der hierin - erwähnte Buchkatalog ‚Wissenschaft und Bildung‘ wurde herausgelöst - und getrennt bearbeitet; dieser kann auf ‚Projekt Gutenberg‘ - eingesehen werden: https://gutenberg.org/ebooks/60431. - - Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Besondere - Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden - Sonderzeichen gekennzeichnet: - - fett: =Gleichheitszeichen= - gesperrt: +Pluszeichen+ - Antiqua: ~Tilden~ - - Antiquatext in Buchanzeigen wurde nicht explizit als solcher - ausgezeichnet. - - #################################################################### - - - - - Wissenschaft und Bildung - - Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens - - 6 - - Der Sagenkreis - der Nibelungen - - Von - - Georg Holz - - Professor an der Universität Leipzig - - 2. Auflage - - [Illustration] - - 1914 - - Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig - - - - - Alle Rechte vorbehalten - - - - - Frau Susanne - - zugeeignet - - - - -Vorwort der ersten Auflage. - - -Vorliegendes Werkchen ist erwachsen aus einer Reihe im Spätjahre 1906 -gehaltener Vorträge und mag wohl gelegentlich den Stempel dieses -seines Ursprungs deutlicher tragen, als mir lieb sein kann. Gemäß -der Absicht, den alten Stoff der Nibelungensage und die Fragen, die -sich an ihren Ursprung, ihre Entwicklung und spätere Überlieferung -knüpfen, einer breitern Öffentlichkeit zugänglich und verständlich -zu machen, ist das wissenschaftliche Beiwerk auf ein geringstes -Maß beschränkt; insbesondere ist im allgemeinen unterlassen, die -anerkannten und aufgenommenen Gedanken auf ihre Urheber zurückzuführen. -Selbstverständlich ist damit keinerlei Schmälerung von irgend jemandes -Verdienst beabsichtigt; dies kann um so weniger der Fall sein, als -ich auch mancherlei Eigenes zur Lösung der verschiedenen Fragen -vorzubringen glaube, dessen Abgrenzung von Fremdem nun nicht ohne -weiteres möglich ist. Es bleibt den Fachgenossen überlassen, diese -Grenze zu ziehen und das vorgebrachte Neue anzuerkennen oder zu -verwerfen. - - Leipzig, im April 1907. - - G. Holz. - - - - -Inhaltsverzeichnis. - - - Seite - - I. Einleitung, Übersicht der Quellen 1 - - II. Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung 13 - - III. Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung 31-65 - - ~a~) Der Nibelunge Lied 31 - - ~b~) Zweikampfsage und Thidrikssaga 56 - - ~c~) Hürnen Seifrid 65 - - IV. Die Grundlagen der Sage 66-85 - - ~a~) Burgunden und Hunnen 66 - - ~b~) Sage und Mythus 71 - - ~c~) Die Merowinge 74 - - ~d~) Einzelheiten 78 - - V. Die Entwicklung der Sage 86-100 - - ~a~) Älteste und nordische Form 86 - - ~b~) Deutsche Form 90 - - VI. Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der - Nibelunge 101 - - VII. Wirkung des Liedes in der alten Literatur. Allmähliches - Erlöschen des Interesses 115 - - VIII. Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem - 18. Jahrhundert 123 - - IX. Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage 130 - - Anhang. Literatur 137 - - Register 139 - - - - -I. - -Einleitung. Übersicht der Quellen. - - -Das in wirtschaftlicher wie in geistiger Beziehung so reiche Leben des -alten Deutschlands erstarb in den Greueln des Dreißigjährigen Krieges. -Was unserm Volke bis zu jener Zeit an alten Sagenschätzen lieb und wert -gewesen war, geriet damit in Vergessenheit, und ein volles Jahrhundert -verging, bis Gelehrte in alten Büchereien die ersten Spuren des alten -Reichtums neu entdeckten. Die großen Männer des 18. Jahrhunderts, -deren Geschmack anfangs in französischem und später in klassischem -Sinne gebildet und geläutert war, blieben allerdings zunächst kalt -gegenüber den Denkmälern einer Vergangenheit, deren Empfinden von dem -ihren durchaus verschieden war. Erst der völlige Zusammenbruch, den -die deutsche Politik und damalige Geisteskultur vor nunmehr (1906) -genau hundert Jahren erlebte, bewirkte im Zusammenhange mit dem -Erwachen unsers nationalen Fühlens auch eine höhere Wertschätzung der -Denkmäler aus alter großer Zeit. Es ist bezeichnend, daß die erste -volkstümliche Ausgabe des Nibelungenliedes 1815 in dem Augenblicke -erschien, da man sich rüstete, den von Elba zurückgekommenen Napoleon -abzuwehren. Der Herausgeber, August Zeune, nannte sie eine „Feld- und -Zeltausgabe“ und erwähnte ausdrücklich, daß er sie besorgt habe, „da -viele Jünglinge dies Lied als ein Palladium in den bevorstehenden -Feldzug mitzunehmen wünschten“. Von jener Zeit an ist nun das Interesse -an unserer alten Geschichte und Dichtung ständig gewachsen. Die -germanistische Wissenschaft erblühte, gestützt auf die romantische -Geschmacksrichtung, die die klassische in der Poesie abgelöst hatte, -und erschloß immer neue Quellen für die Kunde der Vorzeit; die moderne -Dichtung bemächtigte sich der alten Stoffe und goß sie in neue, der -Gegenwart angemessene Formen. Vor allen andern hat Richard Wagner das -Verdienst, durch sein gewaltiges Tonwerk, den „Ring des Nibelungen“, -die alten Sagen volkstümlich gemacht zu haben, ein Verdienst, das -dadurch nicht verringert wird, daß er mit seinem Stoffe recht -willkürlich umgesprungen ist. Denn ohne ihn würde das Interesse für -die Nibelungensage heute wohl nicht so weit verbreitet sein, wie es -tatsächlich der Fall ist. - -Welches sind nun die Quellen, aus denen man geschöpft und die alten -Stoffe zu neuem Leben erweckt hat? Was bringen sie, und vor allem: -worauf beruhen sie? - -Im allgemeinen darf behauptet werden, daß alle erzählende Dichtung -ihren letzten Ausgangspunkt in wirklich geschichtlichen Ereignissen -hat, auch dann, wenn die beglaubigte Geschichte nicht in der Lage ist, -solche namhaft zu machen; die ursprüngliche Tatsache ist dann von der -Dichtung mit dichtem Beiwerk umsponnen worden, das wie Schlingpflanzen -den alten Kern überwuchert und vielleicht erstickt. - -Was in der Nibelungensage sicher als geschichtlich erwiesen ist, -beruht auf Ereignissen des fünften nachchristlichen Jahrhunderts, also -Ereignissen aus der Zeit der Völkerwanderung, die für die germanische -Welt des Mittelalters in ganz gleicher Weise das Heldenzeitalter -gewesen ist, wie es der trojanische Krieg für die Griechen des -Altertums war. Diese Ereignisse sind in ununterbrochener Überlieferung -im Gedächtnis bewahrt worden, bis ihr eben der Dreißigjährige Krieg -das Grab gegraben hat. Die Überlieferung aber ist in folgender Weise -zustande gekommen. - -In einer Zeit ganz unentwickelter Verkehrsmittel und so gut wie -völlig mangelnder Schrift (die höchstens Besitztum einiger weniger -auserlesener Personen war) bildete sich ein Stand fahrender, d. h. -herumziehender Leute, die ein Gewerbe daraus machten, das jederzeit -lebhaft entwickelte Neuigkeitsbedürfnis ihrer Mitmenschen zu -befriedigen. Sie zogen von Ort zu Ort, sammelten und verbreiteten -Neuigkeiten jeder Art und fanden auf diese Weise ihren Unterhalt. -Solange die Schriftkunde beschränkt war, blieben sie ersehnt und -hochangesehen. Mit der fortschreitenden Volksbildung und den -gebesserten Verkehrsverhältnissen sank natürlich ihre Bedeutung und -damit auch die Achtung. - -Naturgemäß sind es in erster Linie die großen politischen, also -historischen Ereignisse, die sie wiedererzählen und betrachten. Um -diese möglichst treu im Gedächtnis behalten zu können, gießen sie -dieselben in eine feste Form, indem sie sie in Verse bringen. Die -poetische Form ist also zunächst etwas Äußerliches; sie macht aber -durch ihre Geschlossenheit sogleich ihren Einfluß auf den innern Stoff -geltend, indem sie den Erzähler zwingt, zu ergänzen, was er nicht weiß, -also die Beweggründe der handelnden Personen zu erraten. Damit ist aber -der Erfindung Tür und Tor geöffnet. Je weiter man sich nun von dem -Zeitpunkt der Geschehnisse entfernt, um so schwerer wird natürlich eine -richtige Ergänzung, aber auch um so unwichtiger, da schließlich niemand -mehr existiert, der den Erzähler Lügen strafen kann. So ist zweierlei -möglich geworden: 1. daß der Bericht von den historischen Ereignissen -bis zur Unkenntlichkeit entstellt, also zur reinen Sage wird, und 2. -daß die Überlieferung jahrhundertelang von der eigentlichen Literatur -so gut wie unbemerkt sich hat fortpflanzen können, um dann plötzlich -als Stoff größerer Werke in ihr aufzutauchen. - -Es sind nun die am Niederrhein wohnenden Franken, die die vorhin -angedeuteten Ereignisse des 5. Jahrhunderts fürs erste bewahrt haben. -Von ihnen aus, die geographisch etwa den Mittelpunkt der damaligen -germanischen Welt darstellen, hat sich dann die Kunde über diese -ausgebreitet, am wenigsten nach England, dessen älteste Literatur nur -spärliche Zeugnisse für die Nibelungensage aufweist, desto ausgiebiger -nach Skandinavien und nach Süddeutschland. Der Gang der Ausbreitung war -etwa folgender: - -Im 9. Jahrhundert zogen von Skandinavien, insbesondere von Norwegen -aus, zahlreiche Scharen von Seeräubern, die sog. Wikinger, gen Süden -und plünderten die Küsten Englands und des fränkischen Reiches. An den -Küsten der heutigen Niederlande, in der Gegend der Rheinmündungen, -wohnten die Franken, die die Überlieferung von den Ereignissen des -5. Jahrhunderts bewahrten. Dort haben sich die nordischen Räuber -zeitweise sogar fest angesiedelt und ungefähr zwei Menschenalter -hindurch die Küstenländer beherrscht, bis sie im Jahre 891 in der -Schlacht an der Dyle von König Arnulf vertrieben wurden. In dieser -Zeit müssen die Nordgermanen die Kunde von der deutschen Überlieferung -sich angeeignet und nach dem Norden verpflanzt haben. Sie zeigen -dabei einen ganz eigenartigen Charakterzug: sie vereinigen nämlich -in sich zwei scheinbar entgegengesetzte Züge des germanischen -Charakters, auf der einen Seite kriegerisches Wesen in höchster Potenz, -blutdürstige Wildheit und Grausamkeit, auf der andern Seite ein -Streben nach Gelehrsamkeit, wie es bei diesen wilden Seeräuberhorden -kaum verständlich scheint. Es ist das aber vollauf begründet in den -Eigentümlichkeiten der alten verkehrslosen Zeit. Die Leute sitzen den -Winter über in abgelegenen Tälern und hören und sehen von der Welt -nichts. Bei ihrem regen Geistesleben haben sie nun ein ganz besonders -starkes Bedürfnis nach Neuigkeiten. Die norwegischen Wikinger haben -keine Gelegenheit vorübergehen lassen, südländische Kunde nach dem -Norden zu bringen. So haben sie auch die fränkische Nibelungensage nach -dem Norden gebracht, wahrscheinlich in der Form einer einheitlichen -Dichtung, denn das, was im Norden uns von der Nibelungensage erzählt -wird, weicht in vielen Punkten von der deutschen Sage ab, und zwar so, -daß die Abweichungen nicht die ursprüngliche Gestalt, sondern eine -Änderung darstellen, die auf einen Akt der Willkür zurückgeht. Es weist -das darauf hin, daß irgendein nordischer Dichter den am Niederrhein -erkundeten Stoff in feste Form gegossen und so nach dem Norden gebracht -hat, wo er dann in dieser Gestalt aufgenommen worden ist. - -Im Norden ist er nun in zahlreichen Liedern von zahlreichen uns -gänzlich unbekannten Dichtern behandelt worden. Zunächst geht die -Tradition dieser Lieder in der vorhin geschilderten Weise vor sich, -d. h. sie werden mündlich übertragen und nicht aufgezeichnet. Erst in -einer wesentlich spätern Zeit, im 13. Jahrhundert, entschloß man sich -im Norden auf einem eigenartigen Umwege zur Aufzeichnung dieser Lieder. - -Bis zum 13. Jahrhundert hatte sich die nordische poetische und -prosaische Literatur hoch entwickelt, so hoch, daß man das Bedürfnis -empfand, ein Lehrbuch gewisser Eigentümlichkeiten des nordischen Stils -anzufertigen. Dies Lehrbuch schrieb um das Jahr 1220 der isländische -Skalde Snorri Sturluson; es führt den Titel „Edda“. Dies Wort wird -heute gedeutet als Bezeichnung der Herkunft des Buches: aus Oddi, -einem Gehöfte im südwestlichen Island, wo Snorri erzogen worden war; -andere fassen es als Ausdruck für „Poetik“. Eine Poetik war allerdings -nötig, um dem angehenden Skalden eine besondere Eigentümlichkeit der -nordischen Dichtweise zu erklären. Man bezeichnete einen einfachen -konkreten Alltagsgegenstand nicht gern mit seinem schlichten Namen, -sondern bediente sich statt dessen eines Bildes, das aus der Sage -entnommen und nicht verständlich war, wenn man nicht die zugehörige -Sage kannte. So heißt z. B. das Gold „Otterbuße“, und zwar in -Zusammenhängen, in denen weder von „Buße“ noch von „Otter“ irgendwelche -Rede ist. Um Ausdrücke dieser Art (die sog. „Kenningar“) zu erklären, -ist ein Hauptteil der Edda geschrieben; die Erklärung besteht in der -Erzählung der zugehörigen Geschichte. - -So erzählt denn Snorri in der Edda eine große Anzahl der -verschiedensten Sagen, von denen die überwältigende Mehrzahl uns ohne -ihn gar nicht bekannt wäre, u. a. auch die Nibelungensage in nordischer -Form. Vielfach werden dabei Dichtungen zitiert, Verse aus Liedern, -bruchstückweise natürlich nur, und zwar als Belege. Das hat dazu -geführt, daß man diese Lieder im Anschluß an die Snorrische Poetik -gesammelt hat. Wer das getan hat, bleibt unbekannt. Die Sammlung ist -jedenfalls entstanden um die Mitte des 13. Jahrhunderts und uns im -wesentlichen erhalten in einer einzigen, aus Island stammenden, jetzt -in Kopenhagen befindlichen Handschrift, die nach dem Aufbewahrungsort -in der Königlichen Bibliothek der ~Codex regius~ genannt wird. Diese -Handschrift stellt sich dar als eine Sammlung von Einzelgedichten in -lyrisch-epischer Form, gewissermaßen Balladen, aus der Götter- und -der Heldensage. Der größere, zweite Teil der ganzen Sammlung umfaßt -nur Lieder aus unserer Nibelungensage. Leider ist uns der Kodex nicht -vollständig erhalten, sondern es fehlt gerade aus dem wichtigsten -Teile der Nibelungensage eine vollständige Lage, d. h. ein Heft von -acht Blättern, das frühzeitig verloren gegangen und nicht ersetzbar -ist. Diesen ~Codex regius~ bezeichnet man vielfach, aber fälschlich -mit dem Namen Edda; ja wenn kurzweg von „Edda“ geredet wird, meint man -gewöhnlich diese Liedersammlung. Derjenige, der sie im 17. Jahrhundert -entdeckte, der isländische Bischof Brynjolf Sveinsson, nahm an, daß er -die Quelle von Snorris Edda vor sich habe, und da er den Namen „Edda“ -für Snorris Werk nicht verstand, übertrug er ihn auch auf die Quelle -und bezeichnete die Liedersammlung als die ältere Edda. Er wußte auch -gleich einen Sammler oder Verfasser anzugeben, den weisen Sämund, -von dem uns allerdings nicht viel mehr bekannt ist, als daß er etwa -hundert Jahre vor Snorri gelebt und in der Tat mit der Liedersammlung -nicht die Spur zu tun hat. Immerhin hat sich der Titel „Edda“ für -die Liedersammlung festgesetzt; man unterscheidet sie am besten als -„poetische“ von Snorris „prosaischer“ Edda, muß sich aber stets -gegenwärtig halten, daß der Name „Edda“ für die Liedersammlung nicht -authentisch ist. - -In der Sammlung stehen nun zunächst Götterlieder, dann Lieder aus -verschiedenen Heldensagen, zuletzt, wie gesagt, eine Sammlung von -Liedern aus der Nibelungensage, die so angeordnet sind, daß sie -wenigstens äußerlich eine geschlossene Darstellung der Sage geben. An -der Spitze der Sammlung, soweit sie die Nibelungensage angeht, steht -ein Gedicht, das sich betitelt: Die Weissagung des Gripir. Sigurd -(derselbe Held, der in Deutschland den Namen Siegfried führt) kommt -hier als junger Mann zu einem Oheim, namens Gripir, der eigens zu -diesem Zwecke von dem Sammler erfunden scheint, und erkundigt sich nach -seinem künftigen Schicksal; Gripir ist ein Seher und vermag ihn ohne -weiteres über alles, was ihm bevorsteht bis über seinen Tod hinaus, zu -orientieren. Es ist das eine Entgleisung der nordischen Dichtweise, -wie sie ziemlich häufig vorkommt, daß lebenden Leuten ihr künftiges -Schicksal bis in alle Einzelheiten prophezeit wird, ohne daß sie dann -auch nur den geringsten Versuch machen, dem Schicksal, das ihnen droht, -die Stirn zu bieten; in Wirklichkeit ist denn die Weissagung Gripirs -weiter nichts als eine Übersicht über das, was nun in der Sammlung -kommt. - -Es folgt zunächst eine ganze Reihe von Fragmenten, zu der der -Sammler eine Rahmenerzählung geliefert hat; die Strophen sind lose -in die Erzählung eingestreut. Man teilt in unsern Eddaausgaben diese -Fragmentsammlung in drei Abschnitte ein: die Sprüche von Regin -(Reginsmál), die Sprüche von Fafnir (Fáfnismál) und die Sprüche von -Sigrdrifa (Sigrdrifumál). Mitten in diesem letzten Teile bricht die -Sammlung für uns vorläufig ab, weil die Lücke einsetzt. Nach der Lücke -stoßen wir auf den Schlußteil eines einst vollständigen Liedes, also -nicht eines von dem Sammler als Bruchstück aufgenommenen Stückes, das -nur durch die Ungunst der Verhältnisse für uns ein Bruchstück geworden -ist. Hier wird nun, während in dem vorausgehenden Stücke die Erzählung -bis dahin geführt war, wo Sigurd die Brynhild kennen lernt, gleich -erzählt von den Umständen, die sich um Sigurds Ermordung gruppieren; es -fehlt uns also der ganze eigentliche Kern der Sage. Es folgt ein sehr -langes Gedicht, das augenscheinlich vollständig erhalten ist, und das -den Titel führt: das +kurze+ Sigurdslied. Er erklärt sich daraus, daß -jedenfalls das Lied, von dem wir nach der Lücke noch den Ausgang haben, -noch länger gewesen ist. Das kurze Sigurdslied erzählt zusammenhängend, -aber nicht immer sagenecht, was Sigurd im Reiche der Niflunge[1] erlebt -hat, von dem Augenblicke an, wo er es betreten, bis an seinen Tod, und -über ihn hinaus, wie Brynhild ihm im Tode folgt. - -Den Fortgang der Erzählung bringt ein umfangreiches und ziemlich altes -Gedicht, gewöhnlich das zweite Lied von Gudrun genannt (Gudrun ist im -Norden der Name derselben Figur, die in Deutschland Kriemhilt heißt, -also Sigurds Witwe). Gudrun erzählt selbst ihre Schicksale: wie sie -Sigurds Weib und Witwe geworden, wie sie den Atli (den deutschen Etzel) -geheiratet, und wie dieser ihre Brüder gemordet hat; für diese Tat -plant sie die Rache; die Begründung dieser Rachegefühle gibt uns hier -ein zweifellos hochbegabter Dichter. Die Darstellung der Ermordung -der Niflunge fehlt in diesem Liede leider; wahrscheinlich hat sie der -Sammler gestrichen, weil er in den beiden Atliliedern (vgl. nachher) -noch zweimal dieselbe Sache vorgetragen fand. - -Mehrere Einzellieder, wirkliche Balladen, die lediglich einen einzelnen -Moment, ein Stimmungsbild aus der Sage herausgreifen und poetisch -behandeln, sind ebenfalls in der Sammlung erhalten: das erste Lied von -Gudrun (es schildert die Haltung von Sigurds Witwe an dessen Bahre), -dann das Lied von Brynhilds Fahrt zur Unterwelt, ferner ein drittes -Gudrunlied und das „Oddruns Klage“ betitelte Einzelgedicht; sie -behandeln sämtlich Nebendinge. - -Das Hauptereignis, der Untergang der Niflunge durch Atli samt Gudruns -Rache, wird erzählt in den beiden Liedern von Atli, die parallel -nebeneinander herlaufen, einem ältern (Atlakvida) und einem jüngern -(Atlamál); sie geben beide dieselbe Darstellung, denselben Inhalt, -dieselbe Szenerie wieder. - -Damit ist die Sage, soweit sie der deutschen Überlieferung im Norden -parallel geht, zu Ende. Seltsamerweise ist im Norden die Erzählung -noch um eine Stufe weiter geführt: Gudrun verheiratet sich (was -uns sehr seltsam anmutet) zum drittenmal, und um ihre Schicksale -in dieser dritten Ehe drehen sich die beiden letzten Gedichte der -Sammlung: Gudruns Aufreizung (Gudrunarhvot) und die Sprüche von Hamdir -(Hamdismál); Hamdir ist einer ihrer Söhne aus dritter Ehe. - -Es fehlt nun noch eine Brücke über die Lücke; diese bietet uns eine -Prosaerzählung, die auch noch im 13. Jahrhundert entstanden ist, und -die unsere Liedersammlung (nicht in der uns erhaltenen Handschrift) -in vollständiger Gestalt benutzt hat. Die Erzählung führt den Titel: -Volsungasaga, die Erzählung von den Wolsungen[2]. Sie ist kein -selbständiges Buch, sondern nur der erste Teil und die Einleitung zu -einem weiter folgenden Hauptteil, der Ragnars Saga Lodbrokar (Erzählung -von Ragnar Lodbrok, einem Wikingerkönig des 9. Jahrhunderts). Die -Absicht des ganzen Werkes ist, den im 13. Jahrhundert regierenden -norwegischen Königen, die sich als Nachkommen des Ragnar Lodbrok -ansahen, dadurch, daß dieser zu einem Schwiegersohne Sigurds -gemacht[3], Sigurd seinerseits aber bis auf die alten Heidengötter -zurückgeführt wird, göttlichen Ursprung beizulegen. So setzt die -Volsungasaga damit ein, daß sie erzählt, wie ein Sohn des Gottes Odin, -namens Sigi, eine Herrschaft auf Erden gewinnt. Von ihm springt die -Erzählung auf seinen Sohn Rerir und von Rerir auf dessen Sohn Volsung, -denjenigen, der den Geschlechtsnamen zuerst führt und damit bekundet, -daß mit ihm die alte Sage überhaupt erst anhebt. Was vorausgeht, ist -erst, um die Verbindung mit dem Gotte herzustellen, hinzugedichtet. Von -Volsung und seinen Söhnen, deren bedeutendster Sigmund heißt, erzählt -nun die Volsungasaga eine höchst altertümliche und grausige Geschichte, -die, obgleich sie mit der von Sigurd nur äußerlich in Beziehung steht, -von Wagner für seine Darstellung der Nibelungensage stark ausgenutzt -ist. An sie schließt sich die Erzählung von Sigurd, dem Sohne Sigmunds, -und es folgt die gesamte Sage im Anschluß an die vorhin besprochene -Liedersammlung, so zwar, daß die Lücke, die in jener vorliegt, hier -vollständig für uns ausgefüllt ist. Der Sagaschreiber verfährt so naiv, -daß er die Lieder einfach in Prosa umschreibt. Er denkt nicht daran, -die notwendigerweise existierenden Widersprüche zwischen den einzelnen -Liedern auszugleichen. Wenn zwei Lieder hintereinander stehen, die -dieselbe Geschichte behandeln, die einander also in der Prosaerzählung -eigentlich ausschließen, erzählt er dieselbe Sache ruhig zweimal. -- -Das ist die eigentliche nordische Überlieferung, die im wesentlichen -schriftlich niedergelegt worden ist im 13. Jahrhundert, obgleich sie -natürlich auf wesentlich ältern Quellen beruht. Außerdem ist in die -nordische Olafs Saga Tryggvasonar (die Erzählung von Olaf, Sohn des -Tryggvi, einem norwegischen Könige, der im Jahre 1000 fiel) auch ein -Stück unserer Liedersammlung aufgenommen und kann uns infolgedessen als -Kontrolle dienen. - -In Deutschland haben eigentümlicherweise diejenigen, die sicherlich die -Kunde von den Ereignissen der Nachwelt übermittelt haben, die Franken, -nichts Direktes für die poetische oder schriftliche Darstellung der -Sage getan. Wir finden im 10. Jahrhundert, also etwa hundert Jahre -nach der Wikingerzeit, eine Spur, daß die Sage vom Niederrhein nach -Bayern gelangt ist, nicht auf dem Wege der volkstümlichen Erzählung, -sondern, wie es scheint, einheitlich, indem ein fahrender Mann, der -die Kenntnis der Geschichte besaß, sie dahin gebracht und dem Bischof -Pilgrim von Passau, der damals in Bayern eine große Rolle spielte -(er war Bischof von Passau 971-991), vorgetragen hat; der Bischof -soll sie dann in lateinischer Sprache durch seinen Schreiber Konrad -haben aufzeichnen lassen. Diese Nachricht ist uns überliefert durch -eine spätere hochdeutsche Dichtung, die Klage, die zwar nicht ohne -weiteres glaubwürdig ist, von der man aber nicht einsieht, wie sie zur -Erfindung der Notiz hätte kommen können. So ist denn die Nibelungensage -spätestens im 10. Jahrhundert vom Niederrhein nach Oberdeutschland -verpflanzt worden und hier in ein Gebiet geraten, in dem eine andere -Sage bereits die Alleinherrschaft hat und den Volksgeist und die -Volksphantasie vollständig beherrscht und erfüllt; es ist dies die -gotische Dietrichsage, die in Bayern zu Hause ist, und die auch durch -die Nibelungensage dort nicht hat verdunkelt werden können. Zwischen -der gotischen Dietrichsage und der Nibelungensage, wie sie von den -Franken herüberkommt, besteht nun ein eigenartiges äußeres Band. In -beiden spielt von Haus aus auf Grund der Geschichte der Hunnenkönig -Attila eine wesentliche Rolle. Damit ist natürlich für die Menschen des -10.-12. Jahrhunderts erwiesen, daß die beiden Erzählungen gleichzeitig -sind und in einem gewissen Zusammenhange stehen; so tritt denn in -Oberdeutschland die Nibelungensage als Episode in die Dietrichsage -ein. Das hat nicht verhindert, daß gerade die Nibelungensage im -12. Jahrhundert als Stoff eines großen Gedichtes, des einzigen, das -wenigstens den Versuch macht, die ganze Erzählung abschließend zu -behandeln, verwendet worden ist; das ist unser Nibelungenlied oder, wie -sein ursprünglicher Titel heißt, „der Nibelunge Not“. Sein Verfasser -ist ein ritterlicher Sänger, ein Angehöriger der obern Stände; nachdem -im 12. Jahrhundert die Kulturverhältnisse sich soweit gehoben haben, -daß der Ritterstand selbst literarisch tätig ist, arbeiten im Westen -und besonders im Nordwesten Deutschlands die ritterlichen Dichter -auf Grund modischer, fremder, gewöhnlich französischer Vorlagen; den -Angehörigen des Südostens waren solche weniger zugänglich; so griff -der Dichter der Nibelunge Not in die Tiefe der Volksüberlieferung und -nahm aus ihr einen einheimischen Stoff heraus und herauf. Das ist die -Stellung des Nibelungenliedes in der Geschichte der deutschen Literatur. - -So wie das Lied uns überliefert ist, ist es nicht ohne weiteres als -Werk jenes Mannes zu betrachten. Die Beurteilung dieser Überlieferung -ist ganz besonders schwierig; das Originalgedicht besitzen wir ganz -bestimmt nicht mehr. Doch war das Lied, wie es uns noch vorliegt, zu -Anfang des 13. Jahrhunderts vorhanden, denn Wolfram von Eschenbach -zitiert es in seinem Parzival. - -„Der Nibelunge Not“ ist ein literarischer Erfolg allerersten Ranges -gewesen. Denn von dem Augenblick an, wo das Gedicht existiert, schießen -Gedichte der gleichen Stoffklasse in gleicher Form wie Pilze aus dem -Boden; bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts beherrschte die deutsche -Heldensage (wie man dieses Stoffgebiet als Ganzes nennt) einen großen -Teil des literarischen Interesses Süddeutschlands. Im Laufe dieser -Zeit tritt allerdings dieser Stoff allmählich mehr und mehr in die -zweite Linie zurück, eine natürliche Folge der ständigen Schwankungen -und Wellen des literarischen Geschmacks. Andere, weniger urwüchsige -Stoffe wurden jetzt bevorzugt; das Lied war für die vornehmen Stände -nicht vornehm genug, für die untern Stände wiederum aber noch zu fein. -So geriet es allmählich in Vergessenheit und wurde ungefähr ums Jahr -1500 abgelöst durch eine eigenartige, wenig künstlerische Dichtung, das -„Lied vom Hürnen Seifrid“. Es geht nicht einfach auf das Nibelungenlied -zurück, sondern hat manche Besonderheiten, und darin besteht seine -Bedeutung für die Sagenforschung. Aber sein dichterischer Wert ist -gleich Null. Daß Seifrid hier „hürnen“ heißt, will besagen: er hat -eine durch Drachenblut wie Horn gehärtete Haut. Der Hürnen Seifrid -ist uns nun schon gar nicht mehr handschriftlich erhalten. Er tritt -erst in die Literaturgeschichte ein, nachdem der Buchdruck schon -vorhanden ist: um 1500 tritt er auf, etwa ein Jahrhundert lang (bis -1611) wird er wiederholt aufgelegt; schließlich liefert das Gedicht -den Stoff zu dem in eigenartiger Weise modernisierten und eigentlich -verballhornten Volksbuche vom „gehörnten Siegfried“, das mit modischen, -halb lateinischen, halb französischen Floskeln verbrämt ist[4]. Aus dem -„Hürnen Seifried“ ist ein „gehörnter“ Siegfried geworden. Es ist in -der Tat gemeint, daß er Hörner auf dem Kopfe trägt; ein vollständiges -Mißverstehen des alten Beinamens. Das Volksbuch ist im wesentlichen -während des 18. Jahrhunderts lebendig, doch nur in den untersten -Kreisen des Volkes. Es ist in bezug auf seinen Sagengehalt nichts -weiter als eine Ausgestaltung des Hürnen Seifried, also für eine -Untersuchung der älteren Sagenform ohne Belang. - -Der deutsche Zweig der Entwicklung unserer Sage ist im 13. Jahrhundert -auf literarischem Wege in Skandinavien eingeführt worden, und zwar -durch einen Norweger, der zum nördlichen Deutschland innige Beziehungen -hatte. Er nennt als seine Gewährsmänner Leute aus Bremen, Münster und -Soest, also aus Städten, in denen damals der Handel besonders mit -Skandinavien blühte. Sein Werk umfaßt das ganze Gebiet der deutschen -Heldensage, in erster Linie also die Dietrichsage, von den Ahnen -Dietrichs beginnend bis auf seine Entführung durch ein schwarzes -Höllenroß. Innerhalb dieses Rahmens ist auch die Nibelungensage -erzählt, und zwar in deutscher Form, in einer Form, die zu unserm -Nibelungenliede in nächster Beziehung steht, so zwar, daß wir nicht -etwa nur anzunehmen brauchen, sie beruhe auf denselben Erzählungen, -sondern es muß, wenigstens stellenweise, ein und dieselbe Dichtung -beiden zugrunde liegen. Ob etwa das Nibelungenlied selbst vom Verfasser -dieses Buches benutzt worden ist, mag vorläufig dahingestellt -bleiben. Der Titel des Werkes ist „Thidrikssaga Konungs af Bern“, die -Erzählung von König Dietrich von Bern. Dieser, der ja der Hauptheld -der süddeutschen Sage ist, ist hier der Mittelpunkt des deutschen -Heldenzeitalters. Um ihn gruppiert sich alles, an ihn schließt sich -auch die Nibelungensage an; denn er ist in dem großen Nibelungenkampfe -derjenige, der den Ausschlag gibt, der allein in der Lage ist, die -Nibelunge zu überwinden. Wie uns die Thidrikssaga erhalten ist, ist -sie nicht einheitlich, sondern es haben mehrere Hände ihre jetzige -Gestalt bewirkt. Immerhin ist sie eine wundervolle Quelle, die -vollständigste Quelle unserer deutschen Heldensage überhaupt. Sie -hat begreiflicherweise manche Nachdichtung auf nordischem Boden -hervorgerufen; solche sind für die Erkenntnis der ältern Sagenform -ebenso belanglos wie das deutsche Volksbuch. - - - - -II. - -Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung. - - -Die nordische Gestalt der Nibelungensage hat viel Altertümliches -bewahrt; in vielen Dingen ist sie sicher wesentlich altertümlicher -als die deutsche. Eine einheitliche Darstellung im strengen Sinne -ist im Norden nicht zustande gekommen. Wir besitzen nur Lieder und -Bruchstücke, notdürftige Zusammenstoppelungen der letztern und die -scheinbare Gesamterzählung der Volsungasaga, die sich aber Schritt für -Schritt an die Liedersammlung anklammert. - -Die Dichtungen selbst sind, soweit sie uns erhalten sind, noch in -der Weise altgermanischer Poesie abgefaßt, d. h. sie weisen den -stabreimenden Vers auf. Dieser tritt in den nordischen Liedern in -der Hauptsache in drei Formen auf. Die gewöhnlichste Art ist die -„~fornyrdislag~“ (Gesetz der alten Rede) genannte. Sie besteht darin, -daß die gewöhnlichen alten, vier Haupthebungen aufweisenden Langverse -zu in der Regel vierversigen Strophen verbunden werden; oft sind die -Strophen verschieden lang, so daß die Verse durch die betreffende -Dichtung im Grunde genommen glatt durchlaufen. Der Vers selbst besteht -immer aus zwei Teilen, die durch einen Einschnitt getrennt sind. -Innerhalb jedes Teiles stehen zwei haupttonige Silben (Hebungen). -Die erste Hebung des zweiten Teiles ist die wichtigste; sie gibt den -Stabreim an. Mit ihr muß eine oder dürfen beide des ersten Teiles durch -Stabreim gebunden sein, z. B. Kurzes Sigurdslied, Strophe 1: - - Einstmals kam =S=igurd zum =S=ale Gjukis, - der =W=olsungensproß nach =w=ildem Kampfe; - er schloß den =B=und mit der =B=rüder zweien, - die =H=elden schwuren sich =h=eilige Eide[5]. - -Die zweite verhältnismäßig selten vorkommende Form ist der sogenannte -Málaháttr (Spruchweise); ihre Besonderheit besteht darin, daß die -einzelnen Halbverse etwas länger sind als beim Fornyrdislag, im -allgemeinen um eine Silbe. In der deutschen Übersetzung hat Gering dies -dadurch wiedergegeben, daß er die Halbzeilen dreihebig macht, z. B. -Atlakvida, Strophe 28: - - Der =r=eißende =R=hein nun hüte, was =R=ecken zum Streit entflammte, - das =e=inst die =A=sen besessen, das =a=lte Niflungenerbe! - Im =r=innenden Wasser besser sind die =R=inge des Unheils verborgen, - als wenn an =h=unnischen =H=änden das =h=elle Gold erglänzte. - -Das dritte Metrum, Ljódaháttr (Liedweise) genannt, ist ein lyrisches, -offenbar zum Gesang bestimmtes. Es besteht darin, daß auf einen -Langvers, der dem im Fornyrdislag üblichen im wesentlichen gleich ist, -ein einschnittloser Vers von drei Hebungen folgt und mit ihm ein Ganzes -bildet; in der Regel sind zwei solcher Verspaare zu einer Strophe -vereinigt, z. B. Reginsmál, Strophe 1: - - Was ist’s für ein =F=isch, der im =F=lusse schwimmt - und sich unklug vor =Sch=aden nicht =sch=ützt? - Aus =H=els =H=änden dein =H=aupt nun löse, - schaffe mir =F=euer der =F=lut. - -Der Stabreim besteht darin, daß der Anlaut der höchstbetonten Silben -gleich ist; es ist nur nötig, daß der erste Laut alliteriert, mit -folgenden Ausnahmen: 1. alle vokalisch anlautenden Silben können -miteinander reimen, weil der Germane keinen Vokal anders als mit einem -festen Ansatz ausspricht, den wir auch in der heutigen deutschen -Sprache noch hören können: also Worte wie „alt“ und „ewig“ klingen -reimend an für den Stabreim; 2. die mit folgenden p, t und ch eng -verbundenen s können nur mit ebenso verbundenen gereimt werden, z. B. -„sprechen“ mit „Sper“, aber nicht mit „schießen“, dies mit „schreien“, -aber nicht mit „sitzen“ usw. Im übrigen ist jeder einzelne Laut allein -ausreichend. - -Soviel über die poetische Form; die Mehrzahl der nordischen Denkmäler -ist allerdings in Prosa abgefaßt, Verse bilden immerhin die Ausnahme. - -Den Inhalt der nordischen Sagenform kennen wir am vollständigsten aus -der Volsungasaga. Sie hat die Erzählung bis auf den alten Hauptgott -der Germanen selbst zurückgeführt; Odin steht an der Spitze des -Geschlechtes der Wolsunge[6]. Im Norden ist, da das Heidentum sehr -viel länger lebendig blieb als in Deutschland, die Götterlehre sehr -viel weiter ausgebildet, und sind die Götter sehr viel persönlicher -geworden; in Deutschland wissen wir von ihnen so gut wie nichts; sie -sind hier wesenlose Schemen. Odin ist der Vater des Sigi, der als ein -König auf Erden herrscht, von seinem Vater eingesetzt. Sein Enkel -Wolsung ist der eigentliche Ahnherr des Geschlechtes der Wolsunge; daß -er selbst den Geschlechtsnamen führt, ist im Grunde ein Versehen der -nordischen Überlieferung, das uns ein altenglisches Zeugnis beseitigen -hilft: im Gedichte Beowulf, dem ältesten Epos in germanischer Sprache, -heißt derselbe Mann nicht Wolsung, sondern bloß Wæls. Diese Form ist -zweifellos die richtige; sie gibt den eigentlichen Personennamen. -Wolsung, mit der Endung -ung abgeleitet, ist der Geschlechtsname, -zu vergleichen mit Amelungen, Merowingern, Karolingern, Nibelungen -usw.; ein Wolsung ist ein Nachkomme des Wals; diese Bildungsweise der -Geschlechtsnamen ist gut germanisch. - -Wolsung hat zehn Söhne und eine Tochter, namens Signy. Um diese wirbt -ein König Siggeir (er herrscht über die Gauten, die in Südschweden -sitzen) und erhält sie auch zur Frau. Auf der Hochzeit der beiden -erscheint ein Mann in blauem Mantel, den Hut ins Gesicht hereingezogen, -so daß man nur ein Auge sieht, stößt in den Baumstamm, der mitten in -der Königshalle steht, ein Schwert und bestimmt es demjenigen, der -imstande ist, es wieder herauszuziehen. Der Mann ist seiner Schilderung -nach natürlich Odin, der höchste Gott, der in dieser Gestalt auf der -Erde wandernd gedacht wurde. Die Hochzeitsgäste, vor allen Siggeir, -der junge Gemahl, versuchen das Schwert herauszuziehen. Keinem gelingt -es; erst als Sigmund, der älteste Sohn Wolsungs, zugreift, liegt das -Schwert vor ihm, als ob es gar nicht festgesteckt hätte. Siggeir bietet -ihm Gold für das Schwert, er aber behält es für sich. - -Siggeir scheidet in Ärger von der Familie seiner Frau und denkt -auf Rache. Nach einiger Zeit ladet er den Schwiegervater und seine -Söhne zu sich ein. Sie kommen trotz der Warnung der Signy und werden -unmittelbar, nachdem sie im Gautenlande angekommen sind, überfallen, -der alte König Wolsung getötet, seine Söhne gefangen; in der -Gefangenschaft kommen sie nach und nach alle um, mit Ausnahme Sigmunds, -der durch eine List der Signy am Leben erhalten wird und entflieht. Er -lebt in der Wildnis und sinnt auf Rache, vermag sie aber noch nicht -durchzuführen. - -Signy ist in einer eigenartigen Lage: sie ist die Schwester des Rächers -und die Gattin desjenigen, gegen den die Rache geplant ist, gerät also -in einen Konflikt der Pflichten. Als die Signy-Sigmund-Geschichte -gedichtet wurde, galt durchaus noch die alte Anschauung, daß -Blutsverwandtschaft dem Gattenverhältnis unbedingt vorgeht, daß also -Signy ebenso zur Rache für Wolsung und ihre Brüder verpflichtet ist, -wie Sigmund. Signy versucht sogar ihre eigenen, dem Siggeir gebotenen -Söhne, die doch auch Wolsungs Enkel sind, zur Rache zu verwenden und -schickt sie zu Sigmund in den Wald hinaus, damit dieser sie auf ihre -Heldenhaftigkeit prüfe. Sie erweisen sich aber als Memmen, weil sie -zur Hälfte vom Stamme Siggeirs sind und keine vollbürtigen Wolsunge. -Sigmund tötet sie im Einverständnis mit Signy ohne weiteres, diese -aber entschließt sich zu einem ganz eigenartigen Schritt: sie tauscht -mit einem andern Weibe die Gestalt (ein in der nordischen Dichtung -gar nicht selten auftretender Zug) und lebt dann eine Zeitlang -unerkannt bei ihrem Bruder, um nach eingetretener Empfängnis wieder -zurückzukehren[7]. Der Sohn, den sie gebiert, der den Namen Sinfjotli -trägt, ist infolgedessen ein Wolsung von Vater- und von Mutterseite -und vollwertig zur Rache. Auch er wird hinaus zu Sigmund geschickt, -von ihm geprüft und sofort als Held erfunden. Darauf schleichen sich -Sigmund und Sinfjotli in die Halle Siggeirs ein, werden jedoch entdeckt -und festgesetzt. In der Gefangenschaft aber reicht ihnen Signy das -Wunderschwert zu, um das der Streit entbrannt war. Mit dem Schwerte -sägen sich Sigmund und Sinfjotli aus den Mauern ihres Kerkers, töten -den Siggeir und brennen die Halle nieder. Die Rache ist vollendet. -Signy verbrennt sich in den Flammen des brennenden Hauses zur Sühne für -ihre Teilnahme an derselben. - -Sigmund aber kehrt in seine Heimat zurück, vermählt sich mit einer -dänischen Fürstin, namens Borghild, und wird dadurch dänischer König. -Diese Borghild hat in der Sage recht wenig Bedeutung; sie bedeutet für -die Komposition unserer Erzählung nur, daß Sinfjotli, der in ihren -späteren Teilen keine Stelle mehr hat, herausgebracht wird. Sie haßt -den Stiefsohn und vergiftet ihn schließlich. Sinfjotli ist damit aus -der Erzählung ausgeschieden, und Borghild entbehrlich: Sigmund verstößt -sie. - -An die Sigmund-Borghild-Episode anknüpfend hat ein nordischer -Dichter eine in Deutschland ganz unbekannte Sage dänischen Ursprungs -angeschlossen: die Geschichte von Helgi dem Hundingstöter. Dieser gilt -für einen Sohn des Sigmund und der Borghild. Seine Taten und Schicksale -stehen nur in ganz loser Beziehung zu unserer Sage. Der von Helgi -getötete Hunding[8] gilt als Vater des Königs Lyngvi, gegen den Sigmund -gefallen ist -- eine chronologisch fast unmögliche Auffassung. - -Sigmund geht an eine zweite Ehe. Obgleich nunmehr schon bejahrt, wirbt -er doch um eine junge Fürstin, die den Namen Hjordis führt (ein Name, -der in Deutschland nicht vorkommt; er bedeutet etwa „Schwertmädchen“). -Gleichzeitig wirbt um diese Hjordis ein König Lyngvi. Obgleich -er jünger ist wie Sigmund, wählt sie doch den Alten, weil er der -berühmtere ist, und folgt ihm als Gattin. Lyngvi zieht zur Rache gegen -ihn zu Felde. Es kommt zu einer Schlacht, in der Sigmund wie immer -das unüberwindliche Gottesschwert schwingt; im entscheidenden Moment -aber tritt ihm Odin selbst entgegen und hält seinen Speer gegen das -Schwert: es zerspringt, und Lyngvi kann Sigmund tödlich verwunden. -Er kommt aber nicht zu seinem Ziele, denn er findet die versteckte -Hjordis nicht und zieht ohne sie ab. Hjordis sucht ihrerseits auf dem -Schlachtfelde den todwunden Gatten auf und erhält von ihm, bevor er -stirbt, die Bruchstücke des Schwertes, um sie dem zu erwartenden Sohne -aufzubewahren. - -Irgendwie motiviert ist in der Erzählung das Auftreten des Gottes Odin -nicht: er schenkt das Schwert, ebenso wie er es später zum Springen -bringt, ohne Grund. Irgendwelche tiefern religiösen Ideen darf man -nicht darin suchen, auch nicht das, was man gemeinhin einen Mythus -nennt. Es ist nichts weiter darin zu finden als ein Bild: Odin ist -der Gott des Sieges; Sigmund ist im wichtigsten Teile seines Lebens -als unüberwindlicher, siegreicher Held gedacht, er genießt also die -Gunst des Sieggottes, er hat ein von diesem ihm geschenktes Schwert. -Schließlich fällt er doch in der Schlacht; also muß ihm der Gott selbst -den Sieg entzogen haben; warum er dies getan hat, danach hat man bei -einem Gotte nicht zu fragen. - -Hjordis wurde mit ihrer Begleitung kurz nach dem Tode ihres Gatten -von Seeräubern entführt. An ihrer Spitze stand Alf, der Sohn des -Königs Hjalprik von Dänemark. Alf fand Gefallen an der Witwe und -vermählte sich mit ihr, nachdem sie den Sigurd, den Sohn Sigmunds, -geboren hatte; so wurde Sigurd (unser deutscher Siegfried) erzogen -am Hofe des Königs von Dänemark -- nach der Auffassung einer spätern -nordischen Dichtung. Damit aber hören die Beziehungen Sigurds zum -dänischen Königshofe so gut wie ganz auf. Außer seinem Stiefvater hat -Sigurd noch einen Pflegevater, den Regin, einen Mann verhältnismäßig -niederer Herkunft. Die Doppelheit des Stiefvaters und Pflegevaters -zu gleicher Zeit und scheinbar auch am gleichen Orte wäre zur Not zu -verstehen. Nicht zu verstehen aber ist, daß der Stiefvater in Dänemark -lebt, der Pflegevater dagegen, wie sich gleich aus dem folgenden -ergibt, in Deutschland am Rheine lebend gedacht wird. Wir sehen hier, -daß die Darstellung Sprünge hat, daß ältere und jüngere Schichten -übereinander liegen; der ältern gehört hier der Pflegevater Regin am -Rheine an. Der Umstand, daß Sigurd, der später ein großer Held wird, -unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein soll, hat die spätern, -verfeinerten Geschlechter gestört; man hat ihm deshalb einen Stiefvater -aus königlichem Blute gegeben, so daß eine dementsprechende königliche -Erziehung möglich war. - -Regin ist, wie gesagt, ein Mann vergleichsweise niederer Herkunft. -Er versucht den Sigurd, nachdem er herangewachsen ist, in seinem -eigenen Interesse auszunutzen; zu diesem Zwecke erzählt er ihm seine -Schicksale und damit verbunden die Herkunft des großen Schatzes, den er -beansprucht, den aber ein Drache hütet. - -Nach dieser Erzählung war der Vater des Regin und noch zweier Brüder, -die die Namen Fafnir und Otr führen, ein Bauer namens Hreidmar. Die -Söhne hatten die Fähigkeit, beliebig Tiergestalt anzunehmen. Es ist das -eine Erscheinung ähnlich dem Gestaltentausch der Signy. - -Eines Tages ziehen nun drei Götter, Odin, Hönir und Loki (eine -Dreiheit, die oft zusammen genannt wird) auf Erden umher in -menschlicher Gestalt. An einem Wasserfall sehen sie einen Fischotter -einen Fisch schmausen. Loki tötet durch einen Steinwurf den Fischotter -und zieht ihm den Balg ab. Mit dieser Beute kehren sie dann bei dem -Bauern Hreidmar ein; dieser erkennt an dem Otterfell, daß sein Sohn Otr -hat das Leben lassen müssen. Er setzt infolgedessen die drei Götter -gefangen und legt ihnen die Mordbuße für den Sohn auf: der Otterbalg -soll mit Gold ausgefüllt werden, bis er auf seinen vier Beinen -wieder stehen kann, und dann auch mit Gold überzogen werden, bis das -letzte Härchen verschwunden ist. Darauf wird einer der Götter, Loki, -beurlaubt, um das nötige Lösegeld herbeizuschaffen. Er kommt wieder -an den Wasserfall, wo, wie er weiß, ein Zwerg, namens Andvari, lebt, -der große Schätze hat und sich oft in Hechtgestalt im Wasser aufhält. -Loki fängt diesen Hecht, und nun muß sich Andvari durch Herausgabe -seines Reichtums lösen. Er gibt verhältnismäßig rasch alles heraus -bis auf einen Ring, der in der Folge unter dem Namen Andvaranaut -(Andvari’s Kleinod) eine wichtige Rolle spielt; da Loki auch diesen -nimmt, das letzte, was Andvari hat, belegt der Zwerg den Ring mit -einem furchtbaren Fluche, der darauf hinzielt, daß alle die, die ihn -später besitzen werden, vom Fluche betroffen zugrunde gehen. Mit der -gewonnenen Beute wandert Loki zu Hreidmar und übergibt das Gold Odin. -Dieser füllt den Balg aus und überkleidet seine Außenseite, behält -aber den Ring vorläufig zurück. Hreidmar sieht sich die Mordbuße an -und erklärt schließlich, daß noch ein Schnurrbarthaar des Otters -durchscheine; das müsse noch bedeckt werden, dann sei die Sache in -Ordnung. Darauf erst gibt Odin den unheilbringenden Ring noch hinzu, -und die Götter sind gelöst. Sofort aber beginnt der Fluch zu wirken: -die beiden andern Söhne Hreidmars fordern Anteil an der Buße; da er das -verweigert, erschlagen ihn seine Söhne und geraten nun untereinander -in Zwist. Fafnir verjagt Regin, behält den ganzen Schatz für sich und -hütet ihn nun in einer Höhle auf der Gnitaheide[9]. Hier liegt er von -nun an in Drachengestalt auf dem Schatze. - -Regins Bestreben ist nun, Fafnir zu töten und damit den Schatz zu -gewinnen; zu diesem Zwecke will er sich Sigurds bedienen. Sigurd -verlangt dazu zunächst ein Schwert. Die Schwerter, die Regin selbst -schmiedet, sind ihm alle nicht gut genug; sie versagen bei der Probe. -Daraufhin begibt sich Sigurd zu seiner Mutter und erhält von ihr -die Stücke des Gottesschwertes, das der Vater geführt hat. Regin -schweißt sie wieder zusammen[10]. Dies Schwert besteht jede Probe. Es -wird im Rhein erprobt, indem im langsam fließenden Wasser gegen die -Schärfe des Schwertes eine Wollflocke entgegentreibt; sie wird glatt -durchschnitten. Das Schwert wird für gut erklärt, und nun verlangt -Regin die Tötung des Drachens. Sigurd aber denkt zunächst an etwas -anderes, was in der nordischen Sagengestalt unvermeidlich ist, aber -zweifellos nicht ursprünglich zu unserer Darstellung gehört: er denkt -an Vaterrache. Er muß seinen gefallenen Vater Sigmund an Lyngvi rächen. -So zieht er denn zunächst mit Heeresmacht, die er natürlich von seinem -Stiefvater Alf erhalten hat, gegen Lyngvi und fängt und tötet ihn. -Dann erst, nachdem die Vaterrache gelungen ist, macht sich Sigurd an -die Tötung Fafnirs. Er kundschaftet seine Höhle aus, gräbt eine Grube, -setzt sich hinein und ersticht ihn von unten, während jener über ihn -hinwegschreitet. Die nordische Dichtung bringt nunmehr ein langes -Zwiegespräch zwischen dem sterbenden Drachen und Sigurd; gerade in -solche Momente lange, meist auf die Zukunft hinausdeutende Erzählungen -einzulegen, ist im Norden nicht unbeliebt, erscheint uns freilich -ungeschickt und unbegreiflich. - -Dann stirbt der Drache, Regin begrüßt den Sigurd, bittet ihn, ihm -das Herz des Drachens zu braten und legt sich einstweilen zur Ruhe. -Sigurd geht an diese kleine Arbeit und versucht nach einiger Zeit, -ob das Herz wohl gar ist, indem er es mit den Fingern anfaßt; dabei -verbrennt er sich und steckt die Finger rasch in den Mund. Darüber -kommt etwas Drachenblut an seine Zunge, und er versteht plötzlich, -was die Vögel in den Bäumen über ihm reden. So erfährt er denn von -ihnen, daß Regin darauf denkt, wie er Sigurd beseitigen kann, teils um -seine Rachegelüste zu befriedigen, -- denn er hat gewissermaßen die -Verpflichtung, seinen Bruder Fafnir zu rächen, -- teils um den Hort -für sich zu gewinnen. Daraufhin tötet Sigurd den Regin. Durch die Vögel -erfährt er weiter von dem Dasein des Schatzes und wird hingewiesen -auf eine Jungfrau, zu der ihn zunächst sein Weg führen soll. Mit dem -Schatze beladen zieht er ab und kommt nach einiger Zeit an eine Höhe, -die den Namen Hindarfjall (der Hindenberg) führt. Die Erzählung (hier -die Prosa des Sammlers der Lieder-Edda) fährt wörtlich fort (Gering S. -210): „Sigurd ritt hinauf nach Hindarfjall, und seine Absicht war es, -gen Süden nach dem Frankenlande zu ziehen. Auf dem Berge sah er ein -helles Licht, als ob Feuer darauf brannte, und der Schein leuchtete zum -Himmel empor. Als er aber näher kam, stand dort eine Schildburg, und -über ihr wehte ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg und erblickte -darin einen Mann, der in voller Rüstung da lag und schlief.“ Es brennt -also kein Feuer, sondern die glänzenden Schilde, die zu einer Art von -Zaun zusammengestellt sind -- das ist die Schildburg --, leuchten in -der Sonne, so daß es von weitem aussieht, als brännte ein Feuer. Ein -wirkliches Feuer aber ist hier in der Überlieferung nicht gemeint. Es -ist das wesentlich für die Auffassung eines bestimmten Zugs unserer -Sage. Der schlafende Mann wird von Sigurd erweckt; er schneidet ihm -den Panzer auf und erkennt nun, daß er ein Weib vor sich hat. Das Weib -erwacht und erzählt ihm ihre Schicksale. Sie heißt Brynhild und war -früher eine Walküre des Gottes Odin (also ursprünglich ein dämonisches, -kein menschliches Wesen). Als einmal ein Kampf zwischen zwei Königen -ausbrach, Hjalmgunnar und Agnar, da stand Odin auf Seite des erstern, -des ältern und berühmtern. Niemand aber wollte dem Agnar helfen. Das -unternahm nun gegen den Willen des Gottes die Walküre Brynhild. Dafür -ist sie von Odin aus der Schar der Walküren ausgestoßen, in Schlaf -versenkt und zur Vermählung bestimmt worden. Sie aber hat vorher noch -das Gelübde getan, nur dem sich zu vermählen, der das Fürchten nicht -kenne. Erweckt, gibt sie zunächst dem Sigurd weise Lehren. Alsdann -verloben sie sich miteinander. Sigurd aber nimmt Abschied, ohne daß -die Ehe sofort vollzogen wird[11]. Diese Unterlassung wird nicht -begründet, wie überhaupt die ganze Erzählung viel Seltsames hat und -uns noch seltsamer anmutet, wenn wir unmittelbar hinterher von einer -zweiten Begegnung Sigurds mit Brynhild erfahren, die so erzählt -wird, als ob die erste gar nicht stattgefunden hätte. Wir stehen -allerdings jetzt in der Lücke des ~Codex regius~ und können nur die -Volsungasaga benutzen, die für uns die Lücke ausfüllt. Nach ihr kommt -Sigurd, nachdem er vom Hindenberge weggeritten ist, zu einem Helden, -namens Heimir, der in Hlymdalir wohnt. Dieser Heimir hat einen Sohn -Alsvinn, mit dem sich Sigurd befreundet. Sie jagen zusammen. Auf einer -Jagd gelangt Sigurd im Walde auf einen einsamen Turm. Hier findet er -Brynhild, wird mit ihr bekannt, wirbt um sie und wird nicht abgewiesen, -obgleich sie Bedenken gegen die Werbung hat, denn sie sagt, sie wäre -eine Schildmaid und trüge im Dienste von Königen die Waffen. Sie ist -hier also kein übermenschliches, sondern ein rein menschliches Mädchen. -Schildmädchen, d. h. Frauen, die sich dem Kriegerberufe gewidmet haben, -sind in der nordischen Tradition gar nichts seltenes, sind sogar auch -in der altgermanischen Welt überhaupt nichts seltenes gewesen. Man -erinnere sich ferner daran, daß schon die Griechen im Norden Europas -die Amazonenvölker, also kriegerische Frauen, kennen. -- Sigurd und -Brynhild schwören einander Eide, und zwar, wie die Volsungasaga ganz -naiv sagt, von neuem; die Verlobung wird also zweimal geschlossen. -Selbstverständlich haben wir hier zwei parallele Dichtungen, die -nebeneinander stehen, die aber der Sagaschreiber einfach hintereinander -erzählt. Die eine schließt die andere aus. Welches die altertümlichere -ist, kann meines Erachtens nicht zweifelhaft sein: die zweite ist die -ältere. - -Das menschliche Schildmädchen ist aus den altgermanischen Verhältnissen -heraus ohne weiteres verständlich; die zur Strafe unter die -Menschen versetzte, ursprünglich rein dämonische Walküre setzt die -ganze Entwicklung der speziell nordischen Form des germanischen -Götterglaubens notwendig voraus; die Walküren als Botinnen Odins -und Gefährtinnen der seligen Helden können nicht ohne diese (die -Einherjar) gedacht werden, letztere wieder nicht ohne die nordische -Eschatologie, die ihrerseits bestimmt erst unter südeuropäischen -(römisch-klassischen und römisch-christlichen) Einflüssen zustande -gekommen ist. - -Nachdem Sigurd die Brynhild zum zweiten Male und ebenfalls ohne Angabe -eines rechten Grundes verlassen hat, zieht er weiter und kommt an den -Hof des Königs Gjuki. Gjuki ist die nordische Namensform des deutschen -Gibich (mhd. Gibeche, ursprünglich Gibica). König Gjukis Volk wird im -Norden entweder nicht oder als „Goten“ benannt, eine Auffassung, die -wohl damit zusammenhängt, daß man sich im Norden die eng mit den Goten -verbundenen Hunnen in Norddeutschland wohnend dachte und Sigurd zu den -Hunnen rechnete. Im allgemeinen wird Gjukis Geschlecht und dann auch -sein Volk mit dem Namen der Nibelunge bezeichnet (die nordische Form -ist Niflungar). Der Name Nibelunge ist im Norden ziemlich selten. Wo er -vorkommt, bezeichnet er stets den König Gjuki und seine Angehörigen. -König Gjuki hat eine Gattin Grimhild und mehrere Kinder, vor allen -die Söhne Gunnar (deutsch Günther) und Hogni (deutsch Hagen, der also -im Norden ein Bruder Günthers ist) und die Tochter Gudrun. Außerdem -erscheinen noch gelegentlich andere Kinder Gjukis, darunter ein Sohn -Gudorm, der in der nordischen Sage zu besondern Zwecken verwandt wird -und nicht auf gleicher Stufe mit seinen Geschwistern steht. - -Am Hofe des Königs Gjuki erregt Sigurd großes Aufsehen, so daß man -beschließt, ihn an sich zu fesseln. Als treibend tritt hierbei -Grimhild, die Gattin Gjukis, auf (nicht zu verwechseln mit unserer -deutschen Kriemhilt die vielmehr der nordischen Gudrun entspricht). -Sie gibt dem Sigurd einen Vergessenheitstrank, worauf er nicht mehr an -Brynhild denkt, und rät dann ihrem Manne, dem Sigurd die Tochter Gudrun -zum Weibe anzubieten. Gjuki antwortet darauf, es sei nicht üblich, -daß man seine Tochter jemandem zum Weibe anbiete, aber doch noch -ruhmvoller, sie Sigurd anzubieten, als wenn ein anderer käme, um sie zu -werben. Also die Wertschätzung Sigurds ist sehr groß. Sigurd vermählt -sich darauf mit Gudrun und wird in die Familie aufgenommen durch die -Formel des Blutsbundes. Gunnar, Hogni und Sigurd fügen sich eine -leichte Wunde zu, lassen das Blut in ihre gemeinsame Fußspur rinnen, -vermischen es auf diese Weise und gelten nunmehr als Blutsverwandte, -als wirkliche Brüder. Ein solcher Blutsbund ist heilig und hat alle -rechtlichen Folgen echter Verwandtschaft. - -Nach einiger Zeit beschließt Gunnar, Gjukis Sohn und Sigurds Schwager, -sich um Brynhild zu bewerben. Zu dieser Werbung ziehen aus Gunnar, -Hogni und Sigurd. Sie holen sich zunächst an den zuständigen Stellen -die Einwilligung, erst bei König Atli, dem Bruder der Brynhild, dann -bei ihrem Pflegevater Heimir, bei dem Sigurd sie kennen gelernt hatte, -und begeben sich dann zu ihr. Sie sitzt jetzt in einem Schlosse, das -von wogendem Feuer umgeben ist. Gunnar versucht hindurchzureiten; sein -Roß scheut zurück. Er bittet daraufhin zunächst Sigurd um sein Pferd -Grani und erhält es; aber unter Gunnar geht auch Grani nicht durchs -Feuer. So tauscht denn schließlich Sigurd mit Gunnar die Gestalt -(wieder ein solcher Gestaltentausch, der ohne Schwierigkeit gelingt) -und reitet auf Grani in Gunnars Gestalt durch die Flammen. Drinnen -sitzt Brynhild und ist gewärtig (was eigentlich nicht erklärt wird), -daß nur Sigurd es wagen werde, durch die Flammen zu reiten. Sie sieht -aber, daß ein anderer kommt, der sich Gunnar nennt, und da er durch die -Flammen geritten ist, also die erforderliche Bedingung erfüllt hat, -so ergibt sie sich ruhig in ihr Schicksal. Sigurd in Gunnars Gestalt -bleibt drei Nächte lang bei ihr, ohne sie jedoch zu berühren; vielmehr -trennt ein blankes Schwert ihrer beider Lager. Dann folgt Brynhild dem -Gunnar als Ehefrau, und eine Zeitlang leben die beiden jungen Paare -neben Hogni und den übrigen Familienmitgliedern zusammen in allem -Frieden an demselben Hofe. - -Da erhebt sich ein Streit zwischen den beiden Königinnen Brynhild -und Gudrun, und zwar um den Rang. Es sind außerordentlich einfache -Verhältnisse, die hier geschildert werden: obgleich königliche Frauen, -gehen sie doch in ganz volkstümlicher Weise zusammen im Flusse baden. -Während des Badens ändert plötzlich Brynhild ihren Platz, indem sie -ihre bisherige Stellung unterhalb der Gudrun mit einer oberhalb -derselben vertauscht. Gudrun fällt das auf; sie fragt, warum sie das -täte, worauf Brynhild erwidert, sie möge nicht mit dem Wasser baden, -das von der Gudrun abgelaufen ist, weil sie (Brynhild) die vornehmere -sei. Gudrun sei die Gattin eines Knechtes[12], während Gunnar den Ritt -durch die Flammen vollbracht habe. Gudrun, über diese Vorwürfe sehr -erzürnt, enthüllt das Geheimnis: nicht Gunnar, sondern Sigurd ist durch -die Flammen geritten; der Mann, der dabei den Ring Andvaranaut gegeben -hat (oder genommen -- das ist nach den Darstellungen verschieden), -kann nur Sigurd gewesen sein. Brynhild ist über diese Enthüllung sehr -unglücklich, geht nach Hause und brütet Rache. - -Die Rolle, die der Ring als Beweisstück in dem Zanke der Königinnen -spielt, ist je nach der Einzelquelle verschieden gefaßt, doch bleibt -es sich tatsächlich gleich, ob im Augenblicke des Zankes Brynhild den -Ring trägt, und Gudrun ihr sagt, „dieser Ring stammt doch aus Fafnirs -Schatze, den kann dir nur Sigurd gegeben haben“, oder ob Gudrun den -Ring trägt und sagt „den Ring, den ich hier habe, den hat Sigurd dir -damals abgenommen“. Die Wirkung bleibt die gleiche. - -Die Tatsache des dreitägigen, wenn auch keuschen Beilagers von Sigurd -und Brynhild wird natürlich in dem Königinnenstreite verdreht und dazu -benutzt, die Katastrophe herbeizuführen: Gudrun wirft der Brynhild vor, -daß nicht Gunnar, sondern Sigurd ihr erster Mann gewesen sei. Über die -Wirkung dieser Behauptung im einzelnen sind die nordischen Quellen -nicht recht einig, vermutlich, weil wieder mehrere Parallelerzählungen, -die sich gelegentlich widersprechen, nicht voll miteinander -ausgeglichen sind. Das Ursprüngliche scheint zu sein, daß Brynhild die -falsche Behauptung aufnimmt und bewußt verlogen zugibt, daß Sigurd -dem Gunnar in jenen kritischen Nächten die Treue nicht gewahrt habe. -Dadurch gewinnt sie letztern für die Rache, die Ermordung Sigurds. -Freilich sind Gunnar sowohl wie Hogni vermöge des Blutbundes nicht in -der Lage, die Rache persönlich auszuführen. Zu diesem Zwecke taucht nun -jener dritte Sohn Gjukis, Gudorm, auf. Er wird als geeignetes Werkzeug -zur Rache verwendet. Die Art, wie Sigurd von Gudorm getötet wird, wird -wieder in der verschiedensten Weise erzählt. Die nordischen Texte -kennen drei Darstellungen von Sigurds Tode: nach der einen (sie scheint -im Norden die altertümlichste zu sein) wird er ermordet während des -Rittes zur Volksversammlung; nach der zweiten, ausdrücklich als deutsch -bezeichneten Darstellung wird er im Walde auf der Jagd ermordet, und -nach der dritten Darstellung, die im kurzen Sigurdsliede vorliegt und -von der Volsungasaga aufgenommen ist, wird er nachts im Bette schlafend -ermordet, an der Seite seiner Gattin. Diese Darstellungen gehen zum -Teil auf verschiedene Grundlagen zurück, zum Teil sind sie willkürliche -Änderungen derselben. - -Nach Sigurds Ermordung gibt Brynhild zu, daß er stets die Treue -gehalten hat und unschuldig ermordet worden ist; sie läßt sich mit -ihm auf demselben Scheiterhaufen verbrennen. Gudrun aber nimmt nach -einiger Zeit von ihren Angehörigen die Mordbuße für den erschlagenen -Gatten an, und es führt im Grunde von diesem Teile der Erzählung zu dem -folgenden keine innere Brücke. Dieser ist mit dem bisher betrachteten -lediglich dadurch verbunden, daß dieselben Personen auftreten, nicht -aber dadurch, daß die Handlung des zweiten Teiles mit der des ersten -innerlich in Zusammenhang steht. Einen schwachen Versuch hat der Norden -gemacht, einen Zusammenhang herzustellen, indem er Brynhild zu einer -Schwester des Königs Atli, des demnächst auftretenden zweiten Gatten -Gudruns, gemacht und diesem damit die Pflicht auferlegt hat, diese -Schwester zu rächen. - -Nachdem Gudrun eine Zeitlang bei ihren Verwandten gelebt hat, kommt der -neue Werber, König Atli[13], und Gudrun reicht ihm ihre Hand. Nachdem -sie eine Zeitlang verheiratet sind, beschließt Atli, ohne daß Gudrun -dazu irgend etwas tut, die Niflunge zu vernichten, um einerseits -- -das ist die nordische Zugabe -- seine Schwester Brynhild zu rächen -und andererseits -- das ist die eigentliche Hauptsache -- den großen -Hort zu gewinnen, der nach Sigurds Ermordung natürlich in den Besitz -der Niflunge übergegangen ist. Er ladet die Niflunge freundlich, -aber verräterisch zu sich ein. Gudrun versucht sie zu warnen, aber -ohne Erfolg. Gunnar und Hogni kommen mit mäßigem Gefolge an den Hof -des Atli. Den Hort haben sie, wie sich aus der folgenden Darstellung -ergibt, vorher versteckt: sie haben ihn in den Rhein versenkt. Auch -hier tritt der deutsche Strom, der Rhein, auf und zeigt, wo die Sage -zunächst heimisch war. - -In Atlis Lande angekommen, werden Gunnar und Hogni von den Feinden -überwältigt und gefangen. Atli richtet an Gunnar die Frage, ob er sein -Leben durch Auslieferung des Hortes lösen wolle. Er erklärt, erst müsse -er Hognis Herz als Beweis von dessen Tode sehen. Daraufhin wird Hogni -getötet und sein Herz dem Gunnar gebracht; nun ruft dieser aus, daß der -reißende Rhein viel besser geeignet sei, den Schatz zu hüten, als Atli -und seine Leute. Gunnar wird in die Schlangengrube geworfen, erwehrt -sich aber der Schlangen noch eine Zeitlang durch ein seltsames Mittel: -da ihm die Hände gefesselt sind, schlägt er mit den Füßen eine Harfe, -die ihm seine Schwester Gudrun noch zugereicht hat, und schläfert -dadurch alle Schlangen ein bis auf eine, die ihn schließlich ins Herz -sticht. - -Damit sind die Niflunge vom Schauplatz abgetreten, und der Gudrun, -ihrer Schwester, als der letzten des Geschlechtes, fällt die Pflicht -der Rache zu; sie rächt ihre Brüder an ihrem Gatten. Immer geht in der -nordischen Anschauung die Blutsverwandtschaft der Ehegemeinschaft vor, -ein besonders altertümlicher Zug, der dieser Gestalt anhaftet. Die -Rache setzt Gudrun ins Werk, indem sie ihre beiden, dem Atli geborenen -Söhne schlachtet und ihm beim Festmahle vorsetzt; nachdem er vom -Fleische seiner Söhne gegessen und ihre Hirnschalen als Becher benutzt -hat, enthüllt sie ihm, was sie getan, und tötet ihn selbst. - -Der zweite Teil der Sage hat damit sein Ende erreicht; von den -handelnden Personen ist Gudrun allein übrig. Ein innerer Zusammenhang -zwischen diesem zweiten Teile und dem ersten besteht, wie gesagt, -nicht, denn der zweite Teil kann an sich allein vollkommen verstanden -werden. Er ist keine innere Folge des ersten. In der nordischen -Überlieferung kommt aber noch ein dritter Teil hinzu, dessen Anknüpfung -uns höchst seltsam anmuten muß: Gudrun versucht, sich das Leben zu -nehmen, indem sie sich ins Meer stürzt; allein die Wogen tragen sie -und bringen sie an einen fremden Strand, wo sie aufgenommen wird und -sich zum dritten Male vermählt. Der König des Landes, Jonakr (ein Name, -der uns sonst nicht weiter bekannt ist), nimmt sie zur Gattin, und sie -hat bei ihm noch zwei oder drei Söhne (darin ist die Überlieferung -nicht ganz klar). Diese heißen Hamdir, Sorli und Erp; nach der einen -Tradition sind sie alle drei die Söhne Gudruns, nach der andern ist -Erp ein Sohn Jonakrs von einer andern Mutter. Außerdem wird am Hofe -Jonakrs die nachgelassene Tochter des Sigurd und der Gudrun erzogen. -Wie sie dahin gekommen ist, wird gar nicht erklärt. Sie führt den Namen -Svanhild[14]. - -Um sie wirbt ein schon bejahrter, aber mächtiger und gewaltiger König, -Jormunrek, wie er im Norden heißt. Er ist der historische Gotenkönig -des 4. Jahrhunderts Ermanarich. Er sendet seinen Ratgeber Bikki und den -bereits erwachsenen Sohn erster Ehe Randver die junge Braut einholen. -Svanhild wird ihnen übergeben. Unterwegs fängt Bikki an, seine Ränke zu -spinnen; er raunt dem jungen Paare, der Stiefmutter und dem Stiefsohne, -zu, daß sie zueinander viel besser paßten, als der alte König zu der -jungen Svanhild, und versucht auf diese Weise ein Verhältnis zwischen -den beiden herbeizuführen, aber ohne Erfolg. Als die Braut am Hofe -Jormunreks eingetroffen ist, berichtet Bikki dem Könige das Verhältnis -als Tatsache, und dieser rächt sich, indem er seinen Sohn erhängen und -Svanhild von wilden Pferden zertreten läßt. - -So erwächst der Gudrun wiederum die Pflicht der Rache für ihre nächste -Verwandtschaft. Sie reizt ihre Söhne dritter Ehe auf, die Rache zu -vollziehen; diese lassen sich auch dazu bereit finden und machen sich -auf den Weg. Unterwegs geraten sie miteinander in Streit, und Erp wird -von den beiden andern erschlagen. Als sie dann am Hofe Jormunreks -erscheinen, greifen sie den König an und verwunden ihn, indem der -eine ihm die Hände, der andere die Füße abschlägt. Dem Erp aber war -nach der etwas merkwürdigen Auffassung dieser Dichtung zugedacht, das -Haupt des Königs abzuschlagen; da Erp nun fehlt, wird Jormunrek also -nur verwundet, aber nicht getötet. Er hat noch die nötigen Kräfte, -sich zu rächen, indem er seine Mannen aufruft: „Tötet die Fremden mit -Steinwürfen.“ So fallen Hamdir und Sorli durch die Goten; damit hat -die nordische Form der Nibelungensage ihr letztes Ende erreicht. - -Gudrun, die Hauptfigur, die durch alle drei Teile der eigentlichen -Nibelungensage, ungerechnet die Vorgeschichte, hindurchgeht, ist noch -am Leben. Wo sie hingekommen, was aus ihr geworden, wird nicht erzählt; -nur das Gedicht von „Gudruns Aufreizung“ deutet an, daß sie schließlich -(wie Signy) freiwillig den Flammentod suchen wird. - -Die nordische Form der Nibelungensage hat noch eine Erweiterung -erfahren durch die Geschichte der Aslaug, der bei Heimir aufwachsenden -Tochter Sigurds und der Brynhild; die Annahme, daß dies Paar eine -Tochter gezeugt habe, ist zwar dem Geiste der alten Sage zweifellos -zuwider, doch nicht so sehr, wie es uns auf den ersten Blick scheint: -Aslaug ist eine Frucht der frühern Bekanntschaft ihrer Eltern, hat -also nichts zu tun mit der Pflicht der Treue, die Sigurd dem Gunnar -bei Gewinnung der Brynhild schuldig ist. Heimir befürchtet für Aslaug -nach dem Tode ihrer Eltern Nachstellungen und entflieht mit dem Kinde -in Verkleidung; unterwegs wird er von einem Bauernehepaare, bei dem er -eingekehrt ist, ermordet, und Aslaug wächst nun in niedriger Umgebung -auf. Als Jungfrau erregt sie die Liebe des Königs Ragnar Lodbrok, der -auf einer seiner Wikingsfahrten in die Gegend, wo sie lebt, gelangt -ist, wird seine Gemahlin und gebiert ihm eine stattliche Reihe Söhne, -unter ihnen den Sigurd ~ormr í auga~ (Schlange im Auge), der zum -Beweise seiner Herkunft vom Drachentöter das Bild des Fafnir auf der -Hornhaut seines Auges trägt; seine Tochter heißt wiederum Aslaug und -ist die Urgroßmutter des Harald Harfagri, ersten Alleinherrschers in -Norwegen (gestorben um 930). Die ganze Erzählung zielt, wie vorhin -schon bemerkt wurde, darauf ab, die norwegischen Könige als Nachkommen -der Volsunge zu erweisen; der Name Aslaug ist offenbar von der -gleichnamigen jüngern (die historisch zu sein scheint) auf Brynhilds -Tochter übertragen. - -Schon aus der einfachen Erzählung der nordischen Sagenform dürfte -sich ergeben haben, wie wenig klar die ganze Darstellung ist. Wir -dürfen diese Unklarheit aber nicht etwa einem einzelnen Manne, einem -Dichter der ganzen Sage, in die Schuhe schieben, sondern wir müssen -uns gegenwärtig halten, daß wir hier keine geschlossene Überlieferung -vor uns haben, sondern uns lediglich eine Reihe von Einzelgedichten -überliefert ist, von denen jedes für sich seine besondere -Selbständigkeit hat und seine eigene Würdigung erfordert. Die einzelnen -Dichter in sich sind in der Regel geschickt und geschlossen; aber der -eine hat die Erzählung so, der andere so aufgefaßt und durchgeführt. - -Eine älteste Gestalt der Sage aus diesen ziemlich stark -auseinanderklaffenden Stücken herauszufinden, würde wohl kaum möglich -sein, wenn wir nicht neben der nordischen Überlieferung noch die ganz -selbständige deutsche Überlieferung hätten, die sich von der nordischen -getrennt hat im 9. Jahrhundert, als die Wikinger den deutschen Stoff -vom untern Rheine nach dem Norden verpflanzten. - - - - -III. - -Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung. - - -~a~) Der Nibelunge Lied. - -In Deutschland ist uns nun die Sage in allererster Linie erhalten in -unserm Nibelungenliede. Das Nibelungenlied ist ein ritterliches Epos, -in der ältesten Form entstanden im 12. Jahrhundert. Es steht also dem -Zeitpunkte, da sich der deutsche Überlieferungszweig vom nordischen -trennte, dem 9. Jahrhundert, schon ziemlich fern und hat bereits -stofflich eine weitere Entwickelung durchgemacht. Der Stoff war, ehe -der Nibelungendichter daran ging, sein Werk zu gestalten, bereits sehr -stark verändert. Selbstverständlich hat nun auch unser Dichter noch -alles mögliche Neue hinzugefügt und den alten Stoff nach vielen Seiten -hin ergänzt oder auch verkürzt. - -Das Lied, das uns in mehreren Handschriften erhalten ist, und von -dessen weiter Verbreitung außerdem eine große Anzahl Bruchstücke -anderer Handschriften zeugen, ist in eine eigenartige Form gegossen. -Obgleich ein großes Epos, ein langes erzählendes Gedicht, benutzt es -doch keinen glatt durchlaufenden epischen Vers, sondern es liegt uns -vor in einer der Ballade nahekommenden Form. Es ist nämlich abgefaßt -in Strophen, die, verhältnismäßig wenig umfangreich, dem Dichter -häufig beschränkende Fesseln anlegen. Bald ist die Strophe zu kurz, -den gegebenen Stoff in sich aufzunehmen, bald zu lang, einen einfachen -Gedanken kurz darzustellen. Oft bleibt dann in ihr noch Platz für -etwas anderes, etwa für den Anfang eines neuen Gedankens. Der Dichter -ist bei dieser formalen Schwierigkeit vor die Frage gestellt: soll er -den noch freien Raum der vorliegenden Strophe dazu benutzen, einen -neuen Gedanken anzufangen, der dann in der Strophe nicht aufgeht, -sondern in die nächste übergreift und damit die strophische Gliederung -zerstört, oder soll er den Rest mit leeren Redensarten ausfüllen? -Beides kommt ziemlich häufig vor. Das hat die Gelehrten, die sich mit -dem Nibelungenliede beschäftigt haben, lange Zeit sehr gestört; daß -der Grund der vielen vorkommenden leeren vierten Zeilen lediglich -der ist, daß die Strophenform eben entweder zu kurz oder zu lang -für die geschlossene Darstellung eines Gedankens ist, hat man erst -verhältnismäßig spät erkannt. - -Die Nibelungenstrophe besteht aus vier paarig gereimten Langversen, so -daß also der erste mit dem zweiten, der dritte mit dem vierten durch -Reim gebunden ist. Die drei ersten Verse sind einander gleich, und -zwar haben sie vor dem Abschnitt, der in die Mitte des Verses fällt, -vier Hebungen, nach dem Abschnitt drei Hebungen; die vierte Zeile aber -hat vor und nach dem Abschnitt je vier Hebungen. Die vierten Hebungen -vor dem Abschnitte (gelegentlich auch die dritten Hebungen der zweiten -Hälften des ersten und zweiten Verses) dürfen durch klingende Ausgänge -vertreten werden. Als Beispiel setze ich Strophe 924 des Textes ~C~ -(nach Holtzmanns Bezifferung) hierher und bezeichne die Hebungen: - - ~Gúnthér und Hágené, die réckén vil bált, - lóbten mít untríuwén ein pírsen ín den wált; - mít ir schárpfen gếrén si wólden jágen swî́n, - pérn únde wísendé. waz móhte kǘenérs gesî́n?~ - -Spätere Dichter haben die vierte Zeile den drei übrigen meist gleich -behandelt. Diese Neuerung, die in moderner Zeit Uhland aufgenommen hat -(z. B. in seinem Balladenzyklus von Eberhard dem Greiner), ist nicht -glücklich, denn sie löst die Strophe in Reimpaare auf; dann ist ja -durch nichts mehr markiert, daß die Strophe aus vier Versen bestehen -soll, sondern die beiden Reimpaare stehen in der Form ganz gleich -nebeneinander, und ob wir dann zwei derselben oder drei oder auch nur -eins als Ganzes fassen, ist für unser Empfinden ganz gleichgültig. Die -vier Zeilen der zwei Reimpaare müssen erst durch eine Besonderheit am -Schlusse der ganzen Reihe zusammengeschlossen werden, wie es im alten -Liede der Fall ist. - -Das Lied setzt (abgesehen davon, daß es mit einer Art -Theaterzettel[15] beginnt, der aufzählt, was in Worms, am Sitze des -Königs Günther, des Bruders der Kriemhilt, alles vorhanden ist an -Helden) gleich an einer vorgerückten Stelle des Stoffes ein, fängt also -nicht mit dem eigentlichen Anfang der Sage an. Infolgedessen hat der -Dichter an spätern Stellen das eine oder andere berichtweise nachholen -müssen. - -An den Theaterzettel (wie man die einleitenden Strophen genannt hat, -da sie poetisch ohne Wert sind) schließt sich zunächst die Erzählung -vom Traume der Kriemhilt an. Kriemhilt ist dieselbe Person, die in der -nordischen Sage Gudrun heißt, also die Schwester des burgundischen -Königs Günther aus dem Geschlecht der Nibelunge[16]. Sie erzählt ihrer -Mutter Ute folgenden Traum: sie hat sich einen Falken erzogen, der ihr -lieb ist, und den ihr zwei Adler töten; das ist ihr größter Kummer. -Die Mutter deutet den Traum auf den künftigen Gatten Kriemhilts und -darauf, daß sie ihn vorzeitig verlieren werde. Daraufhin verschwört die -junge Kriemhilt das Heiraten, die Mutter meint aber, sie solle die Rede -lassen, denn allein durch die Liebe werde sie auf der Welt froh werden. - -Diese kurze Geschichte geht der eigentlichen Erzählung voraus. -Sie findet in der nordischen Version gelegentlich ihr Gegenstück, -ohne daß dies irgendwie die Darstellung und den Gang der Erzählung -beeinflußt. Ehe Sigurd in der nordischen Erzählung an den Hof Gjukis -kommt, hat Gudrun einen ähnlichen Traum wie Kriemhilt in der deutschen -Sagenfassung. Die nordische Gudrun fährt zu Brynhild[17] und läßt sich -von ihr den Traum deuten. Brynhild weiß denn auch gleich (ein Motiv, -das im Norden oft verwendet wird, so ungeschickt es ist) alles, was -sich aus dem Traume ergibt, und erzählt ihre beiderseitigen Schicksale -bis ans Ende mit klaren Worten, ohne daß dies Wissen auf das spätere -Verhalten der Personen auch nur den geringsten Einfluß ausübte; eine -Seltsamkeit, die wir ähnlich schon S. 6 beobachten konnten. - -Das Lied setzt dann an einer ganz andern Stelle ein. Über -Niederland[18] regiert der König Sigemund, vermählt mit einer Gemahlin -namens Sigelind. Beider Kind ist Siegfried (mittelhochdeutsch Sîfrit), -der als junger Fürst am Hofe seiner Eltern erzogen und mit aller -Vornehmheit, aller zeitgemäßen Bildung ausgestattet wird. Er wird -waffenfähig erklärt, wie es sich für einen Ritter des 12. Jahrhunderts -geziemt, und beschließt, einmal soweit gekommen, zu heiraten. Diesen -Wunsch trägt er seinem Vater vor, und zwar will er sich um Kriemhilt, -die Schwester des Königs Günther in Worms, bewerben. Der Vater warnt -ihn: am Hofe Günthers sei eine Reihe trotziger Helden, die Gefahr, -dorthin zu gehen, also ziemlich groß. Siegfried läßt sich dadurch nicht -abschrecken, im Gegenteil, er wird eher angereizt, und begibt sich mit -geringem Gefolge nach Worms. Dort erscheint er, sofort erkannt von -Hagen, der hier der vornehmste Vasall des Königs Günther ist und nicht -sein Bruder, aber immerhin ein Verwandter; er führt den Beinamen „von -Tronje“ (vgl. S. 83). - -Hagen beobachtet den ankommenden Siegfried mit seinen Leuten und sagt: -„Ich habe ihn zwar nie gesehen, aber nach dem Auftreten kann der -Ankömmling niemand weiter sein als Siegfried.“ Nun berichtet uns der -Dichter durch Hagens Mund nachträglich alles, was Siegfried bisher -getan hat. - -Als Siegfried einst allein unterwegs war, stieß er auf zwei Könige, die -miteinander stritten. Es waren die Brüder Nibelung und Schilbung, Söhne -eines alten Königs Nibelung, der eben verstorben war; sie stritten -um die Teilung des Erbes. Als Siegfried hinzukam, ward er von ihnen -sofort als Unparteiischer berufen und beauftragt, ihnen den Hort, den -der Vater hinterlassen, zu teilen; als Lohn gaben sie ihm zuvor das -Schwert, das ihr Vater früher geführt hatte, und das Balmung hieß. -Siegfried konnte ihnen indes die Teilung nicht zu Danke machen und -geriet darüber mit ihnen beiden in Kampf; er besiegte und tötete sie, -dann überwand er noch ihren Diener Alberich und ward dadurch Herr der -Nibelunge und ihres unermeßlichen Hortes, dessen Bewachung er Alberich -anvertraute. Nibelunge heißen also in diesem Teile der Erzählung die -ursprünglichen Besitzer des Schatzes. - -Weiter berichtet Hagen noch, daß Siegfried einen Drachen getötet -hat; doch steht hier die Drachentötung nicht in Zusammenhang mit der -Gewinnung des Hortes, sondern ist ein Ereignis für sich. Dagegen wird -an sie die Behauptung angeknüpft, daß Siegfried sich im Blute des -erschlagenen Drachen gebadet und dadurch eine Hornhaut bekommen habe, -die kein Schwert zerschneiden könne. Nur an einer Stelle, auf dem -Rücken, wo ihm ein Lindenblatt auf den nackten Körper gefallen wäre, -sei das Drachenblut nicht direkt mit der Haut in Berührung gekommen, -und habe diese daher ihre natürliche Weichheit behalten. - -Die Trennung des Drachenkampfes vom Hortgewinn kann unmöglich alt -sein. Schon der Umstand, daß es sich um einen Drachen handelt, den -er tötet, weist darauf hin, daß die beiden Ereignisse, Drachentötung -und Hortgewinn, zusammenfallen. Denn ein Drache ist an sich ein -Schatzhüter. Als solcher ist dies mythische Wesen von vornherein -gedacht. Man hat das in Deutschland offenbar vergessen, wie man -überhaupt auf die jugendlichen Heldentaten Siegfrieds hier wenig Wert -legt; hat man doch auch die Jugendgeschichte schon dadurch, daß er am -Hofe des Königs, seines Vaters, als vollgültiger Prinz erzogen wird, -gänzlich umgestaltet. - -Inzwischen hat Hagen seine Erzählung beendet. Siegfried tritt herein -und wird von Günther feierlich empfangen. Wir erinnern uns, daß er -ausgezogen war, um Kriemhilt zu werben. Hier in Worms sagt er davon -kein Wort, sondern fordert plötzlich ohne jeden Grund Günther zum -Kampf um Land und Leute heraus; das dürfte doch wohl so ziemlich das -ungeeignetste Mittel für ihn sein, den angegebenen Zweck zu erreichen. -Es entwickelt sich eine heftige Szene, die ebenso unbegründet, wie sie -entstanden ist, durch ein freundliches Wort Giselhers, des jüngsten -Bruders des Königs, beigelegt wird. Siegfried wird wieder ganz -friedlich und liebenswürdig, und die ganze Sache ist vergessen. Aber -ebenso vergessen ist im Augenblick auch, weshalb er überhaupt nach -Worms gekommen ist. - -Die Szene hat gar keine Wirkung, vielmehr bringt die liebenswürdige -Rede des jungen Giselher alles ins gleiche. Damit ist Siegfried als -Gast am Hofe des Königs Günther aufgenommen. Er scheint ganz und -gar vergessen zu haben, weshalb er nach Worms gekommen ist, und hält -sich hier ein volles Jahr auf, ohne auch nur eine Spur seiner Absicht -laut werden zu lassen. Der Dichter bedarf erst eines neuen treibenden -Momentes, um die Erzählung ins Rollen zu bringen. Er hat sich dabei -nicht ohne Geschick einer Sage bedient, die sonst selbständig vorkommt: -er verwendet die Geschichte vom Kampfe der Sachsen und Dänen gegen die -Franken oder Burgunden[19]. Die Franken haben in der Zeit Karls des -Großen mit den Sachsen und auch mit den hinter den Sachsen wohnenden -Dänen, die jene unterstützten, mannigfache Kämpfe ausgefochten. Von -diesen Kämpfen ist die Erinnerung jahrhundertelang lebendig geblieben; -sie werden nun hier verwendet, um Siegfried zu einem Entschluß zu -bringen, sonst würde er zeitlebens der schüchterne Liebhaber bleiben. - -Es kommen Boten von Liudeger von Sachsen und Liudegast von Dänemark, -um den Burgunden Fehde anzusagen. Günther hat große Sorge, aber -Siegfried erlöst ihn, indem er ihm seine Hilfe zusagt. Es wird nun der -Feldzug geschildert, der im Handumdrehen durch Siegfrieds Tüchtigkeit -den Burgunden die beiden feindlichen Herrscher in die Hände liefert. -Damit ist Gelegenheit gegeben zu einem Siegesfeste[20]. Siegfried hat -für seine entscheidende Teilnahme am Kampfe eine besondere Belohnung -verdient. Sie besteht darin, daß man ihn bei dem Feste zum ersten Male -den Frauen des Hofes vorstellt und ihm Kriemhilt zu führen gestattet. -So sehen sich Siegfried und Kriemhilt zum ersten Male, ohne sein -direktes Zutun (abgesehen davon, daß er mit der Absicht, zu werben, -nach Worms gegangen ist), und ohne daß er hier seine Pläne irgendwie -weiter verfolgt. Dazu bedarf der Dichter noch eines weitern treibenden -Momentes. - -Plötzlich kommt eine ganz neue Botschaft nach Worms: es sitzt -eine Königin jenseits des Meeres von so großer Schönheit, daß -man ihresgleichen nicht kennt, dazu von einer solchen Kraft, daß -sie denjenigen, die ihre Hand begehren, auferlegen kann, sie im -Speerschießen, Steinwerfen und Weitspringen zu übertreffen; eine -Aufgabe, die bisher noch niemand gelöst hat. So führt uns die Erzählung -mit einem Sprunge hinüber zu Brünhilt, die uns in der deutschen -Überlieferung bisher noch nicht begegnet ist. Sie ist eine heldenhafte -Königin, und zwar nach der Anschauung des Dichters in Island gesessen. -Wie er dazu kommt, sie nach Island zu versetzen, ist unklar und -führt zu Unstimmigkeiten. Aber sie muß jenseits des Meeres sitzen -und möglichst weit entfernt, sonst hätten die Zuhörer möglicherweise -kontrollieren und dem Dichter falsche Angaben vorwerfen können. - -Die Erzählung fährt ganz nach der Art der so häufigen -Brautfahrtgedichte fort: Günther überlegt sich, daß er als regierender -König verpflichtet ist zu heiraten. Man rät ihm, sich um Brünhilt -zu bewerben, die in Island als Königin und als schönste Frau der -Gegenwart lebt. Siegfried aber spricht dagegen. Er kennt alles, was -sich auf Island bezieht, ohne daß irgendwie erklärt wird, woher. -Gewisse Beziehungen zwischen Siegfried und Brünhilt werden durch -die eigentümliche Art der Darstellung in unserm Liede zweifellos -vorausgesetzt. Aber kein Wort deutet darauf hin, daß der Dichter von -einem Verlöbnis zwischen Siegfried und Brünhilt irgendwelche Ahnung -hätte. Siegfried weiß nur, daß die Werbung um Brünhilt eine große -Gefahr bedeutet. Da sagt nun Hagen: „Wenn du so genau weißt, wie es -um die Königin steht, so hilf uns doch dazu, daß wir sie gewinnen“, -und Siegfried sagt diese Hilfe zu, wenn Günther ihm seine Schwester -zur Frau geben will. Nun ist er endlich so weit, daß er seine Werbung -anbringt, um deretwillen er vor mehr als Jahresfrist nach Worms -gekommen ist. Günther sagt ihm die Hand der Kriemhilt zu, und nun -fahren Günther, Hagen, Siegfried und (verhältnismäßig nebensächlich) -Dankwart, Hagens jüngerer Bruder, ohne weitere Begleitung von Worms den -Rhein hinab nach Island, nachdem sie sich vorher durch die fleißigen -Hände der Frauen in ritterlichem Geschmack haben ausstaffieren lassen. -Daran, daß sie unterwegs Siegfrieds Heimat passieren müssen, denkt -der Dichter nicht. Als sie sich nach zwölftägiger Fahrt dem Lande der -Brünhilt nähern, und allmählich ihr Schloß in Sicht kommt, spricht -Siegfried sich darüber aus, wie man die Sache angreifen soll. Dabei -sagt er: „Wenn wir dahin kommen, will ich euch leiten, dann werden wir -am besten zu unserm Ziele kommen. Nur müssen alle ein und dasselbe -behaupten, nämlich Günther sei mein Herr und ich sein leibeigener Mann, -dann kommen wir am besten durch.“ Warum er das sagt, ist hier nicht -abzusehen. Später allerdings wird seiner Gattin vorgeworfen, daß er -ein leibeigener Mann sei. Da nun der Dichter Siegfried als Königssohn -schildert, so würde diese in der alten Sage begründete Schmähung -hinfällig sein, wenn hier nicht eine neue Unterlage geschaffen würde. -Das ist ziemlich ungeschickt angefangen, denn es führt zu nichts; ob -er als Freund Günthers oder als sein Vasall nach Island kommt, bleibt -gleichgültig. - -Inzwischen haben die Frauen die Fremden kommen sehen. Eine von ihnen -schildert der Königin, wie die Fremden aussehen, und daß einer in -seinem Aussehen dem Siegfried entspräche, ganz als ob Siegfried schon -einmal dagewesen wäre. Darauf sagt Brünhilt: „Wenn er hierher gekommen -ist, um meine Liebe zu erwerben, so wird es ihm gehen wie jedem -andern.“ Dann aber begrüßt sie ihn vor allen andern wie einen alten -Bekannten. Er sagt darauf: „Ich danke Euch sehr, Frau Königin, daß Ihr -mich zu grüßen geruht. Aber erst müßt Ihr den begrüßen, des Untertan -ich bin; Günther ist mein Herr, ihm kommt der Gruß zuerst zu. Er wirbt -um Eure Liebe.“ „Gut,“ sagt sie, „wenn dein Herr um meine Liebe wirbt, -so muß er wie jeder andere die Kampfspiele bestehen.“ Diese bestehen -darin, daß zunächst mit dem Speer geworfen, und der Wurf pariert -wird; an zweiter Stelle, daß ein Stein von ungewöhnlicher Schwere -möglichst weit geworfen wird, und endlich drittens, daß ein weiter -Sprung ausgeführt wird. Günther würde diese Bedingungen nicht erfüllen -können, Siegfried kann sie erfüllen. Er kann nun nicht für Günther -eintreten, denn dieser muß öffentlich in Gegenwart von Brünhilts Leuten -kämpfen. So greift denn der Dichter zu folgendem Auswege: Siegfried -bekleidet sich mit der Tarnkappe, dem unsichtbar machenden Mantel, -den er seinerzeit dem Zwerg Alberich abgenommen hat, und unterstützt -Günther bei den Spielen: beim Speerwerfen mit dem Erfolge, daß Brünhilt -ins Straucheln kommt und fällt; beim Steinwerfen wirft er für Günther -und übertrifft Brünhilts außerordentlich weiten Wurf. Beim Springen -aber wird die Sache recht bedenklich; dem Dichter selbst fällt auf, daß -er seinen Zuhörern reichlich viel zu glauben zumutet; er sagt: „Das -war ein großes Wunder, nicht bloß weiter zu springen als Brünhilt, -sondern im Sprunge auch noch den König Günther zu tragen.“ Diese -Ungeschicklichkeit ist eine Folge der Komposition des Ganzen: nach -der nordischen Darstellung ward der Preis erworben im Durchreiten des -Feuers; das tat Sigurd an Stelle und in Gestalt Gunnars; wenn aber -Günther vor allem Volke den Beweis seiner Überlegenheit erbringen muß, -wird die Aufgabe des Dichters allerdings arg erschwert. - -Siegfried begibt sich nun zum Schiffe zurück, legt dort, ungesehen von -den übrigen, die Tarnkappe ab und stellt sich bei der Rückkehr, als ob -er keine Ahnung davon hätte, daß die Wettkämpfe schon vorüber sind. -Brünhilt, von Günthers überlegener Tüchtigkeit überzeugt, sagt diesem -ohne Zögern ihre Hand zu. - -Es folgt nun eine eigentümliche Szene, die für den Fortgang -der Erzählung nichts bedeutet: um nämlich dem neuen Herrn zu -huldigen, werden die Mannen der Brünhilt nach der Burg der Königin -zusammengerufen. Jetzt sehen die Gäste, was für eine Menge Recken sich -versammeln, und fürchten Verrat. Deshalb entschließt sich Siegfried, -heimlich nach dem Nibelungenlande (das etwa in Norwegen gedacht wird) -zu fahren und seine Recken zu holen. Er stellt sich dort als Fremder, -bezwingt den riesenhaften Burghüter, kämpft mit seinem Kämmerer, dem -Zwerge Alberich, und besiegt ihn, erprobt auf diese Weise die Treue -seiner Mannen und führt dann tausend der besten Nibelunge zu Schiffe -hinüber nach Island. -- Die ganze Erzählung ist nur eingeflochten, um -darzustellen, wie Siegfried mit Alberich kämpft; der Dichter hat ja -die ganze Vorgeschichte weggelassen und bemüht sich, einzelne Szenen -derselben gelegentlich nachzuholen; dabei hat er für sein ritterliches -Empfinden noch den Vorteil, dem König Günther ein größeres Gefolge zu -verschaffen, als die drei Männer, die ihm nach der alten einfachen -Darstellung folgten. - -Nachdem nun Brünhilt gewonnen ist, fährt man nach der Heimat -zurück. Siegfried wird als Bote vorausgeschickt und verkündet den -Frauen das Nahen der Braut. Nach der Ankunft wird er mit Kriemhilt -verlobt, indem Günther sie bittet, sein Wort einzulösen. Kriemhilt -gibt gern ihr Jawort, und die Hochzeit der beiden jungen Paare wird -gleichzeitig gefeiert. Als aber an der Hochzeitstafel Brünhilt -unerwartet sieht, daß ihres Gatten Schwester mit Siegfried vermählt -wird, bricht sie in Tränen aus und erklärt es für eine Schmach, daß -Kriemhilt einen Leibeigenen ihres Bruders heiraten soll. Dadurch kommt -Günther natürlich in große Verlegenheit; er vermag Brünhilt über die -eigentlichen Gründe dieser Heirat nicht aufzuklären, kann aber auch das -Vasallentum Siegfrieds nicht ableugnen, da dieser seinerzeit selbst den -Rat gegeben hat, ihn als Eigenen hinzustellen. - -An dieser Stelle wird Siegfrieds Leibeigenschaft, seine minderwertige -Herkunft notwendig gebraucht, und da man ihn zu Anfang des Gedichtes -zu einem Prinzen gemacht hatte, mußte man etwas finden, was es der -Brünhilt ermöglicht, ihn für einen Leibeigenen zu halten. Daher der -seltsame Rat, den Siegfried auf der Reise zu Brünhilt gibt. - -In der Brautnacht widersetzt sich Brünhilt ihrem Gatten, weil sie -von ihm durchaus den Grund erfahren will, weshalb seine Schwester -mit einem Leibeigenen verheiratet wird. Als Günther sein Gattenrecht -geltend machen will, fesselt sie ihn sogar; seine Kräfte reichen -eben nicht aus, sie zu besiegen. Am andern Tage klagt Günther dem -Siegfried, der mit Kriemhilt glücklicher gewesen ist, sein Leid, -und dieser muß nochmals helfend mittels der Tarnkappe eingreifen. -In der folgenden Nacht überwindet er abermals an Günthers Statt die -gewaltigen Körperkräfte der Brünhilt, bis sie selbst sagt, sie habe -erkannt, daß er ihr Meister sein könne; dann tritt er zurück, ohne ihre -Jungfräulichkeit berührt zu haben, und Günther wird nun ihr Mann. - -Diese eigenartige und nicht durchweg glückliche Fassung der Erzählung -ist nötig, weil Siegfried später doch wegen unlautern Verkehrs mit -Brünhilt ermordet werden muß. Hat er nichts weiter getan, als Günther -bei den Kampfspielen unterstützt, so war zu solchem Verkehr keine -Gelegenheit. Es ist aber notwendig, daß Siegfried und Brünhilt so -vereinigt werden, daß üble Nachrede möglich ist; sonst ist die weitere -Entwicklung nicht verständlich. In der nordischen Darstellung ritt -Sigurd durch die Lohe und blieb drei Nächte bei der Braut; damit war -die Möglichkeit übler Nachrede ohne weiteres gegeben. In der deutschen -Darstellung muß sie erst geschaffen werden; die Gewinnung der Brünhilt -ist damit in zwei Akte zerlegt. - -Nachher zieht Siegfried mit seiner jungen Frau von Worms in seine -Heimat am Niederrhein zurück. Die Erzählung ist also vorläufig bei -einem Ruhepunkte angekommen. Jahrelang leben beide Paare in glücklicher -Ehe an getrennten Orten, Günther mit Brünhilt in Worms, Siegfried mit -Kriemhilt in Niederland. Die Erzählung würde zu Ende sein, wenn man die -Hauptpersonen nicht wieder zusammenbrächte. Deshalb wird behauptet, -daß Brünhilt sich noch immer nicht über Siegfrieds Leibeigenschaft -beruhigt habe. Er ist nun zwar, nachdem sein Vater abgedankt hat, König -in Niederland, muß aber doch, wenn er Günthers Eigenmann ist, diesem -Tribut zahlen; davon bemerkt Brünhilt natürlich nicht das geringste. -Sie wendet sich daher an ihren Gatten mit der Bitte, Siegfried und -Kriemhilt nach Worms einzuladen. Das geschieht, und sie leisten ohne -Hintergedanken Folge, ja sogar der alte Sigemund begleitet sie. In -Worms findet glänzender Empfang statt, und es werden die vom Dichter -unseres Liedes so gern geschilderten ritterlichen Feste gefeiert. Bei -einem Turnier, dem die Damen zuschauen, freut sich jede ihres Gatten -und preist seine Vorzüge. Dabei geraten Kriemhilt und Brünhilt in -Zwist, denn letztere sagt: „Mag dein Siegfried noch so tapfer sein, -er hat doch einen großen Fehler, da er ein Leibeigener ist.“ Darauf -erwidert Kriemhilt: „So hätten meine Brüder nie an mir gehandelt, -daß sie mich an einen Leibeigenen verheirateten.“ Sie ist also genau -derselben Ansicht wie Brünhilt, daß die Ehe mit einem Leibeigenen eine -große Schmach wäre. Daraus entwickelt sich das heftige Zerwürfnis der -beiden Frauen. Kriemhilt sagt: „Ich werde dir zeigen, daß ich dir nicht -nachstehe, indem ich beim Kirchgang den Vortritt vor dir behaupten -werde.“ Am Portal des Münsters geraten dann beide Königinnen feindselig -aneinander, da Brünhilt natürlich nicht zurücktreten will; Kriemhilt -aber überwindet die Gegnerin, indem sie ihr vorwirft, Siegfrieds Kebse -gewesen zu sein, und als Beweis den Gürtel vorweist, den Siegfried -ungeschickterweise seinerzeit, als er Brünhilt an Günthers Stelle -bezwang, mitgenommen und Kriemhilt gegeben hat. Die völlig zerschlagene -Brünhilt bricht in Tränen aus; Kriemhilt geht stolz an ihr vorüber und -vor ihr ins Münster. Brünhilt klagt ihrem Gatten die ihr widerfahrene -Schmach. Siegfried wird von Günther vorgefordert und verteidigt sich, -indem er sich mit einem Eide von dem Verdachte reinigt; die Sache -erweist sich als das, was sie ist, als bloßer Klatsch, und gilt damit -für erledigt. Kriemhilt erhält von Siegfried ihre Strafe für ihre -boshaften Reden. - -Die ganze Szene ist unglücklich, ungeschickt komponiert. Unser Dichter -arbeitet häufig so, daß die Erzählung eigentlich zu Ende gekommen ist -und erst durch Einfügung eines neuen Momentes wieder in Fluß gebracht -werden kann. Dies neue ist die Gier nach Siegfrieds großem Horte, -die in der nordischen Überlieferung nur dem Atli zugeschrieben, hier -aber von den Burgunden behauptet wird. Hagen ist der Vertreter des -Gedankens, daß durch Siegfrieds Ermordung sein Hort gewonnen werden -kann. Dadurch wird die Grundlage der ganzen Dichtung verschoben; -führte bisher Brünhilt das Gegenspiel gegenüber Kriemhilt, so geht -diese Rolle jetzt völlig an Hagen über. Seinen Herrn gewinnt dieser -durch abermaligen Hinweis auf Siegfrieds mögliche Untreue: „Sollen -wir Bastarde aufziehen? das wäre geringe Ehre für so gute Helden!