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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..6833f05 --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,3 @@ +* text=auto +*.txt text +*.md text diff --git a/6505-8.txt b/6505-8.txt new file mode 100644 index 0000000..bd5f7d9 --- /dev/null +++ b/6505-8.txt @@ -0,0 +1,4337 @@ +The Project Gutenberg EBook of Turandot, Prinzessin von China +by Johann Christoph Friedrich von Schiller Schiller + +Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the +copyright laws for your country before downloading or redistributing +this or any other Project Gutenberg eBook. + +This header should be the first thing seen when viewing this Project +Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the +header without written permission. + +Please read the "legal small print," and other information about the +eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is +important information about your specific rights and restrictions in +how the file may be used. You can also find out about how to make a +donation to Project Gutenberg, and how to get involved. + + +**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** + +**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971** + +*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!***** + + +Title: Turandot, Prinzessin von China + +Author: Johann Christoph Friedrich von Schiller Schiller + +Release Date: September, 2004 [EBook #6505] +[This file was first posted on December 24, 2002] +[Most recently updated March 29, 2004] + +Edition: 10 + +Language: German + +Character set encoding: ISO-8859-1 + +*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, TURANDOT, PRINZESSIN VON CHINA *** + + + + + +This book content was graciously contributed by the Gutenberg +Projekt-DE. That project is reachable at the web site +http://gutenberg2000.de. + +Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur +Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse +http://gutenberg2000.de erreichbar. + + + +Turandot, Prinzessin von China. + +Friedrich Schiller. + +Ein tragikomisches Märchen nach Gozzi. + + +Personen: + +Altoum, fabelhafter Kaiser von China. +Turandot, seine Tochter. +Adelma, eine tartarische Prinzessin, ihre Sklavin. +Zelima, eine andere Sklavin der Turandot. +Skirina, Mutter der Zelima. +Barak, ihr Gatte, ehmals Hofmeister des +Kalaf, Prinzen von Astrachan. +Timur, vertriebener König von Astrachan. +Ismael, Begleiter des Prinzen von Samarcand. +Tartaglia, Minister. +Pantalon, Kanzler. +Truffaldin, Aufseher der Verschnittenen. +Brigella, Hauptmann der Wache. +Doctoren des Divans. +Sklaven und Sklavinnen des Serails. + + + + +Erster Aufzug. + +Vorstadt von Peckin. + +Prospekt eines Stadtthors. Eiserne Stäbe ragen über demselben +hervor, worauf mehrere geschorne, mit türkischen Schöpfen +versehene Köpfe als Masken und so, daß sie als eine Zierrath +erscheinen können, symmetrisch aufgepflanzt sind. + + + +Erster Auftritt. + +Prinz Kalaf, in tartarischem Geschmack, etwas phantastisch +gekleidet, tritt aus einem Hause. Gleich darauf Barak, aus +der Stadt kommend. + + +Kalaf. +Habt Dank, ihr Götter! Auch zu Peckin sollt' ich +Eine gute Seele finden! + +Barak (in persischer Tracht, tritt auf, erblickt ihn und fährt +erstaunt zurück). +Seh' ich recht? +Prinz Kalaf! Wie? Er lebt noch! + +Kalaf (ernennt ihn). Barak! + +Barak (auf ihn zueilend). Herr! + +Kalaf. Dich find' ich hier? + +Barak. Euch seh' ich lebend wieder! +Und hier zu Peckin! + +Kalaf. Schweig! Verrath mich nicht! +Beim großen Lama, sprich! Wie bist du hier? + +Barak. Durch ein Geschick der Götter, muß ich glauben, +Da es mich hier mit Euch zusammenführt. +An jenem Tag des Unglücks, als ich sah, +Daß unsre Völker flohen, der Tyrann +Von Tefflis unaufhaltsam in das Reich +Eindrang, floh ich nach Astrachan zurück, +Bedeckt mit schweren Wunden. Hier vernahm ich, +Daß Ihr und König Timur, Euer Vater, +Im Treffen umgekommen. Meinen Schmerz +Erzähl' ich nicht; verloren gab ich Alles, +Und sinnlos eilt' ich zum Palaste nun, +Elmazen, Eure königliche Mutter, +Zu retten; doch ich suchte sie vergebens! +Schon zog der Sieger ein zu Astrachan, +Und in Verzweiflung eilt' ich aus den Thoren. +Von Land zu Lande irrt' ich flüchtig nun +Drei Jahre lang umher, ein Obdach suchend, +Bis ich zuletzt nach Peckin mich gefunden. +Hier unterm Namen Hassan glückte mir's, +Durch treue Dienste einer Wittwe Gunst +Mir zu erwerben, und sie ward mein Weib. +Sie kennt mich nicht; ein Perser bin ich ihr. +Hier leb' ich nun, obwohl gering und arm +Nach meinem vor'gen Loos, doch überreich +In diesem Augenblicke, da ich Euch, +Den Prinzen Kalaf, meines Königs Sohn, +Den ich erzogen, den ich Jahre lang +Für todt beweint, im Leben wieder sehe! +--Wie aber lebend? Wie in Peckin hier? + +Kalaf. Nenne mich nicht. Nach jener unglücksel'gen Schlacht +Bei Astrachan, die uns das Reich gekostet, +Eilt' ich mit meinem Vater zum Palast; +Schnell rafften wir das Kostbarste zusammen, +Was sich an Edelsteinen fand, und flohn. +In Bauerntracht verhüllt, durchkreuzten wir, +Der König und Elmaze, meine Mutter, +Die Wüsten und das felsigte Gebirg. +Gott, was erlitten wir nicht da! Am Fuß +Des Kaukasus raubt' eine wilde Horde +Von Malandrinen uns die Schätze; nur +Das nackte Leben blieb uns zum Gewinn. +Wir mußten kämpfen mit des Hungers Qualen +Und jedes Elends mannigfacher Noth. +Den Vater trug ich bald und bald die Mutter +Auf meinen Schultern, eine theure Last. +Kaum wehrt' ich seiner wüthenden Verzweiflung, +Daß er den Dolch nicht auf sein Leben zuckte; +Die Mutter hielt ich kaum, daß sie, von Gram +Erschöpft, nicht niedersank! So kamen wir +Nach Jaik endlich, der Tartarenstadt, +Und hier, an der Moscheen Thor, mußt' ich +Ein Bettler flehen um die magre Kost, +Der theuren Eltern Leben zu erhalten. +--Ein neues Unglück! Unser grimm'ger Feind, +Der Khan von Tefflis, voll Tyrannenfurcht, +Mißtrauend dem Gerücht von unserm Tode, +Er ließ durch alle Länder uns verfolgen. +Vorausgeeilt schon war uns sein Befehl, +Der alle kleinen Könige seiner Herrschaft +Aufbot, uns nachzuspähn. Nur schnelle Flucht +Entzog uns seiner Spürer Wachsamkeit-- +Ach, wo verbärg' sich ein gefallner König! + +Barak. O, nichts mehr! Eure Worte spalten mir +Das Herz! Ein großer Fürst in solchem Elend! +Doch sagt! Lebt mein Gebieter noch, und lebt +Elmaze, meine Königin? + +Kalaf. Sie leben. +Und wisse, Barak, in der Noth allein +Bewähret sich der Adel großer Seelen. +--Wir kamen in der Karazanen Land; +Dort, in den Gärten König Keicobads, +Mußt' ich zu Knechtes Diensten mich bequemen, +Dem bittern Hungertode zu entfliehn. +Mich sah Adelma dort, des Königs Tochter, +Mein Anblick rührte sie, es schien ihr Herz +Von zärtlichern Gefühlen, als des Mitleids, +Sich für den fremden Gärtner zu bewegen. +Scharf sieht die Liebe, nimmer glaubte sie +Mich zu dem Loos, wo sie mich fand, geboren. +--Doch weiß ich nicht, welch bösen Sternes Macht +Der Karazanen König Keicobad +Verblendete, den mächt'gen Altoum, +Den Großkhan der Chinesen, zu bekriegen. +Das Volk erzählte Seltsames davon. +Was ich berichten kann, ist dies: Besiegt +Ward Keicobad, sein ganzer Stamm vertilgt; +Adelma selbst mit sieben andern Töchtern +Des Königs ward ertränkt in einem Strome. +--Wir aber flohen in ein andres Land; +So kamen wir nach langem Irren endlich +Zu Berlas an--Was bleibt mir noch zu sagen? +Vier Jahre lang schafft' ich den Eltern Brod, +Daß ich um dürft'ges Taglohn Lasten trug. + +Barak. Nicht weiter, Prinz. Vergessen wir das Elend, +Da ich Euch jetzt in kriegerischem Schmuck +Und Heldenstaat erblicke. Sagt. wie endlich +Das Glück Euch günstig ward? + +Kalaf. Mir günstig! Höre! +Dem Khan von Berlas war ein edler Sperber +Entwischt, den er in hohem Werthe hielt. +Ich fand den Sperber, überbracht' ihn selbst +Dem König--Dieser fragt nach meinem Namen; +Ich gebe mich für einen Elenden, +Der seine Eltern nährt mit Lastentragen. +Drauf ließ der Khan den Vater und die Mutter +Im Hospital versorgen. (Er hält inne.) Barak! Dort, +Im Aufenthalt des allerhöchsten Elends, +Dort ist dein König--deine Königin. +Auch dort nicht sicher, dort noch in Gefahr, +Erkannt zu werden und getödtet! + +Barak. Gott! + +Kalaf. Mir ließ der Kaiser diese Börse reichen, +Ein schönes Pferd und dieses Ritterkleid. +Den greisen Eltern sag' ich Lebewohl; +Ich gehe, rief ich, mein Geschick zu ändern, +Wo nicht, dies traur'ge Leben zu verlieren! +Was thaten sie nicht, mich zurückzuhalten +Und, da ich standhaft blieb, mich zu begleiten! +Verhüt' es Gott, daß sie, von Angst gequält, +Nicht wirklich meinen Spuren nachgefolgt! +Hier bin ich nun, zu Peckin, unerkannt, +Viel hundert Meilen weit von meiner Heimath. +Entschlossen komm' ich her, dem großen Khan +Vom Lande China als Soldat zu dienen, +Ob mir vielleicht die Sterne günstig sind, +Durch tapfre That mein Schicksal zu verbessern. +--Ich weiß nicht, welche Festlichkeit die Stadt +Mit Fremden füllt, daß kein Karvanserai +Mich aufnahm--Dort in jener schlechten Hütte +Gab eine Frau aus gutem Herzen mir +Herberge. + +Barak. Prinz, das ist mein Weib. + +Kalaf. Dein Weib? +Preise dein Glück, daß es ein fühlend Herz +Zur Gattin dir gegeben! (Er reicht ihm die Hand.) + Jetzt leb' wohl. +Ich geh' zur Stadt. Mich treibt's, die Festlichkeit +Zu sehn, die so viel Menschen dort versammelt. +Dann zeig' ich mich dem großen Khan und bitt' +Ihn um die Gunst, in seinem Heer zu dienen. + +(Er will fort. Barak hält ihn zurück.) + +Barak. Bleibt, Prinz! Wo wollt Ihr hin? Mögt Ihr das Aug' +An einem grausenvollen Schauspiel weiden? +O, wisset, edler Prinz--Ihr kamt hieher +Auf einen Schauplatz unerhörter Thaten. + +Kalaf. Wie so? Was meinst du? + +Barak. Wie? Ihr wißt es nicht, +Daß Turandot, des Kaisers einz'ge Tochter, +Das ganze Reich in Leid versenkt und Thränen? + +Kalaf. Ja, schon vorlängst im Karazanenland +Hört' ich dergleichen--und die Rede ging, +Es sei der Prinz des Königs Keicobad +Auf eine seltsam jammervolle Art +Zu Peckin umgekommen--Eben dies +Hab' jenes Kriegesfeuer angeflammt, +Das mit dem Falle seines Reichs geendigt. +Doch Manches glaubt und schwatzt ein dummer Pöbel, +Worüber der Verständ'ge lacht--Darum +Sag' an, wie sich's verhält mit dieser Sache? + +Barak. Des Großkhans einz'ge Tochter, Turandot, +Durch ihren Geist berühmt und ihre Schönheit, +Die keines Malers Pinsel noch erreicht, +Wie viele Bildnisse von ihr auch in der Welt +Herumgehn, hegt so übermüth'gen Sinn, +So großen Abscheu vor der Ehe Banden, +Daß sich die größten Könige umsonst +Um ihre Hand bemüht-- + +Kalaf. Das alte Märchen +Vernahm ich schon am Hofe Keicobads +Und lachte drob--Doch fahre weiter fort + +Barak. Es ist kein Märchen. Oft schon wollte sie +Der Khan, als einz'ge Erbin seines Reichs, +Mit Söhnen großer Könige vermählen. +Stets widersetzte sich die stolze Tochter, +Und, ach! zu blind ist seine Vaterliebe, +Als daß er Zwang zu brauchen sich erkühnte. +Viel schwere Kriege schon erregte sie +Dem Vater, und obgleich noch immer Sieger +In jedem Kampf, so ist er doch ein Greis +Und unbeerbt wankt er dem Grabe zu. +Drum sprach er einsmals ernst und wohlbedächtlich +Zu ihr die strengen Worte: Störrig Kind! +Entschließe dich einmal, dich zu vermählen, +Wo nicht, so sinn' ein ander Mittel aus, +Dem Reich die ew'gen Kriege zu ersparen; +Denn ich bin alt; zu viele Kön'ge schon +Hab' ich zu Feinden, die dein Stolz verschmähte. +Drum nenne mir ein Mittel, wie ich mich +Der wiederholten Werbungen erwehre, +Und leb' hernach und stirb, wie dir's gefällt-- +Erschüttert ward von diesem ernsten Wort +Die Stolze, rang umsonst, sich loszuwinden; +Die Kunst der Thränen und der Bitten Macht +Erschöpfte sie, den Vater zu bewegen; +Doch unerbittlich blieb der Khan--Zuletzt +Verlangt sie von dem unglücksel'gen Vater, +Verlangt--Hört, was die Furie verlangte! + +Kalaf. Ich hab's gehört. Das abgeschmackte Märchen +Hab' ich schon oft belacht--Hör', ob ich's weiß! +Sie fordert' ein Edict von ihrem Vater, +Daß jedem Prinzen königlichen Stamms +Vergönnt sein soll, um ihre Hand zu werben. +Doch dieses sollte die Bedingung sein: +Im öffentlichen Divan, vor dem Kaiser +Und seinen Räthen allen, wollte sie +Drei Räthsel ihm vorlegen. Löste sie +Der Freier auf, so mög' er ihre Hand +Und mit derselben Kron' und Reich empfangen. +Löst er sie nicht, so soll der Kaiser sich +Durch einen heil'gen Schwur auf seine Götter +Verpflichten, den Unglücklichen enthaupten +Zu lassen.--Sprich, ist's nicht so? Nun vollende +Dein Märchen, wenn du's kannst vor langer Weile. + +Barak. Mein Märchen? Wollte Gott! Der Kaiser zwar +Empört' sich erst dagegen; doch die Schlange +Verstand es, bald mit Schmeichelbitten, bald +Mit list'ger Redekunst das furchtbare +Gesetz dem schwachen Alten zu entlocken. +Was ist's denn auch? sprach sie mit arger List; +Kein Prinz der Erde wird so thöricht sein, +In solchem blut'gen Spiel sein Haupt zu wagen! +Der Freier Schwarm zieht sich geschreckt zurück, +Ich werd' in Frieden leben. Wagt es dennoch +Ein Rasender, so ist's auf seine eigne +Gefahr, und meinen Vater trifft kein Tadel, +Wenn er ein heiliges Gesetz vollzieht!-- +Beschworen ward das unnatürliche +Gesetz und kund gemacht in allen Landen. + +(Da Kalaf den Kopf schüttelt.) + +--Ich wünschte, daß ich Märchen nur erzählte +Und sagen dürfte. Alles war ein Traum! + +Kalaf. Weil du's erzählst, so glaub' ich das Gesetz. +Doch sicher war kein Prinz wahnsinnig gnug, +Sein Haupt daran zu setzen. + +Barak (zeigt nach dem Stadtthor). Sehet, Prinz! +Die Köpfe alle, die dort auf den Thoren +Zu sehen sind, gehörten Prinzen an, +Die toll genug das Abenteuer wagten +Und kläglich ihren Untergang drin fanden, +Weil sie die Räthsel dieser Sphinx zu lösen +Nicht fähig waren. + +Kalaf. Grausenvoller Anblick! +Und lebt ein solcher Thor, der seinen Kopf +Wagt, um ein Ungeheuer zu besitzen! + +Barak. Nein! Sagt das nicht. Wer nur ihr Konterfei +Erblickt, das man sich zeigt in allen Ländern, +Fühlt sich bewegt von solcher Zaubermacht, +Daß er sich blind dem Tod entgegen stürzt, +Das göttergleiche Urbild zu besitzen. + +Kalaf. Irgend ein Geck. + +Barak. Nein, wahrlich! Auch der Klügste. +Heut ist der Zulauf hier, weil man den Prinzen +Von Samarcanda, den verständigsten, +Den je die Welt gesehn, enthaupten wird. +Der Khan beseufzt die fürchterliche Pflicht; +Doch ungerührt frohlockt die stolze Schöne. + +(Man hört in der Ferne den Schall von gedämpften Trommeln.) + +Hört! Hört Ihr! Dieser dumpfe Trommelklang +Verkündet, daß der Todesstreich geschieht; +Ihn nicht zu sehen, wich ich aus der Stadt. + +Kalaf. Barak, du sagst mir unerhörte Dinge. +Was? Konnte die Natur ein weibliches +Geschöpf wie diese Turandot erzeugen, +So ganz an Liebe leer und Menschlichkeit? + +Barak. Mein Weib hat eine Tochter, die im Harem +Als Sklavin dient und uns Unglaubliches +Von ihrer schönen Königin berichtet. +Ein Tiger ist sie, diese Turandot, +Doch gegen Männer nur, die um sie werben. +Sonst ist sie gütig gegen alle Welt; +Stolz ist das einz'ge Laster, das sie schändet. + +Kalaf. Zur Hölle, in den tiefsten Schlund hinab +Mit diesen Ungeheuern der Natur, +Die kalt und herzlos nur sich selber lieben! +Wär' ich ihr Vater, Flammen sollten sie +Verzehren. + +Barak. Hier kommt Ismael, der Freund +Des Prinzen, der sein Leben jetzt verloren. +Er kommt voll Thränen--Ismael! + + + +Zweiter Auftritt. + +Ismael zu den Vorigen. + + +Ismael (reicht dem Barak die Hand, heftig weinend). Er hat +Gelebt--Der Streich des Todes ist gefallen. +Ach! Warum fiel er nicht auf dieses Haupt! + +Barak. Barmherz'ger Himmel!--Doch warum ließt Ihr +Geschehn, daß er im Divan der Gefahr +Sich bloßgestellt? + +Ismael. Mein Unglück braucht noch Vorwurf. +Gewarnt hab' ich, beschworen und gefleht, +Wie es mein Herz, wie's meine Pflicht mich lehrte. +Umsonst! Des Freundes Stimme wurde nicht +Gehört; die Macht der Götter riß ihn fort. + +Barak. Beruhigt Euch! + +Ismael. Beruhigen? Niemals, niemals! +Ich hab' ihn sterben sehen. Sein Gefährte +War ich in seinem letzten Augenblick, +Und seine Abschiedsworte gruben sich +Wie spitz'ge Dolche mir ins tiefste Herz. +"Weine nicht!" sprach er. "Gern und freudig sterb' ich, +"Da ich die Liebste nicht besitzen kann. +"Mag es mein theurer Vater mir vergeben, +"Daß ich ohn' Abschied von ihm ging. Ach, nie +"Hätt' er die Todesreise mir gestattet! +"Zeig' ihm dies Bildniß! + +(Er zieht ein kleines Portrait an einem Band aus dem Busen.) + +"Wenn er diese Schönheit +"Erblickt, wird er den Sohn entschuldigen." +Und an die Lippen drückt' er jetzt, lautschluchzend, +Mit heft'gen Küssen dies verhaßte Bild, +Als könnt' er, sterbend selbst, nicht davon scheiden; +Drauf kniet' er nieder, und--mit einem Streich-- +Noch zittert mir das Mark in den Gebeinen-- +Sah ich Blut spritzen, sah den Rumpf hinfallen +Und hoch in Henkers Hand das theure Haupt; +Entsetzt und trostlos riß ich mich von dannen. + +(Wirft das Bild in heftigem Unwillen auf den Boden.) + +Verhaßtes, ewig fluchenswerthes Bild! +Liege du hier, zertreten in dem Staub! +Könnt' ich sie selbst, die Tigerherzige, +Mit diesem Fußtritt so wie dich zermalmen! +Daß ich dich meinem König überbrächte! +Nein, mich soll Samarcand nicht wieder sehn. +In eine Wüste will ich fliehn und dort, +Wo mich kein menschlich Ohr vernimmt, auf ewig +Um meinen vielgeliebten Prinzen weinen. (Geht ab.) + + + +Dritter Auftritt. + +Kalaf und Barak. + + +Barak (nach einer Pause). +Prinz Kalaf, habt Ihr's nun gehört? + +Kalaf. Ich stehe +Ganz voll Verwirrung, Schrecken und Erstaunen. +Wie aber mag dies unbeseelte Bild, +Das Werk des Malers, solchen Zauber wirken? + +(Er will das Bildniß von der Erde nehmen.) + +Barak (eilt auf ihn zu und hält ihn zurück). +Was macht Ihr!