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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 05:27:43 -0700
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+The Project Gutenberg EBook of Der Parasit, oder die Kunst, sein Glueck zu machen
+by Friedrich Schiller
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+this or any other Project Gutenberg eBook.
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+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Der Parasit, oder die Kunst, sein Glueck zu machen
+
+Author: Friedrich Schiller
+
+Release Date: September, 2004 [EBook #6504]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on December 25, 2002]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER PARASIT, ODER DIE KUNST, SEIN GLUECK ZU MACHEN ***
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+This book content was graciously contributed by the Gutenberg
+Projekt-DE. That project is reachable at the web site
+http://gutenberg2000.de.
+
+Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur
+Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
+http://gutenberg2000.de erreichbar.
+
+
+
+
+Friedrich Schiller
+
+Der Parasit
+oder die Kunst, sein Glück zu machen.
+
+Ein Lustspiel nach dem Französischen [des Picard]
+
+
+
+
+Personen.
+
+Narbonne, Minister.
+Madame Belmont, seine Mutter.
+Charlotte, seine Tochter.
+Selicour, La Roche und Firmin, Subalternen des Ministers.
+Karl Firmin, des Letztern Sohn, Lieutenant.
+Michel, Kammerdiener des Ministers.
+Robineau, ein junger Bauer, Selicours Vetter.
+
+
+
+Die Scene ist zu Paris in einem Vorgemach des Ministers.
+
+
+
+
+Erster Aufzug.
+
+
+
+Erster Auftritt.
+
+Firmin, der Vater und Karl Firmin.
+
+
+Karl. Welch glücklicher Zufall!--Denken Sie doch, Vater!
+
+Firmin. Was ist's?
+
+Karl. Ich habe sie wieder gefunden.
+
+Firmin. Wen?
+
+Karl. Charlotten. Seitdem ich in Paris bin, suchte ich sie an allen
+öffentlichen Plätzen vergebens--und das erste Mal, daß ich zu Ihnen
+aufs Bureau komme, führt mein Glücksstern sie mir entgegen.
+
+Firmin. Aber wie denn?
+
+Karl. Denken Sie doch nur! Dieses herrliche Mädchen, das ich zu
+Colmar im Haus ihrer Tante besuchte--diese Charlotte, die ich liebe
+und ewig lieben werde--sie ist die Tochter!--
+
+Firmin. Wessen?
+
+Karl. Ihres Principals, des neuen Ministers.--Ich kannte sie immer
+nur unter dem Namen Charlotte.
+
+Firmin. Sie ist die Tochter?
+
+Karl. Des Herrn von Narbonne.
+
+Firmin. Und du liebst sie noch?
+
+Karl. Mehr als jemals, mein Vater!--Sie hat mich nicht erkannt,
+glaub' ich; ich wollte ihr eben meine Verbeugung machen, als Sie
+herein traten.--Und gut, daß Sie mich störten! Denn was hätte ich
+ihr sagen können! Meine Verwirrung mußte ihr sichtbar werden und
+meine Gefühle verrathen!--Ich beherrsche mich nicht mehr. Seit den
+sechs Monaten, daß ich von ihr getrennt bin, ist sie mein einziger
+Gedanke--sie ist der Inhalt, die Seele meiner Gedichte--der Beifall,
+den man mir gezollt, ihr allein gebührt er; denn meine Liebe ist der
+Gott, der mich begeistert.
+
+Firmin. Ein Poet und ein Verliebter überredet sich Vieles, wenn er
+zwanzig Jahre alt ist.--Auch ich habe in deinen Jahren meine Verse
+und meine Zeit verloren.--Schade, daß über dem schönen Wahn des
+Lebens beste Hälfte dahin geht.--Und wenn doch nur wenigstens einige
+Hoffnung bei dieser Liebe wäre!--Aber nach etwas zu streben, was man
+niemals erreichen kann!--Charlotte Narbonne ist eines reichen und
+vornehmen Mannes Tochter--Unser ganzer Reichthum ist meine Stelle
+und deine Lieutenantsgage.
+
+Karl. Aber ist das nicht ein wenig Ihre eigene Schuld, mein Vater?
+Verzeihen Sie! Mit Ihren Fähigkeiten, wornach könnten Sie nicht
+streben! Wollten Sie Ihren Werth geltend machen, Sie wären
+vielleicht selbst Minister, anstatt sein Commis zu sein, und Ihr Sohn
+dürfte ungescheut seine Ansprüche zu Charlotten erheben.
+
+Firmin. Dein Vater ist das größte Genie, wenn man dich hört! Laß
+gut sein, mein Sohn, ich weiß besser, was ich werth bin! Ich habe
+einige Uebung und bin zu brauchen--Aber wie viele ganz andere Männer,
+als ich bin, bleiben im Dunkeln und sehen sich von unverschämten
+Glückspilzen verdrängt--Nein, mein Sohn! Laß uns nicht zu hoch
+hinaus wollen!
+
+Karl. Aber auch nicht zu wenig auf uns halten! Wie? Sollten Sie
+nicht unendlich mehr werth sein, als dieser Selicour, Ihr
+Vorgesetzter--dieser ausgeblasene Hohlkopf, der unter dem vorigen
+Minister Alles machte, der sich durch Niederträchtigkeiten in seine
+Gunst einschmeichelte, Stellen vergab, Pensionen erschlich, und der
+jetzt auch schon bei dem neuen Minister Alles gilt, wie ich höre?
+
+Firmin. Was hast du gegen diesen Selicour? Wird sein Geschäft nicht
+gethan, wie es sein soll?
+
+Karl. Ja, weil Sie ihm helfen.--Sie können nicht leugnen, daß Sie
+drei Viertheile seiner Arbeit verrichten.
+
+Firmin. Man muß einander wechselseitig zu Gefallen sein. Versehe
+ich seine Stelle, so versieht er auch oft die meinige.
+
+Karl. Ganz recht! Darum sollten Sie an seinem Platze stehen, und er
+an dem Ihren.
+
+Firmin. Ich will keinen Andern aus seinem Platze verdrängen und bin
+gern da, wo ich stehe, in der Dunkelheit.
+
+Karl. Sie sollten so hoch streben, als Sie reichen können.--Daß Sie
+unter dem vorigen Minister sich in der Entfernung hielten, machte
+Ihrer Denkungsart Ehre, und ich bewunderte Sie darum nur desto mehr.
+--Sie fühlten sich zu edel, um durch die Gunst erlangen zu wollen,
+was Ihrem Verdienst gebührte. Aber Narbonne, sagt man, ist ein
+vortrefflicher Mann, der das Verdienst aussucht, der das Gute will.
+Warum wollen Sie aus übertriebener Bescheidenheit auch jetzt noch der
+Unfähigkeit und Intrigue das Feld überlassen?
+
+Firmin. Deine Leidenschaft verführt dich, Selicours Fehler und mein
+Verdienst zu übertreiben.--Sei es auch, daß Selicour für sein
+mittelmäßiges Talent zu hoch hinaus will, er ist redlich und meint es
+gut. Mag er seine Arbeit thun oder durch einen Andern thun lassen--
+wenn sie nur gethan wird!--Und gesetzt, er taugte weniger, tauge ich
+um derentwillen mehr? Wächst mir ein Verdienst zu aus seinem
+Unwerth? Ich habe mir bisher in meiner Verborgenheit ganz wohl
+gefallen und nach keinem höhern Ziel gestrebt. Soll ich in meinem
+Alter meine Gesinnung ändern? Mein Platz sei zu schlecht für mich!
+Immerhin! Weit besser, als wenn ich zu schlecht für meine Stelle
+wäre!
+
+Karl. Und ich müßte also Charlotten entsagen!
+
+
+
+Zweiter Auftritt.
+
+La Roche. Beide Firmin.
+
+
+Firmin. Kommt da nicht La Roche?
+
+La Roche (niedergeschlagen). Er selbst.
+
+Firmin. So schwermüthig? Was ist Ihnen begegnet?
+
+La Roche. Sie gehen aufs Bureau! Wie glücklich sind Sie!--Ich--
+ich will den angenehmen Morgen genießen und auf dem Wall promenieren.
+
+Firmin. La Roche! Was ist das? Sollten Sie nicht mehr--
+
+La Roche (zuckt die Achseln). Nicht mehr.--Mein Platz ist vergeben.
+Seit gestern hab' ich meinen Laufpaß erhalten.
+
+Karl. Um Gotteswillen!
+
+La Roche. Meine Frau weiß noch nichts davon. Lassen Sie sich ja
+nichts gegen sie merken. Sie ist krank; sie würde den Tod davon
+haben.
+
+Karl. Sorgen Sie nicht. Von uns soll sie nichts erfahren.
+
+Firmin. Aber sagen Sie mir, La Roche, wie--
+
+La Roche. Hat man mir das Geringste vorzuwerfen? Ich will mich
+nicht selbst loben; aber ich kann ein Register halten, meine
+Correspondenz führen, denk' ich, so gut als ein Anderer. Ich habe
+keine Schulden, gegen meine Sitten ist nichts zu sagen.--Auf dem
+Burean bin ich der Erste, der kommt, und der Letzte, der abgeht, und
+doch verabschiedet!
+
+Firmin. Wer Sie kennt, muß Ihnen das Zeugniß geben--
+
+Karl. Aber wer kann Ihnen diesen schlimmen Dienst geleistet haben?
+
+La Roche. Wer? Es ist ein Freundschaftsdienst von dem Selicour.
+
+Karl. Ist's möglich?
+
+La Roche. Ich hab' es von guter Hand.
+
+Firmin. Aber wie?
+
+La Roche. Der Selicour ist aus meinem Ort, wie Sie wissen. Wir
+haben beide gleiches Alter. Sein bischen Schreiben hat er von mir
+gelernt, denn mein Vater war Cantor in unserm Dorf. Ich hab' ihn in
+die Geschäfte eingeführt. Zum Dank dafür schickt er mich jetzt fort,
+um. Ich weiß nicht welchen Vetter von dem Kammerdiener unsers neuen
+Ministers in meinen Platz einzuschieben.
+
+Karl. Ein saubres Plänchen!
+
+Firmin. Aber wäre da nicht noch Rath zu schaffen?
+
+La Roche. Den erwart' ich von Ihnen, Herr Firmin!--Zu Ihnen wollt'
+ich mich eben wenden.--Sie denken rechtschaffen.--Hören Sie! Um
+meine Stelle ist mir's nicht zu thun; aber rächen will ich mich.
+Dieser unverschämte Bube, der gegen seine Obern so geschmeidig, so
+kriechend ist, glaubt einem armen Schlucker, wie ich bin, ungestraft
+ein Bein unterschlagen zu können.--Aber nimm dich in Acht, Freund
+Selicour!--Der verachtete Gegner soll dir sehr ernsthafte Händel
+anrichten!--Und sollt' es mir meine Stelle, meine Versorgung auf
+immer kosten--ich muß Rache haben! Für meine Freunde gehe ich ins
+Feuer, aber meine Feinde mögen an mich denken.
+
+Firmin. Nicht doch, lieber La Roche!--Vergeben und vergessen ist
+die Rache des braven Mannes.
+
+La Roche. Keine Barmherzigkeit, Herr, mit den Schelmen! Schlechte
+Bursche zu entlarven, ist ein gutes, ein verdienstliches Werk.--
+Seine Stelle, das wissen Sie recht gut, gebührt von Gott und Rechts
+wegen Ihnen--und das aus mehr als einem Grund. Aber arbeitet,
+zerschwitzt euch, laßt's euch sauer werden, ihr habt doch nur Zeit
+und Mühe umsonst vergeudet! Wer fragt nach eurem Verdienste? Wer
+bekümmert sich darum?--Kriecht, schmeichelt, macht den Krummbuckel,
+streicht den Katzenschwanz, das empfiehlt seinen Mann! Das ist der
+Weg zum Glück und zur Ehre!--So hat's dieser Selicour gemacht, und
+ihr seht, wie wohl er sich dabei befindet!
+
+Firmin. Aber thun Sie dem guten Manne nicht Unrecht, lieber La Roche?
+
+La Roche. Ich ihm Unrecht! Nun, nun--ich will mich eben für keinen
+tiefen Menschenkenner geben; aber diesen Selicour, den seh' ich durch!
+Den hab' ich--ich kenne mich selbst nicht so gut, als ich den
+kenne.--Schon in der Schule sah man, welch Früchtchen das geben
+würde! Das schwänzelte um den Lehrmeister herum und horchte und
+schmeichelte, und wußte sich fremdes Verdienst zuzueignen und seine
+Eier in fremde Nester zu legen. Das erschrak vor keiner
+Niederträchtigkeit, um sich einzuschmeicheln, einzunisten. Als er
+älter ward, ging das alles ins Große. Bald spielte erden Heuchler,
+bald den Spaßmacher, wie's die Zeit heischte; mit jedem Winde wußte
+er zu segeln. Denken Sie nicht, daß ich ihn verleumde! Man weiß,
+wie es unter dem vorigen Minister zuging.--Nun, er ist todt--ich
+will ihm nichts Böses nachreden.--Aber wie wußte dieser Selicour
+seinen Schwächen, seinen Lastern durch die schändlichsten
+Kupplerdienste zu schmeicheln!--Und kaum fällt der Minister, so ist
+er der Erste, der ihn verläßt, der ihn verleugnet!
+
+Karl. Aber wie kann er sich bei dem neuen Herrn behaupten, der ein
+so würdiger Mann ist?
+
+La Roche. Wie? Mit Heucheln. Der weiß sich nach seinen Leuten zu
+richten und seinen Charakter nach den Umständen zu verändern.--Auch
+auf eine gute Handlung kommt's ihm nicht an, wenn dabei etwas zu
+gewinnen ist, so wenig, als auf ein Bubenstück, wenn es zum Zwecke
+führt.
+
+Karl. Aber Herr Narbonne hat einen durchdringenden Geist und wird
+seinen Mann bald ausgefunden haben.
+
+La Roche. Das ist's eben, was er fürchtet.--Aber so leer sein Kopf
+an allen nützlichen Kenntnissen ist, so reich ist er an Kniffen.--So,
+zum Beispiel, spielt er den Ueberhäuften, den Geschäftvollen und
+weiß dadurch jeder gründlichen Unterredung zu entschlüpfen, wo seine
+Unwissenheit ans Licht kommen könnte.--Uebrigens trägt er sich mit
+keinen kleinen Projecten; ich kenne sie recht gut, ob er sie gleich
+tief zu verbergen glaubt.
+
+Firmin. Wieso? Was sind das für Projecte?
+
+La Roche. Narbonne, der bei dem Gouvernement jetzt sehr viel zu
+sagen hat, sucht eine fähige Person zu einem großen
+Gesandtschaftsposten. Er hat die Präsentation; wen er dazu empfiehlt,
+der ist's. Nun hat dieser Narbonne auch eine einzige Tochter,
+siebzehn Jahre alt, schön und liebenswürdig und von unermeßlichem
+Vermögen.--Gelingt's nun dem Selicour, in einem so hohen Posten aus
+dem Land und dem hellsehenden Minister aus den Augen zu kommen, so
+kann er mit Hilfe eines geschickten und diskreten Sekretärs seine
+Hohlköpfigkeit lange verbergen.--Kommt sie aber auch endlich an den
+Tag, wie es nicht fehlen kann, was thut das alsdann dem Schwiegersohn
+des Ministers? Der Minister muß also zuerst gewonnen werden, und da
+gibt man sich nun die Miene eines geübten Diplomatikers.--Die Mutter
+des Ministers ist eine gute schwatzhafte Alte, die eine Kennerin sein
+will und sich viel mit der Musik weiß.--Bei dieser Alten hat er sich
+eingenistet, hat ihr Charaden und Sonette vorgesagt, ja, und der
+Stümper hat die Dreistigkeit, ihr des Abends Arien und Lieder auf der
+Guitarre vorzuklimpern.--Das Fräulein hat Romane gelesen; bei ihr
+macht er den Empfindsamen, den Verliebten, und so ist er der Liebling
+des ganzen Hauses, von der Mutter gehätschelt, von der Tochter
+geschätzt. Die Gesandtschaft ist ihm so gut als schon gewiß, und
+nächstens wird er um die Hand der Tochter anhalten.
+
+Karl. Was hör' ich! Er sollte die Kühnheit haben, sich um
+Charlotten zu bewerben?
+
+La Roche. Die hat er, das können Sie mir glauben.
+
+Karl. Charlotten, die ich liebe, die ich anbete.
+
+La Roche. Sie lieben Sie? Sie?
+
+Firmin. Er ist ein Narr! Er ist nicht bei Sinnen! Hören Sie ihn
+nicht an!
+
+La Roche. Was hör' ich! Ist's möglich?--Nein, nein, Herr Firmin!
+Diese Liebe ist ganz und gar keine Narrheit.--Wart--wart, die kann
+uns zu etwas führen.--Diese Liebe kommt mir erwünscht--die paßt
+ganz in meine Projecte!
+
+Karl. Was träumt er?
+
+La Roche. Dieser Selicour ist in die Luft gesprengt! In die Luft,
+sag' ich.--Rein verloren!--In seinem Ehrgeiz soll ihn der Vater, in
+seiner Liebe soll ihn der Sohn aus dem Sattel heben.
+
+Firmin. Aber ich bitte Sie--
+
+La Roche. Laßt nur mich machen! Laßt mich machen, sag' ich! Und
+über kurz oder lang sind Sie Ambassadeur, und Karl heirathet Fräulein
+Charlotten.
+
+Karl. Ich Charlotten heirathen!
+
+Firmin. Ich Ambassadeur!
+
+La Roche. Nun! Nun! Warum nicht? Sie verdienten es besser, sollt'
+ich meinen, als dieser Selicour.
+
+Firmin. Lieber La Roche! Eh Sie uns andern so große Stellen
+verschaffen, dächte ich, Sie sorgten, Ihre eigene wieder zu erhalten.
+
+Karl. Das gleicht unserm Freund! So ist er! Immer unternehmend!
+immer Plane schmiedend! Aber damit langt man nicht aus! Es braucht
+Gewandtheit und Klugheit zur Ausführung--und daß der Freund es so
+leicht nimmt, das hat ihm schon schwere Händel angerichtet!
+
+La Roche. Es mag sein, ich verspreche vielleicht mehr, als ich
+halten kann. Aber alles, was ich sehe, belebt meine Hoffnung, und
+der Versuch kann nichts schaden.--Für mich selbst möchte ich um
+keinen Preis eine Intrigue spielen--aber diesen Selicour in die Luft
+zu sprengen, meinen Freunden einen Dienst zu leisten--das ist
+löblich, das ist köstlich, das macht mir ein himmlisches Vergnügen--
+und an dem Erfolg--an dem ist gar nicht zu zweifeln.
+
+Firmin. Nicht zu zweifeln? So haben Sie Ihren Plan schon in Ordnung?
+
+La Roche. In Ordnung--wie? Ich habe noch gar nicht daran gedacht;
+aber das wird sich finden, wird sich finden.
+
+Firmin. Ei!--Ei! Dieser gefährliche Plan ist noch nicht weit
+gediehen, wie ich sehe.
+
+La Roche. Sorgen Sie nicht--Ich werde mich mit Ehren herausziehn;
+dieser Selicour soll es mir nicht abgewinnen, das soll er nicht,
+dafür steh' ich.--Was braucht's der Umwege? Ich gehe geradezu, ich
+melde mich bei dem Minister, es ist nicht schwer, bei ihm vorzukommen;
+er liebt Gerechtigkeit, er kann die Wahrheit vertragen.
+
+Firmin. Wie? Was? Sie hätten die Kühnheit--
+
+La Roche. Ei was! Ich bin nicht furchtsam.--Ich fürchte Niemand.--
+Kurz und gut--Ich--spreche den Minister--ich öffne ihm die Augen.
+--Er sieht, wie schändlich er betrogen ist--das ist das Werk einer
+halben Stunde--der Selicour muß fort, fort--mit Schimpf und Schande
+fort, und ich genieße den vollkommensten Triumph.--Ja, ich stehe
+nicht dafür, daß mich der arme Teufel nicht dauert, wenn er so mit
+Schande ans dem Hause muß.
+
+Karl. Was Sie thun, lieber La Roche--Mich und meine Liebe lassen
+Sie auf jeden Fall aus dem Spiel!--Ich hoffe nichts--ich darf meine
+Wünsche nicht so hoch erheben--aber für meinen Vater können Sie nie
+zuviel thun.
+
+Firmin. Laß du mich für mich selbst antworten, mein Freund!--Sie
+meinen es gut, lieber La Roche, aber der gute Wille geht mit der
+Ueberlegung durch. Was für ein luftiges Project ist's, das Sie sich
+ausgesonnen haben! Ein leeres Hirngespinnst!--Und wäre der Erfolg
+ebenso sicher, als er es nicht ist, so würde ich doch nie meine
+Stimme dazu geben. Diese glänzenden Stellen sind nicht für mich, und
+ich bin nicht für sie; Neigung und Schicksal haben mir eine
+bescheidenere Sphäre angewiesen. Warum soll ich mich verändern, wenn
+ich mich wohl befinde? Ich hoffe, der Staat wird mich nicht suchen,
+und ich bin zu stolz, um ein Amt zu betteln--noch viel mehr aber, um
+einen Andern für mich betteln zu lassen.--Sorgen Sie also nur für
+sich selbst! Sie haben Freunde genug; es wird sich jeder gern für
+Sie verwenden.