“ -So wird denn der schwarze Plan geschmiedet, Siegfried zu ermorden, -und etwas umständlich ins Werk gesetzt. Man weiß, daß Siegfried eine -Hornhaut hat und, außer an einer Stelle zwischen den Schultern, nicht -verwundbar ist. Diese Stelle muß herausgebracht werden; mit teuflischer -Verschlagenheit holt sich Hagen die Kunde bei Kriemhilt. Er läßt zuerst -falsche Boten angeblich von Liudegast und Liudeger nach Worms kommen, -die eine erneute Herausforderung zum Kriege überbringen; Siegfried -wird um Beistand gebeten und sagt ihn ohne weiteres zu. Nun begibt -sich Hagen zu Kriemhilt, kündigt ihr den bevorstehenden Kriegszug an -und verspricht ihr, Siegfried an der verwundbaren Stelle besonders zu -schützen, da dieser bei seiner großen Tapferkeit und das durch die -Hornhaut erzeugte Sicherheitsgefühl gerade leicht verwundet werden -könnte; so bringt er sie dazu, die verwundbare Stelle durch ein dem -Rocke aufgenähtes Kreuzchen zu bezeichnen, das ihm einen bequemen -Zielpunkt für seinen Speer bieten soll. Dann wird der angebliche -Kriegszug gegen die Sachsen angetreten. Als Hagen das Kreuzchen auf -Siegfrieds Rücken gesehen hat, läßt er andere Boten kommen, die wieder -Frieden anbieten, und der Feldzug ist zu Ende. An seiner Stelle wird -eine große Jagd angesagt, die in den nächsten Tagen im Odenwald -stattfindet[21]. Auf dieser Jagd nun wird Siegfried ermordet, und -zwar unter Anwendung einer neuen Hinterlist: das Getränk fehlt beim -Jägermahle; Hagen hat es absichtlich nach einem anderen Orte gelenkt, -damit der große Jägerdurst nur an einem Waldbrunnen zu stillen sei. -Während Siegfried niedergebeugt aus diesem seinen Durst löscht, stößt -ihm Hagen von hinten durch das aufgenähte Kreuzchen den Speer ins -Herz[22]. - -Nach Einbruch der Nacht wird der tote Siegfried über den Rhein nach -Worms gebracht und der Kriemhilt vor die Kammertür gelegt, so daß sie -am andern Morgen, als sie zur Mette gehen will, sofort die Leiche -des Gatten findet. Sie erkennt ohne weiteres, daß dieser Mord in -Zusammenhang steht mit dem Streite, den sie mit Brünhilt gehabt hat, -sowie mit dem, was Hagen aus ihr herausgebracht hat, und erkennt somit -zunächst ohne Beweis den Mörder. Der Beweis selbst wird ihr bei der -Beisetzung geliefert, indem Siegfrieds Wunde, als Günther und Hagen -an seine Bahre herantreten, von neuem zu bluten anfängt. Das ist das -Bahrrecht, ein merkwürdiger Aberglaube des Mittelalters, nach dem -die Wunde eines Gemordeten wieder zu bluten anfängt, wenn der Mörder -in seine Nähe tritt. Trotzdem wird die Übeltat von Günther und Hagen -geleugnet: nach ihrer Aussage haben ihn Räuber erschlagen. - -Der alte Sigemund, der mit Siegfrieds Mannen doch auch in Worms zugegen -ist, denkt nicht daran, sofort Rache für seines Sohnes Tod zu nehmen, -sondern zieht klagend in seine Heimat am Niederrhein ab, läßt aber -seltsamerweise seine Schwiegertochter in Worms zurück; sie will nicht -mitgehen, sondern bei ihren Brüdern bleiben. Dieser ihr Entschluß ist -innerlich nicht begründet und um so auffallender, als sie damit ihr -Kind verläßt, das sie von Siegfried geboren hat; er ist nur dadurch -bedingt, daß die weitere Erzählung ihren ferneren Aufenthalt in Worms -erfordert. Diese Seltsamkeiten sind wieder Folgeerscheinungen jener -Änderung unseres Dichters, die Siegfried den niedrig erzogenen in einen -nach jeder Seite vollwertigen Königssohn umgeschaffen hat; ursprünglich -hat offenbar Siegfried als Ehemann keine andere Heimat als Worms, wo -denn natürlich seine Witwe zurückbleibt. Von Sigemund hat unser Dichter -gewiß nichts weiter gewußt als den Namen, sonst verstünde man nicht die -Umwandlung des alten gewaltigen Helden in einen schwächlichen Greis. - -Eine weitere Folge des veränderten Standes Siegfrieds ist auch die nun -folgende Erzählung, daß der Hort der Nibelunge jetzt erst, indem er -als Kriemhilts Eigentum angesprochen wird, aus fernem Lande nach Worms -geholt wird. Über das weitere Schicksal des Schatzes ist das Gedicht im -Unklaren: an unserer Stelle (Holtzmann 1144 ff.) nimmt ihn Hagen auf -eigene Verantwortung ihr weg und versenkt ihn bei „Loche“ (unbekannter -Lage) in den Rhein; als Kriemhilt später Etzels Werbung folgt, wird -er ihr abermals weggenommen, damit sie die große Macht, die er ihr -verleiht, nicht zur Rache benutzen kann; die letztere Auffassung ist -gewiß die ältere. - -Der erste Teil der Erzählung ist damit zu Ende. Obgleich er in der -deutschen Fassung äußerlich recht reichlich ausgestaltet erscheint, ist -er innerlich doch viel dürftiger als in der nordischen. Die wichtigen -Geschichten von Siegfrieds Jugend und seinem ursprünglichen Verhältnis -zu Brünhilt sind kaum erwähnt. Was aus letzterer schließlich wird, hat -der Dichter uns zu sagen ganz und gar vergessen. Sie hört für ihn auf -interessant zu sein, nachdem sie den Anlaß zur Ermordung Siegfrieds -gegeben hat; später wird ihrer kaum noch gedacht; ihre Aufgabe in -der Dichtung, Kriemhilts Gegenspieler zu sein, ist eben auf Hagen -übergegangen. - -So dürftig im Grunde der erste Teil unseres Liedes ist, um so wuchtiger -schreitet die Erzählung im zweiten Teile vorwärts. Dieser ist in -der nordischen Fassung dürftiger, wenn auch altertümlicher; in der -deutschen ist er an Inhalt viel reicher geworden. Charakteristisch ist -für ihn das Auftreten vieler neuer Personen, die nur mit ihrem Namen -ohne jede erklärende Bemerkung eingeführt werden; so gleich im Anfang -(Strophe 1166 des Textes ~C~): - - ~Daz geschach in den gezîten, dô frou Helche erstarp - unt daz der künec Ezele ein ander wîp warp.~ - -Wer Helche und Etzel sind, wird mit keinem Worte angedeutet, sondern es -wird einfach vorausgesetzt, daß das Publikum sie kennt. Wir treten hier -in die Dietrichsage ein, die in Süddeutschland heimisch und jedermann -bekannt war; alle diejenigen Figuren, die der Dietrichsage entstammen, -werden vom Nibelungendichter einfach als bekannt vorausgesetzt. Für -Günther und seine Brüder, für Kriemhilt, Siegfried usw. hat er eine -erklärende Einführung gegeben; für die Helden der Dietrichsage hatte er -das nicht nötig. - -Etzel der Hunnenkönig überlegt mit seinen Leuten, wer geeignet ist, -seine verstorbene Gattin, die Königin Helche, zu ersetzen. Man rät ihm -zu Kriemhilt, der Witwe Siegfrieds, und Etzel schickt seinen ersten -Vasallen, den Markgrafen Rüdeger von Bechelaren, nach Worms, daß er -für ihn um sie werbe. Rüdeger reist nach Worms und bringt die Werbung -vor. Die Könige, ihre Brüder, wissen die große Ehre, die ihnen damit -erwiesen wird, wohl zu würdigen; um so bedenklicher äußert sich Hagen. -Kriemhilt lehnt indes die Werbung kurzerhand ab, denn sie lebt nur -noch dem Andenken ihres gemordeten Gatten. Erst allmählich, als ihr -zugeredet wird, kommt ihr der Gedanke, daß sie durch die angebotene -Heirat in die Lage versetzt wird, Rache an den Mördern zu nehmen, -und auf diese Aussicht hin nimmt sie schließlich Etzels Werbung an. -Markgraf Rüdeger muß ihr freilich mit allen seinen Mannen schwören, -ihr immer treu zu dienen, angetanes Leid zu rächen und nichts zu -versagen. Er denkt dabei nicht an Rache für Siegfried, sondern will ihr -die Furcht vor den ihr fremden Verhältnissen, in die sie gehen soll, -benehmen. Er hat sich damit für später die Hände gebunden. Hier hat der -Dichter die künftige Entwickelung der Dinge sehr geschickt vorbereitet. - -Rüdeger geleitet nunmehr Kriemhilt von Worms nach Etzelnburg[23]; König -Etzel zieht seiner Braut mit glänzendem Gefolge entgegen und empfängt -sie bei Tuln (an der Donau, oberhalb Wiens). Innerhalb Österreichs (im -engern Sinne) zeigt sich der Dichter mit den örtlichen Verhältnissen -auf das genaueste bekannt; Schritt für Schritt begleitet er Kriemhilt -und weiß jeden Ort der Wirklichkeit entsprechend zu benennen, in dem -sie über Nacht Herberge genommen hat. In Wien findet das Beilager statt -unter großen Festlichkeiten, an denen sich all die ungezählten Scharen -des Ostens beteiligen, die sich der Dichter unter König Etzels Hoheit -stehend denkt. - -Als Gattin des Hunnenkönigs lebt sie zwölf Jahre friedlich; während -dieser Zeit gebiert sie Etzel einen Sohn und Erben, den jungen Ortlieb. -Dann aber denkt sie an ihre Rache und bewegt ihren Gatten, ihre -Brüder einzuladen. Er tut es in guter Meinung. Als Boten werden zwei -einfache Spielleute verwendet[24]. Die burgundischen Könige sind trotz -übler Vorzeichen bereit, die Schwester aufzusuchen, nur Hagen äußert -Bedenken, läßt sie aber fallen, als man ihm vorwirft, er habe wohl -Furcht; dann natürlich ist er der erste, der sich dem Zuge nach dem -Hunnenlande anschließt. Tausend Ritter und neuntausend Knechte werden -mitgenommen. - -In dem Augenblicke, da die Burgunden von Worms aufbrechen, tritt -uns auf einmal der Name „Nibelunge“ für „Burgunden“ entgegen; im -Anfange des Liedes bezeichnete dieser Name nur das Volk, das den Hort -ursprünglich besaß, jetzt geht er unvermittelt auf die Burgunden über. -Eine Erklärung ist frühzeitig versucht worden (wie es scheint, nicht -vom Dichter des Liedes); nach ihr wäre der Name an das Land der früher -erwähnten Nibelunge geknüpft und mit diesem nach Siegfrieds Tode auf -die Burgunden übergegangen; das ist nach Lehnsrecht ganz korrekt -gedacht; doch widerspricht dieser Auffassung, daß Siegfried selbst -niemals zu den Nibelungen gerechnet wird. In Wirklichkeit treten wir -in diesem Augenblicke in eine vom Dichter benutzte neue Quelle ein. -Von hier an beginnt die Erzählung den großartigsten Schwung zu nehmen, -von hier an beginnt auch die genauere Übereinstimmung mit der noch -zu besprechenden Thidrikssaga. Die Quellen, die unser Dichter bisher -benutzt hatte, hatten ihm die jetzt auftretende Bedeutung des Namens -Nibelunge nicht geboten. - -Die Erzählung, wie die Burgunden an den hunnischen Hof gelangen, -berichtet mannigfache Abenteuer. Zunächst erreichen sie die Donau und -haben Schwierigkeit, hinüber zu gelangen: das Wasser ist ausgetreten, -eine Brücke ist nicht da, auch keine Fähre. Da geht Hagen selbst -nach einer Gelegenheit suchen. In einem dem Flusse nahegelegenen -Brunnen hört er ein Plätschern und entdeckt zwei badende Wasserweiber -(übernatürliche Wesen); ihre Gewänder liegen am Ufer. Er bemächtigt -sich derselben und bringt die Nixen dadurch in seine Gewalt. Für -Herausgabe der Gewänder versprechen sie ihm zu sagen, was aus der Reise -ins Hunnenland wird. Darauf geht er ein, und die eine sagt ihm: „Ihr -kommt alle gesund wieder nach Hause.“ Sehr erfreut gibt er ihnen die -Gewänder zurück, da aber ruft die andere: „Meine Muhme hat gelogen; -in Wirklichkeit kommt niemand von euch zurück als des Königs Kaplan; -alle andern bleiben tot im Hunnenlande.“ Außerdem gibt sie ihm noch -einen Hinweis, wo eine Fähre zu finden ist, und wie er den Fährmann -gewinnen kann. Dieser gilt für einen Dienstmann und Grenzwächter -der Bayernfürsten Else und Gelfrat. Hagen sucht ihn auf und ruft in -grimmiger Laune hinüber: „Hol’ mich über, ich bin Amelrich, der wegen -Feindschaft aus diesem Lande hat fliehen müssen.“ Daraufhin fährt -der Fährmann zu ihm hinüber. Hagen bietet ihm außerdem noch einen -goldenen Ring von großem Werte an (ein Anerbieten, das sich mit den -übrigen Verhältnissen nicht recht verträgt, denn entweder fährt der -Fährmann um Lohn oder im Dienste seiner Herren; eins schließt das -andere aus; es liegt wieder eine Unstimmigkeit vor, entstanden durch -ein Übereinander zweier Schichten der Erzählung). Der Fährmann sagt: -„Ihr mögt wohl Amelrich heißen, aber der, den ich zu sehen erwartete, -seid Ihr nicht. Das war mein Bruder.“ Indes, das Schiff ist einmal an -Hagens Ufer, er springt einfach hinein. Der Fährmann widersetzt sich -und schlägt mit seinem Ruder auf den Helden ein; aber Hagen tötet ihn -kurzerhand und bringt die Fähre zu seinen Herren; er hat nun lange -zu tun, bis er mit dem einen kleinen Schiffchen das ganze Heer von -zehntausend Mann übergesetzt hat. Auch hier eine Unstimmigkeit, die -durch Überarbeitung hervorgerufen ist: in der ältern Erzählung haben -die Könige offenbar eine an Zahl nur geringe Begleitung mitgehabt; -der Ferge war ursprünglich ein einfacher Mann, der durch das Angebot -eines größern Lohnes sich bereit finden ließ, zu fahren. Das blickt -alles noch durch, ist aber übertüncht. Als Hagen die letzten übersetzt, -packt er den Kaplan, der mit auf dem Schiffe ist, wirft ihn in die Flut -und verhindert ihn sogar, sich aufs Schiff zu retten; trotzdem er -nicht schwimmen kann, ertrinkt er indes nicht, sondern gelangt an das -eben verlassene Ufer zurück und geht wieder nach Worms. Daran erkennt -Hagen, daß ihm das zweite Wasserweib die Wahrheit vorausgesagt hat, und -zertrümmert das Fahrzeug, damit kein Feigling entrinnen könne. - -Nun ziehen die Nibelunge weiter durch Bayern und bilden eine Nachhut, -weil sie erwarten, daß wegen des erschlagenen Fährmannes Rache versucht -werden wird. In der Tat werden sie von den Bayern nachts eingeholt und -angefallen. Es kommt zu einem Gefecht, in dem sich Dankwart besonders -auszeichnet[25]. Nachdem sich die Nibelunge der verfolgenden Bayern -entledigt haben, erreichen sie die Grenze des Nachbarlandes und finden -den Grenzwächter schlafend. Hagen nimmt ihm sein Schwert ab und weckt -ihn; er beklagt sich, daß er die Grenze so schlecht gehütet hat; dabei -stellt sich heraus, daß es Eckewart ist, der einzige Burgunde, der -Kriemhilt ins Hunnenland gefolgt ist. Eckewart warnt die Burgunden vor -Kriemhilt; dann aber weist er sie nicht nach Etzelnburg, wie man doch -erwarten sollte, da er im persönlichen Dienste der Kriemhilt steht, -sondern nach Bechelaren. Die Eckewart-Episode ist nur verständlich als -Überbleibsel einer ältern Fassung, der der Aufenthalt in Bechelaren -ganz unbekannt war. In Bechelaren finden sie eine außerordentlich -liebenswürdige Aufnahme. Im einzelnen ist die Schilderung derselben -ganz besonders wohl gelungen. Der Dichter hat eine neue Verwickelung -hineingebracht, indem er den jungen Giselher sich mit des Markgrafen -Tochter verloben läßt; das Beilager soll erst bei der doch bald zu -erwartenden Rückkehr von Etzelnburg stattfinden. Wie jung diese Einlage -ist, zeigt auch der Umstand, daß man im Liede nicht einmal den Namen -dieser Tochter Rüdegers erfährt (erst in der Klage wird er genannt: sie -heißt Dietlind). - -Nun ziehen sie nach Ungarn, dem eigentlichen Hunnenlande, und -schicken Boten voraus; daraufhin macht sich Dietrich auf, um mit -seinen Amelungen den Nibelungen entgegenzureiten und sie zu warnen. -Wer dieser Dietrich ist, und wie er an Etzels Hof kommt, wird als -selbstverständlich bekannt vorausgesetzt. Dietrich ist der König -(der Ostgoten), der früher in Italien geherrscht hat (in Bern, d. i. -Verona), damals aber aus seiner Heimat vertrieben ist und im Exil bei -Etzel lebt, bis er schließlich mit hunnischer Hilfe in sein Reich -zurückgeführt wird. Die Warnung, die Dietrich den Nibelungen angedeihen -läßt, hat keinen Erfolg; sie ziehen weiter und werden zunächst von -Kriemhilt allein empfangen: sie begrüßt Giselher, allenfalls auch die -andern Brüder, nicht aber den Hagen. Es kommt daher sofort zu einer -scharfen Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden, die im Grunde die -folgende Erzählung teilweise unmöglich macht: klipp und klar tritt -hervor, daß die Burgunden sich auf die allergrößte Hinterlist gefaßt -machen müssen, daß sie verraten und überfallen werden sollen. Kriemhilt -stellt gleich die Frage an Hagen, wo der Nibelungenhort stecke, den er -ihr doch hätte mitbringen müssen, und das Ende ist, daß Kriemhilt im -Bösen die Burgunden stehen läßt, nachdem ihr Dietrichs Warnung bekannt -geworden ist. Während dieser Zeit wird Etzel im Schlosse sitzend und -die Gäste erwartend gedacht; er schaut vom Fenster herab, ohne ihnen -entgegenzugehen, und macht seine Bemerkungen über die einzelnen Helden, -die er sieht. Auch dann erfolgt der eigentliche Empfang noch nicht, -sondern es wird erzählt, daß zwei Helden, nämlich Hagen und Volker, -der Spielmann von Alzei, sich von den übrigen trennen und den Saal -aufsuchen, in dem sich Kriemhilt im Augenblicke aufhält. Sie setzen -sich ihren Fenstern gegenüber auf eine Bank, und Hagen legt in offenem -Hohne das Schwert Siegfrieds, den Balmung, über seine Knie, damit -Kriemhilt an Siegfrieds Tod erinnert werde. Sie erscheint denn auch -haßerfüllt vor ihrem Saale, sammelt eine Anzahl Hunnen und fordert sie -auf, die beiden festzunehmen. Aber an deren trotziger Haltung scheitert -das; die Hunnen haben viel zu große Angst, als daß sie es wagten, sich -an ihnen zu vergreifen. Damit muß Kriemhilt den Versuch, Hagen und -Volker in ihre Gewalt zu bringen, aufgeben. Sie kehrt in ihren Palast -zurück, die Helden aber begeben sich zu ihren Königen, die immer noch -auf Etzels Hofe zwecklos herumstehen. - -Man sieht, wie ungeschickt der Dichter in der Verbindung der einzelnen -Szenen verfährt. Jede ist nur für sich betrachtet künstlerisch zu -genießen. Aber es ist alles in die alte Grunderzählung hineingestopft --- eine Folge des Stoffhungers jener verkehrsarmen Zeit; kein -Dichter mochte, weil er etwas Neues zu sagen wußte, deswegen das Alte -weglassen, wenn es sich auch mit jenem nicht vertrug. - -Jetzt endlich begeben sich die burgundischen Gäste, geleitet von -Rüdeger, in den Saal zu König Etzel um ihn zu begrüßen, werden von -ihm in feierlicher Weise empfangen und treten ihm nicht minder -höflich entgegen -- was nach den beiden scharfen Szenen, die sich -bereits zwischen Kriemhilt und ihren Feinden abgespielt haben, ganz -unbegreiflich erscheint. Es findet ein Abendessen statt, dann werden -die Gäste in einem großen Saale untergebracht, der für die Menge der -Erschienenen Platz hat. Nicht alle werden hier einquartiert, nur die -Könige und die Ritter, während die Knechte eine Herberge für sich -erhalten; an ihrer Spitze steht als Marschall, dessen Amt es ja ist, -für das Gefolge zu sorgen, Dankwart, Hagens Bruder. In der Nacht haben -die Nibelunge große Sorge vor einem Überfall. Hagen und Volker halten -die Nachtwache; letzterer spielt die Fiedel und schläfert damit die -übrigen reisemüden, sorgenden Helden ein. Diese Wachsamkeit erweist -sich als begründet: bewaffnete Hunnen, von Kriemhilt abgeschickt, -schleichen heran. Die beiden Wächter erkennen aber rechtzeitig den -geplanten Überfall und rufen die Feinde an; ohne Antwort drückt sich -der Gegner, sobald er merkt, daß er seine Absicht nicht erreichen kann, -verfolgt von Volkers Hohnreden. - -Die Luft wird kühler, der Morgen bricht an. Sie kleiden sich nicht in -Festgewänder, sondern in Panzerringe. So gehen sie zur Kirche[26]. -Nach dem Kirchgang folgt ein Turnier, bei welchem Volker böswillig -einen edlen Hunnen, der recht fein geputzt erscheint, niederstößt, und -dadurch große Aufregung bewirkt; Kampf droht auszubrechen, wird aber -unterbrochen durch persönliches Eingreifen Etzels, der (wie es scheint, -mit bewußter Unwahrheit) sagt: „Volker kann nichts dafür, sein Pferd -ist gestrauchelt, so hat sein Speer aus Versehen den Mann getroffen.“ -Dann begibt man sich zu Tisch in den Saal, in dem die Helden nachts -untergebracht waren. - -Bevor man zu Tische geht, sucht Kriemhilt nochmals ihren Willen -durchzusetzen. Sie wendet sich aber an ungeeignete Leute, sogar auch -an Dietrich, von dem sie doch weiß, daß er zuerst die Nibelunge gewarnt -hat. Alle lehnen es ab, bis endlich Etzels Bruder Blödel es unternimmt, -gegen das Versprechen hoher Belohnung Kriemhilts Willen zu tun: er soll -die Knechte in der Herberge überfallen und damit den Kampf zum Ausbruch -bringen. Unmittelbar nachdem Blödel sich bereit erklärt hat, den Verrat -zu beginnen, fährt das Gedicht (in der Fassung ~B~, Bartsch Strophe -1912) fort: - - ~Dô der strît niht anders kunde sîn erhaben - (Kriemhilde leit daz alte in ir herzen was begraben), - dô hiez si tragen ze tische den Etzelen sun. - wie kunde ein wîp durch râche immer vreislîcher tuon?~ - -Also: da es auf keine andere Weise möglich ist, den Streit ins Werk -zu setzen, so beabsichtigt Kriemhilt ihren und Etzels Sohn der -Rache zu opfern. Die Strophe setzt voraus, daß Kriemhilt mit dem -Versuche, einige Helden für sich zu gewinnen, nichts erzielt hat; im -vorausgehenden ist das gerade Gegenteil berichtet (der Text ~C~ hat -deshalb auch geändert). Die Erzählung vom Opfer des Kindes wird durch -die Thidrikssaga und einen vereinzelten deutschen Bericht des 15. -Jahrhunderts[27] bestätigt, auch durch die nordische Darstellung (in -der ja Gudrun ihre Söhne schlachtet) unterstützt; auch in unserm Liede -war sie offenbar ursprünglich, ist aber durch mehrfache Bearbeitung -gemildert worden. - -Bei Tisch erscheint nun der junge Ortlieb und wird den Verwandten -vorgestellt. Etzel gedenkt der Verwandtschaft mit außerordentlich -freundlichen Worten: er hofft, daß sein Sohn das werden soll, was die -Oheime sind; allein Hagen meint, der junge Königssohn sähe aus, als ob -er nicht lange leben würde. - -In diesem Augenblicke erscheint an der Tür des Saales Dankwart, über -und über blutbespritzt, und bringt die Botschaft, daß Blödel mit -hunnischen Scharen die Knechte der Burgunden überfallen habe, und alle -erschlagen seien, auch Blödel selbst. Als einziger ist Dankwart aus -dem Gemetzel entkommen. Als Hagen dies hört, springt er sofort auf und -schlägt dem Sohne Etzels kurzerhand das Haupt ab, so daß es der Mutter -in den Schoß springt[28]. Damit ist Etzel zum Feinde seiner Gäste -geworden; er ruft seine Mannen zur Rache auf. Allein da die Burgunden -auf den Kampf vorbereitet sind und sogar bei Tische im Harnisch -sitzen, die übrigen aber im Festgewande, so haben sie jetzt die Hunnen -völlig in der Hand. Volker und Dankwart versperren den Ausgang, und -die Burgunden machen zur Rache für ihre erschlagenen Knechte alles -nieder, was in der Halle ist, bis Dietrich mit lauter Stimme für sich -und die Seinen freien Abzug verlangt. Ihm und Rüdeger wird daraufhin -von Günther gestattet, mit den Ihren den Saal zu verlassen; Günthers -Feinde, die Hunnen, sollen jedoch drinnen bleiben. Es folgt nun eine -höchst seltsame Szene: Dietrich nimmt, als ihm der Ausgang gewährt -wird, den König Etzel an einen Arm, die Königin an den andern, und geht -mit ihnen ungehindert hinaus. Die Burgunden lassen das zu. Als aber -ein Hunne versucht, hinter seinem Könige auch hinauszukommen, schlägt -ihm Volker das Haupt ab, so daß es Etzel vor die Füße rollt. Immerhin -sind nun Etzel und Kriemhilt, die ärgsten Feinde der Burgunden, aus -dem Saale entlassen (was noch drinnen ist, wird von den Burgunden -erschlagen), und wir haben eine neue Lage: die Hunnen befinden sich vor -dem Saale, die Burgunden in demselben und richten sich zu hartnäckiger -Verteidigung ein. Unverständlich aber am Verhalten der Burgunden -bleibt, daß sie Etzel und Kriemhilt ungehindert hinauslassen; wenn sie -jetzt, da sie wissen, wie die Verhältnisse liegen, sich dieser beiden -Hauptpersonen bemächtigen -- sie brauchen sie nicht einmal zu töten -- -so ist der Sieg auf ihrer Seite, aber auch -- die Erzählung zu Ende. -Offenbar ist hier ein neuer Lappen auf das alte Tuch der überlieferten -Erzählung genäht: das Gastmahl, der Kampf des viel zu zahlreichen -Gefolges in der Herberge, in dem Dankwart sich besonders auszeichnet, -der Kampf der Helden im Saale, all das sind neue Zutaten, im einzelnen -zwar gut ausgeführt, mit dem Alten aber ungeschickt verbunden, so daß, -wie gesagt, die Erzählung von Rechts wegen in diesem Augenblicke zu -Ende gelangt, und zwar zu einem der Überlieferung widersprechenden -Ende. Die Torheit, die der Dichter die Burgunden mit der Entlassung der -ärgsten Feinde begehen läßt, muß ihm die Möglichkeit geben, in den -ursprünglichen Gang der Sage wieder einzulenken. Die Lage wird wieder -hergestellt, die sich schon an einer frühern Stelle des Gedichtes -vorfindet: die Burgunden in dem Saale, in dem sie während der Nacht -untergebracht waren, an der Tür wachend die Haupthelden, in erster -Linie Hagen und Volker, und von außen herannahend die feindlichen -Hunnen. - -Mit Hohnreden begrüßen sich die Gegner, und Kriemhilt bietet großen -Lohn demjenigen, der ihr Hagen in die Hände liefert. Hier treten einige -Helden auf, die ursprünglich einem andern Sagenkreise angehören, aber, -da man sie sich im Hunnenlande lebend denkt, in unsere Sage eingeführt -werden. Es sind Irnfrid, Landgraf von Thüringen, Hawart der Däne und -sein Mann Iring. Sie versuchen zuerst den Ansturm auf die im Saale -verschanzten Burgunden, finden aber nach kleinen Erfolgen ihren Tod, -ohne daß die Gesamtlage sich ändert; die Szene ist also überflüssig und -dadurch als junger Zusatz gekennzeichnet[29]. - -Die Nacht bricht herein. Während derselben versucht Kriemhilt ihre -Feinde zu vernichten, indem sie den Saal in Brand stecken läßt. Allein -trotz der großen Not, die dadurch über die Burgunden hereinbricht, -entgehen sie doch dem sichern Tode, hauptsächlich durch Hagens -Ratschläge. Sie trinken das Blut der Gefallenen und sind am andern -Morgen noch alle am Leben. Es bedarf also noch stärkerer Mittel, die -Vernichtung der Burgunden durchzuführen. Von den eigentlichen Hunnen -ist niemand geeignet, mit ihnen fertig zu werden; es muß ein besonderer -Held gewonnen werden, und das ist derjenige, der auf der einen Seite -als erster der Vasallen dem Etzel, auf der andern als Vater der -Dietlind den Burgunden in gleicher Weise verpflichtet ist, Rüdeger von -Bechelaren. Durch fußfällige Bitten erreichen der König und Kriemhilt, -daß er sich zum Angriff auf die Burgunden entschließt, trotz seiner -verwandtschaftlichen Beziehungen. Damit wird die vom Dichter an seine -Person geknüpfte Frage entschieden, welche Treue heiliger ist, die -Treue gegen den Herrn oder die gegen Anverwandte. Rüdeger entschließt -sich als Urbild eines getreuen Mannes, die Treue gegen seinen Herrn -zu wahren, und greift mit seinen Leuten die Burgunden an. Der Kampf -endet damit, daß Rüdeger und Gernot einander im Zweikampf töten. -Rüdegers Mannen kommen ebenfalls um, und Kriemhilts Ziel ist noch nicht -erreicht. Großes Klagen erhebt sich um den vornehmsten der hunnischen -Helden, den Freund aller hilfesuchenden Landfremden. Es schallt bis zum -Hause König Dietrichs, und er sendet seine Mannen aus, zu erkunden, -was denn geschehen sei. Hiltebrand, Dietrichs alter Waffenmeister -und Führer seiner Mannen, Wolfhart, der übermütigste von ihnen, und -die übrigen Amelunge[30], alle machen sich nach dem Kampfplatze auf; -als sie erfahren, daß Rüdeger gefallen ist, erbitten sie sich von -den Burgunden seine Leiche. Es wird ihnen aber die höhnische Antwort -zuteil: „Holt sie euch selbst, wenn ihr keine Furcht habt.“ So greifen -denn die Amelunge grimmerfüllt, aber wider ihres Herrn Dietrichs -Willen, die Nibelunge an. In diesem Kampfe kommen alle zu Tode mit -Ausnahme von Günther und Hagen auf burgundischer und Hiltebrand, der -sich schließlich zur Flucht wenden muß, auf gotischer Seite. - -Hiltebrand begibt sich zu Dietrich zurück und berichtet ihm, daß -Rüdeger erschlagen ist; als das Dietrich erfährt, rüstet er sich -selbst und befiehlt Hiltebrand, die Mannen zu sammeln, da er nun -selbst eingreifen will. Hiltebrand erwidert: „Wen soll ich Euch rufen? -Alle, die Ihr habt, seht Ihr vor Euch stehen“, und dadurch erfährt -Dietrich erst, daß inzwischen seine Leute auch umgekommen sind. Der -Angriff erfolgt nun durch Dietrich selbst, der durch seine Stärke die -Entscheidung bringt. Immer noch ist er trotz des großen Schadens, der -ihm geschehen, geneigt, die letzten burgundischen Helden zu retten. Es -gelingt ihm, sie gefangen zu nehmen, und er übergibt sie Kriemhilt mit -dem ausdrücklichen Wunsche, daß ihnen nichts am Leben geschehen möge. -Kriemhilt verlangt nun von Hagen die Auslieferung des Nibelungenhortes -und erhält die Antwort, daß er durch einen schweren Eid gebunden -sei, den Ort, wo der Schatz liegt, niemandem zu verraten, solange -einer seiner Herren lebe. Darauf läßt Kriemhilt dem Günther das Haupt -abschlagen und bringt es Hagen als Beweis des Todes seines Herrn. Hagen -aber erwidert (Strophe 2371 Bartsch): - - „~Nu ist von Burgonden der edel künec tôt, - Gîselher der junge und ouch her Gêrnôt. - den schaz den weiz nu niemen wan got unde mîn: - der sol dich, vâlandinne, immer wol verholen sîn.~“ - -Sie erfährt also den Aufbewahrungsort des Schatzes nicht, tröstet sich -aber damit, daß sie den Balmung, den einst ihr Siegfried geführt hat, -durch Hagens Gefangennahme in die Hände bekommen hat. Mit ihm rächt -sie ihren Jammer, indem sie Hagen eigenhändig tötet. Aber Hiltebrand -erträgt nicht, daß Helden von der Art Hagens von einem Weibe fallen; -er springt hinzu und tötet Kriemhilt selbst. Der Vernichtungskampf hat -nun ein Ende; von namhaften Personen sind ihm nur entgangen Etzel (auf -dessen Tod doch gerade die nordische Darstellung hinausgeht), Dietrich -und Hiltebrand. Damit schließt unser Lied. - -Ein etwas späterer Dichter hat ihm eine Fortsetzung in abweichender -Versform (sogenannten kurzen Reimpaaren) unter dem Titel „Klage“ -angehängt, ein matt nachklappendes Gedicht, das erzählt, wie die Toten -beerdigt werden, und was aus den wenigen Überlebenden noch geworden -ist. Für uns ist nur von Interesse die merkwürdige Stelle, die sich am -Schlusse der einen Bearbeitung der Klage (~C~) findet; hier heißt es: -was aus Etzel geworden ist, das weiß kein Mensch; es ist unbekannt, was -er für ein Ende genommen hat. Für die Entwickelung der Sage aus der -Geschichte ist diese Bemerkung von größter Wichtigkeit. - -Im Nibelungenliede hat sich das Interesse der Dichter und ihrer Zuhörer -andern Teilen zugewendet als in der Lieder-Edda. Während im Norden -der erste Teil der Sage ausführlich und breit, teilweise auch in -verschiedenen Variationen erzählt wird, ist der zweite Teil einfach -und kurz; zwischen den beiden Hauptteilen besteht ein eigentlicher -Zusammenhang nicht; ganz äußerlich ist ferner noch ein dritter Teil -angehängt, die Geschichte von Svanhild, die zwar in Deutschland wohl -bekannt, aber nicht an die Nibelungen-, sondern an die Dietrichsage -angeschlossen ist. In Deutschland aber sind die beiden Hauptteile der -Sage dadurch innerlich in Verbindung gebracht, daß der Untergang der -Burgunden aufgefaßt wird nicht als von Etzel, sondern von Kriemhilt -ausgehend, und daß diese nicht, wie im Norden, an ihrem zweiten -Gatten den Tod ihrer Brüder rächt, sondern an ihren Brüdern den Tod -ihres ersten Gatten; damit ist ein innerer Zusammenhang zwischen -dem ersten und zweiten Teile hergestellt: der erste Teil ist die -Ursache des zweiten geworden. Daraus ist weiter die Notwendigkeit -erwachsen, daß Etzel nicht ermordet wird, sondern übrig bleibt, und die -Erzähler zunächst nicht wissen, was aus ihm geworden sein mag. Seine -und Kriemhilts Interessen fallen in der deutschen Darstellung eben -zusammen, und es mangelt der Kriemhilt jeder Grund, ihn zu töten. - -Welche Darstellung der Sage, die nordische oder die deutsche, die -ältere ist, das ist nicht schwer zu entscheiden: selbstverständlich -diejenige, in der die beiden Teile auseinanderklaffen. Denn das -Auseinanderreißen zusammengehöriger Stücke würde niemand unternommen -haben; wohl aber kann man jemandem zutrauen, daß er zwei Erzählungen, -wie die Geschichte von Siegfried und die Geschichte von dem Untergang -der Burgunden und Attilas Tod, die durch beiden gemeinsame handelnde -Personen zusammengehalten werden, auch innerlich in ursächlichen -Zusammenhang bringt. - - -~b~) Zweikampfsage und Thidrikssaga. - -Im deutschen Liede spielt eine Figur, die in der Lieder-Edda uns nur -ganz beiläufig entgegentritt[31], eine Hauptrolle: Dietrich von Bern. -Er ist im Grunde die Hauptperson, denn er bringt in dem großen Kampfe -die Entscheidung. - -Dietrich von Bern ist der Held einer selbständigen weitverzweigten -Sage; er ist der sagenhafte Niederschlag der gewaltigen historischen -Persönlichkeit des Ostgotenkönigs Theodorichs des Großen. Bei den -Bayern, die gewissermaßen die unmittelbaren Nachfolger der alten Goten -sind[32], hat sich die Erinnerung an seine große Zeit stets lebendig -erhalten: er ist ihr Nationalheld. Während der Zeit seiner Verbannung -aus der Heimat lebt er (in der Sage) am Hofe Etzels[33]. Da nun die -Burgunder nach der niederrheinischen Sage am Hofe Etzels zugrunde -gehen, so müssen die beiden Erzählungen, sobald sie sich lokal und -im Gehirn eines und desselben Dichters vereinigen, in Zusammenhang -miteinander kommen, denn sie sind ja durch Etzel als gleichzeitig, -Dietrich und Siegfried also als Zeitgenossen erwiesen. Dadurch -entsteht aber sofort eine eigenartige Schwierigkeit. In der alten -niederfränkischen Siegfriedsage ist Siegfried als erster Held seiner -Zeit geschildert. Genau dasselbe behauptet die bayrische Sage von ihrem -Dietrich. Durch die Verbindung der beiden Sagen vermittelst der Person -Etzels stehen nun zwei einander ausschließende Superlative, Dietrich -und Siegfried, nebeneinander als Zeitgenossen. Beide erheben ja den -Anspruch, die ersten Helden ihrer Zeit zu sein. Es ergibt sich also -die Frage, welcher von beiden wirklich der erste ist; für die Dichtung -liegt es nahe, sie zu lösen, indem sie die beiden einander in einem -Zweikampfe gegenüberstellt; die Lösung wird verschieden ausfallen je -nach der Heimat dessen, der sie gibt. Eine Dichtung vom Zweikampfe der -beiden Helden ist nun spätestens im 12. Jahrhundert entstanden. Wenn -sie dem Norden Deutschlands, dem Lande am Niederrhein, entstammte, -würde sie Siegfried haben siegen lassen; da sie zugunsten Dietrichs -entscheidet, muß sie wohl in Süddeutschland (Bayern) entstanden sein. -Etwas anderes darf man natürlich aus dem für Siegfried ungünstigen -Ausfall des Kampfes nicht schließen. - -Diese Dichtung liegt im 13. Jahrhundert bereits in drei verschiedenen -Zweigen vor; die vergleichsweise einfachste Darstellung findet sich -in dem hochdeutschen Gedichte „Biterolf“, einer Bearbeitung der -Dietrichsage in ritterlichem Geschmack: durch eine feindselige Handlung -der Wormser, bei denen sich Siegfried aufhält, werden die östlichen -Helden, unter ihnen Dietrich, bewogen, gegen Worms zu ziehen. Dietrich -wagt es zunächst nicht recht, den Kampf gegen Siegfried aufzunehmen, -wird aber schließlich durch die Hohnreden seiner Mannen dazu genötigt -und besiegt ihn. - -Die zweite, ebenfalls hochdeutsche Version liegt in dem Gedichte vom -Rosengarten zu Worms vor, das uns in fünf verschiedenen, aber auf -dieselbe Grunddichtung zurückgehenden Bearbeitungen erhalten ist; sie -behandeln als Kern genau dieselbe Erzählung wie der „Biterolf“, nur daß -sie das Lokal noch näher bestimmen: sie nehmen an, daß in Worms ein -Rosengarten liegt, der Kriemhilts Eigentum ist. Der Dichter versetzt -mit einem kühnen Griff die Kriemhilt der spätern Zeit der Rache, ihrem -Charakter nach, in ihre Mädchenzeit zurück: die jugendliche Kriemhilt, -die im Begriff ist, Siegfried zu heiraten, veranlaßt den Kampf, um zu -sehen, ob Siegfried der erste aller Männer ist; sie fordert dazu den -Dietrich heraus. Die Entscheidung fällt gegen Siegfried; im einzelnen -ist die Darstellung der im „Biterolf“ sehr ähnlich. - -Der dritte Zweig der Zweikampfsage liegt in der Thidrikssaga vor, -jener großen nordischen Sagensammlung, die auch die in Deutschland -umgebildete Nibelungensage nach dem Norden übertragen hat. - -So wie die Thidrikssaga uns überliefert ist, ist sie nicht einmal -äußerlich ganz einheitlich, sondern wir können der ältesten -Handschrift noch ansehen, daß Einlagen hinzugekommen sind; da -diese Handschrift nicht ganz vollständig ist, können wir nicht von -jedem einzelnen Abschnitt mit Sicherheit sagen, wie alt und wie -ursprünglich er ist. Doch darf man behaupten, daß im Urtexte der Saga -die Nibelungengeschichte erst von Siegfrieds Dienst bei Isung (vgl. -nachher) an vorhanden war, während die Darstellung seiner Jugendzeit -erst später eingelegt worden ist. Im folgenden werden nur diejenigen -Teile inhaltlich wiedergegeben, welche die Nibelungensage enthalten. - -Es wird erzählt, daß ein König Sigmund über Karlungaland (Frankreich) -herrscht. Er verheiratet sich mit Sisibe. Bald nach der Hochzeit muß er -eine Kriegsfahrt unternehmen und die junge Frau der Hut zweier Edlen -überlassen. Diese Pfleger beginnen bald die Königin mit Liebesanträgen -zu verfolgen; als sie abgewiesen werden, drohen sie mit Verleumdung. -Bei der Rückkehr des Königs führen sie ihre Drohung auch aus. Daraufhin -wird Sisibe verstoßen und von den Verrätern in einen Wald verschleppt; -während diese über ihr Schicksal in Zwist geraten, gebiert die Königin -plötzlich und stirbt an der Geburt. Das Kind, ein Knabe, wird in ein -Gefäß gelegt, das dann in den vorüberfließenden Strom gerät und von -seinen Wellen weggetragen wird. - -Weiter unterhalb strandet das Gefäß und zerbricht. Des weinenden Kindes -erbarmt sich eine Hirschkuh, nährt es und zieht es auf. Ein Schmied, -der in der Nähe im Walde haust, namens Mimir, entdeckt den Knaben bei -der Hirschkuh, nimmt ihn auf und gibt ihm den Namen Siegfried. - -Jung Siegfried entwickelt sich zu einem ganz ungewöhnlich kräftigen, -aber dabei doch zu nichts verwendbaren Jüngling. Mimir wird von ihm -arg belästigt und beginnt sich vor ihm zu fürchten. Infolgedessen -beschließt er, den Knaben zu beseitigen. Im Walde lebt ein Drache, den -die Saga seltsamerweise Regin nennt[34]. Durch diesen Drachen hofft -Mimir den Siegfried loszuwerden; er schickt ihn in den Wald, Kohlen -zu brennen, und stattet ihn für mehrere Tage mit Proviant aus. Im -Walde angelangt, erledigt Siegfried rasch seine Arbeit, ist aber dann -gleich so verhungert, daß er seinen ganzen Vorrat, der für mehrere Tage -ausreichen soll, auf einmal aufzehrt. Da erscheint der Drache, wird -aber bald von Siegfried getötet. Das scheint ihm kaum eine gefahrvolle -Sache; er braucht dazu nur seinen Mut. Nun hat er Gelegenheit, seinen -Hunger weiter zu stillen: er schneidet sich ein Stück Fleisch aus dem -Drachen und siedet es. Um zu versuchen, ob es gar ist, faßt er es an, -verbrennt sich die Finger und steckt sie zur Kühlung in den Mund. -Dadurch gelangt etwas Drachenblut auf seine Zunge, und er versteht -auf einmal die Sprache der Vögel. Von ihnen erfährt er, daß Mimir ihn -böswillig hinausgeschickt hat, und kehrt wütend nach Hause zurück. Als -Mimir ihn kommen sieht, erkennt er, daß sein Plan fehlgeschlagen ist, -und versucht ihn zu besänftigen, indem er ihm eine wundervolle Rüstung -und ein Schwert gibt, ihm auch ein geeignetes Roß aus Brynhilds Gestüt -nachweist[35]. Siegfried nimmt alles an; der erste, den er mit dem -Schwerte tötet, ist Mimir. Dann sucht er die Burg der Brynhild auf. -Wer Brynhild ist, wird gar nicht erklärt. Sie ist jedenfalls eine rein -menschliche Fürstin, die unter anderm ein großes Gestüt besitzt; die -edlen Heldenrosse, die in der Saga erwähnt werden, stammen alle aus -diesem Gestüt. Siegfried dringt gewaltsam in ihre Burg ein; als sie den -Lärm hört, sagt sie sofort: „Da wird Siegfried, Sigmunds Sohn, gekommen -sein, und er soll mir immer willkommen sein.“ Beim Empfang fragt sie -ihn, wer er sei; das weiß Siegfried nicht. Da eröffnet sie ihm, daß er -König Sigmunds Sohn ist (woher sie das weiß, wird nicht erörtert), und -überläßt ihm auf seinen Wunsch aus ihrem Gestüt den Hengst Grani. Von -Liebschaft oder Verlobung aber ist mit keinem Worte die Rede. Siegfried -zieht weiter und tritt in den Dienst eines Königs, der Isung heißt -und in Bertangaland (Bretagne) herrscht. Dieser König Isung gehört -nur unserer Thidrikssaga an und ist für die Komposition derselben -wesentlich. - -Inzwischen hat der junge König Dietrich, der eigentliche Held der Saga, -der zu dieser Zeit noch nicht in der Verbannung lebt, sondern sein Volk -in Italien beherrscht, eine Reihe gewaltiger Helden um sich gesammelt; -er stellt die Behauptung auf, daß es niemand gäbe, der ihm und seinen -Mannen entgegentreten könnte. Einer der Helden erwidert ihm, daß Isung -mit seinen elf Söhnen und seinem Bannerträger -- als solcher dient -ihm der junge Siegfried -- ihm mindestens gewachsen sei. Daraufhin -zieht Dietrich mit seinen Mannen, unter denen sich diesmal auch, auf -freundliche Einladung hin, Günther und Hagen[36] befinden, zum Kampfe -gegen Isung und seine Söhne aus. In Zweikämpfen mit verschiedenem -Erfolge wird die Angelegenheit ausgefochten (ähnlich wie im Biterolf -und im Rosengarten); Siegfried und Dietrich messen ihre Kräfte als -letzte miteinander, und auch in dieser Sagenform siegt Dietrich. -Das hat, wie gesagt, seinen Grund in dem oberdeutschen Ursprung der -Zweikampfsage; allein der nordische Sagaschreiber (vielleicht schon -seine niederdeutsche Quelle) vermochte es nicht über sich, seinen -unüberwindlichen Siegfried so ohne weiteres besiegen zu lassen: er -erklärt die Niederlage durch unlautere Mittel, die Dietrich angewendet -habe. Dietrich kann den Siegfried nur mit einem bestimmten Schwerte, -dem Mimung, das dem Witig gehört, besiegen. Das weiß Siegfried auch und -verlangt deshalb von Dietrich den Eid, daß er den Mimung nicht habe. -Darauf steckt Dietrich das Schwert hinter sich mit der Spitze in die -Erde und lehnt sich gegen den Griff, dann schwört er, daß er Mimungs -Spitze nicht oberhalb der Erde wisse, noch seinen Griff in eines -Mannes Hand; mit Mimung besiegt er Siegfried, also unter Anwendung von -Hinterlist. - -Siegfried tritt nun in den Dienst Dietrichs und zieht mit ihm zusammen -an den Hof Günthers; dort wird ohne besondere Bedingungen die Heirat -gestiftet, daß Siegfried die Grimhild, Günthers Schwester, zur Gattin -erhält. Bei der Hochzeit erwähnt Siegfried dann die Brynhild und -schlägt sie seinem neuen Schwager Günther als geeignete Gemahlin vor. -Günther, Hagen, Siegfried und Dietrich[37] ziehen sofort aus, die -Werbung anzubringen; Brynhild ist ärgerlich, daß Siegfried bereits eine -Frau hat, und wirft ihm vor, daß er sich doch mit ihr verlobt habe[38]. -Schließlich nimmt sie ohne besondere Prüfung Günthers Werbung an; in -der Brautnacht aber widersetzt sie sich ihm, ohne daß die Erzählung -auch nur den Versuch machte, ihr Verhalten zu erklären, Günther kann -sie nicht gewinnen und bittet nach einigen Tagen Siegfried um Hilfe. -Dieser gewährt sie ihm auch, aber nicht in der keuschen Weise, die der -alten Sage gemäß ist, sondern er überwältigt Brynhild (übrigens ohne -Schwierigkeit) völlig und wird wirklich schuldig. - -Nach einiger Zeit geraten Brynhild und Grimhild in den unvermeidlichen -Zank, der ja für die weitere Entwicklung der Sage notwendig und der -eigentliche Kern der Erzählung ist. Hier dreht es sich nicht ums Baden, -auch nicht um den Vortritt an der Kirche, sondern um den Hochsitz, den -früher die Mutter Grimhilds innegehabt hat, und der jetzt natürlich -der Gattin Günthers gebührt. Grimhild beansprucht ihn vergeblich für -sich und enthüllt in ihrem Zorn das Geheimnis, daß Siegfried der -Brynhild Liebe genossen hat. So wird denn der Mord beschlossen und im -wesentlichen so ausgeführt, wie es in unserm Liede erzählt wird, bei -Gelegenheit einer Jagd. - -Auch im zweiten Teile der Nibelungensage schließt sich die Saga sehr -eng an die deutsche Fassung an, stellenweise so eng, daß man den -Eindruck hat, der Sagaschreiber hat unser Lied vor sich oder wenigstens -im Ohre gehabt und danach seine Erzählung zusammengestellt. Doch sind -einige tiefgehende Abweichungen vorhanden. Eine der auffälligsten ist -die, daß Dankwart ganz unbekannt ist, während Volker eine Rolle wie -im Liede spielt; eine ganze Reihe von Szenen, die wir vorhin bei der -Betrachtung des Liedes als jung erkannten, fehlen der Saga. Aber auch -sonst weicht manches ab, denn der Sagaschreiber ist ein überlegender -Mann; er bringt nicht gern Unmöglichkeiten vor, sondern hat seinen -Text, so gut es geht, auf den festen Boden der Wirklichkeit gestellt. -Das ist ihm freilich nicht immer geglückt. Einige Stellen verdienen -besondere Betrachtung. Die Geschichte mit dem Fährmann wird in der -einfachen Weise, die auch im Liede noch durchklingt, vorgetragen: er -läßt sich durch einen dargebotenen Goldring geneigt machen, da er -ihn seiner jungen Frau mitbringen will. Der Ausbruch des Kampfes am -hunnischen Hofe wird deutlich dadurch herbeigeführt, daß Grimhild -bewußt ihren Sohn opfert, was im Liede nur noch angedeutet ist. -Wir haben hier zweifellos in der Quelle der Saga eine Darstellung, -die etwas altertümlicher ist als die unseres Liedes; die Vermutung -drängt sich auf, daß Nibelungendichter und Sagaschreiber auf Grund -derselben Vorlage gearbeitet haben. Gegen den Schluß hin ist eine -wesentliche Abweichung die, daß Günther frühzeitig gefangen und in -den Schlangenturm geworfen wird, so daß er also nicht neben Hagen der -letzte sein kann, wie sonst überall berichtet wird. Dafür bleibt neben -Hagen Giselher bis zuletzt übrig. Das ist ein Zugeständnis, das der -Sagaschreiber der nordischen Sagenform machen muß; im Norden steht -fest, daß Gunnar im Schlangenturme zugrunde geht. Eigentümlich ist -ferner, daß Hagen hier nicht von Grimhild getötet[39], sondern, wenn -auch todwund, von Dietrich gefangen und gerettet wird, so daß er sogar -die Freunde noch einige Zeit überlebt. Diese Neuerung zielt auf eine -uns hier zum ersten Male begegnende Nachdichtung hin: von Dietrich läßt -sich Hagen ein edles Mädchen beschaffen, mit der er in den letzten -Tagen seines Lebens seinen Rächer erzeugt; bevor er stirbt, gibt er -ihr noch die Schlüssel zum Nibelungenhorte (der in einem Berge liegend -gedacht wird) und die nötigen Anweisungen. Nach seinem Tode gebiert das -Mädchen einen Sohn und nennt ihn Aldrian, nach Hagens Vater. Dieser -Aldrian wird an Attilas Hofe erzogen und, herangewachsen, von seiner -Mutter über seine Bestimmung unterrichtet. Er kommt ihr nach, indem er -Attila fragt, ob er den Nibelungenhort haben will, und als dieser -- -wie natürlich -- darauf eingeht, führt er ihn zum Horte und schließt -ihn bei demselben ein; seitdem ist Attila verschwunden. Aldrian kehrt -aber nach dem Nibelungenlande zurück und wird dort König. Das ist der -letzte Abschnitt der Saga, der uns hier angeht. - -Die Erzählung ist hier weiter geführt als im Liede und zwar in ganz -neuer Art; die Nachbildung von Aldrian (die natürlich nicht vom -Sagaschreiber herrührt) erfüllt mit Geschick einen doppelten Zweck: sie -befriedigt das Bedürfnis der Rache für die ausgemordeten Burgunden, und -sie schafft Etzel aus der Geschichte. - -Im eddischen Liede Atlamál erscheint neben Gudrun ein Niflung als -Rächer der verratenen Burgunden; sein Auftreten beruht wohl auf -Beeinflussung durch die eben besprochene Aldriansage, die demnach schon -etwa im 11. Jahrhundert entstanden sein dürfte. - -Der Verfasser der Saga hat augenscheinlich, neben andern Quellen, -für die Nibelungensage in der Hauptsache zwei Dichtungen benutzt: -eine, die vom Auftreten Siegfrieds in Worms an bis zum großen Kampfe -reichte und mit dem Nibelungenliede ganz nahe verwandt war, und -die Grundlage der Zweikampfdichtung. Da die letztere innerhalb der -ersteren keine Stelle hat, so verfuhr der Sagaschreiber so, daß er -sie dieser voranstellte; Siegfried steht daher bei ihm zur Zeit des -Zweikampfes noch nicht in Günthers Umgebung (wie die angeführten -hochdeutschen Gedichte behaupten, und wie es natürlich ist), sondern -wird in diese erst durch Dietrichs Sieg eingeführt. Der König Isung von -Bertangaland ist nach meiner Empfindung nichts als eine Schöpfung des -Sagaschreibers, notwendig geworden dadurch, daß Siegfried erst später -in Günthers Kreis tritt, also zur Zeit des Zweikampfes einen andern -Herrn haben muß. Jung ist die Figur auf jeden Fall, denn die Verwendung -von Bertangaland (der Bretagne) in unserm Literaturkreise kann nicht -wohl vor dem Bekanntwerden der Artussage (frühestens Ende des 12. -Jahrhunderts) möglich gewesen sein. Eine dritte norddeutsche Quelle -benutzte der Sagaschreiber in der Geschichte von Etzels Tod; nach einer -vierten, von der das gleich nachher zu besprechende Gedicht vom Hürnen -Seifrid teilweise abhängt, legte ein jüngerer Bearbeiter der Saga die -Geschichte von Siegfrieds Jugend ein. - - * * * * * - -Anhangsweise mag an dieser Stelle angeführt werden, was über das -Fortleben unserer Sage in Skandinavien besonders wissenswert ist. - -Durch die im 13. Jahrhundert entstandene Thidrikssaga gelangte die -deutsche Sagenform den Nordleuten zur Kenntnis und schließlich, -wenigstens in Dänemark, zur Herrschaft. Die im Jahre 1591 zum ersten -Male veröffentlichten dänischen Heldenlieder (~Kämpeviser~) bieten, -soweit sie die Nibelungensage behandeln, durchaus die Stoffgestalt der -Thidrikssaga dar. Charakteristisch ist, daß schließlich die Figuren -des Hagen und des Volker alle andern Nibelunge derartig überwuchern, -daß diese der Vergessenheit anheimfallen; die Sympathie des Publikums -hat sich dem Hagen und Volker ausschließlich zugewandt, so daß zuletzt -sogar Siegfried zu unwürdiger Rolle verdammt wird. Am drastischsten -tritt das zutage in der 1603 dänisch abgefaßten „Chronik der Insel -Hven“, die aus dem Lateinischen übersetzt zu sein vorgibt. Als Lokal -der Ereignisse ist hier die im Sunde gelegene Insel Hven an die Stelle -von Etzelnburg getreten. - -Auf den im nördlichen Teile des Atlantischen Ozeans gelegenen -Färöer, die von Norwegen aus besiedelt sind, entdeckte 1817 Lyngbye -volkstümliche Lieder, die alte Stoffe behandeln; drei von ihnen geben -einander anschließend die ganze Nibelungensage wieder: ~Regin smidur~, -~Brinhild~ und ~Högni~; während die beiden erstgenannten noch die -spezifisch nordische Sagenform aufweisen, gibt das Lied von Högni die -Erzählung in der jüngern Gestalt wieder. Bis auf die Färöer also hat -die Thidrikssaga die deutsche Sagenform verbreitet. - - -~c~) Hürnen Seifrid. - -In der Erzählung vom jungen Siegfried, wie sie in der Saga uns -entgegentritt, kommen nicht wenig Züge vor, die, im Nibelungenliede -fehlend, doch altertümlich sind und, wenn auch verwischt, in dem -späten deutschen Liede vom Hürnen Seifrid wieder auftauchen. Dies -Gedicht besteht aus zwei ganz lose verbundenen Teilen, deren erster ein -kurzer Auszug aus einem verlorenen längern Gedicht ist. Der zweite, -größere hebt vollständig von neuem an, als ob nichts vorausginge, und -sein Inhalt widerspricht in wesentlichen Dingen dem des ersten. Im -ersten Teil ist Siegfried als Sohn des Königs Sigmund aufgewachsen und -so ungebärdig, daß man ihn gern ziehen läßt, als er nicht zu Hause -bleiben will. Er tritt dann bei einem Schmiede in die Lehre, treibt -aber nichts als Unfug; der Schmied schickt ihn deshalb in den Wald, -damit ihn ein Drache töte, allein Siegfried überwindet den Drachen -und badet sich in seinem Blute, wodurch er eine Hornhaut erwirbt. Die -Erzählung ist der in der Thidrikssaga nahe verwandt. Angeschlossen sind -(ziemlich zusammenhanglos) Bemerkungen über Herkunft und Bedeutung des -Nibelungenhortes. Der zweite Teil erzählt, daß Kriemhilt, die Tochter -des in Worms regierenden Königs Gibich, von einem Drachen entführt -wird; Siegfried stößt jagend auf die Spur des Drachen, tötet ihn nach -hartem Kampfe und erlöst die Jungfrau, die seine Gattin wird. Die -Erzählung wird kurz bis auf seinen Tod fortgeführt. Der zweite Teil -ist offenbare Neudichtung nach bekannten Motiven; für uns wichtig ist -nur, daß (in offenbarem Widerspruche zum ersten Teile) erzählt wird, -Siegfried sei ohne Kenntnis seiner Eltern aufgewachsen; in diesem -Punkte ist der „Hürnen Seifrid“ altertümlich. -- Auffälligerweise gilt -Hagen im „Hürnen Seifrid“ als dritter Sohn Gibichs (neben Günther und -Gernot); diese Übereinstimmung mit der nordischen Sagenform ist wohl -zufällig; man wußte, daß Gibich drei Söhne gehabt hatte, und ersetzte -den vergessenen Giselher durch den berühmten Helden. - - - - -IV. - -Die Grundlagen der Sage. - - -Die bisher besprochenen Formen unserer Sage müssen sich nun, soweit -sie auch im Laufe der Entwickelung auseinander gegangen sein mögen, -notwendig auf eine einheitliche Grundlage zurückführen lassen. Wollen -wir diese Grundlage finden und den langen Weg, den die Stoffe bis zur -Aufzeichnung zurückgelegt haben, mit einiger Sicherheit aufhellen, -so tun wir gut, fürs erste diejenigen geschichtlichen Ereignisse ins -Auge zu fassen, die unzweifelhaft zu den Ausgangspunkten der ganzen -Stoffmasse gehören; wir haben dann einen feststehenden Anfang und -dürfen hoffen, die Linie zu finden, die von ihm bis zu den Denkmälern -der Sage in der Literatur hinführt. - - -~a~) Burgunden und Hunnen. - -Im 4. nachchristlichen Jahrhundert saß das germanische Volk der -Burgunden im Stromgebiete des Mains; am Rheine war die römische -Grenzwehr noch ungebrochen. Da kam, etwa im Jahre 405, vermutlich -infolge eines erneuten hunnischen Ansturms, Bewegung in die östlich -von den Burgunden sitzenden Germanenvölker: Sueben und Vandalen, mit -ihnen die nichtgermanischen Alanen, drangen westwärts vor, durchbrachen -406 die römische Rheingrenze und ergossen sich über Gallien. Daß die -Burgunden von diesen Ereignissen nicht unberührt bleiben konnten, ist -klar; wir finden sie nunmehr auch links des Rheins gegenüber ihren -bisherigen Sitzen. Im Jahre 411 stellten der Alanenhäuptling Goar und -der Burgundenkönig Gundicarius in Gallien den Jovinus als römischen -Kaiser auf; 413 aber ließen sie ihn fallen und vertrugen sich mit der -rechtmäßigen Regierung des Kaisers Honorius; dabei erhielt Gundicarius -für sich und sein Volk die römische Provinz ~Germania superior~ (sie -umfaßte die Bezirke der Städte Mainz, Worms, Speier und Straßburg) -angewiesen, und zwar sollten die Burgunden hier eine Grenzwacht im -römischen Sinne bilden. Sie sitzen jetzt also in derjenigen Gegend, in -der unsere Sage sie annimmt; ihr Herrscher führt den Namen Gundicarius, -das ist derselbe wie hochdeutsch Günther, nordisch Gunnar. - -Jeden Zweifel an der Identität des historischen und des sagenhaften -Königs und Volkes müssen uns die nun folgenden Ereignisse nehmen. Das -Bündnis zwischen Burgunden und Römern fand sein Ende durch den Tod -des Kaisers Honorius 423. Es ist eine Eigentümlichkeit aller dieser -Barbarenbündnisse der Völkerwanderungszeit, daß sie als erloschen -gelten, sobald der eine der beiden Kontrahenten stirbt. Daß der -römische Staat weiter existiert, kümmert die Burgunden nicht; sie haben -nur mit Honorius persönlich abgeschlossen. Jetzt ist der Kriegszustand -wieder da; sie greifen wieder um sich. Nach einigen Jahren ist die -römische Macht wieder so weit gefestigt, daß sie in Gallien Ordnung zu -schaffen unternehmen kann. Der Feldherr Aetius tut es unter heftigen -Kämpfen; im Jahre 435 wird er auch mit den Burgunden fertig. Über diese -Kämpfe berichten uns zwei Zeitgenossen, die sich gegenseitig ergänzen; -der eine ist Prosper Aquitanus, der andere der Spanier Idacius. In ganz -kurzer chronistischer Art und Weise haben sie uns die Kenntnis der -Zeit übermittelt. Zum Jahre 435 sagt Prosper: „Um diese Zeit besiegte -Aetius den Burgundenkönig Gundicarius, der sich in Gallien herumtrieb, -im Kriege und gab ihm auf seine Bitten Frieden;“ d. h. das Bündnis -ward wieder hergestellt. Prosper fährt aber fort: „Den genoß er nicht -lange; denn ihn, seine ganze Familie und sein ganzes Volk haben die -Hunnen vernichtet.“ Zum Jahre 437, also zwei Jahre später, gibt Idacius -die kurze Notiz: „20000 Burgunden wurden geschlagen.“ Wir haben diese -Notizen so zu verbinden, daß im Jahre 435 das alte Verhältnis zwischen -Römern und Burgunden wieder hergestellt wurde, daß aber zwei Jahre -darauf die Burgunden am Rheine durch die Hunnen zugrunde gingen. Über -diese Hunnen hat man viel gestritten: waren es römische Söldner, die -etwa im Dienste des Aetius den Angriff unternahmen? oder war es das -Hunnenvolk selbst, sei es das ganze oder ein Teil? führte sie der König -Attila, der ja seit 433 über einen Teil dieses Volkes herrschte? Meiner -Meinung nach kann es nur das Hunnenvolk sein, nicht etwa ein hunnisches -Söldnerheer im römischen Dienst. Denn mit den Römern hatte Gundicarius -das Bündnis eben erneut; zum Bruch lag keine Veranlassung vor. Wohl -aber konnte er nun im römischen Dienst seine Front ostwärts gegen die -andringenden Hunnen genommen haben. Bei dieser Gelegenheit ist nun das -Burgundenvolk mit seinem Königshaus und dem König Gundicarius an der -Spitze im wesentlichen vernichtet worden; 20000 Mann sollen umgekommen -sein. Näheres wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß Aetius sechs Jahre -später, 443, die Burgunden vom Oberrhein weggenommen und nach Savoyen -an das Südufer des Genfersees versetzt hat, offenbar weil sie durch -jenen unglücklichen Kampf so geschwächt waren, daß sie als Grenzwacht -nicht mehr ausreichten. Von Savoyen aus haben sie sich in etwas -späterer Zeit wieder ausgebreitet und ein größeres Reich gewonnen, an -dessen Dasein noch die Landschaft Bourgogne in Frankreich erinnert. Von -413 bis 443 haben also die Burgunden am Oberrhein gesessen und sind -hier einmal durch einen Angriff der Hunnen schwer geschädigt worden. -Die näheren Umstände bei diesem Angriff kennen wir, wie gesagt, nicht; -daß Attila die Hunnen geführt hat, ist möglich, aber nicht notwendig -anzunehmen; die Sage hätte ihm als berühmtestem Hunnenkönig die Tat auf -jeden Fall zugeschrieben. Die von der Sage berichteten näheren Umstände -gehen vermutlich auf historische Einzelheiten zurück; so ist es z. -B. gar nicht unwahrscheinlich, daß Attila (oder wer sonst die Hunnen -geführt hat) die burgundischen Fürsten scheinbar wegen Verhandlungen zu -sich geladen und dabei verräterisch niedergemacht hat; man sieht sonst -wenigstens nicht ein, wie die Sage auf das Motiv von der verräterischen -Einladung gekommen wäre. - -In der neuen Heimat der Burgunden ließ um das Jahr 500 ihr König -Gundebad das burgundische Recht aufzeichnen; im Eingange zu diesem -Gesetzbuche nennt er seine Vorgänger als burgundische Könige. Als -erster tritt uns entgegen Gibica; dann folgen Gundomar, Gislaharius, -Gundaharius und endlich Gundebads unmittelbare Vorgänger. Hier treten -uns mehrere aus der Sage wohlbekannte Namen entgegen: Gundaharius -(von Gundicarius nur in der Schreibung verschieden, also der 437 -gefallene) ist Günther, Gislaharius ist Giselher, Gibica ist Gibich -(mhd. Gibeche), der nordische Gjuki. Letzterer ist also der älteste -historisch bekannte Burgundenkönig, den auch die Sage festgehalten -hat. In welchem Verwandtschaftsverhältnis seine drei Nachfolger zu -ihm stehen, sagt das Gesetzbuch nicht; wir dürfen auch hier der Sage -trauen, die ihm drei Söhne gibt, von denen zwei die gleichen Namen wie -die entsprechenden im Gesetzbuche führen, und annehmen, daß sie seine -Söhne waren; dann begreift man wenigstens am leichtesten, wie der doch -ganz unbedeutende Giselher bis in späteste Zeiten unvergessen geblieben -ist. Gibicas drei Söhne hätten dann im wesentlichen neben- und -miteinander regiert; in Deutschland wäre später Gundomar dem Namen nach -vergessen und für ihn Gernot eingesetzt worden. Auch im Norden werden -ja drei Brüder genannt: Gunnar, Hogni und der etwas beiseite stehende -Gudorm; letzterer könnte dem Namen nach auf Gundomar zurückführen, dann -wäre Hogni (ursprünglich, wie in Deutschland, nur der erste Vasall des -Königs) für Giselher in die Familie eingerückt. - -Daß von diesem Untergange des Burgundenstaates am Oberrhein durch -die Hunnen ein Teil unserer Sage ausgegangen ist, darf bei der -Übereinstimmung einer ganzen Reihe von Umständen und Namen wohl als -sicher gelten. - -Attila, seit 433 König eines Teiles der Hunnen, wurde 444 durch -Ermordung seines Bruders Bleda Alleinherrscher, brachte sich durch -seinen großen Kriegszug nach Gallien 451 den westlichen Germanen erneut -in furchtbare Erinnerung, kam aber 453 unter auffälligen Umständen -plötzlich zu Tode. Er war als echter Nomadenfürst Besitzer eines großen -Harems, den er fortgesetzt vermehrte; 453 feierte er sein Beilager -mit einem Mädchen namens Hildiko. Am Morgen nach der Brautnacht fand -man den König tot; die junge Frau allein war bei ihm. Zeitgenossen -behaupten, daß Attila durch einen Blutsturz zu Tode gekommen sei. -Aber auch schon zeitgenössisch tritt die Behauptung auf, Hildiko habe -ihn getötet. Was richtig ist, läßt sich nach Lage der Dinge nicht -entscheiden, denn die einzige Zeugin des wirklichen Herganges war -ja eben nur Hildiko, und diese war, falls sie ihn wirklich getötet -hat, Partei. Daß manche sie für seine Mörderin gehalten haben, ist -begreiflich. Für die Sage ist es natürlich gleichgültig, ob sie das -war; ihr genügt es, daß man sie dafür hielt. - -Von großer Bedeutung ist ihr Name, der gut germanisch (speziell -gotisch) ist: er ist eine Koseform von einem mit hild zusammengesetzten -Frauennamen, „Hildchen“; Hildiko kann also mit ihrem vollen Namen (die -Koseform setzt immer einen vollen Namen voraus) gut und gern „Grimhild“ -geheißen haben. Jedenfalls nimmt die Sage an, daß dies ihr rechter -Name war. In irgendwelcher Beziehung zu den historischen Burgunden -steht diese historische Grimhild nicht. Wohl aber ist erklärlich, -wie man darauf gekommen ist, anzunehmen, daß sie den Attila getötet -habe: sie hatte Angehörige an ihm zu rächen. Man braucht sich nur -in jene wilden Zeiten zurück zu versetzen. Attila war der Herrscher -eines wilden, kriegerischen Volkes, das dort, wo es als Feind auftrat, -niemanden schonte, die Männer ausrottete und die Weiber der Niedrigsten -so gut wie die der Edlen bis zum König hinauf in Besitz nahm. Daß -also manche Weiber am Hunnenhofe Ursache haben mochten, Angehörige an -den Hunnen zu rächen, darf man glauben. Die Vorstellung ist denn auch -sehr alt, daß die Mörderin (wie wir sie mit der Sage nennen wollen) an -Attila Angehörige gerächt hat. Nach einigen alten Angaben (des sog. -~Poeta Saxo~ im 9. und der Quedlinburger Chronik im 11. Jahrhundert), -die aber ebensowenig beglaubigt sind wie die unserer Sage, hat sie -ihren Vater gerächt, in unserer Sage aber (nach der nordischen -Darstellung) ihre Brüder, und diese letztere Anschauung muß bereits -im 9. Jahrhundert am Niederrhein fest gegolten haben, sonst könnte -nicht Kriemhilt in Deutschland wie Gudrun im Norden als Schwester der -burgundischen Könige angesehen werden. - -Die beiden großen Ereignisse, die Vernichtung des Burgundenstaates am -Mittelrhein durch die Hunnen im Jahre 437 und die Ermordung des Königs -Attila durch sein Weib im Jahre 453, erscheinen nun im zweiten Teile -unserer Sage verbunden und in ursächlichen Zusammenhang gebracht. -Unsere Erzählung nimmt an, daß Hildiko oder Grimhild, wie wir sie -gleich nennen können, die Schwester der untergegangenen Burgundenkönige -ist und diese an ihrem Gatten Attila rächt. Der Vergleich mit der -Geschichte bestätigt, was vorhin aus der innern Gestalt der beiden -Hauptfassungen unserer Sage geschlossen wurde: die nordische ist -die altertümlichere, denn sie deckt sich im wesentlichen mit den -historischen Vorgängen; die deutsche ist durch die hergestellte innere -Verbindung mit dem ersten Teile wesentlich verändert. Sicher aber haben -wir für den zweiten Teil unserer Sage an den historischen Tatsachen -eine gute und einwandfreie Grundlage. - -Die Erzählung ist allerdings nicht ohne weiteres mit der Geschichte -identisch, sondern die Sage ist dadurch geschaffen, daß jemand bereits -in alter Zeit (gewiß nicht allzu lange nach den Geschehnissen) die -beiden historischen Tatsachen: Untergang der Burgunden, und: Attilas -Tod, in Zusammenhang gebracht hat. Dieser Jemand muß wohl einer von -jenen Berufsdichtern gewesen sein, wie sie eingangs erwähnt worden -sind; genauer dürfen wir nach seiner Person selbstverständlich nicht -fragen, wohl aber nach dem Volke, dem er angehört hat. Das ist -wahrscheinlich eben das fränkische gewesen. Die Burgunden selbst -können es nicht gewesen sein, denn sie sind aus jenen Gegenden durch -die Ereignisse weggeschwemmt worden; auch finden wir bei ihnen -später keine Kunde von unserer Dichtung. Die Franken waren aber in -der Zeit, da die Ereignisse sich zutrugen, der Burgunden nördliche -Nachbarn; sie erlebten staunend diese Katastrophen mit, sie waren -auch vielfach selbst in die Kämpfe verwickelt und haben im Jahre 451 -teils für, teils gegen Attila gefochten. Daß also die Franken jene -Vorgänge im Gedächtnis festhielten und die Kunde von ihnen der Nachwelt -übermittelten, ist demnach wohl verständlich. - - -~b~) Sage und Mythus. - -Besitzen wir so für den zweiten Teil der Sage eine einwandfreie -geschichtliche Grundlage, so ist es leider bis jetzt noch nicht -möglich gewesen, eine solche mit einiger Sicherheit für den ersten -Teil (d. i. die Geschichte, die mit Siegfrieds wunderbarer Jugend -beginnt und mit seiner Ermordung schließt) zu finden. Man hat deshalb -für diesen Teil ganz besonders lange, ja bis heute noch, an der -Behauptung festgehalten, er beruhe auf mythischen Grundlagen, d. h. -es seien vermenschlichte Götter, die uns hier vorgeführt würden, die -Dichtung behandle also im Grunde nicht Schicksale von Menschen, sondern -Ereignisse der Natur. - -Bevor wir zu dieser Anschauung Stellung nehmen, dürfte es sich -empfehlen, die Begriffe „Sage“ und „Mythus“ möglichst genau -festzulegen. Was „Sage“ ist, läßt sich aus der eben behandelten -Herkunft des Stoffes der Attila-Burgunden-Erzählung am besten erkennen: -„Sage“ ist eine Form der Überlieferung historischer Ereignisse, die -sich von andern Formen (der annalistischen oder der pragmatischen -Geschichtschreibung) in erster Linie dadurch unterscheidet, daß sie im -wesentlichen auf mündlichem Wege weitergegeben wird; die Möglichkeit, -alle Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist außerordentlich -gering; um so größer ist die Einwirkung derjenigen Männer, in deren -Händen ihre Pflege liegt; so wird sie denn bald von dichterischem -Beiwerk dicht umrankt, ist aber doch ihrem Ausgangspunkt nach -Geschichte und beansprucht das so lange zu sein, solange nicht eine -urkundliche Kontrolle sie unrichtiger Angaben überführt. - -Den Ausdruck „Mythus“ dagegen beschränken wir am richtigsten auf -diejenigen Erzählungen, die der naive Mensch als Erklärung von -Naturerscheinungen vorgebracht hat; sie verdanken ihre Entstehung dem -menschlichen Bedürfnis, für die zur Empfindung gelangenden Wirkungen -der Naturkräfte die hinter ihnen liegenden Ursachen zu finden. Wie -also „Sage“ das Resultat einer naiven Weltgeschichte ist, so darf man -„Mythus“ als das Resultat einer naiven Naturgeschichte bezeichnen. Der -Mythus erklärt die großen Naturkräfte, besonders diejenigen, die das -Klima beeinflussen, als das Wirken großer Götter, das geheimnisvolle -Treiben in der scheinbar unbelebten Natur als Lebensäußerungen mehr -oder minder mächtiger dämonischer Wesen, die eigenartigen Tatsachen des -Traumes und des Todes als Folge des möglichen körperlosen Daseins der -menschlichen Seele. So ist denn der Mythus in erster Linie Grundlage -der Religion; solange er rein existiert (und das tut er in vieler -Beziehung noch heute, sei es im Glauben, sei es im Aberglauben), -ist er wirklich, und kann also jeder Erzähler seine Helden mit -mythischen Wesen in Zusammenhang darstellen, da seine Zuhörer die -Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges für ihre eigenen Personen -ohne weiteres zugeben; ich verweise zur Erläuterung auf die Wirkung -von Gespenstergeschichten, wenn sie im Kreise abergläubischer Menschen -vorgebracht werden. - -Damit ist nun die Möglichkeit mythischen Beiwerks in der Sage ohne -weiteres zugegeben, dagegen die Möglichkeit mythischen Ursprungs -einer Sage noch keineswegs erwiesen. Ich will nun eine solche nicht -allgemein leugnen, muß aber behaupten, daß ein Mythus einen sehr -langen Weg zu durchlaufen hat, ehe er als Sage in die Erscheinung -treten kann. Ein solcher Weg dürfte etwa der folgende sein: die naive -Erklärung einer Naturerscheinung verdichtet sich zur Erzählung von -den Taten einer Gottheit; diese Gottheit, erst hochverehrt, sinkt -allmählich in der Achtung infolge fortgesetzt wachsender menschlicher -Erkenntnis; hauptsächlich ist es naturgemäß die menschliche äußere -Form der Götterhandlung, die einst der naive Mensch mangels einer -bessern zur Darstellung der Naturerscheinung gewählt hat, die aber -nunmehr, unverstanden, den Spott des fortgeschrittenen herausfordert. -Schließlich kommt ein Erklärer mit der Behauptung heraus, der -angebliche Gott sei überhaupt nur ein göttlich verehrter Mensch der -Vorzeit; soweit hat eben das menschliche Beiwerk bereits den alten -Grundgedanken überwuchert. Nun erst ist der Punkt erreicht, an dem der -Mythus zur Sage werden kann. Die altgriechischen Göttergeschichten -haben im allgemeinen den eben geschilderten Weg durchlaufen; wie -selten aber ist ihre Entwicklung so weit gediehen, daß der Held des -ursprünglichen Mythus überhaupt nur noch als Mensch empfunden worden -ist! - -Die germanische Götterwelt war, als das römische Christentum ihre -Herrschaft beendete (vom vierten nachchristlichen Jahrhundert an), -in ihrer Entwickelung überhaupt noch nicht weit gediehen; es scheint -vielmehr, als ob die schemenhaften Gestalten, in denen die alten -Götter noch bis in die neueste Zeit umgehen, gerade das wären, was die -Germanen in vorchristlicher Zeit an religiösen Vorstellungen besessen -hätten. Daraus erklärt sich denn die rasche und kampflose Annahme -des Christentums bei allen südlichen Germanen; der alte Volksglaube -wurde dabei kaum angetastet, sondern rückte nur in die zweite Linie. -Erst bei denjenigen Germanen, die sich längere Zeit feindlich an -ihren christlichen Stammverwandten gerieben haben, erscheint der -alte Götterglaube zur wirklichen Religion erhoben, ja zur Göttersage -ausgebildet; so bei den Sachsen und den nordischen Völkern. - -Daß also der Kern des ersten Teiles unserer Nibelungensage mythischen -Ursprungs sei, also Siegfried etwa als vermenschlichter Sonnengott -gedacht werden könne, der in der Jugend strahlend die Mächte der -Finsternis überwunden hat, um ihnen am Ende seiner Laufbahn wieder -zu verfallen, vermag ich unter diesen Umständen nicht zu glauben. -Mythisches Beiwerk wird selbstverständlich nicht geleugnet, doch -beweist dies, wie wir gesehen haben, nichts für mythischen Ursprung. -Wir müssen uns nach andern Erklärungsmöglichkeiten der Siegfriedsage -umsehen. - -Es wäre denkbar, daß die Siegfriedgeschichte nicht einheimischen -Ursprungs, sondern im wesentlichen aus dem Auslande übernommen wäre -(man hat z. B. an eine Umdichtung der Argonautensage gedacht: goldenes -Vließ = Nibelungenhort, Jason = Siegfried, Medea = Brünhilt); dann -müßte die eigentliche Erklärung sich mit der ausländischen Grundlage -beschäftigen. Allein die Versuche dieser Art sind ebenso als -gescheitert anzusehen wie die eben abgelehnten, weil sie ebensowenig -vom eigentlichen Kernpunkt der Erzählung ausgehen; dieser Kernpunkt -aber ist der Zank der Königinnen. Es bleibt nur die Möglichkeit der -historischen Ableitung, und zwar nach zwei Seiten hin: 1. entweder -ist die ganze Geschichte in allen wesentlichen Punkten historisch, -und nur die Dürftigkeit der beglaubigten Geschichte gestattet uns -nicht, sie in dieser wiederzufinden, oder 2. der (uns wohlbekannte) -historische Ausgangspunkt ist von der Dichtung derart überwuchert, daß -er eben deshalb schwer zu erkennen ist. Im ersten Falle müssen wir uns -bescheiden; im zweiten Falle dürfen wir noch eine Erklärung erhoffen. - - -~c~) Die Merowinge. - -Es gibt eine Periode der Geschichte, in der alle wesentlichen Motive -der Siegfriedsage sowie mehrere Personen mit Namen, die denen dieser -Sage gleich oder ähnlich sind, beisammen gefunden werden: das ist die -Zeit der Enkel des Frankenkönigs Chlodowech. Sein Sohn Chlothachari -I., der das ganze fränkische Reich in seiner Gewalt vereinigt hatte, -starb 561 und hinterließ vier Söhne; einer von ihnen, Charibert, -starb bereits 567 sohnlos, und es blieben seine drei Brüder übrig, -deren gleichzeitige Herrschaft die lange geltende Dreiteilung -des Frankenreiches begründete: Sigebert herrschte in Austrasien -(Ostfranken), Chilperich in Neustrien (Westfranken), Gunthchramn im -südlichen Teile des Reiches, der nach dem dazu gehörigen Hauptlande -Burgund genannt wurde. Von der damals geltenden Sitte, einheimische, -also nicht ebenbürtige Frauen zu heiraten, wich zuerst im Jahre 567 -Sigebert ab, indem er sich mit Brunichild, der Tochter des in Spanien -herrschenden Westgotenkönigs Athanagild, vermählte. Ihr feierlicher -Einzug in Frankreich machte auf die Zeitgenossen großen Eindruck, der -aus den Berichten des Hofdichters Fortunatus und des Historikers Gregor -von Tours noch hervorleuchtet. Besonders aber stach den Herrschern die -reiche Mitgift, die die königliche Braut einbrachte, der „Hort“, in die -Augen; ist doch in jener Zeit die Größe des Schatzes, den ein König -besitzt, bestimmend für die Größe seines Einflusses und damit seiner -Macht. So verstieß denn auch Chilperich seine bisherigen Weiber (er -hatte deren mehrere), unter denen Fredegund hervorragt, und bewarb sich -um Brunichilds Schwester Gailswinth; sie ward ihm mit reicher Mitgift -vermählt. Allein als Chilperich diese einmal in der Hand hatte, geriet -er bald wieder unter den Einfluß der Fredegund und ließ Gailswinth -erdrosseln. Dieser Mord war die Ursache der immer wieder ausbrechenden -Fehden zwischen Sigebert und Chilperich, bzw. ihren Nachkommen, bis zum -Erlöschen der einen Linie im Jahre 613. - -König Athanagild war kurz vorher gestorben, und, da Spanien damals ein -Wahlreich war, hier ein anderes Geschlecht auf den Thron gekommen; -so fiel der Brunichild die Pflicht der Rache für den Tod ihrer -Schwester zu. Die einzelnen Phasen des Kampfes brauchen wir hier nicht -zu betrachten; kurz, im Jahre 575 gewann Sigebert vollen Sieg über -Chilperich und ward sogar von den Neustriern als ihr König auf den -Schild erhoben. Kurz darauf aber erlag er bei einer Heerschau in Vitry -den Streichen der von Fredegund ausgesandten Mörder. - -Von den in der Geschichte noch folgenden Ereignissen ist für uns nur -von Wichtigkeit, daß Brunichild erst für ihren jungen Sohn Childebert -(† 595), dann für dessen Söhne, ihre Enkel, schließlich (613) sogar -für ihre Urenkel die Regierung zu führen und ein mächtiges Königtum -gegenüber dem trotzigen Adel zu behaupten sucht, zuletzt aber doch -unterliegt: der Adel liefert sie 613 dem Sohne ihrer Feindin Fredegund, -Chlothachari II., aus, und sie wird getötet. Nicht selten hat sie, -gewaffnet zu Rosse sitzend, die Vasallen persönlich im Zaum gehalten. - -Die Erinnerung an die große Regentin Ostfrankens ist jedenfalls lange -nicht erloschen; so führt z. B. eine alte Römerstraße im südlichen -Belgien noch heute volkstümlich den Namen ~chaussée Brunehaut~ -(Brünhildenstraße), man hat also Kulturanlagen an den Namen der -berühmten Königin angeknüpft; und am nördlichen Abhange des Feldbergs -im Taunus heißt ein vereinzelter, vier Meter hoher Fels schon seit dem -frühen Mittelalter der „Brunhildenstein“; wenn eine alte Urkunde für -diesen die Bezeichnung ~lectulus Brunnihildae~ gebraucht, so dürfte -dies nicht als „Bett“, sondern als „Königssitz“ der Brünhilt zu deuten -sein; der gepolsterte Hochsitz des Herrn ist ~lectum~ (man vergleiche -das altfranzösische ~lit de justice~). Auf jeden Fall meinen diese -örtlichen Benennungen zunächst die geschichtliche Königin und erst -in zweiter Linie die aus ihr erwachsene Sagenfigur. Wohl aber kann -die alte Lokalisierung der Gnitaheide (S. 19 Anm.) in der Nähe des -Feldbergs durch den überlieferten Namen jenes Felsens veranlaßt sein. - -In der Geschichte der Merowinger im 6. Jahrhundert finden wir, meine -ich, alle wesentlichen Punkte der Siegfriedsage, wenn auch in anderer -Gruppierung, beisammen, vor allem den Zank der Königinnen und als seine -Folge die von Verwandten herbeigeführte Ermordung des Königs Sigebert, -der seinen Zeitgenossen als der herrlichste Held unter seinen Brüdern -erschien. Der Name Sigebert ist zwar nicht identisch mit Siegfried, -allein dieser Name steht in unserer Sage ja auch nicht fest, da er -nordisch Sigurd (das wäre deutsch Siegwart) heißt; wir finden also -drei Formen nebeneinander, die althochdeutsch ~Sigiberht~, ~Sigifrid~, -~Sigiwart~ heißen würden; der zweite Teil ist verschieden, überall -aber beginnt er mit Labial, schließt mit Dental und enthält r; die -Vertauschung der Formen ist also leicht begreiflich. Der Charakter des -Königs ist in dem des sagenhaften Siegfried leicht wiederzuerkennen; -der Ort seines Todes ist in der nordischen Version (gelegentlich einer -Volksversammlung) leidlich festgehalten. Die ausländische, reiche und -waffengewaltige Brunichild deckt sich nach Namen und Charakter völlig -mit der Brynhild der Sage; ihre Schicksale allerdings sind wesentlich -verschoben. Die verhältnismäßig unbedeutende Gailswinth ist in der Sage -vergessen; ihre Schwester vertritt sie mit: an Stelle der Ermordung -ist das Herausdrängen aus der ihr rechtmäßig gebührenden Ehe durch -ihre Rivalin getreten. Damit fallen zugleich Chilperich und Sigebert -in eine Person zusammen. Nicht unwesentlich ist noch Gunthchramn von -Burgund, der gelegentlich in den gewaltigen Frauenkrieg eingreifende -dritte Bruder; er erinnert in Namen und Stellung so sehr an den alten -Burgundenkönig Gundicari, daß man wohl annehmen darf, durch die -Gleichsetzung beider sei die Attila-Burgunden-Geschichte mit der vom -Kriege der beiden Königinnen und Sigeberts Ende vereinigt worden. - -Die Vereinigung beider Erzählungen kann nicht vor der Mitte des 7. -Jahrhunderts stattgefunden haben, weil doch mindestens etwa ein -Menschenalter seit Brunichilds Tode vergangen sein muß, ehe die -Erinnerung an sie und ihre Zeit so wirr werden konnte, wie sie bei -unserer Annahme geworden ist. Infolge der Vereinigung ist dann -Grimhild, die Hauptheldin des 2. Teiles, mit Fredegund identifiziert -worden oder vielmehr dem Namen nach an ihre Stelle getreten. Das hat -ohne weiteres eine wichtige Änderung zur Folge: ist Grimhild-Fredegund -eine Schwester des Gundicari-Gunthchramn (wie die Attila-Burgundensage -annimmt), so kann ihr Gatte Sigebert nicht ein Bruder des letztern -sein; Sigebert scheidet deshalb in der Sage aus der Familie, der -er historisch angehört, aus und wird zu einem Manne unbekannten -Ursprungs oder, wie die Sage es ausdrückt, zu einem Findling. Damit -ist ihr weiter Gelegenheit gegeben, an dieser Stelle noch andern Stoff -anzuknüpfen. - -Nach unserer Auffassung wäre also der erste Teil der Sage in -Wirklichkeit um mehr als hundert Jahre später entstanden als die -zweite; das darf uns nicht irre machen, denn es ist eine Eigenart -menschlichen Erinnerns, daß alles Vergangene sich gewissermaßen auf -eine Fläche projiziert und zeitlich unbestimmt nebeneinander liegt; -verknüpft ein Späterer zwei in der Vergangenheit liegende Erzählungen -miteinander, so hat er volle Freiheit für die Bestimmung der Zeitfolge. -In unserer Sage hat der zweite, ältere Teil den ersten, jüngern bei -der Vereinigung stark beeinflußt; der letztere ist eben deshalb schwer -als Fortsetzung der ihm zugrundeliegenden historischen Ereignisse zu -erkennen. - -Siegfrieds Ermordung wird, wie wir gesehen haben, in Skandinavien und -Deutschland verschieden berichtet: dort geschieht sie auf dem Ritt -zur Volksversammlung (entsprechend dem Tode König Sigeberts 575), -hier auf der Jagd im Odenwalde. Auch für die letztere Darstellung -läßt sich unschwer eine historische Grundlage finden: der letzte -König der ripuarischen Franken, Sigebert, wurde um 510 auf Befehl -seines Sohnes Chloderich, den König Chlodowech dazu aufgereizt -hatte, im Walde Buchonia ermordet; der Name Buchonia umfaßt die -östlich des Mittelrheins gelegenen Waldgebirge, also auch den -Odenwald mit. Die Übereinstimmung dieser historischen Angabe mit -der deutschen Darstellung von Siegfrieds Ermordung ist so groß, -als sie bei der Knappheit jener Überlieferung nur sein kann; wir -dürfen also wohl annehmen, daß die Erzählung vom Tode dieses ältern -Sigebert gelegentlich an die Stelle derjenigen, die den Mord des -Jahres 575 berichtete, getreten ist; beide Sigebert wurden infolge -Namensgleichheit zusammengeworfen, die Ermordung infolge Hinterlist der -Verwandten von den Sängern bald nach der ältern, bald nach der jüngern -Version dargestellt. - -Aus der Geschichte der Merowinge stammt auch der Ansatz, daß die -Burgundenkönige als in Worms regierend gedacht werden; der historische -Gundicari kann nicht wohl an anderer Stelle als in der römischen -Metropolis Obergermaniens, das war Mainz, seinen Amtssitz gehabt haben; -in etwas späterer Zeit aber führen nur zwei Städte des fränkischen -Reiches in Königsurkunden den auszeichnenden Titel ~civitas publica~, -weil sie königliche Pfalzen enthielten, nämlich in Westfranken Poitiers -und in Ostfranken Worms (Rietschel, Die Civitas, 1898, S. 75); es -springt in die Augen, daß der besondere Rang dieser Stadt die Ursache -gewesen ist, die berühmten Könige der Sage in ihr hausen zu lassen. - - -~d~) Einzelheiten. - -Nachdem durch die Verknüpfung der Attila-Burgundensage mit der vom -Streite der Königinnen und Siegfrieds Ermordung deren Hauptheld -aus der ihm historisch zukommenden Familienstellung herausgedrängt -und zum Findling geworden war, gab das Rätsel seiner Herkunft die -Möglichkeit an die Hand, eine bereits vorhandene Sage ältern Ursprungs -vorzuschieben und anzuknüpfen. Im altenglischen Gedichte Beowulf wird -gelegentlich Bezug genommen auf die Taten des Sigemund, des Sohnes des -Wæls, und seines Neffen Fitela; gemeinsam, heißt es hier, haben sie -alle Gefahren bestanden, nur die Tötung des Drachen hat Sigemund allein -vollbracht und dadurch den großen Hort gewonnen. Die Geschichte von -Sigmund und Sinfjotli (dessen Name ohne das vorgeschobene Sin- sich mit -„Fitela“ völlig deckt) ist in der Volsungasaga ausführlich erzählt und -nach ihr vorhin im Auszuge wiedergegeben worden; sie ist so, wie sie -vorliegt, gewiß erst in späterer Zeit ausgestaltet worden, denn sie -berührt sich in ihrem Verlaufe aufs nächste mit der nordischen Form der -Attila-Burgundensage: Siggeir entspricht dem Atli, der die Verwandten -seiner Frau in böser Absicht einladet, Signy der Gudrun, auch darin, -daß sie die mit ihrem Gatten erzeugten Kinder der Rache am Gatten -opfert. Also Beeinflussung durch den zweiten Hauptteil unserer Sage ist -wohl anzunehmen, die alte Gestalt der Sigmundsage demnach schwerlich -erhalten; daß Fitela im Beowulf Sigemunds Neffe heißt, ist natürlich -kein Widerspruch, denn auch Sinfjotli wächst als Sohn der Signy von -Siggeir auf, ist also zunächst nur Sigmunds Neffe. - -Das Gedicht Beowulf schreibt dem Sigemund Drachentötung und Hortgewinn -zu, also die Haupttaten, die sonst vom jungen Siegfried berichtet -werden; da dies Gedicht überhaupt das älteste Zeugnis für unsere -Sage ist, wäre es unmethodisch, einfach eine ihm untergelaufene -Verwechselung mit Siegfried anzunehmen. Bei der vorgetragenen Meinung -vom Ursprung der Siegfriedsage muß uns der Bericht des Beowulf vielmehr -willkommen sein: Drachentötung und Hortgewinn wurden ursprünglich von -Sigmund erzählt und erst nach Verbindung beider Sagen auf Siegfried -übertragen. Sonst sind noch aus der Sigmundsage entnommen eben der Name -Sigmund (in Deutschland ihr letzter Rest) und der (in Deutschland nicht -geläufige) Geschlechtsname der Wolsunge. Den Ursprung der Sigmundsage -aber aufzuhellen, gibt es kein Mittel, weil wir überhaupt keine -unbeeinflußte Darstellung derselben mehr besitzen. - -Aus den bisher vorgeführten historischen Ereignissen lassen sich wohl -die Grundzüge der Nibelungensage ableiten, allein noch sind eine Reihe -wichtiger Einzelheiten übrig, die vorläufig ganz unerklärt geblieben -sind. Zuerst der Name „Nibelunge“ selbst. Er erscheint in Deutschland -in zwei verschiedenen Bedeutungen, im Norden (wo er Niflungar heißt) -nur in einer, die mit einer der in Deutschland üblichen zusammentrifft; -methodisch folgerichtig kann man nur diese als die ursprüngliche -ansehen: sie versteht unter Nibelungen das Königshaus und dann auch das -Volk der Burgunden. Woher stammt der Name? Die einfachste Annahme wäre -die, das burgundische Königshaus habe wirklich den Geschlechtsnamen -„Nibelunge“ geführt (wie das ostgotische den Namen „Amelunge“ u. dgl.); -allein die beglaubigte Geschichte gibt dafür gar keinen Anhalt. Als -Personenname ist „Nibulung“ häufig in einem Zweige der fränkischen -Arnulfinge: Majordomus Pipin der Mittlere († 714) hatte neben ehelichen -Kindern mehrere unebenbürtige Söhne, von denen Karl der Hammer das -Haus der Karlinge begründet, Childebrand aber der Vater des ersten -bekannten Nibulung ist; der Name erscheint dann bis zum Schlusse des -9. Jahrhunderts noch häufig, und zwar immer so, daß man seine Träger -als Angehörige jener Familie betrachten kann. Das sind aber alles -Rheinfranken, also Angehörige jenes Volkes, das lokal der Nachfolger -von Günthers Burgunden ist. Es liegt also nahe, anzunehmen, daß der -Name eines im 8. Jahrhundert dort mächtigen edeln Geschlechtes auf die -Familie der alten Burgundenkönige übertragen worden ist[40]. - -Die nur in Deutschland vorkommende zweite Bedeutung des Namens -„Nibelunge“ versteht sie als die ursprünglichen Besitzer des „Hortes -der Nibelunge“. Dieser Hort trägt seinen Namen sicher von seinen -letzten Besitzern; nachdem man sich aber einmal gewöhnt hatte, ihn -„der Nibelunge Hort“ zu nennen, übertrug man diese Bezeichnung auch -in die Zeit, da er den Nibelungen noch gar nicht gehörte, und gab so -Veranlassung zu der Annahme früherer Nibelunge, als der ursprünglichen -Besitzer desselben. - -Der Hort selbst versteht sich aus der Zeit der historischen Ereignisse -und ihrer ältesten Umdichtungen unseres Stoffes ohne weiteres: er -ist in jener Epoche zugleich materielle Grundlage und Symbol aller -Königsgewalt. Man erinnere sich, welche Rolle die Mitgift der -westgotischen Fürstinnen spielt. So war er geeignet, den roten Faden -darzustellen, der durch die gesamte Erzählung sich hinzieht. Für seine -Herkunft bot die angeknüpfte Sigmundsage eine geeignete Geschichte dar: -er ist einem schatzhütenden Drachen abgenommen; das ist ein uraltes -Motiv, das uns schon in den ältesten Sagen des klassischen Altertums -entgegentritt. Über den Drachen hinaus brauchte man zunächst die -Geschichte des Schatzes nicht zu wissen; spätere Wißbegier hat aber -auch hier weitergehende Fragen gestellt und beantwortet. So entstand -im Norden die Erzählung von Hreidmar, Andvari und dem Eingreifen -der Götter; sinnig ist dabei die Habgier, die der Reichtum erregt, -als Wirkung eines Fluches des ersten Beraubten hingestellt. In -Deutschland, wo man die Zusammengehörigkeit von Drachen und Schatz früh -vergessen hatte, entstand auf gleichem Wege, wie vorhin angegeben, das -unhistorische Volk der Nibelunge. - -Daß man sich den Hort schließlich im Rheine versenkt dachte, ist -sicher eine Folge des Umstandes, daß man aus ihm Gold gewann: man -betrachtete dieses Gold als Spuren eines (unseres) versenkten Schatzes. - -Noch mangelt uns die Herleitung mehrerer einzelner Heldenfiguren, die -gerade, je länger der alte Stoff lebt und besungen wird, um so mehr in -den Vordergrund treten; von ihnen ist in erster Linie Hagen zu nennen; -er war, wie die Übereinstimmung der nordischen und deutschen Version -zeigt, schon in der ältesten erreichbaren Form der Nibelungensage als -bedeutende Person vorhanden, hat aber in den historischen Vorgängen -seine Erklärung nicht gefunden. In Deutschland gilt er als vornehmster -Vasall Günthers und eigentlicher Mörder Siegfrieds; im Norden heißt -er (als Hogni) Gunnars Bruder, direkte Tätigkeit bei der Ermordung -Sigurds wird ihm nicht zugeschrieben. Welche Fassung in diesem Falle -altertümlicher ist, kann nicht zweifelhaft sein: die deutsche; denn aus -der Familie des Königs fällt er seines Namens wegen heraus: alle nahen -Verwandten Günthers haben mit G beginnende Namen, in der Geschichte -sowohl wie der Sage, eine Erscheinung, die in der altgermanischen -Sitte und Sprache begründet ist; Hagen also gehört ursprünglich nicht -zu ihnen. Siegfrieds Ermordung ist ihm aber sicher erst im Norden -abgenommen worden, weil er, einmal zu Gunnars Bruder geworden, durch -den eingegangenen Blutsbund an solcher Tat verhindert war; sie wäre zu -schändlich und von solchem Helden nicht begreiflich gewesen. So müssen -wir von seiner Stellung in der deutschen Sagenform ausgehen. Historisch -könnte er höchstens die Fortsetzung des persönlich unbedeutenden -Mörders des Sigebert, sei es des ripuarischen oder des Gatten der -Brunichild, sein, also einer untergeordneten Person, die nur Werkzeug -war; von diesem Ausgangspunkte aus begreift man den Hagen der Dichtung -schwer. - -Nun erscheint derselbe Hagen in einer andern, nahe verwandten Sage -an bedeutsamer Stelle, die so beschaffen ist, daß ohne diesen Helden -die Erzählung ohne Spitze wäre; hier ist er also im Grunde wichtiger -als in der eigentlichen Nibelungensage, hier dürfte die Figur -demnach ursprünglich erwachsen sein. Ich meine Walthersage. Sie ist -uns frühzeitig berichtet und zwar 1. vollständig durch das um 930 -entstandene lateinische Gedicht des St. Galler Mönches Eckehard I., -und 2. in Bruchstücken eines altenglischen Epos aus dem 8. oder 9. -Jahrhundert; beide stimmen so genau überein, daß sie eine deutsche -Dichtung dieses Inhalts mindestens aus dem 8. Jahrhundert bezeugen. -Der Inhalt ist kurz der folgende: Attila der Hunnenkönig überzieht -die westlichen Länder mit Krieg; alle aber ziehen Unterwerfung vor, -zahlen Tribut und stellen Geiseln: der König der Burgunden (die der -Mönch Eckehard, an die zeitgenössischen Verhältnisse sich anschließend, -Franken nennt) Gibich den jungen Edelmann Hagen, zwei andere, in -Gallien regierende Herrscher, der eine die Tochter Hiltegund, der -andere den Sohn Walther. Die Geiseln werden am hunnischen Hofe -standesgemäß erzogen, und Hagen und Walther entwickeln sich zu -gewaltigen Kriegshelden, die miteinander innige Freundschaft (den -heidnischen Blutsbund) schließen; Hiltegund aber erhält die Aufsicht -der königlichen Schatzkammer. Nun stirbt König Gibich; sein Sohn -und Nachfolger Günther sagt den Hunnen sofort den Gehorsam auf und -bringt dadurch seinen Geisel Hagen in eine gefährliche Lage, der sich -dieser durch Flucht entzieht. Der nun allein zurückgebliebene Walther -erficht bald darauf in Attilas Dienst einen großen Sieg; das zu seiner -Feier veranstaltete Fest benutzt er, um ebenfalls der Knechtschaft -zu entgehen: er verabredet mit Hiltegund, die er sich verlobt, den -Plan zur Flucht, macht die Hunnen bei dem Feste trunken und entkommt -mit ihr; den ihr anvertrauten Schatz nimmt Hiltegund mit. Als die -Hunnen ihren Rausch ausgeschlafen haben, wagt keiner, den berühmten -Kriegshelden zu verfolgen. So können sie ungefährdet den Rhein -erreichen, den sie in Worms überschreiten. Durch den Fährmann, der sie -übergesetzt hat, gelangt die Kunde an Günthers Hof; Hagen erkennt an -der Beschreibung, wer die Fremden gewesen sind, veranlaßt aber dadurch -wider seinen Willen den Günther, sie zu verfolgen. Im Wasgenwalde -werden die Flüchtlinge gestellt und gegen Hagens Rat angegriffen; -Walther aber erwehrt sich der Feinde. Hagen beteiligt sich zunächst, -seiner Freundschaft mit Walther wegen, nicht; erst als dieser, obgleich -gezwungen, den Patafrid, Hagens Schwestersohn, getötet hat, läßt er -sich von Günther bestimmen, einzugreifen. Der Schlußkampf endet damit, -daß die drei namhaften Helden, nachdem sie schwer verletzt sind, sich -vertragen; Walther gelangt mit Hiltegund in seine Heimat. - -In dieser Sage haben wir eine verhältnismäßig einfache Erzählung -auf klar historischem Hintergrund. Die Rahmenerzählung benutzt -die Tatsache von Attilas Feldzug nach Gallien im Jahre 451 und -macht den Eindruck, als ob sie zunächst als Vorgeschichte der -Attila-Burgundensage (des 2. Teiles unserer Nibelungensage) gedacht -gewesen wäre, als sie noch ohne Siegfriedsage bestand; jene erzählt -von der Vernichtung der Burgunden durch Attila, die Walthersage -berichtet, wie die Burgunden den Hunnen zinspflichtig werden und wieder -abfallen, gibt also eine Begründung für jene. Auf diesen Hintergrund -ist nun die Erzählung von Hagens und Walthers Freundesbund und Kampf -in einer Weise gebracht, die den Eindruck erweckt, als ob ein Dichter -des 7. oder 8. Jahrhunderts das Problem aufgeworfen und zu lösen -versucht hätte: wie hat sich der Krieger zu entscheiden, wenn er vor -die Frage gestellt wird, entweder die Freundes- oder die Mannentreue -zu brechen? Sie ist in der Walthersage zugunsten der Mannentreue -beantwortet; die Verletzung der Freundestreue wird allerdings durch -die vorhergehende Tötung des Patafrid erleichtert[41]. Jedenfalls aber -hat der alte Dichter in Hagen den Typus der alle andern Rücksichten -hintenansetzenden Mannentreue geschaffen; als solcher eignet sich -Hagen, nachdem einmal die Siegfriedgeschichte hinzugekommen ist, -vorzüglich zum Mörder des von allen sonst zu sehr verehrten Helden. -Hagen ist somit keine historische, sondern eine durch die Dichtung -geschaffene Figur. - -Als Hagens Heimat gilt in der deutschen Sage ein geographisch ganz -unbekanntes Tronje; schon die mittelhochdeutschen Dichter wissen mit -diesem Ortsnamen nichts Rechtes anzufangen und identifizieren ihn -gelegentlich mit bekannten, z. B. mit Troyes in der Champagne, oft aber -erscheint statt Tronje direkt Troye, Troja (so in der Thidrikssaga); -ja, schon die älteste Quelle, eben Eckehards Waltherdichtung, nennt -Hagen ~venientem de germine Trojae~. Nun ist „Tronje“ eine ganz -undeutsche Bildung; wäre sie alt, so würde der Ort „Trünne“ oder -ähnlich lauten müssen[42]. Da nun die Franken seit der Besitznahme -Galliens sich nach dem Vorbilde der Römer trojanischer Abkunft rühmten, -so ist mir immer noch das wahrscheinlichste, daß in Tronje eine -verdunkelte Erinnerung an Troja steckt. Die fränkische Trojanersage -spielt übrigens vielleicht noch an einer andern Stelle in unsern Stoff -herein: darin, daß aus Siegfrieds Reiche im Nibelungenliede gerade nur -das Städtchen Xanten genannt wird. Denn dies ist die Fortsetzung der -alten Römerstadt ~Colonia Trajana~, die man, nachdem Kaiser Trajans -Gedächtnis erloschen war, als ~Colonia Trojana~ verstand; Xanten -heißt daher auch Klein-Troja (lützel Troye). Doch höchstens in der -Wahl gerade dieses Ortes für den Sitz Sigemunds hat die Trojanersage -bestimmend gewirkt, sonst ist sie ohne Bedeutung für Siegfrieds -Geschichte geblieben. - -Neben Hagen tritt später in der deutschen Version sein treuer -Kampfgenosse Volker der Spielmann; er ist dem Nibelungenliede und der -Thidrikssaga gemeinsam geläufig. Seine Figur verdankt ihre Entstehung -wohl den fahrenden Spielleuten, die nicht leicht unterließen, in -den von ihnen behandelten Stoffen ihresgleichen möglichst in den -Vordergrund zu rücken; in unserer Sage haben sie es, im Anschluß an -damals geübte Sitte, dadurch getan, daß sie im Gefolge der namhaften -Könige Spielleute auftreten ließen: bei Etzel den Werbel und den -Swemmel, bei Günther den Volker. Während jene im Nibelungenliede -einfache Leute geblieben sind, erscheint Volker aus der alten niedern -Sphäre herausgehoben; den Grund erkennt man aus folgender Strophe (Text -~B~ 1477 Bartsch): - - ~Wer der Volkêr wære, daz wil ich iuch wizzen lân: - er was ein edel herre; im was ouch undertân - vil der guoten recken in Burgonden lant. - durch daz er videln kunde, was er der spilman genant.