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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/6637-8.txt b/6637-8.txt new file mode 100644 index 0000000..41a3267 --- /dev/null +++ b/6637-8.txt @@ -0,0 +1,5165 @@ +The Project Gutenberg EBook of Der Alpenkonig und der Menschenfeind, by +Ferdinand Raimund + +This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with +almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or +re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included +with this eBook or online at www.gutenberg.org + + +Title: Der Alpenkonig und der Menschenfeind + +Author: Ferdinand Raimund + +Posting Date: June 6, 2012 [EBook #6637] +Release Date: October, 2004 +First Posted: January 8, 2003 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ALPENKONIG UND DER *** + + + + +Produced by Delphine Lettau + + + + + + + + + +Der Alpenkönig und der Menschenfeind + +Ferdinand Raimund + +Romantisch-komisches Original-Zauberspiel in zwei Aufzügen + +Personen: + +Astragalus, der Alpenkönig +Linarius und Alpanor, Alpengeister + +Herr von Rappelkopf, ein reicher Gutsbesitzer +Sophie, seine Frau +Malchen, seine Tochter dritter Ehe +Herr von Silberkern, Sophiens Bruder, Kaufmann in Venedig +August Dorn, ein junger Maler +Lischen, Malchens Kammermädchen +Habakuk, Bedienter bei Rappelkopf +Sebastian, Kutscher in Rappelkopfs Dienst +Sabine, Köchin in Rappelkopfs Dienst + +Christian Glühwurm, ein Kohlenbrenner +Marthe, sein Weib +Salchen, ihre Tochter +Hänschen, Christoph und Andres, ihre Kinder +Franzel, ein Holzhauer, Salchens Bräutigam +Christians Großmutter + +Rappelkopfs verstorbene Weiber: +Victorinens Gestalt +Wallburgas Gestalt +Emerentias Gestalt + +Alpengeister. Genien im Tempel der Erkenntnis. Dienerschaft in +Rappelkopfs Hause. + + +Die Handlung geht auf und um Rappelkopfs Landgut vor. + + + + +Erster Aufzug + + + +Erster Auftritt + + +Die Ouvertüre beginnt sanft und drückt fröhlichen Vogelsang aus, +dann geht sie in fremdartiges Jagdgetön über, begleitet von +Büchsenknall. Beim Aufziehen der Kurtine zeigt sich eine reizende +Gegend am Fuß einer Alpe, welche sich im Hintergrunde majestätisch +erhebt. Im Vordergrunde zeichnet sich in der Mitte ein Gebüsche +von Alpenrosen, links ein abgebrochener Baumstamm und im +Vordergrunde rechts ein hoher Fels aus. + +Ein Chor von Alpengeistern, dabei Linarius, durchaus grau als +Gemsenjäger gekleidet, jeder eine erlegte Gemse über den Rücken +hängen, eilt von der Alpe herab und sammelt sich im Vordergrunde +der Bühne. + + +Chor. +Stellt die Jagd ein, luftge Schützen! +Von den steilen Alpenspitzen +Steigt herab ins blumge Tal. +Zählt mit wilder Jägerfreude +Schnell die frischgefällte Beute +Hier im grünen Weidmannssaal. + + + +Zweiter Auftritt + +Astragalus, ganz grau gleich den übrigen Geistern als Alpenjäger +gekleidet, ein Jagdgewehr über die Schulter. + + +Astragalus (im rauhen Tone). +Holla ho, ihr Jägersleute! +Seid genügsam in der Beute. +Laßt, ihr jagdberauschten Schergen, +Ruhn das Gemsvolk in den Bergen. +Lang gedonnert haben wir +Heut im steinigten Revier. + +Linarius (erster Alpengeist). +Großer Fürst, du magst nur winken, +Und der Alpen Geister sinken +Kraftberaubet in den Staub +Wie vorm Sturmwind welkes Laub. +Keiner ist hier, der es wagt, +Fortzusetzen mehr die Jagd. +Doch es kann nichts Schönres geben, +Als auf Alpenspitzen schweben +Und den Blitz vom Rohre senden, +Der Gazelle Leben enden. +Ha! wenn aus metallnem Lauf +Krachend sich der Schuß entladet +Und die goldne Kugel drauf +In der Gemse Blut sich badet: +Das ist echte Weidmannslust, +Das erhebt des Jägers Brust. + +Alle. +Das ist echte Weidmannslust! +Das erhebt des Jägers Brust! + +Astragalus. +Bei des Eismeers starren Wellen, +Ihr seid wackre Jagdgesellen. +Oft soll euch die Lust entzücken, +Doch auch andre mags beglücken. +Denn was wir dem Berg entwenden, +Will ins dürftge Tal ich senden. +An Bewohner niedrer Hütten, +Die um karges Mahl oft bitten, +Teilet eure Gemsen aus. +Werft sie unsichtbar ins Haus. + +Linarius. +Edel ist stets dein Beginnen, +Und wir eilen schnell von hinnen, +Um den mächtgen Herrscherwillen +Stolz zu ehren durch Erfüllen. +Laßt die Hütten uns umrauschen +Und leis dem Entzücken lauschen, +Wenn sie in der Tiere Wunden +Goldne Kugeln aufgefunden. +Dankesperlen, die sie weinen, +Wollen wir zu Kränzen einen, +Daß sie zieren dann zum Lohn +Lieblich deinen Alpenthron. + +(Alle ab.) + + + +Dritter Auftritt + +Astragalus allein. + + +Astragalus. +Wohl soll in der Geister Walten +Lieb und Großmut mächtig schalten, +Und ihr Wesen hoher Art, +Wo sich Kraft mit Freiheit paart, +Soll, befreit von irdschem Band, +Schwingen sich an Äthers Rand. +Doch, so wies im Menschenleben +Bös und gut Gesinnte gibt, +Jener haßt und dieser liebt: +So ists auch in Geistersphären, +Daß nicht all nach oben kehren +Ihr entkörpert Schattenhaupt, +Und, des liebten Sinns beraubt, +Auch der Böse schaut nach unten, +An die finstre Macht gebunden. +Und so wird der Krieg bedinget, +Der die Welt mit Leid umschlinget, +Der die Wolken jagt durch Lüfte, +Der auf Erden baut die Grüfte, +Der den Geist gen Geist entzweiet, +Der dem Hai die Kraft verleihet, +In des Meeres Flut zu wüten, +Der dem Nordhauch schenkt die Blüten, +Der den Sturm peitscht gegen Schiffe, +Daß zerschmettern sie am Riffe, +Der die Menschen reiht in Heere, +Daß sie zu des Hasses Ehre +Über ihrer Brüder Leichen +Sich des Sieges Lorbeer reichen-- +Doch ich liebe Geisterfrieden, +Bin dem Menschen gut hienieden, +Hause nicht in Bergesschlünden, +Laß in freier Luft mich finden. +Hab auf Höhen, glänzend weiß, +Auf des Gletschers kühnstem Eis, +Mein kristallnes Schloß erbaut, +Das der Sterne Antlitz schaut. +Und dort blick aus klaren Räumen +Auf der Menschheit eitles Träumen +Mitleidsvoll ich oft herab. +Doch wenn ich am Pilgerstab +Manch Verirrten wandern sehe, +Steig von meiner wolkgen Höhe +Nieder ich zum Erdenrunde, +Reich ihm schnell die Hand zum Bunde +Und leit ihn mit Freundessinn +Zum Erkenntnistempel hin. (Ab.) + + + +Vierter Auftritt + +Auf der entgegengesetzten Seite Malchen, Lischen. Erstere im +lichtblauen Sommerkleide, einen Strohhut auf dem Haupte, läuft +fröhlich voraus. + + +Malchen. +Ach, das heiß ich gelaufen, wie pfeilschnell doch die Liebe +macht! (Sieht sich um.) Hier ist mein teures Tal. Wie herrlich +alles blüht, heut glänzt die Sonne doppelt schön, als wäre +Festtag an dem Himmel und sie des Festes Königin. Ach, wie +dank ich dir, du liebe Sonne, daß du mir meinen August bringst. +Lischen, Lischen! (Ruft in die Kulisse.) Wo bleibst du denn? +Wie ängstlich sie sich umsieht. Was hast du denn? + +Lischen (kommt ganz verwirrt und sehr geschwätzig). +Aber Sie unglückseliges Fräulein, wie können Sie sich denn heute +in diese berüchtigte, verrufene, bezauberte Gegend wagen? Haben +Sie nicht die wilde Jagd gehört? heut ist der Alpenkönig los. +Hätt ich das gewußt, Sie hätten mich nicht mit zwanzig Pferden +aus dem Haus gezogen. Aber Sie weckten mich auf, sagten mir, ich +sollte mich schnell anziehen, Sie wollten Ihrem August +entgegeneilen, der heute von seiner Kunstreise aus Italien +zurückkömmt. + +Malchen. +Nun, das tat ich ja. Hier erwart ich meinen August. Sein letzter +Brief nennt mir den heutgen Morgen. Hier schieden wir in +Gegenwart meiner Mutter vor drei Jahren mit betrübtem Herzen +voneinander. Du weißt, daß mein Vater schon damals gegen unsere +Liebe war, obwohl Augusts Onkel starb und ihm einiges Vermögen +hinterließ, schlug er ihm doch meine Hand ab, geriet in den +heftigsten Zorn und warf ihm Talentlosigkeit in seiner +Malerkunst vor. August, auf das bitterste gekränkt, beschloß, +nach Italien zu reisen, um seinen Kummer zu zerstreuen und +sich an den großen Mustern zu bilden. Hier schwor er mir ewge +Treue, meine gute Mutter versprach uns ihren Beistand, doch +du weißt, wie es um meinen armen Vater steht. Hier haben wir +uns getrennt, hier gelobten wir uns wieder in die Arme zu +stürzen. Nach seinen Briefen hat er große Fortschritte in +seiner Kunst gemacht. + +Lischen. +Was Italien, was Kunst, was helfen mir alle Maler von ganz Italien +und Australien! In diesen Bergen haust der Alpenkönig. Und wenn +uns der erblickt, so sind wir verloren. + +Malchen. +So sei nur ruhig, es wird ja den Hals nicht kosten. + +Lischen. +Aber die Schönheit kanns kosten, und der Verlust der Schönheit +geht uns Mädchen an den Hals. Und wie innig ist die Schönheit mit +dem Hals verbunden, wer halst uns denn, wenn wir nicht schön mehr +sind? Wissen Sie denn nicht, daß jedes Mädchen, das den Alpenkönig +erblickt, in dem Augenblick um vierzig Jahre älter wird? Ja sehen +Sie mich nur an, keine Minute wird herabgehandelt. Vierzig Jahre, +und unsere jetzigen auch noch dazu, da wird eine schöne Rechnung +herauskommen. Stellen Sie sich die Folgen einer so entsetzlichen +Verwandlung vor. Was würde ihr geliebter Maler dazu sagen, wenn +er in Ihnen statt einer blühenden Frühlingslandschaft eine +ehrwürdige Wintergegend aus der niederländischen Schule erblickte, +was würden alle meine Anbeter dazu sagen, wenn der Anblick dieses +Ungetüms meine Wangen in Falten legte wie eine hundertjährige +Pergamentrolle? + +Malchen. +Aber wer hat dir denn solche Märchen aufgebunden? Beinahe könnt +ich selbst in Angst geraten. Es gibt gar keinen Alpenkönig. + +Lischen. +Nicht? Nun gut--bald werd ich Sie wie meine Großmutter verehren. +Folgen Sie mir, oder ich laufe allein davon. (Will fort.) + +Malchen. +So bleib nur, mein August wird bald hier sein, die Sonne steht +schon hoch, du mußt mir Toilette machen helfen, der Wind hat +meine Locken ganz zerrüttet. Du hast doch den kleinen Spiegel +mitgenommen, wie ich dir befahl? + +Lischen. +Ei freilich, ach, hätt ich lieber meine Angst vergessen! + +Malchen. +So. (Setzt sich auf den Baumstamm und öffnet ihre Locken. Lischen +steht mit dem Spiegel vor ihr.) Halt ihn nur! Weißt du, Lischen, +ich muß mich doch ein wenig zusammenputzen, er kömmt aus Italien, +und die Frauenzimmer sollen dort sehr schön sein. + +Lischen. +Hahaha, warum nicht gar! Ich kenne in der Welt nur ein schönes +Frauenzimmer. Sie werden mich verstehen, Fräulein. + +Malchen (nimmt es auf sich). +Du bist zu galant, Lischen, das verdien ich nicht. + +Lischen (beiseite). +Die glaubt, ich mein sie, wie man nur so eitel sein kann--und ich +meine mich. + +Malchen. +So, Lischen, jetzt sind die Locken alle offen--jetzt halt nur +gut, der Alpenkönig tut uns nichts. + +Lischen. +Ach ums Himmels willen, nennen Sie doch den abscheulichen +Alpenfürsten nicht--(erschrickt) es rauscht ja etwas im Gebüsche, +Himmel, ich laß den Spiegel fallen. (Ein Auerhahn fliegt aus dem +Gebüsche auf. Sie schreit.) Ach der Alpenkönig! (Läuft mit dem +Spiegel fort.) + +Malchen (nachrufend). +Lischen, Lischen, was schreiest du denn, es ist ja nur ein Vogel. +Ach du lieber Himmel, sie hat ja den Spiegel mitgenommen, die +läuft ganz sicher nach Hause. Lischen, so höre doch! Entsetzlich, +meine Locken, wenn jetzt August kömmt und mich so erblickt. Das +überleb ich nicht. Ach du lieber Himmel, wie hätt ich mir das +vorstellen können, das ist doch das größte Unglück, das einem +Menschen begegnen kann. (Besinnt sich.) Aber pfui, Malchen, was +ist das für eine Eitelkeit, August wird dich doch nicht deiner +Locken wegen lieben? (Ärgerlich.) Aber die Locken tragen dazu +bei, wenn die Männer nun einmal so sind, was kann denn ich dafür? +Und warum heißen sie denn Locken, wenn sie nicht bestimmt wären, +die Männer anzulocken? (Sieht in die Szene.) Ach, dort eilt er +schon den Hügel herauf. O welche Freude (hüpft), welche Freude! +(Plötzlich stille.) Wenn nur die fatalen Locken nicht wären! +Ich will mich hinter den Rosenbusch verstecken, vielleicht bring +ich sie doch ein wenig zurechte. (Verbirgt sich hinter das +Rosengebüsche.) + + + +Fünfter Auftritt + +August im einfachen Reiseanzug, eine Mappe unter dem Arme. + + +August. +Von dem meerumwogten Strande, +Aus dem wunderholden Lande, +Wo die goldnen Ährenfelder +Wechseln mit Orangenwälder, +Wo die stolzen Apenninen +Über alte Größe sinnen, +Wo die Kunst mit Geisteswaffen +Das Vollendetste erschaffen, +Wo die ungeheuren Reste +Der zerfallenen Paläste +An die Kraft der Zeit uns mahnen +Und wir bebend Hohes ahnen: +Aus dem Tempel der Natur +Kehr ich heim zur stillen Flur. +Denn im biedern Vaterlande +Ketten mich die teuern Bande +Zarter Liebe, fester Treue, +Und der Riesenbilder Reihe, +Die wie Träume mich umwehen, +Schließt ein frohes Wiedersehen. + +Seid mir gegrüßt, ihr heimatlichen Berge! O Erinnerung, wie nah +trittst du an mich und reichst mir einen schönen Kranz, geflochten +aus vergangnen Freuden. Und doch muß ich bei all dem Schönen hier +das Schönste noch vermissen, bei all dem Lieben fehlt mein +Liebstes mir. Wo bist du, teures Malchen? Warum erwartest du mich +nicht? Sollte sie meinen Brief nicht empfangen haben? Ist sie +krank? Vielleicht kann sie so früh vom Haus nicht fort. Sie kömmt +gewiß. Ich will indes die Gegend zeichnen hier, die sie so liebt, +und zum Geschenk ihrs bieten, wenn sie naht. (Er setzt sich auf +den Baumstamm und zeichnet.) Wie herrlich dort die Alpe glänzt +im Sonnenstrahl, die heitre Luft, und hier--der dunkle Fels, der +üppge Rosenstrauch--nur eins gefällt mir nicht, die bleichen +Rosen machen sich nicht gut, ich wüßte schönere, die auf ihren +Wangen blühn. Wär nur Malchen hier, sie sagte mir gewiß, was ich +für Farben wählen soll. + +Malchen (öffnet mit beiden Händen den Rosenstrauch und blickt +liebevoll hervor, so daß sie mit halbem Leibe sichtbar ist und +sagt zärtlich). +Laß sie blau sein wie Beständigkeit. + +August (höchst entzückt). +Amalie! + +(Sie stürzen sich in die Arme.) + +Malchen. +August, lieber August! + +Astragalus (erscheint auf dem Fels im Vordergrunde und ruft). +Heisa he! da gehts ja lustig zu im Alpentale. (Er stützt sich auf +sein Gewehr und behorcht das folgende Gespräch.) + +August. +Liebes, schönes, gutes Malchen--(plötzlich scherzhaft) böses +Malchen, warum hast du mich auch nur einen Augenblick geneckt? + +Malchen. +Sei nicht böse, lieber August! + +August. +Dafür räch ich mich durch diesen Kuß. (Küßt sie.) + +Malchen. +O du rachsüchtiger Mensch! + +August (sanft). +Bist du ungehalten darüber? + +Malchen (unschuldig). +Gott bewahre, räche dich nur. Böse Leute sagen, die Rache sei +süß, und auf diese Weise möcht ich es beinahe glauben. + +August. +Gutes Malchen! Wie glücklich fühl ich mich, dich wieder zu sehen, +nichts soll uns trennen als der Tod + +Malchen. +Und mein Vater, August, der ist noch weit über den Tod. Wenn der +gute Vater nur nicht gar so böse auf mich wäre! + +August. +Sorge nicht, Malchen, wenn er die Fortschritte meiner Kunst +erfahren wird, wenn er sich von der Beständigkeit meiner Liebe +überzeugt, so kann uns seine Einwilligung nicht entgehen. Ich +will noch heute zu ihm. + +Malchen. +Ach, das ist vergebens. Mein Vater spricht niemand außer seiner +Familie, nur selten die Dienerschaft. Er ist zum Menschenfeind +geworden. + +August. +Unmöglich, und du rühmtest mir sein Herz, seine Rechtlichkeit. + +Malchen. +Er besitzt beides. Doch du weißt, daß mein Vater, als er in der +Stadt noch den ausgebreiteten Buchhandel hatte, um große Summen +betrogen wurde, die er aus Gutmütigkeit an falsche Freunde verlieh. +Undank und Niederträchtigkeit brachten ihn zu dem Entschluß, +seinen Buchhandel aufzugeben, die Stadt zu fliehen und sich auf +seinem gegenwärtigen Landsitz vor der Zudringlichkeit ähnlicher +Menschen zu verbergen. Hier liest er nun unaufhörlich +philosophische Bücher, die ihm den Kopf verrücken. Sein Mißtrauen +hat keine Grenzen. Er hat die unglückliche Weise, gegen jeden +Menschen so aufzufahren, daß er die gleichgültigsten Dinge mit +einer Art von Wut verlangt. Niemand, selbst die Mutter, kann um +ihn weilen. Alles flieht und fürchtet ihn, und darum hat er jeden +im Verdacht der Untreue und gönnt doch keinem eine Verteidigung. +Sein Menschenhaß steigt mit jedem Tage, und wir fürchten für sein +Leben. Wie gerne würden wir alles dafür tun, ihn von unserer +Liebe zu überzeugen; doch, wer lehrt ihn den Fehler seiner +unbilligen Heftigkeit einsehen und ablegen, womit er sich alles +zum Feinde macht und sich der Mittel beraubt, die Menschen aus +einem bessern Gesichtspunkte zu betrachten. Deinen Namen dürfen +wir gar nicht aussprechen, er weiß, daß meine Mutter unsre Liebe +billiget, und haßt sie darum bis in den Tod. + +August. +O grausames Schicksal, warum vernichtest du all meine glücklichen +Träume wieder? Also kann ich dich nie besitzen, Malchen? + +Malchen. +Wenn ich nur ein Mittel wüßte, dich zu erringen! Wär ich frei wie +jener Vogel, der sich so fröhlich in der blauen Luft dort wiegt, +ich zöge mit dir durch die ganze Welt. Glückliches beneidenswertes +Tier! Wer darf dir deine Freiheit rauben? +(Astragalus schießt den Vogel aus der Luft. Man sieht ihn aber +nicht fallen. Malchen erschrickt.) +Ha! + +Astragalus (immer im rauhen Tone). +Des Schützen Blei, weil du die Frage stellst. + +Malchen (blickt hinauf). O August, sieh! + +August. +Wer bist du, grauer Wundermann? + +Astragalus. +Den Alpenkönig nennt man mich. + +Malchen. +Der Alpenkönig! wehe mir! (Sinkt ohnmächtig in Augusts Arme.) + +August. +Was ist dir, Malchen? Hülfe, Hülfe, steht ihr bei! + +Astragalus (lachend). +Da müssen Steine sich erbarmen selbst. Hab Mitleid, Fels, und +öffne schnell dein Herz! (Er stoßt mit dem Kolben des Gewehrs +an den Fels. Der Fels öffnet sich, man sieht einen kleinen +Wasserfall, der über Rosen sprudelt, an dem zwei Genien lauschen, +sie fangen mit goldnen Muscheln Wasser aus der Quelle und +besprengen Malchen damit.) +Erwache, Törin, die sich Flügel wünscht und so die Erde höhnt! + +August. +Sie schlägt das Auge auf. Wie ist dir, Malchen? + +Malchen. +Ach, wie kann mir sein! Ich habe den Alpenkönig erblickt. Jetzt +bin ich gewiß um vierzig Jahre älter geworden. Erkennst du mich +noch, August? + +August. +Bist du von Sinnen? Was hast du denn? + +Malchen. +Ach, Falten habe ich, lieber August, viele tausend Falten. Ich +muß entsetzlich aussehen. Sieh mich nur nicht an! + +August. +Was fällt dir ein! Du bist so schön, als du es immer warst. + +Malchen. +Schön wär ich? Gewiß? Und hätte keine Falte, keine einzige? + +August. +Gewiß nicht. + +Malchen. +Ach du lieber Himmel, wie danke ich dir! Nein, eine solche Angst +hab ich in meinem Leben noch nicht ausgestanden! + +August. +Was war dir denn? + +Malchen. +Nun, Lischen sagte mir, ein Mädchen, das den Alpenkönig sieht, +würd um vierzig Jahre älter. + +Astragalus (tritt vor). +So sagte sie? + +Malchen. +Ach! da ist er schon wieder! (Verhüllt das Gesicht.) + +Astragalus. +Seid ohne Furcht und horcht, was Alpenkönig spricht. +Schon zweimal sah ich eurer Herzen Brand +Wie Morgenrot auf Lilienschnee erglühen +Und Tränen, edler Sehnsucht nur verwandt, +Leidkündend über eure Wangen ziehen. +Und weil mich dies so inniglich erfreut, +Daß ihr so seltsam treu noch denket, +Hab ich euch meine Fürstengunst geweiht +Und eure Lieb mit meinem Schutz beschenket. +(Zu Malchen.) +Ich weiß um deines Vaters Menschenhaß, +Hab ihn belauscht, wenn er den Wald durchrannte +Mit Ebersgrimm, auf Bergesgipfel saß +Und seinen Fluch nach allen Winden sandte. +Doch laßt darum den treuen Mut nicht sinken. +Erkennen wird mit seinem Wahnsinn rechten. +Die Sterne werden bald zur Brautnacht winken, +(zu Malchen) +Und Alpenkönig wird den Kranz dir flechten. (Ab.) + + + +Sechster Auftritt + +August. Malchen. + + +Malchen. +Hast dus gehört, August, ists ein Traum, wir sollen glücklich +werden? + +August. +Wir wollen seinem Worte glauben. Und obwohl ich seine Existenz +für ein Märchen hielt, muß ich sie für wahr erkennen, wenn ich +nicht ungerecht gegen meine Sinne handeln will. + +Malchen. +Komm, wir wollen meiner Mutter alles erzählen, ich werde schon +sehen, daß du mit ihr sprechen kannst. Laß uns vertrauen auf den +Alpenkönig. Er scheint nicht bös zu sein, ich hab ihm auch dreist +ins Auge geblickt, und es hat mir nichts geschadet, nicht wahr, +lieber August? Ich bin um gar nichts älter geworden? + +August. +Nein, liebes Malchen. Seit ich dich wiedersehe, kaum um eine +Stunde. + +Malchen. +Um eine Stunde nur? (Ihm sanft ins Auge blickend.) Nun, eine +Stunde kann ich schon verschmerzen und es war eine glückliche, +denn ich habe sie mit dir verlebt. + +August. +O gutes Malchen, wie beglückst du mich! + +(Beide Arm in Arm ab.) + + + +Siebenter Auftritt + +Verwandlung +Zimmer auf Rappelkopfs Landgut. + +Sophie. Sabine. Der Kutscher. Die sämtliche Dienerschaft. + + +Chor. +Euer Gnaden sind so gütig, +Doch wir haltens nimmer aus. +Unser Herr ist gar zu wütig, +Und das treibt uns aus dem Haus. +Niemand kann bei ihm bestehn, +Und wir wollen alle gehn. + +Sopie. +Seid nur ruhig, liebe Leute, verseht euren Dienst, nur kurze Zeit +noch, es wird sich vielleicht bald alles ändern. Geht an eure +Pflicht! Wenn mein Mann herüberkäme, ich bin in Todesangst. + +Kutscher. +Ei, was nutzt denn das, Euer Gnaden, er solls wissen, wir könnens +nicht mehr länger aushalten mit ihm, wir tun unser Schuldigkeit, +und er kann uns nicht leiden. + +Sopie. +Es wird sich alles ändern, ich habe an meinen Bruder nach Venedig +geschrieben, ihm meines Mannes Seelenkrankheit und ihre üblen +Folgen vorgestellt, er wird vielleicht noch heute ankommen, um +alles zu versuchen, seinen Menschenhaß zu heilen--oder mich +von meinem armen Mann zu trennen. + +Kutscher. +Na, das ist die höchste Zeit, Euer Gnaden schauen sich ja gar +nimmer gleich. Drei Weiber hat er schon umbrachte er ist ja ein +völliger blauer Bart. + + + +Achter Auftritt + +Vorige. Habakuk. + + +Sopie. +Diese gemeinen Äußerungen hören zu müssen! Habakuk, ist mein Mann +auf seinem Zimmer? Ist Malchen schon zu Hause? + +Habakuk. +Der gnädige Herr ist schon wieder im Gartenzimmer, er hat sich +selbst seinen Schreibtisch und seinen Stuhl hinübergetragen und +geht mit sieben Ellen langen Schritten auf und ab. Ich versichere +Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein solcher Herr +ist mir nicht vorgekommen. + +Sabine (im schwäbischen Dialekt). +Nu da habe wirs, jetzt trau ich mich nicht in den Garte hinaus, +er hat den Schlüssel von der Hofgartetür abgezogen.--Ich kann +nicht koche-- + +Sopie. +Nun so geh Sie durch das Gartenzimmer. + +Sabine. +Ja wer traut sich denn hinein? Wenn der Herr drinne ist? Da geh +ich ja eher zu einem Leopard in die Falle. Er jagt ja alles +hinaus. Wenn er in die Kuchel kommt, so wärs notwendig, ich +schliefet unter den Herd. + +Habakuk. +Nun ja, und da sind so schon so viel Schwaben unten. + +Kutscher. +Mich kann er gar nicht leiden, ich muß mich immer unters Heu +verstecken. + +Habakuk. +Mich haßt er doch nur bis daher (zeigt den halben Leib). Er sagt, +ich wär nur ein halbeter Mensch. + +Sopie. +Aber er beschenkt euch ja so oft. + +Sabine. +Ja aber wie? Er tut einem dabei alle Grobheiten an und wirft +einem das Geld vor die Füß. + +Habakuk. +Oh, da ist er noch in seinem besten Humor, aber neulich nimmt er +sein goldene Uhr, ich glaub, er macht mir ein Präsent, derweil +wirft er mir s' an den Kopf. (Hochdeutsch.) Ja, das sind halt +Berührungen, in die man nicht gern mit seiner Herrschaft kommt, +ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich nicht erlebt. Zu was +brauch ich zwei Uhren, ich hab meine Uhr im Kopf, aber am Kopf +brauch ich keine. + +Sabine. +Kurz, in dem Haus ist nichts zu mache, wenn man nicht einmal in +den Garten kann-- + +Habakuk. +Wie soll man denn da auf ein grünes Zweig kommen! + +Alle. +Kurzum, wir wollen alle fort. + +Sopie. +Also wollt ihr eure Frau, die euch immer so menschenfreundlich +gewogen war, so plötzlich verlassen, da ihr doch seht, daß sowohl +ich als meine Tochter eine gleiche Behandlung zu erdulden haben? +Ich kann euch nicht fortlassen, weil zwischen heut und morgen +mein Bruder ankömmt, der vieles über meinen Mann vermag. So +lange müßt ihr die Launen eures Herrn noch ertragen. + +Alle. +Es geht nicht, Euer Gnaden, es ist nicht zum existieren. + +Sopie. +Nun, so nehmt dieses kleine Geschenk (sie gibt jedem einige +Silberstücke) und stärkt eure Geduld damit, vielleicht geht es +doch. + +Alle. +Ach! Wir küssen die Hand, Euer Gnaden. + +Kutscher. +Wir werden halt sehen, ob wir auskommen können mit ihm. + +Habakuk. +Solang wir mit dem Geld auskommen, kommen wir schon mit ihm auch +aus. + +Sabine. +Und wisse Euer Gnade, er wär nicht gar so übel, der gnädge Herr-- + +Kutscher. +Ach gar nicht--wenn er nur anders wär. + +Habakuk. +Freilich, das ist der einzige Umstand. + +Sopie. +Doch jetzt geht beruhigt an eure Geschäfte. + +Alle. +Gleich, gnädige Frau. (Ab.) + +Kutscher. +Euer Gnaden sind halt eine gscheide Frau. Ich sag immer, Euer +Gnaden sind einmal ein Kutscher gwesen, weil Euer Gnaden so gut +wissen, daß man einen Wagen schmieren muß, wann er fahren soll. +(Lacht dumm und geht ab.) + +Sabine (küßt ihr die Hand). +Das ist wahr, Euer Gnaden sind eine Frau, die man in der ganzen +Welt suche darf. (Ab.) + +Habakuk. +Ich versichere Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein +Herz, wie Euer Gnaden zu haben belieben, das ist wirklich, wie +man auf französisch sagt, nouveau! + + + +Neunter Auftritt + +Lischen. Vorige. + + +Sopie. +Nun endlich seid ihr zurück. Wo ist Malchen? Ist August +angekommen? Haben sie sich getroffen? + +Lischen. +Von allen dem weiß ich keine Silbe, gnädige Frau, ich weiß gar +nichts, als daß der Mädchen verfolgende Alpenkönig eine Jagd +gegeben hat, daß mich an dem Ort des Rendezvous eine Angst +befallen hat und daß ich über Hals und Kopf zurückgelaufen bin. + +Sopie. +Und Malchen? + +Lischen. +Wollte ihren Liebhaber erwarten und war nicht zu bewegen, mit +zurückzugehen. + +Sopie. +Aber wie kann Sie sich unterstehen, meine Tochter allein zu +lassen? Sie leichtsinnige Person, der ich mein Kind anvertraut +habe! Ich muß nur gleich Leute hinaussenden. Wenn ihr ein Unglück +widerführe! O Himmel, was bin ich für ein gequältes Geschöpf! + +Lischen. +Aber gnädge Frau-- + +Sopie. +Geh Sie mir aus den Augen. (Eilig ab.) + + + +Zehnter Auftritt + +Lischen. Habakuk. + + +Lischen (äußerst zornig). +Nein, das ist nicht zum Aushalten, das Haus ist ja eine wahre +Folterbank. Wie man nur die Dienstleute so herabsetzen kann? + +Habakuk. +Es ist aber auch ein Volk. Ich bin ein Bedienter, aber wenn ich +mein eigner Herr wär, ich jaget mich selber fort. + +Lischen. +Mich eine Person zu heißen! + +Habakuk. +Solche Personalitäten! + +Lischen. +Halt Er Sein Maul! Wenn ich nur diesen langweiligen Menschen +nicht mehr vor mir sehen dürfte! + +Habakuk. +Ich bin kein Menschenfeind, aber ich habe einen Stubenmädelhaß. +Was mir diese Person zuwider ist, bloß weil sies nicht glauben +will, daß ich in Paris gewesen bin. (Boshaft.) Gschieht Ihr schon +recht, Mamsell Liserl! + +Lischen. +O Er erbärmlicher Wicht! Er verdient gar nicht, daß sich ein +Stubenmädchen von meiner Qualität mit Ihm unter einem Dache +befindet. + +Habakuk. +Oh, prahlen Sie nicht so mit Ihrer Stubenmädelschaft, Sie haben +auch die Stubenmädlerei nicht erfunden. Ich versichere Sie, ich +war zwei Jahr in Paris, da gibt es Stubenmädel--wenn man die ins +Deutsche übersetzen könnt, das gäbet eine Stubenmädliade, wo sich +die ganze hiesige Kammerjungferschaft verstecken müßt. Und Sie +schon gar, meine liebe Exkammerjungfer. + +Lischen. +Er zwei Jahre in Paris gewesener Einfaltspinsel, Er kommt mir +gerade recht, wenn Er sich noch einmal untersteht, seine +unverschämte Zunge zu meinem Nachteil zu bewegen, so werd ich +Seinen Backen einen Krieg erklären und Ihm den auffallendsten +Beweis liefern, auf was für eine kräftige Art ein deutsches +Kammermädchen die Ehre ihres Standes zu rächen weiß. (Gibt ihm +eine Ohrfeige und geht schnell ab.) + +Habakuk (hält sich die Wange). +Nein, was man in dem Haus alles erlebt--ich war zwei Jahre in +Paris, aber so etwas ist mir nicht vors Gesicht gekommen. (Geht +ab, indem er sich den Backen hält.) + + + +Elfter Auftritt + +Verwandlung +Kürzeres Zimmer. Rechts die Eingangstür, links führt eine Glastür +nach dem Garten. Auf dieser Seite befindet sich ein massiver +altmodischer Tisch und ein Stuhl. Rechts an der Wand neben der +Tür ein hoher Spiegel. Neben der Gartentür ein Sekretär. + +Rappelkopf kömmt in heftiger Bewegung zur Glastür herein. Sein +ganzes Wesen ist sehr auffahrend. Er sieht die Menschen nur auf +Augenblicke oder mit Seitenblicken an und wendet sich schnell, +entweder erzürnt oder verächtlich, von ihnen ab. + + +Rappelkopf. +Ha! Ja! + +Lied +Ja, das kann nicht mehr so bleiben, +'s ist entsetzlich, was sie treiben. +Ins Gesicht werd ich belogen, +Hinterm Rücken frech betrogen, +'s Geld muß ich am End vergraben, +Denn sie stehln als wie die Raben. +Ich hab keinen Kreuzer Schulden, +Bare hunderttausend Gulden, +Und doch wirds mir noch zu wenig, +Es tät not, ich wurd ein König. +Meine Felder sind zerhagelt, +Meine Schimmel sind vernagelt, +Meine Tochter, wie betrübt, +Ist das ganze Jahr verliebt. +Alle Tag ist das ein Gwinsel +Um den Maler, um den Pinsel, +Der kaum hat ein Renommee, +Und vom Geld ist kein Idee. +Und mein Weib, bei allen Blitzen, +Will die Frechheit unterstützen, +Sagt, er wär ein Mann zum Küssen, +Wie die Weiber das gleich wissen! +Und das soll mich nicht verdrüßen? +Ja, da möcht man sich erschießen. +Und statt daß man mich bedauert, +Wird auf meinen Tod gelauert, +Und so sind sie alle, alle, +Ich zerberste noch vor Galle. +Drum hab ich beschlossen und werd es vollstrecken, +Ich laß von den Menschen nicht länger mich necken. +Ich lasse mich scheiden, ich dringe darauf. +Der ganzen Welt künd auf Michäli ich auf. +Die Liebe, die Sehnsucht, die Freundschaft, die Treue, +Mir falln s' nur nicht alle gschwind ein nach der Reihe, +Die lockenden, falschen, gewandten Mamsellen, +Die mich fast ein halbes Jahrhundert schon prellen, +Die lad ich noch einmal zum Frühstück ins Haus +Und peitsch sie, wie Timon, zum Tempel hinaus. + +Es ist aus! Die Welt ist nichts als eine giftge Belladonna, ich +habe sie gekostet und bin toll davon geworden. Ich brauch nichts +von den Leuten, und sie kriegen auch nichts von mir, nichts Gutes, +nichts Übles, nichts Süßes und nichts Saures. Nicht einmal meinen +sauren Wein will ich ihnen mehr verkaufen. Ich habe Aufrichtigkeit +angebaut, und es ist Falschheit herausgewachsen. Es ist +schändlich, ich bin auf dem Punkte durch meinen eignen Schwager +zum Bettler zu werden. Er hat mich überredet, mein Vermögen +einem Handlungshause in Venedig anzuvertrauen, das jetzt dem +Sturze nah sein muß. Ich erhalte keine Interessen, keinen Brief +von meinem heuchlerischen Schwager, den ich verkannt und der +vielleicht im Bunde steht mit dem betrügerischen Volk. Und so +täuscht mich alles! alles! Darum will ich keinen Kameraden mehr +haben als die zanksüchtige Erfahrung. + +Das ist der vorsichtge, weltghetzte Hase +Mit der vom Unglück zerstoßenen Nase, +Mit dem millionmal verwundeten Schädel, +Das ist mein Mann, den behandle ich edel. + +Ich hab zu viel ausgestanden in der Welt. Mich hat die +Freundschaft getäuscht, die Liebe betrogen und die Ehe gefoltert. +Ich kanns beweisen, ich hab vier Attestaten, denn ich hab das +vierte Weib. Und was für Weiber! Eine jede hat eine andere +Untugend ghabt. Die erste war herrschsüchtig. Die hat wollen +eine Königin spielen. Bis ich als Treffkönig aufgetreten bin. +Die zweite war eifersüchtig bis zum Wahnsinn. Wie sich nur eine +Fliegen auf meinem Gsicht hat blicken lassen, pums, hat sie s' +erschlagen. Das waren zwei Ehen--da kann man sagen, Schlag auf +Schlag. Die dritte war mondsüchtig. Wenn ich in der Nacht hab +etwas auf sie sprechen wollen, ist sie auf dem Dach oben gsessen. +Jetzt frag ich einen Menschen, ob das zum Aushalten war? Aber +sie haben doch behauptet, sie könnten mit mir nicht leben, und +sind aus lauter Bosheit gestorben. Bin aber nicht gscheid +geworden, hat mich die Höllenlust angewandelt, eine vierte zu +nehmen. Eine vierte, die viermal so falsch ist als die andern +drei. Die mein Kind in ihrem Ungehorsam unterstützt. Den Maler +protegiert, den Maler, der vor Hunger alle Farben spielt. Nichts +als immer wispert mit der Dienstbotenbrut, Komplotte macht gegen +ihren Herrn und Meister. (Sieht zur halboffnen Eingangstür +hinaus.) Aha! Da schleicht das Stubenmädel herum. Die hat schon +wieder eine Betrügerei im Kopf. Die wär nicht so übel, das +Stubenmädel, das ist noch die sauberste--aber ich hab einen +Haß auf sie, einen unendlichen--ich werd sie aber doch +hereinrufen, bloß um sie auf eine feine Art auszuforschen. He! +Lischen! (Schreit.) Herein mit ihr! + + + +Zwölfter Auftritt + +Voriger. Lischen tritt furchtsam ein. + + +Lischen. +Was befehlen Euer Gnaden? + +Rappelkopf (immer barsch). +Ich hab etwas zu reden mit ihr. + +Lischen (erschrickt). +Mit mir? (Beiseite.) Nun das wird eine schöne Konversation werden. +Was er schon für Augen macht! + +Rappelkopf (beiseite). +Ich werd alle möglichen Feinheiten gebrauchen. (Roh.) Da geh +Sie her! (Lischen nähert sich verzagt. Rappelkopf betrachtet +sie verächtlich vom Kopf bis zu den Füßen.) Infame Person! + +Lischen. +Aber Euer Gnaden-- + +Rappelkopf. +Was Gnaden--nichts Gnaden--schweig Sie still und antwort Sie. + +Lischen. +Das kann ich ja nicht zugleich. + +Rappelkopf. +Sie kann alles. Es gibt keinen Betrug, der Ihr nicht möglich wäre. +Sie ist eine Mosaik aus allen Falschheiten zusammengesetzt. +(Beiseite.) Ich muß mich zurückhalten, damit ich nur nicht +unhöflich mit ihr bin. + +Lischen (empört). +Aber wer wird sich denn solche Impertinenzen sagen lassen? + +Rappelkopf (heftig). +Sie, Sie wird 's sich sagen lassen. Und wird keinen Laut von +sich geben. Was hat Sie für eine Betrügerei vorgehabt? Sie will +mich bestehlen? + +Lischen. +Nein! + +Rappelkopf. +Was denn? + +Lischen. +Ich will mich empfehlen. (Will fort.) + +Rappelkopf (nimmt ein ungeladenes Jagdgewehr). +Nicht von der Stelle, oder ich schieß Sie nieder! + +Lischen (schreit). +Hülfe, Hülfe! + +Rappelkopf. +Nicht mucksen! Antwort! Warum hat Sie so verdächtig herumgesehen? +Was ist im Werk? + +Lischen. +Himmel, wenn es losgeht! + +Rappelkopf. +Nutzt nichts! losgehn muß etwas, entweder Ihr Maul oder die +Flinten. + +Lischen. +Ach, was soll ich denn mein Leben riskieren! (Kniet nieder.) +Lieber gnädiger Herr, ich will alles bekennen. + +Rappelkopf. +Endlich kommts an den Tag. Himmel, tu dich auf! + +Lischen. +Ich habe gelauscht, ob das Fräulein nicht aus dem Alpental +zurückkömmt, die gnädge Frau hat mich ausgezankt, weil ich +nicht bei ihr geblieben bin, da sie ihren Liebhaber erwartet, +der heute ankommt. Die gnädige Frau ist mit ihr einverstanden, +doch weil sie mich so mißhandelt hat, so verrate ich sie. + +Rappelkopf. +Entsetzlicher Betrug! O falsche Niobe! Und Sie niedrigdenkende +Person, Sie wagt es, Ihre Frau zu verraten--der Sie so viel +Dank schuldig ist? O Menschen, Menschen! Ausgeartetes Geschlecht! +Aus meinen Augen geh Sie mir, Sie undankbare Kreatur, ich will +nie mehr etwas von Ihr wissen. + +Lischen. +Aber was hätt ich denn tun sollen? + +Rappelkopf. +Schweigen hätt Sie sollen. + +Lischen. +Aber Euer Gnaden hätten mich ja erschossen. + +Rappelkopf. +Ist nicht wahr, es ist nicht geladen. Betrug für Betrug. + +Lischen. +So, also hätt ich diese Angst umsonst ausgestanden? Das ist +abscheulich. + +Rappelkopf. +Nein, nicht umsonst. Du Krokodil von einem Stubenmädel--du +sollst eine Menge dafür haben: meine Verachtung, meinen Haß, +meinen Schimpf, meine Verfolgung und deinen Lohn. (Wirft ihr +einen Beutel vor die Füße.) Nimms und geh aus meinem Haus. Mach +dich zahlhaft, oder ich zahl dich auf eine andre Art aus. So +nimms, warum nimmst du es denn nicht? + +Lischen. +Oh, ich werds schon nehmen. (Denkt nach.) Gnädger Herr! + +Rappelkopf. +Was denkst denn nach, du Viper? Nimms und ruf mir deine Frau. + +Lischen (schnell auf die Gartentür deutend). +Dort ist sie ja! + +Rappelkopf (schießt schnell gegen die Gartentür). +Wo ist sie? Wo? Her mit ihr. + +Lischen (hebt schnell den Beutel auf). +Das ist ein alter Narr! (Läuft schnell ab.) + +Rappelkopf (sieht ihr nach). +Hat ihn schon! O ihr Welten, stürzt zusammen, dieses weibliche +Insekt wagt es, mich zum besten zu halten! O Rappelkopf! Wie +falsch diese Menschen mit mir sind, und ich bin so gut mit ihnen! +Ha! Dort kommt mein Weib, entsetzlicher Anblick--meine Haar +sträuben sich empor, ich muß aussehen wie ein Stachelschwein. + + + +Dreizehnter Auftritt + +Voriger. Sophie. + + +Sopie (gelassen). +Was willst du denn, lieber Mann? + +Rappelkopf. +Dich will ich, aus der gesamten Menschheit dich! und von dir +mein Fleisch und Blut, mein Kind! Wo ist sie? + +Sopie (verlegen). +Sie ist nicht zu Hause-- + +Rappelkopf (sehr heftig). +Nun also, wo ist sie--? Wo?-- + +Sopie. +So sei nur nicht so heftig. + +Rappelkopf. +Jetzt bin ich heftig, und ich bin ganz erstaunt über meine +Gelassenheit. Im Wald ist sie draußen. Also auch mein Kind ist +verloren für mich? + +Sopie. +Nu, nu, in dem Wald ist ja kein Bär. + +Rappelkopf. +Aber ein junger Herr--Also die Gschicht ist noch nicht aus, +mit diesem Maler? + +Sopie. +Und darf nicht aus sein, denn das Glück und die Ruhe deiner +Tochter stehen auf dem Spiele. Sie wird ihn ewig lieben. + +Rappelkopf. +Und ich werd ihn ewig hassen. + +Sopie. +Was hast du als Mensch an ihm auszusetzen? + +Rappelkopf. +Nichts, als daß er einer ist. + +Sopie. +Was hast du gegen seine Kunst einzuwenden? + +Rappelkopf. +Alles! Ich hasse die Malerei, sie ist eine Verleumderin der +Natur, weil sie s' verkleinert. Die Natur ist unerreichbar. +Sie ist ein ewig blühender Jüngling, doch Gemälde sind +geschminkte Leichen. + +Sopie. +Ich kann deine Ansichten nicht billigen und darf es nicht. +Meine Pflicht verbietet es. + +Rappelkopf. +Weil du dir die Pflicht aufgelegt hast, mich zu hassen, zu +betrügen, zu belügen et cetera. (Wendet sich von ihr ab.) + +Sopie. +So laß dir doch nur sagen-- + +Rappelkopf. +Ist nicht wahr. + +Sopie. +Ich habe ja nichts gesagt noch-- + +Rappelkopf. +Du darfst nur das Maul aufmachen, so ist es schon erlogen. + +Sopie. +So blick mich doch nur an-- + +Rappelkopf. +Nein, ich hab meinen Augen jedes Rendezvous mit den deinigen +untersagt. Lieber Kronäugeln als Liebäugeln. Aus meinem Zimmer! +(Setzt sich und dreht ihr den Rücken zu.) + +Sopie (empört). +Du wendest mir den Rücken zu? + +Rappelkopf. +In jeder Hinsicht. Weil du alles hinter meinem Rücken tust, +so red auch mit mir hinter meinem Rücken. Ich bin kein +Janushaupt, ich hab nur ein Antlitz, und da ist nicht viel +daran, aber wenn ich hundert hätt, so würd ich sie alle von +euch abwenden. Darum befrei mich von deiner Gegenwart! Hinaus, +Ungeheuer! + +Sopie. +Mann, ich warne dich zum letzten Male. Diese Behandlung hab +ich weder verdient, noch darf ich sie länger erdulden, wenn +ich nicht die Achtung vor mir selbst verlieren soll. Niemand +ist deines Hasses würdiger als dein Betragen. Es ist ein Feind, +der sich in seinem eignen Haus bekriegt. Und es ist wirklich +hohe Zeit, daß ich mich entferne, damit ich mich nicht durch +den Wunsch versündige, der Himmel möchte dich von einer Welt +befreien, die deinem liebeleeren Herzen zur Last geworden ist +und in der du keine Freude mehr kennst als die Qual deiner +Angehörigen. (Geht erzürnt ab.) + +Rappelkopf (allein). +Das ist eine schreckliche Person. Alles ist gegen mich, und +ich tu niemand etwas. Wenn ich auch manchmal in die Hitz komm, +es ist eine seltene Sach, wenn ich ausgeredt hab, ich weiß kein +Wort mehr, was ich gsagt hab. Aber die Menschen sind boshaft, +sie könnten mich vergiften. Und dieses Weib, gegen die ich +eine so auspeitschenswerte Liebe ghabt hab, ist imstande, mich +so zu hintergehen. Und doch fordert sie Vertrauen. Woher nehmen? +Wenn ich nur einen wüßt, der mir eines leihte! Ich wollte ihm +dafür den ganzen Reichtum meiner Erfahrung einsetzen. (Stellt +sich an die Gartentür.) Dieser Garten ist noch meine einzige +Freud. Die Natur ist doch etwas Herrliches. Es ist alles so gut +eingerichtet. Aber wie diese Raupen dort wieder den Baum +abfressen. Dieses kriechende Schmarotzergesindel. (Sich höhnisch +freuend.) Freßts nur zu. Nur zu. Bis nichts mehr da ist, nachher +wieder weiter um ein Haus. O bravissimo! (Bleibt in den Anblick +versunken mit verschlungenen Armen stehen.) + + + +Vierzehnter Auftritt + +Voriger. Habakuk tritt zur Eingangtür herein, ein Kuchelmesser +in der Hand. + + +Habakuk. +Jetzt wollen wirs probieren. (Sieht Rappelkopf, erschrickt.) +Sapperment, da steht er just vor der Gartentür! Wie komm ich +denn jetzt hinaus? Ich trau mich nicht vorbei. Er fahret auf +mich los als wie ein Kettenhund. Ach, was kann denn mir +geschehen! Ich war zwei Jahr in Paris. Euer Gnaden erlauben, +daß ich (Rappelkopf kehrt sich schnell um und erschrickt. Habakuk +erschrickt ebenfalls.) + +Rappelkopf. +Was ists--? Was will Er? + +Habakuk (für sich). +Bellt mich schon an. (Versteckt das Messer unwillkürlich.) + +Rappelkopf (packt ihn an der Brust). +Was willst du da herin, warum erschrickst? + +Habakuk (für sich). +Hat mich schon. (Laut.) Euer Gnaden verzeihen, ich hab-- + +Rappelkopf. +Was hast? Ein schlechtes Gewissen hast. Was versteckst denn da? +Ans Licht damit! + +Habakuk (zeigt es vor). +Ich versteck gar nichts, Euer Gnaden. Es ist ein Kuchelmesser-- + +Rappelkopf (prallt entsetzt zurück). +Himmel und Hölle! Der Kerl hat mich umbringen wollen. + +Habakuk. +Warum nicht gar-- + +Rappelkopf. +Den Augenblick gesteh! (Packt ihn und entreißt ihm das Messer.) +Ist dieses Messer für mich geschliffen? + +Habakuk. +Ah, das wär ja rasend, wenn Euer Gnaden so was glauben könnten-- +Ich hab ja Euer Gnaden nur fragen wollen-- + +Rappelkopf. +Ob du mich umbringen darfst? + +Habakuk. +Warum nicht gar, da würd man ja Euer Gnaden lang fragen-- + +Rappelkopf. +O du schändlicher Verräter! + +Habakuk. +So lassen sich Euer Gnaden nur berichten-- + +Rappelkopf. +Keine Entschuldigung, hinaus mit dir! + +Habakuk (beiseite). +Er laßt einem nicht zu Wort kommen. (Laut.) Euer Gnaden müssen +mich hören. (Will auf ihn zu.) + +Rappelkopf (hält einen Stuhl vor). +Untersteh dich und komm mir auf den Leib. Ich glaub, er hat +noch ein paar Messer bei sich. Der Kerl ist ein völliger +Messerschmied. + +Habakuk. +So untersuchen mich Euer Gnaden ins Teufels Namen-- + +Rappelkopf (packt ihn wieder). +Das will ich auch. Gesteh, Bandit von Treviso, wer hat dich +gedungen? + +Habakuk. +Ich versteh Euer Gnaden gar nicht. + +Rappelkopf. +Ich will wissen, wer diese Schreckenstat veranlaßt hat. + +Habakuk. +Mein Himmel, die gnädige Frau hat gschafft-- + +Rappelkopf. +Genug, ich brauch nicht mehr zu wissen. Entsetzlich! +(Habakuk will reden. Rappelkopf schreit.) +Nichts mehr! Mein Weib will mich ermorden lassen! (Sinkt in +einen Stuhl und verhüllt sein Gesicht.) + +Habakuk (für sich). +Ah, das ist schrecklich! ich hätt sollen einen Zichori +ausstechen (ringt die Hände), und er glaubt, ich will ihn +umbringen. Ah, das ist schrecklich, das ist schrecklich! + +Rappelkopf. +Ja, es ist schrecklich--es ist entsetzlich, es ist das +Unmenschlichste, was die Weltgeschichte aufzuweisen hat. +(Nimmt den Stuhl.) Hinaus, du Mörder! du Abällino! du Ungeheuer +in der Livree! + +Habakuk. +Aber Euer Gnaden-- + +Rappelkopf. +Hinaus mit dir-- + +Habakuk. +Nein, ich war-- + +Rappelkopf (wütend). +Hinaus, sag ich, oder--(jagt ihn hinaus.) + +Habakuk (schon vor der Tür, schreit). +Ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich noch nicht erlebt. +(Ab.) + +Rappelkopf (allein). +Es ist vorbei, ich bin unter meinem eignen Dache nicht mehr sicher. +Drum hinaus, nur hinaus +Aus dem mörderischen Haus! +Doch vorher will ich mich rächen, +Alle Möbel hier zerbrechen. +Gleich zuerst nehm ich beim Schößel +Diesen vierzigjährgen Sessel, +Auf dem meine Weiber saßen, +Die mein Lebensglück mir fraßen. +Ha! Dich tret ich ganz zuschanden. +(Zertritt den Stuhl.) +So--der hat es überstanden. +Auch den Tisch, an dem ich Briefe, +Voll Gemüt und treuer Tiefe, +Einst an falsche Freunde schrieb, +Spalte ich auf einen Hieb. +(Schlägt in den Tisch.) +Und der weltverführnde Spiegel, +Der Verderbtheit blankes Siegel, +Dieser Abgott aller Schönen, +Dem die eitlen Narren frönen, +Wo sie stehen, wo sie gaffen +Und sich putzen wie die Affen, +Gsichter schneiden, Buckerl machen, +Weißer Zähne willen lachen: +O du truggeschliffner Räuber! +Du Verführer eitler Weiber! +O du niedrige Lappalie! +Wart, dir liefr ich jetzt Bataille. +(Erblickt sich in dem Spiegel.) +Pfui! das häßliche Gesicht, +Ich ertrag es länger nicht. +(Zerschlägt den Spiegel mit geballter Faust.) +So! da liegt er jetzt, der Held, +Und sein Harnisch ist zerschellt. +(Besieht die Hand.) +Ha! der glänzende Betrüger +Hat verwundet seinen Sieger, +Doch ich mach mir nichts daraus, +Flöß ein Eimer Blut heraus. +(Öffnet den Schreibtisch und nimmt Briefe aus demselben.) +Auch die Briefe voll von Lieb, +Die im Wahnsinn ich einst schrieb, +Die zerreiß ich alle hier. +'s ist nur schad um das Papier. +(Zerreißt sie und streut sie auf den Boden. +Nimmt Geldrollen und Geldbeutel aus einer Schatulle.) +Nur das tiefgehaßte Geld, +Die Mätresse dieser Welt, +Das bewahr ich mir allein, +Das muß mit, das steck ich ein. +(Steckt es schnell in die Taschen.) +Nun? Ihr Esel, ihr vier Wände, +Die ich hasse ohne Ende, +Warum schaut ihr mich so an? +Bin ich nicht ein ganzer Mann? +Euch kann ich zwar nicht zerschlagen, +Doch ich will euch etwas sagen: +Ich geh jetzt in Wald hinaus +Und komm nimmermehr nach Haus. + +(Läuft wütend ab.) + + + +Fünfzehnter Auftritt + +Verwandlung +Das Innere einer Köhlerhütte. Rußige Wände. + +Salchen am Spinnrocken. Hänschen, Christopherl, Andresel sitzen +am Tisch. Marthe an einer Wiege, in der ihr Kind liegt. Unterm +Tisch ein großer schwarzer Hund. Auf dem Tisch eine Katze, mit +welcher die Knaben spielen. Im Hintergrunde zwei schlechte +Betten. In einem liegt die kranke Großmutter, in dem andern der +betrunkene Christian. + +Quintett + + +Salchen (fröhlich). +Wenn ich an mein Franzel denk, +Wird mir halt so gut. +'s Herzel, das ich ihm nur schenk, +Kriegt gleich frohen Mut. + +Die drei Kinder. +He, Mutter, gib was z' essen her, +Der Magen tut uns weh! + +Salchen. +Das Hungern fällt mir gar nicht schwer, +Wenn ich mein Bürschel seh. +Wenn ich an mein Franzel denk, +Wird mir halt so gut. +'s Herzel, das ich ihm nur schenk, +Kriegt gleich frohen Mut. + +Die drei Kinder. +Mutter, gib uns Brot! + +Christian (mit lallender Stimme). +Ihr Bagage, seids nicht still? +Tausendschwerenot! + +Marthe (ruft). +Still! + +Das Kind. +Qua qua! + +Die Katze. +Miau! + +Der Hund. +Hau hau! + +(Die erste Melodie fällt ein.) + +Salchen. +Mein Franzel ist ein wiffer Bua, +Singt den ganzen Tag: +Daß er mich alleinig nur +Und kein andre mag. + +Die drei Kinder. +Wenn wir nicht was z' essen kriegn, +So gehn wir ja zugrund! + +Salchen. +So weckts das Kind nicht in der Wiegn, +Und spielts euch mit den Hund! +Mein Franzel ist ein wiffer Bua, +Singt den ganzen Tag: +Daß er mich alleinig nur +Und kein andre mag. + +Die drei Kinder. +Sapperment, ein Brot! + +Christian. +Wanns nicht euern Schnabel halts, +Schlag ich euch noch tot! + +Marthe. +Still! + +Das Kind. +Qua qua! + +Die Katze. +Miau! + +Der Hund. +Hau hau! + +Marthe. +Still seids, ihr ausgelassenen Buben! + +Hänschen (weinerlich). +Mutter, a Brot! + +Salchen. +Ist keins da, Holzbirn eßts! + +Marthe. +Und machts keinen solchen Lärm. Euern Vater ist nicht gut. + +Andresel. +Was fehlt ihm denn? + +Marthe. +Den Schwindel hat er. (Für sich.) Man darfs den Kindern nicht +einmal sagen. + +Christoph. +Jetzt hat der Vater so viel Kohlen verkauft-- + +Andresel. +Und hat kein Geld z' Haus bracht, nichts als ein Schwindel. + +Salchen. +Was geht das euch an? + +Andresel. +Weil wir hungrig sein. Ich weiß schon, warum wir so wenig z' +essen kriegen, weil der Vater so viel trinkt. + +Salchen. +Jetzt schaut d' Mutter einmal die Spitzbuben an. Sie haben gar +kein Respekt vor ihren Vatern. + +Christian. +Ich massakrier die Buben alle drei. (Er will auf und taumelt.) + +Marthe. +Liegen bleib! (Sie drängt ihn ins Bette.) + +Andresel. +Er kriegt schon wieder den Schwindel. + +Alle drei Buben (lachen). +Haha! Der Vater kann nicht grad stehn! + +Marthe. +Ob ihr aufhört! Nein, wie hat mich der Himmel gstraft! + +Das Kind (schreit). +Qua qua! + +Marthe (zu Salchen). +Aufs Kind schau! +(Salchen wiegt.) +Eine Butten voll Kinder und so einen liederlichen Mann. Kein +Pfennig Geld im Haus. +(Die Großmutter niest im Bett.) +Hört d' Mutter zum niesen auf. Man hört sein eignes Wort nicht. + +Die drei Buben. +Ah, das ist a Spaß. + +Andresel. +D' Mutter ist zornig. Haha! + +Marthe. +Nein, die Gall bringt mich um. Du verdammter Bub du, wart, ich +will dir deine Mutter ausspotten lernen! (Nimmt ihn beim Kopf +und schlägt ihn.) + +Andresel (schreit). +Au weh! (Weint.) + +Salchen (springt herzu und hält sie ab). +So hört d' Mutter auf!-- + +(Die zwei andern Buben verkriechen sich hinter den Tisch und +hinters Bett.) + +Alles zugleich: +Das Kind (in der Wiege). +Qua qua! +Die Großmutter (streckt im Bett die Arme heraus und niest). +Hehe! +Der Hund (bellt). +Hau hau! + +(Die Katze springt davon.) + + + +Sechszehnter Auftritt + +Vorige. Rappelkopf öffnet die Tür und bleibt stehen. + + +Rappelkopf. +Holla, da gehts zu, nur hinauf auf die Köpf! Das ist ein Gesindel. +(Geht in die Mitte des Zimmers und klatscht in die Hände. +Schadenfroh.) Bravo! Bravissimo! + +Salchen. +Jetzt schauts den an. Was will denn der da? + +Marthe. +Nu was will Er? Was schaut Er? + +Rappelkopf. +Sie will ich nicht. Sie Altertum! Was kost die Hütten da? Was +muß ich zahlen, wenn ich euch alle hinauswerfen darf? + +Salchen. +Ah, der hat einen kuriosen Gusto. + +Marthe. +Er impertinenter Mensch, was untersteht Er sich denn, da +hereinzukommen-- + +Salchen. +Und uns Grobheiten anzutun. + +Christian (halb schlaftrunken). +Werfts ihn aussi! + +Marthe (verdrüßlich). +Halt's Maul! (Zu Rappelkopf) Was hat denn Er zu befehlen, ich +kann meine Kinder schlagen, wie ich will. + +Andresel. +Nun ja, was geht denn den Herrn mein Buckel an? Die Schläg sein +unser Mittagmahl. + +Der Bub unterm Bett. Sultel! Huß huß! + +Der Hund. +Hau hau! + +Marthe und Salchen. +Hinaus mit Ihm! + +Rappelkopf. +Still! kein Wort reden! (Zieht zwei Geldbeutel hervor und +klingelt damit.) Geld ist da! Dukaten sind da! Die gehören alle +euch. Verstanden? Also freundlich sein. Die Zähn herblöcken. +Euer Gnaden sagen. Gschwind! Bagage! Gschwind! + +Marthe. +Euer Gnaden, wir bitten um Verzeihung. Gehts, Kinder, küßt den +gnädigen Herrn die Hand. Kriegts was zu schenken. + +(Die Kinder kriechen hervor.) + +Andresel (lacht dumm). +Dukaten hat er? Gehts, Buben, küssen wir ihm die Hand. + +(Sie küssen ihm die Hände.) + +Rappelkopf. +Ist schon da die Brut. + +Alle drei Buben. +Euer Gnaden, bitt gar schön um ein Dukaten. + +Christian. +Bringts mir auch welche her! + +Salchen. +Schamts euch nicht? er foppt euch nur. + +Rappelkopf. +Was will die Frau, da, für die Keischen? Ich kauf s'. Wenn s' +noch so teuer ist. + +Marthe. +Ah, Euer Gnaden machen nur einen Spaß. Was wollten S' denn mit +der miserablichen Hütten da? + +Rappelkopf. +Das geht Sie nichts an. Hat Sie genug an zweihundert Dukaten? + +Marthe. +O mein, Euer Gnaden! So viel Geld kanns ja gar nicht geben auf +der Welt, da wären wir ja versorgt auf unser Lebtag. + +Salchen. +Aber die Mutter wird doch nicht die Hütten verkaufen? Was wird +denn mein Franzel sagen, wenn ers hört? + +Andresel. +Mutter, gebts ihm s', es ist nicht mehr wert. + +Marthe (freudig). +O du lieber Himmel, das ist a Glück! Wenn nur mit mein Mann was +zu reden wär! + +Andresel. +Vater! steht der Vater auf! Oder wir verkaufen 's Haus, und den +Vatern auch dazu. + +Marthe. +Du Mann! (Für sich.) Nein, die Schand vorn Leuten! Er kann sich +gar nicht rühren. (Während dieser Rede liebkost der Hund +Rappelkopf, welcher ihn mit dem Fuß von sich stößt. Der Hund +bellt auf ihn. Marthe laut.) +Die Hütten kannst verkaufen, stell dir vor, zweihundert Dukaten +kriegen wir dafür. + +Christian (schlaftrunken). +Ist zu wenig--viel zu wenig. + +Salchen. +Wenn er s' nur nicht hergebet! + +Marthe. +Der Mann weiß gar nicht, was er redt. Sie können s' habn, Euer +Gnaden, es ist schon alles in der Ordnung. + +Rappelkopf. +Da kauf ich alles, wies da liegt und steht. + +Marthe. +Oh, da drauß ist auch ein Kuchel, da hängt a Menge Kuchelgschirr. + +Andresel. +Und Mäus gibts, die sind gar nicht zu bezahlen. + +Rappelkopf. +Also da ist's Geld. (Wirft ihnen Geld hin.) Und jetzt +augenblicklich hinaus. Alle miteinander. In zwei Minuten will +ich keins mehr sehen. + +Salchen. +Sieht die Mutter, jetzt kommts halt doch auf Hinauswerfen heraus. + +(Während dieser Reden haben die Kinder alles nach und nach +zurückgeräumt, so daß die Bühne im Vordergrunde frei von Möbeln +ist, bis auf einen Stuhl, auf den sich Rappelkopf setzt. Franzel +tritt ein.) + +Franzel. +Guten Abend, der Franzel ist da! + +Rappelkopf. +Da kommt noch so ein Halbmensch. + +Salchen. +O lieber Franzel, schau nur den Fremden an, dem hat die Mutter +die Hütten verkauft, er wirft uns alle 'naus. Er hat s' schon +zahlt. + +Franzel. +Aber Mutter, was fallt Euch denn ein? Gebts ihm doch 's Geld +zurück, dem abscheulichen Menschen. + +Marthe. +Warum nit gar--das gib ich nimmer her, keinen solchen Narren +finden wir nicht mehr. Seids still, von dem Geld könnts euch +heiraten. + +Salchen. +Aber wo bleiben wir denn? Es ist ja schon bald Nacht. + +Marthe. +Ums Geld lassen s' uns überall hinein. He! Kinder, Vater, Mutter, +auf, auf! wir müssen alle fort. + +Andresel. +Das wird ein Auszug werden! Ich freu mich schon. + +Marthe. +Aufsteh, Mann! (Sie zerrt ihn auf und führt ihn vor.) + +Rappelkopf. +Ist er krank? + +Marthe. +Nu, ich glaubs. + +Rappelkopf. +Schon lang? + +Marthe. +Halt ja, das ist gar ein altes Übel, das ist noch vom vorigen +Jahr. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr! es ist vom Heurigen. Hinaus mit ihm! + +Christian. +Ich geh nicht fort, bis ich das Geld nicht hab. Ich bin ein +Mann, ich hab etwas im Kopf, so will ich im Sack auch was haben. + +Marthe. +Ich hab schon 's Geld, (zieht ihm den Rock an und setzt ihm den +Hut auf) so geh nur zu! Jetzt Kinder, packts zusammen. +(Hansel nimmt den Hund an einen Strick.) +Der Christoph führt die Großmutter. +(Sie heben die Alte aus dem Bett und geben ihr die Krücke in die +Hand. Auf Hänschen.) +Du führst den Hund, und ich mein Mann. + +Rappelkopf. +Und das Kind? Was gschieht mit den? + +Andresel. +Das nimm ich unterm Arm. + +Rappelkopf. +Das ist ein Hottentottenvolk. Seid ihr in Ordnung jetzt? + +Andresel. +Ja. Eingspannt ists. + +Rappelkopf. +So fahrt hinaus. + +Salchen. +So müssen wir denn wirklich fort, aus unsern lieben Haus-- + +Christoph (weint). +Wo wir alle geboren und verzogen sein. + +Salchen. +Meiner Seel, der Herr kanns nicht verantworten, was der Herr mit +seinen Geld für ein Unheil anstift. + +Sextett + +Salchen. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Alle (bis auf Rappelkopf). +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Salchen. +Und fänden wir das höchste Glück, +Wir dächten doch an dich zurück. + +Alle. +Und fänden wir das höchste Glück, +Wir dächten doch an dich zurück. + +(Alle Paar und Paar ab. Sie sehen sich im Abgehen betrübt um, +auch der Hund.) + +Der Hund (mit gedämpftem Ton gegen Rappelkopf im Abführen). +Hau hau! Hau hau! (Geht hinten nach, von Hänschen an einem Strick +geführt.) + + + +Siebzehnter Auftritt + +Rappelkopf allein. + +Lied mit Chor + + +Rappelkopf (springt vom Stuhle auf). +Jetzt bin ich allein, und ich will es auch bleiben, +Will mich mit der Einsamkeit zärtlichst beweiben, +Will gar keine Freunde als Berge und Felsen, +Verjag das Schmarotzergesindel wie Gelsen, +Will nie dem Geschwätze der Weiber mehr lauschen, +Da hör ich viel lieber des Wasserfalls Rauschen. +Zu Pagen erwähl ich die vier Elemente, +Die regen geschäftig die riesigen Hände. +Den Westwind ernenn ich zu meinem Friseur, +Der kräuselt die Locken und weht um mich her, +Und wenn ich ein hohes Toupet vielleicht schaff, +Frisiert mich der Sturmwind gleich à la Giraff. +So leb ich zufrieden im finsteren Haus +Und lache die Torheit der Menschen hier aus. +(Tritt in die Mitte des Theaters zurück und starrt vor sich hin. +Nah an der Hütte ertönt sanft der Chor nach der vorigen Melodie.) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + +Rappelkopf (tritt vor). +Ich will nichts mehr hörn von den boshaften Leuten, +Verachte die Dummen und fliehe die Gscheidten. +Und ob sie sich raufen, und ob sie sich schlagen, +Und ob sie Prozesse führn und sich verklagen, +Und ob sie sich schmeicheln, und ob sie sich küssen, +Und ob sie der Schnupfen plagt, wie oft sie niesen, +Und ob sie gut schlafen, und was sie gegessen, +Und ob sie vernünftig sind oder besessen, +Und ob wohl in Indien der Hafer ist teuer, +Und obs in Pest regnt und in Ofen ist Feuer, +Und ob eine Hochzeit wird oder ein Leich: +Ha! das ist mir einerlei, das gilt mir gleich. +Ich lebe zufrieden im finsteren Haus +Und lache die Torheit der Menschen hier aus. + +(Wirft sich in den Stuhl. Weiter entfernt von der Hütte:) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + +(Es wird finster.) + +Rappelkopf (springt auf und schleudert den Stuhl zurück, auf +dem er saß). +Und wollte die Welt sich auch gänzlich verkehren, +Und brächte der Galgen die Leute zu Ehren, +Und läge die Tugend verpestet am Boden, +Und tanzten nur Langaus die Kranken und Toten, +Und brauchten die uralten Weiber noch Ammen, +Und stünde der Nordpol in glühenden Flammen, +Und schenkte der Wucher der Welt Millionen, +Und würden so wohlfeil wie Erbsen die Kronen, +Und föcht man mit Degen, die ganz ohne Klingen, +Und flögen die Adler und fehlten die Schwingen, +Und gäbs eine Liebe, gereinigt von Qualen, +Und schien' eine Sonne, beraubt ihrer Strahlen: +Ich bliebe doch lieber im finsteren Haus +Und lachte die Torheit der Menschen hier aus. + +(Er eilt zurück und öffnet die Fensterbalken. Der Wald erglüht +im Abendrot, welches auch Rappelkopf bestrahlt. Er blickt düster +hinaus und von ferne erschallt der) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + + + +Achzehnter Auftritt + +(Langsam verwandelt sich die Bühne in ein kurzes Zimmer in +Rappelkopfs Hause. In der Mitte ein großer Spiegel. Tag.) + + +Sophie, von Malchen und August geführt, setzt sich weinend in +einen Stuhl. + +Malchen. +Trösten Sie sich, teure Mutter, der Vater wird schon wieder +zurückkehren, wenn er ausgetobt hat. Wie oft verließ er nicht +das Haus und lief den Bergen zu. + +Sopie. +Ach Kinder, es ist eine böse Ahnung in meinem Busen, die mir +jede Hoffnung raubt, daß wir ihn gesund und wohlbehalten +wiedersehen. + +August. +Wenn Sie mir nur erlauben wollten, ihm nachzueilen, ich wollte +alle Mittel anwenden, ihn zu besänftgen. + +Sopie. +O lieber August, Ihr Anblick würde ihn nur noch mehr erbittern. +Eben weil er Sie hier weiß, ist sein Unmut zur Raserei geworden. + +Malchen. +Da kommt Lischen mit Habakuk, vielleicht hat man schon Nachricht +gebracht. (Lischen, eilig Habakuk hereinziehend.) + +Lischen. +Da komm Er herein, Er abscheulicher Mensch, und erzähl Er der +gnädgen Frau den ganzen Vorfall! Stellen sich Euer Gnaden vor, +mit dem Habakuk hat er den letzten Auftritt gehabt. Wegen dem +Habakuk ist er fort. + +Habakuk. +So red Sie nur nicht so einfältig! Was kann denn ich dafür? + +August. +Der Mensch ist ja blaß wie eine Leiche. + +Sopie. +Warum hat Er denn das nicht gleich gemeldet, wo war Er bis jetzt? + +Lischen. +Auf den Kornboden hat er sich versteckt, aus lauter Angst vor +den gnädgen Herrn. Er hat ihn ja ermorden wollen. + +Alle. +Wen? + +Lischen. +Der Habakuk den gnädigen Herrn. + +Alle. +Nicht möglich! + +Lischen. +Nicht möglich? Er hat es ja selbst gestanden. Sehen Euer Gnaden +nur diese Mörderphysiognomie, er bringt noch das ganze Haus um. + +Habakuk. +Ah, das ist ja eine schändliche Person. Euer Gnaden, ich bitt, +daß ich mich an ihr eine halbe Stund vergreifen darf. Das kann +ich ja nicht leiden. + +Lischen. +Untersteh Er sich und komm Er her, Er Missetäter! + +Malchen. +Du wirst dir doch keinen Scherz erlauben, Lischen? + +Sopie. +Sprech Er, Habakuk! Warum zittert Er denn so? + +Habakuk. +Aus lauter Zorn, ich benimm mich gegen alle présence d'esprit, +ich war zwei Jahr in Paris, und mir schnappen die Füß zusammen. + +August (gibt ihm einen Stuhl). +Hier setz Er sich nieder und erklär Er sich über die Sache. + +Habakuk. +Ich kann mich nicht anders erklären, als daß ich, wie Euer +Gnaden geschafft haben, einen Zichori hab ausstechen wollen, +und wie der gnädige Herr ein Messer bei mir erblickt, so hat +er behauptet, ich hätt ihn gschwind unter der Hand umbringen +wollen. Laßt mich nicht zu Wort kommen, schüttelt mich wie einen +Zwetschkenbaum und fragt mich, wer mich gedünget hat. Ich wollt +antworten: Die gnädige Frau braucht einen Zichori. Wer aber +diesen Zichori gar nicht aus mir herauslaßt, das war er. Denn +kaum hab ich das Wort: »Die gnädige Frau« gesagt, so ist er +schon mit beiden Füßen bis auf den Blavon hinauf gsprungen. +Hat immer geschrien, meine Frau will mich ermurden lassen, hat +mich einen Habällino hin, den andern her geheißen, und hat mich +mir nichts dir nichts bei der Tür hinausgeprügelt. Von wo ich +mich aus lauter Desperation auf den Kornboden versteckt hab. +Bis mich dieses intrigante Frauengeziefer heruntergestöbert hat +und jetzt die ganze Gschicht auf eine so verkehrte Weise erzählt. + +Lischen. +Er hat einmal behauptet-- + +Habakuk. +Daß Sie eine niedrigdenkende Seele ist, die einen Mann von +meinen Meriten ins Unglück hineinstürzen will. + +Sopie. +Genug jetzt, mit diesen Albernheiten. Also das ist die Ursache, +die meinen Mann in solche Wut geraten ließ? Des Mordes hält er +mich verdächtig? So ungereimt diese Zumutung auch ist, so gibt +sie doch einen Beweis, wie gemein er von meinem Charakter denkt. + +Malchen. +Beruhigen Sie sich, liebe Mutter! + +August. +Wer sollte glauben, daß ein gesunder Verstand so phantastisch +ausarten könne? + +Lischen. +Der gnädge Herr hatte immer etwas Düstres an sich, selbst wie +er noch Buchhändler war, seine Bücher waren immer gut aufgelegt, +er aber nie. + +Habakuk. +Er ist ein Hypokontrolist. Er hat zu reizende Nerven. + +Lischen (lacht). +Es ist schrecklich--dieser Mensch war zwei Jahr in Paris und ist +so einfältig wie eine Auster. + +Habakuk. +Diese Person fällt noch von meiner Hand. + +Sopie (zu Lischen). +Und du hast ihn aus dem Hause laufen sehen? + +Lischen. +Dem Walde zu. Nachdem er vorher die große Schlacht gegen alle +Möbel gewonnen hatte. + +Sopie (weint). +Ach du lieber Gott, mir bangt um sein Leben, ich kann nicht +ruhig bleiben mehr, ich muß selbst hinaus-- + +August. +Bleiben Sie-- + +Malchen. +Ach August, der Alpenkönig hat uns getäuscht. + +August. +Ich verwünsche diesen Kobold. + +(Donnerschlag. Der Spiegel öffnet sich, man sieht auf einem +schroffen Fels den Alpenkönig sitzen. Im Hintergrunde ferne +Berge, blauer Himmel.) + +Sopie. +Himmel, welche Erscheinung! + +August, Malchen. +Er ist es! + +Sopie. +Wer? + +Habakuk. +Der Aschenmann! + +August, Malchen. +Der Alpenkönig! + +Lischen. +Ach, daß der Himmel erbarm! (Sie schließt die Augen.) + +Astragalus. +Warum verfluchst du mich? + +August (kniet). +Du Wunderwesen, dessen Macht wir nicht erklären können und die +doch unleugbar, weil sie dem Auge und dem Herzen sich zugleich +verkündet, du hast uns deinen Schutz gelobt. Und doch ward diesem +Haus so tiefes Leid, daß ich beinahe fürchten muß, du könntest +meiner Liebe Glück durch ihres Vaters Unglück nur bezwecken. + +Malchen (kniet). +Wenn du die Stelle kennst, auf der sein Fuß jetzt irrt, so rett +ihn, hoher Klippenfürst. + +Sopie (kniet). +Ich verstehe meiner Kinder Worte nicht, doch wenn meines Mannes +Herz in deinen Zauberbanden liegt und darum sich von uns gewendet +hat, so gib es frei, wir werden dich dafür stets als ein gutes +Wesen ehren. + +Lischen (kniet). +Hoher Alpenkönig! Ich traue mich zwar nicht, mein Auge zu dir zu +erheben, warum? das weiß ich schon. Aber wenn du ein galanter +Herr bist, so wird auch die Bitte einer hübschen Kammerjungfer +etwas bei dir gelten. + +Habakuk (kniet). +Ich bitt auch ganz erschrecklich, Euer gesteinigte Hochheit! + +Astragalus (steht auf). +Ich dacht es wohl, es wandle euch Besorgnis an, +Weil mein Geschäft so üblen Anfang nimmt. +Doch sorgt euch nicht, ich bin ein kluger Handwerksmann, +Der seinen Vorteil schon voraus bestimmt. +Denn wenn man sprödes Erz geschmeidig sucht zu biegen, +So lasse man es in des Ofens Bauch erglühn. +Und so muß sein Gemüt in Hassesflammen liegen, +In wilder Leidenschaft die Seele Funken sprühn, +Dann kann ich seinen Wahn durch Überzeugung schmieden +Und seiner Denkart ihre alte Form verleihn. +Von selbst schließt mit der Menschheit er dann neu den Frieden +Und wird sein Wirken freudig ihrem Wohle weihn. +Drum, was ihr Böses mögt in baldger Zukunft schauen, +Wenn ihr bei nächster Sonne wieder ihn erblickt, +Doch mögt ihr kühn und treulich auf mein Wort vertrauen, +Noch eh sie sinkt, hat Alpenkönig euch beglückt. + +(Sinkt in seine frühere Stellung zurück. Das Spiegelglas erscheint +wieder.) + +Sopie. +So unerklärbar dieses Phantom mir ist, so hat es doch Trost in +meine Seele gesendet. Begleitet mich nach dem Gemach, das uns +die Aussicht nach dem Wald hin bietet, vielleicht sehen wir +schon einige von den Boten zurückkehren, welche ich nach meinem +Manne ausgesendet habe. Dort sollt ihr mir auch Aufklärung über +den Alpenkönig geben. + +(Sophie, Malchen, August ab.) + + + +Neunzehnter Auftritt + +Habakuk. Lischen. + + +Habakuk. +Nein, was einem in unserm Haus für Erscheinungen begegnen, das +geht in das Entsetzliche hinüber. (Stellt sich vor Lischen.) + +Lischen. +Nu was gibts, Monsieur? Was sieht Er mich so an? + +Habakuk (gezogen). +Sie hat mich auf das Schafott bringen wollen, darum hab ich Ihr +in dieser Welt nichts mehr zu sagen, als-- + +Lischen. +Daß Er zwei Jahre in Paris gewesen ist, Er abgeschmackter Mensch? + +Habakuk. +Oui, Mademoiselle, und dieses Bewußtsein gibt mir die Kraft, +Ihre Gemeinheit zu verachten. (Geht pathetisch ab.) + +Lischen (allein). +Und ich werde mich in des gnädgen Herrn Zimmer verfügen und mich +in den zerbrochenen Spiegel schauen, ob ich meine ganze Schönheit +noch besitze. Dann werde ich die zerrissenen Liebesbriefe +zusammenkehren und diese mit Füßen getretenen Empfindungen ganz +langsam in den Kamin hineinschaufeln. So sind die Männer, ihre +Liebesschwüre sind lauter Wechsel an die Ewigkeit, in diesem +Leben zahlt sie keiner aus. Wenn ich wieder auf die Welt komme, +so werd ich ein Mann und will gar keine von meinen jetzigen +Eigenschaften behalten als die Eroberungskunst. + +Ariette +Ach, wenn ich nur kein Mädchen wär, +Das ist doch recht fatal, +So ging' ich gleich zum Militär +Und würde General. +Oh, ich wär gar ein tapfrer Mann, +Bedeckte mich mit Ruhm! +Doch ging' die Kanonade an, +So machte ich rechtsum. +Nur wo ich schöne Augen säh, +Da schöß ich gleich drauf hin. +Dann trieb' ich vorwärts die Armee +Mit wahrem Heldensinn. +Da flögen Blicke hin und her, +So feurig wie Granaten. +Ich sprengte vor der Fronte her, +Ermutigt die Soldaten. + +Ihr Krieger, schrie' ich, gebt nicht nach! +Zum Sieg sind wir geboren, +Wird nur der linke Flügel schwach, +(aufs Herz zeigend) +So ist der Feind verloren. +So würde durch Beharrlichkeit +Am End der Preis errungen +Und Hymens Fahn in kurzer Zeit +Von Amors Hand geschwungen. + +Dann zög ich ein mit Sang und Spiel, +Die Mannschaft parodierte. +Wär auch der Lorbeer nicht mein Ziel, +So schmückte mich die Myrte. +So nützte ich der Kriegskunst Gab, +Eroberte--ein Täubchen. +Dann dankt ich die Armee schnell ab +Und blieb' bei meinem Weibchen. (Ab.) + + + +Zwanzigster Auftritt + +Verwandlung +Tiefer Wald. Rechts vorne die Köhlerhütte. Eine Tür, neben +dieser ein Fenster, auf dem Dache ein praktikables Bodenfenster. +Dieser Hütte gegenüber ein großer Eichbaum. Hinter diesem ein +Gebüsch. Im Hintergrunde ein kleiner Wasserfall. Es ist spät am +Abend. + +Rappelkopf mit einem Wasserkrug aus der Hütte. Er hat eine +berußte Schlafmütze des Köhlers und einen runden Bauernhut auf +dem Kopfe und eine Jacke von ihm an. + + +Rappelkopf. +So!--Der Timon ist fertig, nun fehlt nur noch sein Kompagnon, +der Esel--und wenn ich der auch jetzt nicht bin, so war ichs +doch--ich war zu gut, das ist mein größter Fehler. Die Leute +wollen es nicht. Es gibt manche Menschen, wenn ihnen einer +begegnet, der ihnen noch so viele Wohltaten erwiesen hat, so +sagen s' höchstens zu einander: Oh, das ist ein guter Kerl, der +tut kein Menschen was, der ist froh, wenn man ihm nichts tut. +(Gleichgültig grüßend.) Servus! Servus! Lassen wir ihn leben. +Wenn aber einer kommt, von dem sie glauben, daß er ihnen schaden +könnt, da stoßen s' einander: Oh! das ist ein böser Kerl, vor +dem muß man sich in acht nehmen. (Freundliches tiefes Kompliment.) +Tänigster Diener! Tänigster Diener! hab ich die Ehr, mein +Kompliment zu machen. Wann der anfangt, der kanns. Gleich +wieder: Tänigster Diener! Oh, es wird mich noch zum Wahnsinn +bringen. In meinem Haus bin ich nicht sicher mehr, mein Weib +will mich ermorden lassen. Habt ihrs gehört, ihr verfolgten +Stämme dieses edlen Waldes, die der Mensch gar zu zweifachem +Tod bestimmt, weil euch die Axt erst fällt und man euch dann +noch hinterdrein verbrennt? Habt ihrs gehört? Mein Weib will +mich ermorden lassen! Ist denn der Wald so echolos, daß ich +der einzge bin, der diese Schandtat ausposaunt? + +(Geräusch in den Blättern.) + +Ha! wer rührt sich da? ist es ein Mensch, so soll er hervorkommen, +damit ich meinen ganzen Vorrat von Impertinenzen in sein Antlitz +werfen kann. Heraus da, wer ist hier? Qui vive? + +Ein Stier (streckt aus dem Gebüsche, hinter dem er gefressen, +seinen Hals gegen Rappelkopf und brüllt sehr stark.) +Ohn! (Man sieht ihn jedoch nur bis an die Brust, der Unterleib +ist durch das Gebüsch verdeckt.) + +Rappelkopf (verblüfft). +Diese Antwort hab ich nicht erwartet. (Reißt einen Baumast ab +und jagt den Stier fort.) Gehst hinaus! Eine solche Gesellschaft +möcht ich mir noch ausbitten. + + + +Einundzwanzigster Auftritt + +Voriger. Astragalus tritt hervor. + + +Astragalus. +Du verdienst keine bessere. Warum verfolgst du diesen Sohn +meiner Herde? + +Rappelkopf. +Gib der Herr auf seine Kinder besser acht. Hier ist mein +Territorium, und da leid ich weder etwas Vierfüßiges noch +etwas Zweifüßiges. Also weiter, Vater und Sohn! + +Astragalus. +Du irrest, wenn du wähnst, daß du auf eignem Boden herrschest. +Mein ist das Tal, in dem die Alpe wurzelt. Drum frag ich dich, +wie du es wagst, schamlose Flüche auszuhauchen hier, daß sie +wie giftger Reif an diesen Blättern hangen, und eine Welt zu +schmähn, in der du Wurm, aus Schlamm gezeugt, in eines Waldes +dunklem Busen dich verkriechst, weil du den Strahl des heitren +Lebens fürchtest? + +Rappelkopf. +Was kümmerts dich? (Beiseite.) Der Kerl sieht aus, als wenn er +von Gußeisen wär. Dem geh ich gar keine Antwort, den laß ich +stehen. (Will in die Hütte.) + +Astragalus (zielt auf ihn). +Halt an! Gib Leben oder Worte! + +Rappelkopf. +Was ist das für eine Art, auf einen Menschen zu schießen? + +Astragalus. +Du bist kein Mensch. + +Rappelkopf. +Nicht? Das ist das Neuste, was ich höre. + +Astragalus. +Du hast dich ausgeschlossen aus der Menschen Kreis. Gib Losung, +ob du es noch bist. Bist du gesellig wie der Mensch? Du bist es +nicht. Hast du Gefühl? Du fühlst nur Haß. Hast du Vernunft? Ich +finde keine Spur. + +Rappelkopf. +Impertinent! + +Astragalus. +Drum sprich, zu welcher Gattung ich dich zählen soll, der du des +Tieres unbarmherzge Roheit mit dem milden Ansehn und der Sprache +eines Menschen paarst. + +Rappelkopf. +Ah, das ist eine gute Geschichte, der führt einen logischen +Beweis, daß ich ein Tier bin und noch dazu eins von der neuesten +Gattung. + +Astragalus. +Was hast du zu erwidern mir? + +Rappelkopf (beiseite). +Ich wollt ihm schon etwas erwidern, wenn er keine Flinten hätte. + +Astragalus. +Antwort gib, ob du in meine Jagdbarkeit gehörst und meiner Kugel +bist verwandt? + +Rappelkopf (beiseite). +Jetzt muß ich vor dem eine Rechenschaft ablegen, und ich möcht +ihn lieber massakrieren. (Laut.) Die Flinte weg. Ich bin ein +Mensch, und das ein besserer, als ich sein hätt sollen. + +Astragalus. +Und warum hassest du die Welt? + +Rappelkopf. +Weil ich hab blinde Mäusl gespielt mit ihr, die Treue hab +erhaschen wollen und den Betrug erwischt, der mir die Binde +von den Augen nahm. + +Astragalus. +Dann mußt du auch dem Wald entfliehen, weil er mißgestalte +Bäume hegt, die Erde meiden, weil sie giftge Kräuter zeugt, +des Himmels Blau bezweifeln, weil es Wolken oft verhüllen, +wenn du den Teil willst für das Ganze nehmen. + +Rappelkopf. +Was nützt das Ganze mich, wenn mich ein jeder Teil sekkiert. +Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher. + +Astragalus. +Machs mit dem Mißtraun aus, das dich belogen hat. + +Rappelkopf. +Mich haßt mein Weib, mich flieht mein Kind, mich richten meine +Dienstleut aus. + +Astragalus. +Weil dein Betragen jeden tief erbittert, weil du den Haß +verdienst, den man dir zollt. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr, ich bin ein Mensch, so süß wie Zuckerkandel +ist. Nur mir wird jede Lust verbittert, und ich trage keine +Schuld. + +Astragalus. +Die größte, denn du kennst dich selber nicht. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr. Ich bin der Herr von Rappelkopf. + +(Es fängt an, Nacht zu werden.) + +Astragalus. +Das ist auch alles, was du von dir weißt. Doch daß du störrisch, +wild, mißtrauisch bis zum Ekel bist, vom Starrsinn angetrieben, +hin bis an der niedern Bosheit Grenze, und wie die üblen +Eigenschaften alle heißen, die du für Vorzug deines Herzens +hältst, das ist dir unbekannt, nicht wahr? + +(Der Mond geht auf.) + +Rappelkopf. +Mir ist nur eins bekannt, daß du ein Lügner bist, der eine +Menge Fehler mir andichtet, die ich doch nicht hab. + +Astragalus. +So geh die Wette ein, daß du weit mehr noch hast. Ich führe +den Beweis, wenn du dich meiner Macht vertraust und mir gelobst, +daß du dich ändern willst. + +Rappelkopf. +Das hätt ich lang getan, wenn ich das gefunden hätte. Ich +vertrau mich keinem Menschen an, Betrug ist das Panier der +Welt. + +Astragalus. +Glaubst du, die Welt sei darum nur erschaffen, damit du deinen +Geifer auf ihr Wappen speien kannst? Die Menschheit hinge nur +von deinen Launen ab? Dir dürften andre nur, du andern nicht +genügen? Bist du denn wahnsinnig, du übermütger Wurm? + +Rappelkopf. +Sapperment, nicht lang per Wurm, das Ding fangt mich zu wurmen +an. Ich gib nicht nach, du bankrottierter Philosoph! Ich bin zu +gut, und du zu schlecht, als daß ich länger mit dir red. Drum +fort mit dir, der Mond geht auf, und du gehst ab, und künftighin +werd ich in meiner Hütten mich verschanzen und +herunterstukatieren, wenn sich eins sehen läßt. + +Astragalus. +So willst du nicht die Hand zur Beßrung bieten? + +Rappelkopf. +Ich biete nichts, und wenn mir's Wasser bis an Hals auch geht. + +Astragalus. +Wohlan! So laß uns den Versuch beginnen. +Weil nicht Vernunft kann dein Gemüt gewinnen, +Soll Geistermacht zu deinem Glück dich zwingen, +Und mit dem Alpenkönig wirst du ringen. +Vermeid dies Haus! Sonst tritt auf allen Wegen +Vergangenheit dir leichenblaß entgegen. +Und willst du Elemente Brüder nennen, +Lern ihre Wut und ihre Schrecken kennen. +Der Blitz soll deines Hauses Dach umarmen, +Dann kann dein Herz an Freundesbrust erwarmen. +Weil du die Luft willst statt der Gattin küssen, +Soll dich des Sturmes Angstgeheul begrüßen. +Der Boden soll dich Halbmensch nimmer tragen, +Dann magst du über Erdenundank klagen. +Und daß du mit den Wellen dich kannst streiten, +Will ich die Flut dir bis zur Kehle leiten. +So soll dich Feuer, Wasser, Luft und Erd betrügen. +Dann wähl, ob du dich willst in meinen Vorschlag fügen. +Und wirst du liebend nicht dein Herz zur Menschheit wenden, +So sollst du wildes Tier in Waldesnacht hier enden! +(Rasch ab.) + +Rappelkopf (allein). +Das ist ein schrecklicher Kerl. Und ich tu doch, was ich will. +Just! Du sollst mich nicht um meinen Schlaf heut bringen. Gute +Nacht, Freund Wald, ihr Eicheln, lebet wohl, zum Frühstück +finden wir uns wieder. + +(Will gegen das Haus. Beim Öffnen der Tür sitzt Victorinens +Geist auf einem Stuhl. Sie ist in blaue Schleier gehüllt und +sieht gespensterartig aus. Ihr Gesicht ist bleich und die ganze +Gestalt von einem grünen Schirm beleuchtet. Sie spricht mit +halblauter Stimme.) + +Victorinens Geist. +Wo bleibst du denn so lang, du liederlicher Mann? +Und kommst so spät erst in der Nacht nach Haus. +Gehst gleich herein, mir wird schon angst allein, +Sonst rauf ich alle Haar dir aus. + +Rappelkopf. +Himmel! das ist mein erstes Weib, die erkenn ich, weil sie die +Herrschaft noch im Grab behauptet. Da bringt mich niemand bei +der Tür hinein. Die hat den Satan in den Leib. Wenn nur das +Fenster offen wär! (Es donnert.) Jetzt fangts zum donnern an. +(Am Fenster zeigt sich, ebenso wie Victorinens, Wallburgas +Geist und sieht heraus.) Wer schaut denn da heraus? + +Wallburgas Geist (mit hohler Stimme). +Ich bins, du falscher Mann, du Ungetreuer du! +Warum hast du nach mir jetzt schon das zweite Weib? +Und ich hab dich so lieb, hab selbst im Grab kein Ruh, +Ich schau kein andern an, kann ohne dich nicht leben. +Drum komm herein, ich muß dir Küsse geben. + +Rappelkopf (erschrickt). +Entsetzlich! Schaudervolle Nacht, zeigst du mir auch die zweite +noch, die sich durch Eifersucht verrät? Sie modert schon und +will nicht leben ohne mich. Welch schreckenvolle Lag! Es rieselt +kalt durch mein Gebein. (Es blitzt.) Der Donner brüllt, die +Blitze leuchten fürchterlich. Könnt ich doch nur durchs Dach +ins Haus! Mut! ich versuchs. (Er steigt hinauf. Währenddessen +erscheint Emerentias Geist, auf dem Dach sitzend. Rappelkopf +erschrickt.) Weh! Hier die dritte noch, dem Kirchhof ungetreu +wie mir! (Will fort.) + +Emerentias Geist. +Wo willst du hin? Du darfst nicht fort. +Du mußt den Mond mit mir betrachten. +(Der Mond verwandelt sich in ein weißumschleiertes Geisterhaupt, +das aus den Wolken sieht.) +Sieh hin, das bleiche Antlitz dort, +Es ist das Bild von deiner jetzgen Frau. +Sie weint! Schau hin! Schau! Schau! + +Rappelkopf. +Jetzt grinst mich auch die vierte an. O teuflisches Quartett! +Mich würgt die Angst! Ha! laß mich fort! Mich wandelt Ohnmacht +an. Rachsüchtge Hölle, warum hast du das getan? Ich bleib nicht +da. Ich muß hinab. (Springt über das Dach.) O Himmel, sei gedankt! +daß deine Erd mich wieder trägt. Doch, was beginn ich nun? (Der +Sturm heult.) Der Sturm heult immer schrecklicher. Es gießt, und +doch verschwinden nicht die gräßlichen Gestalten. (Regen strömt +herab.) Nun platzt ein Wolkenbruch! ich rette mich auf diesen +Baum, sonst reißt die Flut mich fort. (Er steigt auf den Baum. +Die Weiber verschwinden, es schlagt in die Hütte ein, sie steht +in hellen Flammen.) Wenn das so fortgeht, bricht die Welt in +Trümmer. (Die Hütte brennt fort. Heftiger Regen, Sturmgeheul +und Donner. Die Wasserflut schwillt immer höher, bis sie +Rappelkopf, der sich auf den Gipfel des Baumes rettet, bis an +den Mund steigt, so daß nur die Hälfte seines Hauptes mehr zu +sehen ist.) Zu Hülfe, zu Hülfe! ich ersauf! + +Astragalus(fährt schnell in einem goldnen Nachen bis zu seinem +Haupt und spricht). +Was bist du nun zu tun gesonnen? + +Rappelkopf (voll Angst). +Ich will mich bessern, ich sehs ein, weil mir das Wasser schon +ins Maul 'nein lauft. + +Astragalus. +So führ ich dich nach meinem Schloß. + + +Schnelle Verwandlung +Der Nachen verwandelt sich in zwei Steinböcke mit goldenen +Hörnern. Der Baum, auf dem Rappelkopf steht, in einen schönen +Wolkenwagen, in dem sich der Alpenkönig und Rappelkopf befinden. +Das Wasser verschwindet. Das ganze Theater verwandelt sich in +eine pittoreske Felsengegend, die Teufelsbrücke in der Schweiz +vorstellend, auf welcher Kinder, als graue Alpenschützen +angekleidet, Böller losfeuern, während der Wolkenwagen über +die Bühne fährt. Zugleich von innen: + +Chor. +Geendet ist die Geisterschlacht, +Die Sonne strahlt durch finstre Nacht. +Der Alpenkönig hat gesiegt, +Seht, wie er hin zum Ziele fliegt. + + + + + +Zweiter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Thronsaal im Eispalaste des Astragalus, mit hohen Säulen +geziert, die silberartig erglänzen. Im Vordergrunde ein hoher +Thron von pittoreskem Ansehen, als wäre er aus unregelmäßigem +Eis geformt. + +Auf ihm Astragalus als Alpenkönig. Eine lange lichtblaue +weißgestickte Tunika, weiten griechischen Mantel. Weißen Bart, +auf dem Haupte eine smaragdene Krone. Vor ihm knien im Kreise +ideal gekleidete Alpengeister. Weiße kurze Tunika, mit grünen +Folioblättern garniert. + + +Chor. +Hehr zu schauen auf dem Throne +Bist du, Fürst der Alpenflur, +Denn dich schmückt der Tugend Krone, +Du vertilgst des Lasters Spur. + +Astragalus (steht auf und spricht). +Auf des Thrones eisgen Stufen +Horcht ich gern noch eurem Chor. +Doch laßt uns den Fremdling rufen, +Denn die Zeit tritt mahnend vor. + +Alpanor. +Lange steht er schon bereitet +In der Halle vor dem Saal. +Auch ist er schon angekleidet, +Wie dein Wink es uns befahl. + +Astragalus. +Höhnt ihn aus, wenn er erscheint. + + +(Rappelkopf in einem drapfarben Reiseüberrock, gleichen +Gamaschen mit silbernen Knöpfen, schwarzem Haar, etwas hoher +Stirne, wird hereingebracht.) + +Ein Alpengeist. +Fürst, hier ist der Menschenfeind. + + +(Alle lachen.) + +Rappelkopf. +Nun? Was ist da Spaßigs dran? + +Alpanor. +Weißt du wohl, warum sie lachen? +Unter einem Menschenfeind +Dachten sie sich einen Drachen, +Der als grimmer Ries erscheint. +Und nun sehn sie einen Zwergen, +Wer soll 's Lachen da verbergen? +Von dem Unsinn mußt du lassen, +Freund, das ist ja ganz verkehrt. +Du willst alle andern hassen? +Und bist selber nicht viel wert. + +Rappelkopf. +Versteht sich. Du wirst mir sagen, was ich zu tun hab. +(Für sich.) Verdammtes Hexenvolk! + +Astragalus. +Du bist die Wette mit mir eingegangen, du wollest dein Gemüt +in edleres verkehren, wenn du die Fehler deines jetzigen +erkennst. + +Rappelkopf. +Das hab ich gsagt im Angesichte von vier Zeugen: Feuer, Wasser, +Luft und Erde. Nun gib mir Überzeugung, oder laß mir Ruh in +meinem Wald. + +Astragalus. +So hör mich an. Damit du kannst in solchem Seelenspiegel +schauen, so will ich deinen Geist aus deinem Leib entführn +und ihn in eines neuerschaffnen Körpers Haus verbannen. + +Rappelkopf. +Das will sagen, mein Geist wird von einer Bouteille in die +andere hinübergefüllt, das ist schon nichts, da kann schon +eine Spitzbüberei geschehen, bei dieser Füllung muß ich dabei +sein. Da kann er ausrauchen, oder verwechselt werden. Ich traue +niemand mehr. + +Astragalus. +Er wird es nicht. Ich schwör es bei des Chimborassos +eisgekröntem Haupte. Du wirst dein Denken, Wollen, Handeln, +Fühlen genau in eines andern Bild erblicken. + +Rappelkopf. +Und was gschieht dann mit mir, geh ich so ohne Seel herum, +oder bekomm ich wo eine andere zu leihen? + +Astragalus. +Du wirst als Bruder deiner Frau erscheinen. + +Rappelkopf. +Diese Verwandtschaft hätt ich mir nie träumen lassen. + +Astragalus. +Doch ganz die Kraft der eigenen Gesinnungen behalten. + +Rappelkopf. +Das heißt, ich werde aussehn wie mein Schwager und denken, +was ich will. + +Astragalus. +So ists. Dadurch kannst du dich überzeugen, wie gegen dich +dein Weib, dein Kind und der von dir gehaßte Maler denken. +Doch daß du auch an deinem Ebenbild den höchsten Anteil nimmst +und dich in ihm genau ergründest und betrachtest, so hängt +dein künftig Schicksal ganz von dem freien Handeln dieses +Doppelgängers ab. Und was zu deinem Nutzen oder Nachteil wird +durch ihn in deinem Haus geschehn, das wird, wenn er +verschwindet, unveränderlich dir bleiben. + +Rappelkopf. +Also wenn er mir mein Haus verkauft, kann ich nachher auf +der Straße wohnen? Ah, das ist eine schöne Einquartierung. + +Astragalus. +Auch ist dein Leben selbst an seines festgebunden, und wenn +er es verliert, solang er statt dir lebt, stirbst du mit ihm +und wirst durch ihn erkranken auch, wenn es der Zufall fügt, +daß ihm ein bös Geschick Gesundheit raubt. + +Rappelkopf. +Zwei Menschen und nur ein Leben! Jetzt fangt sogar die Natur +zum ökonomisiern an. Da hats der Tod kommod, der nimmt s' +gleich Paar und Paar. Nun gut, so laß denn sehen, was deine +Taschenspielerei vermag. Der Prozeß ist eingeleitet. Ein +unendlich verwickelter Fall, der wird in hundert Jahren nicht +aus. Also was gschieht denn jetzt? Hab ich noch meinen Geist, +oder hat ihn schon ein anderer? Bin ich schon mein Schwager, +oder bin ich noch der Schwager meines Schwagers? + +Astragalus. +Es wird dich jeder für den Bruder deines Weibs erkennen. Darum +hab ich in deinem Äußern dich gestaltet so wie ihn. Ihr +Alpengeister, führt ihn fort und bringt ihn an des Berges +Fuß. Dort werdet ihr ein leichtberädert Fahrwerk finden, +zwei rüstge Maultier vorgespannt, mit Staub bedeckt, als +kämen sie von weiter Reise aus dem Land der welschen Glut. +Sie bringen schnell ihn vor sein Schloß, dort werde seinem +Übermut Beschämung, Überzeugung, Strafe. + +Rappelkopf. +Nun gut, so will ich dies Asyl der Falschheit noch einmal +betreten. Ich geh und übergeb dir meinen Geist, von dem ich +weiß, daß er so wenig Fehler hat, als die Donau Linienschiffe +trägt, als Eicheln auf dem Kirschbaum wachsen und blondes Haar +in deinem grauen Bart. (Ab mit den Alpengeistern, nur Alpanor +bleibt zurück.) + +Astragalus. +Sein Starrsinn ists, der mich zu festen Hoffnungen berechtigt, +denn hat er sich erkannt, wird ihn mit gleicher Heftigkeit der +Trieb zur Besserung erfassen, als seine kräftge Phantasie den +Wahn des Hasses jetzt umklammert hält. Alpanor! Hast du den +Bruder seines Weibs zurückgehalten, daß er nicht heute morgens +schon von seiner Reise in des Menschenfeindes Schloß eintrifft? + +Alpanor. +Es geschieht in diesem Augenblick. Der Alpengeist Linarius +leitet seiner Pferde Zügel und setzt ihn aus in einer wüsten +Felsengegend, so lang, bis, großer Alpenkönig, du die Ankunft +ihm erlaubst. + +Astragalus. +Und ich will scheinbar mich in ihn verwandeln +(er verwandelt sich in Rappelkopfs Gestalt in seiner ersten +Kleidung) +Und so durch Trug zu seinem Besten handeln. +Wie auf des Schlosses Dache die metallne Spitze +Das Haus bewahret vor der Wut der Blitze, +Will ich den Haß, den er sich gen die Welt erlaubt, +Herniederleiten auf sein eignes Haupt. +Dort mag die Donnerwolke sich entleeren +Und Glut durch Glut hellflammend sich verzehren, +Bis aus der Asche wird zum neuen Leben +Die Liebe gleich dem Phönix sich erheben. + + +(Beide ab.) + + + +Zweiter Auftritt + +Verwandlung +Wilde Felsengegend. Im Hintergrunde ein hoher praktikabler +Fels, welcher von der rechten Kulisse aber zwei Dritteil der +Bühne bis ohngefähr zwei Schuh weit von der linken sich +erstreckt und in einem steilen Abhang endigt. Auf ihm ist +eine gedeckte Reisekalesche mit zwei Schimmeln sichtbar. Die +Pferde stehen schon ganz an dem Abhange des Felsens. + +Auf dem Sattelpferde sitzt der Alpengeist Linarius, als +Postillion gekleidet. Im Wagen Herr von Silberkern, so +gekleidet wie Herr von Rappelkopf zu Anfange des zweiten +Aktes. Er droht mit einem Stock dem Postillion und schreit +heftig. + + +Silberkern. +Halt! Halt! Was treibt Er denn, Er verwünschter Kerl, ich +bin ja des Todes, wo führt Er mich denn hin? + +Linarius. +Geduld, mein Herr, wir werden gleich am Ziele sein. + +Silberkern. +Das ist ja keine Möglichkeit, der Kerl ist besoffen wie eine +Kanone, er muß glauben, da unten ist ein Weinkeller. Ich +massakrier Ihn, Er verflixter Lumpenhund. Was treibt Er denn +mit Seinen gottverdammten Schimmeln? + +Linarius. +Ich habe meine Pferde ausgespannt. + +Silberkern. +Untersteh Er sich, Er infamer Mensch! wir stürzen ja hinab. + +Linarius. +Wer wird denn da viel Sprünge machen? das Trinkgeld ist mir +ein für allemal zu schlecht. Adieu, mein Herr! + +Silberkern. +Wo will Er denn hin? + +Linarius. +Ich reite durch die Luft-- + + +(Die Pferde bekommen Flügel. Linarius erhebt sich mit ihnen bis +in die halbe Höhe des Theaters. Der Wagen bleibt stehen, +zugleich fällt der hintere Teil des Felsens herab, und nur +das Stück, worauf die Kutsche ist, bleibt stehen.) + +Du bleibst zurück auf diesem Fels und genießest hier die Luft. +Zur rechten Zeit spann ich die Pferde wieder vor. Dann bitt +ich mir ein tüchtig Trinkgeld aus. Bis dahin lebe wohl und +unterhalt dich gut. Juhe! Zum Alpenkönig heißt das Posthaus +hier. Ihr Schimmel, hi! stoßt euch an keinen Stein! Lebt wohl, +Herr Passagier, und bleibt mir fein gesund! (Fliegt fort und +blast das Posthorn dabei.) + +Silberkern. +Verdammter Hexenspuk! Der Kerl fliegt herum wie eine Fledermaus. +Flieg zum Geier, falscher Rabe! Ich brauche deine Pferde nicht. +(Er will heraussteigen.) I potz Hagel, was ist das? Ich kann +ja nicht heraus. Der Wagen hängt ja in der Luft. Das ist ja +aufs Verhungern abgesehen. Verflixter Kerl, komm zurück! Es +rührt sich nichts, ich sehe keinen Menschen, nicht einmal +Ochsen weiden hier. Ich bin der einzge in der ganzen Gegend. +(Schreit.) Hört mich denn niemand? + +Echo. +Niemand--(Entfernter.) Niemand--Niemand--Nieman-- + +Silberkern (stampft mit dem Fuße). +Ich ersticke noch vor Zorn-- + + +(Der Fels, auf dem der Wagen steht, öffnet sich wie eine +Höhle und in ihr sind eine Menge kleine Alpengeister +aufeinanderkauernd gruppiert, welche mit schadenfroher Miene +aus vollem Halse lachen. Auch aus den Gebüschen, welche um +den Fels angebracht sind, sehen einige schelmisch hervor.) + +Alpengeister. +Hahahahaha! + +Silberkern (schnell, räsonierend, mit dem Stock herumfechtend). +O du Geistergesindel, du unsichtbares Lumpengepack, komm herauf +zu mir, ich schlag dich tot. Das ist eine verflixte Geschichte. + +(Neues Lachen und schnelles Vorfallen der Kurtine, welche ein +Zimmer in Rappelkopfs Hause vorstellt.) + + + +Dritter Auftritt + +Mehrere Dienstleute stürzen auf die Bühne. Sophie von der Seite. + + +Sopie. +Wo, wo ist mein Bruder? + +Dienstleute. +Er kömmt soeben die Treppe herauf. Hier ist er schon. + +Sopie. +Holt Herrn von Dorn und meine Tochter. Das Gepäcke in das +grüne Zimmer. + + + +Vierter Auftritt + +Vorige. Rappelkopf stürzt herein. + + +Sopie (fällt ihm um den Hals). +O mein Bruder, mein geliebter Bruder! (Bleibt an seiner Brust.) + +Rappelkopf (für sich). +Entsetzlich! Diese Natter liegt an meiner Brust. Sie kennt +mich wirklich nicht. Nimm dich zusammen, Rappelkopf! +(Freundlich.) Endlich seh ich dich wieder, liebe Schwester. +(Beiseite.) Ich kann s' nicht anschaun. (Wieder freundlich.) +Wie gehts dir denn, du liebe Schwester du? + +Sopie. +Ach Bruder, mir geht es sehr übel. + +Rappelkopf (beiseite). +So? Da gschieht dir recht. + +Sopie. +Was sagst du, lieber Bruder? + +Rappelkopf. +Daß ich dich recht bedaure, und zwar auf eine ganz besondere +Art. Denn ich weiß alles, liebe Schwester, dein Mann ist ein +schändlicher Mensch. + +Sopie. +Das ist er nicht, lieber Bruder, aber ein unglücklicher Mensch. + +Rappelkopf (beiseite). +Viper! + +Sopie. +Wenn du wüßtest, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe, um +mein Herz vor dir auszuschütten! + +Rappelkopf. +So schütt es aus, liebe Schwester! (Beiseite.) Da erfahr ich +etwas. Schütts aus! + +Sopie. +Aber du wirst ermüdet sein von der Reise? + +Rappelkopf. +Nur meine Füß sind müde, meine Ohren nicht. + +Sopie. +So setz dich, lieber Bruder. (Sie setzt Stühle.) + +Rappelkopf. +Ich dank dir, liebe Schwester. (Setzt sich.) Fatale Situation! + +Sopie. +Meine Tochter und ihr künftiger Bräutigam werden sogleich +erscheinen. + +Rappelkopf (fährt wild auf). +So? (Faßt sich und sagt plötzlich mit freundlichem Lächeln.) +Wird mir eine unendliche Ehr sein. + +Sopie. +Du bist so sonderbar, lieber Bruder. Was ist dir denn? + +Rappelkopf. +Verschiedenes. Die Reise, dein Anblick, es ist alles so +ergreifend für mich. + +Sopie. +Ich danke dir. Du bist ein Bruder, wie man keinen mehr finden +wird. + +Rappelkopf (beiseite). +Der Meinung bin ich selbst. + +Sopie. +Fünf Jahre bist du abwesend. Die Ursache meines Unglücks wird +dir schon aus meinen Briefen bekannt sein. + +Rappelkopf. +Ich weiß, du hassest deinen Mann. + +Sopie. +Was fällt dir ein! Wo gäb es eine Frau, die ihrem Manne mehr +zugetan wäre, als ich dem meinigen! + +Rappelkopf. +Wirklich? (Beiseite.) Was man für Neuigkeiten erfährt! + +Sopie. +Wenn du nur die Geduld hättest sehen können, mit welcher ich +seine Launen ertrug, die Sanftmut, mit der ich ihn behandelte. + +Rappelkopf. +Ja, das hätt ich sehen mögen. (Beiseite.) Es ist zum Durchgehn, +wie sie lügt, ich bin schon völlig blau auf dieser Seite. + +Sopie. +Und alles dies hat seinen ungerechten Menschenhaß nur noch +vermehrt. + +Rappelkopf. +Aber warum haßt er denn die Menschen, er muß doch eine Ursache +haben? + +Sopie. +Weil er ein Narr ist, der sie verkennt. + +Rappelkopf (beiseite). +Ich bedank mich aufs allerschönste. + +Sopie. +Und doch lieb ich ihn so zärtlich-- + +Rappelkopf. +Diesen Narren? o närrische Lieb! (Beiseite.) Es ist zum +Teufelholen! + +Sopie. +Und muß die Angst ausstehen, ihn seit gestern zu vermissen. + +Rappelkopf. +Ja wo ist er denn? + +Sopie. +In einem Anfall von Wahnsinn zerschlug er alle Möbel, glaubte, +der Bediente wolle ihn ermorden, und rannte wütend aus dem Hause. + +Rappelkopf. +Nun er wird schon wieder zurückkommen. + +Sopie. +Nein, das wird er nicht. Was er beschließt, vollführt er auch. + +Rappelkopf (beiseite). +Sie kennt mich doch. (Laut.) Aber wie ist er denn auf den +Gedanken gekommen, daß man ihn ermorden will? + +Sopie. +Auf die unsinnigste Weise von der Welt. Ich befahl meinem +einfältigen Bedienten, er sollte nach dem Garten gehen und +Zichorien ausstechen, und das Messer in seiner Hand läßt +meinen unglückselgen Mann glauben, er wolle ihn ermorden. + +Rappelkopf. +Zichorien hat er ausstechen wollen? + +Sopie. +Ei freilich. + +Rappelkopf (beiseite). +Das ist nicht möglich, oder ich wär der einfältigste Mensch, +den die Sonne noch beschienen hat. (In Nachdenken versunken.) +Zichorien hat er ausstechen wollen? + +Sopie. +Warum ergreift dich das so? + +Rappelkopf (gleichgültig). +Weil mir der Kaffee einfällt, den ich im letzten Wirtshaus +getrunken hab. Der war auch mit Zichorien vergiftet. + +Sopie. +Was soll ich nun beginnen, lieber Bruder? + +Rappelkopf. +Laß den Narren laufen! + +Sopie. +Das kann dein Ernst nicht sein. Er ist mein Mann, und ich +werd ihn nie verlassen. + +Rappelkopf (schnell). +Ist das wahr? + +Sopie. +Gewiß. + +Rappelkopf (unwillkürlich erfreut, beiseite). +Sie ist doch nicht gar so schlecht. (Wieder verändert.) +Aber schlecht ist sie doch. + +Sopie. +Ach Bruder! (Sinkt an seine Brust.) Wenn mein Mann imstande +wäre, sich ein Leid anzutun! (Weinend.) Ich hätte mir nichts +vorzuwerfen, aber ich könnte diesen Vorfall nicht überleben. + +Rappelkopf. +Das Weib martert mich, ich schwitz schon im ganzen Leib. Und +sie weint wirklich, mein ganzes Schapodl ist naß. Aber ich +glaub ihr nicht, die Weiber können alles. (Laut.) Beruhige +dich nur, liebe Schwester, es kommt jemand. + + + +Fünfter Auftritt + +Vorige. August. Malchen. + + +Malchen. +Ist es wahr, ist der Onkel angekommen? (Sieht ihn.) Ach +liebster, bester Onkel! mit welcher Sehnsucht haben wir +Sie erwartet. + +Rappelkopf. +Die ist so falsch wie ihre Mutter. + +Malchen. +August, komm doch her. + +Rappelkopf (erschrickt). +Wer? + +August (hervortretend). +Bester Herr von Silberkern--(will auf ihn zu.) + +Rappelkopf (fährt zurück). +Himmel, wer bringt dies Bild vor meine Augen? + +Sopie. +Was ist dir, lieber Bruder? + +Malchen. +Aber Onkel! + +Rappelkopf (beiseite). +Ich muß mich fassen, damit ich allen auf den Grund komme. +(Laut, mit Zwang.) Verzeihen Sie mir, mein Herr, sein Sie +mir willkommen. + +August. +Erlauben Sie, Herr von Silberkern--(Tritt näher.) + +Rappelkopf (fährt wieder auf). +Nein, es ist nicht möglich--Drei Schritt vom Leib! (Beiseite.) +Vergiften könnt ich den Verführer! + +August. +Was soll ich davon denken? + +Malchen. +Onkel! + +Sopie (gleichzeitig). +Bruder! + +Rappelkopf (faßt sich wieder). +Verzeihen Sie, aber Sie haben eine Ähnlichkeit, eine +Ähnlichkeit-- + +August. +Mit wem? + +Rappelkopf. +Mit--mit einem Menschen + +August. +Mit was für einem? + +Rappelkopf. +Der mich bestohlen hat. + +Sopie. +Aber Bruder! + +August (lacht). +Herr von Silberkern-- + +Malchen. +Ach Onkel, er hat nichts gestohlen als mein Herz. + +Rappelkopf (auffahrend). +Das ist es eben--(faßt sich) was mich nichts angeht. +(Sehr freundlich.) Sind Sie nur nicht so kindisch, ich hab +nur einen Spaß gemacht. (Für sich.) Verstellung, steh mir +bei! (Laut.) Endlich sind wir alle recht froh beieinander, +meine lieben Kinder. (Lacht boshaft.) Das ist ein freudiger +Tag heute. (Für sich.) Ich möcht zur Decke hinauffahren. + +Sopie. +Wir wollen dich jetzt allein lassen, lieber Bruder. Damit du +eine Stunde ausruhen kannst. Du bist zu angegriffen. In +diesem Zimmer findest du ein Ruhebett, unterdessen werden +wir die Nachforschungen nach meinem armen Mann verdoppeln, +denn es gibt keinen ruhigen Augenblick für mich, solange ich +in Ungewißheit über sein Schicksal leben muß. (Geht ab.) + +Rappelkopf. +Da werd ein anderer klug, ich nicht. + +August. +Herr von Silberkern, ich weiß, daß Sie alles über Herrn von +Rappelkopf vermögen. + +Rappelkopf. +Da haben Sie recht, wenn ich nichts über ihn vermag, dann +richtet niemand etwas mit ihm aus. + +August. +Oh, dann werden Sie mir Ihren Beistand nicht versagen. + +Rappelkopf. +Ihnen? hahaha! Nun, das will ich hoffen. + +August. +Wenn meines Malchens Vater sein Haus wieder betritt und es +Ihnen gelingt, ihm mildere Gesinnungen gegen die Welt +einzuflößen, so vergessen Sie auch meiner nicht! Versichern +Sie ihm, daß es keinen jungen Mann auf Erde gäbe, der mit +einer so unwandelbaren Treue an seiner liebenswürdigen +Tochter und mit einer so innigen Dankbarkeit an ihrem edlen, +aber unglücklichen Vater hinge als der von ihm so ungerecht +verfolgte August Dorn. (Verbeugt sich und geht ab.) + +Rappelkopf. +Das ist mir unbegreiflich. + +Malchen (weinend). +Lieber Onkel, wenn Sie meinen Vater sprechen, was ich gewiß +nicht darf, so sagen Sie ihm, daß er seine Amalie unendlich +gekränkt hat, daß ihn niemand so sehr liebt wie seine Tochter, +aber daß ihr auch gewiß das Herz brechen wird, wenn sie ihren +August verlieren müßte. (Weint heftig.) + +Rappelkopf (sein Vatergefühl bricht los, er schließt Malchen +heftig in seine Arme). +Du bist halt doch mein Kind, wenn ich auch jetzt nicht dein +Vater bin. (Nimmt sie am Kopf.) Was nützt denn das, das läßt +sich nicht verleugnen. Ich muß dich küssen, Malchen. + +Malchen. +Ach guter Onkel! + +Rappelkopf. +Sag du mir, ist das wahr, liebst du deinen Vater? + +Malchen. +Unendlich, lieber Onkel! + +Rappelkopf. +Und du lügst nicht? + +Malchen. +Bei Gott nicht. + +Rappelkopf (freudig überrascht). +Das ist schön von dir, das freut mich. (Legt ihren Kopf an +seine Brust.) Sie hat mich lieb! So hab ich doch eine Seele +auf der Welt, die mich liebt. Aber jetzt geh hinaus, ich bitt +dich um alles in der Welt, geh hinaus. + +Malchen. +Sie verstoßen mich doch nicht, lieber Onkel? + +Rappelkopf. +Nein, ich verstoß dich nicht, ich will dich noch einmal +küssen sogar, aber geh hinaus, sonst muß ich mich vor mir +selber schämen, geh hinaus. + +Malchen. +So ruhen Sie sanft, bester Onkel. (Ab.) + +Rappelkopf (allein). +O Schande! ich bin ein Menschenfeind und komm da in eine +Küsserei hinein, die gar kein End nimmt. Das war der einzige +vergnügte Augenblick, den ich seit fünf Jahren erlebt hab. +Aber wie ist mir denn? bin ich betrunken? Das ist ja keine +Möglichkeit. Wenn das alles wahr wäre, was die Leute +zusammenreden, so wären sie ja völlige Engel. Das ist Betrug, +da muß etwas dahinterstecken. Das ist ein Einverständnis. Mein +Weib ist eine Schlange. Zu was braucht sie einen Zichori? +wenn so viel Kaffee aufgeht. Aber meine Tochter ist brav. +Über die laß ich jetzt nichts mehr kommen. Auch den jungen +Menschen trau ich nicht, den haben sies einstudiert. Er wär +ohnehin bald steckengeblieben. Ha, da kommt der Habakuk, der +große Bandit. Der soll mir Licht geben. + + + +Sechster Auftritt + +Voriger. Habakuk. + + +Rappelkopf. +He, Habakuk! + +Habakuk. +Wie? Euer Gnaden wissen, wie ich heiß, und haben mich noch +nicht gesehen? + +Rappelkopf. +Nu, ich kann Ihn ja wo anders gesehen haben. + +Habakuk. +Ja freilich, ich war zwei Jahr in Paris. Befehlen Euer Gnaden +etwas? + +Rappelkopf. +Ja! was ich sagen wollte--(Beiseite.) Ich trau dem Kerl nicht. +(Laut.) Hat Er nicht ein Messer bei sich? + +Habakuk. +Nein, ich werd aber gleich eins holen. (Will ab.) + +Rappelkopf (erschrickt). +Untersteh Er sich, ich brauch keins mehr. Ich hab nur etwas +abschneiden wollen. (Für sich.) Er wär imstande er holet eins. + +Habakuk. +Ich weiß nicht, ich trag sonst immer ein Messer bei mir-- + +Rappelkopf (für sich). +Nun da haben wirs ja, das ist ein routinierter Mörder. (Laut.) +Lieber Freund, ich werd Ihm ein gutes Geschenk machen, geh Er +mir ein wenig an die Hand. Er weiß, ich bin der Bruder Seiner +Frau. + +Habakuk. +Habs schon weg, Euer Gnaden. + +Rappelkopf (für sich). +Unbegreifliche Zauberei! (Laut.) Sag Er mir, wie behandelt +denn mein Schwager seine Frau? + +Habakuk. +Infam, Euer Gnaden. + +Rappelkopf. +Was sagt Er? + +Habakuk. +Oh, das ist ein sekkanter Mensch, der glaubt, die Leut sind +nur wegen ihm auf der Welt, daß er s' mit Füßen treten kann. + +Rappelkopf (für sich). +Nun bei dem hört man doch ein wahres Wort. Der redt doch, wie +er denkt. (Laut.) Ja, es soll nicht zum Aushalten sein. Darum +kann ihn aber auch meine Schwester nicht ausstehen. Nicht wahr? + +Habakuk. +Ah, was fallt Euer Gnaden ein, sie weint sich ja völlig die +Augen aus um ihn. Ich kann sie nicht genug trösten. + +Rappelkopf. +Man hat aber erzählt, sie hätte ihn wollen gar ermorden lassen. + +Habakuk. +Ah, hören Euer Gnaden auf. Euer Gnaden werden doch nicht auch +so einfältig sein, das zu glauben. + +Rappelkopf. +Ja, Er ist ja, glaub ich, mit dem Messer auf ihn gegangen. + +Habakuk. +Ich? warum nicht gar, ich fall in Ohnmacht, wenn sie nur ein +Hendel abstechen. Er war im Gartenzimmer, und kein Mensch hat +sich hinausgetraut, und die Köchin hat einen Zichori gebraucht, +und die Frau hat gschafft, ich soll einen ausstechen. + +Rappelkopf (beiseite). +Mit dem ewigen Zichori! am End ists doch wahr. + +Habakuk. +Er laßt ja keinen Menschen zu Wort kommen, der Satanas. + +Rappelkopf (für sich). +Das ist ein impertinenter Bursch. Ein Verleumder. (Laut.) Und +sag Er mir, ist denn Sein Herr ein gescheidter Mann? + +Habakuk (verneinend). +Ah! (Vertraulich.) Wissen Euer Gnaden, wir reden jetzt unter +uns, es ist nichts zu Haus bei ihm. (Deutet auf den Kopf.) + +Rappelkopf (beiseite). +Nein, das ist nicht zum Aushalten. (Gibt ihm Geld.) Da hat Er, +mein lieber Freund, Er hat mir schöne Sachen gesagt, ich bin +sehr zufrieden mit Ihm, aber geh Er jetzt. + +Habakuk. +Küß die Hand! (Für sich.) Aha, den freuts, daß ich über den +andern schimpf. Er kann ihn nicht recht leiden. Ich muß noch +ärger anfangen, vielleicht schenkt er mir noch etwas. (Laut.) +Ja sehen Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein so +zuwiderer Mensch ist mir nicht vorgekommen, und es gibt ihm +alles nach, das ist gar nichts nutz, da wird er nie kuriert. +Ich versteh nichts von der Medizin, aber ich glaub, wenn er +einmal recht durchgewassert wurd, es müßte sich seine ganze +Natur umkehren. + +Rappelkopf. +Jetzt hat Er Zeit, daß Er geht. Den Augenblick hinaus, Er +undankbarer Mensch, wie kann Er sich unterstehen, so von Seinem +Herrn zu reden? Gleich fort, oder ich schlag Ihm Arm und Bein +entzwei. (Sucht einen Stock.) + +Habakuk. +So ists recht, jetzt fängt der auch an. (Im Abgehen.) Nun, +den sag ich bald wieder was, das ist eine schreckliche Familie. +Na, das ging' mir ab. (Geht brummend ab.) + +Rappelkopf (allein). +So kann man seine Leute kennenlernen. Von meiner Frau redt er +nicht so schlecht, er getraut sich nicht, weil er mich für +ihren Bruder hält. Aber für einen Mörder ist er doch zu dumm, +ich hab ihn für pfiffiger gehalten. Es wird doch auf den +Zichori hinauskommen. Was mich das für eine Überwindung kostet, +mit all diesen Menschen zu reden! Aber ich muß meine Untersuchung +vollenden, weil ich sie begonnen habe und weil ich in nichts +zurücktrete, wenn ich nicht muß, wie heut im Walde. + + + +Siebenter Auftritt + +Voriger. Lischen. + + +Lischen. +Die gnädige Frau läßt fragen, ob Euer Gnaden eine Tasse Tee +befehlen. + +Rappelkopf. +Ich danke. (Für sich.) Die werd ich auch in die Kur nehmen. +(Laut.) Was macht meine Schwester? + +Lischen. +Sie ist sehr betrübt. + +Rappelkopf. +Weswegen? + +Lischen. +Unseres gnädigen Herrn wegen. + +Rappelkopf. +Wegen mir? + +Lischen. +Ah, wegen Ihnen nicht. + +Rappelkopf (faßt sich). +Ja so. (Für sich.) Die kennt mich auch nicht. (Laut.) Und was +macht meine Nichte? + +Lischen. +Sie spricht mit ihrem Bräutigam. + +Rappelkopf (für sich). +Himmel und Hölle! (Faßt sich. Laut.) Was ist denn das für ein +Mensch? + +Lischen. +Ein sehr liebenswürdiger Mensch. + +Rappelkopf. +Was heißt das, macht er Ihr auch die Cour? + +Lischen. +Nun, das wäre der Wahre, er wagt es ja kaum, ein anderes +Mädchen anzusehen. Das wird ein handfester Pantoffelritter +werden. Ich glaube, er hat mir bloß darum noch keinen Heller +zum Geschenke gemacht, damit er nur meine Hand nicht berühren +darf. Er und mein Fräulein taugen ganz zusammen, und es ist +himmelschreiend, daß der gnädge Herr seine Einwilligung nicht +gibt. + +Rappelkopf (rasch). +Da hat er recht, wenn er sie nicht gibt. Der junge Mensch hat +keine Achtung vor ihn. + +Lischen. +Ei bewahre, er schätzt ihn weit mehr--verzeihen Euer Gnaden, +wenn ich so von Ihren Herrn Schwager spreche--aber weit mehr, +als er es verdient. + +Rappelkopf (für sich). +Es ist, als ob sie sich alle verschworen hätten wider mich. +Geduld, verlasse mich nicht! (Laut.) Ich will Ihr etwas +schenken, aber sag Sie mir in der größten Geschwindigkeit +alle üblen Eigenschaften Ihres Herrn. + +Lischen. +In einer Geschwindigkeit, das ist ohnmöglich, gnädger Herr. + +Rappelkopf. +Warum nicht? + +Lischen. +Weil, wenn ich jetzt diesen Augenblick anfange, ich morgen +früh noch nicht fertig bin. + +Rappelkopf. +Wo ich nur die Geduld hernehme, das alles anzuhören! + +Lischen. +Es ist schon genug, daß er ein Menschenfeind ist. Ich begreife +gar nicht, wie man bei einem so großen Vermögen, einer +gutmütigen Frau, einer wohlerzogenen Tochter und einem so +hübschen Stubenmädchen ein Menschenfeind sein kann. + +Lied +Ach, die Welt ist gar so freundlich +Und das Leben ist so schön. +Darum soll der Mensch nicht feindlich +Seinem Glück entgegenstehn. +Alles sucht sich zu gefallen, +Liebend ist die Welt vereint, +Und das Häßlichste von allen +Ist gewiß ein Menschenfeind. +Heitrer Sinn nur kann beglücken, +Nur die Freude hebt die Brust, +Nur die Liebe bringt Entzücken, +Und