--Große Götter! + +Kalaf (lächelnd). Nun! Ein Bildniß +Nehm' ich vom Boden auf. Ich will sie doch +Betrachten, diese mörderische Schönheit. + +(Greift nach dem Bildniß und hebt es von der Erde auf.) + +Barak (ihn haltend). Euch wäre besser, der Medusa Haupt +Als diese tödtliche Gestalt zu sehn. +Weg! Weg damit! Ich kann es nicht gestatten. + +Kalaf. Du bist nicht klug. Wenn du so schwach dich fühlst, +Ich bin es nicht. Des Weibes Reiz hat nie +Mein Aug gerührt, auch nur auf Augenblicke, +Viel weniger mein Herz besiegt. Und was +Lebend'ge Schönheit nie bei mir vermocht, +Das sollten todte Pinselstriche wirken? +Unnütze Sorgfalt, Barak--Mir liegt Andres +Am Herzen, als der Liebe Narrenspiel. (Will das Bildniß anschauen.) + +Barak. Dennoch, mein Prinz--Ich warn' Euch--Thut es nicht! + +Kalaf (ungeduldig). Zum Henker, Einfalt! Du beleidigst mich. + +(Stößt ihn zurück, sieht das Bild an und geräth in Erstaunen. +Nach einer Pause.) + +Was seh' ich! + +Barak (ringt verzweifelnd die Hände). + Weh' mir! Welches Unglück! + +Kalaf (faßt ihn lebhaft bei der Hand). Barak! + +(Will reden, sieht aber wieder auf das Bild und betrachtet +es mit Entzücken.) + +Barak (für sich). Seid Zeugen, Götter--Ich, ich bin nicht schuld, +Ich hab' es nicht verhindern können. + +Kalaf. Barak! +--In diesen holden Augen, dieser süßen +Gestalt, in diesen sanften Zügen kann +Das harte Herz, wovon du sprichst, nicht wohnen! + +Barak. Unglücklicher, was hör' ich? Schöner noch +Unendlichmal, als dieses Bildniß zeigt, +Ist Turandot, sie selbst! Nie hat die Kunst +Des Pinsels ihren ganzen Reiz erreicht; +Doch ihres Herzens Stolz und Grausamkeit +Kann keine Sprache, keine Zunge nennen. +O, werft es von Euch, dies unselige, +Verwünschte Bildniß! Euer Auge sauge +Kein tödtlich Gift aus dieser Mordgestalt! + +Kalaf. Hinweg! Vergebens suchst du mich zu schrecken! +--Himmlische Anmuth! Warme, glühende Lippen! +Augen der Liebesgöttin! Welcher Himmel, +Die Fülle dieser Reize zu besitzen! + +(Er steht in den Anblick des Bildes verloren, plötzlich wendet er +sich zu Barak und ergreift seine Hand.) + +Barak! Verrath mich nicht--Jetzt oder nie! +Dies ist der Augenblick, mein Glück zu wagen. +Wozu dies Leben sparen, das ich hasse? +--Ich muß auf einen Zug die schönste Frau +Der Erde und ein Kaiserthum mit ihr +Gewinnen oder dies verhaßte Leben +Auf einen Zug verlieren--Schönstes Werk! +Pfand meines Glücks und meine süße Hoffnung! +Ein neues Opfer ist für dich bereit +Und drängt sich wagend zu der furchtbarn Probe. +Sei gütig gegen mich--Doch, Barak, sprich! +Ich werde doch im Divan, eh' ich sterbe, +Das Urbild selbst von diesen Reizen sehn? + +(Indem sieht man die fürchterliche Larve eines Nachrichters +sich über dem Stadtthor erheben und einen neuen Kopf über +demselben aufpflanzen.--Der vorige Schall verstimmter Trommeln +begleitet diese Handlung.) + +Barak. Ach, sehet, sehet, theurer Prinz, und schaudert! +Dies ist das Haupt des unglücksel'gen Jünglings-- +Wie es Euch anstarrt! Und dieselben Hände, +Die es dort aufgepflanzt, erwarten Euch. +O, kehret um! Kehrt um! Nicht möglich ist's, +Die Räthsel dieser Löwin aufzulösen. +Ich seh' im Geist schon Euer theures Haupt, +Ein Warnungszeichen allen Jünglingen, +In dieser furchtbarn Reihe sich erheben. + +Kalaf (hat das aufgesteckte Haupt mit Nachdenken und Rührung +betrachtet). +Verlorner Jüngling! Welche dunkle Macht +Reißt mich geheimnißvoll, unwiderstehlich +Hinauf in deine tödtliche Gesellschaft? + +(Er bleibt nachsinnend stehen; dann wendet er sich zu Barak.) + +--Wozu die Thränen, Barak? Hast du mich +Nicht einmal schon für todt beweint? Komm, komm! +Entdecke keiner Seele, wer ich bin. +Vielleicht--wer weiß, ob nicht der Himmel, satt, +Mich zu verfolgen, mein Beginnen segnet +Und meinen armen Eltern Trost verleiht. +Wo nicht--Was hat ein Elender zu wagen? +Für deine Liebe will ich dankbar sein, +Wenn ich die Räthsel löse--Lebe wohl! + +(Er will gehen, Barak hält ihn zurück, unterdessen kommt Skirina, +Baraks Weib, aus dem Hause.) + +Barak. Nein, nimmermehr! Komm mir zu Hilfe, Frau! +Laß ihn nicht weg--Er geht, er ist verloren, +Der theure Fremdling geht, er will es wagen, +Die Räthsel dieser Furie zu lösen. + + + +Vierter Auftritt. + +Skirina zu den Vorigen. + + +Skirina (tritt ihm in den Weg). +O weh! Was hör' ich? Seid Ihr nicht mein Gast? +Was treibt den zarten Jüngling in den Tod? + +Kalaf. Hier, gute Mutter! Dieses Götterbild +Ruft mich zu meinem Schicksal. (Zeigt ihr das Bildnis.) + +Skirina. Wehe mir! +Wie kam das höll'sche Bild in seine Hand? + +Barak. Durch bloßen Zufall. + +Kalaf (tritt zwischen Beide). Hassan! Gute Frau! +Zum Dank für Eure Gastfreundschaft behaltet +Mein Pferd! Auch diese Börse nehmet hin! +Sie ist mein ganzer Reichthum--Ich--ich brauche +Fortan nichts weiter--denn ich komm' entweder +Reich wie ein Kaiser oder--nie zurück! +--Wollt Ihr, so opfert einen Theil davon +Den ew'gen Göttern, theilt den Armen aus, +Damit sie Glück auf mich herab erflehen; +Lebt wohl--Ich muß in mein Verhängniß gehen! (Er eilt in die Stadt.) + + + +Fünfter Auftritt. + +Barak und Skirina. + + +Barak (will ihm folgen) +Mein Herr! Mein armer Herr! Umsonst! Er geht! +Er hört mich nicht! + +Skirina (neugierig). Dein Herr? Du kennst ihn also? +O, sprich, wer ist der edelherz'ge Fremdling, +Der sich dem Tode weiht? + +Barak. Laß diese Neugier! +Er ist geboren mit so hohem Geist, +Daß ich nicht ganz an dem Erfolg verzweifle. +--Komm, Skirina. All dieses Gold laß uns +Und Alles, was wir Eigenes besitzen, +Dem Fohi opfern und den Armen spenden! +Gebete sollen sie für ihn gen Himmel senden +Und sollen wund sich knien an den Altären, +Bis die erweichten Götter sie erhören! + +(Sie gehen nach ihrem Hause.) + + + + +Zweiter Aufzug. + +Großer Saal des Divans, mit zwei Pforten, davon die eine zu den +Zimmern des Kaisers, die andere ins Serail der Prinzessin Turandot +führt. + + + +Erster Auftritt. + +Truffaldin, als Anführer der Verschnittenen, steht gravitätisch +in der Mitte der Scene und befiehlt seinen Schwarzen, welche +beschäftigt sind, den Saal in Ordnung zu bringen. Bald darauf +Brigella. + + +Truffaldin. Frisch an das Werk! Rührt euch! Gleich wird der Divan +Beisammen sein.--Die Teppiche gelegt, +Die Throne aufgerichtet! Hier zur Rechten +Kommt kaiserliche Majestät, links meine +Scharmante Hoheit, die Prinzeß, zu sitzen! + +Brigella (kommt und sieht sich verwundernd um). +Mein! Sagt mir, Truffaldin, was gibt's denn Neues, +Daß man den Divan schmückt in solcher Eile? + +Truffaldin (ohne auf ihn zu hören--zu den Schwarzen). +Acht Sessel dorthin für die Herrn Doktoren! +Sie haben hier zwar nicht viel zu dotieren; +Doch müssen sie, weil's was Gelehrtes gibt, +Mit ihren langen Bärten figurieren. + +Brigella. So redet doch! Warum, wozu das alles? + +Truffaldin. Warum? Wozu? Weil sich die Majestät +Und meine schöne Königin, mit sammt +Den acht Doktoren und den Excellenzen, +Sogleich im Divan hier versammeln werden. +'s hat sich ein neuer, frischer Prinz gemeldet, +Den's juckt, um einen Kopf sich zu verkürzen. + +Brigella. Was? Nicht drei Stunden sind's, daß man den letzten +Hat abgethan-- + +Truffaldin. Ja, Gott sei Dank! Es geht +Von statten! die Geschäfte gehen gut. + +Brigella. Und dabei könnt Ihr scherzen, roher Kerl! +Euch freut wohl das barbarische Gemetzel? + +Truffaldin. Warum soll mich's nicht freuen? Setzt's doch immer +Für meinen Schnabel was, wenn so ein Neuer +Die große Reise macht--denn jedesmal, +Daß meine Hoheit an der Hochzeitklippe +Vorbeischifft, gibt's im Harem Hochzeitkuchen. +Das ist einmal der Brauch, wir thun's nicht anders: +So viele Köpfe, so viel Feiertage! + +Brigella. Das sind mir heillos niederträchtige +Gesinnungen, so schwarz, wie Eure Larve. +Man sieht's Euch an, daß Ihr ein Halbmann seid, +Ein schmutziger Eunuch!--Ein Mensch, ich meine +Einer, der ganz ist, hat ein menschlich Herz +Im Leib und fühlt Erbarmen. + +Truffaldin. Was! Erbarmen! +Es heißt kein Mensch die Prinzen ihren Hals +Nach Peckin tragen, Niemand ruft sie her. +Sind sie freiwillig solche Tollhausnarren, +Mögen sie's haben! Auf dem Stadtthor steht's +Mit blut'gen Köpfen leserlich geschrieben, +Was hier zu holen ist--Wir nehmen Keinem +Den Kopf, der einen mitgebracht. Der hat +Ihn schon verloren, längst, der ihn hier setzt! + +Brigella. Ein saubrer Einfall, den galanten Prinzen, +Die ihr die Ehr' anthun und um sie werben, +Drei Räthsel aufzugeben und, wenn's einer +Nicht auf der Stelle trifft, ihn abzuschlachten! + +Truffaldin. Mit nichten, Freund! Das ist ein prächtiger, +Exzellenter Einfall!--Werben kann ein Jeder; +Es ist nichts leichter, als aufs Freien reisen. +Man lebt auf fremde Kosten, thut sich gütlich, +Legt sich dem künft'gen Schwäher in das Haus, +Und mancher jüngre Sohn und Krippenreiter, +Der alle seine Staaten mit sich führt +Im Mantelsack, lebt bloß vom Körbeholen. +Es war nicht anders hier, als wie ein großes +Wirthshaus von Prinzen und von Abenteurern, +Die um die reiche Kaisertochter freiten; +Denn auch der Schlechtste dünkt sich gut genug, +Die Hände nach der Schönsten auszustrecken. +Es war wie eine Freikomödie, +Wo Alles kommt, bis meine Königin +Auf den scharmanten Einfall kam, das Haus +In vier und zwanzig Stunden rein zu machen. +--Eine andre hätte ihre Liebeswerber +Auf blutig schwere Abenteuer aus- +Gesendet, sich mit Riesen 'rum zu schlagen, +Dem Schach zu Babel, wenn er Tafel hält, +Drei Backenzähne höflich auszuziehen, +Das tanzende Wasser und den singenden Baum +Zu holen und den Vogel, welcher redet-- +Nichts von dem allem! Räthsel haben ihr +Beliebt! Drei zierlich wohlgesetzte Fragen! +Man kann dabei bequem und säuberlich +In warmer Stube sitzen, und kein Schuh +Wird naß! Der Degen kommt nicht aus der Scheide, +Der Witz, der Scharfsinn aber muß heraus. +--Brigella, die versteht's! Die hat's gefunden, +Wie man die Narren sich vom Leibe hält! + +Brigella. 's kann Einer ein rechtschaffner Kavalier +Und Ehmann sein und doch die spitz'gen Dinger, +Die Räthsel, just nicht handzuhaben wissen. + +Truffaldin. Da siehst du, Kamerad, wie gut und ehrlich +Es die Prinzeß mit ihrem Freier meint, +Daß sie die Räthsel vor der Hochzeit aufgibt. +Nachher war's noch viel schlimmer. Löst er sie +Jetzt nicht, ei nun, so kommt er schnell und kurz +Mit einem frischen Gnadenhieb davon. +Doch, wer die stachelichten Räthsel nicht +Auflöst, die seine Frau ihm in der Eh' +Aufgibt, der ist verlesen und verloren! + +Brigella. Ihr seid ein Narr, mit Euch ist nicht zu reden. +--So mögen's denn meintwegen Räthsel sein, +Wenn sie einmal die Wuth hat, ihren Witz +Zu zeigen--Aber muß sie denn die Prinzen +Just köpfen lassen, die nicht sinnreich gnug +Für ihre Räthsel sind--Das ist ja ganz +Barbarisch, rasend toll und unvernünftig. +Wo hat man je gehört, daß man den Leuten +Den Hals abschneidet, weil sie schwer begreifen? + +Truffaldin. Und wie, du Schafskopf, will sie sich der Narren +Erwehren, die sich klug zu sein bedünken, +Wenn weiter nichts dabei zu wagen ist, +Als einmal sich im Divan zu beschimpfen? +Auf die Gefahr hin, sich zu prostituieren +Mit heiler Haut, läuft Jeder auf dem Eis. +Wer fürchtet sich vor Räthseln? Räthsel sind's +Gerad, was man fürs Leben gern mag hören. +Das hieß' den Köder statt des Popanz's brauchen. +Und wäre man auch wegen der Prinzessin +Und ihres vielen Gelds daheim geblieben, +So würde man der Räthsel wegen kommen. +Denn Jedem ist sein Scharfsinn und sein Witz +Am Ende lieber, als die schönste Frau! + +Brigella. Was aber kommt bei diesem ganzen Spiel +Heraus, als daß sie sitzen bleibt? Kein Mann, +Der seine Ruh liebt und bei Sinnen ist, +Wird so ein spitz'ges Nadelkissen nehmen. + +Truffaldin. Das große Unglück, keinen Mann zu kriegen! + +(Man hört einen Marsch in der Ferne.) + +Brigella. Der Kaiser kommt. + +Truffaldin. Marsch ihr in eure Küche! +Ich gehe, meine Hoheit herzuholen. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.) + + + +Zweiter Auftritt. + +Ein Zug von Soldaten und Spielleuten. Darauf acht Doctoren, +pedantisch herausstaffiert; alsdann Pantalon und Tartaglia, +beide in Charaktermasken. Zuletzt der Großkhan Altoum in +chinesischem Geschmack mit einiger Übertreibung gekleidet. +Pantalon und Tartaglia stellen sich dem kaiserlichen Thron +gegenüber, die acht Doctoren in den Hintergrund, das übrige +Gefolge auf die Seite, wo der kaiserliche Thron ist. Beim +Eintritt des Kaisers werfen sich alle mit ihren Stirnen auf +die Erde und verharren in dieser Stellung bis er den Thron +bestiegen hat. Die Doktoren nehmen auf ihren Stühlen Platz. +Auf einen Wink, den Pantalon gibt, schweigt der Marsch. + + +Altoum. Wann, treue Diener, wird mein Jammer enden? +Kaum ist der edle Prinz von Samarcand +Begraben, unsre Thränen fließen noch, +Und schon ein neues Todesopfer naht, +Mein blutend Herz von neuem zu verwunden. +Grausame Tochter! Mir zur Qual geboren! +Was hilft's, daß ich den Augenblick verfluche, +Da ich auf das barbarische Gesetz +Dem furchtbaren Fohi den Schwur gethan. +Nicht brechen darf ich meinen Schwur, nicht rühren +Läßt sich die Tochter, nicht zu schrecken sind +Die Freier! Nirgends Rath in meinem Unglück! + +Pantalon. Rath, Majestät? Hat sich da was zu rathen! +Bei mir zu Hause, in der Christen Land, +In meiner lieben Vaterstadt Venedig, +Schwört man auf solche Mordgesetze nicht, +Man weiß nichts von so närrischen Mandaten. +Da hat man gar kein Beispiel und Exempel, +Daß sich die Herrn in Bilderchen vergafft +Und ihren Hals gewagt für ihre Mädchen. +Kein Frauensmensch bei uns geboren wird, +Wie Dame Kieselstein, die alle Männer +Verschworen hätte--Gott soll uns bewahren! +Das fiel uns auch im Traum nicht ein. Als ich +Daheim noch war, in meinen jungen Jahren, +Eh mich die Ehrensache, wie Ihr wißt, +Von Hause trieb und meine guten Sterne +An meines Kaisers Hof hieher geführt, +Wo ich als Kanzler mich jetzt wohl befinde, +Da wußt' ich nichts von China, als es sei +Ein trefflichs Pulver gegen's kalte Fieber. +Und jetzt erstaun' ich über alle Maßen, +Daß ich so curiöse Bräuche hier +Vorfinde, so curjose Schwüre und Gesetze +Und so curjose Fraun und Herrn. +Erzählt' ich in Europa diese Sachen, +Sie würden mir unter die Nase lachen. + +Altoum. Tartaglia, habt Ihr den neuen Wagehals +Besucht? + +Tartaglia. Ja, Majestät. Er hat den Flügel +Des Kaiserschlosses inn', den man gewöhnlich +Den fremden Prinzen anzuweisen pflegt. +Ich bin entzückt von seiner angenehmen +Gestalt und seinen prinzlichen Manieren. +'s ist Jammerschade um das junge Blut, +Daß man es auf die Schlachtbank führen soll. +'s Herz bricht mir! Ein so angenehmes Prinzchen! +Ich bin verliebt in ihn. Weiß Gott! Ich sah +In meinem Leben keinen hübschern Buben! + +Altoum. Unseliges Gesetz! Verhaßter Schwur! +--Die Opfer sind dem Fohi doch gebracht, +Daß er dem Unglückseligen sein Licht +Verleihe, diese Räthsel zu ergründen! +Ach, nimmer geb' ich dieser Hoffnung Raum! + +Pantalon. An Opfern, Majestät, ward nichts gespart. +Dreihundert fette Ochsen haben wir +Dem Tien dargebracht, dreihundert Pferde +Der Sonne und dem Mond dreihundert Schweine. + +Altoum. So ruft ihn denn vor unser Angesicht! + (Ein Theil des Gefolges entfernt sich.) +--Man such' ihm seinen Vorsatz auszureden. +Und ihr, gelehrte Lichter meines Divans, +Kommt mir zu Hilfe--nehmt das Wort für mich, +Laßt' s nicht an Gründen fehlen, wenn mir selbst +Der Schmerz die Zunge bindet. + +Pantalon. Majestät! +Wir werden unsern alten Witz nicht sparen, +Den wir in langen Jahren eingebracht. +Was hilft's? Wir predigen und sprechen uns +Die Lungen heiser, und er läßt sich eben +Den Hals abstechen, wie ein wälsches Huhn. + +Tartaglia. Mit Eurer Gunst, Herr Kanzler Pantalon! +Ich habe Scharfsinn und Verstand bei ihm +Bemerkt, wer weiß!--Ich will nicht ganz verzagen. + +Pantalon. Die Räthsel dieser Schlange sollt' er lösen? +Nein, nimmermehr! + + + +Dritter Auftritt. + +Die Vorigen. Kalaf, von einer Wache begleitet. Er kniet vor +dem Kaiser nieder, die Hand auf der Stirn. + + +Altoum (nachdem er ihn eine Zeit lang betrachtet). +Steh auf, unkluger Jüngling! + +(Kalaf steht auf und stellt sich mit edelm Anstand in die +Mitte des Divans.) + +--Die reizende Gestalt! Der edle Anstand! +Wie mir's ans Herz greift!