+
+La Roche. Ihr wollt also Beide meine Dienste nicht?--Liegt nichts
+dran! Ich mache euer Glück, ihr mögt es wollen oder nicht! (Er geht
+ab.)
+
+Firmin. Er ist ein Narr; aber ein guter, und sein Unfall geht mir zu
+Herzen.
+
+Karl. Auch mich bedauern Sie, mein Vater! Ich bin unglücklicher,
+als er! Ich werde meine Charlotte verlieren!
+
+Firmin. Ich höre kommen--Es ist der Minister mit seiner Mutter--
+Laß uns gehen!--Ich will auch den Schein vermeiden, als ob ich mich
+ihm in den Weg gestellt hätte. (Gehen ab.)
+
+
+
+Dritter Auftritt.
+
+Narbonne. Madame Belmont.
+
+
+Mad. Belmont. War Herr Selicour schon bei dir?
+
+Narbonne. Ich hab' ihn heute noch nicht gesehen!
+
+Mad. Belmont. Das mußt du doch gestehen, mein Sohn, daß du einen
+wahren Schatz in diesem Manne besitzest.
+
+Narbonne. Er scheint sehr brav in seinem Fach. Und da ich mich
+einmal von meinem ländlichen Aufenthalt in diese große Stadt und in
+einen so schwierigen Posten versetzt sehe, wo es mit der
+Bücherweisheit keineswegs gethan ist. So muß ich's für ein großes
+Glück achten, daß ich einem Manne, wie Selicour, begegnete.
+
+Mad. Belmont. Der alles versteht--dem nichts fremd ist! Geschmack
+und Kenntniß--die geistreichste Unterhaltung, die angenehmsten
+Talente.--Musik, Malerei, Verse, man frage, wonach man will, er ist
+in allem zu Hause.
+
+Narbonne. Nun, und meine Tochter?
+
+Mad. Belmont. Gut, daß du mich darauf bringst. Sie hat ihre
+siebzehn Jahre; sie hat Augen; dieser Selicour hat so viele Vorzüge.
+--Und er ist galant! Sein Ausdruck belebt sich in ihrer Gegenwart.--
+O es ist mir nicht entgangen! Diese Delikatesse, diese zarten
+Aufmerksamkeiten, die er ihr beweist, sind nur einen kleinen Schritt
+weit von der Liebe!
+
+Narbonne. Nun, es wäre keine üble Partie für unser Kind! Ich sehe
+nicht auf die zufälligen Vorzüge der Geburt; hab' ich nicht selbst
+meinen Weg von unten auf gemacht? Und dieser Selicour kann es mit
+seinem Geist, seinen Kenntnissen, seiner Rechtschaffenheit noch weit
+bringen. Ich habe selbst schon bei einem ehrenvollen Posten, wozu
+man einen tüchtigen und würdigen Mann sucht, an ihn gedacht.--Nun!
+Ich will seine Fähigkeiten prüfen--zeigt er sich, wie ich nicht
+zweifle, eines solchen Postens würdig, und weiß er meiner Tochter zu
+gefallen, so werde ich ihn mit Freuden zu meinem Sohn annehmen.
+
+Mad. Belmont. Das ist mein einziger Wunsch! Er ist ein gar zu
+artiger, gefälliger, allerliebster Mann!
+
+
+
+Vierter Auftritt.
+
+Vorige. Charlotte.
+
+
+Charlotte. Guten Morgen, lieber Vater!
+
+Narbonne. Sieh da, mein Mädchen!--Nun, wie gefällt dir die große
+Stadt?
+
+Charlotte. Ach, ich wünsche mich doch wieder aufs Land hinaus--denn
+hier muß ich die Zeit abpassen, um meinen Vater zu sehen.
+
+Narbonne. Ja, ich selbst vermisse meine redlichen Landleute. Mit
+ihnen scherzte ich und war fröhlich--doch das hoffe ich auch hier zu
+bleiben.--Mein Posten soll meine Gemüthsart nicht verändern; man
+kann ein Geschäftsmann sein, und doch seine gute Laune behalten.
+
+Mad. Belmont. Mich entzückt dieser Aufenthalt. Ich--ich bin hier
+wie im Himmel. Mit aller Welt schon bin ich bekannt--alles kommt
+mir entgegen--und Herr Selicour wollte mich bei dem Lycée abonnieren.
+
+Charlotte. Denken Sie, Großmama, wen ich heute geglaubt habe zu
+sehen!--
+
+Mad. Belmont. Wen denn?
+
+Charlotte. Den jungen Offizier--
+
+Mad. Belmont. Welchen Offizier?
+
+Charlotte. Den jungen Karl Firmin--
+
+Mad. Belmont. Der zu Colmar alle Abende zu deiner Tante kam--
+
+Charlotte. Der sich immer mit Ihnen unterhielt--
+
+Mad. Belmont. Ein artiger junger Mensch!
+
+Charlotte. Nicht wahr, Großmama?
+
+Mad. Belmont. Der auch so hübsche Verse machte?
+
+Charlotte. Ja, ja, der!
+
+Mad. Belmont. Nun, da er hier ist, wird er sich auch wohl bei uns
+melden.
+
+Narbonne. Wo doch der Selicour bleibt? Er läßt diesmal auf sich
+warten!
+
+Mad. Belmont. Da kommt er eben!
+
+
+
+Fünfter Auftritt.
+
+Selicour zu den Vorigen.
+
+
+Selicour (alles bekomplimentierend). Ganz zum Entzücken find' ich
+Sie alle hier beisammen!
+
+Narbonne. Guten Morgen, lieber Selicour!
+
+Selicour (zu Narbonne, Papiere übergebend). Hier überbringe ich den
+bewußten Aufsatz--ich hielt's für dienlich, ein paar Zeilen zur
+Erläuterung beizufügen.
+
+Narbonne. Vortrefflich!
+
+Selicour (der Madame ein Billet übergebend). Der gnädigen Frau habe
+ich für das neue Stück eine Loge besprochen.
+
+Mad. Belmont. Allerliebst!
+
+Selicour. Dem gnädigen Fräulein bring' ich diesen moralischen Roman.
+
+Charlotte. Sie haben ihn doch gelesen, Herr Selicour?
+
+Selicour. Das erste Bändchen, ja, hab' ich flüchtig durchgeblättert.
+
+Charlotte. Nun, und--
+
+Selicour. Sie werden eine rührende Scene darin finden.--Ein
+unglücklicher Vater--eine ausgeartete Tochter!--Eltern hilflos, im
+Stich gelassen von undankbaren Kindern!--Gräuel, die ich nicht fasse
+--davon ich mir keinen Begriff machen kann!--Denn wiegt wohl die
+ganze Dankbarkeit unsers Lebens die Sorgen auf, die sie unserer
+hilflosen Kindheit beweisen?
+
+Mad. Belmont. In alles, was er sagt, weiß der würdige Mann doch
+etwas Delicates zu legen!
+
+Selicour (zu Narbonne). In unsern Bureaux ist eben jetzt ein Chef
+nöthig.--Der Platz ist von Bedeutung, und Viele bewerben sich darum.
+
+Narbonne. Auf Sie verlass' ich mich, Sie werden die Ansprüche eines
+Jeden zu prüfen wissen--die Dienstjahre, der Eifer, die Fähigkeit
+und vor allen die Rechtschaffenheit sind in Betrachtung zu ziehen.--
+Aber ich vergesse, daß ich zu unterzeichnen habe. Ich gehe!
+
+Selicour. Und ich will auch gleich an meine Geschäfte!
+
+Narbonne. Ich bitte Sie recht sehr, erwarten Sie mich hier, wir
+haben mit einander zu reden!
+
+Selicour. Aber ich hätte vor Tische noch so Mancherlei auszufertigen.
+
+Narbonne. Bleiben Sie, oder kommen Sie schleunigst wieder! Ich habe
+Ihre Gegenwart nöthig! Ein Mann von Ihrer Kenntniß, von Ihrer
+Rechtschaffenheit ist's, was ich gerade brauche! Kommen Sie ja bald
+zurück!--Ich hab' es gut mit Ihnen vor. (Er geht ab.)
+
+
+
+Sechster Auftritt.
+
+Vorige ohne Narbonne.
+
+
+Mad. Belmont. Sie können sich gar nicht vorstellen, Herr Selicour,
+wie große Stücke mein Sohn auf Sie hält!--Aber ich hätte zu thun,
+dächt' ich.--Unsre Verwandten, unsre Freunde speisen diesen Abend
+hier.--Wird man Sie auch sehen, Herr Selicour?
+
+Selicour. Wenn anders meine vielen Geschäfte--
+
+Mad. Belmont. Daß Sie nur ja nicht ausbleiben, sonst würde unserm
+Fest seine Krone fehlen. Sie sind die Seele unsrer Gesellschaft!--
+Und Charlotte, wollte ich wohl wetten, würde es recht sehr übel
+nehmen, wenn Sie nicht kämen.
+
+Charlotte. Ich, Mama? Nun ja! Ihre und Papa's Freunde sind mir
+immer herzlich willkommen.
+
+Mad. Belmont. Schon gut! Schon gut!--Jetzt zieh dich an! Es ist
+die höchste Zeit!--Sie müssen wissen, Herr Selicour, daß ich bei dem
+Putz präsidiere.
+
+Selicour. So kommt die schöne Kunst noch der schönen Natur zu Hilfe
+--wer könnte da widerstehen?
+
+Mad. Belmont. Er ist scharmant! Scharmant ist er! Nicht den Mund
+öffnet er, ohne etwas Geistreiches und Galantes zu sagen. (Geht mit
+Charlotten.)
+
+
+
+Siebenter Auftritt.
+
+Selicour. Michel.
+
+
+Michel (im Hereintreten). Endlich ist sie fort!--Nun kann ich mein
+Wort anbringen!--Hab' ich die Ehre, mit Herrn Selicour--
+
+Selicour (grob und verdrießlich). Das ist mein Name!
+
+Michel. Vergönnen Sie, mein Herr!--
+
+Selicour. Muß ich auch hier belästigt werden? Was will man von mir?
+
+Michel. Mein Herr!--
+
+Selicour. Gewiß eine Bettelei--ein Anliegen.--Ich kann nicht
+dienen.--
+
+Michel. Erlauben Sie, mein Herr!
+
+Selicour. Nichts! Hier ist der Ort nicht--In meinem Cabinet mag
+man einmal wieder anfragen!
+
+Michel. Einen so übeln Empfang glaubte ich nicht--
+
+Selicour. Was beliebt?
+
+Michel. Ich komme ja gar nicht, um etwas zu bitten--ich komme, dem
+Herrn Selicour meine gehorsame Danksagung abzustatten.
+
+Selicour. Danksagung? Wofür?
+
+Michel. Daß Sie meinem Neffen die Stelle verschafft haben.
+
+Selicour. Was? Wie?
+
+Michel. Ich bin erst seit gestern hier im Hause, weil mich mein Herr
+auf dem Lande zurückließ. Als ich Ihnen schrieb, hatte ich nicht die
+Ehre, Sie von Person zu kennen.
+
+Selicour. Was Sie sagen, mein Werthester! Sie wären im Dienst des
+Ministers?
+
+Michel. Sein Kammerdiener, Ihnen zu dienen!
+
+Selicour. Mein Gott, welcher Irrthum! Monsieur Michel, Kammerdiener,
+Leibdiener, Vertrauter des Herrn Ministers!--Bitte tausendmal um
+Verzeihung, Monsieur Michel!--Wahrhaftig, ich schäme mich--ich bin
+untröstlich, daß ich Sie so barsch angelassen. Auf Ehre, Monsieur
+Michel!--Ich hielt Sie für einen Commis.
+
+Michel. Und wenn ich es auch wäre!
+
+Selicour. Man wird von so vielen Zudringlichen belagert! Man kann
+es nicht allen Leuten am Rock ansehen.--
+
+Michel. Aber gegen alle kann man höflich sein, dächt' ich!
+
+Selicour. Freilich! Freilich! Es war eine unglückliche Zerstreuung!--
+
+Michel. Eine sehr unangenehme für mich, Herr Selicour!
+
+Selicour. Es thut mir leid, sehr leid--ich kann mir's in Ewigkeit
+nicht vergeben--
+
+Michel. Lassen wir's gut sein!
+
+Selicour. Nun! Nun!--ich habe Ihnen meinen Eifer bewiesen--der
+liebe, liebe Neffe, der wäre denn nun versorgt!
+
+Michel. Eben komm' ich von ihm her; er ist nicht auf den Kopf
+gefallen, der Bursch!
+
+Selicour. Der junge Mann wird seinen Weg machen. Zählen Sie auf
+mich.
+
+Michel. Schreibt er nicht seine saubre Hand?
+
+Selicour. Er schreibt gar nicht übel!
+
+Michel. Und die Orthographie--
+
+Selicour. Ja! Das ist das Wesen!
+
+Michel. Hören Sie, Herr Selicour! Von meinem Briefe an Sie lassen
+Sie sich gegen den gnädigen Herrn nichts merken. Er hat uns, da er
+zur Stadt reiste, streng anbefohlen, um nichts zu sollicitieren.--Er
+ist so etwas wunderlich, der Herr!
+
+Selicour. Ist er das? So! So!--Sie kennen ihn wohl sehr gut, den
+Herrn Minister?
+
+Michel. Da er auf einem vertrauten Fuß mit seiner Dienerschaft
+umgeht, so weiß ich ihn auswendig,--und kann Ihnen, wenn Sie wollen,
+völlige Auskunft über ihn geben.
+
+Selicour. Ich glaub's! Ich glaub's! Aber ich bin eben nicht
+neugierig, ganz und gar nicht! Sehen Sie, Monsieur Michel! Mein
+Grundsatz ist: Handle recht, scheue Niemand.
+
+Michel. Schön gesagt!
+
+Selicour. Nun also weiter! Fahren Sie nur fort, Monsieur Michel!--
+Der gute Herr ist also ein wenig eigen, sagen Sie?
+
+Michel. Er ist wunderlich, aber gut. Sein Herz ist lauter, wie Gold.
+
+Selicour. Er ist reich, er ist ein Wittwer, ein angenehmer Mann und
+noch in seinen besten Jahren.--Gestehen Sie's nur--er haßt die
+Weiber nicht, der liebe, würdige Mann.
+
+Michel. Er hat ein gefühlvolles Herz.
+
+Selicour (lächelt fein). He! He! So einige kleine Liebschaften,
+nicht wahr?
+
+Michel. Mag wohl sein; aber er ist über diesen Punkt--
+
+Selicour. Verstehe, verstehe, Monsieur Michel! Sie sind bescheiden
+und wissen zu schweigen.--Ich frage in der besten Absicht von der
+Welt; denn ich bin gewiß, man kann nichts erfahren, als was ihm Ehre
+bringt.
+
+Michel. Ja! Hören Sie! In einer von den Vorstädten sucht er ein
+Quartier.
+
+Selicour. Ein Quartier, und für wen?
+
+Michel. Das will ich schon noch herausbringen.--Aber lassen Sie
+sich ja nichts verlauten, hören Sie?
+
+Selicour. Bewahre Gott!
+
+Michel. Galant war er in der Jugend.--
+
+Selicour. Und da glauben Sie, daß er jetzt noch sein Liebchen--
+
+Michel. Das eben nicht! Aber--
+
+Selicour. Sei's, was es will! Als ein treuer Diener des würdigen
+Herrn müssen Sie einen christlichen Mantel auf seine Schwachheit
+werfen. Und warum könnte es nicht eine heimliche Wohlthat sein?
+Warum das nicht, Herr Michel?--Ich hasse die schlechten Auslegungen
+--In den Tod hasse ich, was einer übeln Nachrede gleicht.--Man muß
+immer das Beste von seinen Wohlthätern denken.--Nun! Nun! Nun, wir
+sehen uns wieder, Monsieur Michel!--Sie haben mir doch meinen
+trockenen Empfang verziehen? Haben Sie?--Auf Ehre! Ich bin noch
+ganz schamroth darüber! (Gibt ihm die Hand.)
+
+Michel (weigert sich). O nicht doch, nicht doch, Herr Selicour! Ich
+kenne meinen Platz und weiß mich zu bescheiden.
+
+Selicour. Ohne Umstände! Zählen Sie mich unter Ihre Freunde!--Ich
+bitte mir das aus, Monsieur Michel!
+
+Michel. Das werd' ich mich nimmer unterstehen--ich bin nur ein
+Bedienter.
+
+Selicour. Mein Freund! Mein Freund! Kein Unterschied zwischen uns.
+Ich bitte mir's recht aus, Monsieur Michel!
+
+(Indem sich Beide becomplimentieren. Fällt der Vorhang.)
+
+
+
+
+Zweiter Aufzug.
+
+
+
+Erster Auftritt.
+
+Narbonne und Selicour sitzen.
+
+
+Narbonne. Sind wir endlich allein?
+
+Selicour (unbehaglich).--Ja.
+
+Narbonne. Es liegt mir sehr viel an dieser Unterredung.--Ich habe
+schon eine sehr gute Meinung von Ihnen, Herr Selicour, und bin gewiß,
+sie wird sich um ein Großes vermehren, ehe wir auseinander gehen.
+Zur Sache also, und die falsche Bescheidenheit bei Seite. Sie sollen
+in der Diplomatik und im Staatsrecht sehr bewandert sein, sagt man?
+
+Selicour. Ich habe viel darin gearbeitet, und vielleicht nicht ganz
+ohne Frucht. Aber für sehr kundig möchte ich mich denn darum doch
+nicht--
+
+Narbonne. Gut! Gut! Fürs erste also lassen Sie hören--Welches
+halten Sie für die ersten Erfordernisse zu einem guten Gesandten?
+
+Selicour (stockend). Vor allen Dingen habe er eine Gewandtheit in
+Geschäften.
+
+Narbonne. Eine Gewandtheit, ja, aber die immer mit der strengsten
+Redlichkeit bestehe.
+
+Selicour. So mein' ich's.
+
+Narbonne. Weiter.
+
+Selicour. An dem fremden Hofe, wo er sich aufhält, suche er sich
+beliebt zu machen.
+
+Narbonne. Ja! Aber ohne seiner Würde etwas zu vergeben. Er
+behaupte die Ehre des Staats, den er vorstellt, und erwerbe ihm
+Achtung durch sein Betragen.
+
+Selicour. Das ist's, was ich sagen wollte. Er lasse sich nichts
+bieten und wisse sich ein Ansehen zu geben.--
+
+Narbonne. Ein Ansehen, ja, aber ohne Anmaßung.
+
+Selicour. So mein' ich's.
+
+Narbonne. Er habe ein wachsames Auge auf alles, was--
+
+Selicour (unterbricht ihn). Ueberall habe er die Augen; er wisse das
+Verborgenste aufzuspüren--
+
+Narbonne. Ohne den Aufpasser zu machen.
+
+Selicour. So mein' ich's.--Ohne eine ängstliche Neugierde zu
+verrathen.
+
+Narbonne. Ohne sie zu haben.--Er wisse zu schweigen, und eine
+bescheidene Zurückhaltung--
+
+Selicour (rasch). Sein Gesicht sei ein versiegelter Brief.
+
+Narbonne. Ohne den Geheimnißkrämer zu machen.
+
+Selicour. So mein' ich's.
+
+Narbonne. Er besitze einen Geist des Friedens und suche jeder
+gefährlichen Mißhelligkeit--
+
+Selicour. Möglichst vorzubeugen.
+
+Narbonne. Ganz recht. Er habe eine genaue Kenntniß von der
+Volksmenge der verschiedenen Länder--
+
+Selicour. Von ihrer Lage--ihren Erzeugnissen--ihrer Ein- und
+Ausfuhr--ihrer Handelsbilanz--
+
+Narbonne. Ganz recht.
+
+Selicour (im Fluß der Rede). Ihren Verfassungen--ihren Bündnissen--
+ihren Hilfsquellen--ihrer bewaffneten Macht.--
+
+Narbonne. Zum Beispiel: angenommen also, es wäre Schweden oder
+Rußland, wohin man Sie verschickte--so würden Sie wohl von diesen
+Staaten vorläufig die nöthige Kunde haben.
+
+Selicour (verlegen). Ich--muß gestehen, daß--Ich habe mich mehr
+mit Italien beschäftigt. Den Norden kenn' ich weniger.
+
+Narbonne. So! Hm!
+
+Selicour. Aber ich bin jetzt eben daran, ihn zu studieren.
+
+Narbonne. Von Italien also!
