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| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-09 13:38:14 -0800 |
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Auf diesen +Nebeln ruht zuweilen Mond- und Sternenlicht; goldene und silberne Wolken +fließen unaufhörlich durch das Dunkel dahin, bis es zu einem nassen und +schleichenden Morgen tagt. + +Es ist seltsam zu sagen: Ich ziehe den Regen meinen anmutigen +Herbstabenden vor. Während des ganzen Tages bleiben meine Fenster fest +geschlossen, und ich finde ein Vergnügen darin, stundenlang im Zimmer +auf und ab zu gehen, mit der Papierschere zu spielen, meine und meines +Vaters Tagebücher zu lesen und immer wieder in hundertfachen Pausen dem +Regen, dem grausamen, dem gänzlich hoffnungslosen zuzusehen. Keine +Stimme redet zu mir aus dem strömenden Wasser, wie es bisweilen den +Dichtern geschieht, und belustigt mich durch ihre Geschichten, -- +vielleicht durch kleine rührende Märchen, die meine Brust mit süßen +Hoffnungen erfüllen könnten und dann ganz trostlos endigen, ... o nein, +was mich unwiderstehlich zu dem erbarmungslosen Freunde dieser Tage +hinzieht, ist nichts anderes als die nackte, von jeder Kunst entblößte +Trauer und ihr schwermütiges Gefolge. + +Es gibt Tage, wo der Regen auch vor der Vesperstunde nicht Halt macht, +sondern in die finstere Nacht hineinrauscht und nimmer ruhen mag. Dann +kommt die Zeit meiner tiefsten Ängste, und es erfassen mich Gefühle, die +ich längst vergessen wähnte: Meine vollkommene, durch keine Gunst des +Schicksals je gestörte Vereinsamung, meine frevelhafte, durch keinen +leuchtenden Gedanken je geweihte Eigenmächtigkeit und meine tödliche, +tödliche Sehnsucht. + + * * * * * + +Es ist wahr, ich bin grenzenlos einsam. Daß ich dies erst jetzt fühle, +bereitet mir eine gewisse Genugtuung, zumal wenn ich daran denke, daß es +Menschen gibt, die Tag für Tag an ihrer Einsamkeit leiden. + +Aber nun, hier auf meinem Landsitz, ist es eingetreten, daß ich in den +Regen schaue, eine ganze Weile, geruhig, mit einer leichten Traurigkeit +im Herzen, und dann plötzlich der Gedanke mich zu Boden schmettert, daß +es auf der ganzen Welt keine einzige Seele gibt, die mir am Tage oder in +der dunklen Nacht je vertraut wäre. + +O, ich weiß, daß viele Menschen ebenso wie ich zu sprechen pflegen, -- +aber bedenken diese auch, daß sie noch von der Kindheit her eine alte, +gebrechliche Haushälterin besitzen, die sie rührend eifrig bedient und +mit mürrischer Zärtlichkeit an ihnen hängt, oder einen Hund, einen +kranken vielleicht, der mit guten, getrübten Augen zu ihnen emporsieht? +Aber ich, ich kann nicht einmal solche Geschöpfe, die Geschöpfe des +unteren Daseins, mein Eigen nennen. Meine Haushälterin versieht ihren +Dienst mit gleichgültiger Sorgfalt, und die Hunde des Gutes lieben +meinen Inspektor, nicht mich. + +Ich habe freilich mit vielen Männern Handschlag und freundlichen Blick +gewechselt, habe Umarmungen und Küsse mit manchen Frauen getauscht und +bin in vieler Herren Dienst gestanden, -- was blieb mir von alledem? Das +Herz des Söldners, seine ruchlose Einsamkeit und seine undeutliche +Erinnerung. Denn meinem Geist sind alle Geschehnisse zerronnen, wie der +Regen zerrinnt auf den Schieferdächern meiner Scheunen. + + * * * * * + +Ich stehe ein wenig abseits vom Sinn und Gefüge der Natur, das sei +zugestanden, auch trage ich eine spöttische Unbekümmertheit um ihren +Gang zur Schau. Ich befinde mich außerhalb der Kreise, die von der Natur +um die Dinge dieser Welt, um Menschen, Tiere, Blumen, ja, um die starre +Öde des Gesteins gezogen ward und -- ich will es nur aussprechen -- ich +befinde mich dort nicht allzu wohl. Ich fühle mich ausgeschlossen von +der mütterlichen Güte der Natur, die selbst dann meine tiefste Sehnsucht +erweckt, wenn sie den andern nur grausam und sinnlos erscheint. Ich zöge +es vor, als ihr niedrigster Knecht in Ketten zu schmachten, als, ach -- +so frei zu sein, wie ich bin ... + + * * * * * + +Ich gehe an meine Bibliothek und nehme die römischen Elegien heraus. In +dem Kupferstich auf der ersten Seite finde ich die Worte: »Wie wir einst +so glücklich waren.« + +Ich lese es und habe Tränen in meinen Augen. + + »Wie wir einst so glücklich waren, + Müssen's nun durch Euch erfahren.« + +Es war auf einem deutschen Rittergut im Sommer, in einem Sommer voll +gesegneter Tage; das Getreide stand hoch, vortreffliches Heu lag auf den +Wiesen; der Himmel war am Morgen blau, mit einer glasigen Mondsichel +über den Scheunen, und nachts leuchteten viel Sterne wie aus einem +dunkeln, reichen und kostbaren Stoff. Ich liebte dort alle Menschen und +ich betete mit einer jungglühenden Leidenschaft eine gewisse Dame an, -- +vielleicht war es ein Taugenichts von einer Dame. O, ich habe dies alles +nie vergessen, ich entsinne mich sehr gut. Ich will diese Geschichte +aufschreiben und sie dann einem Mädchen vorlesen, das irgendwo in der +Welt lebt, einem schlanken Mädchen etwa von blondem Haar und weißen, +milden Händen, und dieser Gedanke hat etwas unendlich Beruhigendes für +mich. Ich erinnere mich dabei an gewisse Abendspaziergänge über die +sanften Felder eines deutschen Rittergutes, an gewisse zärtliche und +gütige Nächte und an die verworrenen Laute eines Fuhrmannes, der in der +Dunkelheit den Hof erreichte und seine Pferde beim Schein der Laterne +aus der Deichsel führte. + + + + + 2 + + +Ich schauderte, als ich zum ersten Mal mit einem Wagen durch die Straßen +dieser Stadt fuhr, in der ich die zwei letzten Jahre meiner Schulzeit +verbringen sollte. Von den häßlichen, kalkig-weißen oder gelben +Mietshäusern, die mit dem läppischen Stuck einer nur auf die +Nützlichkeit gerichteten Baukunst verziert waren, wandte sich der +gekränkte Blick zu modischen Villen, die mitten in Arbeitervierteln +durch ihren Prunk aufgeblasen, durch ihre ärmliche Umgebung +unschicklich, ja frech erscheinen mußten. Ein verachteter, oftmals +bespöttelter Fluß, das Zerrbild eines Flusses, führte sein dünnes, +unruhiges und stets getrübtes Wasser durch das Weichbild der Stadt. In +den lichtlosen Gassen aber duckten sich zuweilen jahrhundertalte +ängstliche Giebelhäuser, die einer seelenvollen und klaräugigen +Vergangenheit entstammten. + +Der Knabe hatte seine erste Jugend auf einer Landschule zugebracht und +war dort von erfahrenen Männern zusammen mit einer Schar unermüdlicher +und redlicher Jungen erzogen worden. Nun stand er, einem begründeten +Wunsche seines Vaters folgend, allein in dieser Stadt, ohne daß ihn +irgend ein freundliches Gefühl an ihre Menschen gebunden hätte, dazu von +einer auf dem Lande erlernten und geübten Sittlichkeit beschwert, die +den Verkehr mit den leichtgesinnten Bewohnern der Städte verbot. So +verschloß er sich nicht ohne einen gewissen Starrsinn den Freuden der +Geselligkeit, gedachte mit Trauer der vergangenen Zeit und fand ein +großes Gefallen daran, den alten Freunden in langen Briefen seine +augenblickliche Lage mit den trostlosesten Worten zu schildern. Seine +Stimmung ward durch den Umstand nicht verbessert, daß der Vater ihm +Geldmittel von bedeutender Höhe zur Verfügung stellte, die weder dem +Alter noch dem Verdienst des Sohnes ziemten. + +Er verachtete mit zusammengepreßten Lippen und immer strengen Zügen die +Lehrer und Schulkameraden des Gymnasiums und sprach mit keinem von ihnen +mehr, als die Stunde verlangte. Ihre unerzogenen Körper und die +schlechte Artung ihrer Seelen erschreckten ihn auf das heftigste und +stießen ihn ab. Er, nur er allein war edlen, bis zu den Sternen +erhobenen Geistes und nur er besaß die Schönheit schnellbewegter +Glieder. Wer von ihnen erfaßte mit so reger Seele die donnernden +Strophen engländischer Königsdramen, die knabenhaften und verwegenen +Reden eines jungen Prinzen vor der Versammlung von Lancasterschen +Herzögen oder den aufrührerischen Hohn der französischen Herolde? Wer +ward beseligt durch das tönende Gold der achäischen Panzer, durch den +silbernen Hufschlag der streitenden, leichtberittenen Götter und durch +das blaue, blaue Griechenland? + +Wie sehnte sich der bislang an Freiheit gewöhnte Knabe nach den +Nachmittagen, die ihm durch keinen Zwang verfinstert waren! Ich denke +besonders an gewisse regnerische Nachmittage des Herbstes. In einen +trotzigen, der Kleidersitte widersprechenden Überwurf gehüllt, eine +phantastische Mütze tief in das Gesicht gezogen, mit hohen schweren +Stiefeln bekleidet, verließ er seine Wohnung und wanderte zum Stadttor +hinaus. Bald gelangte er an den armseligen, im Regen blinden Fluß, an +dessen Ufer er durch Weidengebüsch und dürftige Birkenwäldchen geradeaus +schritt, um endlich die ersehnten Felder, die trüben, häßlichen und doch +geliebten zu erreichen. Peitschte ihm der Sturm das Wasser in das +emporgerichtete Antlitz, dann fühlte er, wie das heiß ersehnte und +angebetete Leben seiner einsamen Brust günstig genähert war. Er warf die +Kleider von sich, breitete den schützenden Mantel über sie und badete im +kalten Fluß, während der Himmel seine frischen Regenstrahlen +herniedersandte; vor Frost zitternd schwang er sich vielleicht auf einen +Baum, um von dort in einer großartigeren als der gewöhnlichen Stellung +Cassius in den verhängten Himmel zu heulen: + + Und so umgürtet, Casca, wie ich bin, + Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt, + +um endlich mit geschundenem Körper, blau und naß in die Kleider zu +steigen und gedrückt, traurig und fast ein wenig weinerlich über die +eigene Narrheit im dunkelnden Nachmittag seinem Hause zuzuwandeln. In +seinem Zimmer fand er dann bereits die Dämmerung vor, die vom +Laternenschein am Fenster in zerrissenen Stücken erhellt war. Während +vom unteren Stockwerk eine musikstudierende junge Dame ihre +gleichmäßigen und süßen Variationen und Fugen erklingen ließ, schickte +er sich an, den Tee zu bereiten und die Pfeife in Gang zu bringen. Von +wundervollen Gefühlen überschlichen ließ er sich in einen Sessel nieder, +eine angenehme Wärme durchströmte seinen Körper und seine Augenlider +wurden