--Sprich, Unglücklicher! +Wer bist du? Welches Land gab dir das Leben? + +Kalaf (schweigt einen Augenblick verlegen, dann mit einer +edeln Verbeugung). Monarch, vergönne, daß ich meinen Namen +Verschweige. + +Altoum. Wie? Mit welcher Stirn darfst du, +Ein unbekannter Fremdling, namenlos, +Um unsre kaiserliche Tochter werben? + +Kalaf. Ich bin von königlichem Blut, ein Prinz, geboren. +Verhängt der Himmel meinen Tod, so soll +Mein Name, mein Geschlecht, mein Vaterland +Kund werden, eh' ich sterbe, daß die Welt +Erfahre, nicht unwürdig hab' ich mich +Des Bundes angemaßt mit deiner Tochter. +Für jetzt geruhe meines Kaisers Gnade +Mich unerkannt zu lassen. + +Altoum. Welcher Adel +In seinen Worten! Wie beklag' ich ihn! +--Doch wie, wenn du die Räthsel nun gelöst, +Und nicht von würd'ger Herkunft-- + +Kalaf. Das Gesetz, +Monarch, ist nur für Könige geschrieben. +Verleihe mir der Himmel, daß ich siege, +Und dann, wenn ich unköniglichen Stamms +Erfunden werde, soll mein fallend Haupt +Die Schuld der kühnen Anmaßung bezahlen, +Und unbeerdigt liege mein Gebein, +Der Krähen Beute und der wilden Thiere. +Schon eine Seele lebt in dieser Stadt, +Die meinen Stand und Namen kann bezeugen. +Für jetzt geruhe meines Kaisers Gnade +Mich unerkannt zu lassen. + +Altoum. Wohl! Es sei! +Dem Adel deiner Mienen, deiner Worte, +Holdsel'ger Jüngling, kann ich Glauben nicht, +Gewährung nicht versagen--Mögst auch du +Geneigt sein, einem Kaiser zu willfahren, +Der hoch von seinem Thron herab dich fleht! +Entweiche, o entweiche der Gefahr, +Der du verblendet willst entgegen stürzen, +Steh ab und fordre meines Reiches Hälfte! +So mächtig spricht's für dich in meiner Brust, +Daß ich dir gleichen Theil an meinem Thron +Auch ohne meiner Tochter Hand verspreche. +O, zwinge du mich nicht, Tyrann zu sein! +Schon schwer genug drückt mich der Völker Fluch, +Das Blut der Prinzen, die ich hingeopfert; +Drum, wenn das eigne Unglück dich nicht rührt, +Laß meines dich erbarmen! Spare mir +Den Jammer, deine Leiche zu beweinen, +Die Tochter zu verfluchen und mich selbst, +Der die Verderbliche gezeugt, die Plage +Der Welt, die bittre Quelle meiner Thränen! + +Kalaf. Beruhige dich, Sire! Der Himmel weiß, +Wie ich im tiefsten Herzen dich beklage. +Nicht, wahrlich, von so mildgesinntem Vater +Hat Turandot Unmenschlichkeit geerbt. +Du hast nicht Schuld, es wäre denn Verbrechen, +Sein Kind zu lieben und das Götterbild, +Das uns bezaubert und uns selbst entrückt, +Der Welt geschenkt zu haben--Deine Großmuth +Spar' einem Glücklicheren auf. Ich bin +Nicht würdig, Sire, dein Reich mit dir zu theilen. +Entweder ist's der Götter Schluß und Rath, +Durch den Besitz der himmlischen Prinzessin +Mich zu beglücken--oder enden soll +Dies Leben, ohne sie mir eine Last! +Tod oder Turandot! Es gibt kein Drittes. + +Pantalon. Ei, sagt mir, liebe Hoheit! Habt Ihr Euch +Die Köpfe überm Stadtthor wohl besehn? +Mehr sag' ich nicht. Was, Herr, in aller Welt +Treibt Euch, aus fernen Landen herzukommen +Und Euch frisch weg, wie Ihr vom Pferd gestiegen, +Mir nichts, dir nichts, wie einen Ziegenbock +Abthun zu lassen? Dame Turandot, +Das seid gewiß, dreht Euch drei Räthselchen, +Daran die sieben Weisen Griechenlands, +Mit sammt den siebenzig Dolmetschern sich +Die Nägel Jahre lang umsonst zerkauten. +Wir selbst, so alte Practici und grau +Geworden über Büchern, haben Noth, +Das Tiefe dieser Räthsel zu ergründen. +Es sind nicht Räthsel aus dem Kinderfreund, +Nicht solches Zeug, wie das: + "Wer's sieht, für den ist's nicht bestellt, + "Wer's braucht, der zahlt dafür kein Geld, + "Wer's macht, der will's nicht selbst ausfüllen, + "Wer's bewohnt, der thut es nicht mit Willen," +Nein, es sind Räthsel von dem neusten Schnitt, +Und sind verfluchte Nüsse aufzuknacken. +Und wenn die Antwort nicht zum guten Glück +Auf dem Papier, das man den Herrn Doktoren +Versiegelt übergibt, geschrieben stünde, +Sie möchten's auch mit allem ihrem Witz +In einem Säculum nicht ausstudieren. +Darum, Herr Milchbart, zieht in Frieden heim! +Ihr jammert mich, seid ein so junges Blut, +Und Schade wär's um Eure schönen Haare. +Beharrt Ihr aber drauf, so steht ein Rettich +Des Gärtners fester, Herr, als Euer Kopf. + +Kalaf. Ihr sprecht verlorne Worte, guter Alter. +Tod oder Turandot! + +Tartaglia (stotternd). Tu--Turandot! +Zum Henker, welcher Steifsinn und Verblendung! +Hier spielt man nicht um wälsche Nüsse, Herr, +Noch um Kastanien--'s ist um den Kopf +Zu thun--den Kopf--bedenkt das wohl! Ich will +Sonst keinen Grund anführen als den einen; +Er ist nicht klein--den Kopf! Es gilt den Kopf. +Die Majestät höchstselbst, auf ihrem Thron, +Läßt sich herab, Euch väterlich zu warnen +Und abzurathen--Dreihundert Pferde sind +Der Sonne dargebracht, dreihundert Ochsen +Dem höchsten Himmelsgott, dreihundert Kühe +Den Sternen und dem Mond dreihundert Schweine. +Und Ihr seid störrig gnug und undankbar, +Das kaiserliche Herz so zu betrüben? +Wär' überall auch keine andre Dame +Mehr in der Welt, als diese Turandot, +Blieb's immer doch ein loser Streich von Euch, +Nehmt mir's nicht übel, junger Herr. Es ist, +Weiß Gott! die pure Liebe und Erbarmniß, +Die mich so frei läßt von der Leber sprechen. +Den Kopf verlieren! Wißt Ihr, was das heißt? +Es ist nicht möglich-- + +Kalaf. So in Wind zu reden! +Ihr habt in Wind gesprochen, alter Meister! +Tod oder Turandot! + +Altoum. Nun denn, so hab' es! +Verderbe dich, und mich stürz' in Verzweiflung! (Zu der Wache) +Man geh' und rufe meine Tochter her. (Wache geht hinaus.) +Sie kann sich heut am zweiten Opfer weiden. + +Kalaf (gegen die Thüre gewendet, in heftiger Bewegung). +Sie kommt! Ich soll sie sehen! Ew'ge Mächte, +Das ist der große Augenblick! O, stärket +Mein Herz, daß mich der Anblick nicht verwirre, +Des Geistes Helle nicht mit Nacht umgebe! +Ich fürchte keine als der Schönheit Macht. +Ihr Götter, gebt, daß ich mir selbst nicht fehle! +Ihr seht es, meine Seele wankt; Erwartung +Durchzittert mein Gebein und schnürt das Herz +Mir in der Brust zusammen.--Weise Richter +Des Divans! Richter über meine Tage! +O, zeiht mich nicht strafbaren Übermuths, +Daß ich das Schicksal zu versuchen wage! +Bedauert mich! Beweint den Unglücksvollen! +Ich habe hier kein Wählen und kein Wollen! +Unwiderstehlich zwingend reißt es mich +Von hinnen, es ist mächtiger, als ich. + + + +Vierter Auftritt. + +Man hört einen Marsch. + + +Truffaldin tritt auf, den Säbel an der Schulter, die Schwarzen +hinter ihm, darauf mehrere Sklavinnen, die zu den Trommeln +accompagnieren. Nach diesen Adelma und Zelima, jene in tartarischem +Anzug, beide verschleiert. Zelina trägt einen Schüssel mit +versiegelten Papieren. Truffaldin und seine Schwarzen werfen +sich im Vorbeiziehen vor dem Kaiser mit der Stirn auf die Erde +und stehen sogleich wieder auf; die Sklavinnen knieen nieder mit +der Hand auf der Stirn. Zuletzt erscheint Turandot verschleiert, +in reicher chinesischer Kleidung. majestätisch und stolz. Die +Räthe und Doctoren werfen sich vor ihr mit dem Angesicht auf die +Erde. Altoum steht auf; die Prinzessin macht ihm, die Hand auf der +Stirn, eine abgemessene Verbeugung, steigt dann auf ihren Thron und +setzt sich. Zelima und Adelma nehmen zu ihren beiden Seiten Platz, +und die letztere den Zuschauern am nächsten. Truffaldin nimmt der +Zelima die Schlüssel ab und vertheilt unter lächerlichen Ceremonien +die Zettel unter die acht Doctoren. Darauf entfernt er sich mit +denselben Verbeugungen, wie am Anfang, und der Marsch hört auf. + +Turandot (nach einer langen Pause). +Wer ist's, der sich aufs Neu vermessen schmeichelt, +Nach so viel kläglich warnender Erfahrung, +In meine tiefen Räthsel einzudringen! +Der, seines eignen Lebens Feind, die Zahl +Der Todesopfer zu vermehren kommt! +Altoum (zeigt auf Kalaf. der erstaunt in der Mitte des Divans steht). +Der ist es, Tochter--würdig wohl ist er's, +Daß du freiwillig zum Gemahl ihn wählest, +Ohn' ihn der furchtbarn Probe auszusetzen +Und neue Trauer diesem Land, dem Herzen +Des Vaters neue Stacheln zu bereiten. + +Turandot (nachdem sie ihn eine Zeit lang betrachtet, leise zur Zelima). +O Himmel! Wie geschieht mir, Zelima! + +Zelima. Was ist dir, Königin? + +Turandot. Noch Keiner trat +Im Divan auf, der dieses Herz zu rühren +Verstanden hätte. Dieser weiß die Kunst. + +Zelima. Drei leichte Räthsel denn, und Stolz--fahr hin! + +Turandot. Was sagst du? Wie, Verwegne? Meine Ehre? + +Adelma (hat während dieser Rede den Prinzen mit höchstem +Erstaunen betrachtet, für sich). +Täuscht mich ein Traum? Was seh' ich, große Götter! +Er ist's, der schöne Jüngling ist's, den ich +Am Hofe meines Vaters Keicobad +Als niedern Knecht gesehn!--Er war ein Prinz! +Ein Königssohn! Wohl sagte mir's mein Herz; +O, meine Ahnung hat mich nicht betrogen! + +Turandot. Prinz, noch ist's Zeit. Gebt das verwegene +Beginnen auf! Gebt's auf! Weicht aus dem Divan! +Der Himmel weiß, daß jene Zungen lügen, +Die mich der Härte zeihn und Grausamkeit. +--Ich bin nicht grausam. Frei nur will ich leben; +Bloß keines Andern will ich sein; dies Recht, +Das auch dem allerniedrigsten der Menschen +Im Leib der Mutter anerschaffen ist, +Will ich behaupten, eines Kaisers Tochter. +Ich sehe durch ganz Asien das Weib +Erniedrigt und zum Sklavenjoch verdammt, +Und rächen will ich mein beleidigtes Geschlecht +An diesem stolzen Männervolke, dem +Kein andrer Vorzug vor dem zärtern Weibe +Als rohe Stärke ward. Zur Waffe gab +Natur mir den erfindenden Verstand +Und Scharfsinn, meine Freiheit zu beschützen. +--Ich will nun einmal von dem Mann nichts wissen, +Ich hass' ihn, ich verachte seinen Stolz +Und Übermuth--Nach allem Köstlichen +Streckt er begehrlich seine Hände aus; +Was seinem Sinn gefällt, will er besitzen. +Hat die Natur mit Reizen mich geschmückt, +Mit Geist begabt--warum ist's denn das Loos +Des Edeln in der Welt, daß es allein +Des Jägers wilde Jagd nur reizt, wenn das Gemeine +In seinem Unwerth ruhig sich verbirgt? +Muß denn die Schönheit eine Beute sein +Für Einen? Sie ist frei, so wie die Sonne, +Die allbeglückend herrliche, am Himmel, +Der Quell des Lichts, die Freude aller Augen, +Doch Keines Sklavin und Leibeigenthum. + +Kalaf. So hoher Sinn, so seltner Geistesadel +In dieser göttlichen Gestalt! Wer darf +Den Jüngling schelten, der sein Leben +Für solchen Kampfpreis freudig setzt!--Wagt doch +Der Kaufmann um geringe Güter Schiff +Und Mannschaft an ein wildes Element; +Es jagt der Held dem Schattenbild des Ruhms +Durchs blut'ge Feld des Todes nach--Und nur +Die Schönheit wär' gefahrlos zu erwerben, +Die aller Güter erstes, höchstes ist? +Ich also zeih' Euch keiner Grausamkeit; +Doch nennt auch Ihr den Jüngling nicht verwegen +Und haßt ihn nicht, weil er mit glühnder Seele +Nach dem Unschätzbaren zu streben wagt! +Ihr selber habt ihm seinen Preis gesetzt, +Womit es zu erkaufen ist--die Schranken +Sind offen für den Würdigen--Ich bin +Ein Prinz, ich hab' ein Leben dran zu wagen. +Kein Leben zwar des Glücks; doch ist's mein Alles, +Und hätt' ich's tausendmal, ich gäb' es hin. + +Zelima (leise zu Turandot). +Hört Ihr, Prinzessin? Um der Götter willen! +Drei leichte Räthsel! Er verdient's. + +Adelma. Wie edel! Welche Liebenswürdigkeit! +O, daß er mein sein könnte! Hätt' ich damals +Gewußt, daß er ein Prinz geboren sei, +Als ich der süßen Freiheit mich noch freute! +--O, welche Liebe flammt in meiner Brust, +Seitdem ich ihn mir ebenbürtig weiß! +--Muth, Muth, mein Herz! Ich muß ihn noch besitzen. + +(Zu Turandot.) +Prinzessin! Ihr verwirret Euch! Ihr schweigt! +Bedenket Euren Ruhm! Es gilt die Ehre! + +Turandot. Und er allein riss' mich zum Mitleid hin? +Nein. Turandot, du mußt dich selbst besiegen. +--Verwegener, wohlan! Macht Euch bereit! + +Altoum. Prinz, Ihr beharrt noch? + +Kalaf. Sire! ich wiederhol' es: +Tod oder Turandot! (Pantalon und Tartaglia geberden sich ungeduldig.) + +Altoum. So lese man +Das blutige Mandat. Er hör's und zittre! + +(Tartaglia nimmt das Gesetzbuch aus dem Busen, küßt es, legt es +sich auf die Brust, hernach auf die Stirn, dann überreicht er's +dem Pantalon.) + +Pantalon (empfängt das Gesetzbuch, nachdem er sich mit der Stirn +auf die Erde geworfen, steht auf und liest dann mit lauter Stimme.) +"Es kann sich jeder Prinz um Turandot bewerben, +"Doch erst drei Räthsel legt die Königin ihm vor. +"Löst er sie nicht, muß er vom Beile sterben, +"Und schaugetragen wird sein Haupt auf Peckins Thor. +"Löst er die Räthsel auf hat er die Braut gewonnen. +"So lautet das Gesetz. Wir schwören's bei der Sonnen." + +(Nach geendigter Vorlesung küßt er das Buch, legt es sich auf +die Brust und Stirn und überreicht es dem Tartaglia, der sich +mit der Stirn auf die Erde wirft, es empfängt und dem Altoum +präsentiert.) + +Altoum (hebt die rechte Hand empor und legt sie auf das Buch). +O Blutgesetz! du meine Qual und Pein! +Ich schwör's bei Fohis Haupt, du sollst vollzogen sein. + +(Tartaglia steckt das Buch wieder in den Busen, es herrscht eine +lange Stille.) + +Turandot (in declamatorischem Ton, aufstehend). + Der Baum, auf dem die Kinder + Der Sterblichen verblühn, + Steinalt, nichts desto minder + Stets wieder jung und grün; + Er kehrt auf einer Seite + Die Blätter zu dem Licht; + Doch kohlschwarz ist die zweite + Und sieht die Sonne nicht. + + Er setzet neue Ringe, + So oft er blühet, an. + Das Alter aller Dinge + Zeigt er den Menschen an. + In seine grüne Rinden + Drückt sich ein Name leicht, + Der nicht mehr ist zu finden, + Wenn sie verdorrt und bleicht. + So sprich, kannst du's ergründen, + Was diesem Baume gleicht? (Sie setzt sich wieder). + +Kalaf (nachdem er eine Zeitlang nachdenkend in die Höhe gesehen, +verbeug sich gegen die Prinzessin). +Zu glücklich, Königin, ist Euer Sklav, +Wenn keine dunklern Räthsel auf ihn warten. +Dieser alte Baum, der immer sich erneut, +Auf dem die Menschen wachsen und verblühen, +Und dessen Blätter auf der einen Seite +Die Sonne suchen, auf der andern fliehen, +In dessen Rinde sich so mancher Name schreibt, +Der nur, so lang sie grün ist, bleibt. +--Er ist--das Jahr mit seinen Tagen und Nächten. + +Pantalon (freudig). +Tartaglia! Getroffen! + +Tartaglia. Auf ein Haar! + +Doctoren (erbrechen ihre Zettel). +Optime! Optime! Optime! das Jahr, das +Jahr, das Jahr! Es ist das Jahr. (Musik fällt ein.) + +Altoum (freudig). Der Götter Gnade sei mit dir, mein Sohn, +Und helfe dir auch durch die andern Räthsel! + +Zelima (bei Seite). +O Himmel, schütz' ihn! + +Adelma (gegen die Zuschauer). Himmel, schütz' ihn nicht! +Laß nicht geschehn, daß ihn die Grausame +Gewinne, und die Liebende verliere! + +Turandot (entrüstet, für sich). +Er sollte siegen? Mir den Ruhm entreißen? +Nein, bei den Göttern! (Zu Kalaf.) Selbstzufriedner Thor! +Frohlocke nicht zu früh! Merk' auf und löse! + +(Steht wieder auf und fährt in declamatorischem Tone fort.) + +Kennst du das Bild auf zartem Grunde? +Es gibt sich selber Licht und Glanz. +Ein andres ist's zu jeder Stunde, +Und immer ist es frisch und ganz. +Im engsten Raum ist's ausgeführt, +Der kleinste Rahmen faßt es ein; +Doch alle Größe, die dich rühret, +kennst du durch dieses Bild allein. + +Und kannst du den Krystall mir nennen? +Ihm gleicht an Werth kein Edelstein; +Er leuchtet, ohne je zu brennen, +Das ganze Weltall saugt er ein. +Der Himmel selbst ist abgemalet +In seinem wundervollen Ring; +Und doch ist, was er von sich strahlet, +Oft schöner, als was er empfing. + +Kalaf (nach einem kurzen Nachdenken, sich gegen die +Prinzessin verbeugend). +Zürnt nicht, erhabne Schöne, daß ich mich +Erdreiste, Eure Räthsel aufzulösen. +--Dies zarte Bild, das, in den kleinsten Rahmen +Gefaßt, das Unermeßliche uns zeigt, +Und der Krystall, in dem dies Bild sich malt +Und der noch Schönres von sich strahlt-- +Er ist das Aug, in das die Welt sich drückt, +Dein Auge ist's, wenn es mir Liebe blickt. + +Pantalon (springt freudig auf). +Tartaglia! Mein' Seel! Ins schwarze Fleck +Geschossen. + +Tartaglia. Mitten hinein, so wahr ich lebe! + +Doctoren (haben die Zettel eröffnet). +Optime! Optime! Optime! Das Auge, das Auge, +Es ist das Auge. (Musik fällt ein.) + +Altoum. Welch unverhofftes Glück! Ihr güt'gen Götter! +O, laßt ihn auch das letzte Ziel noch treffen! + +Zelima (bei Seite). O, wäre dies das letzte! + +Adelma (gegen die Zuschauer). +Weh mir. Er siegt! Er ist für mich verloren! (Zu Turandot.) +Prinzessin, Euer Ruhm ist hin! Könnt Ihr's +Ertragen? Eure vor'gen Siege alle +Verschlingt ein einz'ger Augenblick. + +Turandot (steht auf in heftigem Zorn). Eh soll +Die Welt zu Grunde gehn! Verwegner, wisse! +Ich hasse dich nur desto mehr, je mehr +Du hoffst mich zu besiegen, zu besitzen. +Erwarte nicht das letzte Räthsel! Flieh! +Weich aus dem Divan! Rette deine Seele! + +Kalaf. Nur Euer Haß ist's, angebetete +Prinzessin, was mich schreckt und ängstiget. +Dies unglücksel'ge Haupt sinkt in den Staub, +Wenn es nicht werth war. Euer Herz zu rühren. + +Altoum. Steh ab, geliebter Sohn! Versuche nicht +Die Götter, die dir zweimal günstig waren. +Jetzt kannst du dein gerettet Leben noch, +Gekrönt mit Ehre, aus dem Divan tragen. +Nichts helfen dir zwei Siege, wenn der dritte +Dir, der entscheidende, mißlingt--Je näher +Dem Gipfel, desto schwerer ist der Fall. +--Und du--laß es genug sein, meine Tochter, +Steh ab, ihm neue Räthsel vorzulegen. +Er hat geleistet, was kein andrer Prinz +Vor ihm. Gib ihm die Hand, er ist sie werth, +Und endige die Proben. + +(Zelima macht flehende, Adelma drohende Geberden gegen Turandot.) + +Turandot. Ihm die Hand? +Die Proben ihm erlassen? Nein, drei Räthsel +Sagt das Gesetz. Es habe seinen Lauf. + +Kalaf. Es habe seinen Lauf. Mein Schicksal liegt +In Götterhand. Tod oder Turandot! + +Turandot. Tod also! Tod! Hörst du's? + +(Sie steht auf und fährt auf die vorige Art zu declamieren fort.) + +Wie heißt das Ding, das Wen'ge schätzen, +Doch ziert's des größten Kaisers Hand; +Es ist gemacht, um zu verletzen, +Am nächsten ist's dem Schwert verwandt. +Kein Blut vergießt's und macht doch tausend Wunden, +Niemand beraubt's und macht doch reich, +Es hat den Erdkreis überwunden, +Es macht das Leben sanft und gleich. +Die größten Reiche hat's gegründet, +Die ältsten Städte hat's erbaut; +Doch niemals hat es Krieg entzündet, +Und Heil dem Volk, das ihm vertraut. +Fremdling, kannst du das Ding nicht rathen, +So weich aus diesen blühenden Staaten! + +(Mit den letzten Worten reißt sie sich ihren Schleier ab.) + +Sieh her und bleibe deiner Sinne Meister! +Stirb oder nenne mir das Ding! + +Kalaf (außer sich, hält die Hand vor die Augen). +O Himmelsglanz! O Schönheit, die mich blendet! + +Altoum. Gott, er verwirrt sich, er ist außer sich. +Faß dich, mein Sohn! O, sammle deine Sinne! + +Zelima (für sich). +Mir bebt das Herz. + +Adelma (gegen die Zuschauer). Mein bist du, theurer Fremdling! +Ich rette dich, die Liebe wird mich's lehren. + +Pantalon (zu Kalaf). +Um Gotteswillen, nicht den Kopf verloren! +Nehmt Euch zusammen! Herz gefaßt, mein Prinz! +O weh, o weh! Ich fürcht', er ist geliefert. + +Tartaglia (gravitätisch für sich). +Ließ' es die Würde zu, wir gingen selbst zur Küche +Nach einem Essigglas. + +Turandot (hat den Prinzen, der noch immer außer Fassung +da steht, unverwandt betrachtet). +Unglücklicher! +Du wolltest dein Verderben. Hab' es nun! + +Kalaf (hat sich gefaßt und verbeugt sich mit einem ruhigen +Lächeln gegen Turandot). +Nur Eure Schönheit, himmlische Prinzessin, +Die mich auf einmal