der Haß zerstört die Lust. +Doch wenn alle sich erfreun +Und der Stern des Frohsinns scheint, +Sitzt im düstern Wald allein +Drauß der finstre Menschenfeind. + +Sieht man nur die goldne Sonne, +Wenn sie auf am Himmel steigt, +Wie sie schon mit holder Wonne +Allen Wesen ist geneigt: +Dann kann man die Welt nicht hassen, +Die 's im Grund nicht böse meint, +Man muß nur die Lieb nicht lassen, +Wird man nie zum Menschenfeind. (Ab.) + + +Rappelkopf (allein). +Schrecklich! Muß ich mich auch noch ansingen lassen! Das sind +Beleidigungen nach den Noten, und ich darf den Takt nicht dazu +schlagen. Und alles bleibt auf einem Wort! Wer kommt? + + + +Achter Auftritt + +Voriger. Sophie. Lischen. + + +Sopie (stürzt rasch herein). +Bruder, er kommt! + +Rappelkopf. +Wer kommt? + +Lischen. +Der gnädge Herr! + +Sopie. +Mein Mann! + +Rappelkopf. +Ich komm! (Schlägt sich begeistert an die Brust.) Endlich +einmal. Solang die Welt steht, war noch niemand so neugierig +auf sich selbst als ich. + +Astragalus (ruft noch vor der Tür). +Daß niemand zu mir gelassen wird! + +Rappelkopf. +Meine ganze Stimme. Ich hör mich schon. (Tritt zurück.) + + + +Neunter Auftritt + +Vorige. Astragalus tritt ein. + + +Astragalus (wie er Sophie sieht, prallt er zurück und ruft). +Ha! (Er will zurück.) + +Rappelkopf (sagt schnell). +Ich bins, ist kein Zweifel! + +Sopie (hält ihn zurück). +Oh, bleib doch, lieber Mann! wir sind glücklich, daß wir dich +wieder sehn. + +Astragalus (reißt sich los). +Laß mich. Entweder gehst du oder ich. + +Sopie (Mit Überwindung). +Nun so bleib, ich will gehn. (Geht seufzend ab.) + + +(Astragalus tritt mit empörter Miene vor, bleibt mit +verschränkten Armen stehn und blickt wild umher, ohne +Rappelkopf zu bemerken.) + +Rappelkopf (betrachtet ihn vom Fuß bis zum Kopfe mit +ungeheurem Erstaunen und spricht dann überzeugt). +Ich bins--Aufgelegt bin ich nicht gut, aber das kann +nicht anders sein. + +Astragalus (zu Lischen). +Was will Sie da? + +Lischen (zitternd). +Fragen, ob Euer Gnaden nichts befehlen. + +Rappelkopf. +Eine Angst hat alles vor mir, daß es eine Freude ist. + +Astragalus. +Wo ist die Tinte? + +Lischen. +Dort ist sie. (Deutet auf den Tisch.) + +Astragalus. +Und Federn? + +Lischen (ängstlich). +Die hab ich nicht. + +Rappelkopf. +Jetzt hat die Gans keine Federn! + +Astragalus. +Hol Sie welche! hat Sies gehört? Hinaus mit Ihr, Sie +Schlange, Sie Basilisk, Sie Krokodil, Sie Anakonda! + +Rappelkopf. +In der Naturgeschichte bin ich gut bewandert. + +Lischen. +Gleich, Euer Gnaden. (Im Abgehen.) Der böse Feind hat ihn +zurückgeführt. Ich laß mich nicht mehr sehn. (Ab.) + +Rappelkopf. +Die lauft. Ich weiß nicht, ich gfall mir recht gut. Ein wenig +rasch bin ich, das ist wahr. + +Astragalus (entschlossen). +Ja! Ich will mein Testament machen. + +Rappelkopf (für sich). +Testament? Nu wär nicht übel. Den Entschluß muß ich gleich +unterbrechen. (Laut.) Grüß Sie Gott, lieber Schwager. Eben +bin ich angekommen. + +Astragalus. +Wer ist das? + +Rappelkopf (entzückt). +Das ist ein eigner Anblick, wenn man vor sich selber steht. + +Astragalus (schnell). +Was machen Sie hier? Warum haben Sie nicht geschrieben? +Haben Sie meine Intressen mitgebracht? Wie stehts mit +meinem Vermögen? + +Rappelkopf (für sich). +Jetzt gehts recht, das möcht ich selbst gern wissen. + +Astragalus. +Das Haus in Venedig soll nicht gut stehen, ist es verloren? + +Rappelkopf (erschrickt). +Verloren? Wär nicht übel, (beiseite) mir wird selbst angst. + +Astragalus. +Ich hab keine Intressen erhalten. + +Rappelkopf. +Ich auch nicht. + +Astragalus. +Sie müssen es haben, Sie haben mir es sonst geschickt, da +steckt ein Betrug dahinter. + +Rappelkopf. +So lassen Sie sich nur sagen-- + +Astragalus. +Ich laß mir nichts sagen--ich kenn die Welt, sie gehört +zum Katzengeschlechte-- + +Rappelkopf. +Ich-- + +Astragalus (wütend). +Still-- + +Rappelkopf. +Wenn er nur nicht gar so schreien möchte, mir tun die Ohren +weh. + + + +Zehnter Auftritt + +Vorige. Habakuk mit Federn. + + +Habakuk (zitternd). +Euer Gnaden, hier bring ich die Federn. + +Astragalus (entsetzt sich). +Ha! Dieser Mörder wagt es, vor meine Augen zu kommen! +(Nimmt den Stuhl vor und retiriert sich.) Komm mir nicht +an den Leib! Bandit! + +Rappelkopf. +Ach, das ist übertrieben. Wer wird sich denn vor dem Esel +fürchten? + +Habakuk. +Die gnädige Frau laßt fragen, ob sie noch nicht herüberkommen +darf. + +Astragalus. +Nein. + +Habakuk. +Sie weint aber so abscheulich. + +Astragalus. +So soll sie schöner weinen, hahaha, oder ich fang zum lachen an. + +Habakuk. +Wenn sie aber krank wird? + +Astragalus. +Die Gicht in ihren Leib! Und ins Spital mit ihr! + +Rappelkopf (beiseite). +Das ist ein kurioser Humor. + +Habakuk. +Ah, verzeihen Euer Gnaden, aber das ist zu stark. Ich war +zwei Jahr in Paris, aber-- + +Astragalus (aufspringend). +Wenn Er es noch einmal wagt, dieses unerträgliche Sprichwort +in meinem Haus ertönen zu lassen, so--zahl ich hier Seinen +Lohn in vorhinein. (Er wirft ihm einen Geldbeutel vor die +Füße und trifft damit Rappelkopf an das Schienbein.) + +Rappelkopf (zieht den Fuß auf). +Sapperment hinein, achtgeben, das müssen harte Taler sein. + +Astragalus. +Hab ich Ihnen weh getan? + +Rappelkopf. +Ich glaub, ich hab ein Loch im Fuß. + +Astragalus. +Gschieht Ihnen recht. (Zu Habakuk.) Wenn Er also dieses Wort +noch einmal sagt, so geht Er an der Stelle aus meinem Dienst. +Wenn ich auch nicht dabei bin. Nehm Er! + +Rappelkopf. +Es ist meine ganze Manier. (Zu Habakuk.) Nu apport! + +Habakuk. +Euer Gnaden, um diesen Preis kann ich mich nicht darauf +einlassen, denn ich habe keinen Stolz, als daß ich zwei +Jahr in-- + +Astragalus (faßt ihn am Halse). +Ich erdroßle Ihn, wenn Er noch einen Buchstaben mehr dazu +sagt. + +Habakuk. +Zu Hülfe! Zu Hülfe! + +Rappelkopf (springt dazwischen). +Aber Herr Schwager, das hätt ich meinem Leben nicht geglaubt. + +Astragalus (hält ihn noch immer). +Wo warst du zwei Jahr, warst du in Paris? + +Habakuk (schreit ängstlich). +Nein, in Stockerau. + +Astragalus. +Also geh hin, wo der Pfeffer wächst. (Stoßt ihn zur Tür hinaus.) + +Rappelkopf. +Ich find doch, daß ich etwas Abstoßendes in meinem Betragen +habe. Wenn das so fortgeht, so käm ich mit mir selbst nicht +draus. Ja so! Mein Geld muß ich wieder einstecken. Wir haben +ja eine Kassa, das ist kommod, wenns der eine wegwirft, hebts +der andere auf. Und wenn nur das nicht wär, daß, was ihm +geschieht, auch mir geschehen muß. Und wie lang er draußen +bleibt, ganz erhitzt, wenn er sich erkühlt, so kriegen wir +die Kolik. (Astragalus tritt ein.) + +Astragalus. +Weil ich im Wald keine Ruh hab, so sollen sie auch von mir +keine haben. Denn sie sind boshaft, sie könnten mich vergiften. +(Setzt sich in einen Stuhl.) + +Rappelkopf. +Das sind so übertriebene Sachen. Wenn er nur etwas mit sich +reden ließ'. Herr Schwager! + +Astragalus (wendet ihm den Rücken zu). +Hinaus! Ungeheuer! + +Rappelkopf. +So hab ichs akkurat gemacht. (Laut.) Aber warum denn? Wir +sind ja die besten Freunde. + +Astragalus. +Ich bin keines Menschen Freund. Und Sie will ich gar nicht +ansehen. Ihr Gesicht ist mir verdächtig. + +Rappelkopf. +Sie werden mich doch für keinen Betrüger halten? + +Astragalus. +Das nicht, aber man erinnert sich an einen, wenn man Sie ansieht. + +Rappelkopf. +Ah, das ist impertinent, diese Grobheit hätt ich mir nicht +zugetraut. Und doch erinnere ich mich auf ähnliche Worte. + +Astragalus (zum Fenster hinaus). +Halt, wer schleicht da zur Tür hinaus? Donner und Blitz, das +ist der junge Maler, der war bei meiner Tochter. + +Rappelkopf. +Jetzt wirds angehn. + +Astragalus. +Wart, du kommst mir nicht mehr aus. (Springt zur Tür hinaus +und stößt Rappelkopf der ihm im Weg steht, auf die Seite.) + +Rappelkopf. +Ich bin ja ein rasender Mensch. Ich fang mir ordentlich an +selbst zuwider zu werden. Das hätt ich meinen Leben nicht +gedacht. + +Astragalus (von innen, schreiend). +Sie müssen herein, ich lasse Sie nicht los. + +Rappelkopf. +Hat ihn schon bei der Falten. + +Astragalus (von innen). +Herein, sag ich. + +Rappelkopf. +Und wie er schreit! und das geht alles auf meine Rechnung. +Bis die Gschicht ein Ende hat, ruiniert er mir noch meine +ganze Brust. + + +(Astragalus zerrt August an der Hand herein.) + +Astragalus. +Herein, du Verführer meines Kindes! Wie können Sie es wagen, +mein Haus zu betreten? Wer gibt Ihnen ein Recht dazu? + +Rappelkopf. +Das ist wieder gut gesprochen, das gefällt mir. + +August (ganz bleich). +Meine Liebe, Herr von Rappelkopf, und meine redlichen +Absichten. + +Astragalus. +Sie sollen gar keine Absichten haben, weil Sie keine +Aussichten haben. + +Rappelkopf. +Bravo! + +Astragalus. +Ich kann mein Kind verheiraten, an wen ich will, denn ich +bin Vater. + +Rappelkopf. +Bravissimo! + +Astragalus. +Und es ist eine Frechheit von Ihnen, daß Sie sich gegen +meine Erlaubnis in mein Haus zu schleichen suchen, um mein +Kind von dem Gehorsam gegen seinen Vater abzubringen. + +Rappelkopf. +Sehr schön, ich muß mich selber loben. + +August. +Herr von Rappelkopf, ich beschwöre Sie bei allen Gefühlen, +welche Ihr leidenschaftliches Herz je bestürmten, haben Sie +Nachsicht mit den meinigen. Ich kann ohne Ihre Tochter nicht +leben, ich war drei Jahre abwesend, und meine Gesinnungen +haben sich nicht verändert. Ich besitze ein kleines Vermögen, +habe mich in meiner Kunst verbessert, schenken Sie mir Ihre +Einwilligung, nie werde ich Ihre Gnade vergessen, und Sie +werden einen dankbaren Sohn an mir gewinnen. + +Rappelkopf. +Das ist kein gar so schlechter Mensch, er soll doch nicht so +hart mit ihm sein. + +Astragalus. +Ich traue Ihren Worten nicht, denn Falschheit blickt aus Ihrem +Auge. Darum wagen Sie es nicht mehr, meine Schwelle zu betreten. +Eh steht mein Tor hungrigen Wölfen offen, eh laß ich Raben +unter meinem Dache nisten, eh will ich giftge Schlangen an +dem Busen nähren, eh laß ich alle Seuchen hier im Hause wüten +und will die Pest zu meinem Tische laden, eh ich nur Ihrer +Lunge einen Atemzug in meinem Schloß erlaube. + +Rappelkopf. +Das ist ein Unsinn ohnegleichen. Es ist beinah nicht zu glauben, +daß ein Mensch so sein kann. + +August. +Herr von Rappelkopf, wenn Ihnen das Leben eines Menschen etwas +gilt, so reizen Sie meine Leidenschaft nicht auf das höchste-- +Herr von Silberkern, nehmen Sie sich meiner an. + +Rappelkopf. +Ich kann ja nicht, ich bin froh, wenn er mich selber nicht +hinauswirft. + +August. +Also wollen Sie mir mit Gewalt das Leben rauben? + +Astragalus (boshaft). +Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir es zum Geschenke +machen wollten. + +Rappelkopf (entrüstet). +Ah, das ist infam--Herr Schwager (Geht auf Astragalus zu.) + +Astragalus (fährt heftig auf ihn los). +Schweigen Sie! Sie sind auch im Komplott mit ihm, aber ich +schwöre es Ihnen bei dem glühenden Eingeweide des Vesuvs: wenn +Sie es wagen, mein Kind in dieser Leidenschaft zu unterstützen, +wenn Sie nur eine Miene machen, meine Ansichten zu mißbilligen, +so werden Sie ein Andenken nach Venedig mit zurücknehmen, daß +ganz Italien darüber in Entsetzen geraten soll. (Ab ins +Nebenzimmer.) + + + +Elfter Auftritt + +Rappelkopf. August. + + +Rappelkopf. +Nein, das ist nicht mein Ebenbild. Der übertreibt. Das ist +ein schauderhafter Mensch, ich krieg einen ordentlichen Haß +auf ihn. Wenn der so fortwütet, in acht Tagen sind wir alle +zwei hin. + +August (der mit sich gekämpft). +Leben Sie wohl, Herr von Silberkern, grüßen Sie mein Malchen +und vergessen Sie mich nicht. + +Rappelkopf. +Wo wollen Sie denn hin? + +August. +Fragen Sie mich nicht. Ich kann ohne Amalie nicht leben-- +(Will fort.) + +Rappelkopf. +So sein Sie nur ruhig, ich geh Ihnen mein Wort, Sie bekommen +sie. + +August. +Wenn aber der Vater nicht will? + +Rappelkopf. +Er will schon, der Vater, sorgen Sie sich nicht. Gehen Sie +jetzt unterdessen fort, ich werde alles ausgleichen, und wenn +Sie Liebesbriefe haben, so geben Sie s' mir, ich werd sie +schon besorgen. + +August. +Ach bester Onkel, ich muß Sie umarmen, o Freude, Freude, +verlassen Sie mich nicht, sagen Sie meinem Malchen-- + +Rappelkopf. +Gehen Sie nur-- + +August. +Nie werd ich Ihre Güte vergessen-- + +Rappelkopf (drängt ihn zur Tür hinaus). +Auf Wiedersehn! (Allein.) Das ist ein passabler Mensch. Den +hab ich beinahe verkannt. Überhaupt fängt es bei mir an, etwas +Tag zu werden. + + + +Zwölfter Auftritt + +Habakuk. Voriger. + + +Habakuk. +Euer Gnaden verzeihen, daß ich meine Zuflucht zu Ihnen nimm, +mit meinen gnädigen Herrn zu reden, ist zu halsbrecherisch. +Da sind Euer Gnaden viel gütiger. Euer Gnaden haben mir doch +nur Arm und Bein entzwei schlagen wollen, und unter zwei Übeln +muß man das kleinste wählen, und da bin ich also an Euer Gnaden +geraten. + +Rappelkopf. +Das ist gar ein dummer Mensch, ich kann gar nicht begreifen, +wie mich etwas beleidigen hat können von ihm. Nu was hat Er +denn? + +Habakuk. +Ein Anliegen, Euer Gnaden. + +Rappelkopf. +Was denn für eines? + +Habakuk. +Sehen Euer Gnaden, ich--(Hält inne und seufzt tief.) Ich +halts nicht aus. + +Rappelkopf. +Was hält Er nicht aus? (Beiseite.) Das ist ein unerträglicher +Kerl, mir steigt schon die Gall auf. + +Habakuk. +Euer Gnaden wissen, daß ich das Bewußte nicht mehr sagen darf, +und wenn das nicht anders wird, so muß ich zugrunde gehen. + +Rappelkopf. +Aber was hat Er denn davon, wenn Er sagt, daß Er zwei Jahr in +Paris war? + +Habakuk. +Unendlich viel, es hat alles viel mehr Achtung vor einem. Das +hab ich schon viel hundertmal an andern bemerkt. Kurz, wenn +ich das verschweigen muß, ich bekomme eine Gemütskrankheit, +ich geh drauf. + +Rappelkopf (unwillkürlich lächelnd). +Ich weiß nicht, soll ich mich ärgern oder soll ich lachen. + +Habakuk. +Ich unterdruck es immer, und das macht mir Beklemmungen. +Denn ich war zwei--(Setzt ab.) Sehn Euer Gnaden, mir wird +völlig nicht gut. + +Rappelkopf. +Ja wegen was darf Ers denn nicht sagen? + +Habakuk. +Er jagt mich ja fort. + +Rappelkopf. +Wenn er es aber nicht hört? + +Habakuk. +Ja was glauben Sie denn, was der für Ohren hat, die gehn ja +ins Unendliche. + +Rappelkopf. +Schimpft in einem fort über mich und weiß es nicht. Was ich +für Grobheiten einstecken muß! (Scharf.) Wenn ers befohlen +hat, so muß Ers tun, ich kann Ihm nicht helfen. + +Habakuk. +Also keine Rettung. Ich empfehl mich Euer Gnaden! aber es +wird eine Zeit kommen, wo es zu spät ist. Ich habe meinen +Dienst ordentlich versehen, ich hab keinen Kreuzer veruntreut, +aber das ist meine Leidenschaft, von der kann ich nicht lassen. + +Rappelkopf. +Nu so sag Ers-- + +Habakuk. +Ich trau mich nicht. + +Rappelkopf. +Auf meine Verantwortung. + +Habakuk. +Lassen sich Euer Gnaden statt mir fortjagen? + +Rappelkopf. +Nun ja-- + +Habakuk. +Nun so versichre ich Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, +aber das werd ich Ihnen nicht vergessen. (Atem schöpfend, als +fühlte er sich erleichtert.) Das ist eine Wohltat, die nicht +zu beschreiben ist. + +Rappelkopf. +Also ich erlaub es Ihm, von diesem Augenblick an, es wieder +zu sagen, unter der Bedingung, daß Er nicht mehr über seinen +Herrn schimpft. + +Habakuk. +Oh, das ist ein Mann, wies gar keinen mehr gibt. Und jetzt +erlauben Euer Gnaden, daß ich Euer Gnaden umarmen darf. Euer +Gnaden sind mein Wohltäter, mein Vater! Heut bringt kein +Mensch mehr ein anderes Wort aus mir heraus als: Ich war +zwei Jahr in Paris. (Ab.) + +Rappelkopf (allein). +Es ist unglaublich, der eine möcht gern ewig verliebt sein, +und dieser ist wieder zufrieden, wenn man ihm erlaubt, daß +er sagen darf, daß er zwei Jahr in Paris gewesen ist. Es +ist lächerlich, und doch findet er seinesgleichen. Es hat +halt jedermann sein Steckenpferd. + +Arie +Die Welt, ich schreib ihr die Devise, +Ist bloß ein wahnberauschter Riese. +Der eine spräch gern mit den Sternen, +Der andre möcht gern gar nichts lernen, +Der dritte denkt, zum Existieren +Müßt sich die Menschheit parfümieren. +Der läuft im Wahn dem Wasser zu, +Der andre läßt dem Wein kein Ruh. +Der ist so blöd wie ein Stück Holz, +Und jener kennt sich nicht vor Stolz. +Der sitzt und erbt zehntausend Gulden, +Der läuft herum und ist voll Schulden. +Oft möcht der eine avancieren, +Der andre möcht sich retirieren. +Der Blinde möcht gern Augen finden, +Und mancher sieht und möcht erblinden. + +So dreht die Welt sich immer fort +Und bleibt doch stets an einem Ort. +Der Egoismus ist die Achse, +Der Hochmut zahlt am End die Taxe. +Die Erd, es kömmt darauf heraus, +Ist nur im Grund ein Irrenhaus. +Und wie ich nach und nach gewahr, +So bin ich selbst ein großer Narr. + + + +Dreizehnter Auftritt + +Voriger. Sophie, Malchen und Lischen treten ein. + + +Sopie. +Lieber Bruder, was sagst du zu dem Betragen meines Mannes? +Hab ich das um ihn verdient? + +Rappelkopf. +Nein, liebe Schwester, so lang ich da bin, nicht. (Beiseite.) +Wenn nicht noch was nachkommt. + +Malchen (weint). +Ach Onkel, jetzt ist mein Unglück entschieden. + +Rappelkopf. +So tröste dich, Malchen! (Beiseite.) Nur um das Kind ist +mir leid, an den andern allen liegt mir nichts. + + +(Man hört von innen läuten.) + +Lischen. +Er läutet. Wer geht denn jetzt hinein? + +Sopie. +Mich will er ja nicht sehen. + +Rappelkopf. +Und ich mag ihm nicht sehen. + +Lischen. +Ich trau mich nicht hinein. + +Malchen. +Ich auch nicht, liebe Mutter. + +Rappelkopf. +Ich bin ungemein beliebt. + +Malchen. +Lieber Onkel, gehen Sie! + +Rappelkopf. +Ich? Ich nicht. (Beiseite.) Ich fürcht mich vor mir selber. + + +(Es läutet wieder.) + +Sopie. +Er läutet wieder. Ich muß doch-- + +Lischen (schnell). +Ich geh schon, gnädge Frau. (Steckt den Kopf zur Kabinettstür +hinein und ruft.) Was befehlen Ihro Gnaden? + +Astragalus. +Frisches Wasser! schnell! + +Alle drei. +Was ist ihm denn? + +Lischen. +Er sitzt erhitzt am Fenster, es scheint ihm nicht wohl zu +sein, er ruft nach Wasser. + +Sopie. +Bring Sie welches. Wenn er nur nicht krank wird! + + +(Lischen geht ab.) + +Rappelkopf. +Nu wär nicht übel, das könnt ich brauchen. + +Sopie. +Am Ende trifft ihn noch der Schlag. + +Rappelkopf. +Hör auf, mir wird schon völlig bang. + +Sopie. +Gib die Hausapotheke her! Niederschlagendes Pulver! + +Rappelkopf. +Nur geschwind etwas Niederschlagendes. + +Malchen (nimmt sie aus dem Schrank). +Hier ist sie. + +Lischen (ein Glas Wasser bringend). +Hier ist Wasser! + +Rappelkopf. +Wartet nur, ich werd es selbst hineinrühren. (Tut es. +Für sich.) Ich muß ja schauen auf mich, was wär denn das? + +Lischen (die am Kabinett gehorcht, springt weg davon). +Er kömmt. + + + +Vierzehnter Auftritt + +Vorige. Astragalus aus dem Kabinette. + + +Astragalus. +Also so werden meine Befehle respektiert? (Zu Sophie.) Was +machst du hier? Was hat der Maler hier im Hause wollen? Wir +sprechen uns schon noch. + +Sopie. +So sei nur ruhig, lieber Mann, dir ist nicht wohl, setz dich +doch und nimm Arznei. (Sie reicht ihm das Glas.) + +Astragalus (wild). +Wasser will ich, und sonst nichts. + +Sopie. +Du mußt, ich darf dich nicht erkranken lassen. So nimm, ich +bitte dich. + +Astragalus. +Nein! + +Malchen. +Lieber Vater, nehmen Sie. + +Rappelkopf. +Es gehört wirklich eine Geduld dazu. Ich möcht mich selbst +ohrfeigen, aber auf seinem Gesicht. + +Astragalus. +So gib denn her. (Er nimmt das Glas.) Hölle, was ist das? +der Trank ist trübe. Gesteh, du hast ihn mir vergiftet. + +Malchen. +Aber Vater-- + +Lischen. +Gnädger Herr! + +Astragalus. +Da hilft kein Leugnen mehr, der Trank ist Gift. + +Rappelkopf. +Ah, das ist noch über den Zichori. + +Sopie. +So hör doch nur, es ist ja niederschlagendes Pulver. + +Astragalus. +Es ist nicht wahr. + +Rappelkopf. +Ich schlag ihn noch ohne Pulver nieder. + +Astragalus (wirft das Glas um die Erde). +Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher. + +Rappelkopf. +Entsetzlich! meine eigenen Worte. + +Astragalus. +Mein Weib ist eine Mörderin. Darum herab mit euch, ihr +Früchte, die für meinen Haß gereift. (Entreißt Sophien ihre +Halskette, woran sein Porträt hängt.) Was trägst du hier +am Hals? hinweg damit, du sollst kein Angedenken von mir +tragen als den Fluch, womit ich deine Bosheit krönen will. +So hör mich denn, du mörderisches Weib-- + +Rappelkopf. +Genug, genug! das ist der ganze Narr wie ich, ich kann mich +selber nicht mehr anschauen mehr. + +Sopie (fällt in einen Stuhl). +Ich unglückselges Weib! + +Astragalus. +Verlaß mein Schloß, ich will allein hier hausen, und mein +Geschäft heißt Menschenhaß. Ich will von dir und von der Welt +nichts wissen mehr, verwünsche dich, verwünsch mein Kind-- + +Rappelkopf. +Nein Sapperment, jetzt wirds mir z'viel. Der Mensch verflucht +mir 's ganze Haus. + +Astragalus. +Geh hin zu deinem Maler, treib es bunt, wie ein Chamäleon +sollst du in allen Farben prangen, werd grün vor Galle, +blau von Schlägen, rot vor Schande, weiß vor Kummer, gelb +von Fieber, grau vom Alter und-- + +Rappelkopf (freudig). +Das ist gscheid, jetzt gehn ihm d' Farben aus. + +Astragalus. +Doch laß dich nimmermehr vor meinen Antlitz sehen, verleugne +mich, ich bin dein Vater nicht-- + +Malchen (umklammert weinend seine Knie). +Vater, Barmherzigkeit, verstoßen Sie mich nicht! + +Astragalus. +Hinweg von mir! (Stoßt sie fort.) + +Rappelkopf. +Das leid ich nicht--potz Donnerkeil und Wolkenbruch--Nun +hab ichs satt, ich muß mich um meine Familie annehmen. Der +Mensch ruiniert mir Weib und Kind. Sapperment! Sie sind kein +Mensch, ein Teufel sind Sie, der mich schwärzer darstellt, +als ich bin. + +Astragalus. +Du kommst mir eben recht, du schändlicher Betrüger! Gib mir +Genugtuung dafür, daß du Komplotte hinter meinem Rücken +schmiedest. Gib Rechenschaft--(er packt ihn an der Brust) +wie mein Vermögen steht-- + +Malchen. +Zu Hülfe! Onkel! + +Sopie (gleichzeitig). +Zu Hülfe! Bruder! + +Lischen (gleichzeitig). +Zu Hülfe! + +Rappelkopf. +Was? anpacken? Ha, Entehrung! Satisfaktion, Duell! + + +(Alle Hausleute.) + +Astragalus. +Pistolen her! + +Rappelkopf. +Kanonen her! + +Astragalus (nimmt Pistolen von der Wand). +Hier sind sie schon. + +Rappelkopf. +Das wird ein Treffen wie bei Navarin. + +Sopie. +Mann, ich bitte dich um alles in der Welt! + +Astragalus. +Umsonst! + +Malchen. +Onkel, sind Sie doch vernünftig! + +Rappelkopf. +Geh weg, ich hab keine Zeit dazu. + +Astragalus. +Fünf Schritte sind genug. Wir schießen uns zugleich. Zähl drei! + +Sopie. +Versöhnt euch doch! + +Rappelkopf. +Wir sind die besten Freund, jetzt sind wir erst auf du und +du. Geh fort, ich muß. (Zählt und zielt.) Eins, zwei-- + +Sopie (fällt in Ohnmacht). +Ach! + +Rappelkopf. +Die fallt schon um, ich hab noch gar nicht gschossen. + +Malchen. +Die Mutter stirbt! + +Rappelkopf. +Sie soll noch warten, sag! + +Astragalus. +Drück los! + +Malchen (umschlingt ihren Vater). +Ach Onkel, halten Sie, sonst töten Sie zwei Menschen. + +Rappelkopf (prallt zurück). +Was? Himmel, jetzt fallt mir was ein, ich kann mich gar +nicht duellieren mit ihm! Wir haben nur alle zwei ein +Leben. Wann ich ihm erschieß, so schieß ich mich selber +tot. Wenn ich jetzt losdruckt hätt, jetzt wärs schon gar. + +Astragalus. +Mach fort! warum besinnst du dich? + +Rappelkopf. +Nu wenn sich einer da nicht besinnen soll, hernach gehts recht. + +Astragalus. +Nur einer fällt, ich oder du. + +Rappelkopf. +Das kann nicht sein, wir falln in Kompagnie. + +Astragalus. +Gleichviel, es geht auf Leben und Tod. (Zielt.) + +Rappelkopf. +Halt, es geht auf Tod und Tod. + +Astragalus (geht auf ihn zu). +Warum willst du nicht schießen, feiger Wicht? + + +(Sophie hat sich indessen erholt.) + +Rappelkopf. +Weil mich meine Schwester dauert--ich will sie nicht zur +Witwe machen--, und ihr Kind, und ihr Schwager, und die +ganze Freundschaft. (Beiseite.) Das ist eine Schande, ich +weiß gar nimmer, was ich sagen soll. + +Astragalus. +Ich will mein Leben nicht für sie erhalten, und dir will +ichs am wenigsten verdanken. Es gilt mir nichts, ich werf +ihn weg, den unschmackhaften Rest des altgewordnen Seins, +ich brauch ihn nicht. + +Rappelkopf. +Wie der mit meinem Leben herumwirft, und ihm gehts gar +nichts an. + +Astragalus. +Doch deine Feigheit will ich nicht hier dulden, du packst +dich fort aus meinem Haus, sonst werf ich dich hinaus-- + +Rappelkopf. +Jetzt wirft er mich gar aus meinen eignen Haus? Der Mensch +spielt noch Ballon mit mir, und bring ich ihn recht in Zorn, +so trifft uns alle zwei der Schlag. Ich weiß gar nicht, was +er noch immer will, ich sehs ja ein, ich war ein unvernünftig +Tier, ein Tiger, drum will ich wissen, was denn jetzt noch +kommt. (Habakuk mit einem Brief tritt schnell ein.) + +Habakuk (eintönig). +Ein Brief. + +Rappelkopf. +Aus Paris? Du Dummkopf! + +Habakuk. +Nein, dasmal ist er aus Venedig. + +Astragalus (schießt darauf los). +Aus Venedig? her damit! + +Rappelkopf. +Her damit! Der intressiert mich selbst. (Will hineingehen.) + +Astragalus (fährt ihn an). +Was wollen Sie? + +Rappelkopf (erschrickt). +Ja so! Jetzt darf ich meine eignen Briefe nicht lesen. +Verdammter Doppelgänger du! (Astragalus wird während des +Lesens unruhig und bleich und zittert.) Das muß eine schöne +Nachricht sein. + +Astragalus (läßt zitternd das Blatt fallen und sagt mit +Entsetzen). +Ich bin verloren! + +Rappelkopf (fängt zum zittern an). +So bin ichs auch. + +Astragalus (sinkt in einen Stuhl.) +Mir wird nicht wohl. + +Rappelkopf. +Und mir wird übel. (Sinkt in den gegenüberstehenden Stuhl.) + +Astragalus. +Ich geh zugrunde + +Rappelkopf. +Ich bin schon hin. + +Alle. +Wasser! Wasser! + + +(Die Weiber sind besorgt. Lischen läuft ab.) + +Astragalus (springt auf). +Wasser! Ja, ihr erinnert mich darauf. (Zu Rappelkopf) Du +Verräter bist an allem schuld. (Stürzt ab.) + +Rappelkopf (springt auch auf). +Nein, mein Schwager ist an allem schuld! Wo ist der Brief? +(Liest. Erstarrt.) »Mein Herr, ich berichte Ihnen, daß das +Handlungshaus, bei welchem Ihr Vermögen liegt, ge--ge-- +fallen ist.« Ich lieg schon da--ich streck schon alle vier +von mir. (Lischen kommt zitternd.) + +Lischen. +Hülfe! Hülfe! der gnädge Herr ist fort, er ruft, er wolle +sich ersäufen, er stürzt sich in den Strom. + +Sopie. +Mein Mann! + +Malchen. +Der Vater! + +Alles. +Eilt ihm nach! (Alles stürzt ab.) + +Rappelkopf (kann vor Angst nicht von der Stelle). +Halts ihn auf, den unglückselgen Kerl, was der Mensch mit +meim Leben treibt! Ich komm aus einen Tod in den andern +hinein. (Die Knie brechen ihm.) Ich kann nicht fort, er +springt hinein. Er ist schon drin, ich fang zum schwimmen +an. (Schleppt sich fort.) Der Himmel steh mir bei, dasmal +ein Menschenfeind, in meinem Leben nimmermehr. Verzweiflung, +gib mir Kraft, sonst muß ich untergehn. (Ab.) + + + +Fünfzehnter Auftritt + +Verwandlung +Freie Gegend vor dem Schlosse. Im Hintergrunde ein tiefer +Strom, an der Seite ein hoher Fels. + +Alle Hausleute. Malchen. August. Astragalus wird gehalten. +Sophie kniet vor ihm. Gruppe. + + +Chor. +Haltet ihn, haltet ihn! +Seht, er will entrinnen. +Laßt ihn nicht, laßt ihn nicht, +Denn er ist von Sinnen! + +(Astragalus reißt sich los und eilt auf den Fels. In dem +Augenblick erscheint) + +Rappelkopf (und ruft). +Halt! + + +(Astragalus springt hinab. Rappelkopf fällt ohnmächtig in +die Arme seiner Frau und Tochter.) + + +Schnelle Verwandlung in den Tempel der Erkenntnis. Hohe +Säulen von Kristall mit Gold geziert. Auf der Hinterwand +eine große Sonne, in deren Mitte die Wahrheit schwebt. Vor +ihr ein Opferaltar. Astragalus' Gestalt, welche in das +Wasser sprang, war eine falsche. Dieser zeigt sich nun +wie zu Anfang des zweiten Aktes. Mit ihm ideal gekleidete +Alpengeister. Rappelkopf hat sich indessen in seine wahre +Gestalt verwandelt. Sophie. Malchen. August. + +Astragalus (zu Rappelkopf). +Willkommen hier in der Erkenntnis hellstrahlendem Tempel, +im wahrheiterleuchteten Saale. Ich sehe dich beschämt und +reuergriffen vor mir stehen. + +Rappelkopf. +Ja leb ich denn noch? Bin ich denn nicht in Kompagnie ersoffen? + +Sopie. +Du lebst noch, lieber Mann! + +Malchen. +Sie leben, lieber Vater! + +Rappelkopf. +Und künftig nur für euch. (Umschlingt sie beide.) Wenn ich +euch nicht zu schlecht bin, daß ihr für mich auch lebt. + +Astragalus. +Du hast nun Menschenhaß geschaut und eines Menschenfeindes +Ende. + +Rappelkopf. +Und ist er denn wirklich hin, dieser verwünschte +Lebenskompagnon, dieses Zerrbild meiner Unverträglichkeit? + +Astragalus. +Er ist verschwunden wie dein Menschenhaß. + +Rappelkopf. +Nu das waren ein Paar saubre Leute, ich bin froh, daß ich +sie losgeworden bin. Aber weil Eure Hoheit gar so viel +vermögend sind, könnten Sie denn nicht auch etwas über +mein verlornes Vermögen vermögen. Damit ich auch meinem +Schwager verzeihen könnt, weil er der einzige ist, den ich +noch hasse. (Man hört ein Posthorn. Linarius, als Postknecht +gekleidet, mit Herrn von Silberkern.) + +Linarius. +Hier lad ich meinen Passagier von seiner Wolkenreise ab. +Die Alpenluft hat ihm recht gut getan. + +Silberkern. +Nu wart, du saubrer Postillon! Herr Schwager, seh ich Sie +einmal? + +Rappelkopf. +Sie sind mir schon der liebste Schwager, jetzt kommt er erst +daher, wenn schon alles vorbei ist. Sie sind an meinem Unglück +schuld, ich bin ein Bettler. + +Silberkern. +Von einmalhunderttausend Gulden Münze, die ich ohne Ihre +Einwilligung bei dem Bankier erhoben habe, bevor das Haus +noch fiel. Weil ich Wind bekam und Ihr Vermögen retten +wollte, das ich Ihnen hier in Wechseln übergebe. + +Rappelkopf. +Ach, das ist ein Schwager, den laß ich mir gfallen, der +bringt doch was ins Haus. (Umarmt ihn, Silberkern umarmt +Sophie.) Kinder, mein Vermögen, die Menge Wechsel, ich bin +völlig ausgewechselt vor lauter Freuden. Herr Schwager, das +werd ich Ihnen nie vergessen. + +Silberkern. +Zahlen Sie mir lieber meine Angst, die ich Ihretwegen ausstehn +mußte. + +Rappelkopf. +Ich geh Ihnen die meinige dafür, Sie kommen nicht zu kurz. + +Silberkern. +Aber wie hängt denn das alles zusammen? + +Rappelkopf. +Freund, das werden wir Ihnen morgen früh erzählen, sonst möcht +es den Leuten zu viel werden. Denn ich hab heut schon so viel +geredet, daß ich nichts mehr sagen kann als: (zu August) +Sie sind mein Schwiegersohn. Nehmen Sie sie hin. Aber Sie +sind ein Maler, schmieren Sie s' nicht an. Lieben Sie s' so, +wie ich Sie unrechterweise gehaßt habe, dann kann sie schon +zufrieden sein. + +August, Malchen (zugleich). +Bester Vater! + +Rappelkopf (auf den Alpenkönig zeigend). +Dort bedankt euch. + +August, Malchen (stürzen zu Astragalus' Füßen). +Großer Alpenkönig, Dank! + +Astragalus (mit Rührung). +Ich hab dir gestern einen Kranz versprochen, +Als ich dein Leid im Alpentale sah. +Du siehst, ich habe nicht mein Wort gebrochen, +Das Leid ist fort, der Kranz ist da. + + +(Er nimmt einen Kranz aus schönen Alpenblumen von glänzender +Folio, den ihm einer von den Alpengeistern reicht, und setzt +ihn Malchen auf.) + +So nimm ihn hin, du Mädchen seltner Art, +Das treulich hält, was liebend es verspricht, +Und weil ich euch so väterlich gepaart, +Vergeßt auch auf den Alpenkönig nicht. + + +(Geht ab.) + +Rappelkopf. +Kinder, ich bin ein pensionierter Menschenfeind, bleibt bei +mir, und ich werde meine Tage ruhig im Tempel der Erkenntnis +verleben. + +Schlußgesang +Erkenntnis, du lieblich erstrahlender Stern, +Dich suchet nicht jeder, dich wünscht mancher fern. +Zum Beispiel die Leute, die uns oft betrügn, +Die wolln nicht erkannt sein, sonst würden s' nicht lügn. +Doch seien vor allen die Schönen genannt, +Die werdn von uns Männern am ersten erkannt. +Die Guten, die brauchen schon längere Zeit, +Obwohl die Erkenntnis dann ewig erfreut. + +Die Jugend will oft mit Erkennen sich messen, +Die hat den Verstand schon mit Löffeln gegessen. +Doch rückt nur das Alter einmal an die Reih, +Dann kommt die Erkenntnis schon selber herbei. + +Der Mensch soll vor allem sich selber erkennen, +Ein Satz, den die ältesten Weisen schon nennen, +Drum forsche ein jeder im eigenen Sinn: +Ich hab mich erkannt heut, ich weiß, wer ich bin. + +Erkannt zu sein wünscht sich vor allem die Kunst. +Die feine Kokette bewirbt sich um Gunst. +Und wird sie auch heute mit Ruhm nicht genannt, +So werde denn doch nicht ihr Wille verkannt! + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Alpenkönig und +der Menschenfeind, von Ferdinand Raimund. + + + + + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Der Alpenkonig und der Menschenfeind, by +Ferdinand Raimund + +*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ALPENKONIG UND DER *** + +***** This file should be named 6637-8.txt or 6637-8.zip ***** +This and all associated files of various formats will be found in: + http://www.gutenberg.org/6/6/3/6637/ + +Produced by Delphine Lettau + +Updated editions will replace the previous one--the old editions +will be renamed. + +Creating the works from public domain print editions means that no +one owns a United States copyright in these works, so the Foundation +(and you!) can copy and distribute it in the United States without +permission and without paying copyright royalties. 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It exists +because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from +people in all walks of life. + +Volunteers and financial support to provide volunteers with the +assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's +goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will +remain freely available for generations to come. In 2001, the Project +Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure +and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. +To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation +and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 +and the Foundation information page at www.gutenberg.org + + +Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive +Foundation + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit +501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the +state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal +Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification +number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent +permitted by U.S. federal laws and your state's laws. + +The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. +Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered +throughout numerous locations. Its business office is located at 809 +North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email +contact links and up to date contact information can be found at the +Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact + +For additional contact information: + Dr. Gregory B. Newby + Chief Executive and Director + gbnewby@pglaf.org + +Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg +Literary Archive Foundation + +Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide +spread public support and donations to carry out its mission of +increasing the number of public domain and licensed works that can be +freely distributed in machine readable form accessible by the widest +array of equipment including outdated equipment. Many small donations +($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt +status with the IRS. + +The Foundation is committed to complying with the laws regulating +charities and charitable donations in all 50 states of the United +States. Compliance requirements are not uniform and it takes a +considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up +with these requirements. We do not solicit donations in locations +where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm +concept of a library of electronic works that could be freely shared +with anyone. For forty years, he produced and distributed Project +Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. + +Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. +unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +Most people start at our Web site which has the main PG search facility: + + www.gutenberg.org + +This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, +including how to make donations to the Project Gutenberg Literary +Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to +subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/6637-8.zip b/6637-8.zip Binary files differnew file mode 100644 index 0000000..5f8c071 --- /dev/null +++ b/6637-8.zip diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. 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You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Der Alpenkonig und der Menschenfeind + +Author: Ferdinand Raimund + +Release Date: October, 2004 [EBook #6637] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on January 8, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ASCII + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER ALPENKONIG UND DER MENSCHENFEIND *** + + + + +Thanks are given to Delphine Lettau for finding a huge collection of ancient +German books in London. + + + +This Etext is in German. + +We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, +known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- +and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- +which requires a binary transfer, or sent as email attachment and +may require more specialized programs to display the accents. +This is the 7-bit version. + + + + + +Der Alpenkoenig und der Menschenfeind + +Ferdinand Raimund + +Romantisch-komisches Original-Zauberspiel in zwei Aufzuegen + +Personen: + +Astragalus, der Alpenkoenig +Linarius und Alpanor, Alpengeister + +Herr von Rappelkopf, ein reicher Gutsbesitzer +Sophie, seine Frau +Malchen, seine Tochter dritter Ehe +Herr von Silberkern, Sophiens Bruder, Kaufmann in Venedig +August Dorn, ein junger Maler +Lischen, Malchens Kammermaedchen +Habakuk, Bedienter bei Rappelkopf +Sebastian, Kutscher in Rappelkopfs Dienst +Sabine, Koechin in Rappelkopfs Dienst + +Christian Gluehwurm, ein Kohlenbrenner +Marthe, sein Weib +Salchen, ihre Tochter +Haenschen, Christoph und Andres, ihre Kinder +Franzel, ein Holzhauer, Salchens Braeutigam +Christians Grossmutter + +Rappelkopfs verstorbene Weiber: +Victorinens Gestalt +Wallburgas Gestalt +Emerentias Gestalt + +Alpengeister. Genien im Tempel der Erkenntnis. Dienerschaft in +Rappelkopfs Hause. + + +Die Handlung geht auf und um Rappelkopfs Landgut vor. + + + + +Erster Aufzug + + + +Erster Auftritt + + +Die Ouvertuere beginnt sanft und drueckt froehlichen Vogelsang aus, +dann geht sie in fremdartiges Jagdgetoen ueber, begleitet von +Buechsenknall. Beim Aufziehen der Kurtine zeigt sich eine reizende +Gegend am Fuss einer Alpe, welche sich im Hintergrunde majestaetisch +erhebt. Im Vordergrunde zeichnet sich in der Mitte ein Gebuesche +von Alpenrosen, links ein abgebrochener Baumstamm und im +Vordergrunde rechts ein hoher Fels aus. + +Ein Chor von Alpengeistern, dabei Linarius, durchaus grau als +Gemsenjaeger gekleidet, jeder eine erlegte Gemse ueber den Ruecken +haengen, eilt von der Alpe herab und sammelt sich im Vordergrunde +der Buehne. + + +Chor. +Stellt die Jagd ein, luftge Schuetzen! +Von den steilen Alpenspitzen +Steigt herab ins blumge Tal. +Zaehlt mit wilder Jaegerfreude +Schnell die frischgefaellte Beute +Hier im gruenen Weidmannssaal. + + + +Zweiter Auftritt + +Astragalus, ganz grau gleich den uebrigen Geistern als Alpenjaeger +gekleidet, ein Jagdgewehr ueber die Schulter. + + +Astragalus (im rauhen Tone). +Holla ho, ihr Jaegersleute! +Seid genuegsam in der Beute. +Lasst, ihr jagdberauschten Schergen, +Ruhn das Gemsvolk in den Bergen. +Lang gedonnert haben wir +Heut im steinigten Revier. + +Linarius (erster Alpengeist). +Grosser Fuerst, du magst nur winken, +Und der Alpen Geister sinken +Kraftberaubet in den Staub +Wie vorm Sturmwind welkes Laub. +Keiner ist hier, der es wagt, +Fortzusetzen mehr die Jagd. +Doch es kann nichts Schoenres geben, +Als auf Alpenspitzen schweben +Und den Blitz vom Rohre senden, +Der Gazelle Leben enden. +Ha! wenn aus metallnem Lauf +Krachend sich der Schuss entladet +Und die goldne Kugel drauf +In der Gemse Blut sich badet: +Das ist echte Weidmannslust, +Das erhebt des Jaegers Brust. + +Alle. +Das ist echte Weidmannslust! +Das erhebt des Jaegers Brust! + +Astragalus. +Bei des Eismeers starren Wellen, +Ihr seid wackre Jagdgesellen. +Oft soll euch die Lust entzuecken, +Doch auch andre mags begluecken. +Denn was wir dem Berg entwenden, +Will ins duerftge Tal ich senden. +An Bewohner niedrer Huetten, +Die um karges Mahl oft bitten, +Teilet eure Gemsen aus. +Werft sie unsichtbar ins Haus. + +Linarius. +Edel ist stets dein Beginnen, +Und wir eilen schnell von hinnen, +Um den maechtgen Herrscherwillen +Stolz zu ehren durch Erfuellen. +Lasst die Huetten uns umrauschen +Und leis dem Entzuecken lauschen, +Wenn sie in der Tiere Wunden +Goldne Kugeln aufgefunden. +Dankesperlen, die sie weinen, +Wollen wir zu Kraenzen einen, +Dass sie zieren dann zum Lohn +Lieblich deinen Alpenthron. + +(Alle ab.) + + + +Dritter Auftritt + +Astragalus allein. + + +Astragalus. +Wohl soll in der Geister Walten +Lieb und Grossmut maechtig schalten, +Und ihr Wesen hoher Art, +Wo sich Kraft mit Freiheit paart, +Soll, befreit von irdschem Band, +Schwingen sich an Aethers Rand. +Doch, so wies im Menschenleben +Boes und gut Gesinnte gibt, +Jener hasst und dieser liebt: +So ists auch in Geistersphaeren, +Dass nicht all nach oben kehren +Ihr entkoerpert Schattenhaupt, +Und, des liebten Sinns beraubt, +Auch der Boese schaut nach unten, +An die finstre Macht gebunden. +Und so wird der Krieg bedinget, +Der die Welt mit Leid umschlinget, +Der die Wolken jagt durch Luefte, +Der auf Erden baut die Gruefte, +Der den Geist gen Geist entzweiet, +Der dem Hai die Kraft verleihet, +In des Meeres Flut zu wueten, +Der dem Nordhauch schenkt die Blueten, +Der den Sturm peitscht gegen Schiffe, +Dass zerschmettern sie am Riffe, +Der die Menschen reiht in Heere, +Dass sie zu des Hasses Ehre +Ueber ihrer Brueder Leichen +Sich des Sieges Lorbeer reichen-- +Doch ich liebe Geisterfrieden, +Bin dem Menschen gut hienieden, +Hause nicht in Bergesschluenden, +Lass in freier Luft mich finden. +Hab auf Hoehen, glaenzend weiss, +Auf des Gletschers kuehnstem Eis, +Mein kristallnes Schloss erbaut, +Das der Sterne Antlitz schaut. +Und dort blick aus klaren Raeumen +Auf der Menschheit eitles Traeumen +Mitleidsvoll ich oft herab. +Doch wenn ich am Pilgerstab +Manch Verirrten wandern sehe, +Steig von meiner wolkgen Hoehe +Nieder ich zum Erdenrunde, +Reich ihm schnell die Hand zum Bunde +Und leit ihn mit Freundessinn +Zum Erkenntnistempel hin. (Ab.) + + + +Vierter Auftritt + +Auf der entgegengesetzten Seite Malchen, Lischen. Erstere im +lichtblauen Sommerkleide, einen Strohhut auf dem Haupte, laeuft +froehlich voraus. + + +Malchen. +Ach, das heiss ich gelaufen, wie pfeilschnell doch die Liebe +macht! (Sieht sich um.) Hier ist mein teures Tal. Wie herrlich +alles blueht, heut glaenzt die Sonne doppelt schoen, als waere +Festtag an dem Himmel und sie des Festes Koenigin. Ach, wie +dank ich dir, du liebe Sonne, dass du mir meinen August bringst. +Lischen, Lischen! (Ruft in die Kulisse.) Wo bleibst du denn? +Wie aengstlich sie sich umsieht. Was hast du denn? + +Lischen (kommt ganz verwirrt und sehr geschwaetzig). +Aber Sie unglueckseliges Fraeulein, wie koennen Sie sich denn heute +in diese beruechtigte, verrufene, bezauberte Gegend wagen? Haben +Sie nicht die wilde Jagd gehoert? heut ist der Alpenkoenig los. +Haett ich das gewusst, Sie haetten mich nicht mit zwanzig Pferden +aus dem Haus gezogen. Aber Sie weckten mich auf, sagten mir, ich +sollte mich schnell anziehen, Sie wollten Ihrem August +entgegeneilen, der heute von seiner Kunstreise aus Italien +zurueckkoemmt. + +Malchen. +Nun, das tat ich ja. Hier erwart ich meinen August. Sein letzter +Brief nennt mir den heutgen Morgen. Hier schieden wir in +Gegenwart meiner Mutter vor drei Jahren mit betruebtem Herzen +voneinander. Du weisst, dass mein Vater schon damals gegen unsere +Liebe war, obwohl Augusts Onkel starb und ihm einiges Vermoegen +hinterliess, schlug er ihm doch meine Hand ab, geriet in den +heftigsten Zorn und warf ihm Talentlosigkeit in seiner +Malerkunst vor. August, auf das bitterste gekraenkt, beschloss, +nach Italien zu reisen, um seinen Kummer zu zerstreuen und +sich an den grossen Mustern zu bilden. Hier schwor er mir ewge +Treue, meine gute Mutter versprach uns ihren Beistand, doch +du weisst, wie es um meinen armen Vater steht. Hier haben wir +uns getrennt, hier gelobten wir uns wieder in die Arme zu +stuerzen. Nach seinen Briefen hat er grosse Fortschritte in +seiner Kunst gemacht. + +Lischen. +Was Italien, was Kunst, was helfen mir alle Maler von ganz Italien +und Australien! In diesen Bergen haust der Alpenkoenig. Und wenn +uns der erblickt, so sind wir verloren. + +Malchen. +So sei nur ruhig, es wird ja den Hals nicht kosten. + +Lischen. +Aber die Schoenheit kanns kosten, und der Verlust der Schoenheit +geht uns Maedchen an den Hals. Und wie innig ist die Schoenheit mit +dem Hals verbunden, wer halst uns denn, wenn wir nicht schoen mehr +sind? Wissen Sie denn nicht, dass jedes Maedchen, das den Alpenkoenig +erblickt, in dem Augenblick um vierzig Jahre aelter wird? Ja sehen +Sie mich nur an, keine Minute wird herabgehandelt. Vierzig Jahre, +und unsere jetzigen auch noch dazu, da wird eine schoene Rechnung +herauskommen. Stellen Sie sich die Folgen einer so entsetzlichen +Verwandlung vor. Was wuerde ihr geliebter Maler dazu sagen, wenn +er in Ihnen statt einer bluehenden Fruehlingslandschaft eine +ehrwuerdige Wintergegend aus der niederlaendischen Schule erblickte, +was wuerden alle meine Anbeter dazu sagen, wenn der Anblick dieses +Ungetuems meine Wangen in Falten legte wie eine hundertjaehrige +Pergamentrolle? + +Malchen. +Aber wer hat dir denn solche Maerchen aufgebunden? Beinahe koennt +ich selbst in Angst geraten. Es gibt gar keinen Alpenkoenig. + +Lischen. +Nicht? Nun gut--bald werd ich Sie wie meine Grossmutter verehren. +Folgen Sie mir, oder ich laufe allein davon. (Will fort.) + +Malchen. +So bleib nur, mein August wird bald hier sein, die Sonne steht +schon hoch, du musst mir Toilette machen helfen, der Wind hat +meine Locken ganz zerruettet. Du hast doch den kleinen Spiegel +mitgenommen, wie ich dir befahl? + +Lischen. +Ei freilich, ach, haett ich lieber meine Angst vergessen! + +Malchen. +So. (Setzt sich auf den Baumstamm und oeffnet ihre Locken. Lischen +steht mit dem Spiegel vor ihr.) Halt ihn nur! Weisst du, Lischen, +ich muss mich doch ein wenig zusammenputzen, er koemmt aus Italien, +und die Frauenzimmer sollen dort sehr schoen sein. + +Lischen. +Hahaha, warum nicht gar! Ich kenne in der Welt nur ein schoenes +Frauenzimmer. Sie werden mich verstehen, Fraeulein. + +Malchen (nimmt es auf sich). +Du bist zu galant, Lischen, das verdien ich nicht. + +Lischen (beiseite). +Die glaubt, ich mein sie, wie man nur so eitel sein kann--und ich +meine mich. + +Malchen. +So, Lischen, jetzt sind die Locken alle offen--jetzt halt nur +gut, der Alpenkoenig tut uns nichts. + +Lischen. +Ach ums Himmels willen, nennen Sie doch den abscheulichen +Alpenfuersten nicht--(erschrickt) es rauscht ja etwas im Gebuesche, +Himmel, ich lass den Spiegel fallen. (Ein Auerhahn fliegt aus dem +Gebuesche auf. Sie schreit.) Ach der Alpenkoenig! (Laeuft mit dem +Spiegel fort.) + +Malchen (nachrufend). +Lischen, Lischen, was schreiest du denn, es ist ja nur ein Vogel. +Ach du lieber Himmel, sie hat ja den Spiegel mitgenommen, die +laeuft ganz sicher nach Hause. Lischen, so hoere doch! Entsetzlich, +meine Locken, wenn jetzt August koemmt und mich so erblickt. Das +ueberleb ich nicht. Ach du lieber Himmel, wie haett ich mir das +vorstellen koennen, das ist doch das groesste Unglueck, das einem +Menschen begegnen kann. (Besinnt sich.) Aber pfui, Malchen, was +ist das fuer eine Eitelkeit, August wird dich doch nicht deiner +Locken wegen lieben? (Aergerlich.) Aber die Locken tragen dazu +bei, wenn die Maenner nun einmal so sind, was kann denn ich dafuer? +Und warum heissen sie denn Locken, wenn sie nicht bestimmt waeren, +die Maenner anzulocken? (Sieht in die Szene.) Ach, dort eilt er +schon den Huegel herauf. O welche Freude (huepft), welche Freude! +(Ploetzlich stille.) Wenn nur die fatalen Locken nicht waeren! +Ich will mich hinter den Rosenbusch verstecken, vielleicht bring +ich sie doch ein wenig zurechte. (Verbirgt sich hinter das +Rosengebuesche.) + + + +Fuenfter Auftritt + +August im einfachen Reiseanzug, eine Mappe unter dem Arme. + + +August. +Von dem meerumwogten Strande, +Aus dem wunderholden Lande, +Wo die goldnen Aehrenfelder +Wechseln mit Orangenwaelder, +Wo die stolzen Apenninen +Ueber alte Groesse sinnen, +Wo die Kunst mit Geisteswaffen +Das Vollendetste erschaffen, +Wo die ungeheuren Reste +Der zerfallenen Palaeste +An die Kraft der Zeit uns mahnen +Und wir bebend Hohes ahnen: +Aus dem Tempel der Natur +Kehr ich heim zur stillen Flur. +Denn im biedern Vaterlande +Ketten mich die teuern Bande +Zarter Liebe, fester Treue, +Und der Riesenbilder Reihe, +Die wie Traeume mich umwehen, +Schliesst ein frohes Wiedersehen. + +Seid mir gegruesst, ihr heimatlichen Berge! O Erinnerung, wie nah +trittst du an mich und reichst mir einen schoenen Kranz, geflochten +aus vergangnen Freuden. Und doch muss ich bei all dem Schoenen hier +das Schoenste noch vermissen, bei all dem Lieben fehlt mein +Liebstes mir. Wo bist du, teures Malchen? Warum erwartest du mich +nicht? Sollte sie meinen Brief nicht empfangen haben? Ist sie +krank? Vielleicht kann sie so frueh vom Haus nicht fort. Sie koemmt +gewiss. Ich will indes die Gegend zeichnen hier, die sie so liebt, +und zum Geschenk ihrs bieten, wenn sie naht. (Er setzt sich auf +den Baumstamm und zeichnet.) Wie herrlich dort die Alpe glaenzt +im Sonnenstrahl, die heitre Luft, und hier--der dunkle Fels, der +ueppge Rosenstrauch--nur eins gefaellt mir nicht, die bleichen +Rosen machen sich nicht gut, ich wuesste schoenere, die auf ihren +Wangen bluehn. Waer nur Malchen hier, sie sagte mir gewiss, was ich +fuer Farben waehlen soll. + +Malchen (oeffnet mit beiden Haenden den Rosenstrauch und blickt +liebevoll hervor, so dass sie mit halbem Leibe sichtbar ist und +sagt zaertlich). +Lass sie blau sein wie Bestaendigkeit. + +August (hoechst entzueckt). +Amalie! + +(Sie stuerzen sich in die Arme.) + +Malchen. +August, lieber August! + +Astragalus (erscheint auf dem Fels im Vordergrunde und ruft). +Heisa he! da gehts ja lustig zu im Alpentale. (Er stuetzt sich auf +sein Gewehr und behorcht das folgende Gespraech.) + +August. +Liebes, schoenes, gutes Malchen--(ploetzlich scherzhaft) boeses +Malchen, warum hast du mich auch nur einen Augenblick geneckt? + +Malchen. +Sei nicht boese, lieber August! + +August. +Dafuer raech ich mich durch diesen Kuss. (Kuesst sie.) + +Malchen. +O du rachsuechtiger Mensch! + +August (sanft). +Bist du ungehalten darueber? + +Malchen (unschuldig). +Gott bewahre, raeche dich nur. Boese Leute sagen, die Rache sei +suess, und auf diese Weise moecht ich es beinahe glauben. + +August. +Gutes Malchen! Wie gluecklich fuehl ich mich, dich wieder zu sehen, +nichts soll uns trennen als der Tod + +Malchen. +Und mein Vater, August, der ist noch weit ueber den Tod. Wenn der +gute Vater nur nicht gar so boese auf mich waere! + +August. +Sorge nicht, Malchen, wenn er die Fortschritte meiner Kunst +erfahren wird, wenn er sich von der Bestaendigkeit meiner Liebe +ueberzeugt, so kann uns seine Einwilligung nicht entgehen. Ich +will noch heute zu ihm. + +Malchen. +Ach, das ist vergebens. Mein Vater spricht niemand ausser seiner +Familie, nur selten die Dienerschaft. Er ist zum Menschenfeind +geworden. + +August. +Unmoeglich, und du ruehmtest mir sein Herz, seine Rechtlichkeit. + +Malchen. +Er besitzt beides. Doch du weisst, dass mein Vater, als er in der +Stadt noch den ausgebreiteten Buchhandel hatte, um grosse Summen +betrogen wurde, die er aus Gutmuetigkeit an falsche Freunde verlieh. +Undank und Niedertraechtigkeit brachten ihn zu dem Entschluss, +seinen Buchhandel aufzugeben, die Stadt zu fliehen und sich auf +seinem gegenwaertigen Landsitz vor der Zudringlichkeit aehnlicher +Menschen zu verbergen. Hier liest er nun unaufhoerlich +philosophische Buecher, die ihm den Kopf verruecken. Sein Misstrauen +hat keine Grenzen. Er hat die unglueckliche Weise, gegen jeden +Menschen so aufzufahren, dass er die gleichgueltigsten Dinge mit +einer Art von Wut verlangt. Niemand, selbst die Mutter, kann um +ihn weilen. Alles flieht und fuerchtet ihn, und darum hat er jeden +im Verdacht der Untreue und goennt doch keinem eine Verteidigung. +Sein Menschenhass steigt mit jedem Tage, und wir fuerchten fuer sein +Leben. Wie gerne wuerden wir alles dafuer tun, ihn von unserer +Liebe zu ueberzeugen; doch, wer lehrt ihn den Fehler seiner +unbilligen Heftigkeit einsehen und ablegen, womit er sich alles +zum Feinde macht und sich der Mittel beraubt, die Menschen aus +einem bessern Gesichtspunkte zu betrachten. Deinen Namen duerfen +wir gar nicht aussprechen, er weiss, dass meine Mutter unsre Liebe +billiget, und hasst sie darum bis in den Tod. + +August. +O grausames Schicksal, warum vernichtest du all meine gluecklichen +Traeume wieder? Also kann ich dich nie besitzen, Malchen? + +Malchen. +Wenn ich nur ein Mittel wuesste, dich zu erringen! Waer ich frei wie +jener Vogel, der sich so froehlich in der blauen Luft dort wiegt, +ich zoege mit dir durch die ganze Welt. Glueckliches beneidenswertes +Tier! Wer darf dir deine Freiheit rauben? +(Astragalus schiesst den Vogel aus der Luft. Man sieht ihn aber +nicht fallen. Malchen erschrickt.) +Ha! + +Astragalus (immer im rauhen Tone). +Des Schuetzen Blei, weil du die Frage stellst. + +Malchen (blickt hinauf). O August, sieh! + +August. +Wer bist du, grauer Wundermann? + +Astragalus. +Den Alpenkoenig nennt man mich. + +Malchen. +Der Alpenkoenig! wehe mir! (Sinkt ohnmaechtig in Augusts Arme.) + +August. +Was ist dir, Malchen? Huelfe, Huelfe, steht ihr bei! + +Astragalus (lachend). +Da muessen Steine sich erbarmen selbst. Hab Mitleid, Fels, und +oeffne schnell dein Herz! (Er stosst mit dem Kolben des Gewehrs +an den Fels. Der Fels oeffnet sich, man sieht einen kleinen +Wasserfall, der ueber Rosen sprudelt, an dem zwei Genien lauschen, +sie fangen mit goldnen Muscheln Wasser aus der Quelle und +besprengen Malchen damit.) +Erwache, Toerin, die sich Fluegel wuenscht und so die Erde hoehnt! + +August. +Sie schlaegt das Auge auf. Wie ist dir, Malchen? + +Malchen. +Ach, wie kann mir sein! Ich habe den Alpenkoenig erblickt. Jetzt +bin ich gewiss um vierzig Jahre aelter geworden. Erkennst du mich +noch, August? + +August. +Bist du von Sinnen? Was hast du denn? + +Malchen. +Ach, Falten habe ich, lieber August, viele tausend Falten. Ich +muss entsetzlich aussehen. Sieh mich nur nicht an! + +August. +Was faellt dir ein! Du bist so schoen, als du es immer warst. + +Malchen. +Schoen waer ich? Gewiss? Und haette keine Falte, keine einzige? + +August. +Gewiss nicht. + +Malchen. +Ach du lieber Himmel, wie danke ich dir! Nein, eine solche Angst +hab ich in meinem Leben noch nicht ausgestanden! + +August. +Was war dir denn? + +Malchen. +Nun, Lischen sagte mir, ein Maedchen, das den Alpenkoenig sieht, +wuerd um vierzig Jahre aelter. + +Astragalus (tritt vor). +So sagte sie? + +Malchen. +Ach! da ist er schon wieder! (Verhuellt das Gesicht.) + +Astragalus. +Seid ohne Furcht und horcht, was Alpenkoenig spricht. +Schon zweimal sah ich eurer Herzen Brand +Wie Morgenrot auf Lilienschnee ergluehen +Und Traenen, edler Sehnsucht nur verwandt, +Leidkuendend ueber eure Wangen ziehen. +Und weil mich dies so inniglich erfreut, +Dass ihr so seltsam treu noch denket, +Hab ich euch meine Fuerstengunst geweiht +Und eure Lieb mit meinem Schutz beschenket. +(Zu Malchen.) +Ich weiss um deines Vaters Menschenhass, +Hab ihn belauscht, wenn er den Wald durchrannte +Mit Ebersgrimm, auf Bergesgipfel sass +Und seinen Fluch nach allen Winden sandte. +Doch lasst darum den treuen Mut nicht sinken. +Erkennen wird mit seinem Wahnsinn rechten. +Die Sterne werden bald zur Brautnacht winken, +(zu Malchen) +Und Alpenkoenig wird den Kranz dir flechten. (Ab.) + + + +Sechster Auftritt + +August. Malchen. + + +Malchen. +Hast dus gehoert, August, ists ein Traum, wir sollen gluecklich +werden? + +August. +Wir wollen seinem Worte glauben. Und obwohl ich seine Existenz +fuer ein Maerchen hielt, muss ich sie fuer wahr erkennen, wenn ich +nicht ungerecht gegen meine Sinne handeln will. + +Malchen. +Komm, wir wollen meiner Mutter alles erzaehlen, ich werde schon +sehen, dass du mit ihr sprechen kannst. Lass uns vertrauen auf den +Alpenkoenig. Er scheint nicht boes zu sein, ich hab ihm auch dreist +ins Auge geblickt, und es hat mir nichts geschadet, nicht wahr, +lieber August? Ich bin um gar nichts aelter geworden? + +August. +Nein, liebes Malchen. Seit ich dich wiedersehe, kaum um eine +Stunde. + +Malchen. +Um eine Stunde nur? (Ihm sanft ins Auge blickend.) Nun, eine +Stunde kann ich schon verschmerzen und es war eine glueckliche, +denn ich habe sie mit dir verlebt. + +August. +O gutes Malchen, wie beglueckst du mich! + +(Beide Arm in Arm ab.) + + + +Siebenter Auftritt + +Verwandlung +Zimmer auf Rappelkopfs Landgut. + +Sophie. Sabine. Der Kutscher. Die saemtliche Dienerschaft. + + +Chor. +Euer Gnaden sind so guetig, +Doch wir haltens nimmer aus. +Unser Herr ist gar zu wuetig, +Und das treibt uns aus dem Haus. +Niemand kann bei ihm bestehn, +Und wir wollen alle gehn. + +Sopie. +Seid nur ruhig, liebe Leute, verseht euren Dienst, nur kurze Zeit +noch, es wird sich vielleicht bald alles aendern. Geht an eure +Pflicht! Wenn mein Mann herueberkaeme, ich bin in Todesangst. + +Kutscher. +Ei, was nutzt denn das, Euer Gnaden, er solls wissen, wir koennens +nicht mehr laenger aushalten mit ihm, wir tun unser Schuldigkeit, +und er kann uns nicht leiden. + +Sopie. +Es wird sich alles aendern, ich habe an meinen Bruder nach Venedig +geschrieben, ihm meines Mannes Seelenkrankheit und ihre ueblen +Folgen vorgestellt, er wird vielleicht noch heute ankommen, um +alles zu versuchen, seinen Menschenhass zu heilen--oder mich +von meinem armen Mann zu trennen. + +Kutscher. +Na, das ist die hoechste Zeit, Euer Gnaden schauen sich ja gar +nimmer gleich. Drei Weiber hat er schon umbrachte er ist ja ein +voelliger blauer Bart. + + + +Achter Auftritt + +Vorige. Habakuk. + + +Sopie. +Diese gemeinen Aeusserungen hoeren zu muessen! Habakuk, ist mein Mann +auf seinem Zimmer? Ist Malchen schon zu Hause? + +Habakuk. +Der gnaedige Herr ist schon wieder im Gartenzimmer, er hat sich +selbst seinen Schreibtisch und seinen Stuhl hinuebergetragen und +geht mit sieben Ellen langen Schritten auf und ab. Ich versichere +Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein solcher Herr +ist mir nicht vorgekommen. + +Sabine (im schwaebischen Dialekt). +Nu da habe wirs, jetzt trau ich mich nicht in den Garte hinaus, +er hat den Schluessel von der Hofgartetuer abgezogen.