schwer von Träumen. Aber sein der Wirklichkeit ebenso +leidenschaftlich wie der Phantasie zugetaner Sinn richtete ihn bald aus +seinen Träumen empor. Er setzte sich an den Schreibtisch, schlug seine +Schulbücher auf und arbeitete, ohne seinen Gedanken eine Ablenkung zu +gestatten, ernst und streng bis zum Abend. + + + + + 3 + + +Die letzte Unterrichtsstunde vor den großen Ferien war beendet. +Plötzlich, ja scheinbar ganz ohne Zusammenhang begann man ungeheuer laut +und angeregt zu reden, man lachte, sah einander in die Augen, schüttelte +sich die Hände, und ein jeder wünschte dem andern in weitschallenden und +überaus herzlichen Zurufen einen fröhlichen Sommer. + +Ich stand wie immer abseits. Mir ward bei all dieser Freude, die wie ein +heller Strom an mir vorbeifloß, ein wenig bedenklich zumute. + +Ich nahm zerstreut meinen Strohhut vom Kleiderriegel und betrachtete mit +Interesse meine Stiefelspitzen. + +>Jawohl,< dachte ich, >ich kann mir gut heute Nachmittag ein Paar neue +Schuhe kaufen. Morgen reise ich ja fort. Wohin eigentlich? In meine +Heimat? Zu meinem Vater? Er kreuzt mit seiner Jacht auf den nordischen +Gewässern in Begleitung der schönen Anny Döring, und er hatte in seinem +letzten Brief die Einladung für mich wohl vergessen, ... eigentlich +hatte er einen ausgezeichneten Brief geschrieben, einen höflichen, +zurückhaltenden und etwas frivolen Brief, und beigefügt war eine +Bankanweisung von erstaunlicher Höhe. Jawohl, so war mein Vater. +Übrigens war er ein vortrefflicher Herr.< + +Ich schickte mich an, den leeren Schulkorridor zu verlassen, als ein +blonder, vornehm gekleideter Knabe auf mich zutrat. + +Da er mein abweisendes Gesicht bemerkte, blieb er zögernd stehen und +senkte die Augen. Darauf glitt ein Lächeln von großer Anmut über sein +Antlitz, gleich als sei er über die eigene Schüchternheit belustigt. + +»Meine Mutter und ich, wir würden uns sehr freuen, ... das heißt, wenn +du Lust hast ...« + +Eine Stille. + +»Ich verstehe nicht, -- wie?« + +Der Knabe schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und begann +sehr herzlich und sehr laut zu lachen. + +»Zum Teufel, das war eine prachtvolle Einleitung!« + +Er legte ungezwungen und weltmännisch seine Hand auf meinen Arm. + +»Lieber Regnitz, man gibt heute nachmittag bei uns eine Gesellschaft. Es +wird vermutlich ganz witzig werden ... Jungens und Mädchen ... +Schokolade, Tanz und so ... Meine Mutter liebt das sehr, ... willst du +uns das Vergnügen machen?« + +Ich sah den Jungen erstaunt an; er gefiel mir außerordentlich. Aber ich +hatte es mir bislang in solchem Maße zur Pflicht gemacht, die +Schulkameraden abweisend und hochmütig zu behandeln, daß ich auch jetzt +nicht vermochte, mein gewöhnliches Betragen mit einem freundlicheren zu +vertauschen. + +»Du bist sehr liebenswürdig ... Entschuldige mich, ich habe deinen Namen +vergessen.« + +»Ich heiße Wolfgang Seyderhelm.« + +»Ich danke dir sehr für deine Einladung, Wolfgang Seyderhelm. Leider ist +es mir nicht möglich, sie anzunehmen, da ich heute bereits eingeladen +bin.« + +Wolfgang Seyderhelm wurde etwas rot. + +»Sehr schade,« sagte er. + +Er steckte eine Hand in die Hosentasche und wies mit der andern höflich +auf die Schultreppe: + +»Wir haben denselben Weg.« + +Wir gingen die Stufen hinunter. + +»Dein Bruder war Militärattaché in Athen, nicht wahr?« fragte Wolfgang. +»Meine Mutter glaubt, ihn dort kennen gelernt zu haben.« + +»Jawohl, er war Militärattaché in Athen.« + +Ich sah zur Seite. + +»Was ist's mit ihm?« fragte Seyderhelm, der mich beobachtete. + +»Er fiel in Südwest gegen die verdammten Schwarzen.« + +»Oh.« + +Vor dem Schulgebäude stand ein leichtgefügter eleganter Wagen mit zwei +lebhaften Apfelschimmeln. Eine junge Dame saß darin; sie trug einen +silbergrauen Schleier, der den weichen großen Hut an den Seiten +niederbog und auf der Brust zu einem Knoten verschlungen war. Ihre +schmalen Hände waren mit dänischem Leder bekleidet, und ihre von den +Wimpern tief beschatteten Augen sahen etwas mokant zu Wolfgang hin. + +»Ah, der Wagen!« sagte Wolfgang Seyderhelm, der zögernd stehen blieb. + +»Ah, deine Schwester!« sagte ich beklommen. + +»Nein, nicht meine Schwester.« + +»Nicht deine Schwester?« + +»Eine junge Dame unserer Bekanntschaft. Adieu, Walter Regnitz.« + +Wolfgang Seyderhelm grüßte. Ich dankte nicht, sondern sah auf den Wagen. +Der Kutscher legte die Hand an den Hut, Wolfgang sprach lächelnd einige +Worte, warf seine Schulmappe auf den Bock und stieg ein. Die Schimmel +zogen an und das Gefährt bog im Augenblicke um die Ecke ... + +Ich eilte in den heftigsten Gedanken nach Haus. + + + + + 4 + + +An diesem Nachmittag ging ich nicht spazieren. Ich schritt unruhig in +meinem Zimmer auf und ab. Ich hatte weder Lust zu arbeiten noch zu +lesen. Immer wieder kam mir Wolfgang Seyderhelms Einladung in den Sinn. +Und mit einem Male trat aus der Wirrnis widerstreitender Gefühle ein +leuchtender Gedanke hervor: Die Sehnsucht nach Gesprächen, nach +scherzhafter Rede und Gegenrede, nach Tanz und Schokolade und nach einer +gewissen jungen Dame mit einem silbergrauen Schleier und mokanten, von +den langen Wimpern tief beschatteten Augen. + +Ohne Zögern kleidete ich mich um, lief zum Schuldiener und ließ mir +Wolfgang Seyderhelms Adresse sagen. Bald fand ich mich abseits der Stadt +vor einer großen, mitten in einem Park gelegenen Villa. Ich schellte, +ward vom Diener ohne Verwunderung empfangen, durcheilte einige +hellerleuchtete Gemächer und stand endlich im Eßzimmer. + +Eine stattliche Anzahl von Knaben und Mädchen, unter ihnen einige +Erwachsene, saßen an drei runden Tischen, vollführten den heitersten +Lärm, und tranken mit großem Appetit Schokolade, wozu sie ungeheuer viel +Kuchen aßen. Ich blieb befangen stehen und suchte Wolfgang Seyderhelm. +Die Herrschaften verstummten allmählich, man begann mich zu bemerken. Da +sah ich am Ende des letzten Tisches Wolfgang sich erheben, der mich +verwundert anstarrte. Von einem andern Tisch her rief eine Dame: + +»Nun, Wolfgang, willst du nicht deinen Gast begrüßen?« + +Über Wolfgang Seyderhelms Gesicht glitt ein Zug von unendlicher +Liebenswürdigkeit und fast frauenhafter Güte. Schnell kam er auf mich +zu: + +»Wie lieb, daß du kommst!« + +Ich erwiderte kein Wort, drückte aber stürmisch und begeistert seine +Hand. Er faßte mich am Arm und führte mich zu der Dame, die ihm vorhin +zugerufen hatte. Glücklicherweise begann man an den Tischen sich wieder +zu unterhalten. + +»Dies hier ist mein Schulkamerad Walter Regnitz.« + +Die Mutter, eine noch junge Frau von schlankem Wuchs, heiteren +italienischen Augen und hoher reiner Stirne begrüßte mich lebhaft. + +»Es freut mich sehr, daß Sie gekommen sind. Wolfgang hat mir viel von +Ihnen erzählt.« + +Wolfgang errötete. + +»Ich denke, Herr Regnitz, Sie setzen sich neben mich. Hier ist noch ein +Stuhl frei.« + +Ich saß und fühlte meinen Sinn ein wenig umnebelt. + +»Sind Sie verwandt mit einem Herrn Regnitz, der vor zwei Jahren in Athen +Attaché war?« + +»Das war mein Bruder, gnädige Frau.« + +»Nicht möglich! ... Ihr Bruder ...!« + +Und sie sprach von meinem Bruder, den sie in Athen vor zwei Jahren +kennen gelernt hatte. + +»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« klang eine singende +Stimme neben mir, während ich mich mit Frau Seyderhelm über meinen +Bruder unterhielt, der in Athen vor zwei Jahren Attaché gewesen war. Ich +wandte mich nicht um und konnte nicht erkennen, woher diese Stimme kam +und ob sie mir galt. Ich sah viele Gesichter, darunter das von Wolfgang +Seyderhelm, dessen Blick sich stets abwandte, sobald er den meinen traf. +Ich empfand es sehr wohltuend, daß ich mich vorhin beim Eintreten nicht +allzu ungeschickt benommen hatte und nun in ungezwungenem Tone mit +Wolfgangs Mutter redete. + +»Wo ist Ihr Herr Bruder jetzt?« + +»Er ist im Kampf gegen die Neger gefallen.« + +»Oh wie traurig! Als Offizier?« + +»Jawohl, als Offizier.« + +»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« sang irgendwo eine +Stimme. + +»Und Sie sind hier in unsere Stadt gekommen, um das Abiturium zu +machen?« + +»Jawohl, ich war jahrelang auf dem Lande, nun will ich hier das +Abiturium machen.« + +»Wolfgang erzählt, Sie seien sehr fleißig.« + +»Ich will mit der Schule schnell zu Ende kommen.« + +»So --?« + +Frau Seyderhelm wandte den Kopf nach einer anderen Richtung, da sie von +dort gerufen wurde. Nun konnte auch ich mich umsehen. + +Neben mir saß eine junge Dame, die auf ihrem hellblauen Kleid +Schokoladenflecke mit der Serviette abrieb. Diese junge Dame hatte +golden schimmernde, von den Wimpern tiefbeschattete Augen, +kastanienbraunes Haar, einen spöttisch verzogenen Mund und lange schmale +Finger, die auf irgendeine Art an die Kälte des Winters erinnerten, an +Elfenbein und an die Heiligtümer indischer Völker. + + + + + 5 + + +Ich schwieg beklommen, seufzte tief auf und gewann endlich den Mut zu +fragen: »Habe ich Ihr Kleid ...? Das heißt, bin ich daran schuld, daß +Sie ...?« + +Die junge Dame antwortete nicht, sondern reinigte emsig mit einer +kleinen Serviette, die sie in warmes Wasser getaucht hatte, ihr +hellblaues Kleid. + +»Ich meinte nur ...« sagte ich ratlos. + +Da hob die junge Dame den Kopf in die Höhe, sah mir in die Augen, wobei +sie sich ein wenig zur Seite neigte, und begann eine Tonreihe von +silberhellem Klang zu lachen mit listigen, schmalen Augen, mit offenem +Munde und vielen weißen Zähnen. + +»Nein, _zu_ dumm! Sie haben eine Art, sich Schokolade einzugießen! Sehen +Sie, man macht es nicht so --« + +Sie nahm eine Porzellankanne und ließ den Strahl von solcher Höhe in die +Tasse fallen, daß alles um sie herum erschrocken und lachend zurückwich. + +»-- sondern so.