überraschend, blendend +Umleuchtete, hat mir auf Augenblicke +Den Sinn geraubt. Ich bin nicht überwunden. +Dies Ding von Eisen, das nur Wen'ge schätzen, +Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand +Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs, +Dies Werkzeug, das, unschuld'ger als das Schwert, +Dem frommen Fleiß den Erdkreis unterworfen-- +Wer träte aus den öden, wüsten Steppen +Der Tartarei, wo nur der Jäger schwärmt, +Der Hirte weidet, in dies blühende Land +Und sähe rings die Saatgefilde grünen +Und hundert volkbelebte Städte steigen, +Von friedlichen Gesetzen still beglückt, +Und ehrte nicht das köstliche Geräthe, +Das allen diesen Segen schuf--den Pflug? + +Pantalon. O, sei gebenedeit! Laß dich umhalsen! +Ich halte mich nicht mehr vor Freud' und Jubel. + +Tartaglia. Gott segne Eure Majestät! Es ist +Vorbei, und aller Jammer hat ein Ende. + +Doctoren (haben die Zettel geöffnet). +Der Pflug, der Pflug! Es ist der Pflug! + +(Alle Instrumente fallen ein mit großem Geräusch. Turandot +ist auf ihrem Thron in Ohnmacht gesunken.) + +Zelima (Um Turandot beschäftigt). +Blickt auf, Prinzessin! Fasset Euch! Der Sieg +Ist sein; der schöne Prinz hat überwunden. + +Adelma (an die Zuschauer). +Der Sieg ist sein! Er ist für mich verloren. +--Nein, nicht verloren! Hoffe noch, mein Herz! + +(Altoum ist voll Freude, bedient von Pantalon und Tartaglia, +vom Throne gestiegen. Die Doctoren erheben sich alle von ihren +Sitzen und ziehen sich nach dem Hintergrund. Alle Thüren werden +geöffnet. Man erblickt Volk. Alles dies geschieht, während die +Musik fortdauert.) + +Altoum (zu Turandot). +Nun hörst du auf, mein Alter zu betrüben, +Grausames Kind! Genug ist dem Gesetz +Geschehen, alles Unglück hat ein Ende. +--Kommt an mein Herz. geliebter Prinz, mit Freuden +Begrüß' ich Euch als Eidam! + +Turandot (ist wieder zu sich gekommen und stürzt in sinnloser +Wuth von ihrem Throne, zwischen beide sich werfend). + Haltet ein! +Er hoffe nicht, mein Ehgemahl zu werden! +Die Probe war zu leicht. Er muß aufs neu' +Im Divan mir drei andre Räthsel lösen. +Man überraschte mich. Mir ward nicht Zeit +Vergönnt, mich zu bereiten, wie ich sollte. + +Altoum. Grausame Tochter, deine Frist ist um! +Nicht hoffe mehr, uns listig zu beschwatzen. +Erfüllt ist die Bedingung des Gesetzes, +Mein ganzer Divan soll den Ausspruch thun. + +Pantalon. Mit Eurer Gunst, Prinzessin Kieselherz! +Es braucht nicht neue Räthsel zuzuspitzen +Und neue Köpfe abzuhacken--Da! +Hier steht der Mann! Der hat's errathen! Kurz: +Das Gesetz hat seine Endschaft, und das Essen +Steht auf dem Tisch--Was sagt der Herr Collega? + +Tartaglia. Das Gesetz ist aus, ganz aus, und damit Punctum. +Was sagen Ihre Würden, die Doctoren? + +Doctoren. Das Gesetz ist aus. Das Köpfen hat ein Ende. +Auf Leid folgt Freud. Man gebe sich die Hände. + +Altoum. So trete man den Zug zum Tempel an. +Der Fremde nenne sich, und auf der Stelle +Vollziehe man die Trauung-- + +Turandot (wirft sich ihm in den Weg). Aufschub, Vater! +Um aller Götter willen! + +Altoum. Keinen Aufschub! +Ich bin entschlossen. Undankbares Kind! +Schon allzulang zu meiner Schmach und Pein +Willfahr' ich deinem grausamen Begehren. +Dein Urtheil ist gesprochen; mit dem Blut +Von zehen Todesopfern ist's geschrieben, +Die ich um deinetwillen morden ließ. +Mein Wort hab' ich gelöst, nun löse du +Das Deine, oder, bei dem furchtbarn Haupt +Des Fohi sei's geschworen-- + +Turandot (wirft sich zu seinen Füßen). O mein Vater! +Nur einen neuen Tag vergönnt mir-- + +Altoum. Nichts! +Ich will nichts weiter hören. Fort zum Tempel! + +Turandot (außer sich). +So werde mir der Tempel denn zum Grab! +Ich kann und will nicht seine Gattin sein, +Ich kann es nicht. Eh tausend Tode sterben, +Als diesem stolzen Mann mich unterwerfen, +Der bloße Name schon, schon der Gedanke, +Ihm unterthan zu sein, vernichtet mich. + +Kalaf. Grausame, Unerbittliche, steht auf! +Wer könnte Euren Thränen widerstehn? (Zu Altoum.) +Laßt Euch erbitten, Sire! Ich flehe selbst +Darum. Gönnt Ihr den Aufschub, den sie fordert. +Wie könnt' ich glücklich sein, wenn sie mich haßt! +Zu zärtlich lieb' ich sie--Ich kann's nicht tragen, +Ihr Leiden, ihren Schmerz zu sehn--Fühllose! +Wenn dich des treusten Herzens treue Liebe +Nicht rühren kann, wohlan, so triumphiere! +Ich werde nie dein Gatte sein mit Zwang. +O, sähest du in dies zerrißne Herz, +Gewiß, du fühltest Mitleid--Dich gelüstet +Nach meinem Blut? Es sei darum. Verstattet, +Die Probe zu erneuern, Sire--Willkommen +Ist mir der Tod. Ich wünsche nicht zu leben. + +Altoum. +Nichts, nichts! Es ist beschlossen. Fort zum Tempel! +Kein anderer Versuch--Unkluger Jüngling! + +Turandot (fährt rasend auf). +Zum Tempel denn! Doch am Altar wird Eure Tochter +Zu sterben wissen. + +(Sie zieht einen Dolch und will gehen.) + +Kalaf. Sterben! Große Götter! +Nein, eh' es dahin kommt--Hört mich, mein Kaiser! +Gönn' Eure Gnade mir die einz'ge Gunst. +--Zum zweitenmal will ich ihr im Divan, +Ich--ihr ein Räthsel aufzulösen geben. +Und dieses ist: Weß Stamms und Namens ist +Der Prinz, der, um das Leben zu erhalten, +Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen +Und Lasten um geringen Lohn zu tragen; +Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung +Noch unglücksel'ger ist, als je zuvor? +--Grausame Seele! Morgen früh im Divan +Nennt mir des Vaters Namen und des Prinzen. +Vermögt Ihr's nicht--so laßt mein Leiden enden +Und schenkt mir diese theure Hand! Nennt Ihr +Die Namen mir, so mag mein Haupt zum Opfer fallen. + +Turandot. Ich bin's zufrieden, Prinz! Auf die Bedingung +Bin ich die Eurige. + +Zelima (für sich). Ich soll von Neuem zittern! + +Adelma (seitwärts). +Ich darf von Neuem hoffen! + +Altoum. Ich bin's nicht +Zufrieden. Nichts gestatt' ich. Das Gesetz +Will ich vollzogen wissen. + +Kalaf (fällt ihm zu Füßen). Mächt'ger Kaiser! +Wenn Bitten dich bewegen--wenn du mein, +Wenn du der Tochter Leben liebst, so duld' es! +Bewahren mich die Götter vor der Schuld, +Daß sich ihr Geist nicht sättige. Er weide +Mit Wollust sich an meinem Blut--Sie löse +Im Divan, wenn sie Scharfsinn hat, mein Räthsel! + +Turandot (für sich). +Er spottet meiner noch, wagt's, mir zu trotzen! + +Altoum (zu Kalaf). +Unsinniger! Ihr wißt nicht, was Ihr fordert, +Wißt nicht, welch einen Geist sie in sich hat, +Das Tiefste auch versteht sie zu ergründen. +--Sei's denn! Die neue Probe sei verstattet! +Sie sei des Bandes mit Euch los, kann sie +Im Divan morgen uns die Namen nennen. +Doch eines neuen Mordes Trauerspiel +Gestatt' ich nicht--Erräth sie, was sie soll, +So zieht in Frieden Euren Weg--Genug +Des Blutes ist geflossen. Folgt mir, Prinz! +--Unkluger Jüngling! Was habt Ihr gethan? + +(Der Marsch wird wieder gehört. Altoum geht gravitätisch mit dem +Prinzen, Pantalon. Tartaglia, den Doctoren und der Leibwache +durch die Pforte ab, durch die er gekommen. Turandot, Adelma, +Zelima, Sklavinnen und Truffaldin mit den Verschnittenen entfernen +sich durch die andere Pforte, ihren ersten Marsch wiederholend.) + + + + +Dritter Aufzug. + +Ein Zimmer im Serail. + + + +Erster Auftritt. + +Adelma allein. + + +Jetzt oder nie entspring' ich diesen Banden. +Fünf Jahre trag' ich schon den glühnden Haß +In meiner Brust verschlossen, heuchle Freundschaft +Und Treue für die Grausame, die mir +Den Bruder raubte, die mein ganz Geschlecht +Vertilgte, mich zu diesem Sklavenloos +Herunterstieß--In diesen Adern rinnt, +Wie in den ihren, königliches Blut; +Ich achte mich, wie sie, zum Thron geboren. +Und dienen soll ich ihr, mein Knie ihr beugen, +Die meines ganzen Hauses Mörderin, +Die meines Falles blut'ge Ursach ist. +Nicht länger duld' ich den verhaßten Zwang, +Erschöpft ist mir die Kraft, ich unterliege +Der lang getragnen Bürde der Verstellung. +Der Augenblick ist da, mich zu befrein, +Die Liebe soll den Rettungsweg mir bahnen. +All' meine Künste biet' ich auf--Entweder +Entdeck' ich sein Geheimniß oder schreck' ihn +Durch List aus diesen Mauern weg--Verhaßte! +Du sollst ihn nicht besitzen! Diesen Dienst +Will ich aus falschem Herzen dir noch leisten. +Mir selber dien' ich, süße Rache üb' ich, +Dein Herz zerreiß' ich, da ich deinem Stolz +Verräthrisch diene--ich durchschaute dich! +Du liebst ihn, aber darfst es nicht gestehn. +Du mußt ihn von dir stoßen und verwerfen, +Wider dich selber mußt du thöricht wüthen, +Den lächerlichen Ruhm dir zu bewahren; +Doch ewig bleibt der Pfeil in deiner Brust, +Ich kenn' ihn; nie vernarben seine Wunden. +--Dein Frieden ist vorbei! Du hast empfunden! + +(Turandot erscheint im Hintergrund, auf Zelima gelehnt, +welche beschäftigt ist, sie zu beruhigen.) + +Sie kommt, sie ist's! Verzehrt von Scham und Wuth +Und von des Stolzes und der Liebe Streit! +Wie lab' ich mich an ihrer Seele Pein! +--Sie nähert sich--Laß hören, was sie spricht! + + + +Zweiter Auftritt. + +Turandot im Gespräch mit Zelima. Adelma, anfangs ungesehen. + + +Turandot. Hilf, rath mir, Zelima. Ich kann's nicht tragen, +Mich vor dem ganzen Divan überwunden +Zu geben!--Der Gedanke tödtet mich. + +Zelima. Ist's möglich, Königin? Ein so edler Prinz +So liebeathmend und so liebenswerth, +Kann nichts als Haß und Abscheu-- + +Turandot. Abscheu! Haß! (Sie besinnt sich) +--Ich hass' ihn, ja. Abscheulich ist er mir! +Er hat im Divan meinen Ruhm vernichtet. +In allen Landen wird man meine Schande +Erfahren, meiner Niederlage spotten. +O, rette mich--In aller Frühe, will +Mein Vater, soll der Divan sich versammeln, +Und lös' ich nicht die aufgegebne Frage, +So soll in gleichem Augenblick das Band +Geflochten sein--"Weß Stamms und Namen ist +"Der Prinz, der, um sein Leben zu erhalten, +"Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen +"Und Lasten um geringen Preis zu tragen; +"Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung +"Noch unglücksel'ger ist, als je zuvor?"-- +--Daß dieser Prinz er selbst ist, seh' ich leicht. +Wie aber seinen Namen und Geschlecht +Entdecken, da ihn Niemand kennt, der Kaiser +Ihm selbst verstattet, unerkannt zu bleiben? +Geängstigt, wie ich war, geschreckt, gedrängt, +Ging ich die Wette unbedachtsam ein. +Ich wollte Frist gewinnen--Aber wo +Die Möglichkeit, es zu errathen? Sprich! +Wo eine Spur, die zu ihm leiten könnte? + +Zelima. Es gibt hier kluge Frauen, Königin, +Die aus dem Thee- und Kaffeesatz wahrsagen-- + +Turandot. Du spottest meiner! Dahin kam's mit mir! + +Zelima. Wozu auch überall der fremden Künste? +--O, seht ihn vor Euch stehn, den schönen Prinzen! +Wie rührend seine Klage war! Wie zärtlich +Er aus zerrißnem Herzen zu Euch flehte! +Wie edelmüthig er, sein selbst vergessen, +Zu Eures Vaters Füßen für Euch bat, +Für Euch, die kein Erbarmen mit ihm trug, +Zum zweitenmal sein kaum gerettet Leben +Darbot, um Eure Wünsche zu vergnügen! + +Turandot (weggewendet). Still, still davon! + +Zelima. Ihr kehrt Euch von mir ab! +Ihr seid gerührt! Ja, ja! Verbergt es nicht! +Und eine Thräne glänzt in Eurem Auge-- +O, schämt Euch nicht der zarten Menschlichkeit! +Nie sah ich Euer Angesicht so schön. +O, macht ein Ende! Kommt-- + +(Adelma ist im Begriff hervorzutreten.) + +Turandot. Nichts mehr von ihm! +Er ist ein Mann. Ich hass' ihn, muß ihn hassen. +Ich weiß, daß alle Männer treulos sind, +Nichts lieben können als sich selbst; hinweg- +Geworfen ist an dies verräterische Geschlecht +Die schöne Neigung und die schöne Treue. +Geschmeid'ge Sklaven, wenn sie um uns werben, +Sind sie Tyrannen, gleich, wo sie besitzen. +Das blinde Wollen, den gereizten Stolz, +Das eigensinnig heftige Begehren, +Das nennen sie ihr Lieben und Verehren. +Das reißt sie blind zu unerhörter That, +Das treibt sie selber auf den Todespfad; +Das Weib allein kennt wahre Liebestreue. +--Nicht weiter, sag' ich dir. Gewinnt er morgen, +Ist mir der Tod nicht schrecklicher, als er. +Mich sah' die Welt, die mir gehässig ist, +Zu dem gemeinen Loos herabgewürdigt +An eines Mannes und Gebieters Hand! +Nein, nein! So tief soll Turandot nicht sinken! +--Ich seine Braut! Eh' in das offne Grab +Mich stürzen, als in eines Mannes Arme! + +(Adelma hat sich wieder zurückgezogen.) + +Zelima. Wohl mag's Euch kosten, Königin, ich glaub' es, +Von Eurer stolzen Höh' herabzusteigen, +Auf der die Welt Euch staunend hat gesehn. +Was ist der eitle Ruhm, wenn Liebe spricht? +Gesteht es, Eure Stunde ist gekommen! +Weg mit dem Stolze! Weicht der stärkeren +Gewalt--Ihr haßt ihn nicht, könnt ihn nicht hassen, +Warum dem eignen Herzen widerstreben? +Ergebt Euch dem geliebten Mann, und mag +Alsdann die Welt die Glückliche verhöhnen! + +Adelma (ist horchend nach und nach näher gekommen und +tritt jetzt hervor). +Wer von geringem Stand geboren ist, +Dem steht es an, wie Zelima zu denken. +Ein königliches Herz fühlt königlich. +--Vergib mir! Zelima! Dir ist es nicht gegeben, +An einer Fürstin Platz dich zu versetzen, +Die sich so hoch wie unsre Königin +Gestellt und jetzt, vor aller Menschen Augen, +Im Divan so herunter steigen soll, +Von einem schlechten Fremdling überwunden. +Mit meinen Augen sah ich den Triumph, +Den stolzen Hohn in aller Männer Blicken, +Als er die Rätsel unsrer Königin, +Als wären's Kinderfragen, spielend löste, +Der überlegnen Einsicht stolz bewußt. +O, in die Erde hätt' ich sinken mögen +Vor Scham und Wuth--Ich liebe meine schöne +Gebieterin; ihr Ruhm liegt mir am Herzen. +--Sie, die dem ganzen Volk der Männer Hohn +Gesprochen, dieses Mannes Frau! + +Turandot. Erbittre mich +Nicht mehr! + +Zelima. Das große Unglück, Frau zu werden! + +Adelma. Schweig. Zelima! Man will von dir nicht wissen, +Wodurch ein edles Herz beleidigt wird. +Ich kann nicht schmeicheln. Grausam wär' es, hier +Zu schonen und die Wahrheit zu verhehlen. +Ist es schon hart genug, daß wir den Mann, +Den übermüthigen, zum Herrn uns geben, +So liegt doch Trost darin, daß wir uns selbst +Mit freier Wahl und Gunst an ihn verschenken, +Und seine Großmuth fesselt seinen Stolz. +Doch welches Loos trifft unsre Königin, +Wie hat sie selbst sich ihr Geschick verschlimmert! +Nicht ihrer freien Gunst und Zärtlichkeit, +Sich selbst nur, seinem siegenden Verstand +Wird sie der Stolze zu verdanken haben; +Als seine Beute führt er sie davon-- +Wird er sie achten, Großmuth an ihr üben, +Die keine gegen ihn bewies, auf Tod +Und Leben ihn um sie zu kämpfen zwang, +Ihm nur als Preis des Sieges heimgefallen? +Wird er bescheiden seines Rechtes brauchen, +Das er nur seinem Recht verdankt? + +Turandot (in der heftigsten Bewegung). Adelma, wisse! +Find' ich die Namen nicht, mitten im Tempel +Durchstoß' ich diese Brust mit einem Dolch. + +Adelma. Faßt Muth, Gebieterin. Verzweifelt nicht! +Kunst oder List muß uns das Räthsel lösen. + +Zelima. Gut. Wenn Adelma mehr versteht, als ich, +Und Euch so zugethan ist, wie sie sagt, +So helfe sie und schaffe Rath. + +Turandot. Adelma! +Geliebte Freundin! Hilf mir, schaffe Rath! +Ich kenn' ihn nicht, weiß nicht, woher er kommt; +Wie kann ich sein Geschlecht und Namen wissen? + +Adelma (nachsinnend). +Laß sehn--Ich hab' es--hörte man ihn nicht +Im Divan sagen, hier in dieser Stadt, +In Peckin, lebe Jemand, der ihn kenne? +Man muß nachspüren, muß die ganze Stadt +Umkehren, weder Gold noch Schätze sparen-- + +Turandot. Nimm Gold und Edelsteine, spare nichts. +Kein Schatz ist mir zu groß, nur, daß ich's wisse! + +Zelima. An wen uns damit wenden? Wo uns Raths +Erholen?--Und, gesetzt, wir fänden wirklich +Auf diesem Wege seinen Stand und Namen, +Wird es verborgen bleiben, daß Bestechung, +Nicht ihre Kunst das Räthsel uns verrathen? + +Adelma. Wird Zelima wohl der Verräther sein? + +Zelima. Das geht zu weit--Spart Euer Gold, Prinzessin! +Ich schwieg, ich hoffte Euer Herz zu rühren, +Euch zu bewegen, diesen würdigsten +Von allen Prinzen, den Ihr selbst nicht hasset, +Freiwillig zu belohnen--Doch Ihr wollt es! +So siege meine Pflicht und mein Gehorsam! +--Wißt also! Meine Mutter Skirina +War eben bei mir, war entzückt, zu hören, +Daß dieser Prinz die Räthsel aufgelöst, +Und von dem neuen Wettstreit noch nichts wissend, +Verrieth sie mir in ihrer ersten Freude, +Daß dieser Prinz in ihrem Haus geherbergt, +Daß Hassan ihn, ihr Gatte, sehr wohl kenne, +Wie seinen Herrn und lieben Freund ihn ehre. +Ich fragte nun nach seinem Stand und Namen; +Doch, dies sei noch ein Räthsel für sie selbst. +Spricht sie, das Hassan standhaft ihr verberge; +Doch hofft sie noch, es endlich zu ergründen. +--Verdien' ich es nun noch, so zweifle meine +Gebieterin an meiner Treu' und Liebe! + +(Geht ab mit Empfindlichkeit.) + +Turandot (ihr nacheilend). +Bleib, Zelima! Bist du beleidigt?--Bleib! +Vergib der Freundin! + +Adelma (hält sie zurück). Lassen wir sie ziehen! +Prinzessin, auf die Spur hat Zelima +Geholfen; unsre Sache ist es nun, +Mit Klugheit die Entdeckung zu verfolgen. +Denn Thorheit war's, zu hoffen, daß uns Hassan +Gutwillig das Geheimniß beichten werde, +Nun er den ganzen Werth desselben kennt. +Verschlagne List, ja, wenn die List nicht hilft, +Gewalt muß das Geständniß ihm entreißen; +Drum schnell--Kein Augenblick ist zu verlieren. +Herbei mit diesem Hassan ins Serail, +Eh' er gewarnt sich unserm Arm entzieht. +Kommt! Wo sind Eure Sklaven? + +Turandot (fällt ihr um den Hals). Wie du willst, +Adelma! Freundin! Ich genehm'ge Alles. +Nur daß der Fremde nicht den Sieg erhalte! (Geht ab.) + +Adelma. Jetzt, Liebe, steh mir bei! Dich ruf' ich an, +Du Mächtige, die Alles kann bezwingen! +Laß mich entzückt der Sklaverei entspringen; +Der Stolz der Feindin öffne mir die Bahn! +Hilf die Verhaßte listig mir betrügen, +Den Freund gewinnen und mein Herz vergnügen! (Geht ab.) + + + +Dritter Auftritt. + +Vorhalle des Palastes. + +Kalaf und Barak kommen im Gespräch. + + +Kalaf. Wenn aber Niemand lebt in dieser Stadt, +Der Kundschaft von mir hat, als du allein, +Du treue Seele--Wenn mein väterliches Reich +Viel hundert Meilen weit von hier entlegen +Und schon acht Jahre lang verloren ist. +--Indessen, weißt du, lebten wir verborgen, +Und das Gerücht verbreitet unsern Tod-- +Ach, Barak! Wer in Unglück fällt, verliert +Sich leicht aus der Erinnerung der Menschen! + +Barak. Nein, es war unbedacht gehandelt, Prinz. +Vergebt mir. Der Unglückliche muß auch +Unmöglichs fürchten. Gegen ihn erheben +Die stummen Steine selber sich als Zeugen; +Die Wand hat Ohren, Mauern sind Verräther. +Ich kann, ich kann mich nicht zufrieden geben. +Das Glück begünstigt Euch, das schönste Weib +Gewinnt Ihr wider Hoffen und Erwarten, +Gewinnt mit ihr ein großes Königreich, +Und Eure weib'sche Zärtlichkeit raubt Euch +Auf einmal Alles wieder! + +Kalaf. Hättest du +Ihr Leiden, ihren wilden Schmerz gesehn! + +Barak. Auf Eurer Eltern Schmerz, die Ihr zu Berlas +Trostlos verlassen, hättet Ihr, und nicht +Auf eines Weibes Thränen achten sollen! + +Kalaf. Schilt meine Liebe nicht! Ich wollt' ihr gerne +Gefällig sein.