--Ich kann +nicht koche-- + +Sopie. +Nun so geh Sie durch das Gartenzimmer. + +Sabine. +Ja wer traut sich denn hinein? Wenn der Herr drinne ist? Da geh +ich ja eher zu einem Leopard in die Falle. Er jagt ja alles +hinaus. Wenn er in die Kuchel kommt, so waers notwendig, ich +schliefet unter den Herd. + +Habakuk. +Nun ja, und da sind so schon so viel Schwaben unten. + +Kutscher. +Mich kann er gar nicht leiden, ich muss mich immer unters Heu +verstecken. + +Habakuk. +Mich hasst er doch nur bis daher (zeigt den halben Leib). Er sagt, +ich waer nur ein halbeter Mensch. + +Sopie. +Aber er beschenkt euch ja so oft. + +Sabine. +Ja aber wie? Er tut einem dabei alle Grobheiten an und wirft +einem das Geld vor die Fuess. + +Habakuk. +Oh, da ist er noch in seinem besten Humor, aber neulich nimmt er +sein goldene Uhr, ich glaub, er macht mir ein Praesent, derweil +wirft er mir s' an den Kopf. (Hochdeutsch.) Ja, das sind halt +Beruehrungen, in die man nicht gern mit seiner Herrschaft kommt, +ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich nicht erlebt. Zu was +brauch ich zwei Uhren, ich hab meine Uhr im Kopf, aber am Kopf +brauch ich keine. + +Sabine. +Kurz, in dem Haus ist nichts zu mache, wenn man nicht einmal in +den Garten kann-- + +Habakuk. +Wie soll man denn da auf ein gruenes Zweig kommen! + +Alle. +Kurzum, wir wollen alle fort. + +Sopie. +Also wollt ihr eure Frau, die euch immer so menschenfreundlich +gewogen war, so ploetzlich verlassen, da ihr doch seht, dass sowohl +ich als meine Tochter eine gleiche Behandlung zu erdulden haben? +Ich kann euch nicht fortlassen, weil zwischen heut und morgen +mein Bruder ankoemmt, der vieles ueber meinen Mann vermag. So +lange muesst ihr die Launen eures Herrn noch ertragen. + +Alle. +Es geht nicht, Euer Gnaden, es ist nicht zum existieren. + +Sopie. +Nun, so nehmt dieses kleine Geschenk (sie gibt jedem einige +Silberstuecke) und staerkt eure Geduld damit, vielleicht geht es +doch. + +Alle. +Ach! Wir kuessen die Hand, Euer Gnaden. + +Kutscher. +Wir werden halt sehen, ob wir auskommen koennen mit ihm. + +Habakuk. +Solang wir mit dem Geld auskommen, kommen wir schon mit ihm auch +aus. + +Sabine. +Und wisse Euer Gnade, er waer nicht gar so uebel, der gnaedge Herr-- + +Kutscher. +Ach gar nicht--wenn er nur anders waer. + +Habakuk. +Freilich, das ist der einzige Umstand. + +Sopie. +Doch jetzt geht beruhigt an eure Geschaefte. + +Alle. +Gleich, gnaedige Frau. (Ab.) + +Kutscher. +Euer Gnaden sind halt eine gscheide Frau. Ich sag immer, Euer +Gnaden sind einmal ein Kutscher gwesen, weil Euer Gnaden so gut +wissen, dass man einen Wagen schmieren muss, wann er fahren soll. +(Lacht dumm und geht ab.) + +Sabine (kuesst ihr die Hand). +Das ist wahr, Euer Gnaden sind eine Frau, die man in der ganzen +Welt suche darf. (Ab.) + +Habakuk. +Ich versichere Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein +Herz, wie Euer Gnaden zu haben belieben, das ist wirklich, wie +man auf franzoesisch sagt, nouveau! + + + +Neunter Auftritt + +Lischen. Vorige. + + +Sopie. +Nun endlich seid ihr zurueck. Wo ist Malchen? Ist August +angekommen? Haben sie sich getroffen? + +Lischen. +Von allen dem weiss ich keine Silbe, gnaedige Frau, ich weiss gar +nichts, als dass der Maedchen verfolgende Alpenkoenig eine Jagd +gegeben hat, dass mich an dem Ort des Rendezvous eine Angst +befallen hat und dass ich ueber Hals und Kopf zurueckgelaufen bin. + +Sopie. +Und Malchen? + +Lischen. +Wollte ihren Liebhaber erwarten und war nicht zu bewegen, mit +zurueckzugehen. + +Sopie. +Aber wie kann Sie sich unterstehen, meine Tochter allein zu +lassen? Sie leichtsinnige Person, der ich mein Kind anvertraut +habe! Ich muss nur gleich Leute hinaussenden. Wenn ihr ein Unglueck +widerfuehre! O Himmel, was bin ich fuer ein gequaeltes Geschoepf! + +Lischen. +Aber gnaedge Frau-- + +Sopie. +Geh Sie mir aus den Augen. (Eilig ab.) + + + +Zehnter Auftritt + +Lischen. Habakuk. + + +Lischen (aeusserst zornig). +Nein, das ist nicht zum Aushalten, das Haus ist ja eine wahre +Folterbank. Wie man nur die Dienstleute so herabsetzen kann? + +Habakuk. +Es ist aber auch ein Volk. Ich bin ein Bedienter, aber wenn ich +mein eigner Herr waer, ich jaget mich selber fort. + +Lischen. +Mich eine Person zu heissen! + +Habakuk. +Solche Personalitaeten! + +Lischen. +Halt Er Sein Maul! Wenn ich nur diesen langweiligen Menschen +nicht mehr vor mir sehen duerfte! + +Habakuk. +Ich bin kein Menschenfeind, aber ich habe einen Stubenmaedelhass. +Was mir diese Person zuwider ist, bloss weil sies nicht glauben +will, dass ich in Paris gewesen bin. (Boshaft.) Gschieht Ihr schon +recht, Mamsell Liserl! + +Lischen. +O Er erbaermlicher Wicht! Er verdient gar nicht, dass sich ein +Stubenmaedchen von meiner Qualitaet mit Ihm unter einem Dache +befindet. + +Habakuk. +Oh, prahlen Sie nicht so mit Ihrer Stubenmaedelschaft, Sie haben +auch die Stubenmaedlerei nicht erfunden. Ich versichere Sie, ich +war zwei Jahr in Paris, da gibt es Stubenmaedel--wenn man die ins +Deutsche uebersetzen koennt, das gaebet eine Stubenmaedliade, wo sich +die ganze hiesige Kammerjungferschaft verstecken muesst. Und Sie +schon gar, meine liebe Exkammerjungfer. + +Lischen. +Er zwei Jahre in Paris gewesener Einfaltspinsel, Er kommt mir +gerade recht, wenn Er sich noch einmal untersteht, seine +unverschaemte Zunge zu meinem Nachteil zu bewegen, so werd ich +Seinen Backen einen Krieg erklaeren und Ihm den auffallendsten +Beweis liefern, auf was fuer eine kraeftige Art ein deutsches +Kammermaedchen die Ehre ihres Standes zu raechen weiss. (Gibt ihm +eine Ohrfeige und geht schnell ab.) + +Habakuk (haelt sich die Wange). +Nein, was man in dem Haus alles erlebt--ich war zwei Jahre in +Paris, aber so etwas ist mir nicht vors Gesicht gekommen. (Geht +ab, indem er sich den Backen haelt.) + + + +Elfter Auftritt + +Verwandlung +Kuerzeres Zimmer. Rechts die Eingangstuer, links fuehrt eine Glastuer +nach dem Garten. Auf dieser Seite befindet sich ein massiver +altmodischer Tisch und ein Stuhl. Rechts an der Wand neben der +Tuer ein hoher Spiegel. Neben der Gartentuer ein Sekretaer. + +Rappelkopf koemmt in heftiger Bewegung zur Glastuer herein. Sein +ganzes Wesen ist sehr auffahrend. Er sieht die Menschen nur auf +Augenblicke oder mit Seitenblicken an und wendet sich schnell, +entweder erzuernt oder veraechtlich, von ihnen ab. + + +Rappelkopf. +Ha! Ja! + +Lied +Ja, das kann nicht mehr so bleiben, +'s ist entsetzlich, was sie treiben. +Ins Gesicht werd ich belogen, +Hinterm Ruecken frech betrogen, +'s Geld muss ich am End vergraben, +Denn sie stehln als wie die Raben. +Ich hab keinen Kreuzer Schulden, +Bare hunderttausend Gulden, +Und doch wirds mir noch zu wenig, +Es taet not, ich wurd ein Koenig. +Meine Felder sind zerhagelt, +Meine Schimmel sind vernagelt, +Meine Tochter, wie betruebt, +Ist das ganze Jahr verliebt. +Alle Tag ist das ein Gwinsel +Um den Maler, um den Pinsel, +Der kaum hat ein Renommee, +Und vom Geld ist kein Idee. +Und mein Weib, bei allen Blitzen, +Will die Frechheit unterstuetzen, +Sagt, er waer ein Mann zum Kuessen, +Wie die Weiber das gleich wissen! +Und das soll mich nicht verdruessen? +Ja, da moecht man sich erschiessen. +Und statt dass man mich bedauert, +Wird auf meinen Tod gelauert, +Und so sind sie alle, alle, +Ich zerberste noch vor Galle. +Drum hab ich beschlossen und werd es vollstrecken, +Ich lass von den Menschen nicht laenger mich necken. +Ich lasse mich scheiden, ich dringe darauf. +Der ganzen Welt kuend auf Michaeli ich auf. +Die Liebe, die Sehnsucht, die Freundschaft, die Treue, +Mir falln s' nur nicht alle gschwind ein nach der Reihe, +Die lockenden, falschen, gewandten Mamsellen, +Die mich fast ein halbes Jahrhundert schon prellen, +Die lad ich noch einmal zum Fruehstueck ins Haus +Und peitsch sie, wie Timon, zum Tempel hinaus. + +Es ist aus! Die Welt ist nichts als eine giftge Belladonna, ich +habe sie gekostet und bin toll davon geworden. Ich brauch nichts +von den Leuten, und sie kriegen auch nichts von mir, nichts Gutes, +nichts Uebles, nichts Suesses und nichts Saures. Nicht einmal meinen +sauren Wein will ich ihnen mehr verkaufen. Ich habe Aufrichtigkeit +angebaut, und es ist Falschheit herausgewachsen. Es ist +schaendlich, ich bin auf dem Punkte durch meinen eignen Schwager +zum Bettler zu werden. Er hat mich ueberredet, mein Vermoegen +einem Handlungshause in Venedig anzuvertrauen, das jetzt dem +Sturze nah sein muss. Ich erhalte keine Interessen, keinen Brief +von meinem heuchlerischen Schwager, den ich verkannt und der +vielleicht im Bunde steht mit dem betruegerischen Volk. Und so +taeuscht mich alles! alles! Darum will ich keinen Kameraden mehr +haben als die zanksuechtige Erfahrung. + +Das ist der vorsichtge, weltghetzte Hase +Mit der vom Unglueck zerstossenen Nase, +Mit dem millionmal verwundeten Schaedel, +Das ist mein Mann, den behandle ich edel. + +Ich hab zu viel ausgestanden in der Welt. Mich hat die +Freundschaft getaeuscht, die Liebe betrogen und die Ehe gefoltert. +Ich kanns beweisen, ich hab vier Attestaten, denn ich hab das +vierte Weib. Und was fuer Weiber! Eine jede hat eine andere +Untugend ghabt. Die erste war herrschsuechtig. Die hat wollen +eine Koenigin spielen. Bis ich als Treffkoenig aufgetreten bin. +Die zweite war eifersuechtig bis zum Wahnsinn. Wie sich nur eine +Fliegen auf meinem Gsicht hat blicken lassen, pums, hat sie s' +erschlagen. Das waren zwei Ehen--da kann man sagen, Schlag auf +Schlag. Die dritte war mondsuechtig. Wenn ich in der Nacht hab +etwas auf sie sprechen wollen, ist sie auf dem Dach oben gsessen. +Jetzt frag ich einen Menschen, ob das zum Aushalten war? Aber +sie haben doch behauptet, sie koennten mit mir nicht leben, und +sind aus lauter Bosheit gestorben. Bin aber nicht gscheid +geworden, hat mich die Hoellenlust angewandelt, eine vierte zu +nehmen. Eine vierte, die viermal so falsch ist als die andern +drei. Die mein Kind in ihrem Ungehorsam unterstuetzt. Den Maler +protegiert, den Maler, der vor Hunger alle Farben spielt. Nichts +als immer wispert mit der Dienstbotenbrut, Komplotte macht gegen +ihren Herrn und Meister. (Sieht zur halboffnen Eingangstuer +hinaus.) Aha! Da schleicht das Stubenmaedel herum. Die hat schon +wieder eine Betruegerei im Kopf. Die waer nicht so uebel, das +Stubenmaedel, das ist noch die sauberste--aber ich hab einen +Hass auf sie, einen unendlichen--ich werd sie aber doch +hereinrufen, bloss um sie auf eine feine Art auszuforschen. He! +Lischen! (Schreit.) Herein mit ihr! + + + +Zwoelfter Auftritt + +Voriger. Lischen tritt furchtsam ein. + + +Lischen. +Was befehlen Euer Gnaden? + +Rappelkopf (immer barsch). +Ich hab etwas zu reden mit ihr. + +Lischen (erschrickt). +Mit mir? (Beiseite.) Nun das wird eine schoene Konversation werden. +Was er schon fuer Augen macht! + +Rappelkopf (beiseite). +Ich werd alle moeglichen Feinheiten gebrauchen. (Roh.) Da geh +Sie her! (Lischen naehert sich verzagt. Rappelkopf betrachtet +sie veraechtlich vom Kopf bis zu den Fuessen.) Infame Person! + +Lischen. +Aber Euer Gnaden-- + +Rappelkopf. +Was Gnaden--nichts Gnaden--schweig Sie still und antwort Sie. + +Lischen. +Das kann ich ja nicht zugleich. + +Rappelkopf. +Sie kann alles. Es gibt keinen Betrug, der Ihr nicht moeglich waere. +Sie ist eine Mosaik aus allen Falschheiten zusammengesetzt. +(Beiseite.) Ich muss mich zurueckhalten, damit ich nur nicht +unhoeflich mit ihr bin. + +Lischen (empoert). +Aber wer wird sich denn solche Impertinenzen sagen lassen? + +Rappelkopf (heftig). +Sie, Sie wird 's sich sagen lassen. Und wird keinen Laut von +sich geben. Was hat Sie fuer eine Betruegerei vorgehabt? Sie will +mich bestehlen? + +Lischen. +Nein! + +Rappelkopf. +Was denn? + +Lischen. +Ich will mich empfehlen. (Will fort.) + +Rappelkopf (nimmt ein ungeladenes Jagdgewehr). +Nicht von der Stelle, oder ich schiess Sie nieder! + +Lischen (schreit). +Huelfe, Huelfe! + +Rappelkopf. +Nicht mucksen! Antwort! Warum hat Sie so verdaechtig herumgesehen? +Was ist im Werk? + +Lischen. +Himmel, wenn es losgeht! + +Rappelkopf. +Nutzt nichts! losgehn muss etwas, entweder Ihr Maul oder die +Flinten. + +Lischen. +Ach, was soll ich denn mein Leben riskieren! (Kniet nieder.) +Lieber gnaediger Herr, ich will alles bekennen. + +Rappelkopf. +Endlich kommts an den Tag. Himmel, tu dich auf! + +Lischen. +Ich habe gelauscht, ob das Fraeulein nicht aus dem Alpental +zurueckkoemmt, die gnaedge Frau hat mich ausgezankt, weil ich +nicht bei ihr geblieben bin, da sie ihren Liebhaber erwartet, +der heute ankommt. Die gnaedige Frau ist mit ihr einverstanden, +doch weil sie mich so misshandelt hat, so verrate ich sie. + +Rappelkopf. +Entsetzlicher Betrug! O falsche Niobe! Und Sie niedrigdenkende +Person, Sie wagt es, Ihre Frau zu verraten--der Sie so viel +Dank schuldig ist? O Menschen, Menschen! Ausgeartetes Geschlecht! +Aus meinen Augen geh Sie mir, Sie undankbare Kreatur, ich will +nie mehr etwas von Ihr wissen. + +Lischen. +Aber was haett ich denn tun sollen? + +Rappelkopf. +Schweigen haett Sie sollen. + +Lischen. +Aber Euer Gnaden haetten mich ja erschossen. + +Rappelkopf. +Ist nicht wahr, es ist nicht geladen. Betrug fuer Betrug. + +Lischen. +So, also haett ich diese Angst umsonst ausgestanden? Das ist +abscheulich. + +Rappelkopf. +Nein, nicht umsonst. Du Krokodil von einem Stubenmaedel--du +sollst eine Menge dafuer haben: meine Verachtung, meinen Hass, +meinen Schimpf, meine Verfolgung und deinen Lohn. (Wirft ihr +einen Beutel vor die Fuesse.) Nimms und geh aus meinem Haus. Mach +dich zahlhaft, oder ich zahl dich auf eine andre Art aus. So +nimms, warum nimmst du es denn nicht? + +Lischen. +Oh, ich werds schon nehmen. (Denkt nach.) Gnaedger Herr! + +Rappelkopf. +Was denkst denn nach, du Viper? Nimms und ruf mir deine Frau. + +Lischen (schnell auf die Gartentuer deutend). +Dort ist sie ja! + +Rappelkopf (schiesst schnell gegen die Gartentuer). +Wo ist sie? Wo? Her mit ihr. + +Lischen (hebt schnell den Beutel auf). +Das ist ein alter Narr! (Laeuft schnell ab.) + +Rappelkopf (sieht ihr nach). +Hat ihn schon! O ihr Welten, stuerzt zusammen, dieses weibliche +Insekt wagt es, mich zum besten zu halten! O Rappelkopf! Wie +falsch diese Menschen mit mir sind, und ich bin so gut mit ihnen! +Ha! Dort kommt mein Weib, entsetzlicher Anblick--meine Haar +straeuben sich empor, ich muss aussehen wie ein Stachelschwein. + + + +Dreizehnter Auftritt + +Voriger. Sophie. + + +Sopie (gelassen). +Was willst du denn, lieber Mann? + +Rappelkopf. +Dich will ich, aus der gesamten Menschheit dich! und von dir +mein Fleisch und Blut, mein Kind! Wo ist sie? + +Sopie (verlegen). +Sie ist nicht zu Hause-- + +Rappelkopf (sehr heftig). +Nun also, wo ist sie--? Wo?-- + +Sopie. +So sei nur nicht so heftig. + +Rappelkopf. +Jetzt bin ich heftig, und ich bin ganz erstaunt ueber meine +Gelassenheit. Im Wald ist sie draussen. Also auch mein Kind ist +verloren fuer mich? + +Sopie. +Nu, nu, in dem Wald ist ja kein Baer. + +Rappelkopf. +Aber ein junger Herr--Also die Gschicht ist noch nicht aus, +mit diesem Maler? + +Sopie. +Und darf nicht aus sein, denn das Glueck und die Ruhe deiner +Tochter stehen auf dem Spiele. Sie wird ihn ewig lieben. + +Rappelkopf. +Und ich werd ihn ewig hassen. + +Sopie. +Was hast du als Mensch an ihm auszusetzen? + +Rappelkopf. +Nichts, als dass er einer ist. + +Sopie. +Was hast du gegen seine Kunst einzuwenden? + +Rappelkopf. +Alles! Ich hasse die Malerei, sie ist eine Verleumderin der +Natur, weil sie s' verkleinert. Die Natur ist unerreichbar. +Sie ist ein ewig bluehender Juengling, doch Gemaelde sind +geschminkte Leichen. + +Sopie. +Ich kann deine Ansichten nicht billigen und darf es nicht. +Meine Pflicht verbietet es. + +Rappelkopf. +Weil du dir die Pflicht aufgelegt hast, mich zu hassen, zu +betruegen, zu beluegen et cetera. (Wendet sich von ihr ab.) + +Sopie. +So lass dir doch nur sagen-- + +Rappelkopf. +Ist nicht wahr. + +Sopie. +Ich habe ja nichts gesagt noch-- + +Rappelkopf. +Du darfst nur das Maul aufmachen, so ist es schon erlogen. + +Sopie. +So blick mich doch nur an-- + +Rappelkopf. +Nein, ich hab meinen Augen jedes Rendezvous mit den deinigen +untersagt. Lieber Kronaeugeln als Liebaeugeln. Aus meinem Zimmer! +(Setzt sich und dreht ihr den Ruecken zu.) + +Sopie (empoert). +Du wendest mir den Ruecken zu? + +Rappelkopf. +In jeder Hinsicht. Weil du alles hinter meinem Ruecken tust, +so red auch mit mir hinter meinem Ruecken. Ich bin kein +Janushaupt, ich hab nur ein Antlitz, und da ist nicht viel +daran, aber wenn ich hundert haett, so wuerd ich sie alle von +euch abwenden. Darum befrei mich von deiner Gegenwart! Hinaus, +Ungeheuer! + +Sopie. +Mann, ich warne dich zum letzten Male. Diese Behandlung hab +ich weder verdient, noch darf ich sie laenger erdulden, wenn +ich nicht die Achtung vor mir selbst verlieren soll. Niemand +ist deines Hasses wuerdiger als dein Betragen. Es ist ein Feind, +der sich in seinem eignen Haus bekriegt. Und es ist wirklich +hohe Zeit, dass ich mich entferne, damit ich mich nicht durch +den Wunsch versuendige, der Himmel moechte dich von einer Welt +befreien, die deinem liebeleeren Herzen zur Last geworden ist +und in der du keine Freude mehr kennst als die Qual deiner +Angehoerigen. (Geht erzuernt ab.) + +Rappelkopf (allein). +Das ist eine schreckliche Person. Alles ist gegen mich, und +ich tu niemand etwas. Wenn ich auch manchmal in die Hitz komm, +es ist eine seltene Sach, wenn ich ausgeredt hab, ich weiss kein +Wort mehr, was ich gsagt hab. Aber die Menschen sind boshaft, +sie koennten mich vergiften. Und dieses Weib, gegen die ich +eine so auspeitschenswerte Liebe ghabt hab, ist imstande, mich +so zu hintergehen. Und doch fordert sie Vertrauen. Woher nehmen? +Wenn ich nur einen wuesst, der mir eines leihte! Ich wollte ihm +dafuer den ganzen Reichtum meiner Erfahrung einsetzen. (Stellt +sich an die Gartentuer.) Dieser Garten ist noch meine einzige +Freud. Die Natur ist doch etwas Herrliches. Es ist alles so gut +eingerichtet. Aber wie diese Raupen dort wieder den Baum +abfressen. Dieses kriechende Schmarotzergesindel. (Sich hoehnisch +freuend.) Fressts nur zu. Nur zu. Bis nichts mehr da ist, nachher +wieder weiter um ein Haus. O bravissimo! (Bleibt in den Anblick +versunken mit verschlungenen Armen stehen.) + + + +Vierzehnter Auftritt + +Voriger. Habakuk tritt zur Eingangtuer herein, ein Kuchelmesser +in der Hand. + + +Habakuk. +Jetzt wollen wirs probieren. (Sieht Rappelkopf, erschrickt.) +Sapperment, da steht er just vor der Gartentuer! Wie komm ich +denn jetzt hinaus? Ich trau mich nicht vorbei. Er fahret auf +mich los als wie ein Kettenhund. Ach, was kann denn mir +geschehen! Ich war zwei Jahr in Paris. Euer Gnaden erlauben, +dass ich (Rappelkopf kehrt sich schnell um und erschrickt. Habakuk +erschrickt ebenfalls.) + +Rappelkopf. +Was ists--? Was will Er? + +Habakuk (fuer sich). +Bellt mich schon an. (Versteckt das Messer unwillkuerlich.) + +Rappelkopf (packt ihn an der Brust). +Was willst du da herin, warum erschrickst? + +Habakuk (fuer sich). +Hat mich schon. (Laut.) Euer Gnaden verzeihen, ich hab-- + +Rappelkopf. +Was hast? Ein schlechtes Gewissen hast. Was versteckst denn da? +Ans Licht damit! + +Habakuk (zeigt es vor). +Ich versteck gar nichts, Euer Gnaden. Es ist ein Kuchelmesser-- + +Rappelkopf (prallt entsetzt zurueck). +Himmel und Hoelle! Der Kerl hat mich umbringen wollen. + +Habakuk. +Warum nicht gar-- + +Rappelkopf. +Den Augenblick gesteh! (Packt ihn und entreisst ihm das Messer.) +Ist dieses Messer fuer mich geschliffen? + +Habakuk. +Ah, das waer ja rasend, wenn Euer Gnaden so was glauben koennten-- +Ich hab ja Euer Gnaden nur fragen wollen-- + +Rappelkopf. +Ob du mich umbringen darfst? + +Habakuk. +Warum nicht gar, da wuerd man ja Euer Gnaden lang fragen-- + +Rappelkopf. +O du schaendlicher Verraeter! + +Habakuk. +So lassen sich Euer Gnaden nur berichten-- + +Rappelkopf. +Keine Entschuldigung, hinaus mit dir! + +Habakuk (beiseite). +Er lasst einem nicht zu Wort kommen. (Laut.) Euer Gnaden muessen +mich hoeren. (Will auf ihn zu.) + +Rappelkopf (haelt einen Stuhl vor). +Untersteh dich und komm mir auf den Leib. Ich glaub, er hat +noch ein paar Messer bei sich. Der Kerl ist ein voelliger +Messerschmied. + +Habakuk. +So untersuchen mich Euer Gnaden ins Teufels Namen-- + +Rappelkopf (packt ihn wieder). +Das will ich auch. Gesteh, Bandit von Treviso, wer hat dich +gedungen? + +Habakuk. +Ich versteh Euer Gnaden gar nicht. + +Rappelkopf. +Ich will wissen, wer diese Schreckenstat veranlasst hat. + +Habakuk. +Mein Himmel, die gnaedige Frau hat gschafft-- + +Rappelkopf. +Genug, ich brauch nicht mehr zu wissen. Entsetzlich! +(Habakuk will reden. Rappelkopf schreit.) +Nichts mehr! Mein Weib will mich ermorden lassen! (Sinkt in +einen Stuhl und verhuellt sein Gesicht.) + +Habakuk (fuer sich). +Ah, das ist schrecklich! ich haett sollen einen Zichori +ausstechen (ringt die Haende), und er glaubt, ich will ihn +umbringen. Ah, das ist schrecklich, das ist schrecklich! + +Rappelkopf. +Ja, es ist schrecklich--es ist entsetzlich, es ist das +Unmenschlichste, was die Weltgeschichte aufzuweisen hat. +(Nimmt den Stuhl.) Hinaus, du Moerder! du Abaellino! du Ungeheuer +in der Livree! + +Habakuk. +Aber Euer Gnaden-- + +Rappelkopf. +Hinaus mit dir-- + +Habakuk. +Nein, ich war-- + +Rappelkopf (wuetend). +Hinaus, sag ich, oder--(jagt ihn hinaus.) + +Habakuk (schon vor der Tuer, schreit). +Ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich noch nicht erlebt. +(Ab.) + +Rappelkopf (allein). +Es ist vorbei, ich bin unter meinem eignen Dache nicht mehr sicher. +Drum hinaus, nur hinaus +Aus dem moerderischen Haus! +Doch vorher will ich mich raechen, +Alle Moebel hier zerbrechen. +Gleich zuerst nehm ich beim Schoessel +Diesen vierzigjaehrgen Sessel, +Auf dem meine Weiber sassen, +Die mein Lebensglueck mir frassen. +Ha! Dich tret ich ganz zuschanden. +(Zertritt den Stuhl.) +So--der hat es ueberstanden. +Auch den Tisch, an dem ich Briefe, +Voll Gemuet und treuer Tiefe, +Einst an falsche Freunde schrieb, +Spalte ich auf einen Hieb. +(Schlaegt in den Tisch.) +Und der weltverfuehrnde Spiegel, +Der Verderbtheit blankes Siegel, +Dieser Abgott aller Schoenen, +Dem die eitlen Narren froenen, +Wo sie stehen, wo sie gaffen +Und sich putzen wie die Affen, +Gsichter schneiden, Buckerl machen, +Weisser Zaehne willen lachen: +O du truggeschliffner Raeuber! +Du Verfuehrer eitler Weiber! +O du niedrige Lappalie! +Wart, dir liefr ich jetzt Bataille. +(Erblickt sich in dem Spiegel.) +Pfui! das haessliche Gesicht, +Ich ertrag es laenger nicht. +(Zerschlaegt den Spiegel mit geballter Faust.) +So! da liegt er jetzt, der Held, +Und sein Harnisch ist zerschellt. +(Besieht die Hand.) +Ha! der glaenzende Betrueger +Hat verwundet seinen Sieger, +Doch ich mach mir nichts daraus, +Floess ein Eimer Blut heraus. +(Oeffnet den Schreibtisch und nimmt Briefe aus demselben.) +Auch die Briefe voll von Lieb, +Die im Wahnsinn ich einst schrieb, +Die zerreiss ich alle hier. +'s ist nur schad um das Papier. +(Zerreisst sie und streut sie auf den Boden. +Nimmt Geldrollen und Geldbeutel aus einer Schatulle.) +Nur das tiefgehasste Geld, +Die Maetresse dieser Welt, +Das bewahr ich mir allein, +Das muss mit, das steck ich ein. +(Steckt es schnell in die Taschen.) +Nun? Ihr Esel, ihr vier Waende, +Die ich hasse ohne Ende, +Warum schaut ihr mich so an? +Bin ich nicht ein ganzer Mann? +Euch kann ich zwar nicht zerschlagen, +Doch ich will euch etwas sagen: +Ich geh jetzt in Wald hinaus +Und komm nimmermehr nach Haus. + +(Laeuft wuetend ab.) + + + +Fuenfzehnter Auftritt + +Verwandlung +Das Innere einer Koehlerhuette. Russige Waende. + +Salchen am Spinnrocken. Haenschen, Christopherl, Andresel sitzen +am Tisch. Marthe an einer Wiege, in der ihr Kind liegt. Unterm +Tisch ein grosser schwarzer Hund. Auf dem Tisch eine Katze, mit +welcher die Knaben spielen. Im Hintergrunde zwei schlechte +Betten. In einem liegt die kranke Grossmutter, in dem andern der +betrunkene Christian. + +Quintett + + +Salchen (froehlich). +Wenn ich an mein Franzel denk, +Wird mir halt so gut. +'s Herzel, das ich ihm nur schenk, +Kriegt gleich frohen Mut. + +Die drei Kinder. +He, Mutter, gib was z' essen her, +Der Magen tut uns weh! + +Salchen. +Das Hungern faellt mir gar nicht schwer, +Wenn ich mein Buerschel seh. +Wenn ich an mein Franzel denk, +Wird mir halt so gut. +'s Herzel, das ich ihm nur schenk, +Kriegt gleich frohen Mut. + +Die drei Kinder. +Mutter, gib uns Brot! + +Christian (mit lallender Stimme). +Ihr Bagage, seids nicht still? +Tausendschwerenot! + +Marthe (ruft). +Still! + +Das Kind. +Qua qua! + +Die Katze. +Miau! + +Der Hund. +Hau hau! + +(Die erste Melodie faellt ein.) + +Salchen. +Mein Franzel ist ein wiffer Bua, +Singt den ganzen Tag: +Dass er mich alleinig nur +Und kein andre mag. + +Die drei Kinder. +Wenn wir nicht was z' essen kriegn, +So gehn wir ja zugrund! + +Salchen. +So weckts das Kind nicht in der Wiegn, +Und spielts euch mit den Hund! +Mein Franzel ist ein wiffer Bua, +Singt den ganzen Tag: +Dass er mich alleinig nur +Und kein andre mag. + +Die drei Kinder. +Sapperment, ein Brot! + +Christian. +Wanns nicht euern Schnabel halts, +Schlag ich euch noch tot! + +Marthe. +Still! + +Das Kind. +Qua qua! + +Die Katze. +Miau! + +Der Hund. +Hau hau! + +Marthe. +Still seids, ihr ausgelassenen Buben! + +Haenschen (weinerlich). +Mutter, a Brot! + +Salchen. +Ist keins da, Holzbirn essts! + +Marthe. +Und machts keinen solchen Laerm. Euern Vater ist nicht gut. + +Andresel. +Was fehlt ihm denn? + +Marthe. +Den Schwindel hat er. (Fuer sich.) Man darfs den Kindern nicht +einmal sagen. + +Christoph. +Jetzt hat der Vater so viel Kohlen verkauft-- + +Andresel. +Und hat kein Geld z' Haus bracht, nichts als ein Schwindel. + +Salchen. +Was geht das euch an? + +Andresel. +Weil wir hungrig sein. Ich weiss schon, warum wir so wenig z' +essen kriegen, weil der Vater so viel trinkt. + +Salchen. +Jetzt schaut d' Mutter einmal die Spitzbuben an. Sie haben gar +kein Respekt vor ihren Vatern. + +Christian. +Ich massakrier die Buben alle drei. (Er will auf und taumelt.) + +Marthe. +Liegen bleib! (Sie draengt ihn ins Bette.) + +Andresel. +Er kriegt schon wieder den Schwindel. + +Alle drei Buben (lachen). +Haha! Der Vater kann nicht grad stehn! + +Marthe. +Ob ihr aufhoert! Nein, wie hat mich der Himmel gstraft! + +Das Kind (schreit). +Qua qua! + +Marthe (zu Salchen). +Aufs Kind schau! +(Salchen wiegt.) +Eine Butten voll Kinder und so einen liederlichen Mann. Kein +Pfennig Geld im Haus. +(Die Grossmutter niest im Bett.) +Hoert d' Mutter zum niesen auf. Man hoert sein eignes Wort nicht. + +Die drei Buben. +Ah, das ist a Spass. + +Andresel. +D' Mutter ist zornig. Haha! + +Marthe. +Nein, die Gall bringt mich um. Du verdammter Bub du, wart, ich +will dir deine Mutter ausspotten lernen! (Nimmt ihn beim Kopf +und schlaegt ihn.) + +Andresel (schreit). +Au weh! (Weint.) + +Salchen (springt herzu und haelt sie ab). +So hoert d' Mutter auf!-- + +(Die zwei andern Buben verkriechen sich hinter den Tisch und +hinters Bett.) + +Alles zugleich: +Das Kind (in der Wiege). +Qua qua! +Die Grossmutter (streckt im Bett die Arme heraus und niest). +Hehe! +Der Hund (bellt). +Hau hau! + +(Die Katze springt davon.) + + + +Sechszehnter Auftritt + +Vorige. Rappelkopf oeffnet die Tuer und bleibt stehen. + + +Rappelkopf. +Holla, da gehts zu, nur hinauf auf die Koepf! Das ist ein Gesindel. +(Geht in die Mitte des Zimmers und klatscht in die Haende. +Schadenfroh.) Bravo! Bravissimo! + +Salchen. +Jetzt schauts den an. Was will denn der da? + +Marthe. +Nu was will Er? Was schaut Er? + +Rappelkopf. +Sie will ich nicht. Sie Altertum! Was kost die Huetten da? Was +muss ich zahlen, wenn ich euch alle hinauswerfen darf? + +Salchen. +Ah, der hat einen kuriosen Gusto. + +Marthe. +Er impertinenter Mensch, was untersteht Er sich denn, da +hereinzukommen-- + +Salchen. +Und uns Grobheiten anzutun. + +Christian (halb schlaftrunken). +Werfts ihn aussi! + +Marthe (verdruesslich). +Halt's Maul! (Zu Rappelkopf) Was hat denn Er zu befehlen, ich +kann meine Kinder schlagen, wie ich will. + +Andresel. +Nun ja, was geht denn den Herrn mein Buckel an? Die Schlaeg sein +unser Mittagmahl. + +Der Bub unterm Bett. Sultel! Huss huss! + +Der Hund. +Hau hau! + +Marthe und Salchen. +Hinaus mit Ihm! + +Rappelkopf. +Still! kein Wort reden! (Zieht zwei Geldbeutel hervor und +klingelt damit.) Geld ist da! Dukaten sind da! Die gehoeren alle +euch. Verstanden? Also freundlich sein. Die Zaehn herbloecken. +Euer Gnaden sagen. Gschwind! Bagage! Gschwind! + +Marthe. +Euer Gnaden, wir bitten um Verzeihung. Gehts, Kinder, kuesst den +gnaedigen Herrn die Hand. Kriegts was zu schenken. + +(Die Kinder kriechen hervor.) + +Andresel (lacht dumm). +Dukaten hat er? Gehts, Buben, kuessen wir ihm die Hand. + +(Sie kuessen ihm die Haende.) + +Rappelkopf. +Ist schon da die Brut. + +Alle drei Buben. +Euer Gnaden, bitt gar schoen um ein Dukaten. + +Christian. +Bringts mir auch welche her! + +Salchen. +Schamts euch nicht? er foppt euch nur. + +Rappelkopf. +Was will die Frau, da, fuer die Keischen? Ich kauf s'. Wenn s' +noch so teuer ist. + +Marthe. +Ah, Euer Gnaden machen nur einen Spass. Was wollten S' denn mit +der miserablichen Huetten da? + +Rappelkopf. +Das geht Sie nichts an. Hat Sie genug an zweihundert Dukaten? + +Marthe. +O mein, Euer Gnaden! So viel Geld kanns ja gar nicht geben auf +der Welt, da waeren wir ja versorgt auf unser Lebtag. + +Salchen. +Aber die Mutter wird doch nicht die Huetten verkaufen? Was wird +denn mein Franzel sagen, wenn ers hoert? + +Andresel. +Mutter, gebts ihm s', es ist nicht mehr wert. + +Marthe (freudig). +O du lieber Himmel, das ist a Glueck! Wenn nur mit mein Mann was +zu reden waer! + +Andresel. +Vater! steht der Vater auf! Oder wir verkaufen 's Haus, und den +Vatern auch dazu. + +Marthe. +Du Mann! (Fuer sich.) Nein, die Schand vorn Leuten! Er kann sich +gar nicht ruehren. (Waehrend dieser Rede liebkost der Hund +Rappelkopf, welcher ihn mit dem Fuss von sich stoesst. Der Hund +bellt auf ihn. Marthe laut.) +Die Huetten kannst verkaufen, stell dir vor, zweihundert Dukaten +kriegen wir dafuer. + +Christian (schlaftrunken). +Ist zu wenig--viel zu wenig. + +Salchen. +Wenn er s' nur nicht hergebet! + +Marthe. +Der Mann weiss gar nicht, was er redt. Sie koennen s' habn, Euer +Gnaden, es ist schon alles in der Ordnung. + +Rappelkopf. +Da kauf ich alles, wies da liegt und steht. + +Marthe. +Oh, da drauss ist auch ein Kuchel, da haengt a Menge Kuchelgschirr. + +Andresel. +Und Maeus gibts, die sind gar nicht zu bezahlen. + +Rappelkopf. +Also da ist's Geld. (Wirft ihnen Geld hin.) Und jetzt +augenblicklich hinaus. Alle miteinander. In zwei Minuten will +ich keins mehr sehen. + +Salchen. +Sieht die Mutter, jetzt kommts halt doch auf Hinauswerfen heraus. + +(Waehrend dieser Reden haben die Kinder alles nach und nach +zurueckgeraeumt, so dass die Buehne im Vordergrunde frei von Moebeln +ist, bis auf einen Stuhl, auf den sich Rappelkopf setzt. Franzel +tritt ein.) + +Franzel. +Guten Abend, der Franzel ist da! + +Rappelkopf. +Da kommt noch so ein Halbmensch. + +Salchen. +O lieber Franzel, schau nur den Fremden an, dem hat die Mutter +die Huetten verkauft, er wirft uns alle 'naus. Er hat s' schon +zahlt. + +Franzel. +Aber Mutter, was fallt Euch denn ein? Gebts ihm doch 's Geld +zurueck, dem abscheulichen Menschen. + +Marthe. +Warum nit gar--das gib ich nimmer her, keinen solchen Narren +finden wir nicht mehr. Seids still, von dem Geld koennts euch +heiraten. + +Salchen. +Aber wo bleiben wir denn? Es ist ja schon bald Nacht. + +Marthe. +Ums Geld lassen s' uns ueberall hinein. He! Kinder, Vater, Mutter, +auf, auf! wir muessen alle fort. + +Andresel. +Das wird ein Auszug werden! Ich freu mich schon. + +Marthe. +Aufsteh, Mann! (Sie zerrt ihn auf und fuehrt ihn vor.) + +Rappelkopf. +Ist er krank? + +Marthe. +Nu, ich glaubs. + +Rappelkopf. +Schon lang? + +Marthe. +Halt ja, das ist gar ein altes Uebel, das ist noch vom vorigen +Jahr. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr! es ist vom Heurigen. Hinaus mit ihm! + +Christian. +Ich geh nicht fort, bis ich das Geld nicht hab. Ich bin ein +Mann, ich hab etwas im Kopf, so will ich im Sack auch was haben. + +Marthe. +Ich hab schon 's Geld, (zieht ihm den Rock an und setzt ihm den +Hut auf) so geh nur zu! Jetzt Kinder, packts zusammen. +(Hansel nimmt den Hund an einen Strick.) +Der Christoph fuehrt die Grossmutter. +(Sie heben die Alte aus dem Bett und geben ihr die Kruecke in die +Hand. Auf Haenschen.) +Du fuehrst den Hund, und ich mein Mann. + +Rappelkopf. +Und das Kind? Was gschieht mit den? + +Andresel. +Das nimm ich unterm Arm. + +Rappelkopf. +Das ist ein Hottentottenvolk. Seid ihr in Ordnung jetzt? + +Andresel. +Ja. Eingspannt ists. + +Rappelkopf. +So fahrt hinaus. + +Salchen. +So muessen wir denn wirklich fort, aus unsern lieben Haus-- + +Christoph (weint). +Wo wir alle geboren und verzogen sein. + +Salchen. +Meiner Seel, der Herr kanns nicht verantworten, was der Herr mit +seinen Geld fuer ein Unheil anstift. + +Sextett + +Salchen. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betruebt aus dir hinaus. + +Alle (bis auf Rappelkopf). +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betruebt aus dir hinaus. + +Salchen. +Und faenden wir das hoechste Glueck, +Wir daechten doch an dich zurueck. + +Alle. +Und faenden wir das hoechste Glueck, +Wir daechten doch an dich zurueck. + +(Alle Paar und Paar ab. Sie sehen sich im Abgehen betruebt um, +auch der Hund.) + +Der Hund (mit gedaempftem Ton gegen Rappelkopf im Abfuehren). +Hau hau! Hau hau! (Geht hinten nach, von Haenschen an einem Strick +gefuehrt.) + + + +Siebzehnter Auftritt + +Rappelkopf allein. + +Lied mit Chor + + +Rappelkopf (springt vom Stuhle auf). +Jetzt bin ich allein, und ich will es auch bleiben, +Will mich mit der Einsamkeit zaertlichst beweiben, +Will gar keine Freunde als Berge und Felsen, +Verjag das Schmarotzergesindel wie Gelsen, +Will nie dem Geschwaetze der Weiber mehr lauschen, +Da hoer ich viel lieber des Wasserfalls Rauschen. +Zu Pagen erwaehl ich die vier Elemente, +Die regen geschaeftig die riesigen Haende. +Den Westwind ernenn ich zu meinem Friseur, +Der kraeuselt die Locken und weht um mich her, +Und wenn ich ein hohes Toupet vielleicht schaff, +Frisiert mich der Sturmwind gleich a la Giraff. +So leb ich zufrieden im finsteren Haus +Und lache die Torheit der Menschen hier aus. +(Tritt in die Mitte des Theaters zurueck und starrt vor sich hin. +Nah an der Huette ertoent sanft der Chor nach der vorigen Melodie.) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betruebt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + +Rappelkopf (tritt vor). +Ich will nichts mehr hoern von den boshaften Leuten, +Verachte die Dummen und fliehe die Gscheidten. +Und ob sie sich raufen, und ob sie sich schlagen, +Und ob sie Prozesse fuehrn und sich verklagen, +Und ob sie sich schmeicheln, und ob sie sich kuessen, +Und ob sie der Schnupfen plagt, wie oft sie niesen, +Und ob sie gut schlafen, und was sie gegessen, +Und ob sie vernuenftig sind oder besessen, +Und ob wohl in Indien der Hafer ist teuer, +Und obs in Pest regnt und in Ofen ist Feuer, +Und ob eine Hochzeit wird oder ein Leich: +Ha! das ist mir einerlei, das gilt mir gleich. +Ich lebe zufrieden im finsteren Haus +Und lache die Torheit der Menschen hier aus. + +(Wirft sich in den Stuhl. Weiter entfernt von der Huette:) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betruebt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + +(Es wird finster.) + +Rappelkopf (springt auf und schleudert den Stuhl zurueck, auf +dem er sass). +Und wollte die Welt sich auch gaenzlich verkehren, +Und braechte der Galgen die Leute zu Ehren, +Und laege die Tugend verpestet am Boden, +Und tanzten nur Langaus die Kranken und Toten, +Und brauchten die uralten Weiber noch Ammen, +Und stuende der Nordpol in gluehenden Flammen, +Und schenkte der Wucher der Welt Millionen, +Und wuerden so wohlfeil wie Erbsen die Kronen, +Und foecht man mit Degen, die ganz ohne Klingen, +Und floegen die Adler und fehlten die Schwingen, +Und gaebs eine Liebe, gereinigt von Qualen, +Und schien' eine Sonne, beraubt ihrer Strahlen: +Ich bliebe doch lieber im finsteren Haus +Und lachte die Torheit der Menschen hier aus. + +(Er eilt zurueck und oeffnet die Fensterbalken. Der Wald erglueht +im Abendrot, welches auch Rappelkopf bestrahlt. Er blickt duester +hinaus und von ferne erschallt der) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betruebt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + + + +Achzehnter Auftritt + +(Langsam verwandelt sich die Buehne in ein kurzes Zimmer in +Rappelkopfs Hause. In der Mitte ein grosser Spiegel. Tag.) + + +Sophie, von Malchen und August gefuehrt, setzt sich weinend in +einen Stuhl. + +Malchen. +Troesten Sie sich, teure Mutter, der Vater wird schon wieder +zurueckkehren, wenn er ausgetobt hat. Wie oft verliess er nicht +das Haus und lief den Bergen zu. + +Sopie. +Ach Kinder, es ist eine boese Ahnung in meinem Busen, die mir +jede Hoffnung raubt, dass wir ihn gesund und wohlbehalten +wiedersehen. + +August. +Wenn Sie mir nur erlauben wollten, ihm nachzueilen, ich wollte +alle Mittel anwenden, ihn zu besaenftgen. + +Sopie. +O lieber August, Ihr Anblick wuerde ihn nur noch mehr erbittern. +Eben weil er Sie hier weiss, ist sein Unmut zur Raserei geworden. + +Malchen. +Da kommt Lischen mit Habakuk, vielleicht hat man schon Nachricht +gebracht. (Lischen, eilig Habakuk hereinziehend.) + +Lischen. +Da komm Er herein, Er abscheulicher Mensch, und erzaehl Er der +gnaedgen Frau den ganzen Vorfall! Stellen sich Euer Gnaden vor, +mit dem Habakuk hat er den letzten Auftritt gehabt. Wegen dem +Habakuk ist er fort. + +Habakuk. +So red Sie nur nicht so einfaeltig! Was kann denn ich dafuer? + +August. +Der Mensch ist ja blass wie eine Leiche. + +Sopie. +Warum hat Er denn das nicht gleich gemeldet, wo war Er bis jetzt? + +Lischen. +Auf den Kornboden hat er sich versteckt, aus lauter Angst vor +den gnaedgen Herrn. Er hat ihn ja ermorden wollen. + +Alle. +Wen? + +Lischen. +Der Habakuk den gnaedigen Herrn. + +Alle. +Nicht moeglich! + +Lischen. +Nicht moeglich? Er hat es ja selbst gestanden. Sehen Euer Gnaden +nur diese Moerderphysiognomie, er bringt noch das ganze Haus um. + +Habakuk. +Ah, das ist ja eine schaendliche Person. Euer Gnaden, ich bitt, +dass ich mich an ihr eine halbe Stund vergreifen darf. Das kann +ich ja nicht leiden. + +Lischen. +Untersteh Er sich und komm Er her, Er Missetaeter! + +Malchen. +Du wirst dir doch keinen Scherz erlauben, Lischen? + +Sopie. +Sprech Er, Habakuk! Warum zittert Er denn so? + +Habakuk. +Aus lauter Zorn, ich benimm mich gegen alle presence d'esprit, +ich war zwei Jahr in Paris, und mir schnappen die Fuess zusammen. + +August (gibt ihm einen Stuhl). +Hier setz Er sich nieder und erklaer Er sich ueber die Sache. + +Habakuk. +Ich kann mich nicht anders erklaeren, als dass ich, wie Euer +Gnaden geschafft haben, einen Zichori hab ausstechen wollen, +und wie der gnaedige Herr ein Messer bei mir erblickt, so hat +er behauptet, ich haett ihn gschwind unter der Hand umbringen +wollen. Lasst mich nicht zu Wort kommen, schuettelt mich wie einen +Zwetschkenbaum und fragt mich, wer mich geduenget hat. Ich wollt +antworten: Die gnaedige Frau braucht einen Zichori. Wer aber +diesen Zichori gar nicht aus mir herauslasst, das war er. Denn +kaum hab ich das Wort: "Die gnaedige Frau" gesagt, so ist er +schon mit beiden Fuessen bis auf den Blavon hinauf gsprungen. +Hat immer geschrien, meine Frau will mich ermurden lassen, hat +mich einen Habaellino hin, den andern her geheissen, und hat mich +mir nichts dir nichts bei der Tuer hinausgepruegelt. Von wo ich +mich aus lauter Desperation auf den Kornboden versteckt hab. +Bis mich dieses intrigante Frauengeziefer heruntergestoebert hat +und jetzt die ganze Gschicht auf eine so verkehrte Weise erzaehlt. + +Lischen. +Er hat einmal behauptet-- + +Habakuk. +Dass Sie eine niedrigdenkende Seele ist, die einen Mann von +meinen Meriten ins Unglueck hineinstuerzen will. + +Sopie. +Genug jetzt, mit diesen Albernheiten. Also das ist die Ursache, +die meinen Mann in solche Wut geraten liess? Des Mordes haelt er +mich verdaechtig? So ungereimt diese Zumutung auch ist, so gibt +sie doch einen Beweis, wie gemein er von meinem Charakter denkt. + +Malchen. +Beruhigen Sie sich, liebe Mutter! + +August. +Wer sollte glauben, dass ein gesunder Verstand so phantastisch +ausarten koenne? + +Lischen. +Der gnaedge Herr hatte immer etwas Duestres an sich, selbst wie +er noch Buchhaendler war, seine Buecher waren immer gut aufgelegt, +er aber nie. + +Habakuk. +Er ist ein Hypokontrolist. Er hat zu reizende Nerven. + +Lischen (lacht). +Es ist schrecklich--dieser Mensch war zwei Jahr in Paris und ist +so einfaeltig wie eine Auster. + +Habakuk. +Diese Person faellt noch von meiner Hand. + +Sopie (zu Lischen). +Und du hast ihn aus dem Hause laufen sehen? + +Lischen. +Dem Walde zu. Nachdem er vorher die grosse Schlacht gegen alle +Moebel gewonnen hatte. + +Sopie (weint). +Ach du lieber Gott, mir bangt um sein Leben, ich kann nicht +ruhig bleiben mehr, ich muss selbst hinaus-- + +August. +Bleiben Sie-- + +Malchen. +Ach August, der Alpenkoenig hat uns getaeuscht. + +August. +Ich verwuensche diesen Kobold. + +(Donnerschlag. Der Spiegel oeffnet sich, man sieht auf einem +schroffen Fels den Alpenkoenig sitzen. Im Hintergrunde ferne +Berge, blauer Himmel.) + +Sopie. +Himmel, welche Erscheinung! + +August, Malchen. +Er ist es! + +Sopie. +Wer? + +Habakuk. +Der Aschenmann! + +August, Malchen. +Der Alpenkoenig! + +Lischen. +Ach, dass der Himmel erbarm! (Sie schliesst die Augen.) + +Astragalus. +Warum verfluchst du mich? + +August (kniet). +Du Wunderwesen, dessen Macht wir nicht erklaeren koennen und die +doch unleugbar, weil sie dem Auge und dem Herzen sich zugleich +verkuendet, du hast uns deinen Schutz gelobt. Und doch ward diesem +Haus so tiefes Leid, dass ich beinahe fuerchten muss, du koenntest +meiner Liebe Glueck durch ihres Vaters Unglueck nur bezwecken. + +Malchen (kniet). +Wenn du die Stelle kennst, auf der sein Fuss jetzt irrt, so rett +ihn, hoher Klippenfuerst. + +Sopie (kniet). +Ich verstehe meiner Kinder Worte nicht, doch wenn meines Mannes +Herz in deinen Zauberbanden liegt und darum sich von uns gewendet +hat, so gib es frei, wir werden dich dafuer stets als ein gutes +Wesen ehren. + +Lischen (kniet). +Hoher Alpenkoenig! Ich traue mich zwar nicht, mein Auge zu dir zu +erheben, warum? das weiss ich schon. Aber wenn du ein galanter +Herr bist, so wird auch die Bitte einer huebschen Kammerjungfer +etwas bei dir gelten. + +Habakuk (kniet). +Ich bitt auch ganz erschrecklich, Euer gesteinigte Hochheit! + +Astragalus (steht auf). +Ich dacht es wohl, es wandle euch Besorgnis an, +Weil mein Geschaeft so ueblen Anfang nimmt. +Doch sorgt euch nicht, ich bin ein kluger Handwerksmann, +Der seinen Vorteil schon voraus bestimmt. +Denn wenn man sproedes Erz geschmeidig sucht zu biegen, +So lasse man es in des Ofens Bauch ergluehn. +Und so muss sein Gemuet in Hassesflammen liegen, +In wilder Leidenschaft die Seele Funken spruehn, +Dann kann ich seinen Wahn durch Ueberzeugung schmieden +Und seiner Denkart ihre alte Form verleihn. +Von selbst schliesst mit der Menschheit er dann neu den Frieden +Und wird sein Wirken freudig ihrem Wohle weihn. +Drum, was ihr Boeses moegt in baldger Zukunft schauen, +Wenn ihr bei naechster Sonne wieder ihn erblickt, +Doch moegt ihr kuehn und treulich auf mein Wort vertrauen, +Noch eh sie sinkt, hat Alpenkoenig euch beglueckt. + +(Sinkt in seine fruehere Stellung zurueck. Das Spiegelglas erscheint +wieder.) + +Sopie. +So unerklaerbar dieses Phantom mir ist, so hat es doch Trost in +meine Seele gesendet. Begleitet mich nach dem Gemach, das uns +die Aussicht nach dem Wald hin bietet, vielleicht sehen wir +schon einige von den Boten zurueckkehren, welche ich nach meinem +Manne ausgesendet habe. Dort sollt ihr mir auch Aufklaerung ueber +den Alpenkoenig geben. + +(Sophie, Malchen, August ab.) + + + +Neunzehnter Auftritt + +Habakuk. Lischen. + + +Habakuk. +Nein, was einem in unserm Haus fuer Erscheinungen begegnen, das +geht in das Entsetzliche hinueber. (Stellt sich vor Lischen.) + +Lischen. +Nu was gibts, Monsieur? Was sieht Er mich so an? + +Habakuk (gezogen). +Sie hat mich auf das Schafott bringen wollen, darum hab ich Ihr +in dieser Welt nichts mehr zu sagen, als-- + +Lischen. +Dass Er zwei Jahre in Paris gewesen ist, Er abgeschmackter Mensch? + +Habakuk. +Oui, Mademoiselle, und dieses Bewusstsein gibt mir die Kraft, +Ihre Gemeinheit zu verachten. (Geht pathetisch ab.) + +Lischen (allein). +Und ich werde mich in des gnaedgen Herrn Zimmer verfuegen und mich +in den zerbrochenen Spiegel schauen, ob ich meine ganze Schoenheit +noch besitze. Dann werde ich die zerrissenen Liebesbriefe +zusammenkehren und diese mit Fuessen getretenen Empfindungen ganz +langsam in den Kamin hineinschaufeln. So sind die Maenner, ihre +Liebesschwuere sind lauter Wechsel an die Ewigkeit, in diesem +Leben zahlt sie keiner aus. Wenn ich wieder auf die Welt komme, +so werd ich ein Mann und will gar keine von meinen jetzigen +Eigenschaften behalten als die Eroberungskunst. + +Ariette +Ach, wenn ich nur kein Maedchen waer, +Das ist doch recht fatal, +So ging' ich gleich zum Militaer +Und wuerde General. +Oh, ich waer gar ein tapfrer Mann, +Bedeckte mich mit Ruhm! +Doch ging' die Kanonade an, +So machte ich rechtsum. +Nur wo ich schoene Augen saeh, +Da schoess ich gleich drauf hin. +Dann trieb' ich vorwaerts die Armee +Mit wahrem Heldensinn. +Da floegen Blicke hin und her, +So feurig wie Granaten. +Ich sprengte vor der Fronte her, +Ermutigt die Soldaten. + +Ihr Krieger, schrie' ich, gebt nicht nach! +Zum Sieg sind wir geboren, +Wird nur der linke Fluegel schwach, +(aufs Herz zeigend) +So ist der Feind verloren. +So wuerde durch Beharrlichkeit +Am End der Preis errungen +Und Hymens Fahn in kurzer Zeit +Von Amors Hand geschwungen. + +Dann zoeg ich ein mit Sang und Spiel, +Die Mannschaft parodierte. +Waer auch der Lorbeer nicht mein Ziel, +So schmueckte mich die Myrte. +So nuetzte ich der Kriegskunst Gab, +Eroberte--ein Taeubchen. +Dann dankt ich die Armee schnell ab +Und blieb' bei meinem Weibchen. (Ab.) + + + +Zwanzigster Auftritt + +Verwandlung +Tiefer Wald. Rechts vorne die Koehlerhuette. Eine Tuer, neben +dieser ein Fenster, auf dem Dache ein praktikables Bodenfenster. +Dieser Huette gegenueber ein grosser Eichbaum. Hinter diesem ein +Gebuesch. Im Hintergrunde ein kleiner Wasserfall. Es ist spaet am +Abend. + +Rappelkopf mit einem Wasserkrug aus der Huette. Er hat eine +berusste Schlafmuetze des Koehlers und einen runden Bauernhut auf +dem Kopfe und eine Jacke von ihm an. + + +Rappelkopf. +So!