« + +Sie verkleinerte den Strahl und ließ ihn manierlich fließen. + +Ich ward einem Sturm des Gelächters preisgegeben. Ein geistlicher Herr, +der an einem andern Tisch seinen Platz gefunden hatte, beugte sich mit +fröhlichem Augenblinzeln zur Seite und begann so herzlich zu lachen, daß +er sein Taschentuch hervorziehen mußte. Einige Backfische kicherten und +flüsterten, ein paar Jungens brüllten. Ja, die junge Dame mir zur Seite +schien ein Tausendsassa zu sein, die eine ganze Gesellschaft mit ihren +Späßen zu erheitern vermochte. + +Ehe ich noch etwas erwidern konnte, wurden die Stühle mit großem Lärm +gerückt und man erhob sich. Die junge Dame tat mit der Hand noch schnell +eine sonderbare Geste, die ich mir nur so deuten konnte: »Ein dummer +Junge, nicht wahr?« Darauf hatte sie plötzlich, als sie von ihrem Stuhl +aufstand, ernste und unbewegliche Züge. Die strengen Linien ihrer +goldfarbenen Augenbrauen und Wimpern, der kunstvolle geschlossene Aufbau +ihres kastanienbraunen Haares beherrschten mit einem Male das Antlitz. +Die herabhängenden Arme waren eng an das Kleid gehalten und die Hände +lagen wie erstarrt in den Falten. + +Wolfgang Seyderhelm trat auf mich zu und bot mir sehr herzlich die Hand. +Ich bemerkte, daß er enganliegende graue Hosen trug, Lackstiefel, ein +Jackett, ähnlich wie es die englischen Midshipmen zu tragen pflegen, und +einen umgebogenen Kragen, der seinen braunen Hals freiließ. Er schien +stolz und glücklich zu sein und hatte das Aussehen und Betragen eines +jungen Engländers und Weltmannes. + +»Hast du dich mit deiner Tischnachbarin unterhalten?« fragte er. + +»Du meinst, mit deiner Mutter?« + +»Nein, ich meine mit dieser jungen Dame dort.« + +Er zeigte in den Salon. + +»Kaum. -- Wie heißt sie?« + +»Nina.« + +Ich mußte plötzlich an die Schneeberge und Weintrauben Kaukasiens +denken, an die reine Stirne und den unvergleichlichen Gang der +Kosakenmädchen. + +»Was ist's mit ihr?« fragte ich. + +»Sie ist Schauspielerin am Stadttheater. Eine Protegé meiner Mutter.« + +»Wie alt?« + +»Achtzehn.« + +Ich sah, daß man im Speisezimmer die Stühle an die Wand schob und den +Teppich aufrollte. Ich blickte zerstreut an den Gobelins hinauf, deren +streitende Helden sich in übermenschlichen Triumphen und Schmerzen +gegenüberstanden. Wolfgang sprach noch, aber ich verstand nicht, was er +eigentlich sagte. So, so ... so ... sie hieß Nina, ... welch ein süßer +Gleichklang in ihrem Namen, ... welch ein Duft von ihrem Haar, ... ich +begann Kopfschmerzen zu bekommen, ... wie zärtlich Wolfgang zu ihr +hinblickte ... + +»Du liebst sie ja!« sagte ich laut und wußte nicht, ob ich wirklich +gesprochen hatte. + +Wolfgangs Antlitz sah plötzlich aus wie überströmt von Blut. + +»Was sagst du?« + +Frau Seyderhelm stand neben uns und unterhielt sich mit dem geistlichen +Herrn. Frau Seyderhelm stand sehr gerade da, sprach achtungsvoll, mit +verbindlich zur Seite geneigtem Haupt, gebrauchte sehr oft die Anrede: +Herr Pastor und hatte zu gleicher Zeit ein etwas mitleidiges Lächeln um +den Mund, da der geistliche Herr verlegen war und nicht ganz +ungezwungene Bewegungen zeigte. + +»Und morgen gehen Sie auf ihr Rittergut, meine liebe gnädige Frau?« +fragte der geistliche Herr. + +»Ja, stellen Sie sich vor, Herr Pastor, -- dieser Trubel! Alle Koffer +sind schon gepackt ... es ist ja immer wie ein Umzug! ... Aber Wolfgang +tut das Landleben so wohl ...!« + +Frau Seyderhelm strich mit der Hand über ihr schwarzes Haar. + +»Nina geht diesmal auch mit,« sagte sie, lächelte dem Pastor sehr +liebenswürdig zu und schritt ins Nebenzimmer. + +»Wie schön von dir, daß du mich eingeladen hast,« sagte ich zu Wolfgang, +wurde ganz heiß vor Begeisterung und ging weg. + +Eine Dame mit einem ungeheuren Hut betrat den Empfangsraum, ruderte +durch die Luft auf Frau Seyderhelm zu, erfüllte das Gemach mit ihren +Begrüßungen, ihren schnellen Handbewegungen, ihrer Rührung über die +frohe Schar, legte die Arme auf Frau Seyderhelms Schultern, küßte ihr +jede Wange und sagte oftmals: »Meine liebe Lina.« Sie wurde von den +Jungen mit ehrfürchtigen und ungeschickten Verbeugungen gegrüßt, von +Wolfgang empfing sie einen Handkuß und von zwei Mädchen, vermutlich +ihren Töchtern, sehr rasche und oberflächliche Umarmungen. + +Ein junger Herr, ein Student, wie man annehmen durfte, ging quer durch +den Raum, trug mit steifem Arm die Öffnung seines Zylinderhutes nach +Außen in der mit braunem Glacé bekleideten Hand, erschreckte jedermann +durch seine ruckartigen Verbeugungen, saß kurze Zeit darauf von einer +lauten Gesellschaft umgeben an einem Tisch und versuchte sich in einem +Kunststück mit zwei Gläsern, einer Teetasse und einem silbernen Löffel. + + * * * * * + +Eine Dame in einem schwarzen, bis an den Hals geschlossenen Kleide, die +blaß und hübsch war und hungrige graue Augen hatte, wahrscheinlich die +Gesellschaftsdame irgend eines der jungen Mädchen, ließ sich am Flügel +nieder und begann einen Walzer zu spielen. Die Mädchen bekamen rote +Köpfe und setzten sich ziemlich nervös auf die Stühle an der Wand. Die +Knaben standen in den Türrahmen, ordneten ihre Krawatten, ihre +Schuhbänder, ihre Frisuren und bemühten sich sorglos auszusehen. + +Irgendeiner von ihnen, ein kecker Bursche, der den Teufel nach Rotwerden +und Schüchternsein fragte, forderte als erster eines der Mädchen auf. +Andere folgten. Wolfgang trat von irgendwoher auf Nina zu, lächelte, +ohne sich zu verbeugen, und zog sie mit sich fort. Die Jungen tanzten +mit vielen Sprüngen und Witzen, schlugen die Beine nach hinten aus, so +daß man ihre Stiefelsohlen zu sehen bekam, und hielten ihre Tänzerinnen +mit steifen Armen, da sie die Berührung des Fleisches fürchteten. Die +Mädchen bewegten sich ruhiger und hatten versonnene Augen und ein +süßliches Lächeln auf den Lippen. Wolfgang und Nina sahen jugendlich und +glücklich aus; sie schienen schon oft miteinander getanzt zu haben, und +waren ihrer Bewegungen sicher. Nina neigte ihr Haupt ein wenig zu Boden, +was ihrem schlanken, hochgestellten Körper etwas Verträumtes und +zugleich Preziöses gab. + +Es war recht heiß. Ich fühlte mich elend und doch glücklich und trank +sehr viel Limonade. Frau Seyderhelm stand mit einem Male vor mir, wie +stets sehr gerade und beinah mädchenhaft schlank, die edlen Hände über +der Gürtelschnalle gekreuzt, mit heiteren Augen und reiner Stirn. Sie +nannte mich oftmals »mein lieber Herr Regnitz« und blickte, da ich +verwirrte Antworten gab, mütterlich lächelnd über die froh sich +bewegenden Kinder hin. + +Der Student tanzte jetzt mit Nina, nannte sie »mein gnädigstes Fräulein« +und benahm sich in jeder Beziehung wie ein Student, der zu einer +Backfischgesellschaft geladen ist und dort mit der einzigen erwachsenen +jungen Dame tanzt. Sein Zylinder stand irgendwo in der Ecke auf einem +Stuhl und schwankte grinsend hin und her. + +Der geistliche Herr erzählte der Dame mit dem großen Hut, daß Ihre +Hoheit Prinzessin Clementine am vorigen Sonntag in der Kirche sehr blaß +ausgesehen habe und augenscheinlich an Kopfschmerzen leide; welche +Bemerkung seine Dame mit einem kurzen, nervösen Gähnen, einem verlegenen +Hinunterschlucken und einem ehrfurchtsvollen »Gewiß, Herr Pastor« +erwiderte. + +Irgendein Mädchen, ein braves Kind mit dickem lustigen Gesicht und roten +Händen forderte mich auf, mit ihr zu tanzen; ich lehnte mit strenger +Stirne und finsteren Blicken ab. Sie schüttelte den Kopf, lachte leis, +so daß sich ihre Nase in viele Falten zog, sagte: »Nein, so etwas!« und +verschwand mit einem andern, wobei sie den Hals ihres Tänzers mit den +Armen umschloß und die guten dicken Finger auf seinem Nacken faltete. + +Wolfgang bat die Dame mit dem großen Hut und den exzentrischen +Bewegungen um einen Tanz. Die Dame sträubte sich ein wenig, sprach sehr +viel von ihrem Alter und vom Muttersein in die leere Luft und sagte +endlich zu. Man klatschte im Takt zu ihrem Tanze und bereitete sich +alsdann zur Quadrille vor. + +Ich begann mich mit irgend jemandem über unsere Lehrer zu unterhalten; +ich war witzig, der Bengel lachte und verbeugte sich darauf vor mir. + +Wolfgang trat auf mich zu. + +»Du tanzt nicht?« + +»Nein. Danke.« + +»Nie?« + +»O doch.« + +»Magst du heute nicht?« + +»Nein. Danke.« + +Nina stand neben ihm. + +Sie sah mich neugierig an. + +»Sie tanzen nicht?« + +»Nein, heute nicht.« + +Ninas Augen waren stetig auf mich gerichtet. Ich betrachtete das +kastanienbraune Haar und bemerkte, daß es im Schein der kristallenen +Lustres leuchtete. + +»Sie werden jetzt mit mir Quadrille tanzen. Warum stehen Sie immer an +der Wand? Das schickt sich doch nicht für einen jungen Herren von Ihren +Qualitäten!« + +»Wollen Sie sich bitte nicht um mich bekümmern, wie?« + +Wolfgang bekam große Augen. + +»Aber Regnitz, bitte, was ist denn --?« + +Nina lachte herzlich, zeigte ihre weißen Zähne, legte die elfenbeinerne +Hand auf Wolfgangs Arm und sagte: + +»Du, der ist aber grob!« + +Darauf wandte sie sich mir zu, machte ein hochmütiges Gesicht, senkte +die Lider, so daß es aussah, als ob sie schliefe, und sagte in einem +näselnden Ton: + +»Also bitte, -- wollen Sie jetzt meinen Arm nehmen?« + +Ich fühlte eine Schwäche in den Gliedern, während ich den rechten Arm +bog. + +»O, das ist nett!« sagte Wolfgang mit seinem liebenswürdigen Lächeln. +»Wir werden in einem Karree tanzen.« + +Wir gingen in den Saal. + +Der Student stürzte auf Nina zu. + +»Aber, gnädigstes Fräulein haben _mir_ ja ... das heißt, wenn Sie +vorziehen ...« + +Er schwitzte und verbeugte sich. Ich bemerkte, daß er nach Mediziner im +zweiten Semester roch. + +»Ach, Herr Doktor, ... ich hatte schon Herrn Regnitz vorher versprochen, +die Quadrille mit ihm zu tanzen. Verzeihen Sie.« + +Wir gingen weiter. Der Student war von diesem Augenblick an in jeder +Beziehung erledigt. Er war fertig, hingerichtet, gleichsam mausetot ... + +Die Dame am Klavier mit den hungrigen Augen spielte die Aufforderung zur +Quadrille. Das Karree bildete sich. Ich steckte eine Hand in die +Hosentasche und machte ein gleichgültiges Gesicht. + +»Entschuldigen Sie,« sagte ich. + +»Bitte?« + +Nina begann sich mit dem Geistlichen zu unterhalten, der plötzlich neben +ihr stand. Sie schauspielerte Ehrfurcht und war sehr schüchtern. Ich +wurde rot. Sie wandte sich um: + +»Was sagten Sie eben?« + +»Vielleicht hören Sie zu, wenn ich mit Ihnen spreche!« + +»Sie sind manierlos.