~ - -Dem Dichter des Nibelungenliedes ist offenbar der einfache Spielmann -nicht gut genug gewesen (ebensowenig wie der Findling Siegfried); -er erhebt ihn deshalb zum edeln Herrn und erklärt die Bezeichnung -„Spielmann“ aus seiner Kunstfertigkeit. Seit der Mitte des 12. -Jahrhunderts hat ja auch die Annahme dichtender und musizierender -Edelleute nichts seltsames mehr. - -Schließlich tritt noch, aber nur im Nibelungenliede, Hagens Bruder -Dankwart über das Durchschnittsmaß hervor; er ist des Königs Marschall -und hat als solcher Führung und Pflege der großen Schar von Knechten, -die mit nach dem Hunnenlande ziehen. Mit diesem Heere steht und fällt -Dankwart: seine Figur ist von demselben Autor geschaffen, dem die -verhältnismäßig einfache Grundlage der Erzählung nicht mehr zeitgemäß -erschien, eben dem eigentlichen Dichter unseres Liedes. Wir haben -bei der Analyse desselben vorhin gesehen, daß alle Szenen, in denen -Dankwart auftritt, jüngern Ursprungs sind. Auffällig bleibt aber eins: -im 1. Teile des Liedes tritt Dankwart nur einmal deutlich hervor, bei -der Fahrt zur Brünhilt, die er als vierter neben den drei sagenechten -Gesellen Günther, Hagen und Siegfried mitmacht; er ist also damals -bereits erwachsen. Trotzdem sagt er später zu Blödel (~B~ 1924 Bartsch): - - ~ich was ein wênic kindel, dô Sîfrit vlôs den lîp~, - -könnte also danach zur Zeit jener Fahrt überhaupt noch nicht -gelebt haben. Wir kommen hier um die Annahme einer Entgleisung -unseres Dichters nicht herum, da ihm alles, was Dankwart betrifft, -zugeschrieben werden muß. Ein solcher Fehler wiegt in einer Zeit, da -Bücher nicht gelesen, sondern vorgelesen werden, nicht so schwer: -der Leser kann, wenn ihm dergleichen auffällt, zurückblättern und -nachprüfen, der Zuhörer aber wird durch den Strom der Vorlesung zu -rasch weiter gerissen, als daß er sich lange bei Anstößen aufhalten -könnte. - -Soviel vorläufig über die Ausgangspunkte unserer Sage. Wir müssen nun -zunächst versuchen, zwischen diesen Ausgangspunkten und dem Zustande, -in dem sie uns in den literarischen Denkmälern überliefert ist, eine -Brücke zu schlagen, mit andern Worten, die Entwickelung der Sage aus -der historischen Grundlage zu begreifen. - - - - -V. - -Die Entwicklung der Sage. - - -~a~) Älteste und nordische Form. - -Zuerst, noch im 5. Jahrhundert, hat man die beiden Ereignisse, -den Untergang der Burgunden und den Tod Attilas, in ursächlichen -Zusammenhang gebracht, indem man letztern als Folge jenes Untergangs -hingestellt hat: Hildiko wurde zur nachgelassenen Schwester des -Gundicarius gemacht, die ihren Bruder an Attila rächt. Eine -Vorgeschichte, die Attilas Zug gegen die Burgunden erklären sollte, -dürfte bald hinzugekommen sein: sie schilderte in Anlehnung an die -Ereignisse des Jahres 451 die Unterwerfung der westlichen Völker -durch die Hunnen. In diesem Rahmen wurde an den Figuren Walthers und -Hagens das vorhin erörterte Problem gelöst. Alsdann ist wesentlich -später, mindestens ein Menschenalter nach dem Tode der historischen -Königin Brunichild 613, also keinesfalls vor der zweiten Hälfte -des 7. Jahrhunderts, eine poetische Darstellung der fränkischen -Geschichtsereignisse des 6. Jahrhunderts angeknüpft worden. Als -Vorgeschichte zu den nun verbundenen Sagen von Siegfried und von Attila -und den Burgunden hat man dann die, wie es scheint, längst vorhandene -Sigmundsage benutzt. Im großen und ganzen dürfte damals die Sage -folgenden Gang gehabt haben: - -Siegfried, der Hauptheld des ersten Teiles, ist ein Findling, zwar -von edler Herkunft -- der Sohn des vor seiner Geburt gefallenen -Sigmund -- aber in niedern Verhältnissen aufgewachsen und erzogen. -Sein angeborenes Heldentum befähigt ihn dazu, einen gewaltigen Drachen -zu töten und dadurch den großen Hort zu gewinnen, den dieser bewacht -hat. So zu unermeßlichem Reichtum gelangt, bewirbt er sich um die Hand -der Fürstin Brünhilt (Brunichild in älterer Sprachform), zu der er -auf seinen Zügen gelangt. Ihr ist der reiche Held, der so große Taten -vollbracht hat, auch recht, aber in ihrem hochmütigen Stolze mag sie -sich einem Findling nicht vermählen; so verspricht sie ihm nur, sich -ihm so lange aufzubewahren, bis er ein Königtum gewonnen habe (daß ihm -das gelingen wird, bezweifelt sie nicht). Inzwischen erlegt sie allen -um sie freienden Helden Bedingungen zu erfüllen auf, von denen sie -weiß, daß eben nur Siegfried sie erfüllen kann. Siegfried zieht aus, -dem Wunsche der Braut nachzukommen; als er an den Hof der Burgunden -gelangt, fordert er deren König Günther zum Kampfe um Land und Leute -heraus; so erzählt es allein unser Nibelungenlied außerhalb seines -eigenen Zusammenhanges, also im Grunde unverständlich; für den Aufbau -der alten Sage aber ist jener Zug notwendig und richtig, denn in ihrem -Zusammenhange sieht man den Grund der Herausforderung ein[43]. Die -Herrscher der Burgunden aber ersehen ihren Vorteil: sie erkennen, was -für einen reichen und gewaltigen, aber auch unerfahrenen Helden sie -vor sich haben, und beschließen, ihn für ihr Interesse zu gewinnen. Zu -diesem Zwecke bieten sie ihm ihre Schwester, die Grimhild, zur Gattin -an, nehmen ihn als Schwager, Blutsbruder und Mitbeherrscher in Familie -und Reich auf und lösen ihn dadurch von Brünhilt. Siegfried erreicht -also das Ziel, das Brünhilt ihm gestellt hatte, indem er sie aufgibt. - -Als Günther nun ebenfalls heiraten will, wird ihm Brünhilt als -geeignete Gattin genannt, und er wirbt um sie. Allein die Bedingungen, -die jedem Freier auferlegt werden, kann er nicht erfüllen; Siegfried, -der das Geheimnis ja kennt, löst die Aufgabe an seiner Stelle. Aufgabe -und Lösung sind von den verschiedenen Sagenversionen im einzelnen -verschieden dargestellt, aber der Sinn ist immer der gleiche: nur -Siegfried, auf dessen Heldentum die Bedingungen zugeschnitten sind, -kann sie erfüllen. Unmittelbar anschließen muß sich eine Szene, in -der Siegfried Günthers Stelle in einer Weise vertritt, die später die -üble Nachrede ermöglicht, Brünhilt habe ihre Jungfräulichkeit nicht -durch Günther, sondern durch Siegfried verloren; eine Szene, die -in der nordischen Darstellung gewiß besser erhalten ist als in der -deutschen, weil letztere ihren innern Zusammenhang zerrissen hat. Dann -aber fügt sich Brünhilt, da sie doch eines Königs Gattin geworden -ist, der (scheinbar wenigstens) ihre Bedingungen erfüllt hat, in ihr -Schicksal. Nur fühlt sie es als eine Herabsetzung der Familie, daß ihre -Schwägerin, ihres Gatten Schwester, mit einem Findling und landlosen -Menschen verheiratet ist, und läßt sie es fühlen. Grimhild aber gibt -ihr diesen Vorwurf gesteigert zurück, indem sie ihr vorhält: „Bin ich -die Gattin eines Findlings, so bist du in all deinem Hochmut nur seine -Kebse, denn er war’s, der dir deine Jungfräulichkeit raubte.“ Hier ist -die alte Dichtung auf ihrem Höhepunkte angekommen: Brünhilts Hochmut -ist bitter gestraft; wollte sie des landlosen Findlings Weib nicht -werden, so muß sie sich dafür seine Kebse schelten lassen. Natürlich -kann sie diese Nachrede nicht auf sich sitzen lassen. Sie erweckt -absichtlich zunächst den Anschein, als ob die Beschuldigung begründet -wäre, und gewinnt dadurch ihren Gatten für Siegfrieds Ermordung. -Nachdem der Mord geschehen ist (er wird durch Hagen, Günthers treuesten -Mann, ausgeführt), gesteht Brünhilt die wirklichen Geschehnisse, also -die Unschuld Siegfrieds, ein und folgt ihm in den Tod. Die Erzählung -ist damit zu Ende, denn Grimhild, die Witwe, nimmt von ihren Verwandten -die Buße für den Mord ihres Gatten an. - -Nach einiger Zeit wirbt um sie Attila, der Hunnenkönig, und sie folgt -ihm als Gattin. Bald darauf aber vernichtet Attila Grimhilds Geschlecht -und Volk durch Hinterlist. Er ist gierig nach der Macht oder, wie die -Sage das ausdrückt, nach dem Schatze der Burgunden. Dieser Schatz wird -nun als derselbe betrachtet, den Siegfried einst dem Drachen abgenommen -hat; durch seine Ermordung ist er in die Hände der Burgunden gekommen; -so ist denn in der Geschichte des Schatzes eine gewisse Verbindung der -beiden Sagenteile erreicht. Attila ladet die Schwäger unter dem Scheine -der Freundschaft verräterisch ein und läßt sie dann niedermachen. -Grimhild aber übernimmt die Rache, indem sie ihren Gatten tötet. Die -Rache ist dadurch verstärkt, daß sie das mit Attila gezeugte Kind -(oder die Kinder) als Werkzeug benutzt, eine Darstellung, die in der -Geschichte keine Grundlage hat, aber schon in der in Rede stehenden -ältesten Form der Dichtung vorhanden gewesen sein muß, da nordische -und deutsche Version sie kennen. Vermutlich hat der alte Dichter -ein anderswo verwendetes Motiv herübergenommen; wäre die nordische -Version sicher alt, so dürfte man an Entlehnung aus der altklassischen -Atridensage denken. Mit der Tötung Attilas durch Weibeshand schließt -die alte Sage. - -Da die historische Brunichild erst im Jahre 613 gestorben ist, -andererseits aber unsere Sage spätestens im 9. Jahrhundert nach dem -Norden gewandert sein muß, so haben wir nur einen verhältnismäßig -eng begrenzten Zeitraum zur Verfügung, innerhalb dessen die eben -dargestellte Dichtung (so müssen wir sie doch wohl nennen) entstanden -sein muß. Sie kann nicht viel früher entstanden sein als um das Jahr -700, aber auch nicht wesentlich später. Da sie, besonders in ihrem -ersten Teile, eine wohl durchdachte, wohl durchgeführte, wirklich -dichterisch aufgefaßte Erzählung ist, muß ein einzelner und zwar ein -geistig recht hochstehender Sänger der Autor der Erzählung in dieser -Form sein. Natürlich versagt uns das Schicksal den Namen dieses Mannes. -Die Namen der Sänger jener Zeit sind sämtlich in ewiger Nacht begraben. - -Mit der Übertragung der Sage vom Niederrhein aus nach dem Norden im -9. Jahrhundert sind nun einige bestimmte, für die nordische Sagenform -charakteristische Veränderungen eingetreten. Die Erzählung muß auch -hier wieder zunächst von einem einzelnen Manne, der sie ganz in -sich aufgenommen hat, reproduziert und in geschlossener Darstellung -hinübergebracht worden sein. Sonst würde man nicht verstehen, daß -bestimmte Einzelheiten, die in Deutschland anders berichtet werden, und -deren deutsche Wiedergabe zu den historischen Ausgangspunkten besser -stimmt als die nordische, so daß sie also historisch richtiger ist als -diese, im Norden eine ganz bestimmte feste Form angenommen haben. Es -sind im wesentlichen folgende Punkte: - -1. Hagen ist nicht bloß der untergeordnete Vasall des Königs Günther, -der dessen Befehle unbedingt vollführt und freudig mit ihm in den -Tod geht, sondern er ist sein Bruder. Siegfrieds Ermordung ist ihm -abgenommen und auf den weniger bedeutenden Gudorm übertragen. - -2. Der Name Grimhild, der nach Ausweis der historischen Hildiko -zuerst an der Person haftet, die ihn in Deutschland führt, ist -merkwürdigerweise zum Namen der Mutter des Königs geworden, die echte -Grimhild aber führt durchweg den Namen Gudrun. Dieser Name (der mit -dem der Heldin des mittelhochdeutschen Gedichtes Kudrun nicht das -geringste zu tun hat) ist einfach dem Namen ihres Bruders Günther -nachgebildet. Das erste Glied des zusammengesetzten Namens ist das -gleiche wie bei „Günther“, das zweite ist eins der am häufigsten -vorkommenden Elemente zur Bildung von Frauennamen. Die Neubildung -Gudrun ist also gewissermaßen ein Feminin zu Gunnar. - -3. Brynhild ist zur Schwester des Atli geworden. Damit hat man -wenigstens den Versuch gemacht, eine engere Verbindung der beiden -Hauptteile herzustellen, denn Atli hat nun an den Burgunden den Tod -seiner Schwester zu rächen. - -4. Endlich ist -- wohl auch schon seit der Übertragung[44] -- die -Ermanarichsage als dritter Teil an die Erzählung angeknüpft. Diese -Sage, die in Deutschland aufs engste mit der Dietrichsage verbunden -erscheint, muß, da von letzterer im Norden keine Spur sich findet, sehr -frühzeitig und selbständig dorthin gewandert sein. - -Die Weiterentwickelung der Sage im Norden brauchen wir hier im -einzelnen nicht zu verfolgen. Sie hat sich, wie wir gesehen -haben, in lauter Einzeldarstellungen aufgelöst und eine wirkliche -Zusammenstellung nicht mehr erfahren. Ein Dichter behandelt diesen -Teil, ein anderer einen andern; der eine gibt das dazu, der andere -jenes; so kommt eine wüste Verwirrung zustande, in der sich -zurechtzufinden schwer ist. Neue Zusätze sind im Norden vor allen -Dingen diejenigen, welche die Götterwelt mit hineinziehen; sie ist -ganz sekundär in die Sage hineingetragen und hat ursprünglich in ihr -keinen Platz. Auch die Idee, daß Brynhild eine vermenschlichte Walküre -sei, also ein ursprünglich übermenschliches Wesen, das durch den Gott -strafweise in die Menschheit versetzt worden sei, ist spezifisch -nordisch und nicht einmal einheitlich durchgedrungen, sondern nur von -einem einzelnen Dichter hineingebracht. - - -~b~) Deutsche Form. - -Wichtiger ist die Weiterentwickelung des Stoffes in Deutschland. Hier -tritt uns die Sage in ausführlichem Berichte erst im 12. Jahrhundert, -also ziemlich spät, entgegen. Wie sie sich bis dahin entwickelt hat, -das läßt sich zwar natürlich an den verschiedenen Veränderungen, die -eingetreten sind, wohl erkennen, aber die zeitliche und örtliche -Bestimmung der Neuerungen ist nicht leicht. Einigermaßen unterstützt -werden wir durch einen Bericht, der Ereignisse des Jahres 1131 zum -Gegenstande hat. Damals wollte der dänische Königssohn Magnus seinen -Vetter Knut Laward, den König der Wenden und Herzog von Schleswig, auf -verräterische Weise ermorden. Er sandte einen sächsischen Spielmann, -namens Siward, also einen fahrenden Sänger, der nach der Überlieferung -für einen in seiner Kunst wohlerfahrenen Mann galt, zu Knut Laward und -ließ ihn freundlich zu sich einladen. Knut leistete ohne jeden Argwohn -Folge. Dem Sänger war bekannt, was Knut bevorstand, aber er war durch -einen heiligen Eid gebunden, den Plan nicht zu verraten. Da Knut ihn -dauerte, so versuchte er, ihn auf Umwegen auf das drohende Unheil -aufmerksam zu machen: er trug ihm das Lied von der allgemein bekannten -Treulosigkeit der Grimilda gegen ihre Brüder dreimal vor, also eine -Geschichte, die dem im Augenblicke des Vortrags sich entwickelnden -Schicksal ganz parallel verläuft. Auf diesem Wege versuchte also -Siward den König Knut zu retten, aber ohne Erfolg: der Mord gelang am -7. Januar 1131. Für uns ist interessant, daß hier die Geschichte von -Grimildas Treulosigkeit gegen ihre Brüder erwähnt und als allgemein -bekannt hingestellt wird. Das paßt nicht mehr zur alten Form der -Sage, sondern nur zu der neuen, wie sie uns demnächst in süddeutscher -Darstellung entgegentritt. Wir lernen hier die Existenz dieser jüngern -Sagenform in Norddeutschland kennen, denn es ist ein sächsischer -Spielmann, der den dänischen Fürsten zu retten versucht. - -Daraus folgt, daß die Umbildung der Sage, die darin besteht, daß -nicht mehr Attila, sondern Grimhild die Treulosigkeit gegen die -burgundischen Brüder begeht, um ihren ersten Gatten Siegfried an ihnen -zu rächen, noch vor der Übertragung der Sage nach Süddeutschland, -also wohl noch am Niederrhein vor sich gegangen sein muß. Sie ist -natürlich hauptsächlich durch innere Gründe verursacht: man wollte die -beiden Teile, die ursprünglich so lose nur zusammenhingen, innerlich -aneinanderschließen. Die Neuerung dürfte nach oberflächlicher Schätzung -um das Jahr 900 oder bald nachher durchgeführt worden sein, weil die -Überführung des Stoffes nach Bayern wohl noch ins 10. Jahrhundert -fällt. Die neue Fassung trägt zugleich modernerer Gesittung Rechnung: -bisher stand die Erzählung auf dem altgermanischen, etwas urzeitlich -anmutenden Standpunkte, daß Blutrache die erste Pflicht sei, daß -also die Pflicht der Schwester, ihre Brüder zu rächen, größer sei, -als die Pflicht ihrer Treue gegen den Gatten; nunmehr, in modernerer -Zeit, stellte man die Gattenpflicht an die erste Stelle und ließ die -Blutrache in alter Form fallen. - -Mit dieser Änderung ist nun eine Tatsache, die in der Geschichte -feststeht und als Ausgangspunkt für die Sage anzusehen ist, aus dieser -selbst verschwunden. Von dem Augenblicke an nämlich, wo Grimhild ihren -ersten Gatten an ihren Brüdern rächt, fallen ja ihre Interessen mit -denen ihres zweiten Gatten Attila zusammen; Grimhild und Attila sind -jetzt einig und führen gemeinsam den Untergang der Burgunden herbei. -Dann liegt aber für Grimhild keine Veranlassung mehr vor, den Attila zu -töten. Die Folge davon ist, daß dieser übrig bleibt. - -An dieser Entwickelung erkennt man recht, wie die Sage arbeitet: sie -geht teilweise vom Tode Attilas aus, hat sich aber nach mehreren -hundert Jahren so verschoben, daß sie von diesem ihrem Ausgangspunkte -nichts mehr zu erzählen weiß. Hier, an einem Beispiel, das wir doch -leidlich genau verfolgen können, ist ganz deutlich zu sehen, wie der -Ausgangspunkt der Sage infolge ihrer Entwickelung schließlich wieder -aus ihr hinausgebracht wird. Wenn das möglich ist, so wird noch vieles -andere möglich sein, so wird es vor allen Dingen auch möglich sein, den -ersten Teil unserer Nibelungensage aus der fränkischen Königsgeschichte -abzuleiten, von der man nur Einzelheiten, besonders Namen und Motive, -zur Vergleichung heranziehen kann, nicht aber den ganzen innern -Zusammenhang. - -Die Folge davon, daß Attilas Tod nun auf einmal nicht mehr erzählt -wird, ist eine Neudichtung, die in Süddeutschland unbekannt geblieben -ist, also wahrscheinlich in Norddeutschland erst entstanden ist, -nachdem die Nibelungensage bereits nach Süddeutschland gewandert war: -ich meine die allein in der Thidrikssaga berichtete Geschichte von -Hagens nachgeborenem Sohne Aldrian, der durch Attilas Ermordung der -Gesamterzählung wieder einen vollen Schluß verschafft. Ihre Entstehung -war natürlich erst möglich, nachdem Attilas Tod aus der Erzählung -durch die moderne Entwickelung derselben ausgeschaltet worden war. - -Nach Süddeutschland ist unsere Sage wahrscheinlich im 10. Jahrhundert -gewandert. Darauf weist die merkwürdige Einmischung einer historischen -Person jener Zeit hin, die an der Oberfläche klebt: Bischof Pilgrim -von Passau (er war im Amte 971-991) gilt im Nibelungenliede für einen -Zeitgenossen der Nibelunge und Mutterbruder der burgundischen Könige; -nach der „Klage“, dem mehrerwähnten Anhang zum Liede, hat er den -ganzen Verlauf der großen Begebenheiten durch seinen Schreiber Konrad -in lateinischer Sprache aufzeichnen lassen. Diese letztere Nachricht -wird wahrscheinlich richtig sein; sie ist an sich historisch ganz -einwandfrei; ist sie richtig, so versteht man, wie Pilgrim in die -Sage gelangte: der Klagedichter, dem Konrads Werk bekannt war, machte -den Bischof und seinen Schreiber zu Zeitgenossen der Ereignisse, um -die Glaubwürdigkeit des Berichtes zu erhöhen. Wenn aber ein Passauer -Bischof um das Jahr 980 die Nibelungensage aufzeichnen lassen kann, -so bedeutet dies, daß sie damals in Bayern zwar bereits bekannt, -aber noch nicht geläufig war; sonst hätte man nicht Wert darauf -gelegt, daß sie aufgeschrieben würde. Man bedenke, wie die eigentlich -süddeutsche Sage, die von Dietrich und seinen Helden, jederzeit -einfach als dem Publikum bekannt vorausgesetzt wird; dann wird man zu -dem Wahrscheinlichkeitsschlusse kommen, daß zu Pilgrims Zeiten die -niederdeutsche Nibelungensage eben erst in Bayern bekannt geworden und -eben deshalb als der Aufzeichnung durch Pilgrims Schreiber Konrad wert -befunden worden war. - -Eine Folge dieser Verpflanzung der Sage auf einen ihr ursprünglich -fremden Boden ist die in dem Namen der einen Hauptheldin eingetretene -Veränderung: sie hieß ursprünglich zweifellos Grîmhild, in welcher -Form der Name etymologisch durchsichtig ist; ~grîma~ bedeutet Larve, -Maske, Helm. Den Süddeutschen waren Wort und Name nicht geläufig; sie -verstümmelten letztern infolgedessen, wie man so häufig ein nur mit dem -Ohre aufgenommenes Fremdwort verstümmelt, zu Krîmhilt oder Kriemhilt. -Der unrichtige Anlaut und das Schwanken des Vokals im ersten Teile -der Zusammensetzung geben somit ebenfalls davon Zeugnis, daß die Sage -in Süddeutschland ursprünglich fremd und erst verhältnismäßig spät -eingeführt ist. - -Noch ein zweiter Name ist vermutlich bei dieser Überführung in -gewissem Sinne verstümmelt worden: Gernot; hochdeutsch könnte er -schwerlich etwas anderes als ein Frauenname sein, weil „~nôt~“ ein -Feminin ist; versteht man ihn aber niederdeutsch, so gibt er den Sinn -„Schwertgenoß“ und müßte hochdeutsch Gernoz heißen; er dürfte also bei -der Überführung der Sage nach Süddeutschland seine niederdeutsche Form -beibehalten haben. - -In Oberdeutschland hat sich die Sage nun begreiflicherweise selbständig -weiter entwickelt. Augenscheinlich ist sie gar nicht vollständig dahin -gelangt, wenigstens fehlt jede Kunde von Siegfrieds Vorfahren, sowie -von seinem ursprünglichen Verhältnis zu Brünhilt, während die von -seiner Jugendzeit äußerst dürftig ist. Die Erzählung beginnt damit, -daß Siegfried um Kriemhilt freit und dann Brünhilt für seinen Schwager -gewinnt. So reich ausgestattet ursprünglich und noch in nordischer -Fassung der erste Teil des Stoffes war, so gering ist sein Kern in -der deutschen; ritterliche Füllung hat ihn im Liede freilich wieder -verbreitert. Dafür hat sich der zweite Teil reich entfaltet und -zwar hauptsächlich dadurch, daß er als Episode in die Dietrichsage -eingetreten ist; da die Burgunden infolge verräterischer Einladung am -hunnischen Hofe zugrunde gehen, muß Dietrich, der nach süddeutscher -Auffassung damals dort als Verbannter lebt, mit den Ereignissen zu -tun haben; ihm wird die Entscheidung in dem großen Kampfe gegen die -Burgunden zugewiesen. - -Wenn es auch zu weit führen würde, Ursprung und Entwicklung der -Dietrichsage an dieser Stelle in allen Einzelheiten zu besprechen, so -erscheint doch eine Darstellung in großen Zügen geboten. - -Im vierten Jahrhundert saßen die Goten in Dacien (etwa Rumänien und -Siebenbürgen) und längs der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zum -Don. In diesen Gegenden begründete der Amaler Ermanarich (deutsch -Ermenrich) ein großes gotisches Reich, das seine Macht weit über das -heutige innere Rußland erstreckte. Um das Jahr 370 erlag diese Macht -dem plötzlichen Ansturm der Hunnen, eines Volkes türkischen Stammes aus -dem innern Asien; König Ermanarich, schon hochbejahrt, kam dabei zu -Tode. Der gotische Geschichtschreiber Jordanes weiß um 550 von seinem -Tode Einzelheiten zu erzählen, die zwar schlecht beglaubigt, aber an -sich nicht unwahrscheinlich sind und sich inhaltlich mit dem vorhin S. -27 f. dargestellten dritten Teile der Nibelungensage nordischer Form -nahezu decken: das treulose Volk der (sonst unbekannten) Rosomonen -versucht den Einbruch der Hunnen zur eigenen Befreiung zu benutzen; -Ermanarich läßt Suanihilda, eine Frau aus diesem Volke, für den -heimtückischen Abfall ihres Mannes[45] von wilden Pferden zerreißen, -wird aber dafür von ihren Brüdern Sarus und Ammius (Sorli und Hamdir -in der Lieder-Edda) tödlich verwundet. Die Erzählung dürfte auf -Tatsachen beruhen; sie ist geraume Zeit vor der Entstehung der übrigen -gotischen Sagen, also etwa um 500, nach dem Norden gelangt[46] und hier -schon im 9. Jahrhundert (vgl. S. 90) dadurch an die Nibelungensage -angeschlossen worden, daß man Suanihilda und ihre Brüder zu Kindern der -Gudrun gemacht hat. Vermutlich spielte die Mutter der untergegangenen -Geschwister schon vor dieser Vereinigung in der Erzählung eine -Rolle, die es nahelegte, sie mit Gudrun gleichzusetzen; darauf weist -wenigstens die Art hin, wie der dänische Geschichtschreiber Saxo -Grammaticus um 1200 die Ermanarich-Sage (ohne ihre Verbindung mit -der Nibelungensage zu berücksichtigen) in seine dänische Geschichte -aufgenommen hat. - -Der Einbruch der Hunnen trennte die Goten in westliche, die auf -römisches Gebiet übertraten und uns hier nichts mehr angehen, und -östliche, die unter hunnischer Hoheit zurückblieben und nach wie -vor Könige aus dem Amalerhause hatten. Diese Ostgoten bildeten mit -andern Germanenvölkern zusammen den eigentlichen Kern der hunnischen -Macht; ihre Führer waren die ersten Helden des Großkönigs. Als solcher -herrschte 444-453 Attila, nachdem er seinen Bruder und Mitherrscher -Bleda beseitigt hatte. Dieser Attila hat bei den westlichen Germanen -das Andenken eines wilden Eroberers hinterlassen; ganz anders bei den -östlichen: sie erinnern sich seiner als eines mächtigen, aber gnädigen -Herrschers. Unter seinen vielen Frauen ragt in der Geschichte die -Kerka oder Rheka (richtig vermutlich Cherka) hervor, die in der Sage -als Herche oder Helche lebendig geblieben ist. -- An der Spitze der -Ostgoten standen zu Attilas Zeit drei amalische Brüder, deren einer -Theodemer (deutsch Dietmar) hieß. - -Nach Attilas plötzlichem Tode (vgl. S. 69) zerfiel sein Reich; die -Ostgoten traten auf das rechte Donauufer in oströmischen Bereich über. -Theodemer war schließlich ihr alleiniger König und vererbte diese -Stellung 481 auf seinen Sohn Theodorich (deutsch Dietrich), der sich -den Beinamen des Großen verdiente. - -Inzwischen hatte sich 476 in Italien ein germanischer Fürst namens -Odoaker (deutsch Otacker) der Herrschaft bemächtigt. Ihn zu beseitigen -und zugleich die Sorge vor den Ostgoten, die fortgesetzt die Sicherheit -Konstantinopels bedrohten, loszuwerden, übertrug Kaiser Zeno 489 -dem Theodorich und seinem Volke die Aufgabe, Italien dem Reiche -zurückzuerobern, um es dann als römische Bundesgenossen zu bewohnen -und zu beherrschen. Theodorich schlug Odoaker in mehreren Schlachten -und belagerte ihn schließlich drei Jahre lang in dem festen Ravenna, -wo damals (seit Honorius) der Regierungssitz Italiens sich befand; 493 -gelangte die Stadt in Theodorichs Gewalt, Odoaker wurde getötet. Als -Beherrscher Italiens hat nun Theodorich lange Zeit die führende Rolle -unter den westeuropäischen Germanenkönigen gespielt, ja, dieselben -durch Heiraten zu einer großen Familie zu vereinigen gesucht, deren -Haupt er selbst sein wollte. Dabei war sein Bestreben, Kriege zu -vermeiden und Streitigkeiten auf friedlichem Wege zu schlichten -- -ein Charakterzug, der dem Dietrich der Sage insofern noch anhaftet, -als auch dieser nur, wenn es ganz unvermeidlich ist, zum Schwerte zu -greifen pflegt. - -526 ist Theodorich gestorben; damit brach sein System zusammen. Auch -der Ostgotenstaat war nicht von Dauer: bereits 540 geriet Ravenna -wieder in römische Gewalt, und 553 vernichtete Narses den letzten -Gotenschwarm, der noch zusammenhielt, am Vesuv. Nur nördlich der Alpen -blieben gotische Reste übrig und gingen in den Bayern auf (vgl. S. 56), -die nun die Erinnerung an die ruhmreiche Geschichte der Amaler bewahrt -und gepflegt haben. - -Die deutsche Sage kennt, wie begreiflich, die Goten (die sie -ausschließlich Amelunge nennt) nur in Italien und Bayern; auch -Ermenrich ist aus Südrußland dahin versetzt. Sie betrachtet ferner die -Amelunge als legitime, eingeborne Herrscher ihres Reiches; Dietrichs -Sieg bedeutet ihr also nicht eine einfache Eroberung, sondern eine -Wiedereroberung nach vorausgegangener Vertreibung. Zu dieser Anschauung -mußte die Sage dadurch geführt werden, daß Theodorich in der Tat durch -den Auftrag des Kaisers Zeno das formale Recht auf seiner Seite hatte, -während Odoaker nur infolge Usurpation in Italien herrschte. Den -oströmischen Kaiser ferner hat die Sage, wie sie es fast immer getan -hat, durch den Hunnenkönig ersetzt; indem sie Dietrich während seiner -Abwesenheit aus Italien an dessen Hofe lebend dachte, übertrug sie -auf ihn das, was von den Verhältnissen seines Vaters Dietmar bekannt -geblieben war. Endlich brachte sie die beiden Amelunge Ermenrich und -Dietrich dadurch aufs nächste zusammen, daß sie sie als Oheim und Neffe -betrachtete. So hat denn die Dietrichsage im wesentlichen folgende -Gestalt erlangt: - -Die Brüder Ermenrich und Dietmar aus dem Hause der Amelunge teilen sich -derart in das Reich, daß Ermenrich als der älteste den Hauptteil mit -Ravenna, Dietmar den Norden erhält; als Sitz des letztern und seines -Sohnes wird Verona (Bern) betrachtet, nachdem Theodorichs historische -Residenz Ravenna zunächst Ermenrichs Eigentum geworden ist. Nach -Dietmars Tode wird sein Sohn Dietrich von Ermenrich vertrieben; dies -behauptet die Sage im Anschluß an die historische Eroberertätigkeit, -die Ermanarich entfaltet hat. Der vertriebene Dietrich begibt sich -an den Hof des Hunnenkönigs Etzel, um von ihm Hilfe gegen Ermenrich -zu erbitten; als Vermittler zwischen Dietrich und Etzel spielt -dabei der Markgraf Rüdeger von Bechelaren, des erstern Freund, des -letztern vornehmster Vasall, eine hervorragende Rolle. Über Ursprung -und Bedeutung der Figur Rüdegers hat man mannigfache Vermutungen -aufgestellt, ja, man hat sogar diesen reinmenschlichen Helden zu einem -mythischen Wesen machen wollen; und doch ist, wie mir scheint, Rüdegers -Bedeutung so leicht zu fassen: da die naiven Pfleger der Sage dieser -jederzeit zeitgenössische Färbung geben, so müssen sie sich Dietrich -als Bayern, Etzel als Ungarn denken; daraus ergibt sich, daß Rüdeger -der Repräsentant des vermittelnden Zwischengebietes, der bayerischen -Ostmark (Österreichs) ist. Im Nibelungenliede gilt als Rüdegers Bereich -das Land zwischen Enns und Wienerwald; das ist genau das Gebiet der -bayerischen Ostmark von Otto dem Großen bis auf Heinrich III., dessen -Eroberung das Land bis zur Leita hinzufügte. Daraus ergibt sich, daß -die Dichtung die Figur Rüdegers um das Jahr 1000 geschaffen hat[47]. --- Die Sage kennt nun zunächst einen ersten, mißlungenen Versuch -Dietrichs, mit hunnischer Hilfe zurückzukehren; er führt zu Kämpfen bei -Ravenna und gibt den Stoff zu dem Gedicht von der „Ravennaschlacht“ ab; -selbstverständlich beruht er auf dem Walten der Dichtung: die deutschen -Spielleute des zwölften Jahrhunderts lieben es ja auch, denselben -Stoff in zwei Variationen nacheinander vorzutragen. Der Inhalt der -Ravennaschlacht ist eine Variation von Dietrichs Rückkehr. -- Nunmehr -findet Ermenrich sein Ende ungefähr so, wie es schon Jordanes erzählt; -als einer der Mörder gilt um das Jahr 1000 Otacker, der Ermenrichs -Nachfolger wird und also schließlich bei der endgültigen Eroberung -Italiens Dietrichs Gegner ist, wie es die Geschichte dargeboten hat. In -Süddeutschland ist allerdings im 12. Jahrhundert Ermenrichs Ermordung -und die Person Otackers augenscheinlich ganz vergessen; den Thron der -Amelunge nimmt bei Dietrichs Rückkehr Ermenrichs treuloser Ratgeber -Sibich ein. Jedenfalls aber gelangt Dietrich schließlich durch Etzels -Hilfe wieder in den Besitz seines angestammten Reiches[48]. - -In Gesellschaft Dietrichs und der zu ihm in Beziehung tretenden Leute -befinden sich nun natürlich zahlreiche Personen minderer Bedeutung, -die teils selbständige Sagenexistenz gehabt haben, aber durch die -gewaltige Anziehungskraft der Hauptsage an sie herangezogen und ihr -angegliedert worden sind (so z. B. Wielands Sohn Witig, ursprünglich -ein Mann Ermenrichs), teils aber als mehr oder minder nötige Ausfüllung -erdichtet worden sind; zu letzteren gehören vor allen Hiltebrand, -der als Dietrichs Erzieher und erfahrener erster Ratgeber eine fast -selbstverständliche typische Figur ist, und sein Neffe Wolfhart, in -allem Hiltebrands Gegenbild (besonders in der Art seines Auftretens) -und gewiß des Kontrastes wegen als solches geschaffen. - -Von Personen aus der Umgebung des historischen Attila hat die Sage noch -bewahrt seine Gattin Cherka als Helche (im Rosengarten Herche, in der -Thidrikssaga Erka genannt) und seinen Bruder Bleda als Blödel; dieser -Name ist offenbar volksetymologisch an „blöde“ angelehnt. An Bledas -wirkliche Schicksale besteht keine Erinnerung, er wird in ziemlich -willkürlicher Weise verwertet. - -In diese in Süddeutschland ganz lebendige Dietrichsage ist nun die -Nibelungensage nach ihrer Überführung dahin derart eingefügt, daß -Kriemhilt als zweite Gattin Etzels gilt, die er nach dem Tode der -Helche geehelicht hat, und daß der große Todeskampf der Nibelunge -eintritt, während Dietrich noch an Etzels Hofe lebt; der Versuch der -Rückkehr, der zur Ravennaschlacht führt, muß natürlich, da bei ihm die -Königin Helche noch eine wichtige Rolle spielt, schon vorüber sein. - -Mit Dietrich sind natürlich die meisten seiner Sage angehörigen Figuren -in die Nibelungengeschichte übergetreten, vor allen auch Rüdeger, der -nach dem, was vorhin ausgeführt wurde, außerhalb der Dietrichsage -undenkbar ist. Da nun aber die Nibelungensage zunächst ohne Dietrich -und Rüdeger existiert hat, so muß es möglich sein, nach Ausscheidung -oder Abtrennung der diese Helden betreffenden Abschnitte ein Bild -von dem Zustande zu bekommen, den sie zur Zeit der Überführung nach -Süddeutschland aufwies. Dabei ergibt sich nun das merkwürdige Resultat, -daß alle nach dem Saalbrande sich noch abspielenden Szenen wesentlich -durch die Dietrichsage bedingt sind, mit andern Worten: es wird höchst -wahrscheinlich, daß der Saalbrand in der ältern Sagenfassung den Schluß -bildete, und die Nibelunge in ihm umgekommen sind. - -Bedenken gegen diese Annahme werden allerdings dadurch erweckt, daß der -Schluß des Nibelungenliedes mit den eddischen Atli-Liedern insofern -übereinstimmt, als Günther und Hagen schließlich lebendig gefangen und -erst nach ihrer Weigerung, den Hort auszuliefern, getötet werden; daß -im Nibelungenliede erst Günther und dann Hagen getötet wird, während -die Lieder-Edda beider Rollen vertauscht, macht keinen wesentlichen -Unterschied. Nun sind aber die Atli-Lieder augenscheinlich keine reinen -Repräsentanten der nordischen Sagenform, sondern weisen mehrfach -erneute deutsche Beeinflussung auf; sonach wäre möglich, daß auch die -nahe Übereinstimmung in der Schlußerzählung erst unter dem Einflusse -deutscher Neudichtung zustande gekommen ist. - -Wenn wir Rüdeger aus einer Grundform unserer Sage zu streichen haben, -so fällt natürlich auch der Abschnitt vom Aufenthalte der Nibelunge zu -Bechelaren weg; dann steht die kleine Szene von der Begegnung mit dem -Grenzwächter Eckewart unmittelbar vor dem Eintreffen bei Kriemhilt, und -es verschwindet die Sonderbarkeit, an der wir vorhin (S. 48) Anstoß -nehmen mußten. - -Wir haben im wesentlichen den Zustand der Sage erreicht, der in unserm -Liede die Grundlage der Erzählung bildet. Manches freilich hat der -Dichter des Liedes, manches haben wohl noch andere Hände geändert, ehe -die Textgestalt erreicht wurde, die uns heute noch vorliegt. Ehe wir -diese letzten, dem Liede eigenen Neuerungen betrachten und untersuchen, -müssen wir uns erst den Fragen zuwenden, die uns die Überlieferung und -Geschichte seines Textes stellen. - - - - -VI. - -Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der Nibelunge. - - -Das Nibelungenlied ist uns erhalten in zehn vollständigen[49] -Handschriften, außerdem in Bruchstücken von siebzehn verschiedenen -Handschriften. Die Pergamenthandschriften des 13. und 14. -Jahrhunderts haben wir uns gewöhnt (seit Lachmann) mit großen, -die Papierhandschriften des 14./15. Jahrhunderts und die einzige -jüngere Pergamenthandschrift (d aus dem 16. Jahrhundert) mit -kleinen lateinischen Buchstaben zu bezeichnen und zu benennen. -Die vollständigen Handschriften sind ~A B C D I a b d h k~, die -Fragmente ~E F H K L M N O Q R S U Y Z g i l~. In allen vollständigen -Handschriften mit Ausnahme von ~k~, die überhaupt eine Sonderstellung -einnimmt, schließt sich die „Klage“ dem Liede unmittelbar an; von den -Fragmenten bietet nur ~N~ auch ein Bruchstück der Klage; dafür sind uns -Stücke dieses Gedichtes in Resten von drei andern Handschriften (~G~, -~W~ und ~X~) noch erhalten, in denen natürlich auch das Nibelungenlied -vorhanden gewesen sein muß[50]. - -Die Handschrift ~k~ (im Besitze des Piaristen-Kollegiums zu Wien) ist -eine völlige Neubearbeitung des alten Textes in Stil und Sprache des -15. Jahrhunderts, steht also im Grunde auf keiner andern Linie als z. -B. Simrocks Übertragung ins Neuhochdeutsche; jedoch der Umstand, daß -sie Vorlagen benutzt hat, die uns nicht mehr zugänglich sind, verleiht -ihr auch für die Kritik des alten Textes einigen Wert. - -Die übrigen 26 Handschriften ordnen sich nach dem Titel, den das Epos -am Schlusse sich selbst gibt, leicht in zwei große Gruppen: ~der -Nibelunge nôt~ heißt es in ~A B D H I K L M N O Q S Z b d g h i l~ -(dazu ~W~), ~der Nibelunge liet~ in ~C E F R U Y a~ (dazu ~G X~). Noch -eingehendere Gruppierung läßt sich durch genauere Betrachtung der -vollständigen Handschriften gewinnen. Diese sind: - -~A~ aus dem 13./14. Jahrhundert, ursprünglich auf Schloß Hohenems, -jetzt in München; - -~B~ aus dem 13. Jahrhundert, in St. Gallen; - -~C~ aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, ursprünglich auf Schloß -Hohenems, dann im Besitze des Freiherrn v. Laßberg, jetzt auf der -fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen; - -~D~ aus dem 13./14. Jahrhundert, in München; - -~I~ aus dem 14. Jahrhundert, stammt aus Tirol, jetzt in Berlin; - -~a~, früher in Wallerstein, jetzt in Maihingen (bayr. Regierungsbezirk -Schwaben); - -~b~, Hundeshagens Handschrift, jetzt in Berlin; - -~d~, die im Auftrage Kaisers Maximilians I. 1502-17 hergestellte große -Sammelhandschrift, früher auf Schloß Ambras, jetzt in Wien; - -~h~, Meusebachs Handschrift, jetzt in Berlin; sie ist eine Abschrift -von ~I~ und kommt deshalb für die Textkritik nicht in Betracht. - -Während die Handschriften der Liet-Gruppe nur in unwesentlichen Dingen -voneinander abweichen (so daß die junge ~a~ nur zur Ausfüllung der -Lücken in der guten alten ~C~ herangezogen zu werden braucht), gehen -die der Not-Gruppe vielfach stark auseinander: ~Db~ gehören zusammen -und folgen in den ersten 270 Strophen des Liedes, ebenso im Anfange der -Klage seltsamerweise dem Liet-Texte; ~Id~ sind einerseits im Eingange -des Liedes nicht unwesentlich kürzer als alle übrigen Texte, haben aber -andererseits im Verlaufe des Gedichtes im ganzen zwanzig Strophen, die -sonst nur dem Liet-Texte eigen sind, in den zugrunde liegenden Not-Text -aufgenommen; ~B~ gibt, von Kleinigkeiten abgesehen, den Not-Text am -reinsten wieder; ~A~ hat ihn um volle 61 Strophen, die im Laufe des -Gedichtes, hauptsächlich innerhalb der Strophen 340-720 (der Zählung -von Bartsch) gestrichen sind, verkürzt. - -Da ~A~ infolge dieser Streichungen den kürzesten Text bietet, hielt man -sie lange Zeit für den Vertreter des ältesten vorhandenen Textes; seit -es aber W. Braune (Die Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes, -1900) gelungen ist, nachzuweisen, daß ~A~ mit dem Hauptteile von ~Db~, -der dem Not-Texte folgt, manche jüngere Änderungen und Fehler gemein -hat, kann davon keine Rede mehr sein, vielmehr ist ~A~ der Not-Vorlage -von ~Db~ auf das nächste verwandt und innerhalb der 270 Strophen, in -denen ~Db~ einer Liet-Vorlage folgen, der alleinige Vertreter dieser -Handschriftengruppe. - -Die größte Schwierigkeit macht noch heute die richtige Einordnung der -Gruppe ~Id~; im Anfange ist sie kürzer, als alle übrigen Texte und in -dieser Beziehung, wie ebenfalls Braune nachgewiesen hat, altertümlicher -als alle diese. Wie aber soll man die zwanzig zum Liet-Texte stimmenden -Strophen beurteilen? Sie sind im allgemeinen ganz lose in den Not-Text -eingefügt; von den vierzehn Stellen, auf die sie sich verteilen, -stimmen elf genau zur Strophenfolge des Liet-Textes; an den drei andern -Stellen ist eine kleine Verschiebung eingetreten, die dem Zusammenhange -nicht günstig ist: die Strophen stehen (nach der Zählung von Bartsch) - - hinter 969 statt hinter 964 (um 5 Strophen zu spät), - „ 998 „ „ 1001 ( „ 3 „ „ früh) und - „ 1571 „ „ 1573 ( „ 2 „ „ „ ). - -Eine Mittelstellung zwischen den beiden Hauptgruppen nimmt also ~Id~ -auf jeden Fall ein, es fragt sich nur, ob eine durch Entwicklung der -Texte bedingte oder eine äußerliche. Braune entscheidet sich für -das erstere und erblickt in ~Id~ eine Vorstufe zu dem Liet-Texte; -ich neige mich der andern Auffassung zu, hauptsächlich weil die -Ordnung der Strophen an den drei erwähnten Stellen um ein weniges -ohne ersichtlichen Grund abweicht; das scheint sich am besten aus -äußerlicher Entlehnung zu erklären: der Besitzer der Grundhandschrift -der Gruppe ~Id~ kannte den Liet-Text und vermißte in ihr einige diesem -allein eigene Strophen; er trug sie auf den Blatträndern nach; beim -Abschreiben wurden sie in den Text eingerückt, und dabei kamen nun jene -kleinen Irrtümer vor, die sich jedenfalls innerhalb des Raumes einer -Blattseite halten. - -Einfacher ist die eigentümliche Textmischung der Gruppe ~Db~ zu -erklären: in ihrer Grundhandschrift war der Anfang des Liedes (ebenso -der Anfang der Klage) verloren gegangen und durch Abschrift aus einer -andern Handschrift, die dem Liet-Texte angehörte, ersetzt worden. Das -war möglich, da die beiden Haupttexte doch nicht so stark voneinander -abweichen, daß man die Verschiedenheit auf den ersten Blick erkennen -müßte; auch in neuerer Zeit ist solche Textmischung vorgekommen, vgl. -S. 124. Das aus dem Liet-Texte entnommene Anfangsstück des Liedes -umfaßt ungefähr doppelt soviel Raum wie das eben daher entnommene -Anfangsstück der Klage; der den Not-Text bietende Hauptteil des -Liedes ist annähernd achtmal so lang wie der Eingang; daraus darf man -vermuten, daß von der Grundhandschrift die 1., 2. und 19. Lage verloren -gegangen und ungenau ersetzt waren. - -Die sechs Haupthandschriften des Not-Textes ordnen sich sonach in zwei -Gruppen: auf der einen Seite ~Id~ mit altertümlich kurzem Eingang, aber -zwanzig zugesetzten Strophen; auf der andern Seite ~ABDb~ mit längerm -Eingang (wie ihn auch der Liet-Text bietet); ~Db~, deren alter Eingang -ja verloren ist, werden durch die nahe Verwandtschaft mit ~A~ bei -dieser Gruppe festgehalten. - -Wie verhalten sich nun aber die beiden Hauptgruppen „Liet“ und „Not“ -zueinander? Geht die eine auf die andere zurück, oder weisen beide auf -ein verlorenes Original? Von den drei möglichen Antworten, die alle -drei ihre Vertreter gefunden haben, können wir eine von vornherein -ablehnen: die „Not“ geht keinesfalls auf das „Liet“ zurück, denn sie -ist altertümlicher als dies; vor allem aber steht im Not-Texte die -„Klage“ noch ziemlich selbständig hinter dem Liede, während das „Liet“ -die beiden Gedichte möglichst untereinander auszugleichen strebt; so -gehen denn zahlreiche Mehrstrophen von ~Ca~ auf Anregungen der „Klage“ -zurück. So bleiben zwei Möglichkeiten: entweder das „Liet“ beruhte auf -der „Not“, oder beide nebeneinander auf einem verlorenen Original; der -ersteren neigt sich Braune zu, während ich der zweiten den Vorzug gebe -auf Grund folgender Überlegung: der Liet-Text muß spätestens zu Anfang -des 13. Jahrhunderts abgeschlossen sein, denn er hat die alte einfache -Angabe der Klage, daß Ute, die Mutter der burgundischen Könige, ihre -alten Tage im Kloster Lorsch verbrachte, breit ausgesponnen und stellt -die Behauptung auf, sie habe es ausgestattet (Holtzmann 1158) - - ~mit starken rîchen urborn, als ez noch hiute hât, - daz klôster dâ ze Lôrse, des dinc vil hôhe an êren stât~; - -nun ist aber dies altberühmte Kloster durch seinen letzten Abt Konrad, -der 1216 zuerst genannt wird, derartig heruntergebracht worden, daß -er 1229 abgesetzt, und das Stift an Mainz übergeben wurde; ein so -lautes Rühmen, wie wir es in ~C~ finden, war also in und nach dieser -Zeit nicht wohl möglich[51]. Dagegen kann die Grundhandschrift des -Not-Textes nicht älter als höchstens 1240 sein, denn sie hat 1331 -und 1336 den richtigen Ortsnamen ~Treisenmûre~ durch den falschen -~Zeizenmûre~ ersetzt. Die Stellen fallen in die Partie, die Kriemhilts -Reise zu Etzel schildert und dabei innerhalb Österreichs die Tag für -Tag berührten Stationen in genauer Folge nennt: ~Everdingen~, ~Ense~, -~Bechelâren~, ~Medelîche~, ~Mûtâren~, ~Treisenmûre~, ~Tulne~, ~Wiene~, -~Heimburc~, ~Miesenburc~. Setzt man ~Zeizenmûre~ für ~Treisenmûre~ -ein, so erhält man eine widersinnige Folge, denn ~Zeizenmûre~ liegt -bereits östlich von Wien. Derjenige, der es eingeführt hat, kann -von Österreichs Geographie keine persönliche Anschauung gehabt -haben; nun ist aber ~Zeizenmûre~ ein unbedeutendes Dorf, das einem -Nicht-Österreicher schwerlich bekannt ist, wenn es nicht einen -besondern Ruf hat; einen solchen hat es dadurch erlangt, daß Nithart -von Riuwental einen großen Teil seiner österreichischen Dorfgedichte -dort spielen läßt; Nithart, dessen Dichten schätzungsweise in die Zeit -von 1210-1240 fällt, lebte ursprünglich in Bayern und vertauschte es -erst etwa 1230 mit Österreich; vor diesem Zeitpunkte können Nitharts -österreichische Dorfgedichte nicht entstanden sein. Vorher dürfte also -jener fälschlich in den Not-Text eingeführte Ort außerhalb Österreichs -schwerlich bekannt gewesen sein[52]. - -Ist somit die Grundhandschrift des Not-Textes rund ein Menschenalter -jünger als die Existenz des Liet-Textes, so kann dieser nicht auf jenen -zurückgehen, und bleibt nunmehr nur die dritte Möglichkeit übrig: beide -weisen nebeneinander auf ein verlorenes Original zurück. Dies Original -kann nach Ausweis der nahen Übereinstimmung beider Texte vom Not-Texte -nicht allzu verschieden gewesen sein; um 1200 erfuhr es zunächst eine -Überarbeitung, die im Liet-Texte noch vorliegt. Sie hat den ohnehin -schon stark vorherrschenden rittermäßigen Geist noch verstärkt, -außerdem aber den Anhang, die Klage, mit dem Liede in größere -Übereinstimmung versetzt; den nur auf den letzten Teil passenden Titel -„~der Nibelunge Nôt~“ hat sie durch den richtigern „~der Nibelunge -Liet~“ ersetzt. -- Nicht vor 1240, zu einer Zeit, da der ritterliche -Geschmack schon im Sinken war, hat ein Jüngerer eine Neubearbeitung -des Gedichtes für angezeigt gehalten und dabei über den im allgemeinen -Umlauf befindlichen Liet-Text weg auf das Original zurückgegriffen[53]; -sein Werk liegt uns im Not-Texte vor. Er folgt dem Original im ganzen -recht treu; nur einzelne in spielmannsmäßigem Geschmack gehaltene -kleine Szenen dürften vielleicht auf ihn zurückzuführen sein (Dankwart -als Verschwender bei der geizigen Brünhilt; Hagens grobes Verhalten -gegenüber der jungvermählten Kriemhilt u. dgl.). - -Charakteristisch für den spätern Ursprung des Not-Textes ist der -Umstand, daß er in keiner seiner zahlreichen Handschriften rein -erhalten, sondern überall mehr oder weniger durch den Liet-Text -beeinflußt ist: die Gruppe ~Id~ bewahrt den alten Anfang, setzt -aber die besprochenen zwanzig Strophen zu; die Gruppe ~ABDb~ hat -umgekehrt (wenn auch nicht in allen Handschriften in gleichem Maße) -den erweiterten Anfang von ~Ca~ aufgenommen; die Grundhandschrift -von ~Db~ ist aus dem Liet-Texte ergänzt: die Handschrift ~B~ hat -einmal zwei Strophen (102. 103 Bartsch) sowie am Schlusse der Klage -den Abschnitt über Etzels Verbleib aus dem Liet-Texte aufgenommen -u. s. f. Letzterer lag eben allen Schreibern und Hörern fortgesetzt -im Ohre; es ist begreiflich, daß Berufsschreiber, die den Liet-Text -bereits ein- oder mehrere Male abgeschrieben hatten, bei der Arbeit an -einer Not-Handschrift unwillkürlich Lesarten jenes Textes anbrachten: -so dürften sich auch die zahlreichen Kreuzungen in den Varianten -erklären, die aus keinem organisch entwickelten Handschriftenstammbaum -verständlich sind. - -Unter Berücksichtigung aller zugehörigen Bruchstücke dürfte sich die -spätere Geschichte des Not-Textes etwa in folgender Weise abgespielt -haben: zunächst trennte sich vom Hauptzweige der Entwicklung die -Stammhandschrift der Gruppe ~Id~; in ältester reinster Form liegt uns -diese Textgestalt annähernd vollständig nur in der späten Handschrift -~d~ vor; ihr zur Seite stehen das alte Fragment ~H~ und das dürftige -Fragment ~O~, das der direkten Vorlage von ~d~ angehört. Die -Handschrift ~I~ und die nahe stehenden Fragmente ~K~ und ~Q~ ändern -den alten Text der Gruppe ~Id~ in vielen Punkten selbständig; ihnen ist -vielleicht noch das Fragment ~l~ beizuzählen, das ebenfalls zahlreiche -Textänderungen aufweist. -- Von der andern Hauptgruppe des Not-Textes -stellt ~B~ eine vollständige, sehr alte Form dar; ihr zunächst -verwandt ist die Grundhandschrift aller übrigen Nothandschriften, -auf die zunächst die lückenhafte ~A~ und die Fragmente ~L~ (daraus -abgeschrieben ~g~) und ~M~, sowie die Grundlage der ~Db~-Gruppe -zurückgehen; diese wird gebildet durch die recht nahe verwandten -Handschriften ~D~ und ~b~ und Fragmente ~S~, ~N~ und ~Z~ (wohl auch -~W~ der Klage). -- Das unbedeutende Fragment ~i~ ist nicht sicher -einzuordnen. - -Die vorgetragene Meinung vom Verhältnis der beiden Nibelungentexte und -ihrer Handschriften erhält eine wesentliche Stütze durch das relative -Alter der zugehörigen Pergamentcodices. Dies läßt sich bestimmen -durch die Art der Einrichtung derselben: die älteste Weise ist, den -Text (des Liedes und der Klage) ohne Absetzen von Vers oder Strophe -einspaltig über die ganze Seite zu schreiben; so sind ~C~ und ~E~ -(vom Liet-Text) sowie ~H~ (von der ~Id~-Gruppe) verfahren. Etwas mehr -Übersicht bei größter Ausnutzung des Pergamentes gestattet zweispaltige -Einrichtung, bei welcher im Liede die Strophen abgesetzt werden, -aber nicht die Verse; sie liegt vor in ~FRY~, ~B~, ~DNSZ~, sowie in -auffallend kleinem Format in ~Q~; innerhalb der Klage verfahren diese -Codices, entsprechend der andern Versart, verschieden: zweispaltig -ohne Absetzen schreibt ~B~ (ältere Weise), zweispaltig mit abgesetzten -Versen ~G~, ~DNW~ (jüngere Weise). Schließlich setzt man auch im Liede -die Verse ab; zweispaltig verfahren so ~AMI~, einspaltig ~LU~ (kleines -Format); innerhalb der Klage schreibt ~A~ zweispaltig mit abgesetzten -Doppelversen, ~I~ dreispaltig mit abgesetzten Versen, beides sichtlich -aus räumlichen Gründen; das in kleinem Format gehaltene ~X~ schreibt -einspaltig mit abgesetzten Versen. Ganz großes Format, dreispaltig -eingerichtet, haben ~O~ und ~K~; jenes setzt gar nicht ab und bringt -hundert, dies setzt nur Strophen ab und bringt sechzig Strophen auf -einem Blatte unter; ~K~ bringt also das ganze Nibelungenlied auf -fünf Quaternionen, ~O~ gar nur auf drei Quaternionen unter; das -weist darauf hin, daß sie beide (wie das aus ~O~ abgeschriebene ~d~) -Sammelhandschriften waren; ihre Einrichtung hat mit derjenigen der -übrigen Handschriften nichts gemein, und sie sind gewiß nicht so alt, -wie ihr Einrichtungsprinzip anzudeuten scheint. - -Der in der Handschrift ~k~ vorliegende, im 15. Jahrhundert -modernisierte Text beruht in der Hauptsache auf einem Exemplare -des Liet-Textes, das im Anfange zwei größere Lücken aufwies; diese -sind ersetzt aus einer Handschrift des Not-Textes, die in nächster -Verwandtschaft zu ~A~ stand, wie der gleiche Strophenbestand des -Einganges zeigt. - -Das den beiden um 1200 und 1240 entstandenen Bearbeitungen zu -Grunde liegende Original hat, wie wir gesehen haben, die angehängte -Klagedichtung bereits besessen; auch war es in bezug auf die Technik -der Metrik und des Reimes schon ziemlich hoch entwickelt, denn die -überwältigende Mehrzahl aller Verse der beiden Bearbeitungen hat ihm -bereits angehört. Es kann also seine Gestalt nicht allzulange vor der -ersten Bearbeitung und keinesfalls vor dem Jahre 1170 gewonnen haben; -die um 1200 vorgenommene Bearbeitung ist nicht durch formale, sondern -durch inhaltliche Bedenken, in erster Linie durch das Streben, Lied und -Klage miteinander auszugleichen, veranlaßt worden. - -Derjenige, der das durch Vergleichung der beiden Bearbeitungen uns -noch im wesentlichen erreichbare Original geschaffen hat, ist nun noch -nicht derjenige, den wir als den eigentlichen Nibelungendichter zu -betrachten haben, sondern es ist vermutlich derselbe, der die Klage -angehängt hat; dieser „Klagedichter“ hat gewiß auch seine Tätigkeit auf -das Lied selbst ausgedehnt; sicher hat er ihm die vierzehn[54] Strophen -eingefügt, die den Bischof Pilgrim erwähnen (1295-99. 1312. 1330. 1427. -1428. 1495. 1627-30 Bartsch); sie lassen sich ohne jede Schwierigkeit -herausheben. - -Ein Nibelungenlied mit Anhang (Klage) setzt notwendig ein -Nibelungenlied ohne einen solchen voraus; wir kommen also ohne -Schwierigkeit noch um eine Stufe weiter zurück und erreichen damit -endlich die Tätigkeit des Mannes, den wir als den eigentlichen -Nibelungendichter ansprechen dürfen. Von ihm dürfen wir behaupten, -daß er ein Mann ritterlichen Standes und ein Österreicher war, da -auf ihn doch wohl die genaue und sachkundige Beschreibung der Reise -Kriemhilts zurückgeht; auch die oft durchblickende Abneigung gegen -die Bayern macht das wahrscheinlich. Wien ist ihm eine wichtige und -bedeutende Stadt, in ihr läßt er Kriemhilts zweite Hochzeit gefeiert -werden; es ist aber, wenn auch alt, doch erst durch den ersten Herzog -Österreichs, Heinrich († 1177), wieder aus jahrhundertelangem Verfall -erhoben worden; Heinrichs Sohn und Nachfolger war der bekannte Leopold -I. († 1194), der Gönner Reinmars des Alten, des Lyrikers; unter ihm -erlangte der Wiener Hof jene Bedeutung als Pflegstätte edler Kunst, als -welche er in der deutschen Literaturgeschichte bekannt ist. So werden -wir schwerlich weit neben das Ziel treffen, wenn wir annehmen, daß -der eigentliche Nibelungendichter unter Leopold I. und dem Einflusse -seines Hofes gewirkt hat, also etwa 1180-1190. An seinem Werke ist -manches auffällig, was schon bei der Besprechung des Inhalts erörtert -worden ist; sein Anteil an der Stoffmasse ist bedeutend: der ganze -erste Teil des Liedes und der Anfang des zweiten bis gegen Str. 1526 -(vgl. nachher) ist formal ganz von ihm gestaltet und auch inhaltlich -von ihm mit Ausnahme der Grundzüge im wesentlichen erst geschaffen; -auf ihn gehen u. a. das Prinzentum Siegfrieds und die durch dasselbe -bedingten Szenen, auf ihn die Umschaffung des Spielmanns Volker in -einen ritterlichen Sänger zurück. In der Schlußpartie des Epos benutzte -er offenbar eine im wesentlichen bereits fertig vorliegende Darstellung -(die älteste „Nibelunge Not“), die auch dem Verfasser der Thidrikssaga -bekannt gewesen ist; er hat sie stark überarbeitet und durch Einfügung -neuer Szenen und Personen (besonders des Dankwart) beträchtlich -erweitert. Sein Anteil läßt sich mit Hilfe der Thidrikssaga ziemlich -genau bestimmen: den Fährmann hat er aus einem einfachen, um Lohn -arbeitenden Manne in einen Grenzwächter der Bayernfürsten umgeschaffen; -die Verfolgung durch die Bayern und der daraus sich ergebende Kampf ist -sein Werk, ebenso die Angabe, daß die Burgunden mit einem Heere von -zehntausend Mann nach dem Hunnenlande gezogen seien; endlich gehört -ihm im wesentlichen die Reihe von Szenen, die im einzelnen so prächtig -ausgeführt sind, jedoch mit dem Geiste der ganzen Geschichte vielfach -im Widerspruch stehen: sie setzen ein unmittelbar nach dem feindseligen -Empfang durch Kriemhilt mit der Erzählung, daß Hagen und Volker sich -dem Palaste der Königin gegenüber herausfordernd hingesetzt hätten, und -schließen mit der unbegreiflichen Entlassung der Hauptgegner aus dem -Saale; innerhalb dieser Partie blickt nur selten die alte Grundlage -durch, deren Gang etwa der folgende gewesen sein muß: die Nibelunge -richten sich, nachdem man sie nächtlicherweile zu überfallen versucht -hat, in dem ihnen angewiesenen Hause zur Verteidigung ein; um Etzel -zum Angriff fortzureißen, opfert Kriemhilt ihr Söhnchen, indem sie -Hagen zu seiner Tötung reizt, und nun folgt unter Hohnreden der -Nibelunge der Angriff der hunnischen Scharen. Der Rest der Dichtung, -im wesentlichen aus den vier Abschnitten: Irings Kampf, Saalbrand, -Rüdegers Kampf, Dietrichs Kampf bestehend, muß im großen und ganzen der -Vorlage entnommen sein. - -Dieser eigentliche Nibelungendichter ist nun natürlich eben derjenige, -der die auffällige lyrische Form für das Epos gewählt hat, eine -Form, die nicht sein Eigen ist, sondern in den nicht lange vorher -entstandenen Liedchen des sogenannten Kürnbergers bereits vorliegt. -Pfeiffer hat aus dieser Übereinstimmung der Formen geschlossen, -eben dieser Kürnberger sei der Dichter unseres Liedes; wäre dies -richtig, so wäre uns damit nicht weiter geholfen, denn wir wissen vom -Kürnberger nur, daß er ein Österreicher war, und kennen nicht einmal -seinen Personennamen. Der Schluß ist aber nicht zwingend, denn seine -Voraussetzung, daß eine bestimmte Strophenform Eigentum ihres Schöpfers -sei, hat nie in dem angenommenen Umfang gegolten, vor allem nicht in -so alter Zeit; endlich aber erklärt er ja die Sonderbarkeit, daß ein -Epos lyrische Form aufweist, überhaupt nicht. Die einzige plausible -Erklärung ist vielmehr die, daß der Nibelungendichter die benutzte Form -in seinen Quellen, denen er mehr oder weniger wörtlich folgt, bereits -vorgefunden hat, und daß die Quellen volkstümliche Balladen gewesen -sind. - -Daß das Nibelungenlied auf derartige Volksgesänge zurückgehe, hat -bereits der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit dieser Frage -beschäftigte, Karl Lachmann, 1816 in seiner Schrift „Über die -ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth“ behauptet. -In der Durchführung des Gedankens ist er dann freilich weit über -das Erreichbare und sogar über das Wahrscheinliche hinausgegangen: -das Gedicht sollte entstanden sein aus einer Sammlung von zwanzig -ursprünglich selbständigen Liedern, alle von ein und derselben Form, -die inhaltlich aufeinander folgten[55] und durch Verbindungsstücke -zu einem Ganzen zusammengeschlossen worden seien. Die Verteidiger -und Ausgestalter dieser Liedertheorie (Müllenhoff, Rieger, Busch, -Henning) haben die großen Unwahrscheinlichkeiten, die darin liegen, -daß die Lieder alle die gleiche Form haben, alle im wesentlichen -unverändert im Epos stecken sollen, und zum Teil Erzählungsabschnitte -ohne selbständigen Wert behandeln, nicht zu beheben vermocht; in der -Form, wie Lachmann seine Theorie durchzuführen versucht hat, muß sie -heute als überwunden gelten. Anerkannt aber darf heute noch werden, mit -welch sicherem Gefühl Lachmann die einzelnen Unebenheiten des großen -Gedichtes erkannt und benutzt hat. - -Eine Quelle, und zwar die wichtigste, die der Nibelungendichter benutzt -hat, ist mit unsern Mitteln noch leidlich zu erkennen; ihr Anfang -wird markiert durch das plötzliche Auftreten des Namens „Nibelunge“ -im Sinne von Burgunden Str. 1526 (Bartsch); sie umfaßt den ganzen -letzten Teil vom Auszuge der Burgunden auf ihre letzte Fahrt bis zu -ihrem Untergange; auf sie allein paßt der alte, in der letzten Strophe -gegebene Titel „~der Nibelunge nôt~“. - -Diese älteste „~Nibelunge nôt~“ muß als ein Werk volkstümlichen -Ursprunges von geringem Umfange aus der Zeit von 1150-1180 gelten; ihr -muß die Strophenform bereits eigen gewesen sein. Sie scheint dasselbe -Werk zu sein, dem der Verfasser des Grundstocks der Thidrikssaga seine -Kenntnis unserer Sage verdankt; denn wie der erste alte Bestandteil des -Liedes Siegfrieds Erscheinen in Worms ist, so schließt in der Saga sich -an die Isungsgeschichte Siegfrieds Bekanntwerden mit den Nibelungen -an, und von diesem Augenblicke an geben beide Quellen trotz aller -beiderseitigen Überarbeitungen und Zusätze bis zum großen Schlußkampfe -durchaus parallel laufende Darstellungen. Bis zum Auszuge der Nibelunge -nach dem Hunnenlande kann diese alte „~Nibelunge nôt~“ allerdings kaum -mehr als eine notdürftig orientierende Einleitung gegeben haben. Der -Nibelungendichter hat sie, überarbeitet und erweitert, seinem Epos -zugrunde gelegt; neben ihr hat er vielleicht auch noch andere Quellen -gehabt, deren Form und Umfang aber unbestimmt bleibt. Jedenfalls hat er -den bei weitem größten Teil des übrigen Gedichtes selbst geschaffen, -wie die zahlreichen rein höfischen Szenen ohne echten Sagengehalt -beweisen. - -Noch eine Frage wäre zu beantworten: wie verhält sich die alte Ballade -zu der lateinischen Aufzeichnung unseres Stoffes im 10. Jahrhundert, -von der wir durch die „Klage“ Kunde haben? G. Roethe hat die Annahme -aufgestellt, daß das Werk des Schreibers Konrad ein Gedicht gewesen -sei wie Eckehards Waltharius (eine „Nibelungias“), und daß das -Nibelungenlied in seiner Grundlage eine deutsche Nachdichtung -jenes Werkes sei; die Möglichkeit ist zuzugeben, aber groß ist sie -nicht, denn 1. spricht der Klagedichter nur von einer lateinischen -Niederschrift und seitdem entstandenen deutschen Gedichten, was darauf -führt, Konrads Arbeit für Prosa zu halten, und 2. ist die Klage ja ein -verhältnismäßig junges Anhängsel zum Liede und dürfte eine Verbindung -zwischen diesem und Konrads Niederschrift überhaupt erst herstellen -(Einfügung des Bischofs Pilgrim). - -Die Schicksale unseres großen Epos lassen sich nun im Schema -folgendermaßen darstellen: - - älteste ~Nibelunge nôt~, - volkstümliche, balladenartige Dichtungen aus dem dritten Viertel des - 12. Jahrhunderts. - | - | - Ritterliches Epos gleichen Titels, in Österreich entstanden - etwa 1180-1190. - | - | - Dasselbe um die „Klage“ erweitert und vielleicht etwas überarbeitet, - ungefähr 1190-1200. - | - | - +--------------------+---------+ - | | - Vollkommenste Überarbeitung | - in rein höfischem Sinne, etwa | - 1200-1210 (der ~Nibelunge | - liet~), uns durch die Hand- | - schriftengruppe ~Ca~ erhalten. | - | - Jüngere, treuere und volks- - tümlichere Überarbeitung, - etwa 1240-1250 entstanden, - löst das „~liet~“ in seiner - Geltung ab (daher Vulgata), - bleibt aber fortgesetzt von - ihm beeinflußt. - | - | - +------------------------------+-----+ - | | - | | - Handschriftengruppe ~Id~. | - | | - | | - +----+--------------+ +---------+--------+ - | | | | - | | | | - Unveränderter Zweig | Handschrift ~B~. | - derselben, hauptsächlich | +--------+---+ - durch ~d~ repräsentiert. | | | - | | | - Zweig mit selbständigen | Handschriften- - Änderungen, | gruppe ~Db~. - hauptsächlich durch ~I~ | - repräsentiert. Die Mehrzahl der - Vulgata-Handschriften - (vollständig, aber - verkürzt, nur ~A~). - -Kurze Erwähnung verdient noch eine formale Eigentümlichkeit, die für -die Beurteilung des Verhältnisses der beiden Hauptzweige nicht ohne -Bedeutung ist: nicht selten sind die Cäsuren eines Verspaares durch -Reim miteinander verbunden (Cäsurreim); solange innerhalb einer zwei -Verspaare umfassenden Strophe nur eins Cäsurreim aufweist, kann er -zufällig sein; sobald aber beide Verspaare ein und derselben Strophe -gereimte Cäsuren haben, muß das auf Absicht des Verfassers beruhen. -Nun sind im Nibelungenliede vereinzelte Cäsurreime zwar nicht gerade -häufig, kommen aber doch ab und an vor, und zwar auch so, daß sie für -die Vorlage beider Bearbeitungen gesichert sind. Durchgereimte Strophen -aber finden sich, vergleichsweise häufig, nur in den Zusatzstrophen -des Liet-Textes. Nun sind solche Strophen eigentlich keine Vierzeiler -mehr, sondern Achtzeiler mit überschlagenden Reimen, also eine andre -Kunstform; mischt sie der Liet-Bearbeiter dem alten Texte unbedenklich -ein, so zeigt er damit, daß ihm das Verständnis für ihre Besonderheit -noch nicht aufgegangen ist. Dies Verständnis fand sich erst gegen die -Mitte des 13. Jahrhunderts ein; der Not-Bearbeiter bedient sich daher -nie der durchgereimten Strophen, und der Interpolator der Gruppe ~Id~ -hat es vermieden, solche aus dem Liet-Texte herüberzunehmen; dagegen -hat derjenige, der den erweiterten Anfang des Liet-Textes in den -Not-Text übertrug, nicht dieselbe Zurückhaltung bewahrt: von den beiden -durchgereimten Strophen dieses Stückes findet sich 17 in ~B~ und ~A~, 1 -nur in ~A~. - - - - -VII. - -Wirkung des Liedes in der alten Literatur. Allmähliches Erlöschen des -Interesses. - - -Das Erscheinen des Nibelungenliedes ist ein großes literarisches -Ereignis gewesen; man erkennt dies nicht nur aus der Tatsache der -wiederholten Überarbeitungen und der großen Zahl der Handschriften, -sondern vor allem auch daraus, daß vom 13. Jahrhundert an zahlreiche -Epen in der Nibelungenstrophe oder einer nahe verwandten Form -auftauchen. Das älteste derartige Gedicht, von dem wir allerdings nur -dürftige Bruchstücke besitzen, ist die mittelhochdeutsche Bearbeitung -der (vorhin besprochenen) Walthersage. Hier ist die Nibelungenstrophe -dadurch variiert, daß die vorletzte Halbzeile um zwei Hebungen -verlängert ist, z. B. - - ~er pflác des lándes nâch der krône réhté, - wand im riet diu júncfrówe dáz~. - -Inhaltlich ist die alte Walthersage dadurch verändert, daß Hagen zur -Zeit von Walthers Flucht noch an Etzels Hofe lebt, daß es die Hunnen -sind, die Walther verfolgen und angreifen, und daß Hagen in hunnischen -Diensten die Rolle des Hauptgegners spielt. Das Nibelungenlied, das -mehrmals auf die Walthersage anspielt, kennt sie nur in der alten -Gestalt; auch aus diesem Grunde ist die fragmentarisch erhaltene -Waltherdichtung jünger, doch kann sie nicht allzu spät entstanden sein, -denn sie mischt noch zahlreiche Cäsurreime ohne bestimmtes Prinzip ein; -sie dürfte dem Liet-Texte zeitlich an die Seite zu stellen sein. - -Formell, nicht inhaltlich, ist ein Schößling des Nibelungenliedes -auch das Gedicht von Kudrun; es behandelt einen aus dem Auslande -(ursprünglich vermutlich aus England) eingeführten Stoff, den sein -Dichter nicht in jeder Beziehung begriffen hat, und setzt in seinem -Kolorit die Zeit des Kreuzzuges Friedrichs II. voraus, ist also wohl -zwischen 1230-50 entstanden[56]. Die Nibelungenstrophe ist hier -dadurch variiert, daß sie in der zweiten Hälfte klingenden Ausgang -erhalten hat; auch erscheint die Schlußzeile (aber nicht durchgängig) -um eine Hebung verlängert. Sehr erschwert wird uns die Beurteilung der -Geschichte dieses Gedichtes dadurch, daß es nur in einer ganz jungen -Sammelhandschrift (derselben, die im Handschriftenschema der Nibelungen -d heißt) erhalten ist; ihre Vorlage ~O~ (vgl. S. 107 u. 120) gehört, da -sie doch wohl wesentlich dieselben Stücke wie d enthalten hat, erst der -Anfangszeit des 14. Jahrhunderts an, steht also vom Ursprungstermin der -Kudrun noch erheblich ab. Viele Hände dürfen wir uns an diesem Gedichte -nicht tätig gewesen denken, da seine Bezeugung und Bekanntschaft in -der gleichzeitigen Literatur sehr gering ist; doch ist wahrscheinlich, -daß einmal ein Bearbeiter versucht hat, es durchweg mit Cäsurreimen zu -schmücken; er ist indes mit seiner Arbeit nicht zum Ziele gelangt. - -Etwa gleichaltrig der Kudrun ist ein Gedicht, das Ausgangspunkt für -eine ganze Sippe von Epen geworden ist: die Geschichte von König -Ortnid. In ihm wird die Nibelungenstrophe unverändert verwendet, doch -ist meist die letzte Zeile um eine Hebung verkürzt, also den drei -übrigen gleich gemacht; diese Erscheinung hat ihren Grund wohl darin, -daß spätere Aussprache auch im Nibelungenliede manche vierhebige -Schlußzeile bereits nur dreihebig wiederzugeben verstand, z. B. - - ~diu wás ze Sántén genánt~ - als ~diu wás ze Sánten gnánt~, oder - ~béidiu líut únde lánt~ - als ~béidiu líut und lánt~. - -Der Stoff des Ortnid ist der Sage von Ortnid und Wolfdietrich -entnommen und ohne Wolfdietrichs Geschichte unvollständig; auch der -Ortnid-Dichter hat die Absicht gehabt, einen Wolfdietrich folgen zu -lassen, wie er im letzten Verse andeutet, aber er hat seine Absicht -nicht ausgeführt, vermutlich weil er vorher starb. Zwei andre Männer -haben, unabhängig voneinander, dem Ortnid einen Wolfdietrich angehängt; -den einen bezeichnen wir als ~A~, den andern als ~C~. Außerdem -existiert noch eine dritte, leider nur in schlechten Handschriften -erhaltene Bearbeitung der Ortnid-Wolfdietrich-Sage: hier ist die -Ortnid-Geschichte im Zusammenhange des Wolfdietrich erledigt und statt -ihrer eine selbständige Vorgeschichte, die Erzählung von Wolfdietrichs -Vater Hugdietrich, vorgeschoben; wir bezeichnen diese Textgestalt -als ~B~. Alle diese Dichtungen entstanden in der zweiten Hälfte des -13. Jahrhunderts. Zu Anfang des 14. hat ein Kompilator, der sich für -Wolfram von Eschenbach ausgibt, die Texte ~B~ und ~C~ dergestalt zu -einem großen Epos vereinigt, daß er mit Ortnids Brautfahrt beginnt, -Hugdietrich folgen läßt und mit dem zu einem ungeheuerlichen -Stoffsammler angewachsenen Wolfdietrich schließt; das ist der große -Wolfdietrich (~D~), der bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, mehrfach -modernisiert, sein Publikum gefunden und ergötzt hat. Für die -Geschichte des Cäsurreims ist der Wolfdietrich ~D~ besonders lehrreich: -der ursprüngliche Text verwendet sie planmäßig in schildernden -Abschnitten, besonders wenn Kämpfe dargestellt werden; zwei neue -Bearbeitungen aus dem 15. Jahrhundert aber verfahren anders: die -eine, in derselben Handschrift bewahrt, die im Schema der Nibelungen -~k~ heißt, tilgt die Cäsurreime durchaus, die andre, im gedruckten -Heldenbuch (vgl. nachher S. 118) vorliegende führt sie im Gegenteil -durch das ganze Gedicht durch. - -Eine nicht nur formell, sondern auch inhaltlich dem Nibelungenliede -sehr nahestehende Dichtung ist die (in der gleichen modernisierten -Strophenform abgefaßte) vom Rosengarten zu Worms, deren Stoff wir -schon früher berührt haben. Sie ist in der Mitte des 13. Jahrhunderts -entstanden und in fünf verschiedenen Fassungen auf uns gekommen: die -inhaltlich altertümlichste, aber nicht mit dem Original identische -bezeichnen wir mit ~A~; die vier andern sind Erscheinungsformen ein -und derselben Entwicklungsreihe, aus der nacheinander die Texte ~F~, -~P~ und ~C~ sich abzweigen, und die in dem Anfang des 14. Jahrhunderts -in der Straßburger Gegend abgeschlossenen Texte ~D~ gipfelt. Außerdem -existieren mehrere jüngere Bearbeitungen. - -Das (in kurzen Reimpaaren abgefaßte) Gedicht von König Laurin -und seinem Rosengarten hat mit der Nibelungensage und ihrem -Literaturkreise ursprünglich nichts zu tun; da es aber in seinen -Motiven Verwandtschaft mit dem „Rosengarten zu Worms“ zeigt, ist es -frühzeitig äußerlich mit diesem vereinigt worden: schon die Handschrift -des Rosengartens ~P~ enthält auch den Laurin; in den Stufen ~C~ und ~D~ -sind die beiden Gedichte im Titel zu einander in Beziehung gesetzt als -der „große“ und der „kleine“ Rosengarten (letzterer ist der Laurin). -Der Bearbeiter ~D~ schreibt das Werk dem nur aus dem sogenannten -Wartburgkriege bekannten Heinrich von Ofterdingen zu[57]. - -Im 15. Jahrhundert entstand aus der Vereinigung des Großen Wolfdietrich -mit den beiden Rosengärten (in der Fassung ~D~) das sogenannte -„Heldenbuch“; ihm wurde eine prosaische Vorrede beigegeben, die -sich als der erste deutsche Versuch einer Übersicht der gesamten -Heldensage darstellt, allerdings in äußerst ungeschickter Form. Der -Verfasser dieser Vorrede läßt, vermutlich infolge Mißverständnisses, -Siegfried im Rosengarten von Dietrich erschlagen werden und stellt -den zweiten Teil der Nibelungensage als Folge dieses Geschehnisses -hin: Kriemhilts Haß ist gegen Dietrich gewendet; trotzdem tötet sie -schließlich eigenhändig ihre Brüder; es ist dem Sagensammler also nicht -gelungen, seine Erzählung innerlich auszugleichen. Für uns aber ist -besonders interessant, daß Kriemhilt in dieser Vorrede den Kampf ganz -in derselben Weise, wie es in der Thidrikssaga geschieht, durch bewußte -Opferung ihres Sohnes in Gang bringt. -- Das Heldenbuch wurde von der -zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an bis 1590 immer wieder gedruckt; -als in mehreren Exemplaren gedruckt vorliegendes Werk hat es nicht -wenig dazu beigetragen, daß im 18. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der -Gelehrten wieder auf unsere alten Sagenstoffe gelenkt wurde. - -Der Strophenform des Nibelungenliedes bedient sich ferner noch das Epos -von Alpharts Tod, uns nur in einer einzigen späten und lückenhaften -Handschrift erhalten; es entstammt etwa der zweiten Hälfte des 13. -Jahrhunderts und behandelt einen Abschnitt der Dietrichsage. - -Formal abhängig vom Nibelungenliede dürfte auch das Gedicht von der -Ravennaschlacht sein; es ist in einer eigentümlichen Strophe verfaßt, -deren erste Hälfte annähernd eine halbe, auf den Cäsuren gereimte -Nibelungenstrophe darstellt, während die zweite aus zwei mittellangen, -cäsurlosen, klingend gereimten Versen besteht; ganz klar ist die -ursprüngliche Form wegen starker Überarbeitung nicht erkennbar. Wie -uns nämlich die Ravennaschlacht überliefert ist, entstammt sie erst -dem Anfang des 14. Jahrhunderts und bildet den zweiten Teil zu dem in -kurzen Reimpaaren verfaßten Gedichte von Dietrichs Ahnen und Flucht. -Der Verfasser des ganzen Werkes nennt sich Heinrich der Vogler und ist -ein Spielmann. Schon der Umstand, daß er im Verlaufe seiner Dichtung -von der einfachen epischen Weise zu einer Strophenform übergeht, zeigt, -daß er hier eine alte Grundlage überarbeitet. Für diese Grundlage -besitzen wir noch zwei selbständige Zeugnisse: die betreffende Partie -der Thidrikssaga, die sie inhaltlich wiedergibt, und einen deutlichen -Hinweis in dem Gedichte „Meier Helmbrecht“ von Wernher dem Gärtner, -das etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Die -Grundlage der Ravennaschlacht wird damit in der ersten Hälfte des 13. -Jahrhunderts festgehalten. - -Das von uns früher (S. 65) besprochene Gedicht vom „Hürnen -Seifried“, das uns nur in Drucken des 16. Jahrhunderts erhalten ist, -gehört natürlich nach Inhalt und Form ebenfalls zu den durch das -Nibelungenlied befruchteten Werken. Es geht auf eine verlorene ältere -Dichtung zurück, aus der es augenscheinlich nur ausgezogen ist. Wir -besitzen nämlich in dem Bruchstück m einer Nibelungenhandschrift einen -Beweis für des „Hürnen Seifrid“ früheres und umfangreicheres Dasein: -das Bruchstück ist nur ein Teil eines Verzeichnisses von Überschriften -der Gesänge nebst Blattweiser, es genügt aber, um zu erkennen, daß der -verlorene Text den „Hürnen Seifrid“ in das Lied hineingearbeitet hatte, -und zwar sowohl die Jugendgeschichte wie den Drachenkampf; Kriemhilt -wird in dem Augenblicke, da man sich zur Fahrt nach Island rüstet, vom -Drachen entführt und demnächst von Siegfried befreit. Das Bruchstück -ist um 1400 geschrieben und hält damit den ältern „Hürnen Seifrid“ im -14. Jahrhundert fest. - -In den beiden nächsten Jahrhunderten ist die Verwendung der -Nibelungenstrophe in jüngerer Form so häufig, daß ihr Auftreten nur -noch einen ganz äußerlichen Zusammenhang mit dem Nibelungenliede -bedeutet; es genügt für uns, die Entwicklung der Strophenform selbst -kurz darzulegen: durchweg ist die vierte Zeile den drei ersten -gleichgemacht; nach meistersingerischer Weise wird feste Silbenzahl -beabsichtigt (vor der Cäsur sieben Silben klingend ausgehend, nach -derselben sechs stumpf ausgehend); die Cäsuren sind konsequent -entweder reimlos oder durchgereimt: in ersterem Falle heißt die Form -„Hiltebrandston“ (ihn verwenden das modernisierte Nibelungenlied -der Handschrift ~k~ und der Hürnen Seifrid), in letzterem Falle -„Heunenweise“. Das Bewußtsein von der Besonderheit der Form, die durch -gereimte Cäsuren bedingt wird, ist also völlig durchgedrungen. - -Bis in das 15. Jahrhundert hinein bleibt das Interesse am -Nibelungenliede lebhaft und wach; der Stoff wird sogar gelegentlich -dem Zeitgeschmack angepaßt. So wird um 1400 in der Handschrift ~b~ an -der Stelle, wo Dietrich die ankommenden Burgunden vor Kriemhilt warnt, -eine Interpolation eingelegt, die erzählt, Kriemhilt habe Röhren, -gefüllt mit Schwefel und Kohle (also Pulverminen), legen lassen, um die -Burgunden im Nachtlager in die Luft zu sprengen. Im 15. Jahrhundert -ist dann die ganze Dichtung neu überarbeitet und nach den Regeln der -Meistersinger sprachlich behandelt worden; es ist dies der Text, der -uns in der Handschrift ~k~ erhalten ist. Das Gedicht wird hier in -seinen beiden Abschnitten betitelt „die erste Hochzeit Kriemhilts mit -Siegfried“ und „die zweite Hochzeit Kriemhilts mit Etzel“. - -Dann aber fängt das Interesse an zu erlöschen. Der letzte namhafte -Mann, der zu unserm Liede in Beziehung steht, ist Kaiser Maximilian I., -der letzte Ritter. Er hat das sog. Heldenbuch an der Etsch (offenbar -eine ältere Sammelhandschrift, von der vermutlich ~O~ ein Rest ist) -abschreiben lassen und dadurch in den Jahren 1502-1517 die noch -erhaltene große Ambraser Sammelhandschrift geschaffen, die auch unser -Lied enthält (~d~). Es ist die letzte Handschrift unseres Gedichtes. -Gedruckt worden ist das Lied in alter Zeit nicht. Mit dem Augenblicke, -da der Buchdruck durchgedrungen war, ist das Interesse an ihm erlahmt; -warum, ist schwer zu ersehen; wahrscheinlich, weil der Geschmack des -Liedes für die damalige Zeit auf der einen Seite zu ritterlich-vornehm, -auf der andern aber wieder zu volkstümlich-einfach war; die einfachern -Kreise mochten es seiner Vornehmheit wegen nicht, und die vornehmern -hatten ihre Neigung bereits den neu auftretenden humanistischen Stoffen -zugewendet. Wir finden nun an Stelle des Liedes im 16. Jahrhundert -nur das gedruckte, wenig wertvolle Gedicht vom „Hürnen Seifrid“, -das bis 1611 immer wieder aufgelegt wurde, das sich aber nur an ein -untergeordnetes Publikum wendet. Bezeichnend ist die ebengenannte -Jahreszahl 1611: sieben Jahre vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges! -Von da an sind die älteren Dichtungen nicht mehr beachtet, also auch -nicht mehr aufgelegt worden, sondern in Vergessenheit geraten. Ja, -sogar die Erinnerung an die alte Sage, die doch in Oberdeutschland, -wenigstens was die Dietrichsage angeht, ganz lebendig im Volke haftete, -ist im Dreißigjährigen Kriege völlig erloschen. Nur in einer ganz -verzerrten Form hat die Nibelungensage diese Zeit überdauert: im sog. -Volksbuch vom gehörnten Siegfried. Der erste erhaltene Druck dieses -Buches stammt aus dem Jahre 1726; der Text selbst ist vielleicht noch -etwas älter. Er ist in ganz rohem Geschmack hergestellt: auf der -einen Seite ist er äußerlich in die Höhe geschraubt durch Einführung -fremdklingender Namen, lateinischer Endungen u. dgl. (so heißt Gibich -jetzt Gibaldus, Kriemhilt Florigunda); auf der andern Seite wieder -sind komische Szenen eingelegt, Narrenstreiche und ähnliche höchst -unbedeutende kleine Episoden. Im großen und ganzen ist das Volksbuch -weiter nichts als eine Umarbeitung des „Hürnen Seifrid“. Es ist dann -immer wieder aufgelegt worden bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts -hinein, ohne daß die bessern Kreise sich um dasselbe irgendwie -gekümmert hätten. Auf dem Titel steht zu lesen: „Gedruckt in diesem -Jahr“; so wird dem ungebildeten Leser weisgemacht, daß er das Neueste -vom Jahre in der Hand habe. Die Behörden haben nicht nur den Gehörnten -Siegfried, sondern auch alle andern Volksbücher öfter verboten. Man -begreift ihr Vorgehen, wenn man auf den ungeläuterten Geschmack achtet, -der in diesen Büchern waltet: sie stehen ungefähr auf der Stufe der -modernen Hintertreppenromane. Aber die „albernen Dinge“ (wie die -einschreitenden Behörden die Volksbücher nannten) waren manchen Leuten -noch nicht albern genug; so konnte es geschehen, daß das Volksbuch vom -gehörnten Siegfried zweimal noch weiter heruntergezogen wurde: 1783 -verbreiterte es ein ~Dr.~ Kindleben zu einem zweibändigen Volksroman -von mehr als 550 Seiten, und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts -erschien eine Neubearbeitung unter folgendem bezeichnenden Titel: -„Siegfried und Florigunde. Oder: durch Gefahren wird die Tugend -gestärkt, und die Ausdauer in derselben belohnt. Eine mährchenhafte -Historie von den Abenteuern, welche Siegfried der Ungehörnte wegen -der schönen Florigunde bestanden hat. Erster Teil. Ganz umgearbeitet, -neu aufgelegt und in ein heilsames Lesebuch verwandelt.“ ~Sapienti -sat.~ Vor dem angekündigten zweiten Teile scheint das Publikum bewahrt -geblieben zu sein. Das Buch blieb der letzte direkte Ausläufer des -alten Stoffes; mit dem inzwischen bereits eingeleiteten Wiedererwecken -desselben hat es keinen Zusammenhang. - - - - -VIII. - -Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem 18. Jahrhundert. - - -Der erste, der dafür tätig gewesen ist, daß wir wieder Geschmack und -Interesse für unsere ältere Literatur bekommen haben, und der deshalb -nicht vergessen werden darf, obgleich ihn seine jüngern Zeitgenossen -(im allgemeinen unverdienter Weise) viel geschmäht und dadurch fast -der Vergessenheit überliefert haben, ist Gottsched. Er hat 1752 dem -Heldenbuch und dem Hürnen Seifrid gelehrte Beachtung geschenkt; vom -Nibelungenliede weiß er noch nichts. Das lag damals noch für Gelehrte -und Ungelehrte im Staube der alten Bibliotheken vergraben. Erst drei -Jahre nach dieser ersten Betätigung Gottscheds auf dem Gebiete unserer -alten Literatur entdeckte ein junger Mediziner, Namens Obereit, bei -einem Besuche des Schlosses Hohenems in Vorarlberg 1755 am 29. Juni die -von uns jetzt mit ~C~ bezeichnete Handschrift des Nibelungenliedes, -und von diesem Augenblicke an ist das Gedicht neu belebt, denn durch -Obereit ward Bodmer, der Führer der Schweizer im Streite wider -Gottsched, bekannt mit der Handschrift und gab einen Teil von ihr -heraus: 1757 ließ er den zweiten Teil des Liedes samt der Klage von -einem zufälligen Punkte an, nämlich vom Wiedereinsetzen des Textes -nach der letzten Lücke von ~C~ (Str. 1682 Holtzmann) an, abdrucken. -Den fehlenden Eingang hat er durch eine eigene mittelhochdeutsche -Reimerei ersetzt, die ihm natürlich mißglückt ist. Die Ausgabe trägt -den Titel: „Chriemhilden Rache, und die Klage; zwey Heldengedichte -aus dem schwäbischen Zeitpuncte“. Viel Erfolg hat sie freilich nicht -gehabt, obgleich Bodmer selbst noch für die erste neuhochdeutsche -Bearbeitung gesorgt hat: im Jahre 1767, also zehn Jahre später, -veröffentlichte er unter dem Titel „Die Rache der Schwester“ eine -Übertragung des mittelhochdeutschen Textes seiner Ausgabe in deutsche, -wenig glücklich gebaute Hexameter. Wenn auch damit nicht allzuviel -für das Lied geschehen war, so war doch ein Schritt getan, auf dem -weiter gebaut werden konnte; das Interesse war geweckt. Nach kaum einem -Menschenalter ist ein jüngerer Gelehrter, ein Schüler Bodmers, Myller, -in der Lage, nicht bloß das Nibelungenlied, und zwar vollständig, -sondern eine größere Anzahl von Gedichten aus dem deutschen Mittelalter -in einer Sammlung herausgeben zu können, auf die bereits hervorragende -Personen subskribieren, und die sich sogar an die höchsten Stellen -wendet: Myller erbat und erhielt noch 1780 von König Friedrich II. -von Preußen die Erlaubnis, ihm das Sammelwerk zueignen zu dürfen. Im -Jahre 1782 erschien daher als erstes Stück der Myllerschen Sammlung die -erste vollständige Ausgabe: „Der Nibelungen Liet, ein Rittergedicht aus -dem XIII. oder XIV. Jahrhundert. Zum ersten Male aus der Handschrift -ganz abgedruckt“. Myller legte Bodmers Ausgabe zugrunde und fügte -den ersten Teil aus einer Bodmer gehörigen Abschrift hinzu; als -Bodmer sich seinerzeit diese Ergänzung zu seinem Texte aus Hohenems -verschaffte, war aber ein Irrtum untergelaufen: in Hohenems lagen ja -zwei Handschriften, nämlich außer ~C~, auf der Bodmers Ausgabe beruht, -noch ~A~; letztere wurde zufälligerweise zur Ergänzung benutzt, und so -stellt sich die erste vollständige Nibelungen-Ausgabe in ähnlicher Art -als Mischtext dar, wie es um 1300 mit der Gruppe ~Db~ und um 1450 mit -der Bearbeitung ~k~ der Fall war. Daß die Handschriften ~C~ und ~A~ -im Texte ziemlich weit voneinander abstehen, konnte man um 1780 noch -nicht beurteilen. Das Werk war, wie gesagt, keinem Geringern gewidmet -als Friedrich dem Großen, und ihm natürlich auch ein Exemplar übersandt -worden. Dafür hat sich der König in einem höchst charakteristischen und -eigentümlichen Briefe bedankt, aus dem hervorgeht, daß damals die Zeit -des Verständnisses für unsere ältere Literatur noch nicht gekommen war, -am allerwenigsten Friedrich dem Großen, der ja nicht einmal an der eben -neuerblühten deutschen Literatur irgendwelchen Anteil nahm. Der Brief -lautet: - - Hochgelahrter, lieber getreuer. - - Ihr urtheilt, viel zu vortheilhafft, von denen Gedichten, aus dem - 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur - Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner - Einsicht nach, sind solche, nicht einen Schuß Pulver, werth; und - verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit, gezogen zu - werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens, würde Ich, dergleichen - elendes Zeug, nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon - eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal, in der dortigen - großen Bibliothec, abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem - nicht, Euer sonst gnädiger König - - Potsdam, d. 22. Februar 1784. Frch. - - -Der Brief wird auf der Züricher Bibliothek unter Glas und Rahmen -aufbewahrt. Er ist geschrieben nach Vollendung des ersten Bandes der -Sammlung, der außer den Nibelungen noch die Eneit, den Parzival und -den Armen Heinrich enthält, bezieht sich also nicht ausschließlich auf -unser großes Epos (der König spricht ja auch von „denen Gedichten“); -man hat deshalb neuerdings geglaubt, die Nibelungen von des Königs -hartem Urteil entlasten zu dürfen. Allein das ist vergebliches Bemühen: -sie gehören eben gleich als erstes mit zu „denen Gedichten“, und es -wäre sehr merkwürdig, wenn Friedrich bei seiner, wenn auch einseitigen, -doch offenbar ehrlichen Kenntnisnahme gerade am ersten Stücke -vorübergegangen wäre. Vom Standpunkte des Königs Friedrich ist diese -Mißachtung unsers Gedichts wohl zu verstehen, denn wir müssen erst von -seinen Anschauungen hinweg über Goethe bis in die Romantik hinein, ehe -wir wirklich Interesse und Geschmack für unsere alte Vergangenheit -erwarten dürfen. - -Wichtig für die weitere Entwicklung unserer Kenntnis des alten Liedes -sind die Vorlesungen, die August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1802 -und 1803 in Berlin gehalten hat. Diese Vorlesungen sind zwar nicht -gedruckt worden, allein es wohnte ihnen ein Mann bei, der dann sein -ganzes Leben der Germanistik und in erster Linie dem Nibelungenliede -gewidmet hat, Friedrich Heinrich von der Hagen. Er hat zuerst im Jahre -1807 den Versuch gemacht, eine Erneuung des Liedes zu schaffen, d. -h. die alte Sprachform der neuhochdeutschen im äußern Gewande, der -Orthographie, vielleicht auch in der Wortwahl, so weit anzunähern, -daß man den alten Text zur Not mit Verständnis lesen konnte. Diese -Erneuung ist nun freilich noch keine Übersetzung; ohne Wörterbuch -kommt Hagen noch nicht aus; sie bedeutet aber einen gewaltigen Schritt -vorwärts, auch insofern, als hier zum ersten Male die strophische Form -der alten Dichtung erkannt war. 1810 ließ Hagen seine erste Ausgabe -des alten Textes erscheinen; freilich bot sie (und ebenso die bald -darauf geschaffene, eingangs erwähnte Zeunesche) noch die Myllersche -Handschriftenmischung. Doch bald darauf erkannte Hagen den bisher -obwaltenden Irrtum, und in der zweiten, 1816 erschienen Auflage seiner -Ausgabe hat er die St. Galler Handschrift (~B~) zugrunde gelegt und so -zum ersten Male einen authentischen Text dargeboten. In seinem langen, -bis 1856 währenden Leben hat er am Liede immer weiter gearbeitet. - -Die erste kritische Ausgabe unseres Gedichtes lieferte 1826 Karl -Lachmann; er legte den von der Hohenems-Münchner Handschrift ~A~ -gebotenen Text zugrunde, weil er ihn, als den kürzesten, auch für den -ältesten hielt; alle übrigen Handschriften enthielten nach seiner -Meinung nur Überarbeitungen, also ~B~ sollte auf Grund von ~A~, ~C~ -auf Grund von ~B~ entstanden sein usw. Mit seiner Anschauung vom -Werte der überlieferten Texte verband Lachmann seine Theorie vom -Ursprunge des Gedichtes, die er bereits 1816 in seiner Schrift „Über -die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth“ -dargelegt hatte und 1836 unter dem Titel „Zu den Nibelungen und zur -Klage: Anmerkungen“ im einzelnen ausführte. Er nahm an, daß der Text -nichts weiter sei, als die Überarbeitung einer Sammlung von zwanzig -an sich selbständigen Liedern, die im allgemeinen inhaltlich eins auf -das andere folgten und, wenn nötig, durch eingelegte Zwischenstücke -verbunden worden wären; auch glaubte er, diese Lieder noch in allen -Einzelheiten wiederherstellen zu können. Er stützte sich bei seiner -Arbeit auf das häufige Wechseln des Tones, das er allerdings, wie man -zugestehen muß, mit großer Sicherheit herausempfunden hat, sowie auf -das Vorhandensein mehrerer Widersprüche. Von letzteren sind zwei (der -bei der Verwechslung von ~Treisenmûre~ und ~Zeizenmûre~ obwaltende -und derjenige, der Dankwarts Lebensalter betrifft) bereits vorhin (S. -105 und 85) erörtert worden; ein dritter besteht darin, daß Günther -in Str. 911 (Bartsch) die Jagd, auf der Siegfried ermordet werden -soll, im Wasgenwalde ansetzt, während sie doch dann, von Worms aus -gerechnet, jenseits des Rheines stattfindet; er erledigt sich nach -unserer vorhin vorgetragenen Anschauung als einfacher Schreibfehler -der Grundhandschrift der Not-Gruppe. -- Ferner war Lachmann, als er -sich dem Nibelungenliede zuwandte, beeinflußt von der Homerkritik -Friedrich August Wolfs; er glaubte dessen für das griechische Altertum -gültige Anschauungen auf das deutsche Mittelalter übertragen zu -dürfen; daß dies nicht angängig ist, bedarf heute wohl kaum einer -Widerlegung. Immerhin gewährt die Liedertheorie stellenweise die -einzige Möglichkeit, Fragen, die der überlieferte Text dem gelehrten -Kritiker stellt, zu lösen, und wir haben sie selbst, wenn auch in -bescheidenem Umfange, bei der Untersuchung des Stoffes angewendet; es -ist nur keineswegs angängig, eine Lösung auf dem Wege anzustreben, daß -man nebeneinander liegende Stücke einfach wie mit einem Scherenschnitte -voneinander trennt; übereinander liegen die Schichten, die die lange -Entwicklung des Stoffes abgesetzt hat, nicht nebeneinander. - -Bei der Abgrenzung der echten und unechten Teile im einzelnen hat -sich Lachmann von der Vorstellung leiten lassen, daß jedes „echte“ -Lied aus einer Anzahl von Strophen bestehe, die durch sieben teilbar -sein müsse. Er hat sich darüber nicht geäußert; erst kurz nach seinem -1851 erfolgten Tode erkannte Jakob Grimm dies merkwürdige Verhältnis. -Lachmanns unbedingte Anhänger versuchten auch die Geltung der -Siebenzahl zu erhärten, doch ohne irgendwelche schlagenden Gründe. - -Nachdem die Meinung, daß der echte Nibelungentext allein in der -Handschrift ~A~ vorliege, ein Menschenalter hindurch unbedingt -geherrscht hatte, traten im Jahre 1854 kurz nacheinander zwei -Gelehrte mit der Ansicht hervor, daß der echte Text vielmehr durch -die Hohenems-Laßbergische Handschrift ~C~, als die vollständigste und -inhaltlich am besten abgerundete von allen, repräsentiert werde, ~B~ -aber und gar erst ~A~ verkürzende Bearbeitungen des in ~C~ vorliegenden -Originales seien; es waren Adolf Holtzmann („Untersuchungen über das -Nibelungenlied“) und Friedrich Zarncke („Zur Nibelungenfrage“); sie -verwarfen natürlich auch die Liedertheorie und behaupteten einheitliche -Konzeption des Gedichtes. Ihr Auftreten war das Zeichen zum Ausbruche -eines heftigen, mit großer Hitze geführten Gelehrtenstreites; -er ist begreiflich, denn während Lachmann von dem kürzesten und -schlechtesten Texte ausgegangen war, verfielen Holtzmann und Zarncke -in das entgegengesetzte Extrem, indem sie den längsten, zweifellos -interpolierten Text zugrunde legten (auch in ihren, zuerst 1857, bez. -1856 erschienenen Ausgaben). - -Einen vermittelnden Standpunkt nahm zuerst Karl Bartsch ein; nachdem -er ihn bereits 1862 auf einer Philologenversammlung geltend gemacht -hatte, legte er ihn im einzelnen dar in seinen 1865 erschienenen -„Untersuchungen über das Nibelungenlied“. Nach seiner Meinung ist -der Originaltext verloren; wir besitzen nur zwei zu Ende des 12. -Jahrhunderts entstandene und im wesentlichen durch die Handschriften -~B~ und ~C~ repräsentierte Überarbeitungen desselben; diese -Überarbeitungen sollen durch den Umstand veranlaßt sein, daß das -Original in seiner Reimtechnik noch ziemlich unvollkommen gewesen -sei; die fortgeschrittenere Kunst des ausgehenden 12. Jahrhunderts -habe reinere Reime verlangt und dadurch zwei Männer, die voneinander -nichts wußten, bewogen, das Original im wesentlichen reimbessernd zu -überarbeiten. - -Bartschs Theorie hat sich viel Anhänger erworben, besonders in der -Anschauung, daß die Handschrift ~B~ zwar nicht das Original, wohl aber -einen diesem sehr nahestehenden Text biete; dagegen hat die Meinung, -daß Reimungenauigkeit die Ursache der doppelten Überarbeitung sei, -fortgesetzt an Boden verloren, weil 1) die große Mehrzahl aller Reime -beiden Bearbeitungen eigen ist, also aus dem Original stammt, aber auch -ohne Tadel ist, und 2) Bartsch so verfährt, als ob jede Abweichung der -beiden Texte voneinander lediglich durch ungenauen Reim des Originals -veranlaßt sein könnte. In dieser Beziehung ist Bartschs Theorie durch -Hermann Paul („Zur Nibelungenfrage“, 1876) wesentlich modifiziert -worden; er gibt zwar zu, daß ~B~ und ~C~ Paralleltexte sind, die auf -ein verlorenes Original zurückweisen, lehnt aber die Begründung der -Abweichungen auf Reimungenauigkeiten des Originals ab. - -Wesentlich gefördert, besonders in bezug auf die Bestimmung -aller einzelnen Handschriften, ist neuerdings unsere Kenntnis -worden durch die schon erwähnte Schrift von Wilhelm Braune „Die -Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes“ (1900); auch ihm sind -~B~ und ~C~ im wesentlichen Paralleltexte, doch steht nach seiner -Meinung ~B~ dem Original so nahe, daß es für dasselbe gelten kann; -~C~ dagegen ist für Braune eine allmählich entstehende planmäßige -Überarbeitung: ihr Autor soll längere Zeit an ihr tätig gewesen sein, -die erste Stufe seiner Arbeit in ~d~ und ihren nächsten Verwandten, -die zweite desgleichen in ~I~ und die vollendete erst in ~C~ uns -vorliegen; es ist die vorhin eingehend erörterte, schwierig zu -beurteilende Handschriftengruppe Id, die Braune zu dieser immerhin -seltsamen Anschauung veranlaßt hat. Wie diese Gruppe auch einzuordnen -sein mag, jedenfalls steht heutzutage fest, daß ~B~ dem Originale des -Gedichtes am nächsten steht, daß ~C~ stark überarbeitet ist, und daß -~A~ auf irgendwelchen selbständigen Wert keinerlei Anspruch machen -kann; alles übrige mag immer noch nach subjektivem Empfinden beurteilt -werden. - -Es konnte an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, alle Arbeiten zu -erwähnen, die unsere Kenntnis von Nibelungenlied und Nibelungensage -gefördert haben; nur die Marksteine der Entwicklung unserer Kenntnis -sollten hervorgehoben werden, und das ist geschehen, soweit die -wissenschaftliche Seite in Frage kommt; nicht geringer aber ist das -Verdienst derjenigen, die in erster Linie dahin gewirkt haben, die alte -Dichtung unserm Volke wieder näher zu bringen, der Übersetzer und der -modernen Bearbeiter. Von jenen erwähne ich nur Karl Simrock, der seine -Übersetzung bereits 1827 erscheinen ließ; heute (1906) liegt sie in -58. Auflage vor; sie ist diejenige, die sich am treuesten von allen -dem Original anschmiegt, und deshalb besonders geeignet zur ersten -Einführung in das Verständnis des alten Gedichtes. Daher habe ich sie -1909 für Meyers Klassiker-Ausgaben neu herausgegeben, sowie mit einer -Einleitung und den Text Schritt für Schritt begleitenden Anmerkungen -versehen. - - - - -IX. - -Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage. - - -Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine ganze Reihe von Dichtern -ihre Stoffe aus dem alten Liede und aus den verwandten Gebieten -entnommen; in moderner, freier Weise sind sie unter Bewahrung ihrer -dichterischen Selbständigkeit auf Grund der alten Sage dichterisch -wirksam gewesen; sie alle hier aufzuzählen und durchzusprechen, wäre -ganz unmöglich; nur die drei bedeutendsten, Richard Wagner, Friedrich -Hebbel und Wilhelm Jordan, sollen erwähnt und gewürdigt werden. In -der Reihenfolge wie sie eben genannt sind, haben sie ihre Texte -verfaßt, aber ihre Wirkung hat sich in ganz anderer Folge geltend -gemacht. Wagner war unter ihnen der erste, der sich als moderner -Dichter des alten Stoffes bemächtigte. Er hat sein dramatisches -Gedicht „der Ring des Nibelungen“ im Jahre 1853 vollendet, in der -Zeit seines Aufenthaltes in Zürich, als er infolge seiner Beteiligung -an der Dresdener Revolution in der Verbannung lebte. In Zürich stand -er in Beziehung zu den Gelehrten der Universität, besonders dem -Germanisten Ludwig Ettmüller; man erkennt aus der Art, wie Wagner den -Stoff angreift, sehr deutlich den damaligen Stand der Wissenschaft, -insbesondere der Sagenforschung. Wagner ist durchaus von ihm abhängig, -ein Umstand, aus dem man Wagner natürlich keinen Vorwurf machen kann. -Eher kann man ihm vorwerfen, daß er (obgleich er als Dichter das Recht -dazu hat) gar so willkürlich mit dem Stoffe umspringt. Er hat die -Erzählung auf der einen Seite nur bis Siegfrieds Tod durchgeführt, -so daß der ganze grandiose zweite Teil vollständig wegfällt; auf -der andern Seite hat er die Geschichte der Siegfriedsage, verführt -durch die damalige Anschauung der Mythenforscher, in die Göttersage -hinaufgehoben. - -Sein Werk besteht aus vier Teilen: Dem Vorspiel „Rheingold“ und den -drei Teilen der Trilogie „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. --- Im „Rheingold“ schildert Wagner im Anschluß an die Darstellung -der Edda, aber unter ganz freier Umgestaltung dieser Geschichte, die -Herkunft des Ringes. Dieser Ring ist das wesentlichste Stück des -Hortes, denn er kann den Hort immer neu gebären; solange der Ring -existiert, wird der Hort nicht kleiner. „Der Ring des Nibelungen“ -heißt Wagners Gedicht. Der Nibelunge, den der Titel meint, ist der -ursprüngliche Besitzer des Rings. Im „Rheingold“ also wird erzählt, wie -diesem ursprünglichen Besitzer, der ein Abbild des Zwerges Andvari der -Edda ist, der Hort entrissen wird. - -In der „Walküre“ wird entwickelt, wie die Walküre Brynhild dazu -kommt, sich Wodans Willen zu widersetzen, so daß sie vom Gotte -bestraft und in Schlaf versenkt wird; diese von uns als jüngste -Fassung charakterisierte Form der Brynhild-Geschichte hat Wagner als -Grundlage gewählt, weil der Gott hier tätig eingreift; Wagner geht von -der Voraussetzung aus, daß die Beziehungen der Nibelungensage zu den -Göttern alt seien; ja, er hat die Entwicklung der Nibelungengeschichte -direkt als einen Teil der Entwicklung der Göttergeschichte hingestellt. - -Im zweiten Hauptteile „Siegfried“ wird dann geschildert, wie der junge -Siegfried aufwächst, den Drachen tötet und die Walküre befreit. - -Im dritten Teile sehen wir ihn zunächst die Walküre verlassen und dann -plötzlich in die Gewalt der Gegner verfallen, die dargestellt werden -als echte Nibelungen, als Angehörige des ursprünglichen Besitzers -des Ringes. „Götterdämmerung“ heißt dieser letzte Teil, weil mit dem -Untergange Siegfrieds der Untergang der alten Götterwelt nach Wagners -Auffassung besiegelt ist; unter „Götterdämmerung“ versteht man infolge -eines seltsamen Irrtums die Eschatologie der Nordgermanen. Ursprünglich -lautet das Wort, das man sich mit „Götterdämmerung“ wiederzugeben -gewöhnt hat, ~ragna rok~, d. i. Götterschicksal, also ein ganz -passender Ausdruck für das, was man sich in der spätnordischen Zeit -kurz vor Einführung des Christentums als Entwicklung der Götterwelt -dachte; später mißverstand man ihn, weil man nicht mehr ~ragna rok~ -las, sondern ~ragna rökkr~, d. i. Götterverfinsterung; diesen an sich -kaum verständlichen Ausdruck hat man im Deutschen mit „Götterdämmerung“ -wiedergegeben; so hat dies Wort den Sinn von „Weltuntergang“ erlangt. - -Was das Formale bei Wagner angeht, so hat er seine Dichtung in -stabreimenden Versen abgefaßt, und zwar wechselt er nach Belieben, -aber geleitet von einem bestimmten rhythmischen Gefühl zwischen zwei- -und dreihebigen stabreimenden Versen ab. Daß er in der Behandlung der -einmal gewählten Form glücklich gewesen ist, kann man nicht behaupten. -Gewiß würde Wagners Dichtung schwerlich irgendwelchen Einfluß erlangt -haben, wenn Wagner nur Dichter, nicht auch der große Komponist gewesen -wäre. Aber die Komposition des Ringes ist erst mehr als 20 Jahre später -bekannt geworden: zum ersten Male wurde sie in Baireuth im August 1876 -vorgeführt. Mit dieser seiner so wirkungsvollen Komposition hat Wagner -allerdings für die Wiederbelebung des Interesses an der alten Sage das -Höchste beigetragen, durch sein großes Tonwerk hat er für sie wohl am -allertiefsten und mächtigsten gewirkt. Um so mehr darf man bedauern, -daß er, unbeschadet wundervoller Einzeldarstellung (besonders im -Siegfried), dem Geiste der alten Sage so wenig gerecht geworden ist. - -Der nächste, der sich an den alten Stoff gewagt hat, ist Hebbel. Er -ließ im Jahre 1862 die große Dichtung „Die Nibelungen“ erscheinen, -abermals ein Drama; es umfaßt ein Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ und -zwei fünfaktige Trauerspiele „Siegfrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“. -„Siegfrieds Tod“ entspricht im wesentlichen dem ersten, „Kriemhilds -Rache“ im wesentlichen dem zweiten Teile unseres Nibelungenliedes. -Im Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ wird nur geschildert, durchaus -im Anschluß an unser Lied, wie Siegfried in Worms erscheint und -aufgenommen wird. Der Titel „Der gehörnte Siegfried“ ist von Hebbel -natürlich unter dem Einfluß des Volksbuches gewählt. Hebbels Form ist -die seit den Zeiten unserer Klassiker im Drama übliche, der fünfhebige -Blankvers. Inhaltlich schließt sich Hebbel so genau wie nur irgend -möglich an unser Nibelungenlied an, und man kann nicht genug die -Kunst bewundern, mit der er es versteht, diesen doch manchmal recht -spröden Stoff aus dem Epischen ins Dramatische umzusetzen und damit -notwendigerweise die vielen Anstöße, die sich bei der Betrachtung des -Liedes aufdrängen, zu umgehen oder zu beseitigen. Mit virtuoser Kunst -hat Hebbel das durchgeführt, und seine Arbeit dürfte unter den hier -zu besprechenden bei weitem am besten gelungen sein. Vor allen Dingen -ist er möglichst treu, nimmt den Stoff, wie er gegeben ist, und tut -nicht allzuviel Eigenes hinzu. Das Hinzufügen neuer Gedanken soll -damit natürlich nicht allgemein verurteilt werden, allein es bringt -bei der Behandlung alter Stoffe doch die Gefahr mit sich, daß es von -der Grundlage fühlbar absteht und den Eindruck von grellen Mißtönen -hervorruft. Mit feiner Empfindung ist Hebbel daher im Hineinbringen -neuer, eigener Gedanken sehr sparsam verfahren; eigentlich hat er nur -zwei selbständige Zutaten gebracht: die eine besteht in der Art, wie -er Brünhilt zur Zeit, da sie als Mädchen in Island lebt, auffaßt; -ihr wird eine alte Magd, namens Fricka, an die Seite gestellt, die -sie erzogen hat und gewissermaßen die alte Zeit, das alte Heidentum, -repräsentiert; Brünhilts Person wird hauptsächlich durch das Hinzufügen -dieser Fricka in eine übernatürliche, göttliche Sphäre hinaufgehoben. -Die andre Zutat liegt in der am Schlusse der ganzen Dichtung erst -deutlicher hervortretenden Auffassung Dietrichs von Bern. Auf welche -Weise Dietrich an den Hof des Hunnenkönigs gekommen ist, läßt Hebbel -einigermaßen im unklaren; er behauptet, Dietrich sei freiwillig, -ohne durch irgendwelche äußern Umstände genötigt zu sein, an den Hof -Etzels gekommen unter dem Einfluß gewisser übernatürlicher, mythischer -Gewalten. Dietrich selbst erzählt einmal, wie er in einem Brunnen die -Stimmen der Unterirdischen belauscht habe; damit wird sein Entschluß -begründet, freiwillig in die Dienste eines andern Königs zu treten, -obgleich er selbst ein König und dem erwählten Herrn mindestens -ebenbürtig ist. Dietrich vertritt bei Hebbel die neue Zeit. Er -verwaltet in der großen Tragödie ein göttliches Richteramt und spricht -das Schlußwort: - - Im Namen dessen, der am Kreuz erblich. - -Dietrich ist also bei Hebbel der Vertreter des Christentums, wie -andrerseits Brünhilt die Vertreterin des germanischen Heidentums ist. -Diese beiden Pole stellt der Dichter einander gegenüber, und als -Übergang und Verbindung beider denkt er sich die Ereignisse unseres -Liedes. - -Das ist im wesentlichen alles, was Hebbel aus Eigenem zu dem sonst -treu bewahrten Inhalt des Liedes hinzugetan hat; man empfindet leicht, -daß dies Wenige schon über das eigentliche innere Wesen der alten -Sage hinausgeht; auch Hebbel ist in seinen Zutaten nicht glücklich -gewesen, wenn er auch nicht so weit, wie vor ihm Wagner und nach ihm -Jordan, von der alten Sage abgewichen ist. Hebbels Werk wird erst -neuerdings anerkannt, doch noch lange nicht genug gewürdigt; sicher -ist er derjenige, der einerseits den alten Stoff sich am innigsten -zu eigen gemacht und andrerseits mit der größten dramatischen Kunst -zur Darstellung gebracht hat. In der Zeit, da die „Nibelungen“ -erschienen, stießen sie auf Unverstand und Übelwollen; es erschien -eine (übrigens gar nicht so üble) Parodie des Hebbelschen Werkes unter -dem Titel „Die Niegelungnen“, wenn ich nicht irre, aus der Feder des -Humoristen Glasbrenner, der sich Brennglas nannte.