--Vielleicht, daß meine Großmuth +Sie rührt, daß Dankbarkeit in ihrem Herzen-- + +Barak. Im Herzen dieser Schlange Dankbarkeit? +Das hoffet nie. + +Kalaf. Entgehn kann sie mir nicht. +Wie fände sie mein Räthsel aus? Du, Barak, +Nicht wahr? Du hast mich nicht verrathen? Nicht? +Vielleicht, daß du im Stillen deinem Weibe +Vertraut hast, wer ich sei? + +Barak. Ich? Keine Silbe. +Barak weiß Euren Winken zu gehorchen; +Doch weiß ich nicht, welch schwarze Ahnung mir +Den Sinn umnachtet und das Herz beklemmt! + + + +Vierter Auftritt. + +Die Vorigen. Pantalon. Tartaglia und Brigella mit Soldaten. + + +Pantalon. Sieh, sieh! Da ist er ja! Potz Element, +Wo steckt Ihr, Prinz? Was habt Ihr hier zu schaffen? + (Den Barak mit den Augen musternd.) +Und wer ist dieser Mann, mit dem Ihr schwatzt? + +Barak (für sich). Weh' uns! Was wird das? + +Tartaglia. Sprecht! Wer ist der Mann? + +Kalaf. Ich kenn' ihn nicht. Ich fand ihn hier nur so +Von ohngefähr, und weil ich müßig war, +Fragt' ich ihn um die Stadt und ihre Bräuche. + +Tartaglia. Haltet zu Gnaden, Prinz! Ihr seid zu grad +Für diese falsche Welt; das gute Herz +Rennt mit dem Kopf davon--Heut früh im Divan! +Wie Teufel kamt Ihr zu dem Narrenstreich, +Den Vogel wieder aus der Hand zu lassen! + +Pantalon. Laßt' s gut sein. Was geschehn ist, ist geschehn. +Ihr wißt nicht, lieber junger Prinz, wie tief Ihr +Im Wasser steht, wie Euch von allen Seiten +Betrug umlauert und Verrätherstricke +Umgeben--Lassen wir Euch aus den Augen, +So richtet man Euch ab, wie einen Staar. (Zu Barak) +Herr Nachbar Naseweis, steckt Eure Nase +Wo anders hin--Beliebt es Eurer Hoheit +Ins Haus herein zu gehn--He da, Soldaten! +Nehmt ihn in eure Mitte!--Ihr, Brigella, +Wißt Eure Pflicht--Bewachet seine Thür +Bis morgen frühe zu des Divans Stunde. +Kein Mensch darf zu ihm ein! So will's der Kaiser. + +(Zu Kalaf.) + +Merkt Ihr? Er ist verliebt in Euch und fürchtet, +Es möchte noch ein Unheil zwischen kommen. +Seid Ihr bis morgen nicht sein Schwiegersohn, +So, fürcht' ich, tragen wir den alten Herrn +Zu Grabe--Nichts für ungut, Prinz! Doch das +Von heute Morgen war--mit Eurer Gunst-- +Ein Narrenstreich!--Ums Himmelswillen! Gebt Euch +Nicht bloß, laßt Euch den Namen nicht entlocken! + +(Ihm ins Ohr zutraulich.) + +Doch wollt Ihr ihn dem alten Pantalon +Ganz sachtchen, sachtchen in die Ohren wispern, +So wird er sich gar schön dafür bedanken. +Bekommt er diese Recompens? + +Kalaf. Wie, Alter? +Gehorcht Ihr so dem Kaiser, Euerm Herrn? + +Pantalon. Bravo! Scharmant!--Nun marsch! Voran, Brigella! +Habt Ihr's gehört? Was steht Ihr hier und gaffet? + +Brigella. Beliebet nur das Plaudern einzustellen, +So werd' ich thun, was meines Amtes ist. + +Tartaglia. Paßt ja wohl auf! Der Kopf steht drauf, Brigella. + +Brigella. Ich habe meinen Kopf so lieb, als Ihr +Den Euren, Herr! 's braucht der Ermahnung nicht. + +Tartaglia. Es juckt und brennt mich nach dem Namen--Uh! +Geruhtet Ihr, ihn mir zu sagen, Hoheit, +Recht wie ein Kleinod wollt' ich ihn bei mir +Vergraben und bewahren--Ja, das wollt' ich! + +Kalaf. Umsonst versucht Ihr mich. Am nächsten Morgen +Erfahrt Ihr ihn. erfährt ihn alle Welt. + +Tartaglia. Bravo! Bravissimo! Hol' mich der Teufel! + +Pantalon. Nun, Gott befohlen, Prinz! (Zu Barak) +Und Ihr, Herr Schlingel! +Ihr thätet besser, Eurer Arbeit nach +Zu gehn, als im Palast hier aufzupassen, +Versteht Ihr mich? (Geht ab.) + +Tartaglia (sieht ihn scheel an). Ja wohl! Ja wohl! Ihr habt mir +So ein gewisses Ansehn--eine Miene, +Die mir nicht außerordentlich gefällt. +Ich rath' Euch Gutes, geht! (Folgt dem Pantalon.) + +Brigella (zu Kalaf). Erlaubt mir, Prinz, +Daß ich Dem, der befehlen kann, gehorche. +Laßt's Euch gefallen, in dies Haus zu gehn. + +Kalaf. Das will ich gerne. (Zu Barak leise.) +Freund, auf Wiedersehn! +Zu besserer Gelegenheit! Leb wohl! + +Barak. Herr, ich bin Euer Sklav! + +Brigella. Nur fort! Nur fort! +Und macht den Ceremonien ein Ende! + +(Kalaf folgt den Soldaten, die ihn in ihre Mitte nehmen, Timur +tritt von der entgegengesetzten Seite auf, bemerkt ihn und macht +Geberden des Schreckens und Erstaunens.) + +Barak (ihm nachsehend). +Der Himmel steh' dir bei, treuherz'ge Unschuld! +Was mich betrifft, ich hüte meine Zunge. + + + +Fünfter Auftritt. + +Timur, ein Greis in dürftiger Kleidung. Barak. + + +Timur (entsetzt, für sich). +Weh mir! Mein Sohn! Soldaten führen ihn +Gefangen fort! Sie führen ihn zum Tode! +Gewiß, gewiß, daß der Tyrann von Tefflis, +Der Räuber meines Reichs, ihn bis nach Peckin +Verfolgen ließ und seine Rache sättigt! +Doch mit ihm will ich sterben! (Eilt ihm nach und ruft laut.) + Kalaf! Kalaf! + +Barak (tritt ihm in den Weg und hält ihm das Schwert auf die Brust). +Halt ein, Unglücklicher! Du bist des Todes! + +(Pause. Beide sehen einander erstaunt an. Unterdessen hat sich +Kalaf mit den Soldaten entfernt.) + +Wer bist du, Alter? Woher kommst du? Sprich! +Daß du den Namen dieses Jünglings weißt? + +Timur. Was seh' ich? Gott! Du, Barak? Du in Peckin? +Du sein Verräther? Ein Rebell? Und zückst +Das Schwert auf deinen König? + +Barak (läßt erstaunt das Schwert sinken). Große Götter! +Ist's möglich?--Timur? + +Timur. Ja, Verräther! +Ich bin es, dein unglücklicher Monarch, +Von aller Welt, nun auch von dir verrathen! +Was zögerst du? Nimm dieses Leben hin! +Verhaßt ist mir's, da ich die treusten Diener +Um schnöden Vortheils willen undankbar +Und meinen Sohn dem Tod geopfert sehe! + +Barak. Herr!--Herr! O Gott! Das ist mein Fürst, mein König! +Er ist's! Nur allzuwohl erkenn' ich ihn. (Fällt ihm zu Füßen.) +In diesem Staub! In dieser Niedrigkeit! +Ihr Götter, muß mein Auge dies erleben! +--Verzeiht, Gebieter, meiner blinden Wuth! +Die Liebe ist's zu Eurem Sohn, die Angst, +Die treue Sorge, die mich hingerissen. +So lieb Euch Eures Sohnes Heil, so komme +Der Name Kalaf nie aus Eurem Munde! +--Ich nenne mich hier Hassan. nicht mehr Barak-- +--Ach, weh mir! Wenn uns Jemand hier behorchte!-- +Sagt, ob Elmaze, meine Königin, +Sich auch mit Euch in dieser Stadt befindet? + +Timur. Still, Barak--still! O, sprich mir nicht von ihr! +In unserm traur'gen Aufenthalt zu Berlas +Verzehrte sie der Gram um unsern Sohn, +--Sie starb in diesen lebensmüden Armen. + +Barak. O die Bejammernswürdige! + +Timur. Ich floh! +Ich konnt' es, einsam, dort nicht mehr ertragen. +Des Sohnes Spuren folgend, frag' ich mich +Von Land zu Land, von einer Stadt zur andern. +Und jetzt, da mich nach langem Irren endlich +Der Götter Hand hieher geleitet, ist +Mein erster Anblick der gefangne Sohn, +Den man zum Tode führt. + +Barak. Kommt, kommt, mein König! +Befürchtet nichts für Euren Sohn! Vielleicht +Daß ihn, eh noch der nächste Tag verlaufen, +Das höchste Glück belohnt und Euch mit ihm! +Nur, daß sein Name nicht, noch auch der Eure +Von Euern Lippen komme--Merkt Euch das! +Ich nenne mich hier Hassan, nicht mehr Barak. + +Timur. Was für Geheimnisse--Erklär' mir doch! + +Barak. Kommt! Hier ist nicht der Ort, davon zu reden! +Folgt mir nach meiner Wohnung--Doch, was seh' ich? + +(Skirina tritt aus dem Palast.) + +Mein Weib aus dem Serail! O wehe mir! +Wir sind entdeckt! (Zu Skirina heftig.) Was hast du hier zu suchen? +Unglückliche! Wo kommst du her? + + + +Sechster Auftritt. + +Skirina zu den Vorigen. + + +Skirina. Nun! Nun! +Aus dem Serail komm' ich, von meiner Tochter. +Die Freude trieb mich hin, daß unser Gast, +Der fremde Prinz, den Sieg davon getragen. +Die Neugier auch--Nun ja--Ich wollte sehn, +Wie dieser männerscheuen Unholdin +Der Brautstand läßt--und freute mich darüber +Mit meiner Tochter Zelima. + +Barak. Dacht' ich's doch! +Weib! Weib! Du weißt nicht Alles, und geschwätzig +Wie eine Elster läufst du ins Serail; +Ich suchte dich, es dir zu untersagen. +Umsonst! Zu spät! Des Weibes Unverstand +Rennt immer vor des Mannes weisem Rath +Voraus--Was ist nicht alles dort getratscht, +Geplaudert worden! Nur heraus! Mir ist, +Ich höre dich in deiner albernen +Entzückung sagen: Dieser Unbekannte +Ist unser Gast; er wohnt bei uns; mein Mann +Kennt ihn und hält ihn hoch in Ehren--Sprich, +Hast du's gesagt? + +Skirina. Und wenn ich nun? Was wär's? + +Barak. Nein, nein, gesteh es nur! Hast du's gesagt? + +Skirina. Ich hab's gesagt. Warum sollt' ich's verbergen? +Sie wollten auch den Namen von mir wissen, +Und--daß ich's nur gestehe, ich versprach's. + +Barak. Weh mir! Wir sind verloren!--Rasende!-- + +(Zu Timur sich wendend.) + +Wir müssen fort! Wir müssen fliehn! + +Timur. So sag' mir doch, was für Geheimnisse-- + +Barak. Fort! Fort aus Peckin! Keine Zeit verloren! + +(Truffaldin zeigt sich im Hintergrund mit seinen Schwarzen.) + +--Weh uns! Es ist zu spät. Sie kommen schon! +Sie suchen mich, die Schwarzen, die Verschnittnen +Der fürchterlichen Turandot--Sinnlose! +In welchen Jammer stürzt uns deine Zunge! + +(Truffaldin hat ihn bemerkt und bedeutet den Verschnittenen +durch Geberden, daß sie sich seiner bemächtigen sollen.) + +Ich kann nicht mehr entfliehen--Fliehe du, +Verbirg dich, rette dich und diesen Alten! + +Timur. So sag' mir doch! + +Barak. Fort! Keine Widerrede! +Ich bin entdeckt!--Verschlossen wie das Grab +Sei Euer Mund! Nie komme Euer Name, +Nie, nie der seine über Eure Lippen! +--Und du, Unglückliche, wenn du das Übel, +Das deine Zunge über uns gebracht, +Gut machen willst, verbirg dich, nicht in deiner, +In einer fremden Wohnung! Halte diesen +Verborgen, bis der nächste Tag zur Hälfte +Verstrichen ist-- + +Skirina. Willst du mir denn nicht sagen? + +Timur. Willst du nicht mit uns fliehn? + +Barak. Thut, was ich sage! +Werde mit mir, was will, wenn Ihr Euch rettet. + +Skirina. Sprich, Hassan! Worin hab' ich denn gefehlt? + +Timur. Erklär' mir diese Räthsel. + +Barak (heftig). Welche Marter! +Um aller Götter willen, fort, und fragt +Nicht weiter! Sie umringen uns; es ist +Zu spät, und alle Flucht ist jetzt vergebens. +--Die Namen, alter Mann, die Namen nur +Verschweigt, und Alles kann noch glücklich enden! + + + +Siebenter Auftritt. + +Vorige. Truffaldin mit den Verschnittenen. + + +Truffaldin (ist nach und nach näher gekommen, hat die Ausgänge +besetzt und tritt nun hervor, mit übertriebenen Geberden dem +Barak den Degen auf die Brust haltend). +Halt an und steht! Nicht von der Stelle! Nicht +Gemuckst! Der ist des Todes, der sich rührt. + +Skirina. O wehe mir! + +Barak. Ich weiß, Ihr sucht den Hassan. +Hier bin ich, führt mich fort. + +Truffaldin. Bst! Keinen Lärmen! +'s ist gut gemeint. Es soll Euch eine ganz +Absonderliche Gnad' und Ehr' geschehn. + +Barak. Ja, ins Serail wollt Ihr mich führen, kommt! + +Truffaldin. Gemach! Gemach! Ei, seht doch, welche Gunst +Euch widerfährt! Ins Harem! ins Serail +Der Königin--Ihr glückliche Person! +'s kommt keine Fliege ins Serail, sie wird +Erst wohl besichtigt und beschaut, ob sie +Ein Männchen oder Weib, und ist's ein Männchen, +Wird's ohne Gnad' gekreuzigt und gepfählt. +--Wer ist der Alte da? + +Barak. Ein armer Bettler, +Den ich nicht kenne--Kommt und laßt uns gehn. + +Truffaldin (betrachtet den Timur mit lächerlicher Genauigkeit). +Gemach! Gemach! Ein armer Bettler! Ei! +--Wir haben uns großmüthig vorgesetzt, +Auch dieses armen Bettlers Glück zu machen. + (Bemerkt und betrachtet die Skirina.) +--Wer ist die Weibsperson? + +Barak. Was zögerst du? +Ich weiß, daß deine Königin mich erwartet. +Laß diesen Greis! Das Weibsbild kenn' ich nicht, +Hab's nie gesehn und weiß nicht, wer sie ist. + +Truffaldin (zornig). Du kennst sie nicht? Du hast sie nie gesehn? +Verdammte Lüge! Was! Kenn' ich sie nicht +Als deine Frau und als die Mutter nicht +Der Sklavin Zelima? Hab' ich sie nicht +Zu hundert Malen im Serail gesehn, +Wenn sie der Tochter weiße Wäsche brachte? + +(Mit komischer Gravität zu den Verschnittenen.) + +Merkt, Sklaven, den Befehl. den ich euch gebe! +Die drei Personen hier nehmt in Verwahrung, +Bewacht sie wohl, hört ihr, laßt sie mit keiner +Lebend'gen Seele reden, und bei Nacht, +Sobald es still ist, führt sie ins Serail! + +Timur. O Gott! Was wird aus mir! + +Skirina. Ich fass' es nicht. + +Barak (zu Timur). Was aus dir werden soll, und was aus mir? +Ich werde Alles leiden. Leid' auch du! +Vergiß nicht, was ich dir empfahl--und, was +Dir auch begegne, hüte deine Zunge! +--Jetzt hast du, thöricht Weib, was du gewollt. + +Skirina. Gott steh uns bei! + +Truffaldin (zu den Schwarzen). Ergreift sie! Fort mit ihnen! + +(Gehen ab.) + + + + +Vierter Aufzug. + +Vorhof mit Säulen. In der Mitte eine Tafel mit einem mächtig +großen Becken, voll von Goldstücken. + + + +Erster Auftritt. + +Turandot. Zelima. Skirina. Timur. Barak. + +(Barak und Timur stehen, jeder an einer Säule, einander gegenüber, +die Verschnittenen um sie herum, alle mit entblößten Säbeln und +Dolchen. Zelima und Skirina stehen weinend auf der einen, Turandot +drohend und streng auf der andern Seite.) + + +Turandot. Noch ist es Zeit. Noch lass' ich mich herab, +Zu bitten--Dieser aufgehäufte Berg +Von Gold ist euer, wenn ihr mir in Gutem +Des Unbekannten Stand und Namen nennt. +Besteht ihr aber drauf, ihn zu verschweigen, +So sollen diese Dolche, die ihr hier +Auf euch gezückt seht, euer Herz durchbohren! +He da, ihr Sklaven! Machet euch bereit. + +(Die Verschnittenen halten ihnen ihre Dolche auf die Brust.) + +Barak (zu Skirina). Nun, heillos Weib, nun siehst du, Skirina, +Wohin uns deine Plauderhaftigkeit geführt. +--Prinzessin, sättigt Eure Wuth! Ich biete +Den Martern Trotz, die Ihr ersinnen könnt, +Ich bin bereit, den herbsten Tod zu leiden. +--Herbei, ihr Schwarzen! Auf, ihr Marterknechte. +Tyrannische Werkzeuge der Tyrannin, +Zerfleischt mich, tödtet mich, ich will es dulden. +--Sie hat ganz Recht, ich kenne diesen Prinzen +Und seinen Vater, Beider Namen weiß ich; +Doch keine Marter preßt sie von mir aus, +Kein Gold verführt mich; weniger als Staub, +Als schlechte Erde acht' ich diese Schätze! +Du, meine Gattin, jammre nicht um mich! +Für Diesen Alten spare deine Thränen, +Für ihn erweiche dieses Felsenherz, +Daß der Unschuldige gerettet werde! +Sein ganz Verbrechen ist, mein Freund zu sein. + +Skirina (flehend zu Turandot). +O Königin, Erbarmen! + +Timur. Niemand kümmre sich +Um einen schwachen Alten, den die Götter +Im Zorn verfolgen, dem der Tod Erlösung, +Das Leben eine Marter ist. Ich will +Dich retten, Freund, und sterben. Wisse denn, +Du Grausame-- + +Barak (unterbricht ihn). Um aller Götter willen, schweigt! +Der Name komme nicht aus Eurem Munde! + +Turandot (neugierig). +Du weißt ihn also, Greis? + +Timur. Ob ich ihn weiß? +Unmenschliche!--Freund, sag' mir das Geheimniß, +Warum darf ich die Namen nicht entdecken? + +Barak. Ihr tödtet ihn und uns, wenn Ihr sie nennt. + +Turandot. Er will dich schrecken, Alter, fürchte nichts! +Herbei, ihr Sklaven, züchtigt den Verwegnen! + +(Die Verschnittenen umgeben den Barak.) + +Skirina. Ihr Götter, helft! Mein Mann! Mein Mann! + +Timur (tritt dazwischen). Halt! Haltet! +Was soll ich thun! Ihr Götter, welche Marter! +--Prinzessin, schwört mir's zu bei Eurem Haupt, +Bei Euren Göttern schwört mir, daß sein Leben +Und dieses Fremdlings Leben ungefährdet +Sein soll--Mein eignes acht' ich nichts und will +Es freudig Eurer Wuth zum Opfer geben-- +Schwört mir das zu, und Ihr sollt Alles wissen. + +Turandot. Bei meinem Haupt, zum furchtbarn Fohi schwör' ich, +Daß weder seinem Leben, noch des Prinzen, +Noch irgend eines hier Gefährde droht-- + +Barak (unterbricht sie). +Halt, Lügnerin--Nicht weiter--Glaubt ihr nicht! +Verrätherei lauscht hinter diesem Schwur. +--Schwört, Turandot, schwört, daß der Unbekannte +Euer Gatte werden soll, im Augenblick, +Da wir die Namen Euch entdeckt, wie recht +Und billig ist; Ihr wißt es, Undankbare! +Schwört, wenn Ihr könnt und dürft, daß er, verschmäht +Von Euch, nicht in Verzweiflung sterben wird +Durch seine eigne Hand--Und schwört uns zu, +Daß, wenn wir Euch die Namen nun entdeckt, +Für unser Leben nichts zu fürchten sei, +Noch, daß ein ew'ger Kerker uns lebendig +Begraben und der Welt verbergen soll-- +Dies schwört uns, und der Erste bin ich selbst, +Der Euch die beiden Namen nennt! + +Timur. Was für Geheimnisse sind dies! Ihr Götter, +Nehmt diese Qual und Herzensangst von mir! + +Turandot. Ich bin der Worte müd--Ergreift sie, Sklaven! +Durchbohret sie! + +Skirina. O Königin! Erbarmen! + +(Die Verschnittenen sind im Begriff, zu gehorchen, aber Skirina +und Zelima werfen sich dazwischen.) + +Barak. Nun siehst du, Greis, das Herz der Tigerin! + +Timur (niedergeworfen). +Mein Sohn! Dir weih' ich freudig dieses Leben. +Die Mutter ging voran, ihr folg' ich nach. + +Turandot (betroffen, wehrt den Sklaven). +Sein Sohn! Was hör' ich! Haltet!