+
+Selicour. Das Land der Cäsaren fesselte billig meine Aufmerksamkeit
+zuerst. Hier war die Wiege der Künste, das Vaterland der Helden, der
+Schauplatz der erhabensten Tugend! Welche rührende Erinnerungen für
+ein Herz, das empfindet!
+
+Narbonne. Wohl! Wohl! Aber auf unser Thema zurück zu kommen!
+
+Selicour. Wie Sie befehlen! Ach, die schönen Künste haben so viel
+Anziehendes! Es läßt sich so Vieles dabei denken!
+
+Narbonne. Venedig ist's, was mir zunächst einfällt.
+
+Selicour. Venedig!--Recht! Gerade über Venedig habe ich einen
+Aufsaß angefangen, worin ich mich über alles ausführlich verbreite.--
+Ich eile, ihn herzuholen.--(Steht auf.)
+
+Narbonne. Nicht doch! Nicht doch! Eine kleine Geduld.
+
+
+
+Zweiter Auftritt.
+
+Vorige. Michel.
+
+
+Michel. Es ist Jemand draußen, der in einer dringenden Angelegenheit
+ein geheimes Gehör verlangt.--
+
+Selicour (sehr eilig). Ich will nicht stören.
+
+Narbonne. Nein! Bleiben Sie, Selicour! Dieser Jemand wird sich ja
+wohl einen Augenblick gedulden.
+
+Selicour. Aber--wenn es dringend--
+
+Narbonne. Das Dringendste ist mir jetzt unsere Unterredung.
+
+Selicour. Erlauben Sie, aber--
+
+Michel. Es sei in ein paar Minuten geschehen, sagt der Herr, und
+habe gar große Eile. (Selicour eilt ab.)
+
+Narbonne. Kommen Sie ja gleich wieder, ich bitte Sie, wenn der
+Besuch fort ist.
+
+Selicour. Ich werde ganz zu Ihren Befehlen sein.
+
+Narbonne (zu Michel). Laß ihn eintreten!
+
+
+
+Dritter Auftritt.
+
+Narbonne. La Roche.
+
+
+La Roche (mit vielen Bücklingen). Ich bin wohl--ich vermuthe--es
+ist des Herrn Ministers Excellenz, vor dem ich--
+
+Narbonne. Ich bin der Minister. Treten Sie immer näher!
+
+La Roche. Bitte sehr um Vergebung--ich--ich komme--es ist--ich
+sollte--ich bin wirklich in einiger Verwirrung--der große Respekt--
+
+Narbonne. Ei, so lassen Sie den Respekt und kommen zur Sache! Was
+führt Sie her?
+
+La Roche. Meine Pflicht, mein Gewissen, die Liebe für mein Land!--
+Ich komme, Ihnen einen bedeutenden Wink zu geben.
+
+Narbonne. Reden Sie!
+
+La Roche. Sie haben Ihr Vertrauen einem Manne geschenkt, der weder
+Fähigkeit noch Gewissen hat.
+
+Narbonne. Und wer ist dieser Mann?
+
+La Roche. Selicour heißt er.
+
+Narbonne. Was? Sel--
+
+La Roche. Gerade heraus. Dieser Selicour ist eben so unwissend, als
+er niederträchtig ist. Erlauben Sie, daß ich Ihnen eine kleine
+Schilderung von ihm mache.
+
+Narbonne. Eine kleine Geduld! (klingelt.--Michel kommt.) Ruft Herrn
+Selicour!
+
+La Roche. Mit nichten, Ihr Excellenz!--Er ist uns bei diesem
+Gespräche keineswegs nöthig.
+
+Narbonne. Nicht für Sie, das glaub' ich, aber das ist nun einmal
+meine Weise. Ich nehme keine Anklage wider Leute an, die sich nicht
+vertheidigen können.--Wenn er Ihnen gegenüber steht, mögen Sie Ihre
+Schilderung anfangen.
+
+La Roche. Es ist aber doch mißlich, Jemand ins Angesicht--
+
+Narbonne. Wenn man keine Beweise hat, allerdings--Ist das Ihr Fall--
+
+La Roche. Ich hatte nicht darauf gerechnet, es ihm gerade unter die
+Angen zu sagen--Er ist ein feiner Schelm, ein besonnener Spitzbube.
+--Ei nun! Meinetwegen auch ins Angesicht!--Zum Henker, ich fürchte
+mich nicht vor ihm.--Er mag kommen! Sie sollen sehen, daß ich mich
+ganz und gar nicht vor ihm fürchte.
+
+Narbonne. Wohl! Wohl! Das wird sich gleich zeigen. Da kommt er!
+
+
+
+Vierter Auftritt.
+
+Vorige. Selicour.
+
+
+Narbonne. Kennen Sie diesen Herrn?
+
+Selicour (sehr verlegen). Es ist Herr La Roche.
+
+Narbonne. Ich habe Sie rufen lassen, sich gegen ihn zu vertheidigen.
+Er kommt, Sie anzuklagen. Nun, reden Sie!
+
+La Roche (nachdem er gehustet). Ich muß Ihnen also sagen, daß wir
+Schulkameraden zusammen waren, daß er mir vielleicht einige
+Dankbarkeit schuldig ist. Wir singen Beide unsern Weg zugleich an--
+es sind jetzt fünfzehn Jahre--und traten Beide in dem nämlichen
+Bureau als Schreiber ein. Herr Selicour aber machte einen glänzenden
+Weg, ich--sitze noch da, wo ich ausgelaufen bin. Daß er den armen
+Teufel, der sein Jugendfreund war, seit vielen Jahren vergessen, das
+mag sein! Ich habe nichts dagegen. Aber nach einer so langen
+Vergessenheit an seinen alten Jugendfreund nur darum zu denken, um
+ihn unverdienter Weise aus seinem Brod zu treiben, wie er gethan hat,
+das ist hart, das muß mich aufbringen! Er kann nicht das geringste
+Böse wider mich sagen; ich aber sage von ihm und behaupte dreist, daß
+dieser Herr Selicour, der jetzt gegen Euer Excellenz den redlichen
+Mann spielt, einen rechten Spitzbuben machte, da die Zeit dazu war.
+Jetzt hilft er Ihnen das Gute ausführen; Ihrem Vorgänger, weiß ich
+gewiß, hat er bei seinen schlechten Stückchen redlich beigestanden.
+Wie ein spitzbübischer Lakai weiß der Heuchler mit der Livree auch
+jedesmal den Ton seines Herrn anzunehmen. Ein Schmeichler ist er,
+ein Lügner, ein Großprahler, ein übermüthiger Gesell! Niederträchtig,
+wenn er etwas sucht, und hochmüthig, unverschämt gegen Alle, die das
+Unglück haben, ihn zu brauchen. Als Knabe hatte er noch etwas
+Gutmüthiges; aber über diese menschliche Schwachheit ist er jetzt
+weit hinaus.--Nun hat er sich in eine prächtige Stelle
+eingeschlichen, und ich bin überzeugt, daß er ihr nicht gewachsen ist.
+Auf sich allein zieht er die Augen seines Chefs, und Leute von
+Fähigkeiten, von Genie, Männer, wie Herr Firmin, läßt er nicht
+aufkommen.
+
+Narbonne. Firmin! Wie?--Ist Herr Firmin in unsern Bureaux?
+
+La Roche. Ein trefflicher Kopf, das können Sie mir glauben.
+
+Narbonne. Ich weiß von ihm.--Ein ganz vorzüglicher Geschäftsmann!
+
+La Roche. Und Vater einer Familie! Sein Sohn machte in Colmar die
+Bekanntschaft Ihrer Tochter.
+
+Narbonne. Karl Firmin! Ja, ja, ganz richtig!
+
+La Roche. Ein talentvoller junger Mann!
+
+Narbonne.--Fahren Sie fort!
+
+La Roche. Nun, das wär' es! Ich habe genug gesagt, denk' ich!
+
+Narbonne (zu Selicour). Verantworten Sie sich!
+
+Selicour. Des Undanks zeiht man mich.--Mich des Undanks! Ich hätte
+gedacht, mein Freund La Roche sollte mich besser kennen!--An meinem
+Einfluß und nicht an meinem guten Willen fehlte es, wenn er so lange
+in der Dunkelheit geblieben.--Welche harte Beschuldigungen gegen
+einen Mann, den er seit zwanzig Jahren treu gefunden hat! Mit seinem
+Verdacht so rasch zuzufahren, meine Handlungen aufs schlimmste
+auszulegen und mich mit dieser Hitze, dieser Galle zu verfolgen!--
+Zum Beweis, wie sehr ich sein Freund bin--
+
+La Roche. Er mein Freund! Hält er mich für einen Dummkopf?--Und
+welche Proben hat er mir davon gegeben!
+
+Narbonne. Er hat Sie ausreden lassen!
+
+La Roche. So werde ich Unrecht behalten.
+
+Selicour. Man hat einem Andern seine Stelle gegeben, das ist wahr,
+und Keiner verdiente diese Zurücksetzung weniger als er. Aber ich
+hätte gehofft. Mein Freund La Roche, anstatt mich wie einen Feind
+anzuklagen, würde als Freund zu mir aufs Zimmer kommen und eine
+Erklärung von mir fordern. Darauf, ich gestehe es, hatte ich
+gewartet und mich schon im Voraus der angenehmen Ueberraschung
+gefreut, die ich ihm bereitete. Welche süße Freude für mich, ihn
+über alle Erwartung glücklich zu machen! Eben zu jenem Chef, wovon
+ich Eurer Excellenz heut sagte, hatte ich meinen alten Freund La
+Roche vorzuschlagen.
+
+La Roche. Mich zum Chef! Großen Dank, Herr Selicour!--Ein
+Schreiber bin ich und kein Geschäftsmann! Meine Feder und nicht mein
+Kopf muß mich empfehlen, und ich bin Keiner von Denen. Die eine Last
+auf sich nehmen, der sie nicht gewachsen sind, um sie einem Andern
+heimlich anfzuladen und sich selbst das Verdienst anzueignen.
+
+Selicour. Die Stelle schickt sich für dich, Kamerad! Glaub' mir,
+der dich besser kennt, als du selbst. (Zu Narbonne.)--Er ist ein
+trefflicher Arbeiter, genau, unermüdlich, voll gesunden Verstands; er
+verdient den Vorzug vor allen seinen Mitbewerbern.--Ich lasse Männer
+von Genie nicht aufkommen, gibt er mir Schuld, und Herr Firmin ist's,
+den er anführt.--Das Beispiel ist nicht gut gewählt, so trefflich
+auch der Mann ist.--Erstlich ist seine jetzige Stelle nicht schlecht
+--aber ihm gebührt allerdings eine bessere, und sie ist auch schon
+gefunden--denn eben Herrn Firmin wollte ich Euer Excellenz zu meinem
+Nachfolger empfehlen, wenn ich in jenen Posten versetzt werden sollte,
+den mir mein gütiger Gönner bestimmt.--Ich sei meinem jetzigen Amte
+nicht gewachsen, behauptet man.--Ich weiß wohl, daß ich nur
+mittelmäßige Gaben besitze.--Aber man sollte bedenken, daß diese
+Anklage mehr meinen Gönner trifft, als mich selbst!--Bin ich meinem
+Amte in der That nicht gewachsen, so ist der Chef zu tadeln, der es
+mir anvertraut und mit meinem schwachen Talent so oft seine
+Zufriedenheit bezeugt.--Ich soll endlich der Mitschuldige des
+vorigen Ministers gewesen sein!--Die Stimme der Wahrheit habe ich
+ihn hören lassen; die Sprache des redlichen Mannes habe ich kühnlich
+zu einer Zeit geredet, wo sich meine Ankläger vielleicht im Staube
+vor ihm krümmten.--Zwanzigmal wollte ich diesem unfähigen Minister
+den Dienst aufkündigen; nichts hielt mich zurück, als die Hoffnung,
+meinem Vaterlande nützlich zu sein. Welche süße Belohnung für mein
+Herz, wenn ich hier etwas Böses verhindern, dort etwas Gutes wirken
+konnte!--Seiner Macht habe ich getrotzt; die gute Sache habe ich
+gegen ihn verfochten, da er noch im Ansehen war! Er fiel, und ich
+zollte seinem Unglück das herzlichste Mitleid. Ist das ein
+Verbrechen, ich bin stolz darauf und rühme mich desselben.--Es ist
+hart, sehr hart für mich, lieber La Roche, daß ich dich unter meinen
+Feinden sehe--daß ich genöthigt bin, mich gegen einen Mann zu
+verteidigen. Den ich schätze und liebe!--Aber komm! Laß uns
+Frieden machen, schenke mir deine Freundschaft wieder, und alles sei
+vergessen!
+
+La Roche. Der Spitzbube!--Rührt er mich doch fast selbst!
+
+Narbonne. Nun, was haben Sie darauf zu antworten?
+
+La Roche. Ich?--Nichts! Der verwünschte Schelm bringt mich ganz
+aus dem Concepte.
+
+Narbonne. Herr La Roche! Es ist brav und löblich, einen Bösewicht,
+wo er auch stehe, furchtlos anzugreifen und ohne Schonung zu
+verfolgen--aber auf einem ungerechten Haß eigensinnig bestehen,
+zeigt ein verderbtes Herz.
+
+Selicour. Er haßt mich nicht! Ganz und gar nicht! Mein Freund La
+Roche hat das beste Herz von der Welt! Ich kenne ihn--aber er ist
+hitzig vor der Stirn--er lebt von seiner Stelle--das entschuldigt
+ihn! Er glaubte sein Brod zu verlieren! Ich habe auch gefehlt--ich
+gesteh' es--Komm! komm! Laß dich umarmen, alles sei vergessen!
+
+La Roche. Ich ihn umarmen? In Ewigkeit nicht!--Zwar, wie er's
+anstellt, weiß ich nicht, um mich selbst--um Euer Excellenz zu
+betrügen--aber kurz! Ich bleibe bei meiner Anklage.--Kein Friede
+zwischen uns, bis ich ihn entlarvt, ihn in seiner ganzen Blöße
+dargestellt habe!
+
+Narbonne. Ich bin von seiner Unschuld überzeugt--wenn nicht
+Thatsachen, vollwichtige Beweise mich eines Andern überführen.
+
+La Roche. Thatsachen! Beweise! Tausend für einen!
+
+Narbonne. Heraus damit!
+
+La Roche. Beweise genug--die Menge--aber das ist's eben--ich kann
+nichts damit beweisen!--Solchen abgefeimten Schelmen läßt sich
+nichts beweisen.--Vormals war er so arm, wie ich; jetzt sitzt er im
+Ueberfluß! Sagt' ich Ihnen, daß er seinen vorigen Einfluß zu Geld
+gemacht, daß sich sein ganzer Reichthum davon herschreibt--so kann
+ich das zwar nicht, wie man sagt, mit Brief und Siegel belegen--aber
+Gott weiß es, die Wahrheit ist's, ich will darauf leben und sterben.
+
+Selicour. Diese Anklage ist von zu niedriger Art, um mich zu treffen
+--übrigens unterwerf' ich mich der strengsten Untersuchung!--Was ich
+besitze, ist die Frucht eines fünfzehnjährigen Fleißes; ich habe es
+mit saurem Schweiß und Nachtwachen erworben, und ich glaub' es nicht
+unedel zu verwenden. Es ernährt meine armen Verwandten; es fristet
+das Leben meiner dürftigen Mutter!
+
+La Roche. Erlogen! Erlogen! Ich kann es freilich nicht beweisen!
+Aber gelogen! Unverschämt gelogen!
+
+Narbonne. Mäßigen Sie sich!
+
+Selicour. Mein Gott! Was erleb' ich! Mein Freund La Roche ist's,
+der so hart mit mir umgeht!--Was für ein Wahnsinn hat dich
+ergriffen? Ich weiß nicht, soll ich über diese Wuth lachen oder böse
+werden.--Aber lachen auf Kosten eines Freundes, der sich für
+beleidigt hält--nein, das kann ich nicht, das ist zu ernsthaft!--
+Deinen alten Freund so zu verkennen!--Komm doch zu dir selbst,
+lieber La Roche, und bringe dich wenigstens nicht aus übel
+angebrachtem Trotz um eine so treffliche Stelle, als ich dir
+zugedacht habe.
+
+Narbonne. Die Wahrheit zu sagen, Herr La Roche, diese
+Halsstarrigkeit gibt mir keine gute Meinung von Ihnen,--Muß auch ich
+Sie bitten, gegen Ihren Freund gerecht zu sein?--Auf Ehre! Der arme
+Herr Selicour dauert mich von Herzen!
+
+La Roche. Ich will das wohl glauben, gnädiger Herr! Hat er mich
+doch fast selbst, trotz meines gerechten Unwillens, auf einen
+Augenblick irre gemacht--aber nein, nein! Ich kenne ihn zu gut--zu
+gewiß bin ich meiner Sache.--Krieg, Krieg zwischen uns und keine
+Versöhnung! Hier, sehe ich, würde alles weitere Reden vergeblich
+sein; aber wiewohl der Spitzbube mich aufs Aeußerste treibt, lieber
+tausendmal Hungers sterben, als ihm mein Brod verdanken. Ich
+empfehle mich zu Gnaden! (Ab.)
+
+
+
+Fünfter Auftritt.
+
+Narbonne. Selicour.
+
+
+Narbonne. Begreifen Sie diese hartnäckige Verstocktheit--
+
+Selicour. Hat nichts zu sagen! Er ist ein guter Narr! Ich will ihn
+bald wieder besänftigen.
+
+Narbonne. Er ist rasch und unbesonnen, aber im Grunde mag er ein
+guter Mann sein.
+
+Selicour. Ein seelenguter Mann, dafür steh' ich--dem aber der Kopf
+ein wenig verschoben ist.--Es kann auch sein, daß ihn sonst Jemand
+gegen mich aufhetzt.
+
+Narbonne. Meinen Sie?
+
+Selicour. Es mag so etwas dahinter stecken.--Wer weiß? Irgend ein
+heimlicher Feind und Neider--denn dieser arme Teufel ist nur eine
+Maschine.
+
+Narbonne. Wer sollte aber--
+
+Selicour. Es gibt so Viele, die meinen Untergang wünschen!
+
+Narbonne. Haben Sie vielleicht einen Verdacht?
+
+Selicour. Ich unterdrücke ihn! Denn daß ich so etwas von Herrn
+Firmin denken sollte--Pfui! Pfui! Das wäre schändlich! Das ist
+nicht möglich!
+
+Narbonne. So denk' ich auch! Der Mann scheint mir dazu viel zu
+rechtlich und zu bescheiden.
+
+Selicour. Bescheiden, ja, das ist er!
+
+Narbonne. Sie kennen ihn also?
+
+Selicour. Wir sind Freunde.
+
+Narbonne. Nun, was halten Sie von dem Manne?
+
+Selicour. Herr Firmin, muß ich sagen, ist ein Mann, wie man sich ihn
+für das Bureau eigentlich wünscht--wenn auch eben kein Kopf, doch
+ein geschickter Arbeiter. Nicht zwar, als ob es ihm an Verstand und
+Kenntnissen fehlte--Keineswegs! Er mag viel wissen, aber man
+sieht's ihm nicht an.
+
+Narbonne. Sie machen mich neugierig, ihn zu kennen.
+
+Selicour. Ich hab' ihm schon längst darum angelegen, sich zu zeigen
+--aber vielleicht fühlt er sich für eine subalterne Rolle und für die
+Dunkelheit geboren. Ich will ihn indessen--
+
+Narbonne. Bemühen Sie sich nicht!--Gegen einen Mann von Verdiensten
+kann unser Einer unbeschadet seines Rangs die ersten Schritte thun.--
+Ich selbst will Herrn Firmin aufsuchen.--Aber jetzt wieder auf unser
+voriges Thema zurück zu kommen, das dieser La Roche unterbrochen
+hat.--
+
+Selicour (verlegen). Es ist schon etwas spät.--
+
+Narbonne. Hat nichts zu sagen.
+
+Selicour. Es wird auch jetzt die Zeit zur Audienz sein.
+
+Narbonne (sieht nach der Uhr). Ja, wahrhaftig.
+
+Selicour. Wir können es ja auf morgen--
+
+Narbonne. Gut! Auch das!
+
+Selicour. Ich will also--
+
+Narbonne. Noch ein Wort--
+
+Selicour. Was beliebt?
+
+Narbonne. Ein Geschäft kann ich Ihnen wenigstens noch auftragen, das
+zugleich Fähigkeit und Muth erfordert.
+
+Selicour. Befehlen Sie!
+
+Narbonne. Mein Vorgänger hat durch seine üble Verwaltung ein Heer
+von Mißbräuchen einreißen lassen, die trotz aller unsrer Bemühungen
+noch nicht abgestellt sind. Es wäre daher ein Memoire aufzusetzen,
+worin man alle Gebrechen aufdeckte und der Regierung selbst ohne
+Schonung die Wahrheit sagte.
+
+Selicour. Erlauben aber Euer Excellenz--eine solche Schrift könnte
+für ihren Verfasser, könnte für Sie selbst bedenkliche Folgen haben.