[58] Immerhin -- -auch in der Verspottung liegt ein Maß von Anerkennung; Wertloses lohnt -die Mühe des Parodierens nicht; und in diesem Sinne der (vielleicht -unbeabsichtigten) Anerkennung können wir Glasbrenners Scherze wohl -gelten lassen. - -Der dritte namhafte moderne Bearbeiter unserer alten Sage ist Wilhelm -Jordan. Er hat im Anschluß an Homer und unter dem bewußten Bestreben, -ein deutscher Homer zu werden, die alte Sage behandelt; schon in der -äußern Form seiner Dichtung „Die Nibelunge“ erkennt man dies Streben. -Während Wagner und Hebbel Dramatiker sind, ist Jordan Epiker. Er -gliedert seinen Stoff in zwei umfangreiche Epen, „Sigfridsage“ und -„Hildebrands Heimkehr“ betitelt. Jedes dieser Epen umfaßt 24 Gesänge, -genau nach dem Vorbilde der Einteilung Homers. Die gewählte Form ist -ein freifließender Vers, stichisch wie der Hexameter des griechischen -Vorbildes; mit großem Geschick hat Jordan nicht den für das deutsche -Epos doch so fremdartig anmutenden, wenig geeigneten Hexameter gewählt, -sondern den altgermanischen stabreimenden Vers nachzubilden gesucht. - -Die Anlehnung an Homer ist, wie gesagt, bei Jordan bewußt; ist er doch -sogar als Rhapsode, als wandernder Sänger in Deutschland und Amerika -herumgezogen und hat seine eigenen Dichtungen vorgetragen. Und gerade -sprachlich sind sie von wunderbarer Schönheit; wenig eignet sich so zum -Vorlesen, wie Jordans „Nibelunge“ wegen der reinen Musik ihrer Sprache. - -Was den Inhalt angeht, so hat sich Jordan in der Sigfridsage im -wesentlichen an den alten Stoff gehalten, und zwar in ziemlich -menschlicher Auffassung der alten Erzählung. Insofern ist er also der -alten Sage wohl gerecht geworden. Selbstverständlich behandelt er in -dem Gedichte „Sigfridsage“ nur ihren ersten Teil. Den zweiten hat er -als Episode in sein zweites Epos, „Hildebrands Heimkehr“, verwiesen; -in diesem hat er sich freilich hinreißen lassen, sehr viel aus Eigenem -hinzuzutun; der ganze Rahmen von „Hildebrands Heimkehr“ ist Jordansches -Eigentum, die alte Sage ist ganz frei behandelt, sogar mit Ausblicken -auf modernste Geschichte, und so geht denn „Hildebrands Heimkehr“ -weit über den Inhalt unserer Nibelungensage hinaus. -- Die Dichtungen -Jordans sind erschienen: „Sigfridsage“ 1867 und 68, „Hildebrands -Heimkehr“ 1874. - -In der Art, wie Jordan den altgermanischen Vers auf die heutige -Sprachform anwendet, beweist er großes formales Geschick: jeder Vers -hat bei ihm vier Hebungen, die durch ein- bis zweisilbige Senkungen -getrennt sind, und ist in der Mitte durch einen Einschnitt gegliedert. -Der Stabreim verbindet (in der Regel) mindestens je eine Hebung vor -und nach dem Einschnitt miteinander; doch weicht Jordan vom Gesetz des -altgermanischen Verses insofern ab, als er nicht mehr die dritte Hebung -(d. i. die erste der zweiten Vershälfte) unter allen Umständen mit -Stabreim versieht, für den Schmuck des Verses also nicht mehr maßgebend -sein läßt; zu dieser Abweichung berechtigt Jordan die Entwicklung -unserer Sprache: altgermanische Syntax stellt bei Verbindung zweier -Nomina das höher betonte unbedingt voran; eben dies aber mußte und -muß den Stabreim tragen, soll er hörbar sein; wir ordnen heute die -Wortfolge in der Regel umgekehrt, stellen also z. B. auch ein wenig -wichtiges Adjektiv vor das zugehörige Substantiv; davon ist die -notwendige Folge, daß bei ungezwungenem Bau stabreimender Verse viel -eher die vierte Hebung wichtig wird als die dritte. Um einen Begriff -von Jordans Weise zu geben, setze ich den Eingang des ersten Gesanges -der „Sigfridsage“ hierher: - - Zu =s=üßem Ge=s=ang, unsterbliche =S=age, - Laß =m=ich nun dein =M=und sein voll uralter =M=ären - Und =l=eg’ auf die =L=ippen das =L=ied von Sigfrid, - Dem =h=errlichen =H=elden mit furchtlosem =H=erzen, - Der den =H=üter des =H=ortes den =L=intwurm er=l=egte, - - Durch die =fl=ammende =Fl=ur auf =fl=üchtigem Rosse - Den =Br=autritt voll=br=achte und =Br=unhild erweckte, - Die der =z=ürnende =G=ott im =Z=auber=g=arten - Zu =schl=afen ver=d=ammt und mit =D=ornen um=schl=ossen. - -Von diesen neun Versen sind drei (3., 6., 7.) dreistäbig mit nach -alter Weise herrschender dritter Hebung, drei (1., 2., 4.) dreistäbig -mit herrschender vierter Hebung. Zwei (8., 9.) haben doppelten -Stabreim, insofern als in ihnen die erste Hebung mit der dritten (bzw. -vierten), die zweite mit der vierten (bzw. dritten) gebunden ist; solch -doppelter Stabreim kommt auch in der alten Zeit vor, doch immer so, daß -gleichhochbetonte Silben gleichen Anlaut aufweisen; der Stabreim der -minder betonten erscheint als etwas Nebensächliches und Zufälliges; -nach diesem Gesichtspunkte müßte Jordan zunächst in Vers 8 die zweite -Hebung mit der dritten, in Vers 9 die erste Hebung mit der dritten -gebunden haben; die Verse sind also falsch gebaut, ihr Reim würde bei -richtigem Vortrage ohne jede Wirkung sein. Falsch gebaut ist zweifellos -auch Vers 5, dessen beide Hälften nur in sich reimen, also auseinander -klaffen. - -Wagner, Hebbel und Jordan sind die bedeutendsten modernen Bearbeiter -der Nibelungensage; von ihnen steht, was die glücklichste Auffassung -der alten Sage, das tiefste Eindringen in ihren Geist angeht, -zweifellos Hebbel an erster, Wagner an letzter Stelle. Allein gerade -Wagner ist es natürlich, der am meisten dazu beigetragen hat, das -Interesse am heimischen Altertum in weitesten Kreisen zu erwecken: -durch die wunderbare musikalische Komposition seines „Ringes“, die -er zum ersten Male im August 1876 dem deutschen Volke und der ganzen -Kulturwelt darbot, hat er so gewaltig für die Kenntnis der alten Sage -gewirkt, daß jeder Freund derselben ihm größten Dank schuldig ist. - - - - -Anhang. - -Literatur. - - -Außer den im Verlaufe der Darstellung herangezogenen Werken sollen hier -noch diejenigen Schriften Erwähnung finden, welche am besten geeignet -sind, als Hilfsmittel zum Selbststudium zu dienen. - -Die umfassendste Ausgabe des Nibelungenliedes ist die von Karl -+Bartsch+: Der Nibelunge Not mit den Abweichungen von der Nibelunge -Liet, den Lesarten sämtlicher Handschriften und einem Wörterbuche. -I. Teil: Text, 1870. II. Teil, erste Hälfte: Lesarten, 1876. II. -Teil, zweite Hälfte: Wörterbuch, 1880. Wegen ihrer reichen Einleitung -besonders empfehlenswert ist die Ausgabe von Friedrich +Zarncke+: Das -Nibelungenlied, 6. Auflage 1887; sie gibt freilich nur den Text ~C~, -kann aber zusammen mit Karl +Lachmanns+ Ausgabe (Der Nibelunge Noth -und die Klage nach der ältesten Überlieferung mit Bezeichnung des -Unechten und mit den Abweichungen der gemeinen Lesart, fünfte Ausgabe -1878) fürs erste die Ausgabe von Bartsch vertreten. Bloße Textabdrücke -nach Lachmann oder Zarncke sind wertlos. -- +Bartsch+ hat auch die -beste Ausgabe der +Klage+ geliefert (1875, mit den Lesarten sämtlicher -Handschriften). - -Für die sog. Edda ist zu empfehlen Karl +Hildebrands+ Ausgabe: -Die Lieder der älteren Edda, 2. Auflage 1904, besorgt von Hugo -+Gering+, und des ebengenannten mustergültige Übersetzung (in Meyers -Klassiker-Ausgaben). - -Die nordischen Sagatexte sind am leichtesten zugänglich durch die -„Altdeutschen und altnordischen Helden-Sagen“, übersetzt von Friedrich -Heinrich v. d. Hagen, 1. und 2. Band: Wilkina- und Niflungasaga[59] (3. -Ausgabe 1872), 3. Band: Wolsunga- und Ragnarssaga (2. Auflage, besorgt -von Anton Edzardi, 1880). Sie alle sind in deutscher Wiedergabe auch -enthalten in dem umfassenden Werke von August +Raßmann+, „Die deutsche -Heldensage“ (2. Ausgabe 1863); seiner Reichhaltigkeit wegen ist dies -Buch sehr zu empfehlen, doch kann man es nur mit größter Vorsicht -benutzen, da Raßmann den Stoff nach vorgefaßten haltlosen Meinungen -willkürlich geordnet hat. - -Von Schriften über Lied und Sage seien außer den gelegentlich zitierten -erwähnt: Karl +Müllenhoff+, Zur Geschichte der Nibelungensage -(Zeitschrift für deutsches Altertum, Band X, 1855); Wilhelm +Wilmanns+, -Beiträge zur Erklärung und Geschichte des Nibelungenliedes, 1877; -Emil +Kettner+, Die österreichische Nibelungendichtung, 1897, -und besonders Wilmanns’ eingehende, an feinen Bemerkungen reiche -Besprechung des Lichtenbergerschen Buches ~Le poème et la légende des -Nibelungen~ (im Anzeiger für deutsches Altertum, Band XVIII, 1892); -endlich +Boer+, Untersuchungen über den Ursprung und die Entwicklung -der Nibelungensage, 3 Bände, 1906-9. Eine gute Übersicht über die -Bibliographie gibt jetzt Theodor +Abeling+, Das Nibelungenlied und -seine Literatur, 1907, dazu ein Supplement 1909; eine glänzende -Einführung in die Geschichte des Auferstehens des alten Epos bietet -Josef +Körner+, Nibelungenforschungen der deutschen Romantik, 1911. - - - - -Namenregister. - - -Die Zahlen bedeuten die Seiten. - - A - - Abeling, Theodor 138. - - Aetius 67. - - Agnar 21. - - Alberich 34, 39. - - Aldrian 63, 92. - - Alf 18, 20. - - Alphart 118. - - Alsvinn 22. - - Alzei 49. - - Ambras, Schloß 102. - - Amelreich 47. - - Ammius 95. - - Andvari 19, 131. - - Arnulf, König 3. - - Aslaug 21, 29. - - Athanagild 74, 75. - - Atli 7, 24, 26 ff., 78, 90. - - Attila 9, 53, 56, 63, 67 ff., 82 f., 86, 88 f., 91 f., 95 f., 99. - - - B - - Bartsch, Karl 51, 55, 85, 109, 112, 126, 128, 137. - - Bayreuth 132. - - Bechelaren 48, 98. - - Berlin 102, 125. - - Bikki 28. - - Bleda 69, 95, 99. - - Bleyer 106. - - Blödel 51, 85, 99. - - Bodmer 123 f. - - Boer 138. - - Borghild 17. - - Bragi der Alte 90. - - Braune, Wilhelm 34, 103, 128 f. - - Bremen 11. - - Brünhilt 37 ff., 73, 75, 85 ff., 94, 107, 133. - - Brunichild 74 ff., 81, 86, 89. - - Brüssel 80. - - Brynhild 6 ff., 21 ff., 29, 33, 59 ff., 76, 90, 131. - - Busch 111. - - - C - - Charibert 74. - - Cherka 99. - - Childebert 75. - - Childebrand 79. - - Chilperich 74 ff. - - Chloderich 77. - - Chlodowech 74, 77. - - Chlothachari I. 74. - - Chlothachari II. 75. - - - D - - Dankrat 33. - - Dankwart 37, 48, 50 ff., 61 f., 85, 107, 110, 126. - - Dietlind 48, 53. - - Dietmar 96 f. - - Dietrich von Bern 11 f., 48 f., 51 f., 54 ff., 60 ff., 93, 96 ff., - 111, 118 ff., 133. - - Donaueschingen 102. - - Dülmen 101. - - - E - - Eberhard der Greiner 32. - - Eckehard I. 81 ff., 112. - - Eckewart 48, 100. - - Eisenach 118. - - Elba 1. - - Else 47. - - Erka 99. - - Ermanarich 28, 94 f., 97. - - Ermanfrid 53. - - Ermenrich 94, 96, 98. - - Ernst, Herzog 107. - - Erp 27 f. - - Ettmüller, Ludwig 130. - - Etzel 7, 44 ff., 48 ff., 55 ff., 63 f., 84, 97 ff., 105, 107, 111, - 115, 120, 133. - - Etzelnburg 45, 48, 64. - - - F - - Fafnir 6, 18 ff., 25, 29, 59. - - Fitela 78. - - Florigunda 121 f. - - Fortunatus 74. - - Fredegund 74 ff. - - Fricka 133. - - Friedrich II., Kaiser 116. - - Friedrich II. von Preußen 124 f. - - - G - - Gailswinth 74 ff. - - Gelfrat 47. - - Gering, Hugo 13 f., 21, 137. - - Gernot 54, 65, 69, 94. - - Gernoz 94. - - Gertrud, Hl. 80. - - Gibaldus 121. - - Gibeche 23, 68. - - Gibica 23, 68, 69. - - Gibich 23, 33, 65, 68, 82, 121. - - Giselher 35, 48 f., 62, 65, 68 f. - - Gislaharius 68. - - Gjuki 13, 23 ff., 33, 68. - - Glasbrenner 134. - - Goar 66. - - Goethe 125. - - Gottsched 123. - - Gran 45. - - Gregor von Tours 74. - - Grimhild 23, 61 f., 69 f., 76, 87 ff., 91 ff. - - Grimilda 91. - - Grimm, Jakob 127. - - Gripir 6. - - Gudorm 23, 25, 69, 89. - - Gudrun 7, 23 ff., 27 ff., 33, 51, 63, 70, 78, 90, 95. - - Gundaharius 68. - - Gundebad 68. - - Gundicarius 66 ff., 76 f., 86. - - Gundomar 68 f. - - Gunnar 23 ff., 39, 62, 67, 69, 81, 90. - - Gunthchramn 74, 76. - - Günther 23, 33 ff., 45, 52, 54 f., 60 f., 63, 65, 67 f., 79, 81 f., - 85, 87 ff., 99. - - - H - - Hagen (von Tronje) 23, 34 f., 37, 42 f., 45 ff., 53 ff., 60 ff., 81 - ff., 88 f., 92, 99, 107, 110 f., 115. - - Hagen, F. H. von der 125 f., 137. - - Hamdir 8, 27, 95. - - Harfagri, Harald 29. - - Hawart 53. - - Hebbel, Friedrich 130, 132 ff., 136. - - Heimir 22, 24, 29. - - Heinrich III. 97. - - Heinrich der Vogler 119. - - Heinrich von Ofterdingen 118. - - Heinrich von Österreich 110. - - Helche 45, 95, 99. - - Helgi 17. - - Henning 111. - - Herche 95, 99. - - Hildebrand, Karl 137. - - Hildiko 69, 70, 86, 89. - - Hiltebrand 54 f., 62, 98 f. - - Hiltegund 82. - - Hjalmgunnar 21. - - Hjalprik 18. - - Hjordis 17 f. - - Hlymdalir 22. - - Hogni 23 ff., 69, 81. - - Högni 64. - - Hohenems 102, 123 f. - - Holtzmann, Adolf 34, 105, 123, 127. - - Homer 134. - - Hönir 19. - - Honorius 66 f., 96. - - Hreidmar 18 f. - - Hugdietrich 117. - - Hundeshagen 102. - - - I - - Idacius 67. - - Iring 53, 111. - - Irnfrid 53. - - Isung 58, 60, 63. - - - J - - Jason 73. - - Jonakr 27. - - Jordan, Wilhelm 87, 130, 134 ff. - - Jordanes 94 f., 98. - - Jormunrek 28. - - Jovinus 66. - - - K - - Karl der Große 36. - - Karl der Hammer 79. - - Kerka 95. - - Kettner, Emil 138. - - Kézai, Simon 106. - - Kindleben 121. - - Kirchheim 27. - - Konrad (Abt) 105. - - Konrad (Schreiber) 9, 93, 112 f. - - Konstantinopel 96. - - Kopenhagen 5. - - Körner, Josef 138. - - Kriemhilt 7, 23, 33, 35 f., 40 ff., 48 ff., 58, 65, 70, 93 f., 99 f., - 105, 110 f., 118 ff. - - Kudrun 90, 115 f. - - Kürnberger 111. - - - L - - Lachmann, Karl 101, 109, 111 f., 126 f., 137. - - Laßberg, Frhr. von 102. - - Laurin, König 117 f. - - Laward, Knut 91. - - Lazius 102. - - Leopold I. 110. - - Liudegast 36, 42. - - Liudeger 36, 42. - - Lodbrok, Ragnar 8, 21, 29. - - Loki 19. - - Lorsch, Kloster 105. - - Lyngbye 64. - - Lyngwi 17, 20. - - - M - - Magnus 91. - - Maihingen 102. - - Mainz 19, 67, 78, 105. - - Maximilian I. 102, 120. - - Medea 73. - - Meusebach 102. - - Mimir 59 f. - - Müllenhoff, Karl 111, 138. - - München 102. - - Münster 11. - - Myller 124, 126. - - - N - - Napoleon 1. - - Nibelung 34. - - Nikolaus, Abt 19. - - Nithart von Riuwental 105 f. - - Nivelles 80. - - Nudung 98. - - - O - - Obereit 123. - - Oddi 4. - - Oddrun 7. - - Odin 8, 14 f., 17, 19, 21 f. - - Odoaker 96 f. - - Ofen (Budapest) 45. - - Olaf 9. - - Ortlieb 46, 51 f. - - Ortnid 116 f. - - Otacker 96, 98. - - Otr 18 f. - - Otto der Große 97. - - - P - - Paderborn 19. - - Panzer, Fr. 106. - - Patafrid 82 f. - - Paul, Hermann 128. - - Pfeiffer 111. - - Pilgrim, Bischof von Passau 9, 93, 109, 113. - - Pipin der Ältere 80. - - Pipin der Mittlere 79. - - Pöchlarn 98. - - Poitiers 78. - - Procopius von Caesarea 95. - - Prosper Aquitanus 67. - - - R - - Randver 28. - - Raßmann, August 138. - - Ravenna 96 ff. - - Regin 6, 18 ff., 59. - - Reinmar der Alte 110. - - Rerir 8. - - Rheka 95. - - Rieger 111. - - Rietschel 78. - - Roethe, G. 112. - - Rüdeger von Bechelaren 45, 48, 50, 52 ff., 97 ff., 111. - - - S - - Sämund 5. - - Santen 34. - - Sarus 95. - - Saxo Grammaticus 95. - - Schilbung 34. - - Schlegel, Aug. Wilh. 125. - - Schönbach 116. - - Seifrid 10 f., 64 f., 119, 121, 123. - - Sibich 98. - - Siefjotli 16 f., 78. - - Siegfrid 6, 11, 16, 18, 34 ff., 49, 55 ff., 71, 73, 76 ff., 81, 83 - ff., 91, 94, 112, 118 ff., 131 f. - - Siegwart 76. - - Sîfrit 34. - - Sigebert 74 ff., 81. - - Sigelind 34. - - Sigemund 34, 41, 43 f., 78, 84. - - Siggeir 15 ff., 78. - - Sigi 8, 15. - - Sigmund 8, 15 ff., 20, 58, 60, 65, 78 f., 86. - - Signy 15 f., 18, 29, 78. - - Sigrdrifa 6, 21. - - Sigurd 6 ff., 13, 18, 20 ff., 33, 39 f., 76, 81. - - Simrock, Karl 102, 129. - - Sisibe 58. - - Siward 91. - - Soest 11. - - Sorli 27, 29, 95. - - Speier 67. - - Sterzing 101. - - St. Gallen 102, 106. - - Straßburg 67, 117. - - Sturluson, Snorri 4 f. - - Suanihilda 95. - - Svanhild 27 f., 55. - - Sveinsson, Brynjolf 5. - - Swemmel 84. - - - T - - Theodemer 96. - - Theodorich der Große 56, 96 f. - - Trajan 84. - - Troja 83 f. - - Tronje 83 f. - - Troye 83. - - Troyes 83. - - Trünne 83. - - Tryggvi 9. - - Tuln 45. - - - U - - Uhland 32. - - Ute 33, 105. - - - V - - Verona 49, 97. - - Vitry 75. - - Volker 49 f., 52 f., 64, 84, 110. - - Volsung 8. - - - W - - Wæls 15, 78. - - Wagner, Richard 8, 16 f., 130 ff., 134, 136. - - Wallerstein 102. - - Walther 82 f., 86, 115. - - Werbel 84. - - Wernher der Gärtner 119. - - Wieland 98. - - Wien 45 f., 105, 109. - - Wilmanns, Wilh. 138. - - Witig 98. - - Wodan 15. - - Wolf, Friedr. Aug. 127. - - Wolfdietrich 116 ff. - - Wolfhart 54, 99. - - Wolfram von Eschenbach 10, 105, 117. - - Wolsung 15 f. - - Worms 33 ff., 41 ff., 48, 57 f., 63, 65, 67, 77 f., 82, 112, 117 f., - 126, 131 f. - - - X - - Xanten 34, 84. - - - Z - - Zarncke, Friedrich 106, 127, 137. - - Zeizenmure 105, 126. - - Zeno 96 f. - - Zeune, August 1, 126. - - Zürich 130. - - - - - Druck von Hallberg & Büchting - (Inh.: Alfred Klepzig) in Leipzig. - - - - -Wissenschaft und Bildung - -Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens - - Im Umfange von 130-180 Seiten - Geh. 1 M. Originalleinenbd. 1.25 M. - - -Die Sammlung bringt aus der Feder unserer berufensten Gelehrten -in anregender Darstellung und systematischer Vollständigkeit die -Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung aus allen Wissensgebieten. -:: :: :: :: - -Sie will den Leser schnell und mühelos, ohne Fachkenntnisse -vorauszusetzen, in das Verständnis aktueller wissenschaftlicher -Fragen einführen, ihn in ständiger Fühlung mit den Fortschritten der -Wissenschaft halten und ihm so ermöglichen, seinen Bildungskreis -zu erweitern, vorhandene Kenntnisse zu vertiefen, sowie neue -Anregungen für die berufliche Tätigkeit zu gewinnen. Die Sammlung -„+Wissenschaft und Bildung+“ will nicht nur dem Laien eine belehrende -und unterhaltende Lektüre, dem Fachmann eine bequeme Zusammenfassung, -sondern auch dem Gelehrten ein geeignetes Orientierungsmittel sein, der -gern zu einer gemeinverständlichen Darstellung greift, um sich in Kürze -über ein seiner Forschung ferner liegendes Gebiet zu unterrichten. Der -weitere Ausbau der Sammlung wird planmäßig durchgeführt. Abbildungen -werden den in sich abgeschlossenen und einzeln käuflichen Bändchen nach -Bedarf in sorgfältiger Auswahl beigegeben. - -[Illustration] - -Über die bisher erschienenen Bändchen vergleiche den Anhang - - - - -Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig - -Naturwissenschaftliche Bibliothek für Jugend und Volk - - Geb. M. 1.80 - - Geb. M. 1.80 - -Herausgegeben von +Konrad Höller+ und +Georg Ulmer+. =Reich -illustrierte= Bändchen im Umfange von =140 bis 200 Seiten=. - -In die Liste der von den Vereinigten Jugendschriften-Ausschüssen -empfohlenen Bücher aufgenommen. - -=Aus Deutschlands Urgeschichte.= Von +G. Schwantes+. - - „Eine +klare und gemeinverständliche Arbeit+, erfreulich durch die - weise Beschränkung auf die gesicherten Ergebnisse der Wissenschaft; - erfreulich auch durch den lebenswarmen Ton.“ - - Frankfurter Zeitung. - - -=Der deutsche Wald.= Von Prof. ~Dr~. +M. Buesgen+. - - „Unter den zahlreichen, für ein größeres Publikum berechneten - botanischen Werken, die in jüngster Zeit erschienen sind, beansprucht - das vorliegende ganz besondere Beachtung. Es ist +ebenso interessant - wie belehrend+.“ - - Naturwissenschaftliche Rundschau. - - -=Die Heide.= Von +W. Wagner+. - - „Alles in allem -- +ein liebenswürdiges Büchlein+, daß wir in die - Schülerbibliotheken eingestellt wünschen möchten; denn es gehört zu - jenen, welche darnach angetan sind, unserer Jugend +in anregendster - Weise Belehrung+ zu schaffen.“ - - Land- u. Forstwirtschaftl. Unterrichtszeitung. - - -=Im Hochgebirge.= Von Prof. +C. Keller+. - - „Auf 141 Seiten entrollt der Verfasser ein so intimes, anschauliches - Bild des Tierlebens in den Hochalpen, daß man schier mehr Belehrung - +als aus dicken Wälzern+ geschöpft zu haben glaubt. Ein treffliches - Buch, das keiner ungelesen lassen sollte.“ - - Deutsche Tageszeitung. - - -=Die Tiere des Waldes.= Von Forstmeister +K. Sellheim+. - - „Die Sehnsucht nach dem Walde ist dem Deutschen eingeboren... Aber - wie wenig wird er dabei das Tierleben gewahr, das ihn da umgibt. Da - wird dieses Buch +ein willkommener Führer und Anleiter+ sein.“ - - Deutsche Lehrerzeitung. - - -=Unsere Singvögel.= Von Prof. ~Dr~. +A. Voigt+. - - „Mit nicht geringen Erwartungen gingen wir an Professor Voigts - neuestes Buch. Aber als wir nur wenige Abschnitte gelesen, da konnten - wir mit Freude feststellen, +daß diesmal der Meister sich selbst - übertroffen+....“ - - Nationalzeitung. - - - Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlags. - - - - -Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig. - - -Altgermanische - -Religionsgeschichte - -Von Dr. Richard M. Meyer - -a. o. Professor an der Universität Berlin - -665 S. Brosch. M. 16.-- In Originalleinenband M. 17.-- - -Das Werk gibt zunächst eine vollständige Darstellung der altgermanischen -Religion oder besser gesagt, der altgermanischen Religionen und -versucht auf dieser Grundlage eine Entwickelungsgeschichte der -germanischen Mythologie von den frühesten Spuren bis zum Uebergang in -das Christentum. Durchweg ist dabei der Standpunkt der +vergleichenden+ -Mythologie (im neueren Sinne des Wortes) eingehalten, der in zwei -einleitenden Kapiteln über typische Entwicklung der Mythologie und über -mythologische Formenlehre eingehend begründet wird. Daneben wird der -Einwirkung der Heldensage auf die Mythologie besondere Aufmerksamkeit -gewidmet. Durch die Vereinigung dieser verschiedenen Gesichtspunkte -ergeben sich eine Fülle neuer Probleme und neuer Erkenntnis, -wodurch das Werk einen höchst wertvollen Beitrag zur Wissenschaft -vom deutschen Geist und seiner Geschichte bildet, um so mehr, als -Verfasser allen auftauchenden, historischen, kulturgeschichtlichen, -allgemein-religionsgeschichtlichen und literarhistorischen Fragen -besondere Beachtung geschenkt hat. - -In der Darstellung ist größte Gemeinverständlichkeit angestrebt. -Alle speziellen wissenschaftlichen Erörterungen sind in Anmerkungen -verwiesen. Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, eine chronologische -Tabelle und mehrere Register erhöhen die Benutzbarkeit des Buches. - - -Prospekte unentgeltlich und postfrei - - - - -[Illustration] Naturwissenschaftliche Bibliothek [Illustration] - - -=Das Süßwasser-Aquarium.= Von +C. Heller+. - - „Dieses Buch ist nicht nur ein +unentbehrlicher Ratgeber+ für jeden - Aquarienfreund, sondern es macht vor allen Dingen seinen Leser mit - den interessanten Vorgängen aus dem Leben im Wasser bekannt ...“ - - Bayersche Lehrerzeitung. - - -=Reptilien- und Amphibienpflege.= Von ~Dr.~ +P. Krefft+. - - „Die einheimischen, für den Anfänger zunächst in Betracht kommenden - Arten sind +vorzüglich geschildert+ in bezug auf Lebensgewohnheiten - und Pflegebedürfnisse, -- die fremdländischen Terrarientiere nehmen - einen sehr breiten Raum ein.“ - - O. Kr. Pädagogische Reform. - - -=Die Ameisen.= Von +H. Viehmeyer+. - - „Viehmeyer ist allen Ameisenfreunden als +bester Kenner+ bekannt. Von - seinen Bildern kann man sagen, daß sie vom ersten bis zum letzten - Wort +der Natur geradezu abgeschrieben+ sind.“ - - Thüringer Schulblatt. - - -=Die Schmarotzer= der Menschen und Tiere. Von ~Dr.~ +v. Linstow+. - - „Es ist eine unappetitliche Gesellschaft, die hier in Wort und Bild - vor dem Leser aufmarschiert. Aber gerade jene Parasiten, die unserer - Existenz abträglich sind, gerade sie verdienen, von ihm nach Form und - Wesen gekannt zu sein, weil damit der erste wirksame Schritt zu ihrer - Bekämpfung eingeleitet ist.“ - - K. Süddeutsche Apotheker-Zeitung. - - -=Unsere Wasserinsekten.= Von +Georg Ulmer+. - - Für Freunde des Wassers, für Liebhaber von Aquarien ist dies Buch - geschrieben. Es bietet +eine Fülle von Anregungen+ und wird den Leser - veranlassen, selbst hinauszuziehen in die Natur, sie mit eigenen - Augen zu betrachten. - - -=Die mikroskopische Kleinwelt unserer Gewässer.= Eine Einführung in die -Naturgeschichte der einfachsten Lebensformen nebst kurzer Anleitung zu -deren Studium. Von +E. Reukauf+. - - „Nur wenige haben eine Ahnung von dem ungeheuren Formenreichtum und - eine auch nur annähernd richtige Vorstellung von dem Wesen jener - Mikroorganismen, die unsere Gewässer bevölkern. Als ein Schlüssel - hierzu wird das vorliegende Bändchen +vorzüglich geeignet+ sein....“ - - Deutsche Zeitung. - - -=Aus der Vorgeschichte der Pflanzenwelt.= Von ~Dr.~ +W. Gothan+. - - An einer solchen allgemeinverständlichen Einführung in die Geschichte - der Pflanzenwelt fehlte es bisher. Der Verfasser bespricht zunächst - die geologischen Grundbegriffe, geht dann auf die Art der Erhaltung - der fossilen Pflanzenreihe ein und schildert die Vorgeschichte der - großen wichtigsten Gruppen des Pflanzenreiches der Jetzt- und Vorzeit. - - - - -[Illustration] Naturwissenschaftliche Bibliothek [Illustration] - - -=Niedere Pflanzen.= Von Prof. ~Dr.~ +R. Timm+. - - „In dieser Weise führt das kleine Büchlein den Leser +in die gesamte - Welt+ der so mannigfachen Kryptogamen ein und lehrt ihn, sie - verständnisvoll zu beobachten.“ - - Naturwissenschaftliche Rundschau. - - -=Häusliche Blumenpflege.= Von +Paul+ F. F. +Schulz+. - - „Der Stoff ist mit großer +Übersichtlichkeit+ gruppiert, und der - Text ist so +faßlich+ und +klar+ gehalten, außerdem durch eine Fülle - von Illustrationen unterstützt, daß auch der Laie sich mühelos - zurechtfinden kann. ... Dem Verfasser gebührt für seine reiche, - anmutige Gabe Dank.“ - - Pädagogische Studien. - - -=Chemisches Experimentierbuch.= Von +O. Hahn+. - - Das Buch will jedem, der Lust zum chemischen Experimentieren hat, mit - einfachen Apparaten und geringen Mitteln eine Anleitung sein, für - sich selbst im Hause die richtigsten Experimente auszuführen. - - -=Die Photographie.= Von +W. Zimmermann+. - - „Das Buch behandelt die theoretischen und praktischen Grundlagen der - Photographie und bildet ein +Lehrbuch bester Art+. Durch die populäre - Fassung eignet es sich ganz besonders für den Anfänger.“ - - „Apollo“, Zentralorgan f. Amateur- u. Fachphotogr. - - -=Beleuchtung und Heizung.= Von +J. F. Herding+. - - „Ich möchte gerade diesem Buche, seiner +praktischen, ökonomischen - Bedeutung+ wegen, eine weite Verbreitung wünschen. Hier liegt, vor - allem im Kleinbetrieb, noch vieles sehr im argen.“ - - Frankfurter Zeitung. - - -=Kraftmaschinen.= Von Ingenieur +Charles Schütze+. - - „Schützes Kraftmaschinen sollten deshalb in +keiner - Schülerbibliothek+, weder an höheren noch an Volksschulen, +fehlen+. - Das Büchlein gibt aber auch dem Lehrer Gelegenheit, seine technischen - Kenntnisse schnell und leicht zu erweitern.“ - - Monatsschrift für höhere Schulen. - - -=Signale in Krieg und Frieden.= Von ~Dr.~ +Fritz Ulmer+. - - „Ein interessantes Büchlein, welches vor uns liegt. Es behandelt das - Signalwesen von den ersten Anfängen im Altertume und den Naturvölkern - bis zur jetzigen Vollkommenheit im Land- und Seeverkehr.“ - - Deutsche Lehrerzeitung. - - -=Seelotsen-, Leucht- und Rettungswesen.= Ein Beitrag zur Charakteristik -der Nordsee u. Niederelbe. Von ~Dr.~ +F. Dannmeyer+. - - „Mit über 100 guten Bildern interessantester Art, mit Zeichnungen - und zwei Karten versehen, führt das Buch uns das +Schiffahrtsleben+ - in anschaulicher, fesselnder Form vor Augen, wie es sich täglich an - unseren Flußmündungen abspielt.“ - - Allgemeine Schiffahrts-Zeitung. - - - [Illustration] Ausführliche Prospekte - unentgeltlich und postfrei [Illustration] - - - - -~Schönste Festgeschenke~ - -~aus dem Verlage von Quelle & Meyer, Leipzig~ - - -Der Sinn und Wert des Lebens - -für den Menschen der Gegenwart. Von Geheimrat +R. Eucken+. - -3. völlig umgearbeitete Auflage. 13. und 14. Tausend. 192 Seiten. - -In Originalleinenband M. =3.60= - - -Die bildende Kunst der Gegenwart - -Von Hofrat ~Dr.~ +J. Strzygowski+. 235 S. mit zahlreichen Abbildungen. - -In Originalleinenband M. =4.80= - - -Geschichte der Römischen Kaiser - -Von Geheimrat Professor ~Dr.~ +A. v. Domaszewski+. 2 Bände zu je 332 S. -mit 12 Porträts auf Tafeln in künstlerischer Ausführung u. 8 Karten. In -Originalleinenband je M. =9.--=, in Halbfranzband je M. =11.--= - - -Unsere religiösen Erzieher - -Eine Geschichte des Christentums in Lebensbildern, herausgegeben von -Professor Lic. +B. Beß+. 2 Bände zu je 280 S. In Origbd. je M. =4.40= - - -Preußens Geschichte - -von +Rudolf Herzog+. 384 S. mit 22 farb. und schwarzen Bildern von -Professor +Kampf+. Buchschmuck und Einbandzeichnung von Professor G. -Belwe. In Origb. M. =3.40=. Vorzugsausgabe auf Bütten M. =10.--= - - -Männer und Zeiten - -Essays zur neueren Geschichte. Von Geheimrat Prof. ~Dr.~ +E. Marcks+. -2 Bände 640 S. 5. und 6. Tausend. In Originalleinenband M. =12.--=, in -Halbfranzband M. =16.--= - - -Große Denker - -Eine Geschichte der Philosophie in Einzeldarstellungen. Herausgegeben -von Privatdozent ~Dr.~ +E. v. Aster+. 2 Bände zu je 320 S. mit 8 -Porträts. In Originallbd. M. =16.--=, in Halbfrzbd. M. =20.--= - - -~Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei.~ - - - - -Fußnoten: - -[1] Nordische Form des deutschen Namens Nibelunge. - -[2] Volsungar ist der im Norden gebräuchliche Geschlechtsname des -Sigurd und seiner Angehörigen. - -[3] Ragnar wird verheiratet gedacht mit Aslaug, einer hinterlassenen -Tochter des Sigurd und der Brynhild. - -[4] Da sein Verfasser im Grunde nur den gedruckt vorliegenden „Hürnen -Seifrid“ umschreibt, widerspricht das Auftauchen des Volksbuches im 18. -Jahrhundert nicht der S. 1 aufgestellten Behauptung, daß die direkte -volkstümliche Überlieferung im Dreißigjährigen Kriege erloschen ist. - -[5] Die Beispiele sind entnommen aus „Die Edda“, übersetzt und -erläutert von Hugo Gering. - -[6] Odin ist die nordische Form des Namens für denselben Gott, der in -Deutschland Wodan hieß. - -[7] Wagner hat diesen Zug der Sage in der „Walküre“ benutzt, ihn aber -verschoben; bei ihm ist Siegfrieds Mutter an die Stelle der Signy -getreten. - -[8] Wagner überträgt den Namen auf die Person seiner Dichtung, die -eigentlich die Figur des Siggeir fortsetzt. - -[9] Man dachte sich die Gnitaheide auf dem halben Wege von Paderborn -nach Mainz gelegen, wo sie im 12. Jahrhundert ein wandernder Norweger, -Abt Nikolaus, wiedergefunden zu haben glaubte. - -[10] Daß Sigurds Schwert dasselbe ist, das sein Vater geführt hat, -behauptet erst die Volsungasaga; die Lieder-Edda weiß noch nichts davon. - -[11] Nach späterer nordischer Sage ist allerdings die Aslaug, die -Gattin des Ragnar Lodbrok, eine Frucht dieser frühern Bekanntschaft -Sigurds mit Brynhild. Übrigens nennt der Liedersammler die Brynhild bei -ihrer ersten Begegnung mit Sigurd „Sigrdrifa“, indem er einen Beinamen -(Spenderin des Sieges) als Namen auffaßt; vielleicht hat er dadurch -für die beiden Verlobungsgeschichten (vgl. S. 22) zwei verschiedene -Heldinnen schaffen wollen. - -[12] Die ursprüngliche Fassung der Sage, daß Sigurd in untergeordneten -Verhältnissen aufgewachsen ist, blickt deutlich hindurch. - -[13] Im Norden wird sein Volk nicht das hunnische genannt, wenigstens -nicht in den älteren Quellen; nach vereinzelten Andeutungen herrscht er -in Walland (Italien). - -[14] Ihr Alter dürfen wir freilich nicht nachrechnen. Svanhild ist beim -Eintritt in die Erzählung ein junges Mädchen. Inzwischen sind aber -ihre Brüder aus der dritten Ehe ihrer Mutter bereits zu waffenfähigen -Männern herangewachsen. Gudruns zweite Ehe mit Atli, sowie die Zeit -ihrer Witwenschaft sind inzwischen vergangen, auch die Zeit der Ehe mit -Sigurd, die doch immerhin einige Jahre gewährt hat, ist vorüber. Wir -kommen also für Svanhild, wenn wir nachrechnen, auf ein ziemlich hohes -Alter, das zur Erzählung nicht stimmt. Wir dürfen in dieser Beziehung -nicht zu streng sein. Denn gerade diese Dinge, wie überhaupt jede -Chronologie, sind die schwächsten Punkte aller sagenmäßigen Tradition. -Alles dies verschwimmt in der Erinnerung der Menschen zu allererst; -sie werfen alles auf eine Fläche, sie sehen in der Erinnerung alles -nebeneinander, kein Vor- und kein Hintereinander mehr; Personen, die -in Wirklichkeit durch hundert Jahre getrennt waren, können leicht als -Zeitgenossen erscheinen. Es war für die einfachen Leute, welche die -Überlieferung gepflegt haben, eben nicht möglich, solche Dinge zu -kontrollieren. - -[15] Er gehört übrigens ursprünglich nur dem Texte ~C~ an, vergleiche -später S. 107. - -[16] Den Namen des Vaters (Gibich, der in andern deutschen Dichtungen -wohlbekannt ist) hat das Nibelungenlied vergessen; erst der Text ~C~ -nennt ihn im Anschluß an die „Klage“ mit einem offenbar willkürlich -herausgegriffenen Namen Dankrat. - -[17] Woher sie mit ihr bekannt ist (die Geschichte spielt ja in der -Mädchenzeit der beiden), wird nicht erklärt. - -[18] Etwa dem alten Herzogtum Nieder-Lothringen entsprechend. Eine -Residenz Santen (heute Xanten) hat erst der Text ~C~ aus der einmaligen -Erwähnung dieses Städtchens Str. 715 (Holtzmann) herausgesponnen, vgl. -Braune, Die Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes, S. 178. - -[19] Die Burgunden sitzen nach der Sage in einer Gegend, die zur Zeit -der vollendeten Dichtung den Franken gehört; sie fallen infolgedessen -in der Auffassung des Dichters und seiner Zuhörer mit diesen zusammen. - -[20] Solche Feste werden in unserm Liede stets mit besonderer Liebe -behandelt. Unserm heutigen Geschmack sagen die Schilderungen von Festen -und dem dabei entwickelten Prunke, besonders was Kleidung anbetrifft, -wenig zu, und man hat deshalb die betreffenden Abschnitte gar für -unecht erklären wollen; sie sind jedoch nur leer an Sagengehalt. -Wir müssen uns in die damalige Zeit hineinversetzen, um diese -Schneiderszenen, wie man sie genannt hat, zu würdigen. Man erwartete -im Mittelalter von der erzählenden Dichtung nicht nur Anregungen -innerlichen, sondern auch solche äußerlichen Charakters, als da sind -Berichte über neue oder absonderliche Moden oder Gebräuche. - -[21] Die Schilderung dieser Jagd im 16. Gesange unseres Liedes ist -in gewisser dichterischer Beziehung vielleicht sein Höhepunkt. Der -Verfasser weiß auf das genaueste Bescheid von allem, was bei einer Jagd -jener Zeit vorkommt, und versetzt sich und seine Zuhörer so lebhaft -in die richtige Wald- und Jagdstimmung, daß man diesen Gesang nur mit -großem Genusse lesen kann. - -[22] Seltsamerweise wird vorausgesetzt, daß Siegfried für den -Scheinfeldzug vor einigen Tagen und für die Jagd ein und denselben Rock -trägt. - -[23] Unter diesem Namen verstehen die Deutschen späterhin immer Ofen -(Budapest); ob das Nibelungenlied schon diese Stadt meint, bleibt -zweifelhaft: Ungarns alte Hauptstadt ist Gran (noch heute Sitz des -Primas); erst nach seiner Zerstörung durch die Mongolen 1241 trat Ofen -an seine Stelle. - -[24] Diese einfachen Boten sind sicher eine aus einer ältern -Erzählungsschicht stehengebliebene Altertümlichkeit; der ritterliche -Dichter würde vornehmere Herren zu diesem Zwecke bemüht haben. - -[25] Dieser Held, der keiner andern Quelle unserer Sage bekannt ist, -spielt von jetzt an eine Schritt für Schritt wachsende Rolle, und -zwar tritt er immer an Stellen hervor, die eine Neuerung in der Sage -bedeuten. - -[26] Die Dichter des Mittelalters vermögen ihren Werken kein andres -Kolorit als das ihrer eigenen Zeit zu geben. - -[27] Die „Vorrede“ des Heldenbuches, vgl. später S. 118. - -[28] Der Kampf im Saale beginnt also auch hier mit Ortliebs Tode, doch -ist der Umstand, daß Kriemhilt diesen mit Absicht herbeiführt, um Etzel -zur Rache zu entflammen, als zu grauenerregend abgeschwächt. - -[29] Irnfrid von Thüringen ist der historische letzte König der -Thüringe Ermanfrid, der um 530 von den Franken besiegt und vertrieben -(später auch getötet) wurde; die letzten seiner Familie flohen zum -oströmischen Kaiser, den unsere deutsche Sage in älterer Zeit immer -durch den ihr geläufigen Hunnenkönig Attila ersetzt. - -[30] Amelunge (Amaler) ist ursprünglich der Name des Königshauses der -Ostgoten; er wird (was auch anderwärts nicht selten vorkommt, z. B. -Kärlinge = Franken) so häufig für „Goten“, den Namen des beherrschten -Volkes, gebraucht, daß die hochdeutsche Überlieferung diesen ganz -vergessen hat. - -[31] Im dritten Gudrunliede, das einen Einzelzug behandelt, der nicht -einmal sagenecht ist, wird er erwähnt. - -[32] Das Volk der Bayern begegnet uns zuerst um die Mitte des 6. -Jahrhunderts unter einheimischen, von den fränkischen Königen -abhängigen Fürsten; das ihnen gehörige Land war kurz vorher noch -ein Teil des Gotenreiches. Als die Oströmer dies eroberten, drangen -sie nicht bis über die Alpen vor; es scheint daher, daß sich die -zwischen Donau und Alpen übrig gebliebenen Goten mit Resten anderer -Germanenstämme zu einem neuen Volke unter dem Namen „Bayern“ -(~Baiuuarii~) zusammengeschlossen haben. Wenigstens betrachten die -Bayern noch später sich als identisch mit den Amelungen (Goten) und -also den Dietrich als ihres Stammes. - -[33] Auch hier ist Etzel sagenhafter Vertreter des oströmischen Kaisers -(Zeno, der den Theodorich 489 gegen Odoaker schickte). - -[34] Eine Namenverschiebung: da derjenige, der in der Lieder-Edda -Regin heißt, hier bereits (auf Grund deutscher Sage) Mimir benannt -ist, überträgt der Sagaschreiber jenen Namen auf den Drachen (der in -nordischer Sage Fafnir heißt und Regins Bruder ist). - -[35] Schwert und Roß führen hier die aus der Lieder-Edda bekannten -Namen Gram und Grani; jenes entspricht dem deutschen Balmung, dies wird -in Deutschland nicht mit Namen genannt. - -[36] Dieser gilt in der Saga als Bruder der Burgundenkönige; ein -Zugeständnis an die nordische Sagenform der Lieder-Edda. - -[37] Der also hier als vierter die Stelle Dankwarts im Nibelungenliede -einnimmt; Dietrichs Mitgehen ist halbwegs begründet, das Dankwarts aber -nicht; liegt hier vielleicht eine dunkle Beziehung zwischen den beiden -Überlieferungen vor? - -[38] Davon war bisher nichts erzählt; die Saga ist hier mit sich selbst -nicht einig. Ihre einzelnen Teile stammen aus verschiedenen Quellen und -sind nicht durchweg ineinander gearbeitet und miteinander ausgeglichen. - -[39] Als persönliches Opfer ihrer Rache fällt hier Giselher; einer muß -durch ihre Hand umkommen, damit begründet ist, daß Dietrich (statt -Hiltebrands im Liede) sie tötet. - -[40] Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß der -Personenname „Nibulung“ im Geschlechte der Arnulfinge einen ganz -besonderen Sinn gehabt haben kann: die Stifterin des Klosters Nivelles -(belgische Stadt südlich von Brüssel) ist die Heilige Gertrud († -659), Tochter Pipins des Ältern; dies Nivelles ist also ein jenem -Geschlechte ganz besonders wertes Heiligtum; ist es danach nicht -denkbar, daß Söhne dieser Familie gelegentlich „Mann von Nivelles“, in -altfränkischer Sprachform „Nibulung“, benannt worden sind? Ist diese -Annahme richtig, so müssen natürlich die Nibelunge der Sage unbedingt -von diesen historischen Nibelungen hergeleitet werden. Ich wage nun -freilich für die Richtigkeit nicht einzustehen, muß aber behaupten, daß -diese Herleitung plausibler ist als die alte, die in den Nibelungen -„Nebelsöhne“, „Mächte der Finsternis“ erkennen wollte; sie ist ja schon -dadurch widerlegt, daß es mythische Nibelunge in der Sage ursprünglich -gar nicht gegeben hat. - -[41] Daß dieser als Schwestersohn dem Oheim den Grund für sein -Verhalten gibt, ist ein höchst altertümlicher Zug, der die ältesten -germanischen (mutterrechtlichen) Verhältnisse widerspiegelt, vgl. ~Tac. -Germ. c. 20~: ~sororum filiis idem apud avunculum qui apud patrem -honor. quidam sanctiorem artioremque hunc nexum sanguinis arbitrantur~ -(Schwestersöhne stehen beim Oheim in derselben Geltung wie beim Vater; -einige halten dies Blutsband sogar für heiliger und enger). - -[42] Deshalb vermag ich, wenn ein elsässisches Kirchheim urkundlich -gelegentlich auch ~Tronia~ genannt wird, darin nichts altes zu sehen, -sondern höchstens den Versuch einer Lokalisierung des sagenhaften -Tronje. - -[43] Wilhelm Jordan hat in seiner „Sigfridsage“ als Grund für -Siegfrieds Verhalten gegenüber Brünhilt angenommen, sie habe an -Siegfried das im Text angeführte Verlangen gestellt; damit hat Jordan -gewiß das sagenechte getroffen; eine Nachdichtung der durch die Ungunst -der Überlieferung zerpflückten alten Dichtung (und um eine solche -handelt es sich doch, unbeschadet aller Grundlagen) führt am sichersten -zu den alten Zusammenhängen. - -[44] Wenigstens setzt der Skalde Bragi der Alte, der um das Jahr 900 -gestorben ist, in seiner Ragnarsdrapa diese Verbindung bereits voraus. - -[45] ~Pro mariti fraudulento discessu~; das hat man auch übersetzen -wollen: dafür, daß sie ihren Mann (nämlich Ermanarich) trügerisch -verlassen hatte; dann wäre die Übereinstimmung mit den Eddaliedern -nahezu vollkommen; allein der Zusammenhang bei Jordanes unterstützt -diese Übersetzung nicht. - -[46] Man hat mit Recht daran erinnert, daß die an der mittlern Donau -sitzenden Heruler (nach Procopius von Caesarea) noch im Anfang des -6. Jahrhunderts mit ihren Stammesgenossen im südlichen Schweden in -lebhaftem Verkehr stehen. - -[47] Pöchlarn (Bechelaren) wird in dieser Zeit tatsächlich der Sitz des -bayrischen Ostmarkgrafen gewesen sein. - -[48] Da das Nibelungenlied gelegentlich den Tod Nudungs erwähnt, der -von Witig in der Ravennaschlacht getötet wurde, so muß es letztere -als vergangen annehmen; da nun ursprünglich gewiß diese Schlacht -zur Rückführung Dietrichs geführt hat, war nicht recht begreiflich, -warum er nach ihr noch an Etzels Hof lebt; das hat zur Annahme zweier -Feldzüge gegen Ermenrich (und seinen Nachfolger) geführt, deren erster -dann unglücklich verlaufen sein muß. Die „Klage“ läßt übrigens am -Schlusse Dietrich mit seiner Gattin und Hiltebrand in friedlicher Reise -nach Bern zurückkehren, nimmt also an, daß er seit der Ravennaschlacht -im Besitze seines Reiches ist. Daß der Verräter Sibich nach Ermenrich -in Italien geherrscht habe, behauptet nur die Thidrikssaga. - -[49] D. h. als Buch erhaltenen; lückenhaft infolge Verlustes einzelner -Blätter kann eine solche vollständige Handschrift immerhin sein. - -[50] Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches hat sich das -handschriftliche Material, außer um Blätter bereits bekannter -Handschriften, noch um Reste von drei bisher unbekannten vermehrt: -~X~, ein Blatt aus der Klage, gefunden in Sterzing; ~Y~, ein Wiener -Blatt; ~Z~, ein in Dülmen gefundenes Blatt. Ich will nicht unerwähnt -lassen, daß mir scheint, als gehöre ~W~ zur Nibelungenhandschrift -~S~, ~X~ zur Nibelungenhandschrift ~U~. -- Die in der alphabetischen -Folge fehlenden Buchstaben sind verwendet wie folgt: ~P~ bezeichnete -früher ein Fragment, das sich als der gleichen Handschrift wie ~N~ -entstammend erwiesen hat; ~T~ ist die Signatur der fragmentarisch -erhaltenen niederländischen Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert; ~V~ -ist (wegen Ähnlichkeit mit ~U~) nicht verwendet; ~c~ gilt für die -Zitate, die Lazius, ein Gelehrter des 16. Jahrhunderts, in seiner -Schrift ~De gentium aliquot migrationibus~ aus einer alten Handschrift -angebracht hat; ~e~ und ~f~ hatte man anfangs irrtümlich die jetzt mit -~L~ bezeichneten Fragmente benannt; ~m~ ist Inhaltsverzeichnis einer -verlorenen Handschrift. - -[51] Vielleicht hat Wolfram von Eschenbach, der Parzival 420 f. sich -auf das Nibelungenlied bezieht, schon den Liet-Text gekannt; doch ist -sein Zitat auch verständlich, wenn er nur die beiden Texten gemeinsame -Strophe 1496 (Holtzmann) vor sich gehabt hat; die folgende, dem -Liet-Texte eigentümliche Strophe, in der, wie bei Wolfram, „Schnitten“ -als eine gute Speise erwähnt werden, dürfte eher in Anlehnung an die -etwas spöttisch gehaltene Ausführung im Parzival verfaßt sein. - -[52] In einer Besprechung der 1. Auflage dieses Buches (Literarische -Rundschau vom 1. Juni 1909) hat Fr. Panzer die hier entwickelte -Gedankenreihe beanstandet und darauf hingewiesen, daß Zeizenmure in -der ungarischen Sage als Ort einer Schlacht eine große Rolle spielt -und infolgedessen in die Grundhandschrift des Not-Textes gelangt -sei. Das könnte möglich sein, hilft uns aber nicht weiter, denn 1) -ist die Darstellung der ungarischen Sage, wie sie bei Simon Kézai -vorliegt, trotz Bleyers Ausführungen (im 31. Bande der Beiträge) eine -halbgelehrte Kompilation aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, 2) -ist nicht abzusehen, wie ein Nicht-Österreicher (denn ein Österreicher -konnte den Fehler nicht begehen) zur Kenntnis ungarischer Sage -gelangt sein sollte, und 3) bleibt die Sache beim alten, weil die -Grundhandschrift des Not-Textes den Fehler, mag seine Ursache sein, -welche sie will, eben begangen hat und daher notwendigerweise nur -eine nebengeordnete, nicht eine übergeordnete Stelle neben den -Liet-Handschriften einnehmen kann. Auf Zarncke’s feinen Gedanken, -Nithart zur Erklärung heranzuziehen, könnte man schließlich -verzichten; den in der „Not“ vorliegenden Text aber weit über 1230 -hinaufzuschieben, ist trotzdem unmöglich wegen gewisser unbestreitbarer -Zusätze, wegen Spuren beginnenden Verfalles in der Verstechnik und -besonders wegen des Zustandes aller hierher gehörigen Handschriften (s. -S. 107). - -[53] Das ist nicht ohne Beispiel; so wurde das um 1170 entstandene -Gedicht vom Herzog Ernst bereits um 1200 (hauptsächlich reimtechnisch) -überarbeitet; als aber in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein -neuer Bearbeiter den Text vornahm, griff er auf das Original zurück und -ignorierte die um 1200 entstandene Überarbeitung. - -[54] Nach Lachmann nur dreizehn; er behielt 1627 bei und änderte sie -durch Konjektur; wir haben dazu heute keine Veranlassung mehr. - -[55] Mit einer Ausnahme: Lachmanns 17. Lied schließt an das 15. an; das -16. ist eine Parallelerzählung. - -[56] Vgl. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen -Heldendichtung, S. 203. - -[57] Heinrich von Ofterdingen, den manche beim Wiedererwachen -unserer Kenntnis der mittelalterlichen Literatur als Dichter des -Nibelungenliedes in Anspruch genommen haben, ist keine historische -Person, sondern vom Dichter des Wartburgkrieges erfunden; dieser Mann -brauchte eine Figur, die als Gegenstück und Widerpart der historisch -bekannten Sänger am Hofe zu Eisenach hingestellt werden konnte. - -[58] Es ist mir leider nicht gelungen, das Werkchen, das ich vor mehr -als dreißig Jahren selbst gelesen habe, irgendwo wieder aufzutreiben. - -[59] Wilkina- (richtiger Wilcina-) und Niflungasaga sind Teile und -Untertitel der Thidrikssaga. - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SAGENKREIS DER -NIEBELUNGEN *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. 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Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. 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Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. 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Ungewöhnliche -und altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original -unverändert; fremdsprachliche Zitate wurden nicht korrigiert.</p> - -<p class="p0">Einige Gedichtzeilen enthalten Zäsuren, die durch breite -Leerzeichen versinnbildlicht werden. Dies wurde so aus dem Original -übernommen.</p> - -<p class="p0">Die Buchwerbung wurde am Ende des Texts -zusammengefasst. Der hierin erwähnte Buchkatalog ‚Wissenschaft -und Bildung‘ wurde herausgelöst und getrennt bearbeitet; -dieser kann auf ‚Projekt Gutenberg‘ eingesehen werden: -https://gutenberg.org/ebooks/60431.</p> - -<p class="p0">Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt. Passagen -in <span class="antiqua">Antiquaschrift</span> werden im vorliegenden -Text kursiv dargestellt. <span class="nohtml">Abhängig von der im -jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original -<em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten Passagen gesperrt, in -serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt -erscheinen.</span></p> - -</div> - -<div class="figcenter illowe32 break-before x-ebookmaker-drop"> - <img class="w100" src="images/cover_h1000.jpg" alt="" /> - <div class="caption u mbot3">Original-Einband</div> -</div> - -<div class="titelei"> - -<div class="bbox"> - -<p class="s3 center">Wissenschaft und Bildung</p> - -<p class="center">Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens</p> - -<p class="center">6</p> - -</div> - -<h1>Der Sagenkreis<br /> -der Nibelungen</h1> - -<p class="center mtop3">Von</p> - -<p class="s2 center">Georg Holz</p> - -<p class="s5 center">Professor an der Universität Leipzig</p> - -<p class="s4 center">2. Auflage</p> - -<div class="figcenter illowe4" id="signet"> - <img class="w100 mtop2 mbot2" src="images/signet.jpg" alt="" /> -</div> - -<p class="s4 center">1914</p> - -<p class="s4 center">Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig</p> - -<p class="center padtop5 break-before">Alle Rechte vorbehalten</p> - -<p class="s2 center padtop5 mright5 break-before">Frau Susanne</p> - -<p class="s3 center mtop2 mleft5">zugeeignet</p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort_der_ersten_Auflage">Vorwort der ersten Auflage.</h2> - -</div> - -<p>Vorliegendes Werkchen ist erwachsen aus einer Reihe im Spätjahre 1906 -gehaltener Vorträge und mag wohl gelegentlich den Stempel dieses -seines Ursprungs deutlicher tragen, als mir lieb sein kann. Gemäß -der Absicht, den alten Stoff der Nibelungensage und die Fragen, die -sich an ihren Ursprung, ihre Entwicklung und spätere Überlieferung -knüpfen, einer breitern Öffentlichkeit zugänglich und verständlich -zu machen, ist das wissenschaftliche Beiwerk auf ein geringstes -Maß beschränkt; insbesondere ist im allgemeinen unterlassen, die -anerkannten und aufgenommenen Gedanken auf ihre Urheber zurückzuführen. -Selbstverständlich ist damit keinerlei Schmälerung von irgend jemandes -Verdienst beabsichtigt; dies kann um so weniger der Fall sein, als -ich auch mancherlei Eigenes zur Lösung der verschiedenen Fragen -vorzubringen glaube, dessen Abgrenzung von Fremdem nun nicht ohne -weiteres möglich ist. Es bleibt den Fachgenossen überlassen, diese -Grenze zu ziehen und das vorgebrachte Neue anzuerkennen oder zu -verwerfen.</p> - -<p class="mtop2">Leipzig, im April 1907.</p> - -<p class="right mright3">G. Holz.</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Inhaltsverzeichnis">Inhaltsverzeichnis.</h2> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left"> </div> - </td> - <td class="s5 vab"> - <div class="right">Seite</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">I.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Einleitung, Übersicht der Quellen</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#I">1</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">II.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#II">13</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">III.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#III">31–65</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">a</span>) Der Nibelunge Lied</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Der_Nibelunge_Lied">31</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">b</span>) Zweikampfsage und - Thidrikssaga</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Zweikampfsage_und_Thidrikssaga">56</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">c</span>) Hürnen Seifrid</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Huernen_Seifrid">65</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">IV.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Die Grundlagen der Sage</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#IV">66–85</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">a</span>) Burgunden und Hunnen</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Burgunden_und_Hunnen">66</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">b</span>) Sage und Mythus</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Sage_und_Mythus">71</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">c</span>) Die Merowinge</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Die_Merowinge">74</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">d</span>) Einzelheiten</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Einzelheiten">78</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">V.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Die Entwicklung der Sage</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#V">86–100</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">a</span>) Älteste und nordische - Form</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Aelteste_und_nordische_Form">86</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt2"> - <div class="left"><span class="antiqua">b</span>) Deutsche Form</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Deutsche_Form">90</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">VI.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der - Nibelunge</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#VI">101</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">VII.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Wirkung des Liedes in der alten Literatur. - Allmähliches Erlöschen des Interesses</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#VII">115</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">VIII.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem - 18. Jahrhundert</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#VIII">123</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">IX.</div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#IX">130</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Anhang. Literatur</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Anhang">137</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right"> </div> - </td> - <td class="inhalt"> - <div class="left">Register</div> - </td> - <td class="nowrap"> - <div class="right"><a href="#Namenregister">139</a></div> - </td> - </tr> -</table> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_1">[S. 1]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="I"><span class="s5">I.</span><br /> -<b>Einleitung. Übersicht der Quellen.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0" id="Dreissigjaheriger_Krieg"><span class="drop-cap">D</span>as in wirtschaftlicher wie in geistiger Beziehung so reiche Leben des -alten Deutschlands erstarb in den Greueln des Dreißigjährigen Krieges. -Was unserm Volke bis zu jener Zeit an alten Sagenschätzen lieb und wert -gewesen war, geriet damit in Vergessenheit, und ein volles Jahrhundert -verging, bis Gelehrte in alten Büchereien die ersten Spuren des alten -Reichtums neu entdeckten. Die großen Männer des 18. Jahrhunderts, -deren Geschmack anfangs in französischem und später in klassischem -Sinne gebildet und geläutert war, blieben allerdings zunächst kalt -gegenüber den Denkmälern einer Vergangenheit, deren Empfinden von dem -ihren durchaus verschieden war. Erst der völlige Zusammenbruch, den -die deutsche Politik und damalige Geisteskultur vor nunmehr (1906) -genau hundert Jahren erlebte, bewirkte im Zusammenhange mit dem -Erwachen unsers nationalen Fühlens auch eine höhere Wertschätzung der -Denkmäler aus alter großer Zeit. Es ist bezeichnend, daß die erste -volkstümliche Ausgabe des Nibelungenliedes 1815 in dem Augenblicke -erschien, da man sich rüstete, den von Elba zurückgekommenen Napoleon -abzuwehren. Der Herausgeber, August Zeune, nannte sie eine „Feld- und -Zeltausgabe“ und erwähnte ausdrücklich, daß er sie besorgt habe, „da -viele Jünglinge dies Lied als ein Palladium in den bevorstehenden -Feldzug mitzunehmen wünschten“. Von jener Zeit an ist nun das Interesse -an unserer alten Geschichte und Dichtung ständig gewachsen. Die -germanistische Wissenschaft erblühte, gestützt auf die romantische -Geschmacksrichtung, die die klassische in der Poesie abgelöst hatte, -und erschloß immer neue Quellen für die Kunde der Vorzeit; die moderne -Dichtung bemächtigte sich der alten Stoffe und goß sie in neue, der -Gegenwart angemessene Formen. Vor allen<span class="pagenum" id="Seite_2">[S. 2]</span> andern hat Richard Wagner das -Verdienst, durch sein gewaltiges Tonwerk, den „Ring des Nibelungen“, -die alten Sagen volkstümlich gemacht zu haben, ein Verdienst, das -dadurch nicht verringert wird, daß er mit seinem Stoffe recht -willkürlich umgesprungen ist. Denn ohne ihn würde das Interesse für -die Nibelungensage heute wohl nicht so weit verbreitet sein, wie es -tatsächlich der Fall ist.</p> - -<p>Welches sind nun die Quellen, aus denen man geschöpft und die alten -Stoffe zu neuem Leben erweckt hat? Was bringen sie, und vor allem: -worauf beruhen sie?</p> - -<p>Im allgemeinen darf behauptet werden, daß alle erzählende Dichtung -ihren letzten Ausgangspunkt in wirklich geschichtlichen Ereignissen -hat, auch dann, wenn die beglaubigte Geschichte nicht in der Lage ist, -solche namhaft zu machen; die ursprüngliche Tatsache ist dann von der -Dichtung mit dichtem Beiwerk umsponnen worden, das wie Schlingpflanzen -den alten Kern überwuchert und vielleicht erstickt.</p> - -<p>Was in der Nibelungensage sicher als geschichtlich erwiesen ist, -beruht auf Ereignissen des fünften nachchristlichen Jahrhunderts, also -Ereignissen aus der Zeit der Völkerwanderung, die für die germanische -Welt des Mittelalters in ganz gleicher Weise das Heldenzeitalter -gewesen ist, wie es der trojanische Krieg für die Griechen des -Altertums war. Diese Ereignisse sind in ununterbrochener Überlieferung -im Gedächtnis bewahrt worden, bis ihr eben der Dreißigjährige Krieg -das Grab gegraben hat. Die Überlieferung aber ist in folgender Weise -zustande gekommen.</p> - -<p>In einer Zeit ganz unentwickelter Verkehrsmittel und so gut wie -völlig mangelnder Schrift (die höchstens Besitztum einiger weniger -auserlesener Personen war) bildete sich ein Stand fahrender, d. h. -herumziehender Leute, die ein Gewerbe daraus machten, das jederzeit -lebhaft entwickelte Neuigkeitsbedürfnis ihrer Mitmenschen zu -befriedigen. Sie zogen von Ort zu Ort, sammelten und verbreiteten -Neuigkeiten jeder Art und fanden auf diese Weise ihren Unterhalt. -Solange die Schriftkunde beschränkt war, blieben sie ersehnt und -hochangesehen. Mit der fortschreitenden Volksbildung und den -gebesserten Verkehrsverhältnissen sank natürlich ihre Bedeutung und -damit auch die Achtung.</p> - -<p>Naturgemäß sind es in erster Linie die großen politischen, also -historischen Ereignisse, die sie wiedererzählen und betrachten.<span class="pagenum" id="Seite_3">[S. 3]</span> Um -diese möglichst treu im Gedächtnis behalten zu können, gießen sie -dieselben in eine feste Form, indem sie sie in Verse bringen. Die -poetische Form ist also zunächst etwas Äußerliches; sie macht aber -durch ihre Geschlossenheit sogleich ihren Einfluß auf den innern Stoff -geltend, indem sie den Erzähler zwingt, zu ergänzen, was er nicht weiß, -also die Beweggründe der handelnden Personen zu erraten. Damit ist aber -der Erfindung Tür und Tor geöffnet. Je weiter man sich nun von dem -Zeitpunkt der Geschehnisse entfernt, um so schwerer wird natürlich eine -richtige Ergänzung, aber auch um so unwichtiger, da schließlich niemand -mehr existiert, der den Erzähler Lügen strafen kann. So ist zweierlei -möglich geworden: 1. daß der Bericht von den historischen Ereignissen -bis zur Unkenntlichkeit entstellt, also zur reinen Sage wird, und 2. -daß die Überlieferung jahrhundertelang von der eigentlichen Literatur -so gut wie unbemerkt sich hat fortpflanzen können, um dann plötzlich -als Stoff größerer Werke in ihr aufzutauchen.</p> - -<p>Es sind nun die am Niederrhein wohnenden Franken, die die vorhin -angedeuteten Ereignisse des 5. Jahrhunderts fürs erste bewahrt haben. -Von ihnen aus, die geographisch etwa den Mittelpunkt der damaligen -germanischen Welt darstellen, hat sich dann die Kunde über diese -ausgebreitet, am wenigsten nach England, dessen älteste Literatur nur -spärliche Zeugnisse für die Nibelungensage aufweist, desto ausgiebiger -nach Skandinavien und nach Süddeutschland. Der Gang der Ausbreitung war -etwa folgender:</p> - -<p>Im 9. Jahrhundert zogen von Skandinavien, insbesondere von Norwegen -aus, zahlreiche Scharen von Seeräubern, die sog. Wikinger, gen Süden -und plünderten die Küsten Englands und des fränkischen Reiches. An den -Küsten der heutigen Niederlande, in der Gegend der Rheinmündungen, -wohnten die Franken, die die Überlieferung von den Ereignissen des -5. Jahrhunderts bewahrten. Dort haben sich die nordischen Räuber -zeitweise sogar fest angesiedelt und ungefähr zwei Menschenalter -hindurch die Küstenländer beherrscht, bis sie im Jahre 891 in der -Schlacht an der Dyle von König Arnulf vertrieben wurden. In dieser -Zeit müssen die Nordgermanen die Kunde von der deutschen Überlieferung -sich angeeignet und nach dem Norden verpflanzt haben. Sie zeigen -dabei einen ganz eigenartigen Charakterzug: sie vereinigen nämlich -in sich zwei scheinbar entgegengesetzte Züge des germanischen<span class="pagenum" id="Seite_4">[S. 4]</span> -Charakters, auf der einen Seite kriegerisches Wesen in höchster Potenz, -blutdürstige Wildheit und Grausamkeit, auf der andern Seite ein -Streben nach Gelehrsamkeit, wie es bei diesen wilden Seeräuberhorden -kaum verständlich scheint. Es ist das aber vollauf begründet in den -Eigentümlichkeiten der alten verkehrslosen Zeit. Die Leute sitzen den -Winter über in abgelegenen Tälern und hören und sehen von der Welt -nichts. Bei ihrem regen Geistesleben haben sie nun ein ganz besonders -starkes Bedürfnis nach Neuigkeiten. Die norwegischen Wikinger haben -keine Gelegenheit vorübergehen lassen, südländische Kunde nach dem -Norden zu bringen. So haben sie auch die fränkische Nibelungensage nach -dem Norden gebracht, wahrscheinlich in der Form einer einheitlichen -Dichtung, denn das, was im Norden uns von der Nibelungensage erzählt -wird, weicht in vielen Punkten von der deutschen Sage ab, und zwar so, -daß die Abweichungen nicht die ursprüngliche Gestalt, sondern eine -Änderung darstellen, die auf einen Akt der Willkür zurückgeht. Es weist -das darauf hin, daß irgendein nordischer Dichter den am Niederrhein -erkundeten Stoff in feste Form gegossen und so nach dem Norden gebracht -hat, wo er dann in dieser Gestalt aufgenommen worden ist.</p> - -<p>Im Norden ist er nun in zahlreichen Liedern von zahlreichen uns -gänzlich unbekannten Dichtern behandelt worden. Zunächst geht die -Tradition dieser Lieder in der vorhin geschilderten Weise vor sich, -d. h. sie werden mündlich übertragen und nicht aufgezeichnet. Erst in -einer wesentlich spätern Zeit, im 13. Jahrhundert, entschloß man sich -im Norden auf einem eigenartigen Umwege zur Aufzeichnung dieser Lieder.</p> - -<p>Bis zum 13. Jahrhundert hatte sich die nordische poetische und -prosaische Literatur hoch entwickelt, so hoch, daß man das Bedürfnis -empfand, ein Lehrbuch gewisser Eigentümlichkeiten des nordischen Stils -anzufertigen. Dies Lehrbuch schrieb um das Jahr 1220 der isländische -Skalde Snorri Sturluson; es führt den Titel „Edda“. Dies Wort wird -heute gedeutet als Bezeichnung der Herkunft des Buches: aus Oddi, -einem Gehöfte im südwestlichen Island, wo Snorri erzogen worden war; -andere fassen es als Ausdruck für „Poetik“. Eine Poetik war allerdings -nötig, um dem angehenden Skalden eine besondere Eigentümlichkeit der -nordischen Dichtweise zu erklären. Man bezeichnete einen einfachen -konkreten Alltagsgegenstand nicht gern mit seinem schlichten<span class="pagenum" id="Seite_5">[S. 5]</span> Namen, -sondern bediente sich statt dessen eines Bildes, das aus der Sage -entnommen und nicht verständlich war, wenn man nicht die zugehörige -Sage kannte. So heißt z. B. das Gold „Otterbuße“, und zwar in -Zusammenhängen, in denen weder von „Buße“ noch von „Otter“ irgendwelche -Rede ist. Um Ausdrücke dieser Art (die sog. „Kenningar“) zu erklären, -ist ein Hauptteil der Edda geschrieben; die Erklärung besteht in der -Erzählung der zugehörigen Geschichte.</p> - -<p>So erzählt denn Snorri in der Edda eine große Anzahl der -verschiedensten Sagen, von denen die überwältigende Mehrzahl uns ohne -ihn gar nicht bekannt wäre, u. a. auch die Nibelungensage in nordischer -Form. Vielfach werden dabei Dichtungen zitiert, Verse aus Liedern, -bruchstückweise natürlich nur, und zwar als Belege. Das hat dazu -geführt, daß man diese Lieder im Anschluß an die Snorrische Poetik -gesammelt hat. Wer das getan hat, bleibt unbekannt. Die Sammlung ist -jedenfalls entstanden um die Mitte des 13. Jahrhunderts und uns im -wesentlichen erhalten in einer einzigen, aus Island stammenden, jetzt -in Kopenhagen befindlichen Handschrift, die nach dem Aufbewahrungsort -in der Königlichen Bibliothek der <span class="antiqua">Codex regius</span> genannt wird. -Diese Handschrift stellt sich dar als eine Sammlung von Einzelgedichten -in lyrisch-epischer Form, gewissermaßen Balladen, aus der Götter- und -der Heldensage. Der größere, zweite Teil der ganzen Sammlung umfaßt -nur Lieder aus unserer Nibelungensage. Leider ist uns der Kodex nicht -vollständig erhalten, sondern es fehlt gerade aus dem wichtigsten Teile -der Nibelungensage eine vollständige Lage, d. h. ein Heft von acht -Blättern, das frühzeitig verloren gegangen und nicht ersetzbar ist. -Diesen <span class="antiqua">Codex regius</span> bezeichnet man vielfach, aber fälschlich -mit dem Namen Edda; ja wenn kurzweg von „Edda“ geredet wird, meint man -gewöhnlich diese Liedersammlung. Derjenige, der sie im 17. Jahrhundert -entdeckte, der isländische Bischof Brynjolf Sveinsson, nahm an, daß er -die Quelle von Snorris Edda vor sich habe, und da er den Namen „Edda“ -für Snorris Werk nicht verstand, übertrug er ihn auch auf die Quelle -und bezeichnete die Liedersammlung als die ältere Edda. Er wußte auch -gleich einen Sammler oder Verfasser anzugeben, den weisen Sämund, -von dem uns allerdings nicht viel mehr bekannt ist, als daß er etwa -hundert Jahre vor Snorri gelebt und in der Tat mit der Liedersammlung -nicht die Spur zu tun hat. Immerhin hat sich der Titel „Edda“<span class="pagenum" id="Seite_6">[S. 6]</span> für -die Liedersammlung festgesetzt; man unterscheidet sie am besten als -„poetische“ von Snorris „prosaischer“ Edda, muß sich aber stets -gegenwärtig halten, daß der Name „Edda“ für die Liedersammlung nicht -authentisch ist.</p> - -<p id="Schicksal">In der Sammlung stehen nun zunächst Götterlieder, dann Lieder aus -verschiedenen Heldensagen, zuletzt, wie gesagt, eine Sammlung von -Liedern aus der Nibelungensage, die so angeordnet sind, daß sie -wenigstens äußerlich eine geschlossene Darstellung der Sage geben. An -der Spitze der Sammlung, soweit sie die Nibelungensage angeht, steht -ein Gedicht, das sich betitelt: Die Weissagung des Gripir. Sigurd -(derselbe Held, der in Deutschland den Namen Siegfried führt) kommt -hier als junger Mann zu einem Oheim, namens Gripir, der eigens zu -diesem Zwecke von dem Sammler erfunden scheint, und erkundigt sich nach -seinem künftigen Schicksal; Gripir ist ein Seher und vermag ihn ohne -weiteres über alles, was ihm bevorsteht bis über seinen Tod hinaus, zu -orientieren. Es ist das eine Entgleisung der nordischen Dichtweise, -wie sie ziemlich häufig vorkommt, daß lebenden Leuten ihr künftiges -Schicksal bis in alle Einzelheiten prophezeit wird, ohne daß sie dann -auch nur den geringsten Versuch machen, dem Schicksal, das ihnen droht, -die Stirn zu bieten; in Wirklichkeit ist denn die Weissagung Gripirs -weiter nichts als eine Übersicht über das, was nun in der Sammlung -kommt.</p> - -<p>Es folgt zunächst eine ganze Reihe von Fragmenten, zu der der -Sammler eine Rahmenerzählung geliefert hat; die Strophen sind lose -in die Erzählung eingestreut. Man teilt in unsern Eddaausgaben diese -Fragmentsammlung in drei Abschnitte ein: die Sprüche von Regin -(Reginsmál), die Sprüche von Fafnir (Fáfnismál) und die Sprüche von -Sigrdrifa (Sigrdrifumál). Mitten in diesem letzten Teile bricht die -Sammlung für uns vorläufig ab, weil die Lücke einsetzt. Nach der Lücke -stoßen wir auf den Schlußteil eines einst vollständigen Liedes, also -nicht eines von dem Sammler als Bruchstück aufgenommenen Stückes, das -nur durch die Ungunst der Verhältnisse für uns ein Bruchstück geworden -ist. Hier wird nun, während in dem vorausgehenden Stücke die Erzählung -bis dahin geführt war, wo Sigurd die Brynhild kennen lernt, gleich -erzählt von den Umständen, die sich um Sigurds Ermordung gruppieren; -es fehlt uns also der ganze eigentliche Kern der Sage. Es folgt ein -sehr langes Gedicht, das augenscheinlich vollständig erhalten ist, und -das den Titel führt:<span class="pagenum" id="Seite_7">[S. 7]</span> das <em class="gesperrt">kurze</em> Sigurdslied. Er erklärt sich -daraus, daß jedenfalls das Lied, von dem wir nach der Lücke noch den -Ausgang haben, noch länger gewesen ist. Das kurze Sigurdslied erzählt -zusammenhängend, aber nicht immer sagenecht, was Sigurd im Reiche der -Niflunge<a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a> erlebt hat, von dem Augenblicke an, wo er es betreten, bis -an seinen Tod, und über ihn hinaus, wie Brynhild ihm im Tode folgt.</p> - -<p>Den Fortgang der Erzählung bringt ein umfangreiches und ziemlich altes -Gedicht, gewöhnlich das zweite Lied von Gudrun genannt (Gudrun ist im -Norden der Name derselben Figur, die in Deutschland Kriemhilt heißt, -also Sigurds Witwe). Gudrun erzählt selbst ihre Schicksale: wie sie -Sigurds Weib und Witwe geworden, wie sie den Atli (den deutschen Etzel) -geheiratet, und wie dieser ihre Brüder gemordet hat; für diese Tat -plant sie die Rache; die Begründung dieser Rachegefühle gibt uns hier -ein zweifellos hochbegabter Dichter. Die Darstellung der Ermordung -der Niflunge fehlt in diesem Liede leider; wahrscheinlich hat sie der -Sammler gestrichen, weil er in den beiden Atliliedern (vgl. nachher) -noch zweimal dieselbe Sache vorgetragen fand.</p> - -<p>Mehrere Einzellieder, wirkliche Balladen, die lediglich einen einzelnen -Moment, ein Stimmungsbild aus der Sage herausgreifen und poetisch -behandeln, sind ebenfalls in der Sammlung erhalten: das erste Lied von -Gudrun (es schildert die Haltung von Sigurds Witwe an dessen Bahre), -dann das Lied von Brynhilds Fahrt zur Unterwelt, ferner ein drittes -Gudrunlied und das „Oddruns Klage“ betitelte Einzelgedicht; sie -behandeln sämtlich Nebendinge.</p> - -<p>Das Hauptereignis, der Untergang der Niflunge durch Atli samt Gudruns -Rache, wird erzählt in den beiden Liedern von Atli, die parallel -nebeneinander herlaufen, einem ältern (Atlakvida) und einem jüngern -(Atlamál); sie geben beide dieselbe Darstellung, denselben Inhalt, -dieselbe Szenerie wieder.</p> - -<p>Damit ist die Sage, soweit sie der deutschen Überlieferung im Norden -parallel geht, zu Ende. Seltsamerweise ist im Norden die Erzählung -noch um eine Stufe weiter geführt: Gudrun verheiratet sich (was -uns sehr seltsam anmutet) zum drittenmal, und um ihre Schicksale -in dieser dritten Ehe drehen sich die beiden letzten Gedichte der -Sammlung: Gudruns Aufreizung (Gudrunarhvot) und<span class="pagenum" id="Seite_8">[S. 8]</span> die Sprüche von Hamdir -(Hamdismál); Hamdir ist einer ihrer Söhne aus dritter Ehe.</p> - -<p>Es fehlt nun noch eine Brücke über die Lücke; diese bietet uns eine -Prosaerzählung, die auch noch im 13. Jahrhundert entstanden ist, und -die unsere Liedersammlung (nicht in der uns erhaltenen Handschrift) -in vollständiger Gestalt benutzt hat. Die Erzählung führt den Titel: -Volsungasaga, die Erzählung von den Wolsungen<a id="FNAnker_2" href="#Fussnote_2" class="fnanchor">[2]</a>. Sie ist kein -selbständiges Buch, sondern nur der erste Teil und die Einleitung zu -einem weiter folgenden Hauptteil, der Ragnars Saga Lodbrokar (Erzählung -von Ragnar Lodbrok, einem Wikingerkönig des 9. Jahrhunderts). Die -Absicht des ganzen Werkes ist, den im 13. Jahrhundert regierenden -norwegischen Königen, die sich als Nachkommen des Ragnar Lodbrok -ansahen, dadurch, daß dieser zu einem Schwiegersohne Sigurds -gemacht<a id="FNAnker_3" href="#Fussnote_3" class="fnanchor">[3]</a>, Sigurd seinerseits aber bis auf die alten Heidengötter -zurückgeführt wird, göttlichen Ursprung beizulegen. So setzt die -Volsungasaga damit ein, daß sie erzählt, wie ein Sohn des Gottes Odin, -namens Sigi, eine Herrschaft auf Erden gewinnt. Von ihm springt die -Erzählung auf seinen Sohn Rerir und von Rerir auf dessen Sohn Volsung, -denjenigen, der den Geschlechtsnamen zuerst führt und damit bekundet, -daß mit ihm die alte Sage überhaupt erst anhebt. Was vorausgeht, ist -erst, um die Verbindung mit dem Gotte herzustellen, hinzugedichtet. Von -Volsung und seinen Söhnen, deren bedeutendster Sigmund heißt, erzählt -nun die Volsungasaga eine höchst altertümliche und grausige Geschichte, -die, obgleich sie mit der von Sigurd nur äußerlich in Beziehung steht, -von Wagner für seine Darstellung der Nibelungensage stark ausgenutzt -ist. An sie schließt sich die Erzählung von Sigurd, dem Sohne Sigmunds, -und es folgt die gesamte Sage im Anschluß an die vorhin besprochene -Liedersammlung, so zwar, daß die Lücke, die in jener vorliegt, hier -vollständig für uns ausgefüllt ist. Der Sagaschreiber verfährt so naiv, -daß er die Lieder einfach in Prosa umschreibt. Er denkt nicht daran, -die notwendigerweise existierenden Widersprüche zwischen den einzelnen -Liedern auszugleichen. Wenn zwei Lieder hintereinander stehen, die -dieselbe Geschichte behandeln, die einander also in der<span class="pagenum" id="Seite_9">[S. 9]</span> Prosaerzählung -eigentlich ausschließen, erzählt er dieselbe Sache ruhig zweimal. — -Das ist die eigentliche nordische Überlieferung, die im wesentlichen -schriftlich niedergelegt worden ist im 13. Jahrhundert, obgleich sie -natürlich auf wesentlich ältern Quellen beruht. Außerdem ist in die -nordische Olafs Saga Tryggvasonar (die Erzählung von Olaf, Sohn des -Tryggvi, einem norwegischen Könige, der im Jahre 1000 fiel) auch ein -Stück unserer Liedersammlung aufgenommen und kann uns infolgedessen als -Kontrolle dienen.</p> - -<p>In Deutschland haben eigentümlicherweise diejenigen, die sicherlich die -Kunde von den Ereignissen der Nachwelt übermittelt haben, die Franken, -nichts Direktes für die poetische oder schriftliche Darstellung der -Sage getan. Wir finden im 10. Jahrhundert, also etwa hundert Jahre -nach der Wikingerzeit, eine Spur, daß die Sage vom Niederrhein nach -Bayern gelangt ist, nicht auf dem Wege der volkstümlichen Erzählung, -sondern, wie es scheint, einheitlich, indem ein fahrender Mann, der -die Kenntnis der Geschichte besaß, sie dahin gebracht und dem Bischof -Pilgrim von Passau, der damals in Bayern eine große Rolle spielte -(er war Bischof von Passau 971–991), vorgetragen hat; der Bischof -soll sie dann in lateinischer Sprache durch seinen Schreiber Konrad -haben aufzeichnen lassen. Diese Nachricht ist uns überliefert durch -eine spätere hochdeutsche Dichtung, die Klage, die zwar nicht ohne -weiteres glaubwürdig ist, von der man aber nicht einsieht, wie sie zur -Erfindung der Notiz hätte kommen können. So ist denn die Nibelungensage -spätestens im 10. Jahrhundert vom Niederrhein nach Oberdeutschland -verpflanzt worden und hier in ein Gebiet geraten, in dem eine andere -Sage bereits die Alleinherrschaft hat und den Volksgeist und die -Volksphantasie vollständig beherrscht und erfüllt; es ist dies die -gotische Dietrichsage, die in Bayern zu Hause ist, und die auch durch -die Nibelungensage dort nicht hat verdunkelt werden können. Zwischen -der gotischen Dietrichsage und der Nibelungensage, wie sie von den -Franken herüberkommt, besteht nun ein eigenartiges äußeres Band. In -beiden spielt von Haus aus auf Grund der Geschichte der Hunnenkönig -Attila eine wesentliche Rolle. Damit ist natürlich für die Menschen des -10.-12. Jahrhunderts erwiesen, daß die beiden Erzählungen gleichzeitig -sind und in einem gewissen Zusammenhange stehen; so tritt denn in -Oberdeutschland die Nibelungensage als Episode in die Dietrichsage -ein. Das hat nicht<span class="pagenum" id="Seite_10">[S. 10]</span> verhindert, daß gerade die Nibelungensage im -12. Jahrhundert als Stoff eines großen Gedichtes, des einzigen, das -wenigstens den Versuch macht, die ganze Erzählung abschließend zu -behandeln, verwendet worden ist; das ist unser Nibelungenlied oder, wie -sein ursprünglicher Titel heißt, „der Nibelunge Not“. Sein Verfasser -ist ein ritterlicher Sänger, ein Angehöriger der obern Stände; nachdem -im 12. Jahrhundert die Kulturverhältnisse sich soweit gehoben haben, -daß der Ritterstand selbst literarisch tätig ist, arbeiten im Westen -und besonders im Nordwesten Deutschlands die ritterlichen Dichter -auf Grund modischer, fremder, gewöhnlich französischer Vorlagen; den -Angehörigen des Südostens waren solche weniger zugänglich; so griff -der Dichter der Nibelunge Not in die Tiefe der Volksüberlieferung und -nahm aus ihr einen einheimischen Stoff heraus und herauf. Das ist die -Stellung des Nibelungenliedes in der Geschichte der deutschen Literatur.</p> - -<p>So wie das Lied uns überliefert ist, ist es nicht ohne weiteres als -Werk jenes Mannes zu betrachten. Die Beurteilung dieser Überlieferung -ist ganz besonders schwierig; das Originalgedicht besitzen wir ganz -bestimmt nicht mehr. Doch war das Lied, wie es uns noch vorliegt, zu -Anfang des 13. Jahrhunderts vorhanden, denn Wolfram von Eschenbach -zitiert es in seinem Parzival.</p> - -<p>„Der Nibelunge Not“ ist ein literarischer Erfolg allerersten Ranges -gewesen. Denn von dem Augenblick an, wo das Gedicht existiert, schießen -Gedichte der gleichen Stoffklasse in gleicher Form wie Pilze aus dem -Boden; bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts beherrschte die deutsche -Heldensage (wie man dieses Stoffgebiet als Ganzes nennt) einen großen -Teil des literarischen Interesses Süddeutschlands. Im Laufe dieser -Zeit tritt allerdings dieser Stoff allmählich mehr und mehr in die -zweite Linie zurück, eine natürliche Folge der ständigen Schwankungen -und Wellen des literarischen Geschmacks. Andere, weniger urwüchsige -Stoffe wurden jetzt bevorzugt; das Lied war für die vornehmen Stände -nicht vornehm genug, für die untern Stände wiederum aber noch zu fein. -So geriet es allmählich in Vergessenheit und wurde ungefähr ums Jahr -1500 abgelöst durch eine eigenartige, wenig künstlerische Dichtung, das -„Lied vom Hürnen Seifrid“. Es geht nicht einfach auf das Nibelungenlied -zurück, sondern hat manche Besonderheiten, und darin besteht seine -Bedeutung für die Sagenforschung. Aber sein dichterischer Wert ist -gleich Null. Daß Seifrid<span class="pagenum" id="Seite_11">[S. 11]</span> hier „hürnen“ heißt, will besagen: er hat -eine durch Drachenblut wie Horn gehärtete Haut. Der Hürnen Seifrid -ist uns nun schon gar nicht mehr handschriftlich erhalten. Er tritt -erst in die Literaturgeschichte ein, nachdem der Buchdruck schon -vorhanden ist: um 1500 tritt er auf, etwa ein Jahrhundert lang (bis -1611) wird er wiederholt aufgelegt; schließlich liefert das Gedicht -den Stoff zu dem in eigenartiger Weise modernisierten und eigentlich -verballhornten Volksbuche vom „gehörnten Siegfried“, das mit modischen, -halb lateinischen, halb französischen Floskeln verbrämt ist<a id="FNAnker_4" href="#Fussnote_4" class="fnanchor">[4]</a>. Aus dem -„Hürnen Seifried“ ist ein „gehörnter“ Siegfried geworden. Es ist in -der Tat gemeint, daß er Hörner auf dem Kopfe trägt; ein vollständiges -Mißverstehen des alten Beinamens. Das Volksbuch ist im wesentlichen -während des 18. Jahrhunderts lebendig, doch nur in den untersten -Kreisen des Volkes. Es ist in bezug auf seinen Sagengehalt nichts -weiter als eine Ausgestaltung des Hürnen Seifried, also für eine -Untersuchung der älteren Sagenform ohne Belang.</p> - -<p>Der deutsche Zweig der Entwicklung unserer Sage ist im 13. Jahrhundert -auf literarischem Wege in Skandinavien eingeführt worden, und zwar -durch einen Norweger, der zum nördlichen Deutschland innige Beziehungen -hatte. Er nennt als seine Gewährsmänner Leute aus Bremen, Münster und -Soest, also aus Städten, in denen damals der Handel besonders mit -Skandinavien blühte. Sein Werk umfaßt das ganze Gebiet der deutschen -Heldensage, in erster Linie also die Dietrichsage, von den Ahnen -Dietrichs beginnend bis auf seine Entführung durch ein schwarzes -Höllenroß. Innerhalb dieses Rahmens ist auch die Nibelungensage -erzählt, und zwar in deutscher Form, in einer Form, die zu unserm -Nibelungenliede in nächster Beziehung steht, so zwar, daß wir nicht -etwa nur anzunehmen brauchen, sie beruhe auf denselben Erzählungen, -sondern es muß, wenigstens stellenweise, ein und dieselbe Dichtung -beiden zugrunde liegen. Ob etwa das Nibelungenlied selbst vom Verfasser -dieses Buches benutzt worden ist, mag vorläufig dahingestellt -bleiben. Der Titel des Werkes ist „Thidrikssaga Konungs af Bern“, die -Erzählung von König Dietrich<span class="pagenum" id="Seite_12">[S. 12]</span> von Bern. Dieser, der ja der Hauptheld -der süddeutschen Sage ist, ist hier der Mittelpunkt des deutschen -Heldenzeitalters. Um ihn gruppiert sich alles, an ihn schließt sich -auch die Nibelungensage an; denn er ist in dem großen Nibelungenkampfe -derjenige, der den Ausschlag gibt, der allein in der Lage ist, die -Nibelunge zu überwinden. Wie uns die Thidrikssaga erhalten ist, ist -sie nicht einheitlich, sondern es haben mehrere Hände ihre jetzige -Gestalt bewirkt. Immerhin ist sie eine wundervolle Quelle, die -vollständigste Quelle unserer deutschen Heldensage überhaupt. Sie -hat begreiflicherweise manche Nachdichtung auf nordischem Boden -hervorgerufen; solche sind für die Erkenntnis der ältern Sagenform -ebenso belanglos wie das deutsche Volksbuch.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_13">[S. 13]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="II"><span class="s5">II.</span><br /> -<b>Form, Inhalt und Kritik der nordischen Überlieferung.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>ie nordische Gestalt der Nibelungensage hat viel Altertümliches -bewahrt; in vielen Dingen ist sie sicher wesentlich altertümlicher -als die deutsche. Eine einheitliche Darstellung im strengen Sinne -ist im Norden nicht zustande gekommen. Wir besitzen nur Lieder und -Bruchstücke, notdürftige Zusammenstoppelungen der letztern und die -scheinbare Gesamterzählung der Volsungasaga, die sich aber Schritt für -Schritt an die Liedersammlung anklammert.