--Der Timon ist fertig, nun fehlt nur noch sein Kompagnon, +der Esel--und wenn ich der auch jetzt nicht bin, so war ichs +doch--ich war zu gut, das ist mein groesster Fehler. Die Leute +wollen es nicht. Es gibt manche Menschen, wenn ihnen einer +begegnet, der ihnen noch so viele Wohltaten erwiesen hat, so +sagen s' hoechstens zu einander: Oh, das ist ein guter Kerl, der +tut kein Menschen was, der ist froh, wenn man ihm nichts tut. +(Gleichgueltig gruessend.) Servus! Servus! Lassen wir ihn leben. +Wenn aber einer kommt, von dem sie glauben, dass er ihnen schaden +koennt, da stossen s' einander: Oh! das ist ein boeser Kerl, vor +dem muss man sich in acht nehmen. (Freundliches tiefes Kompliment.) +Taenigster Diener! Taenigster Diener! hab ich die Ehr, mein +Kompliment zu machen. Wann der anfangt, der kanns. Gleich +wieder: Taenigster Diener! Oh, es wird mich noch zum Wahnsinn +bringen. In meinem Haus bin ich nicht sicher mehr, mein Weib +will mich ermorden lassen. Habt ihrs gehoert, ihr verfolgten +Staemme dieses edlen Waldes, die der Mensch gar zu zweifachem +Tod bestimmt, weil euch die Axt erst faellt und man euch dann +noch hinterdrein verbrennt? Habt ihrs gehoert? Mein Weib will +mich ermorden lassen! Ist denn der Wald so echolos, dass ich +der einzge bin, der diese Schandtat ausposaunt? + +(Geraeusch in den Blaettern.) + +Ha! wer ruehrt sich da? ist es ein Mensch, so soll er hervorkommen, +damit ich meinen ganzen Vorrat von Impertinenzen in sein Antlitz +werfen kann. Heraus da, wer ist hier? Qui vive? + +Ein Stier (streckt aus dem Gebuesche, hinter dem er gefressen, +seinen Hals gegen Rappelkopf und bruellt sehr stark.) +Ohn! (Man sieht ihn jedoch nur bis an die Brust, der Unterleib +ist durch das Gebuesch verdeckt.) + +Rappelkopf (verbluefft). +Diese Antwort hab ich nicht erwartet. (Reisst einen Baumast ab +und jagt den Stier fort.) Gehst hinaus! Eine solche Gesellschaft +moecht ich mir noch ausbitten. + + + +Einundzwanzigster Auftritt + +Voriger. Astragalus tritt hervor. + + +Astragalus. +Du verdienst keine bessere. Warum verfolgst du diesen Sohn +meiner Herde? + +Rappelkopf. +Gib der Herr auf seine Kinder besser acht. Hier ist mein +Territorium, und da leid ich weder etwas Vierfuessiges noch +etwas Zweifuessiges. Also weiter, Vater und Sohn! + +Astragalus. +Du irrest, wenn du waehnst, dass du auf eignem Boden herrschest. +Mein ist das Tal, in dem die Alpe wurzelt. Drum frag ich dich, +wie du es wagst, schamlose Flueche auszuhauchen hier, dass sie +wie giftger Reif an diesen Blaettern hangen, und eine Welt zu +schmaehn, in der du Wurm, aus Schlamm gezeugt, in eines Waldes +dunklem Busen dich verkriechst, weil du den Strahl des heitren +Lebens fuerchtest? + +Rappelkopf. +Was kuemmerts dich? (Beiseite.) Der Kerl sieht aus, als wenn er +von Gusseisen waer. Dem geh ich gar keine Antwort, den lass ich +stehen. (Will in die Huette.) + +Astragalus (zielt auf ihn). +Halt an! Gib Leben oder Worte! + +Rappelkopf. +Was ist das fuer eine Art, auf einen Menschen zu schiessen? + +Astragalus. +Du bist kein Mensch. + +Rappelkopf. +Nicht? Das ist das Neuste, was ich hoere. + +Astragalus. +Du hast dich ausgeschlossen aus der Menschen Kreis. Gib Losung, +ob du es noch bist. Bist du gesellig wie der Mensch? Du bist es +nicht. Hast du Gefuehl? Du fuehlst nur Hass. Hast du Vernunft? Ich +finde keine Spur. + +Rappelkopf. +Impertinent! + +Astragalus. +Drum sprich, zu welcher Gattung ich dich zaehlen soll, der du des +Tieres unbarmherzge Roheit mit dem milden Ansehn und der Sprache +eines Menschen paarst. + +Rappelkopf. +Ah, das ist eine gute Geschichte, der fuehrt einen logischen +Beweis, dass ich ein Tier bin und noch dazu eins von der neuesten +Gattung. + +Astragalus. +Was hast du zu erwidern mir? + +Rappelkopf (beiseite). +Ich wollt ihm schon etwas erwidern, wenn er keine Flinten haette. + +Astragalus. +Antwort gib, ob du in meine Jagdbarkeit gehoerst und meiner Kugel +bist verwandt? + +Rappelkopf (beiseite). +Jetzt muss ich vor dem eine Rechenschaft ablegen, und ich moecht +ihn lieber massakrieren. (Laut.) Die Flinte weg. Ich bin ein +Mensch, und das ein besserer, als ich sein haett sollen. + +Astragalus. +Und warum hassest du die Welt? + +Rappelkopf. +Weil ich hab blinde Maeusl gespielt mit ihr, die Treue hab +erhaschen wollen und den Betrug erwischt, der mir die Binde +von den Augen nahm. + +Astragalus. +Dann musst du auch dem Wald entfliehen, weil er missgestalte +Baeume hegt, die Erde meiden, weil sie giftge Kraeuter zeugt, +des Himmels Blau bezweifeln, weil es Wolken oft verhuellen, +wenn du den Teil willst fuer das Ganze nehmen. + +Rappelkopf. +Was nuetzt das Ganze mich, wenn mich ein jeder Teil sekkiert. +Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher. + +Astragalus. +Machs mit dem Misstraun aus, das dich belogen hat. + +Rappelkopf. +Mich hasst mein Weib, mich flieht mein Kind, mich richten meine +Dienstleut aus. + +Astragalus. +Weil dein Betragen jeden tief erbittert, weil du den Hass +verdienst, den man dir zollt. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr, ich bin ein Mensch, so suess wie Zuckerkandel +ist. Nur mir wird jede Lust verbittert, und ich trage keine +Schuld. + +Astragalus. +Die groesste, denn du kennst dich selber nicht. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr. Ich bin der Herr von Rappelkopf. + +(Es faengt an, Nacht zu werden.) + +Astragalus. +Das ist auch alles, was du von dir weisst. Doch dass du stoerrisch, +wild, misstrauisch bis zum Ekel bist, vom Starrsinn angetrieben, +hin bis an der niedern Bosheit Grenze, und wie die ueblen +Eigenschaften alle heissen, die du fuer Vorzug deines Herzens +haeltst, das ist dir unbekannt, nicht wahr? + +(Der Mond geht auf.) + +Rappelkopf. +Mir ist nur eins bekannt, dass du ein Luegner bist, der eine +Menge Fehler mir andichtet, die ich doch nicht hab. + +Astragalus. +So geh die Wette ein, dass du weit mehr noch hast. Ich fuehre +den Beweis, wenn du dich meiner Macht vertraust und mir gelobst, +dass du dich aendern willst. + +Rappelkopf. +Das haett ich lang getan, wenn ich das gefunden haette. Ich +vertrau mich keinem Menschen an, Betrug ist das Panier der +Welt. + +Astragalus. +Glaubst du, die Welt sei darum nur erschaffen, damit du deinen +Geifer auf ihr Wappen speien kannst? Die Menschheit hinge nur +von deinen Launen ab? Dir duerften andre nur, du andern nicht +genuegen? Bist du denn wahnsinnig, du uebermuetger Wurm? + +Rappelkopf. +Sapperment, nicht lang per Wurm, das Ding fangt mich zu wurmen +an. Ich gib nicht nach, du bankrottierter Philosoph! Ich bin zu +gut, und du zu schlecht, als dass ich laenger mit dir red. Drum +fort mit dir, der Mond geht auf, und du gehst ab, und kuenftighin +werd ich in meiner Huetten mich verschanzen und +herunterstukatieren, wenn sich eins sehen laesst. + +Astragalus. +So willst du nicht die Hand zur Bessrung bieten? + +Rappelkopf. +Ich biete nichts, und wenn mir's Wasser bis an Hals auch geht. + +Astragalus. +Wohlan! So lass uns den Versuch beginnen. +Weil nicht Vernunft kann dein Gemuet gewinnen, +Soll Geistermacht zu deinem Glueck dich zwingen, +Und mit dem Alpenkoenig wirst du ringen. +Vermeid dies Haus! Sonst tritt auf allen Wegen +Vergangenheit dir leichenblass entgegen. +Und willst du Elemente Brueder nennen, +Lern ihre Wut und ihre Schrecken kennen. +Der Blitz soll deines Hauses Dach umarmen, +Dann kann dein Herz an Freundesbrust erwarmen. +Weil du die Luft willst statt der Gattin kuessen, +Soll dich des Sturmes Angstgeheul begruessen. +Der Boden soll dich Halbmensch nimmer tragen, +Dann magst du ueber Erdenundank klagen. +Und dass du mit den Wellen dich kannst streiten, +Will ich die Flut dir bis zur Kehle leiten. +So soll dich Feuer, Wasser, Luft und Erd betruegen. +Dann waehl, ob du dich willst in meinen Vorschlag fuegen. +Und wirst du liebend nicht dein Herz zur Menschheit wenden, +So sollst du wildes Tier in Waldesnacht hier enden! +(Rasch ab.) + +Rappelkopf (allein). +Das ist ein schrecklicher Kerl. Und ich tu doch, was ich will. +Just! Du sollst mich nicht um meinen Schlaf heut bringen. Gute +Nacht, Freund Wald, ihr Eicheln, lebet wohl, zum Fruehstueck +finden wir uns wieder. + +(Will gegen das Haus. Beim Oeffnen der Tuer sitzt Victorinens +Geist auf einem Stuhl. Sie ist in blaue Schleier gehuellt und +sieht gespensterartig aus. Ihr Gesicht ist bleich und die ganze +Gestalt von einem gruenen Schirm beleuchtet. Sie spricht mit +halblauter Stimme.) + +Victorinens Geist. +Wo bleibst du denn so lang, du liederlicher Mann? +Und kommst so spaet erst in der Nacht nach Haus. +Gehst gleich herein, mir wird schon angst allein, +Sonst rauf ich alle Haar dir aus. + +Rappelkopf. +Himmel! das ist mein erstes Weib, die erkenn ich, weil sie die +Herrschaft noch im Grab behauptet. Da bringt mich niemand bei +der Tuer hinein. Die hat den Satan in den Leib. Wenn nur das +Fenster offen waer! (Es donnert.) Jetzt fangts zum donnern an. +(Am Fenster zeigt sich, ebenso wie Victorinens, Wallburgas +Geist und sieht heraus.) Wer schaut denn da heraus? + +Wallburgas Geist (mit hohler Stimme). +Ich bins, du falscher Mann, du Ungetreuer du! +Warum hast du nach mir jetzt schon das zweite Weib? +Und ich hab dich so lieb, hab selbst im Grab kein Ruh, +Ich schau kein andern an, kann ohne dich nicht leben. +Drum komm herein, ich muss dir Kuesse geben. + +Rappelkopf (erschrickt). +Entsetzlich! Schaudervolle Nacht, zeigst du mir auch die zweite +noch, die sich durch Eifersucht verraet? Sie modert schon und +will nicht leben ohne mich. Welch schreckenvolle Lag! Es rieselt +kalt durch mein Gebein. (Es blitzt.) Der Donner bruellt, die +Blitze leuchten fuerchterlich. Koennt ich doch nur durchs Dach +ins Haus! Mut! ich versuchs. (Er steigt hinauf. Waehrenddessen +erscheint Emerentias Geist, auf dem Dach sitzend. Rappelkopf +erschrickt.) Weh! Hier die dritte noch, dem Kirchhof ungetreu +wie mir! (Will fort.) + +Emerentias Geist. +Wo willst du hin? Du darfst nicht fort. +Du musst den Mond mit mir betrachten. +(Der Mond verwandelt sich in ein weissumschleiertes Geisterhaupt, +das aus den Wolken sieht.) +Sieh hin, das bleiche Antlitz dort, +Es ist das Bild von deiner jetzgen Frau. +Sie weint! Schau hin! Schau! Schau! + +Rappelkopf. +Jetzt grinst mich auch die vierte an. O teuflisches Quartett! +Mich wuergt die Angst! Ha! lass mich fort! Mich wandelt Ohnmacht +an. Rachsuechtge Hoelle, warum hast du das getan? Ich bleib nicht +da. Ich muss hinab. (Springt ueber das Dach.) O Himmel, sei gedankt! +dass deine Erd mich wieder traegt. Doch, was beginn ich nun? (Der +Sturm heult.) Der Sturm heult immer schrecklicher. Es giesst, und +doch verschwinden nicht die graesslichen Gestalten. (Regen stroemt +herab.) Nun platzt ein Wolkenbruch! ich rette mich auf diesen +Baum, sonst reisst die Flut mich fort. (Er steigt auf den Baum. +Die Weiber verschwinden, es schlagt in die Huette ein, sie steht +in hellen Flammen.) Wenn das so fortgeht, bricht die Welt in +Truemmer. (Die Huette brennt fort. Heftiger Regen, Sturmgeheul +und Donner. Die Wasserflut schwillt immer hoeher, bis sie +Rappelkopf, der sich auf den Gipfel des Baumes rettet, bis an +den Mund steigt, so dass nur die Haelfte seines Hauptes mehr zu +sehen ist.) Zu Huelfe, zu Huelfe! ich ersauf! + +Astragalus(faehrt schnell in einem goldnen Nachen bis zu seinem +Haupt und spricht). +Was bist du nun zu tun gesonnen? + +Rappelkopf (voll Angst). +Ich will mich bessern, ich sehs ein, weil mir das Wasser schon +ins Maul 'nein lauft. + +Astragalus. +So fuehr ich dich nach meinem Schloss. + + +Schnelle Verwandlung +Der Nachen verwandelt sich in zwei Steinboecke mit goldenen +Hoernern. Der Baum, auf dem Rappelkopf steht, in einen schoenen +Wolkenwagen, in dem sich der Alpenkoenig und Rappelkopf befinden. +Das Wasser verschwindet. Das ganze Theater verwandelt sich in +eine pittoreske Felsengegend, die Teufelsbruecke in der Schweiz +vorstellend, auf welcher Kinder, als graue Alpenschuetzen +angekleidet, Boeller losfeuern, waehrend der Wolkenwagen ueber +die Buehne faehrt. Zugleich von innen: + +Chor. +Geendet ist die Geisterschlacht, +Die Sonne strahlt durch finstre Nacht. +Der Alpenkoenig hat gesiegt, +Seht, wie er hin zum Ziele fliegt. + + + + + +Zweiter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Thronsaal im Eispalaste des Astragalus, mit hohen Saeulen +geziert, die silberartig erglaenzen. Im Vordergrunde ein hoher +Thron von pittoreskem Ansehen, als waere er aus unregelmaessigem +Eis geformt. + +Auf ihm Astragalus als Alpenkoenig. Eine lange lichtblaue +weissgestickte Tunika, weiten griechischen Mantel. Weissen Bart, +auf dem Haupte eine smaragdene Krone. Vor ihm knien im Kreise +ideal gekleidete Alpengeister. Weisse kurze Tunika, mit gruenen +Folioblaettern garniert. + + +Chor. +Hehr zu schauen auf dem Throne +Bist du, Fuerst der Alpenflur, +Denn dich schmueckt der Tugend Krone, +Du vertilgst des Lasters Spur. + +Astragalus (steht auf und spricht). +Auf des Thrones eisgen Stufen +Horcht ich gern noch eurem Chor. +Doch lasst uns den Fremdling rufen, +Denn die Zeit tritt mahnend vor. + +Alpanor. +Lange steht er schon bereitet +In der Halle vor dem Saal. +Auch ist er schon angekleidet, +Wie dein Wink es uns befahl. + +Astragalus. +Hoehnt ihn aus, wenn er erscheint. + + +(Rappelkopf in einem drapfarben Reiseueberrock, gleichen +Gamaschen mit silbernen Knoepfen, schwarzem Haar, etwas hoher +Stirne, wird hereingebracht.) + +Ein Alpengeist. +Fuerst, hier ist der Menschenfeind. + + +(Alle lachen.) + +Rappelkopf. +Nun? Was ist da Spassigs dran? + +Alpanor. +Weisst du wohl, warum sie lachen? +Unter einem Menschenfeind +Dachten sie sich einen Drachen, +Der als grimmer Ries erscheint. +Und nun sehn sie einen Zwergen, +Wer soll 's Lachen da verbergen? +Von dem Unsinn musst du lassen, +Freund, das ist ja ganz verkehrt. +Du willst alle andern hassen? +Und bist selber nicht viel wert. + +Rappelkopf. +Versteht sich. Du wirst mir sagen, was ich zu tun hab. +(Fuer sich.) Verdammtes Hexenvolk! + +Astragalus. +Du bist die Wette mit mir eingegangen, du wollest dein Gemuet +in edleres verkehren, wenn du die Fehler deines jetzigen +erkennst. + +Rappelkopf. +Das hab ich gsagt im Angesichte von vier Zeugen: Feuer, Wasser, +Luft und Erde. Nun gib mir Ueberzeugung, oder lass mir Ruh in +meinem Wald. + +Astragalus. +So hoer mich an. Damit du kannst in solchem Seelenspiegel +schauen, so will ich deinen Geist aus deinem Leib entfuehrn +und ihn in eines neuerschaffnen Koerpers Haus verbannen. + +Rappelkopf. +Das will sagen, mein Geist wird von einer Bouteille in die +andere hinuebergefuellt, das ist schon nichts, da kann schon +eine Spitzbueberei geschehen, bei dieser Fuellung muss ich dabei +sein. Da kann er ausrauchen, oder verwechselt werden. Ich traue +niemand mehr. + +Astragalus. +Er wird es nicht. Ich schwoer es bei des Chimborassos +eisgekroentem Haupte. Du wirst dein Denken, Wollen, Handeln, +Fuehlen genau in eines andern Bild erblicken. + +Rappelkopf. +Und was gschieht dann mit mir, geh ich so ohne Seel herum, +oder bekomm ich wo eine andere zu leihen? + +Astragalus. +Du wirst als Bruder deiner Frau erscheinen. + +Rappelkopf. +Diese Verwandtschaft haett ich mir nie traeumen lassen. + +Astragalus. +Doch ganz die Kraft der eigenen Gesinnungen behalten. + +Rappelkopf. +Das heisst, ich werde aussehn wie mein Schwager und denken, +was ich will. + +Astragalus. +So ists. Dadurch kannst du dich ueberzeugen, wie gegen dich +dein Weib, dein Kind und der von dir gehasste Maler denken. +Doch dass du auch an deinem Ebenbild den hoechsten Anteil nimmst +und dich in ihm genau ergruendest und betrachtest, so haengt +dein kuenftig Schicksal ganz von dem freien Handeln dieses +Doppelgaengers ab. Und was zu deinem Nutzen oder Nachteil wird +durch ihn in deinem Haus geschehn, das wird, wenn er +verschwindet, unveraenderlich dir bleiben. + +Rappelkopf. +Also wenn er mir mein Haus verkauft, kann ich nachher auf +der Strasse wohnen? Ah, das ist eine schoene Einquartierung. + +Astragalus. +Auch ist dein Leben selbst an seines festgebunden, und wenn +er es verliert, solang er statt dir lebt, stirbst du mit ihm +und wirst durch ihn erkranken auch, wenn es der Zufall fuegt, +dass ihm ein boes Geschick Gesundheit raubt. + +Rappelkopf. +Zwei Menschen und nur ein Leben! Jetzt fangt sogar die Natur +zum oekonomisiern an. Da hats der Tod kommod, der nimmt s' +gleich Paar und Paar. Nun gut, so lass denn sehen, was deine +Taschenspielerei vermag. Der Prozess ist eingeleitet. Ein +unendlich verwickelter Fall, der wird in hundert Jahren nicht +aus. Also was gschieht denn jetzt? Hab ich noch meinen Geist, +oder hat ihn schon ein anderer? Bin ich schon mein Schwager, +oder bin ich noch der Schwager meines Schwagers? + +Astragalus. +Es wird dich jeder fuer den Bruder deines Weibs erkennen. Darum +hab ich in deinem Aeussern dich gestaltet so wie ihn. Ihr +Alpengeister, fuehrt ihn fort und bringt ihn an des Berges +Fuss. Dort werdet ihr ein leichtberaedert Fahrwerk finden, +zwei ruestge Maultier vorgespannt, mit Staub bedeckt, als +kaemen sie von weiter Reise aus dem Land der welschen Glut. +Sie bringen schnell ihn vor sein Schloss, dort werde seinem +Uebermut Beschaemung, Ueberzeugung, Strafe. + +Rappelkopf. +Nun gut, so will ich dies Asyl der Falschheit noch einmal +betreten. Ich geh und uebergeb dir meinen Geist, von dem ich +weiss, dass er so wenig Fehler hat, als die Donau Linienschiffe +traegt, als Eicheln auf dem Kirschbaum wachsen und blondes Haar +in deinem grauen Bart. (Ab mit den Alpengeistern, nur Alpanor +bleibt zurueck.) + +Astragalus. +Sein Starrsinn ists, der mich zu festen Hoffnungen berechtigt, +denn hat er sich erkannt, wird ihn mit gleicher Heftigkeit der +Trieb zur Besserung erfassen, als seine kraeftge Phantasie den +Wahn des Hasses jetzt umklammert haelt. Alpanor! Hast du den +Bruder seines Weibs zurueckgehalten, dass er nicht heute morgens +schon von seiner Reise in des Menschenfeindes Schloss eintrifft? + +Alpanor. +Es geschieht in diesem Augenblick. Der Alpengeist Linarius +leitet seiner Pferde Zuegel und setzt ihn aus in einer wuesten +Felsengegend, so lang, bis, grosser Alpenkoenig, du die Ankunft +ihm erlaubst. + +Astragalus. +Und ich will scheinbar mich in ihn verwandeln +(er verwandelt sich in Rappelkopfs Gestalt in seiner ersten +Kleidung) +Und so durch Trug zu seinem Besten handeln. +Wie auf des Schlosses Dache die metallne Spitze +Das Haus bewahret vor der Wut der Blitze, +Will ich den Hass, den er sich gen die Welt erlaubt, +Herniederleiten auf sein eignes Haupt. +Dort mag die Donnerwolke sich entleeren +Und Glut durch Glut hellflammend sich verzehren, +Bis aus der Asche wird zum neuen Leben +Die Liebe gleich dem Phoenix sich erheben. + + +(Beide ab.) + + + +Zweiter Auftritt + +Verwandlung +Wilde Felsengegend. Im Hintergrunde ein hoher praktikabler +Fels, welcher von der rechten Kulisse aber zwei Dritteil der +Buehne bis ohngefaehr zwei Schuh weit von der linken sich +erstreckt und in einem steilen Abhang endigt. Auf ihm ist +eine gedeckte Reisekalesche mit zwei Schimmeln sichtbar. Die +Pferde stehen schon ganz an dem Abhange des Felsens. + +Auf dem Sattelpferde sitzt der Alpengeist Linarius, als +Postillion gekleidet. Im Wagen Herr von Silberkern, so +gekleidet wie Herr von Rappelkopf zu Anfange des zweiten +Aktes. Er droht mit einem Stock dem Postillion und schreit +heftig. + + +Silberkern. +Halt! Halt! Was treibt Er denn, Er verwuenschter Kerl, ich +bin ja des Todes, wo fuehrt Er mich denn hin? + +Linarius. +Geduld, mein Herr, wir werden gleich am Ziele sein. + +Silberkern. +Das ist ja keine Moeglichkeit, der Kerl ist besoffen wie eine +Kanone, er muss glauben, da unten ist ein Weinkeller. Ich +massakrier Ihn, Er verflixter Lumpenhund. Was treibt Er denn +mit Seinen gottverdammten Schimmeln? + +Linarius. +Ich habe meine Pferde ausgespannt. + +Silberkern. +Untersteh Er sich, Er infamer Mensch! wir stuerzen ja hinab. + +Linarius. +Wer wird denn da viel Spruenge machen? das Trinkgeld ist mir +ein fuer allemal zu schlecht. Adieu, mein Herr! + +Silberkern. +Wo will Er denn hin? + +Linarius. +Ich reite durch die Luft-- + + +(Die Pferde bekommen Fluegel. Linarius erhebt sich mit ihnen bis +in die halbe Hoehe des Theaters. Der Wagen bleibt stehen, +zugleich faellt der hintere Teil des Felsens herab, und nur +das Stueck, worauf die Kutsche ist, bleibt stehen.) + +Du bleibst zurueck auf diesem Fels und geniessest hier die Luft. +Zur rechten Zeit spann ich die Pferde wieder vor. Dann bitt +ich mir ein tuechtig Trinkgeld aus. Bis dahin lebe wohl und +unterhalt dich gut. Juhe! Zum Alpenkoenig heisst das Posthaus +hier. Ihr Schimmel, hi! stosst euch an keinen Stein! Lebt wohl, +Herr Passagier, und bleibt mir fein gesund! (Fliegt fort und +blast das Posthorn dabei.) + +Silberkern. +Verdammter Hexenspuk! Der Kerl fliegt herum wie eine Fledermaus. +Flieg zum Geier, falscher Rabe! Ich brauche deine Pferde nicht. +(Er will heraussteigen.) I potz Hagel, was ist das? Ich kann +ja nicht heraus. Der Wagen haengt ja in der Luft. Das ist ja +aufs Verhungern abgesehen. Verflixter Kerl, komm zurueck! Es +ruehrt sich nichts, ich sehe keinen Menschen, nicht einmal +Ochsen weiden hier. Ich bin der einzge in der ganzen Gegend. +(Schreit.) Hoert mich denn niemand? + +Echo. +Niemand--(Entfernter.) Niemand--Niemand--Nieman-- + +Silberkern (stampft mit dem Fusse). +Ich ersticke noch vor Zorn-- + + +(Der Fels, auf dem der Wagen steht, oeffnet sich wie eine +Hoehle und in ihr sind eine Menge kleine Alpengeister +aufeinanderkauernd gruppiert, welche mit schadenfroher Miene +aus vollem Halse lachen. Auch aus den Gebueschen, welche um +den Fels angebracht sind, sehen einige schelmisch hervor.) + +Alpengeister. +Hahahahaha! + +Silberkern (schnell, raesonierend, mit dem Stock herumfechtend). +O du Geistergesindel, du unsichtbares Lumpengepack, komm herauf +zu mir, ich schlag dich tot. Das ist eine verflixte Geschichte. + +(Neues Lachen und schnelles Vorfallen der Kurtine, welche ein +Zimmer in Rappelkopfs Hause vorstellt.) + + + +Dritter Auftritt + +Mehrere Dienstleute stuerzen auf die Buehne. Sophie von der Seite. + + +Sopie. +Wo, wo ist mein Bruder? + +Dienstleute. +Er koemmt soeben die Treppe herauf. Hier ist er schon. + +Sopie. +Holt Herrn von Dorn und meine Tochter. Das Gepaecke in das +gruene Zimmer. + + + +Vierter Auftritt + +Vorige. Rappelkopf stuerzt herein. + + +Sopie (faellt ihm um den Hals). +O mein Bruder, mein geliebter Bruder! (Bleibt an seiner Brust.) + +Rappelkopf (fuer sich). +Entsetzlich! Diese Natter liegt an meiner Brust. Sie kennt +mich wirklich nicht. Nimm dich zusammen, Rappelkopf! +(Freundlich.) Endlich seh ich dich wieder, liebe Schwester. +(Beiseite.) Ich kann s' nicht anschaun. (Wieder freundlich.) +Wie gehts dir denn, du liebe Schwester du? + +Sopie. +Ach Bruder, mir geht es sehr uebel. + +Rappelkopf (beiseite). +So? Da gschieht dir recht. + +Sopie. +Was sagst du, lieber Bruder? + +Rappelkopf. +Dass ich dich recht bedaure, und zwar auf eine ganz besondere +Art. Denn ich weiss alles, liebe Schwester, dein Mann ist ein +schaendlicher Mensch. + +Sopie. +Das ist er nicht, lieber Bruder, aber ein ungluecklicher Mensch. + +Rappelkopf (beiseite). +Viper! + +Sopie. +Wenn du wuesstest, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe, um +mein Herz vor dir auszuschuetten! + +Rappelkopf. +So schuett es aus, liebe Schwester! (Beiseite.) Da erfahr ich +etwas. Schuetts aus! + +Sopie. +Aber du wirst ermuedet sein von der Reise? + +Rappelkopf. +Nur meine Fuess sind muede, meine Ohren nicht. + +Sopie. +So setz dich, lieber Bruder. (Sie setzt Stuehle.) + +Rappelkopf. +Ich dank dir, liebe Schwester. (Setzt sich.) Fatale Situation! + +Sopie. +Meine Tochter und ihr kuenftiger Braeutigam werden sogleich +erscheinen. + +Rappelkopf (faehrt wild auf). +So? (Fasst sich und sagt ploetzlich mit freundlichem Laecheln.) +Wird mir eine unendliche Ehr sein. + +Sopie. +Du bist so sonderbar, lieber Bruder. Was ist dir denn? + +Rappelkopf. +Verschiedenes. Die Reise, dein Anblick, es ist alles so +ergreifend fuer mich. + +Sopie. +Ich danke dir. Du bist ein Bruder, wie man keinen mehr finden +wird. + +Rappelkopf (beiseite). +Der Meinung bin ich selbst. + +Sopie. +Fuenf Jahre bist du abwesend. Die Ursache meines Ungluecks wird +dir schon aus meinen Briefen bekannt sein. + +Rappelkopf. +Ich weiss, du hassest deinen Mann. + +Sopie. +Was faellt dir ein! Wo gaeb es eine Frau, die ihrem Manne mehr +zugetan waere, als ich dem meinigen! + +Rappelkopf. +Wirklich? (Beiseite.) Was man fuer Neuigkeiten erfaehrt! + +Sopie. +Wenn du nur die Geduld haettest sehen koennen, mit welcher ich +seine Launen ertrug, die Sanftmut, mit der ich ihn behandelte. + +Rappelkopf. +Ja, das haett ich sehen moegen. (Beiseite.) Es ist zum Durchgehn, +wie sie luegt, ich bin schon voellig blau auf dieser Seite. + +Sopie. +Und alles dies hat seinen ungerechten Menschenhass nur noch +vermehrt. + +Rappelkopf. +Aber warum hasst er denn die Menschen, er muss doch eine Ursache +haben? + +Sopie. +Weil er ein Narr ist, der sie verkennt. + +Rappelkopf (beiseite). +Ich bedank mich aufs allerschoenste. + +Sopie. +Und doch lieb ich ihn so zaertlich-- + +Rappelkopf. +Diesen Narren? o naerrische Lieb! (Beiseite.) Es ist zum +Teufelholen! + +Sopie. +Und muss die Angst ausstehen, ihn seit gestern zu vermissen. + +Rappelkopf. +Ja wo ist er denn? + +Sopie. +In einem Anfall von Wahnsinn zerschlug er alle Moebel, glaubte, +der Bediente wolle ihn ermorden, und rannte wuetend aus dem Hause. + +Rappelkopf. +Nun er wird schon wieder zurueckkommen. + +Sopie. +Nein, das wird er nicht. Was er beschliesst, vollfuehrt er auch. + +Rappelkopf (beiseite). +Sie kennt mich doch. (Laut.) Aber wie ist er denn auf den +Gedanken gekommen, dass man ihn ermorden will? + +Sopie. +Auf die unsinnigste Weise von der Welt. Ich befahl meinem +einfaeltigen Bedienten, er sollte nach dem Garten gehen und +Zichorien ausstechen, und das Messer in seiner Hand laesst +meinen unglueckselgen Mann glauben, er wolle ihn ermorden. + +Rappelkopf. +Zichorien hat er ausstechen wollen? + +Sopie. +Ei freilich. + +Rappelkopf (beiseite). +Das ist nicht moeglich, oder ich waer der einfaeltigste Mensch, +den die Sonne noch beschienen hat. (In Nachdenken versunken.) +Zichorien hat er ausstechen wollen? + +Sopie. +Warum ergreift dich das so? + +Rappelkopf (gleichgueltig). +Weil mir der Kaffee einfaellt, den ich im letzten Wirtshaus +getrunken hab. Der war auch mit Zichorien vergiftet. + +Sopie. +Was soll ich nun beginnen, lieber Bruder? + +Rappelkopf. +Lass den Narren laufen! + +Sopie. +Das kann dein Ernst nicht sein. Er ist mein Mann, und ich +werd ihn nie verlassen. + +Rappelkopf (schnell). +Ist das wahr? + +Sopie. +Gewiss. + +Rappelkopf (unwillkuerlich erfreut, beiseite). +Sie ist doch nicht gar so schlecht. (Wieder veraendert.) +Aber schlecht ist sie doch. + +Sopie. +Ach Bruder! (Sinkt an seine Brust.) Wenn mein Mann imstande +waere, sich ein Leid anzutun! (Weinend.) Ich haette mir nichts +vorzuwerfen, aber ich koennte diesen Vorfall nicht ueberleben. + +Rappelkopf. +Das Weib martert mich, ich schwitz schon im ganzen Leib. Und +sie weint wirklich, mein ganzes Schapodl ist nass. Aber ich +glaub ihr nicht, die Weiber koennen alles. (Laut.) Beruhige +dich nur, liebe Schwester, es kommt jemand. + + + +Fuenfter Auftritt + +Vorige. August. Malchen. + + +Malchen. +Ist es wahr, ist der Onkel angekommen? (Sieht ihn.) Ach +liebster, bester Onkel! mit welcher Sehnsucht haben wir +Sie erwartet. + +Rappelkopf. +Die ist so falsch wie ihre Mutter. + +Malchen. +August, komm doch her. + +Rappelkopf (erschrickt). +Wer? + +August (hervortretend). +Bester Herr von Silberkern--(will auf ihn zu.) + +Rappelkopf (faehrt zurueck). +Himmel, wer bringt dies Bild vor meine Augen? + +Sopie. +Was ist dir, lieber Bruder? + +Malchen. +Aber Onkel! + +Rappelkopf (beiseite). +Ich muss mich fassen, damit ich allen auf den Grund komme. +(Laut, mit Zwang.) Verzeihen Sie mir, mein Herr, sein Sie +mir willkommen. + +August. +Erlauben Sie, Herr von Silberkern--(Tritt naeher.) + +Rappelkopf (faehrt wieder auf). +Nein, es ist nicht moeglich--Drei Schritt vom Leib! (Beiseite.) +Vergiften koennt ich den Verfuehrer! + +August. +Was soll ich davon denken? + +Malchen. +Onkel! + +Sopie (gleichzeitig). +Bruder! + +Rappelkopf (fasst sich wieder). +Verzeihen Sie, aber Sie haben eine Aehnlichkeit, eine +Aehnlichkeit-- + +August. +Mit wem? + +Rappelkopf. +Mit--mit einem Menschen + +August. +Mit was fuer einem? + +Rappelkopf. +Der mich bestohlen hat. + +Sopie. +Aber Bruder! + +August (lacht). +Herr von Silberkern-- + +Malchen. +Ach Onkel, er hat nichts gestohlen als mein Herz. + +Rappelkopf (auffahrend). +Das ist es eben--(fasst sich) was mich nichts angeht. +(Sehr freundlich.) Sind Sie nur nicht so kindisch, ich hab +nur einen Spass gemacht. (Fuer sich.) Verstellung, steh mir +bei! (Laut.) Endlich sind wir alle recht froh beieinander, +meine lieben Kinder. (Lacht boshaft.) Das ist ein freudiger +Tag heute. (Fuer sich.) Ich moecht zur Decke hinauffahren. + +Sopie. +Wir wollen dich jetzt allein lassen, lieber Bruder. Damit du +eine Stunde ausruhen kannst. Du bist zu angegriffen. In +diesem Zimmer findest du ein Ruhebett, unterdessen werden +wir die Nachforschungen nach meinem armen Mann verdoppeln, +denn es gibt keinen ruhigen Augenblick fuer mich, solange ich +in Ungewissheit ueber sein Schicksal leben muss. (Geht ab.) + +Rappelkopf. +Da werd ein anderer klug, ich nicht. + +August. +Herr von Silberkern, ich weiss, dass Sie alles ueber Herrn von +Rappelkopf vermoegen. + +Rappelkopf. +Da haben Sie recht, wenn ich nichts ueber ihn vermag, dann +richtet niemand etwas mit ihm aus. + +August. +Oh, dann werden Sie mir Ihren Beistand nicht versagen. + +Rappelkopf. +Ihnen? hahaha! Nun, das will ich hoffen. + +August. +Wenn meines Malchens Vater sein Haus wieder betritt und es +Ihnen gelingt, ihm mildere Gesinnungen gegen die Welt +einzufloessen, so vergessen Sie auch meiner nicht! Versichern +Sie ihm, dass es keinen jungen Mann auf Erde gaebe, der mit +einer so unwandelbaren Treue an seiner liebenswuerdigen +Tochter und mit einer so innigen Dankbarkeit an ihrem edlen, +aber ungluecklichen Vater hinge als der von ihm so ungerecht +verfolgte August Dorn. (Verbeugt sich und geht ab.) + +Rappelkopf. +Das ist mir unbegreiflich. + +Malchen (weinend). +Lieber Onkel, wenn Sie meinen Vater sprechen, was ich gewiss +nicht darf, so sagen Sie ihm, dass er seine Amalie unendlich +gekraenkt hat, dass ihn niemand so sehr liebt wie seine Tochter, +aber dass ihr auch gewiss das Herz brechen wird, wenn sie ihren +August verlieren muesste. (Weint heftig.) + +Rappelkopf (sein Vatergefuehl bricht los, er schliesst Malchen +heftig in seine Arme). +Du bist halt doch mein Kind, wenn ich auch jetzt nicht dein +Vater bin. (Nimmt sie am Kopf.) Was nuetzt denn das, das laesst +sich nicht verleugnen. Ich muss dich kuessen, Malchen. + +Malchen. +Ach guter Onkel! + +Rappelkopf. +Sag du mir, ist das wahr, liebst du deinen Vater? + +Malchen. +Unendlich, lieber Onkel! + +Rappelkopf. +Und du luegst nicht? + +Malchen. +Bei Gott nicht. + +Rappelkopf (freudig ueberrascht). +Das ist schoen von dir, das freut mich. (Legt ihren Kopf an +seine Brust.) Sie hat mich lieb! So hab ich doch eine Seele +auf der Welt, die mich liebt. Aber jetzt geh hinaus, ich bitt +dich um alles in der Welt, geh hinaus. + +Malchen. +Sie verstossen mich doch nicht, lieber Onkel? + +Rappelkopf. +Nein, ich verstoss dich nicht, ich will dich noch einmal +kuessen sogar, aber geh hinaus, sonst muss ich mich vor mir +selber schaemen, geh hinaus. + +Malchen. +So ruhen Sie sanft, bester Onkel. (Ab.) + +Rappelkopf (allein). +O Schande! ich bin ein Menschenfeind und komm da in eine +Kuesserei hinein, die gar kein End nimmt. Das war der einzige +vergnuegte Augenblick, den ich seit fuenf Jahren erlebt hab. +Aber wie ist mir denn? bin ich betrunken? Das ist ja keine +Moeglichkeit. Wenn das alles wahr waere, was die Leute +zusammenreden, so waeren sie ja voellige Engel. Das ist Betrug, +da muss etwas dahinterstecken. Das ist ein Einverstaendnis. Mein +Weib ist eine Schlange. Zu was braucht sie einen Zichori? +wenn so viel Kaffee aufgeht. Aber meine Tochter ist brav. +Ueber die lass ich jetzt nichts mehr kommen. Auch den jungen +Menschen trau ich nicht, den haben sies einstudiert. Er waer +ohnehin bald steckengeblieben. Ha, da kommt der Habakuk, der +grosse Bandit. Der soll mir Licht geben. + + + +Sechster Auftritt + +Voriger. Habakuk. + + +Rappelkopf. +He, Habakuk! + +Habakuk. +Wie? Euer Gnaden wissen, wie ich heiss, und haben mich noch +nicht gesehen? + +Rappelkopf. +Nu, ich kann Ihn ja wo anders gesehen haben. + +Habakuk. +Ja freilich, ich war zwei Jahr in Paris. Befehlen Euer Gnaden +etwas? + +Rappelkopf. +Ja! was ich sagen wollte--(Beiseite.) Ich trau dem Kerl nicht. +(Laut.) Hat Er nicht ein Messer bei sich? + +Habakuk. +Nein, ich werd aber gleich eins holen. (Will ab.) + +Rappelkopf (erschrickt). +Untersteh Er sich, ich brauch keins mehr. Ich hab nur etwas +abschneiden wollen. (Fuer sich.) Er waer imstande er holet eins. + +Habakuk. +Ich weiss nicht, ich trag sonst immer ein Messer bei mir-- + +Rappelkopf (fuer sich). +Nun da haben wirs ja, das ist ein routinierter Moerder. (Laut.) +Lieber Freund, ich werd Ihm ein gutes Geschenk machen, geh Er +mir ein wenig an die Hand. Er weiss, ich bin der Bruder Seiner +Frau. + +Habakuk. +Habs schon weg, Euer Gnaden. + +Rappelkopf (fuer sich). +Unbegreifliche Zauberei! (Laut.) Sag Er mir, wie behandelt +denn mein Schwager seine Frau? + +Habakuk. +Infam, Euer Gnaden. + +Rappelkopf. +Was sagt Er? + +Habakuk. +Oh, das ist ein sekkanter Mensch, der glaubt, die Leut sind +nur wegen ihm auf der Welt, dass er s' mit Fuessen treten kann. + +Rappelkopf (fuer sich). +Nun bei dem hoert man doch ein wahres Wort. Der redt doch, wie +er denkt. (Laut.) Ja, es soll nicht zum Aushalten sein. Darum +kann ihn aber auch meine Schwester nicht ausstehen. Nicht wahr? + +Habakuk. +Ah, was fallt Euer Gnaden ein, sie weint sich ja voellig die +Augen aus um ihn. Ich kann sie nicht genug troesten. + +Rappelkopf. +Man hat aber erzaehlt, sie haette ihn wollen gar ermorden lassen. + +Habakuk. +Ah, hoeren Euer Gnaden auf. Euer Gnaden werden doch nicht auch +so einfaeltig sein, das zu glauben. + +Rappelkopf. +Ja, Er ist ja, glaub ich, mit dem Messer auf ihn gegangen. + +Habakuk. +Ich? warum nicht gar, ich fall in Ohnmacht, wenn sie nur ein +Hendel abstechen. Er war im Gartenzimmer, und kein Mensch hat +sich hinausgetraut, und die Koechin hat einen Zichori gebraucht, +und die Frau hat gschafft, ich soll einen ausstechen. + +Rappelkopf (beiseite). +Mit dem ewigen Zichori! am End ists doch wahr. + +Habakuk. +Er lasst ja keinen Menschen zu Wort kommen, der Satanas. + +Rappelkopf (fuer sich). +Das ist ein impertinenter Bursch. Ein Verleumder. (Laut.) Und +sag Er mir, ist denn Sein Herr ein gescheidter Mann? + +Habakuk (verneinend). +Ah! (Vertraulich.) Wissen Euer Gnaden, wir reden jetzt unter +uns, es ist nichts zu Haus bei ihm. (Deutet auf den Kopf.) + +Rappelkopf (beiseite). +Nein, das ist nicht zum Aushalten. (Gibt ihm Geld.) Da hat Er, +mein lieber Freund, Er hat mir schoene Sachen gesagt, ich bin +sehr zufrieden mit Ihm, aber geh Er jetzt. + +Habakuk. +Kuess die Hand! (Fuer sich.) Aha, den freuts, dass ich ueber den +andern schimpf. Er kann ihn nicht recht leiden. Ich muss noch +aerger anfangen, vielleicht schenkt er mir noch etwas. (Laut.) +Ja sehen Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein so +zuwiderer Mensch ist mir nicht vorgekommen, und es gibt ihm +alles nach, das ist gar nichts nutz, da wird er nie kuriert. +Ich versteh nichts von der Medizin, aber ich glaub, wenn er +einmal recht durchgewassert wurd, es muesste sich seine ganze +Natur umkehren. + +Rappelkopf. +Jetzt hat Er Zeit, dass Er geht. Den Augenblick hinaus, Er +undankbarer Mensch, wie kann Er sich unterstehen, so von Seinem +Herrn zu reden? Gleich fort, oder ich schlag Ihm Arm und Bein +entzwei. (Sucht einen Stock.) + +Habakuk. +So ists recht, jetzt faengt der auch an. (Im Abgehen.) Nun, +den sag ich bald wieder was, das ist eine schreckliche Familie. +Na, das ging' mir ab. (Geht brummend ab.) + +Rappelkopf (allein). +So kann man seine Leute kennenlernen. Von meiner Frau redt er +nicht so schlecht, er getraut sich nicht, weil er mich fuer +ihren Bruder haelt. Aber fuer einen Moerder ist er doch zu dumm, +ich hab ihn fuer pfiffiger gehalten. Es wird doch auf den +Zichori hinauskommen. Was mich das fuer eine Ueberwindung kostet, +mit all diesen Menschen zu reden! Aber ich muss meine Untersuchung +vollenden, weil ich sie begonnen habe und weil ich in nichts +zuruecktrete, wenn ich nicht muss, wie heut im Walde. + + + +Siebenter Auftritt + +Voriger. Lischen. + + +Lischen. +Die gnaedige Frau laesst fragen, ob Euer Gnaden eine Tasse Tee +befehlen. + +Rappelkopf. +Ich danke. (Fuer sich.) Die werd ich auch in die Kur nehmen. +(Laut.) Was macht meine Schwester? + +Lischen. +Sie ist sehr betruebt. + +Rappelkopf. +Weswegen? + +Lischen. +Unseres gnaedigen Herrn wegen. + +Rappelkopf. +Wegen mir? + +Lischen. +Ah, wegen Ihnen nicht. + +Rappelkopf (fasst sich). +Ja so. (Fuer sich.) Die kennt mich auch nicht. (Laut.) Und was +macht meine Nichte? + +Lischen. +Sie spricht mit ihrem Braeutigam. + +Rappelkopf (fuer sich). +Himmel und Hoelle! (Fasst sich. Laut.) Was ist denn das fuer ein +Mensch? + +Lischen. +Ein sehr liebenswuerdiger Mensch. + +Rappelkopf. +Was heisst das, macht er Ihr auch die Cour? + +Lischen. +Nun, das waere der Wahre, er wagt es ja kaum, ein anderes +Maedchen anzusehen. Das wird ein handfester Pantoffelritter +werden. Ich glaube, er hat mir bloss darum noch keinen Heller +zum Geschenke gemacht, damit er nur meine Hand nicht beruehren +darf. Er und mein Fraeulein taugen ganz zusammen, und es ist +himmelschreiend, dass der gnaedge Herr seine Einwilligung nicht +gibt. + +Rappelkopf (rasch). +Da hat er recht, wenn er sie nicht gibt. Der junge Mensch hat +keine Achtung vor ihn. + +Lischen. +Ei bewahre, er schaetzt ihn weit mehr--verzeihen Euer Gnaden, +wenn ich so von Ihren Herrn Schwager spreche--aber weit mehr, +als er es verdient. + +Rappelkopf (fuer sich). +Es ist, als ob sie sich alle verschworen haetten wider mich. +Geduld, verlasse mich nicht! (Laut.) Ich will Ihr etwas +schenken, aber sag Sie mir in der groessten Geschwindigkeit +alle ueblen Eigenschaften Ihres Herrn. + +Lischen. +In einer Geschwindigkeit, das ist ohnmoeglich, gnaedger Herr. + +Rappelkopf. +Warum nicht? + +Lischen. +Weil, wenn ich jetzt diesen Augenblick anfange, ich morgen +frueh noch nicht fertig bin. + +Rappelkopf. +Wo ich nur die Geduld hernehme, das alles anzuhoeren! + +Lischen. +Es ist schon genug, dass er ein Menschenfeind ist. Ich begreife +gar nicht, wie man bei einem so grossen Vermoegen, einer +gutmuetigen Frau, einer wohlerzogenen Tochter und einem so +huebschen Stubenmaedchen ein Menschenfeind sein kann. + +Lied +Ach, die Welt ist gar so freundlich +Und das Leben ist so schoen. +Darum soll der Mensch nicht feindlich +Seinem Glueck entgegenstehn. +Alles sucht sich zu gefallen, +Liebend ist die Welt vereint, +Und das Haesslichste von allen +Ist gewiss ein Menschenfeind. +Heitrer Sinn nur kann begluecken, +Nur die Freude hebt die Brust, +Nur die Liebe bringt Entzuecken, +Und der Hass zerstoert die Lust. +Doch wenn alle sich erfreun +Und der Stern des Frohsinns scheint, +Sitzt im duestern Wald allein +Drauss der finstre Menschenfeind. + +Sieht man nur die goldne Sonne, +Wenn sie auf am Himmel steigt, +Wie sie schon mit holder Wonne +Allen Wesen ist geneigt: +Dann kann man die Welt nicht hassen, +Die 's im Grund nicht boese meint, +Man muss nur die Lieb nicht lassen, +Wird man nie zum Menschenfeind. (Ab.) + + +Rappelkopf (allein). +Schrecklich! Muss ich mich auch noch ansingen lassen! Das sind +Beleidigungen nach den Noten, und ich darf den Takt nicht dazu +schlagen. Und alles bleibt auf einem Wort! Wer kommt? + + + +Achter Auftritt + +Voriger. Sophie. Lischen. + + +Sopie (stuerzt rasch herein). +Bruder, er kommt! + +Rappelkopf. +Wer kommt? + +Lischen. +Der gnaedge Herr! + +Sopie. +Mein Mann! + +Rappelkopf. +Ich komm! (Schlaegt sich begeistert an die Brust.) Endlich +einmal. Solang die Welt steht, war noch niemand so neugierig +auf sich selbst als ich. + +Astragalus (ruft noch vor der Tuer). +Dass niemand zu mir gelassen wird! + +Rappelkopf. +Meine ganze Stimme. Ich hoer mich schon. (Tritt zurueck.) + + + +Neunter Auftritt + +Vorige. Astragalus tritt ein. + + +Astragalus (wie er Sophie sieht, prallt er zurueck und ruft). +Ha! (Er will zurueck.) + +Rappelkopf (sagt schnell). +Ich bins, ist kein Zweifel! + +Sopie (haelt ihn zurueck). +Oh, bleib doch, lieber Mann! wir sind gluecklich, dass wir dich +wieder sehn. + +Astragalus (reisst sich los). +Lass mich. Entweder gehst du oder ich. + +Sopie (Mit Ueberwindung). +Nun so bleib, ich will gehn. (Geht seufzend ab.) + + +(Astragalus tritt mit empoerter Miene vor, bleibt mit +verschraenkten Armen stehn und blickt wild umher, ohne +Rappelkopf zu bemerken.) + +Rappelkopf (betrachtet ihn vom Fuss bis zum Kopfe mit +ungeheurem Erstaunen und spricht dann ueberzeugt). +Ich bins--Aufgelegt bin ich nicht gut, aber das kann +nicht anders sein. + +Astragalus (zu Lischen). +Was will Sie da? + +Lischen (zitternd). +Fragen, ob Euer Gnaden nichts befehlen. + +Rappelkopf. +Eine Angst hat alles vor mir, dass es eine Freude ist. + +Astragalus. +Wo ist die Tinte? + +Lischen. +Dort ist sie. (Deutet auf den Tisch.) + +Astragalus. +Und Federn? + +Lischen (aengstlich). +Die hab ich nicht. + +Rappelkopf. +Jetzt hat die Gans keine Federn! + +Astragalus. +Hol Sie welche! hat Sies gehoert? Hinaus mit Ihr, Sie +Schlange, Sie Basilisk, Sie Krokodil, Sie Anakonda! + +Rappelkopf. +In der Naturgeschichte bin ich gut bewandert. + +Lischen. +Gleich, Euer Gnaden. (Im Abgehen.) Der boese Feind hat ihn +zurueckgefuehrt. Ich lass mich nicht mehr sehn. (Ab.) + +Rappelkopf. +Die lauft. Ich weiss nicht, ich gfall mir recht gut. Ein wenig +rasch bin ich, das ist wahr. + +Astragalus (entschlossen). +Ja! Ich will mein Testament machen. + +Rappelkopf (fuer sich). +Testament? Nu waer nicht uebel. Den Entschluss muss ich gleich +unterbrechen. (Laut.) Gruess Sie Gott, lieber Schwager. Eben +bin ich angekommen. + +Astragalus. +Wer ist das? + +Rappelkopf (entzueckt). +Das ist ein eigner Anblick, wenn man vor sich selber steht. + +Astragalus (schnell). +Was machen Sie hier? Warum haben Sie nicht geschrieben? +Haben Sie meine Intressen mitgebracht? Wie stehts mit +meinem Vermoegen? + +Rappelkopf (fuer sich). +Jetzt gehts recht, das moecht ich selbst gern wissen. + +Astragalus. +Das Haus in Venedig soll nicht gut stehen, ist es verloren? + +Rappelkopf (erschrickt). +Verloren? Waer nicht uebel, (beiseite) mir wird selbst angst. + +Astragalus. +Ich hab keine Intressen erhalten. + +Rappelkopf. +Ich auch nicht. + +Astragalus. +Sie muessen es haben, Sie haben mir es sonst geschickt, da +steckt ein Betrug dahinter. + +Rappelkopf. +So lassen Sie sich nur sagen-- + +Astragalus. +Ich lass mir nichts sagen--ich kenn die Welt, sie gehoert +zum Katzengeschlechte-- + +Rappelkopf. +Ich-- + +Astragalus (wuetend). +Still-- + +Rappelkopf. +Wenn er nur nicht gar so schreien moechte, mir tun die Ohren +weh. + + + +Zehnter Auftritt + +Vorige. Habakuk mit Federn. + + +Habakuk (zitternd). +Euer Gnaden, hier bring ich die Federn. + +Astragalus (entsetzt sich). +Ha! Dieser Moerder wagt es, vor meine Augen zu kommen! +(Nimmt den Stuhl vor und retiriert sich.) Komm mir nicht +an den Leib! Bandit! + +Rappelkopf. +Ach, das ist uebertrieben. Wer wird sich denn vor dem Esel +fuerchten? + +Habakuk. +Die gnaedige Frau lasst fragen, ob sie noch nicht herueberkommen +darf. + +Astragalus. +Nein. + +Habakuk. +Sie weint aber so abscheulich. + +Astragalus. +So soll sie schoener weinen, hahaha, oder ich fang zum lachen an. + +Habakuk. +Wenn sie aber krank wird? + +Astragalus. +Die Gicht in ihren Leib! Und ins Spital mit ihr! + +Rappelkopf (beiseite). +Das ist ein kurioser Humor. + +Habakuk. +Ah, verzeihen Euer Gnaden, aber das ist zu stark. Ich war +zwei Jahr in Paris, aber-- + +Astragalus (aufspringend). +Wenn Er es noch einmal wagt, dieses unertraegliche Sprichwort +in meinem Haus ertoenen zu lassen, so--zahl ich hier Seinen +Lohn in vorhinein. (Er wirft ihm einen Geldbeutel vor die +Fuesse und trifft damit Rappelkopf an das Schienbein.) + +Rappelkopf (zieht den Fuss auf). +Sapperment hinein, achtgeben, das muessen harte Taler sein. + +Astragalus. +Hab ich Ihnen weh getan? + +Rappelkopf. +Ich glaub, ich hab ein Loch im Fuss. + +Astragalus. +Gschieht Ihnen recht. (Zu Habakuk.) Wenn Er also dieses Wort +noch einmal sagt, so geht Er an der Stelle aus meinem Dienst. +Wenn ich auch nicht dabei bin. Nehm Er! + +Rappelkopf. +Es ist meine ganze Manier. (Zu Habakuk.) Nu apport! + +Habakuk. +Euer Gnaden, um diesen Preis kann ich mich nicht darauf +einlassen, denn ich habe keinen Stolz, als dass ich zwei +Jahr in-- + +Astragalus (fasst ihn am Halse). +Ich erdrossle Ihn, wenn Er noch einen Buchstaben mehr dazu +sagt. + +Habakuk. +Zu Huelfe! Zu Huelfe! + +Rappelkopf (springt dazwischen). +Aber Herr Schwager, das haett ich meinem Leben nicht geglaubt. + +Astragalus (haelt ihn noch immer). +Wo warst du zwei Jahr, warst du in Paris? + +Habakuk (schreit aengstlich). +Nein, in Stockerau. + +Astragalus. +Also geh hin, wo der Pfeffer waechst. (Stosst ihn zur Tuer hinaus.) + +Rappelkopf. +Ich find doch, dass ich etwas Abstossendes in meinem Betragen +habe. Wenn das so fortgeht, so kaem ich mit mir selbst nicht +draus. Ja so! Mein Geld muss ich wieder einstecken. Wir haben +ja eine Kassa, das ist kommod, wenns der eine wegwirft, hebts +der andere auf. Und wenn nur das nicht waer, dass, was ihm +geschieht, auch mir geschehen muss. Und wie lang er draussen +bleibt, ganz erhitzt, wenn er sich erkuehlt, so kriegen wir +die Kolik. (Astragalus tritt ein.) + +Astragalus. +Weil ich im Wald keine Ruh hab, so sollen sie auch von mir +keine haben. Denn sie sind boshaft, sie koennten mich vergiften. +(Setzt sich in einen Stuhl.) + +Rappelkopf. +Das sind so uebertriebene Sachen. Wenn er nur etwas mit sich +reden liess'. Herr Schwager! + +Astragalus (wendet ihm den Ruecken zu). +Hinaus! Ungeheuer! + +Rappelkopf. +So hab ichs akkurat gemacht. (Laut.) Aber warum denn? Wir +sind ja die besten Freunde. + +Astragalus. +Ich bin keines Menschen Freund. Und Sie will ich gar nicht +ansehen. Ihr Gesicht ist mir verdaechtig. + +Rappelkopf. +Sie werden mich doch fuer keinen Betrueger halten? + +Astragalus. +Das nicht, aber man erinnert sich an einen, wenn man Sie ansieht. + +Rappelkopf. +Ah, das ist impertinent, diese Grobheit haett ich mir nicht +zugetraut. Und doch erinnere ich mich auf aehnliche Worte. + +Astragalus (zum Fenster hinaus). +Halt, wer schleicht da zur Tuer hinaus? Donner und Blitz, das +ist der junge Maler, der war bei meiner Tochter. + +Rappelkopf. +Jetzt wirds angehn. + +Astragalus. +Wart, du kommst mir nicht mehr aus. (Springt zur Tuer hinaus +und stoesst Rappelkopf der ihm im Weg steht, auf die Seite.) + +Rappelkopf. +Ich bin ja ein rasender Mensch. Ich fang mir ordentlich an +selbst zuwider zu werden. Das haett ich meinen Leben nicht +gedacht. + +Astragalus (von innen, schreiend). +Sie muessen herein, ich lasse Sie nicht los. + +Rappelkopf. +Hat ihn schon bei der Falten. + +Astragalus (von innen). +Herein, sag ich. + +Rappelkopf. +Und wie er schreit! und das geht alles auf meine Rechnung. +Bis die Gschicht ein Ende hat, ruiniert er mir noch meine +ganze Brust. + + +(Astragalus zerrt August an der Hand herein.) + +Astragalus. +Herein, du Verfuehrer meines Kindes! Wie koennen Sie es wagen, +mein Haus zu betreten? Wer gibt Ihnen ein Recht dazu? + +Rappelkopf. +Das ist wieder gut gesprochen, das gefaellt mir. + +August (ganz bleich). +Meine Liebe, Herr von Rappelkopf, und meine redlichen +Absichten. + +Astragalus. +Sie sollen gar keine Absichten haben, weil Sie keine +Aussichten haben. + +Rappelkopf. +Bravo! + +Astragalus. +Ich kann mein Kind verheiraten, an wen ich will, denn ich +bin Vater. + +Rappelkopf. +Bravissimo! + +Astragalus. +Und es ist eine Frechheit von Ihnen, dass Sie sich gegen +meine Erlaubnis in mein Haus zu schleichen suchen, um mein +Kind von dem Gehorsam gegen seinen Vater abzubringen. + +Rappelkopf. +Sehr schoen, ich muss mich selber loben. + +August. +Herr von Rappelkopf, ich beschwoere Sie bei allen Gefuehlen, +welche Ihr leidenschaftliches Herz je bestuermten, haben Sie +Nachsicht mit den meinigen. Ich kann ohne Ihre Tochter nicht +leben, ich war drei Jahre abwesend, und meine Gesinnungen +haben sich nicht veraendert. Ich besitze ein kleines Vermoegen, +habe mich in meiner Kunst verbessert, schenken Sie mir Ihre +Einwilligung, nie werde ich Ihre Gnade vergessen, und Sie +werden einen dankbaren Sohn an mir gewinnen. + +Rappelkopf. +Das ist kein gar so schlechter Mensch, er soll doch nicht so +hart mit ihm sein. + +Astragalus. +Ich traue Ihren Worten nicht, denn Falschheit blickt aus Ihrem +Auge. Darum wagen Sie es nicht mehr, meine Schwelle zu betreten. +Eh steht mein Tor hungrigen Woelfen offen, eh lass ich Raben +unter meinem Dache nisten, eh will ich giftge Schlangen an +dem Busen naehren, eh lass ich alle Seuchen hier im Hause wueten +und will die Pest zu meinem Tische laden, eh ich nur Ihrer +Lunge einen Atemzug in meinem Schloss erlaube. + +Rappelkopf. +Das ist ein Unsinn ohnegleichen. Es ist beinah nicht zu glauben, +dass ein Mensch so sein kann. + +August. +Herr von Rappelkopf, wenn Ihnen das Leben eines Menschen etwas +gilt, so reizen Sie meine Leidenschaft nicht auf das hoechste-- +Herr von Silberkern, nehmen Sie sich meiner an. + +Rappelkopf. +Ich kann ja nicht, ich bin froh, wenn er mich selber nicht +hinauswirft. + +August. +Also wollen Sie mir mit Gewalt das Leben rauben? + +Astragalus (boshaft). +Sie wuerden mich sehr verbinden, wenn Sie mir es zum Geschenke +machen wollten. + +Rappelkopf (entruestet). +Ah, das ist infam--Herr Schwager (Geht auf Astragalus zu.) + +Astragalus (faehrt heftig auf ihn los). +Schweigen Sie! Sie sind auch im Komplott mit ihm, aber ich +schwoere es Ihnen bei dem gluehenden Eingeweide des Vesuvs: wenn +Sie es wagen, mein Kind in dieser Leidenschaft zu unterstuetzen, +wenn Sie nur eine Miene machen, meine Ansichten zu missbilligen, +so werden Sie ein Andenken nach Venedig mit zuruecknehmen, dass +ganz Italien darueber in Entsetzen geraten soll. (Ab ins +Nebenzimmer.) + + + +Elfter Auftritt + +Rappelkopf. August. + + +Rappelkopf. +Nein, das ist nicht mein Ebenbild. Der uebertreibt. Das ist +ein schauderhafter Mensch, ich krieg einen ordentlichen Hass +auf ihn. Wenn der so fortwuetet, in acht Tagen sind wir alle +zwei hin. + +August (der mit sich gekaempft). +Leben Sie wohl, Herr von Silberkern, gruessen Sie mein Malchen +und vergessen Sie mich nicht. + +Rappelkopf. +Wo wollen Sie denn hin? + +August. +Fragen Sie mich nicht. Ich kann ohne Amalie nicht leben-- +(Will fort.) + +Rappelkopf. +So sein Sie nur ruhig, ich geh Ihnen mein Wort, Sie bekommen +sie. + +August. +Wenn aber der Vater nicht will? + +Rappelkopf. +Er will schon, der Vater, sorgen Sie sich nicht. Gehen Sie +jetzt unterdessen fort, ich werde alles ausgleichen, und wenn +Sie Liebesbriefe haben, so geben Sie s' mir, ich werd sie +schon besorgen. + +August. +Ach bester Onkel, ich muss Sie umarmen, o Freude, Freude, +verlassen Sie mich nicht, sagen Sie meinem Malchen-- + +Rappelkopf. +Gehen Sie nur-- + +August. +Nie werd ich Ihre Guete vergessen-- + +Rappelkopf (draengt ihn zur Tuer hinaus). +Auf Wiedersehn! (Allein.) Das ist ein passabler Mensch. Den +hab ich beinahe verkannt. Ueberhaupt faengt es bei mir an, etwas +Tag zu werden. + + + +Zwoelfter Auftritt + +Habakuk. Voriger. + + +Habakuk. +Euer Gnaden verzeihen, dass ich meine Zuflucht zu Ihnen nimm, +mit meinen gnaedigen Herrn zu reden, ist zu halsbrecherisch. +Da sind Euer Gnaden viel guetiger. Euer Gnaden haben mir doch +nur Arm und Bein entzwei schlagen wollen, und unter zwei Uebeln +muss man das kleinste waehlen, und da bin ich also an Euer Gnaden +geraten. + +Rappelkopf. +Das ist gar ein dummer Mensch, ich kann gar nicht begreifen, +wie mich etwas beleidigen hat koennen von ihm. Nu was hat Er +denn? + +Habakuk. +Ein Anliegen, Euer Gnaden. + +Rappelkopf. +Was denn fuer eines? + +Habakuk. +Sehen Euer Gnaden, ich--(Haelt inne und seufzt tief.) Ich +halts nicht aus. + +Rappelkopf. +Was haelt Er nicht aus? (Beiseite.) Das ist ein unertraeglicher +Kerl, mir steigt schon die Gall auf. + +Habakuk. +Euer Gnaden wissen, dass ich das Bewusste nicht mehr sagen darf, +und wenn das nicht anders wird, so muss ich zugrunde gehen. + +Rappelkopf. +Aber was hat Er denn davon, wenn Er sagt, dass Er zwei Jahr in +Paris war? + +Habakuk. +Unendlich viel, es hat alles viel mehr Achtung vor einem. Das +hab ich schon viel hundertmal an andern bemerkt. Kurz, wenn +ich das verschweigen muss, ich bekomme eine Gemuetskrankheit, +ich geh drauf. + +Rappelkopf (unwillkuerlich laechelnd). +Ich weiss nicht, soll ich mich aergern oder soll ich lachen. + +Habakuk. +Ich unterdruck es immer, und das macht mir Beklemmungen. +Denn ich war zwei--(Setzt ab.) Sehn Euer Gnaden, mir wird +voellig nicht gut. + +Rappelkopf. +Ja wegen was darf Ers denn nicht sagen? + +Habakuk. +Er jagt mich ja fort. + +Rappelkopf. +Wenn er es aber nicht hoert? + +Habakuk. +Ja was glauben Sie denn, was der fuer Ohren hat, die gehn ja +ins Unendliche. + +Rappelkopf. +Schimpft in einem fort ueber mich und weiss es nicht. Was ich +fuer Grobheiten einstecken muss! (Scharf.) Wenn ers befohlen +hat, so muss Ers tun, ich kann Ihm nicht helfen. + +Habakuk. +Also keine Rettung. Ich empfehl mich Euer Gnaden! aber es +wird eine Zeit kommen, wo es zu spaet ist. Ich habe meinen +Dienst ordentlich versehen, ich hab keinen Kreuzer veruntreut, +aber das ist meine Leidenschaft, von der kann ich nicht lassen. + +Rappelkopf. +Nu so sag Ers-- + +Habakuk. +Ich trau mich nicht. + +Rappelkopf. +Auf meine Verantwortung. + +Habakuk. +Lassen sich Euer Gnaden statt mir fortjagen? + +Rappelkopf. +Nun ja-- + +Habakuk. +Nun so versichre ich Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, +aber das werd ich Ihnen nicht vergessen. (Atem schoepfend, als +fuehlte er sich erleichtert.) Das ist eine Wohltat, die nicht +zu beschreiben ist. + +Rappelkopf. +Also ich erlaub es Ihm, von diesem Augenblick an, es wieder +zu sagen, unter der Bedingung, dass Er nicht mehr ueber seinen +Herrn schimpft. + +Habakuk. +Oh, das ist ein Mann, wies gar keinen mehr gibt. Und jetzt +erlauben Euer Gnaden, dass ich Euer Gnaden umarmen darf. Euer +Gnaden sind mein Wohltaeter, mein Vater! Heut bringt kein +Mensch mehr ein anderes Wort aus mir heraus als: Ich war +zwei Jahr in Paris. (Ab.) + +Rappelkopf (allein). +Es