+
+Narbonne. Das kümmert mich nicht--Keine Gefahr, keine persönliche
+Rücksicht darf in Anschlag kommen, wo die Pflicht gebietet.
+
+Selicour. Das ist würdig gedacht!
+
+Narbonne. Sie sind der Mann zu diesem Werk--Ich brauche Ihnen
+weiter nichts darüber zu sagen.--Sie kennen das Uebel so gut und
+besser noch, als ich selbst.
+
+Selicour. Und ich bin, hoffe ich, mit Ihnen darüber einerlei Meinung.
+
+Narbonne. Ohne Zweifel. Dies Geschäft hat Eile. Ich verlasse Sie;
+verlieren Sie keine Zeit, es ist gerade jetzt der günstige Augenblick
+--ich möchte es wo möglich noch heute an die Behörde absenden.--Kurz
+und bündig--es kann mit Wenigem viel gesagt werden! Leben Sie wohl!
+Gehen Sie ja gleich an die Arbeit! (Er geht ab.)
+
+
+
+Sechster Auftritt.
+
+Selicour. Madame Belmont.
+
+
+Mad. Belmont. Sind Sie allein, Herr Selicour? Ich wollte erwarten,
+bis er weggegangen wäre--er darf nichts davon wissen.
+
+Selicour. Wovon ist die Rede, Madame?
+
+Mad. Belmont. Wir wollen heute Abend ein kleines Concert geben, und
+meine Charlotte soll sich dabei hören lassen.
+
+Selicour. Sie singt so schön!
+
+Mad. Belmont. Sie geben sich auch zuweilen mit Versen ab? Nicht
+wahr?
+
+Selicour. Wer macht nicht einmal in seinem Leben Verse!
+
+Mad. Belmont. Nun, so machen Sie uns ein Lied oder so etwas für
+heute Abend!
+
+Selicour. Eine Romanze meinen Sie?
+
+Mad. Belmont. Gut, die Romanzen lieben wir besonders!
+
+Selicour. Wenn der Eifer den Mangel des Genies ersetzen könnte--
+
+Mad. Belmont. Schon gut! Schon gut! Ich verstehe.
+
+Selicour. Und ich brauchte allerdings so ein leichtes Spielwerk zu
+meiner Erholung!--Ich bin die ganze Nacht aufgewesen, um Acten
+durchzugehen und Rechnungen zu korrigieren!
+
+Mad. Belmont. Eine niederträchtige Beschäftigung!
+
+Selicour. Daß ich mich wirklich ein wenig angegriffen fühle.--Wer
+weiß! Die Blume der Dichtkunst erquickt mich vielleicht mit ihrem
+lieblichen Hauch, und du, Balsam der Herzen, heilige Freundschaft!
+
+
+
+Siebenter Auftritt.
+
+Vorige. Robineau.
+
+
+Robineau (hinter der Scene). Nu! Nu! Wenn er drinn ist, wird mir's
+wohl auch erlaubt sein. Denk' ich--
+
+Mad. Belmont. Was gibt's da?
+
+Robineau (im Eintreten). Dieses Bedientenpack bildet sich mehr ein
+als seine Herrschaft.--Ich will den Herrn Selicour sprechen.
+
+Selicour. Ich bin's.
+
+Robineau. Das will ich bald sehen.--Ja, mein Seel, das ist er!--
+leibhaftig--Ich seh' ihn noch, wie er sich im Dorf mit den Jungens
+herum jagte.--Nun seh' Er jetzt auch 'mal mich an--betracht' Er
+mich wohl. Ich bin wohl ein bischen verändert--Kennt Er mich?
+
+Selicour. Nein!
+
+Robineau. Ei, ei, ich bin ja des Robineau's Christoph, des Winzers,
+der die dicke Madelon heirathete, Seines Großvaters Muhme, Herr
+Selicour!
+
+Selicour. Ach so!
+
+Robineau. Nun--Vetter pflegen sich sonst zu umarmen, denk' ich.
+
+Selicour. Mit Vergnügen.--Seid mir willkommen, Vetter!
+
+Robineau. Großen Dank, Vetter!
+
+Selicour. Aber laßt uns auf mein Zimmer gehen--ich bin hier nicht
+zu Hause.
+
+Mad. Belmont. Lassen Sie sich nicht stören, Herr Selicour! Thun
+Sie, als wenn ich gar nicht da wäre.
+
+Selicour. Mit Ihrer Erlaubniß, Madame, Sie sind gar zu gütig! Man
+muß ihm sein schlichtes Wesen zu gute halten; er ist ein guter
+ehrlicher Landmann und ein Vetter, den ich sehr lieb habe.
+
+Mad. Belmont. Das sieht Ihnen ähnlich, Herr Selicour!
+
+Robineau. Ich komme so eben an, Herr Vetter!
+
+Selicour. So--und woher denn?
+
+Robineau. Ei, woher sonst als von unserm Dorf.--Dieses Paris ist
+aber auch wie zwanzig Dörfer.--Schon über zwei Stunden, daß ich aus
+dem Postwagen gestiegen, treib' ich mich herum, um Ihn und den La
+Roche aufzusuchen, Er weiß ja, Seinen Nachbar und Schulkameraden.--
+Nun, da find' ich Ihn ja endlich, und nun mag's gut sein!
+
+Selicour. Er kommt in Geschäften nach Paris, Vetter?
+
+Robineau. In Geschäften! Hat sich wohl! Ein Geschäft hab' ich
+freilich--
+
+Selicour. Und welches denn?
+
+Robineau. Je nun--mein Glück hier zu machen, Vetter!
+
+Selicour. Ha! Ha!
+
+Robineau. Nun, das Geschäft ist wichtig genug, denk' ich.
+
+Selicour (zu Madame Belmont). Excusieren Sie.
+
+Mad. Belmont. Er belustigt mich. Selicour. Er ist sehr kurzweilig.
+
+Robineau. Peter, der Kärrner, meinte, der Vetter habe sich in Paris
+seine Pfeifen gut geschnitten.--Als er noch klein war, der Vetter,
+da sei er ein loser Schelm gewesen; da hätt's geheißen: Der verdirbt
+nicht--der wird seinen Weg schon machen!--Wir hatten auch schon von
+Ihm gehört; aber die Nachrichten lauteten gar zu schön, als daß wir
+sie hätten glauben können. Wie wir aber nicht länger daran zweifeln
+konnten, sagte mein Vater zu mir: Geh hin, Christoph! Suche den
+Vetter Selicour in Paris auf! Die Reise wird dich nicht reuen--
+Vielleicht machst du dein Glück mit einer guten Heirath.--Ich,
+gleich auf den Weg, und da bin ich nun!--Nehmen Sie mir's nicht übel,
+Madame! Die Robineaus gehen gerade aus; was das Herz denkt, muß die
+Zunge sagen--und wie ich den lieben Herrn Vetter da so vor mir sah,
+sehen Sie, so ging mir das Herz auf.
+
+Mad. Belmont. Ei, das ist ganz natürlich.
+
+Robineau. Hör' Er, Vetter, ich möchte herzlich gern auch mein Glück
+machen! Er weiß das Geheimniß, wie man's anfängt; theil' Er mir's
+doch mit.
+
+Selicour. Sei immer rechtschaffen, wahr und bescheiden! Das ist
+mein ganzes Geheimniß, Vetter, weiter hab' ich keins.--Es ist doch
+alles wohl zu Hause?
+
+Robineau. Zum Preis Gottes, ja! Die Familie gedeiht. Der Bertrand
+hat seine Susanne geheirathet; sie wird bald niederkommen und hofft,
+der Herr Vetter wird zu Gevatter stehen. Es ist alles in guten
+Umständen, bis auf Seine arme Mutter.--Die meint, es war' doch hart,
+daß sie Noth leiden müsse und einen so steinreichen Sohn in der Stadt
+habe.
+
+Selicour (leise). Halt's Maul, Dummkopf!
+
+Mad. Belmont. Was sagt er von der Mutter?
+
+Selicour (laut). Ist's möglich? Die tausend Thaler, die ich ihr
+geschickt, sind also nicht angekommen?--Das thut mir in der Seele
+weh!--Was das doch für schlechte Anstalten sind auf diesen Posten--
+Die arme, gute Mutter! Was mag sie ausgestanden haben!
+
+Mad. Belmont. Ja wohl! Man muß ihr helfen.
+
+Selicour. Das versteht sich! Sogleich bitte ich den Minister um
+Urlaub--es ist eine gerechte Forderung. Ich kann darauf bestehen--
+Die Pflicht der Natur geht allen andern vor--Ich eile nach meinem
+Ort--in acht Tagen ist alles abgethan!--Sie hat sich nicht in Paris
+niederlassen wollen, wie sehr ich sie auch darum bat! Die liebe alte
+Mutter hängt gar zu sehr an ihrem Geburtsort.
+
+Robineau. So kann ich gar nicht aus ihr klug werden; denn zu uns
+sagte sie, sie wäre gern nach Paris gekommen, aber der Vetter habe es
+durchaus nicht haben wollen!
+
+Selicour. Die gute Frau weiß selbst nicht immer, was sie will!--
+Aber sie nothleidend zu wissen--ach Gott! Das jammert mich und
+schneidet mir ins Herz.
+
+Mad. Belmont. Ich glaub's Ihnen wohl, Herr Selicour! Aber Sie
+werden bald Rath geschafft haben. Ich gehe jetzt und lasse Sie mit
+Ihrem Vetter allein.--Glücklich ist die Gattin, die Sie einst
+besitzen wird. Ein so pflichtvoller Sohn wird gewiß auch ein
+zärtlicher Gatte werden! (Ab.)
+
+
+
+Achter Auftritt.
+
+Selicour und Robineau.
+
+
+Robineau. Meiner Treu, Herr Vetter, ich bin ganz verwundert über Ihn
+--eine so herzliche Aufnahme hätt' ich mir gar nicht von Ihm erwartet.
+Der ist gar stolz und hochmüthig, hieß es, der wird dich gar nicht
+mehr erkennen!
+
+Selicour (nachdem er wohl nachgesehen, ob Madame Belmont auch fort
+ist). Sage mir, du Esel! Was fällt dir ein, daß du mir hier so zur
+Unzeit über den Hals kommst!
+
+Robineau. Nun, nun! Wie ich Ihm schon sagte, ich komme, mein Glück
+zu machen!
+
+Selicour. Dein Glück zu machen! Der Schafskopf!
+
+Robineau. Ei, ei, Vetter! Wie Er mit mir umgeht; ich lasse mir
+nicht so begegnen.
+
+Selicour. Du thust wohl gar empfindlich--schade um deinen Zorn--
+Von seinem Dorf weg nach Paris zu laufen! Der Tagdieb!
+
+Robineau. Aber was das auf einmal für ein Betragen ist, Herr Vetter!
+--Erst der freundliche Empfang und jetzt diesen barschen Ton mit mir!
+--Das ist nicht ehrlich und gerade gehandelt, nehm' Er mir's nicht
+übel, das ist falsch--und wenn ich das weiter erzählte, wie Er mit
+mir umgeht--'s würde Ihm schlechte Ehre bringen! Ja, das würd' es!
+
+Selicour (erschrocken). Weitererzählen! Was?
+
+Robineau. Ja, ja, Vetter!
+
+Selicour. Untersteh dich, Bube!--Ich will dich unterbringen--ich
+will für die Mutter sorgen. Sei ruhig, ich schaffe dir einen Platz,
+verlaß dich darauf!
+
+Robineau. Nun, wenn Er das--
+
+Selicour. Aber hier können wir nicht davon reden! Fort! Auf mein
+Zimmer!
+
+Robineau. Ja, hör' Er, Vetter! Ich möchte so gern ein recht ruhiges
+und bequemes Brod. Wenn Er mich so bei der Accise unterbringen
+könnte.
+
+Selicour. Verlaß dich drauf; ich schaffe dich an den rechten Platz.
+--Ins Dorf mit dem dummen Dorfteufel über Hals und Kopf.--(Ab.)
+
+
+
+
+Dritter Aufzug.
+
+
+
+Erster Auftritt.
+
+La Roche und Karl Firmin begegnen einander.
+
+
+La Roche. Ich suchte Sie schon längst.--Hören Sie!--Nun, ich hab'
+Wort gehalten--ich hab' ihn dem Minister abgeschildert, diesen
+Selicour.
+
+Karl. Wirklich? Und es ist also vorbei mit ihm? Ganz vorbei?
+
+La Roche. Das nun eben nicht!--noch nicht ganz--denn ich muß Ihnen
+sagen, er hat sich herausgelogen, daß ich da stand, wie ein rechter
+Dummkopf--Der Heuchler stellte sich gerührt, er spielte den
+zärtlichen Freund, den Großmüthigen mit mir, er überhäufte mich mit
+Freundschaftsversicherungen und will mich bei dem Bureau als Chef
+anstellen.
+
+Karl. Wie? Was? Das ist ja ganz vortrefflich! Da wünsche ich
+Glück.
+
+La Roche. Für einen Glücksjäger hielt ich ihn; ich hatte geglaubt,
+daß es ihm nur um Stellen und um Geld zu thun wäre; für so falsch und
+verrätherisch hätte ich ihn nie gehalten. Der Heuchler mit seinem
+süßen Geschwätz! Ich war aber sein Narr nicht und hab' es rundweg
+ausgeschlagen!
+
+Karl. Und so sind wir noch, wo wir waren? Und mein Vater ist nicht
+besser daran, als vorher?
+
+La Roche. Wohl wahr--aber lassen Sie mich nur machen! Lassen Sie
+mich machen!
+
+Karl. Ich bin auch nicht weiter. In den Garten hab' ich mich
+geschlichen, ob ich dort vielleicht meiner Geliebten begegnen möchte.
+--Aber vergebens! Einige Strophen, die ich mir in der Einsamkeit
+ausdachte, sind die ganze Ausbeute, die ich zurückbringe.
+
+La Roche. Vortrefflich! Brav! Machen Sie Verse an Ihre Geliebte!
+Unterdessen will ich die Spur meines Wildes verfolgen :der Schelm
+betrügt sich sehr, wenn er glaubt, ich habe meinen Plan aufgegeben.
+
+Karl. Lieber La Roche! Das ist unter unserer Würde. Lassen wir
+diesen Elenden sein schmutziges Handwerk treiben und das durch unser
+Verdienst erzwingen, was er durch Niederträchtigkeit erschleicht.
+
+La Roche. Weg mit diesem Stolz! Es ist Schwachheit, es ist
+Vorurtheil!--Wie? Wollen wir warten, bis die Redlichkeit die Welt
+regiert--da würden wir lange warten müssen. Alles schmiedet Ränke!
+Wohl, so wollen wir einmal für die gute Sache ein Gleiches versuchen.
+--Das geht übrigens Sie nichts an.--Machen Sie Ihre Verse, bilden
+Sie Ihr Talent aus, ich will es geltend machen, ich--das ist meine
+Sache!
+
+Karl. Ja, aber die Klugheit nicht vergessen.--Sie haben sich heute
+übel ertappen lassen.
+
+La Roche. Und es wird nicht das letzte Mal sein.--Aber thut nichts!
+Ich schreite vorwärts. Ich lasse mich nicht abschrecken, ich werde
+ihm so lange und so oft zusetzen, daß ich ihm endlich doch Eins
+beibringe. Ich bin lange sein Narr gewesen, jetzt will ich auch ihm
+einen Possen spielen. Lassen wir's den Buben so forttreiben, wie
+er's angefangen, so werde ich bald der Schelm und Ihr Vater der
+Dummkopf sein müssen!
+
+Karl. Man kommt!
+
+La Roche. Er ist es selbst!
+
+Karl. Ich kann seinen Anblick nicht ertragen. In den Garten will
+ich zurückgehen und mein Gedicht vollenden. (Ab.)
+
+La Roche. Ich will auch fort! Auf der Stelle will ich Hand ans Werk
+legen. Doch nein--es ist besser, ich bleibe. Der Geck glaubte
+sonst, ich fürchte mich vor ihm!
+
+
+
+Zweiter Auftritt.
+
+Selicour und La Roche.
+
+
+Selicour. Ach, sieh da! Finde ich den Herrn La Roche hier?
+
+La Roche. Ihn selbst, Herr Selicour!
+
+Selicour. Sehr beschämt, wie ich sehe.
+
+La Roche. Nicht sonderlich.
+
+Selicour. Ihr wüthender Ausfall gegen mich hat nichts gefruchtet--
+Der Freund hat seine Bolzen umsonst verschossen.
+
+La Roche. Hat nichts zu sagen.
+
+Selicour. Wahrlich, Freund La Roche! So hart Sie mir auch zusetzten
+--Sie haben mir leid gethan mit Ihren närrischen Grillen.
+
+La Roche. Herr Narbonne ist jetzt nicht zugegen.--Zwingt Euch nicht!
+
+Selicour. Was beliebt?
+
+La Roche. Seid unverschämt nach Herzensgelüsten.
+
+Selicour. Sieh doch!
+
+La Roche. Brüstet Euch mit Eurem Triumph. Ihr habt mir's abgewonnen!
+
+Selicour. Freilich, es kann Einen stolz machen, über einen so
+fürchterlichen Gegner gesiegt zu haben.
+
+La Roche. Wenn ich's heute nicht recht machte, in Eurer Schule will
+ich's bald besser lernen.
+
+Selicour. Wie, Herr La Roche? Sie haben es noch nicht aufgegeben,
+mir zu schaden?
+
+La Roche. Um eines unglücklichen Zugs willen verläßt man das Spiel
+nicht!
+
+Selicour. Ein treuer Schildknappe also des ehrlichen Firmins!--Sieh,
+sieh!
+
+La Roche. Er muß dir oft aus der Noth helfen, dieser ehrliche Firmin.
+
+Selicour. Was gibt er dir für deine Ritterschaft?
+
+La Roche. Was bezahlst du ihm für die Exercitien, die er dir
+ausarbeitet?
+
+Selicour. Nimm dich in Acht, Freund Roche!--Ich könnte dir schlimme
+Händel anrichten.
+
+La Roche. Werde nicht böse, Freund Selicour!--Der Zorn verräth ein
+böses Gewissen.
+
+Selicour. Freilich sollte ich über deine Thorheit nur lachen.
+
+La Roche. Du verachtest einen Feind, der dir zu schwach scheint.
+Ich will darauf denken, deine Achtung zu verdienen! (Geht ab.)
+
+
+
+Dritter Auftritt.
+
+Selicour allein.
+
+
+Sie wollen den Firmin zum Gesandten haben.--Gemach, Kamerad!--So
+weit sind wir noch nicht.--Aber Firmin betrug sich immer so gut
+gegen mich.--Es ist der Sohn vermutlich--der junge Mensch, der sich
+mit Versen abgibt, ganz gewiß--und dieser La Roche ist's, der sie
+hetzt!--Dieser Firmin hat Verdienste, ich muß es gestehen, und wenn
+sie je seinen Ehrgeiz aufwecken, so kenne ich Keinen, der mir
+gefährlicher wäre.--Das muß verhütet werden!--Aber in welcher
+Klemme sehe ich mich!--Eben diese beiden Firmins wären mir jetzt
+gerade höchst nöthig, der Vater mit seinen Einsichten und der Sohn
+mit seinen Versen.--Laß uns fürs erste Nutzen von ihnen ziehen, und
+dann schafft man sie sich schon gelegentlich vom Halse.
+
+
+
+Vierter Auftritt.
+
+Firmin der Vater und Selicour.
+
+
+Selicour. Sind Sie's, Herr Firmin? Eben wollte ich zu Ihnen.
+
+Firmin. Zu mir?
+
+Selicour. Mich mit Ihnen zu erklären--
+
+Firmin. Worüber?
+
+Selicour. Ueber eine Armseligkeit--Lieber Firmin, es ist mir ein
+rechter Trost, Sie zu sehen.--Man hat uns veruneinigen wollen.
+
+Firmin. Uns veruneinigen?
+
+Selicour. Ganz gewiß. Aber es soll ihnen nicht gelingen, hoff' ich.
+Ich bin Ihr wahrer und aufrichtiger Freund, und ich hab' es heute
+bewiesen, denk' ich, da dieser tollköpfige La Roche mich bei dem
+Minister anschwärzen wollte.
+
+Firmin. Wie? Hätte der La Roche--
+
+Selicour. Er hat mich auf das abscheulichste preisgegeben.
+
+Firmin. Er hat seine Stelle verloren.--Setzen Sie sich an seinen
+Platz.
+
+Selicour. Er ist ein Undankbarer! Nach allem, was ich für ihn
+gethan habe--Und es geschehe, sagte er, um Ihnen dadurch einen
+Dienst zu leisten.--Er diente Ihnen aber schlecht. Da er mir zu
+schaden suchte.--Was will ich denn anders, als Ihr Glück?--Aber ich
+weiß besser, als dieser Brauskopf, was Ihnen dient. Darum habe ich
+mir schon ein Plänchen mit Ihnen ausgedacht.--Das lärmende Treiben
+der Bureaux ist Ihnen verhaßt, das weiß ich; Sie lieben nicht, in der
+geräuschvollen Stadt zu leben.--Es soll für Sie gesorgt werden, Herr
+Firmin!--Sie suchen sich irgend ein einsames stilles Plätzchen aus,
+ziehen einen guten Gehalt, ich schicke Ihnen Arbeit hinaus, Sie mögen
+gern arbeiten, es soll Ihnen nicht daran fehlen.