</p> - -<p>Die Dichtungen selbst sind, soweit sie uns erhalten sind, noch in -der Weise altgermanischer Poesie abgefaßt, d. h. sie weisen den -stabreimenden Vers auf. Dieser tritt in den nordischen Liedern in -der Hauptsache in drei Formen auf. Die gewöhnlichste Art ist die -„<span class="antiqua">fornyrdislag</span>“ (Gesetz der alten Rede) genannte. Sie besteht -darin, daß die gewöhnlichen alten, vier Haupthebungen aufweisenden -Langverse zu in der Regel vierversigen Strophen verbunden werden; -oft sind die Strophen verschieden lang, so daß die Verse durch die -betreffende Dichtung im Grunde genommen glatt durchlaufen. Der Vers -selbst besteht immer aus zwei Teilen, die durch einen Einschnitt -getrennt sind. Innerhalb jedes Teiles stehen zwei haupttonige Silben -(Hebungen). Die erste Hebung des zweiten Teiles ist die wichtigste; sie -gibt den Stabreim an. Mit ihr muß eine oder dürfen beide des ersten -Teiles durch Stabreim gebunden sein, z. B. Kurzes Sigurdslied, Strophe -1:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2">Einstmals kam <b>S</b>igurd <span class="mleft2">zum <b>S</b>ale Gjukis,</span></div> - <div class="verse indent2">der <b>W</b>olsungensproß <span class="mleft2">nach <b>w</b>ildem Kampfe;</span></div> - <div class="verse indent2">er schloß den <b>B</b>und <span class="mleft2">mit der <b>B</b>rüder zweien,</span></div> - <div class="verse indent2">die <b>H</b>elden schwuren sich <span class="mleft2"><b>h</b>eilige Eide<a id="FNAnker_5" href="#Fussnote_5" class="fnanchor">[5]</a>.</span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_14">[S. 14]</span></p> - -<p>Die zweite verhältnismäßig selten vorkommende Form ist der sogenannte -Málaháttr (Spruchweise); ihre Besonderheit besteht darin, daß die -einzelnen Halbverse etwas länger sind als beim Fornyrdislag, im -allgemeinen um eine Silbe. In der deutschen Übersetzung hat Gering dies -dadurch wiedergegeben, daß er die Halbzeilen dreihebig macht, z. B. -Atlakvida, Strophe 28:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2">Der <b>r</b>eißende <b>R</b>hein nun hüte, <span class="mleft2">was <b>R</b>ecken zum Streit entflammte,</span></div> - <div class="verse indent2">das <b>e</b>inst die <b>A</b>sen besessen, <span class="mleft2">das <b>a</b>lte Niflungenerbe!</span></div> - <div class="verse indent2">Im <b>r</b>innenden Wasser besser <span class="mleft2">sind die <b>R</b>inge des Unheils verborgen,</span></div> - <div class="verse indent2">als wenn an <b>h</b>unnischen <b>H</b>änden <span class="mleft2">das <b>h</b>elle Gold erglänzte.</span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Das dritte Metrum, Ljódaháttr (Liedweise) genannt, ist ein lyrisches, -offenbar zum Gesang bestimmtes. Es besteht darin, daß auf einen -Langvers, der dem im Fornyrdislag üblichen im wesentlichen gleich ist, -ein einschnittloser Vers von drei Hebungen folgt und mit ihm ein Ganzes -bildet; in der Regel sind zwei solcher Verspaare zu einer Strophe -vereinigt, z. B. Reginsmál, Strophe 1:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2">Was ist’s für ein <b>F</b>isch, <span class="mleft2">der im <b>F</b>lusse schwimmt</span></div> - <div class="verse indent6">und sich unklug vor <b>Sch</b>aden nicht <b>sch</b>ützt?</div> - <div class="verse indent2">Aus <b>H</b>els <b>H</b>änden <span class="mleft2">dein <b>H</b>aupt nun löse,</span></div> - <div class="verse indent6">schaffe mir <b>F</b>euer der <b>F</b>lut.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Der Stabreim besteht darin, daß der Anlaut der höchstbetonten Silben -gleich ist; es ist nur nötig, daß der erste Laut alliteriert, mit -folgenden Ausnahmen: 1. alle vokalisch anlautenden Silben können -miteinander reimen, weil der Germane keinen Vokal anders als mit einem -festen Ansatz ausspricht, den wir auch in der heutigen deutschen -Sprache noch hören können: also Worte wie „alt“ und „ewig“ klingen -reimend an für den Stabreim; 2. die mit folgenden p, t und ch eng -verbundenen s können nur mit ebenso verbundenen gereimt werden, z. B. -„sprechen“ mit „Sper“, aber nicht mit „schießen“, dies mit „schreien“, -aber nicht mit „sitzen“ usw. Im übrigen ist jeder einzelne Laut allein -ausreichend.</p> - -<p>Soviel über die poetische Form; die Mehrzahl der nordischen Denkmäler -ist allerdings in Prosa abgefaßt, Verse bilden immerhin die Ausnahme.</p> - -<p>Den Inhalt der nordischen Sagenform kennen wir am vollständigsten aus -der Volsungasaga. Sie hat die Erzählung bis auf den alten Hauptgott -der Germanen selbst zurückgeführt; Odin<span class="pagenum" id="Seite_15">[S. 15]</span> steht an der Spitze des -Geschlechtes der Wolsunge<a id="FNAnker_6" href="#Fussnote_6" class="fnanchor">[6]</a>. Im Norden ist, da das Heidentum sehr -viel länger lebendig blieb als in Deutschland, die Götterlehre sehr -viel weiter ausgebildet, und sind die Götter sehr viel persönlicher -geworden; in Deutschland wissen wir von ihnen so gut wie nichts; sie -sind hier wesenlose Schemen. Odin ist der Vater des Sigi, der als ein -König auf Erden herrscht, von seinem Vater eingesetzt. Sein Enkel -Wolsung ist der eigentliche Ahnherr des Geschlechtes der Wolsunge; daß -er selbst den Geschlechtsnamen führt, ist im Grunde ein Versehen der -nordischen Überlieferung, das uns ein altenglisches Zeugnis beseitigen -hilft: im Gedichte Beowulf, dem ältesten Epos in germanischer Sprache, -heißt derselbe Mann nicht Wolsung, sondern bloß Wæls. Diese Form ist -zweifellos die richtige; sie gibt den eigentlichen Personennamen. -Wolsung, mit der Endung -ung abgeleitet, ist der Geschlechtsname, -zu vergleichen mit Amelungen, Merowingern, Karolingern, Nibelungen -usw.; ein Wolsung ist ein Nachkomme des Wals; diese Bildungsweise der -Geschlechtsnamen ist gut germanisch.</p> - -<p>Wolsung hat zehn Söhne und eine Tochter, namens Signy. Um diese wirbt -ein König Siggeir (er herrscht über die Gauten, die in Südschweden -sitzen) und erhält sie auch zur Frau. Auf der Hochzeit der beiden -erscheint ein Mann in blauem Mantel, den Hut ins Gesicht hereingezogen, -so daß man nur ein Auge sieht, stößt in den Baumstamm, der mitten in -der Königshalle steht, ein Schwert und bestimmt es demjenigen, der -imstande ist, es wieder herauszuziehen. Der Mann ist seiner Schilderung -nach natürlich Odin, der höchste Gott, der in dieser Gestalt auf der -Erde wandernd gedacht wurde. Die Hochzeitsgäste, vor allen Siggeir, -der junge Gemahl, versuchen das Schwert herauszuziehen. Keinem gelingt -es; erst als Sigmund, der älteste Sohn Wolsungs, zugreift, liegt das -Schwert vor ihm, als ob es gar nicht festgesteckt hätte. Siggeir bietet -ihm Gold für das Schwert, er aber behält es für sich.</p> - -<p>Siggeir scheidet in Ärger von der Familie seiner Frau und denkt -auf Rache. Nach einiger Zeit ladet er den Schwiegervater und seine -Söhne zu sich ein. Sie kommen trotz der Warnung der Signy und werden -unmittelbar, nachdem sie im Gautenlande<span class="pagenum" id="Seite_16">[S. 16]</span> angekommen sind, überfallen, -der alte König Wolsung getötet, seine Söhne gefangen; in der -Gefangenschaft kommen sie nach und nach alle um, mit Ausnahme Sigmunds, -der durch eine List der Signy am Leben erhalten wird und entflieht. Er -lebt in der Wildnis und sinnt auf Rache, vermag sie aber noch nicht -durchzuführen.</p> - -<p>Signy ist in einer eigenartigen Lage: sie ist die Schwester des Rächers -und die Gattin desjenigen, gegen den die Rache geplant ist, gerät also -in einen Konflikt der Pflichten. Als die Signy-Sigmund-Geschichte -gedichtet wurde, galt durchaus noch die alte Anschauung, daß -Blutsverwandtschaft dem Gattenverhältnis unbedingt vorgeht, daß also -Signy ebenso zur Rache für Wolsung und ihre Brüder verpflichtet ist, -wie Sigmund. Signy versucht sogar ihre eigenen, dem Siggeir gebotenen -Söhne, die doch auch Wolsungs Enkel sind, zur Rache zu verwenden und -schickt sie zu Sigmund in den Wald hinaus, damit dieser sie auf ihre -Heldenhaftigkeit prüfe. Sie erweisen sich aber als Memmen, weil sie -zur Hälfte vom Stamme Siggeirs sind und keine vollbürtigen Wolsunge. -Sigmund tötet sie im Einverständnis mit Signy ohne weiteres, diese -aber entschließt sich zu einem ganz eigenartigen Schritt: sie tauscht -mit einem andern Weibe die Gestalt (ein in der nordischen Dichtung -gar nicht selten auftretender Zug) und lebt dann eine Zeitlang -unerkannt bei ihrem Bruder, um nach eingetretener Empfängnis wieder -zurückzukehren<a id="FNAnker_7" href="#Fussnote_7" class="fnanchor">[7]</a>. Der Sohn, den sie gebiert, der den Namen Sinfjotli -trägt, ist infolgedessen ein Wolsung von Vater- und von Mutterseite -und vollwertig zur Rache. Auch er wird hinaus zu Sigmund geschickt, -von ihm geprüft und sofort als Held erfunden. Darauf schleichen sich -Sigmund und Sinfjotli in die Halle Siggeirs ein, werden jedoch entdeckt -und festgesetzt. In der Gefangenschaft aber reicht ihnen Signy das -Wunderschwert zu, um das der Streit entbrannt war. Mit dem Schwerte -sägen sich Sigmund und Sinfjotli aus den Mauern ihres Kerkers, töten -den Siggeir und brennen die Halle nieder. Die Rache ist vollendet. -Signy verbrennt sich in den Flammen des brennenden Hauses zur Sühne für -ihre Teilnahme an derselben.</p> - -<p>Sigmund aber kehrt in seine Heimat zurück, vermählt sich<span class="pagenum" id="Seite_17">[S. 17]</span> mit einer -dänischen Fürstin, namens Borghild, und wird dadurch dänischer König. -Diese Borghild hat in der Sage recht wenig Bedeutung; sie bedeutet für -die Komposition unserer Erzählung nur, daß Sinfjotli, der in ihren -späteren Teilen keine Stelle mehr hat, herausgebracht wird. Sie haßt -den Stiefsohn und vergiftet ihn schließlich. Sinfjotli ist damit aus -der Erzählung ausgeschieden, und Borghild entbehrlich: Sigmund verstößt -sie.</p> - -<p>An die Sigmund-Borghild-Episode anknüpfend hat ein nordischer -Dichter eine in Deutschland ganz unbekannte Sage dänischen Ursprungs -angeschlossen: die Geschichte von Helgi dem Hundingstöter. Dieser gilt -für einen Sohn des Sigmund und der Borghild. Seine Taten und Schicksale -stehen nur in ganz loser Beziehung zu unserer Sage. Der von Helgi -getötete Hunding<a id="FNAnker_8" href="#Fussnote_8" class="fnanchor">[8]</a> gilt als Vater des Königs Lyngvi, gegen den Sigmund -gefallen ist — eine chronologisch fast unmögliche Auffassung.</p> - -<p>Sigmund geht an eine zweite Ehe. Obgleich nunmehr schon bejahrt, wirbt -er doch um eine junge Fürstin, die den Namen Hjordis führt (ein Name, -der in Deutschland nicht vorkommt; er bedeutet etwa „Schwertmädchen“). -Gleichzeitig wirbt um diese Hjordis ein König Lyngvi. Obgleich -er jünger ist wie Sigmund, wählt sie doch den Alten, weil er der -berühmtere ist, und folgt ihm als Gattin. Lyngvi zieht zur Rache gegen -ihn zu Felde. Es kommt zu einer Schlacht, in der Sigmund wie immer -das unüberwindliche Gottesschwert schwingt; im entscheidenden Moment -aber tritt ihm Odin selbst entgegen und hält seinen Speer gegen das -Schwert: es zerspringt, und Lyngvi kann Sigmund tödlich verwunden. -Er kommt aber nicht zu seinem Ziele, denn er findet die versteckte -Hjordis nicht und zieht ohne sie ab. Hjordis sucht ihrerseits auf dem -Schlachtfelde den todwunden Gatten auf und erhält von ihm, bevor er -stirbt, die Bruchstücke des Schwertes, um sie dem zu erwartenden Sohne -aufzubewahren.</p> - -<p>Irgendwie motiviert ist in der Erzählung das Auftreten des Gottes Odin -nicht: er schenkt das Schwert, ebenso wie er es später zum Springen -bringt, ohne Grund. Irgendwelche tiefern religiösen Ideen darf man -nicht darin suchen, auch nicht das, was man gemeinhin einen Mythus -nennt. Es ist nichts weiter darin zu finden als ein Bild: Odin ist -der Gott des Sieges;<span class="pagenum" id="Seite_18">[S. 18]</span> Sigmund ist im wichtigsten Teile seines Lebens -als unüberwindlicher, siegreicher Held gedacht, er genießt also die -Gunst des Sieggottes, er hat ein von diesem ihm geschenktes Schwert. -Schließlich fällt er doch in der Schlacht; also muß ihm der Gott selbst -den Sieg entzogen haben; warum er dies getan hat, danach hat man bei -einem Gotte nicht zu fragen.</p> - -<p>Hjordis wurde mit ihrer Begleitung kurz nach dem Tode ihres Gatten -von Seeräubern entführt. An ihrer Spitze stand Alf, der Sohn des -Königs Hjalprik von Dänemark. Alf fand Gefallen an der Witwe und -vermählte sich mit ihr, nachdem sie den Sigurd, den Sohn Sigmunds, -geboren hatte; so wurde Sigurd (unser deutscher Siegfried) erzogen -am Hofe des Königs von Dänemark — nach der Auffassung einer spätern -nordischen Dichtung. Damit aber hören die Beziehungen Sigurds zum -dänischen Königshofe so gut wie ganz auf. Außer seinem Stiefvater hat -Sigurd noch einen Pflegevater, den Regin, einen Mann verhältnismäßig -niederer Herkunft. Die Doppelheit des Stiefvaters und Pflegevaters -zu gleicher Zeit und scheinbar auch am gleichen Orte wäre zur Not zu -verstehen. Nicht zu verstehen aber ist, daß der Stiefvater in Dänemark -lebt, der Pflegevater dagegen, wie sich gleich aus dem folgenden -ergibt, in Deutschland am Rheine lebend gedacht wird. Wir sehen hier, -daß die Darstellung Sprünge hat, daß ältere und jüngere Schichten -übereinander liegen; der ältern gehört hier der Pflegevater Regin am -Rheine an. Der Umstand, daß Sigurd, der später ein großer Held wird, -unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sein soll, hat die spätern, -verfeinerten Geschlechter gestört; man hat ihm deshalb einen Stiefvater -aus königlichem Blute gegeben, so daß eine dementsprechende königliche -Erziehung möglich war.</p> - -<p>Regin ist, wie gesagt, ein Mann vergleichsweise niederer Herkunft. -Er versucht den Sigurd, nachdem er herangewachsen ist, in seinem -eigenen Interesse auszunutzen; zu diesem Zwecke erzählt er ihm seine -Schicksale und damit verbunden die Herkunft des großen Schatzes, den er -beansprucht, den aber ein Drache hütet.</p> - -<p>Nach dieser Erzählung war der Vater des Regin und noch zweier Brüder, -die die Namen Fafnir und Otr führen, ein Bauer namens Hreidmar. Die -Söhne hatten die Fähigkeit, beliebig Tiergestalt anzunehmen. Es ist das -eine Erscheinung ähnlich dem Gestaltentausch der Signy.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_19">[S. 19]</span></p> - -<p>Eines Tages ziehen nun drei Götter, Odin, Hönir und Loki (eine -Dreiheit, die oft zusammen genannt wird) auf Erden umher in -menschlicher Gestalt. An einem Wasserfall sehen sie einen Fischotter -einen Fisch schmausen. Loki tötet durch einen Steinwurf den Fischotter -und zieht ihm den Balg ab. Mit dieser Beute kehren sie dann bei dem -Bauern Hreidmar ein; dieser erkennt an dem Otterfell, daß sein Sohn Otr -hat das Leben lassen müssen. Er setzt infolgedessen die drei Götter -gefangen und legt ihnen die Mordbuße für den Sohn auf: der Otterbalg -soll mit Gold ausgefüllt werden, bis er auf seinen vier Beinen -wieder stehen kann, und dann auch mit Gold überzogen werden, bis das -letzte Härchen verschwunden ist. Darauf wird einer der Götter, Loki, -beurlaubt, um das nötige Lösegeld herbeizuschaffen. Er kommt wieder -an den Wasserfall, wo, wie er weiß, ein Zwerg, namens Andvari, lebt, -der große Schätze hat und sich oft in Hechtgestalt im Wasser aufhält. -Loki fängt diesen Hecht, und nun muß sich Andvari durch Herausgabe -seines Reichtums lösen. Er gibt verhältnismäßig rasch alles heraus -bis auf einen Ring, der in der Folge unter dem Namen Andvaranaut -(Andvari’s Kleinod) eine wichtige Rolle spielt; da Loki auch diesen -nimmt, das letzte, was Andvari hat, belegt der Zwerg den Ring mit -einem furchtbaren Fluche, der darauf hinzielt, daß alle die, die ihn -später besitzen werden, vom Fluche betroffen zugrunde gehen. Mit der -gewonnenen Beute wandert Loki zu Hreidmar und übergibt das Gold Odin. -Dieser füllt den Balg aus und überkleidet seine Außenseite, behält -aber den Ring vorläufig zurück. Hreidmar sieht sich die Mordbuße an -und erklärt schließlich, daß noch ein Schnurrbarthaar des Otters -durchscheine; das müsse noch bedeckt werden, dann sei die Sache in -Ordnung. Darauf erst gibt Odin den unheilbringenden Ring noch hinzu, -und die Götter sind gelöst. Sofort aber beginnt der Fluch zu wirken: -die beiden andern Söhne Hreidmars fordern Anteil an der Buße; da er das -verweigert, erschlagen ihn seine Söhne und geraten nun untereinander -in Zwist. Fafnir verjagt Regin, behält den ganzen Schatz für sich und -hütet ihn nun in einer Höhle auf der Gnitaheide<a id="FNAnker_9" href="#Fussnote_9" class="fnanchor">[9]</a>. Hier liegt er von -nun an in Drachengestalt auf dem Schatze.</p> - -<p>Regins Bestreben ist nun, Fafnir zu töten und damit den<span class="pagenum" id="Seite_20">[S. 20]</span> Schatz zu -gewinnen; zu diesem Zwecke will er sich Sigurds bedienen. Sigurd -verlangt dazu zunächst ein Schwert. Die Schwerter, die Regin selbst -schmiedet, sind ihm alle nicht gut genug; sie versagen bei der Probe. -Daraufhin begibt sich Sigurd zu seiner Mutter und erhält von ihr -die Stücke des Gottesschwertes, das der Vater geführt hat. Regin -schweißt sie wieder zusammen<a id="FNAnker_10" href="#Fussnote_10" class="fnanchor">[10]</a>. Dies Schwert besteht jede Probe. Es -wird im Rhein erprobt, indem im langsam fließenden Wasser gegen die -Schärfe des Schwertes eine Wollflocke entgegentreibt; sie wird glatt -durchschnitten. Das Schwert wird für gut erklärt, und nun verlangt -Regin die Tötung des Drachens. Sigurd aber denkt zunächst an etwas -anderes, was in der nordischen Sagengestalt unvermeidlich ist, aber -zweifellos nicht ursprünglich zu unserer Darstellung gehört: er denkt -an Vaterrache. Er muß seinen gefallenen Vater Sigmund an Lyngvi rächen. -So zieht er denn zunächst mit Heeresmacht, die er natürlich von seinem -Stiefvater Alf erhalten hat, gegen Lyngvi und fängt und tötet ihn. -Dann erst, nachdem die Vaterrache gelungen ist, macht sich Sigurd an -die Tötung Fafnirs. Er kundschaftet seine Höhle aus, gräbt eine Grube, -setzt sich hinein und ersticht ihn von unten, während jener über ihn -hinwegschreitet. Die nordische Dichtung bringt nunmehr ein langes -Zwiegespräch zwischen dem sterbenden Drachen und Sigurd; gerade in -solche Momente lange, meist auf die Zukunft hinausdeutende Erzählungen -einzulegen, ist im Norden nicht unbeliebt, erscheint uns freilich -ungeschickt und unbegreiflich.</p> - -<p>Dann stirbt der Drache, Regin begrüßt den Sigurd, bittet ihn, ihm -das Herz des Drachens zu braten und legt sich einstweilen zur Ruhe. -Sigurd geht an diese kleine Arbeit und versucht nach einiger Zeit, -ob das Herz wohl gar ist, indem er es mit den Fingern anfaßt; dabei -verbrennt er sich und steckt die Finger rasch in den Mund. Darüber -kommt etwas Drachenblut an seine Zunge, und er versteht plötzlich, -was die Vögel in den Bäumen über ihm reden. So erfährt er denn von -ihnen, daß Regin darauf denkt, wie er Sigurd beseitigen kann, teils um -seine Rachegelüste zu befriedigen, — denn er hat gewissermaßen die -Verpflichtung, seinen Bruder Fafnir zu rächen, — teils um<span class="pagenum" id="Seite_21">[S. 21]</span> den Hort -für sich zu gewinnen. Daraufhin tötet Sigurd den Regin. Durch die Vögel -erfährt er weiter von dem Dasein des Schatzes und wird hingewiesen -auf eine Jungfrau, zu der ihn zunächst sein Weg führen soll. Mit dem -Schatze beladen zieht er ab und kommt nach einiger Zeit an eine Höhe, -die den Namen Hindarfjall (der Hindenberg) führt. Die Erzählung (hier -die Prosa des Sammlers der Lieder-Edda) fährt wörtlich fort (Gering S. -210): „Sigurd ritt hinauf nach Hindarfjall, und seine Absicht war es, -gen Süden nach dem Frankenlande zu ziehen. Auf dem Berge sah er ein -helles Licht, als ob Feuer darauf brannte, und der Schein leuchtete zum -Himmel empor. Als er aber näher kam, stand dort eine Schildburg, und -über ihr wehte ein Banner. Sigurd ging in die Schildburg und erblickte -darin einen Mann, der in voller Rüstung da lag und schlief.“ Es brennt -also kein Feuer, sondern die glänzenden Schilde, die zu einer Art von -Zaun zusammengestellt sind — das ist die Schildburg —, leuchten in -der Sonne, so daß es von weitem aussieht, als brännte ein Feuer. Ein -wirkliches Feuer aber ist hier in der Überlieferung nicht gemeint. Es -ist das wesentlich für die Auffassung eines bestimmten Zugs unserer -Sage. Der schlafende Mann wird von Sigurd erweckt; er schneidet ihm -den Panzer auf und erkennt nun, daß er ein Weib vor sich hat. Das Weib -erwacht und erzählt ihm ihre Schicksale. Sie heißt Brynhild und war -früher eine Walküre des Gottes Odin (also ursprünglich ein dämonisches, -kein menschliches Wesen). Als einmal ein Kampf zwischen zwei Königen -ausbrach, Hjalmgunnar und Agnar, da stand Odin auf Seite des erstern, -des ältern und berühmtern. Niemand aber wollte dem Agnar helfen. Das -unternahm nun gegen den Willen des Gottes die Walküre Brynhild. Dafür -ist sie von Odin aus der Schar der Walküren ausgestoßen, in Schlaf -versenkt und zur Vermählung bestimmt worden. Sie aber hat vorher noch -das Gelübde getan, nur dem sich zu vermählen, der das Fürchten nicht -kenne. Erweckt, gibt sie zunächst dem Sigurd weise Lehren. Alsdann -verloben sie sich miteinander. Sigurd aber nimmt Abschied, ohne daß -die Ehe sofort vollzogen wird<a id="FNAnker_11" href="#Fussnote_11" class="fnanchor">[11]</a>.<span class="pagenum" id="Seite_22">[S. 22]</span> Diese Unterlassung wird nicht -begründet, wie überhaupt die ganze Erzählung viel Seltsames hat und -uns noch seltsamer anmutet, wenn wir unmittelbar hinterher von einer -zweiten Begegnung Sigurds mit Brynhild erfahren, die so erzählt wird, -als ob die erste gar nicht stattgefunden hätte. Wir stehen allerdings -jetzt in der Lücke des <span class="antiqua">Codex regius</span> und können nur die -Volsungasaga benutzen, die für uns die Lücke ausfüllt. Nach ihr kommt -Sigurd, nachdem er vom Hindenberge weggeritten ist, zu einem Helden, -namens Heimir, der in Hlymdalir wohnt. Dieser Heimir hat einen Sohn -Alsvinn, mit dem sich Sigurd befreundet. Sie jagen zusammen. Auf einer -Jagd gelangt Sigurd im Walde auf einen einsamen Turm. Hier findet er -Brynhild, wird mit ihr bekannt, wirbt um sie und wird nicht abgewiesen, -obgleich sie Bedenken gegen die Werbung hat, denn sie sagt, sie wäre -eine Schildmaid und trüge im Dienste von Königen die Waffen. Sie ist -hier also kein übermenschliches, sondern ein rein menschliches Mädchen. -Schildmädchen, d. h. Frauen, die sich dem Kriegerberufe gewidmet haben, -sind in der nordischen Tradition gar nichts seltenes, sind sogar auch -in der altgermanischen Welt überhaupt nichts seltenes gewesen. Man -erinnere sich ferner daran, daß schon die Griechen im Norden Europas -die Amazonenvölker, also kriegerische Frauen, kennen. — -<a id="Verlobungsgeschichten"></a>Sigurd und -Brynhild schwören einander Eide, und zwar, wie die Volsungasaga ganz -naiv sagt, von neuem; die Verlobung wird also zweimal geschlossen. -Selbstverständlich haben wir hier zwei parallele Dichtungen, die -nebeneinander stehen, die aber der Sagaschreiber einfach hintereinander -erzählt. Die eine schließt die andere aus. Welches die altertümlichere -ist, kann meines Erachtens nicht zweifelhaft sein: die zweite ist die -ältere.</p> - -<p>Das menschliche Schildmädchen ist aus den altgermanischen Verhältnissen -heraus ohne weiteres verständlich; die zur Strafe unter die -Menschen versetzte, ursprünglich rein dämonische Walküre setzt die -ganze Entwicklung der speziell nordischen Form des germanischen -Götterglaubens notwendig voraus; die Walküren als Botinnen Odins -und Gefährtinnen der seligen Helden können nicht ohne diese (die -Einherjar) gedacht werden, letztere wieder nicht ohne die nordische -Eschatologie, die ihrerseits bestimmt<span class="pagenum" id="Seite_23">[S. 23]</span> erst unter südeuropäischen -(römisch-klassischen und römisch-christlichen) Einflüssen zustande -gekommen ist.</p> - -<p>Nachdem Sigurd die Brynhild zum zweiten Male und ebenfalls ohne Angabe -eines rechten Grundes verlassen hat, zieht er weiter und kommt an den -Hof des Königs Gjuki. Gjuki ist die nordische Namensform des deutschen -Gibich (mhd. Gibeche, ursprünglich Gibica). König Gjukis Volk wird im -Norden entweder nicht oder als „Goten“ benannt, eine Auffassung, die -wohl damit zusammenhängt, daß man sich im Norden die eng mit den Goten -verbundenen Hunnen in Norddeutschland wohnend dachte und Sigurd zu den -Hunnen rechnete. Im allgemeinen wird Gjukis Geschlecht und dann auch -sein Volk mit dem Namen der Nibelunge bezeichnet (die nordische Form -ist Niflungar). Der Name Nibelunge ist im Norden ziemlich selten. Wo er -vorkommt, bezeichnet er stets den König Gjuki und seine Angehörigen. -König Gjuki hat eine Gattin Grimhild und mehrere Kinder, vor allen -die Söhne Gunnar (deutsch Günther) und Hogni (deutsch Hagen, der also -im Norden ein Bruder Günthers ist) und die Tochter Gudrun. Außerdem -erscheinen noch gelegentlich andere Kinder Gjukis, darunter ein Sohn -Gudorm, der in der nordischen Sage zu besondern Zwecken verwandt wird -und nicht auf gleicher Stufe mit seinen Geschwistern steht.</p> - -<p>Am Hofe des Königs Gjuki erregt Sigurd großes Aufsehen, so daß man -beschließt, ihn an sich zu fesseln. Als treibend tritt hierbei -Grimhild, die Gattin Gjukis, auf (nicht zu verwechseln mit unserer -deutschen Kriemhilt die vielmehr der nordischen Gudrun entspricht). -Sie gibt dem Sigurd einen Vergessenheitstrank, worauf er nicht mehr an -Brynhild denkt, und rät dann ihrem Manne, dem Sigurd die Tochter Gudrun -zum Weibe anzubieten. Gjuki antwortet darauf, es sei nicht üblich, -daß man seine Tochter jemandem zum Weibe anbiete, aber doch noch -ruhmvoller, sie Sigurd anzubieten, als wenn ein anderer käme, um sie zu -werben. Also die Wertschätzung Sigurds ist sehr groß. Sigurd vermählt -sich darauf mit Gudrun und wird in die Familie aufgenommen durch die -Formel des Blutsbundes. Gunnar, Hogni und Sigurd fügen sich eine -leichte Wunde zu, lassen das Blut in ihre gemeinsame Fußspur rinnen, -vermischen es auf diese Weise und gelten nunmehr als Blutsverwandte, -als wirkliche Brüder. Ein solcher Blutsbund ist heilig und hat alle -rechtlichen Folgen echter Verwandtschaft.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_24">[S. 24]</span></p> - -<p>Nach einiger Zeit beschließt Gunnar, Gjukis Sohn und Sigurds Schwager, -sich um Brynhild zu bewerben. Zu dieser Werbung ziehen aus Gunnar, -Hogni und Sigurd. Sie holen sich zunächst an den zuständigen Stellen -die Einwilligung, erst bei König Atli, dem Bruder der Brynhild, dann -bei ihrem Pflegevater Heimir, bei dem Sigurd sie kennen gelernt hatte, -und begeben sich dann zu ihr. Sie sitzt jetzt in einem Schlosse, das -von wogendem Feuer umgeben ist. Gunnar versucht hindurchzureiten; sein -Roß scheut zurück. Er bittet daraufhin zunächst Sigurd um sein Pferd -Grani und erhält es; aber unter Gunnar geht auch Grani nicht durchs -Feuer. So tauscht denn schließlich Sigurd mit Gunnar die Gestalt -(wieder ein solcher Gestaltentausch, der ohne Schwierigkeit gelingt) -und reitet auf Grani in Gunnars Gestalt durch die Flammen. Drinnen -sitzt Brynhild und ist gewärtig (was eigentlich nicht erklärt wird), -daß nur Sigurd es wagen werde, durch die Flammen zu reiten. Sie sieht -aber, daß ein anderer kommt, der sich Gunnar nennt, und da er durch die -Flammen geritten ist, also die erforderliche Bedingung erfüllt hat, -so ergibt sie sich ruhig in ihr Schicksal. Sigurd in Gunnars Gestalt -bleibt drei Nächte lang bei ihr, ohne sie jedoch zu berühren; vielmehr -trennt ein blankes Schwert ihrer beider Lager. Dann folgt Brynhild dem -Gunnar als Ehefrau, und eine Zeitlang leben die beiden jungen Paare -neben Hogni und den übrigen Familienmitgliedern zusammen in allem -Frieden an demselben Hofe.</p> - -<p>Da erhebt sich ein Streit zwischen den beiden Königinnen Brynhild -und Gudrun, und zwar um den Rang. Es sind außerordentlich einfache -Verhältnisse, die hier geschildert werden: obgleich königliche Frauen, -gehen sie doch in ganz volkstümlicher Weise zusammen im Flusse baden. -Während des Badens ändert plötzlich Brynhild ihren Platz, indem sie -ihre bisherige Stellung unterhalb der Gudrun mit einer oberhalb -derselben vertauscht. Gudrun fällt das auf; sie fragt, warum sie das -täte, worauf Brynhild erwidert, sie möge nicht mit dem Wasser baden, -das von der Gudrun abgelaufen ist, weil sie (Brynhild) die vornehmere -sei. Gudrun sei die Gattin eines Knechtes<a id="FNAnker_12" href="#Fussnote_12" class="fnanchor">[12]</a>, während Gunnar den Ritt -durch die Flammen vollbracht habe. Gudrun,<span class="pagenum" id="Seite_25">[S. 25]</span> über diese Vorwürfe sehr -erzürnt, enthüllt das Geheimnis: nicht Gunnar, sondern Sigurd ist durch -die Flammen geritten; der Mann, der dabei den Ring Andvaranaut gegeben -hat (oder genommen — das ist nach den Darstellungen verschieden), -kann nur Sigurd gewesen sein. Brynhild ist über diese Enthüllung sehr -unglücklich, geht nach Hause und brütet Rache.</p> - -<p>Die Rolle, die der Ring als Beweisstück in dem Zanke der Königinnen -spielt, ist je nach der Einzelquelle verschieden gefaßt, doch bleibt -es sich tatsächlich gleich, ob im Augenblicke des Zankes Brynhild den -Ring trägt, und Gudrun ihr sagt, „dieser Ring stammt doch aus Fafnirs -Schatze, den kann dir nur Sigurd gegeben haben“, oder ob Gudrun den -Ring trägt und sagt „den Ring, den ich hier habe, den hat Sigurd dir -damals abgenommen“. Die Wirkung bleibt die gleiche.</p> - -<p>Die Tatsache des dreitägigen, wenn auch keuschen Beilagers von Sigurd -und Brynhild wird natürlich in dem Königinnenstreite verdreht und dazu -benutzt, die Katastrophe herbeizuführen: Gudrun wirft der Brynhild vor, -daß nicht Gunnar, sondern Sigurd ihr erster Mann gewesen sei. Über die -Wirkung dieser Behauptung im einzelnen sind die nordischen Quellen -nicht recht einig, vermutlich, weil wieder mehrere Parallelerzählungen, -die sich gelegentlich widersprechen, nicht voll miteinander -ausgeglichen sind. Das Ursprüngliche scheint zu sein, daß Brynhild die -falsche Behauptung aufnimmt und bewußt verlogen zugibt, daß Sigurd -dem Gunnar in jenen kritischen Nächten die Treue nicht gewahrt habe. -Dadurch gewinnt sie letztern für die Rache, die Ermordung Sigurds. -Freilich sind Gunnar sowohl wie Hogni vermöge des Blutbundes nicht in -der Lage, die Rache persönlich auszuführen. Zu diesem Zwecke taucht nun -jener dritte Sohn Gjukis, Gudorm, auf. Er wird als geeignetes Werkzeug -zur Rache verwendet. Die Art, wie Sigurd von Gudorm getötet wird, wird -wieder in der verschiedensten Weise erzählt. Die nordischen Texte -kennen drei Darstellungen von Sigurds Tode: nach der einen (sie scheint -im Norden die altertümlichste zu sein) wird er ermordet während des -Rittes zur Volksversammlung; nach der zweiten, ausdrücklich als deutsch -bezeichneten Darstellung wird er im Walde auf der Jagd ermordet, und -nach der dritten Darstellung, die im kurzen Sigurdsliede vorliegt und -von der Volsungasaga aufgenommen ist, wird er nachts im Bette schlafend -ermordet, an der Seite seiner Gattin. Diese Darstellungen gehen<span class="pagenum" id="Seite_26">[S. 26]</span> zum -Teil auf verschiedene Grundlagen zurück, zum Teil sind sie willkürliche -Änderungen derselben.</p> - -<p>Nach Sigurds Ermordung gibt Brynhild zu, daß er stets die Treue -gehalten hat und unschuldig ermordet worden ist; sie läßt sich mit -ihm auf demselben Scheiterhaufen verbrennen. Gudrun aber nimmt nach -einiger Zeit von ihren Angehörigen die Mordbuße für den erschlagenen -Gatten an, und es führt im Grunde von diesem Teile der Erzählung zu dem -folgenden keine innere Brücke. Dieser ist mit dem bisher betrachteten -lediglich dadurch verbunden, daß dieselben Personen auftreten, nicht -aber dadurch, daß die Handlung des zweiten Teiles mit der des ersten -innerlich in Zusammenhang steht. Einen schwachen Versuch hat der Norden -gemacht, einen Zusammenhang herzustellen, indem er Brynhild zu einer -Schwester des Königs Atli, des demnächst auftretenden zweiten Gatten -Gudruns, gemacht und diesem damit die Pflicht auferlegt hat, diese -Schwester zu rächen.</p> - -<p>Nachdem Gudrun eine Zeitlang bei ihren Verwandten gelebt hat, kommt der -neue Werber, König Atli<a id="FNAnker_13" href="#Fussnote_13" class="fnanchor">[13]</a>, und Gudrun reicht ihm ihre Hand. Nachdem -sie eine Zeitlang verheiratet sind, beschließt Atli, ohne daß Gudrun -dazu irgend etwas tut, die Niflunge zu vernichten, um einerseits — -das ist die nordische Zugabe — seine Schwester Brynhild zu rächen -und andererseits — das ist die eigentliche Hauptsache — den großen -Hort zu gewinnen, der nach Sigurds Ermordung natürlich in den Besitz -der Niflunge übergegangen ist. Er ladet die Niflunge freundlich, -aber verräterisch zu sich ein. Gudrun versucht sie zu warnen, aber -ohne Erfolg. Gunnar und Hogni kommen mit mäßigem Gefolge an den Hof -des Atli. Den Hort haben sie, wie sich aus der folgenden Darstellung -ergibt, vorher versteckt: sie haben ihn in den Rhein versenkt. Auch -hier tritt der deutsche Strom, der Rhein, auf und zeigt, wo die Sage -zunächst heimisch war.</p> - -<p>In Atlis Lande angekommen, werden Gunnar und Hogni von den Feinden -überwältigt und gefangen. Atli richtet an Gunnar die Frage, ob er sein -Leben durch Auslieferung des Hortes lösen wolle. Er erklärt, erst müsse -er Hognis Herz als Beweis von dessen Tode sehen. Daraufhin wird Hogni -getötet und sein Herz dem Gunnar gebracht; nun ruft dieser aus, daß der -reißende<span class="pagenum" id="Seite_27">[S. 27]</span> Rhein viel besser geeignet sei, den Schatz zu hüten, als Atli -und seine Leute. Gunnar wird in die Schlangengrube geworfen, erwehrt -sich aber der Schlangen noch eine Zeitlang durch ein seltsames Mittel: -da ihm die Hände gefesselt sind, schlägt er mit den Füßen eine Harfe, -die ihm seine Schwester Gudrun noch zugereicht hat, und schläfert -dadurch alle Schlangen ein bis auf eine, die ihn schließlich ins Herz -sticht.</p> - -<p>Damit sind die Niflunge vom Schauplatz abgetreten, und der Gudrun, -ihrer Schwester, als der letzten des Geschlechtes, fällt die Pflicht -der Rache zu; sie rächt ihre Brüder an ihrem Gatten. Immer geht in der -nordischen Anschauung die Blutsverwandtschaft der Ehegemeinschaft vor, -ein besonders altertümlicher Zug, der dieser Gestalt anhaftet. Die -Rache setzt Gudrun ins Werk, indem sie ihre beiden, dem Atli geborenen -Söhne schlachtet und ihm beim Festmahle vorsetzt; nachdem er vom -Fleische seiner Söhne gegessen und ihre Hirnschalen als Becher benutzt -hat, enthüllt sie ihm, was sie getan, und tötet ihn selbst.</p> - -<p id="Nibelungen_III">Der zweite Teil der Sage hat damit sein Ende erreicht; von den -handelnden Personen ist Gudrun allein übrig. Ein innerer Zusammenhang -zwischen diesem zweiten Teile und dem ersten besteht, wie gesagt, -nicht, denn der zweite Teil kann an sich allein vollkommen verstanden -werden. Er ist keine innere Folge des ersten. In der nordischen -Überlieferung kommt aber noch ein dritter Teil hinzu, dessen Anknüpfung -uns höchst seltsam anmuten muß: Gudrun versucht, sich das Leben zu -nehmen, indem sie sich ins Meer stürzt; allein die Wogen tragen sie -und bringen sie an einen fremden Strand, wo sie aufgenommen wird und -sich zum dritten Male vermählt. Der König des Landes, Jonakr (ein Name, -der uns sonst nicht weiter bekannt ist), nimmt sie zur Gattin, und sie -hat bei ihm noch zwei oder drei Söhne (darin ist die Überlieferung -nicht ganz klar). Diese heißen Hamdir, Sorli und Erp; nach der einen -Tradition sind sie alle drei die Söhne Gudruns, nach der andern ist -Erp ein Sohn Jonakrs von einer andern Mutter. Außerdem wird am Hofe -Jonakrs die nachgelassene Tochter des Sigurd und der Gudrun erzogen. -Wie sie dahin gekommen ist, wird gar nicht erklärt. Sie führt den Namen -Svanhild<a id="FNAnker_14" href="#Fussnote_14" class="fnanchor">[14]</a>.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_28">[S. 28]</span></p> - -<p>Um sie wirbt ein schon bejahrter, aber mächtiger und gewaltiger König, -Jormunrek, wie er im Norden heißt. Er ist der historische Gotenkönig -des 4. Jahrhunderts Ermanarich. Er sendet seinen Ratgeber Bikki und den -bereits erwachsenen Sohn erster Ehe Randver die junge Braut einholen. -Svanhild wird ihnen übergeben. Unterwegs fängt Bikki an, seine Ränke zu -spinnen; er raunt dem jungen Paare, der Stiefmutter und dem Stiefsohne, -zu, daß sie zueinander viel besser paßten, als der alte König zu der -jungen Svanhild, und versucht auf diese Weise ein Verhältnis zwischen -den beiden herbeizuführen, aber ohne Erfolg. Als die Braut am Hofe -Jormunreks eingetroffen ist, berichtet Bikki dem Könige das Verhältnis -als Tatsache, und dieser rächt sich, indem er seinen Sohn erhängen und -Svanhild von wilden Pferden zertreten läßt.</p> - -<p>So erwächst der Gudrun wiederum die Pflicht der Rache für ihre nächste -Verwandtschaft. Sie reizt ihre Söhne dritter Ehe auf, die Rache zu -vollziehen; diese lassen sich auch dazu bereit finden und machen sich -auf den Weg. Unterwegs geraten sie miteinander in Streit, und Erp wird -von den beiden andern erschlagen. Als sie dann am Hofe Jormunreks -erscheinen, greifen sie den König an und verwunden ihn, indem der -eine ihm die Hände, der andere die Füße abschlägt. Dem Erp aber war -nach der etwas merkwürdigen Auffassung dieser Dichtung zugedacht, das -Haupt des Königs abzuschlagen; da Erp nun fehlt, wird Jormunrek also -nur verwundet, aber nicht getötet. Er hat noch die nötigen Kräfte, -sich zu rächen, indem er seine Mannen aufruft: „Tötet die Fremden mit -Steinwürfen.“ So fallen Hamdir<span class="pagenum" id="Seite_29">[S. 29]</span> und Sorli durch die Goten; damit hat -die nordische Form der Nibelungensage ihr letztes Ende erreicht.</p> - -<p>Gudrun, die Hauptfigur, die durch alle drei Teile der eigentlichen -Nibelungensage, ungerechnet die Vorgeschichte, hindurchgeht, ist noch -am Leben. Wo sie hingekommen, was aus ihr geworden, wird nicht erzählt; -nur das Gedicht von „Gudruns Aufreizung“ deutet an, daß sie schließlich -(wie Signy) freiwillig den Flammentod suchen wird.</p> - -<p>Die nordische Form der Nibelungensage hat noch eine Erweiterung -erfahren durch die Geschichte der Aslaug, der bei Heimir aufwachsenden -Tochter Sigurds und der Brynhild; die Annahme, daß dies Paar eine -Tochter gezeugt habe, ist zwar dem Geiste der alten Sage zweifellos -zuwider, doch nicht so sehr, wie es uns auf den ersten Blick scheint: -Aslaug ist eine Frucht der frühern Bekanntschaft ihrer Eltern, hat -also nichts zu tun mit der Pflicht der Treue, die Sigurd dem Gunnar -bei Gewinnung der Brynhild schuldig ist. Heimir befürchtet für Aslaug -nach dem Tode ihrer Eltern Nachstellungen und entflieht mit dem Kinde -in Verkleidung; unterwegs wird er von einem Bauernehepaare, bei dem er -eingekehrt ist, ermordet, und Aslaug wächst nun in niedriger Umgebung -auf. Als Jungfrau erregt sie die Liebe des Königs Ragnar Lodbrok, der -auf einer seiner Wikingsfahrten in die Gegend, wo sie lebt, gelangt -ist, wird seine Gemahlin und gebiert ihm eine stattliche Reihe Söhne, -unter ihnen den Sigurd <span class="antiqua">ormr í auga</span> (Schlange im Auge), der zum -Beweise seiner Herkunft vom Drachentöter das Bild des Fafnir auf der -Hornhaut seines Auges trägt; seine Tochter heißt wiederum Aslaug und -ist die Urgroßmutter des Harald Harfagri, ersten Alleinherrschers in -Norwegen (gestorben um 930). Die ganze Erzählung zielt, wie vorhin -schon bemerkt wurde, darauf ab, die norwegischen Könige als Nachkommen -der Volsunge zu erweisen; der Name Aslaug ist offenbar von der -gleichnamigen jüngern (die historisch zu sein scheint) auf Brynhilds -Tochter übertragen.</p> - -<p>Schon aus der einfachen Erzählung der nordischen Sagenform dürfte -sich ergeben haben, wie wenig klar die ganze Darstellung ist. Wir -dürfen diese Unklarheit aber nicht etwa einem einzelnen Manne, einem -Dichter der ganzen Sage, in die Schuhe schieben, sondern wir müssen -uns gegenwärtig halten, daß wir hier keine geschlossene Überlieferung -vor uns haben, sondern uns lediglich eine Reihe von Einzelgedichten -überliefert ist, von<span class="pagenum" id="Seite_30">[S. 30]</span> denen jedes für sich seine besondere -Selbständigkeit hat und seine eigene Würdigung erfordert. Die einzelnen -Dichter in sich sind in der Regel geschickt und geschlossen; aber der -eine hat die Erzählung so, der andere so aufgefaßt und durchgeführt.</p> - -<p>Eine älteste Gestalt der Sage aus diesen ziemlich stark -auseinanderklaffenden Stücken herauszufinden, würde wohl kaum möglich -sein, wenn wir nicht neben der nordischen Überlieferung noch die ganz -selbständige deutsche Überlieferung hätten, die sich von der nordischen -getrennt hat im 9. Jahrhundert, als die Wikinger den deutschen Stoff -vom untern Rheine nach dem Norden verpflanzten.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_31">[S. 31]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="III"><span class="s5">III.</span><br /> -<b>Form, Inhalt und Kritik der deutschen Überlieferung.</b></h2> - -</div> - -<h3 id="Der_Nibelunge_Lied"><span class="antiqua">a</span>) Der Nibelunge Lied.</h3> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">I</span>n Deutschland ist uns nun die Sage in allererster Linie erhalten in -unserm Nibelungenliede. Das Nibelungenlied ist ein ritterliches Epos, -in der ältesten Form entstanden im 12. Jahrhundert. Es steht also dem -Zeitpunkte, da sich der deutsche Überlieferungszweig vom nordischen -trennte, dem 9. Jahrhundert, schon ziemlich fern und hat bereits -stofflich eine weitere Entwickelung durchgemacht. Der Stoff war, ehe -der Nibelungendichter daran ging, sein Werk zu gestalten, bereits sehr -stark verändert. Selbstverständlich hat nun auch unser Dichter noch -alles mögliche Neue hinzugefügt und den alten Stoff nach vielen Seiten -hin ergänzt oder auch verkürzt.</p> - -<p>Das Lied, das uns in mehreren Handschriften erhalten ist, und von -dessen weiter Verbreitung außerdem eine große Anzahl Bruchstücke -anderer Handschriften zeugen, ist in eine eigenartige Form gegossen. -Obgleich ein großes Epos, ein langes erzählendes Gedicht, benutzt es -doch keinen glatt durchlaufenden epischen Vers, sondern es liegt uns -vor in einer der Ballade nahekommenden Form. Es ist nämlich abgefaßt -in Strophen, die, verhältnismäßig wenig umfangreich, dem Dichter -häufig beschränkende Fesseln anlegen. Bald ist die Strophe zu kurz, -den gegebenen Stoff in sich aufzunehmen, bald zu lang, einen einfachen -Gedanken kurz darzustellen. Oft bleibt dann in ihr noch Platz für -etwas anderes, etwa für den Anfang eines neuen Gedankens. Der Dichter -ist bei dieser formalen Schwierigkeit vor die Frage gestellt: soll er -den noch freien Raum der vorliegenden Strophe dazu benutzen, einen -neuen Gedanken anzufangen, der<span class="pagenum" id="Seite_32">[S. 32]</span> dann in der Strophe nicht aufgeht, -sondern in die nächste übergreift und damit die strophische Gliederung -zerstört, oder soll er den Rest mit leeren Redensarten ausfüllen? -Beides kommt ziemlich häufig vor. Das hat die Gelehrten, die sich mit -dem Nibelungenliede beschäftigt haben, lange Zeit sehr gestört; daß -der Grund der vielen vorkommenden leeren vierten Zeilen lediglich -der ist, daß die Strophenform eben entweder zu kurz oder zu lang -für die geschlossene Darstellung eines Gedankens ist, hat man erst -verhältnismäßig spät erkannt.</p> - -<p>Die Nibelungenstrophe besteht aus vier paarig gereimten Langversen, so -daß also der erste mit dem zweiten, der dritte mit dem vierten durch -Reim gebunden ist. Die drei ersten Verse sind einander gleich, und -zwar haben sie vor dem Abschnitt, der in die Mitte des Verses fällt, -vier Hebungen, nach dem Abschnitt drei Hebungen; die vierte Zeile -aber hat vor und nach dem Abschnitt je vier Hebungen. Die vierten -Hebungen vor dem Abschnitte (gelegentlich auch die dritten Hebungen der -zweiten Hälften des ersten und zweiten Verses) dürfen durch klingende -Ausgänge vertreten werden. Als Beispiel setze ich Strophe 924 des -Textes <span class="antiqua">C</span> (nach Holtzmanns Bezifferung) hierher und bezeichne die -Hebungen:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Gúnthér und Hágené, <span class="mleft2">die réckén vil bált,</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">lóbten mít untríuwén <span class="mleft2">ein pírsen ín den wált;</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">mít ir schárpfen gếrén <span class="mleft2">si wólden jágen swî́n,</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">pérn únde wísendé. <span class="mleft2">waz móhte kǘenérs gesî́n?</span></span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">Spätere Dichter haben die vierte Zeile den drei übrigen meist gleich -behandelt. Diese Neuerung, die in moderner Zeit Uhland aufgenommen hat -(z. B. in seinem Balladenzyklus von Eberhard dem Greiner), ist nicht -glücklich, denn sie löst die Strophe in Reimpaare auf; dann ist ja -durch nichts mehr markiert, daß die Strophe aus vier Versen bestehen -soll, sondern die beiden Reimpaare stehen in der Form ganz gleich -nebeneinander, und ob wir dann zwei derselben oder drei oder auch nur -eins als Ganzes fassen, ist für unser Empfinden ganz gleichgültig. Die -vier Zeilen der zwei Reimpaare müssen erst durch eine Besonderheit am -Schlusse der ganzen Reihe zusammengeschlossen werden, wie es im alten -Liede der Fall ist.</p> - -<p>Das Lied setzt (abgesehen davon, daß es mit einer Art<span class="pagenum" id="Seite_33">[S. 33]</span> -Theaterzettel<a id="FNAnker_15" href="#Fussnote_15" class="fnanchor">[15]</a> beginnt, der aufzählt, was in Worms, am Sitze des -Königs Günther, des Bruders der Kriemhilt, alles vorhanden ist an -Helden) gleich an einer vorgerückten Stelle des Stoffes ein, fängt also -nicht mit dem eigentlichen Anfang der Sage an. Infolgedessen hat der -Dichter an spätern Stellen das eine oder andere berichtweise nachholen -müssen.</p> - -<p>An den Theaterzettel (wie man die einleitenden Strophen genannt hat, -da sie poetisch ohne Wert sind) schließt sich zunächst die Erzählung -vom Traume der Kriemhilt an. Kriemhilt ist dieselbe Person, die in der -nordischen Sage Gudrun heißt, also die Schwester des burgundischen -Königs Günther aus dem Geschlecht der Nibelunge<a id="FNAnker_16" href="#Fussnote_16" class="fnanchor">[16]</a>. Sie erzählt ihrer -Mutter Ute folgenden Traum: sie hat sich einen Falken erzogen, der ihr -lieb ist, und den ihr zwei Adler töten; das ist ihr größter Kummer. -Die Mutter deutet den Traum auf den künftigen Gatten Kriemhilts und -darauf, daß sie ihn vorzeitig verlieren werde. Daraufhin verschwört die -junge Kriemhilt das Heiraten, die Mutter meint aber, sie solle die Rede -lassen, denn allein durch die Liebe werde sie auf der Welt froh werden.</p> - -<p>Diese kurze Geschichte geht der eigentlichen Erzählung voraus. -Sie findet in der nordischen Version gelegentlich ihr Gegenstück, -ohne daß dies irgendwie die Darstellung und den Gang der Erzählung -beeinflußt. Ehe Sigurd in der nordischen Erzählung an den Hof Gjukis -kommt, hat Gudrun einen ähnlichen Traum wie Kriemhilt in der deutschen -Sagenfassung. Die nordische Gudrun fährt zu Brynhild<a id="FNAnker_17" href="#Fussnote_17" class="fnanchor">[17]</a> und läßt sich -von ihr den Traum deuten. Brynhild weiß denn auch gleich (ein Motiv, -das im Norden oft verwendet wird, so ungeschickt es ist) alles, was -sich aus dem Traume ergibt, und erzählt ihre beiderseitigen Schicksale -bis ans Ende mit klaren Worten, ohne daß dies Wissen auf das spätere -Verhalten der Personen auch nur den geringsten Einfluß ausübte; eine -Seltsamkeit, die wir ähnlich schon <a href="#Schicksal">S. 6</a> beobachten konnten.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_34">[S. 34]</span></p> - -<p>Das Lied setzt dann an einer ganz andern Stelle ein. Über -Niederland<a id="FNAnker_18" href="#Fussnote_18" class="fnanchor">[18]</a> regiert der König Sigemund, vermählt mit einer Gemahlin -namens Sigelind. Beider Kind ist Siegfried (mittelhochdeutsch Sîfrit), -der als junger Fürst am Hofe seiner Eltern erzogen und mit aller -Vornehmheit, aller zeitgemäßen Bildung ausgestattet wird. Er wird -waffenfähig erklärt, wie es sich für einen Ritter des 12. Jahrhunderts -geziemt, und beschließt, einmal soweit gekommen, zu heiraten. Diesen -Wunsch trägt er seinem Vater vor, und zwar will er sich um Kriemhilt, -die Schwester des Königs Günther in Worms, bewerben. Der Vater warnt -ihn: am Hofe Günthers sei eine Reihe trotziger Helden, die Gefahr, -dorthin zu gehen, also ziemlich groß. Siegfried läßt sich dadurch nicht -abschrecken, im Gegenteil, er wird eher angereizt, und begibt sich mit -geringem Gefolge nach Worms. Dort erscheint er, sofort erkannt von -Hagen, der hier der vornehmste Vasall des Königs Günther ist und nicht -sein Bruder, aber immerhin ein Verwandter; er führt den Beinamen „von -Tronje“ (vgl. <a href="#von_Tronje">S. 83</a>).</p> - -<p>Hagen beobachtet den ankommenden Siegfried mit seinen Leuten und sagt: -„Ich habe ihn zwar nie gesehen, aber nach dem Auftreten kann der -Ankömmling niemand weiter sein als Siegfried.“ Nun berichtet uns der -Dichter durch Hagens Mund nachträglich alles, was Siegfried bisher -getan hat.</p> - -<p>Als Siegfried einst allein unterwegs war, stieß er auf zwei Könige, die -miteinander stritten. Es waren die Brüder Nibelung und Schilbung, Söhne -eines alten Königs Nibelung, der eben verstorben war; sie stritten -um die Teilung des Erbes. Als Siegfried hinzukam, ward er von ihnen -sofort als Unparteiischer berufen und beauftragt, ihnen den Hort, den -der Vater hinterlassen, zu teilen; als Lohn gaben sie ihm zuvor das -Schwert, das ihr Vater früher geführt hatte, und das Balmung hieß. -Siegfried konnte ihnen indes die Teilung nicht zu Danke machen und -geriet darüber mit ihnen beiden in Kampf; er besiegte und tötete sie, -dann überwand er noch ihren Diener Alberich und ward dadurch Herr der -Nibelunge und ihres unermeßlichen Hortes, dessen Bewachung er Alberich -anvertraute. Nibelunge<span class="pagenum" id="Seite_35">[S. 35]</span> heißen also in diesem Teile der Erzählung die -ursprünglichen Besitzer des Schatzes.</p> - -<p>Weiter berichtet Hagen noch, daß Siegfried einen Drachen getötet -hat; doch steht hier die Drachentötung nicht in Zusammenhang mit der -Gewinnung des Hortes, sondern ist ein Ereignis für sich. Dagegen wird -an sie die Behauptung angeknüpft, daß Siegfried sich im Blute des -erschlagenen Drachen gebadet und dadurch eine Hornhaut bekommen habe, -die kein Schwert zerschneiden könne. Nur an einer Stelle, auf dem -Rücken, wo ihm ein Lindenblatt auf den nackten Körper gefallen wäre, -sei das Drachenblut nicht direkt mit der Haut in Berührung gekommen, -und habe diese daher ihre natürliche Weichheit behalten.</p> - -<p>Die Trennung des Drachenkampfes vom Hortgewinn kann unmöglich alt -sein. Schon der Umstand, daß es sich um einen Drachen handelt, den -er tötet, weist darauf hin, daß die beiden Ereignisse, Drachentötung -und Hortgewinn, zusammenfallen. Denn ein Drache ist an sich ein -Schatzhüter. Als solcher ist dies mythische Wesen von vornherein -gedacht. Man hat das in Deutschland offenbar vergessen, wie man -überhaupt auf die jugendlichen Heldentaten Siegfrieds hier wenig Wert -legt; hat man doch auch die Jugendgeschichte schon dadurch, daß er am -Hofe des Königs, seines Vaters, als vollgültiger Prinz erzogen wird, -gänzlich umgestaltet.</p> - -<p>Inzwischen hat Hagen seine Erzählung beendet. Siegfried tritt herein -und wird von Günther feierlich empfangen. Wir erinnern uns, daß er -ausgezogen war, um Kriemhilt zu werben. Hier in Worms sagt er davon -kein Wort, sondern fordert plötzlich ohne jeden Grund Günther zum -Kampf um Land und Leute heraus; das dürfte doch wohl so ziemlich das -ungeeignetste Mittel für ihn sein, den angegebenen Zweck zu erreichen. -Es entwickelt sich eine heftige Szene, die ebenso unbegründet, wie sie -entstanden ist, durch ein freundliches Wort Giselhers, des jüngsten -Bruders des Königs, beigelegt wird. Siegfried wird wieder ganz -friedlich und liebenswürdig, und die ganze Sache ist vergessen. Aber -ebenso vergessen ist im Augenblick auch, weshalb er überhaupt nach -Worms gekommen ist.</p> - -<p>Die Szene hat gar keine Wirkung, vielmehr bringt die liebenswürdige -Rede des jungen Giselher alles ins gleiche. Damit ist Siegfried als -Gast am Hofe des Königs Günther aufgenommen.<span class="pagenum" id="Seite_36">[S. 36]</span> Er scheint ganz und -gar vergessen zu haben, weshalb er nach Worms gekommen ist, und hält -sich hier ein volles Jahr auf, ohne auch nur eine Spur seiner Absicht -laut werden zu lassen. Der Dichter bedarf erst eines neuen treibenden -Momentes, um die Erzählung ins Rollen zu bringen. Er hat sich dabei -nicht ohne Geschick einer Sage bedient, die sonst selbständig vorkommt: -er verwendet die Geschichte vom Kampfe der Sachsen und Dänen gegen die -Franken oder Burgunden<a id="FNAnker_19" href="#Fussnote_19" class="fnanchor">[19]</a>. Die Franken haben in der Zeit Karls des -Großen mit den Sachsen und auch mit den hinter den Sachsen wohnenden -Dänen, die jene unterstützten, mannigfache Kämpfe ausgefochten. Von -diesen Kämpfen ist die Erinnerung jahrhundertelang lebendig geblieben; -sie werden nun hier verwendet, um Siegfried zu einem Entschluß zu -bringen, sonst würde er zeitlebens der schüchterne Liebhaber bleiben.</p> - -<p>Es kommen Boten von Liudeger von Sachsen und Liudegast von Dänemark, -um den Burgunden Fehde anzusagen. Günther hat große Sorge, aber -Siegfried erlöst ihn, indem er ihm seine Hilfe zusagt. Es wird nun der -Feldzug geschildert, der im Handumdrehen durch Siegfrieds Tüchtigkeit -den Burgunden die beiden feindlichen Herrscher in die Hände liefert. -Damit ist Gelegenheit gegeben zu einem Siegesfeste<a id="FNAnker_20" href="#Fussnote_20" class="fnanchor">[20]</a>. Siegfried hat -für seine entscheidende Teilnahme am Kampfe eine besondere Belohnung -verdient. Sie besteht darin, daß man ihn bei dem Feste zum ersten Male -den Frauen des Hofes vorstellt und ihm Kriemhilt zu führen gestattet. -So sehen sich Siegfried und Kriemhilt zum ersten Male, ohne sein -direktes Zutun (abgesehen davon, daß er mit der Absicht, zu werben, -nach Worms gegangen ist), und ohne daß er<span class="pagenum" id="Seite_37">[S. 37]</span> hier seine Pläne irgendwie -weiter verfolgt. Dazu bedarf der Dichter noch eines weitern treibenden -Momentes.</p> - -<p>Plötzlich kommt eine ganz neue Botschaft nach Worms: es sitzt -eine Königin jenseits des Meeres von so großer Schönheit, daß -man ihresgleichen nicht kennt, dazu von einer solchen Kraft, daß -sie denjenigen, die ihre Hand begehren, auferlegen kann, sie im -Speerschießen, Steinwerfen und Weitspringen zu übertreffen; eine -Aufgabe, die bisher noch niemand gelöst hat. So führt uns die Erzählung -mit einem Sprunge hinüber zu Brünhilt, die uns in der deutschen -Überlieferung bisher noch nicht begegnet ist. Sie ist eine heldenhafte -Königin, und zwar nach der Anschauung des Dichters in Island gesessen. -Wie er dazu kommt, sie nach Island zu versetzen, ist unklar und -führt zu Unstimmigkeiten. Aber sie muß jenseits des Meeres sitzen -und möglichst weit entfernt, sonst hätten die Zuhörer möglicherweise -kontrollieren und dem Dichter falsche Angaben vorwerfen können.</p> - -<p>Die Erzählung fährt ganz nach der Art der so häufigen -Brautfahrtgedichte fort: Günther überlegt sich, daß er als regierender -König verpflichtet ist zu heiraten. Man rät ihm, sich um Brünhilt -zu bewerben, die in Island als Königin und als schönste Frau der -Gegenwart lebt. Siegfried aber spricht dagegen. Er kennt alles, was -sich auf Island bezieht, ohne daß irgendwie erklärt wird, woher. -Gewisse Beziehungen zwischen Siegfried und Brünhilt werden durch -die eigentümliche Art der Darstellung in unserm Liede zweifellos -vorausgesetzt. Aber kein Wort deutet darauf hin, daß der Dichter von -einem Verlöbnis zwischen Siegfried und Brünhilt irgendwelche Ahnung -hätte. Siegfried weiß nur, daß die Werbung um Brünhilt eine große -Gefahr bedeutet. Da sagt nun Hagen: „Wenn du so genau weißt, wie es -um die Königin steht, so hilf uns doch dazu, daß wir sie gewinnen“, -und Siegfried sagt diese Hilfe zu, wenn Günther ihm seine Schwester -zur Frau geben will. Nun ist er endlich so weit, daß er seine Werbung -anbringt, um deretwillen er vor mehr als Jahresfrist nach Worms -gekommen ist. Günther sagt ihm die Hand der Kriemhilt zu, und nun -fahren Günther, Hagen, Siegfried und (verhältnismäßig nebensächlich) -Dankwart, Hagens jüngerer Bruder, ohne weitere Begleitung von Worms den -Rhein hinab nach Island, nachdem sie sich vorher durch die fleißigen -Hände der Frauen in ritterlichem Geschmack haben ausstaffieren lassen. -Daran, daß sie unterwegs Siegfrieds Heimat passieren<span class="pagenum" id="Seite_38">[S. 38]</span> müssen, denkt -der Dichter nicht. Als sie sich nach zwölftägiger Fahrt dem Lande der -Brünhilt nähern, und allmählich ihr Schloß in Sicht kommt, spricht -Siegfried sich darüber aus, wie man die Sache angreifen soll. Dabei -sagt er: „Wenn wir dahin kommen, will ich euch leiten, dann werden wir -am besten zu unserm Ziele kommen. Nur müssen alle ein und dasselbe -behaupten, nämlich Günther sei mein Herr und ich sein leibeigener Mann, -dann kommen wir am besten durch.“ Warum er das sagt, ist hier nicht -abzusehen. Später allerdings wird seiner Gattin vorgeworfen, daß er -ein leibeigener Mann sei. Da nun der Dichter Siegfried als Königssohn -schildert, so würde diese in der alten Sage begründete Schmähung -hinfällig sein, wenn hier nicht eine neue Unterlage geschaffen würde. -Das ist ziemlich ungeschickt angefangen, denn es führt zu nichts; ob -er als Freund Günthers oder als sein Vasall nach Island kommt, bleibt -gleichgültig.</p> - -<p>Inzwischen haben die Frauen die Fremden kommen sehen. Eine von ihnen -schildert der Königin, wie die Fremden aussehen, und daß einer in -seinem Aussehen dem Siegfried entspräche, ganz als ob Siegfried schon -einmal dagewesen wäre. Darauf sagt Brünhilt: „Wenn er hierher gekommen -ist, um meine Liebe zu erwerben, so wird es ihm gehen wie jedem -andern.“ Dann aber begrüßt sie ihn vor allen andern wie einen alten -Bekannten. Er sagt darauf: „Ich danke Euch sehr, Frau Königin, daß Ihr -mich zu grüßen geruht. Aber erst müßt Ihr den begrüßen, des Untertan -ich bin; Günther ist mein Herr, ihm kommt der Gruß zuerst zu. Er wirbt -um Eure Liebe.“ „Gut,“ sagt sie, „wenn dein Herr um meine Liebe wirbt, -so muß er wie jeder andere die Kampfspiele bestehen.“ Diese bestehen -darin, daß zunächst mit dem Speer geworfen, und der Wurf pariert -wird; an zweiter Stelle, daß ein Stein von ungewöhnlicher Schwere -möglichst weit geworfen wird, und endlich drittens, daß ein weiter -Sprung ausgeführt wird. Günther würde diese Bedingungen nicht erfüllen -können, Siegfried kann sie erfüllen. Er kann nun nicht für Günther -eintreten, denn dieser muß öffentlich in Gegenwart von Brünhilts Leuten -kämpfen. So greift denn der Dichter zu folgendem Auswege: Siegfried -bekleidet sich mit der Tarnkappe, dem unsichtbar machenden Mantel, -den er seinerzeit dem Zwerg Alberich abgenommen hat, und unterstützt -Günther bei den Spielen: beim Speerwerfen mit dem Erfolge, daß Brünhilt -ins Straucheln kommt und fällt; beim Steinwerfen wirft er für<span class="pagenum" id="Seite_39">[S. 39]</span> Günther -und übertrifft Brünhilts außerordentlich weiten Wurf. Beim Springen -aber wird die Sache recht bedenklich; dem Dichter selbst fällt auf, daß -er seinen Zuhörern reichlich viel zu glauben zumutet; er sagt: „Das -war ein großes Wunder, nicht bloß weiter zu springen als Brünhilt, -sondern im Sprunge auch noch den König Günther zu tragen.“ Diese -Ungeschicklichkeit ist eine Folge der Komposition des Ganzen: nach -der nordischen Darstellung ward der Preis erworben im Durchreiten des -Feuers; das tat Sigurd an Stelle und in Gestalt Gunnars; wenn aber -Günther vor allem Volke den Beweis seiner Überlegenheit erbringen muß, -wird die Aufgabe des Dichters allerdings arg erschwert.</p> - -<p>Siegfried begibt sich nun zum Schiffe zurück, legt dort, ungesehen von -den übrigen, die Tarnkappe ab und stellt sich bei der Rückkehr, als ob -er keine Ahnung davon hätte, daß die Wettkämpfe schon vorüber sind. -Brünhilt, von Günthers überlegener Tüchtigkeit überzeugt, sagt diesem -ohne Zögern ihre Hand zu.</p> - -<p>Es folgt nun eine eigentümliche Szene, die für den Fortgang -der Erzählung nichts bedeutet: um nämlich dem neuen Herrn zu -huldigen, werden die Mannen der Brünhilt nach der Burg der Königin -zusammengerufen. Jetzt sehen die Gäste, was für eine Menge Recken sich -versammeln, und fürchten Verrat. Deshalb entschließt sich Siegfried, -heimlich nach dem Nibelungenlande (das etwa in Norwegen gedacht wird) -zu fahren und seine Recken zu holen. Er stellt sich dort als Fremder, -bezwingt den riesenhaften Burghüter, kämpft mit seinem Kämmerer, dem -Zwerge Alberich, und besiegt ihn, erprobt auf diese Weise die Treue -seiner Mannen und führt dann tausend der besten Nibelunge zu Schiffe -hinüber nach Island. — Die ganze Erzählung ist nur eingeflochten, um -darzustellen, wie Siegfried mit Alberich kämpft; der Dichter hat ja -die ganze Vorgeschichte weggelassen und bemüht sich, einzelne Szenen -derselben gelegentlich nachzuholen; dabei hat er für sein ritterliches -Empfinden noch den Vorteil, dem König Günther ein größeres Gefolge zu -verschaffen, als die drei Männer, die ihm nach der alten einfachen -Darstellung folgten.</p> - -<p>Nachdem nun Brünhilt gewonnen ist, fährt man nach der Heimat -zurück. Siegfried wird als Bote vorausgeschickt und verkündet den -Frauen das Nahen der Braut. Nach der Ankunft<span class="pagenum" id="Seite_40">[S. 40]</span> wird er mit Kriemhilt -verlobt, indem Günther sie bittet, sein Wort einzulösen. Kriemhilt -gibt gern ihr Jawort, und die Hochzeit der beiden jungen Paare wird -gleichzeitig gefeiert. Als aber an der Hochzeitstafel Brünhilt -unerwartet sieht, daß ihres Gatten Schwester mit Siegfried vermählt -wird, bricht sie in Tränen aus und erklärt es für eine Schmach, daß -Kriemhilt einen Leibeigenen ihres Bruders heiraten soll. Dadurch kommt -Günther natürlich in große Verlegenheit; er vermag Brünhilt über die -eigentlichen Gründe dieser Heirat nicht aufzuklären, kann aber auch das -Vasallentum Siegfrieds nicht ableugnen, da dieser seinerzeit selbst den -Rat gegeben hat, ihn als Eigenen hinzustellen.</p> - -<p>An dieser Stelle wird Siegfrieds Leibeigenschaft, seine minderwertige -Herkunft notwendig gebraucht, und da man ihn zu Anfang des Gedichtes -zu einem Prinzen gemacht hatte, mußte man etwas finden, was es der -Brünhilt ermöglicht, ihn für einen Leibeigenen zu halten. Daher der -seltsame Rat, den Siegfried auf der Reise zu Brünhilt gibt.</p> - -<p>In der Brautnacht widersetzt sich Brünhilt ihrem Gatten, weil sie -von ihm durchaus den Grund erfahren will, weshalb seine Schwester -mit einem Leibeigenen verheiratet wird. Als Günther sein Gattenrecht -geltend machen will, fesselt sie ihn sogar; seine Kräfte reichen -eben nicht aus, sie zu besiegen. Am andern Tage klagt Günther dem -Siegfried, der mit Kriemhilt glücklicher gewesen ist, sein Leid, -und dieser muß nochmals helfend mittels der Tarnkappe eingreifen. -In der folgenden Nacht überwindet er abermals an Günthers Statt die -gewaltigen Körperkräfte der Brünhilt, bis sie selbst sagt, sie habe -erkannt, daß er ihr Meister sein könne; dann tritt er zurück, ohne ihre -Jungfräulichkeit berührt zu haben, und Günther wird nun ihr Mann.</p> - -<p>Diese eigenartige und nicht durchweg glückliche Fassung der Erzählung -ist nötig, weil Siegfried später doch wegen unlautern Verkehrs mit -Brünhilt ermordet werden muß. Hat er nichts weiter getan, als Günther -bei den Kampfspielen unterstützt, so war zu solchem Verkehr keine -Gelegenheit. Es ist aber notwendig, daß Siegfried und Brünhilt so -vereinigt werden, daß üble Nachrede möglich ist; sonst ist die weitere -Entwicklung nicht verständlich. In der nordischen Darstellung ritt -Sigurd durch<span class="pagenum" id="Seite_41">[S. 41]</span> die Lohe und blieb drei Nächte bei der Braut; damit war -die Möglichkeit übler Nachrede ohne weiteres gegeben. In der deutschen -Darstellung muß sie erst geschaffen werden; die Gewinnung der Brünhilt -ist damit in zwei Akte zerlegt.</p> - -<p>Nachher zieht Siegfried mit seiner jungen Frau von Worms in seine -Heimat am Niederrhein zurück. Die Erzählung ist also vorläufig bei -einem Ruhepunkte angekommen. Jahrelang leben beide Paare in glücklicher -Ehe an getrennten Orten, Günther mit Brünhilt in Worms, Siegfried mit -Kriemhilt in Niederland. Die Erzählung würde zu Ende sein, wenn man die -Hauptpersonen nicht wieder zusammenbrächte. Deshalb wird behauptet, -daß Brünhilt sich noch immer nicht über Siegfrieds Leibeigenschaft -beruhigt habe. Er ist nun zwar, nachdem sein Vater abgedankt hat, König -in Niederland, muß aber doch, wenn er Günthers Eigenmann ist, diesem -Tribut zahlen; davon bemerkt Brünhilt natürlich nicht das geringste. -Sie wendet sich daher an ihren Gatten mit der Bitte, Siegfried und -Kriemhilt nach Worms einzuladen. Das geschieht, und sie leisten ohne -Hintergedanken Folge, ja sogar der alte Sigemund begleitet sie. In -Worms findet glänzender Empfang statt, und es werden die vom Dichter -unseres Liedes so gern geschilderten ritterlichen Feste gefeiert. Bei -einem Turnier, dem die Damen zuschauen, freut sich jede ihres Gatten -und preist seine Vorzüge. Dabei geraten Kriemhilt und Brünhilt in -Zwist, denn letztere sagt: „Mag dein Siegfried noch so tapfer sein, -er hat doch einen großen Fehler, da er ein Leibeigener ist.“ Darauf -erwidert Kriemhilt: „So hätten meine Brüder nie an mir gehandelt, -daß sie mich an einen Leibeigenen verheirateten.“ Sie ist also genau -derselben Ansicht wie Brünhilt, daß die Ehe mit einem Leibeigenen eine -große Schmach wäre. Daraus entwickelt sich das heftige Zerwürfnis der -beiden Frauen. Kriemhilt sagt: „Ich werde dir zeigen, daß ich dir nicht -nachstehe, indem ich beim Kirchgang den Vortritt vor dir behaupten -werde.“ Am Portal des Münsters geraten dann beide Königinnen feindselig -aneinander, da Brünhilt natürlich nicht zurücktreten will; Kriemhilt -aber überwindet die Gegnerin, indem sie ihr vorwirft, Siegfrieds Kebse -gewesen zu sein, und als Beweis den Gürtel vorweist, den Siegfried -ungeschickterweise seinerzeit, als er Brünhilt an Günthers Stelle -bezwang, mitgenommen und Kriemhilt gegeben hat. Die völlig zerschlagene -Brünhilt bricht in Tränen aus; Kriemhilt geht stolz an ihr vorüber und -vor ihr ins Münster.<span class="pagenum" id="Seite_42">[S. 42]</span> Brünhilt klagt ihrem Gatten die ihr widerfahrene -Schmach. Siegfried wird von Günther vorgefordert und verteidigt sich, -indem er sich mit einem Eide von dem Verdachte reinigt; die Sache -erweist sich als das, was sie ist, als bloßer Klatsch, und gilt damit -für erledigt. Kriemhilt erhält von Siegfried ihre Strafe für ihre -boshaften Reden.</p> - -<p>Die ganze Szene ist unglücklich, ungeschickt komponiert. Unser Dichter -arbeitet häufig so, daß die Erzählung eigentlich zu Ende gekommen ist -und erst durch Einfügung eines neuen Momentes wieder in Fluß gebracht -werden kann. Dies neue ist die Gier nach Siegfrieds großem Horte, -die in der nordischen Überlieferung nur dem Atli zugeschrieben, hier -aber von den Burgunden behauptet wird. Hagen ist der Vertreter des -Gedankens, daß durch Siegfrieds Ermordung sein Hort gewonnen werden -kann. Dadurch wird die Grundlage der ganzen Dichtung verschoben; -führte bisher Brünhilt das Gegenspiel gegenüber Kriemhilt, so geht -diese Rolle jetzt völlig an Hagen über. Seinen Herrn gewinnt dieser -durch abermaligen Hinweis auf Siegfrieds mögliche Untreue: „Sollen -wir Bastarde aufziehen? das wäre geringe Ehre für so gute Helden!“ -So wird denn der schwarze Plan geschmiedet, Siegfried zu ermorden, -und etwas umständlich ins Werk gesetzt. Man weiß, daß Siegfried eine -Hornhaut hat und, außer an einer Stelle zwischen den Schultern, nicht -verwundbar ist. Diese Stelle muß herausgebracht werden; mit teuflischer -Verschlagenheit holt sich Hagen die Kunde bei Kriemhilt. Er läßt zuerst -falsche Boten angeblich von Liudegast und Liudeger nach Worms kommen, -die eine erneute Herausforderung zum Kriege überbringen; Siegfried -wird um Beistand gebeten und sagt ihn ohne weiteres zu. Nun begibt -sich Hagen zu Kriemhilt, kündigt ihr den bevorstehenden Kriegszug an -und verspricht ihr, Siegfried an der verwundbaren Stelle besonders zu -schützen, da dieser bei seiner großen Tapferkeit und das durch die -Hornhaut erzeugte Sicherheitsgefühl gerade leicht verwundet werden -könnte; so bringt er sie dazu, die verwundbare Stelle durch ein dem -Rocke aufgenähtes Kreuzchen zu bezeichnen, das ihm einen bequemen -Zielpunkt für seinen Speer bieten soll. Dann wird der angebliche -Kriegszug gegen die Sachsen angetreten. Als Hagen das Kreuzchen auf -Siegfrieds Rücken gesehen hat, läßt er andere Boten kommen, die wieder -Frieden anbieten, und der Feldzug ist zu Ende. An seiner Stelle wird -eine große Jagd angesagt, die in den nächsten<span class="pagenum" id="Seite_43">[S. 43]</span> Tagen im Odenwald -stattfindet<a id="FNAnker_21" href="#Fussnote_21" class="fnanchor">[21]</a>. Auf dieser Jagd nun wird Siegfried ermordet, und -zwar unter Anwendung einer neuen Hinterlist: das Getränk fehlt beim -Jägermahle; Hagen hat es absichtlich nach einem anderen Orte gelenkt, -damit der große Jägerdurst nur an einem Waldbrunnen zu stillen sei. -Während Siegfried niedergebeugt aus diesem seinen Durst löscht, stößt -ihm Hagen von hinten durch das aufgenähte Kreuzchen den Speer ins -Herz<a id="FNAnker_22" href="#Fussnote_22" class="fnanchor">[22]</a>.</p> - -<p>Nach Einbruch der Nacht wird der tote Siegfried über den Rhein nach -Worms gebracht und der Kriemhilt vor die Kammertür gelegt, so daß sie -am andern Morgen, als sie zur Mette gehen will, sofort die Leiche -des Gatten findet. Sie erkennt ohne weiteres, daß dieser Mord in -Zusammenhang steht mit dem Streite, den sie mit Brünhilt gehabt hat, -sowie mit dem, was Hagen aus ihr herausgebracht hat, und erkennt somit -zunächst ohne Beweis den Mörder. Der Beweis selbst wird ihr bei der -Beisetzung geliefert, indem Siegfrieds Wunde, als Günther und Hagen -an seine Bahre herantreten, von neuem zu bluten anfängt. Das ist das -Bahrrecht, ein merkwürdiger Aberglaube des Mittelalters, nach dem -die Wunde eines Gemordeten wieder zu bluten anfängt, wenn der Mörder -in seine Nähe tritt. Trotzdem wird die Übeltat von Günther und Hagen -geleugnet: nach ihrer Aussage haben ihn Räuber erschlagen.</p> - -<p>Der alte Sigemund, der mit Siegfrieds Mannen doch auch in Worms zugegen -ist, denkt nicht daran, sofort Rache für seines Sohnes Tod zu nehmen, -sondern zieht klagend in seine Heimat am Niederrhein ab, läßt aber -seltsamerweise seine Schwiegertochter in Worms zurück; sie will nicht -mitgehen, sondern bei ihren Brüdern bleiben. Dieser ihr Entschluß ist -innerlich nicht begründet und um so auffallender, als sie damit ihr -Kind verläßt, das sie von Siegfried geboren hat; er ist nur dadurch -bedingt, daß die weitere Erzählung ihren ferneren Aufenthalt in Worms -erfordert. Diese Seltsamkeiten sind wieder Folgeerscheinungen<span class="pagenum" id="Seite_44">[S. 44]</span> jener -Änderung unseres Dichters, die Siegfried den niedrig erzogenen in einen -nach jeder Seite vollwertigen Königssohn umgeschaffen hat; ursprünglich -hat offenbar Siegfried als Ehemann keine andere Heimat als Worms, wo -denn natürlich seine Witwe zurückbleibt. Von Sigemund hat unser Dichter -gewiß nichts weiter gewußt als den Namen, sonst verstünde man nicht die -Umwandlung des alten gewaltigen Helden in einen schwächlichen Greis.</p> - -<p>Eine weitere Folge des veränderten Standes Siegfrieds ist auch die nun -folgende Erzählung, daß der Hort der Nibelunge jetzt erst, indem er -als Kriemhilts Eigentum angesprochen wird, aus fernem Lande nach Worms -geholt wird. Über das weitere Schicksal des Schatzes ist das Gedicht im -Unklaren: an unserer Stelle (Holtzmann 1144 ff.) nimmt ihn Hagen auf -eigene Verantwortung ihr weg und versenkt ihn bei „Loche“ (unbekannter -Lage) in den Rhein; als Kriemhilt später Etzels Werbung folgt, wird -er ihr abermals weggenommen, damit sie die große Macht, die er ihr -verleiht, nicht zur Rache benutzen kann; die letztere Auffassung ist -gewiß die ältere.</p> - -<p>Der erste Teil der Erzählung ist damit zu Ende. Obgleich er in der -deutschen Fassung äußerlich recht reichlich ausgestaltet erscheint, ist -er innerlich doch viel dürftiger als in der nordischen. Die wichtigen -Geschichten von Siegfrieds Jugend und seinem ursprünglichen Verhältnis -zu Brünhilt sind kaum erwähnt. Was aus letzterer schließlich wird, hat -der Dichter uns zu sagen ganz und gar vergessen. Sie hört für ihn auf -interessant zu sein, nachdem sie den Anlaß zur Ermordung Siegfrieds -gegeben hat; später wird ihrer kaum noch gedacht; ihre Aufgabe in -der Dichtung, Kriemhilts Gegenspieler zu sein, ist eben auf Hagen -übergegangen.</p> - -<p>So dürftig im Grunde der erste Teil unseres Liedes ist, um so wuchtiger -schreitet die Erzählung im zweiten Teile vorwärts. Dieser ist in -der nordischen Fassung dürftiger, wenn auch altertümlicher; in der -deutschen ist er an Inhalt viel reicher geworden. Charakteristisch ist -für ihn das Auftreten vieler neuer Personen, die nur mit ihrem Namen -ohne jede erklärende Bemerkung eingeführt werden; so gleich im Anfang -(Strophe 1166 des Textes <span class="antiqua">C</span>):</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Daz geschach in den gezîten, <span class="mleft2">dô frou Helche erstarp</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">unt daz der künec Ezele <span class="mleft2">ein ander wîp warp.</span></span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_45">[S. 45]</span></p> - -<p>Wer Helche und Etzel sind, wird mit keinem Worte angedeutet, sondern es -wird einfach vorausgesetzt, daß das Publikum sie kennt. Wir treten hier -in die Dietrichsage ein, die in Süddeutschland heimisch und jedermann -bekannt war; alle diejenigen Figuren, die der Dietrichsage entstammen, -werden vom Nibelungendichter einfach als bekannt vorausgesetzt. Für -Günther und seine Brüder, für Kriemhilt, Siegfried usw. hat er eine -erklärende Einführung gegeben; für die Helden der Dietrichsage hatte er -das nicht nötig.</p> - -<p>Etzel der Hunnenkönig überlegt mit seinen Leuten, wer geeignet ist, -seine verstorbene Gattin, die Königin Helche, zu ersetzen. Man rät ihm -zu Kriemhilt, der Witwe Siegfrieds, und Etzel schickt seinen ersten -Vasallen, den Markgrafen Rüdeger von Bechelaren, nach Worms, daß er -für ihn um sie werbe. Rüdeger reist nach Worms und bringt die Werbung -vor. Die Könige, ihre Brüder, wissen die große Ehre, die ihnen damit -erwiesen wird, wohl zu würdigen; um so bedenklicher äußert sich Hagen. -Kriemhilt lehnt indes die Werbung kurzerhand ab, denn sie lebt nur -noch dem Andenken ihres gemordeten Gatten. Erst allmählich, als ihr -zugeredet wird, kommt ihr der Gedanke, daß sie durch die angebotene -Heirat in die Lage versetzt wird, Rache an den Mördern zu nehmen, -und auf diese Aussicht hin nimmt sie schließlich Etzels Werbung an. -Markgraf Rüdeger muß ihr freilich mit allen seinen Mannen schwören, -ihr immer treu zu dienen, angetanes Leid zu rächen und nichts zu -versagen. Er denkt dabei nicht an Rache für Siegfried, sondern will ihr -die Furcht vor den ihr fremden Verhältnissen, in die sie gehen soll, -benehmen. Er hat sich damit für später die Hände gebunden. Hier hat der -Dichter die künftige Entwickelung der Dinge sehr geschickt vorbereitet.</p> - -<p>Rüdeger geleitet nunmehr Kriemhilt von Worms nach Etzelnburg<a id="FNAnker_23" href="#Fussnote_23" class="fnanchor">[23]</a>; König -Etzel zieht seiner Braut mit glänzendem Gefolge entgegen und empfängt -sie bei Tuln (an der Donau, oberhalb Wiens). Innerhalb Österreichs (im -engern Sinne) zeigt sich der Dichter mit den örtlichen Verhältnissen -auf das genaueste bekannt; Schritt für Schritt begleitet er Kriemhilt -und weiß jeden<span class="pagenum" id="Seite_46">[S. 46]</span> Ort der Wirklichkeit entsprechend zu benennen, in dem -sie über Nacht Herberge genommen hat. In Wien findet das Beilager statt -unter großen Festlichkeiten, an denen sich all die ungezählten Scharen -des Ostens beteiligen, die sich der Dichter unter König Etzels Hoheit -stehend denkt.</p> - -<p>Als Gattin des Hunnenkönigs lebt sie zwölf Jahre friedlich; während -dieser Zeit gebiert sie Etzel einen Sohn und Erben, den jungen Ortlieb. -Dann aber denkt sie an ihre Rache und bewegt ihren Gatten, ihre -Brüder einzuladen. Er tut es in guter Meinung. Als Boten werden zwei -einfache Spielleute verwendet<a id="FNAnker_24" href="#Fussnote_24" class="fnanchor">[24]</a>. Die burgundischen Könige sind trotz -übler Vorzeichen bereit, die Schwester aufzusuchen, nur Hagen äußert -Bedenken, läßt sie aber fallen, als man ihm vorwirft, er habe wohl -Furcht; dann natürlich ist er der erste, der sich dem Zuge nach dem -Hunnenlande anschließt. Tausend Ritter und neuntausend Knechte werden -mitgenommen.</p> - -<p>In dem Augenblicke, da die Burgunden von Worms aufbrechen, tritt -uns auf einmal der Name „Nibelunge“ für „Burgunden“ entgegen; im -Anfange des Liedes bezeichnete dieser Name nur das Volk, das den Hort -ursprünglich besaß, jetzt geht er unvermittelt auf die Burgunden über. -Eine Erklärung ist frühzeitig versucht worden (wie es scheint, nicht -vom Dichter des Liedes); nach ihr wäre der Name an das Land der früher -erwähnten Nibelunge geknüpft und mit diesem nach Siegfrieds Tode auf -die Burgunden übergegangen; das ist nach Lehnsrecht ganz korrekt -gedacht; doch widerspricht dieser Auffassung, daß Siegfried selbst -niemals zu den Nibelungen gerechnet wird. In Wirklichkeit treten wir -in diesem Augenblicke in eine vom Dichter benutzte neue Quelle ein. -Von hier an beginnt die Erzählung den großartigsten Schwung zu nehmen, -von hier an beginnt auch die genauere Übereinstimmung mit der noch -zu besprechenden Thidrikssaga. Die Quellen, die unser Dichter bisher -benutzt hatte, hatten ihm die jetzt auftretende Bedeutung des Namens -Nibelunge nicht geboten.</p> - -<p>Die Erzählung, wie die Burgunden an den hunnischen Hof gelangen, -berichtet mannigfache Abenteuer. Zunächst erreichen sie die Donau und -haben Schwierigkeit, hinüber zu gelangen:<span class="pagenum" id="Seite_47">[S. 47]</span> das Wasser ist ausgetreten, -eine Brücke ist nicht da, auch keine Fähre. Da geht Hagen selbst -nach einer Gelegenheit suchen. In einem dem Flusse nahegelegenen -Brunnen hört er ein Plätschern und entdeckt zwei badende Wasserweiber -(übernatürliche Wesen); ihre Gewänder liegen am Ufer. Er bemächtigt -sich derselben und bringt die Nixen dadurch in seine Gewalt. Für -Herausgabe der Gewänder versprechen sie ihm zu sagen, was aus der Reise -ins Hunnenland wird. Darauf geht er ein, und die eine sagt ihm: „Ihr -kommt alle gesund wieder nach Hause.“ Sehr erfreut gibt er ihnen die -Gewänder zurück, da aber ruft die andere: „Meine Muhme hat gelogen; -in Wirklichkeit kommt niemand von euch zurück als des Königs Kaplan; -alle andern bleiben tot im Hunnenlande.“ Außerdem gibt sie ihm noch -einen Hinweis, wo eine Fähre zu finden ist, und wie er den Fährmann -gewinnen kann. Dieser gilt für einen Dienstmann und Grenzwächter -der Bayernfürsten Else und Gelfrat. Hagen sucht ihn auf und ruft in -grimmiger Laune hinüber: „Hol’ mich über, ich bin Amelrich, der wegen -Feindschaft aus diesem Lande hat fliehen müssen.“ Daraufhin fährt -der Fährmann zu ihm hinüber. Hagen bietet ihm außerdem noch einen -goldenen Ring von großem Werte an (ein Anerbieten, das sich mit den -übrigen Verhältnissen nicht recht verträgt, denn entweder fährt der -Fährmann um Lohn oder im Dienste seiner Herren; eins schließt das -andere aus; es liegt wieder eine Unstimmigkeit vor, entstanden durch -ein Übereinander zweier Schichten der Erzählung). Der Fährmann sagt: -„Ihr mögt wohl Amelrich heißen, aber der, den ich zu sehen erwartete, -seid Ihr nicht. Das war mein Bruder.“ Indes, das Schiff ist einmal an -Hagens Ufer, er springt einfach hinein. Der Fährmann widersetzt sich -und schlägt mit seinem Ruder auf den Helden ein; aber Hagen tötet ihn -kurzerhand und bringt die Fähre zu seinen Herren; er hat nun lange -zu tun, bis er mit dem einen kleinen Schiffchen das ganze Heer von -zehntausend Mann übergesetzt hat. Auch hier eine Unstimmigkeit, die -durch Überarbeitung hervorgerufen ist: in der ältern Erzählung haben -die Könige offenbar eine an Zahl nur geringe Begleitung mitgehabt; -der Ferge war ursprünglich ein einfacher Mann, der durch das Angebot -eines größern Lohnes sich bereit finden ließ, zu fahren. Das blickt -alles noch durch, ist aber übertüncht. Als Hagen die letzten übersetzt, -packt er den Kaplan, der mit auf dem Schiffe ist, wirft ihn in die Flut -und<span class="pagenum" id="Seite_48">[S. 48]</span> verhindert ihn sogar, sich aufs Schiff zu retten; trotzdem er -nicht schwimmen kann, ertrinkt er indes nicht, sondern gelangt an das -eben verlassene Ufer zurück und geht wieder nach Worms. Daran erkennt -Hagen, daß ihm das zweite Wasserweib die Wahrheit vorausgesagt hat, und -zertrümmert das Fahrzeug, damit kein Feigling entrinnen könne.</p> - -<p id="Sonderbarkeit">Nun ziehen die Nibelunge weiter durch Bayern und bilden eine Nachhut, -weil sie erwarten, daß wegen des erschlagenen Fährmannes Rache versucht -werden wird. In der Tat werden sie von den Bayern nachts eingeholt und -angefallen. Es kommt zu einem Gefecht, in dem sich Dankwart besonders -auszeichnet<a id="FNAnker_25" href="#Fussnote_25" class="fnanchor">[25]</a>. Nachdem sich die Nibelunge der verfolgenden Bayern -entledigt haben, erreichen sie die Grenze des Nachbarlandes und finden -den Grenzwächter schlafend. Hagen nimmt ihm sein Schwert ab und weckt -ihn; er beklagt sich, daß er die Grenze so schlecht gehütet hat; dabei -stellt sich heraus, daß es Eckewart ist, der einzige Burgunde, der -Kriemhilt ins Hunnenland gefolgt ist. Eckewart warnt die Burgunden vor -Kriemhilt; dann aber weist er sie nicht nach Etzelnburg, wie man doch -erwarten sollte, da er im persönlichen Dienste der Kriemhilt steht, -sondern nach Bechelaren. Die Eckewart-Episode ist nur verständlich als -Überbleibsel einer ältern Fassung, der der Aufenthalt in Bechelaren -ganz unbekannt war. In Bechelaren finden sie eine außerordentlich -liebenswürdige Aufnahme. Im einzelnen ist die Schilderung derselben -ganz besonders wohl gelungen. Der Dichter hat eine neue Verwickelung -hineingebracht, indem er den jungen Giselher sich mit des Markgrafen -Tochter verloben läßt; das Beilager soll erst bei der doch bald zu -erwartenden Rückkehr von Etzelnburg stattfinden. Wie jung diese Einlage -ist, zeigt auch der Umstand, daß man im Liede nicht einmal den Namen -dieser Tochter Rüdegers erfährt (erst in der Klage wird er genannt: sie -heißt Dietlind).</p> - -<p>Nun ziehen sie nach Ungarn, dem eigentlichen Hunnenlande, und -schicken Boten voraus; daraufhin macht sich Dietrich auf, um mit -seinen Amelungen den Nibelungen entgegenzureiten und sie zu warnen. -Wer dieser Dietrich ist, und wie er an Etzels<span class="pagenum" id="Seite_49">[S. 49]</span> Hof kommt, wird als -selbstverständlich bekannt vorausgesetzt. Dietrich ist der König -(der Ostgoten), der früher in Italien geherrscht hat (in Bern, d. i. -Verona), damals aber aus seiner Heimat vertrieben ist und im Exil bei -Etzel lebt, bis er schließlich mit hunnischer Hilfe in sein Reich -zurückgeführt wird. Die Warnung, die Dietrich den Nibelungen angedeihen -läßt, hat keinen Erfolg; sie ziehen weiter und werden zunächst von -Kriemhilt allein empfangen: sie begrüßt Giselher, allenfalls auch die -andern Brüder, nicht aber den Hagen. Es kommt daher sofort zu einer -scharfen Auseinandersetzung zwischen ihnen beiden, die im Grunde die -folgende Erzählung teilweise unmöglich macht: klipp und klar tritt -hervor, daß die Burgunden sich auf die allergrößte Hinterlist gefaßt -machen müssen, daß sie verraten und überfallen werden sollen. Kriemhilt -stellt gleich die Frage an Hagen, wo der Nibelungenhort stecke, den er -ihr doch hätte mitbringen müssen, und das Ende ist, daß Kriemhilt im -Bösen die Burgunden stehen läßt, nachdem ihr Dietrichs Warnung bekannt -geworden ist. Während dieser Zeit wird Etzel im Schlosse sitzend und -die Gäste erwartend gedacht; er schaut vom Fenster herab, ohne ihnen -entgegenzugehen, und macht seine Bemerkungen über die einzelnen Helden, -die er sieht. Auch dann erfolgt der eigentliche Empfang noch nicht, -sondern es wird erzählt, daß zwei Helden, nämlich Hagen und Volker, -der Spielmann von Alzei, sich von den übrigen trennen und den Saal -aufsuchen, in dem sich Kriemhilt im Augenblicke aufhält. Sie setzen -sich ihren Fenstern gegenüber auf eine Bank, und Hagen legt in offenem -Hohne das Schwert Siegfrieds, den Balmung, über seine Knie, damit -Kriemhilt an Siegfrieds Tod erinnert werde. Sie erscheint denn auch -haßerfüllt vor ihrem Saale, sammelt eine Anzahl Hunnen und fordert sie -auf, die beiden festzunehmen. Aber an deren trotziger Haltung scheitert -das; die Hunnen haben viel zu große Angst, als daß sie es wagten, sich -an ihnen zu vergreifen. Damit muß Kriemhilt den Versuch, Hagen und -Volker in ihre Gewalt zu bringen, aufgeben. Sie kehrt in ihren Palast -zurück, die Helden aber begeben sich zu ihren Königen, die immer noch -auf Etzels Hofe zwecklos herumstehen.</p> - -<p>Man sieht, wie ungeschickt der Dichter in der Verbindung der einzelnen -Szenen verfährt. Jede ist nur für sich betrachtet künstlerisch zu -genießen. Aber es ist alles in die alte Grunderzählung hineingestopft -— eine Folge des Stoffhungers jener<span class="pagenum" id="Seite_50">[S. 50]</span> verkehrsarmen Zeit; kein -Dichter mochte, weil er etwas Neues zu sagen wußte, deswegen das Alte -weglassen, wenn es sich auch mit jenem nicht vertrug.</p> - -<p>Jetzt endlich begeben sich die burgundischen Gäste, geleitet von -Rüdeger, in den Saal zu König Etzel um ihn zu begrüßen, werden von -ihm in feierlicher Weise empfangen und treten ihm nicht minder -höflich entgegen — was nach den beiden scharfen Szenen, die sich -bereits zwischen Kriemhilt und ihren Feinden abgespielt haben, ganz -unbegreiflich erscheint. Es findet ein Abendessen statt, dann werden -die Gäste in einem großen Saale untergebracht, der für die Menge der -Erschienenen Platz hat. Nicht alle werden hier einquartiert, nur die -Könige und die Ritter, während die Knechte eine Herberge für sich -erhalten; an ihrer Spitze steht als Marschall, dessen Amt es ja ist, -für das Gefolge zu sorgen, Dankwart, Hagens Bruder. In der Nacht haben -die Nibelunge große Sorge vor einem Überfall. Hagen und Volker halten -die Nachtwache; letzterer spielt die Fiedel und schläfert damit die -übrigen reisemüden, sorgenden Helden ein. Diese Wachsamkeit erweist -sich als begründet: bewaffnete Hunnen, von Kriemhilt abgeschickt, -schleichen heran. Die beiden Wächter erkennen aber rechtzeitig den -geplanten Überfall und rufen die Feinde an; ohne Antwort drückt sich -der Gegner, sobald er merkt, daß er seine Absicht nicht erreichen kann, -verfolgt von Volkers Hohnreden.</p> - -<p>Die Luft wird kühler, der Morgen bricht an. Sie kleiden sich nicht in -Festgewänder, sondern in Panzerringe. So gehen sie zur Kirche<a id="FNAnker_26" href="#Fussnote_26" class="fnanchor">[26]</a>. -Nach dem Kirchgang folgt ein Turnier, bei welchem Volker böswillig -einen edlen Hunnen, der recht fein geputzt erscheint, niederstößt, und -dadurch große Aufregung bewirkt; Kampf droht auszubrechen, wird aber -unterbrochen durch persönliches Eingreifen Etzels, der (wie es scheint, -mit bewußter Unwahrheit) sagt: „Volker kann nichts dafür, sein Pferd -ist gestrauchelt, so hat sein Speer aus Versehen den Mann getroffen.“ -Dann begibt man sich zu Tisch in den Saal, in dem die Helden nachts -untergebracht waren.</p> - -<p>Bevor man zu Tische geht, sucht Kriemhilt nochmals ihren Willen -durchzusetzen. Sie wendet sich aber an ungeeignete Leute,<span class="pagenum" id="Seite_51">[S. 51]</span> sogar auch -an Dietrich, von dem sie doch weiß, daß er zuerst die Nibelunge gewarnt -hat. Alle lehnen es ab, bis endlich Etzels Bruder Blödel es unternimmt, -gegen das Versprechen hoher Belohnung Kriemhilts Willen zu tun: er soll -die Knechte in der Herberge überfallen und damit den Kampf zum Ausbruch -bringen. Unmittelbar nachdem Blödel sich bereit erklärt hat, den Verrat -zu beginnen, fährt das Gedicht (in der Fassung <span class="antiqua">B</span>, Bartsch -Strophe 1912) fort:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Dô der strît niht anders <span class="mleft2">kunde sîn erhaben</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">(Kriemhilde leit daz alte <span class="mleft2">in ir herzen was begraben),</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">dô hiez si tragen ze tische <span class="mleft2">den Etzelen sun.</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">wie kunde ein wîp durch râche <span class="mleft2">immer vreislîcher tuon?</span></span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Also: da es auf keine andere Weise möglich ist, den Streit ins Werk -zu setzen, so beabsichtigt Kriemhilt ihren und Etzels Sohn der -Rache zu opfern. Die Strophe setzt voraus, daß Kriemhilt mit dem -Versuche, einige Helden für sich zu gewinnen, nichts erzielt hat; im -vorausgehenden ist das gerade Gegenteil berichtet (der Text <span class="antiqua">C</span> -hat deshalb auch geändert). Die Erzählung vom Opfer des Kindes wird -durch die Thidrikssaga und einen vereinzelten deutschen Bericht des 15. -Jahrhunderts<a id="FNAnker_27" href="#Fussnote_27" class="fnanchor">[27]</a> bestätigt, auch durch die nordische Darstellung (in -der ja Gudrun ihre Söhne schlachtet) unterstützt; auch in unserm Liede -war sie offenbar ursprünglich, ist aber durch mehrfache Bearbeitung -gemildert worden.</p> - -<p>Bei Tisch erscheint nun der junge Ortlieb und wird den Verwandten -vorgestellt. Etzel gedenkt der Verwandtschaft mit außerordentlich -freundlichen Worten: er hofft, daß sein Sohn das werden soll, was die -Oheime sind; allein Hagen meint, der junge Königssohn sähe aus, als ob -er nicht lange leben würde.</p> - -<p>In diesem Augenblicke erscheint an der Tür des Saales Dankwart, über -und über blutbespritzt, und bringt die Botschaft, daß Blödel mit -hunnischen Scharen die Knechte der Burgunden überfallen habe, und alle -erschlagen seien, auch Blödel selbst. Als einziger ist Dankwart aus -dem Gemetzel entkommen. Als Hagen dies hört, springt er sofort auf und -schlägt dem Sohne Etzels kurzerhand das Haupt ab, so daß es der Mutter -in den<span class="pagenum" id="Seite_52">[S. 52]</span> Schoß springt<a id="FNAnker_28" href="#Fussnote_28" class="fnanchor">[28]</a>. Damit ist Etzel zum Feinde seiner Gäste -geworden; er ruft seine Mannen zur Rache auf. Allein da die Burgunden -auf den Kampf vorbereitet sind und sogar bei Tische im Harnisch -sitzen, die übrigen aber im Festgewande, so haben sie jetzt die Hunnen -völlig in der Hand. Volker und Dankwart versperren den Ausgang, und -die Burgunden machen zur Rache für ihre erschlagenen Knechte alles -nieder, was in der Halle ist, bis Dietrich mit lauter Stimme für sich -und die Seinen freien Abzug verlangt. Ihm und Rüdeger wird daraufhin -von Günther gestattet, mit den Ihren den Saal zu verlassen; Günthers -Feinde, die Hunnen, sollen jedoch drinnen bleiben. Es folgt nun eine -höchst seltsame Szene: Dietrich nimmt, als ihm der Ausgang gewährt -wird, den König Etzel an einen Arm, die Königin an den andern, und geht -mit ihnen ungehindert hinaus. Die Burgunden lassen das zu. Als aber -ein Hunne versucht, hinter seinem Könige auch hinauszukommen, schlägt -ihm Volker das Haupt ab, so daß es Etzel vor die Füße rollt. Immerhin -sind nun Etzel und Kriemhilt, die ärgsten Feinde der Burgunden, aus -dem Saale entlassen (was noch drinnen ist, wird von den Burgunden -erschlagen), und wir haben eine neue Lage: die Hunnen befinden sich vor -dem Saale, die Burgunden in demselben und richten sich zu hartnäckiger -Verteidigung ein. Unverständlich aber am Verhalten der Burgunden -bleibt, daß sie Etzel und Kriemhilt ungehindert hinauslassen; wenn sie -jetzt, da sie wissen, wie die Verhältnisse liegen, sich dieser beiden -Hauptpersonen bemächtigen — sie brauchen sie nicht einmal zu töten — -so ist der Sieg auf ihrer Seite, aber auch — die Erzählung zu Ende. -Offenbar ist hier ein neuer Lappen auf das alte Tuch der überlieferten -Erzählung genäht: das Gastmahl, der Kampf des viel zu zahlreichen -Gefolges in der Herberge, in dem Dankwart sich besonders auszeichnet, -der Kampf der Helden im Saale, all das sind neue Zutaten, im einzelnen -zwar gut ausgeführt, mit dem Alten aber ungeschickt verbunden, so daß, -wie gesagt, die Erzählung von Rechts wegen in diesem Augenblicke zu -Ende gelangt, und zwar zu einem der Überlieferung widersprechenden -Ende. Die Torheit, die der Dichter die Burgunden mit der Entlassung der -ärgsten Feinde begehen läßt, muß ihm die Möglichkeit geben, in den<span class="pagenum" id="Seite_53">[S. 53]</span> -ursprünglichen Gang der Sage wieder einzulenken. Die Lage wird wieder -hergestellt, die sich schon an einer frühern Stelle des Gedichtes -vorfindet: die Burgunden in dem Saale, in dem sie während der Nacht -untergebracht waren, an der Tür wachend die Haupthelden, in erster -Linie Hagen und Volker, und von außen herannahend die feindlichen -Hunnen.</p> - -<p>Mit Hohnreden begrüßen sich die Gegner, und Kriemhilt bietet großen -Lohn demjenigen, der ihr Hagen in die Hände liefert. Hier treten einige -Helden auf, die ursprünglich einem andern Sagenkreise angehören, aber, -da man sie sich im Hunnenlande lebend denkt, in unsere Sage eingeführt -werden. Es sind Irnfrid, Landgraf von Thüringen, Hawart der Däne und -sein Mann Iring. Sie versuchen zuerst den Ansturm auf die im Saale -verschanzten Burgunden, finden aber nach kleinen Erfolgen ihren Tod, -ohne daß die Gesamtlage sich ändert; die Szene ist also überflüssig und -dadurch als junger Zusatz gekennzeichnet<a id="FNAnker_29" href="#Fussnote_29" class="fnanchor">[29]</a>.