ist unglaublich, der eine moecht gern ewig verliebt sein, +und dieser ist wieder zufrieden, wenn man ihm erlaubt, dass +er sagen darf, dass er zwei Jahr in Paris gewesen ist. Es +ist laecherlich, und doch findet er seinesgleichen. Es hat +halt jedermann sein Steckenpferd. + +Arie +Die Welt, ich schreib ihr die Devise, +Ist bloss ein wahnberauschter Riese. +Der eine spraech gern mit den Sternen, +Der andre moecht gern gar nichts lernen, +Der dritte denkt, zum Existieren +Muesst sich die Menschheit parfuemieren. +Der laeuft im Wahn dem Wasser zu, +Der andre laesst dem Wein kein Ruh. +Der ist so bloed wie ein Stueck Holz, +Und jener kennt sich nicht vor Stolz. +Der sitzt und erbt zehntausend Gulden, +Der laeuft herum und ist voll Schulden. +Oft moecht der eine avancieren, +Der andre moecht sich retirieren. +Der Blinde moecht gern Augen finden, +Und mancher sieht und moecht erblinden. + +So dreht die Welt sich immer fort +Und bleibt doch stets an einem Ort. +Der Egoismus ist die Achse, +Der Hochmut zahlt am End die Taxe. +Die Erd, es koemmt darauf heraus, +Ist nur im Grund ein Irrenhaus. +Und wie ich nach und nach gewahr, +So bin ich selbst ein grosser Narr. + + + +Dreizehnter Auftritt + +Voriger. Sophie, Malchen und Lischen treten ein. + + +Sopie. +Lieber Bruder, was sagst du zu dem Betragen meines Mannes? +Hab ich das um ihn verdient? + +Rappelkopf. +Nein, liebe Schwester, so lang ich da bin, nicht. (Beiseite.) +Wenn nicht noch was nachkommt. + +Malchen (weint). +Ach Onkel, jetzt ist mein Unglueck entschieden. + +Rappelkopf. +So troeste dich, Malchen! (Beiseite.) Nur um das Kind ist +mir leid, an den andern allen liegt mir nichts. + + +(Man hoert von innen laeuten.) + +Lischen. +Er laeutet. Wer geht denn jetzt hinein? + +Sopie. +Mich will er ja nicht sehen. + +Rappelkopf. +Und ich mag ihm nicht sehen. + +Lischen. +Ich trau mich nicht hinein. + +Malchen. +Ich auch nicht, liebe Mutter. + +Rappelkopf. +Ich bin ungemein beliebt. + +Malchen. +Lieber Onkel, gehen Sie! + +Rappelkopf. +Ich? Ich nicht. (Beiseite.) Ich fuercht mich vor mir selber. + + +(Es laeutet wieder.) + +Sopie. +Er laeutet wieder. Ich muss doch-- + +Lischen (schnell). +Ich geh schon, gnaedge Frau. (Steckt den Kopf zur Kabinettstuer +hinein und ruft.) Was befehlen Ihro Gnaden? + +Astragalus. +Frisches Wasser! schnell! + +Alle drei. +Was ist ihm denn? + +Lischen. +Er sitzt erhitzt am Fenster, es scheint ihm nicht wohl zu +sein, er ruft nach Wasser. + +Sopie. +Bring Sie welches. Wenn er nur nicht krank wird! + + +(Lischen geht ab.) + +Rappelkopf. +Nu waer nicht uebel, das koennt ich brauchen. + +Sopie. +Am Ende trifft ihn noch der Schlag. + +Rappelkopf. +Hoer auf, mir wird schon voellig bang. + +Sopie. +Gib die Hausapotheke her! Niederschlagendes Pulver! + +Rappelkopf. +Nur geschwind etwas Niederschlagendes. + +Malchen (nimmt sie aus dem Schrank). +Hier ist sie. + +Lischen (ein Glas Wasser bringend). +Hier ist Wasser! + +Rappelkopf. +Wartet nur, ich werd es selbst hineinruehren. (Tut es. +Fuer sich.) Ich muss ja schauen auf mich, was waer denn das? + +Lischen (die am Kabinett gehorcht, springt weg davon). +Er koemmt. + + + +Vierzehnter Auftritt + +Vorige. Astragalus aus dem Kabinette. + + +Astragalus. +Also so werden meine Befehle respektiert? (Zu Sophie.) Was +machst du hier? Was hat der Maler hier im Hause wollen? Wir +sprechen uns schon noch. + +Sopie. +So sei nur ruhig, lieber Mann, dir ist nicht wohl, setz dich +doch und nimm Arznei. (Sie reicht ihm das Glas.) + +Astragalus (wild). +Wasser will ich, und sonst nichts. + +Sopie. +Du musst, ich darf dich nicht erkranken lassen. So nimm, ich +bitte dich. + +Astragalus. +Nein! + +Malchen. +Lieber Vater, nehmen Sie. + +Rappelkopf. +Es gehoert wirklich eine Geduld dazu. Ich moecht mich selbst +ohrfeigen, aber auf seinem Gesicht. + +Astragalus. +So gib denn her. (Er nimmt das Glas.) Hoelle, was ist das? +der Trank ist truebe. Gesteh, du hast ihn mir vergiftet. + +Malchen. +Aber Vater-- + +Lischen. +Gnaedger Herr! + +Astragalus. +Da hilft kein Leugnen mehr, der Trank ist Gift. + +Rappelkopf. +Ah, das ist noch ueber den Zichori. + +Sopie. +So hoer doch nur, es ist ja niederschlagendes Pulver. + +Astragalus. +Es ist nicht wahr. + +Rappelkopf. +Ich schlag ihn noch ohne Pulver nieder. + +Astragalus (wirft das Glas um die Erde). +Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher. + +Rappelkopf. +Entsetzlich! meine eigenen Worte. + +Astragalus. +Mein Weib ist eine Moerderin. Darum herab mit euch, ihr +Fruechte, die fuer meinen Hass gereift. (Entreisst Sophien ihre +Halskette, woran sein Portraet haengt.) Was traegst du hier +am Hals? hinweg damit, du sollst kein Angedenken von mir +tragen als den Fluch, womit ich deine Bosheit kroenen will. +So hoer mich denn, du moerderisches Weib-- + +Rappelkopf. +Genug, genug! das ist der ganze Narr wie ich, ich kann mich +selber nicht mehr anschauen mehr. + +Sopie (faellt in einen Stuhl). +Ich unglueckselges Weib! + +Astragalus. +Verlass mein Schloss, ich will allein hier hausen, und mein +Geschaeft heisst Menschenhass. Ich will von dir und von der Welt +nichts wissen mehr, verwuensche dich, verwuensch mein Kind-- + +Rappelkopf. +Nein Sapperment, jetzt wirds mir z'viel. Der Mensch verflucht +mir 's ganze Haus. + +Astragalus. +Geh hin zu deinem Maler, treib es bunt, wie ein Chamaeleon +sollst du in allen Farben prangen, werd gruen vor Galle, +blau von Schlaegen, rot vor Schande, weiss vor Kummer, gelb +von Fieber, grau vom Alter und-- + +Rappelkopf (freudig). +Das ist gscheid, jetzt gehn ihm d' Farben aus. + +Astragalus. +Doch lass dich nimmermehr vor meinen Antlitz sehen, verleugne +mich, ich bin dein Vater nicht-- + +Malchen (umklammert weinend seine Knie). +Vater, Barmherzigkeit, verstossen Sie mich nicht! + +Astragalus. +Hinweg von mir! (Stosst sie fort.) + +Rappelkopf. +Das leid ich nicht--potz Donnerkeil und Wolkenbruch--Nun +hab ichs satt, ich muss mich um meine Familie annehmen. Der +Mensch ruiniert mir Weib und Kind. Sapperment! Sie sind kein +Mensch, ein Teufel sind Sie, der mich schwaerzer darstellt, +als ich bin. + +Astragalus. +Du kommst mir eben recht, du schaendlicher Betrueger! Gib mir +Genugtuung dafuer, dass du Komplotte hinter meinem Ruecken +schmiedest. Gib Rechenschaft--(er packt ihn an der Brust) +wie mein Vermoegen steht-- + +Malchen. +Zu Huelfe! Onkel! + +Sopie (gleichzeitig). +Zu Huelfe! Bruder! + +Lischen (gleichzeitig). +Zu Huelfe! + +Rappelkopf. +Was? anpacken? Ha, Entehrung! Satisfaktion, Duell! + + +(Alle Hausleute.) + +Astragalus. +Pistolen her! + +Rappelkopf. +Kanonen her! + +Astragalus (nimmt Pistolen von der Wand). +Hier sind sie schon. + +Rappelkopf. +Das wird ein Treffen wie bei Navarin. + +Sopie. +Mann, ich bitte dich um alles in der Welt! + +Astragalus. +Umsonst! + +Malchen. +Onkel, sind Sie doch vernuenftig! + +Rappelkopf. +Geh weg, ich hab keine Zeit dazu. + +Astragalus. +Fuenf Schritte sind genug. Wir schiessen uns zugleich. Zaehl drei! + +Sopie. +Versoehnt euch doch! + +Rappelkopf. +Wir sind die besten Freund, jetzt sind wir erst auf du und +du. Geh fort, ich muss. (Zaehlt und zielt.) Eins, zwei-- + +Sopie (faellt in Ohnmacht). +Ach! + +Rappelkopf. +Die fallt schon um, ich hab noch gar nicht gschossen. + +Malchen. +Die Mutter stirbt! + +Rappelkopf. +Sie soll noch warten, sag! + +Astragalus. +Drueck los! + +Malchen (umschlingt ihren Vater). +Ach Onkel, halten Sie, sonst toeten Sie zwei Menschen. + +Rappelkopf (prallt zurueck). +Was? Himmel, jetzt fallt mir was ein, ich kann mich gar +nicht duellieren mit ihm! Wir haben nur alle zwei ein +Leben. Wann ich ihm erschiess, so schiess ich mich selber +tot. Wenn ich jetzt losdruckt haett, jetzt waers schon gar. + +Astragalus. +Mach fort! warum besinnst du dich? + +Rappelkopf. +Nu wenn sich einer da nicht besinnen soll, hernach gehts recht. + +Astragalus. +Nur einer faellt, ich oder du. + +Rappelkopf. +Das kann nicht sein, wir falln in Kompagnie. + +Astragalus. +Gleichviel, es geht auf Leben und Tod. (Zielt.) + +Rappelkopf. +Halt, es geht auf Tod und Tod. + +Astragalus (geht auf ihn zu). +Warum willst du nicht schiessen, feiger Wicht? + + +(Sophie hat sich indessen erholt.) + +Rappelkopf. +Weil mich meine Schwester dauert--ich will sie nicht zur +Witwe machen--, und ihr Kind, und ihr Schwager, und die +ganze Freundschaft. (Beiseite.) Das ist eine Schande, ich +weiss gar nimmer, was ich sagen soll. + +Astragalus. +Ich will mein Leben nicht fuer sie erhalten, und dir will +ichs am wenigsten verdanken. Es gilt mir nichts, ich werf +ihn weg, den unschmackhaften Rest des altgewordnen Seins, +ich brauch ihn nicht. + +Rappelkopf. +Wie der mit meinem Leben herumwirft, und ihm gehts gar +nichts an. + +Astragalus. +Doch deine Feigheit will ich nicht hier dulden, du packst +dich fort aus meinem Haus, sonst werf ich dich hinaus-- + +Rappelkopf. +Jetzt wirft er mich gar aus meinen eignen Haus? Der Mensch +spielt noch Ballon mit mir, und bring ich ihn recht in Zorn, +so trifft uns alle zwei der Schlag. Ich weiss gar nicht, was +er noch immer will, ich sehs ja ein, ich war ein unvernuenftig +Tier, ein Tiger, drum will ich wissen, was denn jetzt noch +kommt. (Habakuk mit einem Brief tritt schnell ein.) + +Habakuk (eintoenig). +Ein Brief. + +Rappelkopf. +Aus Paris? Du Dummkopf! + +Habakuk. +Nein, dasmal ist er aus Venedig. + +Astragalus (schiesst darauf los). +Aus Venedig? her damit! + +Rappelkopf. +Her damit! Der intressiert mich selbst. (Will hineingehen.) + +Astragalus (faehrt ihn an). +Was wollen Sie? + +Rappelkopf (erschrickt). +Ja so! Jetzt darf ich meine eignen Briefe nicht lesen. +Verdammter Doppelgaenger du! (Astragalus wird waehrend des +Lesens unruhig und bleich und zittert.) Das muss eine schoene +Nachricht sein. + +Astragalus (laesst zitternd das Blatt fallen und sagt mit +Entsetzen). +Ich bin verloren! + +Rappelkopf (faengt zum zittern an). +So bin ichs auch. + +Astragalus (sinkt in einen Stuhl.) +Mir wird nicht wohl. + +Rappelkopf. +Und mir wird uebel. (Sinkt in den gegenueberstehenden Stuhl.) + +Astragalus. +Ich geh zugrunde + +Rappelkopf. +Ich bin schon hin. + +Alle. +Wasser! Wasser! + + +(Die Weiber sind besorgt. Lischen laeuft ab.) + +Astragalus (springt auf). +Wasser! Ja, ihr erinnert mich darauf. (Zu Rappelkopf) Du +Verraeter bist an allem schuld. (Stuerzt ab.) + +Rappelkopf (springt auch auf). +Nein, mein Schwager ist an allem schuld! Wo ist der Brief? +(Liest. Erstarrt.) "Mein Herr, ich berichte Ihnen, dass das +Handlungshaus, bei welchem Ihr Vermoegen liegt, ge--ge-- +fallen ist." Ich lieg schon da--ich streck schon alle vier +von mir. (Lischen kommt zitternd.) + +Lischen. +Huelfe! Huelfe! der gnaedge Herr ist fort, er ruft, er wolle +sich ersaeufen, er stuerzt sich in den Strom. + +Sopie. +Mein Mann! + +Malchen. +Der Vater! + +Alles. +Eilt ihm nach! (Alles stuerzt ab.) + +Rappelkopf (kann vor Angst nicht von der Stelle). +Halts ihn auf, den unglueckselgen Kerl, was der Mensch mit +meim Leben treibt! Ich komm aus einen Tod in den andern +hinein. (Die Knie brechen ihm.) Ich kann nicht fort, er +springt hinein. Er ist schon drin, ich fang zum schwimmen +an. (Schleppt sich fort.) Der Himmel steh mir bei, dasmal +ein Menschenfeind, in meinem Leben nimmermehr. Verzweiflung, +gib mir Kraft, sonst muss ich untergehn. (Ab.) + + + +Fuenfzehnter Auftritt + +Verwandlung +Freie Gegend vor dem Schlosse. Im Hintergrunde ein tiefer +Strom, an der Seite ein hoher Fels. + +Alle Hausleute. Malchen. August. Astragalus wird gehalten. +Sophie kniet vor ihm. Gruppe. + + +Chor. +Haltet ihn, haltet ihn! +Seht, er will entrinnen. +Lasst ihn nicht, lasst ihn nicht, +Denn er ist von Sinnen! + +(Astragalus reisst sich los und eilt auf den Fels. In dem +Augenblick erscheint) + +Rappelkopf (und ruft). +Halt! + + +(Astragalus springt hinab. Rappelkopf faellt ohnmaechtig in +die Arme seiner Frau und Tochter.) + + +Schnelle Verwandlung in den Tempel der Erkenntnis. Hohe +Saeulen von Kristall mit Gold geziert. Auf der Hinterwand +eine grosse Sonne, in deren Mitte die Wahrheit schwebt. Vor +ihr ein Opferaltar. Astragalus' Gestalt, welche in das +Wasser sprang, war eine falsche. Dieser zeigt sich nun +wie zu Anfang des zweiten Aktes. Mit ihm ideal gekleidete +Alpengeister. Rappelkopf hat sich indessen in seine wahre +Gestalt verwandelt. Sophie. Malchen. August. + +Astragalus (zu Rappelkopf). +Willkommen hier in der Erkenntnis hellstrahlendem Tempel, +im wahrheiterleuchteten Saale. Ich sehe dich beschaemt und +reuergriffen vor mir stehen. + +Rappelkopf. +Ja leb ich denn noch? Bin ich denn nicht in Kompagnie ersoffen? + +Sopie. +Du lebst noch, lieber Mann! + +Malchen. +Sie leben, lieber Vater! + +Rappelkopf. +Und kuenftig nur fuer euch. (Umschlingt sie beide.) Wenn ich +euch nicht zu schlecht bin, dass ihr fuer mich auch lebt. + +Astragalus. +Du hast nun Menschenhass geschaut und eines Menschenfeindes +Ende. + +Rappelkopf. +Und ist er denn wirklich hin, dieser verwuenschte +Lebenskompagnon, dieses Zerrbild meiner Unvertraeglichkeit? + +Astragalus. +Er ist verschwunden wie dein Menschenhass. + +Rappelkopf. +Nu das waren ein Paar saubre Leute, ich bin froh, dass ich +sie losgeworden bin. Aber weil Eure Hoheit gar so viel +vermoegend sind, koennten Sie denn nicht auch etwas ueber +mein verlornes Vermoegen vermoegen. Damit ich auch meinem +Schwager verzeihen koennt, weil er der einzige ist, den ich +noch hasse. (Man hoert ein Posthorn. Linarius, als Postknecht +gekleidet, mit Herrn von Silberkern.) + +Linarius. +Hier lad ich meinen Passagier von seiner Wolkenreise ab. +Die Alpenluft hat ihm recht gut getan. + +Silberkern. +Nu wart, du saubrer Postillon! Herr Schwager, seh ich Sie +einmal? + +Rappelkopf. +Sie sind mir schon der liebste Schwager, jetzt kommt er erst +daher, wenn schon alles vorbei ist. Sie sind an meinem Unglueck +schuld, ich bin ein Bettler. + +Silberkern. +Von einmalhunderttausend Gulden Muenze, die ich ohne Ihre +Einwilligung bei dem Bankier erhoben habe, bevor das Haus +noch fiel. Weil ich Wind bekam und Ihr Vermoegen retten +wollte, das ich Ihnen hier in Wechseln uebergebe. + +Rappelkopf. +Ach, das ist ein Schwager, den lass ich mir gfallen, der +bringt doch was ins Haus. (Umarmt ihn, Silberkern umarmt +Sophie.) Kinder, mein Vermoegen, die Menge Wechsel, ich bin +voellig ausgewechselt vor lauter Freuden. Herr Schwager, das +werd ich Ihnen nie vergessen. + +Silberkern. +Zahlen Sie mir lieber meine Angst, die ich Ihretwegen ausstehn +musste. + +Rappelkopf. +Ich geh Ihnen die meinige dafuer, Sie kommen nicht zu kurz. + +Silberkern. +Aber wie haengt denn das alles zusammen? + +Rappelkopf. +Freund, das werden wir Ihnen morgen frueh erzaehlen, sonst moecht +es den Leuten zu viel werden. Denn ich hab heut schon so viel +geredet, dass ich nichts mehr sagen kann als: (zu August) +Sie sind mein Schwiegersohn. Nehmen Sie sie hin. Aber Sie +sind ein Maler, schmieren Sie s' nicht an. Lieben Sie s' so, +wie ich Sie unrechterweise gehasst habe, dann kann sie schon +zufrieden sein. + +August, Malchen (zugleich). +Bester Vater! + +Rappelkopf (auf den Alpenkoenig zeigend). +Dort bedankt euch. + +August, Malchen (stuerzen zu Astragalus' Fuessen). +Grosser Alpenkoenig, Dank! + +Astragalus (mit Ruehrung). +Ich hab dir gestern einen Kranz versprochen, +Als ich dein Leid im Alpentale sah. +Du siehst, ich habe nicht mein Wort gebrochen, +Das Leid ist fort, der Kranz ist da. + + +(Er nimmt einen Kranz aus schoenen Alpenblumen von glaenzender +Folio, den ihm einer von den Alpengeistern reicht, und setzt +ihn Malchen auf.) + +So nimm ihn hin, du Maedchen seltner Art, +Das treulich haelt, was liebend es verspricht, +Und weil ich euch so vaeterlich gepaart, +Vergesst auch auf den Alpenkoenig nicht. + + +(Geht ab.) + +Rappelkopf. +Kinder, ich bin ein pensionierter Menschenfeind, bleibt bei +mir, und ich werde meine Tage ruhig im Tempel der Erkenntnis +verleben. + +Schlussgesang +Erkenntnis, du lieblich erstrahlender Stern, +Dich suchet nicht jeder, dich wuenscht mancher fern. +Zum Beispiel die Leute, die uns oft betruegn, +Die wolln nicht erkannt sein, sonst wuerden s' nicht luegn. +Doch seien vor allen die Schoenen genannt, +Die werdn von uns Maennern am ersten erkannt. +Die Guten, die brauchen schon laengere Zeit, +Obwohl die Erkenntnis dann ewig erfreut. + +Die Jugend will oft mit Erkennen sich messen, +Die hat den Verstand schon mit Loeffeln gegessen. +Doch rueckt nur das Alter einmal an die Reih, +Dann kommt die Erkenntnis schon selber herbei. + +Der Mensch soll vor allem sich selber erkennen, +Ein Satz, den die aeltesten Weisen schon nennen, +Drum forsche ein jeder im eigenen Sinn: +Ich hab mich erkannt heut, ich weiss, wer ich bin. + +Erkannt zu sein wuenscht sich vor allem die Kunst. +Die feine Kokette bewirbt sich um Gunst. +Und wird sie auch heute mit Ruhm nicht genannt, +So werde denn doch nicht ihr Wille verkannt! + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER ALPENKONIG UND DER MENSCHENFEIND *** + +This file should be named 7alpn10.txt or 7alpn10.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7alpn11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7alpn10a.txt + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our Web sites at: +http://gutenberg.net or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any eBook before announcement +can get to them as follows, and just download by date. This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04 + +Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +Donations by check or money order may be sent to: + +Project Gutenberg Literary Archive Foundation +PMB 113 +1739 University Ave. +Oxford, MS 38655-4109 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. 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Do not change or edit the +header without written permission. + +Please read the "legal small print," and other information about the +eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is +important information about your specific rights and restrictions in +how the file may be used. You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Der Alpenkonig und der Menschenfeind + +Author: Ferdinand Raimund + +Release Date: October, 2004 [EBook #6637] +[Yes, we are more than one year ahead of schedule] +[This file was first posted on January 8, 2003] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-Latin-1 + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER ALPENKONIG UND DER MENSCHENFEIND *** + + + + +Thanks are given to Delphine Lettau for finding a huge collection of ancient +German books in London. + + + +This Etext is in German. + +We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, +known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email-- +and one in 8-bit format, which includes higher order characters-- +which requires a binary transfer, or sent as email attachment and +may require more specialized programs to display the accents. +This is the 8-bit version. + + + + +Der Alpenkönig und der Menschenfeind + +Ferdinand Raimund + +Romantisch-komisches Original-Zauberspiel in zwei Aufzügen + +Personen: + +Astragalus, der Alpenkönig +Linarius und Alpanor, Alpengeister + +Herr von Rappelkopf, ein reicher Gutsbesitzer +Sophie, seine Frau +Malchen, seine Tochter dritter Ehe +Herr von Silberkern, Sophiens Bruder, Kaufmann in Venedig +August Dorn, ein junger Maler +Lischen, Malchens Kammermädchen +Habakuk, Bedienter bei Rappelkopf +Sebastian, Kutscher in Rappelkopfs Dienst +Sabine, Köchin in Rappelkopfs Dienst + +Christian Glühwurm, ein Kohlenbrenner +Marthe, sein Weib +Salchen, ihre Tochter +Hänschen, Christoph und Andres, ihre Kinder +Franzel, ein Holzhauer, Salchens Bräutigam +Christians Großmutter + +Rappelkopfs verstorbene Weiber: +Victorinens Gestalt +Wallburgas Gestalt +Emerentias Gestalt + +Alpengeister. Genien im Tempel der Erkenntnis. Dienerschaft in +Rappelkopfs Hause. + + +Die Handlung geht auf und um Rappelkopfs Landgut vor. + + + + +Erster Aufzug + + + +Erster Auftritt + + +Die Ouvertüre beginnt sanft und drückt fröhlichen Vogelsang aus, +dann geht sie in fremdartiges Jagdgetön über, begleitet von +Büchsenknall. Beim Aufziehen der Kurtine zeigt sich eine reizende +Gegend am Fuß einer Alpe, welche sich im Hintergrunde majestätisch +erhebt. Im Vordergrunde zeichnet sich in der Mitte ein Gebüsche +von Alpenrosen, links ein abgebrochener Baumstamm und im +Vordergrunde rechts ein hoher Fels aus. + +Ein Chor von Alpengeistern, dabei Linarius, durchaus grau als +Gemsenjäger gekleidet, jeder eine erlegte Gemse über den Rücken +hängen, eilt von der Alpe herab und sammelt sich im Vordergrunde +der Bühne. + + +Chor. +Stellt die Jagd ein, luftge Schützen! +Von den steilen Alpenspitzen +Steigt herab ins blumge Tal. +Zählt mit wilder Jägerfreude +Schnell die frischgefällte Beute +Hier im grünen Weidmannssaal. + + + +Zweiter Auftritt + +Astragalus, ganz grau gleich den übrigen Geistern als Alpenjäger +gekleidet, ein Jagdgewehr über die Schulter. + + +Astragalus (im rauhen Tone). +Holla ho, ihr Jägersleute! +Seid genügsam in der Beute. +Laßt, ihr jagdberauschten Schergen, +Ruhn das Gemsvolk in den Bergen. +Lang gedonnert haben wir +Heut im steinigten Revier. + +Linarius (erster Alpengeist). +Großer Fürst, du magst nur winken, +Und der Alpen Geister sinken +Kraftberaubet in den Staub +Wie vorm Sturmwind welkes Laub. +Keiner ist hier, der es wagt, +Fortzusetzen mehr die Jagd. +Doch es kann nichts Schönres geben, +Als auf Alpenspitzen schweben +Und den Blitz vom Rohre senden, +Der Gazelle Leben enden. +Ha! wenn aus metallnem Lauf +Krachend sich der Schuß entladet +Und die goldne Kugel drauf +In der Gemse Blut sich badet: +Das ist echte Weidmannslust, +Das erhebt des Jägers Brust. + +Alle. +Das ist echte Weidmannslust! +Das erhebt des Jägers Brust! + +Astragalus. +Bei des Eismeers starren Wellen, +Ihr seid wackre Jagdgesellen. +Oft soll euch die Lust entzücken, +Doch auch andre mags beglücken. +Denn was wir dem Berg entwenden, +Will ins dürftge Tal ich senden. +An Bewohner niedrer Hütten, +Die um karges Mahl oft bitten, +Teilet eure Gemsen aus. +Werft sie unsichtbar ins Haus. + +Linarius. +Edel ist stets dein Beginnen, +Und wir eilen schnell von hinnen, +Um den mächtgen Herrscherwillen +Stolz zu ehren durch Erfüllen. +Laßt die Hütten uns umrauschen +Und leis dem Entzücken lauschen, +Wenn sie in der Tiere Wunden +Goldne Kugeln aufgefunden. +Dankesperlen, die sie weinen, +Wollen wir zu Kränzen einen, +Daß sie zieren dann zum Lohn +Lieblich deinen Alpenthron. + +(Alle ab.) + + + +Dritter Auftritt + +Astragalus allein. + + +Astragalus. +Wohl soll in der Geister Walten +Lieb und Großmut mächtig schalten, +Und ihr Wesen hoher Art, +Wo sich Kraft mit Freiheit paart, +Soll, befreit von irdschem Band, +Schwingen sich an Äthers Rand. +Doch, so wies im Menschenleben +Bös und gut Gesinnte gibt, +Jener haßt und dieser liebt: +So ists auch in Geistersphären, +Daß nicht all nach oben kehren +Ihr entkörpert Schattenhaupt, +Und, des liebten Sinns beraubt, +Auch der Böse schaut nach unten, +An die finstre Macht gebunden. +Und so wird der Krieg bedinget, +Der die Welt mit Leid umschlinget, +Der die Wolken jagt durch Lüfte, +Der auf Erden baut die Grüfte, +Der den Geist gen Geist entzweiet, +Der dem Hai die Kraft verleihet, +In des Meeres Flut zu wüten, +Der dem Nordhauch schenkt die Blüten, +Der den Sturm peitscht gegen Schiffe, +Daß zerschmettern sie am Riffe, +Der die Menschen reiht in Heere, +Daß sie zu des Hasses Ehre +Über ihrer Brüder Leichen +Sich des Sieges Lorbeer reichen-- +Doch ich liebe Geisterfrieden, +Bin dem Menschen gut hienieden, +Hause nicht in Bergesschlünden, +Laß in freier Luft mich finden. +Hab auf Höhen, glänzend weiß, +Auf des Gletschers kühnstem Eis, +Mein kristallnes Schloß erbaut, +Das der Sterne Antlitz schaut. +Und dort blick aus klaren Räumen +Auf der Menschheit eitles Träumen +Mitleidsvoll ich oft herab. +Doch wenn ich am Pilgerstab +Manch Verirrten wandern sehe, +Steig von meiner wolkgen Höhe +Nieder ich zum Erdenrunde, +Reich ihm schnell die Hand zum Bunde +Und leit ihn mit Freundessinn +Zum Erkenntnistempel hin. (Ab.) + + + +Vierter Auftritt + +Auf der entgegengesetzten Seite Malchen, Lischen. Erstere im +lichtblauen Sommerkleide, einen Strohhut auf dem Haupte, läuft +fröhlich voraus. + + +Malchen. +Ach, das heiß ich gelaufen, wie pfeilschnell doch die Liebe +macht! (Sieht sich um.) Hier ist mein teures Tal. Wie herrlich +alles blüht, heut glänzt die Sonne doppelt schön, als wäre +Festtag an dem Himmel und sie des Festes Königin. Ach, wie +dank ich dir, du liebe Sonne, daß du mir meinen August bringst. +Lischen, Lischen! (Ruft in die Kulisse.) Wo bleibst du denn? +Wie ängstlich sie sich umsieht. Was hast du denn? + +Lischen (kommt ganz verwirrt und sehr geschwätzig). +Aber Sie unglückseliges Fräulein, wie können Sie sich denn heute +in diese berüchtigte, verrufene, bezauberte Gegend wagen? Haben +Sie nicht die wilde Jagd gehört? heut ist der Alpenkönig los. +Hätt ich das gewußt, Sie hätten mich nicht mit zwanzig Pferden +aus dem Haus gezogen. Aber Sie weckten mich auf, sagten mir, ich +sollte mich schnell anziehen, Sie wollten Ihrem August +entgegeneilen, der heute von seiner Kunstreise aus Italien +zurückkömmt. + +Malchen. +Nun, das tat ich ja. Hier erwart ich meinen August. Sein letzter +Brief nennt mir den heutgen Morgen. Hier schieden wir in +Gegenwart meiner Mutter vor drei Jahren mit betrübtem Herzen +voneinander. Du weißt, daß mein Vater schon damals gegen unsere +Liebe war, obwohl Augusts Onkel starb und ihm einiges Vermögen +hinterließ, schlug er ihm doch meine Hand ab, geriet in den +heftigsten Zorn und warf ihm Talentlosigkeit in seiner +Malerkunst vor. August, auf das bitterste gekränkt, beschloß, +nach Italien zu reisen, um seinen Kummer zu zerstreuen und +sich an den großen Mustern zu bilden. Hier schwor er mir ewge +Treue, meine gute Mutter versprach uns ihren Beistand, doch +du weißt, wie es um meinen armen Vater steht. Hier haben wir +uns getrennt, hier gelobten wir uns wieder in die Arme zu +stürzen. Nach seinen Briefen hat er große Fortschritte in +seiner Kunst gemacht. + +Lischen. +Was Italien, was Kunst, was helfen mir alle Maler von ganz Italien +und Australien! In diesen Bergen haust der Alpenkönig. Und wenn +uns der erblickt, so sind wir verloren. + +Malchen. +So sei nur ruhig, es wird ja den Hals nicht kosten. + +Lischen. +Aber die Schönheit kanns kosten, und der Verlust der Schönheit +geht uns Mädchen an den Hals. Und wie innig ist die Schönheit mit +dem Hals verbunden, wer halst uns denn, wenn wir nicht schön mehr +sind? Wissen Sie denn nicht, daß jedes Mädchen, das den Alpenkönig +erblickt, in dem Augenblick um vierzig Jahre älter wird? Ja sehen +Sie mich nur an, keine Minute wird herabgehandelt. Vierzig Jahre, +und unsere jetzigen auch noch dazu, da wird eine schöne Rechnung +herauskommen. Stellen Sie sich die Folgen einer so entsetzlichen +Verwandlung vor. Was würde ihr geliebter Maler dazu sagen, wenn +er in Ihnen statt einer blühenden Frühlingslandschaft eine +ehrwürdige Wintergegend aus der niederländischen Schule erblickte, +was würden alle meine Anbeter dazu sagen, wenn der Anblick dieses +Ungetüms meine Wangen in Falten legte wie eine hundertjährige +Pergamentrolle? + +Malchen. +Aber wer hat dir denn solche Märchen aufgebunden? Beinahe könnt +ich selbst in Angst geraten. Es gibt gar keinen Alpenkönig. + +Lischen. +Nicht? Nun gut--bald werd ich Sie wie meine Großmutter verehren. +Folgen Sie mir, oder ich laufe allein davon. (Will fort.) + +Malchen. +So bleib nur, mein August wird bald hier sein, die Sonne steht +schon hoch, du mußt mir Toilette machen helfen, der Wind hat +meine Locken ganz zerrüttet. Du hast doch den kleinen Spiegel +mitgenommen, wie ich dir befahl? + +Lischen. +Ei freilich, ach, hätt ich lieber meine Angst vergessen! + +Malchen. +So. (Setzt sich auf den Baumstamm und öffnet ihre Locken. Lischen +steht mit dem Spiegel vor ihr.) Halt ihn nur! Weißt du, Lischen, +ich muß mich doch ein wenig zusammenputzen, er kömmt aus Italien, +und die Frauenzimmer sollen dort sehr schön sein. + +Lischen. +Hahaha, warum nicht gar! Ich kenne in der Welt nur ein schönes +Frauenzimmer. Sie werden mich verstehen, Fräulein. + +Malchen (nimmt es auf sich). +Du bist zu galant, Lischen, das verdien ich nicht. + +Lischen (beiseite). +Die glaubt, ich mein sie, wie man nur so eitel sein kann--und ich +meine mich. + +Malchen. +So, Lischen, jetzt sind die Locken alle offen--jetzt halt nur +gut, der Alpenkönig tut uns nichts. + +Lischen. +Ach ums Himmels willen, nennen Sie doch den abscheulichen +Alpenfürsten nicht--(erschrickt) es rauscht ja etwas im Gebüsche, +Himmel, ich laß den Spiegel fallen. (Ein Auerhahn fliegt aus dem +Gebüsche auf. Sie schreit.) Ach der Alpenkönig! (Läuft mit dem +Spiegel fort.) + +Malchen (nachrufend). +Lischen, Lischen, was schreiest du denn, es ist ja nur ein Vogel. +Ach du lieber Himmel, sie hat ja den Spiegel mitgenommen, die +läuft ganz sicher nach Hause. Lischen, so höre doch! Entsetzlich, +meine Locken, wenn jetzt August kömmt und mich so erblickt. Das +überleb ich nicht. Ach du lieber Himmel, wie hätt ich mir das +vorstellen können, das ist doch das größte Unglück, das einem +Menschen begegnen kann. (Besinnt sich.) Aber pfui, Malchen, was +ist das für eine Eitelkeit, August wird dich doch nicht deiner +Locken wegen lieben? (Ärgerlich.) Aber die Locken tragen dazu +bei, wenn die Männer nun einmal so sind, was kann denn ich dafür? +Und warum heißen sie denn Locken, wenn sie nicht bestimmt wären, +die Männer anzulocken? (Sieht in die Szene.) Ach, dort eilt er +schon den Hügel herauf. O welche Freude (hüpft), welche Freude! +(Plötzlich stille.) Wenn nur die fatalen Locken nicht wären! +Ich will mich hinter den Rosenbusch verstecken, vielleicht bring +ich sie doch ein wenig zurechte. (Verbirgt sich hinter das +Rosengebüsche.) + + + +Fünfter Auftritt + +August im einfachen Reiseanzug, eine Mappe unter dem Arme. + + +August. +Von dem meerumwogten Strande, +Aus dem wunderholden Lande, +Wo die goldnen Ährenfelder +Wechseln mit Orangenwälder, +Wo die stolzen Apenninen +Über alte Größe sinnen, +Wo die Kunst mit Geisteswaffen +Das Vollendetste erschaffen, +Wo die ungeheuren Reste +Der zerfallenen Paläste +An die Kraft der Zeit uns mahnen +Und wir bebend Hohes ahnen: +Aus dem Tempel der Natur +Kehr ich heim zur stillen Flur. +Denn im biedern Vaterlande +Ketten mich die teuern Bande +Zarter Liebe, fester Treue, +Und der Riesenbilder Reihe, +Die wie Träume mich umwehen, +Schließt ein frohes Wiedersehen. + +Seid mir gegrüßt, ihr heimatlichen Berge! O Erinnerung, wie nah +trittst du an mich und reichst mir einen schönen Kranz, geflochten +aus vergangnen Freuden. Und doch muß ich bei all dem Schönen hier +das Schönste noch vermissen, bei all dem Lieben fehlt mein +Liebstes mir. Wo bist du, teures Malchen? Warum erwartest du mich +nicht? Sollte sie meinen Brief nicht empfangen haben? Ist sie +krank? Vielleicht kann sie so früh vom Haus nicht fort. Sie kömmt +gewiß. Ich will indes die Gegend zeichnen hier, die sie so liebt, +und zum Geschenk ihrs bieten, wenn sie naht. (Er setzt sich auf +den Baumstamm und zeichnet.) Wie herrlich dort die Alpe glänzt +im Sonnenstrahl, die heitre Luft, und hier--der dunkle Fels, der +üppge Rosenstrauch--nur eins gefällt mir nicht, die bleichen +Rosen machen sich nicht gut, ich wüßte schönere, die auf ihren +Wangen blühn. Wär nur Malchen hier, sie sagte mir gewiß, was ich +für Farben wählen soll. + +Malchen (öffnet mit beiden Händen den Rosenstrauch und blickt +liebevoll hervor, so daß sie mit halbem Leibe sichtbar ist und +sagt zärtlich). +Laß sie blau sein wie Beständigkeit. + +August (höchst entzückt). +Amalie! + +(Sie stürzen sich in die Arme.) + +Malchen. +August, lieber August! + +Astragalus (erscheint auf dem Fels im Vordergrunde und ruft). +Heisa he! da gehts ja lustig zu im Alpentale. (Er stützt sich auf +sein Gewehr und behorcht das folgende Gespräch.) + +August. +Liebes, schönes, gutes Malchen--(plötzlich scherzhaft) böses +Malchen, warum hast du mich auch nur einen Augenblick geneckt? + +Malchen. +Sei nicht böse, lieber August! + +August. +Dafür räch ich mich durch diesen Kuß. (Küßt sie.) + +Malchen. +O du rachsüchtiger Mensch! + +August (sanft). +Bist du ungehalten darüber? + +Malchen (unschuldig). +Gott bewahre, räche dich nur. Böse Leute sagen, die Rache sei +süß, und auf diese Weise möcht ich es beinahe glauben. + +August. +Gutes Malchen! Wie glücklich fühl ich mich, dich wieder zu sehen, +nichts soll uns trennen als der Tod + +Malchen. +Und mein Vater, August, der ist noch weit über den Tod. Wenn der +gute Vater nur nicht gar so böse auf mich wäre! + +August. +Sorge nicht, Malchen, wenn er die Fortschritte meiner Kunst +erfahren wird, wenn er sich von der Beständigkeit meiner Liebe +überzeugt, so kann uns seine Einwilligung nicht entgehen. Ich +will noch heute zu ihm. + +Malchen. +Ach, das ist vergebens. Mein Vater spricht niemand außer seiner +Familie, nur selten die Dienerschaft. Er ist zum Menschenfeind +geworden. + +August. +Unmöglich, und du rühmtest mir sein Herz, seine Rechtlichkeit. + +Malchen. +Er besitzt beides. Doch du weißt, daß mein Vater, als er in der +Stadt noch den ausgebreiteten Buchhandel hatte, um große Summen +betrogen wurde, die er aus Gutmütigkeit an falsche Freunde verlieh. +Undank und Niederträchtigkeit brachten ihn zu dem Entschluß, +seinen Buchhandel aufzugeben, die Stadt zu fliehen und sich auf +seinem gegenwärtigen Landsitz vor der Zudringlichkeit ähnlicher +Menschen zu verbergen. Hier liest er nun unaufhörlich +philosophische Bücher, die ihm den Kopf verrücken. Sein Mißtrauen +hat keine Grenzen. Er hat die unglückliche Weise, gegen jeden +Menschen so aufzufahren, daß er die gleichgültigsten Dinge mit +einer Art von Wut verlangt. Niemand, selbst die Mutter, kann um +ihn weilen. Alles flieht und fürchtet ihn, und darum hat er jeden +im Verdacht der Untreue und gönnt doch keinem eine Verteidigung. +Sein Menschenhaß steigt mit jedem Tage, und wir fürchten für sein +Leben. Wie gerne würden wir alles dafür tun, ihn von unserer +Liebe zu überzeugen; doch, wer lehrt ihn den Fehler seiner +unbilligen Heftigkeit einsehen und ablegen, womit er sich alles +zum Feinde macht und sich der Mittel beraubt, die Menschen aus +einem bessern Gesichtspunkte zu betrachten. Deinen Namen dürfen +wir gar nicht aussprechen, er weiß, daß meine Mutter unsre Liebe +billiget, und haßt sie darum bis in den Tod. + +August. +O grausames Schicksal, warum vernichtest du all meine glücklichen +Träume wieder? Also kann ich dich nie besitzen, Malchen? + +Malchen. +Wenn ich nur ein Mittel wüßte, dich zu erringen! Wär ich frei wie +jener Vogel, der sich so fröhlich in der blauen Luft dort wiegt, +ich zöge mit dir durch die ganze Welt. Glückliches beneidenswertes +Tier! Wer darf dir deine Freiheit rauben? +(Astragalus schießt den Vogel aus der Luft. Man sieht ihn aber +nicht fallen. Malchen erschrickt.) +Ha! + +Astragalus (immer im rauhen Tone). +Des Schützen Blei, weil du die Frage stellst. + +Malchen (blickt hinauf). O August, sieh! + +August. +Wer bist du, grauer Wundermann? + +Astragalus. +Den Alpenkönig nennt man mich. + +Malchen. +Der Alpenkönig! wehe mir! (Sinkt ohnmächtig in Augusts Arme.) + +August. +Was ist dir, Malchen? Hülfe, Hülfe, steht ihr bei! + +Astragalus (lachend). +Da müssen Steine sich erbarmen selbst. Hab Mitleid, Fels, und +öffne schnell dein Herz! (Er stoßt mit dem Kolben des Gewehrs +an den Fels. Der Fels öffnet sich, man sieht einen kleinen +Wasserfall, der über Rosen sprudelt, an dem zwei Genien lauschen, +sie fangen mit goldnen Muscheln Wasser aus der Quelle und +besprengen Malchen damit.) +Erwache, Törin, die sich Flügel wünscht und so die Erde höhnt! + +August. +Sie schlägt das Auge auf. Wie ist dir, Malchen? + +Malchen. +Ach, wie kann mir sein! Ich habe den Alpenkönig erblickt. Jetzt +bin ich gewiß um vierzig Jahre älter geworden. Erkennst du mich +noch, August? + +August. +Bist du von Sinnen? Was hast du denn? + +Malchen. +Ach, Falten habe ich, lieber August, viele tausend Falten. Ich +muß entsetzlich aussehen. Sieh mich nur nicht an! + +August. +Was fällt dir ein! Du bist so schön, als du es immer warst. + +Malchen. +Schön wär ich? Gewiß? Und hätte keine Falte, keine einzige? + +August. +Gewiß nicht. + +Malchen. +Ach du lieber Himmel, wie danke ich dir! Nein, eine solche Angst +hab ich in meinem Leben noch nicht ausgestanden! + +August. +Was war dir denn? + +Malchen. +Nun, Lischen sagte mir, ein Mädchen, das den Alpenkönig sieht, +würd um vierzig Jahre älter. + +Astragalus (tritt vor). +So sagte sie? + +Malchen. +Ach! da ist er schon wieder! (Verhüllt das Gesicht.) + +Astragalus. +Seid ohne Furcht und horcht, was Alpenkönig spricht. +Schon zweimal sah ich eurer Herzen Brand +Wie Morgenrot auf Lilienschnee erglühen +Und Tränen, edler Sehnsucht nur verwandt, +Leidkündend über eure Wangen ziehen. +Und weil mich dies so inniglich erfreut, +Daß ihr so seltsam treu noch denket, +Hab ich euch meine Fürstengunst geweiht +Und eure Lieb mit meinem Schutz beschenket. +(Zu Malchen.) +Ich weiß um deines Vaters Menschenhaß, +Hab ihn belauscht, wenn er den Wald durchrannte +Mit Ebersgrimm, auf Bergesgipfel saß +Und seinen Fluch nach allen Winden sandte. +Doch laßt darum den treuen Mut nicht sinken. +Erkennen wird mit seinem Wahnsinn rechten. +Die Sterne werden bald zur Brautnacht winken, +(zu Malchen) +Und Alpenkönig wird den Kranz dir flechten. (Ab.) + + + +Sechster Auftritt + +August. Malchen. + + +Malchen. +Hast dus gehört, August, ists ein Traum, wir sollen glücklich +werden? + +August. +Wir wollen seinem Worte glauben. Und obwohl ich seine Existenz +für ein Märchen hielt, muß ich sie für wahr erkennen, wenn ich +nicht ungerecht gegen meine Sinne handeln will. + +Malchen. +Komm, wir wollen meiner Mutter alles erzählen, ich werde schon +sehen, daß du mit ihr sprechen kannst. Laß uns vertrauen auf den +Alpenkönig. Er scheint nicht bös zu sein, ich hab ihm auch dreist +ins Auge geblickt, und es hat mir nichts geschadet, nicht wahr, +lieber August? Ich bin um gar nichts älter geworden? + +August. +Nein, liebes Malchen. Seit ich dich wiedersehe, kaum um eine +Stunde. + +Malchen. +Um eine Stunde nur? (Ihm sanft ins Auge blickend.) Nun, eine +Stunde kann ich schon verschmerzen und es war eine glückliche, +denn ich habe sie mit dir verlebt. + +August. +O gutes Malchen, wie beglückst du mich! + +(Beide Arm in Arm ab.) + + + +Siebenter Auftritt + +Verwandlung +Zimmer auf Rappelkopfs Landgut. + +Sophie. Sabine. Der Kutscher. Die sämtliche Dienerschaft. + + +Chor. +Euer Gnaden sind so gütig, +Doch wir haltens nimmer aus. +Unser Herr ist gar zu wütig, +Und das treibt uns aus dem Haus. +Niemand kann bei ihm bestehn, +Und wir wollen alle gehn. + +Sopie. +Seid nur ruhig, liebe Leute, verseht euren Dienst, nur kurze Zeit +noch, es wird sich vielleicht bald alles ändern. Geht an eure +Pflicht! Wenn mein Mann herüberkäme, ich bin in Todesangst. + +Kutscher. +Ei, was nutzt denn das, Euer Gnaden, er solls wissen, wir könnens +nicht mehr länger aushalten mit ihm, wir tun unser Schuldigkeit, +und er kann uns nicht leiden. + +Sopie. +Es wird sich alles ändern, ich habe an meinen Bruder nach Venedig +geschrieben, ihm meines Mannes Seelenkrankheit und ihre üblen +Folgen vorgestellt, er wird vielleicht noch heute ankommen, um +alles zu versuchen, seinen Menschenhaß zu heilen--oder mich +von meinem armen Mann zu trennen. + +Kutscher. +Na, das ist die höchste Zeit, Euer Gnaden schauen sich ja gar +nimmer gleich. Drei Weiber hat er schon umbrachte er ist ja ein +völliger blauer Bart. + + + +Achter Auftritt + +Vorige. Habakuk. + + +Sopie. +Diese gemeinen Äußerungen hören zu müssen! Habakuk, ist mein Mann +auf seinem Zimmer? Ist Malchen schon zu Hause? + +Habakuk. +Der gnädige Herr ist schon wieder im Gartenzimmer, er hat sich +selbst seinen Schreibtisch und seinen Stuhl hinübergetragen und +geht mit sieben Ellen langen Schritten auf und ab. Ich versichere +Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein solcher Herr +ist mir nicht vorgekommen. + +Sabine (im schwäbischen Dialekt). +Nu da habe wirs, jetzt trau ich mich nicht in den Garte hinaus, +er hat den Schlüssel von der Hofgartetür abgezogen.--Ich kann +nicht koche-- + +Sopie. +Nun so geh Sie durch das Gartenzimmer. + +Sabine. +Ja wer traut sich denn hinein? Wenn der Herr drinne ist? Da geh +ich ja eher zu einem Leopard in die Falle. Er jagt ja alles +hinaus. Wenn er in die Kuchel kommt, so wärs notwendig, ich +schliefet unter den Herd. + +Habakuk. +Nun ja, und da sind so schon so viel Schwaben unten. + +Kutscher. +Mich kann er gar nicht leiden, ich muß mich immer unters Heu +verstecken. + +Habakuk. +Mich haßt er doch nur bis daher (zeigt den halben Leib). Er sagt, +ich wär nur ein halbeter Mensch. + +Sopie. +Aber er beschenkt euch ja so oft. + +Sabine. +Ja aber wie? Er tut einem dabei alle Grobheiten an und wirft +einem das Geld vor die Füß. + +Habakuk. +Oh, da ist er noch in seinem besten Humor, aber neulich nimmt er +sein goldene Uhr, ich glaub, er macht mir ein Präsent, derweil +wirft er mir s' an den Kopf. (Hochdeutsch.) Ja, das sind halt +Berührungen, in die man nicht gern mit seiner Herrschaft kommt, +ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich nicht erlebt. Zu was +brauch ich zwei Uhren, ich hab meine Uhr im Kopf, aber am Kopf +brauch ich keine. + +Sabine. +Kurz, in dem Haus ist nichts zu mache, wenn man nicht einmal in +den Garten kann-- + +Habakuk. +Wie soll man denn da auf ein grünes Zweig kommen! + +Alle. +Kurzum, wir wollen alle fort. + +Sopie. +Also wollt ihr eure Frau, die euch immer so menschenfreundlich +gewogen war, so plötzlich verlassen, da ihr doch seht, daß sowohl +ich als meine Tochter eine gleiche Behandlung zu erdulden haben? +Ich kann euch nicht fortlassen, weil zwischen heut und morgen +mein Bruder ankömmt, der vieles über meinen Mann vermag. So +lange müßt ihr die Launen eures Herrn noch ertragen. + +Alle. +Es geht nicht, Euer Gnaden, es ist nicht zum existieren. + +Sopie. +Nun, so nehmt dieses kleine Geschenk (sie gibt jedem einige +Silberstücke) und stärkt eure Geduld damit, vielleicht geht es +doch. + +Alle. +Ach! Wir küssen die Hand, Euer Gnaden. + +Kutscher. +Wir werden halt sehen, ob wir auskommen können mit ihm. + +Habakuk. +Solang wir mit dem Geld auskommen, kommen wir schon mit ihm auch +aus. + +Sabine. +Und wisse Euer Gnade, er wär nicht gar so übel, der gnädge Herr-- + +Kutscher. +Ach gar nicht--wenn er nur anders wär. + +Habakuk. +Freilich, das ist der einzige Umstand. + +Sopie. +Doch jetzt geht beruhigt an eure Geschäfte. + +Alle. +Gleich, gnädige Frau. (Ab.) + +Kutscher. +Euer Gnaden sind halt eine gscheide Frau. Ich sag immer, Euer +Gnaden sind einmal ein Kutscher gwesen, weil Euer Gnaden so gut +wissen, daß man einen Wagen schmieren muß, wann er fahren soll. +(Lacht dumm und geht ab.) + +Sabine (küßt ihr die Hand). +Das ist wahr, Euer Gnaden sind eine Frau, die man in der ganzen +Welt suche darf. (Ab.) + +Habakuk. +Ich versichere Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein +Herz, wie Euer Gnaden zu haben belieben, das ist wirklich, wie +man auf französisch sagt, nouveau! + + + +Neunter Auftritt + +Lischen. Vorige. + + +Sopie. +Nun endlich seid ihr zurück. Wo ist Malchen? Ist August +angekommen? Haben sie sich getroffen? + +Lischen. +Von allen dem weiß ich keine Silbe, gnädige Frau, ich weiß gar +nichts, als daß der Mädchen verfolgende Alpenkönig eine Jagd +gegeben hat, daß mich an dem Ort des Rendezvous eine Angst +befallen hat und daß ich über Hals und Kopf zurückgelaufen bin. + +Sopie. +Und Malchen? + +Lischen. +Wollte ihren Liebhaber erwarten und war nicht zu bewegen, mit +zurückzugehen. + +Sopie. +Aber wie kann Sie sich unterstehen, meine Tochter allein zu +lassen? Sie leichtsinnige Person, der ich mein Kind anvertraut +habe! Ich muß nur gleich Leute hinaussenden. Wenn ihr ein Unglück +widerführe! O Himmel, was bin ich für ein gequältes Geschöpf! + +Lischen. +Aber gnädge Frau-- + +Sopie. +Geh Sie mir aus den Augen. (Eilig ab.) + + + +Zehnter Auftritt + +Lischen. Habakuk. + + +Lischen (äußerst zornig). +Nein, das ist nicht zum Aushalten, das Haus ist ja eine wahre +Folterbank. Wie man nur die Dienstleute so herabsetzen kann? + +Habakuk. +Es ist aber auch ein Volk. Ich bin ein Bedienter, aber wenn ich +mein eigner Herr wär, ich jaget mich selber fort. + +Lischen. +Mich eine Person zu heißen! + +Habakuk. +Solche Personalitäten! + +Lischen. +Halt Er Sein Maul! Wenn ich nur diesen langweiligen Menschen +nicht mehr vor mir sehen dürfte! + +Habakuk. +Ich bin kein Menschenfeind, aber ich habe einen Stubenmädelhaß. +Was mir diese Person zuwider ist, bloß weil sies nicht glauben +will, daß ich in Paris gewesen bin. (Boshaft.) Gschieht Ihr schon +recht, Mamsell Liserl! + +Lischen. +O Er erbärmlicher Wicht! Er verdient gar nicht, daß sich ein +Stubenmädchen von meiner Qualität mit Ihm unter einem Dache +befindet. + +Habakuk. +Oh, prahlen Sie nicht so mit Ihrer Stubenmädelschaft, Sie haben +auch die Stubenmädlerei nicht erfunden. Ich versichere Sie, ich +war zwei Jahr in Paris, da gibt es Stubenmädel--wenn man die ins +Deutsche übersetzen könnt, das gäbet eine Stubenmädliade, wo sich +die ganze hiesige Kammerjungferschaft verstecken müßt. Und Sie +schon gar, meine liebe Exkammerjungfer. + +Lischen. +Er zwei Jahre in Paris gewesener Einfaltspinsel, Er kommt mir +gerade recht, wenn Er sich noch einmal untersteht, seine +unverschämte Zunge zu meinem Nachteil zu bewegen, so werd ich +Seinen Backen einen Krieg erklären und Ihm den auffallendsten +Beweis liefern, auf was für eine kräftige Art ein deutsches +Kammermädchen die Ehre ihres Standes zu rächen weiß. (Gibt ihm +eine Ohrfeige und geht schnell ab.) + +Habakuk (hält sich die Wange). +Nein, was man in dem Haus alles erlebt--ich war zwei Jahre in +Paris, aber so etwas ist mir nicht vors Gesicht gekommen. (Geht +ab, indem er sich den Backen hält.) + + + +Elfter Auftritt + +Verwandlung +Kürzeres Zimmer. Rechts die Eingangstür, links führt eine Glastür +nach dem Garten. Auf dieser Seite befindet sich ein massiver +altmodischer Tisch und ein Stuhl. Rechts an der Wand neben der +Tür ein hoher Spiegel. Neben der Gartentür ein Sekretär. + +Rappelkopf kömmt in heftiger Bewegung zur Glastür herein. Sein +ganzes Wesen ist sehr auffahrend. Er sieht die Menschen nur auf +Augenblicke oder mit Seitenblicken an und wendet sich schnell, +entweder erzürnt oder verächtlich, von ihnen ab. + + +Rappelkopf. +Ha! Ja! + +Lied +Ja, das kann nicht mehr so bleiben, +'s ist entsetzlich, was sie treiben. +Ins Gesicht werd ich belogen, +Hinterm Rücken frech betrogen, +'s Geld muß ich am End vergraben, +Denn sie stehln als wie die Raben. +Ich hab keinen Kreuzer Schulden, +Bare hunderttausend Gulden, +Und doch wirds mir noch zu wenig, +Es tät not, ich wurd ein König. +Meine Felder sind zerhagelt, +Meine Schimmel sind vernagelt, +Meine Tochter, wie betrübt, +Ist das ganze Jahr verliebt. +Alle Tag ist das ein Gwinsel +Um den Maler, um den Pinsel, +Der kaum hat ein Renommee, +Und vom Geld ist kein Idee. +Und mein Weib, bei allen Blitzen, +Will die Frechheit unterstützen, +Sagt, er wär ein Mann zum Küssen, +Wie die Weiber das gleich wissen! +Und das soll mich nicht verdrüßen? +Ja, da möcht man sich erschießen. +Und statt daß man mich bedauert, +Wird auf meinen Tod gelauert, +Und so sind sie alle, alle, +Ich zerberste noch vor Galle. +Drum hab ich beschlossen und werd es vollstrecken, +Ich laß von den Menschen nicht länger mich necken. +Ich lasse mich scheiden, ich dringe darauf. +Der ganzen Welt künd auf Michäli ich auf. +Die Liebe, die Sehnsucht, die Freundschaft, die Treue, +Mir falln s' nur nicht alle gschwind ein nach der Reihe, +Die lockenden, falschen, gewandten Mamsellen, +Die mich fast ein halbes Jahrhundert schon prellen, +Die lad ich noch einmal zum Frühstück ins Haus +Und peitsch sie, wie Timon, zum Tempel hinaus. + +Es ist aus! Die Welt ist nichts als eine giftge Belladonna, ich +habe sie gekostet und bin toll davon geworden. Ich brauch nichts +von den Leuten, und sie kriegen auch nichts von mir, nichts Gutes, +nichts Übles, nichts Süßes und nichts Saures. Nicht einmal meinen +sauren Wein will ich ihnen mehr verkaufen. Ich habe Aufrichtigkeit +angebaut, und es ist Falschheit herausgewachsen. Es ist +schändlich, ich bin auf dem Punkte durch meinen eignen Schwager +zum Bettler zu werden. Er hat mich überredet, mein Vermögen +einem Handlungshause in Venedig anzuvertrauen, das jetzt dem +Sturze nah sein muß. Ich erhalte keine Interessen, keinen Brief +von meinem heuchlerischen Schwager, den ich verkannt und der +vielleicht im Bunde steht mit dem betrügerischen Volk. Und so +täuscht mich alles! alles! Darum will ich keinen Kameraden mehr +haben als die zanksüchtige Erfahrung. + +Das ist der vorsichtge, weltghetzte Hase +Mit der vom Unglück zerstoßenen Nase, +Mit dem millionmal verwundeten Schädel, +Das ist mein Mann, den behandle ich edel. + +Ich hab zu viel ausgestanden in der Welt. Mich hat die +Freundschaft getäuscht, die Liebe betrogen und die Ehe gefoltert. +Ich kanns beweisen, ich hab vier Attestaten, denn ich hab das +vierte Weib. Und was für Weiber! Eine jede hat eine andere +Untugend ghabt. Die erste war herrschsüchtig. Die hat wollen +eine Königin spielen. Bis ich als Treffkönig aufgetreten bin. +Die zweite war eifersüchtig bis zum Wahnsinn. Wie sich nur eine +Fliegen auf meinem Gsicht hat blicken lassen, pums, hat sie s' +erschlagen. Das waren zwei Ehen--da kann man sagen, Schlag auf +Schlag. Die dritte war mondsüchtig. Wenn ich in der Nacht hab +etwas auf sie sprechen wollen, ist sie auf dem Dach oben gsessen. +Jetzt frag ich einen Menschen, ob das zum Aushalten war? Aber +sie haben doch behauptet, sie könnten mit mir nicht leben, und +sind aus lauter Bosheit gestorben. Bin aber nicht gscheid +geworden, hat mich die Höllenlust angewandelt, eine vierte zu +nehmen. Eine vierte, die viermal so falsch ist als die andern +drei. Die mein Kind in ihrem Ungehorsam unterstützt. Den Maler +protegiert, den Maler, der vor Hunger alle Farben spielt. Nichts +als immer wispert mit der Dienstbotenbrut, Komplotte macht gegen +ihren Herrn und Meister. (Sieht zur halboffnen Eingangstür +hinaus.) Aha! Da schleicht das Stubenmädel herum. Die hat schon +wieder eine Betrügerei im Kopf. Die wär nicht so übel, das +Stubenmädel, das ist noch die sauberste--aber ich hab einen +Haß auf sie, einen unendlichen--ich werd sie aber doch +hereinrufen, bloß um sie auf eine feine Art auszuforschen. He! +Lischen! (Schreit.) Herein mit ihr! + + + +Zwölfter Auftritt + +Voriger. Lischen tritt furchtsam ein. + + +Lischen. +Was befehlen Euer Gnaden? + +Rappelkopf (immer barsch). +Ich hab etwas zu reden mit ihr. + +Lischen (erschrickt). +Mit mir? (Beiseite.) Nun das wird eine schöne Konversation werden. +Was er schon für Augen macht! + +Rappelkopf (beiseite). +Ich werd alle möglichen Feinheiten gebrauchen. (Roh.) Da geh +Sie her! (Lischen nähert sich verzagt. Rappelkopf betrachtet +sie verächtlich vom Kopf bis zu den Füßen.) Infame Person! + +Lischen. +Aber Euer Gnaden-- + +Rappelkopf. +Was Gnaden--nichts Gnaden--schweig Sie still und antwort Sie. + +Lischen. +Das kann ich ja nicht zugleich. + +Rappelkopf. +Sie kann alles. Es gibt keinen Betrug, der Ihr nicht möglich wäre. +Sie ist eine Mosaik aus allen Falschheiten zusammengesetzt. +(Beiseite.) Ich muß mich zurückhalten, damit ich nur nicht +unhöflich mit ihr bin. + +Lischen (empört). +Aber wer wird sich denn solche Impertinenzen sagen lassen? + +Rappelkopf (heftig). +Sie, Sie wird 's sich sagen lassen. Und wird keinen Laut von +sich geben. Was hat Sie für eine Betrügerei vorgehabt? Sie will +mich bestehlen? + +Lischen. +Nein! + +Rappelkopf. +Was denn? + +Lischen. +Ich will mich empfehlen. (Will fort.) + +Rappelkopf (nimmt ein ungeladenes Jagdgewehr). +Nicht von der Stelle, oder ich schieß Sie nieder! + +Lischen (schreit). +Hülfe, Hülfe! + +Rappelkopf. +Nicht mucksen! Antwort! Warum hat Sie so verdächtig herumgesehen? +Was ist im Werk? + +Lischen. +Himmel, wenn es losgeht! + +Rappelkopf. +Nutzt nichts! losgehn muß etwas, entweder Ihr Maul oder die +Flinten. + +Lischen. +Ach, was soll ich denn mein Leben riskieren! (Kniet nieder.) +Lieber gnädiger Herr, ich will alles bekennen. + +Rappelkopf. +Endlich kommts an den Tag. Himmel, tu dich auf! + +Lischen. +Ich habe gelauscht, ob das Fräulein nicht aus dem Alpental +zurückkömmt, die gnädge Frau hat mich ausgezankt, weil ich +nicht bei ihr geblieben bin, da sie ihren Liebhaber erwartet, +der heute ankommt. Die gnädige Frau ist mit ihr einverstanden, +doch weil sie mich so mißhandelt hat, so verrate ich sie. + +Rappelkopf. +Entsetzlicher Betrug! O falsche Niobe! Und Sie niedrigdenkende +Person, Sie wagt es, Ihre Frau zu verraten--der Sie so viel +Dank schuldig ist? O Menschen, Menschen! Ausgeartetes Geschlecht! +Aus meinen Augen geh Sie mir, Sie undankbare Kreatur, ich will +nie mehr etwas von Ihr wissen. + +Lischen. +Aber was hätt ich denn tun sollen? + +Rappelkopf. +Schweigen hätt Sie sollen. + +Lischen. +Aber Euer Gnaden hätten mich ja erschossen. + +Rappelkopf. +Ist nicht wahr, es ist nicht geladen. Betrug für Betrug. + +Lischen. +So, also hätt ich diese Angst umsonst ausgestanden? Das ist +abscheulich. + +Rappelkopf. +Nein, nicht umsonst. Du Krokodil von einem Stubenmädel--du +sollst eine Menge dafür haben: meine Verachtung, meinen Haß, +meinen Schimpf, meine Verfolgung und deinen Lohn. (Wirft ihr +einen Beutel vor die Füße.) Nimms und geh aus meinem Haus. Mach +dich zahlhaft, oder ich zahl dich auf eine andre Art aus. So +nimms, warum nimmst du es denn nicht? + +Lischen. +Oh, ich werds schon nehmen. (Denkt nach.) Gnädger Herr! + +Rappelkopf. +Was denkst denn nach, du Viper? Nimms und ruf mir deine Frau. + +Lischen (schnell auf die Gartentür deutend). +Dort ist sie ja! + +Rappelkopf (schießt schnell gegen die Gartentür). +Wo ist sie? Wo? Her mit ihr. + +Lischen (hebt schnell den Beutel auf). +Das ist ein alter Narr! (Läuft schnell ab.) + +Rappelkopf (sieht ihr nach). +Hat ihn schon! O ihr Welten, stürzt zusammen, dieses weibliche +Insekt wagt es, mich zum besten zu halten! O Rappelkopf! Wie +falsch diese Menschen mit mir sind, und ich bin so gut mit ihnen! +Ha! Dort kommt mein Weib, entsetzlicher Anblick--meine Haar +sträuben sich empor, ich muß aussehen wie ein Stachelschwein. + + + +Dreizehnter Auftritt + +Voriger. Sophie. + + +Sopie (gelassen). +Was willst du denn, lieber Mann? + +Rappelkopf. +Dich will ich, aus der gesamten Menschheit dich! und von dir +mein Fleisch und Blut, mein Kind! Wo ist sie? + +Sopie (verlegen). +Sie ist nicht zu Hause-- + +Rappelkopf (sehr heftig). +Nun also, wo ist sie--? Wo?