+
+Firmin. Aber wie--
+
+Selicour. Das sind aber bloß noch Ideen, es hat noch Zeit bis dahin.
+--Glücklich, der auf der ländlichen Flur seine Tage lebt! Ach, Herr
+Firmin! So wohl wird es mir nicht! Ich bin in die Stadt gebannt,
+ein Lastthier der Verhältnisse, den Pfeilen der Bosheit preisgegeben.
+Auch hielt ich's für die Pflicht eines guten Verwandten, einen
+Vetter, der sich hier niederlassen wollte, über Hals und Kopf wieder
+aufs Land zurück zu schicken.--Der gute Vetter! Ich bezahlte ihm
+gern die Reisekosten--denn, sagen Sie selbst, ist's nicht unendlich
+besser, auf dem Land in der Dunkelheit frei zu leben, als hier in der
+Stadt sich zu placken und zu quälen?--
+
+Firmin. Das ist meine Meinung auch.--Aber was wollten Sie
+eigentlich bei mir?
+
+Selicour. Nun, wie ich sagte, vor allen Dingen mich von der
+Freundschaft meines lieben Mitbruders überzeugen--und alsdann--Sie
+haben mir so oft schon aus der Verlegenheit geholfen; ich verhehle es
+nicht, ich bin Ihnen so viel--so Vieles schuldig--mein Posten
+bringt mich um--mir liegt so Vieles auf dem Halse--wahrhaftig, es
+braucht meinen ganzen Kopf, um herum zu kommen--Sie sind zufrieden
+mit unserm Minister?
+
+Firmin. Ich bewundere ihn.
+
+Selicour. Ja, das nenn' ich einmal einen fähigen Chef! Und wahrlich,
+es war auch die höchste Noth, daß ein solcher an den Platz kam, wenn
+nicht alles zu Grunde gehen sollte.--Es ist noch nicht alles, wie es
+soll, sagte ich ihm heute--wollen Sie, daß alles seinen rechten Gang
+gehe, so müßten Sie ein Memoire einreichen, worin alles, was noch zu
+verbessern ist, mit der strengsten Wahrheit angezeigt wäre.--Diese
+meine Idee hat er mit Eifer ergriffen und will eine solche Schrift
+unverzüglich aufgesetzt haben.--Er trug sie mir auf--aber die
+unendlichen Geschäfte, die auf mir liegen--in der That, ich zittre,
+wenn ich an einen Zuwachs denke--
+
+Firmin. Und da rechnen Sie denn auf mich--nicht wahr?
+
+Selicour. Nun ja, ich will's gestehen!
+
+Firmin. Sie konnten sich diesmal an keinen Bessern wenden!
+
+Selicour. O das weiß ich! Das weiß ich!
+
+Firmin. Denn da ich so lange Zeit von den Mißbräuchen unter der
+vorigen Verwaltung Augenzeuge war--so habe ich, um nicht bloß als
+müßiger Zuschauer darüber zu seufzen, meine Beschwerden und
+Verbesserungspläne dem Papiere anvertraut--und so findet sich, daß
+die Arbeit, die man von Ihnen verlangt, von mir wirklich schon gethan
+ist!--Ich hatte mir keinen bestimmten Gebrauch dabei gedacht--ich
+schrieb bloß nieder, um mein Herz zu erleichtern.
+
+Selicour. Ist's möglich? Sie hätten--
+
+Firmin. Es liegt alles bereit, wenn Sie davon Gebrauch machen wollen.
+
+Selicour. Ob ich das will! O mit Freuden!--Das ist ja ein ganz
+erwünschter Zufall!
+
+Firmin. Aber die Papiere sind nicht in der besten Ordnung!
+
+Selicour. O diese kleine Mühe übernehm' ich gern--noch heute Abend
+soll der Minister das Memoire haben--Ich nenne Sie als Verfasser,
+Sie sollen den Ruhm davon haben.
+
+Firmin. Sie wissen, daß mir's darauf eben nicht ankommt! Wenn ich
+nur Gutes stifte, gleichviel, unter welchem Namen.
+
+Selicour. Würdiger, scharmanter Mann! Niemand läßt Ihrem
+bescheidnen Verdienst mehr Gerechtigkeit widerfahren, als ich.--Sie
+wollen mir also die Papiere--
+
+Firmin. Ich kann sie gleich holen. Wenn Sie so lange verziehen
+wollen.
+
+Selicour. Ja, gehen Sie! Ich will hier warten.
+
+Firmin. Da kommt mein Sohn--Er kann Ihnen unterdessen Gesellschaft
+leisten--Aber sagen Sie ihm nichts davon--hören Sie! Ich bitte
+mir's aus!
+
+Selicour. So! Warum denn nicht?
+
+Firmin. Aus Ursachen.
+
+Selicour. Nun, wenn Sie so wollen! Es wird mir zwar sauer werden,
+Ihre Gefälligkeit zu verschweigen.--(Wenn Firmin fort ist.) Der arme
+Schelm! Er fürchtet wohl gar, sein Sohn werde ihn auszanken.
+
+
+
+Fünfter Auftritt.
+
+Karl. Selicour.
+
+
+Karl (kommt, in einem Papier lesend, das er beim Anblick Selicours
+schnell verbirgt). Schon wieder dieser Selicour--(Will gehen.)
+
+Selicour. Bleiben Sie doch, mein junger Freund!--Warum fliehen Sie
+so die Gesellschaft?
+
+Karl. Verzeihung, Herr Selicour!--(Für sich.) Daß ich dem Schwätzer
+in den Weg laufen mußte!
+
+Selicour. Ich habe mich schon längst darnach gesehnt, Sie zu sehen,
+mein Bester!--Was machen die Musen? Wie fließen uns die Verse?--
+Der gute Herr Firmin hat allerlei dagegen, ich weiß aber, er hat
+Unrecht.--Sie haben ein so entschiednes Talent!--Wenn die Welt Sie
+nur erst kennte--aber das wird kommen! Noch heute früh sprach ich
+von Ihnen--
+
+Karl. Von mir?
+
+Selicour. Mit der Mutter unsers Herrn Ministers--und man hat schon
+ein gutes Vorurtheil für Sie, nach der Art, wie ich Ihrer erwähnte.
+
+Karl. So! Bei welchem Anlaß war das?
+
+Selicour. Sie macht die Kennerin--ich weiß nicht, wie sie dazu
+kommt--Man schmeichelt ihr, ihres Sohnes wegen.--Wie? Wenn Sie ihr
+auf eine geschickte feine Art den Hof machten--derentwegen wollte
+ich Sie eben aufsuchen.--Sie verlangte ein paar Couplets von mir für
+diesen Abend.--Nun habe ich zwar zu meiner Zeit auch meinen Vers
+gemacht, wie ein Andrer, aber der Witz ist eingerostet in den
+leidigen Geschäften! Wie wär's nun, wenn Sie statt meiner die
+Verschen machten.--Sie vertrauten sie mir an--ich lese sie vor--
+man ist davon bezaubert--man will von mir wissen--Ich--ich nenne
+Sie! Ich ergreife diese Gelegenheit, Ihnen eine Lobrede zu halten.--
+Alles ist voll von Ihrem Ruhm, und nicht lange, so ist der neue Poet
+fertig, eben so berühmt durch seinen Witz, als seinen Degen!
+
+Karl. Sie eröffnen mir eine glänzende Aussicht!
+
+Selicour. Es steht ganz in Ihrer Gewalt, sie wirklich zu machen!
+
+Karl (für sich). Er will mich beschwatzen! Es ist lauter Falschheit,
+ich weiß es recht gut, daß er falsch ist--aber, wie schwach bin ich
+gegen das Lob! Wider meinen Willen könnte er mich beschwatzen.--(Zu
+Selicour.) Man verlangt also für diesen Abend--
+
+Selicour. Eine Kleinigkeit! Ein Nichts! Ein Liedchen--wo sich auf
+eine ungezwungene Art so ein feiner Zug zum Lobe des Ministers
+anbringen ließe.--
+
+Karl. Den Lobredner zu machen, ist meine Sache nicht! Die Würde der
+Dichtkunst soll durch mich nicht so erniedrigt werden. Jedes Lob,
+auch wenn es noch so verdient ist, ist Schmeichelei, wenn man es an
+die Großen richtet.
+
+Selicour. Der ganze Stolz eines echten Musensohns! Nichts von
+Lobsprüchen also--aber so etwas von Liebe--Zärtlichkeit--
+Empfindung--
+
+Karl (sieht sein Papier an). Konnte ich denken, da ich sie
+niederschrieb, daß ich so bald Gelegenheit haben würde?
+
+Selicour. Was? Wie? Das sind doch nicht gar Verse--
+
+Karl. O verzeihen Sie! Eine sehr schwache Arbeit--
+
+Selicour. Ei was! Mein Gott! Da hätten wir ja gerade, was wir
+brauchen!--Her damit, geschwind!--Sie sollen bald die Wirkung davon
+erfahren--Es braucht auch gerade keine Romanze zu sein--diese
+Kleinigkeiten--diese artigen Spielereien thun oft mehr, als man
+glaubt--dadurch gewinnt man die Frauen, und die Frauen machen alles.
+--Geben Sie! Geben Sie!--Wie! Sie stehen an? Nun, wie Sie wollen!
+Ich wollte Ihnen nützlich sein--Sie bekannt machen--Sie wollen
+nicht bekannt sein--Behalten Sie Ihre Verse! Es ist Ihr Vortheil,
+nicht der meine, den ich dabei beabsichtete.
+
+Karl. Wenn nur--
+
+Selicour. Wenn Sie sich zieren--
+
+Karl. Ich weiß aber nicht--
+
+Selicour (reißt ihm das Papier aus der Hand). Sie sind ein Kind!
+Geben Sie! Ich will Ihnen wider Ihren Willen dienen--Ihr Vater
+selbst soll Ihrem Talente bald Gerechtigkeit erzeigen. Da kommt er!
+(Er steckt das Papier in die rechte Tasche.)
+
+
+
+Sechster Auftritt.
+
+Beide Firmins. Selicour.
+
+
+Firmin. Hier, mein Freund!--aber reinen Mund gehalten! (Gibt ihm
+das Papier heimlich.)
+
+Selicour. Ich weiß zu schweigen. (Steckt das Papier in die linke
+Rocktasche.)
+
+Karl (für sich). That ich Unrecht, sie ihm zu geben--Was kann er
+aber auch am Ende mit meinen Versen machen?
+
+Selicour. Meine werthen Freunde! Sie haben mir eine köstliche
+Viertelstunde geschenkt--aber man vergißt sich in Ihrem Umgang.--
+Der Minister wird auf mich warten--ich reiße mich ungern von Ihnen
+los, denn man gewinnt immer etwas bei so würdigen Personen. (Geht ab,
+mit beiden Händen an seine Rocktaschen greifend.)
+
+
+
+Siebenter Auftritt.
+
+Beide Firmins.
+
+
+Firmin. Das ist nun der Mann, den du einen Ränkeschmied und
+Kabalenmacher nennst--und kein Mensch nimmt hier mehr Antheil an mir,
+als er!
+
+Karl. Sie mögen mich nun für einen Träumer halten--aber je mehr er
+Ihnen schön thut, desto weniger trau' ich ihm--Dieser süße Ton, den
+er bei Ihnen annimmt--Entweder er braucht Sie, oder er will Sie zu
+Grund richten.
+
+Firmin. Pfui über das Mißtrauen!--Nein, mein Sohn! Und wenn ich
+auch das Opfer der Bosheit werden sollte--so will ich doch so spät
+als möglich das Schlechte von Andern glauben.
+
+
+
+Achter Auftritt.
+
+Vorige. La Roche.
+
+
+La Roche. Sind Sie da, Herr Firmin!--Es macht mir herzliche Freude
+--der Minister will Sie besuchen.
+
+Karl. Meinen Vater?--
+
+Firmin. Mich?
+
+La Roche. Ja, Sie!--Ich hab' es wohl bemerkt, wie ich ein Wort von
+Ihnen fallen ließ, daß Sie schon seine Aufmerksamkeit erregt hatten.
+--Diesem Selicour ist auch gar nicht wohl dabei zu Muthe--So ist
+mein heutiger Schritt doch zu etwas gut gewesen.
+
+Karl. O so sehen Sie sich doch wider Ihren eigenen Willen ans Licht
+hervorgezogen!--Welche glückliche Begebenheit!
+
+Firmin. Ja, ja! Du siehst mich in deinen Gedanken schon als
+Ambassadeur und Minister--Herr von Narbonne wird mir einen kleinen
+Auftrag zu geben haben, das wird's alles sein!
+
+La Roche. Nein, nein, sag' ich Ihnen--er will Ihre nähere
+Bekanntschaft machen--Und das ist's nicht allein! Nein, nein! Die
+Augen sind ihm endlich aufgegangen! Dieser Selicour, ich weiß es,
+ist seinem Fall nahe! Noch heute--es ist schändlich und abscheulich
+--doch ich sage nichts.--Der Minister ließ in Ihrem Hause nach Ihnen
+fragen; man sagte ihm, Sie seien auf dem Bureau--Ganz gewiß sucht er
+Sie hier auf! Sagt' ich's nicht? Sieh, da ist er schon! (Er tritt
+nach dem Hintergrunde zurück.)
+
+
+
+Neunter Auftritt.
+
+Narbonne zu den Vorigen.
+
+
+Narbonne. Ich habe Arbeiten von Ihnen gesehen, Herr Firmin, die mir
+eine hohe Idee von Ihren Einsichten geben, und von allen Seiten hör'
+ich Ihre Rechtschaffenheit, Ihre Bescheidenheit rühmen.--Männer
+Ihrer Art brauche ich höchst nöthig--Ich komme deßwegen, mir Ihren
+Beistand, Ihren Rath, Ihre Mitwirkung in dem schweren Amte
+auszubitten, das mir anvertraut ist.--Wollen Sie mir Ihre
+Freundschaft schenken, Herr Firmin?
+
+Firmin. So viel Zutrauen beschämt mich und macht mich stolz.--Mit
+Freude und Dankbarkeit nehme ich dieses gütige Anerbieten an--aber
+ich fürchte, man hat Ihnen eine zu hohe Meinung von mir gegeben.
+
+Karl. Man hat Ihnen nicht mehr gesagt, als wahr ist, Herr von
+Narbonne!--Ich bitte Sie, meinem Vater in diesem Punkte nicht zu
+glauben.
+
+Firmin. Mache nicht zu viel Rühmens, mein Sohn, von einem ganz
+gemeinen Verdienst.
+
+Narbonne. Das ist also Ihr Sohn, Herr Firmin?
+
+Firmin. Ja.
+
+Narbonne. Der Karl Firmin, dessen meine Mutter und Tochter noch
+heute Morgen gedacht haben?
+
+Karl. Ihre Mutter und die liebenswürdige Charlotte haben sich noch
+an Karl Firmin erinnert!
+
+Narbonne. Sie haben mir sehr viel Schmeichelhaftes von Ihnen gesagt.
+
+Karl. Möchte ich so viele Güte verdienen!
+
+Narbonne. Es soll mich freuen, mit Ihnen, braver junger Mann, und
+mit Ihrem würdigen Vater mich näher zu verbinden.--Herr Firmin!
+Wenn es meine Pflicht ist, Sie aufzusuchen, so ist es die Ihre nicht
+weniger, sich finden zu lassen. Mag sich der Unfähige einer
+schimpflichen Trägheit ergeben!--Der Mann von Talent, der sein
+Vaterland liebet, sucht selbst das Auge seines Chefs und bewirbt sich
+um die Stelle, die er zu verdienen sich bewußt ist.--Der Dummkopf
+und der Nichtswürdige sind immer bei der Hand, um sich mit ihrem
+anmaßlichen Verdienste zu brüsten--Wie soll man das wahre Verdienst
+unterscheiden, wenn es sich mit seinen verächtlichen Nebenbuhlern
+nicht einmal in die Schranken stellt?--Bedenken Sie, Herr Firmin,
+daß man für das Gute, welches man nicht thut, so wie für das Böse,
+welches man zuläßt, verantwortlich ist.
+
+Karl. Hören Sie' s nun, mein Vater!
+
+Firmin. Geben Sie mir Gelegenheit, meinem Vaterlande zu dienen, ich
+werde sie mit Freuden ergreifen!
+
+Narbonne. Und mehr verlang' ich nicht--Damit wir besser mit
+einander bekannt werden, so speisen Sie Beide diesen Abend bei mir.
+Sie finden eine angenehme Gesellschaft--ein paar gute Freunde,
+einige Verwandte--Aller Zwang wird entfernt sein, und meine Mutter,
+die durch meinen neuen Stand nicht stolzer geworden ist, wird Sie
+aufs freundlichste empfangen, das versprech' ich Ihnen.
+
+Firmin. Wir nehmen Ihre gütige Einladung an.
+
+Karl (für sich). Ich werde Charlotten sehen!
+
+La Roche (bei Seite). Die Sachen sind auf gutem Weg--der Augenblick
+ist günstig--frisch, noch einen Ausfall auf diesen Selicour! (Kommt
+vorwärts.) So lassen Sie endlich dem Verdienst Gerechtigkeit
+widerfahren, gut! Nun ist noch übrig, auch das Laster zu entlarven--
+Glücklicherweise finde ich Sie hier und kann da fortfahren, wo ich es
+diesen Morgen gelassen.--Dieser Selicour brachte mich heute zum
+Stillschweigen--ich machte es ungeschickt, ich gesteh' es, daß ich
+so mit der Thür ins Haus fiel; aber wahr bleibt wahr! Ich habe doch
+recht! Sie verlangten Thatsachen--Ich bin damit versehen.
+
+Narbonne. Was? Wie?
+
+La Roche. Dieser Mensch, der sich das Ansehen gibt, als ob er seiner
+Mutter und seiner ganzen Familie zur Stütze diente, er hat einen
+armen Teufel von Vetter schön empfangen, der heute in seiner Einfalt,
+in gutem Vertrauen zu ihm in die Stadt kam, um eine kleine Versorgung
+durch ihn zu erhalten. Fortgejagt wie einen Taugenichts hat ihn der
+Heuchler! So geht er mit seinen Verwandten um--und wie schlecht
+sein Herz ist, davon kann seine nothleidende Mutter--
+
+Firmin. Sie thun ihm sehr Unrecht, lieber La Roche! Eben dieser
+Vetter, den er soll fortgejagt haben, kehrt mit seinen Wohlthaten
+überhäuft und von falschen Hoffnungen geheilt in sein Dorf zurück!
+
+Narbonne. Eben mit diesem Vetter hat er sich recht gut betragen.
+
+La Roche. Wie? Was?
+
+Narbonne. Meine Mutter war ja bei dem Gespräch zugegen.
+
+Firmin. Lieber La Roche! Folgen Sie doch nicht so der Eingebung
+einer blinden Rache.
+
+La Roche. Schön, Herr Firmin! Reden Sie ihm noch das Wort!
+
+Firmin. Er ist abwesend, es ist meine Pflicht, ihn zu verteidigen.
+
+Narbonne. Diese Gesinnung macht Ihnen Ehre, Herr Firmin; auch hat
+sich Herr Selicour in Ansehung Ihrer noch heute eben so betragen.--
+Wie erfreut es mich, mich von so würdigen Personen umgeben zu sehen.
+--(Zu La Roche) Sie aber, der den armen Selicour so unversöhnlich
+verfolgt, Sie scheinen mir wahrlich der gute Mann nicht zu sein, für
+den man Sie hält!--Was ich bis jetzt noch von Ihnen sah, bringt
+Ihnen wahrlich schlechte Ehre!
+
+La Roche für sich). Ich möchte bersten--aber nur Geduld!
+
+Narbonne. Ich bin geneigt, von dem guten Selicour immer besser zu
+denken, je mehr Schlimmes man mir von ihm sagt, und ich gehe damit um,
+ihn mir näher zu verbinden.
+
+Karl (betroffen). Wie so?
+
+Narbonne. Meine Mutter hat gewisse Plane, die ich vollkommen
+gutheiße--Auch mit Ihnen habe ich es gut vor, Herr Firmin!--Diesen
+Abend ein Mehreres.--Bleiben Sie ja nicht lange aus. (Zu Karl.) Sie,
+mein junger Freund, legen sich auf die Dichtkunst, hör' ich; meine
+Mutter hat mir heute Ihr Talent gerühmt.--Lassen Sie uns bald etwas
+von Ihrer Arbeit hören.--Auch ich liebe die Musen, ob ich gleich
+ihrem Dienst nicht leben kann.--Ihr Diener, meine Herren!--Ich
+verbitte mir alle Umstände. (Er geht ab.)