--Du ein Prinz? +Ein König? Du des Unbekannten Vater? + +Timur. Ja, Grausame! Ich bin ein König--bin +Ein Vater, den der Jammer niederdrückt! + +Barak. O König! Was habt Ihr gethan! + +Skirina. Ein König! +In solchem Elend! + +Zelima. Allgerechte Götter! + +Turandot (in tiefes Sinnen verloren, nicht ohne Rührung). +Ein König und in solcher Schmach!--Sein Vater! +Des unglücksel'gen Jünglings, den ich mich +Zu hassen zwinge und nicht hassen kann! +--O der Bejammernswürdige--Wie wird mir! +Das Herz im tiefsten Busen wendet sich! +Sein Vater!--Und er selbst--Sagt' er nicht so? +Genöthiget, als niedrer Knecht zu dienen +Und Lasten um geringen Sold zu tragen! +O Menschlichkeit! O Schicksal! + +Barak. Turandot, +Dies ist ein König! Scheuet Euch und schaudert +Zurück, die heil'gen Glieder zu verletzen! +Wenn solches Jammers Größe Euch nicht rührt, +Euch nicht das Mitleid, nicht die Menschlichkeit +Entwaffnen kann, laßt Euch die Scham besiegen. +Ehrt Eures eignen greisen Vaters Haupt +In diesem Greis--O, schändet Euch nicht selbst +Durch eine That, die Euer Blut entehrte! +Genug daß Ihr die Jünglinge gemordet, +Schonet das Alter, das ohnmächtige, +Das auch die Götter zum Erbarmen zwingt! + +Zelima (wirft sich zu ihren Füßen). +Ihr seid bewegt, Ihr könnt nicht widerstehn. +O, gebt dem Mitleid und der Gnade Raum, +Laßt Euch die Größe dieses Jammers rühren! + + + +Zweiter Auftritt. + +Adelma zu den Vorigen. + + +Turandot (ihr entgegen). +Kommst du, Adelma? Hilf mir! O, schaff' Rath! +Ich bin entwaffnet--Ich bin außer mir! +Dies ist sein Vater, ein Monarch und König! + +Adelma. Ich hörte Alles. Fort mit diesen Beiden, +Schafft dieses Gold hinweg, der Kaiser naht! + +Turandot. Mein Vater? Wie? + +Adelma. Ist auf dem Weg hieher. (Zu den Schwarzen) +Fort, eh wir überfallen werden! Sklaven, +Führt diese Beiden in die untersten +Gewölbe des Serails, dort haltet sie +Verborgen bis auf weitere Befehle! (Zu Turandot) +Es ist umsonst. Wir müssen der Gewalt +Entsagen. Nichts kann retten, als die List. +--Ich habe einen Anschlag--Skirina, +Ihr bleibt zurück. Auch Zelima soll bleiben. + +Barak (zu Timur). Weh uns, mein Fürst! Die Götter mögen wissen, +Welch neues Schreckniß ansgebrütet wird! +--Weib! Tochter! Seid getreu, o, haltet fest, +Laßt euch von diesen Schlangen nicht verführen! + +Turandot (zu den Schwarzen). +Ihr wisset den Befehl. Fort, fort mit ihnen +In des Serails verborgenste Gewölbe! + +Timur. Fall' Eure ganze Rache auf mein Haupt! +Nur ihm, nur meinem Sohn erzeiget Mitleid! + +Barak. Mitleid in dieser Furie! Verrathen +Ist Euer Sohn, und uns, ich seh' es klar, +Wird ew'ge Nacht dem Aug der Welt verbergen. +Man führt uns aus dem Angesicht der Menschen, +Wohin kein Lichtstrahl und kein Auge dringt, +Und unser Schmerz kein fühlend Ohr erreicht! (Zur Prinzessin.) +Die Welt kannst du, der Menschen Auge blenden, +Doch zittre vor der Götter Rachgericht! +Magst du im Schlund der Erde sie verstecken, +Laß tausend Todtengrüfte sie bedecken, +Sie bringen deine Übelthat ans Licht. + +(Er folgt mit Timur den Verschnittenen, welche zugleich die +Tafel und das Becken mit den Goldstücken hinwegtragen.) + + + +Dritter Auftritt. + +Turandot. Adelma. Zelima und Skirina. + + +Turandot (zu Adelma). Auf dich verlass' ich mich, du einz'ge Freundin! +O, sage, sprich, wie du mich retten willst. + +Adelma. Die Wachen, die auf Altoums Befehl +Des Prinzen Zimmer hüten, sind gewonnen. +Man kann zu ihm hineingehn, mit ihm sprechen-- +Und was ist dann nicht möglich, wenn wir klug +Die Furcht, die Überredung spielen lassen. +Denn arglos ist sein Herz und gibt sich leicht +Der Schmeichelstimme des Verräthers hin. +Wenn Skirina, wenn Zelima mir nur +Behilflich sind und ihre Rolle spielen, +So zweifelt nicht, mein Anschlag soll gelingen. + +Turandot (zu Skirina). So lieb dir Hassans Leben, Skirina! +Er ist in meiner Macht, ich kann ihn tödten. + +Skirina. Was Ihr befehlt, ich bin bereit zu Allem, +Wenn ich nur meines Hassans Leben rette. + +Turandot (zu Zelima). So werth dir meine Gunst ist, Zelima.-- + +Zelima. Auf meinen Eifer zählt und meine Treue! + +Adelma. So kommt. Kein Augenblick ist zu verlieren (Sie gehen ab.) + +Turandot. Geht, geht! Thut, was sie sagt. + + + +Vierter Auftritt. + +Turandot allein. + + +Was sinnt Adelma? +Wird sie mich retten? Götter, steht ihr bei! +Kann ich mich noch mit diesem Siege krönen, +Weß Name wird dann größer sein, als meiner? +Wer wird es wagen, sich in Geisteskraft +Mit Turandot zu messen?--Welche Lust, +Im Divan, vor der wartenden Versammlung, +Die Namen ihm ins Angesicht zu werfen +Und ihn beschämt von meinem Thron zu weisen! +--Und doch ist mir's, als würd' es mich betrüben! +Mir ist, als säh' ich ihn, verzweiflungsvoll, +Zu meinen Füßen seinen Geist verhauchen, +Und dieser Anblick dringt mir in das Herz. +--Wie, Turandot? Wo ist der edle Stolz +Der großen Seele? Hat's ihn auch gekränkt, +Im Divan über dich zu triumphieren? +Was wird dein Antheil sein, wenn er auch hier +Den Sieg dir abgewinnt?--Recht hat Adelma! +Zu weit ist es gekommen! Umkehr ist +Nicht möglich!--Du mußt siegen oder fallen! +Besiegt von einem, ist besiegt von allen! + + + +Fünfter Auftritt. + +Turandot. Altoum. Pantalon und Tartaglia folgen ihm in einiger +Entfernung nach. + + +Altoum (in einem Briefe lesend und in tiefen Gedanken, für sich). +So mußte dieser blutige Tyrann +Von Tefflis enden! Kalaf, Timurs Sohn, +Aus seiner Väter Reich vertrieben, flüchtig +Von Land zu Lande schweifend, muß hieher +Nach Peckin kommen und durch seltsame +Verkettung der Geschicke glücklich werden! +So führt das Schicksal an verborgnem Band +Den Menschen auf geheimnißvollen Pfaden! +Doch über ihm wacht eine Götterhand, +Und wunderbar entwirret sich der Faden. + +Pantalon (leise zu Tartaglia). +Rappelt's der Majestät? Was kömmt sie an, +Daß sie in Versen mit sich selber spricht? + +Tartaglia (leise zu Pantalon). +Still, still! Es ist ein Bote angelangt +Aus fernen Landen--Was er brachte, mag +Der Teufel wissen! + +Altoum (steckt den Brief in den Busen und wendet sich zu +seiner Tochter). +Turandot! Die Stunden +Entfliehen, die Entscheidung rückt heran, +Und schlaflos irrst du im Serail umher, +Zerquälst dich, das Unmögliche zu wissen. +--Vergebens quälst du dich. Es ist umsonst, +Ich aber hab' es ohne Müh' erfahren. +--Sieh diesen Brief. Hier stehen beide Namen +Und Alles, was sie kenntlich macht. So eben +Bringt ihn ein Bote mir aus fernen Landen. +Ich halt' ihn wohl verschlossen und bewacht, +Bis dieser nächste Tag vorüber ist. +Der unbekannte Prinz ist wirklich König +Und eines Königs Sohn--Es ist unmöglich, +Daß du errathest, wer sie beide seien. +Ihr Reich liegt allzufern von hier, der Name +Ist kaum zu Peckin ausgesprochen worden. +--Doch sieh, weil ich's als Vater mit dir meine, +Komm' ich in später Nacht noch her--Kann es +Dir Freude machen, dich zum zweitenmal +Im Divan dem Gelächter bloßzustellen, +Dem Hohn des Pöbels, der mit Ungeduld +Drauf wartet, deinen Stolz gebeugt zu sehn? +Denn abgesinnt, du weißt's, ist dir das Volk, +Kaum werd' ich seiner Wuth gebieten können, +Wenn du im Divan nun verstummen mußt. +--Sieh liebes Kind, dies führte mich hieher. + +(Zu Pantalon und Tartaglia.) + +Laßt uns allein! (Jene entfernen sich ungern und zaudernd.) + + + +Sechster Auftritt. + +Turandot und Altoum. + + +Altoum (nachdem jene weg sind, nähert sich ihr und faßt sie +vertraulich bei der Hand). +Ich komme, deine Ehre +Zu retten. + +Turandot. Meine Ehre, Sire? Spart Euch +Die Müh! Nicht Rettung brauch' ich meiner Ehre-- +Ich werde mir im Divan morgen selbst +Zu helfen wissen. + +Altoum. Ach, du schmeichelst dir +Mit eitler Hoffnung. Glaube mir's, mein Kind, +Unmöglich ist's, zu wissen, was du hoffst. +Ich les' in deinen Angen, deinen wild +Verwirrten Zügen deine Qual und Angst. +Ich bin dein Vater; sieh, ich hab' dich lieb. +--Wir sind allein--Sei offen gegen mich! +Bekenn' es frei--weißt du die beiden Namen? + +Turandot. Ob ich sie weiß, wird man im Divan hören. + +Altoum. Nein, Kind, du weißt sie nicht, kannst sie nicht wissen. +Wenn du sie weißt, so sag' mir's im Vertrauen. +Ich lasse dann den Unglücksel'gen wissen, +Daß er verrathen ist, und lass' ihn still +Aus meinen Staaten ziehn. So meidest du +Den Haß des Volks--und mit dem Sieg zugleich +Trägst du den Ruhm der Großmuth noch davon, +Daß du dem Überwundenen die Schmach +Der öffentlichen Niederlage spartest. +--Um dieses Einz'ge bitt' ich dich, mein Kind! +Wirst du's dem Vater, der dich liebt, versagen? + +Turandot. Ich weiß die Namen oder weiß sie nicht, +Genug! Hat er im Divan meiner nicht +Geschont, brauch' ich auch seiner nicht zu schonen. +Gerechtigkeit geschehe! Öffentlich, +Wenn ich sie weiß, soll man die Namen hören. + +Altoum (will ungeduldig werden, zwingt sich aber und fährt mit +Mäßigung und Milde fort). +Durft' er dich schonen? Galt es nicht sein Leben? +Galt es nicht, was ihm mehr war, deine Hand? +Dich zu gewinnen und sich selbst zu retten, +Mußt' er den Sieg im Divan dir entreißen. +--Nur einen Augenblick leg' deinen Zorn +Bei Seite, Kind--Gib Raum der Überlegung! +Sieh, dieses Haupt setz' ich zum Pfand, du weißt +Die Namen nicht--Ich aber weiß sie--hier (auf den Brief zeigend) +Stehn sie geschrieben, und ich sag' sie dir. +--Der Divan soll sich in der Früh' versammeln, +Der Unbekannte öffentlich erscheinen; +Mit seinem Namen redest du ihn an; +Er soll beschämt, vom Blitz getroffen, stehen, +Verzweifelnd jammern und vor Schmerz vergehen; +Vollkommen sei sein Fall und dein Triumph. +Doch nun, wenn du so tief ihn hast gebeugt +Erheb' ihn wieder! Frei, aus eigner Wahl +Reich' ihm die Hand und endige sein Leiden. +--Komm, meine Tochter, schwöre mir, daß du +Das thun willst, und sogleich--wir sind allein-- +Sollst du die Namen wissen. Das Geheimniß, +Ich schwöre dir, soll mit uns beiden sterben. +So löst der Knote sich erfreulich auf; +Du krönest dich mit neuem Siegesruhm, +Versöhnest dir durch schöne Edelthat +Die Herzen meines Volks, gewinnst dir selbst +Den Würdigsten der Erde zum Gemahl, +Erfreuest, tröstest nach so langem Gram +In seinem hohen Alter deinen Vater. + +Turandot (ist während dieser Rede in eine immer zunehmende +Bewegung gerathen). +Ach, wie viel arge List gebraucht mein Vater! +--Was soll ich thun? Mich auf Adelmas Wort +Verlassen und dem ungewissen Glück +Vertraun? Soll ich vom Vater mir die Namen +Entdecken lassen und den Nacken beugen +In das verhaßte Joch?--Furchtbare Wahl! + +(Sie steht unentschlossen in heftigem Kampf mit sich selbst.) + +Herunter, stolzes Herz! Bequeme dich! +Dem Vater nachzugeben ist nicht Schande! + +(Indem sie einige Schritte gegen Altoum macht, steht sie +plötzlich wieder still.) + +Doch wenn Adelma--sie versprach so kühn, +So zuversichtlich--wenn sie's nun erforschte, +Und übereilt hätt' ich den Schwur gethan? + +Altoum. Was sinnest du und schwankest, meine Tochter, +In zweifelnden Gedanken hin und her? +Soll etwa diese Angst mich überreden, +Daß du des Sieges dich versichert haltest? +O Kind, gib deines Vaters Bitte nach-- + +Turandot. Es sei! Ich wag es drauf. Ich will Adelma +Erwarten--So gar dringend ist mein Vater? +Ein sichres Zeichen, daß es möglich ist, +Ich könne, was er fürchtet, durch mich selbst +Erfahren--Er versteht sich mit dem Prinzen! +Nicht anders! Von ihm selbst hat er die Namen; +Es ist ein abgeredet Spiel; ich bin +Verrathen, und man spottet meiner! + +Altoum. Nun? +Was zauderst du? Hör auf, dich selbst zu quälen, +Entschließe dich! + +Turandot. Ich bin entschlossen--Morgen +In aller Früh' versammle sich der Divan. + +Altoum. Du bist entschlossen, es aufs Äußerste, +Auf öffentliche Schande hin zu wagen? + +Turandot. Entschlossen, Sire, die Probe zu bestehen. + +Altoum (in heftigem Zorn). +Unsinnige! Verstockte! Blindes Herz! +Noch blinder als die Albernste des Pöbels! +Ich bin gewiß, wie meines eignen Haupts, +Daß du dich öffentlich beschimpfst, daß dir's +Unmöglich ist, das Räthsel aufzulösen. +Wohlan! Der Divan soll versammelt werden, +Und in der Nähe gleich sei der Altar! +Der Priester halte sich bereit, im Augenblick, +Da du verstummst, beim lauten Hohngelächter +Des Volks die Trauung zu vollziehn. Du hast +Den Vater nicht gehört, da er dich flehte. +Leb' oder stirb! Er wird dich auch nicht hören! (Er geht ab.) + +Turandot. Adelma! Freundin! Retterin! Wo bist du? +Verlassen bin ich von der ganzen Welt. +Mein Vater hat im Zorn mich aufgegeben, +Von dir allein erwart' ich Heil und Leben. (Entfernt sich von der +andere Seite.) + + + +Siebenter Auftritt. + +Die Scene verwandelt sich in ein prächtiges Gemach mit mehreren +Ausgängen. Im Hintergrund steht ein orientalisches Ruhebett für +Kalaf. Es ist finstere Nacht. + +Kalaf. Brigella mit einer Fackel. + +(Kalaf geht in tiefen Gedanken auf und ab, Brigella betrachtet +ihn mit Kopfschütteln.) + + +Brigella. 's hat eben Drei geschlagen, Prinz, und Ihr +Seid nun genau dreihundert sechzigmal +In diesem Zimmer auf und ab spaziert. +Verzeiht! Mir liegt der Schlaf in allen Gliedern, +Und wenn Ihr selbst ein wenig ruhen wolltet, +Es könnt' nicht schaden. + +Kalaf. Du hast Recht, Brigella. +Mein sorgenvoller Geist treibt mich umher; +Doch du magst gehen und dich schlafen legen. + +Brigella (geht, kommt aber gleich wieder zurück). +Ein Wort zur Nachricht, Hoheit--Wenn Euch hier +Von ohngefähr so was erscheinen sollte-- +Macht Eure Sache gut--Ihr seid gewarnt! + +Kalaf. Erscheinungen? Wie so? An diesem Ort? + (Mustert mit unruhigen Blicke das Zimmer.) + +Brigella. Du lieber Himmel! Uns ist zwar verboten +Bei Lebensstrafe, Niemand einzulassen. +Doch--arme Diener! Herr, Ihr wißt ja wohl! +Der Kaiser ist der Kaiser, die Prinzeß +Ist, so zu sagen, Kaiserin--und was +Die in den Kopf sich setzt, das muß geschehn! +'s wird Einem sauer, Hoheit, zwischen zwei +Dachtraufen trocknen Kleides durchzukommen. +--Versteht mich wohl. Man möchte seine Pflicht +Gern ehrlich thun--Doch man erübrigte +Auch gern etwas für seine alten Tage. +Herr, unsereins ist halter übel dran! + +Kalaf. Wie? Sollte man mir gar ans Leben wollen? +Brigella, rede! + +Brigella. Gott soll mich bewahren! +Allein bedenkt die Neugier, die man hat, +Zu wissen, wer Ihr seid. Es könnte sich +Zum Beispiel fügen, daß--durchs Schlüsselloch-- +Ein Geist--ein Unhold--eine Hexe käme, +Euch zu versuchen--Gnug! Ihr seid gewarnt! +Versteht mich--Arme Diener, arme Schelme! + +Kalaf (lächelnd). Sei außer Sorgen. Ich verstehe dich +Und werde mich in Acht zu nehmen wissen. + +Brigella. Thut das, und somit Gott befohlen, Herr. +Ums Himmels willen, bringt mich nicht ins Unglück! + +(Gegen die Zuschauer.) + +Es kann geschehen, daß man einen Beutel +Mit Golde ausschlägt--möglich ist's! Was mich betrifft, +Ich that mein Bestes, und ich konnt' es nicht. (Er geht ab.) + +Kalaf. Er hat mir Argwohn in mein Herz gepflanzt. +Wer könnte mich hier überfallen wollen? +Und laß die Teufel aus der Hölle selbst +Ankommen, dieses Herz wird standhaft bleiben. (Er tritt ans Fenster.) +Der Tag ist nicht mehr weit, ich werde nun +Nicht lange mehr auf dieser Folter liegen. +Indeß versuch' ich es, ob ich vielleicht +Den Schlaf auf diese Augen locken kann. + +(Indem er sich auf das Ruhebette niederlassen will, öffnet sich +eine von den Thüren.) + + + +Achter Auftritt. + +Kalaf. Skirina in männlicher Kleidung und mit einer Maske vor +dem Gesicht. + + +Skirina (furchtsam sich nähernd). +Mein lieber Herr--Herr--O, wie zittert mir +Das Herz! + +Kalaf (auffahrend). Wer bist du, und was suchst du hier? + +Skirina (nimmt die Maske vom Gesicht). +Kennt Ihr mich nicht? Ich bin ja Skirina, +Des armen Hassans Weib und Eure Wirthin. +Verkleidet hab' ich durch die Wachen mich +Herein gestohlen--Ach! was hab' ich Euch +Nicht alles zu erzählen--Doch die Angst +Erstickt mich, und die Kniee zittern mir; +Ich kann vor Thränen nicht zu Worte kommen. + +Kalaf. Sprecht, gute Frau. Was habt Ihr mir zu sagen? + +Skirina (sich immer schüchtern umsehend). +Mein armer Mann hält sich versteckt. Es ward +Der Turandot gesagt, daß er Euch kenne. +Nun wird ihm nachgespürt an allen Orten, +Ihn ins Serail zu schleppen und ihm dort +Gewaltsam Euren Namen abzupressen. +Wird er entdeckt, so ist's um ihn geschehn; +Denn eher will er unter Martern sterben, +Als Euch verrathen. + +Kalaf. Treuer, wackrer Diener! +--Ach, die Unmenschliche! + +Skirina. Ihr habt noch mehr +Von mir zu hören--Euer Vater ist +In meinem Haus. + +Kalaf. Was sagst du? Große Götter! + +Skirina. Von Eurer Mutter zum trostlosen Wittwer +Gemacht-- + +Kalaf. O meine Mutter! + +Skirina. Hört mich weiter! +Er weiß, daß man Euch hier bewacht; er zittert +Für Euer Leben; er ist außer sich; +Er will verzweifelnd vor den Kaiser dringen, +Sich ihm entdecken, kost' es, was es wolle; +Mit meinem Sohne, ruft er, will ich sterben! +Vergebens such' ich ihn zurück zu halten, +Sein Ohr ist taub, er hört nur seinen Schmerz; +Nur das Versprechen, das ich ihm gethan, +Ein tröstend Schreiben ihm von Eurer Hand +Mit Eures Namens Unterschrift zu bringen, +Das ihm Versichrung gibt von Eurem Leben, +Hielt ihn vom Äußersten zurück! So hab' ich mich +Hieher gewagt und in Gefahr gesetzt, +Dem kummervollen Greise Trost zu bringen. + +Kalaf. Mein Vater hier in Peckin! Meine Mutter +Im Grab!