-- + +Sopie. +So sei nur nicht so heftig. + +Rappelkopf. +Jetzt bin ich heftig, und ich bin ganz erstaunt über meine +Gelassenheit. Im Wald ist sie draußen. Also auch mein Kind ist +verloren für mich? + +Sopie. +Nu, nu, in dem Wald ist ja kein Bär. + +Rappelkopf. +Aber ein junger Herr--Also die Gschicht ist noch nicht aus, +mit diesem Maler? + +Sopie. +Und darf nicht aus sein, denn das Glück und die Ruhe deiner +Tochter stehen auf dem Spiele. Sie wird ihn ewig lieben. + +Rappelkopf. +Und ich werd ihn ewig hassen. + +Sopie. +Was hast du als Mensch an ihm auszusetzen? + +Rappelkopf. +Nichts, als daß er einer ist. + +Sopie. +Was hast du gegen seine Kunst einzuwenden? + +Rappelkopf. +Alles! Ich hasse die Malerei, sie ist eine Verleumderin der +Natur, weil sie s' verkleinert. Die Natur ist unerreichbar. +Sie ist ein ewig blühender Jüngling, doch Gemälde sind +geschminkte Leichen. + +Sopie. +Ich kann deine Ansichten nicht billigen und darf es nicht. +Meine Pflicht verbietet es. + +Rappelkopf. +Weil du dir die Pflicht aufgelegt hast, mich zu hassen, zu +betrügen, zu belügen et cetera. (Wendet sich von ihr ab.) + +Sopie. +So laß dir doch nur sagen-- + +Rappelkopf. +Ist nicht wahr. + +Sopie. +Ich habe ja nichts gesagt noch-- + +Rappelkopf. +Du darfst nur das Maul aufmachen, so ist es schon erlogen. + +Sopie. +So blick mich doch nur an-- + +Rappelkopf. +Nein, ich hab meinen Augen jedes Rendezvous mit den deinigen +untersagt. Lieber Kronäugeln als Liebäugeln. Aus meinem Zimmer! +(Setzt sich und dreht ihr den Rücken zu.) + +Sopie (empört). +Du wendest mir den Rücken zu? + +Rappelkopf. +In jeder Hinsicht. Weil du alles hinter meinem Rücken tust, +so red auch mit mir hinter meinem Rücken. Ich bin kein +Janushaupt, ich hab nur ein Antlitz, und da ist nicht viel +daran, aber wenn ich hundert hätt, so würd ich sie alle von +euch abwenden. Darum befrei mich von deiner Gegenwart! Hinaus, +Ungeheuer! + +Sopie. +Mann, ich warne dich zum letzten Male. Diese Behandlung hab +ich weder verdient, noch darf ich sie länger erdulden, wenn +ich nicht die Achtung vor mir selbst verlieren soll. Niemand +ist deines Hasses würdiger als dein Betragen. Es ist ein Feind, +der sich in seinem eignen Haus bekriegt. Und es ist wirklich +hohe Zeit, daß ich mich entferne, damit ich mich nicht durch +den Wunsch versündige, der Himmel möchte dich von einer Welt +befreien, die deinem liebeleeren Herzen zur Last geworden ist +und in der du keine Freude mehr kennst als die Qual deiner +Angehörigen. (Geht erzürnt ab.) + +Rappelkopf (allein). +Das ist eine schreckliche Person. Alles ist gegen mich, und +ich tu niemand etwas. Wenn ich auch manchmal in die Hitz komm, +es ist eine seltene Sach, wenn ich ausgeredt hab, ich weiß kein +Wort mehr, was ich gsagt hab. Aber die Menschen sind boshaft, +sie könnten mich vergiften. Und dieses Weib, gegen die ich +eine so auspeitschenswerte Liebe ghabt hab, ist imstande, mich +so zu hintergehen. Und doch fordert sie Vertrauen. Woher nehmen? +Wenn ich nur einen wüßt, der mir eines leihte! Ich wollte ihm +dafür den ganzen Reichtum meiner Erfahrung einsetzen. (Stellt +sich an die Gartentür.) Dieser Garten ist noch meine einzige +Freud. Die Natur ist doch etwas Herrliches. Es ist alles so gut +eingerichtet. Aber wie diese Raupen dort wieder den Baum +abfressen. Dieses kriechende Schmarotzergesindel. (Sich höhnisch +freuend.) Freßts nur zu. Nur zu. Bis nichts mehr da ist, nachher +wieder weiter um ein Haus. O bravissimo! (Bleibt in den Anblick +versunken mit verschlungenen Armen stehen.) + + + +Vierzehnter Auftritt + +Voriger. Habakuk tritt zur Eingangtür herein, ein Kuchelmesser +in der Hand. + + +Habakuk. +Jetzt wollen wirs probieren. (Sieht Rappelkopf, erschrickt.) +Sapperment, da steht er just vor der Gartentür! Wie komm ich +denn jetzt hinaus? Ich trau mich nicht vorbei. Er fahret auf +mich los als wie ein Kettenhund. Ach, was kann denn mir +geschehen! Ich war zwei Jahr in Paris. Euer Gnaden erlauben, +daß ich (Rappelkopf kehrt sich schnell um und erschrickt. Habakuk +erschrickt ebenfalls.) + +Rappelkopf. +Was ists--? Was will Er? + +Habakuk (für sich). +Bellt mich schon an. (Versteckt das Messer unwillkürlich.) + +Rappelkopf (packt ihn an der Brust). +Was willst du da herin, warum erschrickst? + +Habakuk (für sich). +Hat mich schon. (Laut.) Euer Gnaden verzeihen, ich hab-- + +Rappelkopf. +Was hast? Ein schlechtes Gewissen hast. Was versteckst denn da? +Ans Licht damit! + +Habakuk (zeigt es vor). +Ich versteck gar nichts, Euer Gnaden. Es ist ein Kuchelmesser-- + +Rappelkopf (prallt entsetzt zurück). +Himmel und Hölle! Der Kerl hat mich umbringen wollen. + +Habakuk. +Warum nicht gar-- + +Rappelkopf. +Den Augenblick gesteh! (Packt ihn und entreißt ihm das Messer.) +Ist dieses Messer für mich geschliffen? + +Habakuk. +Ah, das wär ja rasend, wenn Euer Gnaden so was glauben könnten-- +Ich hab ja Euer Gnaden nur fragen wollen-- + +Rappelkopf. +Ob du mich umbringen darfst? + +Habakuk. +Warum nicht gar, da würd man ja Euer Gnaden lang fragen-- + +Rappelkopf. +O du schändlicher Verräter! + +Habakuk. +So lassen sich Euer Gnaden nur berichten-- + +Rappelkopf. +Keine Entschuldigung, hinaus mit dir! + +Habakuk (beiseite). +Er laßt einem nicht zu Wort kommen. (Laut.) Euer Gnaden müssen +mich hören. (Will auf ihn zu.) + +Rappelkopf (hält einen Stuhl vor). +Untersteh dich und komm mir auf den Leib. Ich glaub, er hat +noch ein paar Messer bei sich. Der Kerl ist ein völliger +Messerschmied. + +Habakuk. +So untersuchen mich Euer Gnaden ins Teufels Namen-- + +Rappelkopf (packt ihn wieder). +Das will ich auch. Gesteh, Bandit von Treviso, wer hat dich +gedungen? + +Habakuk. +Ich versteh Euer Gnaden gar nicht. + +Rappelkopf. +Ich will wissen, wer diese Schreckenstat veranlaßt hat. + +Habakuk. +Mein Himmel, die gnädige Frau hat gschafft-- + +Rappelkopf. +Genug, ich brauch nicht mehr zu wissen. Entsetzlich! +(Habakuk will reden. Rappelkopf schreit.) +Nichts mehr! Mein Weib will mich ermorden lassen! (Sinkt in +einen Stuhl und verhüllt sein Gesicht.) + +Habakuk (für sich). +Ah, das ist schrecklich! ich hätt sollen einen Zichori +ausstechen (ringt die Hände), und er glaubt, ich will ihn +umbringen. Ah, das ist schrecklich, das ist schrecklich! + +Rappelkopf. +Ja, es ist schrecklich--es ist entsetzlich, es ist das +Unmenschlichste, was die Weltgeschichte aufzuweisen hat. +(Nimmt den Stuhl.) Hinaus, du Mörder! du Abällino! du Ungeheuer +in der Livree! + +Habakuk. +Aber Euer Gnaden-- + +Rappelkopf. +Hinaus mit dir-- + +Habakuk. +Nein, ich war-- + +Rappelkopf (wütend). +Hinaus, sag ich, oder--(jagt ihn hinaus.) + +Habakuk (schon vor der Tür, schreit). +Ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich noch nicht erlebt. +(Ab.) + +Rappelkopf (allein). +Es ist vorbei, ich bin unter meinem eignen Dache nicht mehr sicher. +Drum hinaus, nur hinaus +Aus dem mörderischen Haus! +Doch vorher will ich mich rächen, +Alle Möbel hier zerbrechen. +Gleich zuerst nehm ich beim Schößel +Diesen vierzigjährgen Sessel, +Auf dem meine Weiber saßen, +Die mein Lebensglück mir fraßen. +Ha! Dich tret ich ganz zuschanden. +(Zertritt den Stuhl.) +So--der hat es überstanden. +Auch den Tisch, an dem ich Briefe, +Voll Gemüt und treuer Tiefe, +Einst an falsche Freunde schrieb, +Spalte ich auf einen Hieb. +(Schlägt in den Tisch.) +Und der weltverführnde Spiegel, +Der Verderbtheit blankes Siegel, +Dieser Abgott aller Schönen, +Dem die eitlen Narren frönen, +Wo sie stehen, wo sie gaffen +Und sich putzen wie die Affen, +Gsichter schneiden, Buckerl machen, +Weißer Zähne willen lachen: +O du truggeschliffner Räuber! +Du Verführer eitler Weiber! +O du niedrige Lappalie! +Wart, dir liefr ich jetzt Bataille. +(Erblickt sich in dem Spiegel.) +Pfui! das häßliche Gesicht, +Ich ertrag es länger nicht. +(Zerschlägt den Spiegel mit geballter Faust.) +So! da liegt er jetzt, der Held, +Und sein Harnisch ist zerschellt. +(Besieht die Hand.) +Ha! der glänzende Betrüger +Hat verwundet seinen Sieger, +Doch ich mach mir nichts daraus, +Flöß ein Eimer Blut heraus. +(Öffnet den Schreibtisch und nimmt Briefe aus demselben.) +Auch die Briefe voll von Lieb, +Die im Wahnsinn ich einst schrieb, +Die zerreiß ich alle hier. +'s ist nur schad um das Papier. +(Zerreißt sie und streut sie auf den Boden. +Nimmt Geldrollen und Geldbeutel aus einer Schatulle.) +Nur das tiefgehaßte Geld, +Die Mätresse dieser Welt, +Das bewahr ich mir allein, +Das muß mit, das steck ich ein. +(Steckt es schnell in die Taschen.) +Nun? Ihr Esel, ihr vier Wände, +Die ich hasse ohne Ende, +Warum schaut ihr mich so an? +Bin ich nicht ein ganzer Mann? +Euch kann ich zwar nicht zerschlagen, +Doch ich will euch etwas sagen: +Ich geh jetzt in Wald hinaus +Und komm nimmermehr nach Haus. + +(Läuft wütend ab.) + + + +Fünfzehnter Auftritt + +Verwandlung +Das Innere einer Köhlerhütte. Rußige Wände. + +Salchen am Spinnrocken. Hänschen, Christopherl, Andresel sitzen +am Tisch. Marthe an einer Wiege, in der ihr Kind liegt. Unterm +Tisch ein großer schwarzer Hund. Auf dem Tisch eine Katze, mit +welcher die Knaben spielen. Im Hintergrunde zwei schlechte +Betten. In einem liegt die kranke Großmutter, in dem andern der +betrunkene Christian. + +Quintett + + +Salchen (fröhlich). +Wenn ich an mein Franzel denk, +Wird mir halt so gut. +'s Herzel, das ich ihm nur schenk, +Kriegt gleich frohen Mut. + +Die drei Kinder. +He, Mutter, gib was z' essen her, +Der Magen tut uns weh! + +Salchen. +Das Hungern fällt mir gar nicht schwer, +Wenn ich mein Bürschel seh. +Wenn ich an mein Franzel denk, +Wird mir halt so gut. +'s Herzel, das ich ihm nur schenk, +Kriegt gleich frohen Mut. + +Die drei Kinder. +Mutter, gib uns Brot! + +Christian (mit lallender Stimme). +Ihr Bagage, seids nicht still? +Tausendschwerenot! + +Marthe (ruft). +Still! + +Das Kind. +Qua qua! + +Die Katze. +Miau! + +Der Hund. +Hau hau! + +(Die erste Melodie fällt ein.) + +Salchen. +Mein Franzel ist ein wiffer Bua, +Singt den ganzen Tag: +Daß er mich alleinig nur +Und kein andre mag. + +Die drei Kinder. +Wenn wir nicht was z' essen kriegn, +So gehn wir ja zugrund! + +Salchen. +So weckts das Kind nicht in der Wiegn, +Und spielts euch mit den Hund! +Mein Franzel ist ein wiffer Bua, +Singt den ganzen Tag: +Daß er mich alleinig nur +Und kein andre mag. + +Die drei Kinder. +Sapperment, ein Brot! + +Christian. +Wanns nicht euern Schnabel halts, +Schlag ich euch noch tot! + +Marthe. +Still! + +Das Kind. +Qua qua! + +Die Katze. +Miau! + +Der Hund. +Hau hau! + +Marthe. +Still seids, ihr ausgelassenen Buben! + +Hänschen (weinerlich). +Mutter, a Brot! + +Salchen. +Ist keins da, Holzbirn eßts! + +Marthe. +Und machts keinen solchen Lärm. Euern Vater ist nicht gut. + +Andresel. +Was fehlt ihm denn? + +Marthe. +Den Schwindel hat er. (Für sich.) Man darfs den Kindern nicht +einmal sagen. + +Christoph. +Jetzt hat der Vater so viel Kohlen verkauft-- + +Andresel. +Und hat kein Geld z' Haus bracht, nichts als ein Schwindel. + +Salchen. +Was geht das euch an? + +Andresel. +Weil wir hungrig sein. Ich weiß schon, warum wir so wenig z' +essen kriegen, weil der Vater so viel trinkt. + +Salchen. +Jetzt schaut d' Mutter einmal die Spitzbuben an. Sie haben gar +kein Respekt vor ihren Vatern. + +Christian. +Ich massakrier die Buben alle drei. (Er will auf und taumelt.) + +Marthe. +Liegen bleib! (Sie drängt ihn ins Bette.) + +Andresel. +Er kriegt schon wieder den Schwindel. + +Alle drei Buben (lachen). +Haha! Der Vater kann nicht grad stehn! + +Marthe. +Ob ihr aufhört! Nein, wie hat mich der Himmel gstraft! + +Das Kind (schreit). +Qua qua! + +Marthe (zu Salchen). +Aufs Kind schau! +(Salchen wiegt.) +Eine Butten voll Kinder und so einen liederlichen Mann. Kein +Pfennig Geld im Haus. +(Die Großmutter niest im Bett.) +Hört d' Mutter zum niesen auf. Man hört sein eignes Wort nicht. + +Die drei Buben. +Ah, das ist a Spaß. + +Andresel. +D' Mutter ist zornig. Haha! + +Marthe. +Nein, die Gall bringt mich um. Du verdammter Bub du, wart, ich +will dir deine Mutter ausspotten lernen! (Nimmt ihn beim Kopf +und schlägt ihn.) + +Andresel (schreit). +Au weh! (Weint.) + +Salchen (springt herzu und hält sie ab). +So hört d' Mutter auf!-- + +(Die zwei andern Buben verkriechen sich hinter den Tisch und +hinters Bett.) + +Alles zugleich: +Das Kind (in der Wiege). +Qua qua! +Die Großmutter (streckt im Bett die Arme heraus und niest). +Hehe! +Der Hund (bellt). +Hau hau! + +(Die Katze springt davon.) + + + +Sechszehnter Auftritt + +Vorige. Rappelkopf öffnet die Tür und bleibt stehen. + + +Rappelkopf. +Holla, da gehts zu, nur hinauf auf die Köpf! Das ist ein Gesindel. +(Geht in die Mitte des Zimmers und klatscht in die Hände. +Schadenfroh.) Bravo! Bravissimo! + +Salchen. +Jetzt schauts den an. Was will denn der da? + +Marthe. +Nu was will Er? Was schaut Er? + +Rappelkopf. +Sie will ich nicht. Sie Altertum! Was kost die Hütten da? Was +muß ich zahlen, wenn ich euch alle hinauswerfen darf? + +Salchen. +Ah, der hat einen kuriosen Gusto. + +Marthe. +Er impertinenter Mensch, was untersteht Er sich denn, da +hereinzukommen-- + +Salchen. +Und uns Grobheiten anzutun. + +Christian (halb schlaftrunken). +Werfts ihn aussi! + +Marthe (verdrüßlich). +Halt's Maul! (Zu Rappelkopf) Was hat denn Er zu befehlen, ich +kann meine Kinder schlagen, wie ich will. + +Andresel. +Nun ja, was geht denn den Herrn mein Buckel an? Die Schläg sein +unser Mittagmahl. + +Der Bub unterm Bett. Sultel! Huß huß! + +Der Hund. +Hau hau! + +Marthe und Salchen. +Hinaus mit Ihm! + +Rappelkopf. +Still! kein Wort reden! (Zieht zwei Geldbeutel hervor und +klingelt damit.) Geld ist da! Dukaten sind da! Die gehören alle +euch. Verstanden? Also freundlich sein. Die Zähn herblöcken. +Euer Gnaden sagen. Gschwind! Bagage! Gschwind! + +Marthe. +Euer Gnaden, wir bitten um Verzeihung. Gehts, Kinder, küßt den +gnädigen Herrn die Hand. Kriegts was zu schenken. + +(Die Kinder kriechen hervor.) + +Andresel (lacht dumm). +Dukaten hat er? Gehts, Buben, küssen wir ihm die Hand. + +(Sie küssen ihm die Hände.) + +Rappelkopf. +Ist schon da die Brut. + +Alle drei Buben. +Euer Gnaden, bitt gar schön um ein Dukaten. + +Christian. +Bringts mir auch welche her! + +Salchen. +Schamts euch nicht? er foppt euch nur. + +Rappelkopf. +Was will die Frau, da, für die Keischen? Ich kauf s'. Wenn s' +noch so teuer ist. + +Marthe. +Ah, Euer Gnaden machen nur einen Spaß. Was wollten S' denn mit +der miserablichen Hütten da? + +Rappelkopf. +Das geht Sie nichts an. Hat Sie genug an zweihundert Dukaten? + +Marthe. +O mein, Euer Gnaden! So viel Geld kanns ja gar nicht geben auf +der Welt, da wären wir ja versorgt auf unser Lebtag. + +Salchen. +Aber die Mutter wird doch nicht die Hütten verkaufen? Was wird +denn mein Franzel sagen, wenn ers hört? + +Andresel. +Mutter, gebts ihm s', es ist nicht mehr wert. + +Marthe (freudig). +O du lieber Himmel, das ist a Glück! Wenn nur mit mein Mann was +zu reden wär! + +Andresel. +Vater! steht der Vater auf! Oder wir verkaufen 's Haus, und den +Vatern auch dazu. + +Marthe. +Du Mann! (Für sich.) Nein, die Schand vorn Leuten! Er kann sich +gar nicht rühren. (Während dieser Rede liebkost der Hund +Rappelkopf, welcher ihn mit dem Fuß von sich stößt. Der Hund +bellt auf ihn. Marthe laut.) +Die Hütten kannst verkaufen, stell dir vor, zweihundert Dukaten +kriegen wir dafür. + +Christian (schlaftrunken). +Ist zu wenig--viel zu wenig. + +Salchen. +Wenn er s' nur nicht hergebet! + +Marthe. +Der Mann weiß gar nicht, was er redt. Sie können s' habn, Euer +Gnaden, es ist schon alles in der Ordnung. + +Rappelkopf. +Da kauf ich alles, wies da liegt und steht. + +Marthe. +Oh, da drauß ist auch ein Kuchel, da hängt a Menge Kuchelgschirr. + +Andresel. +Und Mäus gibts, die sind gar nicht zu bezahlen. + +Rappelkopf. +Also da ist's Geld. (Wirft ihnen Geld hin.) Und jetzt +augenblicklich hinaus. Alle miteinander. In zwei Minuten will +ich keins mehr sehen. + +Salchen. +Sieht die Mutter, jetzt kommts halt doch auf Hinauswerfen heraus. + +(Während dieser Reden haben die Kinder alles nach und nach +zurückgeräumt, so daß die Bühne im Vordergrunde frei von Möbeln +ist, bis auf einen Stuhl, auf den sich Rappelkopf setzt. Franzel +tritt ein.) + +Franzel. +Guten Abend, der Franzel ist da! + +Rappelkopf. +Da kommt noch so ein Halbmensch. + +Salchen. +O lieber Franzel, schau nur den Fremden an, dem hat die Mutter +die Hütten verkauft, er wirft uns alle 'naus. Er hat s' schon +zahlt. + +Franzel. +Aber Mutter, was fallt Euch denn ein? Gebts ihm doch 's Geld +zurück, dem abscheulichen Menschen. + +Marthe. +Warum nit gar--das gib ich nimmer her, keinen solchen Narren +finden wir nicht mehr. Seids still, von dem Geld könnts euch +heiraten. + +Salchen. +Aber wo bleiben wir denn? Es ist ja schon bald Nacht. + +Marthe. +Ums Geld lassen s' uns überall hinein. He! Kinder, Vater, Mutter, +auf, auf! wir müssen alle fort. + +Andresel. +Das wird ein Auszug werden! Ich freu mich schon. + +Marthe. +Aufsteh, Mann! (Sie zerrt ihn auf und führt ihn vor.) + +Rappelkopf. +Ist er krank? + +Marthe. +Nu, ich glaubs. + +Rappelkopf. +Schon lang? + +Marthe. +Halt ja, das ist gar ein altes Übel, das ist noch vom vorigen +Jahr. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr! es ist vom Heurigen. Hinaus mit ihm! + +Christian. +Ich geh nicht fort, bis ich das Geld nicht hab. Ich bin ein +Mann, ich hab etwas im Kopf, so will ich im Sack auch was haben. + +Marthe. +Ich hab schon 's Geld, (zieht ihm den Rock an und setzt ihm den +Hut auf) so geh nur zu! Jetzt Kinder, packts zusammen. +(Hansel nimmt den Hund an einen Strick.) +Der Christoph führt die Großmutter. +(Sie heben die Alte aus dem Bett und geben ihr die Krücke in die +Hand. Auf Hänschen.) +Du führst den Hund, und ich mein Mann. + +Rappelkopf. +Und das Kind? Was gschieht mit den? + +Andresel. +Das nimm ich unterm Arm. + +Rappelkopf. +Das ist ein Hottentottenvolk. Seid ihr in Ordnung jetzt? + +Andresel. +Ja. Eingspannt ists. + +Rappelkopf. +So fahrt hinaus. + +Salchen. +So müssen wir denn wirklich fort, aus unsern lieben Haus-- + +Christoph (weint). +Wo wir alle geboren und verzogen sein. + +Salchen. +Meiner Seel, der Herr kanns nicht verantworten, was der Herr mit +seinen Geld für ein Unheil anstift. + +Sextett + +Salchen. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Alle (bis auf Rappelkopf). +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Salchen. +Und fänden wir das höchste Glück, +Wir dächten doch an dich zurück. + +Alle. +Und fänden wir das höchste Glück, +Wir dächten doch an dich zurück. + +(Alle Paar und Paar ab. Sie sehen sich im Abgehen betrübt um, +auch der Hund.) + +Der Hund (mit gedämpftem Ton gegen Rappelkopf im Abführen). +Hau hau! Hau hau! (Geht hinten nach, von Hänschen an einem Strick +geführt.) + + + +Siebzehnter Auftritt + +Rappelkopf allein. + +Lied mit Chor + + +Rappelkopf (springt vom Stuhle auf). +Jetzt bin ich allein, und ich will es auch bleiben, +Will mich mit der Einsamkeit zärtlichst beweiben, +Will gar keine Freunde als Berge und Felsen, +Verjag das Schmarotzergesindel wie Gelsen, +Will nie dem Geschwätze der Weiber mehr lauschen, +Da hör ich viel lieber des Wasserfalls Rauschen. +Zu Pagen erwähl ich die vier Elemente, +Die regen geschäftig die riesigen Hände. +Den Westwind ernenn ich zu meinem Friseur, +Der kräuselt die Locken und weht um mich her, +Und wenn ich ein hohes Toupet vielleicht schaff, +Frisiert mich der Sturmwind gleich à la Giraff. +So leb ich zufrieden im finsteren Haus +Und lache die Torheit der Menschen hier aus. +(Tritt in die Mitte des Theaters zurück und starrt vor sich hin. +Nah an der Hütte ertönt sanft der Chor nach der vorigen Melodie.) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + +Rappelkopf (tritt vor). +Ich will nichts mehr hörn von den boshaften Leuten, +Verachte die Dummen und fliehe die Gscheidten. +Und ob sie sich raufen, und ob sie sich schlagen, +Und ob sie Prozesse führn und sich verklagen, +Und ob sie sich schmeicheln, und ob sie sich küssen, +Und ob sie der Schnupfen plagt, wie oft sie niesen, +Und ob sie gut schlafen, und was sie gegessen, +Und ob sie vernünftig sind oder besessen, +Und ob wohl in Indien der Hafer ist teuer, +Und obs in Pest regnt und in Ofen ist Feuer, +Und ob eine Hochzeit wird oder ein Leich: +Ha! das ist mir einerlei, das gilt mir gleich. +Ich lebe zufrieden im finsteren Haus +Und lache die Torheit der Menschen hier aus. + +(Wirft sich in den Stuhl. Weiter entfernt von der Hütte:) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + +(Es wird finster.) + +Rappelkopf (springt auf und schleudert den Stuhl zurück, auf +dem er saß). +Und wollte die Welt sich auch gänzlich verkehren, +Und brächte der Galgen die Leute zu Ehren, +Und läge die Tugend verpestet am Boden, +Und tanzten nur Langaus die Kranken und Toten, +Und brauchten die uralten Weiber noch Ammen, +Und stünde der Nordpol in glühenden Flammen, +Und schenkte der Wucher der Welt Millionen, +Und würden so wohlfeil wie Erbsen die Kronen, +Und föcht man mit Degen, die ganz ohne Klingen, +Und flögen die Adler und fehlten die Schwingen, +Und gäbs eine Liebe, gereinigt von Qualen, +Und schien' eine Sonne, beraubt ihrer Strahlen: +Ich bliebe doch lieber im finsteren Haus +Und lachte die Torheit der Menschen hier aus. + +(Er eilt zurück und öffnet die Fensterbalken. Der Wald erglüht +im Abendrot, welches auch Rappelkopf bestrahlt. Er blickt düster +hinaus und von ferne erschallt der) + +Chor. +So leb denn wohl, du stilles Haus, +Wir ziehn betrübt aus dir hinaus. + +Der Hund. +Hau hau! + + + +Achzehnter Auftritt + +(Langsam verwandelt sich die Bühne in ein kurzes Zimmer in +Rappelkopfs Hause. In der Mitte ein großer Spiegel. Tag.) + + +Sophie, von Malchen und August geführt, setzt sich weinend in +einen Stuhl. + +Malchen. +Trösten Sie sich, teure Mutter, der Vater wird schon wieder +zurückkehren, wenn er ausgetobt hat. Wie oft verließ er nicht +das Haus und lief den Bergen zu. + +Sopie. +Ach Kinder, es ist eine böse Ahnung in meinem Busen, die mir +jede Hoffnung raubt, daß wir ihn gesund und wohlbehalten +wiedersehen. + +August. +Wenn Sie mir nur erlauben wollten, ihm nachzueilen, ich wollte +alle Mittel anwenden, ihn zu besänftgen. + +Sopie. +O lieber August, Ihr Anblick würde ihn nur noch mehr erbittern. +Eben weil er Sie hier weiß, ist sein Unmut zur Raserei geworden. + +Malchen. +Da kommt Lischen mit Habakuk, vielleicht hat man schon Nachricht +gebracht. (Lischen, eilig Habakuk hereinziehend.) + +Lischen. +Da komm Er herein, Er abscheulicher Mensch, und erzähl Er der +gnädgen Frau den ganzen Vorfall! Stellen sich Euer Gnaden vor, +mit dem Habakuk hat er den letzten Auftritt gehabt. Wegen dem +Habakuk ist er fort. + +Habakuk. +So red Sie nur nicht so einfältig! Was kann denn ich dafür? + +August. +Der Mensch ist ja blaß wie eine Leiche. + +Sopie. +Warum hat Er denn das nicht gleich gemeldet, wo war Er bis jetzt? + +Lischen. +Auf den Kornboden hat er sich versteckt, aus lauter Angst vor +den gnädgen Herrn. Er hat ihn ja ermorden wollen. + +Alle. +Wen? + +Lischen. +Der Habakuk den gnädigen Herrn. + +Alle. +Nicht möglich! + +Lischen. +Nicht möglich? Er hat es ja selbst gestanden. Sehen Euer Gnaden +nur diese Mörderphysiognomie, er bringt noch das ganze Haus um. + +Habakuk. +Ah, das ist ja eine schändliche Person. Euer Gnaden, ich bitt, +daß ich mich an ihr eine halbe Stund vergreifen darf. Das kann +ich ja nicht leiden. + +Lischen. +Untersteh Er sich und komm Er her, Er Missetäter! + +Malchen. +Du wirst dir doch keinen Scherz erlauben, Lischen? + +Sopie. +Sprech Er, Habakuk! Warum zittert Er denn so? + +Habakuk. +Aus lauter Zorn, ich benimm mich gegen alle présence d'esprit, +ich war zwei Jahr in Paris, und mir schnappen die Füß zusammen. + +August (gibt ihm einen Stuhl). +Hier setz Er sich nieder und erklär Er sich über die Sache. + +Habakuk. +Ich kann mich nicht anders erklären, als daß ich, wie Euer +Gnaden geschafft haben, einen Zichori hab ausstechen wollen, +und wie der gnädige Herr ein Messer bei mir erblickt, so hat +er behauptet, ich hätt ihn gschwind unter der Hand umbringen +wollen. Laßt mich nicht zu Wort kommen, schüttelt mich wie einen +Zwetschkenbaum und fragt mich, wer mich gedünget hat. Ich wollt +antworten: Die gnädige Frau braucht einen Zichori. Wer aber +diesen Zichori gar nicht aus mir herauslaßt, das war er. Denn +kaum hab ich das Wort: »Die gnädige Frau« gesagt, so ist er +schon mit beiden Füßen bis auf den Blavon hinauf gsprungen. +Hat immer geschrien, meine Frau will mich ermurden lassen, hat +mich einen Habällino hin, den andern her geheißen, und hat mich +mir nichts dir nichts bei der Tür hinausgeprügelt. Von wo ich +mich aus lauter Desperation auf den Kornboden versteckt hab. +Bis mich dieses intrigante Frauengeziefer heruntergestöbert hat +und jetzt die ganze Gschicht auf eine so verkehrte Weise erzählt. + +Lischen. +Er hat einmal behauptet-- + +Habakuk. +Daß Sie eine niedrigdenkende Seele ist, die einen Mann von +meinen Meriten ins Unglück hineinstürzen will. + +Sopie. +Genug jetzt, mit diesen Albernheiten. Also das ist die Ursache, +die meinen Mann in solche Wut geraten ließ? Des Mordes hält er +mich verdächtig? So ungereimt diese Zumutung auch ist, so gibt +sie doch einen Beweis, wie gemein er von meinem Charakter denkt. + +Malchen. +Beruhigen Sie sich, liebe Mutter! + +August. +Wer sollte glauben, daß ein gesunder Verstand so phantastisch +ausarten könne? + +Lischen. +Der gnädge Herr hatte immer etwas Düstres an sich, selbst wie +er noch Buchhändler war, seine Bücher waren immer gut aufgelegt, +er aber nie. + +Habakuk. +Er ist ein Hypokontrolist. Er hat zu reizende Nerven. + +Lischen (lacht). +Es ist schrecklich--dieser Mensch war zwei Jahr in Paris und ist +so einfältig wie eine Auster. + +Habakuk. +Diese Person fällt noch von meiner Hand. + +Sopie (zu Lischen). +Und du hast ihn aus dem Hause laufen sehen? + +Lischen. +Dem Walde zu. Nachdem er vorher die große Schlacht gegen alle +Möbel gewonnen hatte. + +Sopie (weint). +Ach du lieber Gott, mir bangt um sein Leben, ich kann nicht +ruhig bleiben mehr, ich muß selbst hinaus-- + +August. +Bleiben Sie-- + +Malchen. +Ach August, der Alpenkönig hat uns getäuscht. + +August. +Ich verwünsche diesen Kobold. + +(Donnerschlag. Der Spiegel öffnet sich, man sieht auf einem +schroffen Fels den Alpenkönig sitzen. Im Hintergrunde ferne +Berge, blauer Himmel.) + +Sopie. +Himmel, welche Erscheinung! + +August, Malchen. +Er ist es! + +Sopie. +Wer? + +Habakuk. +Der Aschenmann! + +August, Malchen. +Der Alpenkönig! + +Lischen. +Ach, daß der Himmel erbarm! (Sie schließt die Augen.) + +Astragalus. +Warum verfluchst du mich? + +August (kniet). +Du Wunderwesen, dessen Macht wir nicht erklären können und die +doch unleugbar, weil sie dem Auge und dem Herzen sich zugleich +verkündet, du hast uns deinen Schutz gelobt. Und doch ward diesem +Haus so tiefes Leid, daß ich beinahe fürchten muß, du könntest +meiner Liebe Glück durch ihres Vaters Unglück nur bezwecken. + +Malchen (kniet). +Wenn du die Stelle kennst, auf der sein Fuß jetzt irrt, so rett +ihn, hoher Klippenfürst. + +Sopie (kniet). +Ich verstehe meiner Kinder Worte nicht, doch wenn meines Mannes +Herz in deinen Zauberbanden liegt und darum sich von uns gewendet +hat, so gib es frei, wir werden dich dafür stets als ein gutes +Wesen ehren. + +Lischen (kniet). +Hoher Alpenkönig! Ich traue mich zwar nicht, mein Auge zu dir zu +erheben, warum? das weiß ich schon. Aber wenn du ein galanter +Herr bist, so wird auch die Bitte einer hübschen Kammerjungfer +etwas bei dir gelten. + +Habakuk (kniet). +Ich bitt auch ganz erschrecklich, Euer gesteinigte Hochheit! + +Astragalus (steht auf). +Ich dacht es wohl, es wandle euch Besorgnis an, +Weil mein Geschäft so üblen Anfang nimmt. +Doch sorgt euch nicht, ich bin ein kluger Handwerksmann, +Der seinen Vorteil schon voraus bestimmt. +Denn wenn man sprödes Erz geschmeidig sucht zu biegen, +So lasse man es in des Ofens Bauch erglühn. +Und so muß sein Gemüt in Hassesflammen liegen, +In wilder Leidenschaft die Seele Funken sprühn, +Dann kann ich seinen Wahn durch Überzeugung schmieden +Und seiner Denkart ihre alte Form verleihn. +Von selbst schließt mit der Menschheit er dann neu den Frieden +Und wird sein Wirken freudig ihrem Wohle weihn. +Drum, was ihr Böses mögt in baldger Zukunft schauen, +Wenn ihr bei nächster Sonne wieder ihn erblickt, +Doch mögt ihr kühn und treulich auf mein Wort vertrauen, +Noch eh sie sinkt, hat Alpenkönig euch beglückt. + +(Sinkt in seine frühere Stellung zurück. Das Spiegelglas erscheint +wieder.) + +Sopie. +So unerklärbar dieses Phantom mir ist, so hat es doch Trost in +meine Seele gesendet. Begleitet mich nach dem Gemach, das uns +die Aussicht nach dem Wald hin bietet, vielleicht sehen wir +schon einige von den Boten zurückkehren, welche ich nach meinem +Manne ausgesendet habe. Dort sollt ihr mir auch Aufklärung über +den Alpenkönig geben. + +(Sophie, Malchen, August ab.) + + + +Neunzehnter Auftritt + +Habakuk. Lischen. + + +Habakuk. +Nein, was einem in unserm Haus für Erscheinungen begegnen, das +geht in das Entsetzliche hinüber. (Stellt sich vor Lischen.) + +Lischen. +Nu was gibts, Monsieur? Was sieht Er mich so an? + +Habakuk (gezogen). +Sie hat mich auf das Schafott bringen wollen, darum hab ich Ihr +in dieser Welt nichts mehr zu sagen, als-- + +Lischen. +Daß Er zwei Jahre in Paris gewesen ist, Er abgeschmackter Mensch? + +Habakuk. +Oui, Mademoiselle, und dieses Bewußtsein gibt mir die Kraft, +Ihre Gemeinheit zu verachten. (Geht pathetisch ab.) + +Lischen (allein). +Und ich werde mich in des gnädgen Herrn Zimmer verfügen und mich +in den zerbrochenen Spiegel schauen, ob ich meine ganze Schönheit +noch besitze. Dann werde ich die zerrissenen Liebesbriefe +zusammenkehren und diese mit Füßen getretenen Empfindungen ganz +langsam in den Kamin hineinschaufeln. So sind die Männer, ihre +Liebesschwüre sind lauter Wechsel an die Ewigkeit, in diesem +Leben zahlt sie keiner aus. Wenn ich wieder auf die Welt komme, +so werd ich ein Mann und will gar keine von meinen jetzigen +Eigenschaften behalten als die Eroberungskunst. + +Ariette +Ach, wenn ich nur kein Mädchen wär, +Das ist doch recht fatal, +So ging' ich gleich zum Militär +Und würde General. +Oh, ich wär gar ein tapfrer Mann, +Bedeckte mich mit Ruhm! +Doch ging' die Kanonade an, +So machte ich rechtsum. +Nur wo ich schöne Augen säh, +Da schöß ich gleich drauf hin. +Dann trieb' ich vorwärts die Armee +Mit wahrem Heldensinn. +Da flögen Blicke hin und her, +So feurig wie Granaten. +Ich sprengte vor der Fronte her, +Ermutigt die Soldaten. + +Ihr Krieger, schrie' ich, gebt nicht nach! +Zum Sieg sind wir geboren, +Wird nur der linke Flügel schwach, +(aufs Herz zeigend) +So ist der Feind verloren. +So würde durch Beharrlichkeit +Am End der Preis errungen +Und Hymens Fahn in kurzer Zeit +Von Amors Hand geschwungen. + +Dann zög ich ein mit Sang und Spiel, +Die Mannschaft parodierte. +Wär auch der Lorbeer nicht mein Ziel, +So schmückte mich die Myrte. +So nützte ich der Kriegskunst Gab, +Eroberte--ein Täubchen. +Dann dankt ich die Armee schnell ab +Und blieb' bei meinem Weibchen. (Ab.) + + + +Zwanzigster Auftritt + +Verwandlung +Tiefer Wald. Rechts vorne die Köhlerhütte. Eine Tür, neben +dieser ein Fenster, auf dem Dache ein praktikables Bodenfenster. +Dieser Hütte gegenüber ein großer Eichbaum. Hinter diesem ein +Gebüsch. Im Hintergrunde ein kleiner Wasserfall. Es ist spät am +Abend. + +Rappelkopf mit einem Wasserkrug aus der Hütte. Er hat eine +berußte Schlafmütze des Köhlers und einen runden Bauernhut auf +dem Kopfe und eine Jacke von ihm an. + + +Rappelkopf. +So!--Der Timon ist fertig, nun fehlt nur noch sein Kompagnon, +der Esel--und wenn ich der auch jetzt nicht bin, so war ichs +doch--ich war zu gut, das ist mein größter Fehler. Die Leute +wollen es nicht. Es gibt manche Menschen, wenn ihnen einer +begegnet, der ihnen noch so viele Wohltaten erwiesen hat, so +sagen s' höchstens zu einander: Oh, das ist ein guter Kerl, der +tut kein Menschen was, der ist froh, wenn man ihm nichts tut. +(Gleichgültig grüßend.) Servus! Servus! Lassen wir ihn leben. +Wenn aber einer kommt, von dem sie glauben, daß er ihnen schaden +könnt, da stoßen s' einander: Oh! das ist ein böser Kerl, vor +dem muß man sich in acht nehmen. (Freundliches tiefes Kompliment.) +Tänigster Diener! Tänigster Diener! hab ich die Ehr, mein +Kompliment zu machen. Wann der anfangt, der kanns. Gleich +wieder: Tänigster Diener! Oh, es wird mich noch zum Wahnsinn +bringen. In meinem Haus bin ich nicht sicher mehr, mein Weib +will mich ermorden lassen. Habt ihrs gehört, ihr verfolgten +Stämme dieses edlen Waldes, die der Mensch gar zu zweifachem +Tod bestimmt, weil euch die Axt erst fällt und man euch dann +noch hinterdrein verbrennt? Habt ihrs gehört? Mein Weib will +mich ermorden lassen! Ist denn der Wald so echolos, daß ich +der einzge bin, der diese Schandtat ausposaunt? + +(Geräusch in den Blättern.) + +Ha! wer rührt sich da? ist es ein Mensch, so soll er hervorkommen, +damit ich meinen ganzen Vorrat von Impertinenzen in sein Antlitz +werfen kann. Heraus da, wer ist hier? Qui vive? + +Ein Stier (streckt aus dem Gebüsche, hinter dem er gefressen, +seinen Hals gegen Rappelkopf und brüllt sehr stark.) +Ohn! (Man sieht ihn jedoch nur bis an die Brust, der Unterleib +ist durch das Gebüsch verdeckt.) + +Rappelkopf (verblüfft). +Diese Antwort hab ich nicht erwartet. (Reißt einen Baumast ab +und jagt den Stier fort.) Gehst hinaus! Eine solche Gesellschaft +möcht ich mir noch ausbitten. + + + +Einundzwanzigster Auftritt + +Voriger. Astragalus tritt hervor. + + +Astragalus. +Du verdienst keine bessere. Warum verfolgst du diesen Sohn +meiner Herde? + +Rappelkopf. +Gib der Herr auf seine Kinder besser acht. Hier ist mein +Territorium, und da leid ich weder etwas Vierfüßiges noch +etwas Zweifüßiges. Also weiter, Vater und Sohn! + +Astragalus. +Du irrest, wenn du wähnst, daß du auf eignem Boden herrschest. +Mein ist das Tal, in dem die Alpe wurzelt. Drum frag ich dich, +wie du es wagst, schamlose Flüche auszuhauchen hier, daß sie +wie giftger Reif an diesen Blättern hangen, und eine Welt zu +schmähn, in der du Wurm, aus Schlamm gezeugt, in eines Waldes +dunklem Busen dich verkriechst, weil du den Strahl des heitren +Lebens fürchtest? + +Rappelkopf. +Was kümmerts dich? (Beiseite.) Der Kerl sieht aus, als wenn er +von Gußeisen wär. Dem geh ich gar keine Antwort, den laß ich +stehen. (Will in die Hütte.) + +Astragalus (zielt auf ihn). +Halt an! Gib Leben oder Worte! + +Rappelkopf. +Was ist das für eine Art, auf einen Menschen zu schießen? + +Astragalus. +Du bist kein Mensch. + +Rappelkopf. +Nicht? Das ist das Neuste, was ich höre. + +Astragalus. +Du hast dich ausgeschlossen aus der Menschen Kreis. Gib Losung, +ob du es noch bist. Bist du gesellig wie der Mensch? Du bist es +nicht. Hast du Gefühl? Du fühlst nur Haß. Hast du Vernunft? Ich +finde keine Spur. + +Rappelkopf. +Impertinent! + +Astragalus. +Drum sprich, zu welcher Gattung ich dich zählen soll, der du des +Tieres unbarmherzge Roheit mit dem milden Ansehn und der Sprache +eines Menschen paarst. + +Rappelkopf. +Ah, das ist eine gute Geschichte, der führt einen logischen +Beweis, daß ich ein Tier bin und noch dazu eins von der neuesten +Gattung. + +Astragalus. +Was hast du zu erwidern mir? + +Rappelkopf (beiseite). +Ich wollt ihm schon etwas erwidern, wenn er keine Flinten hätte. + +Astragalus. +Antwort gib, ob du in meine Jagdbarkeit gehörst und meiner Kugel +bist verwandt? + +Rappelkopf (beiseite). +Jetzt muß ich vor dem eine Rechenschaft ablegen, und ich möcht +ihn lieber massakrieren. (Laut.) Die Flinte weg. Ich bin ein +Mensch, und das ein besserer, als ich sein hätt sollen. + +Astragalus. +Und warum hassest du die Welt? + +Rappelkopf. +Weil ich hab blinde Mäusl gespielt mit ihr, die Treue hab +erhaschen wollen und den Betrug erwischt, der mir die Binde +von den Augen nahm. + +Astragalus. +Dann mußt du auch dem Wald entfliehen, weil er mißgestalte +Bäume hegt, die Erde meiden, weil sie giftge Kräuter zeugt, +des Himmels Blau bezweifeln, weil es Wolken oft verhüllen, +wenn du den Teil willst für das Ganze nehmen. + +Rappelkopf. +Was nützt das Ganze mich, wenn mich ein jeder Teil sekkiert. +Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher. + +Astragalus. +Machs mit dem Mißtraun aus, das dich belogen hat. + +Rappelkopf. +Mich haßt mein Weib, mich flieht mein Kind, mich richten meine +Dienstleut aus. + +Astragalus. +Weil dein Betragen jeden tief erbittert, weil du den Haß +verdienst, den man dir zollt. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr, ich bin ein Mensch, so süß wie Zuckerkandel +ist. Nur mir wird jede Lust verbittert, und ich trage keine +Schuld. + +Astragalus. +Die größte, denn du kennst dich selber nicht. + +Rappelkopf. +Das ist nicht wahr. Ich bin der Herr von Rappelkopf. + +(Es fängt an, Nacht zu werden.) + +Astragalus. +Das ist auch alles, was du von dir weißt. Doch daß du störrisch, +wild, mißtrauisch bis zum Ekel bist, vom Starrsinn angetrieben, +hin bis an der niedern Bosheit Grenze, und wie die üblen +Eigenschaften alle heißen, die du für Vorzug deines Herzens +hältst, das ist dir unbekannt, nicht wahr? + +(Der Mond geht auf.) + +Rappelkopf. +Mir ist nur eins bekannt, daß du ein Lügner bist, der eine +Menge Fehler mir andichtet, die ich doch nicht hab. + +Astragalus. +So geh die Wette ein, daß du weit mehr noch hast. Ich führe +den Beweis, wenn du dich meiner Macht vertraust und mir gelobst, +daß du dich ändern willst. + +Rappelkopf. +Das hätt ich lang getan, wenn ich das gefunden hätte. Ich +vertrau mich keinem Menschen an, Betrug ist das Panier der +Welt. + +Astragalus. +Glaubst du, die Welt sei darum nur erschaffen, damit du deinen +Geifer auf ihr Wappen speien kannst? Die Menschheit hinge nur +von deinen Launen ab? Dir dürften andre nur, du andern nicht +genügen? Bist du denn wahnsinnig, du übermütger Wurm? + +Rappelkopf. +Sapperment, nicht lang per Wurm, das Ding fangt mich zu wurmen +an. Ich gib nicht nach, du bankrottierter Philosoph! Ich bin zu +gut, und du zu schlecht, als daß ich länger mit dir red. Drum +fort mit dir, der Mond geht auf, und du gehst ab, und künftighin +werd ich in meiner Hütten mich verschanzen und +herunterstukatieren, wenn sich eins sehen läßt. + +Astragalus. +So willst du nicht die Hand zur Beßrung bieten? + +Rappelkopf. +Ich biete nichts, und wenn mir's Wasser bis an Hals auch geht. + +Astragalus. +Wohlan! So laß uns den Versuch beginnen. +Weil nicht Vernunft kann dein Gemüt gewinnen, +Soll Geistermacht zu deinem Glück dich zwingen, +Und mit dem Alpenkönig wirst du ringen. +Vermeid dies Haus! Sonst tritt auf allen Wegen +Vergangenheit dir leichenblaß entgegen. +Und willst du Elemente Brüder nennen, +Lern ihre Wut und ihre Schrecken kennen. +Der Blitz soll deines Hauses Dach umarmen, +Dann kann dein Herz an Freundesbrust erwarmen. +Weil du die Luft willst statt der Gattin küssen, +Soll dich des Sturmes Angstgeheul begrüßen. +Der Boden soll dich Halbmensch nimmer tragen, +Dann magst du über Erdenundank klagen. +Und daß du mit den Wellen dich kannst streiten, +Will ich die Flut dir bis zur Kehle leiten. +So soll dich Feuer, Wasser, Luft und Erd betrügen. +Dann wähl, ob du dich willst in meinen Vorschlag fügen. +Und wirst du liebend nicht dein Herz zur Menschheit wenden, +So sollst du wildes Tier in Waldesnacht hier enden! +(Rasch ab.) + +Rappelkopf (allein). +Das ist ein schrecklicher Kerl. Und ich tu doch, was ich will. +Just! Du sollst mich nicht um meinen Schlaf heut bringen. Gute +Nacht, Freund Wald, ihr Eicheln, lebet wohl, zum Frühstück +finden wir uns wieder. + +(Will gegen das Haus. Beim Öffnen der Tür sitzt Victorinens +Geist auf einem Stuhl. Sie ist in blaue Schleier gehüllt und +sieht gespensterartig aus. Ihr Gesicht ist bleich und die ganze +Gestalt von einem grünen Schirm beleuchtet. Sie spricht mit +halblauter Stimme.) + +Victorinens Geist. +Wo bleibst du denn so lang, du liederlicher Mann? +Und kommst so spät erst in der Nacht nach Haus. +Gehst gleich herein, mir wird schon angst allein, +Sonst rauf ich alle Haar dir aus. + +Rappelkopf. +Himmel! das ist mein erstes Weib, die erkenn ich, weil sie die +Herrschaft noch im Grab behauptet. Da bringt mich niemand bei +der Tür hinein. Die hat den Satan in den Leib. Wenn nur das +Fenster offen wär! (Es donnert.) Jetzt fangts zum donnern an. +(Am Fenster zeigt sich, ebenso wie Victorinens, Wallburgas +Geist und sieht heraus.) Wer schaut denn da heraus? + +Wallburgas Geist (mit hohler Stimme). +Ich bins, du falscher Mann, du Ungetreuer du! +Warum hast du nach mir jetzt schon das zweite Weib? +Und ich hab dich so lieb, hab selbst im Grab kein Ruh, +Ich schau kein andern an, kann ohne dich nicht leben. +Drum komm herein, ich muß dir Küsse geben. + +Rappelkopf (erschrickt). +Entsetzlich! Schaudervolle Nacht, zeigst du mir auch die zweite +noch, die sich durch Eifersucht verrät? Sie modert schon und +will nicht leben ohne mich. Welch schreckenvolle Lag! Es rieselt +kalt durch mein Gebein. (Es blitzt.) Der Donner brüllt, die +Blitze leuchten fürchterlich. Könnt ich doch nur durchs Dach +ins Haus! Mut! ich versuchs. (Er steigt hinauf. Währenddessen +erscheint Emerentias Geist, auf dem Dach sitzend. Rappelkopf +erschrickt.) Weh! Hier die dritte noch, dem Kirchhof ungetreu +wie mir! (Will fort.) + +Emerentias Geist. +Wo willst du hin? Du darfst nicht fort. +Du mußt den Mond mit mir betrachten. +(Der Mond verwandelt sich in ein weißumschleiertes Geisterhaupt, +das aus den Wolken sieht.) +Sieh hin, das bleiche Antlitz dort, +Es ist das Bild von deiner jetzgen Frau. +Sie weint! Schau hin! Schau! Schau! + +Rappelkopf. +Jetzt grinst mich auch die vierte an. O teuflisches Quartett! +Mich würgt die Angst! Ha! laß mich fort! Mich wandelt Ohnmacht +an. Rachsüchtge Hölle, warum hast du das getan? Ich bleib nicht +da. Ich muß hinab. (Springt über das Dach.) O Himmel, sei gedankt! +daß deine Erd mich wieder trägt. Doch, was beginn ich nun? (Der +Sturm heult.) Der Sturm heult immer schrecklicher. Es gießt, und +doch verschwinden nicht die gräßlichen Gestalten. (Regen strömt +herab.) Nun platzt ein Wolkenbruch! ich rette mich auf diesen +Baum, sonst reißt die Flut mich fort. (Er steigt auf den Baum. +Die Weiber verschwinden, es schlagt in die Hütte ein, sie steht +in hellen Flammen.) Wenn das so fortgeht, bricht die Welt in +Trümmer. (Die Hütte brennt fort. Heftiger Regen, Sturmgeheul +und Donner. Die Wasserflut schwillt immer höher, bis sie +Rappelkopf, der sich auf den Gipfel des Baumes rettet, bis an +den Mund steigt, so daß nur die Hälfte seines Hauptes mehr zu +sehen ist.) Zu Hülfe, zu Hülfe! ich ersauf! + +Astragalus(fährt schnell in einem goldnen Nachen bis zu seinem +Haupt und spricht). +Was bist du nun zu tun gesonnen? + +Rappelkopf (voll Angst). +Ich will mich bessern, ich sehs ein, weil mir das Wasser schon +ins Maul 'nein lauft. + +Astragalus. +So führ ich dich nach meinem Schloß. + + +Schnelle Verwandlung +Der Nachen verwandelt sich in zwei Steinböcke mit goldenen +Hörnern. Der Baum, auf dem Rappelkopf steht, in einen schönen +Wolkenwagen, in dem sich der Alpenkönig und Rappelkopf befinden. +Das Wasser verschwindet. Das ganze Theater verwandelt sich in +eine pittoreske Felsengegend, die Teufelsbrücke in der Schweiz +vorstellend, auf welcher Kinder, als graue Alpenschützen +angekleidet, Böller losfeuern, während der Wolkenwagen über +die Bühne fährt. Zugleich von innen: + +Chor. +Geendet ist die Geisterschlacht, +Die Sonne strahlt durch finstre Nacht. +Der Alpenkönig hat gesiegt, +Seht, wie er hin zum Ziele fliegt. + + + + + +Zweiter Aufzug + + + +Erster Auftritt + +Thronsaal im Eispalaste des Astragalus, mit hohen Säulen +geziert, die silberartig erglänzen. Im Vordergrunde ein hoher +Thron von pittoreskem Ansehen, als wäre er aus unregelmäßigem +Eis geformt. + +Auf ihm Astragalus als Alpenkönig. Eine lange lichtblaue +weißgestickte Tunika, weiten griechischen Mantel. Weißen Bart, +auf dem Haupte eine smaragdene Krone. Vor ihm knien im Kreise +ideal gekleidete Alpengeister. Weiße kurze Tunika, mit grünen +Folioblättern garniert. + + +Chor. +Hehr zu schauen auf dem Throne +Bist du, Fürst der Alpenflur, +Denn dich schmückt der Tugend Krone, +Du vertilgst des Lasters Spur. + +Astragalus (steht auf und spricht). +Auf des Thrones eisgen Stufen +Horcht ich gern noch eurem Chor. +Doch laßt uns den Fremdling rufen, +Denn die Zeit tritt mahnend vor. + +Alpanor. +Lange steht er schon bereitet +In der Halle vor dem Saal. +Auch ist er schon angekleidet, +Wie dein Wink es uns befahl. + +Astragalus. +Höhnt ihn aus, wenn er erscheint. + + +(Rappelkopf in einem drapfarben Reiseüberrock, gleichen +Gamaschen mit silbernen Knöpfen, schwarzem Haar, etwas hoher +Stirne, wird hereingebracht.) + +Ein Alpengeist. +Fürst, hier ist der Menschenfeind. + + +(Alle lachen.) + +Rappelkopf. +Nun? Was ist da Spaßigs dran? + +Alpanor. +Weißt du wohl, warum sie lachen? +Unter einem Menschenfeind +Dachten sie sich einen Drachen, +Der als grimmer Ries erscheint. +Und nun sehn sie einen Zwergen, +Wer soll 's Lachen da verbergen? +Von dem Unsinn mußt du lassen, +Freund, das ist ja ganz verkehrt. +Du willst alle andern hassen? +Und bist selber nicht viel wert. + +Rappelkopf. +Versteht sich. Du wirst mir sagen, was ich zu tun hab. +(Für sich.) Verdammtes Hexenvolk! + +Astragalus. +Du bist die Wette mit mir eingegangen, du wollest dein Gemüt +in edleres verkehren, wenn du die Fehler deines jetzigen +erkennst. + +Rappelkopf. +Das hab ich gsagt im Angesichte von vier Zeugen: Feuer, Wasser, +Luft und Erde. Nun gib mir Überzeugung, oder laß mir Ruh in +meinem Wald. + +Astragalus. +So hör mich an. Damit du kannst in solchem Seelenspiegel +schauen, so will ich deinen Geist aus deinem Leib entführn +und ihn in eines neuerschaffnen Körpers Haus verbannen. + +Rappelkopf. +Das will sagen, mein Geist wird von einer Bouteille in die +andere hinübergefüllt, das ist schon nichts, da kann schon +eine Spitzbüberei geschehen, bei dieser Füllung muß ich dabei +sein. Da kann er ausrauchen, oder verwechselt werden. Ich traue +niemand mehr. + +Astragalus. +Er wird es nicht. Ich schwör es bei des Chimborassos +eisgekröntem Haupte. Du wirst dein Denken, Wollen, Handeln, +Fühlen genau in eines andern Bild erblicken. + +Rappelkopf. +Und was gschieht dann mit mir, geh ich so ohne Seel herum, +oder bekomm ich wo eine andere zu leihen? + +Astragalus. +Du wirst als Bruder deiner Frau erscheinen. + +Rappelkopf. +Diese Verwandtschaft hätt ich mir nie träumen lassen. + +Astragalus. +Doch ganz die Kraft der eigenen Gesinnungen behalten. + +Rappelkopf. +Das heißt, ich werde aussehn wie mein Schwager und denken, +was ich will. + +Astragalus. +So ists. Dadurch kannst du dich überzeugen, wie gegen dich +dein Weib, dein Kind und der von dir gehaßte Maler denken. +Doch daß du auch an deinem Ebenbild den höchsten Anteil nimmst +und dich in ihm genau ergründest und betrachtest, so hängt +dein künftig Schicksal ganz von dem freien Handeln dieses +Doppelgängers ab. Und was zu deinem Nutzen oder Nachteil wird +durch ihn in deinem Haus geschehn, das wird, wenn er +verschwindet, unveränderlich dir bleiben. + +Rappelkopf. +Also wenn er mir mein Haus verkauft, kann ich nachher auf +der Straße wohnen? Ah, das ist eine schöne Einquartierung. + +Astragalus. +Auch ist dein Leben selbst an seines festgebunden, und wenn +er es verliert, solang er statt dir lebt, stirbst du mit ihm +und wirst durch ihn erkranken auch, wenn es der Zufall fügt, +daß ihm ein bös Geschick Gesundheit raubt. + +Rappelkopf. +Zwei Menschen und nur ein Leben! Jetzt fangt sogar die Natur +zum ökonomisiern an. Da hats der Tod kommod, der nimmt s' +gleich Paar und Paar. Nun gut, so laß denn sehen, was deine +Taschenspielerei vermag. Der Prozeß ist eingeleitet. Ein +unendlich verwickelter Fall, der wird in hundert Jahren nicht +aus. Also was gschieht denn jetzt? Hab ich noch meinen Geist, +oder hat ihn schon ein anderer? Bin ich schon mein Schwager, +oder bin ich noch der Schwager meines Schwagers? + +Astragalus. +Es wird dich jeder für den Bruder deines Weibs erkennen. Darum +hab ich in deinem Äußern dich gestaltet so wie ihn. Ihr +Alpengeister, führt ihn fort und bringt ihn an des Berges +Fuß. Dort werdet ihr ein leichtberädert Fahrwerk finden, +zwei rüstge Maultier vorgespannt, mit Staub bedeckt, als +kämen sie von weiter Reise aus dem Land der welschen Glut. +Sie bringen schnell ihn vor sein Schloß, dort werde seinem +Übermut Beschämung, Überzeugung, Strafe. + +Rappelkopf. +Nun gut, so will ich dies Asyl der Falschheit noch einmal +betreten. Ich geh und übergeb dir meinen Geist, von dem ich +weiß, daß er so wenig Fehler hat, als die Donau Linienschiffe +trägt, als Eicheln auf dem Kirschbaum wachsen und blondes Haar +in deinem grauen Bart. (Ab mit den Alpengeistern, nur Alpanor +bleibt zurück.) + +Astragalus. +Sein Starrsinn ists, der mich zu festen Hoffnungen berechtigt, +denn hat er sich erkannt, wird ihn mit gleicher Heftigkeit der +Trieb zur Besserung erfassen, als seine kräftge Phantasie den +Wahn des Hasses jetzt umklammert hält. Alpanor! Hast du den +Bruder seines Weibs zurückgehalten, daß er nicht heute morgens +schon von seiner Reise in des Menschenfeindes Schloß eintrifft? + +Alpanor. +Es geschieht in diesem Augenblick. Der Alpengeist Linarius +leitet seiner Pferde Zügel und setzt ihn aus in einer wüsten +Felsengegend, so lang, bis, großer Alpenkönig, du die Ankunft +ihm erlaubst. + +Astragalus. +Und ich will scheinbar mich in ihn verwandeln +(er verwandelt sich in Rappelkopfs Gestalt in seiner ersten +Kleidung) +Und so durch Trug zu seinem Besten handeln. +Wie auf des Schlosses Dache die metallne Spitze +Das Haus bewahret vor der Wut der Blitze, +Will ich den Haß, den er sich gen die Welt erlaubt, +Herniederleiten auf sein eignes Haupt. +Dort mag die Donnerwolke sich entleeren +Und Glut durch Glut hellflammend sich verzehren, +Bis aus der Asche wird zum neuen Leben +Die Liebe gleich dem Phönix sich erheben. + + +(Beide ab.) + + + +Zweiter Auftritt + +Verwandlung +Wilde Felsengegend. Im Hintergrunde ein hoher praktikabler +Fels, welcher von der rechten Kulisse aber zwei Dritteil der +Bühne bis ohngefähr zwei Schuh weit von der linken sich +erstreckt und in einem steilen Abhang endigt. Auf ihm ist +eine gedeckte Reisekalesche mit zwei Schimmeln sichtbar. Die +Pferde stehen schon ganz an dem Abhange des Felsens. + +Auf dem Sattelpferde sitzt der Alpengeist Linarius, als +Postillion gekleidet. Im Wagen Herr von Silberkern, so +gekleidet wie Herr von Rappelkopf zu Anfange des zweiten +Aktes. Er droht mit einem Stock dem Postillion und schreit +heftig. + + +Silberkern. +Halt! Halt! Was treibt Er denn, Er verwünschter Kerl, ich +bin ja des Todes, wo führt Er mich denn hin? + +Linarius. +Geduld, mein Herr, wir werden gleich am Ziele sein. + +Silberkern. +Das ist ja keine Möglichkeit, der Kerl ist besoffen wie eine +Kanone, er muß glauben, da unten ist ein Weinkeller. Ich +massakrier Ihn, Er verflixter Lumpenhund. Was treibt Er denn +mit Seinen gottverdammten Schimmeln? + +Linarius. +Ich habe meine Pferde ausgespannt. + +Silberkern. +Untersteh Er sich, Er infamer Mensch! wir stürzen ja hinab. + +Linarius. +Wer wird denn da viel Sprünge machen? das Trinkgeld ist mir +ein für allemal zu schlecht. Adieu, mein Herr! + +Silberkern. +Wo will Er denn hin? + +Linarius. +Ich reite durch die Luft-- + + +(Die Pferde bekommen Flügel. Linarius erhebt sich mit ihnen bis +in die halbe Höhe des Theaters. Der Wagen bleibt stehen, +zugleich fällt der hintere Teil des Felsens herab, und nur +das Stück, worauf die Kutsche ist, bleibt stehen.) + +Du bleibst zurück auf diesem Fels und genießest hier die Luft. +Zur rechten Zeit spann ich die Pferde wieder vor. Dann bitt +ich mir ein tüchtig Trinkgeld aus. Bis dahin lebe wohl und +unterhalt dich gut. Juhe! Zum Alpenkönig heißt das Posthaus +hier. Ihr Schimmel, hi! stoßt euch an keinen Stein! Lebt wohl, +Herr Passagier, und bleibt mir fein gesund! (Fliegt fort und +blast das Posthorn dabei.) + +Silberkern. +Verdammter Hexenspuk! Der Kerl fliegt herum wie eine Fledermaus. +Flieg zum Geier, falscher Rabe! Ich brauche deine Pferde nicht. +(Er will heraussteigen.) I potz Hagel, was ist das? Ich kann +ja nicht heraus. Der Wagen hängt ja in der