« + +»Ich bat um Entschuldigung wegen vorhin.« + +»Sie können gleich um Entschuldigung bitten >wegen jetzt<.« + +Ich schwieg. Mein Gott, warum war ich nur so ungezogen! Ein weinerliches +Etwas stieg in meine Nase empor. + +Wolfgang trat uns gegenüber und sprach mit seiner Cousine, einem +schüchternen Mädchen von außergewöhnlicher Schönheit. Er winkte uns mit +der Hand zu. + +Die Quadrille begann. + +Nina verbeugte sich tief vor ihrem Nachbarn, darauf vor mir. Ihre Lider +bedeckten wiederum die Augen, die langen Wimpern berührten die roten und +weißen Wangen, das feurige Haar warf seinen Duft zu mir, die +elfenbeinernen Hände lagen wie unbeseelt in den Falten des blitzenden +Kleides. Sie war im Augenblick, da sie sich neigte, ein Götterbild, das +in Betrachtung zum Buddha versunken ist, eine indische Statue aus +farbigem Stein ... Ich beugte mich noch tiefer, sah ihre blauen schmalen +Schuhe und dachte: Süße Nina, süße Nina. + +Ich gab fleißig acht und tanzte gut. Ich tat keine überflüssige Geste +und bewegte mich ruhig. Von Zeit zu Zeit sagte Nina: + +»_Visite à gauche!_« oder »Jetzt dort!« oder »Passen Sie auf, Sie können +nur grob sein!« Aber sie schien zufrieden. + +»Es geht ja ganz gut,« bemerkte sie einmal. + +»Gewiß,« erwiderte ich stolz. + +Ich sah, daß Nina und Wolfgang sich beim _moulinet des dames_ +zulächelten, sobald sie sich trafen. Wolfgang sprach viel zu uns hin und +unterhielt das ganze Karree. Er hatte das Aussehen eines vornehmen +Pagen, der bei Hof die Schleppe der Königin hält. + +Mich überfluteten, sobald ich Nina die Hand reichen mußte, Ströme von +Zärtlichkeit und Anbetung. Ich beobachtete, daß ihr Fuß beim Auftreten +die Form nicht veränderte. Ich liebte sie, -- o mein Gott, _wie_ ich sie +liebte! Ich begann zu fiebern und wurde von Angst ergriffen. Ich dachte +daran, daß ich heute abend allein in meinem Zimmer sein würde. Irgend +etwas müßte bis dahin geschehen, irgend etwas, das mich mit einem +unerhörten Glück erfüllte, ein Blick von ihr, ein Wort, ein Kuß ... + +»Sie sind unaufmerksam. Passen Sie auf -- _vis-à -vis_!« + +Ich sah einem blonden Mädchen in die Augen, verbeugte mich und trat mit +Nina zurück. + +»Was spielen Sie?« + +»Wie?« + +Wir wurden getrennt. + +»Ich meine, was Sie im Theater spielen?« + +Ich tanzte an drei jungen Mädchen vorbei, gab einer jeden die Hand und +verbeugte mich wieder vor Nina. + +»Hebbels Clara.« + +»Ah ...« + +Ich kannte Hebbel. + +Ich verbeugte mich vor Wolfgangs Tänzerin. + +Dann stand ich wieder vor Nina. + +»Kennen Sie Maria Magdalena?« fragte Nina. + +»Ja.« + +Ich ging mit den drei Herren _en avant_ und verneigte mich vor Nina. + +»Sie sollten lieber Ihre Schulaufgaben machen.« + +Ich begann zu lachen, wie verrückt zu lachen, zog das Tuch hervor, bekam +Tränen in die Augen, fand mich albern, mußte aus der Reihe treten und +störte den ganzen Tanz. Nina hob die Lider, und es war, als ginge der +Vorhang im Theater auf. + +»Was haben Sie?« + +Ich begann zu beben und zu frieren, meine Zähne schlugen aneinander, ich +hatte das Gefühl, daß ich totenblaß sei. + +»Sie sind herrlich!« sagte ich. + +Ich wußte nicht mehr, was ich sprach. Ich hatte Fieber, nichts als +Fieber, und Angst vor meinem einsamen Zimmer ... + +Die Reihen ordneten sich wieder, man lachte, ärgerte sich und tanzte +weiter. Die letzten Takte spielte die Dame am Klavier in rasendem Tempo. +Man fand sich nicht mehr zurecht, und alles verwirrte sich. Ich lief +umher, fühlte Schauer in meinem Körper und hatte das Bedürfnis, etwas zu +zerbrechen. Der Quadrillenwalzer ertönte, man schloß sich in die Arme. +Ich verbeugte mich vor Nina, aber sie dankte. + +Ich führte sie aus dem Saal hinaus. Darauf ward es dunkel vor meinen +Augen. Ich wurde schwindlig und hielt mich an einem Türpfosten. Mit +einem Male war ein Bild vor mir: die Mittagssonne über einer +teppichfarbenen Landschaft des mittleren Deutschlands, der Duft von Korn +und gemähten Wiesen, und blaue Berge in der Ferne. + +Nina lachte, ein singendes, verstehendes, unendlich grausames und süßes +Lachen: + +»Sie taumeln, Herr Regnitz! -- Ist Ihnen schlecht?« + +»Nina, ich liebe Sie.« + +Ich sah sie an, -- sie, dieses indische Götterbild mit den gesenkten, +zur Betrachtung geneigten Augen, mit der unvergleichlich bleichen und +edlen Stirne, mit den elfenbeinernen Händen und dem farbigen, wie von +Edelstein und Gold blitzendem Gewande, sah diese Lippen aufeinander +gepreßt, süß und streng, -- bereit, Worte zu sprechen, die den Gläubigen +vernichten oder aufheben: + +»Sie sind verrückt.« + +Sie ging fort, mit elastischem stolzem Schritt, wandte plötzlich den +Kopf um, zeigte mir ein entzückend frisches und amüsiertes +Mädchengesicht, lachte, lachte eine Reihe makelloser Töne, zog eine +kleine goldene Uhr aus dem Gürtel, ließ den Deckel aufspringen und +sagte: + +»Es ist übrigens schnell gegangen. Sie sind um fünf Uhr gekommen; jetzt +ist es vier Minuten vor sechs.« + +Aus der Ferne, aus einer Schar lärmender Menschen heraus hörte ich sie +noch einmal lachen ... + +Wolfgang trat schnell auf mich zu. + +»Ist dir etwas? Du siehst nicht wohl aus. Willst du den Wagen haben?« + +Ich sah mich um und lächelte matt. + +»Lieber, welch ein Gefühl!« + +Ich gab ihm wie im Traum die Hand. + +Plötzlich ermannte ich mich, stürmte hinaus, ohne Gruß, ohne Blick, riß +den Hut im Korridor vom Riegel und erreichte den Park. Ich lief wie +gejagt durch die Straßen und hielt mich endlich an einem Gitter fest. +Atemlos, die Brust erfüllt von einem qualvollen Glück, begann ich wie +ein Kind zu schluchzen, wie ein kleines, ungezogenes Kind. + + + + + 6 + + +Am nächsten Tage wachte ich um fünf Uhr morgens auf. Ich lief im Hemd +ans Fenster. Die Straßen waren leer, aber auf den Dächern lag warmes +Morgenlicht und in den Bäumen am Rande des Bürgersteiges zwitscherten +die Spatzen. + +O mein Gott, welch ein Gedanke, ich hatte Ferien, ich hatte fünf Wochen +Ferien! + +Ich eilte in das Badezimmer und öffnete dort die Brause. Da fiel mir +mitten im kalten Wasser etwas ein ... Was war denn gestern geschehen? +... War nicht gestern etwas Besonderes vorgefallen? ... Ich war auf +einer Gesellschaft gewesen ... bei Wolfgang Seyderhelm, ... dort befand +sich eine junge Dame ... mit goldfarbenen Augen und feurigem Haar ... +eine Art Gottheit ... ein Backfisch ... Wie hieß doch gleich diese Dame? +... Nun, wir wollen keine Komödie spielen, wir wissen sehr gut, wie +diese Dame hieß ... Nina, ... jawohl, Nina hieß sie, ... und dann war +ich aus der Gesellschaft weggelaufen ... und hatte mich blamiert, ... O +weh! o weh! + +Verwirrt streckte ich die Arme nach dem Kelch der Brause aus, ließ mir +das Wasser ins Gesicht laufen und rief beglückt in das Geplätscher +hinein: Süße Nina, süße Nina. + +Ich sprang in das Badetuch und zog mich an. Ich sah das Sonnenlicht sich +langsam über die Häuser senken. Hallo, war ich nicht jung? Meine Heimat, +-- ach, meine Heimat war überall da, wo es warme Landstraßen gab mit +schönem weißem Staub, Kirschbäume, schwere Kornfelder. Nina, -- ach, +Nina war irgend eine junge Dame, ein Spuk, ein Ding ohne Zusammenhang +mit meinem Leben ... + +Ich nahm meinen Ranzen, stopfte Hemden, Strümpfe, die »Versuchung des +Pescara«, Taschentücher, zwei alte Brötchen hinein und lief die Treppe +hinunter. + +Noch waren die Straßen leer. Hier und da zeigte sich ein verschlafen +aussehender Bäckergeselle mit listigem Gesicht, ein mürrischer Arbeiter +auf dem Rad, ein von der Nachtkälte durchfrorener Polizist, sonst +niemand. In den einsamen Gassen hörte ich nur den Klang meiner Schritte +und meines Stockes. + +Bald hatte ich die letzten Häuser erreicht und sah meine Felder sich im +Sommermorgenlicht ausbreiten. + +Ich ging mit leichtem Fuß und leichtem Herzen die Landstraße hinunter. +Es kamen Bauernwagen, die zum Markte in die Stadt fuhren, und neben den +Kutschern saßen eifrig bellende Hunde, es kamen ganz, ganz kleine +Mädchen, die sich an der Hand hielten und mit putziger Eilfertigkeit in +ihre Schule trabten; eine Bäuerin tauchte auf, trug einen Korb mit Eiern +auf dem Kopf und sah wie eine Bäuerin aus dem Bilderbuche aus; darauf +eine Horde Jungens, die alle ohne Ausnahme nackte Füße und geflickte +Hosen hatten, und endlich auch ein Mann mit einer Kuh und einem +Hündchen. + +Schon war ich im ersten Dorf. Dort war bereits jedermann auf den Beinen. +Ein Fuhrmann kam mit der Peitsche in der Hand aus der Schenke, wischte +sich den Bart und kletterte mit vielen unverständlichen Worten auf den +Bock; ein schlanker Terrier lief bellend auf mich zu, -- als ich ihm ein +Stück meines Brots zeigte, sprang er an mir hoch; ein Kind lachte +irgendwo, und ich wanderte weiter. + +Die Sonne stieg. Mir zur Seite erschienen Dörfer mit Kirchtürmen und +leuchtend weißen Grabsteinen und verschwanden hinter teppichweichen +Hügeln. + +In einem schönen Kirchdorfe machte ich Halt. Ich ging zu einem Bäcker, +der am Laden eine eiserne Brezel hatte, und kaufte mir Brot und Kuchen. + +»Wohin geht's, junger Herr?« + +»Nach Fürstenau und immer weiter.« + +»Und immer weiter -- das ist ein gutes Stück Wegs. Na, wenn man junge +Beine hat!