+
+
+
+Zehnter Auftritt.
+
+Vorige ohne Narbonne.
+
+
+Karl. Ich werde sie sehen! Ich werde sie sprechen!--Aber diese
+gewissen Plane der Großmutter--Gott! Ich zittre.--Es ist gar nicht
+mehr zu zweifeln, daß sie diesem Selicour bestimmt ist.
+
+Firmin. Nun, mein Sohn! Das ist ja heute ein glücklicher Tag!
+
+La Roche. Für Sie wohl, Herr Firmin--aber für mich?
+
+Firmin. Sei'n Sie außer Sorgen! Ich hoffe, alles wieder ins Gleiche
+zu bringen.--(Zu Karl.) Betrage dich klug, mein Sohn! Wenigstens
+unter den Augen des Ministers vergiß dich nicht!
+
+Karl. Sorgen Sie nicht! Aber auch Sie, mein Vater, rühren Sie sich
+einmal!
+
+Firmin. Schön! Ich erhalte auch meine Lektion.
+
+Karl. Und habe ich nicht recht, Herr La Roche?
+
+Firmin. Laß dir sein Beispiel wenigstens zu einer Warnung dienen.--
+Muth gefaßt, La Roche! Wenn meine Fürsprache etwas gilt, so ist Ihre
+Sache noch nicht verloren. (Er geht ab.)
+
+
+
+Eilfter Auftritt.
+
+Karl Firmin und La Roche.
+
+
+La Roche. Nun, was sagen Sie? Ist das erlaubt, daß Ihr Vater selbst
+mich Lügen straft und den Schelmen in Schutz nimmt?
+
+Karl. Bester Freund, ich habe heute früh Ihre Dienste verschmäht,
+jetzt flehe ich um Ihre Hilfe. Es ist nicht mehr zu zweifeln, daß
+man ihr den Selicour zum Gemahl bestimmt. Ich bin nicht werth, sie
+zu besitzen, aber noch weniger verdient es dieser Nichtswürdige!
+
+La Roche. Braucht's noch eines Sporns, mich zu hetzen? Sie sind
+Zeuge gewesen, wie man mich um seinetwillen mißhandelt hat! Hören
+Sie mich an! Ich habe in Erfahrung gebracht, daß der Minister ihm
+noch heute eine sehr wichtige und kitzliche Arbeit aufgetragen, die
+noch vor Abend fertig sein soll. Er wird sie entweder gar nicht
+leisten, oder doch etwas höchst Elendes zu Markte bringen. So kommt
+seine Unfähigkeit ans Licht. Trotz seiner süßlichten Manieren hassen
+ihn Alle und wünschen seinen Fall. Keiner wird ihm helfen, dafür
+steh' ich, so verhaßt ist er!
+
+Karl. Meinen Vater will ich schon davon abhalten.--Ich sehe jetzt
+wohl, zu welchem Zweck er mir mein Gedicht abschwatzte. Sollte er
+wohl die Stirne haben, sich in meiner Gegenwart für den Verfasser
+auszugeben?
+
+La Roche. Kommen Sie mit mir in den Garten, er darf uns nicht
+beisammen antreffen.--Du nennst dich meinen Meister, Freund Selicour!
+Nimm dich in Acht----dein Lehrling formiert sich, und noch vor
+Abend sollst du bei ihm in die Schule gehen! (Gehen ab.)
+
+
+
+
+Vierter Aufzug.
+
+
+
+Erster Auftritt.
+
+Madame Belmont. Charlotte.
+
+
+Mad. Belmont. Bleib da, Charlotte! Wir haben ein Wörtchen mit
+einander zu reden, eh die Gesellschaft kommt.--Sage mir, mein Kind!
+Was hältst du von dem Herrn Selicour?
+
+Charlotte. Ich, Mama?
+
+Mad. Belmont. Ja, du!
+
+Charlotte. Nun, ein ganz angenehmer, verdienstvoller, würdiger Mann
+scheint er mir zu sein.
+
+Mad. Belmont. Das hör' ich gerne! Ich freue mich, liebes Kind, daß
+du eine so gute Meinung von ihm hast--denn, wenn dein Vater und ich
+etwas über dich vermögen, so wird Herr Selicour bald dein Gemahl sein.
+
+Charlotte (betroffen). Mein Gemahl!--
+
+Mad. Belmont. Fällt dir das auf?
+
+Charlotte. Herr Selicour?
+
+Mad. Belmont. Wir glaubten nicht besser für dein Glück sorgen zu
+können.
+
+Charlotte. Von Ihren und meines Vaters Händen will ich gern einen
+Gatten annehmen--Aber, Sie werden mich für grillenhaft halten, liebe
+Großmama!--Ich weiß nicht--dieser Herr Selicour, den ich übrigens
+hochschätze--gegen den ich nichts einzuwenden habe--ich weiß nicht,
+wie es kommt--wenn ich mir ihn als meinen Gemahl denke, so--so
+empfinde ich in der Tiefe meines Herzens eine Art von--
+
+Mad. Belmont. Doch nicht von Abneigung?
+
+Charlotte. Von Grauen möcht' ich's sogar nennen! Ich weiß, daß ich
+ihm Unrecht thue; aber ich kann es nun einmal nicht überwinden--Ich
+fühle weit mehr Furcht vor ihm, als Liebe.
+
+Mad. Belmont. Schon gut! Diese Furcht kennen wir, meine Tochter!
+
+Charlotte. Nein! Hören Sie!--
+
+Mad. Belmont. Eine angenehme mädchenhafte Schüchternheit! Das muß
+ich wissen, glaube mir.--Bin ich nicht auch einmal jung gewesen?--
+Uebrigens steht diese Partie deiner Familie an.--Ein Mann, der alles
+weiß--ein Mann von Geschmack--ein feiner Kenner--und ein so
+gefälliger, bewährter Freund.--Auch reißt man sich in allen Häusern
+um ihn.--Wäre er nicht eben jetzt seiner Mutter wegen bekümmert, so
+hätte er mir diesen Abend eine Romanze für dich versprochen--denn er
+kann alles, und dir möchte er gern in jeder Kleinigkeit zu Gefallen
+sein.--Aber ich hör' ihn kommen! Er läßt doch niemals auf sich
+warten! Wahrlich, es gibt seines Gleichen nicht!
+
+
+
+Zweiter Auftritt.
+
+Selicour zu den Vorigen.
+
+
+Selicour. Sie verlangten heute ein gefühlvolles zärtliches Lied von
+mir! Ich habe mein Möglichstes gethan, Madame!--und lege es Ihnen
+hier zu Füßen.
+
+Mad. Belmont. Wie, Herr Selicour? Sie haben es wirklich schon
+fertig?--In der That, ich fürchtete, daß die übeln Nachrichten--
+
+Selicour. Welche Nachrichten?
+
+Mad. Belmont. Von Ihrer Mutter--
+
+Selicour. Von meiner Mutter!--Ja--ich--ich habe eben einen Brief
+von ihr erhalten--einen Brief, worin sie mir meldet, daß sie
+endlich--
+
+Mad. Belmont. Daß sie die tausend Thaler erhalten--nun, das freut
+mich--
+
+Selicour. Hätte ich sonst die Fassung haben können?--Aber, dem
+Himmel sei Dank!--jetzt ist mir dieser Stein vom Herzen, und in der
+ersten Freude setzte ich diese Strophen auf, die ich die Ehre gehabt,
+Ihnen zu überreichen.
+
+Mad. Belmont (zu Charlotten). Er hätte dich gejammert, wenn du ihn
+gesehen hättest--Da war's, wo ich sein ganzes treffliches Herz
+kennen lernte.--Herr Selicour, ich liebe Ihre Romanze, noch eh' ich
+sie gelesen.
+
+
+
+Dritter Auftritt.
+
+Vorige. Narbonne.
+
+
+Narbonne. Selicour hier bei Ihnen! Ei, ei, liebe Mutter! Sie
+ziehen mir ihn von nöthigeren Dingen ab.--Er hat so dringend zu thun,
+und Sie beladen ihn noch mit unnützen Aufträgen.
+
+Mad. Belmont. Sieh, sieh, mein Sohn!--Will er nicht gar böse
+werden!
+
+Narbonne. Was soll aus dem Aufsatz werden, der doch so wichtig und
+so dringend ist?
+
+Selicour. Der Aufsatz ist fertig. Hier ist er!
+
+Narbonne. Was, schon fertig?
+
+Selicour. Und ich bitte Sie, zu glauben. Daß ich weder Zeit noch
+Mühe dabei gespart habe.
+
+Narbonne. Aber wie ist das möglich?
+
+Selicour. Die Mißbräuche der vorigen Verwaltung haben mir nur zu oft
+das Herz schwer gemacht--Ich konnte es nicht dabei bewenden lassen,
+sie bloß müßig zu beklagen--dem Papiere vertraute ich meinen
+Unwillen, meinen Tadel, meine Verbesserungsplane an, und so trifft es
+sich, daß die Arbeit, die Sie mir auftrugen, schon seit lange im
+Stillen von mir gemacht ist--Es sollte mir wahrlich auch nicht an
+Muth gefehlt haben, öffentlich damit hervorzutreten, wenn die
+Regierung nicht endlich von selbst zur Einsicht gekommen wäre und in
+Ihrer Person einen Mann abgestellt hätte, der alles wieder in Ordnung
+bringt.--Jetzt ist der Zeitpunkt da, von diesen Papieren
+öffentlichen Gebrauch zu machen--Es fehlte nichts, als die Blätter
+zurecht zu legen, und das war in wenig Augenblicken geschehen.
+
+Mad. Belmont. Nun, mein Sohn! Du kannst zufrieden sein, denk' ich
+--Herr Selicour hat deinen Wunsch erfüllt, eh' er ihn wußte; hat dir
+in die Hand gearbeitet, und ihr kommt einander durch den
+glücklichsten Zufall entgegen--
+
+Narbonne. Mit Freuden seh' ich, daß wir einverstanden sind.--Geben
+Sie, Herr Selicour, noch heute Abend sende ich den Aufsatz an die
+Behörde.
+
+Selicour (für sich). Alles geht gut--Jetzt diesen Firmin
+weggeschafft, der mir im Weg ist. (Laut.) Werden Sie mir verzeihen,
+Herr von Narbonne?--Es thut mir leid. Es zu sagen--aber ich muß
+fürchten, daß die Anklage des Herrn La Roche diesen Morgen doch
+einigen Eindruck gemacht haben könnte.
+
+Narbonne. Nicht den mindesten.
+
+Selicour. Ich habe es befürchtet.--Nach allem, was ich sehe, hat
+dieser La Roche meine Stelle schon an Jemanden vergeben.--
+
+Narbonne. Wie?
+
+Selicour. Ich habe immer sehr gut gedacht von Herrn Firmin. Aber,
+ich gesteh' es--ich fange doch endlich an, an ihm irre zu werden.
+
+Narbonne. Wie? Sie haben mir ja noch heute seine Gutmütigkeit
+gerühmt.
+
+Selicour. Ist auch den Gutmütigsten bis auf einen gewissen Punkt zu
+trauen?--Ich sehe mich von Feinden umgeben. Man legt mir
+Fallstricke.
+
+Narbonne. Sie thun Herrn Firmin Unrecht. Ich kenne ihn besser, und
+ich stehe für ihn.
+
+Selicour. Ich wünschte, daß ich eben so von ihm denken könnte.
+
+Narbonne. Der schändliche Undank dieses La Roche muß Sie
+natürlicherweise mißtrauisch machen. Aber wenn Sie auch nur den
+Schatten eines Zweifels gegen Herrn Firmin haben, so werden Sie
+sogleich Gelegenheit haben, von Ihrem Irrthum zurück zu kommen.
+
+Selicour. Wie das?
+
+Narbonne. Er wird im Augenblick selbst hier sein.
+
+Selicour. Herr Firmin--hier?
+
+Narbonne. Hier--Ich konnte mir's nicht versagen. Ich hab' ihn
+gesehen!
+
+Selicour. Gesehen! Vortrefflich!
+
+Narbonne. Er und sein Sohn speisen diesen Abend mit uns.
+
+Selicour. Speisen--Sein Sohn! Vortrefflich!
+
+Mad. Belmont und Charlotte. Karl Firmin?
+
+Narbonne. Der junge Officier, dessen Verdienste Sie mir so oft
+gerühmt haben--Ich habe Vater und Sohn zum Nachtessen eingeladen.
+
+Mad. Belmont. Ich werde sie mit Vergnügen willkommen heißen.
+
+Narbonne (zu Selicour). Sie haben doch nichts dawider?
+
+Selicour. Ich bitte sehr--ganz im Gegentheil!
+
+Mad. Belmont. Ich bin dem Vater schon im Voraus gut um des Sohnes
+willen. Und was sagt unsere Charlotte dazu?
+
+Charlotte. Ich, Mama--ich bin ganz Ihrer Meinung!
+
+Narbonne. Sie können sich also ganz offenherzig gegen einander
+erklären.
+
+Selicour. O das bedarf's nicht--im geringsten nicht--Wenn ich's
+gestehen soll, ich habe Herrn Firmin immer für den redlichsten Mann
+gehalten--und that ich ihm einen Augenblick Unrecht, so bekenne ich
+mit Freuden meinen Irrthum--Ich für meinen Theil bin überzeugt, daß
+er mein Freund ist.
+
+Narbonne. Er hat es bewiesen! Er spricht mit großer Achtung von
+Ihnen--Zwar kenne ich ihn nur erst von heute, aber gewiß verdient
+er--
+
+Selicour (einfallend). Alle die Lobsprüche, die ich ihm, wie Sie
+wissen, noch vor kurzem ertheilt habe--So bin ich einmal! Mein Herz
+weiß nichts von Mißgunst.
+
+Narbonne. Er verbindet einen gesunden Kopf mit einem vortrefflichen
+Herzen, und kein Mensch kann von Ruhmsucht freier sein, als er. Was
+gilt's, er wär' im Stande, einem Andern das ganze Verdienst von dem
+zu lassen, was er geleistet hat!
+
+Selicour. Meinen Sie?
+
+Narbonne. Er wäre der Mann dazu!
+
+Mad. Belmont. Sein Sohn möchte in diesem Stück nicht ganz so denken.
+
+Charlotte. Jawohl, der ist ein junger feuriger Dichterkopf, der
+keinen Scherz versteht.
+
+Selicour. Würde der wohl einem Andern den Ruhm seines Werks abtreten?
+
+Charlotte. O daran zweifle ich sehr.
+
+Narbonne. Ich liebe dieses Feuer an einem jungen Kriegsmann.
+
+Selicour. O allerdings, das verspricht!
+
+Narbonne. Jeder an seinen rechten Platz gestellt, werden sie Beide
+vortrefflich zu brauchen sein.
+
+Selicour. Es ist doch gar schön, wie Sie die fähigen Leute so
+aufsuchen!
+
+Narbonne. Das ist meine Pflicht. (Er spricht mit seiner Tochter.)
+
+Selicour. Das war's! (Zu Madame Belmont, bei Seite.) Ein Wort,
+Madame!--Man könnte doch glauben, Sie zerstreuten mich von meinen
+Berufsgeschäften--Wenn also diesen Abend mein Gedicht sollte
+gesungen werden, so--nennen Sie mich nicht!
+
+Mad. Belmont. Wenn Sie nicht wollen, nein.
+
+Selicour. Ja--mir fällt ein.--Wie? Wenn ich, größerer Sicherheit
+wegen, Jemanden aus der Gesellschaft darum anspräche, sich als
+Verfasser zu bekennen.--
+
+Mad. Belmont. Wie? Sie könnten einem Andern den Ruhm davon
+abtreten?
+
+Selicour. Pah! Das ist eine Kleinigkeit! (Beide Firmin treten ein.)
+
+Charlotte (erblickt sie, lebhaft). Da kommen sie!
+
+
+
+Vierter Auftritt.
+
+Vorige. Beide Firmins.
+
+
+Narbonne (ihnen entgegen). Ich habe Sie längst erwartet, meine
+Herren!--Nur herein! Nur näher! Sei'n Sie herzlich willkommen!--
+Hier Herr Firmin, meine Mutter und hier meine Tochter--Sie sind kein
+Fremdling in meiner Familie.
+
+Mad. Belmont (zu Karl Firmin). Ich hatte mir' s nicht erwartet, Sie
+hier in Paris zu sehen; es ist sehr angenehm, sich mit lieben
+Freunden so unvermuthet zusammen zu finden.
+
+Karl. Dieser Name hat einen hohen Werth für mich. (Zu Charlotten.)
+Sie haben Ihre Tante doch wohl verlassen?
+
+Charlotte. Ja, Herr Firmin!
+
+Karl. Es waren unvergeßliche Tage, die ich in Ihrem Hause verlebte.
+Dort war's, mein Fräulein--
+
+Narbonne (zu Firmin, dem Vater). Lassen wir die jungen Leute ihre
+Bekanntschaft erneuern.--Nun, Herr Firmin, da ist Selicour!
+
+Selicour (zu Firmin). In der That--ich bin--ich kann nicht genug
+sagen, wie erfreut ich bin--Sie bei dem Herrn von Narbonne
+eingeführt zu sehen.
+
+Narbonne. Sie sind Beide die Männer dazu, einander Gerechtigkeit
+widerfahren zu lassen. (Zu Firmin.) Er hat etwas auf dem Herzen, ich
+wünschte, daß Sie sich gegen einander erklärten, meine Herren!
+
+Selicour. O nicht doch! Nicht doch! Herr Firmin kennt mich als
+seinen Freund.
+
+Narbonne. Und sei'n Sie versichert, er ist auch der Ihrige. Ich
+wünschte, Sie hätten es gehört, mit welcher Wärme er noch heute Ihre
+Partei nahm. Ganz gewiß hat dieser La Roche wieder--
+
+Selicour. Aber was in aller Welt mag doch den La Roche so gegen mich
+aufheben?
+
+Narbonne. Dieser La Roche ist mein Mann nicht--wenigstens hab' ich
+eine schlechte Meinung von seinem Charakter.
+
+Firmin. Sie thun ihm Unrecht. Ich habe heute gegen ihn gesprochen,
+aber diesmal muß ich ihn vertheidigen.
+
+Selicour. Es ist ganz und gar nicht nöthig. Ich schätze ihn, ich
+kenne sein gutes Herz und kenne auch seine Sparren.--Und mag er mich
+am Ende bei der ganzen Welt anschwärzen, wenn er nur bei Ihnen keinen
+Glauben fand!--Sie sehen, wir sind fertig--unser Streit ist
+beigelegt; es braucht keiner weitern Erklärung.
+
+Mad. Belmont. Nun, wollen Sie nicht Platz nehmen, meine Herren?
+
+Selicour (zu Karl Firmin). Es ist schon übergeben, das Gedicht.
+
+Karl. Wirklich?
+
+Selicour. Die alte Mama hat es, und den Verfasser habe ich ihr nicht
+verschwiegen. (Madame Belmont bei Seite führend). Wissen Sie, was
+ich gemacht habe?
+
+Mad. Belmont. Nun!
+
+Selicour. Der junge Firmin--Sie wissen, er gibt sich mit
+Versemachen ab.
+
+Mad. Belmont. Ja!--Nun!
+
+Selicour. Ich habe ihn ersucht, sich für den Verfasser des Liedchens
+zu bekennen--Er läßt sich's gefallen!
+
+Mad. Belmont. Läßt sich's gefallen? Das glaub' ich!
+
+Selicour. Daß Sie mich ja nicht Lügen strafen!
+
+Narbonne. Aber bis unsre andern Gäste kommen, liebe Mutter, lassen
+Sie uns eine kleine Unterhaltung ausdenken--Zum Spiel lade ich Sie
+nicht ein--wir können uns besser beschäftigen.
+
+Firmin. Sie haben zu befehlen.
+
+Karl. Es wird von Madame abhängen.
+
+Charlotte. Lieben Sie noch immer die Musik, Herr Firmin?
+
+Narbonne. Es ist ja wahr, du singst nicht übel--Laß hören!--Hast
+du uns nicht irgend etwas Neues vorzutragen?
+
+Karl. Wenn es Fräulein Charlotte nicht zu viel Mühe macht.
+
+Charlotte. Hier hat man mir so eben einige Strophen zugestellt.
+
+Narbonne. Gut! Ich werde, mit Ihrer Erlaubniß, unterdessen das
+Memoire unseres Freundes durchlesen.
+
+Selicour. Aber wir werden Sie stören, Herr von Narbonne!
+
+Narbonne. Nicht doch! Ich bin gewohnt, im ärgsten Geräusch zu
+arbeiten--und hier ist nur vom Lesen die Rede! (Er geht auf die
+entgegengesetzte Seite, wo er sich niedersetzt.)
+
+Selicour. Wenn Sie aber doch lieber--
+
+Narbonne. Verzeihen Sie! Aber es leidet keinen Aufschub. Die
+Pflicht geht allem vor!