Luft. Das ist ja +aufs Verhungern abgesehen. Verflixter Kerl, komm zurück! Es +rührt sich nichts, ich sehe keinen Menschen, nicht einmal +Ochsen weiden hier. Ich bin der einzge in der ganzen Gegend. +(Schreit.) Hört mich denn niemand? + +Echo. +Niemand--(Entfernter.) Niemand--Niemand--Nieman-- + +Silberkern (stampft mit dem Fuße). +Ich ersticke noch vor Zorn-- + + +(Der Fels, auf dem der Wagen steht, öffnet sich wie eine +Höhle und in ihr sind eine Menge kleine Alpengeister +aufeinanderkauernd gruppiert, welche mit schadenfroher Miene +aus vollem Halse lachen. Auch aus den Gebüschen, welche um +den Fels angebracht sind, sehen einige schelmisch hervor.) + +Alpengeister. +Hahahahaha! + +Silberkern (schnell, räsonierend, mit dem Stock herumfechtend). +O du Geistergesindel, du unsichtbares Lumpengepack, komm herauf +zu mir, ich schlag dich tot. Das ist eine verflixte Geschichte. + +(Neues Lachen und schnelles Vorfallen der Kurtine, welche ein +Zimmer in Rappelkopfs Hause vorstellt.) + + + +Dritter Auftritt + +Mehrere Dienstleute stürzen auf die Bühne. Sophie von der Seite. + + +Sopie. +Wo, wo ist mein Bruder? + +Dienstleute. +Er kömmt soeben die Treppe herauf. Hier ist er schon. + +Sopie. +Holt Herrn von Dorn und meine Tochter. Das Gepäcke in das +grüne Zimmer. + + + +Vierter Auftritt + +Vorige. Rappelkopf stürzt herein. + + +Sopie (fällt ihm um den Hals). +O mein Bruder, mein geliebter Bruder! (Bleibt an seiner Brust.) + +Rappelkopf (für sich). +Entsetzlich! Diese Natter liegt an meiner Brust. Sie kennt +mich wirklich nicht. Nimm dich zusammen, Rappelkopf! +(Freundlich.) Endlich seh ich dich wieder, liebe Schwester. +(Beiseite.) Ich kann s' nicht anschaun. (Wieder freundlich.) +Wie gehts dir denn, du liebe Schwester du? + +Sopie. +Ach Bruder, mir geht es sehr übel. + +Rappelkopf (beiseite). +So? Da gschieht dir recht. + +Sopie. +Was sagst du, lieber Bruder? + +Rappelkopf. +Daß ich dich recht bedaure, und zwar auf eine ganz besondere +Art. Denn ich weiß alles, liebe Schwester, dein Mann ist ein +schändlicher Mensch. + +Sopie. +Das ist er nicht, lieber Bruder, aber ein unglücklicher Mensch. + +Rappelkopf (beiseite). +Viper! + +Sopie. +Wenn du wüßtest, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe, um +mein Herz vor dir auszuschütten! + +Rappelkopf. +So schütt es aus, liebe Schwester! (Beiseite.) Da erfahr ich +etwas. Schütts aus! + +Sopie. +Aber du wirst ermüdet sein von der Reise? + +Rappelkopf. +Nur meine Füß sind müde, meine Ohren nicht. + +Sopie. +So setz dich, lieber Bruder. (Sie setzt Stühle.) + +Rappelkopf. +Ich dank dir, liebe Schwester. (Setzt sich.) Fatale Situation! + +Sopie. +Meine Tochter und ihr künftiger Bräutigam werden sogleich +erscheinen. + +Rappelkopf (fährt wild auf). +So? (Faßt sich und sagt plötzlich mit freundlichem Lächeln.) +Wird mir eine unendliche Ehr sein. + +Sopie. +Du bist so sonderbar, lieber Bruder. Was ist dir denn? + +Rappelkopf. +Verschiedenes. Die Reise, dein Anblick, es ist alles so +ergreifend für mich. + +Sopie. +Ich danke dir. Du bist ein Bruder, wie man keinen mehr finden +wird. + +Rappelkopf (beiseite). +Der Meinung bin ich selbst. + +Sopie. +Fünf Jahre bist du abwesend. Die Ursache meines Unglücks wird +dir schon aus meinen Briefen bekannt sein. + +Rappelkopf. +Ich weiß, du hassest deinen Mann. + +Sopie. +Was fällt dir ein! Wo gäb es eine Frau, die ihrem Manne mehr +zugetan wäre, als ich dem meinigen! + +Rappelkopf. +Wirklich? (Beiseite.) Was man für Neuigkeiten erfährt! + +Sopie. +Wenn du nur die Geduld hättest sehen können, mit welcher ich +seine Launen ertrug, die Sanftmut, mit der ich ihn behandelte. + +Rappelkopf. +Ja, das hätt ich sehen mögen. (Beiseite.) Es ist zum Durchgehn, +wie sie lügt, ich bin schon völlig blau auf dieser Seite. + +Sopie. +Und alles dies hat seinen ungerechten Menschenhaß nur noch +vermehrt. + +Rappelkopf. +Aber warum haßt er denn die Menschen, er muß doch eine Ursache +haben? + +Sopie. +Weil er ein Narr ist, der sie verkennt. + +Rappelkopf (beiseite). +Ich bedank mich aufs allerschönste. + +Sopie. +Und doch lieb ich ihn so zärtlich-- + +Rappelkopf. +Diesen Narren? o närrische Lieb! (Beiseite.) Es ist zum +Teufelholen! + +Sopie. +Und muß die Angst ausstehen, ihn seit gestern zu vermissen. + +Rappelkopf. +Ja wo ist er denn? + +Sopie. +In einem Anfall von Wahnsinn zerschlug er alle Möbel, glaubte, +der Bediente wolle ihn ermorden, und rannte wütend aus dem Hause. + +Rappelkopf. +Nun er wird schon wieder zurückkommen. + +Sopie. +Nein, das wird er nicht. Was er beschließt, vollführt er auch. + +Rappelkopf (beiseite). +Sie kennt mich doch. (Laut.) Aber wie ist er denn auf den +Gedanken gekommen, daß man ihn ermorden will? + +Sopie. +Auf die unsinnigste Weise von der Welt. Ich befahl meinem +einfältigen Bedienten, er sollte nach dem Garten gehen und +Zichorien ausstechen, und das Messer in seiner Hand läßt +meinen unglückselgen Mann glauben, er wolle ihn ermorden. + +Rappelkopf. +Zichorien hat er ausstechen wollen? + +Sopie. +Ei freilich. + +Rappelkopf (beiseite). +Das ist nicht möglich, oder ich wär der einfältigste Mensch, +den die Sonne noch beschienen hat. (In Nachdenken versunken.) +Zichorien hat er ausstechen wollen? + +Sopie. +Warum ergreift dich das so? + +Rappelkopf (gleichgültig). +Weil mir der Kaffee einfällt, den ich im letzten Wirtshaus +getrunken hab. Der war auch mit Zichorien vergiftet. + +Sopie. +Was soll ich nun beginnen, lieber Bruder? + +Rappelkopf. +Laß den Narren laufen! + +Sopie. +Das kann dein Ernst nicht sein. Er ist mein Mann, und ich +werd ihn nie verlassen. + +Rappelkopf (schnell). +Ist das wahr? + +Sopie. +Gewiß. + +Rappelkopf (unwillkürlich erfreut, beiseite). +Sie ist doch nicht gar so schlecht. (Wieder verändert.) +Aber schlecht ist sie doch. + +Sopie. +Ach Bruder! (Sinkt an seine Brust.) Wenn mein Mann imstande +wäre, sich ein Leid anzutun! (Weinend.) Ich hätte mir nichts +vorzuwerfen, aber ich könnte diesen Vorfall nicht überleben. + +Rappelkopf. +Das Weib martert mich, ich schwitz schon im ganzen Leib. Und +sie weint wirklich, mein ganzes Schapodl ist naß. Aber ich +glaub ihr nicht, die Weiber können alles. (Laut.) Beruhige +dich nur, liebe Schwester, es kommt jemand. + + + +Fünfter Auftritt + +Vorige. August. Malchen. + + +Malchen. +Ist es wahr, ist der Onkel angekommen? (Sieht ihn.) Ach +liebster, bester Onkel! mit welcher Sehnsucht haben wir +Sie erwartet. + +Rappelkopf. +Die ist so falsch wie ihre Mutter. + +Malchen. +August, komm doch her. + +Rappelkopf (erschrickt). +Wer? + +August (hervortretend). +Bester Herr von Silberkern--(will auf ihn zu.) + +Rappelkopf (fährt zurück). +Himmel, wer bringt dies Bild vor meine Augen? + +Sopie. +Was ist dir, lieber Bruder? + +Malchen. +Aber Onkel! + +Rappelkopf (beiseite). +Ich muß mich fassen, damit ich allen auf den Grund komme. +(Laut, mit Zwang.) Verzeihen Sie mir, mein Herr, sein Sie +mir willkommen. + +August. +Erlauben Sie, Herr von Silberkern--(Tritt näher.) + +Rappelkopf (fährt wieder auf). +Nein, es ist nicht möglich--Drei Schritt vom Leib! (Beiseite.) +Vergiften könnt ich den Verführer! + +August. +Was soll ich davon denken? + +Malchen. +Onkel! + +Sopie (gleichzeitig). +Bruder! + +Rappelkopf (faßt sich wieder). +Verzeihen Sie, aber Sie haben eine Ähnlichkeit, eine +Ähnlichkeit-- + +August. +Mit wem? + +Rappelkopf. +Mit--mit einem Menschen + +August. +Mit was für einem? + +Rappelkopf. +Der mich bestohlen hat. + +Sopie. +Aber Bruder! + +August (lacht). +Herr von Silberkern-- + +Malchen. +Ach Onkel, er hat nichts gestohlen als mein Herz. + +Rappelkopf (auffahrend). +Das ist es eben--(faßt sich) was mich nichts angeht. +(Sehr freundlich.) Sind Sie nur nicht so kindisch, ich hab +nur einen Spaß gemacht. (Für sich.) Verstellung, steh mir +bei! (Laut.) Endlich sind wir alle recht froh beieinander, +meine lieben Kinder. (Lacht boshaft.) Das ist ein freudiger +Tag heute. (Für sich.) Ich möcht zur Decke hinauffahren. + +Sopie. +Wir wollen dich jetzt allein lassen, lieber Bruder. Damit du +eine Stunde ausruhen kannst. Du bist zu angegriffen. In +diesem Zimmer findest du ein Ruhebett, unterdessen werden +wir die Nachforschungen nach meinem armen Mann verdoppeln, +denn es gibt keinen ruhigen Augenblick für mich, solange ich +in Ungewißheit über sein Schicksal leben muß. (Geht ab.) + +Rappelkopf. +Da werd ein anderer klug, ich nicht. + +August. +Herr von Silberkern, ich weiß, daß Sie alles über Herrn von +Rappelkopf vermögen. + +Rappelkopf. +Da haben Sie recht, wenn ich nichts über ihn vermag, dann +richtet niemand etwas mit ihm aus. + +August. +Oh, dann werden Sie mir Ihren Beistand nicht versagen. + +Rappelkopf. +Ihnen? hahaha! Nun, das will ich hoffen. + +August. +Wenn meines Malchens Vater sein Haus wieder betritt und es +Ihnen gelingt, ihm mildere Gesinnungen gegen die Welt +einzuflößen, so vergessen Sie auch meiner nicht! Versichern +Sie ihm, daß es keinen jungen Mann auf Erde gäbe, der mit +einer so unwandelbaren Treue an seiner liebenswürdigen +Tochter und mit einer so innigen Dankbarkeit an ihrem edlen, +aber unglücklichen Vater hinge als der von ihm so ungerecht +verfolgte August Dorn. (Verbeugt sich und geht ab.) + +Rappelkopf. +Das ist mir unbegreiflich. + +Malchen (weinend). +Lieber Onkel, wenn Sie meinen Vater sprechen, was ich gewiß +nicht darf, so sagen Sie ihm, daß er seine Amalie unendlich +gekränkt hat, daß ihn niemand so sehr liebt wie seine Tochter, +aber daß ihr auch gewiß das Herz brechen wird, wenn sie ihren +August verlieren müßte. (Weint heftig.) + +Rappelkopf (sein Vatergefühl bricht los, er schließt Malchen +heftig in seine Arme). +Du bist halt doch mein Kind, wenn ich auch jetzt nicht dein +Vater bin. (Nimmt sie am Kopf.) Was nützt denn das, das läßt +sich nicht verleugnen. Ich muß dich küssen, Malchen. + +Malchen. +Ach guter Onkel! + +Rappelkopf. +Sag du mir, ist das wahr, liebst du deinen Vater? + +Malchen. +Unendlich, lieber Onkel! + +Rappelkopf. +Und du lügst nicht? + +Malchen. +Bei Gott nicht. + +Rappelkopf (freudig überrascht). +Das ist schön von dir, das freut mich. (Legt ihren Kopf an +seine Brust.) Sie hat mich lieb! So hab ich doch eine Seele +auf der Welt, die mich liebt. Aber jetzt geh hinaus, ich bitt +dich um alles in der Welt, geh hinaus. + +Malchen. +Sie verstoßen mich doch nicht, lieber Onkel? + +Rappelkopf. +Nein, ich verstoß dich nicht, ich will dich noch einmal +küssen sogar, aber geh hinaus, sonst muß ich mich vor mir +selber schämen, geh hinaus. + +Malchen. +So ruhen Sie sanft, bester Onkel. (Ab.) + +Rappelkopf (allein). +O Schande! ich bin ein Menschenfeind und komm da in eine +Küsserei hinein, die gar kein End nimmt. Das war der einzige +vergnügte Augenblick, den ich seit fünf Jahren erlebt hab. +Aber wie ist mir denn? bin ich betrunken? Das ist ja keine +Möglichkeit. Wenn das alles wahr wäre, was die Leute +zusammenreden, so wären sie ja völlige Engel. Das ist Betrug, +da muß etwas dahinterstecken. Das ist ein Einverständnis. Mein +Weib ist eine Schlange. Zu was braucht sie einen Zichori? +wenn so viel Kaffee aufgeht. Aber meine Tochter ist brav. +Über die laß ich jetzt nichts mehr kommen. Auch den jungen +Menschen trau ich nicht, den haben sies einstudiert. Er wär +ohnehin bald steckengeblieben. Ha, da kommt der Habakuk, der +große Bandit. Der soll mir Licht geben. + + + +Sechster Auftritt + +Voriger. Habakuk. + + +Rappelkopf. +He, Habakuk! + +Habakuk. +Wie? Euer Gnaden wissen, wie ich heiß, und haben mich noch +nicht gesehen? + +Rappelkopf. +Nu, ich kann Ihn ja wo anders gesehen haben. + +Habakuk. +Ja freilich, ich war zwei Jahr in Paris. Befehlen Euer Gnaden +etwas? + +Rappelkopf. +Ja! was ich sagen wollte--(Beiseite.) Ich trau dem Kerl nicht. +(Laut.) Hat Er nicht ein Messer bei sich? + +Habakuk. +Nein, ich werd aber gleich eins holen. (Will ab.) + +Rappelkopf (erschrickt). +Untersteh Er sich, ich brauch keins mehr. Ich hab nur etwas +abschneiden wollen. (Für sich.) Er wär imstande er holet eins. + +Habakuk. +Ich weiß nicht, ich trag sonst immer ein Messer bei mir-- + +Rappelkopf (für sich). +Nun da haben wirs ja, das ist ein routinierter Mörder. (Laut.) +Lieber Freund, ich werd Ihm ein gutes Geschenk machen, geh Er +mir ein wenig an die Hand. Er weiß, ich bin der Bruder Seiner +Frau. + +Habakuk. +Habs schon weg, Euer Gnaden. + +Rappelkopf (für sich). +Unbegreifliche Zauberei! (Laut.) Sag Er mir, wie behandelt +denn mein Schwager seine Frau? + +Habakuk. +Infam, Euer Gnaden. + +Rappelkopf. +Was sagt Er? + +Habakuk. +Oh, das ist ein sekkanter Mensch, der glaubt, die Leut sind +nur wegen ihm auf der Welt, daß er s' mit Füßen treten kann. + +Rappelkopf (für sich). +Nun bei dem hört man doch ein wahres Wort. Der redt doch, wie +er denkt. (Laut.) Ja, es soll nicht zum Aushalten sein. Darum +kann ihn aber auch meine Schwester nicht ausstehen. Nicht wahr? + +Habakuk. +Ah, was fallt Euer Gnaden ein, sie weint sich ja völlig die +Augen aus um ihn. Ich kann sie nicht genug trösten. + +Rappelkopf. +Man hat aber erzählt, sie hätte ihn wollen gar ermorden lassen. + +Habakuk. +Ah, hören Euer Gnaden auf. Euer Gnaden werden doch nicht auch +so einfältig sein, das zu glauben. + +Rappelkopf. +Ja, Er ist ja, glaub ich, mit dem Messer auf ihn gegangen. + +Habakuk. +Ich? warum nicht gar, ich fall in Ohnmacht, wenn sie nur ein +Hendel abstechen. Er war im Gartenzimmer, und kein Mensch hat +sich hinausgetraut, und die Köchin hat einen Zichori gebraucht, +und die Frau hat gschafft, ich soll einen ausstechen. + +Rappelkopf (beiseite). +Mit dem ewigen Zichori! am End ists doch wahr. + +Habakuk. +Er laßt ja keinen Menschen zu Wort kommen, der Satanas. + +Rappelkopf (für sich). +Das ist ein impertinenter Bursch. Ein Verleumder. (Laut.) Und +sag Er mir, ist denn Sein Herr ein gescheidter Mann? + +Habakuk (verneinend). +Ah! (Vertraulich.) Wissen Euer Gnaden, wir reden jetzt unter +uns, es ist nichts zu Haus bei ihm. (Deutet auf den Kopf.) + +Rappelkopf (beiseite). +Nein, das ist nicht zum Aushalten. (Gibt ihm Geld.) Da hat Er, +mein lieber Freund, Er hat mir schöne Sachen gesagt, ich bin +sehr zufrieden mit Ihm, aber geh Er jetzt. + +Habakuk. +Küß die Hand! (Für sich.) Aha, den freuts, daß ich über den +andern schimpf. Er kann ihn nicht recht leiden. Ich muß noch +ärger anfangen, vielleicht schenkt er mir noch etwas. (Laut.) +Ja sehen Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein so +zuwiderer Mensch ist mir nicht vorgekommen, und es gibt ihm +alles nach, das ist gar nichts nutz, da wird er nie kuriert. +Ich versteh nichts von der Medizin, aber ich glaub, wenn er +einmal recht durchgewassert wurd, es müßte sich seine ganze +Natur umkehren. + +Rappelkopf. +Jetzt hat Er Zeit, daß Er geht. Den Augenblick hinaus, Er +undankbarer Mensch, wie kann Er sich unterstehen, so von Seinem +Herrn zu reden? Gleich fort, oder ich schlag Ihm Arm und Bein +entzwei. (Sucht einen Stock.) + +Habakuk. +So ists recht, jetzt fängt der auch an. (Im Abgehen.) Nun, +den sag ich bald wieder was, das ist eine schreckliche Familie. +Na, das ging' mir ab. (Geht brummend ab.) + +Rappelkopf (allein). +So kann man seine Leute kennenlernen. Von meiner Frau redt er +nicht so schlecht, er getraut sich nicht, weil er mich für +ihren Bruder hält. Aber für einen Mörder ist er doch zu dumm, +ich hab ihn für pfiffiger gehalten. Es wird doch auf den +Zichori hinauskommen. Was mich das für eine Überwindung kostet, +mit all diesen Menschen zu reden! Aber ich muß meine Untersuchung +vollenden, weil ich sie begonnen habe und weil ich in nichts +zurücktrete, wenn ich nicht muß, wie heut im Walde. + + + +Siebenter Auftritt + +Voriger. Lischen. + + +Lischen. +Die gnädige Frau läßt fragen, ob Euer Gnaden eine Tasse Tee +befehlen. + +Rappelkopf. +Ich danke. (Für sich.) Die werd ich auch in die Kur nehmen. +(Laut.) Was macht meine Schwester? + +Lischen. +Sie ist sehr betrübt. + +Rappelkopf. +Weswegen? + +Lischen. +Unseres gnädigen Herrn wegen. + +Rappelkopf. +Wegen mir? + +Lischen. +Ah, wegen Ihnen nicht. + +Rappelkopf (faßt sich). +Ja so. (Für sich.) Die kennt mich auch nicht. (Laut.) Und was +macht meine Nichte? + +Lischen. +Sie spricht mit ihrem Bräutigam. + +Rappelkopf (für sich). +Himmel und Hölle! (Faßt sich. Laut.) Was ist denn das für ein +Mensch? + +Lischen. +Ein sehr liebenswürdiger Mensch. + +Rappelkopf. +Was heißt das, macht er Ihr auch die Cour? + +Lischen. +Nun, das wäre der Wahre, er wagt es ja kaum, ein anderes +Mädchen anzusehen. Das wird ein handfester Pantoffelritter +werden. Ich glaube, er hat mir bloß darum noch keinen Heller +zum Geschenke gemacht, damit er nur meine Hand nicht berühren +darf. Er und mein Fräulein taugen ganz zusammen, und es ist +himmelschreiend, daß der gnädge Herr seine Einwilligung nicht +gibt. + +Rappelkopf (rasch). +Da hat er recht, wenn er sie nicht gibt. Der junge Mensch hat +keine Achtung vor ihn. + +Lischen. +Ei bewahre, er schätzt ihn weit mehr--verzeihen Euer Gnaden, +wenn ich so von Ihren Herrn Schwager spreche--aber weit mehr, +als er es verdient. + +Rappelkopf (für sich). +Es ist, als ob sie sich alle verschworen hätten wider mich. +Geduld, verlasse mich nicht! (Laut.) Ich will Ihr etwas +schenken, aber sag Sie mir in der größten Geschwindigkeit +alle üblen Eigenschaften Ihres Herrn. + +Lischen. +In einer Geschwindigkeit, das ist ohnmöglich, gnädger Herr. + +Rappelkopf. +Warum nicht? + +Lischen. +Weil, wenn ich jetzt diesen Augenblick anfange, ich morgen +früh noch nicht fertig bin. + +Rappelkopf. +Wo ich nur die Geduld hernehme, das alles anzuhören! + +Lischen. +Es ist schon genug, daß er ein Menschenfeind ist. Ich begreife +gar nicht, wie man bei einem so großen Vermögen, einer +gutmütigen Frau, einer wohlerzogenen Tochter und einem so +hübschen Stubenmädchen ein Menschenfeind sein kann. + +Lied +Ach, die Welt ist gar so freundlich +Und das Leben ist so schön. +Darum soll der Mensch nicht feindlich +Seinem Glück entgegenstehn. +Alles sucht sich zu gefallen, +Liebend ist die Welt vereint, +Und das Häßlichste von allen +Ist gewiß ein Menschenfeind. +Heitrer Sinn nur kann beglücken, +Nur die Freude hebt die Brust, +Nur die Liebe bringt Entzücken, +Und der Haß zerstört die Lust. +Doch wenn alle sich erfreun +Und der Stern des Frohsinns scheint, +Sitzt im düstern Wald allein +Drauß der finstre Menschenfeind. + +Sieht man nur die goldne Sonne, +Wenn sie auf am Himmel steigt, +Wie sie schon mit holder Wonne +Allen Wesen ist geneigt: +Dann kann man die Welt nicht hassen, +Die 's im Grund nicht böse meint, +Man muß nur die Lieb nicht lassen, +Wird man nie zum Menschenfeind. (Ab.) + + +Rappelkopf (allein). +Schrecklich! Muß ich mich auch noch ansingen lassen! Das sind +Beleidigungen nach den Noten, und ich darf den Takt nicht dazu +schlagen. Und alles bleibt auf einem Wort! Wer kommt? + + + +Achter Auftritt + +Voriger. Sophie. Lischen. + + +Sopie (stürzt rasch herein). +Bruder, er kommt! + +Rappelkopf. +Wer kommt? + +Lischen. +Der gnädge Herr! + +Sopie. +Mein Mann! + +Rappelkopf. +Ich komm! (Schlägt sich begeistert an die Brust.) Endlich +einmal. Solang die Welt steht, war noch niemand so neugierig +auf sich selbst als ich. + +Astragalus (ruft noch vor der Tür). +Daß niemand zu mir gelassen wird! + +Rappelkopf. +Meine ganze Stimme. Ich hör mich schon. (Tritt zurück.) + + + +Neunter Auftritt + +Vorige. Astragalus tritt ein. + + +Astragalus (wie er Sophie sieht, prallt er zurück und ruft). +Ha! (Er will zurück.) + +Rappelkopf (sagt schnell). +Ich bins, ist kein Zweifel! + +Sopie (hält ihn zurück). +Oh, bleib doch, lieber Mann! wir sind glücklich, daß wir dich +wieder sehn. + +Astragalus (reißt sich los). +Laß mich. Entweder gehst du oder ich. + +Sopie (Mit Überwindung). +Nun so bleib, ich will gehn. (Geht seufzend ab.) + + +(Astragalus tritt mit empörter Miene vor, bleibt mit +verschränkten Armen stehn und blickt wild umher, ohne +Rappelkopf zu bemerken.) + +Rappelkopf (betrachtet ihn vom Fuß bis zum Kopfe mit +ungeheurem Erstaunen und spricht dann überzeugt). +Ich bins--Aufgelegt bin ich nicht gut, aber das kann +nicht anders sein. + +Astragalus (zu Lischen). +Was will Sie da? + +Lischen (zitternd). +Fragen, ob Euer Gnaden nichts befehlen. + +Rappelkopf. +Eine Angst hat alles vor mir, daß es eine Freude ist. + +Astragalus. +Wo ist die Tinte? + +Lischen. +Dort ist sie. (Deutet auf den Tisch.) + +Astragalus. +Und Federn? + +Lischen (ängstlich). +Die hab ich nicht. + +Rappelkopf. +Jetzt hat die Gans keine Federn! + +Astragalus. +Hol Sie welche! hat Sies gehört? Hinaus mit Ihr, Sie +Schlange, Sie Basilisk, Sie Krokodil, Sie Anakonda! + +Rappelkopf. +In der Naturgeschichte bin ich gut bewandert. + +Lischen. +Gleich, Euer Gnaden. (Im Abgehen.) Der böse Feind hat ihn +zurückgeführt. Ich laß mich nicht mehr sehn. (Ab.) + +Rappelkopf. +Die lauft. Ich weiß nicht, ich gfall mir recht gut. Ein wenig +rasch bin ich, das ist wahr. + +Astragalus (entschlossen). +Ja! Ich will mein Testament machen. + +Rappelkopf (für sich). +Testament? Nu wär nicht übel. Den Entschluß muß ich gleich +unterbrechen. (Laut.) Grüß Sie Gott, lieber Schwager. Eben +bin ich angekommen. + +Astragalus. +Wer ist das? + +Rappelkopf (entzückt). +Das ist ein eigner Anblick, wenn man vor sich selber steht. + +Astragalus (schnell). +Was machen Sie hier? Warum haben Sie nicht geschrieben? +Haben Sie meine Intressen mitgebracht? Wie stehts mit +meinem Vermögen? + +Rappelkopf (für sich). +Jetzt gehts recht, das möcht ich selbst gern wissen. + +Astragalus. +Das Haus in Venedig soll nicht gut stehen, ist es verloren? + +Rappelkopf (erschrickt). +Verloren? Wär nicht übel, (beiseite) mir wird selbst angst. + +Astragalus. +Ich hab keine Intressen erhalten. + +Rappelkopf. +Ich auch nicht. + +Astragalus. +Sie müssen es haben, Sie haben mir es sonst geschickt, da +steckt ein Betrug dahinter. + +Rappelkopf. +So lassen Sie sich nur sagen-- + +Astragalus. +Ich laß mir nichts sagen--ich kenn die Welt, sie gehört +zum Katzengeschlechte-- + +Rappelkopf. +Ich-- + +Astragalus (wütend). +Still-- + +Rappelkopf. +Wenn er nur nicht gar so schreien möchte, mir tun die Ohren +weh. + + + +Zehnter Auftritt + +Vorige. Habakuk mit Federn. + + +Habakuk (zitternd). +Euer Gnaden, hier bring ich die Federn. + +Astragalus (entsetzt sich). +Ha! Dieser Mörder wagt es, vor meine Augen zu kommen! +(Nimmt den Stuhl vor und retiriert sich.) Komm mir nicht +an den Leib! Bandit! + +Rappelkopf. +Ach, das ist übertrieben. Wer wird sich denn vor dem Esel +fürchten? + +Habakuk. +Die gnädige Frau laßt fragen, ob sie noch nicht herüberkommen +darf. + +Astragalus. +Nein. + +Habakuk. +Sie weint aber so abscheulich. + +Astragalus. +So soll sie schöner weinen, hahaha, oder ich fang zum lachen an. + +Habakuk. +Wenn sie aber krank wird? + +Astragalus. +Die Gicht in ihren Leib! Und ins Spital mit ihr! + +Rappelkopf (beiseite). +Das ist ein kurioser Humor. + +Habakuk. +Ah, verzeihen Euer Gnaden, aber das ist zu stark. Ich war +zwei Jahr in Paris, aber-- + +Astragalus (aufspringend). +Wenn Er es noch einmal wagt, dieses unerträgliche Sprichwort +in meinem Haus ertönen zu lassen, so--zahl ich hier Seinen +Lohn in vorhinein. (Er wirft ihm einen Geldbeutel vor die +Füße und trifft damit Rappelkopf an das Schienbein.) + +Rappelkopf (zieht den Fuß auf). +Sapperment hinein, achtgeben, das müssen harte Taler sein. + +Astragalus. +Hab ich Ihnen weh getan? + +Rappelkopf. +Ich glaub, ich hab ein Loch im Fuß. + +Astragalus. +Gschieht Ihnen recht. (Zu Habakuk.) Wenn Er also dieses Wort +noch einmal sagt, so geht Er an der Stelle aus meinem Dienst. +Wenn ich auch nicht dabei bin. Nehm Er! + +Rappelkopf. +Es ist meine ganze Manier. (Zu Habakuk.) Nu apport! + +Habakuk. +Euer Gnaden, um diesen Preis kann ich mich nicht darauf +einlassen, denn ich habe keinen Stolz, als daß ich zwei +Jahr in-- + +Astragalus (faßt ihn am Halse). +Ich erdroßle Ihn, wenn Er noch einen Buchstaben mehr dazu +sagt. + +Habakuk. +Zu Hülfe! Zu Hülfe! + +Rappelkopf (springt dazwischen). +Aber Herr Schwager, das hätt ich meinem Leben nicht geglaubt. + +Astragalus (hält ihn noch immer). +Wo warst du zwei Jahr, warst du in Paris? + +Habakuk (schreit ängstlich). +Nein, in Stockerau. + +Astragalus. +Also geh hin, wo der Pfeffer wächst. (Stoßt ihn zur Tür hinaus.) + +Rappelkopf. +Ich find doch, daß ich etwas Abstoßendes in meinem Betragen +habe. Wenn das so fortgeht, so käm ich mit mir selbst nicht +draus. Ja so! Mein Geld muß ich wieder einstecken. Wir haben +ja eine Kassa, das ist kommod, wenns der eine wegwirft, hebts +der andere auf. Und wenn nur das nicht wär, daß, was ihm +geschieht, auch mir geschehen muß. Und wie lang er draußen +bleibt, ganz erhitzt, wenn er sich erkühlt, so kriegen wir +die Kolik. (Astragalus tritt ein.) + +Astragalus. +Weil ich im Wald keine Ruh hab, so sollen sie auch von mir +keine haben. Denn sie sind boshaft, sie könnten mich vergiften. +(Setzt sich in einen Stuhl.) + +Rappelkopf. +Das sind so übertriebene Sachen. Wenn er nur etwas mit sich +reden ließ'. Herr Schwager! + +Astragalus (wendet ihm den Rücken zu). +Hinaus! Ungeheuer! + +Rappelkopf. +So hab ichs akkurat gemacht. (Laut.) Aber warum denn? Wir +sind ja die besten Freunde. + +Astragalus. +Ich bin keines Menschen Freund. Und Sie will ich gar nicht +ansehen. Ihr Gesicht ist mir verdächtig. + +Rappelkopf. +Sie werden mich doch für keinen Betrüger halten? + +Astragalus. +Das nicht, aber man erinnert sich an einen, wenn man Sie ansieht. + +Rappelkopf. +Ah, das ist impertinent, diese Grobheit hätt ich mir nicht +zugetraut. Und doch erinnere ich mich auf ähnliche Worte. + +Astragalus (zum Fenster hinaus). +Halt, wer schleicht da zur Tür hinaus? Donner und Blitz, das +ist der junge Maler, der war bei meiner Tochter. + +Rappelkopf. +Jetzt wirds angehn. + +Astragalus. +Wart, du kommst mir nicht mehr aus. (Springt zur Tür hinaus +und stößt Rappelkopf der ihm im Weg steht, auf die Seite.) + +Rappelkopf. +Ich bin ja ein rasender Mensch. Ich fang mir ordentlich an +selbst zuwider zu werden. Das hätt ich meinen Leben nicht +gedacht. + +Astragalus (von innen, schreiend). +Sie müssen herein, ich lasse Sie nicht los. + +Rappelkopf. +Hat ihn schon bei der Falten. + +Astragalus (von innen). +Herein, sag ich. + +Rappelkopf. +Und wie er schreit! und das geht alles auf meine Rechnung. +Bis die Gschicht ein Ende hat, ruiniert er mir noch meine +ganze Brust. + + +(Astragalus zerrt August an der Hand herein.) + +Astragalus. +Herein, du Verführer meines Kindes! Wie können Sie es wagen, +mein Haus zu betreten? Wer gibt Ihnen ein Recht dazu? + +Rappelkopf. +Das ist wieder gut gesprochen, das gefällt mir. + +August (ganz bleich). +Meine Liebe, Herr von Rappelkopf, und meine redlichen +Absichten. + +Astragalus. +Sie sollen gar keine Absichten haben, weil Sie keine +Aussichten haben. + +Rappelkopf. +Bravo! + +Astragalus. +Ich kann mein Kind verheiraten, an wen ich will, denn ich +bin Vater. + +Rappelkopf. +Bravissimo! + +Astragalus. +Und es ist eine Frechheit von Ihnen, daß Sie sich gegen +meine Erlaubnis in mein Haus zu schleichen suchen, um mein +Kind von dem Gehorsam gegen seinen Vater abzubringen. + +Rappelkopf. +Sehr schön, ich muß mich selber loben. + +August. +Herr von Rappelkopf, ich beschwöre Sie bei allen Gefühlen, +welche Ihr leidenschaftliches Herz je bestürmten, haben Sie +Nachsicht mit den meinigen. Ich kann ohne Ihre Tochter nicht +leben, ich war drei Jahre abwesend, und meine Gesinnungen +haben sich nicht verändert. Ich besitze ein kleines Vermögen, +habe mich in meiner Kunst verbessert, schenken Sie mir Ihre +Einwilligung, nie werde ich Ihre Gnade vergessen, und Sie +werden einen dankbaren Sohn an mir gewinnen. + +Rappelkopf. +Das ist kein gar so schlechter Mensch, er soll doch nicht so +hart mit ihm sein. + +Astragalus. +Ich traue Ihren Worten nicht, denn Falschheit blickt aus Ihrem +Auge. Darum wagen Sie es nicht mehr, meine Schwelle zu betreten. +Eh steht mein Tor hungrigen Wölfen offen, eh laß ich Raben +unter meinem Dache nisten, eh will ich giftge Schlangen an +dem Busen nähren, eh laß ich alle Seuchen hier im Hause wüten +und will die Pest zu meinem Tische laden, eh ich nur Ihrer +Lunge einen Atemzug in meinem Schloß erlaube. + +Rappelkopf. +Das ist ein Unsinn ohnegleichen. Es ist beinah nicht zu glauben, +daß ein Mensch so sein kann. + +August. +Herr von Rappelkopf, wenn Ihnen das Leben eines Menschen etwas +gilt, so reizen Sie meine Leidenschaft nicht auf das höchste-- +Herr von Silberkern, nehmen Sie sich meiner an. + +Rappelkopf. +Ich kann ja nicht, ich bin froh, wenn er mich selber nicht +hinauswirft. + +August. +Also wollen Sie mir mit Gewalt das Leben rauben? + +Astragalus (boshaft). +Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir es zum Geschenke +machen wollten. + +Rappelkopf (entrüstet). +Ah, das ist infam--Herr Schwager (Geht auf Astragalus zu.) + +Astragalus (fährt heftig auf ihn los). +Schweigen Sie! Sie sind auch im Komplott mit ihm, aber ich +schwöre es Ihnen bei dem glühenden Eingeweide des Vesuvs: wenn +Sie es wagen, mein Kind in dieser Leidenschaft zu unterstützen, +wenn Sie nur eine Miene machen, meine Ansichten zu mißbilligen, +so werden Sie ein Andenken nach Venedig mit zurücknehmen, daß +ganz Italien darüber in Entsetzen geraten soll. (Ab ins +Nebenzimmer.) + + + +Elfter Auftritt + +Rappelkopf. August. + + +Rappelkopf. +Nein, das ist nicht mein Ebenbild. Der übertreibt. Das ist +ein schauderhafter Mensch, ich krieg einen ordentlichen Haß +auf ihn. Wenn der so fortwütet, in acht Tagen sind wir alle +zwei hin. + +August (der mit sich gekämpft). +Leben Sie wohl, Herr von Silberkern, grüßen Sie mein Malchen +und vergessen Sie mich nicht. + +Rappelkopf. +Wo wollen Sie denn hin? + +August. +Fragen Sie mich nicht. Ich kann ohne Amalie nicht leben-- +(Will fort.) + +Rappelkopf. +So sein Sie nur ruhig, ich geh Ihnen mein Wort, Sie bekommen +sie. + +August. +Wenn aber der Vater nicht will? + +Rappelkopf. +Er will schon, der Vater, sorgen Sie sich nicht. Gehen Sie +jetzt unterdessen fort, ich werde alles ausgleichen, und wenn +Sie Liebesbriefe haben, so geben Sie s' mir, ich werd sie +schon besorgen. + +August. +Ach bester Onkel, ich muß Sie umarmen, o Freude, Freude, +verlassen Sie mich nicht, sagen Sie meinem Malchen-- + +Rappelkopf. +Gehen Sie nur-- + +August. +Nie werd ich Ihre Güte vergessen-- + +Rappelkopf (drängt ihn zur Tür hinaus). +Auf Wiedersehn! (Allein.) Das ist ein passabler Mensch. Den +hab ich beinahe verkannt. Überhaupt fängt es bei mir an, etwas +Tag zu werden. + + + +Zwölfter Auftritt + +Habakuk. Voriger. + + +Habakuk. +Euer Gnaden verzeihen, daß ich meine Zuflucht zu Ihnen nimm, +mit meinen gnädigen Herrn zu reden, ist zu halsbrecherisch. +Da sind Euer Gnaden viel gütiger. Euer Gnaden haben mir doch +nur Arm und Bein entzwei schlagen wollen, und unter zwei Übeln +muß man das kleinste wählen, und da bin ich also an Euer Gnaden +geraten. + +Rappelkopf. +Das ist gar ein dummer Mensch, ich kann gar nicht begreifen, +wie mich etwas beleidigen hat können von ihm. Nu was hat Er +denn? + +Habakuk. +Ein Anliegen, Euer Gnaden. + +Rappelkopf. +Was denn für eines? + +Habakuk. +Sehen Euer Gnaden, ich--(Hält inne und seufzt tief.) Ich +halts nicht aus. + +Rappelkopf. +Was hält Er nicht aus? (Beiseite.) Das ist ein unerträglicher +Kerl, mir steigt schon die Gall auf. + +Habakuk. +Euer Gnaden wissen, daß ich das Bewußte nicht mehr sagen darf, +und wenn das nicht anders wird, so muß ich zugrunde gehen. + +Rappelkopf. +Aber was hat Er denn davon, wenn Er sagt, daß Er zwei Jahr in +Paris war? + +Habakuk. +Unendlich viel, es hat alles viel mehr Achtung vor einem. Das +hab ich schon viel hundertmal an andern bemerkt. Kurz, wenn +ich das verschweigen muß, ich bekomme eine Gemütskrankheit, +ich geh drauf. + +Rappelkopf (unwillkürlich lächelnd). +Ich weiß nicht, soll ich mich ärgern oder soll ich lachen. + +Habakuk. +Ich unterdruck es immer, und das macht mir Beklemmungen. +Denn ich war zwei--(Setzt ab.) Sehn Euer Gnaden, mir wird +völlig nicht gut. + +Rappelkopf. +Ja wegen was darf Ers denn nicht sagen? + +Habakuk. +Er jagt mich ja fort. + +Rappelkopf. +Wenn er es aber nicht hört? + +Habakuk. +Ja was glauben Sie denn, was der für Ohren hat, die gehn ja +ins Unendliche. + +Rappelkopf. +Schimpft in einem fort über mich und weiß es nicht. Was ich +für Grobheiten einstecken muß! (Scharf.) Wenn ers befohlen +hat, so muß Ers tun, ich kann Ihm nicht helfen. + +Habakuk. +Also keine Rettung. Ich empfehl mich Euer Gnaden! aber es +wird eine Zeit kommen, wo es zu spät ist. Ich habe meinen +Dienst ordentlich versehen, ich hab keinen Kreuzer veruntreut, +aber das ist meine Leidenschaft, von der kann ich nicht lassen. + +Rappelkopf. +Nu so sag Ers-- + +Habakuk. +Ich trau mich nicht. + +Rappelkopf. +Auf meine Verantwortung. + +Habakuk. +Lassen sich Euer Gnaden statt mir fortjagen? + +Rappelkopf. +Nun ja-- + +Habakuk. +Nun so versichre ich Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, +aber das werd ich Ihnen nicht vergessen. (Atem schöpfend, als +fühlte er sich erleichtert.) Das ist eine Wohltat, die nicht +zu beschreiben ist. + +Rappelkopf. +Also ich erlaub es Ihm, von diesem Augenblick an, es wieder +zu sagen, unter der Bedingung, daß Er nicht mehr über seinen +Herrn schimpft. + +Habakuk. +Oh, das ist ein Mann, wies gar keinen mehr gibt. Und jetzt +erlauben Euer Gnaden, daß ich Euer Gnaden umarmen darf. Euer +Gnaden sind mein Wohltäter, mein Vater! Heut bringt kein +Mensch mehr ein anderes Wort aus mir heraus als: Ich war +zwei Jahr in Paris. (Ab.) + +Rappelkopf (allein). +Es ist unglaublich, der eine möcht gern ewig verliebt sein, +und dieser ist wieder zufrieden, wenn man ihm erlaubt, daß +er sagen darf, daß er zwei Jahr in Paris gewesen ist. Es +ist lächerlich, und doch findet er seinesgleichen. Es hat +halt jedermann sein Steckenpferd. + +Arie +Die Welt, ich schreib ihr die Devise, +Ist bloß ein wahnberauschter Riese. +Der eine spräch gern mit den Sternen, +Der andre möcht gern gar nichts lernen, +Der dritte denkt, zum Existieren +Müßt sich die Menschheit parfümieren. +Der läuft im Wahn dem Wasser zu, +Der andre läßt dem Wein kein Ruh. +Der ist so blöd wie ein Stück Holz, +Und jener kennt sich nicht vor Stolz. +Der sitzt und erbt zehntausend Gulden, +Der läuft herum und ist voll Schulden. +Oft möcht der eine avancieren, +Der andre möcht sich retirieren. +Der Blinde möcht gern Augen finden, +Und mancher sieht und möcht erblinden. + +So dreht die Welt sich immer fort +Und bleibt doch stets an einem Ort. +Der Egoismus ist die Achse, +Der Hochmut zahlt am End die Taxe. +Die Erd, es kömmt darauf heraus, +Ist nur im Grund ein Irrenhaus. +Und wie ich nach und nach gewahr, +So bin ich selbst ein großer Narr. + + + +Dreizehnter Auftritt + +Voriger. Sophie, Malchen und Lischen treten ein. + + +Sopie. +Lieber Bruder, was sagst du zu dem Betragen meines Mannes? +Hab ich das um ihn verdient? + +Rappelkopf. +Nein, liebe Schwester, so lang ich da bin, nicht. (Beiseite.) +Wenn nicht noch was nachkommt. + +Malchen (weint). +Ach Onkel, jetzt ist mein Unglück entschieden. + +Rappelkopf. +So tröste dich, Malchen! (Beiseite.) Nur um das Kind ist +mir leid, an den andern allen liegt mir nichts. + + +(Man hört von innen läuten.) + +Lischen. +Er läutet. Wer geht denn jetzt hinein? + +Sopie. +Mich will er ja nicht sehen. + +Rappelkopf. +Und ich mag ihm nicht sehen. + +Lischen. +Ich trau mich nicht hinein. + +Malchen. +Ich auch nicht, liebe Mutter. + +Rappelkopf. +Ich bin ungemein beliebt. + +Malchen. +Lieber Onkel, gehen Sie! + +Rappelkopf. +Ich? Ich nicht. (Beiseite.) Ich fürcht mich vor mir selber. + + +(Es läutet wieder.) + +Sopie. +Er läutet wieder. Ich muß doch-- + +Lischen (schnell). +Ich geh schon, gnädge Frau. (Steckt den Kopf zur Kabinettstür +hinein und ruft.) Was befehlen Ihro Gnaden? + +Astragalus. +Frisches Wasser! schnell! + +Alle drei. +Was ist ihm denn? + +Lischen. +Er sitzt erhitzt am Fenster, es scheint ihm nicht wohl zu +sein, er ruft nach Wasser. + +Sopie. +Bring Sie welches. Wenn er nur nicht krank wird! + + +(Lischen geht ab.) + +Rappelkopf. +Nu wär nicht übel, das könnt ich brauchen. + +Sopie. +Am Ende trifft ihn noch der Schlag. + +Rappelkopf. +Hör auf, mir wird schon völlig bang. + +Sopie. +Gib die Hausapotheke her! Niederschlagendes Pulver! + +Rappelkopf. +Nur geschwind etwas Niederschlagendes. + +Malchen (nimmt sie aus dem Schrank). +Hier ist sie. + +Lischen (ein Glas Wasser bringend). +Hier ist Wasser! + +Rappelkopf. +Wartet nur, ich werd es selbst hineinrühren. (Tut es. +Für sich.) Ich muß ja schauen auf mich, was wär denn das? + +Lischen (die am Kabinett gehorcht, springt weg davon). +Er kömmt. + + + +Vierzehnter Auftritt + +Vorige. Astragalus aus dem Kabinette. + + +Astragalus. +Also so werden meine Befehle respektiert? (Zu Sophie.) Was +machst du hier? Was hat der Maler hier im Hause wollen? Wir +sprechen uns schon noch. + +Sopie. +So sei nur ruhig, lieber Mann, dir ist nicht wohl, setz dich +doch und nimm Arznei. (Sie reicht ihm das Glas.) + +Astragalus (wild). +Wasser will ich, und sonst nichts. + +Sopie. +Du mußt, ich darf dich nicht erkranken lassen. So nimm, ich +bitte dich. + +Astragalus. +Nein! + +Malchen. +Lieber Vater, nehmen Sie. + +Rappelkopf. +Es gehört wirklich eine Geduld dazu. Ich möcht mich selbst +ohrfeigen, aber auf seinem Gesicht. + +Astragalus. +So gib denn her. (Er nimmt das Glas.) Hölle, was ist das? +der Trank ist trübe. Gesteh, du hast ihn mir vergiftet. + +Malchen. +Aber Vater-- + +Lischen. +Gnädger Herr! + +Astragalus. +Da hilft kein Leugnen mehr, der Trank ist Gift. + +Rappelkopf. +Ah, das ist noch über den Zichori. + +Sopie. +So hör doch nur, es ist ja niederschlagendes Pulver. + +Astragalus. +Es ist nicht wahr. + +Rappelkopf. +Ich schlag ihn noch ohne Pulver nieder. + +Astragalus (wirft das Glas um die Erde). +Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher. + +Rappelkopf. +Entsetzlich! meine eigenen Worte. + +Astragalus. +Mein Weib ist eine Mörderin. Darum herab mit euch, ihr +Früchte, die für meinen Haß gereift. (Entreißt Sophien ihre +Halskette, woran sein Porträt hängt.) Was trägst du hier +am Hals? hinweg damit, du sollst kein Angedenken von mir +tragen als den Fluch, womit ich deine Bosheit krönen will. +So hör mich denn, du mörderisches Weib-- + +Rappelkopf. +Genug, genug! das ist der ganze Narr wie ich, ich kann mich +selber nicht mehr anschauen mehr. + +Sopie (fällt in einen Stuhl). +Ich unglückselges Weib! + +Astragalus. +Verlaß mein Schloß, ich will allein hier hausen, und mein +Geschäft heißt Menschenhaß. Ich will von dir und von der Welt +nichts wissen mehr, verwünsche dich, verwünsch mein Kind-- + +Rappelkopf. +Nein Sapperment, jetzt wirds mir z'viel. Der Mensch verflucht +mir 's ganze Haus. + +Astragalus. +Geh hin zu deinem Maler, treib es bunt, wie ein Chamäleon +sollst du in allen Farben prangen, werd grün vor Galle, +blau von Schlägen, rot vor Schande, weiß vor Kummer, gelb +von Fieber, grau vom Alter und-- + +Rappelkopf (freudig). +Das ist gscheid, jetzt gehn ihm d' Farben aus. + +Astragalus. +Doch laß dich nimmermehr vor meinen Antlitz sehen, verleugne +mich, ich bin dein Vater nicht-- + +Malchen (umklammert weinend seine Knie). +Vater, Barmherzigkeit, verstoßen Sie mich nicht! + +Astragalus. +Hinweg von mir! (Stoßt sie fort.) + +Rappelkopf. +Das leid ich nicht--potz Donnerkeil und Wolkenbruch--Nun +hab ichs satt, ich muß mich um meine Familie annehmen. Der +Mensch ruiniert mir Weib und Kind. Sapperment! Sie sind kein +Mensch, ein Teufel sind Sie, der mich schwärzer darstellt, +als ich bin. + +Astragalus. +Du kommst mir eben recht, du schändlicher Betrüger! Gib mir +Genugtuung dafür, daß du Komplotte hinter meinem Rücken +schmiedest. Gib Rechenschaft--(er packt ihn an der Brust) +wie mein Vermögen steht-- + +Malchen. +Zu Hülfe! Onkel! + +Sopie (gleichzeitig). +Zu Hülfe! Bruder! + +Lischen (gleichzeitig). +Zu Hülfe! + +Rappelkopf. +Was? anpacken? Ha, Entehrung! Satisfaktion, Duell! + + +(Alle Hausleute.) + +Astragalus. +Pistolen her! + +Rappelkopf. +Kanonen her! + +Astragalus (nimmt Pistolen von der Wand). +Hier sind sie schon. + +Rappelkopf. +Das wird ein Treffen wie bei Navarin. + +Sopie. +Mann, ich bitte dich um alles in der Welt! + +Astragalus. +Umsonst! + +Malchen. +Onkel, sind Sie doch vernünftig! + +Rappelkopf. +Geh weg, ich hab keine Zeit dazu. + +Astragalus. +Fünf Schritte sind genug. Wir schießen uns zugleich. Zähl drei! + +Sopie. +Versöhnt euch doch! + +Rappelkopf. +Wir sind die besten Freund, jetzt sind wir erst auf du und +du. Geh fort, ich muß. (Zählt und zielt.) Eins, zwei-- + +Sopie (fällt in Ohnmacht). +Ach! + +Rappelkopf. +Die fallt schon um, ich hab noch gar nicht gschossen. + +Malchen. +Die Mutter stirbt! + +Rappelkopf. +Sie soll noch warten, sag! + +Astragalus. +Drück los! + +Malchen (umschlingt ihren Vater). +Ach Onkel, halten Sie, sonst töten Sie zwei Menschen. + +Rappelkopf (prallt zurück). +Was? Himmel, jetzt fallt mir was ein, ich kann mich gar +nicht duellieren mit ihm! Wir haben nur alle zwei ein +Leben. Wann ich ihm erschieß, so schieß ich mich selber +tot. Wenn ich jetzt losdruckt hätt, jetzt wärs schon gar. + +Astragalus. +Mach fort! warum besinnst du dich? + +Rappelkopf. +Nu wenn sich einer da nicht besinnen soll, hernach gehts recht. + +Astragalus. +Nur einer fällt, ich oder du. + +Rappelkopf. +Das kann nicht sein, wir falln in Kompagnie. + +Astragalus. +Gleichviel, es geht auf Leben und Tod. (Zielt.) + +Rappelkopf. +Halt, es geht auf Tod und Tod. + +Astragalus (geht auf ihn zu). +Warum willst du nicht schießen, feiger Wicht? + + +(Sophie hat sich indessen erholt.) + +Rappelkopf. +Weil mich meine Schwester dauert--ich will sie nicht zur +Witwe machen--, und ihr Kind, und ihr Schwager, und die +ganze Freundschaft. (Beiseite.) Das ist eine Schande, ich +weiß gar nimmer, was ich sagen soll. + +Astragalus. +Ich will mein Leben nicht für sie erhalten, und dir will +ichs am wenigsten verdanken. Es gilt mir nichts, ich werf +ihn weg, den unschmackhaften Rest des altgewordnen Seins, +ich brauch ihn nicht. + +Rappelkopf. +Wie der mit meinem Leben herumwirft, und ihm gehts gar +nichts an. + +Astragalus. +Doch deine Feigheit will ich nicht hier dulden, du packst +dich fort aus meinem Haus, sonst werf ich dich hinaus-- + +Rappelkopf. +Jetzt wirft er mich gar aus meinen eignen Haus? Der Mensch +spielt noch Ballon mit mir, und bring ich ihn recht in Zorn, +so trifft uns alle zwei der Schlag. Ich weiß gar nicht, was +er noch immer will, ich sehs ja ein, ich war ein unvernünftig +Tier, ein Tiger, drum will ich wissen, was denn jetzt noch +kommt. (Habakuk mit einem Brief tritt schnell ein.) + +Habakuk (eintönig). +Ein Brief. + +Rappelkopf. +Aus Paris? Du Dummkopf! + +Habakuk. +Nein, dasmal ist er aus Venedig. + +Astragalus (schießt darauf los). +Aus Venedig? her damit! + +Rappelkopf. +Her damit! Der intressiert mich selbst. (Will hineingehen.) + +Astragalus (fährt ihn an). +Was wollen Sie? + +Rappelkopf (erschrickt). +Ja so! Jetzt darf ich meine eignen Briefe nicht lesen. +Verdammter Doppelgänger du! (Astragalus wird während des +Lesens unruhig und bleich und zittert.) Das muß eine schöne +Nachricht sein. + +Astragalus (läßt zitternd das Blatt fallen und sagt mit +Entsetzen). +Ich bin verloren! + +Rappelkopf (fängt zum zittern an). +So bin ichs auch. + +Astragalus (sinkt in einen Stuhl.) +Mir wird nicht wohl. + +Rappelkopf. +Und mir wird übel. (Sinkt in den gegenüberstehenden Stuhl.) + +Astragalus. +Ich geh zugrunde + +Rappelkopf. +Ich bin schon hin. + +Alle. +Wasser! Wasser! + + +(Die Weiber sind besorgt. Lischen läuft ab.) + +Astragalus (springt auf). +Wasser! Ja, ihr erinnert mich darauf. (Zu Rappelkopf) Du +Verräter bist an allem schuld. (Stürzt ab.) + +Rappelkopf (springt auch auf). +Nein, mein Schwager ist an allem schuld! Wo ist der Brief? +(Liest. Erstarrt.) »Mein Herr, ich berichte Ihnen, daß das +Handlungshaus, bei welchem Ihr Vermögen liegt, ge--ge-- +fallen ist.« Ich lieg schon da--ich streck schon alle vier +von mir. (Lischen kommt zitternd.) + +Lischen. +Hülfe! Hülfe! der gnädge Herr ist fort, er ruft, er wolle +sich ersäufen, er stürzt sich in den Strom. + +Sopie. +Mein Mann! + +Malchen. +Der Vater! + +Alles. +Eilt ihm nach! (Alles stürzt ab.) + +Rappelkopf (kann vor Angst nicht von der Stelle). +Halts ihn auf, den unglückselgen Kerl, was der Mensch mit +meim Leben treibt! Ich komm aus einen Tod in den andern +hinein. (Die Knie brechen ihm.) Ich kann nicht fort, er +springt hinein. Er ist schon drin, ich fang zum schwimmen +an. (Schleppt sich fort.) Der Himmel steh mir bei, dasmal +ein Menschenfeind, in meinem Leben nimmermehr. Verzweiflung, +gib mir Kraft, sonst muß ich untergehn. (Ab.) + + + +Fünfzehnter Auftritt + +Verwandlung +Freie Gegend vor dem Schlosse. Im Hintergrunde ein tiefer +Strom, an der Seite ein hoher Fels. + +Alle Hausleute. Malchen. August. Astragalus wird gehalten. +Sophie kniet vor ihm. Gruppe. + + +Chor. +Haltet ihn, haltet ihn! +Seht, er will entrinnen. +Laßt ihn nicht, laßt ihn nicht, +Denn er ist von Sinnen! + +(Astragalus reißt sich los und eilt auf den Fels. In dem +Augenblick erscheint) + +Rappelkopf (und ruft). +Halt! + + +(Astragalus springt hinab. Rappelkopf fällt ohnmächtig in +die Arme seiner Frau und Tochter.) + + +Schnelle Verwandlung in den Tempel der Erkenntnis. Hohe +Säulen von Kristall mit Gold geziert. Auf der Hinterwand +eine große Sonne, in deren Mitte die Wahrheit schwebt. Vor +ihr ein Opferaltar. Astragalus' Gestalt, welche in das +Wasser sprang, war eine falsche. Dieser zeigt sich nun +wie zu Anfang des zweiten Aktes. Mit ihm ideal gekleidete +Alpengeister. Rappelkopf hat sich indessen in seine wahre +Gestalt verwandelt. Sophie. Malchen. August. + +Astragalus (zu Rappelkopf). +Willkommen hier in der Erkenntnis hellstrahlendem Tempel, +im wahrheiterleuchteten Saale. Ich sehe dich beschämt und +reuergriffen vor mir stehen. + +Rappelkopf. +Ja leb ich denn noch? Bin ich denn nicht in Kompagnie ersoffen? + +Sopie. +Du lebst noch, lieber Mann! + +Malchen. +Sie leben, lieber Vater! + +Rappelkopf. +Und künftig nur für euch. (Umschlingt sie beide.) Wenn ich +euch nicht zu schlecht bin, daß ihr für mich auch lebt. + +Astragalus. +Du hast nun Menschenhaß geschaut und eines Menschenfeindes +Ende. + +Rappelkopf. +Und ist er denn wirklich hin, dieser verwünschte +Lebenskompagnon, dieses Zerrbild meiner Unverträglichkeit? + +Astragalus. +Er ist verschwunden wie dein Menschenhaß. + +Rappelkopf. +Nu das waren ein Paar saubre Leute, ich bin froh, daß ich +sie losgeworden bin. Aber weil Eure Hoheit gar so viel +vermögend sind, könnten Sie denn nicht auch etwas über +mein verlornes Vermögen vermögen. Damit ich auch meinem +Schwager verzeihen könnt, weil er der einzige ist, den ich +noch hasse. (Man hört ein Posthorn. Linarius, als Postknecht +gekleidet, mit Herrn von Silberkern.) + +Linarius. +Hier lad ich meinen Passagier von seiner Wolkenreise ab. +Die Alpenluft hat ihm recht gut getan. + +Silberkern. +Nu wart, du saubrer Postillon! Herr Schwager, seh ich Sie +einmal? + +Rappelkopf. +Sie sind mir schon der liebste Schwager, jetzt kommt er erst +daher, wenn schon alles vorbei ist. Sie sind an meinem Unglück +schuld, ich bin ein Bettler. + +Silberkern. +Von einmalhunderttausend Gulden Münze, die ich ohne Ihre +Einwilligung bei dem Bankier erhoben habe, bevor das Haus +noch fiel. Weil ich Wind bekam und Ihr Vermögen retten +wollte, das ich Ihnen hier in Wechseln übergebe. + +Rappelkopf. +Ach, das ist ein Schwager, den laß ich mir gfallen, der +bringt doch was ins Haus. (Umarmt ihn, Silberkern umarmt +Sophie.) Kinder, mein Vermögen, die Menge Wechsel, ich bin +völlig ausgewechselt vor lauter Freuden. Herr Schwager, das +werd ich Ihnen nie vergessen. + +Silberkern. +Zahlen Sie mir lieber meine Angst, die ich Ihretwegen ausstehn +mußte. + +Rappelkopf. +Ich geh Ihnen die meinige dafür, Sie kommen nicht zu kurz. + +Silberkern. +Aber wie hängt denn das alles zusammen? + +Rappelkopf. +Freund, das werden wir Ihnen morgen früh erzählen, sonst möcht +es den Leuten zu viel werden. Denn ich hab heut schon so viel +geredet, daß ich nichts mehr sagen kann als: (zu August) +Sie sind mein Schwiegersohn. Nehmen Sie sie hin. Aber Sie +sind ein Maler, schmieren Sie s' nicht an. Lieben Sie s' so, +wie ich Sie unrechterweise gehaßt habe, dann kann sie schon +zufrieden sein. + +August, Malchen (zugleich). +Bester Vater! + +Rappelkopf (auf den Alpenkönig zeigend). +Dort bedankt euch. + +August, Malchen (stürzen zu Astragalus' Füßen). +Großer Alpenkönig, Dank! + +Astragalus (mit Rührung). +Ich hab dir gestern einen Kranz versprochen, +Als ich dein Leid im Alpentale sah. +Du siehst, ich habe nicht mein Wort gebrochen, +Das Leid ist fort, der Kranz ist da. + + +(Er nimmt einen Kranz aus schönen Alpenblumen von glänzender +Folio, den ihm einer von den Alpengeistern reicht, und setzt +ihn Malchen auf.) + +So nimm ihn hin, du Mädchen seltner Art, +Das treulich hält, was liebend es verspricht, +Und weil ich euch so väterlich gepaart, +Vergeßt auch auf den Alpenkönig nicht. + + +(Geht ab.) + +Rappelkopf. +Kinder, ich bin ein pensionierter Menschenfeind, bleibt bei +mir, und ich werde meine Tage ruhig im Tempel der Erkenntnis +verleben. + +Schlußgesang +Erkenntnis, du lieblich erstrahlender Stern, +Dich suchet nicht jeder, dich wünscht mancher fern. +Zum Beispiel die Leute, die uns oft betrügn, +Die wolln nicht erkannt sein, sonst würden s' nicht lügn. +Doch seien vor allen die Schönen genannt, +Die werdn von uns Männern am ersten erkannt. +Die Guten, die brauchen schon längere Zeit, +Obwohl die Erkenntnis dann ewig erfreut. + +Die Jugend will oft mit Erkennen sich messen, +Die hat den Verstand schon mit Löffeln gegessen. +Doch rückt nur das Alter einmal an die Reih, +Dann kommt die Erkenntnis schon selber herbei. + +Der Mensch soll vor allem sich selber erkennen, +Ein Satz, den die ältesten Weisen schon nennen, +Drum forsche ein jeder im eigenen Sinn: +Ich hab mich erkannt heut, ich weiß, wer ich bin. + +Erkannt zu sein wünscht sich vor allem die Kunst. +Die feine Kokette bewirbt sich um Gunst. +Und wird sie auch heute mit Ruhm nicht genannt, +So werde denn doch nicht ihr Wille verkannt! + + +Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der Alpenkönig und +der Menschenfeind, von Ferdinand Raimund. + + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER ALPENKONIG UND DER MENSCHENFEIND *** + +This file should be named 8alpn10.txt or 8alpn10.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8alpn11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8alpn10a.txt + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not +keep eBooks in compliance with any particular paper edition. + +We are now trying to release all our eBooks one year in advance +of the official release dates, leaving time for better editing. +Please be encouraged to tell us about any error or corrections, +even years after the official publication date. + +Please note neither this listing nor its contents are final til +midnight of the last day of the month of any such announcement. +The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at +Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A +preliminary version may often be posted for suggestion, comment +and editing by those who wish to do so. + +Most people start at our Web sites at: +http://gutenberg.net or +http://promo.net/pg + +These Web sites include award-winning information about Project +Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new +eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!). + + +Those of you who want to download any eBook before announcement +can get to them as follows, and just download by date. This is +also a good way to get them instantly upon announcement, as the +indexes our cataloguers produce obviously take a while after an +announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter. + +http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or +ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04 + +Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90 + +Just search by the first five letters of the filename you want, +as it appears in our Newsletters. + + +Information about Project Gutenberg (one page) + +We produce about two million dollars for each hour we work. The +time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours +to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright +searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our +projected audience is one hundred million readers. If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. If your state is not listed and +you would like to know if we have added it since the list you have, +just ask. + +While we cannot solicit donations from people in states where we are +not yet registered, we know of no prohibition against accepting +donations from donors in these states who approach us with an offer to +donate. + +International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about +how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made +deductible, and don't have the staff to handle it even if there are +ways. + +Donations by check or money order may be sent to: + +Project Gutenberg Literary Archive Foundation +PMB 113 +1739 University Ave. +Oxford, MS 38655-4109 + +Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment +method other than by check or money order. + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by +the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN +[Employee Identification Number] 64-622154. 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