« + +Ich errötete, ich weiß nicht, warum, bezahlte, schüttelte ihm die Hand, +sprang an den Brunnen, trank mit Begierde das kräftigschmeckende Wasser +und marschierte weiter. + +Es wurde heiß. Ich schlief einige Stunden im Schatten eines Baumes und +wanderte dann in den schönen Nachmittag hinein. Über das weite hügelige +Land glitten zeitweis tiefe und schnelle Wolkenschatten. Ein ganz +leichter Wind erhob sich und kühlte mich wunderbar. Mir war, als trügen +mich die Lüfte des Nachmittags über abwechselnd beglänzte und +beschattete Gefilde. Lag ich nicht auf einer weichen Wolke und trug mich +diese Wolke nicht in entferntere und schönere Gebiete? + +Kurz nachdem die Sonne hinter einem Hügel entschwunden war und mit einem +Mal die des Sonnenantlitzes beraubte Landschaft wie in einem ungeheueren +Schrecken zu erbleichen, ja zu sterben schien, erblickte ich, der ich +auf einem Berge stand, zu meinen Füßen eine Stadt. Ein alter Turm ragte +in die starr-silberne Luft hinein, und seine Wächter schienen +silbergraue Vögel, die mit bösem, hastigem Flügelschlage ihn umkreisten. +Flache Hügel umgaben die Stadt, niedere Weinberge, die ein bescheidenes +Landgetränk erzeugten; mitten unter den Reben lag der umgitterte +Friedhof. Meinem Auge gegenüber wandte sich die Straße, die Stadt +verlassend, nach Westen, lief an den hellen Bergen entlang und durch +gläserne Wälder, stieg empor in den erblaßten Himmel und verlor sich in +der offenen Landschaft, andere Städte mit neuen Türmen und späterem +Lichte zu erreichen. Zwischen Kornfeldern und gleißenden Wiesen, die der +zweiten Mahd harrten, sah ich Erntewagen der Stadt zustreben. Eine +Glocke läutete, läutete unablässig, und es war, als sei diese Stadt, +diese Höhenzüge, diese silberne Spätnachmittagsluft wie überschwemmt von +schwellenden, sich auflösenden und wieder schwellenden Tönen. + +Ein alter Mann stieg keuchend die Höhe zu mir herauf. Er trug einen +schwarzen, eng anliegenden Taillenrock und eine graue großkarrierte +Hose, die weit über die bestaubten Schuhe fiel. Er schien dem steilen +Weg gram zu sein. + +Ich lüftete den Hut. + +»Ist dies da Fürstenau?« + +Der alte Mann trocknete sich mit einem roten Tuch, einer Art Fahne, die +Stirn. + +»In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so ist es ganz bestimmt +Fürstenau.« + +Er lächelte böse und ging weiter. + +>Welch eine sonderbare Art sich auszudrücken!< dachte ich. >Spricht man +so in unserer Zeit? »In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so +ist es ganz bestimmt Fürstenau.« So spricht man in einem +Shakespeareschen Lustspiel!< + +Ich eilte den Berg hinab und empfand dabei die Freude eines Wanderers, +der von der Höhe das Ziel seines Tages sieht. + +Als ich durch das Tor in die Stadt trat, war mit einem Mal der silberne +Zauber wie zerbrochen, und Abendrot lag auf den Gassen. Hochbepackte +Erntewagen, in der golden durchleuchteten Fülle leise schwankend, fuhren +darüber hin und zeitweis bog einer von ihnen in den Hof ein. Auf den +Pferden saßen hübsche, nacktfüßige Bauernjungen, die mit den Peitschen +knallten, an den Häusern emporsahen und nachlässig zu den offenen +Fenstern hinaufnickten, zu den Mädchen ... + +>War es vor tausend Jahren hier anders?< dachte ich. >Ernte und +Glockengeläut und Menschen? ... Die vor tausend Jahren waren, mich +trennt nur ein weniges von ihnen, nur die Zeit ... Ach, was ist Zeit! +... Ich will hier bleiben! ...< + + * * * * * + +Bald saß ich in einem Garten vor meinem Abendbrot und erfreute mich, +sobald ich den Blick hinwegwandte, an den rosigen Bergen und den tiefer +beleuchteten Gassen. Ein Mädchen mit braunen, zum Kranz geflochtenen +Strähnen schenkte mir den Wein ins Glas und lächelte dazu mit frischem +Munde ... Ein Gedanke kam mir ... fort damit ... Gespenster! ... + +Ich stand alsbald auf, bestellte mir eine Kammer für die Nacht und ging +nachlässig, die Hände in den Hosentaschen, durch die Stadt. Ich wünschte +jedem Mädchen einen guten Abend, und begann mit einigen von ihnen +dadurch ein Gespräch, daß ich mich nach allerhand Dingen erkundigte, die +mir völlig gleichgültig waren, -- wo der Schmied wohne, ob die Heuernte +dieses Jahr gut gewesen sei. Ich war an diesem Abend ziemlich frech ... + +Bei Anbruch der Nacht kehrte ich in mein Gasthaus zurück. Als ich die +Stiege hinaufschritt, die von einem Windlicht schwach erhellt war, +begegnete ich dem Mädchen mit dem Lächeln um die frischen, feuchten +Lippen. Ich gab ihr die Hand, bezahlte gleich, da ich früh am Morgen +aufbrechen wollte, und ging in mein Zimmer. Ich setzte mich auf den Rand +des Bettes und grübelte. Mit einem Male kam eine tiefe Traurigkeit über +mich, ich wußte nicht, woher. Ich trat ans Fensters. Da rauschte unter +mir der tiefe Mühlbach, und über mir spannte sich der Sommerhimmel voll +von Sternen. Noch hörte ich zwei Männer irgendwo miteinander sprechen, +noch hörte ich eine Tür im Haus und einen späten Wagen auf der Gasse, +dann ward es still um mich. + +In dieser Stille breitete die Liebe ihre Flügel aus. Sie drückte mich an +ihre Brust. Ich taumelte und fühlte einen Schmerz wie nie zuvor. + + * * * * * + +Ich weiß nicht recht, wie alles gewesen war. Ich weiß nur, daß ich +plötzlich an Nina dachte, die ich den ganzen Tag vergessen hatte. Ich +sah sie vor mir, sah ihr Haar, ihre Augen, ihren Gang, ihre Hände, sah +sie tanzen, mit Wolfgang Seyderhelm tanzen, ... ich hatte Angst, ... das +Zimmer war so eng und heiß, ... tödliche Angst ... Ich nahm Stock, Hut +und Ranzen und stürzte hinaus in die dunkle Luft. Die Haustür war noch +offen. Ein Hund knurrte leise, aber ich entlief ihm schnell. Ich rannte +durch die Gassen, durch das Stadttor, die Straße entlang, dann einen +Seitenweg, durch Gebüsch, einen Hügel hinauf, ... ich keuchte sehr, ... +ich fiel zu Boden und blieb liegen. + +... Ich war müde und gehetzt, ich war so müde! Ich fühlte meine Jugend +von mir gleiten und hatte qualvolle Träume. Ich weiß noch, daß ich +einmal im Halbschlaf emporfuhr: da lag unter mir die Stadt und das +dunkle Land, der Mühlbach leuchtete hier und dort im Mondlicht auf, ... +um meinen Hügel ging ein leichter Wind, ... ich sank zurück ... in Traum +und Schlummer. Aber schlummernd sah ich immer wieder das dunkle Land mit +der Stadt, die silbernen Stücke des Baches, ... Sterne, viel Sterne ... +und Nina ... + + + + + 7 + + +Ich bin noch einige Tage so gewandert, aber ich wurde nicht mehr +fröhlich. Ein Sonntag kam, ich sah die Bauern zur Kirche gehen, trat mit +ihnen ein und hörte die Predigt, ich sah die Burschen und Mädchen +hernach in ihren übermütigen Tänzen und empfand am Abend auf der Straße +die feierliche Stille des scheidenden Sonntages. Aber das alles freute +mich nicht. Der verworrene Geist war von der Liebesleidenschaft erfaßt +und kannte nur noch Trauer, Eifersucht, Haß und Träumerei. Ich wollte +nicht mehr an Nina und Wolfgang denken, ich wollte nie mehr an sie +denken. Ich sagte mir Gedichte auf, hielt als ein Prinz vor der +Versammlung von Fürsten eine verwegene Rede, dichtete eine Ode an den +Kaiser, -- aber selbst das erhabene Gewand der Majestät verwandelte sich +mir bald, ward ein blitzendes, hellblaues ... mit Schokoladenflecken ... + +Am vierten Abend meiner Wanderung zog ich mutloser denn je meine Straße +entlang. Ich wollte an diesem Tage noch eine größere Stadt erreichen, +dort einige Zeit verweilen, um dann dem nahen Gebirge zuzueilen. Aber +irgend ein schöner Baum oder ein sehnsüchtig winkender Kirchturm hätte +genügt, mich von meinem Wege abzulenken. Wer in der Welt fragte danach, +ob ich einen Nachmittag unter schattigem Gesträuch verträumte und den +»Pescara« las oder irgendwo auf staubbedecktem Wege schritt? + +Ich blieb vor einem Weiser stehen, der mir zur Seite in das offene Land +hindeutete. Da war geschrieben: Nach Strelow 3 km, nach Wiesenau 4,5 km. +Ich las die Worte gedankenlos. Irgend etwas lockte mich, von meiner +Straße abzubiegen. Was aber war es? Strelow? Ich hatte diesen Namen nie +gehört. Wiesenau? Ich hatte diesen Namen nie ... Wie? ... Eine +Erinnerung ... Wiesenau ... Wiesenau ... da war schon wieder alles +entwichen ... ich schüttelte den Kopf. Wohl zwanzigmal sprach ich nun +das Wort Wiesenau aus, in der Hoffnung, die Erinnerung möchte mich noch +einmal erleuchten. Doch jede Mühe war vergebens: es war ein totes Wort. + +Schon war ich in die neue Landschaft eingebogen. Es hatte wohl die +Wochen vorher geregnet, denn überall standen kleine schwarze Teiche, aus +denen einzelne Bäume, Fichten und Birken, hervortauchten. Endlos +langgezogene violette Abendwolken spiegelten sich in diesen Teichen und +gaben ihnen von ihrer Farbe. Soweit mein Blick reichte, sah ich nichts +anderes als bunte, prächtige Wiesen mit großen Blumen und die schwarzen +und violetten Teiche, aus denen einsame Bäume hervorwuchsen. Krähen +flogen zuweilen schreiend darüber hin, um noch vor Nacht die fernen +Wälder zu erreichen. + +Als ich durch Strelow kam, läutete die Glocke den Abend ein. Ich blickte +durch ein Fenster; ein alter Bauer saß da, hatte die Brille auf der +Nasenspitze und las in einer Zeitung. Eine Frau trug eine Bank in ihr +Haus. Der Pfarrer ging durch den Ort und ward von allen gegrüßt; auch +ich grüßte. Ein Trupp Jungens lief zu Gott weiß welchem Abendstreifzug +... + +In einigen Zimmern brannte ein Licht. Sollte ich hier rasten? Es begann +zu dunkeln. Draußen konnte ich nicht gut schlafen, der Boden schien +feucht, auch war es ein wenig kühl. Aber die Lichter in den Häusern +machten mich traurig, und ich fühlte, daß mich im Zimmer wieder meine +Angst ergreifen würde. + +Ich eilte zum Dorf hinaus. Allein bei den letzten Häusern blieb ich +beklommen stehen: über die Landschaft hatte sich die Dämmerung gesenkt +und mit tiefem, dunklem Blau die gespenstischen Bäume, das +Weidengesträuch an den blinkenden Teichen und die Getreidefelder +umhüllt; von oben leuchteten durch blaues Licht einige Sterne; nichts +unterbrach die Stille als das trostlose Quaken der Frösche und das +Flüstern des Kornes, wenn der Wind darin rauschte. + +Ich ging durch die Dämmerung und fühlte mich liebevoll von der Straße +fortgelockt, umsponnen mit einem blauen Netz. Ein Traum von großer +Innigkeit berührte mich, mir war, als sei er alt und von jedermann zu +irgendeiner Zeit geträumt. Um meine Augen legte sich ein Flor, meine +Füße strauchelten oft ... + +>Könnt' ich doch viele Stunden dieses blaue Licht durchschreiten! Wenn +nur die Füße nicht ermüden wollten ...!