--Du hintergehst mich, Skirina! + +Skirina. Mich strafe Fohi, wenn ich Euch das lüge! + +Kalaf. Bejammernswerther Vater! Arme Mutter! + +Skirina (dringend). Kein Augenblick ist zu verlieren! Kommt! +Bedenkt Euch nicht; schreibt diese wen'gen Worte. +Fehlt Euch das Nöthige, ich bracht' es mit. + +(Sie zieht eine Schreibtafel hervor.) + +Genug, wenn dieser kummervolle Greis +Zwei Zeilen nur von Eurer Hand erhält, +Daß Ihr noch lebt und daß Ihr Gutes hofft. +Sonst treibt ihn die Verzweiflung an den Hof, +Er nennt sich dort, und Alles ist verloren. + +Kalaf. Ja, gib mir diese Tafel! + +(Er ist im Begriff zu schreiben, hält aber plötzlich inne und +sieht sie forschend an.) +Skirina! +Hast du nicht eine Tochter im Serail? +--Ja, ja, ganz recht. Sie dient Sklavin dort +Der Turandot; dein Mann hat mir's gesagt. + +Skirina. Nun ja! Wie kommt Ihr darauf? + +Kalaf. Skirina! +Geh nur zurück und sage meinem Vater +Von meinetwegen, daß er ohne Furcht +Geheimen Zutritt bei dem Kaiser fordre +Und ihm entdecke, was sein Herz ihn heißt. +Ich bin's zufrieden. + +Skirina (betroffen). Ihr verweigert mir +Den Brief? Ein Wort von Eurer Hand genügt. + +Kalaf. Nein, Skirina, ich schreibe nicht. Erst morgen +Erfährt man, wer ich bin--Ich wundre mich, +Daß Hassans Weib mich zu verrathen sucht. + +Skirina. Ich Euch verrathen! Guter Gott! (Für sich.) +Adelma mag denn selbst ihr Spiel vollenden. (Zu Kalaf.) +Wohl, Prinz! Wie's Euch beliebt! Ich geh' nach Hause, +Ich richte Eure Botschaft aus; doch glaubt' ich nicht, +Nach so viel übernommener Gefahr +Und Mühe Euren Argwohn zu verdienen. (Im Abgehen.) +Adelma wacht, und Dieser schlummert nicht. (Entfernt sich.) + +Kalaf. Erscheinungen!--Du sagtest recht, Brigella! +Doch, daß mein Vater hier in Peckin sei +Und meine Mutter todt, hat dieses Weib +Mit einem heil'gen Eide mir bekräftigt! +Kommt doch das Unglück nie allein! Ach, nur +Zu glaubhaft ist der Mund, der Böses meldet! + +(Die entgegengesetzte Thüre öffnet sich.) + +Noch ein Gespenst! Laß sehen, was es will! + + + +Neunter Auftritt. + +Kalaf. Zelima. + + +Zelima. Prinz, ich bin eine Sklavin der Prinzessin +Und bringe gute Botschaft. + +Kalaf. Gäb's der Himmel! +Wohl wär' es Zeit, daß auch das Gute käme! +Ich hoffe nichts, ich schmeichle mir mit nichts; +Zu fühllos ist das Herz der Turandot. + +Zelima. Wohl wahr, ich leugn' es nicht--und dennoch, Prinz, +Gelang es Euch, dies stolze Herz zu rühren. +Euch ganz allein; Ihr seid der Erste--Zwar +Sie selbst besteht darauf, daß sie Euch hasse; +Doch ich bin ganz gewiß, daß sie Euch liebt. +Die Erde thu' sich auf und reiße mich +In ihren Schlund hinab, wenn ich das lüge! + +Kalaf. Gut, gut, ich glaube dir. Die Botschaft ist +Nicht schlimm. Hast du noch Mehreres zu sagen? + +Zelima (nähertretend). Ich muß Euch im Vertrauen sagen, Prinz, +Der Stolz, der Ehrgeiz treibt sie zur Verzweiflung. +Sie sieht nun ein, daß sie Unmögliches +Sich aufgebürdet, und vergeht vor Scham, +Daß sie im Divan nach so vielen Siegen +Vor aller Welt zu Schanden werden soll. +Der Abgrund öffne sich und schlinge mich +Hinab, wenn ich mit Lügen Euch berichte! + +Kalaf. Ruf nicht so großes Unglück auf dich her! +Ich glaube dir. Geh, sage der Prinzessin, +Leicht sei es ihr, in diesem Streit zu siegen; +Mehr als durch ihren glänzenden Verstand +Wird sich ihr Ruhm erheben, wenn ihr Herz +Empfinden lernt, wenn sie der Welt beweist, +Sie könne Mitleid fühlen, könne sich +Entschließen, einen Liebenden zu trösten +Und einen greisen Vater zu erfreun. +Ist dies etwa die gute Botschaft, sprich, +Die ich zu hören habe? + +Zelima. Nein, mein Prinz! +Wir geben uns so leichten Kaufes nicht; +Man muß Geduld mit unsrer Schwachheit haben. +--Hört an! + +Kalaf. Ich höre. + +Zelima. Die Prinzessin schickt mich. +--Sie bittet Euch um einen Dienst--Laßt sie +Die Namen wissen, und im Übrigen +Vertraut Euch kühnlich ihrer Großmuth an. +Sie will nur ihre Eigenliebe retten, +Nur ihre Ehre vor dem Divan lösen. +Voll Güte steigt sie dann von ihrem Thron +Und reicht freiwillig Euch die schöne Rechte. +--Entschließt Euch, Prinz. Ihr waget nichts dabei. +Gewinnt mit Güte dieses stolze Herz, +So wird nicht Zwang, so wird die Liebe sie, +Die zärtlichste, in Eure Arme führen. + +Kalaf (sieht ihr scharf ins Gesicht, mit einem bittern Lächeln). +Hier, Sklavin, hast du den gewohnten Schluß +Der Rede weggelassen. + +Zelima. Welchen Schluß? + +Kalaf. Die Erde öffne sich und schlinge mich +Hinab, wenn ich Unwahres Euch berichte. + +Zelima. So glaubt Ihr, Prinz, daß ich Euch Lügen sage? + +Kalaf. Ich glaub' es fast--und glaub' es so gewiß, +Daß ich in dein Begehren nimmermehr +Kann willigen. Kehr' um zu der Prinzessin! +Sag' ihr, mein einz'ger Ehrgeiz sei ihr Herz, +Und meiner glühnden Liebe möge sie +Verzeihn, daß ich die Bitte muß versagen. + +Zelima. Bedachtet Ihr, was dieser Eigensinn +Euch kosten kann? + +Kalaf. Mag er mein Leben kosten! + +Zelima. Es bleibt dabei, er wird's Euch kosten, Prinz! +--Beharrt Ihr drauf, mir nichts zu offenbaren? + +Kalaf. Nichts! + +Zelima. Lebet wohl! (Im Abgehen.) Die Mühe konnt' ich sparen! + +Kalaf (allein). Geht, wesenlose Larven! Meinen Sinn +Macht Ihr nicht wankend. Andre Sorgen sind's, +Die mir das Herz beklemmen--Skirinas +Bericht ist's, was mich ängstiget--Mein Vater +In Peckin! Meine Mutter todt! Muth, Muth, mein Herz! +In wenig Stunden ist das Loos geworfen. +Könnt' ich den kurzen Zwischenraum im Arm +Des Schlafs verträumen! Der gequälte Geist +Sucht Ruhe, und mich däucht, ich fühle schon +Den Gott die sanften Flügel um mich breiten. + +(Er legt sich auf das Ruhebette und schläft ein.) + + + +Zehnter Auftritt. + +Adelma tritt auf, das Gesicht verschleiert, eine Wachskerze in +der Hand. Kalaf schlafend. + + +Adelma. Nicht Alles soll mißlingen--Hab' ich gleich +Vergebens alle Künste des Betrugs +Verschwendet, ihm die Namen zu entlocken, +So werd' ich doch nicht eben so umsonst +Versuchen, ihn aus Peckin wegzuführen +Und mit dem schönen Raube zu entfliehn. +--O heißerflehter Augenblick! Jetzt, Liebe! +Die mir bis jetzt den kühnen Muth verliehn, +So manche Schranke mir schon überstiegen, +Dein Feuer laß auf meinen Lippen glühn! +Hilf mir in diesem schwersten Kampfe siegen! + +(Sie betrachtet den Schlafenden.) + +Der Liebste schläft. Sei ruhig, pochend Herz, +Erzittre nicht! Nicht gern, ihr holden Augen, +Scheuch' ich den goldnen Schlummer von euch weg; +Doch schon ergraut der Tag, ich darf nicht säumen. + +(Sie nähert sich ihm und berührt ihn sanft.) + +Prinz, wachet auf! + +Kalaf (erwachend). Wer störet meinen Schlummer? +Ein neues Trugbild? Nachtgespenst, verschwinde! +Wird mir kein Augenblick der Ruh vergönnt? + +Adelma. Warum so heftig, Prinz? Was fürchtet Ihr? +Nicht eine Feindin ist's, die vor Euch steht; +Nicht Euern Namen will ich Euch entlocken. + +Kalaf. Ist dies dein Zweck, so spare deine Müh. +Ich sag' es dir voraus, du wirst mich nicht betrügen. + +Adelma. Betrügen? Ich? Verdien' ich den Verdacht? +Sagt an! War hier nicht Skirina bei Euch, +Mit einem Brief Euch listig zu versuchen? + +Kalaf. Wohl war sie hier. + +Adelma. Doch hat sie nichts erlangt? + +Kalaf. Daß ich ein solcher Thor gewesen wäre! + +Adelma. Gott sei's gedankt!--War eine Sklavin hier, +Mit trüglicher Vorspieglung Euch zu blenden? + +Kalaf. Solch eine Sklavin war in Wahrheit hier, +Doch zog sie leer ab--wie auch du wirst gehn. + +Adelma. Der Argwohn schmerzt, doch leicht verzeih' ich ihn. +Lernt mich erst kennen! Setzt Euch! Hört mich an, +Und dann verdammt mich als Betrügerin! (Sie setzt sich, er folgt.) + +Kalaf. So redet denn und sagt, was ich Euch soll. + +Adelma. Erst seht mich näher an--Beschaut mich wohl! +Wer denkt Ihr, daß ich sei? + +Kalaf. Dies hohe Wesen, +Der edle Anstand zwingt mir Ehrfurcht ab. +Das Kleid bezeichnet eine niedre Sklavin, +Die ich, wo ich nicht irre, schon im Divan +Gesehen und ihr Los beklagt. + +Adelma. Auch ich +Hab' Euch--die Götter wissen es, wie innig-- +Bejammert, Prinz! Es sind fünf Jahre nun, +Da ich, noch selber eine Günstlingin +Des Glücks, in niederm Sklavenstand Euch sah. +Schon damals sagte mir's mein Herz, daß Euch +Geburt zu einem bessern Loos berufen. +Ich weiß, daß ich gethan, was ich gekonnt, +Euch ein unwürdig Schicksal zu erleichtern. +Weiß, daß mein Aug sich Euch verständlich machte, +Soweit es einer Königstochter ziemte. (Sie entschleiert sich.) +Seht her, mein Prinz, und sagt mir! Dies Gesicht, +Habt Ihr es nie gesehn in Eurem Leben? + +Kalaf. Adelma! Ew'ge Götter! Seh' ich recht? + +Adelma. Ihr sehet in unwürd'gen Sklavenbanden +Die Tochter Keicobads, des Königes +Der Karazanen, einst zum Thron bestimmt, +Jetzt zu der Knechtschaft Schmach herabgestoßen. + +Kalaf. Die Welt hat Euch für todt beweint. In welcher +Gestalt, weh mir, muß ich Euch wieder finden! +Euch hier als eine Sklavin des Serails, +Die Königin, die edle Fürstentochter! + +Adelma. Und als die Sklavin dieser Turandot, +Der grausamen Ursache meines Falles! +Vernehmt mein ganzes Unglück, Prinz! Mir lebte +Ein Bruder, ein geliebter, theurer Jüngling, +Den diese stolze Turandot, wie Euch, +Bezauberte--Er wagte sich im Divan. + +(Sie hält inne, von Schluchzen und Thränen unterbrochen.) + +Unter den Häuptern, die man auf dem Thore +Zu Peckin sieht--entsetzensvoller Anblick!-- +Erblicktet Ihr auch das geliebte Haupt +Des theuren Bruders, den ich noch beweine. + +Kalaf. Unglückliche! So log die Sage nicht! +So ist sie wahr, die klägliche Geschichte, +Die ich für eine Fabel nur gehalten! + +Adelma. Mein Vater Keicobad, ein kühner Mann, +Nur seinem Schmerz gehorchend, überzog +Die Staaten Altoums mit Heeresmacht, +Des Sohnes Mord zu rächen--Ach, das Glück +War ihm nicht günstig! Männlich fechtend fiel er +Mit allen seinen Söhnen in der Schlacht. +Ich selbst, mit meiner Mutter, meinen Schwestern, +Ward auf Befehl des wüthenden Veziers, +Der unsern Stamm verfolgte, in den Strom +Geworfen. Jene kamen um; nur mich +Errettete die Menschlichkeit des Kaisers, +Der in dem Augenblick ans Ufer kam. +Er schalt die Gräuelthat und ließ im Strom +Nach meinem jammervollen Leben fischen. +Schon halb entseelt werd' ich zum Strand gezogen; +Man ruft ins Leben mich zurück; ich werde +Der Turandot als Sklavin übergeben, +Zu glücklich noch, das Leben als Geschenk +Von eines Feindes Großmuth zu empfangen. +O, lebt in Eurem Busen menschliches Gefühl, +So laßt mein Schicksal Euch zu Herzen gehn! +Denkt, was ich leide! Denkt, wie es ins Herz +Mir schneidet, sie, die meinen ganzen Stamm +Vertilgt, als eine Sklavin zu bedienen. + +Kalaf. Mich jammert Euer Unglück. Ja, Prinzessin, +Aufricht'ge Thränen zoll' ich Eurem Leiden-- +Doch Euer grausam Loos, nicht Turandot +Klagt an--Eu'r Bruder fiel durch eigne Schuld, +Euer Vater stürzte sich und sein Geschlecht +Durch übereilten Rathschluß ins Verderben. +Sagt, was kann ich, selbst ein Unglücklicher, +Ein Ball der Schicksalsmächte, für Euch thun? +Ersteig' ich morgen meiner Wünsche Gipfel, +So sollt Ihr frei und glücklich sein--Doch jetzt +Kann Euer Unglück nichts als meins vermehren. + +Adelma. Der Unbekannten konntet Ihr mißtrauen; +Ihr kennt mich nun--Der Fürstin werdet Ihr, +Der Königstochter, glauben, was sie Euch +Ans Mitleid sagen muß und lieber noch +Aus Zärtlichkeit, aus Liebe sagen möchte. +--O, möchte dies befangne Herz mir trauen, +Wenn ich jetzt wider die Geliebte zeuge! + +Kalaf. Adelma, sprecht, was habt Ihr mir zu sagen? + +Adelma. Wißt also, Prinz--Doch nein, Ihr werdet glauben +Ich sei gekommen, Euch zu täuschen, werdet +Mit jenen feilen Seelen mich verwechseln, +Die für das Sklavenjoch geboren sind. + +Kalaf. Quält mich nicht länger! Ich beschwör' Euch, sprecht! +Was ist's? Was habt Ihr mir von ihr zu sagen, +Die meines Lebens einz'ge Göttin ist? + +Adelma (bei Seite). Gib Himmel, daß ich jetzt ihn überrede! + +(Zu Kalaf sich wendend.) + +Prinz, diese Turandot, die schändliche, +Herzlose, falsche, hat Befehl gegeben, +Euch heut am frühen Morgen zu ermorden. +--Dies ist die Liebe Eurer Lebensgöttin! + +Kalaf. Mich zu ermorden? + +Adelma. Ja, Euch zu ermorden! +Beim ersten Schritt aus diesem Zimmer tauchen +Sich zwanzig Degenspitzen Euch ins Herz, +So hat es die Unmenschliche befohlen. + +Kalaf (steht schnell auf und geht gegen die Thüre). +Ich will die Wache unterrichten. + +Adelma (hält ihn zurück). Bleibt! +Wo wollt Ihr hin? Ihr hofft noch, Euch zu retten? +Unglücklicher, Ihr wißt nicht, wo Ihr seid, +Daß Euch des Mordes Netze rings umgeben! +Dieselben Wachen, die der Kaiser Euch +Zu Hütern Eures Lebens gab, sie sind-- +Gedingt von seiner Tochter, Euch zu tödten. + +Kalaf (außer sich, laut und heftig mit dem Ausdruck des +innigsten Leides). +O Timur! Timur! Unglücksel'ger Vater! +So muß dein Kalaf endigen! Du mußt +Nach Peckin kommen, auf sein Grab zu weinen! +Das ist der Trost, den dir dein Sohn versprach! +--Furchtbares Schicksal! + +(Er verhüllt sein Gesicht, ganz seinem Schmerz hingegeben.) + +Adelma (für sich, mit frohem Erstaunen). Kalaf! Timurs Sohn! +Glücksel'ger Fund!--Fall' es nun, wie es wolle! +Entgeh' er meinen Schlingen auch, ich trage +Mit diesen Namen sein Geschick in Händen. + +Kalaf. So bin ich mitten unter den Soldaten, +Die man zum Schutz mir an die Seite gab, +Verrathen! Ach, wohl sagte mir's vorhin +Der feilen Sklaven einer, daß Bestechung +Und Furcht des Mächtigen das schwache Band +Der Treue lösen--Leben, fahre hin! +Vergeblich ist's, dem grausamen Gestirn, +Das uns verfolgt, zu widerstehn--Du sollst +Den Willen haben, Grausame--dein Aug +An meinem Blute weiden! Süßes Leben, +Fahr hin! Nicht zu entfliehen ist dem Schicksal. + +Adelma (mit Feuer). Prinz, zum Entfliehen zeig' ich Euch die Wege, +Nicht müß'ge Thränen bloß hab' ich für Euch. +Gewacht hab' ich indeß, gesorgt, gehandelt, +Kein Gold gespart, die Hüter zu bestechen. +Der Weg ist offen. Folgt mir! Euch vom Tode, +Mich aus den Banden zu befreien, komm' ich. +Die Pferde warten, die Gefährten sind +Bereit. Laßt uns aus diesen Mauern fliehen, +Worauf der Fluch der Götter liegt. Der Khan +Von Berlas ist mein Freund, ist mir durch Bande +Des Bluts verknüpft und heilige Verträge. +Er wird uns schützen, seine Staaten öffnen, +Uns Waffen leihen, meiner Väter Reich +Zurück zu nehmen, daß ich mit Euch theile, +Wenn Ihr der Liebe Opfer nicht verschmäht. +Verschmäht Ihr's aber und verachtet mich, +So ist die Tartarei noch reich genug +An Fürstentöchtern, dieser Turandot +An Schönheit gleich und zärtlicher als sie. +Aus ihnen wählt Euch eine würdige +Gemahlin aus! Ich--will mein Herz besiegen, +Nur rettet, rettet dieses theure Leben! + +(Sie spricht das Folgende mit immer steigender Lebhaftigkeit, indem +sie ihn bei der Hand ergreift und mit sich fortzureißen sucht.) + +O, kommt! Die Zeit entflieht, indem wir sprechen. +Die Hähne krähn, schon regt sich's im Palast, +Todbringend steigt der Morgen schon herauf. +Fort, eh der Rettung Pforten sich verschließen! + +Kalaf. Großmüthige Adelma! Einz'ge Freundin! +Wie schmerzt es mich, daß ich nach Berlas Euch +Nicht folgen, nicht der Freiheit süß Geschenk, +Nicht Euer väterliches Reich zurück +Euch geben kann--Was würde Altoum +Zu dieser heimlichen Entweichung sagen? +Macht' ich nicht schändlichen Verraths mich schuldig, +Wenn ich, des Gastrechts heilige Gebräuche +Verletzend, aus dem innersten Serail +Die werthgehaltne Sklavin ihm entführte? +--Mein Herz ist nicht mehr mein, Adelma. Selbst +Der Tod, den jene Stolze mir bereitet, +Wird mir willkommen sein von ihrer Hand. +--Flieht ohne mich, flieht, und geleiten Euch +Die Götter! Ich erwarte hier mein Schicksal. +Noch tröstlich ist's, für Turandot zu sterben, +Wenn ich nicht leben kann für sie--Lebt wohl! + +Adelma. Sinnloser! Ihr beharrt? Ihr seid entschlossen? + +Kalaf. Zu bleiben und den Mordstreich zu erwarten. + +Adelma. Ha, Undankbarer! Nicht die Liebe ist's, +Die Euch zurückhält--Ihr verachtet mich! +Ihr wählt den Tod, um nur nicht mir zu folgen! +Verschmähet meine Hand, verachtet mich; +Nur flieht, nur rettet, rettet Euer Leben! + +Kalaf. Verschwendet Eure Worte nicht vergebens; +Ich bleibe und erwarte mein Geschick. + +Adelma. So bleibet denn! Auch ich will Sklavin bleiben, +Ohn' Euch verschmäh' ich auch der Freiheit Glück. +Laß sehn, wer von uns beiden, wenn es gilt, +Dem Tode kühner trotzt! (Von ihm wegtretend.) +Wär' ich die Erste, +Die durch Beständigkeit ans Ziel gelangte? (Für sich. Mit Accent.) +Kalaf! Sohn Timurs! (Verneigt sich spottend.) +Unbekannter Prinz! +Lebt wohl! (Geht ab.) + +Kalaf (allein). Wird diese Schreckensnacht nicht enden? +Wer hat auf solcher Folter je gezittert? +Und endet sie, welch neues größres Schreckniß +Bereitet mir der Tag! Aus welchen Händen! +Hat meine edelmüthig treue Liebe +Solches um dich verdient, tyrannisch Herz! +--Wohlan! Den Himmel färbt das Morgenroth, +Die Sonne steigt herauf, und allen Wesen +Bringt sie das Leben, mir bringt sie den Tod! +Geduld, mein Herz, dein Schicksal wird sich lösen! + + + +Eilfter Auftritt. + +Brigella. Kalaf. + + +Brigella. Der Divan wird versammelt, Herr. Die Stunde +Ist da. Macht Euch bereit! + +Kalaf (mißt ihn mit wilden, scheuen Blicken). Bist du das Werkzeug? +Wo hast du deinen Dolch versteckt? Mach's kurz! +Vollziehe die Befehle, die du hast! +Du raubst mir nichts, worauf ich Werth noch legte. + +Brigella. Was für Befehle, Herr? Ich habe keinen +Befehl, als Euch zum Divan zu begleiten, +Wo Alles schon versammelt ist. + +Kalaf (nach einigem Nachsinnen, resigniert). Laß uns denn gehn! +Ich weiß, daß ich den Divan lebend nicht +Erreichen werde--Sieh, ob ich dem Tod +Beherzt entgegen treten kann. + +Brigella (sieht ihn erstaunt an). +Was Teufel schwatzt er da von Tod und Sterben? +Verwünschtes Weibervolk! Sie haben ihn +In dieser ganzen Nacht nicht schlafen lassen; +Nun ist er gar im Kopf verrückt! + +Kalaf (wirft das Schwert auf den Boden). Da liegt +Mein Schwert. Ich will mich nicht zur Wehre setzen. +Die Grausame erfahre wenigstens, +Daß ich die unbeschützte Brust von selbst +Dem Streich des Todes dargeboten habe! + +(Er geht ab und wird, sowie er hinaustritt, von kriegerischem +Spiel empfangen.) + + + + +Fünfter Aufzug. + +Die Scene ist die vom zweiten Aufzug. + +Im Hintergrunde des Divans steht ein Altar mit einer chinesischen +Gottheit und zwei Priestern, welche nach Aufziehung eines Vorhangs +sichtbar werden.