+
+Mad. Belmont. Lassen wir ihn denn, wenn er es so will, und nehmen
+unser Lied vor. (Alle setzen sich, Charlotte ans Ende, Madame
+Belmont neben Charlotte, Selicour zwischen Madame Belmont und Karln,
+neben Letztern Firmin der Vater.)
+
+Charlotte. Die Melodie ist gleich gut gewählt, wie ich sehe.
+
+Madame Belmont. Der Verfasser ist nicht weit,--ich kann ihn ohne
+Brille sehen.
+
+Selicour (zu Madame Belmont leise). Verrathen Sie mich nicht.--(Zu
+Karl Firmin.) Das gilt Ihnen. Mein Lieber!
+
+Charlotte. Ihm! Wie?
+
+Firmin. Ist das wahr, Karl? Wärest du--
+
+Selicour. Er ist der Verfasser.
+
+Charlotte (zu ihrer Großmutter). Wie? Herr Firmin wäre der
+Verfasser!
+
+Mad. Belmont (laut).--Ja!--(heimlich.) Nenne den wahren Verfasser
+ja nicht--
+
+Charlotte. Warum nicht?
+
+Mad. Belmont. Aus Ursachen. (Zu Selicour.) Wollen Sie Charlotten
+nicht accompagnieren?
+
+Selicour. Mit Vergnügen.
+
+Firmin (ärgerlich zu seinem Sohn). Gewiß wieder eine übereilte
+Arbeit--aber das muß einmal gedichtet sein--
+
+Karl. Aber, lieber Vater, hören Sie doch erst, eh Sie richten!
+
+Charlotte (singt).
+ An der Quelle saß der Knabe,
+ Blumen band er sich zum Kranz,
+ Und er sah sie, fortgerissen,
+ Treiben in der Wellen Tanz,--
+ "Und so fliehen meine Tage,
+ "Wie die Quelle, rastlos hin,
+ "Und so schwindet meine Jugend,
+ "Wie die Kränze schnell verblühn!"
+
+
+Mad. Belmont (Selicour ansehend). Dieser Anfang verspricht schon
+viel!
+
+Selicour (auf Karl Firmin zeigend). Diesem Herrn da gehört das
+Compliment.
+
+Mad. Belmont. Gut! Gut! Ich verstehe!
+
+Firmin. Der Gedanke ist alltäglich, gemein.
+
+Karl. Aber er ist doch wahr.
+
+Narbonne (auf der entgegengesetzten Seite mit dem Aufsatz beschäftigt).
+Die Einleitung ist sehr gut und erweckt sogleich die Aufmerksamkeit.
+
+Charlotte (singt wieder).
+
+ "Fraget nicht, warum ich traure
+ "In des Lebens Blüthenzeit;
+ "Alles freuet sich und hoffet,
+ "Wenn der Frühling sich erneut!
+ "Aber diese tausend Stimmen
+ "Der erwachenden Natur
+ "Wecken in dem tiefen Busen
+ "Mir den schweren Kummer nur!"
+
+
+Mad. Belmont. Zum Entzücken!
+
+Firmin. Nicht übel.
+
+Selicour (zu Karl Firmin). Sie sehen, wie alles Sie bewundert.
+
+Narbonne (lesend). Trefflich entwickelt und nachdrücklich
+vorgetragen--Lesen Sie doch mit mir, Herr Firmin!
+
+(Firmin tritt zum Minister und liest über seine linke Schulter.)
+
+Mad. Belmont. Ganz göttlich!
+
+Selicour (zu Narbonne tretend). Ich habe aber freilich dem Herrn
+Firmin viel, sehr, sehr viel dabei zu danken. (Tritt wieder auf die
+andere Seite zwischen Karl Firmin und Madame Belmont, doch ohne die
+andere Gruppe aus den Augen zu verlieren.)
+
+Charlotte (singt wieder).
+
+ "Was kann mir die Freude frommen,
+ "Die der schöne Lenz mir beut?
+ "Eine nur ist's, die ich suche,
+ "Sie ist nah und ewig weit.
+ "Sehnend breit ich meine Arme,
+ "Nach dem theuren Schattenbild;
+ "Ach, ich kann es nicht erreichen,
+ "Und das Herz bleibt ungestillt!
+ "Komm herab, du schöne Holde,
+ "Und verlaß dein stolzes Schloß!
+ "Blumen, die der Lenz geboren,
+ "Streu' ich dir in deinen Schooß.
+ "Horch, der Hain erschallt von Liedern
+ "Und die Quelle rieselt klar!
+ "Raum ist in der kleinsten Hütte
+ "Für ein glücklich liebend Paar."
+
+
+
+Mad. Belmont. Wie rührend der Schluß ist!--Das liebe Kind ist ganz
+davon bewegt worden.
+
+Charlotte. Ja, es mag es gemacht haben, wer will, es ist aus einem
+Herzen geflossen, das die Liebe kennt!
+
+Selicour (verneigt sich gegen Charlotten). Dies ist ein
+schmeichelhaftes Lob.
+
+Karl. Was? Er bedankt sich--
+
+Selicour (schnell zu Karl Firmin sich umdrehend). Nicht wahr, lieber
+Freund?
+
+Mad. Belmont. Ich bin ganz davon hingerissen--
+
+Selicour (bückt sich gegen Madame Belmont). Gar zu gütig, Madame!
+
+Karl. Wie versteh' ich das?
+
+Selicour (eben so schnell wieder zu Karl Firmin). Nun! sagt' ich's
+Ihnen nicht? Sie haben den vollkommensten Sieg davon getragen.
+
+Karl. Hält er mich zum Narren?
+
+Narbonne. Das Werk ist vortrefflich! Ganz vortrefflich!
+
+Selicour (zu Firmin dem Vater). Sie sehen, ich habe mich ganz an
+Ihre Ideen gehalten.
+
+Firmin (lächelt). Ich muß gestehen, ich merke so etwas.
+
+Charlotte. Ich weiß nicht, welchem von beiden Herren--
+
+Selicour (zu Charlotten, indem er auf Karl Firmin deutet). Ein süßer
+Triumph für den Verfasser!
+
+Narbonne (den Aufsatz zusammenlegend.) Ein wahres Meisterwerk. In
+der That!
+
+Selicour (bückt sich gegen Narbonne). Gar zu viel Ehre!
+
+Mad. Belmont (wiederholt die letzte Strophe).
+
+Horch, der Hain erschallt von Liedern,
+Und die Quelle rieselt klar!
+Raum ist in der kleinsten Hütte
+für ein glücklich liebend Paar!
+
+
+Schön! Himmlisch! Dem widerstehe, wer kann!--Selicour, es bleibt
+dabei, Sie heirathen meine Charlotte!
+
+Karl. O Himmel!
+
+Charlotte. Was hör' ich!
+
+Narbonne (steht auf). Ich kenne wenig Arbeiten, die so vortrefflich
+wären--Selicour, Sie sind Gesandter!
+
+Karl. Mein Gott!
+
+Narbonne. Sie sind's! Ich stehe Ihnen für Ihre Ernennung! Wer das
+schreiben konnte, muß ein rechtschaffener Mann, muß ein Mann von
+hohem Genie sein!
+
+Selicour. Aber erlauben Sie--ich weiß nicht, ob ich es annehmen
+darf--Zufrieden mit meinem jetzigen Loose--
+
+Narbonne. Sie müssen sich von allem losreißen, wenn der Staat Sie
+anderswo nöthig hat.
+
+Selicour. Dürfte ich mir nicht wenigstens Herrn Firmin zu meinem
+Secretär ausbitten?
+
+Firmin. Wo denken Sie hin? Mich? Mich? Zu Ihrem Secretär?
+
+Selicour. Ja, Herr Firmin! Ich habe Sie sehr nöthig.
+
+Karl. Das will ich glauben.
+
+Narbonne. Das wird sich finden! Nun! Wie ist die Musik abgelaufen?
+
+Selicour. Fräulein Charlotte hat ganz himmlisch gesungen.
+
+
+
+Fünfter Auftritt.
+
+Michel zu den Vorigen.
+
+
+Michel. Die Gesellschaft ist im Saal versammelt--
+
+Narbonne. Sie sind so gütig, liebe Mutter, sie zu empfangen--Ich
+will dieses jetzt auf der Stelle absenden--(Leise zu Selicour.)
+Gewinnen Sie die Einwilligung meiner Tochter, und mit Freuden erwähle
+ich Sie zum Sohn--Noch einmal! Das Werk ist vortrefflich, und ich
+gäbe viel darum, es gemacht zu haben. (Ab.)
+
+Selicour (zu Karl). Nun, genießen Sie Ihres Triumphs, Herr Firmin!--
+(Zu Charlotten.) Unser junger Freund weiß die Complimente ganz gut
+aufzunehmen.
+
+Charlotte. Nach den hübschen Sachen, die ich von ihm gesehen, hätte
+ich nicht geglaubt, daß er nöthig haben würde, sich mit fremden
+Federn zu schmücken.
+
+Selicour. Bloße Gefälligkeit, mein Fräulein!--Aber die Gesellschaft
+wartet--
+
+Firmin (zu seinem Sohn). Nun, du hast ja ganz gewaltiges Lob
+eingeerntet! (Selicour gibt Charlotten seinen Arm.)
+
+Karl. Ja, ich hab' Ursache, mich zu rühmen.
+
+Mad. Belmont (zu Selicour). Recht, recht! Führen Sie Charlotten--
+Es kleidet ihn doch alles. Er ist ein scharmanter Mann! (Sie nimmt
+Firmins Arm.)
+
+Selicour (auf Firmin zeigend). Diesem Herrn, nicht mir, gebührt das
+Lob--ich weiß in der That nicht, wie ich mir's zueignen darf--Alles,
+was ich bin, was ich gelte, ist ja sein Verdienst. (Gehen ab.)
+
+
+
+Sechster Auftritt.
+
+Karl allein zurückbleibend.
+
+
+Meine Unruhe würde mich verrathen.--Ich muß mich erst fassen, eh'
+ich ihnen folgen kann. Habe ich wirklich die Geduld gehabt, dies
+alles zu ertragen?--Ein schöner Triumph, den ich davon trug.--Aus
+Spott machten sie mir das Compliment. Es ist offenbar, daß sie ihn,
+und nicht mich für den Verfasser halten. Ich bin ihr Narr, und der
+Schelm hat allein die Ehre.
+
+
+
+Siebenter Auftritt.
+
+Karl. La Roche.
+
+
+La Roche. Siehe da, Herr Firmin!--So ganz allein--Es geht alles
+nach Wunsch vermuthlich.
+
+Karl. O ganz vortrefflich!
+
+La Roche. Ich habe auch gute Hoffnung.
+
+Karl. Selicour steht in größerm Ansehen, als jemals.
+
+La Roche. Sieh doch! Was Sie sagen!
+
+Karl. Es gibt keinen fähigern Kopf, keinen bravern Biedermann.
+
+La Roche. Ist's möglich? Aber dieser wichtige Aufsatz, den der
+Minister ihm aufgetragen, und dem er so ganz und gar nicht gewachsen
+ist.
+
+Karl. Der Aufsaß ist fertig.
+
+La Roche. Gehen Sie doch!
+
+Karl. Er ist fertig, sag' ich Ihnen.
+
+La Roche. Sie spotten meiner! Es ist nicht möglich.
+
+Karl. Ein Meisterstück an Styl und Inhalt!
+
+La Roche. Es ist nicht möglich, sag' ich Ihnen!
+
+Karl. Ich sage Ihnen, es ist!--Der Aufsatz ist gelesen, bewundert
+und wird jetzt eben abgeschickt.
+
+La Roche. So muß er einen Teufel in seinem Solde haben, der für ihn
+arbeitet.
+
+Karl. Und diese Gesandtschaftsstelle!
+
+La Roche. Nun, die Gesandtschaft--
+
+Karl. Er erhält sie! Er erhält die Hand des Fräuleins!
+
+La Roche. Sie kann ihn nicht leiden.
+
+Karl. Sie wird nachgeben.
+
+La Roche. Die Gesandtschaft mit sammt dem Mädchen! Nein, beim
+Teufel! Das kann nicht sein! Das darf nicht sein!--Wie? Was?
+Dieser Heuchler, dieser niederträchtige Bube sollte einen Preis
+hinwegschnappen, der nur der Lohn des Verdienstes ist.--Nein, so
+wahr ich lebe! Das dürfen wir nicht zugeben, wir, die wir ihn kennen.
+Das ist gegen unser Gewissen, wir wären seine Mitschuldigen, wenn
+wir das duldeten!
+
+Karl. Gleich, auf der Stelle will ich die Großmutter aufsuchen.--
+Ich will ihr die Augen öffnen wegen des Gedichts--
+
+La Roche. Wegen des Gedichts--von dem Gedicht ist hier auch die
+Rede--Bei der alten Mama mag er sich damit in Gunst setzen; aber
+meinen Sie, daß der Minister sich nach so einer Kleinigkeit bestimmen
+lasse--Nein, Herr! Dieses Memoire ist's, das so vortrefflich sein
+soll, und das er irgendwo muß herbeigehext haben--denn gemacht hat
+er's nicht, nun und nimmer, darauf schwör' ich--aber seine ganze
+Hexerei sind seine Kniffe! Und mit seinen eignen Waffen müssen wir
+ihn schlagen. Auf dem geraden Wege ging's nicht--so müssen wir
+einen krummen versuchen. Halt, da fällt mir ein--Ja, das wird gehen
+--Nur fort,--fort, daß man uns nicht beisammen findet.
+
+Karl. Aber keine Unbesonnenheit, Herr La Roche! Bedenken Sie, was
+auf dem Spiele steht!
+
+La Roche. Meine Ehre steht auf dem Spiele, junger Herr, und die
+liegt mir nicht weniger am Herzen, als euch die Liebe--Fort! Hinein!
+Sie sollen weiter von mir hören.
+
+
+
+Achter Auftritt.
+
+La Roche allein.
+
+
+Laß sehen--Er suchte von jeher die schwachen Seiten seiner Obern
+auszuspüren, um sich ihnen nothwendig zu machen. Noch diesen Morgen
+hatte er's mit dem Kammerdiener--Der Kerl ist ein Plauderer--Es
+wollte etwas von einem galanten Abenteuer des Ministers verlauten--
+Er habe Zimmer besprochen in der Vorstadt.--Ich glaube kein Wort
+davon; aber man könnte versuchen--Doch still! Da kömmt er!
+
+
+
+Neunter Auftritt.
+
+La Roche und Selicour.
+
+
+Selicour (ohne ihn zu bemerken). Alles geht nach Wunsch, und doch
+bin ich nicht ganz ohne Sorgen--Noch hab' ich weder die Stelle, noch
+die Braut, und da ist Sohn und Vater, die mir auf den Dienst lauern
+und mir jeden Augenblick beides wegfischen können--Wenn ich sie
+entfernen könnte--Aber wie? Dem Minister ist nicht beizukommen--
+Diese Leute, die ihren geraden Weg gehen, brauchen Niemand--man kann
+sie nicht in seine Gewalt bekommen--Ja, wenn er etwas zu vertuschen
+hätte--wenn ich ihm eine Schwäche ablauern könnte, die mich ihm
+unentbehrlich machte!
+
+La Roche (für sich). Recht so! Der läuft mir in die Hände!
+
+Selicour. Ach, sieh da! Herr La Roche!
+
+La Roche. Ich bin's, und ich komme, Herr Selicour!--
+
+Selicour. Was wollen Sie?
+
+La Roche. Mein Unrecht einzugestehn.
+
+Selicour. Aha!
+
+La Roche. Das mir nicht einmal etwas geholfen hat.
+
+Selicour. Das ist das Beste! Denn es lag wahrlich nicht an Ihrer
+boshaften Zunge, wenn ich nicht ganz zu Grunde gerichtet bin.
+
+La Roche. Das ist leider wahr, und ich darf daher kaum hoffen, daß
+Sie mir vergeben können.
+
+Selicour. Aha! Steht es so? Fangen wir an, geschmeidiger zu werden?
+
+La Roche. Zu der schönen Stelle, die Sie mir zugedacht haben, kann
+ich mir nun wohl keine Hoffnung mehr machen--Aber um unsrer alten
+Freundschaft willen, schaden Sie mir wenigstens nicht!
+
+Selicour. Ich Ihnen schaden!
+
+La Roche. Thun Sie's nicht! Haben Sie Mitleid mit einem armen
+Teufel!
+
+Selicour. Aber--
+
+La Roche. Und da sich Jemand gefunden, der sich bei dem Minister
+meiner annehmen will--
+
+Selicour. So? Hat sich Jemand? Und wer ist das?
+
+La Roche. Eine Dame, an die der Kammerdiener Michel mich gewiesen
+hat.
+
+Selicour. Kammerdiener Michel! So! Kennen Sie diesen Michel?
+
+La Roche. Nicht viel! Aber, weil es sein Neffe ist, der mich aus
+meiner Stelle vertreibt, so will er mir gern einen Gefallen erzeigen--
+
+Selicour. Die Dame ist wohl eine Anverwandte vom Minister?
+
+La Roche. Sie soll ein schönes Frauenzimmer sein--er soll in der
+Vorstadt ein Quartier für sie suchen--
+
+Selicour. Gut, gut, ich will ja das alles nicht wissen.--Und wie
+heißt die Dame?
+
+La Roche. Das weiß ich nicht.
+
+Selicour. Gut! Gut!
+
+La Roche. Michel wird Ihnen wohl Auskunft darüber geben können.
+
+Selicour. Mir? Meinen Sie, daß mir so viel daran liege?
+
+La Roche. Ich sage das nicht.
+
+Selicour. Ich frage nichts darnach--Ich bekümmere mich ganz und gar
+nicht um diese Sachen--Morgen wollen Sie diese Dame sprechen?
+
+La Roche. Morgen.
+
+Selicour. Es scheint da ein großes Geheimniß--
+
+La Roche (schnell). Freilich! Freilich! Darum bitte ich Sie, sich
+ja nichts davon merken zu lassen--
+
+Selicour. Gut, Gut! Nichts mehr davon--Ich werde Ihnen nicht
+schaden, Herr La Roche!--Es ist einmal mein Schicksal, Undankbare zu
+verpflichten--Trotz der schlimmen Dienste, die Sie mir haben leisten
+wollen, liebe ich Sie noch--und daß Sie sehen, wie weit meine
+Gefälligkeit geht, so will ich mit Ihrer Beschützerin gemeine Sache
+machen--Ja, das will ich--zählen Sie darauf!
+
+La Roche. Ach, Sie sind gar großmüthig!
+
+Selicour. Aber lassen Sie sich das künftig zur Lehre dienen--
+
+La Roche. O gewiß, Sie sollen sehen--
+
+Selicour. Genug. Lassen wir's gut sein.
+
+La Roche. Er hat angebissen. Er ist so gut, als schon gefangen!
+Wie viel schneller kommt man doch mit der Spitzbüberei, als mit der
+Ehrlichkeit! (Ab.)
+
+Selicour. Jetzt gleich zu diesem Kammerdiener Michel!--Es ist hier
+ein Liebeshandel. Ganz gewiß--Vortrefflich! Ich halte dich fest,
+Narbonne!--Du bist also auch ein Mensch--du hast Schwachheiten--
+und ich bin dein Gebieter. (Geht ab).
+
+
+
+
+Fünfter Aufzug.
+
+
+
+Erster Auftritt.
+
+La Roche kommt.
+
+
+Sie sitzen noch an Tafel--Er wird gleich herauskommen, der Minister
+--Hab' ich mich doch ganz außer Athem gelaufen--Aber, dem Himmel sei
+Dank, ich bin aus der Spur, ich weiß alles.--Hab' ich dich endlich,
+Freund Selicour!--Mit dem Minister war nichts für dich zu machen, so
+lang er tugendhaft war--aber Gott segne mir seine Laster! Da gibt's
+Geheimnisse zu verschweigen, da gibt's Dienste zu erzeigen! Und der
+Vertraute, der Kuppler hat gewonnen Spiel--Er glaubt dem Minister
+eine Schwachheit abgemerkt zu haben--Welch herrlicher Spielraum für
+seine Niederträchtigkeit!--Nur zu! Nur zu! Wir sind besser
+unterrichtet, Freund Selicour!--Und dir ahnet nicht, daß wir dir
+eine böse, böse Schlinge legen--Der Minister kommt--Muth gefaßt!
+Jetzt gilt es, den entscheidenden Streich zu thun.
+
+
+
+Zweiter Auftritt.
+
+Narbonne. La Roche.
+
+
+Narbonne. Was seh' ich? Sind Sie es schon wieder, der mich hat
+herausrufen lassen?
+
+La Roche. Möge dies die letzte Unterredung sein, die Sie mir
+bewilligen, Herr von Narbonne, wenn ich Sie auch diesmal nicht
+überzeugen kann--Ihre eigene Ehre aber und die meine erfordern es,
+daß ich darauf bestehe--Alles, was ich bis jetzt versucht habe,
+diesen Herrn Selicour in Ihrer guten Meinung zu stürzen, ist zu
+seiner Ehre und zu meiner Beschämung ausgeschlagen--dennoch gebe ich
+die Hoffnung nicht auf, ihn endlich zu entlarven.