< + +Aber ach, schon winkten ja am Wegesrand nächtliche Kastanien zu +Schlummer und Traum! ... Ein Park begann, umgittert, ... eine Allee ... +Und hier, -- waren hier nicht bronzene Löwen, die in dreifach geteilte +Becken silbernes Wasser spieen? War es nicht einschläfernd und süß? + +Wie, stand dort nicht ein Haus vor mir, ein Schloß, mit einer +erleuchteten Altane und bläulich schimmernden Stufen? + +Bin ich nicht neugierig herangeschlichen, ... leise, ... ganz leise, ... +und sah ich dort nicht all die Menschen, die ich liebte? ... Die Mutter +... mit dem Sohn ... und meine schöne Freundin Nina? + + + + + 8 + + +Mit pochendem Herzen und heißen Wangen stand ich im Dunkeln und blickte +auf die Veranda. Nina arbeitete an einer festgespannten Stickerei und +sprach dabei mit Wolfgang, der die Hände um ein Knie geschlungen hatte, +eine Zigarette rauchte und zeitweise aus einem Glase trank. Frau +Seyderhelm schrieb einen Brief. Manchmal hob sie den Kopf und warf +einige Worte in die Unterhaltung der beiden ein. Ich konnte nicht +verstehen, was gesprochen wurde. + +Ich sah Ninas Profil und ihre Hände. Wie zart sie war! Ja, war sie nicht +anbetungswürdig? Süße Nina! ... Ich machte eine Bewegung. + +Da rief Nina laut: + +»Wolfgang, ich bitte dich, -- draußen steht jemand.« + +Ich hielt den Atem an. + +>Wenn ich hier entdeckt werde, ersteche ich mich.< + +Wolfgang beugte sich hinaus und rief: + +»Es ist niemand hier ... Du bist recht schreckhaft!« + +O -- gerettet! + +Frau Seyderhelm hatte ihren Brief beendet, man plauderte angeregt. Ich +sah, wie die Mutter einmal ihrem Sohne lächelnd mit dem Finger drohte. +Nach einer Weile legte Nina ihren Stickrahmen fort, packte ihre +Nähsachen in einen Pompadour und stand auf. Sie gab erst Frau Seyderhelm +die Hand, dann wechselte sie einige Worte mit Wolfgang, -- sie schienen +etwas zu verabreden, -- ließ ihre Hände auf seinen Schultern ruhen, gab +ihm einen leichten Backenstreich und trat in die Zimmer hinein. Wolfgang +küßte seine Mutter, die ihm über das Haar strich; mir war, als sprächen +sie von Nina, denn sie sahen nach der Türe; dann gingen beide hinaus. -- +Eine Magd erschien einige Augenblicke später auf der Veranda, räumte die +Sachen auf, zog die Markise in die Höhe und stellte die Gartenmöbel zur +Seite. Sie nahm die Lampe und verschwand. + +Alles war finster um mich herum. Oben im Schloß sah ich mehrere +erleuchtete Fenster. Ich hörte zuweilen Schritte, dann wurde alles +still. + +Langsam löste ich mich aus meiner Erstarrung und ging durch den Park. +Ich empfand nicht viel: ein wenig Erstaunen, ein wenig Schmerz, ein +wenig Müdigkeit und ein wenig Glück ... Ich wollte weiter wandern. Was +sollte ich hier? Niemand würde mir glauben, daß ich zufällig hierher +gekommen sei, ... aber da hörte ich wieder die süße, einschläfernde +Melodie der plätschernden Brunnen. Gedankenlos legte ich mich nieder, zu +Füßen eines bronzenen Löwen. Ich faltete die Hände hinter dem Kopf und +blickte in den Himmel, wo die Milchstraße ihren Triumphbogen über das +Firmament spannte. Ich fühlte, daß der Schlaf mich übermannen würde, und +wollte doch wachen und nachdenken. Ich ward traurig und erinnerte mich +der Worte des Herrn: »Könnet ihr denn nicht Eine Stunde mit mir wachen?« +-- Noch einmal sah ich zu den erleuchteten Fenstern im Schloß, dann fiel +ich in Traum. Schlafend spürte ich die Kälte der Nacht und zog mein Cape +eng um mich. Und in meinen Traum drang immer wieder das Plätschern des +Wassers, ... das Plätschern des Wassers. + + + + + 9 + + +Es mochte gegen fünf Uhr morgens sein, als ich erwachte. Mein erster +Blick galt dem Schloß vor mir, in dessen Fensterscheiben die Morgensonne +purpurrot leuchtete. Ich sprang empor; mein Gesicht und meine Kleider +waren naß vom Tau. Ich machte einige Bewegungen mit den Armen und +stampfte mit den Füßen, denn meine Glieder waren wie erstarrt. Dann +wusch ich mich in einem der bronzenem Becken und klopfte die Kleider ab. +Nur weiter, immer weiter, fort von hier ... + +Als ich bereit war zu marschieren, lehnte ich mich an einen Baum; ich +wollte noch einmal mit einem langen Blick dieses geliebte Schloß +umfangen. + +Da ... was war das? ... Ein Fenster öffnete sich, ... ich trat zurück +... Wolfgang, ... im leichten Morgenkleid. Er beschattete mit der Hand +die Augen, sah zum Himmel und reckte die Arme in die junge Luft hinein. +Dann verschwand er; bald jedoch erschien er wieder, nahm einen Stock und +klopfte leise mit der metallenen Spitze an das benachbarte Fenster. +Lange Stille ... Dann öffnete sich das Fenster ... Nina ... Sie gaben +einander die Hände. Wolfgang setzte sich auf das Fensterbrett und +deutete nach dem Horizont. Nina gähnte ein wenig und beide lachten. + +Da war mir, als müsse ich einen Panzer von meiner Brust reißen. Ich bog +mit beiden Händen die Sträucher auseinander, und meine helltönende +Stimme rief den Aufhorchenden zu: + + »An jedem Morgen, eh des Hahnen Krähn + Die Menschheit weckt, steh ich im tiefen Grunde, + Muß durch die Luft nach Burg und Felsen spähn. + + Noch lieget Dunkelheit auf meinem Tal, + Da gibt von Osten das Gestirn mir Kunde, + Und in dem Fenster oben spielt ein Strahl. + + Es taucht in Licht das trotzige Gestein, + Und wächst und starrt und höhnet meiner Qual, + Bald reckt es in den Himmel sich hinein -- + + Willst du dich heute nicht am Fenster zeigen, + In Morgenklarheit dich vom Traum befrein? + Willst du das Haupt nicht freundlich zu mir neigen? + + Mich tötet dieses dunklen Tales Schweigen.« + +Kaum hatte ich geendigt, als Nina ihrem Freunde mit hochgezogener Stirne +langsam, ja perfide langsam das Antlitz über die Schultern zuwandte und +die beiden Handflächen fragend, chokiert und spöttisch nach außen bog. +Wolfgang aber schien sich nicht darum zu kümmern; er warf das Fenster +heftig zu, ich hörte ihn eine Treppe herunterstürmen, und einen +Augenblick später kam er -- notdürftig mit einem Hemde, einer Hose und +einem Paar Sandalen bekleidet -- durch den Garten auf mich zugelaufen. + +»Walter Regnitz! Lieber Walter Regnitz!« + +Er umarmte mich stürmisch; er war blaß vor Erregung. + +»Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Wir erwarten dich schon seit +drei Tagen!« + +Wie? Man erwartete mich? + +Wir wandten uns zum Schloß. + +»Ich habe eine Fußwanderung gemacht und diese Nacht im Garten +geschlafen.« + +Wolfgang legte erschrocken seine Hand auf meinen Arm. + +»Du hast in unserm Garten geschlafen? Bist du toll?« + +Und dann nach einer Pause, die er mit ratlosen Gebärden ausfüllte: + +»Ja, warum bist du aber nicht ins Haus gekommen?« + +Ich wurde etwas rot. + +»Ja ... weißt du, ... ich kam spät hier an ... und da wollte ich nicht +stören ...« + +Ich grüßte zu Nina hinauf. + +»Ah, sieh da!« rief sie vom Fenster herunter. »Ein Dichter! Ein +Troubadour! Sie verlangen gewiß Ihren Lohn!« + +Sie nahm aus einem Wasserglas helle Rosen und zerblätterte sie mit den +weißen Fingern. Mir fielen diese Blätter auf Kopf, Schultern und Hände, +der ich betroffen, glücklich und verlegen in einem duftenden Blumenregen +stand. + +»Denk' dir, Nina, er hat diese Nacht im Garten geschlafen!« + +Nina lachte, -- ihr singendes, gefährliches und verstehendes Lachen. + +»Sie sind ein echter Minnesänger, Herr Walter von der Regnitz!« rief sie +und warf vier volle weiße Rosen zu mir herab. Ich fing eine von ihnen +auf und führte sie höflich und gefaßt an meine Lippen. + +»Und Sie, gnädiges Fräulein, eine echte Herzenskönigin.« + +Ich hörte noch einmal, wie Nina tief belustigt lachte und darauf das +Fenster schloß. + +Wolfgang zog mich ungeduldig die Stufen zur Veranda hinauf. + + * * * * * + +Wolfgang stand halb angekleidet vor seinem Eimer und putzte sich eifrig +und andauernd die Zähne. + +»Wie findest du sie?« fragte er mich, der ich auf einem Stuhl saß und +ihm zusah. + +»Wen?« + +»Nina.« + +Er nahm einen Schluck Wasser, gurgelte und spuckte kräftig. + +Ich schwieg. + +»Nun?« fragte er. + +»Oh, ganz nett!« sagte ich endlich. + +»Sie ist herrlich!« rief er begeistert und begann von neuem zu gurgeln. + +Plötzlich warf er die Zahnbürste fort, drehte sich schnell um und legte +seine Hände auf meine Schultern. + +»Was hast du neulich gesagt?« fragte er. + +»Ich? Wann?« + +»Neulich, bei unserer Gesellschaft.« + +»Ich habe vermutlich viel gesagt.« + +»Nein, du hast gar nicht viel gesagt. Du lehntest dich an einen +Türpfosten und fragtest mich, wie alt Nina sei. Und plötzlich ...« + +»Nun?« + +»Und plötzlich sagtest du, als ob du geistesabwesend seiest: Du liebst +sie ja!« + +Er wandte sein Gesicht schnell dem Spiegel zu und zog Kamm und Bürste +aus der Lade. + +Ich war erschrocken. + +»Habe ich das wirklich gesagt?« + +Wolfgang beschrieb mit dem Kamm eine weite phantastische Figur und +erklärte begeistert: + +»Du bist ein großer Menschenkenner, Walter! Ich habe sie wirklich sehr +gern ... Hör' mal, wie der Kamm knistert.« + +Und er hielt seinen Kamm dicht an mein Ohr. Ja, wahrhaftig, der Kamm +knisterte. + +Wolfgang war mit seiner Toilette fertig. Er trug ein hellgraues, eng an +den Hüften liegendes Sommerjackett mit schwarzen Kniehosen, dazu schmale +Halbschuhe, ein weißes Sportshemde und eine leichte, seidene Krawatte. +Er sah sehr frisch, sehr jugendlich und sehr vornehm aus. + +Wir gingen durch einige Gemächer und betraten das Speisezimmer. Es fiel +mir auf, daß dieses Schloß mit einer nahezu bäuerischen Freude an bunten +Farben eingerichtet war. + +Ein Diener erschien. Wolfgang bestellte Tee. + +»Du bist hungrig, Walter?« fragte er. + +»O ja!« + +»Also: hier ist Honig, Gelee, Sumpfdotterblumen, Schinken, Brot ... ach +...« + +Er stand plötzlich auf, warf dabei seinen Stuhl hin und umarmte mich +noch einmal: + +»Wie schön, daß du hier bist!« + +Natürlich errötete er, sprang an die Tür und schrie, der Tisch sei +schlecht gedeckt. Der Diener kam und Wolfgang schlug sich an den Kopf. + +»Ich Esel! Willst du ein Beefsteak?« + +»Ein Beefsteak?« + +»Es dauert gar nicht lange. Fritz, wie lange dauert ein Beefsteak?« + +»Eine Viertelstunde«, war die Antwort. + +»Ach, Unsinn«, protestierte ich. »Was soll ich denn jetzt um halb sechs +mit einem Beefsteak?« + +Wolfgang lachte und goß sich ein Glas Fachinger ein. + +»Prost, Walter! Du kennst unsern Stil noch nicht. Wir leben nämlich hier +den Stil englischer Peers. Morgens _you take your steak_,« -- er +bediente sich hierbei einer manirierten Aussprache, -- »mittags hungert +man, das nennt man _luncheon_ und abends ißt man im _dinnerjackett_ +alles das, was man am Mittag versäumt hat. Das hat Nina hier so +eingeführt.