</p> - -<p>Die Nacht bricht herein. Während derselben versucht Kriemhilt ihre -Feinde zu vernichten, indem sie den Saal in Brand stecken läßt. Allein -trotz der großen Not, die dadurch über die Burgunden hereinbricht, -entgehen sie doch dem sichern Tode, hauptsächlich durch Hagens -Ratschläge. Sie trinken das Blut der Gefallenen und sind am andern -Morgen noch alle am Leben. Es bedarf also noch stärkerer Mittel, die -Vernichtung der Burgunden durchzuführen. Von den eigentlichen Hunnen -ist niemand geeignet, mit ihnen fertig zu werden; es muß ein besonderer -Held gewonnen werden, und das ist derjenige, der auf der einen Seite -als erster der Vasallen dem Etzel, auf der andern als Vater der -Dietlind den Burgunden in gleicher Weise verpflichtet ist, Rüdeger von -Bechelaren. Durch fußfällige Bitten erreichen der König und Kriemhilt, -daß er sich zum Angriff auf die Burgunden entschließt, trotz seiner -verwandtschaftlichen Beziehungen. Damit wird die vom Dichter an seine -Person geknüpfte Frage entschieden, welche Treue heiliger ist, die -Treue gegen den Herrn oder die gegen Anverwandte. Rüdeger entschließt<span class="pagenum" id="Seite_54">[S. 54]</span> -sich als Urbild eines getreuen Mannes, die Treue gegen seinen Herrn -zu wahren, und greift mit seinen Leuten die Burgunden an. Der Kampf -endet damit, daß Rüdeger und Gernot einander im Zweikampf töten. -Rüdegers Mannen kommen ebenfalls um, und Kriemhilts Ziel ist noch nicht -erreicht. Großes Klagen erhebt sich um den vornehmsten der hunnischen -Helden, den Freund aller hilfesuchenden Landfremden. Es schallt bis zum -Hause König Dietrichs, und er sendet seine Mannen aus, zu erkunden, -was denn geschehen sei. Hiltebrand, Dietrichs alter Waffenmeister -und Führer seiner Mannen, Wolfhart, der übermütigste von ihnen, und -die übrigen Amelunge<a id="FNAnker_30" href="#Fussnote_30" class="fnanchor">[30]</a>, alle machen sich nach dem Kampfplatze auf; -als sie erfahren, daß Rüdeger gefallen ist, erbitten sie sich von -den Burgunden seine Leiche. Es wird ihnen aber die höhnische Antwort -zuteil: „Holt sie euch selbst, wenn ihr keine Furcht habt.“ So greifen -denn die Amelunge grimmerfüllt, aber wider ihres Herrn Dietrichs -Willen, die Nibelunge an. In diesem Kampfe kommen alle zu Tode mit -Ausnahme von Günther und Hagen auf burgundischer und Hiltebrand, der -sich schließlich zur Flucht wenden muß, auf gotischer Seite.</p> - -<p>Hiltebrand begibt sich zu Dietrich zurück und berichtet ihm, daß -Rüdeger erschlagen ist; als das Dietrich erfährt, rüstet er sich -selbst und befiehlt Hiltebrand, die Mannen zu sammeln, da er nun -selbst eingreifen will. Hiltebrand erwidert: „Wen soll ich Euch rufen? -Alle, die Ihr habt, seht Ihr vor Euch stehen“, und dadurch erfährt -Dietrich erst, daß inzwischen seine Leute auch umgekommen sind. Der -Angriff erfolgt nun durch Dietrich selbst, der durch seine Stärke die -Entscheidung bringt. Immer noch ist er trotz des großen Schadens, der -ihm geschehen, geneigt, die letzten burgundischen Helden zu retten. Es -gelingt ihm, sie gefangen zu nehmen, und er übergibt sie Kriemhilt mit -dem ausdrücklichen Wunsche, daß ihnen nichts am Leben geschehen möge. -Kriemhilt verlangt nun von Hagen die Auslieferung des Nibelungenhortes -und erhält die Antwort, daß er durch einen schweren Eid gebunden -sei, den Ort, wo der<span class="pagenum" id="Seite_55">[S. 55]</span> Schatz liegt, niemandem zu verraten, solange -einer seiner Herren lebe. Darauf läßt Kriemhilt dem Günther das Haupt -abschlagen und bringt es Hagen als Beweis des Todes seines Herrn. Hagen -aber erwidert (Strophe 2371 Bartsch):</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2">„<span class="antiqua">Nu ist von Burgonden <span class="mleft2">der edel künec tôt,</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Gîselher der junge <span class="mleft2">und ouch her Gêrnôt.</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">den schaz den weiz nu niemen <span class="mleft2">wan got unde mîn:</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">der sol dich, vâlandinne, <span class="mleft2">immer wol verholen sîn.</span></span>“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Sie erfährt also den Aufbewahrungsort des Schatzes nicht, tröstet sich -aber damit, daß sie den Balmung, den einst ihr Siegfried geführt hat, -durch Hagens Gefangennahme in die Hände bekommen hat. Mit ihm rächt -sie ihren Jammer, indem sie Hagen eigenhändig tötet. Aber Hiltebrand -erträgt nicht, daß Helden von der Art Hagens von einem Weibe fallen; -er springt hinzu und tötet Kriemhilt selbst. Der Vernichtungskampf hat -nun ein Ende; von namhaften Personen sind ihm nur entgangen Etzel (auf -dessen Tod doch gerade die nordische Darstellung hinausgeht), Dietrich -und Hiltebrand. Damit schließt unser Lied.</p> - -<p>Ein etwas späterer Dichter hat ihm eine Fortsetzung in abweichender -Versform (sogenannten kurzen Reimpaaren) unter dem Titel „Klage“ -angehängt, ein matt nachklappendes Gedicht, das erzählt, wie die Toten -beerdigt werden, und was aus den wenigen Überlebenden noch geworden -ist. Für uns ist nur von Interesse die merkwürdige Stelle, die sich am -Schlusse der einen Bearbeitung der Klage (<span class="antiqua">C</span>) findet; hier heißt -es: was aus Etzel geworden ist, das weiß kein Mensch; es ist unbekannt, -was er für ein Ende genommen hat. Für die Entwickelung der Sage aus der -Geschichte ist diese Bemerkung von größter Wichtigkeit.</p> - -<p>Im Nibelungenliede hat sich das Interesse der Dichter und ihrer Zuhörer -andern Teilen zugewendet als in der Lieder-Edda. Während im Norden -der erste Teil der Sage ausführlich und breit, teilweise auch in -verschiedenen Variationen erzählt wird, ist der zweite Teil einfach -und kurz; zwischen den beiden Hauptteilen besteht ein eigentlicher -Zusammenhang nicht; ganz äußerlich ist ferner noch ein dritter Teil -angehängt, die Geschichte von Svanhild, die zwar in Deutschland wohl -bekannt, aber nicht an die Nibelungen-, sondern an die Dietrichsage -angeschlossen ist. In Deutschland aber sind die beiden Hauptteile der -Sage dadurch innerlich in Verbindung gebracht, daß der Untergang der -Burgunden<span class="pagenum" id="Seite_56">[S. 56]</span> aufgefaßt wird nicht als von Etzel, sondern von Kriemhilt -ausgehend, und daß diese nicht, wie im Norden, an ihrem zweiten -Gatten den Tod ihrer Brüder rächt, sondern an ihren Brüdern den Tod -ihres ersten Gatten; damit ist ein innerer Zusammenhang zwischen -dem ersten und zweiten Teile hergestellt: der erste Teil ist die -Ursache des zweiten geworden. Daraus ist weiter die Notwendigkeit -erwachsen, daß Etzel nicht ermordet wird, sondern übrig bleibt, und die -Erzähler zunächst nicht wissen, was aus ihm geworden sein mag. Seine -und Kriemhilts Interessen fallen in der deutschen Darstellung eben -zusammen, und es mangelt der Kriemhilt jeder Grund, ihn zu töten.</p> - -<p>Welche Darstellung der Sage, die nordische oder die deutsche, die -ältere ist, das ist nicht schwer zu entscheiden: selbstverständlich -diejenige, in der die beiden Teile auseinanderklaffen. Denn das -Auseinanderreißen zusammengehöriger Stücke würde niemand unternommen -haben; wohl aber kann man jemandem zutrauen, daß er zwei Erzählungen, -wie die Geschichte von Siegfried und die Geschichte von dem Untergang -der Burgunden und Attilas Tod, die durch beiden gemeinsame handelnde -Personen zusammengehalten werden, auch innerlich in ursächlichen -Zusammenhang bringt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Zweikampfsage_und_Thidrikssaga"><span class="antiqua">b</span>) Zweikampfsage und Thidrikssaga.</h3> - -</div> - -<p>Im deutschen Liede spielt eine Figur, die in der Lieder-Edda uns nur -ganz beiläufig entgegentritt<a id="FNAnker_31" href="#Fussnote_31" class="fnanchor">[31]</a>, eine Hauptrolle: Dietrich von Bern. -Er ist im Grunde die Hauptperson, denn er bringt in dem großen Kampfe -die Entscheidung.</p> - -<p id="Goten_und_Bayern">Dietrich von Bern ist der Held einer selbständigen weitverzweigten -Sage; er ist der sagenhafte Niederschlag der gewaltigen historischen -Persönlichkeit des Ostgotenkönigs Theodorichs des Großen. Bei den -Bayern, die gewissermaßen die unmittelbaren Nachfolger der alten Goten -sind<a id="FNAnker_32" href="#Fussnote_32" class="fnanchor">[32]</a>, hat sich die Erinnerung an<span class="pagenum" id="Seite_57">[S. 57]</span> seine große Zeit stets lebendig -erhalten: er ist ihr Nationalheld. Während der Zeit seiner Verbannung -aus der Heimat lebt er (in der Sage) am Hofe Etzels<a id="FNAnker_33" href="#Fussnote_33" class="fnanchor">[33]</a>. Da nun die -Burgunder nach der niederrheinischen Sage am Hofe Etzels zugrunde -gehen, so müssen die beiden Erzählungen, sobald sie sich lokal und -im Gehirn eines und desselben Dichters vereinigen, in Zusammenhang -miteinander kommen, denn sie sind ja durch Etzel als gleichzeitig, -Dietrich und Siegfried also als Zeitgenossen erwiesen. Dadurch -entsteht aber sofort eine eigenartige Schwierigkeit. In der alten -niederfränkischen Siegfriedsage ist Siegfried als erster Held seiner -Zeit geschildert. Genau dasselbe behauptet die bayrische Sage von ihrem -Dietrich. Durch die Verbindung der beiden Sagen vermittelst der Person -Etzels stehen nun zwei einander ausschließende Superlative, Dietrich -und Siegfried, nebeneinander als Zeitgenossen. Beide erheben ja den -Anspruch, die ersten Helden ihrer Zeit zu sein. Es ergibt sich also -die Frage, welcher von beiden wirklich der erste ist; für die Dichtung -liegt es nahe, sie zu lösen, indem sie die beiden einander in einem -Zweikampfe gegenüberstellt; die Lösung wird verschieden ausfallen je -nach der Heimat dessen, der sie gibt. Eine Dichtung vom Zweikampfe der -beiden Helden ist nun spätestens im 12. Jahrhundert entstanden. Wenn -sie dem Norden Deutschlands, dem Lande am Niederrhein, entstammte, -würde sie Siegfried haben siegen lassen; da sie zugunsten Dietrichs -entscheidet, muß sie wohl in Süddeutschland (Bayern) entstanden sein. -Etwas anderes darf man natürlich aus dem für Siegfried ungünstigen -Ausfall des Kampfes nicht schließen.</p> - -<p>Diese Dichtung liegt im 13. Jahrhundert bereits in drei verschiedenen -Zweigen vor; die vergleichsweise einfachste Darstellung findet sich -in dem hochdeutschen Gedichte „Biterolf“, einer Bearbeitung der -Dietrichsage in ritterlichem Geschmack: durch eine feindselige Handlung -der Wormser, bei denen sich Siegfried aufhält, werden die östlichen -Helden, unter ihnen Dietrich, bewogen, gegen Worms zu ziehen. Dietrich -wagt es zunächst nicht<span class="pagenum" id="Seite_58">[S. 58]</span> recht, den Kampf gegen Siegfried aufzunehmen, -wird aber schließlich durch die Hohnreden seiner Mannen dazu genötigt -und besiegt ihn.</p> - -<p>Die zweite, ebenfalls hochdeutsche Version liegt in dem Gedichte vom -Rosengarten zu Worms vor, das uns in fünf verschiedenen, aber auf -dieselbe Grunddichtung zurückgehenden Bearbeitungen erhalten ist; sie -behandeln als Kern genau dieselbe Erzählung wie der „Biterolf“, nur daß -sie das Lokal noch näher bestimmen: sie nehmen an, daß in Worms ein -Rosengarten liegt, der Kriemhilts Eigentum ist. Der Dichter versetzt -mit einem kühnen Griff die Kriemhilt der spätern Zeit der Rache, ihrem -Charakter nach, in ihre Mädchenzeit zurück: die jugendliche Kriemhilt, -die im Begriff ist, Siegfried zu heiraten, veranlaßt den Kampf, um zu -sehen, ob Siegfried der erste aller Männer ist; sie fordert dazu den -Dietrich heraus. Die Entscheidung fällt gegen Siegfried; im einzelnen -ist die Darstellung der im „Biterolf“ sehr ähnlich.</p> - -<p>Der dritte Zweig der Zweikampfsage liegt in der Thidrikssaga vor, -jener großen nordischen Sagensammlung, die auch die in Deutschland -umgebildete Nibelungensage nach dem Norden übertragen hat.</p> - -<p>So wie die Thidrikssaga uns überliefert ist, ist sie nicht einmal -äußerlich ganz einheitlich, sondern wir können der ältesten -Handschrift noch ansehen, daß Einlagen hinzugekommen sind; da -diese Handschrift nicht ganz vollständig ist, können wir nicht von -jedem einzelnen Abschnitt mit Sicherheit sagen, wie alt und wie -ursprünglich er ist. Doch darf man behaupten, daß im Urtexte der Saga -die Nibelungengeschichte erst von Siegfrieds Dienst bei Isung (vgl. -nachher) an vorhanden war, während die Darstellung seiner Jugendzeit -erst später eingelegt worden ist. Im folgenden werden nur diejenigen -Teile inhaltlich wiedergegeben, welche die Nibelungensage enthalten.</p> - -<p>Es wird erzählt, daß ein König Sigmund über Karlungaland (Frankreich) -herrscht. Er verheiratet sich mit Sisibe. Bald nach der Hochzeit muß er -eine Kriegsfahrt unternehmen und die junge Frau der Hut zweier Edlen -überlassen. Diese Pfleger beginnen bald die Königin mit Liebesanträgen -zu verfolgen; als sie abgewiesen werden, drohen sie mit Verleumdung. -Bei der Rückkehr des Königs führen sie ihre Drohung auch aus. Daraufhin -wird Sisibe verstoßen und von den Verrätern in einen Wald<span class="pagenum" id="Seite_59">[S. 59]</span> verschleppt; -während diese über ihr Schicksal in Zwist geraten, gebiert die Königin -plötzlich und stirbt an der Geburt. Das Kind, ein Knabe, wird in ein -Gefäß gelegt, das dann in den vorüberfließenden Strom gerät und von -seinen Wellen weggetragen wird.</p> - -<p>Weiter unterhalb strandet das Gefäß und zerbricht. Des weinenden Kindes -erbarmt sich eine Hirschkuh, nährt es und zieht es auf. Ein Schmied, -der in der Nähe im Walde haust, namens Mimir, entdeckt den Knaben bei -der Hirschkuh, nimmt ihn auf und gibt ihm den Namen Siegfried.</p> - -<p>Jung Siegfried entwickelt sich zu einem ganz ungewöhnlich kräftigen, -aber dabei doch zu nichts verwendbaren Jüngling. Mimir wird von ihm -arg belästigt und beginnt sich vor ihm zu fürchten. Infolgedessen -beschließt er, den Knaben zu beseitigen. Im Walde lebt ein Drache, den -die Saga seltsamerweise Regin nennt<a id="FNAnker_34" href="#Fussnote_34" class="fnanchor">[34]</a>. Durch diesen Drachen hofft -Mimir den Siegfried loszuwerden; er schickt ihn in den Wald, Kohlen -zu brennen, und stattet ihn für mehrere Tage mit Proviant aus. Im -Walde angelangt, erledigt Siegfried rasch seine Arbeit, ist aber dann -gleich so verhungert, daß er seinen ganzen Vorrat, der für mehrere Tage -ausreichen soll, auf einmal aufzehrt. Da erscheint der Drache, wird -aber bald von Siegfried getötet. Das scheint ihm kaum eine gefahrvolle -Sache; er braucht dazu nur seinen Mut. Nun hat er Gelegenheit, seinen -Hunger weiter zu stillen: er schneidet sich ein Stück Fleisch aus dem -Drachen und siedet es. Um zu versuchen, ob es gar ist, faßt er es an, -verbrennt sich die Finger und steckt sie zur Kühlung in den Mund. -Dadurch gelangt etwas Drachenblut auf seine Zunge, und er versteht -auf einmal die Sprache der Vögel. Von ihnen erfährt er, daß Mimir ihn -böswillig hinausgeschickt hat, und kehrt wütend nach Hause zurück. Als -Mimir ihn kommen sieht, erkennt er, daß sein Plan fehlgeschlagen ist, -und versucht ihn zu besänftigen, indem er ihm eine wundervolle Rüstung -und ein Schwert gibt, ihm auch ein geeignetes Roß aus Brynhilds Gestüt -nachweist<a id="FNAnker_35" href="#Fussnote_35" class="fnanchor">[35]</a>. Siegfried<span class="pagenum" id="Seite_60">[S. 60]</span> nimmt alles an; der erste, den er mit dem -Schwerte tötet, ist Mimir. Dann sucht er die Burg der Brynhild auf. -Wer Brynhild ist, wird gar nicht erklärt. Sie ist jedenfalls eine rein -menschliche Fürstin, die unter anderm ein großes Gestüt besitzt; die -edlen Heldenrosse, die in der Saga erwähnt werden, stammen alle aus -diesem Gestüt. Siegfried dringt gewaltsam in ihre Burg ein; als sie den -Lärm hört, sagt sie sofort: „Da wird Siegfried, Sigmunds Sohn, gekommen -sein, und er soll mir immer willkommen sein.“ Beim Empfang fragt sie -ihn, wer er sei; das weiß Siegfried nicht. Da eröffnet sie ihm, daß er -König Sigmunds Sohn ist (woher sie das weiß, wird nicht erörtert), und -überläßt ihm auf seinen Wunsch aus ihrem Gestüt den Hengst Grani. Von -Liebschaft oder Verlobung aber ist mit keinem Worte die Rede. Siegfried -zieht weiter und tritt in den Dienst eines Königs, der Isung heißt -und in Bertangaland (Bretagne) herrscht. Dieser König Isung gehört -nur unserer Thidrikssaga an und ist für die Komposition derselben -wesentlich.</p> - -<p>Inzwischen hat der junge König Dietrich, der eigentliche Held der Saga, -der zu dieser Zeit noch nicht in der Verbannung lebt, sondern sein Volk -in Italien beherrscht, eine Reihe gewaltiger Helden um sich gesammelt; -er stellt die Behauptung auf, daß es niemand gäbe, der ihm und seinen -Mannen entgegentreten könnte. Einer der Helden erwidert ihm, daß Isung -mit seinen elf Söhnen und seinem Bannerträger — als solcher dient -ihm der junge Siegfried — ihm mindestens gewachsen sei. Daraufhin -zieht Dietrich mit seinen Mannen, unter denen sich diesmal auch, auf -freundliche Einladung hin, Günther und Hagen<a id="FNAnker_36" href="#Fussnote_36" class="fnanchor">[36]</a> befinden, zum Kampfe -gegen Isung und seine Söhne aus. In Zweikämpfen mit verschiedenem -Erfolge wird die Angelegenheit ausgefochten (ähnlich wie im Biterolf -und im Rosengarten); Siegfried und Dietrich messen ihre Kräfte als -letzte miteinander, und auch in dieser Sagenform siegt Dietrich. -Das hat, wie gesagt, seinen Grund in dem oberdeutschen Ursprung der -Zweikampfsage; allein der nordische Sagaschreiber (vielleicht schon -seine niederdeutsche Quelle) vermochte es nicht über sich, seinen -unüberwindlichen Siegfried so ohne weiteres besiegen zu lassen: er -erklärt die Niederlage durch unlautere Mittel, die<span class="pagenum" id="Seite_61">[S. 61]</span> Dietrich angewendet -habe. Dietrich kann den Siegfried nur mit einem bestimmten Schwerte, -dem Mimung, das dem Witig gehört, besiegen. Das weiß Siegfried auch und -verlangt deshalb von Dietrich den Eid, daß er den Mimung nicht habe. -Darauf steckt Dietrich das Schwert hinter sich mit der Spitze in die -Erde und lehnt sich gegen den Griff, dann schwört er, daß er Mimungs -Spitze nicht oberhalb der Erde wisse, noch seinen Griff in eines -Mannes Hand; mit Mimung besiegt er Siegfried, also unter Anwendung von -Hinterlist.</p> - -<p>Siegfried tritt nun in den Dienst Dietrichs und zieht mit ihm zusammen -an den Hof Günthers; dort wird ohne besondere Bedingungen die Heirat -gestiftet, daß Siegfried die Grimhild, Günthers Schwester, zur Gattin -erhält. Bei der Hochzeit erwähnt Siegfried dann die Brynhild und -schlägt sie seinem neuen Schwager Günther als geeignete Gemahlin vor. -Günther, Hagen, Siegfried und Dietrich<a id="FNAnker_37" href="#Fussnote_37" class="fnanchor">[37]</a> ziehen sofort aus, die -Werbung anzubringen; Brynhild ist ärgerlich, daß Siegfried bereits eine -Frau hat, und wirft ihm vor, daß er sich doch mit ihr verlobt habe<a id="FNAnker_38" href="#Fussnote_38" class="fnanchor">[38]</a>. -Schließlich nimmt sie ohne besondere Prüfung Günthers Werbung an; in -der Brautnacht aber widersetzt sie sich ihm, ohne daß die Erzählung -auch nur den Versuch machte, ihr Verhalten zu erklären, Günther kann -sie nicht gewinnen und bittet nach einigen Tagen Siegfried um Hilfe. -Dieser gewährt sie ihm auch, aber nicht in der keuschen Weise, die der -alten Sage gemäß ist, sondern er überwältigt Brynhild (übrigens ohne -Schwierigkeit) völlig und wird wirklich schuldig.</p> - -<p>Nach einiger Zeit geraten Brynhild und Grimhild in den unvermeidlichen -Zank, der ja für die weitere Entwicklung der Sage notwendig und der -eigentliche Kern der Erzählung ist. Hier dreht es sich nicht ums Baden, -auch nicht um den Vortritt an der Kirche, sondern um den Hochsitz, den -früher die Mutter Grimhilds innegehabt hat, und der jetzt natürlich -der Gattin Günthers gebührt. Grimhild beansprucht ihn vergeblich für -sich<span class="pagenum" id="Seite_62">[S. 62]</span> und enthüllt in ihrem Zorn das Geheimnis, daß Siegfried der -Brynhild Liebe genossen hat. So wird denn der Mord beschlossen und im -wesentlichen so ausgeführt, wie es in unserm Liede erzählt wird, bei -Gelegenheit einer Jagd.</p> - -<p>Auch im zweiten Teile der Nibelungensage schließt sich die Saga sehr -eng an die deutsche Fassung an, stellenweise so eng, daß man den -Eindruck hat, der Sagaschreiber hat unser Lied vor sich oder wenigstens -im Ohre gehabt und danach seine Erzählung zusammengestellt. Doch sind -einige tiefgehende Abweichungen vorhanden. Eine der auffälligsten ist -die, daß Dankwart ganz unbekannt ist, während Volker eine Rolle wie -im Liede spielt; eine ganze Reihe von Szenen, die wir vorhin bei der -Betrachtung des Liedes als jung erkannten, fehlen der Saga. Aber auch -sonst weicht manches ab, denn der Sagaschreiber ist ein überlegender -Mann; er bringt nicht gern Unmöglichkeiten vor, sondern hat seinen -Text, so gut es geht, auf den festen Boden der Wirklichkeit gestellt. -Das ist ihm freilich nicht immer geglückt. Einige Stellen verdienen -besondere Betrachtung. Die Geschichte mit dem Fährmann wird in der -einfachen Weise, die auch im Liede noch durchklingt, vorgetragen: er -läßt sich durch einen dargebotenen Goldring geneigt machen, da er -ihn seiner jungen Frau mitbringen will. Der Ausbruch des Kampfes am -hunnischen Hofe wird deutlich dadurch herbeigeführt, daß Grimhild -bewußt ihren Sohn opfert, was im Liede nur noch angedeutet ist. -Wir haben hier zweifellos in der Quelle der Saga eine Darstellung, -die etwas altertümlicher ist als die unseres Liedes; die Vermutung -drängt sich auf, daß Nibelungendichter und Sagaschreiber auf Grund -derselben Vorlage gearbeitet haben. Gegen den Schluß hin ist eine -wesentliche Abweichung die, daß Günther frühzeitig gefangen und in -den Schlangenturm geworfen wird, so daß er also nicht neben Hagen der -letzte sein kann, wie sonst überall berichtet wird. Dafür bleibt neben -Hagen Giselher bis zuletzt übrig. Das ist ein Zugeständnis, das der -Sagaschreiber der nordischen Sagenform machen muß; im Norden steht -fest, daß Gunnar im Schlangenturme zugrunde geht. Eigentümlich ist -ferner, daß Hagen hier nicht von Grimhild getötet<a id="FNAnker_39" href="#Fussnote_39" class="fnanchor">[39]</a>, sondern, wenn -auch todwund, von Dietrich gefangen und gerettet wird,<span class="pagenum" id="Seite_63">[S. 63]</span> so daß er sogar -die Freunde noch einige Zeit überlebt. Diese Neuerung zielt auf eine -uns hier zum ersten Male begegnende Nachdichtung hin: von Dietrich läßt -sich Hagen ein edles Mädchen beschaffen, mit der er in den letzten -Tagen seines Lebens seinen Rächer erzeugt; bevor er stirbt, gibt er -ihr noch die Schlüssel zum Nibelungenhorte (der in einem Berge liegend -gedacht wird) und die nötigen Anweisungen. Nach seinem Tode gebiert das -Mädchen einen Sohn und nennt ihn Aldrian, nach Hagens Vater. Dieser -Aldrian wird an Attilas Hofe erzogen und, herangewachsen, von seiner -Mutter über seine Bestimmung unterrichtet. Er kommt ihr nach, indem er -Attila fragt, ob er den Nibelungenhort haben will, und als dieser — -wie natürlich — darauf eingeht, führt er ihn zum Horte und schließt -ihn bei demselben ein; seitdem ist Attila verschwunden. Aldrian kehrt -aber nach dem Nibelungenlande zurück und wird dort König. Das ist der -letzte Abschnitt der Saga, der uns hier angeht.</p> - -<p>Die Erzählung ist hier weiter geführt als im Liede und zwar in ganz -neuer Art; die Nachbildung von Aldrian (die natürlich nicht vom -Sagaschreiber herrührt) erfüllt mit Geschick einen doppelten Zweck: sie -befriedigt das Bedürfnis der Rache für die ausgemordeten Burgunden, und -sie schafft Etzel aus der Geschichte.</p> - -<p>Im eddischen Liede Atlamál erscheint neben Gudrun ein Niflung als -Rächer der verratenen Burgunden; sein Auftreten beruht wohl auf -Beeinflussung durch die eben besprochene Aldriansage, die demnach schon -etwa im 11. Jahrhundert entstanden sein dürfte.</p> - -<p>Der Verfasser der Saga hat augenscheinlich, neben andern Quellen, -für die Nibelungensage in der Hauptsache zwei Dichtungen benutzt: -eine, die vom Auftreten Siegfrieds in Worms an bis zum großen Kampfe -reichte und mit dem Nibelungenliede ganz nahe verwandt war, und -die Grundlage der Zweikampfdichtung. Da die letztere innerhalb der -ersteren keine Stelle hat, so verfuhr der Sagaschreiber so, daß er -sie dieser voranstellte; Siegfried steht daher bei ihm zur Zeit des -Zweikampfes noch nicht in Günthers Umgebung (wie die angeführten -hochdeutschen Gedichte behaupten, und wie es natürlich ist), sondern -wird in diese erst durch Dietrichs Sieg eingeführt. Der König Isung von -Bertangaland ist nach meiner Empfindung nichts als eine Schöpfung des -Sagaschreibers, notwendig geworden dadurch, daß Siegfried erst später -in Günthers Kreis tritt, also<span class="pagenum" id="Seite_64">[S. 64]</span> zur Zeit des Zweikampfes einen andern -Herrn haben muß. Jung ist die Figur auf jeden Fall, denn die Verwendung -von Bertangaland (der Bretagne) in unserm Literaturkreise kann nicht -wohl vor dem Bekanntwerden der Artussage (frühestens Ende des 12. -Jahrhunderts) möglich gewesen sein. Eine dritte norddeutsche Quelle -benutzte der Sagaschreiber in der Geschichte von Etzels Tod; nach einer -vierten, von der das gleich nachher zu besprechende Gedicht vom Hürnen -Seifrid teilweise abhängt, legte ein jüngerer Bearbeiter der Saga die -Geschichte von Siegfrieds Jugend ein.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Anhangsweise mag an dieser Stelle angeführt werden, was über das -Fortleben unserer Sage in Skandinavien besonders wissenswert ist.</p> - -<p>Durch die im 13. Jahrhundert entstandene Thidrikssaga gelangte die -deutsche Sagenform den Nordleuten zur Kenntnis und schließlich, -wenigstens in Dänemark, zur Herrschaft. Die im Jahre 1591 zum ersten -Male veröffentlichten dänischen Heldenlieder (<span class="antiqua">Kämpeviser</span>) -bieten, soweit sie die Nibelungensage behandeln, durchaus die -Stoffgestalt der Thidrikssaga dar. Charakteristisch ist, daß -schließlich die Figuren des Hagen und des Volker alle andern Nibelunge -derartig überwuchern, daß diese der Vergessenheit anheimfallen; die -Sympathie des Publikums hat sich dem Hagen und Volker ausschließlich -zugewandt, so daß zuletzt sogar Siegfried zu unwürdiger Rolle verdammt -wird. Am drastischsten tritt das zutage in der 1603 dänisch abgefaßten -„Chronik der Insel Hven“, die aus dem Lateinischen übersetzt zu sein -vorgibt. Als Lokal der Ereignisse ist hier die im Sunde gelegene Insel -Hven an die Stelle von Etzelnburg getreten.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_65">[S. 65]</span></p> - -<p>Auf den im nördlichen Teile des Atlantischen Ozeans gelegenen -Färöer, die von Norwegen aus besiedelt sind, entdeckte 1817 Lyngbye -volkstümliche Lieder, die alte Stoffe behandeln; drei von ihnen geben -einander anschließend die ganze Nibelungensage wieder: <span class="antiqua">Regin -smidur</span>, <span class="antiqua">Brinhild</span> und <span class="antiqua">Högni</span>; während die beiden -erstgenannten noch die spezifisch nordische Sagenform aufweisen, gibt -das Lied von Högni die Erzählung in der jüngern Gestalt wieder. Bis auf -die Färöer also hat die Thidrikssaga die deutsche Sagenform verbreitet.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Huernen_Seifrid"><span class="antiqua">c</span>) Hürnen Seifrid.</h3> - -</div> - -<p>In der Erzählung vom jungen Siegfried, wie sie in der Saga uns -entgegentritt, kommen nicht wenig Züge vor, die, im Nibelungenliede -fehlend, doch altertümlich sind und, wenn auch verwischt, in dem -späten deutschen Liede vom Hürnen Seifrid wieder auftauchen. Dies -Gedicht besteht aus zwei ganz lose verbundenen Teilen, deren erster ein -kurzer Auszug aus einem verlorenen längern Gedicht ist. Der zweite, -größere hebt vollständig von neuem an, als ob nichts vorausginge, und -sein Inhalt widerspricht in wesentlichen Dingen dem des ersten. Im -ersten Teil ist Siegfried als Sohn des Königs Sigmund aufgewachsen und -so ungebärdig, daß man ihn gern ziehen läßt, als er nicht zu Hause -bleiben will. Er tritt dann bei einem Schmiede in die Lehre, treibt -aber nichts als Unfug; der Schmied schickt ihn deshalb in den Wald, -damit ihn ein Drache töte, allein Siegfried überwindet den Drachen -und badet sich in seinem Blute, wodurch er eine Hornhaut erwirbt. Die -Erzählung ist der in der Thidrikssaga nahe verwandt. Angeschlossen sind -(ziemlich zusammenhanglos) Bemerkungen über Herkunft und Bedeutung des -Nibelungenhortes. Der zweite Teil erzählt, daß Kriemhilt, die Tochter -des in Worms regierenden Königs Gibich, von einem Drachen entführt -wird; Siegfried stößt jagend auf die Spur des Drachen, tötet ihn nach -hartem Kampfe und erlöst die Jungfrau, die seine Gattin wird. Die -Erzählung wird kurz bis auf seinen Tod fortgeführt. Der zweite Teil -ist offenbare Neudichtung nach bekannten Motiven; für uns wichtig ist -nur, daß (in offenbarem Widerspruche zum ersten Teile) erzählt wird, -Siegfried sei ohne Kenntnis seiner Eltern aufgewachsen; in diesem -Punkte ist der „Hürnen Seifrid“ altertümlich. — Auffälligerweise gilt -Hagen im „Hürnen Seifrid“ als dritter Sohn Gibichs (neben Günther und -Gernot); diese Übereinstimmung mit der nordischen Sagenform ist wohl -zufällig; man wußte, daß Gibich drei Söhne gehabt hatte, und ersetzte -den vergessenen Giselher durch den berühmten Helden.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_66">[S. 66]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="IV"><span class="s5">IV.</span><br /> -<b>Die Grundlagen der Sage.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>ie bisher besprochenen Formen unserer Sage müssen sich nun, soweit -sie auch im Laufe der Entwickelung auseinander gegangen sein mögen, -notwendig auf eine einheitliche Grundlage zurückführen lassen. Wollen -wir diese Grundlage finden und den langen Weg, den die Stoffe bis zur -Aufzeichnung zurückgelegt haben, mit einiger Sicherheit aufhellen, -so tun wir gut, fürs erste diejenigen geschichtlichen Ereignisse ins -Auge zu fassen, die unzweifelhaft zu den Ausgangspunkten der ganzen -Stoffmasse gehören; wir haben dann einen feststehenden Anfang und -dürfen hoffen, die Linie zu finden, die von ihm bis zu den Denkmälern -der Sage in der Literatur hinführt.</p> - -<h3 id="Burgunden_und_Hunnen"><span class="antiqua">a</span>) Burgunden und -Hunnen.</h3> - -<p>Im 4. nachchristlichen Jahrhundert saß das germanische Volk der -Burgunden im Stromgebiete des Mains; am Rheine war die römische -Grenzwehr noch ungebrochen. Da kam, etwa im Jahre 405, vermutlich -infolge eines erneuten hunnischen Ansturms, Bewegung in die östlich -von den Burgunden sitzenden Germanenvölker: Sueben und Vandalen, mit -ihnen die nichtgermanischen Alanen, drangen westwärts vor, durchbrachen -406 die römische Rheingrenze und ergossen sich über Gallien. Daß die -Burgunden von diesen Ereignissen nicht unberührt bleiben konnten, -ist klar; wir finden sie nunmehr auch links des Rheins gegenüber -ihren bisherigen Sitzen. Im Jahre 411 stellten der Alanenhäuptling -Goar und der Burgundenkönig Gundicarius in Gallien den Jovinus als -römischen Kaiser auf; 413 aber ließen sie ihn fallen und vertrugen sich -mit der rechtmäßigen Regierung des Kaisers Honorius; dabei erhielt -Gundicarius für sich und sein Volk die römische Provinz <span class="antiqua">Germania -superior</span> (sie umfaßte die Bezirke der<span class="pagenum" id="Seite_67">[S. 67]</span> Städte Mainz, Worms, -Speier und Straßburg) angewiesen, und zwar sollten die Burgunden hier -eine Grenzwacht im römischen Sinne bilden. Sie sitzen jetzt also in -derjenigen Gegend, in der unsere Sage sie annimmt; ihr Herrscher führt -den Namen Gundicarius, das ist derselbe wie hochdeutsch Günther, -nordisch Gunnar.</p> - -<p>Jeden Zweifel an der Identität des historischen und des sagenhaften -Königs und Volkes müssen uns die nun folgenden Ereignisse nehmen. Das -Bündnis zwischen Burgunden und Römern fand sein Ende durch den Tod -des Kaisers Honorius 423. Es ist eine Eigentümlichkeit aller dieser -Barbarenbündnisse der Völkerwanderungszeit, daß sie als erloschen -gelten, sobald der eine der beiden Kontrahenten stirbt. Daß der -römische Staat weiter existiert, kümmert die Burgunden nicht; sie haben -nur mit Honorius persönlich abgeschlossen. Jetzt ist der Kriegszustand -wieder da; sie greifen wieder um sich. Nach einigen Jahren ist die -römische Macht wieder so weit gefestigt, daß sie in Gallien Ordnung zu -schaffen unternehmen kann. Der Feldherr Aetius tut es unter heftigen -Kämpfen; im Jahre 435 wird er auch mit den Burgunden fertig. Über diese -Kämpfe berichten uns zwei Zeitgenossen, die sich gegenseitig ergänzen; -der eine ist Prosper Aquitanus, der andere der Spanier Idacius. In ganz -kurzer chronistischer Art und Weise haben sie uns die Kenntnis der -Zeit übermittelt. Zum Jahre 435 sagt Prosper: „Um diese Zeit besiegte -Aetius den Burgundenkönig Gundicarius, der sich in Gallien herumtrieb, -im Kriege und gab ihm auf seine Bitten Frieden;“ d. h. das Bündnis -ward wieder hergestellt. Prosper fährt aber fort: „Den genoß er nicht -lange; denn ihn, seine ganze Familie und sein ganzes Volk haben die -Hunnen vernichtet.“ Zum Jahre 437, also zwei Jahre später, gibt Idacius -die kurze Notiz: „20000 Burgunden wurden geschlagen.“ Wir haben diese -Notizen so zu verbinden, daß im Jahre 435 das alte Verhältnis zwischen -Römern und Burgunden wieder hergestellt wurde, daß aber zwei Jahre -darauf die Burgunden am Rheine durch die Hunnen zugrunde gingen. Über -diese Hunnen hat man viel gestritten: waren es römische Söldner, die -etwa im Dienste des Aetius den Angriff unternahmen? oder war es das -Hunnenvolk selbst, sei es das ganze oder ein Teil? führte sie der König -Attila, der ja seit 433 über einen Teil dieses Volkes herrschte? Meiner -Meinung nach kann es nur das Hunnenvolk sein, nicht etwa ein hunnisches -Söldnerheer im römischen Dienst. Denn mit den Römern hatte<span class="pagenum" id="Seite_68">[S. 68]</span> Gundicarius -das Bündnis eben erneut; zum Bruch lag keine Veranlassung vor. Wohl -aber konnte er nun im römischen Dienst seine Front ostwärts gegen die -andringenden Hunnen genommen haben. Bei dieser Gelegenheit ist nun das -Burgundenvolk mit seinem Königshaus und dem König Gundicarius an der -Spitze im wesentlichen vernichtet worden; 20000 Mann sollen umgekommen -sein. Näheres wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß Aetius sechs Jahre -später, 443, die Burgunden vom Oberrhein weggenommen und nach Savoyen -an das Südufer des Genfersees versetzt hat, offenbar weil sie durch -jenen unglücklichen Kampf so geschwächt waren, daß sie als Grenzwacht -nicht mehr ausreichten. Von Savoyen aus haben sie sich in etwas -späterer Zeit wieder ausgebreitet und ein größeres Reich gewonnen, an -dessen Dasein noch die Landschaft Bourgogne in Frankreich erinnert. Von -413 bis 443 haben also die Burgunden am Oberrhein gesessen und sind -hier einmal durch einen Angriff der Hunnen schwer geschädigt worden. -Die näheren Umstände bei diesem Angriff kennen wir, wie gesagt, nicht; -daß Attila die Hunnen geführt hat, ist möglich, aber nicht notwendig -anzunehmen; die Sage hätte ihm als berühmtestem Hunnenkönig die Tat auf -jeden Fall zugeschrieben. Die von der Sage berichteten näheren Umstände -gehen vermutlich auf historische Einzelheiten zurück; so ist es z. -B. gar nicht unwahrscheinlich, daß Attila (oder wer sonst die Hunnen -geführt hat) die burgundischen Fürsten scheinbar wegen Verhandlungen zu -sich geladen und dabei verräterisch niedergemacht hat; man sieht sonst -wenigstens nicht ein, wie die Sage auf das Motiv von der verräterischen -Einladung gekommen wäre.</p> - -<p>In der neuen Heimat der Burgunden ließ um das Jahr 500 ihr König -Gundebad das burgundische Recht aufzeichnen; im Eingange zu diesem -Gesetzbuche nennt er seine Vorgänger als burgundische Könige. Als -erster tritt uns entgegen Gibica; dann folgen Gundomar, Gislaharius, -Gundaharius und endlich Gundebads unmittelbare Vorgänger. Hier treten -uns mehrere aus der Sage wohlbekannte Namen entgegen: Gundaharius -(von Gundicarius nur in der Schreibung verschieden, also der 437 -gefallene) ist Günther, Gislaharius ist Giselher, Gibica ist Gibich -(mhd. Gibeche), der nordische Gjuki. Letzterer ist also der älteste -historisch bekannte Burgundenkönig, den auch die Sage festgehalten -hat. In welchem Verwandtschaftsverhältnis seine drei Nachfolger zu -ihm stehen, sagt das Gesetzbuch nicht; wir dürfen<span class="pagenum" id="Seite_69">[S. 69]</span> auch hier der Sage -trauen, die ihm drei Söhne gibt, von denen zwei die gleichen Namen wie -die entsprechenden im Gesetzbuche führen, und annehmen, daß sie seine -Söhne waren; dann begreift man wenigstens am leichtesten, wie der doch -ganz unbedeutende Giselher bis in späteste Zeiten unvergessen geblieben -ist. Gibicas drei Söhne hätten dann im wesentlichen neben- und -miteinander regiert; in Deutschland wäre später Gundomar dem Namen nach -vergessen und für ihn Gernot eingesetzt worden. Auch im Norden werden -ja drei Brüder genannt: Gunnar, Hogni und der etwas beiseite stehende -Gudorm; letzterer könnte dem Namen nach auf Gundomar zurückführen, dann -wäre Hogni (ursprünglich, wie in Deutschland, nur der erste Vasall des -Königs) für Giselher in die Familie eingerückt.</p> - -<p>Daß von diesem Untergange des Burgundenstaates am Oberrhein durch -die Hunnen ein Teil unserer Sage ausgegangen ist, darf bei der -Übereinstimmung einer ganzen Reihe von Umständen und Namen wohl als -sicher gelten.</p> - -<p id="Attilas_Tod">Attila, seit 433 König eines Teiles der Hunnen, wurde 444 durch -Ermordung seines Bruders Bleda Alleinherrscher, brachte sich durch -seinen großen Kriegszug nach Gallien 451 den westlichen Germanen erneut -in furchtbare Erinnerung, kam aber 453 unter auffälligen Umständen -plötzlich zu Tode. Er war als echter Nomadenfürst Besitzer eines großen -Harems, den er fortgesetzt vermehrte; 453 feierte er sein Beilager -mit einem Mädchen namens Hildiko. Am Morgen nach der Brautnacht fand -man den König tot; die junge Frau allein war bei ihm. Zeitgenossen -behaupten, daß Attila durch einen Blutsturz zu Tode gekommen sei. -Aber auch schon zeitgenössisch tritt die Behauptung auf, Hildiko habe -ihn getötet. Was richtig ist, läßt sich nach Lage der Dinge nicht -entscheiden, denn die einzige Zeugin des wirklichen Herganges war -ja eben nur Hildiko, und diese war, falls sie ihn wirklich getötet -hat, Partei. Daß manche sie für seine Mörderin gehalten haben, ist -begreiflich. Für die Sage ist es natürlich gleichgültig, ob sie das -war; ihr genügt es, daß man sie dafür hielt.</p> - -<p>Von großer Bedeutung ist ihr Name, der gut germanisch (speziell -gotisch) ist: er ist eine Koseform von einem mit hild zusammengesetzten -Frauennamen, „Hildchen“; Hildiko kann also mit ihrem vollen Namen (die -Koseform setzt immer einen vollen Namen voraus) gut und gern „Grimhild“ -geheißen haben. Jedenfalls<span class="pagenum" id="Seite_70">[S. 70]</span> nimmt die Sage an, daß dies ihr rechter -Name war. In irgendwelcher Beziehung zu den historischen Burgunden -steht diese historische Grimhild nicht. Wohl aber ist erklärlich, -wie man darauf gekommen ist, anzunehmen, daß sie den Attila getötet -habe: sie hatte Angehörige an ihm zu rächen. Man braucht sich nur -in jene wilden Zeiten zurück zu versetzen. Attila war der Herrscher -eines wilden, kriegerischen Volkes, das dort, wo es als Feind auftrat, -niemanden schonte, die Männer ausrottete und die Weiber der Niedrigsten -so gut wie die der Edlen bis zum König hinauf in Besitz nahm. Daß -also manche Weiber am Hunnenhofe Ursache haben mochten, Angehörige an -den Hunnen zu rächen, darf man glauben. Die Vorstellung ist denn auch -sehr alt, daß die Mörderin (wie wir sie mit der Sage nennen wollen) -an Attila Angehörige gerächt hat. Nach einigen alten Angaben (des -sog. <span class="antiqua">Poeta Saxo</span> im 9. und der Quedlinburger Chronik im 11. -Jahrhundert), die aber ebensowenig beglaubigt sind wie die unserer -Sage, hat sie ihren Vater gerächt, in unserer Sage aber (nach der -nordischen Darstellung) ihre Brüder, und diese letztere Anschauung -muß bereits im 9. Jahrhundert am Niederrhein fest gegolten haben, -sonst könnte nicht Kriemhilt in Deutschland wie Gudrun im Norden als -Schwester der burgundischen Könige angesehen werden.</p> - -<p>Die beiden großen Ereignisse, die Vernichtung des Burgundenstaates am -Mittelrhein durch die Hunnen im Jahre 437 und die Ermordung des Königs -Attila durch sein Weib im Jahre 453, erscheinen nun im zweiten Teile -unserer Sage verbunden und in ursächlichen Zusammenhang gebracht. -Unsere Erzählung nimmt an, daß Hildiko oder Grimhild, wie wir sie -gleich nennen können, die Schwester der untergegangenen Burgundenkönige -ist und diese an ihrem Gatten Attila rächt. Der Vergleich mit der -Geschichte bestätigt, was vorhin aus der innern Gestalt der beiden -Hauptfassungen unserer Sage geschlossen wurde: die nordische ist -die altertümlichere, denn sie deckt sich im wesentlichen mit den -historischen Vorgängen; die deutsche ist durch die hergestellte innere -Verbindung mit dem ersten Teile wesentlich verändert. Sicher aber haben -wir für den zweiten Teil unserer Sage an den historischen Tatsachen -eine gute und einwandfreie Grundlage.</p> - -<p>Die Erzählung ist allerdings nicht ohne weiteres mit der Geschichte -identisch, sondern die Sage ist dadurch geschaffen, daß jemand bereits -in alter Zeit (gewiß nicht allzu lange nach den<span class="pagenum" id="Seite_71">[S. 71]</span> Geschehnissen) die -beiden historischen Tatsachen: Untergang der Burgunden, und: Attilas -Tod, in Zusammenhang gebracht hat. Dieser Jemand muß wohl einer von -jenen Berufsdichtern gewesen sein, wie sie eingangs erwähnt worden -sind; genauer dürfen wir nach seiner Person selbstverständlich nicht -fragen, wohl aber nach dem Volke, dem er angehört hat. Das ist -wahrscheinlich eben das fränkische gewesen. Die Burgunden selbst -können es nicht gewesen sein, denn sie sind aus jenen Gegenden durch -die Ereignisse weggeschwemmt worden; auch finden wir bei ihnen -später keine Kunde von unserer Dichtung. Die Franken waren aber in -der Zeit, da die Ereignisse sich zutrugen, der Burgunden nördliche -Nachbarn; sie erlebten staunend diese Katastrophen mit, sie waren -auch vielfach selbst in die Kämpfe verwickelt und haben im Jahre 451 -teils für, teils gegen Attila gefochten. Daß also die Franken jene -Vorgänge im Gedächtnis festhielten und die Kunde von ihnen der Nachwelt -übermittelten, ist demnach wohl verständlich.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Sage_und_Mythus"><span class="antiqua">b</span>) Sage und -Mythus.</h3> - -</div> - -<p>Besitzen wir so für den zweiten Teil der Sage eine einwandfreie -geschichtliche Grundlage, so ist es leider bis jetzt noch nicht -möglich gewesen, eine solche mit einiger Sicherheit für den ersten -Teil (d. i. die Geschichte, die mit Siegfrieds wunderbarer Jugend -beginnt und mit seiner Ermordung schließt) zu finden. Man hat deshalb -für diesen Teil ganz besonders lange, ja bis heute noch, an der -Behauptung festgehalten, er beruhe auf mythischen Grundlagen, d. h. -es seien vermenschlichte Götter, die uns hier vorgeführt würden, die -Dichtung behandle also im Grunde nicht Schicksale von Menschen, sondern -Ereignisse der Natur.</p> - -<p>Bevor wir zu dieser Anschauung Stellung nehmen, dürfte es sich -empfehlen, die Begriffe „Sage“ und „Mythus“ möglichst genau -festzulegen. Was „Sage“ ist, läßt sich aus der eben behandelten -Herkunft des Stoffes der Attila-Burgunden-Erzählung am besten erkennen: -„Sage“ ist eine Form der Überlieferung historischer Ereignisse, die -sich von andern Formen (der annalistischen oder der pragmatischen -Geschichtschreibung) in erster Linie dadurch unterscheidet, daß sie im -wesentlichen auf mündlichem Wege weitergegeben wird; die Möglichkeit, -alle Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist außerordentlich -gering; um so größer ist die Einwirkung derjenigen Männer, in deren -Händen<span class="pagenum" id="Seite_72">[S. 72]</span> ihre Pflege liegt; so wird sie denn bald von dichterischem -Beiwerk dicht umrankt, ist aber doch ihrem Ausgangspunkt nach -Geschichte und beansprucht das so lange zu sein, solange nicht eine -urkundliche Kontrolle sie unrichtiger Angaben überführt.</p> - -<p>Den Ausdruck „Mythus“ dagegen beschränken wir am richtigsten auf -diejenigen Erzählungen, die der naive Mensch als Erklärung von -Naturerscheinungen vorgebracht hat; sie verdanken ihre Entstehung dem -menschlichen Bedürfnis, für die zur Empfindung gelangenden Wirkungen -der Naturkräfte die hinter ihnen liegenden Ursachen zu finden. Wie -also „Sage“ das Resultat einer naiven Weltgeschichte ist, so darf man -„Mythus“ als das Resultat einer naiven Naturgeschichte bezeichnen. Der -Mythus erklärt die großen Naturkräfte, besonders diejenigen, die das -Klima beeinflussen, als das Wirken großer Götter, das geheimnisvolle -Treiben in der scheinbar unbelebten Natur als Lebensäußerungen mehr -oder minder mächtiger dämonischer Wesen, die eigenartigen Tatsachen des -Traumes und des Todes als Folge des möglichen körperlosen Daseins der -menschlichen Seele. So ist denn der Mythus in erster Linie Grundlage -der Religion; solange er rein existiert (und das tut er in vieler -Beziehung noch heute, sei es im Glauben, sei es im Aberglauben), -ist er wirklich, und kann also jeder Erzähler seine Helden mit -mythischen Wesen in Zusammenhang darstellen, da seine Zuhörer die -Möglichkeit eines solchen Zusammenhanges für ihre eigenen Personen -ohne weiteres zugeben; ich verweise zur Erläuterung auf die Wirkung -von Gespenstergeschichten, wenn sie im Kreise abergläubischer Menschen -vorgebracht werden.</p> - -<p>Damit ist nun die Möglichkeit mythischen Beiwerks in der Sage ohne -weiteres zugegeben, dagegen die Möglichkeit mythischen Ursprungs -einer Sage noch keineswegs erwiesen. Ich will nun eine solche nicht -allgemein leugnen, muß aber behaupten, daß ein Mythus einen sehr -langen Weg zu durchlaufen hat, ehe er als Sage in die Erscheinung -treten kann. Ein solcher Weg dürfte etwa der folgende sein: die naive -Erklärung einer Naturerscheinung verdichtet sich zur Erzählung von -den Taten einer Gottheit; diese Gottheit, erst hochverehrt, sinkt -allmählich in der Achtung infolge fortgesetzt wachsender menschlicher -Erkenntnis; hauptsächlich ist es naturgemäß die menschliche äußere -Form der Götterhandlung, die einst der naive Mensch mangels einer -bessern zur Darstellung der Naturerscheinung gewählt hat, die aber<span class="pagenum" id="Seite_73">[S. 73]</span> -nunmehr, unverstanden, den Spott des fortgeschrittenen herausfordert. -Schließlich kommt ein Erklärer mit der Behauptung heraus, der -angebliche Gott sei überhaupt nur ein göttlich verehrter Mensch der -Vorzeit; soweit hat eben das menschliche Beiwerk bereits den alten -Grundgedanken überwuchert. Nun erst ist der Punkt erreicht, an dem der -Mythus zur Sage werden kann. Die altgriechischen Göttergeschichten -haben im allgemeinen den eben geschilderten Weg durchlaufen; wie -selten aber ist ihre Entwicklung so weit gediehen, daß der Held des -ursprünglichen Mythus überhaupt nur noch als Mensch empfunden worden -ist!</p> - -<p>Die germanische Götterwelt war, als das römische Christentum ihre -Herrschaft beendete (vom vierten nachchristlichen Jahrhundert an), -in ihrer Entwickelung überhaupt noch nicht weit gediehen; es scheint -vielmehr, als ob die schemenhaften Gestalten, in denen die alten -Götter noch bis in die neueste Zeit umgehen, gerade das wären, was die -Germanen in vorchristlicher Zeit an religiösen Vorstellungen besessen -hätten. Daraus erklärt sich denn die rasche und kampflose Annahme -des Christentums bei allen südlichen Germanen; der alte Volksglaube -wurde dabei kaum angetastet, sondern rückte nur in die zweite Linie. -Erst bei denjenigen Germanen, die sich längere Zeit feindlich an -ihren christlichen Stammverwandten gerieben haben, erscheint der -alte Götterglaube zur wirklichen Religion erhoben, ja zur Göttersage -ausgebildet; so bei den Sachsen und den nordischen Völkern.</p> - -<p>Daß also der Kern des ersten Teiles unserer Nibelungensage mythischen -Ursprungs sei, also Siegfried etwa als vermenschlichter Sonnengott -gedacht werden könne, der in der Jugend strahlend die Mächte der -Finsternis überwunden hat, um ihnen am Ende seiner Laufbahn wieder -zu verfallen, vermag ich unter diesen Umständen nicht zu glauben. -Mythisches Beiwerk wird selbstverständlich nicht geleugnet, doch -beweist dies, wie wir gesehen haben, nichts für mythischen Ursprung. -Wir müssen uns nach andern Erklärungsmöglichkeiten der Siegfriedsage -umsehen.</p> - -<p>Es wäre denkbar, daß die Siegfriedgeschichte nicht einheimischen -Ursprungs, sondern im wesentlichen aus dem Auslande übernommen wäre -(man hat z. B. an eine Umdichtung der Argonautensage gedacht: goldenes -Vließ = Nibelungenhort, Jason = Siegfried, Medea = Brünhilt); dann -müßte die eigentliche Erklärung sich mit der ausländischen Grundlage -beschäftigen. Allein die Versuche dieser Art sind ebenso als -gescheitert anzusehen<span class="pagenum" id="Seite_74">[S. 74]</span> wie die eben abgelehnten, weil sie ebensowenig -vom eigentlichen Kernpunkt der Erzählung ausgehen; dieser Kernpunkt -aber ist der Zank der Königinnen. Es bleibt nur die Möglichkeit der -historischen Ableitung, und zwar nach zwei Seiten hin: 1. entweder -ist die ganze Geschichte in allen wesentlichen Punkten historisch, -und nur die Dürftigkeit der beglaubigten Geschichte gestattet uns -nicht, sie in dieser wiederzufinden, oder 2. der (uns wohlbekannte) -historische Ausgangspunkt ist von der Dichtung derart überwuchert, daß -er eben deshalb schwer zu erkennen ist. Im ersten Falle müssen wir uns -bescheiden; im zweiten Falle dürfen wir noch eine Erklärung erhoffen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Die_Merowinge"><span class="antiqua">c</span>) Die Merowinge.</h3> - -</div> - -<p>Es gibt eine Periode der Geschichte, in der alle wesentlichen Motive -der Siegfriedsage sowie mehrere Personen mit Namen, die denen dieser -Sage gleich oder ähnlich sind, beisammen gefunden werden: das ist die -Zeit der Enkel des Frankenkönigs Chlodowech. Sein Sohn Chlothachari -I., der das ganze fränkische Reich in seiner Gewalt vereinigt hatte, -starb 561 und hinterließ vier Söhne; einer von ihnen, Charibert, -starb bereits 567 sohnlos, und es blieben seine drei Brüder übrig, -deren gleichzeitige Herrschaft die lange geltende Dreiteilung -des Frankenreiches begründete: Sigebert herrschte in Austrasien -(Ostfranken), Chilperich in Neustrien (Westfranken), Gunthchramn im -südlichen Teile des Reiches, der nach dem dazu gehörigen Hauptlande -Burgund genannt wurde. Von der damals geltenden Sitte, einheimische, -also nicht ebenbürtige Frauen zu heiraten, wich zuerst im Jahre 567 -Sigebert ab, indem er sich mit Brunichild, der Tochter des in Spanien -herrschenden Westgotenkönigs Athanagild, vermählte. Ihr feierlicher -Einzug in Frankreich machte auf die Zeitgenossen großen Eindruck, der -aus den Berichten des Hofdichters Fortunatus und des Historikers Gregor -von Tours noch hervorleuchtet. Besonders aber stach den Herrschern die -reiche Mitgift, die die königliche Braut einbrachte, der „Hort“, in die -Augen; ist doch in jener Zeit die Größe des Schatzes, den ein König -besitzt, bestimmend für die Größe seines Einflusses und damit seiner -Macht. So verstieß denn auch Chilperich seine bisherigen Weiber (er -hatte deren mehrere), unter denen Fredegund hervorragt, und bewarb sich -um Brunichilds Schwester Gailswinth; sie ward ihm mit reicher Mitgift -vermählt. Allein<span class="pagenum" id="Seite_75">[S. 75]</span> als Chilperich diese einmal in der Hand hatte, geriet -er bald wieder unter den Einfluß der Fredegund und ließ Gailswinth -erdrosseln. Dieser Mord war die Ursache der immer wieder ausbrechenden -Fehden zwischen Sigebert und Chilperich, bzw. ihren Nachkommen, bis zum -Erlöschen der einen Linie im Jahre 613.</p> - -<p>König Athanagild war kurz vorher gestorben, und, da Spanien damals ein -Wahlreich war, hier ein anderes Geschlecht auf den Thron gekommen; -so fiel der Brunichild die Pflicht der Rache für den Tod ihrer -Schwester zu. Die einzelnen Phasen des Kampfes brauchen wir hier nicht -zu betrachten; kurz, im Jahre 575 gewann Sigebert vollen Sieg über -Chilperich und ward sogar von den Neustriern als ihr König auf den -Schild erhoben. Kurz darauf aber erlag er bei einer Heerschau in Vitry -den Streichen der von Fredegund ausgesandten Mörder.</p> - -<p>Von den in der Geschichte noch folgenden Ereignissen ist für uns nur -von Wichtigkeit, daß Brunichild erst für ihren jungen Sohn Childebert -(† 595), dann für dessen Söhne, ihre Enkel, schließlich (613) sogar -für ihre Urenkel die Regierung zu führen und ein mächtiges Königtum -gegenüber dem trotzigen Adel zu behaupten sucht, zuletzt aber doch -unterliegt: der Adel liefert sie 613 dem Sohne ihrer Feindin Fredegund, -Chlothachari II., aus, und sie wird getötet. Nicht selten hat sie, -gewaffnet zu Rosse sitzend, die Vasallen persönlich im Zaum gehalten.</p> - -<p>Die Erinnerung an die große Regentin Ostfrankens ist jedenfalls lange -nicht erloschen; so führt z. B. eine alte Römerstraße im südlichen -Belgien noch heute volkstümlich den Namen <span class="antiqua">chaussée Brunehaut</span> -(Brünhildenstraße), man hat also Kulturanlagen an den Namen der -berühmten Königin angeknüpft; und am nördlichen Abhange des Feldbergs -im Taunus heißt ein vereinzelter, vier Meter hoher Fels schon seit -dem frühen Mittelalter der „Brunhildenstein“; wenn eine alte Urkunde -für diesen die Bezeichnung <span class="antiqua">lectulus Brunnihildae</span> gebraucht, so -dürfte dies nicht als „Bett“, sondern als „Königssitz“ der Brünhilt zu -deuten sein; der gepolsterte Hochsitz des Herrn ist <span class="antiqua">lectum</span> (man -vergleiche das altfranzösische <span class="antiqua">lit de justice</span>). Auf jeden Fall -meinen diese örtlichen Benennungen zunächst die geschichtliche Königin -und erst in zweiter Linie die aus ihr erwachsene Sagenfigur. Wohl aber -kann die alte Lokalisierung der Gnitaheide (<a href="#Fussnote_9">S. 19 Anm.</a>) in der Nähe des -Feldbergs durch den überlieferten Namen jenes Felsens veranlaßt sein.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_76">[S. 76]</span></p> - -<p>In der Geschichte der Merowinger im 6. Jahrhundert finden wir, meine -ich, alle wesentlichen Punkte der Siegfriedsage, wenn auch in anderer -Gruppierung, beisammen, vor allem den Zank der Königinnen und als seine -Folge die von Verwandten herbeigeführte Ermordung des Königs Sigebert, -der seinen Zeitgenossen als der herrlichste Held unter seinen Brüdern -erschien. Der Name Sigebert ist zwar nicht identisch mit Siegfried, -allein dieser Name steht in unserer Sage ja auch nicht fest, da er -nordisch Sigurd (das wäre deutsch Siegwart) heißt; wir finden also -drei Formen nebeneinander, die althochdeutsch <span class="antiqua">Sigiberht</span>, -<span class="antiqua">Sigifrid</span>, <span class="antiqua">Sigiwart</span> heißen würden; der zweite Teil ist -verschieden, überall aber beginnt er mit Labial, schließt mit Dental -und enthält r; die Vertauschung der Formen ist also leicht begreiflich. -Der Charakter des Königs ist in dem des sagenhaften Siegfried leicht -wiederzuerkennen; der Ort seines Todes ist in der nordischen Version -(gelegentlich einer Volksversammlung) leidlich festgehalten. Die -ausländische, reiche und waffengewaltige Brunichild deckt sich -nach Namen und Charakter völlig mit der Brynhild der Sage; ihre -Schicksale allerdings sind wesentlich verschoben. Die verhältnismäßig -unbedeutende Gailswinth ist in der Sage vergessen; ihre Schwester -vertritt sie mit: an Stelle der Ermordung ist das Herausdrängen aus -der ihr rechtmäßig gebührenden Ehe durch ihre Rivalin getreten. Damit -fallen zugleich Chilperich und Sigebert in eine Person zusammen. Nicht -unwesentlich ist noch Gunthchramn von Burgund, der gelegentlich in -den gewaltigen Frauenkrieg eingreifende dritte Bruder; er erinnert -in Namen und Stellung so sehr an den alten Burgundenkönig Gundicari, -daß man wohl annehmen darf, durch die Gleichsetzung beider sei die -Attila-Burgunden-Geschichte mit der vom Kriege der beiden Königinnen -und Sigeberts Ende vereinigt worden.</p> - -<p>Die Vereinigung beider Erzählungen kann nicht vor der Mitte des 7. -Jahrhunderts stattgefunden haben, weil doch mindestens etwa ein -Menschenalter seit Brunichilds Tode vergangen sein muß, ehe die -Erinnerung an sie und ihre Zeit so wirr werden konnte, wie sie bei -unserer Annahme geworden ist. Infolge der Vereinigung ist dann -Grimhild, die Hauptheldin des 2. Teiles, mit Fredegund identifiziert -worden oder vielmehr dem Namen nach an ihre Stelle getreten. Das hat -ohne weiteres eine wichtige Änderung zur Folge: ist Grimhild-Fredegund -eine Schwester des Gundicari-Gunthchramn (wie die Attila-Burgundensage<span class="pagenum" id="Seite_77">[S. 77]</span> -annimmt), so kann ihr Gatte Sigebert nicht ein Bruder des letztern -sein; Sigebert scheidet deshalb in der Sage aus der Familie, der -er historisch angehört, aus und wird zu einem Manne unbekannten -Ursprungs oder, wie die Sage es ausdrückt, zu einem Findling. Damit -ist ihr weiter Gelegenheit gegeben, an dieser Stelle noch andern Stoff -anzuknüpfen.</p> - -<p>Nach unserer Auffassung wäre also der erste Teil der Sage in -Wirklichkeit um mehr als hundert Jahre später entstanden als die -zweite; das darf uns nicht irre machen, denn es ist eine Eigenart -menschlichen Erinnerns, daß alles Vergangene sich gewissermaßen auf -eine Fläche projiziert und zeitlich unbestimmt nebeneinander liegt; -verknüpft ein Späterer zwei in der Vergangenheit liegende Erzählungen -miteinander, so hat er volle Freiheit für die Bestimmung der Zeitfolge. -In unserer Sage hat der zweite, ältere Teil den ersten, jüngern bei -der Vereinigung stark beeinflußt; der letztere ist eben deshalb schwer -als Fortsetzung der ihm zugrundeliegenden historischen Ereignisse zu -erkennen.</p> - -<p>Siegfrieds Ermordung wird, wie wir gesehen haben, in Skandinavien und -Deutschland verschieden berichtet: dort geschieht sie auf dem Ritt -zur Volksversammlung (entsprechend dem Tode König Sigeberts 575), -hier auf der Jagd im Odenwalde. Auch für die letztere Darstellung -läßt sich unschwer eine historische Grundlage finden: der letzte -König der ripuarischen Franken, Sigebert, wurde um 510 auf Befehl -seines Sohnes Chloderich, den König Chlodowech dazu aufgereizt -hatte, im Walde Buchonia ermordet; der Name Buchonia umfaßt die -östlich des Mittelrheins gelegenen Waldgebirge, also auch den -Odenwald mit. Die Übereinstimmung dieser historischen Angabe mit -der deutschen Darstellung von Siegfrieds Ermordung ist so groß, -als sie bei der Knappheit jener Überlieferung nur sein kann; wir -dürfen also wohl annehmen, daß die Erzählung vom Tode dieses ältern -Sigebert gelegentlich an die Stelle derjenigen, die den Mord des -Jahres 575 berichtete, getreten ist; beide Sigebert wurden infolge -Namensgleichheit zusammengeworfen, die Ermordung infolge Hinterlist der -Verwandten von den Sängern bald nach der ältern, bald nach der jüngern -Version dargestellt.</p> - -<p>Aus der Geschichte der Merowinge stammt auch der Ansatz, daß die -Burgundenkönige als in Worms regierend gedacht werden; der historische -Gundicari kann nicht wohl an anderer Stelle<span class="pagenum" id="Seite_78">[S. 78]</span> als in der römischen -Metropolis Obergermaniens, das war Mainz, seinen Amtssitz gehabt haben; -in etwas späterer Zeit aber führen nur zwei Städte des fränkischen -Reiches in Königsurkunden den auszeichnenden Titel <span class="antiqua">civitas -publica</span>, weil sie königliche Pfalzen enthielten, nämlich in -Westfranken Poitiers und in Ostfranken Worms (Rietschel, Die Civitas, -1898, S. 75); es springt in die Augen, daß der besondere Rang dieser -Stadt die Ursache gewesen ist, die berühmten Könige der Sage in ihr -hausen zu lassen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Einzelheiten"><span class="antiqua">d</span>) Einzelheiten.</h3> - -</div> - -<p>Nachdem durch die Verknüpfung der Attila-Burgundensage mit der vom -Streite der Königinnen und Siegfrieds Ermordung deren Hauptheld -aus der ihm historisch zukommenden Familienstellung herausgedrängt -und zum Findling geworden war, gab das Rätsel seiner Herkunft die -Möglichkeit an die Hand, eine bereits vorhandene Sage ältern Ursprungs -vorzuschieben und anzuknüpfen. Im altenglischen Gedichte Beowulf wird -gelegentlich Bezug genommen auf die Taten des Sigemund, des Sohnes des -Wæls, und seines Neffen Fitela; gemeinsam, heißt es hier, haben sie -alle Gefahren bestanden, nur die Tötung des Drachen hat Sigemund allein -vollbracht und dadurch den großen Hort gewonnen. Die Geschichte von -Sigmund und Sinfjotli (dessen Name ohne das vorgeschobene Sin- sich mit -„Fitela“ völlig deckt) ist in der Volsungasaga ausführlich erzählt und -nach ihr vorhin im Auszuge wiedergegeben worden; sie ist so, wie sie -vorliegt, gewiß erst in späterer Zeit ausgestaltet worden, denn sie -berührt sich in ihrem Verlaufe aufs nächste mit der nordischen Form der -Attila-Burgundensage: Siggeir entspricht dem Atli, der die Verwandten -seiner Frau in böser Absicht einladet, Signy der Gudrun, auch darin, -daß sie die mit ihrem Gatten erzeugten Kinder der Rache am Gatten -opfert. Also Beeinflussung durch den zweiten Hauptteil unserer Sage ist -wohl anzunehmen, die alte Gestalt der Sigmundsage demnach schwerlich -erhalten; daß Fitela im Beowulf Sigemunds Neffe heißt, ist natürlich -kein Widerspruch, denn auch Sinfjotli wächst als Sohn der Signy von -Siggeir auf, ist also zunächst nur Sigmunds Neffe.</p> - -<p>Das Gedicht Beowulf schreibt dem Sigemund Drachentötung und Hortgewinn -zu, also die Haupttaten, die sonst vom jungen Siegfried berichtet -werden; da dies Gedicht überhaupt das älteste<span class="pagenum" id="Seite_79">[S. 79]</span> Zeugnis für unsere -Sage ist, wäre es unmethodisch, einfach eine ihm untergelaufene -Verwechselung mit Siegfried anzunehmen. Bei der vorgetragenen Meinung -vom Ursprung der Siegfriedsage muß uns der Bericht des Beowulf vielmehr -willkommen sein: Drachentötung und Hortgewinn wurden ursprünglich von -Sigmund erzählt und erst nach Verbindung beider Sagen auf Siegfried -übertragen. Sonst sind noch aus der Sigmundsage entnommen eben der Name -Sigmund (in Deutschland ihr letzter Rest) und der (in Deutschland nicht -geläufige) Geschlechtsname der Wolsunge. Den Ursprung der Sigmundsage -aber aufzuhellen, gibt es kein Mittel, weil wir überhaupt keine -unbeeinflußte Darstellung derselben mehr besitzen.</p> - -<p>Aus den bisher vorgeführten historischen Ereignissen lassen sich wohl -die Grundzüge der Nibelungensage ableiten, allein noch sind eine Reihe -wichtiger Einzelheiten übrig, die vorläufig ganz unerklärt geblieben -sind. Zuerst der Name „Nibelunge“ selbst. Er erscheint in Deutschland -in zwei verschiedenen Bedeutungen, im Norden (wo er Niflungar heißt) -nur in einer, die mit einer der in Deutschland üblichen zusammentrifft; -methodisch folgerichtig kann man nur diese als die ursprüngliche -ansehen: sie versteht unter Nibelungen das Königshaus und dann auch das -Volk der Burgunden. Woher stammt der Name? Die einfachste Annahme wäre -die, das burgundische Königshaus habe wirklich den Geschlechtsnamen -„Nibelunge“ geführt (wie das ostgotische den Namen „Amelunge“ u. dgl.); -allein die beglaubigte Geschichte gibt dafür gar keinen Anhalt. Als -Personenname ist „Nibulung“ häufig in einem Zweige der fränkischen -Arnulfinge: Majordomus Pipin der Mittlere († 714) hatte neben ehelichen -Kindern mehrere unebenbürtige Söhne, von denen Karl der Hammer das -Haus der Karlinge begründet, Childebrand aber der Vater des ersten -bekannten Nibulung ist; der Name erscheint dann bis zum Schlusse des -9. Jahrhunderts noch häufig, und zwar immer so, daß man seine Träger -als Angehörige jener Familie betrachten kann. Das sind aber alles -Rheinfranken, also Angehörige jenes Volkes, das lokal der Nachfolger -von Günthers Burgunden ist. Es liegt also nahe, anzunehmen, daß der -Name eines im 8. Jahrhundert dort mächtigen edeln Geschlechtes auf die -Familie der alten Burgundenkönige übertragen worden ist<a id="FNAnker_40" href="#Fussnote_40" class="fnanchor">[40]</a>.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_80">[S. 80]</span></p> - -<p>Die nur in Deutschland vorkommende zweite Bedeutung des Namens -„Nibelunge“ versteht sie als die ursprünglichen Besitzer des „Hortes -der Nibelunge“. Dieser Hort trägt seinen Namen sicher von seinen -letzten Besitzern; nachdem man sich aber einmal gewöhnt hatte, ihn -„der Nibelunge Hort“ zu nennen, übertrug man diese Bezeichnung auch -in die Zeit, da er den Nibelungen noch gar nicht gehörte, und gab so -Veranlassung zu der Annahme früherer Nibelunge, als der ursprünglichen -Besitzer desselben.</p> - -<p>Der Hort selbst versteht sich aus der Zeit der historischen Ereignisse -und ihrer ältesten Umdichtungen unseres Stoffes ohne weiteres: er -ist in jener Epoche zugleich materielle Grundlage und Symbol aller -Königsgewalt. Man erinnere sich, welche Rolle die Mitgift der -westgotischen Fürstinnen spielt. So war er geeignet, den roten Faden -darzustellen, der durch die gesamte Erzählung sich hinzieht. Für seine -Herkunft bot die angeknüpfte Sigmundsage eine geeignete Geschichte dar: -er ist einem schatzhütenden Drachen abgenommen; das ist ein uraltes -Motiv, das uns schon in den ältesten Sagen des klassischen Altertums -entgegentritt. Über den Drachen hinaus brauchte man zunächst die -Geschichte des Schatzes nicht zu wissen; spätere Wißbegier hat aber -auch hier weitergehende Fragen gestellt und beantwortet. So entstand -im Norden die Erzählung von Hreidmar, Andvari und dem Eingreifen -der Götter; sinnig ist dabei die Habgier, die der Reichtum erregt, -als Wirkung eines Fluches des ersten Beraubten hingestellt. In -Deutschland, wo man die Zusammengehörigkeit von Drachen und Schatz früh -vergessen hatte, entstand auf gleichem Wege, wie vorhin angegeben, das -unhistorische Volk der Nibelunge.</p> - -<p>Daß man sich den Hort schließlich im Rheine versenkt dachte,<span class="pagenum" id="Seite_81">[S. 81]</span> ist -sicher eine Folge des Umstandes, daß man aus ihm Gold gewann: man -betrachtete dieses Gold als Spuren eines (unseres) versenkten Schatzes.</p> - -<p>Noch mangelt uns die Herleitung mehrerer einzelner Heldenfiguren, die -gerade, je länger der alte Stoff lebt und besungen wird, um so mehr in -den Vordergrund treten; von ihnen ist in erster Linie Hagen zu nennen; -er war, wie die Übereinstimmung der nordischen und deutschen Version -zeigt, schon in der ältesten erreichbaren Form der Nibelungensage als -bedeutende Person vorhanden, hat aber in den historischen Vorgängen -seine Erklärung nicht gefunden. In Deutschland gilt er als vornehmster -Vasall Günthers und eigentlicher Mörder Siegfrieds; im Norden heißt -er (als Hogni) Gunnars Bruder, direkte Tätigkeit bei der Ermordung -Sigurds wird ihm nicht zugeschrieben. Welche Fassung in diesem Falle -altertümlicher ist, kann nicht zweifelhaft sein: die deutsche; denn aus -der Familie des Königs fällt er seines Namens wegen heraus: alle nahen -Verwandten Günthers haben mit G beginnende Namen, in der Geschichte -sowohl wie der Sage, eine Erscheinung, die in der altgermanischen -Sitte und Sprache begründet ist; Hagen also gehört ursprünglich nicht -zu ihnen. Siegfrieds Ermordung ist ihm aber sicher erst im Norden -abgenommen worden, weil er, einmal zu Gunnars Bruder geworden, durch -den eingegangenen Blutsbund an solcher Tat verhindert war; sie wäre zu -schändlich und von solchem Helden nicht begreiflich gewesen. So müssen -wir von seiner Stellung in der deutschen Sagenform ausgehen. Historisch -könnte er höchstens die Fortsetzung des persönlich unbedeutenden -Mörders des Sigebert, sei es des ripuarischen oder des Gatten der -Brunichild, sein, also einer untergeordneten Person, die nur Werkzeug -war; von diesem Ausgangspunkte aus begreift man den Hagen der Dichtung -schwer.</p> - -<p>Nun erscheint derselbe Hagen in einer andern, nahe verwandten Sage -an bedeutsamer Stelle, die so beschaffen ist, daß ohne diesen Helden -die Erzählung ohne Spitze wäre; hier ist er also im Grunde wichtiger -als in der eigentlichen Nibelungensage, hier dürfte die Figur -demnach ursprünglich erwachsen sein. Ich meine Walthersage. Sie ist -uns frühzeitig berichtet und zwar 1. vollständig durch das um 930 -entstandene lateinische Gedicht des St. Galler Mönches Eckehard I., -und 2. in Bruchstücken eines altenglischen Epos aus dem 8. oder 9. -Jahrhundert;<span class="pagenum" id="Seite_82">[S. 82]</span> beide stimmen so genau überein, daß sie eine deutsche -Dichtung dieses Inhalts mindestens aus dem 8. Jahrhundert bezeugen. -Der Inhalt ist kurz der folgende: Attila der Hunnenkönig überzieht -die westlichen Länder mit Krieg; alle aber ziehen Unterwerfung vor, -zahlen Tribut und stellen Geiseln: der König der Burgunden (die der -Mönch Eckehard, an die zeitgenössischen Verhältnisse sich anschließend, -Franken nennt) Gibich den jungen Edelmann Hagen, zwei andere, in -Gallien regierende Herrscher, der eine die Tochter Hiltegund, der -andere den Sohn Walther. Die Geiseln werden am hunnischen Hofe -standesgemäß erzogen, und Hagen und Walther entwickeln sich zu -gewaltigen Kriegshelden, die miteinander innige Freundschaft (den -heidnischen Blutsbund) schließen; Hiltegund aber erhält die Aufsicht -der königlichen Schatzkammer. Nun stirbt König Gibich; sein Sohn -und Nachfolger Günther sagt den Hunnen sofort den Gehorsam auf und -bringt dadurch seinen Geisel Hagen in eine gefährliche Lage, der sich -dieser durch Flucht entzieht. Der nun allein zurückgebliebene Walther -erficht bald darauf in Attilas Dienst einen großen Sieg; das zu seiner -Feier veranstaltete Fest benutzt er, um ebenfalls der Knechtschaft -zu entgehen: er verabredet mit Hiltegund, die er sich verlobt, den -Plan zur Flucht, macht die Hunnen bei dem Feste trunken und entkommt -mit ihr; den ihr anvertrauten Schatz nimmt Hiltegund mit. Als die -Hunnen ihren Rausch ausgeschlafen haben, wagt keiner, den berühmten -Kriegshelden zu verfolgen. So können sie ungefährdet den Rhein -erreichen, den sie in Worms überschreiten. Durch den Fährmann, der sie -übergesetzt hat, gelangt die Kunde an Günthers Hof; Hagen erkennt an -der Beschreibung, wer die Fremden gewesen sind, veranlaßt aber dadurch -wider seinen Willen den Günther, sie zu verfolgen. Im Wasgenwalde -werden die Flüchtlinge gestellt und gegen Hagens Rat angegriffen; -Walther aber erwehrt sich der Feinde. Hagen beteiligt sich zunächst, -seiner Freundschaft mit Walther wegen, nicht; erst als dieser, obgleich -gezwungen, den Patafrid, Hagens Schwestersohn, getötet hat, läßt er -sich von Günther bestimmen, einzugreifen. Der Schlußkampf endet damit, -daß die drei namhaften Helden, nachdem sie schwer verletzt sind, sich -vertragen; Walther gelangt mit Hiltegund in seine Heimat.</p> - -<p>In dieser Sage haben wir eine verhältnismäßig einfache Erzählung -auf klar historischem Hintergrund. Die Rahmenerzählung<span class="pagenum" id="Seite_83">[S. 83]</span> benutzt -die Tatsache von Attilas Feldzug nach Gallien im Jahre 451 und -macht den Eindruck, als ob sie zunächst als Vorgeschichte der -Attila-Burgundensage (des 2. Teiles unserer Nibelungensage) gedacht -gewesen wäre, als sie noch ohne Siegfriedsage bestand; jene erzählt -von der Vernichtung der Burgunden durch Attila, die Walthersage -berichtet, wie die Burgunden den Hunnen zinspflichtig werden und wieder -abfallen, gibt also eine Begründung für jene. Auf diesen Hintergrund -ist nun die Erzählung von Hagens und Walthers Freundesbund und Kampf -in einer Weise gebracht, die den Eindruck erweckt, als ob ein Dichter -des 7. oder 8. Jahrhunderts das Problem aufgeworfen und zu lösen -versucht hätte: wie hat sich der Krieger zu entscheiden, wenn er vor -die Frage gestellt wird, entweder die Freundes- oder die Mannentreue -zu brechen? Sie ist in der Walthersage zugunsten der Mannentreue -beantwortet; die Verletzung der Freundestreue wird allerdings durch -die vorhergehende Tötung des Patafrid erleichtert<a id="FNAnker_41" href="#Fussnote_41" class="fnanchor">[41]</a>. Jedenfalls aber -hat der alte Dichter in Hagen den Typus der alle andern Rücksichten -hintenansetzenden Mannentreue geschaffen; als solcher eignet sich -Hagen, nachdem einmal die Siegfriedgeschichte hinzugekommen ist, -vorzüglich zum Mörder des von allen sonst zu sehr verehrten Helden. -Hagen ist somit keine historische, sondern eine durch die Dichtung -geschaffene Figur.</p> - -<p id="von_Tronje">Als Hagens Heimat gilt in der deutschen Sage ein geographisch ganz -unbekanntes Tronje; schon die mittelhochdeutschen Dichter wissen mit -diesem Ortsnamen nichts Rechtes anzufangen und identifizieren ihn -gelegentlich mit bekannten, z. B. mit Troyes in der Champagne, oft aber -erscheint statt Tronje direkt Troye, Troja (so in der Thidrikssaga); -ja, schon die älteste Quelle, eben Eckehards Waltherdichtung, nennt -Hagen <span class="antiqua">venientem de germine Trojae</span>. Nun ist „Tronje“ eine ganz -undeutsche Bildung; wäre sie alt, so würde der Ort „Trünne“ oder -ähnlich lauten<span class="pagenum" id="Seite_84">[S. 84]</span> müssen<a id="FNAnker_42" href="#Fussnote_42" class="fnanchor">[42]</a>. Da nun die Franken seit der Besitznahme -Galliens sich nach dem Vorbilde der Römer trojanischer Abkunft rühmten, -so ist mir immer noch das wahrscheinlichste, daß in Tronje eine -verdunkelte Erinnerung an Troja steckt. Die fränkische Trojanersage -spielt übrigens vielleicht noch an einer andern Stelle in unsern Stoff -herein: darin, daß aus Siegfrieds Reiche im Nibelungenliede gerade -nur das Städtchen Xanten genannt wird. Denn dies ist die Fortsetzung -der alten Römerstadt <span class="antiqua">Colonia Trajana</span>, die man, nachdem Kaiser -Trajans Gedächtnis erloschen war, als <span class="antiqua">Colonia Trojana</span> verstand; -Xanten heißt daher auch Klein-Troja (lützel Troye). Doch höchstens -in der Wahl gerade dieses Ortes für den Sitz Sigemunds hat die -Trojanersage bestimmend gewirkt, sonst ist sie ohne Bedeutung für -Siegfrieds Geschichte geblieben.</p> - -<p>Neben Hagen tritt später in der deutschen Version sein treuer -Kampfgenosse Volker der Spielmann; er ist dem Nibelungenliede und der -Thidrikssaga gemeinsam geläufig. Seine Figur verdankt ihre Entstehung -wohl den fahrenden Spielleuten, die nicht leicht unterließen, in -den von ihnen behandelten Stoffen ihresgleichen möglichst in den -Vordergrund zu rücken; in unserer Sage haben sie es, im Anschluß an -damals geübte Sitte, dadurch getan, daß sie im Gefolge der namhaften -Könige Spielleute auftreten ließen: bei Etzel den Werbel und den -Swemmel, bei Günther den Volker. Während jene im Nibelungenliede -einfache Leute geblieben sind, erscheint Volker aus der alten niedern -Sphäre herausgehoben; den Grund erkennt man aus folgender Strophe (Text -<span class="antiqua">B</span> 1477 Bartsch):</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">Wer der Volkêr wære, <span class="mleft2">daz wil ich iuch wizzen lân:</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">er was ein edel herre; <span class="mleft2">im was ouch undertân</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">vil der guoten recken <span class="mleft2">in Burgonden lant.</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">durch daz er videln kunde, <span class="mleft2">was er der spilman genant.</span></span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Dem Dichter des Nibelungenliedes ist offenbar der einfache Spielmann -nicht gut genug gewesen (ebensowenig wie der Findling Siegfried); -er erhebt ihn deshalb zum edeln Herrn und erklärt die Bezeichnung -„Spielmann“ aus seiner Kunstfertigkeit. Seit der Mitte des 12. -Jahrhunderts hat ja auch die Annahme dichtender und musizierender -Edelleute nichts seltsames mehr.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_85">[S. 85]</span></p> - -<p id="Dankwarts_Lebensalter">Schließlich tritt noch, aber nur im Nibelungenliede, Hagens Bruder -Dankwart über das Durchschnittsmaß hervor; er ist des Königs Marschall -und hat als solcher Führung und Pflege der großen Schar von Knechten, -die mit nach dem Hunnenlande ziehen. Mit diesem Heere steht und fällt -Dankwart: seine Figur ist von demselben Autor geschaffen, dem die -verhältnismäßig einfache Grundlage der Erzählung nicht mehr zeitgemäß -erschien, eben dem eigentlichen Dichter unseres Liedes. Wir haben -bei der Analyse desselben vorhin gesehen, daß alle Szenen, in denen -Dankwart auftritt, jüngern Ursprungs sind. Auffällig bleibt aber eins: -im 1. Teile des Liedes tritt Dankwart nur einmal deutlich hervor, bei -der Fahrt zur Brünhilt, die er als vierter neben den drei sagenechten -Gesellen Günther, Hagen und Siegfried mitmacht; er ist also damals -bereits erwachsen. Trotzdem sagt er später zu Blödel (<span class="antiqua">B</span> 1924 -Bartsch):</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">ich was ein wênic kindel, <span class="mleft2">dô Sîfrit vlôs den lîp</span>,</span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">könnte also danach zur Zeit jener Fahrt überhaupt noch nicht -gelebt haben. Wir kommen hier um die Annahme einer Entgleisung -unseres Dichters nicht herum, da ihm alles, was Dankwart betrifft, -zugeschrieben werden muß. Ein solcher Fehler wiegt in einer Zeit, da -Bücher nicht gelesen, sondern vorgelesen werden, nicht so schwer: -der Leser kann, wenn ihm dergleichen auffällt, zurückblättern und -nachprüfen, der Zuhörer aber wird durch den Strom der Vorlesung zu -rasch weiter gerissen, als daß er sich lange bei Anstößen aufhalten -könnte.</p> - -<p>Soviel vorläufig über die Ausgangspunkte unserer Sage. Wir müssen nun -zunächst versuchen, zwischen diesen Ausgangspunkten und dem Zustande, -in dem sie uns in den literarischen Denkmälern überliefert ist, eine -Brücke zu schlagen, mit andern Worten, die Entwickelung der Sage aus -der historischen Grundlage zu begreifen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_86">[S. 86]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="V"><span class="s5">V.</span><br /> -<b>Die Entwicklung der Sage.</b></h2> - -</div> - -<h3 id="Aelteste_und_nordische_Form"><span class="antiqua">a</span>) Älteste und nordische Form.</h3> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">Z</span>uerst, noch im 5. Jahrhundert, hat man die beiden Ereignisse, -den Untergang der Burgunden und den Tod Attilas, in ursächlichen -Zusammenhang gebracht, indem man letztern als Folge jenes Untergangs -hingestellt hat: Hildiko wurde zur nachgelassenen Schwester des -Gundicarius gemacht, die ihren Bruder an Attila rächt. Eine -Vorgeschichte, die Attilas Zug gegen die Burgunden erklären sollte, -dürfte bald hinzugekommen sein: sie schilderte in Anlehnung an die -Ereignisse des Jahres 451 die Unterwerfung der westlichen Völker -durch die Hunnen. In diesem Rahmen wurde an den Figuren Walthers und -Hagens das vorhin erörterte Problem gelöst. Alsdann ist wesentlich -später, mindestens ein Menschenalter nach dem Tode der historischen -Königin Brunichild 613, also keinesfalls vor der zweiten Hälfte -des 7. Jahrhunderts, eine poetische Darstellung der fränkischen -Geschichtsereignisse des 6. Jahrhunderts angeknüpft worden. Als -Vorgeschichte zu den nun verbundenen Sagen von Siegfried und von Attila -und den Burgunden hat man dann die, wie es scheint, längst vorhandene -Sigmundsage benutzt. Im großen und ganzen dürfte damals die Sage -folgenden Gang gehabt haben:</p> - -<p>Siegfried, der Hauptheld des ersten Teiles, ist ein Findling, zwar -von edler Herkunft — der Sohn des vor seiner Geburt gefallenen -Sigmund — aber in niedern Verhältnissen aufgewachsen und erzogen. -Sein angeborenes Heldentum befähigt ihn dazu, einen gewaltigen Drachen -zu töten und dadurch den großen Hort zu gewinnen, den dieser bewacht -hat. So zu unermeßlichem Reichtum gelangt, bewirbt er sich um die Hand -der Fürstin Brünhilt (Brunichild in älterer Sprachform), zu der er -auf seinen Zügen gelangt. Ihr ist der reiche Held, der so große Taten -vollbracht<span class="pagenum" id="Seite_87">[S. 87]</span> hat, auch recht, aber in ihrem hochmütigen Stolze mag sie -sich einem Findling nicht vermählen; so verspricht sie ihm nur, sich -ihm so lange aufzubewahren, bis er ein Königtum gewonnen habe (daß ihm -das gelingen wird, bezweifelt sie nicht). Inzwischen erlegt sie allen -um sie freienden Helden Bedingungen zu erfüllen auf, von denen sie -weiß, daß eben nur Siegfried sie erfüllen kann. Siegfried zieht aus, -dem Wunsche der Braut nachzukommen; als er an den Hof der Burgunden -gelangt, fordert er deren König Günther zum Kampfe um Land und Leute -heraus; so erzählt es allein unser Nibelungenlied außerhalb seines -eigenen Zusammenhanges, also im Grunde unverständlich; für den Aufbau -der alten Sage aber ist jener Zug notwendig und richtig, denn in ihrem -Zusammenhange sieht man den Grund der Herausforderung ein<a id="FNAnker_43" href="#Fussnote_43" class="fnanchor">[43]</a>. Die -Herrscher der Burgunden aber ersehen ihren Vorteil: sie erkennen, was -für einen reichen und gewaltigen, aber auch unerfahrenen Helden sie -vor sich haben, und beschließen, ihn für ihr Interesse zu gewinnen. Zu -diesem Zwecke bieten sie ihm ihre Schwester, die Grimhild, zur Gattin -an, nehmen ihn als Schwager, Blutsbruder und Mitbeherrscher in Familie -und Reich auf und lösen ihn dadurch von Brünhilt. Siegfried erreicht -also das Ziel, das Brünhilt ihm gestellt hatte, indem er sie aufgibt.</p> - -<p>Als Günther nun ebenfalls heiraten will, wird ihm Brünhilt als -geeignete Gattin genannt, und er wirbt um sie. Allein die Bedingungen, -die jedem Freier auferlegt werden, kann er nicht erfüllen; Siegfried, -der das Geheimnis ja kennt, löst die Aufgabe an seiner Stelle. Aufgabe -und Lösung sind von den verschiedenen Sagenversionen im einzelnen -verschieden dargestellt, aber der Sinn ist immer der gleiche: nur -Siegfried, auf dessen Heldentum die Bedingungen zugeschnitten sind, -kann sie erfüllen. Unmittelbar anschließen muß sich eine Szene, in -der Siegfried Günthers Stelle in einer Weise vertritt, die später die -üble Nachrede ermöglicht, Brünhilt habe ihre Jungfräulichkeit nicht -durch<span class="pagenum" id="Seite_88">[S. 88]</span> Günther, sondern durch Siegfried verloren; eine Szene, die -in der nordischen Darstellung gewiß besser erhalten ist als in der -deutschen, weil letztere ihren innern Zusammenhang zerrissen hat. Dann -aber fügt sich Brünhilt, da sie doch eines Königs Gattin geworden -ist, der (scheinbar wenigstens) ihre Bedingungen erfüllt hat, in ihr -Schicksal. Nur fühlt sie es als eine Herabsetzung der Familie, daß ihre -Schwägerin, ihres Gatten Schwester, mit einem Findling und landlosen -Menschen verheiratet ist, und läßt sie es fühlen. Grimhild aber gibt -ihr diesen Vorwurf gesteigert zurück, indem sie ihr vorhält: „Bin ich -die Gattin eines Findlings, so bist du in all deinem Hochmut nur seine -Kebse, denn er war’s, der dir deine Jungfräulichkeit raubte.“ Hier ist -die alte Dichtung auf ihrem Höhepunkte angekommen: Brünhilts Hochmut -ist bitter gestraft; wollte sie des landlosen Findlings Weib nicht -werden, so muß sie sich dafür seine Kebse schelten lassen. Natürlich -kann sie diese Nachrede nicht auf sich sitzen lassen. Sie erweckt -absichtlich zunächst den Anschein, als ob die Beschuldigung begründet -wäre, und gewinnt dadurch ihren Gatten für Siegfrieds Ermordung. -Nachdem der Mord geschehen ist (er wird durch Hagen, Günthers treuesten -Mann, ausgeführt), gesteht Brünhilt die wirklichen Geschehnisse, also -die Unschuld Siegfrieds, ein und folgt ihm in den Tod. Die Erzählung -ist damit zu Ende, denn Grimhild, die Witwe, nimmt von ihren Verwandten -die Buße für den Mord ihres Gatten an.</p> - -<p>Nach einiger Zeit wirbt um sie Attila, der Hunnenkönig, und sie folgt -ihm als Gattin. Bald darauf aber vernichtet Attila Grimhilds Geschlecht -und Volk durch Hinterlist. Er ist gierig nach der Macht oder, wie die -Sage das ausdrückt, nach dem Schatze der Burgunden. Dieser Schatz wird -nun als derselbe betrachtet, den Siegfried einst dem Drachen abgenommen -hat; durch seine Ermordung ist er in die Hände der Burgunden gekommen; -so ist denn in der Geschichte des Schatzes eine gewisse Verbindung der -beiden Sagenteile erreicht. Attila ladet die Schwäger unter dem Scheine -der Freundschaft verräterisch ein und läßt sie dann niedermachen. -Grimhild aber übernimmt die Rache, indem sie ihren Gatten tötet. Die -Rache ist dadurch verstärkt, daß sie das mit Attila gezeugte Kind -(oder die Kinder) als Werkzeug benutzt, eine Darstellung, die in der -Geschichte keine Grundlage hat, aber schon in der in Rede stehenden -ältesten Form der Dichtung vorhanden gewesen sein muß, da nordische -und deutsche Version<span class="pagenum" id="Seite_89">[S. 89]</span> sie kennen. Vermutlich hat der alte Dichter -ein anderswo verwendetes Motiv herübergenommen; wäre die nordische -Version sicher alt, so dürfte man an Entlehnung aus der altklassischen -Atridensage denken. Mit der Tötung Attilas durch Weibeshand schließt -die alte Sage.</p> - -<p>Da die historische Brunichild erst im Jahre 613 gestorben ist, -andererseits aber unsere Sage spätestens im 9. Jahrhundert nach dem -Norden gewandert sein muß, so haben wir nur einen verhältnismäßig -eng begrenzten Zeitraum zur Verfügung, innerhalb dessen die eben -dargestellte Dichtung (so müssen wir sie doch wohl nennen) entstanden -sein muß. Sie kann nicht viel früher entstanden sein als um das Jahr -700, aber auch nicht wesentlich später. Da sie, besonders in ihrem -ersten Teile, eine wohl durchdachte, wohl durchgeführte, wirklich -dichterisch aufgefaßte Erzählung ist, muß ein einzelner und zwar ein -geistig recht hochstehender Sänger der Autor der Erzählung in dieser -Form sein. Natürlich versagt uns das Schicksal den Namen dieses Mannes. -Die Namen der Sänger jener Zeit sind sämtlich in ewiger Nacht begraben.</p> - -<p>Mit der Übertragung der Sage vom Niederrhein aus nach dem Norden im -9. Jahrhundert sind nun einige bestimmte, für die nordische Sagenform -charakteristische Veränderungen eingetreten. Die Erzählung muß auch -hier wieder zunächst von einem einzelnen Manne, der sie ganz in -sich aufgenommen hat, reproduziert und in geschlossener Darstellung -hinübergebracht worden sein. Sonst würde man nicht verstehen, daß -bestimmte Einzelheiten, die in Deutschland anders berichtet werden, und -deren deutsche Wiedergabe zu den historischen Ausgangspunkten besser -stimmt als die nordische, so daß sie also historisch richtiger ist als -diese, im Norden eine ganz bestimmte feste Form angenommen haben. Es -sind im wesentlichen folgende Punkte:</p> - -<p>1. Hagen ist nicht bloß der untergeordnete Vasall des Königs Günther, -der dessen Befehle unbedingt vollführt und freudig mit ihm in den -Tod geht, sondern er ist sein Bruder. Siegfrieds Ermordung ist ihm -abgenommen und auf den weniger bedeutenden Gudorm übertragen.</p> - -<p>2. Der Name Grimhild, der nach Ausweis der historischen Hildiko -zuerst an der Person haftet, die ihn in Deutschland führt, ist -merkwürdigerweise zum Namen der Mutter des Königs geworden, die echte -Grimhild aber führt durchweg den Namen<span class="pagenum" id="Seite_90">[S. 90]</span> Gudrun. Dieser Name (der mit -dem der Heldin des mittelhochdeutschen Gedichtes Kudrun nicht das -geringste zu tun hat) ist einfach dem Namen ihres Bruders Günther -nachgebildet. Das erste Glied des zusammengesetzten Namens ist das -gleiche wie bei „Günther“, das zweite ist eins der am häufigsten -vorkommenden Elemente zur Bildung von Frauennamen. Die Neubildung -Gudrun ist also gewissermaßen ein Feminin zu Gunnar.</p> - -<p>3. Brynhild ist zur Schwester des Atli geworden. Damit hat man -wenigstens den Versuch gemacht, eine engere Verbindung der beiden -Hauptteile herzustellen, denn Atli hat nun an den Burgunden den Tod -seiner Schwester zu rächen.</p> - -<p>4. Endlich ist — wohl auch schon seit der Übertragung<a id="FNAnker_44" href="#Fussnote_44" class="fnanchor">[44]</a> — die -Ermanarichsage als dritter Teil an die Erzählung angeknüpft. Diese -Sage, die in Deutschland aufs engste mit der Dietrichsage verbunden -erscheint, muß, da von letzterer im Norden keine Spur sich findet, sehr -frühzeitig und selbständig dorthin gewandert sein.</p> - -<p id="Sage_im_Norden">Die Weiterentwickelung der Sage im Norden brauchen wir hier im -einzelnen nicht zu verfolgen. Sie hat sich, wie wir gesehen -haben, in lauter Einzeldarstellungen aufgelöst und eine wirkliche -Zusammenstellung nicht mehr erfahren. Ein Dichter behandelt diesen -Teil, ein anderer einen andern; der eine gibt das dazu, der andere -jenes; so kommt eine wüste Verwirrung zustande, in der sich -zurechtzufinden schwer ist. Neue Zusätze sind im Norden vor allen -Dingen diejenigen, welche die Götterwelt mit hineinziehen; sie ist -ganz sekundär in die Sage hineingetragen und hat ursprünglich in ihr -keinen Platz. Auch die Idee, daß Brynhild eine vermenschlichte Walküre -sei, also ein ursprünglich übermenschliches Wesen, das durch den Gott -strafweise in die Menschheit versetzt worden sei, ist spezifisch -nordisch und nicht einmal einheitlich durchgedrungen, sondern nur von -einem einzelnen Dichter hineingebracht.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Deutsche_Form"><span class="antiqua">b</span>) Deutsche Form.</h3> - -</div> - -<p>Wichtiger ist die Weiterentwickelung des Stoffes in Deutschland. Hier -tritt uns die Sage in ausführlichem Berichte erst<span class="pagenum" id="Seite_91">[S. 91]</span> im 12. Jahrhundert, -also ziemlich spät, entgegen. Wie sie sich bis dahin entwickelt hat, -das läßt sich zwar natürlich an den verschiedenen Veränderungen, die -eingetreten sind, wohl erkennen, aber die zeitliche und örtliche -Bestimmung der Neuerungen ist nicht leicht. Einigermaßen unterstützt -werden wir durch einen Bericht, der Ereignisse des Jahres 1131 zum -Gegenstande hat. Damals wollte der dänische Königssohn Magnus seinen -Vetter Knut Laward, den König der Wenden und Herzog von Schleswig, auf -verräterische Weise ermorden. Er sandte einen sächsischen Spielmann, -namens Siward, also einen fahrenden Sänger, der nach der Überlieferung -für einen in seiner Kunst wohlerfahrenen Mann galt, zu Knut Laward und -ließ ihn freundlich zu sich einladen. Knut leistete ohne jeden Argwohn -Folge. Dem Sänger war bekannt, was Knut bevorstand, aber er war durch -einen heiligen Eid gebunden, den Plan nicht zu verraten. Da Knut ihn -dauerte, so versuchte er, ihn auf Umwegen auf das drohende Unheil -aufmerksam zu machen: er trug ihm das Lied von der allgemein bekannten -Treulosigkeit der Grimilda gegen ihre Brüder dreimal vor, also eine -Geschichte, die dem im Augenblicke des Vortrags sich entwickelnden -Schicksal ganz parallel verläuft. Auf diesem Wege versuchte also -Siward den König Knut zu retten, aber ohne Erfolg: der Mord gelang am -7. Januar 1131. Für uns ist interessant, daß hier die Geschichte von -Grimildas Treulosigkeit gegen ihre Brüder erwähnt und als allgemein -bekannt hingestellt wird. Das paßt nicht mehr zur alten Form der -Sage, sondern nur zu der neuen, wie sie uns demnächst in süddeutscher -Darstellung entgegentritt. Wir lernen hier die Existenz dieser jüngern -Sagenform in Norddeutschland kennen, denn es ist ein sächsischer -Spielmann, der den dänischen Fürsten zu retten versucht.</p> - -<p>Daraus folgt, daß die Umbildung der Sage, die darin besteht, daß -nicht mehr Attila, sondern Grimhild die Treulosigkeit gegen die -burgundischen Brüder begeht, um ihren ersten Gatten Siegfried an ihnen -zu rächen, noch vor der Übertragung der Sage nach Süddeutschland, -also wohl noch am Niederrhein vor sich gegangen sein muß. Sie ist -natürlich hauptsächlich durch innere Gründe verursacht: man wollte die -beiden Teile, die ursprünglich so lose nur zusammenhingen, innerlich -aneinanderschließen. Die Neuerung dürfte nach oberflächlicher Schätzung -um das Jahr 900 oder bald nachher durchgeführt worden sein, weil die -Überführung<span class="pagenum" id="Seite_92">[S. 92]</span> des Stoffes nach Bayern wohl noch ins 10. Jahrhundert -fällt. Die neue Fassung trägt zugleich modernerer Gesittung Rechnung: -bisher stand die Erzählung auf dem altgermanischen, etwas urzeitlich -anmutenden Standpunkte, daß Blutrache die erste Pflicht sei, daß -also die Pflicht der Schwester, ihre Brüder zu rächen, größer sei, -als die Pflicht ihrer Treue gegen den Gatten; nunmehr, in modernerer -Zeit, stellte man die Gattenpflicht an die erste Stelle und ließ die -Blutrache in alter Form fallen.</p> - -<p>Mit dieser Änderung ist nun eine Tatsache, die in der Geschichte -feststeht und als Ausgangspunkt für die Sage anzusehen ist, aus dieser -selbst verschwunden. Von dem Augenblicke an nämlich, wo Grimhild ihren -ersten Gatten an ihren Brüdern rächt, fallen ja ihre Interessen mit -denen ihres zweiten Gatten Attila zusammen; Grimhild und Attila sind -jetzt einig und führen gemeinsam den Untergang der Burgunden herbei. -Dann liegt aber für Grimhild keine Veranlassung mehr vor, den Attila zu -töten. Die Folge davon ist, daß dieser übrig bleibt.