+
+Narbonne. Das geht zu weit! Meine Geduld ist am Ende!
+
+La Roche. Ein einziges Wort, Herr Minister!--Sie suchen eben jetzt
+ein Quartier in der Vorstadt? Ist's nicht so?
+
+Narbonne. Wie? Was ist das?
+
+La Roche. Es ist für ein Frauenzimmer bestimmt, die sich mit ihrer
+ganzen Familie im größten Elend befindet. Hab' ich nicht Recht?
+
+Narbonne. Wie? Was? Sie erdreisten sich, meinen Schritten
+nachzuspüren?
+
+La Roche. Zürnen Sie nicht--ich hab' es bloß Ihrem Freund Selicour
+nachgethan. Er war es, der diesen Morgen zuerst diese Nachricht von
+Ihrem Kammerdiener heraus zu locken wußte--Er gab der Sache sogleich
+die beleidigendste Auslegung--Ich hingegen habe Ursache, ganz anders
+davon zu denken. Denn, daß ich's nur gestehe, ich stellte genauere
+Nachforschung an--ich war dort--ich sah das Frauenzimmer, von dem
+die Rede ist--(Er lacht.) Sie hat ein ganz ansehnliches Alter--
+Selicour hält sie für eine junge Schönheit----O entrüsten Sie sich
+nicht--Ich bitte, lassen Sie ihn ankommen! Hören Sie ihn zu Ende,
+und wenn Sie ihn nicht als einen ganzen Schurken kennen lernen, so
+will ich mein ganzes Leben lang ein Schelm sein--Da kommt er--ich
+will ihm nur Platz machen, damit Sie's auf der Stelle ergründen. (Ab.)
+
+Narbonne. Der rasende Mensch! Wie weit ihn seine Leidenschaft
+verblendet. Wie? Selicour könnte--Nein, nein, nein, nein, es ist
+nicht möglich! Nicht möglich!
+
+
+
+Dritter Auftritt.
+
+Narbonne. Selicour.
+
+
+Selicour (bei Seite). Er ist allein! Jetzt kann ich's anbringen!--
+Wenn ich jetzt nicht eile, mich ihm nothwendig zu machen, so setzt
+dieser Firmin sich in seine Gunst.--Hab' ich einmal sein Geheimniß,
+so ist er ganz in meinen Händen.
+
+Narbonne. Ich denke eben daran, lieber Selicour, was man im
+Ministerium zu Ihrem Aufsatz sagen wird--Ich hab' ihn sogleich
+abgehen lassen, er wird diesen Augenblick gelesen, und ich zweifle
+nicht, er wird den vollkommensten Beifall haben.
+
+Selicour. Wenn er den Ihrigen hat, so sind alle meine Wünsche
+befriedigt. (Für sich). Wie leit' ich's nur ein?--Wagen kann ich
+dabei nichts, denn die Sache ist richtig. Ich will nur gerade
+zugehen--
+
+Narbonne. Sie scheinen in Gedanken, lieber Selicour!
+
+Selicour. Ja--ich--ich denke nach, welche boshafte Auslegungen
+doch die Verleumdung den unschuldigsten Dingen zu geben im Stand ist!
+
+Narbonne. Was meinen Sie damit?
+
+Selicour. Es muß heraus--ich darf es nicht länger bei mir behalten
+--Böse Zungen haben sich Angriffe gegen Sie erlaubt--Es hat
+verlauten wollen--Ich bitte--beantworten Sie mir ein paar Fragen,
+und verzeihen Sie der besorgten Freundschaft, wenn ich unbescheiden
+scheine.
+
+Narbonne. Fragen Sie! Ich will alles beantworten.
+
+Selicour. Wenn ich Ihrem Kammerdiener glauben darf, so suchen Sie
+ein Quartier in der Vorstadt?
+
+Narbonne. Weil Sie es denn wissen--ja.
+
+Selicour. Und ganz in geheim, hör' ich.
+
+Narbonne. Ich habe bis jetzt wenigstens ein Geheimniß daraus gemacht.
+
+Selicour. Für ein unverheiratetes Frauenzimmer?
+
+Narbonne. Ja.
+
+Selicour. Die Ihnen sehr--(stockt) sehr werth ist?
+
+Narbonne. Ich gestehe es, ich nehme großen Antheil an ihr.
+
+Selicour (für sich). Er hat es gar keinen Hehl--die Sache ist
+richtig.--Und Sie möchten gern das Aufsehen vermeiden, nicht wahr?
+
+Narbonne. Wenn es möglich wäre, ja!
+
+Selicour. Ach, gut! Gut! Ich verstehe! Die Sache ist von
+zärtlicher Natur, und die Welt urtheilt so boshaft.--Aber ich kann
+Ihnen dienen.
+
+Narbonne. Sie?
+
+Selicour. Kann Ihnen dienen! Verlassen Sie sich auf mich!
+
+Narbonne. Aber wie denn?
+
+Selicour. Ich schaffe Ihnen, was Sie brauchen.
+
+Narbonne. Wie denn? Was denn?
+
+Selicour. Ich hab's! Ich schaff's Ihnen--Ein stilles Häuschen,
+abgelegen--einfach von außen und unverdächtig!--Aber innen aufs
+zärtlichste eingerichtet--die Meubles, die Tapeten nach dem neuesten
+Geschmack--ein Cabinet--himmlisch und reizend--kurz--das schönste
+Boudoir, das weit und breit zu finden.
+
+Narbonne (für sich). Sollte La Roche Recht behalten--(Laut.) Und
+welche geheime Ursache hätte ich, ein solches Quartier zu suchen?
+
+Selicour (lächelnd). In Sachen, die man vor mir geheim halten will,
+weiß ich mich einer vorlauten Neugier zu enthalten--Erkennen Sie
+übrigens einen dienstfertigen Freund in mir--Es ist nichts, wozu ich
+nicht bereit wäre, um Ihnen gefällig zu sein. Befehlen Sie, was Sie
+wollen, ich werde gehorchen, ohne zu untersuchen--Sie verstehen mich.
+
+Narbonne. Vollkommen.
+
+Selicour. Man muß Nachsicht haben.--Ich--ich halte zwar auf gute
+Sitten--Aber, was diesen Punkt betrifft--wenn man nur den
+öffentlichen Anstoß vermeidet--Ich gehe vielleicht darin zu weit--
+aber das gute Herz reißt mich hin--und mein höchster Wunsch ist, Sie
+glücklich zu sehen--
+
+
+
+Vierter Auftritt.
+
+Vorige. Michel.
+
+
+Michel. So eben gibt man diese Briefe ab.
+
+Narbonne (zu Selicour). Die sind für Sie.
+
+Selicour. Mit Ihrer Erlaubniß! Es sind Geschäftsbriefe, die gleich
+expediert sein wollen--Frisch zur Arbeit und frisch ans Vergnügen.
+So bin ich einmal! (Geht ab.)
+
+
+
+Fünfter Auftritt.
+
+Narbonne allein.
+
+
+Kaum kann ich mich von meinem Erstaunen erholen--Dieser Selicour--
+ja, nun zweifle ich nicht mehr, dieser Selicour war der schändliche
+Helfershelfer meines Vorgängers--Ich gebe mich nicht für besser, als
+Andere. Jeder hat seine Fehler--aber sich mit dieser Schamlosigkeit
+anzubieten!--Und diesem Nichtswürdigen wollte ich mein Kind
+hinopfern--mit diesem Verräther wollte ich den Staat betrügen?--Aus
+Freundschaft will er alles für mich thun, sagt er. Sind das unsere
+Freunde, die unsern Lastern dienen?
+
+
+
+Sechster Auftritt.
+
+Narbonne und La Roche.
+
+
+La Roche. Nun, er ging so eben von Ihnen hinweg--darf ich fragen?
+
+Narbonne. Ich habe Sie und ihn unrecht beurtheilt--Sie haben mir
+einen wesentlichen Dienst erzeigt, Herr La Roche, und ich lasse Ihnen
+endlich Gerechtigkeit widerfahren.
+
+La Roche (mit freudiger Rührung). Bin ich endlich für einen
+redlichen Mann erkannt? Darf ich das Haupt wieder frei erheben?
+
+Narbonne. Sie haben es erreicht--Sie haben den Betrüger entlarvt--
+aber wie soll ich eine so lang bewährte Ueberzeugung aufgeben, daß
+Geist und Talent bei keinem verderbten Herzen wohnen?--Dieser Mensch,
+den ich jetzt als einen Niederträchtigen kennen lerne, er hat mir
+noch heute eine Schrift zugestellt, die dem größten Staatsmann und
+Schriftsteller Ehre machte--Ist es möglich? Ich begreife es nicht--
+so gesunde Begriffe, so viel Geist bei einem so weggeworfenen
+Charakter! Ich habe das Memoire auf der Stelle ans Gouvernement
+gesendet, und ich will wetten, daß die Briefe, die ich soeben erhalte,
+von dem Lobe desselben voll sind. (Er erbricht einen der Briefe und
+liest.) Ganz richtig! Es ist, wie ich sagte!
+
+La Roche. Ich kann nicht daraus klug werden.--Das Werk ist also
+wirklich gut?
+
+Narbonne. Vortrefflich!
+
+La Roche. So wollte ich wetten, daß er nicht der Verfasser ist.
+
+Narbonne. Wer sollte es denn sein?
+
+La Roche. Er ist's nicht, ich will meine Seele zum Pfand setzen--
+denn am Ende will ich ihm doch noch eher Herz als Kopf zugestehen.--
+Wenn man versuchte--Ja!--richtig--ich hab' es!--Das muß gelingen
+--Herr von Narbonne! Wenn Sie mir beistehen wollen, so soll er sich
+selbst verrathen.
+
+Narbonne. Wie denn?
+
+La Roche. Lassen Sie mich machen--Er kömmt! Unterstützen Sie mich!
+
+
+
+Siebenter Auftritt.
+
+Vorige. Selicour.
+
+
+La Roche (mit Leidenschaft). Mein Gott! Welches entsetzliche
+Unglück!
+
+Selicour. Was gibt's, Herr La Roche?
+
+La Roche. Welche Veränderung in einem einzigen Augenblick?
+
+Selicour. Was haben Sie? Was bedeutet dieses Jammern, dieser Ausruf
+des Schreckens?
+
+La Roche. Ich bin wie vom Donner getroffen!
+
+Selicour. Aber was denn?
+
+La Roche. Dieser Unglücksbrief--So eben erhält ihn der Minister--
+(Zu Narbonne.) Darf ich? Soll ich?
+
+Narbonne. Sagen Sie alles!
+
+La Roche. Er ist gestürzt!
+
+Selicour. Um Gotteswillen!
+
+La Roche. Seines Amtes entlassen!
+
+Selicour. Es ist nicht möglich!
+
+La Roche. Nur zu wahr! Es wollte schon vorhin etwas davon verlauten;
+ich wollt' es nicht glauben, ich eilte hieher, mich selbst zu
+unterrichten--und nun betätigt es der Minister selbst!
+
+Selicour. So ist sie wahr, diese schreckliche Neuigkeit?
+
+(Narbonne bestätigt es mit einem stummen Zeichen.)
+
+
+
+Letzter Auftritt.
+
+Vorige. Madame Belmont. Charlotte. Beide Firmin.
+
+
+La Roche. Kommen Sie, Madame! Kommen Sie, Herr Firmin!--
+
+Mad. Belmont. Was gibt's?
+
+La Roche. Trösten Sie unsern Herrn--Sprechen Sie ihm Muth zu in
+seinem Unglücke!
+
+Mad. Belmont. Seinem Unglücke!
+
+Charlotte. Mein Gott! Was ist das?
+
+La Roche. Er hat seine Stelle verloren.
+
+Charlotte. Großer Gott!
+
+Selicour. Ich bin erstaunt, wie Sie!
+
+Mad. Belmont. Wer konnte ein solches Unglück vorhersehen!
+
+Karl Firmin (leidenschaftlich). So ist das Talent geächtet, so ist
+die Redlichkeit ein Verbrechen in diesem verderbten Lande! Der
+rechtschaffene Mann behauptet sich kaum einen Tag lang, und das Glück
+bleibt nur dem Nichtswürdigen getreu.
+
+Narbonne (sehr ernst). Nichts übereilt, junger Mann!--Der Himmel
+ist gerecht, und früher oder später erreicht den Schuldigen die
+Strafe.
+
+Selicour. Aber sagen Sie mir, kennt man denn nicht wenigstens die
+Veranlassung dieses unglücklichen Vorfalls?
+
+La Roche. Leider nur zu gut kennt man sie. Ein gewisses Memoire ist
+Schuld an dem ganzen Unglück.
+
+Firmin (lebhaft). Ein Memoire! (Zum Minister) Dasselbe vielleicht,
+das ich Sie heute lesen sah?
+
+Selicour. Wo die Regierung selbst mit einer Freiheit, einer Kühnheit
+behandelt wurde--
+
+La Roche. Ganz recht! Das nämliche.
+
+Selicour. Nun, da haben wirs! Hatte ich nun Unrecht, zu sagen, daß
+es nicht immer räthlich ist, die Wahrheit zu sagen?
+
+Narbonne. Wo die Pflicht spricht, da bedenke ich nichts. Und was
+auch der Erfolg sei, nie werde ich's bereuen, meine Pflicht gethan zu
+haben.
+
+Selicour. Schön gedacht! Allerdings! Aber es kostet Ihnen auch
+einen schönen Platz!
+
+La Roche. Und damit ist's noch nicht alle! Es könnten wohl auch
+noch Andre um den ihrigen kommen.--Man weiß, daß ein Minister selten
+Verfasser der Schriften ist, die aus seinen Bureaux heraus kommen.
+
+Selicour. Wie so? Wie das?
+
+La Roche (für sich). Bei dem fällt kein Streich auf die Erde!
+
+Firmin. Erklären Sie sich deutlicher!
+
+La Roche. Man will schlechterdings heraus bringen, wer diese heftige
+Schrift geschmiedet hat.
+
+Selicour. Will man? Und da würde er wohl in den Sturz des Ministers
+mit verwickelt werden?
+
+La Roche. Freilich! Das ist sehr zu besorgen.
+
+Selicour. Nun, ich bin's nicht!
+
+Firmin. Ich bin der Verfasser!
+
+Narbonne. Was hör' ich?
+
+Mad. Belmont. Was? Sie, Herr Firmin?
+
+Firmin. Ich bin's, und ich rühme mich dessen.
+
+La Roche (zu Narbonne). Nun, was sagt' ich Ihnen?
+
+Firmin. Den Ruhm dieser Arbeit konnte ich dem Herrn Selicour gern
+überlassen, aber nicht so die Gefahr und die Verantwortung--Ich habe
+geschwiegen bis jetzt, aber nun muß ich mich nennen.
+
+Karl. Recht so, mein Vater! Das heißt als ein Mann von Ehre
+gesprochen--Seien Sie auf Ihr Unglück stolz, Herr von Narbonne!--
+Mein Vater kann nichts Strafbares geschrieben haben--O mein Herz
+sagt mir, dieser Unfall kann eine Quelle des Glückes werden--
+Charlottens Hand wird kein Opfer der Verhältnisse mehr sein--Die
+Größe verschwindet, und Muth gewinnt die furchtsame Liebe.
+
+Mad. Belmont. Was hör' ich! Herr Firmin!
+
+Firmin. Verzeihen Sie der Wärme seines Antheils; sein volles Herz
+vergreift sich im Ausdruck seiner Gefühle!
+
+Narbonne. So hat denn Jeder von Ihnen sein Geheimniß verrathen--
+Herr Firmin! Sie sind der Verfasser dieses Memoire, so ist es billig,
+daß Sie auch den Ruhm und die Belohnung davon ernten.--Das
+Gouvernement ernennt Sie zum Gesandten--(Da Alle ihr Erstaunen
+bezeugen.) Ja, ich bin noch Minister, und ich freue mich, es zu sein,
+da ich es in der Gewalt habe, das wahre Verdienst zu belohnen.
+
+Mad. Belmont. Was ist das?
+
+Selicour (in der höchsten Bestürzung). Was hab' ich gemacht!
+
+Narbonne (zu Selicour). Sie sehen Ihr Spiel verrathen--Wir kennen
+Sie nun, Heuchler an Talent und an Tugend!--Niedriger Mensch,
+konnten Sie mich für Ihres Gleichen halten?
+
+La Roche. Wie schändlich er eine edle That auslegte! Ich weiß alles
+aus dem Munde der Dame selbst. Dieses Frauenzimmer, für das er Ihnen
+eine strafbare Neigung andichtete--es ist eine kranke, eine bejahrte
+Matrone, die Wittwe eines verdienstvollen Officiers, der im Dienst
+des Vaterlandes sein Leben ließ und gegen den Sie die Schuld des
+Staats bezahlten.
+
+Narbonne. Nichts mehr davon, ich bitte Sie! (Zu Selicour.) Sie
+sehen, daß Sie hier überflüssig sind. (Selicour entfernt sich still.)
+
+La Roche. Es thut mir leid um den armen Schelm--Wohl wußt' ich's
+vorher, mein Haß würde sich legen, sobald es mit seiner Herrlichkeit
+aus sein würde.
+
+Firmin (drückt ihm leise die Hand). Lassen Sie's gut sein. Wir
+wollen ihn zu trösten suchen.
+
+La Roche. Basta, ich bin dabei!
+
+Narbonne (zu Karln). Unser lebhafter junger Freund ist auf einmal
+ganz stumm geworden--Ich habe in Ihrem Herzen gelesen--lieber
+Firmin! Der Ueberraschung danke ich Ihr Geheimniß und werde es nie
+vergessen, daß Ihre Neigung bei unserm Glücke bescheiden schwieg und
+nur laut wurde bei unserm Unglück.--Charlotte! (Sie wirft sich
+schweigend in ihres Vaters Arme.) Gut, wir verstehen uns! Erwarte
+alles von deines Vaters Liebe.
+
+La Roche. Und ich will darauf schwören, Karl Firmin ist der wahre
+Verfasser des Gedichts.
+
+Mad. Belmont. Wär's möglich?
+
+Charlotte (mit einem zärtlichen Blick auf ihn). Ich habe nie daran
+gezweifelt! (Karl küßt ihre Hand mit Feuer.)
+
+Mad. Belmont. O der bescheidene junge Mann! Gewiß, er wird unser
+Kind glücklich machen!
+
+Narbonne. Bilden Sie sich nach Ihrem Vater--und mit Freuden werde
+ich Sie zum Sohn annehmen.--(Halb zu den Mitspielenden, halb zu den
+Zuschauern.) Diesmal hat das Verdienst den Sieg behalten.--Nicht
+immer ist es so. Das Gespinnst der Lüge umstrickt den Besten; der
+Redliche kann nicht durchdringen; die kriechende Mittelmäßigkeit
+kommt weiter, als das geflügelte Talent; der Schein regiert die Welt,
+und die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne.
+
+
+
+
+
+
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER PARASIT, ODER DIE KUNST, SEIN GLUECK ZU MACHEN ***
+
+This file should be named 6504-8.txt or 6504-8.zip
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+https://gutenberg.org or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04
+
+Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
+
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
+to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.
+
+We need your donations more than ever!
+
+As of February, 2002, contributions are being solicited from people
+and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
+Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
+Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
+Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
+Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
+Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
+Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
+Virginia, Wisconsin, and Wyoming.
+
+We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
+that have responded.
+
+As the requirements for other states are met, additions to this list
+will be made and fund raising will begin in the additional states.
+Please feel free to ask to check the status of your state.
+
+In answer to various questions we have received on this:
+
+We are constantly working on finishing the paperwork to legally
+request donations in all 50 states. If your state is not listed and
+you would like to know if we have added it since the list you have,
+just ask.
+
+While we cannot solicit donations from people in states where we are
+not yet registered, we know of no prohibition against accepting
+donations from donors in these states who approach us with an offer to
+donate.
+
+International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
+how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
+deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
+ways.
+
+Donations by check or money order may be sent to:
+
+Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+PMB 113
+1739 University Ave.
+Oxford, MS 38655-4109
+
+Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
+method other than by check or money order.
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
+the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
+[Employee Identification Number] 64-622154. Donations are
+tax-deductible to the maximum extent permitted by law. As fund-raising
+requirements for other states are met, additions to this list will be
+made and fund-raising will begin in the additional states.
+
+We need your donations more than ever!
+
+You can get up to date donation information online at:
+
+https://www.gutenberg.org/donation.html
+
+
+***
+
+If you can't reach Project Gutenberg,
+you can always email directly to:
+
+Michael S. Hart <hart@pobox.com>
+
+Prof. Hart will answer or forward your message.
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+**The Legal Small Print**
+
+
+(Three Pages)
+
+***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
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+ form by the program that displays the eBook (as is
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+ OR
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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
+
+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
+
+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
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