« + +Nina, immer Nina! + +Ich fragte unvermittelt: + +»Aus welcher Familie stammt sie eigentlich? Hat sie noch Eltern?« + +Wolfgang warf nachdenklich zwei Stück Zucker in seine Teetasse. + +»Weißt du, bei Nina muß man nicht fragen, woher sie kommt und wohin sie +geht. Nina ist einfach _da_, -- verstehst du? -- einfach _da_.« + +Ich sah Wolfgang aufmerksam an. Schau an, dachte ich, wie klug er ist! +Was er da eben gesagt hatte, war mir nicht fremd. Nina war einfach da, +... sie war eigentlich ... seelenlos. + +»Sie ist eigentlich seelenlos,« sagte ich. + +Wolfgang trank seinen Tee. Er stöhnte einige Male wie ein Kind in die +Tasse hinein, setzte sie dann ab, sprang vom Tische auf und sagte: + +»Jawohl, seelenlos, aber herrlich! -- Bist du fertig?« + +»Ja.« + +»Gut. Wie wäre es, wenn wir jetzt aufs Feld gingen und arbeiteten? Ich +lasse mir nämlich jeden Abend von unserm Inspektor ein Feld anweisen.« + +Ich willigte in diesen Vorschlag ein. Wir zündeten uns jeder eine +Zigarette an und gingen in den Hof. Dort holten wir uns aus einem +Schuppen lange Forken und zogen darauf munter durch den Park. + +Einmal wandte ich mich um und blickte zu Ninas Fenstern hinauf. Sie +waren fest verschlossen und die Vorhänge heruntergelassen. + +»Das gnädige Fräulein pflegt bis neun Uhr zu schlafen,« sagte Wolfgang, +der meinen Blick bemerkt hatte. + +Ich errötete und schwieg. + + * * * * * + +Wir sind auf dem Feld angelangt und ziehen unsere Jacken aus. Die +Kornfelder stehen in der jungen gelbstrahlenden Sonne. Auf den heiteren +grünen Wiesen und Weidegründen grasen die roten und braunen Kühe des +Gutes und senden den Ton von tiefen Glocken durch das flüssige Licht. Am +Horizont suchen auf noch beschattetem Hügel Schafe ihr Futter. Ein +Schäfer mit einem großen Hut steht neben ihnen. Er hält den Hirtenstab +in der ausgestreckten Hand auf die Erde gestützt, als sei er der Wächter +dieses Tales und behüte seine Unschuld. Eine Wolke zieht langsam über +den bleichen westlichen Himmel. + +»So, nun stellen wir hier die Garbenbündel auf,« sagt Wolfgang. »Du bist +ja früher auf dem Land gewesen und weißt, wie man das macht. Immer zu +sechs auf einen Haufen.« + +»Bei uns nahm man acht.« + +»So ... na ja, wir nehmen immer sechs. Weiß der Teufel, warum. Bald +kommen die ersten Leiterwagen vom Gut. Dann gehen wir dort auf das Feld, +-- siehst du es? -- und packen das Korn auf. Das macht immer sehr viel +Spaß.« + +Wir arbeiten schweigend und mit gesammeltem Eifer. Die Ähren stechen +unsere Hände wund und ihre Körner rieseln uns in Hemd und Hose. Wolfgang +macht manchmal eine Bewegung, als habe ihm jemand kaltes Wasser in den +Nacken gegossen. + +Später singt er mit klarer Stimme und deutlicher Aussprache einen +altfranzösischen Chanson. Da ist von einem Grafen die Rede, dem es nicht +wohl erging, weil seine Gemahlin der Majestät von Frankreich allzusehr +gefiel. + + * * * * * + +Bald vernehmen wir das Rollen und Klappern von Wagen, die über die +Landstraße zu uns herauffahren. Wir haben unsere Arbeit gerade beendet, +als wir die Rufe der Bauern hören, die mit ermunterndem Einsprechen ihre +Pferde einige schwere Hügel erklimmen lassen. Dann ertönt das Dröhnen +von Wagen, die über eine hölzerne Brücke fahren, und gleich darauf +ziehen sie alle an uns vorbei. In einem der Wagen sind nur Frauen. Sie +haben alle rote Tücher um die Köpfe geschlungen. Jedermann wünscht uns: +»Guten Morgen!« worauf wir beinahe feierlich unsere Mützen lüften und +den Gruß erwidern. In einem Gefährt sitzt ein hübsches junges Mädchen. +Ich nicke ihr zu, worauf sie verlegen zu Boden sieht. Ich bin sehr +stolz, das erreicht zu haben. + +Der letzte Leiterwagen wird von einem Bauernjungen gelenkt, der auf dem +linken Pferde sitzt. Er grüßt uns, wie ein Souverain zu grüßen pflegt. + +»He Hans!« ruft Wolfgang. »Bleib du bei uns!« + +Hans steigt vom Pferd. Wolfgang legt seinen Arm auf die Schultern des +Jungen und führt ihn zu mir heran. Die beiden stehen der Sonne entgegen, +blinzeln, sind wohlgestaltet, blond, und -- seltsam -- sie sehen +einander ähnlich. + +»Ich stelle dir hier meinen Freund Hänschen Kietschmann vor.« + +Der Junge macht eine Verbeugung, eine leichte, weltmännische, garnicht +zu tiefe Verbeugung, und bietet mir die Hand, die ich schüttle. + +Er geht fort, um noch einige Bauern zu holen. Ich sehe ihm nach. Er ist +schlank und groß gewachsen. + +Wolfgang macht ein sonderbares Gesicht und lächelt. + +»Nun?« + +»Wie?« + +»Ist dir etwas ... wie soll ich sagen ... aufgefallen?« + +»Aufgefallen? ... Nein, ... das heißt ...« + +Ich bin mit einem Male verwirrt. + +»Er sieht dir ähnlich.« + +Wolfgang nickt, sieht zum Himmel, zieht die Nase kraus, blinzelt, +schluckt herunter und sagt: + +»Er ist mein Halbbruder.« + +»Wie --?« + +Wolfgang bewegt seine Hand in einer sehr sprechenden, etwas frivolen +Art. + +»Mein Gott, ... wir vergessen, daß unsere Väter auch jung waren ... Mein +Vater lebte hier allein ... na und ... wie das so kommt.« + +Er geht mit graziösem Schritt fort, um die Gabeln vom Graben zu holen. + +Ich schüttle den Kopf, wundere mich und vergesse im nächsten Augenblick +alles. + +Wir arbeiten schweigsam fort. + +Hans Kietschmann steht zusammen mit einem Bauern oben auf dem Wagen und +packt das Korn auf. Neben uns sind Weiber, die von Zeit zu Zeit +miteinander sprechen. Ein leichter, von der aufsteigenden Sonne +gewärmter Wind trägt aus der Richtung der anderen Wagen den Schall von +Reden und Gelächter zu uns herüber. + +Es beginnt allmählich heiß zu werden. Die Augen schmerzen ein wenig; ich +sehe nichts als flimmerndes Gelb. Die Weiber riechen nach Schweiß. Die +Ochsen sind von Fliegen geplagt und schlagen mit den Schwänzen kräftig +umher. Ich fühle mich sehr wohl. Nina ist vergessen, vollkommen +vergessen. Wie süß es ist, daran zu denken, daß ich Nina so völlig +vergessen habe. + +Es schlägt zwölf Uhr, wir hören mit der Feldarbeit auf, trinken Wasser +und ziehen die Jacken an. + +Ich gebe Wolfgang die Hand. + +»Danke für den Vormittag, Wolfgang.« + +Wolfgang lächelt und nimmt meinen Arm. Wir gehen als Freunde zum Schloß. +Wolfgang ist zärtlich und spricht sehr viel. + + + + + 10 + + +Nachdem wir in unsern Zimmern Gesicht und Hände erfrischt hatten, +betraten wir die Veranda, um dort zu lunchen. + +Nina saß am Tisch. Sie schien sich zu langweilen und benahm sich wie ein +kleines Mädchen, das auf seine Mahlzeit wartet. + +Ich betrachtete Nina von der Seite. Sie hatte ein steifes weißes +Kattunkleid an. Ihr Hals und ihre Arme waren nackt. Auf ihrer Brust trug +sie eine Brillantenbrosche, an der linken Hand, der elfenbeinernen mit +den langen schmalen Fingern, leuchteten vier herrliche Saphire von +mildem Blau. Das kastanienbraune Haar war eine Pracht, eine Krone, ein +Akkord von rauschenden, dunklen Tönen. + +>Mein Gott und dennoch, was ist denn Nina? Ein kleines Mädchen, das sich +langweilt! Aber ein Mädchen, das ich liebe? Nun ja, was ist schon dabei? +Viele Jungens lieben viele Mädchen. Da ist gar nichts dabei.< + +Ich fühlte mich Nina überlegen. + +Ich setzte mich an den Frühstückstisch. Obwohl es sehr heiß war, hatte +Nina einen Schnupfen, was mir ganz sonderbar vorkam. + +Sie führte ihr Tuch an den Mund und fragte mit einer Stimme, die heute +noch näselnder klang als sonst: + +»Wo habt ihr denn eigentlich so lange gesteckt?« + +In diesem Augenblicke wurde es mir recht deutlich, daß Nina gar nichts +anderes war als eine große faule schöne Katze. Ich beugte mich spöttisch +vor bis auf die Tischplatte und sagte von unten zu ihr aufblickend: + +»Wir haben gearbeitet, -- und Sie, was haben Sie getan?« + +»Ich habe geschlafen.« + +»Ah, Sie haben geschlafen ...« + +»Jawohl; ich bin nämlich kein Troubadour, der wie ein Hase mit offenen +Augen nachts im Felde schläft.« + +Hier betrat Frau Seyderhelm die Veranda. Sie begrüßte mich sehr +herzlich, schalt auf das freundlichste, daß ich die Nacht draußen +zugebracht hatte, und sprach die Erwartung aus, daß ich nun doch die +Ferien auf Wiesenau verleben würde. + +Man frühstückte. + +Es stellte sich im Lauf des Gesprächs heraus, daß Frau Seyderhelm mir am +Tag nach der Gesellschaft einen Brief mit der Einladung nach Wiesenau in +die Wohnung geschickt hatte, der nicht mehr in meine Hände gekommen war. + +Nina begann mit einer Geschichte, die so komisch war, daß wir alle +fürchterlich lachen mußten. Sie sprach lebhaft, mit vielen Gesten, +erzählte vorzüglich und ward durch ihren Erfolg so angeregt, daß sich +der Schnupfen zu verlieren schien. + +Wolfgang machte seiner Mutter kopfschüttelnd Vorwürfe, daß die +Gänseleberpastete schon seit einigen Tagen nicht mehr genügend auf Eis +liege. Dann wandte er sich zu mir und fragte mit einer kindlich hohen, +liebenswürdigen Stimme: + +»Ißt du Radieschen gern?« + +Man hörte von Frau Seyderhelm, daß die Gräfin Königsmarck heute morgen +dagewesen sei; man sprach dann sehr lange über die Gräfin Königsmarck. +Nina schien sie nicht zu lieben. Wolfgang behauptete, diese Dame röche +nach wilden Tieren. + +»Wolfgang, so spricht man nicht von einer Dame!« sagte Frau Seyderhelm. + +Nina jubelte und begann ohne den mindesten Zusammenhang eine Schilderung +zu entwerfen, wie sie auf der Treppe meinen Ranzen gefunden und +aufgemacht habe. + +»Stellen Sie sich vor, Frau Seyderhelm: er reist mit einem zerrissenen +Hemde, einer Zahnbürste, zwei alten Brötchen und dem Werther; den +Werther hat er in seine Socken gepackt!« + +Man lachte sehr. Mich erfaßte mit einem Mal der unbezähmbare Drang, +Ninas Hand, die elfenbeinerne mit den spitzen Nägeln und der kühlen +Haut, zu küssen. Ich bückte mich nach einer Serviette und berührte wie +zufällig Ninas Finger mit meinen Lippen. Nina ließ es ruhig geschehen; +sie tat, als habe sie nichts gespürt. + +»Es war übrigens gar nicht der Werther,« sagte ich, als ich wieder +aufrecht saß. »Es war die Versuchung des Pescara.