</p> - -<p>An dieser Entwickelung erkennt man recht, wie die Sage arbeitet: sie -geht teilweise vom Tode Attilas aus, hat sich aber nach mehreren -hundert Jahren so verschoben, daß sie von diesem ihrem Ausgangspunkte -nichts mehr zu erzählen weiß. Hier, an einem Beispiel, das wir doch -leidlich genau verfolgen können, ist ganz deutlich zu sehen, wie der -Ausgangspunkt der Sage infolge ihrer Entwickelung schließlich wieder -aus ihr hinausgebracht wird. Wenn das möglich ist, so wird noch vieles -andere möglich sein, so wird es vor allen Dingen auch möglich sein, den -ersten Teil unserer Nibelungensage aus der fränkischen Königsgeschichte -abzuleiten, von der man nur Einzelheiten, besonders Namen und Motive, -zur Vergleichung heranziehen kann, nicht aber den ganzen innern -Zusammenhang.</p> - -<p>Die Folge davon, daß Attilas Tod nun auf einmal nicht mehr erzählt -wird, ist eine Neudichtung, die in Süddeutschland unbekannt geblieben -ist, also wahrscheinlich in Norddeutschland erst entstanden ist, -nachdem die Nibelungensage bereits nach Süddeutschland gewandert war: -ich meine die allein in der Thidrikssaga berichtete Geschichte von -Hagens nachgeborenem Sohne Aldrian, der durch Attilas Ermordung der -Gesamterzählung wieder einen vollen Schluß verschafft. Ihre Entstehung -war natürlich erst möglich, nachdem Attilas Tod aus der<span class="pagenum" id="Seite_93">[S. 93]</span> Erzählung -durch die moderne Entwickelung derselben ausgeschaltet worden war.</p> - -<p>Nach Süddeutschland ist unsere Sage wahrscheinlich im 10. Jahrhundert -gewandert. Darauf weist die merkwürdige Einmischung einer historischen -Person jener Zeit hin, die an der Oberfläche klebt: Bischof Pilgrim -von Passau (er war im Amte 971–991) gilt im Nibelungenliede für einen -Zeitgenossen der Nibelunge und Mutterbruder der burgundischen Könige; -nach der „Klage“, dem mehrerwähnten Anhang zum Liede, hat er den -ganzen Verlauf der großen Begebenheiten durch seinen Schreiber Konrad -in lateinischer Sprache aufzeichnen lassen. Diese letztere Nachricht -wird wahrscheinlich richtig sein; sie ist an sich historisch ganz -einwandfrei; ist sie richtig, so versteht man, wie Pilgrim in die -Sage gelangte: der Klagedichter, dem Konrads Werk bekannt war, machte -den Bischof und seinen Schreiber zu Zeitgenossen der Ereignisse, um -die Glaubwürdigkeit des Berichtes zu erhöhen. Wenn aber ein Passauer -Bischof um das Jahr 980 die Nibelungensage aufzeichnen lassen kann, -so bedeutet dies, daß sie damals in Bayern zwar bereits bekannt, -aber noch nicht geläufig war; sonst hätte man nicht Wert darauf -gelegt, daß sie aufgeschrieben würde. Man bedenke, wie die eigentlich -süddeutsche Sage, die von Dietrich und seinen Helden, jederzeit -einfach als dem Publikum bekannt vorausgesetzt wird; dann wird man zu -dem Wahrscheinlichkeitsschlusse kommen, daß zu Pilgrims Zeiten die -niederdeutsche Nibelungensage eben erst in Bayern bekannt geworden und -eben deshalb als der Aufzeichnung durch Pilgrims Schreiber Konrad wert -befunden worden war.</p> - -<p>Eine Folge dieser Verpflanzung der Sage auf einen ihr ursprünglich -fremden Boden ist die in dem Namen der einen Hauptheldin eingetretene -Veränderung: sie hieß ursprünglich zweifellos Grîmhild, in welcher Form -der Name etymologisch durchsichtig ist; <span class="antiqua">grîma</span> bedeutet Larve, -Maske, Helm. Den Süddeutschen waren Wort und Name nicht geläufig; sie -verstümmelten letztern infolgedessen, wie man so häufig ein nur mit dem -Ohre aufgenommenes Fremdwort verstümmelt, zu Krîmhilt oder Kriemhilt. -Der unrichtige Anlaut und das Schwanken des Vokals im ersten Teile -der Zusammensetzung geben somit ebenfalls davon Zeugnis, daß die Sage -in Süddeutschland ursprünglich fremd und erst verhältnismäßig spät -eingeführt ist.</p> - -<p>Noch ein zweiter Name ist vermutlich bei dieser Überführung<span class="pagenum" id="Seite_94">[S. 94]</span> in -gewissem Sinne verstümmelt worden: Gernot; hochdeutsch könnte er -schwerlich etwas anderes als ein Frauenname sein, weil „<span class="antiqua">nôt</span>“ ein -Feminin ist; versteht man ihn aber niederdeutsch, so gibt er den Sinn -„Schwertgenoß“ und müßte hochdeutsch Gernoz heißen; er dürfte also bei -der Überführung der Sage nach Süddeutschland seine niederdeutsche Form -beibehalten haben.</p> - -<p>In Oberdeutschland hat sich die Sage nun begreiflicherweise selbständig -weiter entwickelt. Augenscheinlich ist sie gar nicht vollständig dahin -gelangt, wenigstens fehlt jede Kunde von Siegfrieds Vorfahren, sowie -von seinem ursprünglichen Verhältnis zu Brünhilt, während die von -seiner Jugendzeit äußerst dürftig ist. Die Erzählung beginnt damit, -daß Siegfried um Kriemhilt freit und dann Brünhilt für seinen Schwager -gewinnt. So reich ausgestattet ursprünglich und noch in nordischer -Fassung der erste Teil des Stoffes war, so gering ist sein Kern in -der deutschen; ritterliche Füllung hat ihn im Liede freilich wieder -verbreitert. Dafür hat sich der zweite Teil reich entfaltet und -zwar hauptsächlich dadurch, daß er als Episode in die Dietrichsage -eingetreten ist; da die Burgunden infolge verräterischer Einladung am -hunnischen Hofe zugrunde gehen, muß Dietrich, der nach süddeutscher -Auffassung damals dort als Verbannter lebt, mit den Ereignissen zu -tun haben; ihm wird die Entscheidung in dem großen Kampfe gegen die -Burgunden zugewiesen.</p> - -<p>Wenn es auch zu weit führen würde, Ursprung und Entwicklung der -Dietrichsage an dieser Stelle in allen Einzelheiten zu besprechen, so -erscheint doch eine Darstellung in großen Zügen geboten.</p> - -<p>Im vierten Jahrhundert saßen die Goten in Dacien (etwa Rumänien und -Siebenbürgen) und längs der Nordküste des Schwarzen Meeres bis zum -Don. In diesen Gegenden begründete der Amaler Ermanarich (deutsch -Ermenrich) ein großes gotisches Reich, das seine Macht weit über das -heutige innere Rußland erstreckte. Um das Jahr 370 erlag diese Macht -dem plötzlichen Ansturm der Hunnen, eines Volkes türkischen Stammes aus -dem innern Asien; König Ermanarich, schon hochbejahrt, kam dabei zu -Tode. Der gotische Geschichtschreiber Jordanes weiß um 550 von seinem -Tode Einzelheiten zu erzählen, die zwar schlecht beglaubigt, aber an -sich nicht unwahrscheinlich sind und sich inhaltlich mit dem vorhin <a href="#Nibelungen_III">S. -27 f.</a> dargestellten dritten Teile der Nibelungensage nordischer Form -nahezu decken: das<span class="pagenum" id="Seite_95">[S. 95]</span> treulose Volk der (sonst unbekannten) Rosomonen -versucht den Einbruch der Hunnen zur eigenen Befreiung zu benutzen; -Ermanarich läßt Suanihilda, eine Frau aus diesem Volke, für den -heimtückischen Abfall ihres Mannes<a id="FNAnker_45" href="#Fussnote_45" class="fnanchor">[45]</a> von wilden Pferden zerreißen, -wird aber dafür von ihren Brüdern Sarus und Ammius (Sorli und Hamdir -in der Lieder-Edda) tödlich verwundet. Die Erzählung dürfte auf -Tatsachen beruhen; sie ist geraume Zeit vor der Entstehung der übrigen -gotischen Sagen, also etwa um 500, nach dem Norden gelangt<a id="FNAnker_46" href="#Fussnote_46" class="fnanchor">[46]</a> und hier -schon im 9. Jahrhundert (vgl. <a href="#Sage_im_Norden">S. 90</a>) dadurch an die Nibelungensage -angeschlossen worden, daß man Suanihilda und ihre Brüder zu Kindern der -Gudrun gemacht hat. Vermutlich spielte die Mutter der untergegangenen -Geschwister schon vor dieser Vereinigung in der Erzählung eine -Rolle, die es nahelegte, sie mit Gudrun gleichzusetzen; darauf weist -wenigstens die Art hin, wie der dänische Geschichtschreiber Saxo -Grammaticus um 1200 die Ermanarich-Sage (ohne ihre Verbindung mit -der Nibelungensage zu berücksichtigen) in seine dänische Geschichte -aufgenommen hat.</p> - -<p>Der Einbruch der Hunnen trennte die Goten in westliche, die auf -römisches Gebiet übertraten und uns hier nichts mehr angehen, und -östliche, die unter hunnischer Hoheit zurückblieben und nach wie -vor Könige aus dem Amalerhause hatten. Diese Ostgoten bildeten mit -andern Germanenvölkern zusammen den eigentlichen Kern der hunnischen -Macht; ihre Führer waren die ersten Helden des Großkönigs. Als solcher -herrschte 444–453 Attila, nachdem er seinen Bruder und Mitherrscher -Bleda beseitigt hatte. Dieser Attila hat bei den westlichen Germanen -das Andenken eines wilden Eroberers hinterlassen; ganz anders bei den -östlichen: sie erinnern sich seiner als eines mächtigen, aber gnädigen -Herrschers. Unter seinen vielen Frauen ragt in der Geschichte die -Kerka oder Rheka (richtig vermutlich Cherka) hervor, die in der Sage -als Herche oder Helche lebendig geblieben<span class="pagenum" id="Seite_96">[S. 96]</span> ist. — An der Spitze der -Ostgoten standen zu Attilas Zeit drei amalische Brüder, deren einer -Theodemer (deutsch Dietmar) hieß.</p> - -<p>Nach Attilas plötzlichem Tode (vgl. <a href="#Attilas_Tod">S. 69</a>) zerfiel sein Reich; die -Ostgoten traten auf das rechte Donauufer in oströmischen Bereich über. -Theodemer war schließlich ihr alleiniger König und vererbte diese -Stellung 481 auf seinen Sohn Theodorich (deutsch Dietrich), der sich -den Beinamen des Großen verdiente.</p> - -<p>Inzwischen hatte sich 476 in Italien ein germanischer Fürst namens -Odoaker (deutsch Otacker) der Herrschaft bemächtigt. Ihn zu beseitigen -und zugleich die Sorge vor den Ostgoten, die fortgesetzt die Sicherheit -Konstantinopels bedrohten, loszuwerden, übertrug Kaiser Zeno 489 -dem Theodorich und seinem Volke die Aufgabe, Italien dem Reiche -zurückzuerobern, um es dann als römische Bundesgenossen zu bewohnen -und zu beherrschen. Theodorich schlug Odoaker in mehreren Schlachten -und belagerte ihn schließlich drei Jahre lang in dem festen Ravenna, -wo damals (seit Honorius) der Regierungssitz Italiens sich befand; 493 -gelangte die Stadt in Theodorichs Gewalt, Odoaker wurde getötet. Als -Beherrscher Italiens hat nun Theodorich lange Zeit die führende Rolle -unter den westeuropäischen Germanenkönigen gespielt, ja, dieselben -durch Heiraten zu einer großen Familie zu vereinigen gesucht, deren -Haupt er selbst sein wollte. Dabei war sein Bestreben, Kriege zu -vermeiden und Streitigkeiten auf friedlichem Wege zu schlichten — -ein Charakterzug, der dem Dietrich der Sage insofern noch anhaftet, -als auch dieser nur, wenn es ganz unvermeidlich ist, zum Schwerte zu -greifen pflegt.</p> - -<p>526 ist Theodorich gestorben; damit brach sein System zusammen. Auch -der Ostgotenstaat war nicht von Dauer: bereits 540 geriet Ravenna -wieder in römische Gewalt, und 553 vernichtete Narses den letzten -Gotenschwarm, der noch zusammenhielt, am Vesuv. Nur nördlich der Alpen -blieben gotische Reste übrig und gingen in den Bayern auf (vgl. <a href="#Goten_und_Bayern">S. 56</a>), -die nun die Erinnerung an die ruhmreiche Geschichte der Amaler bewahrt -und gepflegt haben.</p> - -<p>Die deutsche Sage kennt, wie begreiflich, die Goten (die sie -ausschließlich Amelunge nennt) nur in Italien und Bayern; auch -Ermenrich ist aus Südrußland dahin versetzt. Sie betrachtet ferner die -Amelunge als legitime, eingeborne Herrscher ihres<span class="pagenum" id="Seite_97">[S. 97]</span> Reiches; Dietrichs -Sieg bedeutet ihr also nicht eine einfache Eroberung, sondern eine -Wiedereroberung nach vorausgegangener Vertreibung. Zu dieser Anschauung -mußte die Sage dadurch geführt werden, daß Theodorich in der Tat durch -den Auftrag des Kaisers Zeno das formale Recht auf seiner Seite hatte, -während Odoaker nur infolge Usurpation in Italien herrschte. Den -oströmischen Kaiser ferner hat die Sage, wie sie es fast immer getan -hat, durch den Hunnenkönig ersetzt; indem sie Dietrich während seiner -Abwesenheit aus Italien an dessen Hofe lebend dachte, übertrug sie -auf ihn das, was von den Verhältnissen seines Vaters Dietmar bekannt -geblieben war. Endlich brachte sie die beiden Amelunge Ermenrich und -Dietrich dadurch aufs nächste zusammen, daß sie sie als Oheim und Neffe -betrachtete. So hat denn die Dietrichsage im wesentlichen folgende -Gestalt erlangt:</p> - -<p>Die Brüder Ermenrich und Dietmar aus dem Hause der Amelunge teilen sich -derart in das Reich, daß Ermenrich als der älteste den Hauptteil mit -Ravenna, Dietmar den Norden erhält; als Sitz des letztern und seines -Sohnes wird Verona (Bern) betrachtet, nachdem Theodorichs historische -Residenz Ravenna zunächst Ermenrichs Eigentum geworden ist. Nach -Dietmars Tode wird sein Sohn Dietrich von Ermenrich vertrieben; dies -behauptet die Sage im Anschluß an die historische Eroberertätigkeit, -die Ermanarich entfaltet hat. Der vertriebene Dietrich begibt sich -an den Hof des Hunnenkönigs Etzel, um von ihm Hilfe gegen Ermenrich -zu erbitten; als Vermittler zwischen Dietrich und Etzel spielt -dabei der Markgraf Rüdeger von Bechelaren, des erstern Freund, des -letztern vornehmster Vasall, eine hervorragende Rolle. Über Ursprung -und Bedeutung der Figur Rüdegers hat man mannigfache Vermutungen -aufgestellt, ja, man hat sogar diesen reinmenschlichen Helden zu einem -mythischen Wesen machen wollen; und doch ist, wie mir scheint, Rüdegers -Bedeutung so leicht zu fassen: da die naiven Pfleger der Sage dieser -jederzeit zeitgenössische Färbung geben, so müssen sie sich Dietrich -als Bayern, Etzel als Ungarn denken; daraus ergibt sich, daß Rüdeger -der Repräsentant des vermittelnden Zwischengebietes, der bayerischen -Ostmark (Österreichs) ist. Im Nibelungenliede gilt als Rüdegers Bereich -das Land zwischen Enns und Wienerwald; das ist genau das Gebiet der -bayerischen Ostmark von Otto dem Großen bis auf Heinrich III., dessen -Eroberung das Land bis zur Leita hinzufügte. Daraus ergibt sich, daß -die Dichtung<span class="pagenum" id="Seite_98">[S. 98]</span> die Figur Rüdegers um das Jahr 1000 geschaffen hat<a id="FNAnker_47" href="#Fussnote_47" class="fnanchor">[47]</a>. -— Die Sage kennt nun zunächst einen ersten, mißlungenen Versuch -Dietrichs, mit hunnischer Hilfe zurückzukehren; er führt zu Kämpfen bei -Ravenna und gibt den Stoff zu dem Gedicht von der „Ravennaschlacht“ ab; -selbstverständlich beruht er auf dem Walten der Dichtung: die deutschen -Spielleute des zwölften Jahrhunderts lieben es ja auch, denselben -Stoff in zwei Variationen nacheinander vorzutragen. Der Inhalt der -Ravennaschlacht ist eine Variation von Dietrichs Rückkehr. — Nunmehr -findet Ermenrich sein Ende ungefähr so, wie es schon Jordanes erzählt; -als einer der Mörder gilt um das Jahr 1000 Otacker, der Ermenrichs -Nachfolger wird und also schließlich bei der endgültigen Eroberung -Italiens Dietrichs Gegner ist, wie es die Geschichte dargeboten hat. In -Süddeutschland ist allerdings im 12. Jahrhundert Ermenrichs Ermordung -und die Person Otackers augenscheinlich ganz vergessen; den Thron der -Amelunge nimmt bei Dietrichs Rückkehr Ermenrichs treuloser Ratgeber -Sibich ein. Jedenfalls aber gelangt Dietrich schließlich durch Etzels -Hilfe wieder in den Besitz seines angestammten Reiches<a id="FNAnker_48" href="#Fussnote_48" class="fnanchor">[48]</a>.</p> - -<p>In Gesellschaft Dietrichs und der zu ihm in Beziehung tretenden Leute -befinden sich nun natürlich zahlreiche Personen minderer Bedeutung, -die teils selbständige Sagenexistenz gehabt haben, aber durch die -gewaltige Anziehungskraft der Hauptsage an sie herangezogen und ihr -angegliedert worden sind (so z. B. Wielands Sohn Witig, ursprünglich -ein Mann Ermenrichs), teils aber als mehr oder minder nötige Ausfüllung -erdichtet worden sind; zu letzteren gehören vor allen Hiltebrand, -der als Dietrichs Erzieher und erfahrener erster Ratgeber eine fast -selbstverständliche<span class="pagenum" id="Seite_99">[S. 99]</span> typische Figur ist, und sein Neffe Wolfhart, in -allem Hiltebrands Gegenbild (besonders in der Art seines Auftretens) -und gewiß des Kontrastes wegen als solches geschaffen.</p> - -<p>Von Personen aus der Umgebung des historischen Attila hat die Sage noch -bewahrt seine Gattin Cherka als Helche (im Rosengarten Herche, in der -Thidrikssaga Erka genannt) und seinen Bruder Bleda als Blödel; dieser -Name ist offenbar volksetymologisch an „blöde“ angelehnt. An Bledas -wirkliche Schicksale besteht keine Erinnerung, er wird in ziemlich -willkürlicher Weise verwertet.</p> - -<p>In diese in Süddeutschland ganz lebendige Dietrichsage ist nun die -Nibelungensage nach ihrer Überführung dahin derart eingefügt, daß -Kriemhilt als zweite Gattin Etzels gilt, die er nach dem Tode der -Helche geehelicht hat, und daß der große Todeskampf der Nibelunge -eintritt, während Dietrich noch an Etzels Hofe lebt; der Versuch der -Rückkehr, der zur Ravennaschlacht führt, muß natürlich, da bei ihm die -Königin Helche noch eine wichtige Rolle spielt, schon vorüber sein.</p> - -<p>Mit Dietrich sind natürlich die meisten seiner Sage angehörigen Figuren -in die Nibelungengeschichte übergetreten, vor allen auch Rüdeger, der -nach dem, was vorhin ausgeführt wurde, außerhalb der Dietrichsage -undenkbar ist. Da nun aber die Nibelungensage zunächst ohne Dietrich -und Rüdeger existiert hat, so muß es möglich sein, nach Ausscheidung -oder Abtrennung der diese Helden betreffenden Abschnitte ein Bild -von dem Zustande zu bekommen, den sie zur Zeit der Überführung nach -Süddeutschland aufwies. Dabei ergibt sich nun das merkwürdige Resultat, -daß alle nach dem Saalbrande sich noch abspielenden Szenen wesentlich -durch die Dietrichsage bedingt sind, mit andern Worten: es wird höchst -wahrscheinlich, daß der Saalbrand in der ältern Sagenfassung den Schluß -bildete, und die Nibelunge in ihm umgekommen sind.</p> - -<p>Bedenken gegen diese Annahme werden allerdings dadurch erweckt, daß der -Schluß des Nibelungenliedes mit den eddischen Atli-Liedern insofern -übereinstimmt, als Günther und Hagen schließlich lebendig gefangen und -erst nach ihrer Weigerung, den Hort auszuliefern, getötet werden; daß -im Nibelungenliede erst Günther und dann Hagen getötet wird, während -die Lieder-Edda beider Rollen vertauscht, macht keinen wesentlichen -Unterschied. Nun sind aber die Atli-Lieder augenscheinlich keine reinen -Repräsentanten<span class="pagenum" id="Seite_100">[S. 100]</span> der nordischen Sagenform, sondern weisen mehrfach -erneute deutsche Beeinflussung auf; sonach wäre möglich, daß auch die -nahe Übereinstimmung in der Schlußerzählung erst unter dem Einflusse -deutscher Neudichtung zustande gekommen ist.</p> - -<p>Wenn wir Rüdeger aus einer Grundform unserer Sage zu streichen haben, -so fällt natürlich auch der Abschnitt vom Aufenthalte der Nibelunge zu -Bechelaren weg; dann steht die kleine Szene von der Begegnung mit dem -Grenzwächter Eckewart unmittelbar vor dem Eintreffen bei Kriemhilt, und -es verschwindet die Sonderbarkeit, an der wir vorhin (<a href="#Sonderbarkeit">S. 48</a>) Anstoß -nehmen mußten.</p> - -<p>Wir haben im wesentlichen den Zustand der Sage erreicht, der in unserm -Liede die Grundlage der Erzählung bildet. Manches freilich hat der -Dichter des Liedes, manches haben wohl noch andere Hände geändert, ehe -die Textgestalt erreicht wurde, die uns heute noch vorliegt. Ehe wir -diese letzten, dem Liede eigenen Neuerungen betrachten und untersuchen, -müssen wir uns erst den Fragen zuwenden, die uns die Überlieferung und -Geschichte seines Textes stellen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_101">[S. 101]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="VI"><span class="s5">VI.</span><br /> -<b>Überlieferung und Textgeschichte des Liedes der Nibelunge.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>as Nibelungenlied ist uns erhalten in zehn vollständigen<a id="FNAnker_49" href="#Fussnote_49" class="fnanchor">[49]</a> -Handschriften, außerdem in Bruchstücken von siebzehn verschiedenen -Handschriften. Die Pergamenthandschriften des 13. und 14. -Jahrhunderts haben wir uns gewöhnt (seit Lachmann) mit großen, -die Papierhandschriften des 14./15. Jahrhunderts und die einzige -jüngere Pergamenthandschrift (d aus dem 16. Jahrhundert) mit -kleinen lateinischen Buchstaben zu bezeichnen und zu benennen. -Die vollständigen Handschriften sind <span class="antiqua">A B C D I a b d h k</span>, -die Fragmente <span class="antiqua">E F H K L M N O Q R S U Y Z g i l</span>. In allen -vollständigen Handschriften mit Ausnahme von <span class="antiqua">k</span>, die überhaupt -eine Sonderstellung einnimmt, schließt sich die „Klage“ dem Liede -unmittelbar an; von den Fragmenten bietet nur <span class="antiqua">N</span> auch ein -Bruchstück der Klage; dafür sind uns Stücke dieses Gedichtes in Resten -von drei andern Handschriften (<span class="antiqua">G</span>, <span class="antiqua">W</span> und <span class="antiqua">X</span>) noch -erhalten, in denen natürlich auch das Nibelungenlied vorhanden gewesen -sein muß<a id="FNAnker_50" href="#Fussnote_50" class="fnanchor">[50]</a>.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_102">[S. 102]</span></p> - -<p>Die Handschrift <span class="antiqua">k</span> (im Besitze des Piaristen-Kollegiums zu Wien) -ist eine völlige Neubearbeitung des alten Textes in Stil und Sprache -des 15. Jahrhunderts, steht also im Grunde auf keiner andern Linie als -z. B. Simrocks Übertragung ins Neuhochdeutsche; jedoch der Umstand, daß -sie Vorlagen benutzt hat, die uns nicht mehr zugänglich sind, verleiht -ihr auch für die Kritik des alten Textes einigen Wert.</p> - -<p>Die übrigen 26 Handschriften ordnen sich nach dem Titel, den das Epos -am Schlusse sich selbst gibt, leicht in zwei große Gruppen: <span class="antiqua">der -Nibelunge nôt</span> heißt es in <span class="antiqua">A B D H I K L M N O Q S Z b d g h i -l</span> (dazu <span class="antiqua">W</span>), <span class="antiqua">der Nibelunge liet</span> in <span class="antiqua">C E F R U Y -a</span> (dazu <span class="antiqua">G X</span>). Noch eingehendere Gruppierung läßt sich durch -genauere Betrachtung der vollständigen Handschriften gewinnen. Diese -sind:</p> - -<p><span class="antiqua">A</span> aus dem 13./14. Jahrhundert, ursprünglich auf Schloß Hohenems, -jetzt in München;</p> - -<p><span class="antiqua">B</span> aus dem 13. Jahrhundert, in St. Gallen;</p> - -<p><span class="antiqua">C</span> aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, ursprünglich auf Schloß -Hohenems, dann im Besitze des Freiherrn v. Laßberg, jetzt auf der -fürstenbergischen Bibliothek in Donaueschingen;</p> - -<p><span class="antiqua">D</span> aus dem 13./14. Jahrhundert, in München;</p> - -<p><span class="antiqua">I</span> aus dem 14. Jahrhundert, stammt aus Tirol, jetzt in Berlin;</p> - -<p><span class="antiqua">a</span>, früher in Wallerstein, jetzt in Maihingen (bayr. -Regierungsbezirk Schwaben);</p> - -<p><span class="antiqua">b</span>, Hundeshagens Handschrift, jetzt in Berlin;</p> - -<p><span class="antiqua">d</span>, die im Auftrage Kaisers Maximilians I. 1502–17 hergestellte -große Sammelhandschrift, früher auf Schloß Ambras, jetzt in Wien;</p> - -<p><span class="antiqua">h</span>, Meusebachs Handschrift, jetzt in Berlin; sie ist eine -Abschrift von <span class="antiqua">I</span> und kommt deshalb für die Textkritik nicht in -Betracht.</p> - -<p>Während die Handschriften der Liet-Gruppe nur in unwesentlichen Dingen -voneinander abweichen (so daß die junge <span class="antiqua">a</span> nur zur Ausfüllung der -Lücken in der guten alten <span class="antiqua">C</span> herangezogen<span class="pagenum" id="Seite_103">[S. 103]</span> zu werden braucht), -gehen die der Not-Gruppe vielfach stark auseinander: <span class="antiqua">Db</span> gehören -zusammen und folgen in den ersten 270 Strophen des Liedes, ebenso -im Anfange der Klage seltsamerweise dem Liet-Texte; <span class="antiqua">Id</span> sind -einerseits im Eingange des Liedes nicht unwesentlich kürzer als alle -übrigen Texte, haben aber andererseits im Verlaufe des Gedichtes im -ganzen zwanzig Strophen, die sonst nur dem Liet-Texte eigen sind, -in den zugrunde liegenden Not-Text aufgenommen; <span class="antiqua">B</span> gibt, von -Kleinigkeiten abgesehen, den Not-Text am reinsten wieder; <span class="antiqua">A</span> hat -ihn um volle 61 Strophen, die im Laufe des Gedichtes, hauptsächlich -innerhalb der Strophen 340–720 (der Zählung von Bartsch) gestrichen -sind, verkürzt.</p> - -<p>Da <span class="antiqua">A</span> infolge dieser Streichungen den kürzesten Text bietet, -hielt man sie lange Zeit für den Vertreter des ältesten vorhandenen -Textes; seit es aber W. Braune (Die Handschriftenverhältnisse des -Nibelungenliedes, 1900) gelungen ist, nachzuweisen, daß <span class="antiqua">A</span> mit -dem Hauptteile von <span class="antiqua">Db</span>, der dem Not-Texte folgt, manche jüngere -Änderungen und Fehler gemein hat, kann davon keine Rede mehr sein, -vielmehr ist <span class="antiqua">A</span> der Not-Vorlage von <span class="antiqua">Db</span> auf das nächste -verwandt und innerhalb der 270 Strophen, in denen <span class="antiqua">Db</span> einer -Liet-Vorlage folgen, der alleinige Vertreter dieser Handschriftengruppe.</p> - -<p>Die größte Schwierigkeit macht noch heute die richtige Einordnung -der Gruppe <span class="antiqua">Id</span>; im Anfange ist sie kürzer, als alle übrigen -Texte und in dieser Beziehung, wie ebenfalls Braune nachgewiesen hat, -altertümlicher als alle diese. Wie aber soll man die zwanzig zum -Liet-Texte stimmenden Strophen beurteilen? Sie sind im allgemeinen ganz -lose in den Not-Text eingefügt; von den vierzehn Stellen, auf die sie -sich verteilen, stimmen elf genau zur Strophenfolge des Liet-Textes; -an den drei andern Stellen ist eine kleine Verschiebung eingetreten, -die dem Zusammenhange nicht günstig ist: die Strophen stehen (nach der -Zählung von Bartsch)</p> - -<table class="strophenzaehlung" summary="Zählung der Strophen"> - <tr> - <td> - <div class="center">hinter</div> - </td> - <td> - <div class="center"> 969</div> - </td> - <td> - <div class="center">statt</div> - </td> - <td> - <div class="center">hinter</div> - </td> - <td> - <div class="center"> 964</div> - </td> - <td> - <div class="center">(</div> - </td> - <td> - <div class="center">um</div> - </td> - <td> - <div class="center">5</div> - </td> - <td> - <div class="center">Strophen</div> - </td> - <td> - <div class="center">zu</div> - </td> - <td> - <div class="center">spät</div> - </td> - <td> - <div class="center">),</div> - </td> - <td> - <div class="center"> </div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center"> 998</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">1001</div> - </td> - <td> - <div class="center">(</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">3</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">früh</div> - </td> - <td> - <div class="center">)</div> - </td> - <td> - <div class="center">und</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">1571</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">1573</div> - </td> - <td> - <div class="center">(</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">2</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">„</div> - </td> - <td> - <div class="center">).</div> - </td> - <td> - <div class="center"> </div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">Eine Mittelstellung zwischen den beiden Hauptgruppen nimmt also -<span class="antiqua">Id</span> auf jeden Fall ein, es fragt sich nur, ob eine durch -Entwicklung der Texte bedingte oder eine äußerliche. Braune entscheidet -sich für das erstere und erblickt in <span class="antiqua">Id</span> eine Vorstufe<span class="pagenum" id="Seite_104">[S. 104]</span> zu dem -Liet-Texte; ich neige mich der andern Auffassung zu, hauptsächlich weil -die Ordnung der Strophen an den drei erwähnten Stellen um ein weniges -ohne ersichtlichen Grund abweicht; das scheint sich am besten aus -äußerlicher Entlehnung zu erklären: der Besitzer der Grundhandschrift -der Gruppe <span class="antiqua">Id</span> kannte den Liet-Text und vermißte in ihr einige -diesem allein eigene Strophen; er trug sie auf den Blatträndern nach; -beim Abschreiben wurden sie in den Text eingerückt, und dabei kamen nun -jene kleinen Irrtümer vor, die sich jedenfalls innerhalb des Raumes -einer Blattseite halten.</p> - -<p>Einfacher ist die eigentümliche Textmischung der Gruppe <span class="antiqua">Db</span> zu -erklären: in ihrer Grundhandschrift war der Anfang des Liedes (ebenso -der Anfang der Klage) verloren gegangen und durch Abschrift aus einer -andern Handschrift, die dem Liet-Texte angehörte, ersetzt worden. Das -war möglich, da die beiden Haupttexte doch nicht so stark voneinander -abweichen, daß man die Verschiedenheit auf den ersten Blick erkennen -müßte; auch in neuerer Zeit ist solche Textmischung vorgekommen, vgl. -<a href="#Neubearbeitung">S. 124</a>. Das aus dem Liet-Texte entnommene Anfangsstück des Liedes -umfaßt ungefähr doppelt soviel Raum wie das eben daher entnommene -Anfangsstück der Klage; der den Not-Text bietende Hauptteil des -Liedes ist annähernd achtmal so lang wie der Eingang; daraus darf man -vermuten, daß von der Grundhandschrift die 1., 2. und 19. Lage verloren -gegangen und ungenau ersetzt waren.</p> - -<p>Die sechs Haupthandschriften des Not-Textes ordnen sich sonach in zwei -Gruppen: auf der einen Seite <span class="antiqua">Id</span> mit altertümlich kurzem Eingang, -aber zwanzig zugesetzten Strophen; auf der andern Seite <span class="antiqua">ABDb</span> mit -längerm Eingang (wie ihn auch der Liet-Text bietet); <span class="antiqua">Db</span>, deren -alter Eingang ja verloren ist, werden durch die nahe Verwandtschaft mit -<span class="antiqua">A</span> bei dieser Gruppe festgehalten.</p> - -<p>Wie verhalten sich nun aber die beiden Hauptgruppen „Liet“ und „Not“ -zueinander? Geht die eine auf die andere zurück, oder weisen beide auf -ein verlorenes Original? Von den drei möglichen Antworten, die alle -drei ihre Vertreter gefunden haben, können wir eine von vornherein -ablehnen: die „Not“ geht keinesfalls auf das „Liet“ zurück, denn sie -ist altertümlicher als dies; vor allem aber steht im Not-Texte die -„Klage“ noch ziemlich selbständig hinter dem Liede, während<span class="pagenum" id="Seite_105">[S. 105]</span> das „Liet“ -die beiden Gedichte möglichst untereinander auszugleichen strebt; so -gehen denn zahlreiche Mehrstrophen von <span class="antiqua">Ca</span> auf Anregungen der -„Klage“ zurück. So bleiben zwei Möglichkeiten: entweder das „Liet“ -beruhte auf der „Not“, oder beide nebeneinander auf einem verlorenen -Original; der ersteren neigt sich Braune zu, während ich der zweiten -den Vorzug gebe auf Grund folgender Überlegung: der Liet-Text muß -spätestens zu Anfang des 13. Jahrhunderts abgeschlossen sein, denn -er hat die alte einfache Angabe der Klage, daß Ute, die Mutter der -burgundischen Könige, ihre alten Tage im Kloster Lorsch verbrachte, -breit ausgesponnen und stellt die Behauptung auf, sie habe es -ausgestattet (Holtzmann 1158)</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">mit starken rîchen urborn, <span class="mleft2">als ez noch hiute hât,</span></span></div> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">daz klôster dâ ze Lôrse, <span class="mleft2">des dinc vil hôhe an êren stât;</span></span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">nun ist aber dies altberühmte Kloster durch seinen letzten Abt Konrad, -der 1216 zuerst genannt wird, derartig heruntergebracht worden, daß -er 1229 abgesetzt, und das Stift an Mainz übergeben wurde; ein so -lautes Rühmen, wie wir es in <span class="antiqua">C</span> finden, war also in und nach -dieser Zeit nicht wohl möglich<a id="FNAnker_51" href="#Fussnote_51" class="fnanchor">[51]</a>. -<a id="Treisenmure"></a>Dagegen kann die Grundhandschrift -des Not-Textes nicht älter als höchstens 1240 sein, denn sie hat -1331 und 1336 den richtigen Ortsnamen <span class="antiqua">Treisenmûre</span> durch -den falschen <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> ersetzt. Die Stellen fallen in die -Partie, die Kriemhilts Reise zu Etzel schildert und dabei innerhalb -Österreichs die Tag für Tag berührten Stationen in genauer Folge nennt: -<span class="antiqua">Everdingen</span>, <span class="antiqua">Ense</span>, <span class="antiqua">Bechelâren</span>, <span class="antiqua">Medelîche</span>, -<span class="antiqua">Mûtâren</span>, <span class="antiqua">Treisenmûre</span>, <span class="antiqua">Tulne</span>, <span class="antiqua">Wiene</span>, -<span class="antiqua">Heimburc</span>, <span class="antiqua">Miesenburc</span>. Setzt man <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> -für <span class="antiqua">Treisenmûre</span> ein, so erhält man eine widersinnige Folge, -denn <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> liegt bereits östlich von Wien. Derjenige, -der es eingeführt hat, kann von Österreichs Geographie keine -persönliche Anschauung gehabt haben; nun ist aber <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> -ein unbedeutendes Dorf, das einem Nicht-Österreicher schwerlich -bekannt ist, wenn es nicht einen besondern Ruf hat; einen solchen -hat es dadurch erlangt, daß Nithart von Riuwental<span class="pagenum" id="Seite_106">[S. 106]</span> einen großen Teil -seiner österreichischen Dorfgedichte dort spielen läßt; Nithart, -dessen Dichten schätzungsweise in die Zeit von 1210–1240 fällt, -lebte ursprünglich in Bayern und vertauschte es erst etwa 1230 mit -Österreich; vor diesem Zeitpunkte können Nitharts österreichische -Dorfgedichte nicht entstanden sein. Vorher dürfte also jener fälschlich -in den Not-Text eingeführte Ort außerhalb Österreichs schwerlich -bekannt gewesen sein<a id="FNAnker_52" href="#Fussnote_52" class="fnanchor">[52]</a>.</p> - -<p>Ist somit die Grundhandschrift des Not-Textes rund ein Menschenalter -jünger als die Existenz des Liet-Textes, so kann dieser nicht auf jenen -zurückgehen, und bleibt nunmehr nur die dritte Möglichkeit übrig: -beide weisen nebeneinander auf ein verlorenes Original zurück. Dies -Original kann nach Ausweis der nahen Übereinstimmung beider Texte -vom Not-Texte nicht allzu verschieden gewesen sein; um 1200 erfuhr -es zunächst eine Überarbeitung, die im Liet-Texte noch vorliegt. -Sie hat den ohnehin schon stark vorherrschenden rittermäßigen Geist -noch verstärkt, außerdem aber den Anhang, die Klage, mit dem Liede -in größere Übereinstimmung versetzt; den nur auf den letzten Teil -passenden Titel „<span class="antiqua">der Nibelunge Nôt</span>“ hat sie durch den richtigern -„<span class="antiqua">der Nibelunge Liet</span>“ ersetzt. — Nicht vor 1240, zu einer -Zeit, da der ritterliche Geschmack schon im Sinken war,<span class="pagenum" id="Seite_107">[S. 107]</span> hat ein -Jüngerer eine Neubearbeitung des Gedichtes für angezeigt gehalten und -dabei über den im allgemeinen Umlauf befindlichen Liet-Text weg auf -das Original zurückgegriffen<a id="FNAnker_53" href="#Fussnote_53" class="fnanchor">[53]</a>; sein Werk liegt uns im Not-Texte -vor. Er folgt dem Original im ganzen recht treu; nur einzelne in -spielmannsmäßigem Geschmack gehaltene kleine Szenen dürften vielleicht -auf ihn zurückzuführen sein (Dankwart als Verschwender bei der geizigen -Brünhilt; Hagens grobes Verhalten gegenüber der jungvermählten -Kriemhilt u. dgl.).</p> - -<p id="Text_C">Charakteristisch für den spätern Ursprung des Not-Textes ist der -Umstand, daß er in keiner seiner zahlreichen Handschriften rein -erhalten, sondern überall mehr oder weniger durch den Liet-Text -beeinflußt ist: die Gruppe <span class="antiqua">Id</span> bewahrt den alten Anfang, setzt -aber die besprochenen zwanzig Strophen zu; die Gruppe <span class="antiqua">ABDb</span> hat -umgekehrt (wenn auch nicht in allen Handschriften in gleichem Maße) den -erweiterten Anfang von <span class="antiqua">Ca</span> aufgenommen; die Grundhandschrift von -<span class="antiqua">Db</span> ist aus dem Liet-Texte ergänzt: die Handschrift <span class="antiqua">B</span> hat -einmal zwei Strophen (102. 103 Bartsch) sowie am Schlusse der Klage -den Abschnitt über Etzels Verbleib aus dem Liet-Texte aufgenommen -u. s. f. Letzterer lag eben allen Schreibern und Hörern fortgesetzt -im Ohre; es ist begreiflich, daß Berufsschreiber, die den Liet-Text -bereits ein- oder mehrere Male abgeschrieben hatten, bei der Arbeit an -einer Not-Handschrift unwillkürlich Lesarten jenes Textes anbrachten: -so dürften sich auch die zahlreichen Kreuzungen in den Varianten -erklären, die aus keinem organisch entwickelten Handschriftenstammbaum -verständlich sind.</p> - -<p id="Fragment_O">Unter Berücksichtigung aller zugehörigen Bruchstücke dürfte sich die -spätere Geschichte des Not-Textes etwa in folgender Weise abgespielt -haben: zunächst trennte sich vom Hauptzweige der Entwicklung die -Stammhandschrift der Gruppe <span class="antiqua">Id</span>; in ältester reinster Form -liegt uns diese Textgestalt annähernd vollständig nur in der späten -Handschrift <span class="antiqua">d</span> vor; ihr zur Seite stehen das alte Fragment -<span class="antiqua">H</span> und das dürftige Fragment <span class="antiqua">O</span>, das der direkten Vorlage -von <span class="antiqua">d</span> angehört. Die Handschrift <span class="antiqua">I</span> und die<span class="pagenum" id="Seite_108">[S. 108]</span> nahe stehenden -Fragmente <span class="antiqua">K</span> und <span class="antiqua">Q</span> ändern den alten Text der Gruppe -<span class="antiqua">Id</span> in vielen Punkten selbständig; ihnen ist vielleicht noch das -Fragment <span class="antiqua">l</span> beizuzählen, das ebenfalls zahlreiche Textänderungen -aufweist. — Von der andern Hauptgruppe des Not-Textes stellt <span class="antiqua">B</span> -eine vollständige, sehr alte Form dar; ihr zunächst verwandt ist die -Grundhandschrift aller übrigen Nothandschriften, auf die zunächst die -lückenhafte <span class="antiqua">A</span> und die Fragmente <span class="antiqua">L</span> (daraus abgeschrieben -<span class="antiqua">g</span>) und <span class="antiqua">M</span>, sowie die Grundlage der <span class="antiqua">Db</span>-Gruppe -zurückgehen; diese wird gebildet durch die recht nahe verwandten -Handschriften <span class="antiqua">D</span> und <span class="antiqua">b</span> und Fragmente <span class="antiqua">S</span>, <span class="antiqua">N</span> -und <span class="antiqua">Z</span> (wohl auch <span class="antiqua">W</span> der Klage). — Das unbedeutende -Fragment <span class="antiqua">i</span> ist nicht sicher einzuordnen.</p> - -<p>Die vorgetragene Meinung vom Verhältnis der beiden Nibelungentexte und -ihrer Handschriften erhält eine wesentliche Stütze durch das relative -Alter der zugehörigen Pergamentcodices. Dies läßt sich bestimmen -durch die Art der Einrichtung derselben: die älteste Weise ist, den -Text (des Liedes und der Klage) ohne Absetzen von Vers oder Strophe -einspaltig über die ganze Seite zu schreiben; so sind <span class="antiqua">C</span> und -<span class="antiqua">E</span> (vom Liet-Text) sowie <span class="antiqua">H</span> (von der <span class="antiqua">Id</span>-Gruppe) -verfahren. Etwas mehr Übersicht bei größter Ausnutzung des Pergamentes -gestattet zweispaltige Einrichtung, bei welcher im Liede die Strophen -abgesetzt werden, aber nicht die Verse; sie liegt vor in <span class="antiqua">FRY</span>, -<span class="antiqua">B</span>, <span class="antiqua">DNSZ</span>, sowie in auffallend kleinem Format in -<span class="antiqua">Q</span>; innerhalb der Klage verfahren diese Codices, entsprechend -der andern Versart, verschieden: zweispaltig ohne Absetzen schreibt -<span class="antiqua">B</span> (ältere Weise), zweispaltig mit abgesetzten Versen <span class="antiqua">G</span>, -<span class="antiqua">DNW</span> (jüngere Weise). Schließlich setzt man auch im Liede die -Verse ab; zweispaltig verfahren so <span class="antiqua">AMI</span>, einspaltig <span class="antiqua">LU</span> -(kleines Format); innerhalb der Klage schreibt <span class="antiqua">A</span> zweispaltig -mit abgesetzten Doppelversen, <span class="antiqua">I</span> dreispaltig mit abgesetzten -Versen, beides sichtlich aus räumlichen Gründen; das in kleinem Format -gehaltene <span class="antiqua">X</span> schreibt einspaltig mit abgesetzten Versen. Ganz -großes Format, dreispaltig eingerichtet, haben <span class="antiqua">O</span> und <span class="antiqua">K</span>; -jenes setzt gar nicht ab und bringt hundert, dies setzt nur Strophen -ab und bringt sechzig Strophen auf einem Blatte unter; <span class="antiqua">K</span> bringt -also das ganze Nibelungenlied auf fünf Quaternionen, <span class="antiqua">O</span> gar nur -auf drei Quaternionen unter; das weist darauf hin, daß sie beide (wie -das aus <span class="antiqua">O</span> abgeschriebene <span class="antiqua">d</span>) Sammelhandschriften waren; -ihre Einrichtung hat mit derjenigen der übrigen Handschriften nichts -gemein, und sie sind gewiß nicht so alt, wie ihr Einrichtungsprinzip -anzudeuten scheint.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_109">[S. 109]</span></p> - -<p>Der in der Handschrift <span class="antiqua">k</span> vorliegende, im 15. Jahrhundert -modernisierte Text beruht in der Hauptsache auf einem Exemplare -des Liet-Textes, das im Anfange zwei größere Lücken aufwies; diese -sind ersetzt aus einer Handschrift des Not-Textes, die in nächster -Verwandtschaft zu <span class="antiqua">A</span> stand, wie der gleiche Strophenbestand des -Einganges zeigt.</p> - -<p>Das den beiden um 1200 und 1240 entstandenen Bearbeitungen zu -Grunde liegende Original hat, wie wir gesehen haben, die angehängte -Klagedichtung bereits besessen; auch war es in bezug auf die Technik -der Metrik und des Reimes schon ziemlich hoch entwickelt, denn die -überwältigende Mehrzahl aller Verse der beiden Bearbeitungen hat ihm -bereits angehört. Es kann also seine Gestalt nicht allzulange vor der -ersten Bearbeitung und keinesfalls vor dem Jahre 1170 gewonnen haben; -die um 1200 vorgenommene Bearbeitung ist nicht durch formale, sondern -durch inhaltliche Bedenken, in erster Linie durch das Streben, Lied und -Klage miteinander auszugleichen, veranlaßt worden.</p> - -<p>Derjenige, der das durch Vergleichung der beiden Bearbeitungen uns -noch im wesentlichen erreichbare Original geschaffen hat, ist nun noch -nicht derjenige, den wir als den eigentlichen Nibelungendichter zu -betrachten haben, sondern es ist vermutlich derselbe, der die Klage -angehängt hat; dieser „Klagedichter“ hat gewiß auch seine Tätigkeit auf -das Lied selbst ausgedehnt; sicher hat er ihm die vierzehn<a id="FNAnker_54" href="#Fussnote_54" class="fnanchor">[54]</a> Strophen -eingefügt, die den Bischof Pilgrim erwähnen (1295–99. 1312. 1330. 1427. -1428. 1495. 1627–30 Bartsch); sie lassen sich ohne jede Schwierigkeit -herausheben.</p> - -<p>Ein Nibelungenlied mit Anhang (Klage) setzt notwendig ein -Nibelungenlied ohne einen solchen voraus; wir kommen also ohne -Schwierigkeit noch um eine Stufe weiter zurück und erreichen damit -endlich die Tätigkeit des Mannes, den wir als den eigentlichen -Nibelungendichter ansprechen dürfen. Von ihm dürfen wir behaupten, -daß er ein Mann ritterlichen Standes und ein Österreicher war, da -auf ihn doch wohl die genaue und sachkundige Beschreibung der Reise -Kriemhilts zurückgeht; auch die oft durchblickende Abneigung gegen -die Bayern macht das wahrscheinlich. Wien ist ihm eine wichtige und -bedeutende Stadt, in ihr läßt er Kriemhilts zweite Hochzeit gefeiert -werden; es ist aber, wenn auch alt, doch erst durch den ersten Herzog -Österreichs,<span class="pagenum" id="Seite_110">[S. 110]</span> Heinrich († 1177), wieder aus jahrhundertelangem Verfall -erhoben worden; Heinrichs Sohn und Nachfolger war der bekannte Leopold -I. († 1194), der Gönner Reinmars des Alten, des Lyrikers; unter ihm -erlangte der Wiener Hof jene Bedeutung als Pflegstätte edler Kunst, als -welche er in der deutschen Literaturgeschichte bekannt ist. So werden -wir schwerlich weit neben das Ziel treffen, wenn wir annehmen, daß -der eigentliche Nibelungendichter unter Leopold I. und dem Einflusse -seines Hofes gewirkt hat, also etwa 1180–1190. An seinem Werke ist -manches auffällig, was schon bei der Besprechung des Inhalts erörtert -worden ist; sein Anteil an der Stoffmasse ist bedeutend: der ganze -erste Teil des Liedes und der Anfang des zweiten bis gegen Str. 1526 -(vgl. nachher) ist formal ganz von ihm gestaltet und auch inhaltlich -von ihm mit Ausnahme der Grundzüge im wesentlichen erst geschaffen; -auf ihn gehen u. a. das Prinzentum Siegfrieds und die durch dasselbe -bedingten Szenen, auf ihn die Umschaffung des Spielmanns Volker in -einen ritterlichen Sänger zurück. In der Schlußpartie des Epos benutzte -er offenbar eine im wesentlichen bereits fertig vorliegende Darstellung -(die älteste „Nibelunge Not“), die auch dem Verfasser der Thidrikssaga -bekannt gewesen ist; er hat sie stark überarbeitet und durch Einfügung -neuer Szenen und Personen (besonders des Dankwart) beträchtlich -erweitert. Sein Anteil läßt sich mit Hilfe der Thidrikssaga ziemlich -genau bestimmen: den Fährmann hat er aus einem einfachen, um Lohn -arbeitenden Manne in einen Grenzwächter der Bayernfürsten umgeschaffen; -die Verfolgung durch die Bayern und der daraus sich ergebende Kampf ist -sein Werk, ebenso die Angabe, daß die Burgunden mit einem Heere von -zehntausend Mann nach dem Hunnenlande gezogen seien; endlich gehört -ihm im wesentlichen die Reihe von Szenen, die im einzelnen so prächtig -ausgeführt sind, jedoch mit dem Geiste der ganzen Geschichte vielfach -im Widerspruch stehen: sie setzen ein unmittelbar nach dem feindseligen -Empfang durch Kriemhilt mit der Erzählung, daß Hagen und Volker sich -dem Palaste der Königin gegenüber herausfordernd hingesetzt hätten, und -schließen mit der unbegreiflichen Entlassung der Hauptgegner aus dem -Saale; innerhalb dieser Partie blickt nur selten die alte Grundlage -durch, deren Gang etwa der folgende gewesen sein muß: die Nibelunge -richten sich, nachdem man sie nächtlicherweile zu überfallen versucht -hat, in dem ihnen angewiesenen Hause zur<span class="pagenum" id="Seite_111">[S. 111]</span> Verteidigung ein; um Etzel -zum Angriff fortzureißen, opfert Kriemhilt ihr Söhnchen, indem sie -Hagen zu seiner Tötung reizt, und nun folgt unter Hohnreden der -Nibelunge der Angriff der hunnischen Scharen. Der Rest der Dichtung, -im wesentlichen aus den vier Abschnitten: Irings Kampf, Saalbrand, -Rüdegers Kampf, Dietrichs Kampf bestehend, muß im großen und ganzen der -Vorlage entnommen sein.</p> - -<p>Dieser eigentliche Nibelungendichter ist nun natürlich eben derjenige, -der die auffällige lyrische Form für das Epos gewählt hat, eine -Form, die nicht sein Eigen ist, sondern in den nicht lange vorher -entstandenen Liedchen des sogenannten Kürnbergers bereits vorliegt. -Pfeiffer hat aus dieser Übereinstimmung der Formen geschlossen, -eben dieser Kürnberger sei der Dichter unseres Liedes; wäre dies -richtig, so wäre uns damit nicht weiter geholfen, denn wir wissen vom -Kürnberger nur, daß er ein Österreicher war, und kennen nicht einmal -seinen Personennamen. Der Schluß ist aber nicht zwingend, denn seine -Voraussetzung, daß eine bestimmte Strophenform Eigentum ihres Schöpfers -sei, hat nie in dem angenommenen Umfang gegolten, vor allem nicht in -so alter Zeit; endlich aber erklärt er ja die Sonderbarkeit, daß ein -Epos lyrische Form aufweist, überhaupt nicht. Die einzige plausible -Erklärung ist vielmehr die, daß der Nibelungendichter die benutzte Form -in seinen Quellen, denen er mehr oder weniger wörtlich folgt, bereits -vorgefunden hat, und daß die Quellen volkstümliche Balladen gewesen -sind.</p> - -<p>Daß das Nibelungenlied auf derartige Volksgesänge zurückgehe, hat -bereits der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit dieser Frage -beschäftigte, Karl Lachmann, 1816 in seiner Schrift „Über die -ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth“ behauptet. -In der Durchführung des Gedankens ist er dann freilich weit über -das Erreichbare und sogar über das Wahrscheinliche hinausgegangen: -das Gedicht sollte entstanden sein aus einer Sammlung von zwanzig -ursprünglich selbständigen Liedern, alle von ein und derselben Form, -die inhaltlich aufeinander folgten<a id="FNAnker_55" href="#Fussnote_55" class="fnanchor">[55]</a> und durch Verbindungsstücke -zu einem Ganzen zusammengeschlossen worden seien. Die Verteidiger -und Ausgestalter dieser Liedertheorie (Müllenhoff, Rieger, Busch, -Henning) haben die großen Unwahrscheinlichkeiten, die darin liegen, -daß die<span class="pagenum" id="Seite_112">[S. 112]</span> Lieder alle die gleiche Form haben, alle im wesentlichen -unverändert im Epos stecken sollen, und zum Teil Erzählungsabschnitte -ohne selbständigen Wert behandeln, nicht zu beheben vermocht; in der -Form, wie Lachmann seine Theorie durchzuführen versucht hat, muß sie -heute als überwunden gelten. Anerkannt aber darf heute noch werden, mit -welch sicherem Gefühl Lachmann die einzelnen Unebenheiten des großen -Gedichtes erkannt und benutzt hat.</p> - -<p>Eine Quelle, und zwar die wichtigste, die der Nibelungendichter benutzt -hat, ist mit unsern Mitteln noch leidlich zu erkennen; ihr Anfang -wird markiert durch das plötzliche Auftreten des Namens „Nibelunge“ -im Sinne von Burgunden Str. 1526 (Bartsch); sie umfaßt den ganzen -letzten Teil vom Auszuge der Burgunden auf ihre letzte Fahrt bis zu -ihrem Untergange; auf sie allein paßt der alte, in der letzten Strophe -gegebene Titel „<span class="antiqua">der Nibelunge nôt</span>“.</p> - -<p>Diese älteste „<span class="antiqua">Nibelunge nôt</span>“ muß als ein Werk volkstümlichen -Ursprunges von geringem Umfange aus der Zeit von 1150–1180 gelten; ihr -muß die Strophenform bereits eigen gewesen sein. Sie scheint dasselbe -Werk zu sein, dem der Verfasser des Grundstocks der Thidrikssaga seine -Kenntnis unserer Sage verdankt; denn wie der erste alte Bestandteil des -Liedes Siegfrieds Erscheinen in Worms ist, so schließt in der Saga sich -an die Isungsgeschichte Siegfrieds Bekanntwerden mit den Nibelungen -an, und von diesem Augenblicke an geben beide Quellen trotz aller -beiderseitigen Überarbeitungen und Zusätze bis zum großen Schlußkampfe -durchaus parallel laufende Darstellungen. Bis zum Auszuge der Nibelunge -nach dem Hunnenlande kann diese alte „<span class="antiqua">Nibelunge nôt</span>“ allerdings -kaum mehr als eine notdürftig orientierende Einleitung gegeben haben. -Der Nibelungendichter hat sie, überarbeitet und erweitert, seinem Epos -zugrunde gelegt; neben ihr hat er vielleicht auch noch andere Quellen -gehabt, deren Form und Umfang aber unbestimmt bleibt. Jedenfalls hat er -den bei weitem größten Teil des übrigen Gedichtes selbst geschaffen, -wie die zahlreichen rein höfischen Szenen ohne echten Sagengehalt -beweisen.</p> - -<p>Noch eine Frage wäre zu beantworten: wie verhält sich die alte Ballade -zu der lateinischen Aufzeichnung unseres Stoffes im 10. Jahrhundert, -von der wir durch die „Klage“ Kunde haben? G. Roethe hat die Annahme -aufgestellt, daß das Werk des Schreibers Konrad ein Gedicht gewesen -sei wie Eckehards Waltharius<span class="pagenum" id="Seite_113">[S. 113]</span> (eine „Nibelungias“), und daß das -Nibelungenlied in seiner Grundlage eine deutsche Nachdichtung -jenes Werkes sei; die Möglichkeit ist zuzugeben, aber groß ist sie -nicht, denn 1. spricht der Klagedichter nur von einer lateinischen -Niederschrift und seitdem entstandenen deutschen Gedichten, was darauf -führt, Konrads Arbeit für Prosa zu halten, und 2. ist die Klage ja ein -verhältnismäßig junges Anhängsel zum Liede und dürfte eine Verbindung -zwischen diesem und Konrads Niederschrift überhaupt erst herstellen -(Einfügung des Bischofs Pilgrim).</p> - -<p>Die Schicksale unseres großen Epos lassen sich nun im Schema -folgendermaßen darstellen:</p> - -<table class="schema" summary="Entwicklung des Nibelungenepos"> - <tr> - <td colspan="10"> - <div class="center">älteste <span class="antiqua">Nibelunge nôt</span>,<br /> - volkstümliche, balladenartige Dichtungen aus dem dritten Viertel des - 12. Jahrhunderts.</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="4"> - - </td> - <td class="he1" colspan="6"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="10"> - <div class="center">Ritterliches Epos gleichen Titels, in Österreich entstanden etwa - 1180–1190.</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="4"> - - </td> - <td class="he1" colspan="6"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="10"> - <div class="center">Dasselbe um die „Klage“ erweitert und vielleicht etwas - überarbeitet, ungefähr 1190–1200.</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="4"> - - </td> - <td class="he1" colspan="6"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="2"> - - </td> - <td class="he1 bt br" colspan="4"> - - </td> - <td class="he1" colspan="4"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td> - - </td> - <td colspan="3"> - <div class="center">Vollkommenste Überarbeitung in rein höfischem Sinne, - etwa 1200–1210 (der <span class="antiqua">Nibelunge liet</span>), uns - durch die Handschriftengruppe <span class="antiqua">Ca</span> erhalten.</div> - </td> - <td> - - </td> - <td class="br"> - - </td> - <td colspan="4"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="6"> - - </td> - <td class="he1" colspan="4"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="4"> - - </td> - <td colspan="4"> - <div class="center">Jüngere, treuere und volkstümlichere Überarbeitung, - etwa 1240–1250 entstanden, löst das „<span class="antiqua">liet</span>“ - in seiner Geltung ab (daher Vulgata), bleibt aber fortgesetzt - von ihm beeinflußt.</div> - </td> - <td colspan="2"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="6"> - - </td> - <td class="he1" colspan="4"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="2"> - - </td> - <td class="he1 br bt" colspan="5"> - - </td> - <td colspan="3"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="4"> - <div class="center">Handschriftengruppe <span class="antiqua">Id</span>.</div> - </td> - <td class="br" colspan="3"> - - </td> - <td colspan="3"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br" colspan="2"> - - </td> - <td class="he1 br" colspan="3"> - - </td> - <td class="he1 br bt" colspan="3"> - - </td> - <td colspan="2"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="he1 br"> - - </td> - <td class="he1 br bt" colspan="2"> - - </td> - <td class="he1 br" colspan="2"> - - </td> - <td class="he1 br" colspan="3"> - - </td> - <td colspan="2"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="2"> - <div class="center">Unveränderter Zweig derselben, hauptsächlich durch - <span class="antiqua">d</span> repräsentiert.</div> - </td> - <td class="br"> - - </td> - <td> - - </td> - <td class="vat" colspan="1"> - <div class="center mleft2">Handschrift <span class="antiqua">B</span>.</div> - </td> - <td class="br"> - - </td> - <td class="br bt" colspan="3"> - - </td> - <td> - - </td> - </tr> - - <tr> - <td colspan="2"> - - </td> - <td colspan="2"> - <div class="center">Zweig mit selbständigen Änderungen, hauptsächlich durch - <span class="antiqua">I</span> repräsentiert.</div> - </td> - <td> - - </td> - <td colspan="2"> - <div class="center">Die Mehrzahl der Vulgata-Handschriften (vollständig, - aber verkürzt, nur <span class="antiqua">A</span>.</div> - </td> - <td> - - </td> - <td class="vat"> - <div class="center">Handschriftengruppe <span class="antiqua">Db</span>.</div> - </td> - <td> - - </td> - </tr> -</table> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_114">[S. 114]</span></p> - -<p>Kurze Erwähnung verdient noch eine formale Eigentümlichkeit, die für -die Beurteilung des Verhältnisses der beiden Hauptzweige nicht ohne -Bedeutung ist: nicht selten sind die Cäsuren eines Verspaares durch -Reim miteinander verbunden (Cäsurreim); solange innerhalb einer zwei -Verspaare umfassenden Strophe nur eins Cäsurreim aufweist, kann er -zufällig sein; sobald aber beide Verspaare ein und derselben Strophe -gereimte Cäsuren haben, muß das auf Absicht des Verfassers beruhen. -Nun sind im Nibelungenliede vereinzelte Cäsurreime zwar nicht gerade -häufig, kommen aber doch ab und an vor, und zwar auch so, daß sie für -die Vorlage beider Bearbeitungen gesichert sind. Durchgereimte Strophen -aber finden sich, vergleichsweise häufig, nur in den Zusatzstrophen -des Liet-Textes. Nun sind solche Strophen eigentlich keine Vierzeiler -mehr, sondern Achtzeiler mit überschlagenden Reimen, also eine andre -Kunstform; mischt sie der Liet-Bearbeiter dem alten Texte unbedenklich -ein, so zeigt er damit, daß ihm das Verständnis für ihre Besonderheit -noch nicht aufgegangen ist. Dies Verständnis fand sich erst gegen -die Mitte des 13. Jahrhunderts ein; der Not-Bearbeiter bedient sich -daher nie der durchgereimten Strophen, und der Interpolator der Gruppe -<span class="antiqua">Id</span> hat es vermieden, solche aus dem Liet-Texte herüberzunehmen; -dagegen hat derjenige, der den erweiterten Anfang des Liet-Textes -in den Not-Text übertrug, nicht dieselbe Zurückhaltung bewahrt: von -den beiden durchgereimten Strophen dieses Stückes findet sich 17 in -<span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">A</span>, 1 nur in <span class="antiqua">A</span>.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_115">[S. 115]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="VII"><span class="s5">VII.</span><br /> -<b>Wirkung des Liedes in der alten Literatur. Allmähliches Erlöschen des -Interesses.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>as Erscheinen des Nibelungenliedes ist ein großes literarisches -Ereignis gewesen; man erkennt dies nicht nur aus der Tatsache der -wiederholten Überarbeitungen und der großen Zahl der Handschriften, -sondern vor allem auch daraus, daß vom 13. Jahrhundert an zahlreiche -Epen in der Nibelungenstrophe oder einer nahe verwandten Form -auftauchen. Das älteste derartige Gedicht, von dem wir allerdings nur -dürftige Bruchstücke besitzen, ist die mittelhochdeutsche Bearbeitung -der (vorhin besprochenen) Walthersage. Hier ist die Nibelungenstrophe -dadurch variiert, daß die vorletzte Halbzeile um zwei Hebungen -verlängert ist, z. B.</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2"><span class="antiqua">er pflác des lándes nâch der krône réhté,</span></div> - <div class="verse indent37"><span class="antiqua">wand im riet diu júncfrówe dáz</span>.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Inhaltlich ist die alte Walthersage dadurch verändert, daß Hagen zur -Zeit von Walthers Flucht noch an Etzels Hofe lebt, daß es die Hunnen -sind, die Walther verfolgen und angreifen, und daß Hagen in hunnischen -Diensten die Rolle des Hauptgegners spielt. Das Nibelungenlied, das -mehrmals auf die Walthersage anspielt, kennt sie nur in der alten -Gestalt; auch aus diesem Grunde ist die fragmentarisch erhaltene -Waltherdichtung jünger, doch kann sie nicht allzu spät entstanden sein, -denn sie mischt noch zahlreiche Cäsurreime ohne bestimmtes Prinzip ein; -sie dürfte dem Liet-Texte zeitlich an die Seite zu stellen sein.</p> - -<p>Formell, nicht inhaltlich, ist ein Schößling des Nibelungenliedes -auch das Gedicht von Kudrun; es behandelt einen aus<span class="pagenum" id="Seite_116">[S. 116]</span> dem Auslande -(ursprünglich vermutlich aus England) eingeführten Stoff, den sein -Dichter nicht in jeder Beziehung begriffen hat, und setzt in seinem -Kolorit die Zeit des Kreuzzuges Friedrichs II. voraus, ist also wohl -zwischen 1230–50 entstanden<a id="FNAnker_56" href="#Fussnote_56" class="fnanchor">[56]</a>. Die Nibelungenstrophe ist hier -dadurch variiert, daß sie in der zweiten Hälfte klingenden Ausgang -erhalten hat; auch erscheint die Schlußzeile (aber nicht durchgängig) -um eine Hebung verlängert. Sehr erschwert wird uns die Beurteilung der -Geschichte dieses Gedichtes dadurch, daß es nur in einer ganz jungen -Sammelhandschrift (derselben, die im Handschriftenschema der Nibelungen -d heißt) erhalten ist; ihre Vorlage <span class="antiqua">O</span> -(vgl. <a href="#Fragment_O">S. 107</a> u. <a href="#Vorlage_O">120</a>) -gehört, da sie doch wohl wesentlich dieselben Stücke wie d enthalten -hat, erst der Anfangszeit des 14. Jahrhunderts an, steht also vom -Ursprungstermin der Kudrun noch erheblich ab. Viele Hände dürfen wir -uns an diesem Gedichte nicht tätig gewesen denken, da seine Bezeugung -und Bekanntschaft in der gleichzeitigen Literatur sehr gering ist; doch -ist wahrscheinlich, daß einmal ein Bearbeiter versucht hat, es durchweg -mit Cäsurreimen zu schmücken; er ist indes mit seiner Arbeit nicht zum -Ziele gelangt.</p> - -<p>Etwa gleichaltrig der Kudrun ist ein Gedicht, das Ausgangspunkt für -eine ganze Sippe von Epen geworden ist: die Geschichte von König -Ortnid. In ihm wird die Nibelungenstrophe unverändert verwendet, doch -ist meist die letzte Zeile um eine Hebung verkürzt, also den drei -übrigen gleich gemacht; diese Erscheinung hat ihren Grund wohl darin, -daß spätere Aussprache auch im Nibelungenliede manche vierhebige -Schlußzeile bereits nur dreihebig wiederzugeben verstand, z. B.</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent3"><span class="antiqua">diu wás ze Sántén genánt</span></div> - <div class="verse indent2">als <span class="antiqua">diu wás ze Sánten gnánt</span>, oder</div> - <div class="verse indent3"><span class="antiqua">béidiu líut únde lánt</span></div> - <div class="verse indent2">als <span class="antiqua">béidiu líut und lánt</span>.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Der Stoff des Ortnid ist der Sage von Ortnid und Wolfdietrich -entnommen und ohne Wolfdietrichs Geschichte unvollständig; auch der -Ortnid-Dichter hat die Absicht gehabt, einen Wolfdietrich folgen -zu lassen, wie er im letzten Verse andeutet,<span class="pagenum" id="Seite_117">[S. 117]</span> aber er hat seine -Absicht nicht ausgeführt, vermutlich weil er vorher starb. Zwei andre -Männer haben, unabhängig voneinander, dem Ortnid einen Wolfdietrich -angehängt; den einen bezeichnen wir als <span class="antiqua">A</span>, den andern als -<span class="antiqua">C</span>. Außerdem existiert noch eine dritte, leider nur in schlechten -Handschriften erhaltene Bearbeitung der Ortnid-Wolfdietrich-Sage: -hier ist die Ortnid-Geschichte im Zusammenhange des Wolfdietrich -erledigt und statt ihrer eine selbständige Vorgeschichte, die Erzählung -von Wolfdietrichs Vater Hugdietrich, vorgeschoben; wir bezeichnen -diese Textgestalt als <span class="antiqua">B</span>. Alle diese Dichtungen entstanden in -der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zu Anfang des 14. hat ein -Kompilator, der sich für Wolfram von Eschenbach ausgibt, die Texte -<span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> dergestalt zu einem großen Epos vereinigt, daß er -mit Ortnids Brautfahrt beginnt, Hugdietrich folgen läßt und mit dem zu -einem ungeheuerlichen Stoffsammler angewachsenen Wolfdietrich schließt; -das ist der große Wolfdietrich (<span class="antiqua">D</span>), der bis zum Ende des 16. -Jahrhunderts, mehrfach modernisiert, sein Publikum gefunden und ergötzt -hat. Für die Geschichte des Cäsurreims ist der Wolfdietrich <span class="antiqua">D</span> -besonders lehrreich: der ursprüngliche Text verwendet sie planmäßig in -schildernden Abschnitten, besonders wenn Kämpfe dargestellt werden; -zwei neue Bearbeitungen aus dem 15. Jahrhundert aber verfahren -anders: die eine, in derselben Handschrift bewahrt, die im Schema der -Nibelungen <span class="antiqua">k</span> heißt, tilgt die Cäsurreime durchaus, die andre, im -gedruckten Heldenbuch (vgl. nachher <a href="#Heldenbuch">S. 118</a>) vorliegende führt sie im -Gegenteil durch das ganze Gedicht durch.</p> - -<p>Eine nicht nur formell, sondern auch inhaltlich dem Nibelungenliede -sehr nahestehende Dichtung ist die (in der gleichen modernisierten -Strophenform abgefaßte) vom Rosengarten zu Worms, deren Stoff wir -schon früher berührt haben. Sie ist in der Mitte des 13. Jahrhunderts -entstanden und in fünf verschiedenen Fassungen auf uns gekommen: die -inhaltlich altertümlichste, aber nicht mit dem Original identische -bezeichnen wir mit <span class="antiqua">A</span>; die vier andern sind Erscheinungsformen -ein und derselben Entwicklungsreihe, aus der nacheinander die Texte -<span class="antiqua">F</span>, <span class="antiqua">P</span> und <span class="antiqua">C</span> sich abzweigen, und die in dem Anfang -des 14. Jahrhunderts in der Straßburger Gegend abgeschlossenen Texte -<span class="antiqua">D</span> gipfelt. Außerdem existieren mehrere jüngere Bearbeitungen.</p> - -<p>Das (in kurzen Reimpaaren abgefaßte) Gedicht von König Laurin -und seinem Rosengarten hat mit der Nibelungensage und<span class="pagenum" id="Seite_118">[S. 118]</span> ihrem -Literaturkreise ursprünglich nichts zu tun; da es aber in seinen -Motiven Verwandtschaft mit dem „Rosengarten zu Worms“ zeigt, ist es -frühzeitig äußerlich mit diesem vereinigt worden: schon die Handschrift -des Rosengartens <span class="antiqua">P</span> enthält auch den Laurin; in den Stufen -<span class="antiqua">C</span> und <span class="antiqua">D</span> sind die beiden Gedichte im Titel zu einander -in Beziehung gesetzt als der „große“ und der „kleine“ Rosengarten -(letzterer ist der Laurin). Der Bearbeiter <span class="antiqua">D</span> schreibt das Werk -dem nur aus dem sogenannten Wartburgkriege bekannten Heinrich von -Ofterdingen zu<a id="FNAnker_57" href="#Fussnote_57" class="fnanchor">[57]</a>.</p> - -<p id="Heldenbuch">Im 15. Jahrhundert entstand aus der Vereinigung des Großen Wolfdietrich -mit den beiden Rosengärten (in der Fassung <span class="antiqua">D</span>) das sogenannte -„Heldenbuch“; ihm wurde eine prosaische Vorrede beigegeben, die -sich als der erste deutsche Versuch einer Übersicht der gesamten -Heldensage darstellt, allerdings in äußerst ungeschickter Form. Der -Verfasser dieser Vorrede läßt, vermutlich infolge Mißverständnisses, -Siegfried im Rosengarten von Dietrich erschlagen werden und stellt -den zweiten Teil der Nibelungensage als Folge dieses Geschehnisses -hin: Kriemhilts Haß ist gegen Dietrich gewendet; trotzdem tötet sie -schließlich eigenhändig ihre Brüder; es ist dem Sagensammler also nicht -gelungen, seine Erzählung innerlich auszugleichen. Für uns aber ist -besonders interessant, daß Kriemhilt in dieser Vorrede den Kampf ganz -in derselben Weise, wie es in der Thidrikssaga geschieht, durch bewußte -Opferung ihres Sohnes in Gang bringt. — Das Heldenbuch wurde von der -zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an bis 1590 immer wieder gedruckt; -als in mehreren Exemplaren gedruckt vorliegendes Werk hat es nicht -wenig dazu beigetragen, daß im 18. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der -Gelehrten wieder auf unsere alten Sagenstoffe gelenkt wurde.</p> - -<p>Der Strophenform des Nibelungenliedes bedient sich ferner noch das Epos -von Alpharts Tod, uns nur in einer einzigen späten und lückenhaften -Handschrift erhalten; es entstammt etwa der zweiten Hälfte des 13. -Jahrhunderts und behandelt einen Abschnitt der Dietrichsage.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_119">[S. 119]</span></p> - -<p>Formal abhängig vom Nibelungenliede dürfte auch das Gedicht von der -Ravennaschlacht sein; es ist in einer eigentümlichen Strophe verfaßt, -deren erste Hälfte annähernd eine halbe, auf den Cäsuren gereimte -Nibelungenstrophe darstellt, während die zweite aus zwei mittellangen, -cäsurlosen, klingend gereimten Versen besteht; ganz klar ist die -ursprüngliche Form wegen starker Überarbeitung nicht erkennbar. Wie -uns nämlich die Ravennaschlacht überliefert ist, entstammt sie erst -dem Anfang des 14. Jahrhunderts und bildet den zweiten Teil zu dem in -kurzen Reimpaaren verfaßten Gedichte von Dietrichs Ahnen und Flucht. -Der Verfasser des ganzen Werkes nennt sich Heinrich der Vogler und ist -ein Spielmann. Schon der Umstand, daß er im Verlaufe seiner Dichtung -von der einfachen epischen Weise zu einer Strophenform übergeht, zeigt, -daß er hier eine alte Grundlage überarbeitet. Für diese Grundlage -besitzen wir noch zwei selbständige Zeugnisse: die betreffende Partie -der Thidrikssaga, die sie inhaltlich wiedergibt, und einen deutlichen -Hinweis in dem Gedichte „Meier Helmbrecht“ von Wernher dem Gärtner, -das etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Die -Grundlage der Ravennaschlacht wird damit in der ersten Hälfte des 13. -Jahrhunderts festgehalten.</p> - -<p>Das von uns früher (<a href="#Huernen_Seifrid">S. 65</a>) besprochene Gedicht vom „Hürnen -Seifried“, das uns nur in Drucken des 16. Jahrhunderts erhalten ist, -gehört natürlich nach Inhalt und Form ebenfalls zu den durch das -Nibelungenlied befruchteten Werken. Es geht auf eine verlorene ältere -Dichtung zurück, aus der es augenscheinlich nur ausgezogen ist. Wir -besitzen nämlich in dem Bruchstück m einer Nibelungenhandschrift einen -Beweis für des „Hürnen Seifrid“ früheres und umfangreicheres Dasein: -das Bruchstück ist nur ein Teil eines Verzeichnisses von Überschriften -der Gesänge nebst Blattweiser, es genügt aber, um zu erkennen, daß der -verlorene Text den „Hürnen Seifrid“ in das Lied hineingearbeitet hatte, -und zwar sowohl die Jugendgeschichte wie den Drachenkampf; Kriemhilt -wird in dem Augenblicke, da man sich zur Fahrt nach Island rüstet, vom -Drachen entführt und demnächst von Siegfried befreit. Das Bruchstück -ist um 1400 geschrieben und hält damit den ältern „Hürnen Seifrid“ im -14. Jahrhundert fest.</p> - -<p>In den beiden nächsten Jahrhunderten ist die Verwendung der -Nibelungenstrophe in jüngerer Form so häufig, daß ihr Auftreten<span class="pagenum" id="Seite_120">[S. 120]</span> nur -noch einen ganz äußerlichen Zusammenhang mit dem Nibelungenliede -bedeutet; es genügt für uns, die Entwicklung der Strophenform selbst -kurz darzulegen: durchweg ist die vierte Zeile den drei ersten -gleichgemacht; nach meistersingerischer Weise wird feste Silbenzahl -beabsichtigt (vor der Cäsur sieben Silben klingend ausgehend, nach -derselben sechs stumpf ausgehend); die Cäsuren sind konsequent -entweder reimlos oder durchgereimt: in ersterem Falle heißt die Form -„Hiltebrandston“ (ihn verwenden das modernisierte Nibelungenlied der -Handschrift <span class="antiqua">k</span> und der Hürnen Seifrid), in letzterem Falle -„Heunenweise“. Das Bewußtsein von der Besonderheit der Form, die durch -gereimte Cäsuren bedingt wird, ist also völlig durchgedrungen.</p> - -<p>Bis in das 15. Jahrhundert hinein bleibt das Interesse am -Nibelungenliede lebhaft und wach; der Stoff wird sogar gelegentlich dem -Zeitgeschmack angepaßt. So wird um 1400 in der Handschrift <span class="antiqua">b</span> an -der Stelle, wo Dietrich die ankommenden Burgunden vor Kriemhilt warnt, -eine Interpolation eingelegt, die erzählt, Kriemhilt habe Röhren, -gefüllt mit Schwefel und Kohle (also Pulverminen), legen lassen, um die -Burgunden im Nachtlager in die Luft zu sprengen. Im 15. Jahrhundert -ist dann die ganze Dichtung neu überarbeitet und nach den Regeln der -Meistersinger sprachlich behandelt worden; es ist dies der Text, der -uns in der Handschrift <span class="antiqua">k</span> erhalten ist. Das Gedicht wird hier in -seinen beiden Abschnitten betitelt „die erste Hochzeit Kriemhilts mit -Siegfried“ und „die zweite Hochzeit Kriemhilts mit Etzel“.</p> - -<p id="Vorlage_O">Dann aber fängt das Interesse an zu erlöschen. Der letzte namhafte -Mann, der zu unserm Liede in Beziehung steht, ist Kaiser Maximilian I., -der letzte Ritter. Er hat das sog. Heldenbuch an der Etsch (offenbar -eine ältere Sammelhandschrift, von der vermutlich <span class="antiqua">O</span> ein Rest -ist) abschreiben lassen und dadurch in den Jahren 1502–1517 die noch -erhaltene große Ambraser Sammelhandschrift geschaffen, die auch -unser Lied enthält (<span class="antiqua">d</span>). Es ist die letzte Handschrift unseres -Gedichtes. Gedruckt worden ist das Lied in alter Zeit nicht. Mit dem -Augenblicke, da der Buchdruck durchgedrungen war, ist das Interesse -an ihm erlahmt; warum, ist schwer zu ersehen; wahrscheinlich, weil -der Geschmack des Liedes für die damalige Zeit auf der einen Seite zu -ritterlich-vornehm, auf der andern aber wieder zu volkstümlich-einfach -war; die einfachern Kreise mochten es seiner Vornehmheit wegen<span class="pagenum" id="Seite_121">[S. 121]</span> nicht, -und die vornehmern hatten ihre Neigung bereits den neu auftretenden -humanistischen Stoffen zugewendet. Wir finden nun an Stelle des -Liedes im 16. Jahrhundert nur das gedruckte, wenig wertvolle Gedicht -vom „Hürnen Seifrid“, das bis 1611 immer wieder aufgelegt wurde, das -sich aber nur an ein untergeordnetes Publikum wendet. Bezeichnend -ist die ebengenannte Jahreszahl 1611: sieben Jahre vor Ausbruch des -Dreißigjährigen Krieges! Von da an sind die älteren Dichtungen nicht -mehr beachtet, also auch nicht mehr aufgelegt worden, sondern in -Vergessenheit geraten. Ja, sogar die Erinnerung an die alte Sage, -die doch in Oberdeutschland, wenigstens was die Dietrichsage angeht, -ganz lebendig im Volke haftete, ist im Dreißigjährigen Kriege völlig -erloschen. Nur in einer ganz verzerrten Form hat die Nibelungensage -diese Zeit überdauert: im sog. Volksbuch vom gehörnten Siegfried. -Der erste erhaltene Druck dieses Buches stammt aus dem Jahre 1726; -der Text selbst ist vielleicht noch etwas älter. Er ist in ganz -rohem Geschmack hergestellt: auf der einen Seite ist er äußerlich -in die Höhe geschraubt durch Einführung fremdklingender Namen, -lateinischer Endungen u. dgl. (so heißt Gibich jetzt Gibaldus, -Kriemhilt Florigunda); auf der andern Seite wieder sind komische -Szenen eingelegt, Narrenstreiche und ähnliche höchst unbedeutende -kleine Episoden. Im großen und ganzen ist das Volksbuch weiter nichts -als eine Umarbeitung des „Hürnen Seifrid“. Es ist dann immer wieder -aufgelegt worden bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hinein, ohne -daß die bessern Kreise sich um dasselbe irgendwie gekümmert hätten. -Auf dem Titel steht zu lesen: „Gedruckt in diesem Jahr“; so wird dem -ungebildeten Leser weisgemacht, daß er das Neueste vom Jahre in der -Hand habe. Die Behörden haben nicht nur den Gehörnten Siegfried, -sondern auch alle andern Volksbücher öfter verboten. Man begreift ihr -Vorgehen, wenn man auf den ungeläuterten Geschmack achtet, der in -diesen Büchern waltet: sie stehen ungefähr auf der Stufe der modernen -Hintertreppenromane. Aber die „albernen Dinge“ (wie die einschreitenden -Behörden die Volksbücher nannten) waren manchen Leuten noch nicht -albern genug; so konnte es geschehen, daß das Volksbuch vom gehörnten -Siegfried zweimal noch weiter heruntergezogen wurde: 1783 verbreiterte -es ein <span class="antiqua">Dr.</span> Kindleben zu einem zweibändigen Volksroman von mehr -als 550 Seiten, und noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts erschien -eine Neubearbeitung unter folgendem bezeichnenden<span class="pagenum" id="Seite_122">[S. 122]</span> Titel: „Siegfried -und Florigunde. Oder: durch Gefahren wird die Tugend gestärkt, und -die Ausdauer in derselben belohnt. Eine mährchenhafte Historie von -den Abenteuern, welche Siegfried der Ungehörnte wegen der schönen -Florigunde bestanden hat. Erster Teil. Ganz umgearbeitet, neu aufgelegt -und in ein heilsames Lesebuch verwandelt.“ <span class="antiqua">Sapienti sat.</span> Vor dem -angekündigten zweiten Teile scheint das Publikum bewahrt geblieben zu -sein. Das Buch blieb der letzte direkte Ausläufer des alten Stoffes; -mit dem inzwischen bereits eingeleiteten Wiedererwecken desselben hat -es keinen Zusammenhang.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_123">[S. 123]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="VIII"><span class="s5">VIII.</span><br /> -<b>Erneuerung der Kenntnis des alten Stoffes seit dem 18. Jahrhundert.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>er erste, der dafür tätig gewesen ist, daß wir wieder Geschmack und -Interesse für unsere ältere Literatur bekommen haben, und der deshalb -nicht vergessen werden darf, obgleich ihn seine jüngern Zeitgenossen -(im allgemeinen unverdienter Weise) viel geschmäht und dadurch fast -der Vergessenheit überliefert haben, ist Gottsched. Er hat 1752 dem -Heldenbuch und dem Hürnen Seifrid gelehrte Beachtung geschenkt; vom -Nibelungenliede weiß er noch nichts. Das lag damals noch für Gelehrte -und Ungelehrte im Staube der alten Bibliotheken vergraben. Erst drei -Jahre nach dieser ersten Betätigung Gottscheds auf dem Gebiete unserer -alten Literatur entdeckte ein junger Mediziner, Namens Obereit, -bei einem Besuche des Schlosses Hohenems in Vorarlberg 1755 am 29. -Juni die von uns jetzt mit <span class="antiqua">C</span> bezeichnete Handschrift des -Nibelungenliedes, und von diesem Augenblicke an ist das Gedicht neu -belebt, denn durch Obereit ward Bodmer, der Führer der Schweizer im -Streite wider Gottsched, bekannt mit der Handschrift und gab einen -Teil von ihr heraus: 1757 ließ er den zweiten Teil des Liedes samt -der Klage von einem zufälligen Punkte an, nämlich vom Wiedereinsetzen -des Textes nach der letzten Lücke von <span class="antiqua">C</span> (Str. 1682 Holtzmann) -an, abdrucken. Den fehlenden Eingang hat er durch eine eigene -mittelhochdeutsche Reimerei ersetzt, die ihm natürlich mißglückt ist. -Die Ausgabe trägt den Titel: „Chriemhilden Rache, und die Klage; -zwey Heldengedichte aus dem schwäbischen Zeitpuncte“. <a id="Neubearbeitung"></a>Viel Erfolg -hat sie freilich nicht gehabt, obgleich Bodmer selbst noch für die -erste neuhochdeutsche Bearbeitung gesorgt hat: im Jahre 1767, also -zehn Jahre später, veröffentlichte er unter dem Titel „Die Rache<span class="pagenum" id="Seite_124">[S. 124]</span> der -Schwester“ eine Übertragung des mittelhochdeutschen Textes seiner -Ausgabe in deutsche, wenig glücklich gebaute Hexameter. Wenn auch -damit nicht allzuviel für das Lied geschehen war, so war doch ein -Schritt getan, auf dem weiter gebaut werden konnte; das Interesse war -geweckt. Nach kaum einem Menschenalter ist ein jüngerer Gelehrter, ein -Schüler Bodmers, Myller, in der Lage, nicht bloß das Nibelungenlied, -und zwar vollständig, sondern eine größere Anzahl von Gedichten aus -dem deutschen Mittelalter in einer Sammlung herausgeben zu können, auf -die bereits hervorragende Personen subskribieren, und die sich sogar -an die höchsten Stellen wendet: Myller erbat und erhielt noch 1780 -von König Friedrich II. von Preußen die Erlaubnis, ihm das Sammelwerk -zueignen zu dürfen. Im Jahre 1782 erschien daher als erstes Stück der -Myllerschen Sammlung die erste vollständige Ausgabe: „Der Nibelungen -Liet, ein Rittergedicht aus dem XIII. oder XIV. Jahrhundert. Zum -ersten Male aus der Handschrift ganz abgedruckt“. Myller legte Bodmers -Ausgabe zugrunde und fügte den ersten Teil aus einer Bodmer gehörigen -Abschrift hinzu; als Bodmer sich seinerzeit diese Ergänzung zu seinem -Texte aus Hohenems verschaffte, war aber ein Irrtum untergelaufen: in -Hohenems lagen ja zwei Handschriften, nämlich außer <span class="antiqua">C</span>, auf der -Bodmers Ausgabe beruht, noch <span class="antiqua">A</span>; letztere wurde zufälligerweise -zur Ergänzung benutzt, und so stellt sich die erste vollständige -Nibelungen-Ausgabe in ähnlicher Art als Mischtext dar, wie es um 1300 -mit der Gruppe <span class="antiqua">Db</span> und um 1450 mit der Bearbeitung <span class="antiqua">k</span> -der Fall war. Daß die Handschriften <span class="antiqua">C</span> und <span class="antiqua">A</span> im Texte -ziemlich weit voneinander abstehen, konnte man um 1780 noch nicht -beurteilen. Das Werk war, wie gesagt, keinem Geringern gewidmet als -Friedrich dem Großen, und ihm natürlich auch ein Exemplar übersandt -worden. Dafür hat sich der König in einem höchst charakteristischen und -eigentümlichen Briefe bedankt, aus dem hervorgeht, daß damals die Zeit -des Verständnisses für unsere ältere Literatur noch nicht gekommen war, -am allerwenigsten Friedrich dem Großen, der ja nicht einmal an der eben -neuerblühten deutschen Literatur irgendwelchen Anteil nahm. Der Brief -lautet:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p class="mleft2">Hochgelahrter, lieber getreuer.</p> - -<p>Ihr urtheilt, viel zu vortheilhafft, von denen Gedichten, aus dem -12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert<span class="pagenum" id="Seite_125">[S. 125]</span> habet, und zur -Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner -Einsicht nach, sind solche, nicht einen Schuß Pulver, werth; und -verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit, gezogen zu -werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens, würde Ich, dergleichen -elendes Zeug, nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon -eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal, in der dortigen -großen Bibliothec, abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem -nicht, Euer sonst gnädiger König</p> - -<p>Potsdam, d. 22. Februar 1784. <span class="rght">Frch.</span></p> - -</div> - -<p>Der Brief wird auf der Züricher Bibliothek unter Glas und Rahmen -aufbewahrt. Er ist geschrieben nach Vollendung des ersten Bandes der -Sammlung, der außer den Nibelungen noch die Eneit, den Parzival und -den Armen Heinrich enthält, bezieht sich also nicht ausschließlich auf -unser großes Epos (der König spricht ja auch von „denen Gedichten“); -man hat deshalb neuerdings geglaubt, die Nibelungen von des Königs -hartem Urteil entlasten zu dürfen. Allein das ist vergebliches Bemühen: -sie gehören eben gleich als erstes mit zu „denen Gedichten“, und es -wäre sehr merkwürdig, wenn Friedrich bei seiner, wenn auch einseitigen, -doch offenbar ehrlichen Kenntnisnahme gerade am ersten Stücke -vorübergegangen wäre. Vom Standpunkte des Königs Friedrich ist diese -Mißachtung unsers Gedichts wohl zu verstehen, denn wir müssen erst von -seinen Anschauungen hinweg über Goethe bis in die Romantik hinein, ehe -wir wirklich Interesse und Geschmack für unsere alte Vergangenheit -erwarten dürfen.</p> - -<p>Wichtig für die weitere Entwicklung unserer Kenntnis des alten Liedes -sind die Vorlesungen, die August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1802 -und 1803 in Berlin gehalten hat. Diese Vorlesungen sind zwar nicht -gedruckt worden, allein es wohnte ihnen ein Mann bei, der dann sein -ganzes Leben der Germanistik und in erster Linie dem Nibelungenliede -gewidmet hat, Friedrich Heinrich von der Hagen. Er hat zuerst im Jahre -1807 den Versuch gemacht, eine Erneuung des Liedes zu schaffen, d. -h. die alte Sprachform der neuhochdeutschen im äußern Gewande, der -Orthographie, vielleicht auch in der Wortwahl, so weit anzunähern, -daß man den alten Text zur Not mit Verständnis lesen<span class="pagenum" id="Seite_126">[S. 126]</span> konnte. Diese -Erneuung ist nun freilich noch keine Übersetzung; ohne Wörterbuch -kommt Hagen noch nicht aus; sie bedeutet aber einen gewaltigen Schritt -vorwärts, auch insofern, als hier zum ersten Male die strophische Form -der alten Dichtung erkannt war. 1810 ließ Hagen seine erste Ausgabe -des alten Textes erscheinen; freilich bot sie (und ebenso die bald -darauf geschaffene, eingangs erwähnte Zeunesche) noch die Myllersche -Handschriftenmischung. Doch bald darauf erkannte Hagen den bisher -obwaltenden Irrtum, und in der zweiten, 1816 erschienen Auflage -seiner Ausgabe hat er die St. Galler Handschrift (<span class="antiqua">B</span>) zugrunde -gelegt und so zum ersten Male einen authentischen Text dargeboten. In -seinem langen, bis 1856 währenden Leben hat er am Liede immer weiter -gearbeitet.</p> - -<p>Die erste kritische Ausgabe unseres Gedichtes lieferte 1826 Karl -Lachmann; er legte den von der Hohenems-Münchner Handschrift <span class="antiqua">A</span> -gebotenen Text zugrunde, weil er ihn, als den kürzesten, auch für den -ältesten hielt; alle übrigen Handschriften enthielten nach seiner -Meinung nur Überarbeitungen, also <span class="antiqua">B</span> sollte auf Grund von -<span class="antiqua">A</span>, <span class="antiqua">C</span> auf Grund von <span class="antiqua">B</span> entstanden sein usw. Mit -seiner Anschauung vom Werte der überlieferten Texte verband Lachmann -seine Theorie vom Ursprunge des Gedichtes, die er bereits 1816 in -seiner Schrift „Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von -der Nibelungen Noth“ dargelegt hatte und 1836 unter dem Titel „Zu -den Nibelungen und zur Klage: Anmerkungen“ im einzelnen ausführte. -Er nahm an, daß der Text nichts weiter sei, als die Überarbeitung -einer Sammlung von zwanzig an sich selbständigen Liedern, die im -allgemeinen inhaltlich eins auf das andere folgten und, wenn nötig, -durch eingelegte Zwischenstücke verbunden worden wären; auch glaubte -er, diese Lieder noch in allen Einzelheiten wiederherstellen zu -können. Er stützte sich bei seiner Arbeit auf das häufige Wechseln -des Tones, das er allerdings, wie man zugestehen muß, mit großer -Sicherheit herausempfunden hat, sowie auf das Vorhandensein mehrerer -Widersprüche. Von letzteren sind zwei (der bei der Verwechslung von -<span class="antiqua">Treisenmûre</span> und <span class="antiqua">Zeizenmûre</span> obwaltende und derjenige, -der Dankwarts Lebensalter betrifft) bereits vorhin -(<a href="#Treisenmure">S. 105</a> und <a href="#Dankwarts_Lebensalter">85</a>) -erörtert worden; ein dritter besteht darin, daß Günther in Str. -911 (Bartsch) die Jagd, auf der Siegfried ermordet werden soll, im -Wasgenwalde ansetzt, während sie doch dann, von Worms aus gerechnet, -jenseits des Rheines stattfindet; er erledigt sich<span class="pagenum" id="Seite_127">[S. 127]</span> nach unserer -vorhin vorgetragenen Anschauung als einfacher Schreibfehler der -Grundhandschrift der Not-Gruppe. — Ferner war Lachmann, als er -sich dem Nibelungenliede zuwandte, beeinflußt von der Homerkritik -Friedrich August Wolfs; er glaubte dessen für das griechische Altertum -gültige Anschauungen auf das deutsche Mittelalter übertragen zu -dürfen; daß dies nicht angängig ist, bedarf heute wohl kaum einer -Widerlegung. Immerhin gewährt die Liedertheorie stellenweise die -einzige Möglichkeit, Fragen, die der überlieferte Text dem gelehrten -Kritiker stellt, zu lösen, und wir haben sie selbst, wenn auch in -bescheidenem Umfange, bei der Untersuchung des Stoffes angewendet; es -ist nur keineswegs angängig, eine Lösung auf dem Wege anzustreben, daß -man nebeneinander liegende Stücke einfach wie mit einem Scherenschnitte -voneinander trennt; übereinander liegen die Schichten, die die lange -Entwicklung des Stoffes abgesetzt hat, nicht nebeneinander.</p> - -<p>Bei der Abgrenzung der echten und unechten Teile im einzelnen hat -sich Lachmann von der Vorstellung leiten lassen, daß jedes „echte“ -Lied aus einer Anzahl von Strophen bestehe, die durch sieben teilbar -sein müsse. Er hat sich darüber nicht geäußert; erst kurz nach seinem -1851 erfolgten Tode erkannte Jakob Grimm dies merkwürdige Verhältnis. -Lachmanns unbedingte Anhänger versuchten auch die Geltung der -Siebenzahl zu erhärten, doch ohne irgendwelche schlagenden Gründe.</p> - -<p>Nachdem die Meinung, daß der echte Nibelungentext allein in der -Handschrift <span class="antiqua">A</span> vorliege, ein Menschenalter hindurch unbedingt -geherrscht hatte, traten im Jahre 1854 kurz nacheinander zwei Gelehrte -mit der Ansicht hervor, daß der echte Text vielmehr durch die -Hohenems-Laßbergische Handschrift <span class="antiqua">C</span>, als die vollständigste -und inhaltlich am besten abgerundete von allen, repräsentiert werde, -<span class="antiqua">B</span> aber und gar erst <span class="antiqua">A</span> verkürzende Bearbeitungen des -in <span class="antiqua">C</span> vorliegenden Originales seien; es waren Adolf Holtzmann -(„Untersuchungen über das Nibelungenlied“) und Friedrich Zarncke („Zur -Nibelungenfrage“); sie verwarfen natürlich auch die Liedertheorie und -behaupteten einheitliche Konzeption des Gedichtes. Ihr Auftreten war -das Zeichen zum Ausbruche eines heftigen, mit großer Hitze geführten -Gelehrtenstreites; er ist begreiflich, denn während Lachmann von dem -kürzesten und schlechtesten Texte ausgegangen war, verfielen Holtzmann -und Zarncke in das entgegengesetzte Extrem, indem sie den längsten, -zweifellos<span class="pagenum" id="Seite_128">[S. 128]</span> interpolierten Text zugrunde legten (auch in ihren, zuerst -1857, bez. 1856 erschienenen Ausgaben).</p> - -<p>Einen vermittelnden Standpunkt nahm zuerst Karl Bartsch ein; nachdem -er ihn bereits 1862 auf einer Philologenversammlung geltend gemacht -hatte, legte er ihn im einzelnen dar in seinen 1865 erschienenen -„Untersuchungen über das Nibelungenlied“. Nach seiner Meinung ist -der Originaltext verloren; wir besitzen nur zwei zu Ende des 12. -Jahrhunderts entstandene und im wesentlichen durch die Handschriften -<span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> repräsentierte Überarbeitungen desselben; diese -Überarbeitungen sollen durch den Umstand veranlaßt sein, daß das -Original in seiner Reimtechnik noch ziemlich unvollkommen gewesen -sei; die fortgeschrittenere Kunst des ausgehenden 12. Jahrhunderts -habe reinere Reime verlangt und dadurch zwei Männer, die voneinander -nichts wußten, bewogen, das Original im wesentlichen reimbessernd zu -überarbeiten.</p> - -<p>Bartschs Theorie hat sich viel Anhänger erworben, besonders in der -Anschauung, daß die Handschrift <span class="antiqua">B</span> zwar nicht das Original, -wohl aber einen diesem sehr nahestehenden Text biete; dagegen hat die -Meinung, daß Reimungenauigkeit die Ursache der doppelten Überarbeitung -sei, fortgesetzt an Boden verloren, weil 1) die große Mehrzahl aller -Reime beiden Bearbeitungen eigen ist, also aus dem Original stammt, -aber auch ohne Tadel ist, und 2) Bartsch so verfährt, als ob jede -Abweichung der beiden Texte voneinander lediglich durch ungenauen Reim -des Originals veranlaßt sein könnte. In dieser Beziehung ist Bartschs -Theorie durch Hermann Paul („Zur Nibelungenfrage“, 1876) wesentlich -modifiziert worden; er gibt zwar zu, daß <span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> -Paralleltexte sind, die auf ein verlorenes Original zurückweisen, -lehnt aber die Begründung der Abweichungen auf Reimungenauigkeiten des -Originals ab.</p> - -<p>Wesentlich gefördert, besonders in bezug auf die Bestimmung -aller einzelnen Handschriften, ist neuerdings unsere Kenntnis -worden durch die schon erwähnte Schrift von Wilhelm Braune „Die -Handschriftenverhältnisse des Nibelungenliedes“ (1900); auch ihm -sind <span class="antiqua">B</span> und <span class="antiqua">C</span> im wesentlichen Paralleltexte, doch -steht nach seiner Meinung <span class="antiqua">B</span> dem Original so nahe, daß es für -dasselbe gelten kann; <span class="antiqua">C</span> dagegen ist für Braune eine allmählich -entstehende planmäßige Überarbeitung: ihr Autor soll längere Zeit an -ihr tätig gewesen sein, die erste Stufe seiner Arbeit in <span class="antiqua">d</span> und -ihren nächsten Verwandten, die zweite desgleichen in <span class="antiqua">I</span> und -die vollendete erst in<span class="pagenum" id="Seite_129">[S. 129]</span> <span class="antiqua">C</span> uns vorliegen; es ist die vorhin -eingehend erörterte, schwierig zu beurteilende Handschriftengruppe Id, -die Braune zu dieser immerhin seltsamen Anschauung veranlaßt hat. Wie -diese Gruppe auch einzuordnen sein mag, jedenfalls steht heutzutage -fest, daß <span class="antiqua">B</span> dem Originale des Gedichtes am nächsten steht, daß -<span class="antiqua">C</span> stark überarbeitet ist, und daß <span class="antiqua">A</span> auf irgendwelchen -selbständigen Wert keinerlei Anspruch machen kann; alles übrige mag -immer noch nach subjektivem Empfinden beurteilt werden.</p> - -<p>Es konnte an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, alle Arbeiten zu -erwähnen, die unsere Kenntnis von Nibelungenlied und Nibelungensage -gefördert haben; nur die Marksteine der Entwicklung unserer Kenntnis -sollten hervorgehoben werden, und das ist geschehen, soweit die -wissenschaftliche Seite in Frage kommt; nicht geringer aber ist das -Verdienst derjenigen, die in erster Linie dahin gewirkt haben, die alte -Dichtung unserm Volke wieder näher zu bringen, der Übersetzer und der -modernen Bearbeiter. Von jenen erwähne ich nur Karl Simrock, der seine -Übersetzung bereits 1827 erscheinen ließ; heute (1906) liegt sie in -58. Auflage vor; sie ist diejenige, die sich am treuesten von allen -dem Original anschmiegt, und deshalb besonders geeignet zur ersten -Einführung in das Verständnis des alten Gedichtes. Daher habe ich sie -1909 für Meyers Klassiker-Ausgaben neu herausgegeben, sowie mit einer -Einleitung und den Text Schritt für Schritt begleitenden Anmerkungen -versehen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_130">[S. 130]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="IX"><span class="s5">IX.</span><br /> -<b>Die wichtigsten modernen Bearbeitungen der Sage.</b></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">S</span>eit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine ganze Reihe von Dichtern -ihre Stoffe aus dem alten Liede und aus den verwandten Gebieten -entnommen; in moderner, freier Weise sind sie unter Bewahrung ihrer -dichterischen Selbständigkeit auf Grund der alten Sage dichterisch -wirksam gewesen; sie alle hier aufzuzählen und durchzusprechen, wäre -ganz unmöglich; nur die drei bedeutendsten, Richard Wagner, Friedrich -Hebbel und Wilhelm Jordan, sollen erwähnt und gewürdigt werden. In -der Reihenfolge wie sie eben genannt sind, haben sie ihre Texte -verfaßt, aber ihre Wirkung hat sich in ganz anderer Folge geltend -gemacht. Wagner war unter ihnen der erste, der sich als moderner -Dichter des alten Stoffes bemächtigte. Er hat sein dramatisches -Gedicht „der Ring des Nibelungen“ im Jahre 1853 vollendet, in der -Zeit seines Aufenthaltes in Zürich, als er infolge seiner Beteiligung -an der Dresdener Revolution in der Verbannung lebte. In Zürich stand -er in Beziehung zu den Gelehrten der Universität, besonders dem -Germanisten Ludwig Ettmüller; man erkennt aus der Art, wie Wagner den -Stoff angreift, sehr deutlich den damaligen Stand der Wissenschaft, -insbesondere der Sagenforschung. Wagner ist durchaus von ihm abhängig, -ein Umstand, aus dem man Wagner natürlich keinen Vorwurf machen kann. -Eher kann man ihm vorwerfen, daß er (obgleich er als Dichter das Recht -dazu hat) gar so willkürlich mit dem Stoffe umspringt. Er hat die -Erzählung auf der einen Seite nur bis Siegfrieds Tod durchgeführt, -so daß der ganze grandiose zweite Teil vollständig wegfällt; auf -der andern Seite hat er die Geschichte der Siegfriedsage, verführt -durch die damalige Anschauung der Mythenforscher, in die Göttersage -hinaufgehoben.