--Bei Eröffnung des Akts sitzt Altoum auf seinem +Throne. Pantalon und Tartaglia stehen zu seinen beiden Seiten; die +acht Doktoren an ihrem Platze, die Wache unter dem Gewehre. + + + +Erster Auftritt. + +Altoum. Pantalon. Tartaglia. Doctoren. Wache. Gleich darauf Kalaf. + + +Kalaf (tritt mit einer stürmischen Bewegung in den Saal, voll +Argwohn hinter sich schauend. In der Mitte der Scene verbeugt +er sich gegen den Kaiser, dann für sich). +Wie? Ich bin lebend hier--Mit jedem Schritt +Erwartet' ich die zwanzig Schwerter in der Brust +Zu fühlen, und, von Niemand angefallen, +Hab' ich den ganzen Weg znrückgelegt? +So hätte mir Adelma falsche Botschaft +Verkündet--oder Turandot entdeckte +Die Namen, und mein Unglück ist gewiß! + +Altoum. Mein Sohn! ich sehe deinen Blick umwölkt, +Dich quälen Furcht und Zweifel--Fürchte nichts mehr! +Bald werd' ich deine Stirn erheitert sehn, +In wenig Stunden endet deine Prüfung. +--Geheimnisse von freudenreichem Inhalt +Hab' ich für dich--Noch will ich sie im Busen +Verschließen, theurer Jüngling, bis dein Herz, +Der Freude offen, sie vernehmen kann. +--Doch merke dir: Nie kommt das Glück allein; +Es folgt ihm stets, mit reicher Gaben Fülle +Beladen, die Begleitung nach--Du bist +Mein Sohn, mein Eidam! Turandot ist dein! +Dreimal hat sie in dieser Nacht zu mir +Gesendet, mich beschworen und gefleht, +Sie von der furchtbarn Probe loszusprechen. +Daraus erkenne, ob du Ursach hast, +Sie mit getrostem Herzen zu erwarten. + +Pantalon (zuversichtlich). +Das könnt Ihr, Hoheit! Auf mein Wort! Was das +Betrifft, damit hat's seine Richtigkeit. +Nehmt meinen Glückwunsch an! Heut ist die Hochzeit. +Zweimal ward ich in dieser Nacht zu ihr +Geholt; sie hatt' es gar zu eilig; kaum +Ließ sie mir Zeit, den Fuß in die Pantoffel +Zu stecken; ungefrühstückt ging ich hin; +Es war so grimmig kalt, daß mir der Bart +Noch zittert--Aufschub sollt' ich ihr verschaffen, +Rath schaffen sollt' ich--bei der Majestät +Fürsprach einlegen--Ja, was sollt' ich nicht! +'s war mir ein rechtes Gaudium und Labsal, +Ich leugn' es nicht, sie desperat zu sehn. + +Tartaglia. Ich ward um sechs Uhr zu ihr hin beschieden; +Der Tag brach eben an; sie hatte nicht +Geschlafen und sah aus wie eine Eule. +Wohl eine halbe Stunde bat sie mich, +Gab mir die schönsten Worte, doch umsonst! +Ich glaube gar, ich hab' ihr bittre Dinge +Gesagt vor Ungeduld und grimm'ger Kälte. + +Altoum. Seht, wie sie bis zum letzten Augenblick +Noch zaudert! Doch sie sperret sich umsonst. +Gemessene Befehle sind gegeben, +Daß sie durchaus im Divan muß erscheinen, +Und ist's mit Güte nicht, so ist's mit Zwang. +Sie selbst hat mich durch ihren Eigensinn +Berechtigt, diese Strenge zu gebrauchen. +Erfahre sie die Schande nun, die ich +Umsonst ihr sparen wollte--Freue dich, +Mein Sohn! Nun ist's an dir, zu triumphiren! + +Kalaf. Ich dank' Euch, Sire. Mich freuen kann ich nicht. +Zu schmerzlich leid' ich selbst, daß der Geliebten +Um meinetwillen Zwang geschehen soll. +Viel lieber wollt' ich--Ach, ich könnte nicht! +Was wäre Leben ohne sie?--Vielleicht +Gelingt es endlich meiner zärtlichen +Bewerbung, ihren Abscheu zu besiegen, +Ihn einst vielleicht in Liebe zu verwandeln. +Mein ganzes Wollen soll ihr Sklave sein, +Und all mein höchstes Wünschen ihre Liebe. +Wer eine Gunst bei mir erlangen will, +Wird keines andern Fürsprachs nöthig haben, +Als eines Winks aus ihrem schönen Aug. +Kein Nein aus meinem Munde soll sie kränken, +Solang die Parze meinen Faden spinnt; +Soweit die Welle meines Lebens rinnt, +Soll sie mein einzig Träumen sein und Denken! + +Altoum. Auf denn! Man zögre länger nicht! Der Divan +Werde zum Tempel! Man erhebe den Altar! +Der Priester halte sich bereit! Sie soll +Bei ihrem Eintritt gleich ihr Schicksal lesen +Und soll erfahren, daß ich wollen kann, +Was ich ihr schwur. + +(Der hintere Vorhang wird aufgezogen; man erblickt den chinesischen +Götzen, den Altar und die Priester, Alles mit Kerzen beleuchtet.) + + Man öffne alle Pforten. +Das ganze Volk soll freien Eingang haben! +Zeit ist's, daß dieses undankbare Kind +Den tausendfachen Kummer uns bezahle, +Den sie auf unser greises Haupt gehäuft. + +(Man hört einen lugubren Marsch mit gedämpften Trommeln. Bald +darauf zeigt sich Truffaldin mit Verschnittenen; hinter ihnen +die Sklavinnen, darauf Turandot, alle in schwarzen Flören, die +Frauen in schwarzen Schleiern.) + +Pantalon. Sie kommt! Sie kommt! Still! Welche Klagmusik! +Welch trauriges Gepräng! Ein Hochzeitmarsch, +Der völlig einem Leichenzuge gleicht! + +(Der Aufzug erfolgt ganz auf dieselbe Weise und mit denselben +Ceremonien wie im zweiten Akt.) + + + +Zweiter Auftritt. + +Vorige. Turandot. Adelma. Zelima. Ihre Sklavinnen und Verschnittenen. + + +Turandot (nachdem sie ihren Thron bestiegen, und eine allgemeine +Stille erfolgt, zu Kalaf.) +Dies Traurgepränge, unbekannter Prinz, +Und dieser Schmerz, den mein Gefolge zeigt, +Ich weiß, ist Eurem Auge süße Weide. +Ich sehe den Altar geschmückt, den Priester +Zu meiner Trauung schon bereit, ich lese +Den Hohn in jedem Blick und möchte weinen. +Was Kunst und tiefe Wissenschaft nur immer +Vermochten, hab' ich angewandt, den Sieg +Euch zu entreißen, diesem Augenblick, +Der meinen Ruhm vernichtet, zu entziehen; +Doch endlich muß ich meinem Schicksal weichen. + +Kalaf. O, läse Turandot in meinem Herzen, +Wie ihre Trauer meine Freude dämpft, +Gewiß, es würde ihren Zorn entwaffnen. +War's ein Vergehn, nach solchem Gut zu streben, +Ein Frevel wär's, es zaghaft aufzugeben! + +Altoum. Prinz, der Herablassung ist sie nicht werth. +An ihr ist's jetzo, sich herabzugeben! +Kann sie's mit edelm Anstand nicht, mag sie +Sich darein finden. wie sie kann--Man schreite +Zum Werk! Der Instrumente froher Schar +Verkünde laut-- + +Turandot. Gemach! Damit ist's noch zu früh! + +(Aufstehend und zu Kalaf sich wendend.) + +Vollkommner konnte mein Triumph nicht sein, +Als dein getäuschtes Herz in süße Hoffnung +Erst einzuwiegen und mit einemmal +Nun in den Abgrund nieder dich zu schlendern. + +(Langsam und mit erhobner Stimme.) + +Hör', Kalaf, Timurs Sohn, verlaß den Divan! +Die beiden Namen hat mein Geist gefunden, +Such' eine andre Braut--Weh dir und Allen, +Die sich im Kampf mit Turandot versuchen! + +Kalaf. O, ich Unglücklicher! + +Altoum. Ist's möglich? Götter! + +Pantalon. Heil'ge Katharina! (Zu Tartaglia.) +Geht heim! Laßt Euch den Bart auszwicken, Doctor! + +Tartaglia. Allerhöchster Tien! Mein Verstand steht still! + +Kalaf. Alles verloren! Alle Hoffnung todt! +--Wer steht mir bei? Ach, mir kann Niemand helfen! +Ich bin mein eigner Mörder; meine Liebe +Verlier' ich, weil ich allzusehr geliebt! +--Warum hab' ich die Räthsel gestern nicht +Mit Fleiß verfehlt, so läge dieses Haupt +Jetzt ruhig in dem ew'gen Schlaf des Todes, +Und meine bange Seele hätte Luft. +Warum, zu güt'ger Kaiser, mußtet Ihr +Das Blutgesetz zu meinem Vortheil mildern, +Daß ich mit meinem Haupt dafür bezahlte, +Wenn sie mein Räthsel aufgelöst--So wäre +Ihr Sieg vollkommen und ihr Herz befriedigt! + +(Ein unwilliges Gemurmel entsteht im Hintergrund.) + +Altoum. Kalaf! Mein Alter unterliegt dem Schmerz; +Der unversehne Blitzstrahl schlägt mich nieder. + +Turandot (bei Seite zu Zelima). +Sein tiefer Jammer rührt mich, Zelima! +Ich weiß mein Herz nicht mehr vor ihm zu schützen. + +Zelima (leise zu Turandot). +O, so ergebt Euch einmal! Macht ein Ende! +Ihr seht, Ihr hört, das Volk wird ungeduldig! + +Adelma (für sich). An diesem Augenblick hängt Tod und Leben! + +Kalaf. Und braucht's denn des Gesetzes Schwert, ein Leben +Zu endigen, das länger mir zu tragen +Unmöglich ist? (Er tritt an den Thron der Turandot.) +Ja, Unversöhnliche! +Sieh hier den Kalaf, den du kennst--den du +Als einen namenlosen Fremdling haßtest, +Den du jetzt kennst und fortfährst zu verschmähn! +Verlohnte sich's, ein Dasein zu verlängern, +Das so ganz werthlos ist vor deinen Augen? +Du sollst befriedigt werden, Grausame. +Nicht länger soll mein Anblick diese Sonne +Beleidigen--Zu deinen Füßen-- + +(Er zieht einen Dolch und will sich durchstechen. In demselben +Augenblick macht Adelma eine Bewegung, ihn zurück zu halten, +und Turandot stürzt von ihrem Thron.) + +Turandot (ihm in den Arm fallend, mit dem Ausdruck des Schreckens +und der Liebe). +Kalaf! + +(Beide sehen einander mit unverwandten Blicken an und bleiben +eine Zeit lang unbeweglich in dieser Stellung.) + +Altoum. Was seh' ich! + +Kalaf (nach einer Pause). Du? Du hinderst meinen Tod? +Ist das dein Mitleid, daß ich leben soll, +Ein Leben ohne Hoffnung, ohne Liebe? +Meiner Verzweiflung denkst du zu gebieten? +--Hier endet deine Macht. Du kannst mich tödten; +Doch mich zum Leben zwingen kannst du nicht. +Laß mich, und wenn noch Mitleid in dir glimmt, +So zeig' es meinem jammervollen Vater. +Er ist zu Peckin, er bedarf des Trostes; +Denn auch des Alters letzte Stütze noch, +Den theuren einz'gen Sohn raubt ihm das Schicksal. + +(Er will sich tödten.) + +Turandot (wirft sich ihm in die Arme). +Lebt, Kalaf! Leben sollt Ihr--und für mich! +Ich bin besiegt. Ich will mein Herz nicht mehr +Verbergen--Eile, Zelima, den beiden +Verlassenen, du kennst sie, Trost zu bringen, +Freiheit und Freude zu verkünden--Eile! + +Zelima. Ach, und wie gerne! + +Adelma (für sich). Es ist Zeit, zu sterben. +Die Hoffnung ist verloren. + +Kalaf. Träum' ich, Götter? + +Turandot. Ich will mich keines Ruhms anmaßen, Prinz, +Der mir nicht zukommt. Wisset denn, es wisse +Es alle Welt. Nicht meiner Wissenschaft, +Dem Zufall, Eurer eignen Übereilung +Verdank' ich das Geheimniß Eures Namens. +Ihr selbst, Ihr ließet gegen meine Sklavin +Adelma beide Namen Euch entschlüpfen. +Durch sie bin ich dazu gelangt--Ihr also habt +Gesiegt, nicht ich, und Euer ist der Preis. +--Doch nicht bloß, um Gerechtigkeit zu üben +Und dem Gesetz genug zu thun--Nein, Prinz! +Um meinem eignen Herzen zu gehorchen, +Schenk' ich mich Euch--Ach, es war Euer, gleich +Im ersten Augenblick, da ich Euch sah! + +Adelma. O nie gefühlte Marter! + +Kalaf (der diese ganze Zeit über wie ein Träumender gestanden, +scheint jetzt erst zu sich selbst zu kommen und schließt die +Prinzessin mit Entzückung in seine Arme). +Ihr die Meine? +O, tödte mich nicht, Übermaß der Wonne! + +Altoum. Die Götter segnen dich, geliebte Tochter, +Daß du mein Alter endlich willst erfreun. +Verziehen sei dir jedes vor'ge Leid, +Der Augenblick heilt jede Herzenswunde. + +Pantalon. Hochzeit! Hochzeit! Macht Platz, ihr Herrn Doctoren! + +Tartaglia. Platz! Platz! Der Bund sei alsogleich beschworen! + +Adelma. Ja, lebe, Grausamer, und lebe glücklich +Mit ihr, die meine Seele haßt! (Zu Turandot.) +Ja, wisse, +Daß ich dich nie geliebt, daß ich dich hasse +Und nur aus Haß gehandelt, wie ich that. +Die Namen sagt' ich dir, um den Geliebten +Aus deinem Arm zu reißen und mit ihm, +Der meine Liebe war, eh du ihn sahst, +In glücklichere Länder mich zu flüchten. +Noch diese Nacht, da ich zu deinem Dienst +Geschäftig schien, versucht' ich alle Listen-- +Selbst die Verleumdung spart' ich nicht--zur Flucht +Mit mir ihn zu bereden; doch umsonst! +In seinem Schmerz entschlüpften ihm die Namen, +Und ich verrieth sie dir; du solltest siegen, +Verbannt von deinem Angesicht sollt' er +In meinen Arm sich werfen--Eitle Hoffnung! +Zu innig liebt' er dich und wählte lieber, +Durch dich zu sterben, als für mich zu leben! +Verloren hab' ich alle meine Mühen; +Nur eins steht noch in meiner Macht. Ich stamme +Wie du von königlichem Blut und muß erröthen, +Daß ich so langte Sklavenfesseln trug. +In dir muß ich die blut'ge Feindin hassen. +Du hast mir Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, +Mir Alles, was mir theuer war, geraubt, +Und nun auch den Geliebten raubst du mir. +So nimm auch noch die Letzte meines Stammes, +Mich selbst zum Raube hin--Ich will nicht leben! + +(Sie hebt den Dolch, welchen Turandot dem Kalaf entrissen, +von der Erde auf.) +Verzweiflung zückte diesen Dolch; er hat +Das Herz gefunden, das er spalten soll. (Sie will sich erstechen). + +Kalaf (fällt ihr in den Arm). +Faßt Euch, Adelma! + +Adelma. Laß mich, Undankbarer! +In ihrem Arm dich sehen? Nimmermehr! + +Kalaf. Ihr sollt nicht sterben. Eurem glücklichen +Verrathe dank' ich's, daß dies schöne Herz, +Dem Zwange feind, mich edelmüthig frei +Beglücken konnte--Gütiger Monarch, +Wenn meine heißen Bitten was vermögen, +So habe sie die Freiheit zum Geschenk, +Und unsere Glückes erstes Unterpfand +Sei eine Glückliche! + +Turandot. Auch ich, mein Vater, +Vereinige mein Bitten mit dem seinen. +Zu hassenswerth, ich fühl' es, muß ich ihr +Erscheinen; mir verzeihen kann sie nie +Und könnte nie an mein Verzeihen glauben. +Sie werde frei, und ist ein größer Glück +Für sie noch übrig, so gewährt es ihr. +Wir haben viele Thränen fließen machen +Und müssen eilen, Freude zu verbreiten. + +Pantalon. Ums Himmelwillen, Sire, schreibt ihr den Laufpaß, +So schnell Ihr könnt, und gebt ihr, wenn sie's fordert, +Ein ganzes Königreich noch auf den Weg. +Mir ist ganz weh und bang, daß unsre Freude +In Rauch aufgeht solang ein wüthend Weib +Sich unter einem Dach mit Euch befindet. + +Altoum (zu Turandot). +An solchem Freudentag, den du mir schenkst, +Soll meine Milde keine Grenzen kennen. +Nicht bloß die Freiheit schenk' ich ihr. Sie nehme +Die väterlichen Staaten auch zurück +Und theile sie mit einem würd'gen Gatten, +Der klug sei und den Mächtigen nicht reize. + +Adelma. Sire--Königin--ich bin beschämt, verwirrt, +So große Huld und Milde drückt mich nieder. +Die Zeit vielleicht, die alle Wunden heilt, +Wird meinen Kummer lindern--Jetzt vergönnt mir +Zu schweigen und von eurem Angesicht +Zu gehn--Denn nur der Thränen bin ich fähig, +Die unaufhaltsam diesem Aug entströmen. + +(Sie geht ab mit verhülltem Gesicht, noch einen glühenden +Blick auf Kalaf werfend, ehe sie scheidet.) + + + +Letzter Auftritt. + +Die Vorigen, ohne Adelma. Gegen das Ende Timur, Barak, +Skirina und Zelima. + + +Kalaf. Mein Vater, o, wo find' ich dich, wo bist du, +Daß ich die Fülle meines Glücks in deinen Busen +Ausgieße? + +Turandot (verlegen und beschämt). +Kalaf, Euer edler Vater ist +Bei mir, ist hier--In diesem Augenblicke +Fühlt er sein Glück--Verlangt nicht mehr zu wissen, +Nicht ein Geständniß, das mich schamroth macht, +Vor allen diesen Zeugen zu vernehmen. + +Altoum. Timur bei dir? Wo ist er?--Freue dich, +Mein Sohn. Dies Kaiserreich hast du gewonnen; +Auch dein verlornes Reich ist wieder dein. +Ermordet ist der grausame Tyrann, +Der dich beraubte! Deines Volkes Stimme +Ruft dich zurück auf deiner Väter Thron, +Den dir ein treuer Diener aufbewahrt. +Durch alle Länder hat dich seine Botschaft +Gesucht, und selbst zu mir ist sie gedrungen. +--Dies Blatt enthält das Ende deines Unglücks. + +(Überreicht ihm einen Brief.) + +Kalaf (wirft einen Blick hinein und steht eine Zeit lang in +sprachloser Rührung). +Götter des Himmels! Mein Entzücken ist +Droben bei euch, die Lippe ist versiegelt. + +(In diesem Augenblick öffnet sich der Saal. Timur und Barak +treten herein, von Zelima und ihrer Mutter begleitet. Wie Kalaf +seinen Vater erblickt, eilt er ihm mit ausgebreiteten Armen +entgegen. Barak sinkt zu Kalafs Füßen, indem sich Zelima und +ihre Mutter vor der Turandot niederwerfen, welche sie gütig +aufhebt. Altoum, Pantalon und Tartaglia stehen gerührt. Unter +diesen Bewegungen fällt der Vorhang.) + + + + + + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, TURANDOT, PRINZESSIN VON CHINA *** + +This file should be named 6505-8.txt or 6505-8.zip +Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8trdt11.txt +VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8trdt10a.txt + +Project Gutenberg eBooks are often created from several printed +editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US +unless a copyright notice is included. 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If the value +per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2 +million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text +files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+ +We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002 +If they reach just 1-2% of the world's population then the total +will reach over half a trillion eBooks given away by year's end. + +The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks! +This is ten thousand titles each to one hundred million readers, +which is only about 4% of the present number of computer users. + +Here is the briefest record of our progress (* means estimated): + +eBooks Year Month + + 1 1971 July + 10 1991 January + 100 1994 January + 1000 1997 August + 1500 1998 October + 2000 1999 December + 2500 2000 December + 3000 2001 November + 4000 2001 October/November + 6000 2002 December* + 9000 2003 November* +10000 2004 January* + + +The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created +to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium. + +We need your donations more than ever! + +As of February, 2002, contributions are being solicited from people +and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut, +Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois, +Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts, +Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New +Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio, +Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South +Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West +Virginia, Wisconsin, and Wyoming. + +We have filed in all 50 states now, but these are the only ones +that have responded. + +As the requirements for other states are met, additions to this list +will be made and fund raising will begin in the additional states. +Please feel free to ask to check the status of your state. + +In answer to various questions we have received on this: + +We are constantly working on finishing the paperwork to legally +request donations in all 50 states. 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