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_131">[S. 131]</span></p> - -<p>Sein Werk besteht aus vier Teilen: Dem Vorspiel „Rheingold“ und den -drei Teilen der Trilogie „Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. -— Im „Rheingold“ schildert Wagner im Anschluß an die Darstellung -der Edda, aber unter ganz freier Umgestaltung dieser Geschichte, die -Herkunft des Ringes. Dieser Ring ist das wesentlichste Stück des -Hortes, denn er kann den Hort immer neu gebären; solange der Ring -existiert, wird der Hort nicht kleiner. „Der Ring des Nibelungen“ -heißt Wagners Gedicht. Der Nibelunge, den der Titel meint, ist der -ursprüngliche Besitzer des Rings. Im „Rheingold“ also wird erzählt, wie -diesem ursprünglichen Besitzer, der ein Abbild des Zwerges Andvari der -Edda ist, der Hort entrissen wird.</p> - -<p>In der „Walküre“ wird entwickelt, wie die Walküre Brynhild dazu -kommt, sich Wodans Willen zu widersetzen, so daß sie vom Gotte -bestraft und in Schlaf versenkt wird; diese von uns als jüngste -Fassung charakterisierte Form der Brynhild-Geschichte hat Wagner als -Grundlage gewählt, weil der Gott hier tätig eingreift; Wagner geht von -der Voraussetzung aus, daß die Beziehungen der Nibelungensage zu den -Göttern alt seien; ja, er hat die Entwicklung der Nibelungengeschichte -direkt als einen Teil der Entwicklung der Göttergeschichte hingestellt.</p> - -<p>Im zweiten Hauptteile „Siegfried“ wird dann geschildert, wie der junge -Siegfried aufwächst, den Drachen tötet und die Walküre befreit.</p> - -<p>Im dritten Teile sehen wir ihn zunächst die Walküre verlassen und dann -plötzlich in die Gewalt der Gegner verfallen, die dargestellt werden -als echte Nibelungen, als Angehörige des ursprünglichen Besitzers -des Ringes. „Götterdämmerung“ heißt dieser letzte Teil, weil mit dem -Untergange Siegfrieds der Untergang der alten Götterwelt nach Wagners -Auffassung besiegelt ist; unter „Götterdämmerung“ versteht man infolge -eines seltsamen Irrtums die Eschatologie der Nordgermanen. Ursprünglich -lautet das Wort, das man sich mit „Götterdämmerung“ wiederzugeben -gewöhnt hat, <span class="antiqua">ragna rok</span>, d. i. Götterschicksal, also ein ganz -passender Ausdruck für das, was man sich in der spätnordischen Zeit -kurz vor Einführung des Christentums als Entwicklung der Götterwelt -dachte; später mißverstand man ihn, weil man nicht mehr <span class="antiqua">ragna -rok</span> las, sondern <span class="antiqua">ragna rökkr</span>, d. i. Götterverfinsterung; -diesen an sich kaum verständlichen Ausdruck hat man im Deutschen -mit „Götterdämmerung“ wiedergegeben;<span class="pagenum" id="Seite_132">[S. 132]</span> so hat dies Wort den Sinn von -„Weltuntergang“ erlangt.</p> - -<p>Was das Formale bei Wagner angeht, so hat er seine Dichtung in -stabreimenden Versen abgefaßt, und zwar wechselt er nach Belieben, -aber geleitet von einem bestimmten rhythmischen Gefühl zwischen zwei- -und dreihebigen stabreimenden Versen ab. Daß er in der Behandlung der -einmal gewählten Form glücklich gewesen ist, kann man nicht behaupten. -Gewiß würde Wagners Dichtung schwerlich irgendwelchen Einfluß erlangt -haben, wenn Wagner nur Dichter, nicht auch der große Komponist gewesen -wäre. Aber die Komposition des Ringes ist erst mehr als 20 Jahre später -bekannt geworden: zum ersten Male wurde sie in Baireuth im August 1876 -vorgeführt. Mit dieser seiner so wirkungsvollen Komposition hat Wagner -allerdings für die Wiederbelebung des Interesses an der alten Sage das -Höchste beigetragen, durch sein großes Tonwerk hat er für sie wohl am -allertiefsten und mächtigsten gewirkt. Um so mehr darf man bedauern, -daß er, unbeschadet wundervoller Einzeldarstellung (besonders im -Siegfried), dem Geiste der alten Sage so wenig gerecht geworden ist.</p> - -<p>Der nächste, der sich an den alten Stoff gewagt hat, ist Hebbel. Er -ließ im Jahre 1862 die große Dichtung „Die Nibelungen“ erscheinen, -abermals ein Drama; es umfaßt ein Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ und -zwei fünfaktige Trauerspiele „Siegfrieds Tod“ und „Kriemhilds Rache“. -„Siegfrieds Tod“ entspricht im wesentlichen dem ersten, „Kriemhilds -Rache“ im wesentlichen dem zweiten Teile unseres Nibelungenliedes. -Im Vorspiel „Der gehörnte Siegfried“ wird nur geschildert, durchaus -im Anschluß an unser Lied, wie Siegfried in Worms erscheint und -aufgenommen wird. Der Titel „Der gehörnte Siegfried“ ist von Hebbel -natürlich unter dem Einfluß des Volksbuches gewählt. Hebbels Form ist -die seit den Zeiten unserer Klassiker im Drama übliche, der fünfhebige -Blankvers. Inhaltlich schließt sich Hebbel so genau wie nur irgend -möglich an unser Nibelungenlied an, und man kann nicht genug die -Kunst bewundern, mit der er es versteht, diesen doch manchmal recht -spröden Stoff aus dem Epischen ins Dramatische umzusetzen und damit -notwendigerweise die vielen Anstöße, die sich bei der Betrachtung des -Liedes aufdrängen, zu umgehen oder zu beseitigen. Mit virtuoser Kunst -hat Hebbel das durchgeführt, und seine Arbeit<span class="pagenum" id="Seite_133">[S. 133]</span> dürfte unter den hier -zu besprechenden bei weitem am besten gelungen sein. Vor allen Dingen -ist er möglichst treu, nimmt den Stoff, wie er gegeben ist, und tut -nicht allzuviel Eigenes hinzu. Das Hinzufügen neuer Gedanken soll -damit natürlich nicht allgemein verurteilt werden, allein es bringt -bei der Behandlung alter Stoffe doch die Gefahr mit sich, daß es von -der Grundlage fühlbar absteht und den Eindruck von grellen Mißtönen -hervorruft. Mit feiner Empfindung ist Hebbel daher im Hineinbringen -neuer, eigener Gedanken sehr sparsam verfahren; eigentlich hat er nur -zwei selbständige Zutaten gebracht: die eine besteht in der Art, wie -er Brünhilt zur Zeit, da sie als Mädchen in Island lebt, auffaßt; -ihr wird eine alte Magd, namens Fricka, an die Seite gestellt, die -sie erzogen hat und gewissermaßen die alte Zeit, das alte Heidentum, -repräsentiert; Brünhilts Person wird hauptsächlich durch das Hinzufügen -dieser Fricka in eine übernatürliche, göttliche Sphäre hinaufgehoben. -Die andre Zutat liegt in der am Schlusse der ganzen Dichtung erst -deutlicher hervortretenden Auffassung Dietrichs von Bern. Auf welche -Weise Dietrich an den Hof des Hunnenkönigs gekommen ist, läßt Hebbel -einigermaßen im unklaren; er behauptet, Dietrich sei freiwillig, -ohne durch irgendwelche äußern Umstände genötigt zu sein, an den Hof -Etzels gekommen unter dem Einfluß gewisser übernatürlicher, mythischer -Gewalten. Dietrich selbst erzählt einmal, wie er in einem Brunnen die -Stimmen der Unterirdischen belauscht habe; damit wird sein Entschluß -begründet, freiwillig in die Dienste eines andern Königs zu treten, -obgleich er selbst ein König und dem erwählten Herrn mindestens -ebenbürtig ist. Dietrich vertritt bei Hebbel die neue Zeit. Er -verwaltet in der großen Tragödie ein göttliches Richteramt und spricht -das Schlußwort:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2">Im Namen dessen, der am Kreuz erblich.</div> - </div> -</div> -</div> - -<p class="p0">Dietrich ist also bei Hebbel der Vertreter des Christentums, wie -andrerseits Brünhilt die Vertreterin des germanischen Heidentums ist. -Diese beiden Pole stellt der Dichter einander gegenüber, und als -Übergang und Verbindung beider denkt er sich die Ereignisse unseres -Liedes.</p> - -<p>Das ist im wesentlichen alles, was Hebbel aus Eigenem zu dem sonst -treu bewahrten Inhalt des Liedes hinzugetan hat; man empfindet leicht, -daß dies Wenige schon über das eigentliche<span class="pagenum" id="Seite_134">[S. 134]</span> innere Wesen der alten -Sage hinausgeht; auch Hebbel ist in seinen Zutaten nicht glücklich -gewesen, wenn er auch nicht so weit, wie vor ihm Wagner und nach ihm -Jordan, von der alten Sage abgewichen ist. Hebbels Werk wird erst -neuerdings anerkannt, doch noch lange nicht genug gewürdigt; sicher -ist er derjenige, der einerseits den alten Stoff sich am innigsten -zu eigen gemacht und andrerseits mit der größten dramatischen Kunst -zur Darstellung gebracht hat. In der Zeit, da die „Nibelungen“ -erschienen, stießen sie auf Unverstand und Übelwollen; es erschien -eine (übrigens gar nicht so üble) Parodie des Hebbelschen Werkes unter -dem Titel „Die Niegelungnen“, wenn ich nicht irre, aus der Feder des -Humoristen Glasbrenner, der sich Brennglas nannte.<a id="FNAnker_58" href="#Fussnote_58" class="fnanchor">[58]</a> Immerhin — -auch in der Verspottung liegt ein Maß von Anerkennung; Wertloses lohnt -die Mühe des Parodierens nicht; und in diesem Sinne der (vielleicht -unbeabsichtigten) Anerkennung können wir Glasbrenners Scherze wohl -gelten lassen.</p> - -<p>Der dritte namhafte moderne Bearbeiter unserer alten Sage ist Wilhelm -Jordan. Er hat im Anschluß an Homer und unter dem bewußten Bestreben, -ein deutscher Homer zu werden, die alte Sage behandelt; schon in der -äußern Form seiner Dichtung „Die Nibelunge“ erkennt man dies Streben. -Während Wagner und Hebbel Dramatiker sind, ist Jordan Epiker. Er -gliedert seinen Stoff in zwei umfangreiche Epen, „Sigfridsage“ und -„Hildebrands Heimkehr“ betitelt. Jedes dieser Epen umfaßt 24 Gesänge, -genau nach dem Vorbilde der Einteilung Homers. Die gewählte Form ist -ein freifließender Vers, stichisch wie der Hexameter des griechischen -Vorbildes; mit großem Geschick hat Jordan nicht den für das deutsche -Epos doch so fremdartig anmutenden, wenig geeigneten Hexameter gewählt, -sondern den altgermanischen stabreimenden Vers nachzubilden gesucht.</p> - -<p>Die Anlehnung an Homer ist, wie gesagt, bei Jordan bewußt; ist er doch -sogar als Rhapsode, als wandernder Sänger in Deutschland und Amerika -herumgezogen und hat seine eigenen Dichtungen vorgetragen. Und gerade -sprachlich sind sie von wunderbarer Schönheit; wenig eignet sich so zum -Vorlesen, wie Jordans „Nibelunge“ wegen der reinen Musik ihrer Sprache.</p> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_135">[S. 135]</span></p> - -<p>Was den Inhalt angeht, so hat sich Jordan in der Sigfridsage im -wesentlichen an den alten Stoff gehalten, und zwar in ziemlich -menschlicher Auffassung der alten Erzählung. Insofern ist er also der -alten Sage wohl gerecht geworden. Selbstverständlich behandelt er in -dem Gedichte „Sigfridsage“ nur ihren ersten Teil. Den zweiten hat er -als Episode in sein zweites Epos, „Hildebrands Heimkehr“, verwiesen; -in diesem hat er sich freilich hinreißen lassen, sehr viel aus Eigenem -hinzuzutun; der ganze Rahmen von „Hildebrands Heimkehr“ ist Jordansches -Eigentum, die alte Sage ist ganz frei behandelt, sogar mit Ausblicken -auf modernste Geschichte, und so geht denn „Hildebrands Heimkehr“ -weit über den Inhalt unserer Nibelungensage hinaus. — Die Dichtungen -Jordans sind erschienen: „Sigfridsage“ 1867 und 68, „Hildebrands -Heimkehr“ 1874.</p> - -<p>In der Art, wie Jordan den altgermanischen Vers auf die heutige -Sprachform anwendet, beweist er großes formales Geschick: jeder Vers -hat bei ihm vier Hebungen, die durch ein- bis zweisilbige Senkungen -getrennt sind, und ist in der Mitte durch einen Einschnitt gegliedert. -Der Stabreim verbindet (in der Regel) mindestens je eine Hebung vor -und nach dem Einschnitt miteinander; doch weicht Jordan vom Gesetz des -altgermanischen Verses insofern ab, als er nicht mehr die dritte Hebung -(d. i. die erste der zweiten Vershälfte) unter allen Umständen mit -Stabreim versieht, für den Schmuck des Verses also nicht mehr maßgebend -sein läßt; zu dieser Abweichung berechtigt Jordan die Entwicklung -unserer Sprache: altgermanische Syntax stellt bei Verbindung zweier -Nomina das höher betonte unbedingt voran; eben dies aber mußte und -muß den Stabreim tragen, soll er hörbar sein; wir ordnen heute die -Wortfolge in der Regel umgekehrt, stellen also z. B. auch ein wenig -wichtiges Adjektiv vor das zugehörige Substantiv; davon ist die -notwendige Folge, daß bei ungezwungenem Bau stabreimender Verse viel -eher die vierte Hebung wichtig wird als die dritte. Um einen Begriff -von Jordans Weise zu geben, setze ich den Eingang des ersten Gesanges -der „Sigfridsage“ hierher:</p> - -<div class="poetry-container"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent2">Zu <b>s</b>üßem Ge<b>s</b>ang, <span class="mleft2">unsterbliche <b>S</b>age,</span></div> - <div class="verse indent2">Laß <b>m</b>ich nun dein <b>M</b>und sein <span class="mleft2">voll uralter <b>M</b>ären</span></div> - <div class="verse indent2">Und <b>l</b>eg’ auf die <b>L</b>ippen <span class="mleft2">das <b>L</b>ied von Sigfrid,</span></div> - <div class="verse indent2">Dem <b>h</b>errlichen <b>H</b>elden <span class="mleft2"> mit furchtlosem <b>H</b>erzen,</span></div> - <div class="verse indent2">Der den <b>H</b>üter des <b>H</b>ortes <span class="mleft2">den <b>L</b>intwurm er<b>l</b>egte,</span></div> - </div> - <div class="stanza"> -<span class="pagenum" id="Seite_136">[S. 136]</span> - <div class="verse indent2">Durch die <b>fl</b>ammende <b>Fl</b>ur <span class="mleft2">auf <b>fl</b>üchtigem Rosse</span></div> - <div class="verse indent2">Den <b>Br</b>autritt voll<b>br</b>achte <span class="mleft2">und <b>Br</b>unhild erweckte,</span></div> - <div class="verse indent2">Die der <b>z</b>ürnende <b>G</b>ott <span class="mleft2">im <b>Z</b>auber<b>g</b>arten</span></div> - <div class="verse indent2">Zu <b>schl</b>afen ver<b>d</b>ammt <span class="mleft2">und mit <b>D</b>ornen um<b>schl</b>ossen.</span></div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Von diesen neun Versen sind drei (3., 6., 7.) dreistäbig mit nach -alter Weise herrschender dritter Hebung, drei (1., 2., 4.) dreistäbig -mit herrschender vierter Hebung. Zwei (8., 9.) haben doppelten -Stabreim, insofern als in ihnen die erste Hebung mit der dritten (bzw. -vierten), die zweite mit der vierten (bzw. dritten) gebunden ist; solch -doppelter Stabreim kommt auch in der alten Zeit vor, doch immer so, daß -gleichhochbetonte Silben gleichen Anlaut aufweisen; der Stabreim der -minder betonten erscheint als etwas Nebensächliches und Zufälliges; -nach diesem Gesichtspunkte müßte Jordan zunächst in Vers 8 die zweite -Hebung mit der dritten, in Vers 9 die erste Hebung mit der dritten -gebunden haben; die Verse sind also falsch gebaut, ihr Reim würde bei -richtigem Vortrage ohne jede Wirkung sein. Falsch gebaut ist zweifellos -auch Vers 5, dessen beide Hälften nur in sich reimen, also auseinander -klaffen.</p> - -<p>Wagner, Hebbel und Jordan sind die bedeutendsten modernen Bearbeiter -der Nibelungensage; von ihnen steht, was die glücklichste Auffassung -der alten Sage, das tiefste Eindringen in ihren Geist angeht, -zweifellos Hebbel an erster, Wagner an letzter Stelle. Allein gerade -Wagner ist es natürlich, der am meisten dazu beigetragen hat, das -Interesse am heimischen Altertum in weitesten Kreisen zu erwecken: -durch die wunderbare musikalische Komposition seines „Ringes“, die -er zum ersten Male im August 1876 dem deutschen Volke und der ganzen -Kulturwelt darbot, hat er so gewaltig für die Kenntnis der alten Sage -gewirkt, daß jeder Freund derselben ihm größten Dank schuldig ist.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_137">[S. 137]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Anhang"><b class="s5">Anhang.</b><br /> -<span class="s6">Literatur.</span></h2> - -</div> - -<p>Außer den im Verlaufe der Darstellung herangezogenen Werken sollen hier -noch diejenigen Schriften Erwähnung finden, welche am besten geeignet -sind, als Hilfsmittel zum Selbststudium zu dienen.</p> - -<p>Die umfassendste Ausgabe des Nibelungenliedes ist die von Karl -<em class="gesperrt">Bartsch</em>: Der Nibelunge Not mit den Abweichungen von der -Nibelunge Liet, den Lesarten sämtlicher Handschriften und einem -Wörterbuche. I. Teil: Text, 1870. II. Teil, erste Hälfte: Lesarten, -1876. II. Teil, zweite Hälfte: Wörterbuch, 1880. Wegen ihrer reichen -Einleitung besonders empfehlenswert ist die Ausgabe von Friedrich -<em class="gesperrt">Zarncke</em>: Das Nibelungenlied, 6. Auflage 1887; sie gibt freilich -nur den Text <span class="antiqua">C</span>, kann aber zusammen mit Karl <em class="gesperrt">Lachmanns</em> -Ausgabe (Der Nibelunge Noth und die Klage nach der ältesten -Überlieferung mit Bezeichnung des Unechten und mit den Abweichungen -der gemeinen Lesart, fünfte Ausgabe 1878) fürs erste die Ausgabe von -Bartsch vertreten. Bloße Textabdrücke nach Lachmann oder Zarncke sind -wertlos. — <em class="gesperrt">Bartsch</em> hat auch die beste Ausgabe der <em class="gesperrt">Klage</em> -geliefert (1875, mit den Lesarten sämtlicher Handschriften).</p> - -<p>Für die sog. Edda ist zu empfehlen Karl <em class="gesperrt">Hildebrands</em> Ausgabe: -Die Lieder der älteren Edda, 2. Auflage 1904, besorgt von Hugo -<em class="gesperrt">Gering</em>, und des ebengenannten mustergültige Übersetzung (in -Meyers Klassiker-Ausgaben).</p> - -<p>Die nordischen Sagatexte sind am leichtesten zugänglich durch die -„Altdeutschen und altnordischen Helden-Sagen“, übersetzt von Friedrich -Heinrich v. d. Hagen, 1. und 2. Band: Wilkina- und Niflungasaga<a id="FNAnker_59" href="#Fussnote_59" class="fnanchor">[59]</a> -(3. Ausgabe 1872), 3. Band: Wolsunga- und<span class="pagenum" id="Seite_138">[S. 138]</span> Ragnarssaga (2. Auflage, -besorgt von Anton Edzardi, 1880). Sie alle sind in deutscher Wiedergabe -auch enthalten in dem umfassenden Werke von August <em class="gesperrt">Raßmann</em>, -„Die deutsche Heldensage“ (2. Ausgabe 1863); seiner Reichhaltigkeit -wegen ist dies Buch sehr zu empfehlen, doch kann man es nur mit größter -Vorsicht benutzen, da Raßmann den Stoff nach vorgefaßten haltlosen -Meinungen willkürlich geordnet hat.</p> - -<p>Von Schriften über Lied und Sage seien außer den gelegentlich -zitierten erwähnt: Karl <em class="gesperrt">Müllenhoff</em>, Zur Geschichte der -Nibelungensage (Zeitschrift für deutsches Altertum, Band X, 1855); -Wilhelm <em class="gesperrt">Wilmanns</em>, Beiträge zur Erklärung und Geschichte des -Nibelungenliedes, 1877; Emil <em class="gesperrt">Kettner</em>, Die österreichische -Nibelungendichtung, 1897, und besonders Wilmanns’ eingehende, an feinen -Bemerkungen reiche Besprechung des Lichtenbergerschen Buches <span class="antiqua">Le -poème et la légende des Nibelungen</span> (im Anzeiger für deutsches -Altertum, Band XVIII, 1892); endlich <em class="gesperrt">Boer</em>, Untersuchungen -über den Ursprung und die Entwicklung der Nibelungensage, 3 Bände, -1906–9. Eine gute Übersicht über die Bibliographie gibt jetzt -Theodor <em class="gesperrt">Abeling</em>, Das Nibelungenlied und seine Literatur, -1907, dazu ein Supplement 1909; eine glänzende Einführung in die -Geschichte des Auferstehens des alten Epos bietet Josef <em class="gesperrt">Körner</em>, -Nibelungenforschungen der deutschen Romantik, 1911.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum" id="Seite_139">[S. 139]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Namenregister"><b class="s5">Namenregister.</b></h2> - -</div> - -<p class="s5 center"><b>Die Zahlen bedeuten die Seiten.</b></p> - -<ul class="index"> - -<li class="ifrst">A</li> - -<li class="indx">Abeling, Theodor <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">Aetius <a href="#Seite_67">67</a>.</li> - -<li class="indx">Agnar <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx">Alberich <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_39">39</a>.</li> - -<li class="indx">Aldrian <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_92">92</a>.</li> - -<li class="indx">Alf <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_20">20</a>.</li> - -<li class="indx">Alphart <a href="#Seite_118">118</a>.</li> - -<li class="indx">Alsvinn <a href="#Seite_22">22</a>.</li> - -<li class="indx">Alzei <a href="#Seite_49">49</a>.</li> - -<li class="indx">Ambras, Schloß <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Amelreich <a href="#Seite_47">47</a>.</li> - -<li class="indx">Ammius <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Andvari <a href="#Seite_19">19</a>, <a href="#Seite_131">131</a>.</li> - -<li class="indx">Arnulf, König <a href="#Seite_3">3</a>.</li> - -<li class="indx">Aslaug <a href="#Seite_21">21</a>, <a href="#Seite_29">29</a>.</li> - -<li class="indx">Athanagild <a href="#Seite_74">74</a>, <a href="#Seite_75">75</a>.</li> - -<li class="indx">Atli <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_24">24</a>, <a href="#Seite_26">26 ff.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx">Attila <a href="#Seite_9">9</a>, <a href="#Seite_53">53</a>, <a href="#Seite_56">56</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_67">67 ff.</a>, <a href="#Seite_82">82 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_88">88 f.</a>, <a href="#Seite_91">91 f.</a>, <a href="#Seite_95">95 f.</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="ifrst">B</li> - -<li class="indx">Bartsch, Karl <a href="#Seite_51">51</a>, <a href="#Seite_55">55</a>, <a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_126">126</a>, <a href="#Seite_128">128</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx">Bayreuth <a href="#Seite_132">132</a>.</li> - -<li class="indx">Bechelaren <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Berlin <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_125">125</a>.</li> - -<li class="indx">Bikki <a href="#Seite_28">28</a>.</li> - -<li class="indx">Bleda <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_95">95</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Bleyer <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx">Blödel <a href="#Seite_51">51</a>, <a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Bodmer <a href="#Seite_123">123 f.</a></li> - -<li class="indx">Boer <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">Borghild <a href="#Seite_17">17</a>.</li> - -<li class="indx">Bragi der Alte <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx">Braune, Wilhelm <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_103">103</a>, <a href="#Seite_128">128 f.</a></li> - -<li class="indx">Bremen <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx">Brünhilt <a href="#Seite_37">37 ff.</a>, <a href="#Seite_73">73</a>, <a href="#Seite_75">75</a>, <a href="#Seite_85">85 ff.</a>, <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx">Brunichild <a href="#Seite_74">74 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_89">89</a>.</li> - -<li class="indx">Brüssel <a href="#Seite_80">80</a>.</li> - -<li class="indx">Brynhild <a href="#Seite_6">6 ff.</a>, <a href="#Seite_21">21 ff.</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_59">59 ff.</a>, <a href="#Seite_76">76</a>, <a href="#Seite_90">90</a>, <a href="#Seite_131">131</a>.</li> - -<li class="indx">Busch <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="ifrst">C</li> - -<li class="indx">Charibert <a href="#Seite_74">74</a>.</li> - -<li class="indx">Cherka <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Childebert <a href="#Seite_75">75</a>.</li> - -<li class="indx">Childebrand <a href="#Seite_79">79</a>.</li> - -<li class="indx">Chilperich <a href="#Seite_74">74 ff.</a></li> - -<li class="indx">Chloderich <a href="#Seite_77">77</a>.</li> - -<li class="indx">Chlodowech <a href="#Seite_74">74</a>, <a href="#Seite_77">77</a>.</li> - -<li class="indx">Chlothachari I. <a href="#Seite_74">74</a>.</li> - -<li class="indx">Chlothachari II. <a href="#Seite_75">75</a>.</li> - -<li class="ifrst">D</li> - -<li class="indx">Dankrat <a href="#Seite_33">33</a>.</li> - -<li class="indx">Dankwart <a href="#Seite_37">37</a>, <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_50">50 ff.</a>, <a href="#Seite_61">61 f.</a>, <a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_110">110</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx">Dietlind <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx">Dietmar <a href="#Seite_96">96 f.</a></li> - -<li class="indx">Dietrich von Bern <a href="#Seite_11">11 f.</a>, <a href="#Seite_48">48 f.</a>, <a href="#Seite_51">51 f.</a>, <a href="#Seite_54">54 ff.</a>, <a href="#Seite_60">60 ff.</a>, <a href="#Seite_93">93</a>, <a href="#Seite_96">96 ff.</a>, -<a href="#Seite_111">111</a>, <a href="#Seite_118">118 ff.</a>, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx">Donaueschingen <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Dülmen <a href="#Seite_101">101</a>.</li> - -<li class="ifrst">E</li> - -<li class="indx">Eberhard der Greiner <a href="#Seite_32">32</a>.</li> - -<li class="indx">Eckehard I. <a href="#Seite_81">81 ff.</a>, <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx">Eckewart <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_100">100</a>.</li> - -<li class="indx">Eisenach <a href="#Seite_118">118</a>.</li> - -<li class="indx">Elba <a href="#Seite_1">1</a>.</li> - -<li class="indx">Else <a href="#Seite_47">47</a>.</li> - -<li class="indx">Erka <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Ermanarich <a href="#Seite_28">28</a>, <a href="#Seite_94">94 f.</a>, <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="indx">Ermanfrid <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx">Ermenrich <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_96">96</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Ernst, Herzog <a href="#Seite_107">107</a>.</li> - -<li class="indx">Erp <a href="#Seite_27">27 f.</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_140">[S. 140]</span> -Ettmüller, Ludwig <a href="#Seite_130">130</a>.</li> - -<li class="indx">Etzel <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_44">44 ff.</a>, <a href="#Seite_48">48 ff.</a>, <a href="#Seite_55">55 ff.</a>, <a href="#Seite_63">63 f.</a>, <a href="#Seite_84">84</a>, <a href="#Seite_97">97 ff.</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_111">111</a>, -<a href="#Seite_115">115</a>, <a href="#Seite_120">120</a>, <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx">Etzelnburg <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_64">64</a>.</li> - -<li class="ifrst">F</li> - -<li class="indx">Fafnir <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_18">18 ff.</a>, <a href="#Seite_25">25</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_59">59</a>.</li> - -<li class="indx">Fitela <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Florigunda <a href="#Seite_121">121 f.</a></li> - -<li class="indx">Fortunatus <a href="#Seite_74">74</a>.</li> - -<li class="indx">Fredegund <a href="#Seite_74">74 ff.</a></li> - -<li class="indx">Fricka <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx">Friedrich II., Kaiser <a href="#Seite_116">116</a>.</li> - -<li class="indx">Friedrich II. von Preußen <a href="#Seite_124">124 f.</a></li> - -<li class="ifrst">G</li> - -<li class="indx">Gailswinth <a href="#Seite_74">74 ff.</a></li> - -<li class="indx">Gelfrat <a href="#Seite_47">47</a>.</li> - -<li class="indx">Gering, Hugo <a href="#Seite_13">13 f.</a>, <a href="#Seite_21">21</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx">Gernot <a href="#Seite_54">54</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_94">94</a>.</li> - -<li class="indx">Gernoz <a href="#Seite_94">94</a>.</li> - -<li class="indx">Gertrud, Hl. <a href="#Seite_80">80</a>.</li> - -<li class="indx">Gibaldus <a href="#Seite_121">121</a>.</li> - -<li class="indx">Gibeche <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx">Gibica <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_68">68</a>, <a href="#Seite_69">69</a>.</li> - -<li class="indx">Gibich <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_68">68</a>, <a href="#Seite_82">82</a>, <a href="#Seite_121">121</a>.</li> - -<li class="indx">Giselher <a href="#Seite_35">35</a>, <a href="#Seite_48">48 f.</a>, <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_68">68 f.</a></li> - -<li class="indx">Gislaharius <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx">Gjuki <a href="#Seite_13">13</a>, <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx">Glasbrenner <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx">Goar <a href="#Seite_66">66</a>.</li> - -<li class="indx">Goethe <a href="#Seite_125">125</a>.</li> - -<li class="indx">Gottsched <a href="#Seite_123">123</a>.</li> - -<li class="indx">Gran <a href="#Seite_45">45</a>.</li> - -<li class="indx">Gregor von Tours <a href="#Seite_74">74</a>.</li> - -<li class="indx">Grimhild <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_61">61 f.</a>, <a href="#Seite_69">69 f.</a>, <a href="#Seite_76">76</a>, <a href="#Seite_87">87 ff.</a>, <a href="#Seite_91">91 ff.</a></li> - -<li class="indx">Grimilda <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx">Grimm, Jakob <a href="#Seite_127">127</a>.</li> - -<li class="indx">Gripir <a href="#Seite_6">6</a>.</li> - -<li class="indx">Gudorm <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_25">25</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_89">89</a>.</li> - -<li class="indx">Gudrun <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_27">27 ff.</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_51">51</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_70">70</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_90">90</a>, <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Gundaharius <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx">Gundebad <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx">Gundicarius <a href="#Seite_66">66 ff.</a>, <a href="#Seite_76">76 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>.</li> - -<li class="indx">Gundomar <a href="#Seite_68">68 f.</a></li> - -<li class="indx">Gunnar <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_39">39</a>, <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_81">81</a>, <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx">Gunthchramn <a href="#Seite_74">74</a>, <a href="#Seite_76">76</a>.</li> - -<li class="indx">Günther <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_33">33 ff.</a>, <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_52">52</a>, <a href="#Seite_54">54 f.</a>, <a href="#Seite_60">60 f.</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_67">67 f.</a>, <a href="#Seite_79">79</a>, <a href="#Seite_81">81 f.</a>, -<a href="#Seite_85">85</a>, <a href="#Seite_87">87 ff.</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="ifrst">H</li> - -<li class="indx">Hagen (von Tronje) <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_34">34 f.</a>, <a href="#Seite_37">37</a>, <a href="#Seite_42">42 f.</a>, <a href="#Seite_45">45 ff.</a>, <a href="#Seite_53">53 ff.</a>, <a href="#Seite_60">60 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81 -ff.</a>, <a href="#Seite_88">88 f.</a>, <a href="#Seite_92">92</a>, <a href="#Seite_99">99</a>, <a href="#Seite_107">107</a>, <a href="#Seite_110">110 f.</a>, <a href="#Seite_115">115</a>.</li> - -<li class="indx">Hagen, F. H. von der <a href="#Seite_125">125 f.</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx">Hamdir <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_27">27</a>, <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Harfagri, Harald <a href="#Seite_29">29</a>.</li> - -<li class="indx">Hawart <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx">Hebbel, Friedrich <a href="#Seite_130">130</a>, <a href="#Seite_132">132 ff.</a>, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx">Heimir <a href="#Seite_22">22</a>, <a href="#Seite_24">24</a>, <a href="#Seite_29">29</a>.</li> - -<li class="indx">Heinrich III. <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="indx">Heinrich der Vogler <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx">Heinrich von Ofterdingen <a href="#Seite_118">118</a>.</li> - -<li class="indx">Heinrich von Österreich <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx">Helche <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_95">95</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Helgi <a href="#Seite_17">17</a>.</li> - -<li class="indx">Henning <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx">Herche <a href="#Seite_95">95</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Hildebrand, Karl <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx">Hildiko <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_70">70</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_89">89</a>.</li> - -<li class="indx">Hiltebrand <a href="#Seite_54">54 f.</a>, <a href="#Seite_62">62</a>, <a href="#Seite_98">98 f.</a></li> - -<li class="indx">Hiltegund <a href="#Seite_82">82</a>.</li> - -<li class="indx">Hjalmgunnar <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx">Hjalprik <a href="#Seite_18">18</a>.</li> - -<li class="indx">Hjordis <a href="#Seite_17">17 f.</a></li> - -<li class="indx">Hlymdalir <a href="#Seite_22">22</a>.</li> - -<li class="indx">Hogni <a href="#Seite_23">23 ff.</a>, <a href="#Seite_69">69</a>, <a href="#Seite_81">81</a>.</li> - -<li class="indx">Högni <a href="#Seite_64">64</a>.</li> - -<li class="indx">Hohenems <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_123">123 f.</a></li> - -<li class="indx">Holtzmann, Adolf <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_123">123</a>, <a href="#Seite_127">127</a>.</li> - -<li class="indx">Homer <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx">Hönir <a href="#Seite_19">19</a>.</li> - -<li class="indx">Honorius <a href="#Seite_66">66 f.</a>, <a href="#Seite_96">96</a>.</li> - -<li class="indx">Hreidmar <a href="#Seite_18">18 f.</a></li> - -<li class="indx">Hugdietrich <a href="#Seite_117">117</a>.</li> - -<li class="indx">Hundeshagen <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="ifrst">I</li> - -<li class="indx">Idacius <a href="#Seite_67">67</a>.</li> - -<li class="indx">Iring <a href="#Seite_53">53</a>, <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx">Irnfrid <a href="#Seite_53">53</a>.</li> - -<li class="indx">Isung <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_60">60</a>, <a href="#Seite_63">63</a>.</li> - -<li class="ifrst">J</li> - -<li class="indx">Jason <a href="#Seite_73">73</a>.</li> - -<li class="indx">Jonakr <a href="#Seite_27">27</a>.</li> - -<li class="indx">Jordan, Wilhelm <a href="#Seite_87">87</a>, <a href="#Seite_130">130</a>, <a href="#Seite_134">134 ff.</a></li> - -<li class="indx"><span class="pagenum" id="Seite_141">[S. 141]</span> -Jordanes <a href="#Seite_94">94 f.</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Jormunrek <a href="#Seite_28">28</a>.</li> - -<li class="indx">Jovinus <a href="#Seite_66">66</a>.</li> - -<li class="ifrst">K</li> - -<li class="indx">Karl der Große <a href="#Seite_36">36</a>.</li> - -<li class="indx">Karl der Hammer <a href="#Seite_79">79</a>.</li> - -<li class="indx">Kerka <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Kettner, Emil <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">Kézai, Simon <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx">Kindleben <a href="#Seite_121">121</a>.</li> - -<li class="indx">Kirchheim <a href="#Seite_27">27</a>.</li> - -<li class="indx">Konrad (Abt) <a href="#Seite_105">105</a>.</li> - -<li class="indx">Konrad (Schreiber) <a href="#Seite_9">9</a>, <a href="#Seite_93">93</a>, <a href="#Seite_112">112 f.</a></li> - -<li class="indx">Konstantinopel <a href="#Seite_96">96</a>.</li> - -<li class="indx">Kopenhagen <a href="#Seite_5">5</a>.</li> - -<li class="indx">Körner, Josef <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">Kriemhilt <a href="#Seite_7">7</a>, <a href="#Seite_23">23</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_35">35 f.</a>, <a href="#Seite_40">40 ff.</a>, <a href="#Seite_48">48 ff.</a>, <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_70">70</a>, <a href="#Seite_93">93 f.</a>, <a href="#Seite_99">99 f.</a>, -<a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_110">110 f.</a>, <a href="#Seite_118">118 ff.</a></li> - -<li class="indx">Kudrun <a href="#Seite_90">90</a>, <a href="#Seite_115">115 f.</a></li> - -<li class="indx">Kürnberger <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="ifrst">L</li> - -<li class="indx">Lachmann, Karl <a href="#Seite_101">101</a>, <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_111">111 f.</a>, <a href="#Seite_126">126 f.</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx">Laßberg, Frhr. von <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Laurin, König <a href="#Seite_117">117 f.</a></li> - -<li class="indx">Laward, Knut <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx">Lazius <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Leopold I. <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx">Liudegast <a href="#Seite_36">36</a>, <a href="#Seite_42">42</a>.</li> - -<li class="indx">Liudeger <a href="#Seite_36">36</a>, <a href="#Seite_42">42</a>.</li> - -<li class="indx">Lodbrok, Ragnar <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_21">21</a>, <a href="#Seite_29">29</a>.</li> - -<li class="indx">Loki <a href="#Seite_19">19</a>.</li> - -<li class="indx">Lorsch, Kloster <a href="#Seite_105">105</a>.</li> - -<li class="indx">Lyngbye <a href="#Seite_64">64</a>.</li> - -<li class="indx">Lyngwi <a href="#Seite_17">17</a>, <a href="#Seite_20">20</a>.</li> - -<li class="ifrst">M</li> - -<li class="indx">Magnus <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx">Maihingen <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Mainz <a href="#Seite_19">19</a>, <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_105">105</a>.</li> - -<li class="indx">Maximilian I. <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_120">120</a>.</li> - -<li class="indx">Medea <a href="#Seite_73">73</a>.</li> - -<li class="indx">Meusebach <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Mimir <a href="#Seite_59">59 f.</a></li> - -<li class="indx">Müllenhoff, Karl <a href="#Seite_111">111</a>, <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">München <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Münster <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx">Myller <a href="#Seite_124">124</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="ifrst">N</li> - -<li class="indx">Napoleon <a href="#Seite_1">1</a>.</li> - -<li class="indx">Nibelung <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx">Nikolaus, Abt <a href="#Seite_19">19</a>.</li> - -<li class="indx">Nithart von Riuwental <a href="#Seite_105">105 f.</a></li> - -<li class="indx">Nivelles <a href="#Seite_80">80</a>.</li> - -<li class="indx">Nudung <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="ifrst">O</li> - -<li class="indx">Obereit <a href="#Seite_123">123</a>.</li> - -<li class="indx">Oddi <a href="#Seite_4">4</a>.</li> - -<li class="indx">Oddrun <a href="#Seite_7">7</a>.</li> - -<li class="indx">Odin <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_14">14 f.</a>, <a href="#Seite_17">17</a>, <a href="#Seite_19">19</a>, <a href="#Seite_21">21 f.</a></li> - -<li class="indx">Odoaker <a href="#Seite_96">96 f.</a></li> - -<li class="indx">Ofen (Budapest) <a href="#Seite_45">45</a>.</li> - -<li class="indx">Olaf <a href="#Seite_9">9</a>.</li> - -<li class="indx">Ortlieb <a href="#Seite_46">46</a>, <a href="#Seite_51">51 f.</a></li> - -<li class="indx">Ortnid <a href="#Seite_116">116 f.</a></li> - -<li class="indx">Otacker <a href="#Seite_96">96</a>, <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Otr <a href="#Seite_18">18 f.</a></li> - -<li class="indx">Otto der Große <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="ifrst">P</li> - -<li class="indx">Paderborn <a href="#Seite_19">19</a>.</li> - -<li class="indx">Panzer, Fr. <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx">Patafrid <a href="#Seite_82">82 f.</a></li> - -<li class="indx">Paul, Hermann <a href="#Seite_128">128</a>.</li> - -<li class="indx">Pfeiffer <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx">Pilgrim, Bischof von Passau <a href="#Seite_9">9</a>, <a href="#Seite_93">93</a>, <a href="#Seite_109">109</a>, <a href="#Seite_113">113</a>.</li> - -<li class="indx">Pipin der Ältere <a href="#Seite_80">80</a>.</li> - -<li class="indx">Pipin der Mittlere <a href="#Seite_79">79</a>.</li> - -<li class="indx">Pöchlarn <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Poitiers <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Procopius von Caesarea <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Prosper Aquitanus <a href="#Seite_67">67</a>.</li> - -<li class="ifrst">R</li> - -<li class="indx">Randver <a href="#Seite_28">28</a>.</li> - -<li class="indx">Raßmann, August <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">Ravenna <a href="#Seite_96">96 ff.</a></li> - -<li class="indx">Regin <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_18">18 ff.</a>, <a href="#Seite_59">59</a>.</li> - -<li class="indx">Reinmar der Alte <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx">Rerir <a href="#Seite_8">8</a>.</li> - -<li class="indx">Rheka <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Rieger <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx">Rietschel <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Roethe, G. <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx">Rüdeger von Bechelaren <a href="#Seite_45">45</a>, <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_50">50</a>, <a href="#Seite_52">52 ff.</a>, <a href="#Seite_97">97 ff.</a>, <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="ifrst"><span class="pagenum" id="Seite_142">[S. 142]</span> -S</li> - -<li class="indx">Sämund <a href="#Seite_5">5</a>.</li> - -<li class="indx">Santen <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx">Sarus <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Saxo Grammaticus <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Schilbung <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx">Schlegel, Aug. Wilh. <a href="#Seite_125">125</a>.</li> - -<li class="indx">Schönbach <a href="#Seite_116">116</a>.</li> - -<li class="indx">Seifrid <a href="#Seite_10">10 f.</a>, <a href="#Seite_64">64 f.</a>, <a href="#Seite_119">119</a>, <a href="#Seite_121">121</a>, <a href="#Seite_123">123</a>.</li> - -<li class="indx">Sibich <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Siefjotli <a href="#Seite_16">16 f.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Siegfrid <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_11">11</a>, <a href="#Seite_16">16</a>, <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_34">34 ff.</a>, <a href="#Seite_49">49</a>, <a href="#Seite_55">55 ff.</a>, <a href="#Seite_71">71</a>, <a href="#Seite_73">73</a>, <a href="#Seite_76">76 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81</a>, <a href="#Seite_83">83 -ff.</a>, <a href="#Seite_91">91</a>, <a href="#Seite_94">94</a>, <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_118">118 ff.</a>, <a href="#Seite_131">131 f.</a></li> - -<li class="indx">Siegwart <a href="#Seite_76">76</a>.</li> - -<li class="indx">Sîfrit <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx">Sigebert <a href="#Seite_74">74 ff.</a>, <a href="#Seite_81">81</a>.</li> - -<li class="indx">Sigelind <a href="#Seite_34">34</a>.</li> - -<li class="indx">Sigemund <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_41">41</a>, <a href="#Seite_43">43 f.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>, <a href="#Seite_84">84</a>.</li> - -<li class="indx">Siggeir <a href="#Seite_15">15 ff.</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Sigi <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_15">15</a>.</li> - -<li class="indx">Sigmund <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_15">15 ff.</a>, <a href="#Seite_20">20</a>, <a href="#Seite_58">58</a>, <a href="#Seite_60">60</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_78">78 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>.</li> - -<li class="indx">Signy <a href="#Seite_15">15 f.</a>, <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Sigrdrifa <a href="#Seite_6">6</a>, <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx">Sigurd <a href="#Seite_6">6 ff.</a>, <a href="#Seite_13">13</a>, <a href="#Seite_18">18</a>, <a href="#Seite_20">20 ff.</a>, <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_39">39 f.</a>, <a href="#Seite_76">76</a>, <a href="#Seite_81">81</a>.</li> - -<li class="indx">Simrock, Karl <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_129">129</a>.</li> - -<li class="indx">Sisibe <a href="#Seite_58">58</a>.</li> - -<li class="indx">Siward <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx">Soest <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx">Sorli <a href="#Seite_27">27</a>, <a href="#Seite_29">29</a>, <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Speier <a href="#Seite_67">67</a>.</li> - -<li class="indx">Sterzing <a href="#Seite_101">101</a>.</li> - -<li class="indx">St. Gallen <a href="#Seite_102">102</a>, <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx">Straßburg <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_117">117</a>.</li> - -<li class="indx">Sturluson, Snorri <a href="#Seite_4">4 f.</a></li> - -<li class="indx">Suanihilda <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx">Svanhild <a href="#Seite_27">27 f.</a>, <a href="#Seite_55">55</a>.</li> - -<li class="indx">Sveinsson, Brynjolf <a href="#Seite_5">5</a>.</li> - -<li class="indx">Swemmel <a href="#Seite_84">84</a>.</li> - -<li class="ifrst">T</li> - -<li class="indx">Theodemer <a href="#Seite_96">96</a>.</li> - -<li class="indx">Theodorich der Große 56, <a href="#Seite_96">96 f.</a></li> - -<li class="indx">Trajan <a href="#Seite_84">84</a>.</li> - -<li class="indx">Troja <a href="#Seite_83">83 f.</a></li> - -<li class="indx">Tronje <a href="#Seite_83">83 f.</a></li> - -<li class="indx">Troye <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx">Troyes <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx">Trünne <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx">Tryggvi <a href="#Seite_9">9</a>.</li> - -<li class="indx">Tuln <a href="#Seite_45">45</a>.</li> - -<li class="ifrst">U</li> - -<li class="indx">Uhland <a href="#Seite_32">32</a>.</li> - -<li class="indx">Ute <a href="#Seite_33">33</a>, <a href="#Seite_105">105</a>.</li> - -<li class="ifrst">V</li> - -<li class="indx">Verona <a href="#Seite_49">49</a>, <a href="#Seite_97">97</a>.</li> - -<li class="indx">Vitry <a href="#Seite_75">75</a>.</li> - -<li class="indx">Volker <a href="#Seite_49">49 f.</a>, <a href="#Seite_52">52 f.</a>, <a href="#Seite_64">64</a>, <a href="#Seite_84">84</a>, <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx">Volsung <a href="#Seite_8">8</a>.</li> - -<li class="ifrst">W</li> - -<li class="indx">Wæls <a href="#Seite_15">15</a>, <a href="#Seite_78">78</a>.</li> - -<li class="indx">Wagner, Richard <a href="#Seite_8">8</a>, <a href="#Seite_16">16 f.</a>, <a href="#Seite_130">130 ff.</a>, <a href="#Seite_134">134</a>, <a href="#Seite_136">136</a>.</li> - -<li class="indx">Wallerstein <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx">Walther <a href="#Seite_82">82 f.</a>, <a href="#Seite_86">86</a>, <a href="#Seite_115">115</a>.</li> - -<li class="indx">Werbel <a href="#Seite_84">84</a>.</li> - -<li class="indx">Wernher der Gärtner <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx">Wieland <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Wien <a href="#Seite_45">45 f.</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_109">109</a>.</li> - -<li class="indx">Wilmanns, Wilh. <a href="#Seite_138">138</a>.</li> - -<li class="indx">Witig <a href="#Seite_98">98</a>.</li> - -<li class="indx">Wodan <a href="#Seite_15">15</a>.</li> - -<li class="indx">Wolf, Friedr. Aug. <a href="#Seite_127">127</a>.</li> - -<li class="indx">Wolfdietrich <a href="#Seite_116">116 ff.</a></li> - -<li class="indx">Wolfhart <a href="#Seite_54">54</a>, <a href="#Seite_99">99</a>.</li> - -<li class="indx">Wolfram von Eschenbach <a href="#Seite_10">10</a>, <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_117">117</a>.</li> - -<li class="indx">Wolsung <a href="#Seite_15">15 f.</a></li> - -<li class="indx">Worms <a href="#Seite_33">33 ff.</a>, <a href="#Seite_41">41 ff.</a>, <a href="#Seite_48">48</a>, <a href="#Seite_57">57 f.</a>, <a href="#Seite_63">63</a>, <a href="#Seite_65">65</a>, <a href="#Seite_67">67</a>, <a href="#Seite_77">77 f.</a>, <a href="#Seite_82">82</a>, <a href="#Seite_112">112</a>, <a href="#Seite_117">117 f.</a>, -<a href="#Seite_126">126</a>, <a href="#Seite_131">131 f.</a></li> - -<li class="ifrst">X</li> - -<li class="indx">Xanten <a href="#Seite_34">34</a>, <a href="#Seite_84">84</a>.</li> - -<li class="ifrst">Z</li> - -<li class="indx">Zarncke, Friedrich <a href="#Seite_106">106</a>, <a href="#Seite_127">127</a>, <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx">Zeizenmure <a href="#Seite_105">105</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx">Zeno <a href="#Seite_96">96 f.</a></li> - -<li class="indx">Zeune, August <a href="#Seite_1">1</a>, <a href="#Seite_126">126</a>.</li> - -<li class="indx">Zürich <a href="#Seite_130">130</a>.</li> -</ul> - -<p class="s5 center padtop5 break-before"><span class="bt">Druck von Hallberg & Büchting</span><br /> -<span class="bb">(Inh.: Alfred Klepzig) in Leipzig.</span></p> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="schmal break-before"> - -<p class="s1 center"><b>Wissenschaft und Bildung</b></p> - -<p class="center">Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens</p> - -<p class="s5 center">Im Umfange von 130–180 Seiten<br /> -Geh. 1 M. Originalleinenbd. 1.25 M.</p> - -<p class="p0"><span class="drop-cap">D</span>ie Sammlung bringt aus der Feder unserer berufensten Gelehrten -in anregender Darstellung und systematischer Vollständigkeit die -Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung aus allen Wissensgebieten. -   ::   ::   ::   ::</p> - -<p class="p0">Sie will den Leser schnell und mühelos, ohne Fachkenntnisse -vorauszusetzen, in das Verständnis aktueller wissenschaftlicher -Fragen einführen, ihn in ständiger Fühlung mit den Fortschritten der -Wissenschaft halten und ihm so ermöglichen, seinen Bildungskreis zu -erweitern, vorhandene Kenntnisse zu vertiefen, sowie neue Anregungen -für die berufliche Tätigkeit zu gewinnen. Die Sammlung „<em class="gesperrt">Wissenschaft -und Bildung</em>“ will nicht nur dem Laien eine belehrende und -unterhaltende Lektüre, dem Fachmann eine bequeme Zusammenfassung, -sondern auch dem Gelehrten ein geeignetes Orientierungsmittel sein, der -gern zu einer gemeinverständlichen Darstellung greift, um sich in Kürze -über ein seiner Forschung ferner liegendes Gebiet zu unterrichten. Der -weitere Ausbau der Sammlung wird planmäßig durchgeführt. Abbildungen -werden den in sich abgeschlossenen und einzeln käuflichen Bändchen nach -Bedarf in sorgfältiger Auswahl beigegeben.</p> - -<div class="figcenter illowe1" id="blatt"> - <img class="w100" src="images/blatt.jpg" alt="" /> -</div> - -<p>Über die bisher erschienenen Bändchen vergleiche den Anhang</p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="schmal"> - -<div class="chapter"> - -<div class="s4 center"><span class="bboxm"><img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> Verlag -von Quelle & Meyer in Leipzig <img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -</span></div> - -</div> - -<p class="s1 center">Naturwissenschaftliche Bibliothek<br /> -<span class="s7 bbox vam">Geb. M. 1.80</span> für Jugend und Volk <span class="s7 bbox vam">Geb. M. 1.80</span></p> - -<p class="center">Herausgegeben von <em class="gesperrt">Konrad Höller</em> und <em class="gesperrt">Georg Ulmer</em>.<br /> -<b>Reich illustrierte</b> Bändchen im Umfange von <b>140 bis 200 Seiten</b>.</p> - -<p class="center bbox"><b>In die Liste der von den Vereinigten Jugendschriften-Ausschüssen -empfohlenen Bücher aufgenommen.</b></p> - -<p class="p0 s4"><b>Aus Deutschlands Urgeschichte.</b> Von <em class="gesperrt">G. Schwantes</em>.</p> - -<p class="s5">„Eine <em class="gesperrt">klare und gemeinverständliche Arbeit</em>, erfreulich -durch die weise Beschränkung auf die gesicherten Ergebnisse der -Wissenschaft; erfreulich auch durch den lebenswarmen Ton.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Frankfurter Zeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Der deutsche Wald.</b> Von Prof. <span class="antiqua">Dr</span>. <em class="gesperrt">M. Buesgen</em>.</p> - -<p class="s5">„Unter den zahlreichen, für ein größeres Publikum berechneten -botanischen Werken, die in jüngster Zeit erschienen sind, beansprucht -das vorliegende ganz besondere Beachtung. Es ist <em class="gesperrt">ebenso -interessant wie belehrend</em>.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Naturwissenschaftliche Rundschau.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Die Heide.</b> Von <em class="gesperrt">W. Wagner</em>.</p> - -<p class="s5">„Alles in allem — <em class="gesperrt">ein liebenswürdiges Büchlein</em>, daß wir -in die Schülerbibliotheken eingestellt wünschen möchten; denn es -gehört zu jenen, welche darnach angetan sind, unserer Jugend <em class="gesperrt">in -anregendster Weise Belehrung</em> zu schaffen.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Land- u. Forstwirtschaftl. Unterrichtszeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Im Hochgebirge.</b> Von Prof. <em class="gesperrt">C. Keller</em>.</p> - -<p class="s5">„Auf 141 Seiten entrollt der Verfasser ein so intimes, anschauliches -Bild des Tierlebens in den Hochalpen, daß man schier mehr Belehrung -<em class="gesperrt">als aus dicken Wälzern</em> geschöpft zu haben glaubt. Ein -treffliches Buch, das keiner ungelesen lassen sollte.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Deutsche Tageszeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Die Tiere des Waldes.</b> Von Forstmeister <em class="gesperrt">K. Sellheim</em>.</p> - -<p class="s5">„Die Sehnsucht nach dem Walde ist dem Deutschen eingeboren... Aber -wie wenig wird er dabei das Tierleben gewahr, das ihn da umgibt. Da -wird dieses Buch <em class="gesperrt">ein willkommener Führer und Anleiter</em> sein.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Deutsche Lehrerzeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Unsere Singvögel.</b> Von Prof. <span class="antiqua">Dr</span>. <em class="gesperrt">A. Voigt</em>.</p> - -<p class="s5">„Mit nicht geringen Erwartungen gingen wir an Professor Voigts -neuestes Buch. Aber als wir nur wenige Abschnitte gelesen, da konnten -wir mit Freude feststellen, <em class="gesperrt">daß diesmal der Meister sich selbst -übertroffen</em>. ...“</p> - -<p class="s6a right mright1">Nationalzeitung.</p> - -<p class="s6a right mtop2">Fortsetzung auf <a href="#umschlag3">Seite 3 des Umschlags</a>.</p> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="schmal"> - -<div class="chapter"> - -<div class="s4 center"><span class="bboxm"><b>Verlag von Quelle & Meyer in -Leipzig</b></span></div> - -</div> - -<p class="s1 center"><b><span class="s5">Altgermanische</span><br /> - -Religionsgeschichte</b></p> - -<p class="s3 center"><span class="s4">Von <b>Dr. Richard M. Meyer</b></span></p> - -<p class="center">a. o. Professor an der Universität Berlin</p> - -<p class="s4 center">665 S. Brosch. M. 16.— In Originalleinenband -M. 17.—</p> - -<p>Das Werk gibt zunächst eine vollständige Darstellung der -altgermanischen Religion oder besser gesagt, der altgermanischen -Religionen und versucht auf dieser Grundlage eine -Entwickelungsgeschichte der germanischen Mythologie von den frühesten -Spuren bis zum Uebergang in das Christentum. Durchweg ist dabei der -Standpunkt der <em class="gesperrt">vergleichenden</em> Mythologie (im neueren Sinne des -Wortes) eingehalten, der in zwei einleitenden Kapiteln über typische -Entwicklung der Mythologie und über mythologische Formenlehre eingehend -begründet wird. Daneben wird der Einwirkung der Heldensage auf die -Mythologie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Durch die Vereinigung -dieser verschiedenen Gesichtspunkte ergeben sich eine Fülle neuer -Probleme und neuer Erkenntnis, wodurch das Werk einen höchst wertvollen -Beitrag zur Wissenschaft vom deutschen Geist und seiner Geschichte -bildet, um so mehr, als Verfasser allen auftauchenden, historischen, -kulturgeschichtlichen, allgemein-religionsgeschichtlichen und -literarhistorischen Fragen besondere Beachtung geschenkt hat.</p> - -<p>In der Darstellung ist größte Gemeinverständlichkeit angestrebt. -Alle speziellen wissenschaftlichen Erörterungen sind in Anmerkungen -verwiesen. Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, eine chronologische -Tabelle und mehrere Register erhöhen die Benutzbarkeit des Buches.</p> - -<div class="s4 center mtop1"><span class="bboxm"><b>Prospekte unentgeltlich und -postfrei</b></span></div> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="schmal"> - -<div class="chapter" id="umschlag3"> - -<div class="s4 center mbot2 padtop1"><span class="bboxm"><img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -<img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -<img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> Naturwissenschaftliche -Bibliothek <img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -<img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -<img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -</span></div> - -</div> - -<p class="p0 s4"><b>Das Süßwasser-Aquarium.</b> Von <em class="gesperrt">C. Heller</em>.</p> - -<p class="s5">„Dieses Buch ist nicht nur ein <em class="gesperrt">unentbehrlicher Ratgeber</em> für -jeden Aquarienfreund, sondern es macht vor allen Dingen seinen Leser -mit den interessanten Vorgängen aus dem Leben im Wasser bekannt ...“</p> - -<p class="s6a right mright1">Bayersche Lehrerzeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Reptilien- und Amphibienpflege.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">P. Krefft</em>.</p> - -<p class="s5">„Die einheimischen, für den Anfänger zunächst in Betracht -kommenden Arten sind <em class="gesperrt">vorzüglich geschildert</em> in bezug auf -Lebensgewohnheiten und Pflegebedürfnisse, — die fremdländischen -Terrarientiere nehmen einen sehr breiten Raum ein.“</p> - -<p class="s6a right mright1">O. Kr. Pädagogische Reform.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Die Ameisen.</b> Von <em class="gesperrt">H. Viehmeyer</em>.</p> - -<p class="s5">„Viehmeyer ist allen Ameisenfreunden als <em class="gesperrt">bester Kenner</em> bekannt. -Von seinen Bildern kann man sagen, daß sie vom ersten bis zum letzten -Wort <em class="gesperrt">der Natur geradezu abgeschrieben</em> sind.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Thüringer Schulblatt.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Die Schmarotzer</b> der Menschen und Tiere. Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">v. -Linstow</em>.</p> - -<p class="s5">„Es ist eine unappetitliche Gesellschaft, die hier in Wort und Bild -vor dem Leser aufmarschiert. Aber gerade jene Parasiten, die unserer -Existenz abträglich sind, gerade sie verdienen, von ihm nach Form und -Wesen gekannt zu sein, weil damit der erste wirksame Schritt zu ihrer -Bekämpfung eingeleitet ist.“</p> - -<p class="s6a right mright1">K. Süddeutsche Apotheker-Zeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Unsere Wasserinsekten.</b> Von <em class="gesperrt">Georg Ulmer</em>.</p> - -<p class="s5">Für Freunde des Wassers, für Liebhaber von Aquarien ist dies Buch -geschrieben. Es bietet <em class="gesperrt">eine Fülle von Anregungen</em> und wird den -Leser veranlassen, selbst hinauszuziehen in die Natur, sie mit eigenen -Augen zu betrachten.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Die mikroskopische Kleinwelt unserer Gewässer.</b> Eine Einführung -in die Naturgeschichte der einfachsten Lebensformen nebst kurzer -Anleitung zu deren Studium. Von <em class="gesperrt">E. Reukauf</em>.</p> - -<p class="s5">„Nur wenige haben eine Ahnung von dem ungeheuren Formenreichtum und -eine auch nur annähernd richtige Vorstellung von dem Wesen jener -Mikroorganismen, die unsere Gewässer bevölkern. Als ein Schlüssel -hierzu wird das vorliegende Bändchen <em class="gesperrt">vorzüglich geeignet</em> sein....“</p> - -<p class="s6a right mright1">Deutsche Zeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Aus der Vorgeschichte der Pflanzenwelt.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">W. -Gothan</em>.</p> - -<p class="s5">An einer solchen allgemeinverständlichen Einführung in die Geschichte -der Pflanzenwelt fehlte es bisher. Der Verfasser bespricht zunächst die -geologischen Grundbegriffe, geht dann auf die Art der Erhaltung der -fossilen Pflanzenreihe ein und schildert die Vorgeschichte der großen -wichtigsten Gruppen des Pflanzenreiches der Jetzt- und Vorzeit.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Niedere Pflanzen.</b> Von Prof. <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">R. Timm</em>.</p> - -<p class="s5">„In dieser Weise führt das kleine Büchlein den Leser <em class="gesperrt">in die gesamte -Welt</em> der so mannigfachen Kryptogamen ein und lehrt ihn, sie -verständnisvoll zu beobachten.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Naturwissenschaftliche Rundschau.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Häusliche Blumenpflege.</b> Von <em class="gesperrt">Paul</em> F. F. <em class="gesperrt">Schulz</em>.</p> - -<p class="s5">„Der Stoff ist mit großer <em class="gesperrt">Übersichtlichkeit</em> gruppiert, und der -Text ist so <em class="gesperrt">faßlich</em> und <em class="gesperrt">klar</em> gehalten, außerdem durch -eine Fülle von Illustrationen unterstützt, daß auch der Laie sich -mühelos zurechtfinden kann. ... Dem Verfasser gebührt für seine reiche, -anmutige Gabe Dank.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Pädagogische Studien.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Chemisches Experimentierbuch.</b> Von <em class="gesperrt">O. Hahn</em>.</p> - -<p class="s5">Das Buch will jedem, der Lust zum chemischen Experimentieren hat, mit -einfachen Apparaten und geringen Mitteln eine Anleitung sein, für sich -selbst im Hause die richtigsten Experimente auszuführen.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Die Photographie.</b> Von <em class="gesperrt">W. Zimmermann</em>.</p> - -<p class="s5">„Das Buch behandelt die theoretischen und praktischen Grundlagen der -Photographie und bildet ein <em class="gesperrt">Lehrbuch bester Art</em>. Durch die -populäre Fassung eignet es sich ganz besonders für den Anfänger.“</p> - -<p class="s6a right mright1">„Apollo“, Zentralorgan f. Amateur- u. Fachphotogr.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Beleuchtung und Heizung.</b> Von <em class="gesperrt">J. F. Herding</em>.</p> - -<p class="s5">„Ich möchte gerade diesem Buche, seiner <em class="gesperrt">praktischen, ökonomischen -Bedeutung</em> wegen, eine weite Verbreitung wünschen. Hier liegt, vor -allem im Kleinbetrieb, noch vieles sehr im argen.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Frankfurter Zeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Kraftmaschinen.</b> Von Ingenieur <em class="gesperrt">Charles Schütze</em>.</p> - -<p class="s5">„Schützes Kraftmaschinen sollten deshalb in <em class="gesperrt">keiner -Schülerbibliothek</em>, weder an höheren noch an Volksschulen, -<em class="gesperrt">fehlen</em>. Das Büchlein gibt aber auch dem Lehrer Gelegenheit, -seine technischen Kenntnisse schnell und leicht zu erweitern.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Monatsschrift für höhere Schulen.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Signale in Krieg und Frieden.</b> Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Fritz Ulmer</em>.</p> - -<p class="s5">„Ein interessantes Büchlein, welches vor uns liegt. Es behandelt das -Signalwesen von den ersten Anfängen im Altertume und den Naturvölkern -bis zur jetzigen Vollkommenheit im Land- und Seeverkehr.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Deutsche Lehrerzeitung.</p> - -<p class="p0 s4"><b>Seelotsen-, Leucht- und Rettungswesen.</b> Ein Beitrag zur -Charakteristik der Nordsee u. Niederelbe. Von <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">F. -Dannmeyer</em>.</p> - -<p class="s5">„Mit über 100 guten Bildern interessantester Art, mit Zeichnungen und -zwei Karten versehen, führt das Buch uns das <em class="gesperrt">Schiffahrtsleben</em> -in anschaulicher, fesselnder Form vor Augen, wie es sich täglich an -unseren Flußmündungen abspielt.“</p> - -<p class="s6a right mright1">Allgemeine Schiffahrts-Zeitung.</p> - -<div class="s4 center mbot2 padtop1"><span class="bboxm"><img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei -<img class="h0_7em" src="images/deko.jpg" alt="Dekoration" /> -</span></div> - -</div> - -<hr class="full x-ebookmaker-drop" /> - -<div class="schmal"> - -<div class="chapter"> - -<p class="s1 center mtop1"><b class="antiqua">Schönste Festgeschenke</b></p> - -</div> - -<p class="s3 center"><b class="antiqua bbm">aus dem Verlage von Quelle & Meyer, Leipzig</b></p> - -<p class="s1 center">Der Sinn und Wert des Lebens</p> - -<p class="p0 s5"><span class="s3">für den Menschen der Gegenwart.</span> Von -Geheimrat <em class="gesperrt">R. Eucken</em>. 3. völlig umgearbeitete Auflage. -13. und 14. Tausend. 192 Seiten.</p> - -<p class="s5 center">In Originalleinenband M. <b>3.60</b></p> - -<p class="s1 center">Die bildende Kunst der Gegenwart</p> - -<p class="p0 s5">Von Hofrat <span class="antiqua">Dr.</span> -<em class="gesperrt">J. Strzygowski</em>. 235 S. mit zahlreichen Abbildungen.</p> - -<p class="s5 center">In Originalleinenband M. <b>4.80</b></p> - -<p class="s1 center">Geschichte der Römischen Kaiser</p> - -<p class="p0 s5">Von Geheimrat Professor <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">A. v. Domaszewski</em>. 2 Bände zu -je 332 S. mit 12 Porträts auf Tafeln in künstlerischer Ausführung u. 8 -Karten.</p> - -<p class="s5 center">In Originalleinenband je M. <b>9.—</b>, in Halbfranzband je M. -<b>11.—</b></p> - -<p class="s1 center">Unsere religiösen Erzieher</p> - -<p class="p0 s5">Eine Geschichte des Christentums in Lebensbildern, herausgegeben von -Professor Lic. <em class="gesperrt">B. Beß</em>. 2 Bände zu je 280 S.</p> - -<p class="s5 center">In Origbd. je M. <b>4.40</b></p> - -<p class="s1 center">Preußens Geschichte</p> - -<p class="p0 s5">von <em class="gesperrt">Rudolf Herzog</em>. 384 S. mit 22 farb. und schwarzen Bildern von -Professor <em class="gesperrt">Kampf</em>. Buchschmuck und Einbandzeichnung von Professor -G. Belwe.</p> - -<p class="s5 center">In Origb. M. <b>3.40</b>. Vorzugsausgabe auf Bütten M. -<b>10.—</b></p> - -<p class="s1 center">Männer und Zeiten</p> - -<p class="p0 s5">Essays zur neueren Geschichte. Von Geheimrat Prof. <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">E. -Marcks</em>. 2 Bände 640 S. 5. und 6. Tausend.</p> - -<p class="s5 center">In Originalleinenband M. <b>12.—</b>, in -Halbfranzband M. <b>16.—</b></p> - -<p class="s1 center">Große Denker</p> - -<p class="p0 s5">Eine Geschichte der Philosophie in Einzeldarstellungen. Herausgegeben -von Privatdozent <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">E. v. Aster</em>. 2 Bände zu je 320 S. -mit 8 Porträts.</p> - -<p class="s5 center">In Originallbd. M. <b>16.—</b>, in Halbfrzbd. M. -<b>20.—</b></p> - -<p class="center mtop1"><b class="antiqua bt">Ausführliche Prospekte unentgeltlich und postfrei.</b></p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center mtop3">Fußnoten:</p> - -</div> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Nordische Form des deutschen Namens Nibelunge.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_2" href="#FNAnker_2" class="label">[2]</a> Volsungar ist der im Norden gebräuchliche Geschlechtsname -des Sigurd und seiner Angehörigen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_3" href="#FNAnker_3" class="label">[3]</a> Ragnar wird verheiratet gedacht mit Aslaug, einer -hinterlassenen Tochter des Sigurd und der Brynhild.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_4" href="#FNAnker_4" class="label">[4]</a> Da sein Verfasser im Grunde nur den gedruckt vorliegenden -„Hürnen Seifrid“ umschreibt, widerspricht das Auftauchen des -Volksbuches im 18. Jahrhundert nicht der <a href="#Dreissigjaheriger_Krieg">S. 1</a> aufgestellten Behauptung, -daß die direkte volkstümliche Überlieferung im Dreißigjährigen Kriege -erloschen ist.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_5" href="#FNAnker_5" class="label">[5]</a> Die Beispiele sind entnommen aus „Die Edda“, übersetzt und -erläutert von Hugo Gering.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_6" href="#FNAnker_6" class="label">[6]</a> Odin ist die nordische Form des Namens für denselben Gott, -der in Deutschland Wodan hieß.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_7" href="#FNAnker_7" class="label">[7]</a> Wagner hat diesen Zug der Sage in der „Walküre“ benutzt, -ihn aber verschoben; bei ihm ist Siegfrieds Mutter an die Stelle der -Signy getreten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_8" href="#FNAnker_8" class="label">[8]</a> Wagner überträgt den Namen auf die Person seiner Dichtung, -die eigentlich die Figur des Siggeir fortsetzt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_9" href="#FNAnker_9" class="label">[9]</a> Man dachte sich die Gnitaheide auf dem halben Wege von -Paderborn nach Mainz gelegen, wo sie im 12. Jahrhundert ein wandernder -Norweger, Abt Nikolaus, wiedergefunden zu haben glaubte.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_10" href="#FNAnker_10" class="label">[10]</a> Daß Sigurds Schwert dasselbe ist, das sein Vater geführt -hat, behauptet erst die Volsungasaga; die Lieder-Edda weiß noch nichts -davon.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_11" href="#FNAnker_11" class="label">[11]</a> Nach späterer nordischer Sage ist allerdings die Aslaug, -die Gattin des Ragnar Lodbrok, eine Frucht dieser frühern Bekanntschaft -Sigurds mit Brynhild. Übrigens nennt der Liedersammler die Brynhild bei -ihrer ersten Begegnung mit Sigurd „Sigrdrifa“, indem er einen Beinamen -(Spenderin des Sieges) als Namen auffaßt; vielleicht hat er dadurch -für die beiden Verlobungsgeschichten (vgl. <a href="#Verlobungsgeschichten">S. 22</a>) zwei verschiedene -Heldinnen schaffen wollen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_12" href="#FNAnker_12" class="label">[12]</a> Die ursprüngliche Fassung der Sage, daß Sigurd in -untergeordneten Verhältnissen aufgewachsen ist, blickt deutlich -hindurch.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_13" href="#FNAnker_13" class="label">[13]</a> Im Norden wird sein Volk nicht das hunnische genannt, -wenigstens nicht in den älteren Quellen; nach vereinzelten Andeutungen -herrscht er in Walland (Italien).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_14" href="#FNAnker_14" class="label">[14]</a> Ihr Alter dürfen wir freilich nicht nachrechnen. Svanhild -ist beim Eintritt in die Erzählung ein junges Mädchen. Inzwischen -sind aber ihre Brüder aus der dritten Ehe ihrer Mutter bereits zu -waffenfähigen Männern herangewachsen. Gudruns zweite Ehe mit Atli, -sowie die Zeit ihrer Witwenschaft sind inzwischen vergangen, auch die -Zeit der Ehe mit Sigurd, die doch immerhin einige Jahre gewährt hat, -ist vorüber. Wir kommen also für Svanhild, wenn wir nachrechnen, auf -ein ziemlich hohes Alter, das zur Erzählung nicht stimmt. Wir dürfen -in dieser Beziehung nicht zu streng sein. Denn gerade diese Dinge, -wie überhaupt jede Chronologie, sind die schwächsten Punkte aller -sagenmäßigen Tradition. Alles dies verschwimmt in der Erinnerung der -Menschen zu allererst; sie werfen alles auf eine Fläche, sie sehen in -der Erinnerung alles nebeneinander, kein Vor- und kein Hintereinander -mehr; Personen, die in Wirklichkeit durch hundert Jahre getrennt waren, -können leicht als Zeitgenossen erscheinen. Es war für die einfachen -Leute, welche die Überlieferung gepflegt haben, eben nicht möglich, -solche Dinge zu kontrollieren.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_15" href="#FNAnker_15" class="label">[15]</a> Er gehört übrigens ursprünglich nur dem Texte <span class="antiqua">C</span> -an, vergleiche später <a href="#Text_C">S. 107</a>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_16" href="#FNAnker_16" class="label">[16]</a> Den Namen des Vaters (Gibich, der in andern deutschen -Dichtungen wohlbekannt ist) hat das Nibelungenlied vergessen; erst der -Text <span class="antiqua">C</span> nennt ihn im Anschluß an die „Klage“ mit einem offenbar -willkürlich herausgegriffenen Namen Dankrat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_17" href="#FNAnker_17" class="label">[17]</a> Woher sie mit ihr bekannt ist (die Geschichte spielt ja -in der Mädchenzeit der beiden), wird nicht erklärt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_18" href="#FNAnker_18" class="label">[18]</a> Etwa dem alten Herzogtum Nieder-Lothringen entsprechend. -Eine Residenz Santen (heute Xanten) hat erst der Text <span class="antiqua">C</span> aus -der einmaligen Erwähnung dieses Städtchens Str. 715 (Holtzmann) -herausgesponnen, vgl. Braune, Die Handschriftenverhältnisse des -Nibelungenliedes, S. 178.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_19" href="#FNAnker_19" class="label">[19]</a> Die Burgunden sitzen nach der Sage in einer Gegend, -die zur Zeit der vollendeten Dichtung den Franken gehört; sie fallen -infolgedessen in der Auffassung des Dichters und seiner Zuhörer mit -diesen zusammen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_20" href="#FNAnker_20" class="label">[20]</a> Solche Feste werden in unserm Liede stets mit besonderer -Liebe behandelt. Unserm heutigen Geschmack sagen die Schilderungen -von Festen und dem dabei entwickelten Prunke, besonders was -Kleidung anbetrifft, wenig zu, und man hat deshalb die betreffenden -Abschnitte gar für unecht erklären wollen; sie sind jedoch nur leer -an Sagengehalt. Wir müssen uns in die damalige Zeit hineinversetzen, -um diese Schneiderszenen, wie man sie genannt hat, zu würdigen. Man -erwartete im Mittelalter von der erzählenden Dichtung nicht nur -Anregungen innerlichen, sondern auch solche äußerlichen Charakters, als -da sind Berichte über neue oder absonderliche Moden oder Gebräuche.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_21" href="#FNAnker_21" class="label">[21]</a> Die Schilderung dieser Jagd im 16. Gesange unseres Liedes -ist in gewisser dichterischer Beziehung vielleicht sein Höhepunkt. Der -Verfasser weiß auf das genaueste Bescheid von allem, was bei einer Jagd -jener Zeit vorkommt, und versetzt sich und seine Zuhörer so lebhaft -in die richtige Wald- und Jagdstimmung, daß man diesen Gesang nur mit -großem Genusse lesen kann.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_22" href="#FNAnker_22" class="label">[22]</a> Seltsamerweise wird vorausgesetzt, daß Siegfried für den -Scheinfeldzug vor einigen Tagen und für die Jagd ein und denselben Rock -trägt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_23" href="#FNAnker_23" class="label">[23]</a> Unter diesem Namen verstehen die Deutschen späterhin -immer Ofen (Budapest); ob das Nibelungenlied schon diese Stadt meint, -bleibt zweifelhaft: Ungarns alte Hauptstadt ist Gran (noch heute Sitz -des Primas); erst nach seiner Zerstörung durch die Mongolen 1241 trat -Ofen an seine Stelle.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_24" href="#FNAnker_24" class="label">[24]</a> Diese einfachen Boten sind sicher eine aus einer ältern -Erzählungsschicht stehengebliebene Altertümlichkeit; der ritterliche -Dichter würde vornehmere Herren zu diesem Zwecke bemüht haben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_25" href="#FNAnker_25" class="label">[25]</a> Dieser Held, der keiner andern Quelle unserer Sage -bekannt ist, spielt von jetzt an eine Schritt für Schritt wachsende -Rolle, und zwar tritt er immer an Stellen hervor, die eine Neuerung in -der Sage bedeuten.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_26" href="#FNAnker_26" class="label">[26]</a> Die Dichter des Mittelalters vermögen ihren Werken kein -andres Kolorit als das ihrer eigenen Zeit zu geben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_27" href="#FNAnker_27" class="label">[27]</a> Die „Vorrede“ des Heldenbuches, vgl. später -<a href="#Heldenbuch">S. 118</a>.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_28" href="#FNAnker_28" class="label">[28]</a> Der Kampf im Saale beginnt also auch hier mit Ortliebs -Tode, doch ist der Umstand, daß Kriemhilt diesen mit Absicht -herbeiführt, um Etzel zur Rache zu entflammen, als zu grauenerregend -abgeschwächt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_29" href="#FNAnker_29" class="label">[29]</a> Irnfrid von Thüringen ist der historische letzte König -der Thüringe Ermanfrid, der um 530 von den Franken besiegt und -vertrieben (später auch getötet) wurde; die letzten seiner Familie -flohen zum oströmischen Kaiser, den unsere deutsche Sage in älterer -Zeit immer durch den ihr geläufigen Hunnenkönig Attila ersetzt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_30" href="#FNAnker_30" class="label">[30]</a> Amelunge (Amaler) ist ursprünglich der Name des -Königshauses der Ostgoten; er wird (was auch anderwärts nicht selten -vorkommt, z. B. Kärlinge = Franken) so häufig für „Goten“, den Namen -des beherrschten Volkes, gebraucht, daß die hochdeutsche Überlieferung -diesen ganz vergessen hat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_31" href="#FNAnker_31" class="label">[31]</a> Im dritten Gudrunliede, das einen Einzelzug behandelt, -der nicht einmal sagenecht ist, wird er erwähnt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_32" href="#FNAnker_32" class="label">[32]</a> Das Volk der Bayern begegnet uns zuerst um die Mitte -des 6. Jahrhunderts unter einheimischen, von den fränkischen Königen -abhängigen Fürsten; das ihnen gehörige Land war kurz vorher noch -ein Teil des Gotenreiches. Als die Oströmer dies eroberten, drangen -sie nicht bis über die Alpen vor; es scheint daher, daß sich die -zwischen Donau und Alpen übrig gebliebenen Goten mit Resten anderer -Germanenstämme zu einem neuen Volke unter dem Namen „Bayern“ -(<span class="antiqua">Baiuuarii</span>) zusammengeschlossen haben. Wenigstens betrachten die -Bayern noch später sich als identisch mit den Amelungen (Goten) und -also den Dietrich als ihres Stammes.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_33" href="#FNAnker_33" class="label">[33]</a> Auch hier ist Etzel sagenhafter Vertreter des -oströmischen Kaisers (Zeno, der den Theodorich 489 gegen Odoaker -schickte).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_34" href="#FNAnker_34" class="label">[34]</a> Eine Namenverschiebung: da derjenige, der in der -Lieder-Edda Regin heißt, hier bereits (auf Grund deutscher Sage) Mimir -benannt ist, überträgt der Sagaschreiber jenen Namen auf den Drachen -(der in nordischer Sage Fafnir heißt und Regins Bruder ist).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_35" href="#FNAnker_35" class="label">[35]</a> Schwert und Roß führen hier die aus der Lieder-Edda -bekannten Namen Gram und Grani; jenes entspricht dem deutschen Balmung, -dies wird in Deutschland nicht mit Namen genannt.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_36" href="#FNAnker_36" class="label">[36]</a> Dieser gilt in der Saga als Bruder der Burgundenkönige; -ein Zugeständnis an die nordische Sagenform der Lieder-Edda.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_37" href="#FNAnker_37" class="label">[37]</a> Der also hier als vierter die Stelle Dankwarts im -Nibelungenliede einnimmt; Dietrichs Mitgehen ist halbwegs begründet, -das Dankwarts aber nicht; liegt hier vielleicht eine dunkle Beziehung -zwischen den beiden Überlieferungen vor?</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_38" href="#FNAnker_38" class="label">[38]</a> Davon war bisher nichts erzählt; die Saga ist hier mit -sich selbst nicht einig. Ihre einzelnen Teile stammen aus verschiedenen -Quellen und sind nicht durchweg ineinander gearbeitet und miteinander -ausgeglichen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_39" href="#FNAnker_39" class="label">[39]</a> Als persönliches Opfer ihrer Rache fällt hier Giselher; -einer muß durch ihre Hand umkommen, damit begründet ist, daß Dietrich -(statt Hiltebrands im Liede) sie tötet.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_40" href="#FNAnker_40" class="label">[40]</a> Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß -der Personenname „Nibulung“ im Geschlechte der Arnulfinge einen ganz -besonderen Sinn gehabt haben kann: die Stifterin des Klosters Nivelles -(belgische Stadt südlich von Brüssel) ist die Heilige Gertrud († -659), Tochter Pipins des Ältern; dies Nivelles ist also ein jenem -Geschlechte ganz besonders wertes Heiligtum; ist es danach nicht -denkbar, daß Söhne dieser Familie gelegentlich „Mann von Nivelles“, in -altfränkischer Sprachform „Nibulung“, benannt worden sind? Ist diese -Annahme richtig, so müssen natürlich die Nibelunge der Sage unbedingt -von diesen historischen Nibelungen hergeleitet werden. Ich wage nun -freilich für die Richtigkeit nicht einzustehen, muß aber behaupten, daß -diese Herleitung plausibler ist als die alte, die in den Nibelungen -„Nebelsöhne“, „Mächte der Finsternis“ erkennen wollte; sie ist ja schon -dadurch widerlegt, daß es mythische Nibelunge in der Sage ursprünglich -gar nicht gegeben hat.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_41" href="#FNAnker_41" class="label">[41]</a> Daß dieser als Schwestersohn dem Oheim den Grund für sein -Verhalten gibt, ist ein höchst altertümlicher Zug, der die ältesten -germanischen (mutterrechtlichen) Verhältnisse widerspiegelt, vgl. -<span class="antiqua">Tac. Germ. c. 20</span>: <span class="antiqua">sororum filiis idem apud avunculum qui -apud patrem honor. quidam sanctiorem artioremque hunc nexum sanguinis -arbitrantur</span> (Schwestersöhne stehen beim Oheim in derselben Geltung -wie beim Vater; einige halten dies Blutsband sogar für heiliger und -enger).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_42" href="#FNAnker_42" class="label">[42]</a> Deshalb vermag ich, wenn ein elsässisches Kirchheim -urkundlich gelegentlich auch <span class="antiqua">Tronia</span> genannt wird, darin nichts -altes zu sehen, sondern höchstens den Versuch einer Lokalisierung des -sagenhaften Tronje.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_43" href="#FNAnker_43" class="label">[43]</a> Wilhelm Jordan hat in seiner „Sigfridsage“ als Grund -für Siegfrieds Verhalten gegenüber Brünhilt angenommen, sie habe an -Siegfried das im Text angeführte Verlangen gestellt; damit hat Jordan -gewiß das sagenechte getroffen; eine Nachdichtung der durch die Ungunst -der Überlieferung zerpflückten alten Dichtung (und um eine solche -handelt es sich doch, unbeschadet aller Grundlagen) führt am sichersten -zu den alten Zusammenhängen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_44" href="#FNAnker_44" class="label">[44]</a> Wenigstens setzt der Skalde Bragi der Alte, der um das -Jahr 900 gestorben ist, in seiner Ragnarsdrapa diese Verbindung bereits -voraus.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_45" href="#FNAnker_45" class="label">[45]</a> <span class="antiqua">Pro mariti fraudulento discessu</span>; das hat man auch -übersetzen wollen: dafür, daß sie ihren Mann (nämlich Ermanarich) -trügerisch verlassen hatte; dann wäre die Übereinstimmung mit den -Eddaliedern nahezu vollkommen; allein der Zusammenhang bei Jordanes -unterstützt diese Übersetzung nicht.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_46" href="#FNAnker_46" class="label">[46]</a> Man hat mit Recht daran erinnert, daß die an der mittlern -Donau sitzenden Heruler (nach Procopius von Caesarea) noch im Anfang -des 6. Jahrhunderts mit ihren Stammesgenossen im südlichen Schweden in -lebhaftem Verkehr stehen.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_47" href="#FNAnker_47" class="label">[47]</a> Pöchlarn (Bechelaren) wird in dieser Zeit tatsächlich der -Sitz des bayrischen Ostmarkgrafen gewesen sein.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_48" href="#FNAnker_48" class="label">[48]</a> Da das Nibelungenlied gelegentlich den Tod Nudungs -erwähnt, der von Witig in der Ravennaschlacht getötet wurde, so muß -es letztere als vergangen annehmen; da nun ursprünglich gewiß diese -Schlacht zur Rückführung Dietrichs geführt hat, war nicht recht -begreiflich, warum er nach ihr noch an Etzels Hof lebt; das hat zur -Annahme zweier Feldzüge gegen Ermenrich (und seinen Nachfolger) -geführt, deren erster dann unglücklich verlaufen sein muß. Die „Klage“ -läßt übrigens am Schlusse Dietrich mit seiner Gattin und Hiltebrand in -friedlicher Reise nach Bern zurückkehren, nimmt also an, daß er seit -der Ravennaschlacht im Besitze seines Reiches ist. Daß der Verräter -Sibich nach Ermenrich in Italien geherrscht habe, behauptet nur die -Thidrikssaga.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_49" href="#FNAnker_49" class="label">[49]</a> D. h. als Buch erhaltenen; lückenhaft infolge Verlustes -einzelner Blätter kann eine solche vollständige Handschrift immerhin -sein.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_50" href="#FNAnker_50" class="label">[50]</a> Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches hat sich -das handschriftliche Material, außer um Blätter bereits bekannter -Handschriften, noch um Reste von drei bisher unbekannten vermehrt: -<span class="antiqua">X</span>, ein Blatt aus der Klage, gefunden in Sterzing; <span class="antiqua">Y</span>, -ein Wiener Blatt; <span class="antiqua">Z</span>, ein in Dülmen gefundenes Blatt. Ich will -nicht unerwähnt lassen, daß mir scheint, als gehöre <span class="antiqua">W</span> zur -Nibelungenhandschrift <span class="antiqua">S</span>, <span class="antiqua">X</span> zur Nibelungenhandschrift -<span class="antiqua">U</span>. — Die in der alphabetischen Folge fehlenden Buchstaben -sind verwendet wie folgt: <span class="antiqua">P</span> bezeichnete früher ein Fragment, -das sich als der gleichen Handschrift wie <span class="antiqua">N</span> entstammend -erwiesen hat; <span class="antiqua">T</span> ist die Signatur der fragmentarisch erhaltenen -niederländischen Übersetzung aus dem 14. Jahrhundert; <span class="antiqua">V</span> ist -(wegen Ähnlichkeit mit <span class="antiqua">U</span>) nicht verwendet; <span class="antiqua">c</span> gilt für -die Zitate, die Lazius, ein Gelehrter des 16. Jahrhunderts, in seiner -Schrift <span class="antiqua">De gentium aliquot migrationibus</span> aus einer alten -Handschrift angebracht hat; <span class="antiqua">e</span> und <span class="antiqua">f</span> hatte man anfangs -irrtümlich die jetzt mit <span class="antiqua">L</span> bezeichneten Fragmente benannt; -<span class="antiqua">m</span> ist Inhaltsverzeichnis einer verlorenen Handschrift.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_51" href="#FNAnker_51" class="label">[51]</a> Vielleicht hat Wolfram von Eschenbach, der Parzival -420 f. sich auf das Nibelungenlied bezieht, schon den Liet-Text -gekannt; doch ist sein Zitat auch verständlich, wenn er nur die beiden -Texten gemeinsame Strophe 1496 (Holtzmann) vor sich gehabt hat; die -folgende, dem Liet-Texte eigentümliche Strophe, in der, wie bei -Wolfram, „Schnitten“ als eine gute Speise erwähnt werden, dürfte eher -in Anlehnung an die etwas spöttisch gehaltene Ausführung im Parzival -verfaßt sein.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_52" href="#FNAnker_52" class="label">[52]</a> In einer Besprechung der 1. Auflage dieses Buches -(Literarische Rundschau vom 1. Juni 1909) hat Fr. Panzer die hier -entwickelte Gedankenreihe beanstandet und darauf hingewiesen, daß -Zeizenmure in der ungarischen Sage als Ort einer Schlacht eine große -Rolle spielt und infolgedessen in die Grundhandschrift des Not-Textes -gelangt sei. Das könnte möglich sein, hilft uns aber nicht weiter, -denn 1) ist die Darstellung der ungarischen Sage, wie sie bei Simon -Kézai vorliegt, trotz Bleyers Ausführungen (im 31. Bande der Beiträge) -eine halbgelehrte Kompilation aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, -2) ist nicht abzusehen, wie ein Nicht-Österreicher (denn ein -Österreicher konnte den Fehler nicht begehen) zur Kenntnis ungarischer -Sage gelangt sein sollte, und 3) bleibt die Sache beim alten, weil -die Grundhandschrift des Not-Textes den Fehler, mag seine Ursache -sein, welche sie will, eben begangen hat und daher notwendigerweise -nur eine nebengeordnete, nicht eine übergeordnete Stelle neben den -Liet-Handschriften einnehmen kann. Auf Zarncke’s feinen Gedanken, -Nithart zur Erklärung heranzuziehen, könnte man schließlich -verzichten; den in der „Not“ vorliegenden Text aber weit über 1230 -hinaufzuschieben, ist trotzdem unmöglich wegen gewisser unbestreitbarer -Zusätze, wegen Spuren beginnenden Verfalles in der Verstechnik und -besonders wegen des Zustandes aller hierher gehörigen Handschriften -(s. <a href="#Text_C">S. 107</a>).</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_53" href="#FNAnker_53" class="label">[53]</a> Das ist nicht ohne Beispiel; so wurde das um 1170 -entstandene Gedicht vom Herzog Ernst bereits um 1200 (hauptsächlich -reimtechnisch) überarbeitet; als aber in der zweiten Hälfte des 13. -Jahrhunderts ein neuer Bearbeiter den Text vornahm, griff er auf das -Original zurück und ignorierte die um 1200 entstandene Überarbeitung.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_54" href="#FNAnker_54" class="label">[54]</a> Nach Lachmann nur dreizehn; er behielt 1627 bei und -änderte sie durch Konjektur; wir haben dazu heute keine Veranlassung -mehr.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_55" href="#FNAnker_55" class="label">[55]</a> Mit einer Ausnahme: Lachmanns 17. Lied schließt an das -15. an; das 16. ist eine Parallelerzählung.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_56" href="#FNAnker_56" class="label">[56]</a> Vgl. Schönbach, Das Christentum in der altdeutschen -Heldendichtung, S. 203.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_57" href="#FNAnker_57" class="label">[57]</a> Heinrich von Ofterdingen, den manche beim Wiedererwachen -unserer Kenntnis der mittelalterlichen Literatur als Dichter des -Nibelungenliedes in Anspruch genommen haben, ist keine historische -Person, sondern vom Dichter des Wartburgkrieges erfunden; dieser Mann -brauchte eine Figur, die als Gegenstück und Widerpart der historisch -bekannten Sänger am Hofe zu Eisenach hingestellt werden konnte.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_58" href="#FNAnker_58" class="label">[58]</a> Es ist mir leider nicht gelungen, das Werkchen, das -ich vor mehr als dreißig Jahren selbst gelesen habe, irgendwo wieder -aufzutreiben.</p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_59" href="#FNAnker_59" class="label">[59]</a> Wilkina- (richtiger Wilcina-) und Niflungasaga sind Teile -und Untertitel der Thidrikssaga.</p> - -</div> - -</div> - -<div lang='en' xml:lang='en'> -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK <span lang='de' xml:lang='de'>DER SAGENKREIS DER NIEBELUNGEN</span> ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person -or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. 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Information about the Mission of Project Gutenberg™ -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state’s laws. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation’s website -and official page at www.gutenberg.org/contact -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. 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Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Most people start at our website which has the main PG search -facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. -</div> - -</div> -</div> -</body> -</html> diff --git a/old/68594-h/images/blatt.jpg b/old/68594-h/images/blatt.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 2c37e99..0000000 --- a/old/68594-h/images/blatt.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/68594-h/images/cover.jpg b/old/68594-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index a24ddd6..0000000 --- a/old/68594-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/68594-h/images/cover_h1000.jpg b/old/68594-h/images/cover_h1000.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index b9e9cb7..0000000 --- a/old/68594-h/images/cover_h1000.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/68594-h/images/deko.jpg b/old/68594-h/images/deko.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 0fcfb5c..0000000 --- a/old/68594-h/images/deko.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/68594-h/images/signet.jpg b/old/68594-h/images/signet.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 5da4182..0000000 --- a/old/68594-h/images/signet.jpg +++ /dev/null |