« + +Ich bediente mich mit einer kalten Reisspeise und war von meinem +Abenteuer so aufgeregt, daß ich kaum schlucken konnte. + +»Oh, die Versuchung des Pescara,« sagte Frau Seyderhelm. Und sie fing +an, sich des längeren über »Huttens letzte Tage« auszulassen. + +Wolfgang zog ein gelangweiltes Gesicht und schlug Nina für den +Nachmittag eine Tennispartie vor. Sobald er mit Nina sprach, war seine +Stimme zart und fast unterwürfig. + +Frau Seyderhelm hob die Tafel auf. + +»Schreiben Sie mir später den Namen Ihrer Wirtin auf, lieber Walter,« +sagte sie. »Man soll uns Ihre Sachen nachschicken.« + +Ich küßte Frau Seyderhelm die Hand und verbeugte mich vor Nina. + +»Spielen Sie Tennis?« fragte Nina. + +»Ja, ein wenig.« + +Sie fuhr mit ihrer Zunge zwischen den Lippen einher. + +»Du reitest heute nicht mehr, Wolfgang?« + +»Nein; es ist zu heiß.« + +Ich spürte plötzlich den Duft von Ninas Körper. Ich sah ihren weißen +Hals und erbebte. + +Nina lächelte. + +»Addio, meine Herren. Ich gehe in den Wald.« + +»Addio.« + +Wolfgang zog sich in die kühlen Räume zurück. + +Ich blieb auf der Veranda und sah in den Park. Nina ging langsam die +kiesbedeckte Allee entlang, blieb zuweilen stehen, betrachtete +mütterlich ein Blättchen, das sie mit der kühlen Hand liebkoste, +pflückte eine Rose vom Blumenbeet und befestigte sie an ihrer +jugendlichen Brust. Darauf verlor sie sich -- unvergleichlich ebenmäßig +ausschreitend -- im mittäglichen Gehölz. + +Die Gutsglocke schlug ein Uhr. Malatesta, der Hofhund, dehnte sich +schläfrig, beroch mißtrauisch seine Pfote und legte sich auf den Rasen. +Der Diener räumte den Frühstückstisch ab. + + * * * * * + +Am Nachmittag lag ich irgendwo im Wald auf dem Rücken und träumte in den +blauen Himmel hinein. Manchmal streichelte ich den schönen Malatesta, +der mich begleitet hatte. Es war sehr heiß. Der Hund hob zeitweise den +Kopf, stieß, von Wärme bedrückt, den Atem aus der Kehle, ließ die Zunge +hängen und hatte feurige Augen. Mich plagten die summenden und +stechenden Mücken. Ich begann unruhig und gestört zu schlafen. Böse +Träume von großer Leidenschaft und überquellender Sehnsucht verfolgten +mich. Ich sah, wie Nina zu mir, dem Schlafenden, trat, ihr mokantes +Lächeln lächelte und mit einem Male mütterlich, mit drängenden Händen +und junger weißer Brust sich neigte. + +Der nahe Gong, der zum Tee rief, weckte mich auf. Die Sonne war tiefer +herabgesunken; unter ihren schrägen Strahlen beruhigte sich die Welt und +wurde kühl. Ein Wind ging durch die Bäume, der in den Blättern flüsterte +und schluchzte. Der Hund war fortgelaufen. Ich fühlte, daß alles nutzlos +sei und ich ewig einsam bleiben müsse. + + * * * * * + +Gegen Abend spielten wir Tennis. + +Nina war biegsam, schmal in den Fesseln und schnellfüßig. Ihre Hand war +sicher, der Schlag ihres Rackets ruhig. + +Wolfgang, ihr Partner, war weißgekleidet, hatte den rechten Ärmel seines +Hemdes aufgeschlagen und zeigte einen braungebrannten, schmalen und +kräftigen Arm. + +Ich gab streng auf das Spiel acht und hatte den brennenden Ehrgeiz, mich +gut zu halten. Ich verlor das erste Match, trat beim Wechseln an das +Netz, beglückwünschte Nina und küßte ihre Hand. Wolfgang sah mich ein +wenig befremdet an. Nina lächelte, war unendlich liebenswürdig, legte +einmal beim Gespräch ihre Hand auf meinen Arm und nannte mich Walter. +Ich war rasend vor Glück, machte ein hochmütiges Gesicht und verdoppelte +meine Anstrengungen. + +Mir war, als ständen Nina und Wolfgang in abendrotem Dunst und +rosafarbenem Nebel. Jedermann von uns spielte mit streng geschlossenen +Lippen. Nichts unterbrach das Schweigen als nur das Aufschlagen des +Balles, das Summen des festgespannten Rackets und zeitweis ein kleiner +Ausruf der Überraschung oder des Ärgers. Niemand zählte laut, denn jeder +von uns wußte, wie wir standen. Frau Seyderhelm trat ans Gitter; wir +grüßten flüchtig und spielten weiter. Frau Seyderhelm sprach mit einem +Gärtner, deutete einmal mit der Hand auf ein Blumenbeet und wandte sich +über unsern Eifer lächelnd zum Gehen. Ich wurde gewahr, daß sich mein +Spiel von Minute zu Minute verbesserte. Im letzten entscheidenden Set +gewann ich alle sechs Spiele und war somit Sieger im Match. Nina sagte +uff und fächelte sich mit ihrem Tuch kühle Luft ins Antlitz. Als wir uns +die Hände schüttelten, sah sie mich wie zum erstenmal an. In ihren Augen +leuchtete mir etwas Verlockendes und Gefährliches entgegen. + +»Sie spielen gut,« sagte Nina. »Reiten Sie?« + +»Gewiß.« + +»Wolfgang, wir werden morgen früh reiten.« + +»O Nina, rede keinen Unsinn, das hast du schon zehnmal gesagt. Du stehst +ja doch nicht um sieben Uhr auf.« + +»Doch, ich werde ganz bestimmt um sieben Uhr aufstehen.« + +Sie sah mich wieder mit ihren lockenden Augen an, wobei sie die Lider +ein wenig zusammenzog. Mir war, als liebkosten mich die goldfarbenen +seidenen Wimpern. + +»Was wird Herr Regnitz für ein Pferd reiten?« + +O weh, sie sagte wieder Herr Regnitz! + +»Willst du einen ruhigen Gaul, Walter?« + +»Nein, im Gegenteil.« + +»Gut, du sollst die Moissi haben. Eine Rappstute, weißt du. Du bekommst +den neuen Sattel, den mir Mama geschenkt hat.« + +»Hören Sie zu, Walter, das ist eine unerhörte Gnade.« + +O -- sie sagte wieder Walter! + +Ich spürte in diesem Augenblick den einzigartigen Duft von Ninas +mädchenhaftem Körper. Ich sog ihn wissend und gekräftigt ein. + +Der Teufel wird mir an diesem Abend wenig anhaben können. Ich habe mein +Match gewonnen und morgen reite ich Moissi. + + * * * * * + +Die Damen zogen sich bald nach dem Abendessen zurück. + +Wolfgang und ich, wir saßen noch eine Weile auf der Terrasse, fühlten +eine angenehme Ermüdung in unsern Gliedern und tranken ein wenig _Black +and White_ mit sehr viel Sodawasser gemischt. + +Wir sprachen nicht viel, sondern sahen zum reichbesternten Himmel empor +und beobachteten die Sternschnuppen. Der Diener setzte einen Eiskühler +neben den Tisch und verschwand. + +»Nina reitet gut,« sagte Wolfgang. »Ich werde ihr mal morgen den >Sekt< +geben. Da kann sie was erleben.« + +Und dann, nach einer Weile: + +»Mama hat im vergangenen Jahr viel Sorge mit dem Stall gehabt. Weißt du, +der Rotz ... Na, jetzt ist es vorbei ...« + +»So?« + +»Ja, jetzt sind sie wieder alle gesund. Einer ging ein. Na, meinetwegen, +mir lag nichts an ihm. Ein Wallach.« + +Ein Knecht schritt mit einer Laterne durch den Garten. Wir sahen dem +unruhigen Licht nach. + +»Komisch,« sagte Wolfgang plötzlich, »wir kennen uns erst seit sechs +Tagen.« + +»Ja.« + +Eine Stille. + +»Du bist immer so hochmütig. Hast du was?« + +»Nein. Garnichts.« + +Eine Stille. + +»Du mußt in den Herbstferien herkommen und hier mit uns jagen.« + +»Danke. Ja.« + +Mir stieg ein Gedanke auf. + +»Jagt Nina auch?« + +»Ja, sie schießt sehr gut. Sie hat gar keine Angst.« + +»Wie schön.« + +Ich sah ein Bild vor mir: Nina mit dem unvergleichlichen Gang der +Kosakenmädchen durch den Wald schreitend, die Büchse in der Hand, mit +spähenden Augen und grausamen Lippen. + +»Wie schön,« wiederholte ich. + +Ein Stern glitt in mächtiger und graziöser Bewegung durch den +erleuchteten Raum. + +»Hast du dir etwas gewünscht?« fragte Wolfgang. + +»Ja.« + +»Was denn?« + +»Mehr Whisky.« + +Wolfgang lachte und schenkte ein. + +»Na, Mama wird morgen Augen machen über unsere Sauferei. Prost!« + +»Prost!« + +Wir schwiegen lange. + +»Man muß das Leben mit gesunden Händen anfassen.« + +Wolfgang sah mich unsicher an. Dann sagte er verlegen: + +»Ja.« + +Wir beobachteten zwei Fledermäuse. + +»Was denkst du über die Frauen?« fragte ich. + +Ȇber welche Frauen?« + +»Ich meine ... fändest du etwas dabei, wenn Jungens wie wir ... ein +Verhältnis haben?« + +»Nein ... ja, das heißt ... es kommt darauf an!« + +Wolfgang lachte ein wenig hilflos. + +Ich stand auf und bot ihm die Hand. + +»Wir sollten recht lange Zeit Freunde bleiben,« sagte ich sehr herzlich. + +Auch Wolfgang erhob sich. Er schüttelte meine Hand kräftig, und es lag +in dieser Bewegung etwas eigentümlich Ritterliches. + +»Ja, das sollten wir wirklich,« erwiderte er in demselben Ton. + +»Gute Nacht, Wolfgang.« + +»Gute Nacht, Walter, -- und danke für alles.« + +Ich ging in mein Zimmer. + + + + + 11 + + +Wir reiten zu dritt im abgekürzten Galopp -- von Hans Kietschmann +gefolgt -- über eine jüngst gemähte Wiese, deren Heu naß und ohne Duft +ist. Wir reiten Schulter an Schulter und achten streng darauf, daß die +Linie eingehalten wird. Jeder von uns beschäftigt sich schweigend mit +seinem Pferde, beobachtet den gebogenen Tierhals und übt auf jeden Druck +den Gegendruck der Schenkel aus. + +Manchmal sehe ich zu Nina hin. Das feurige Haar lodert wie eine Flamme, +wie ein Triumph unter dem schwarzen Hut hervor; die weißen Kinderzähne +beißen auf die feuchte Unterlippe, die unbedeckten Hände erfassen die +Zügel des unruhigen Pferdes mit freudiger Kraft. Unausgesetzt richtet +Nina die verliebten Blicke auf den Kopf des Pferdes, das in großzügiger +Bewegung galoppiert. Ich sehe mit Vergnügen, daß der schlanke Körper mit +den säulenstarken hohen Beinen und der jugendlichen weichen Brust sich +entzückt der Bewegung des schnaubenden und wiehernden Tieres hingibt und +niemals die Verbindung mit ihm verliert. + +Es geschieht einige Male, daß Sekt sich nahe an meine Stute drängt und +Ninas Fuß den meinen berührt. + +Hatte ich nicht die ganze Nacht von der einen Minute geträumt, in der +Nina ihren Fuß auf meine Hand setzen würde, um das Pferd zu besteigen? +Und war ich nicht, als sie es wirklich getan, verwirrt und mit pochendem +Herzen davongestürzt? + +Sekts Gangart wird von Augenblick zu Augenblicke länger. Der Schimmel +und seine Herrin freuen sich des wie unbegrenzten Raumes, der +morgendlichen Luft und der würzigen Gerüche des Feldes. + +Ich sehe unsicher zu Wolfgang hin, der immerfort mit tiefer Stimme auf +den Schimmel einspricht: + +»Ruhe! -- Sekt! -- Ruhe! -- Ohlala -- Ohlala!« + +Meine Moissi geht leichtfüßig mit. Wolfgangs nicht so belebtem Fuchs +wird es schwer, die Linie einzuhalten. + +»Ruhe, Fräulein Nina!« sage auch ich jetzt. »Bitte abgekürzter Galopp!« + +Aber Nina hört nichts. Sie sieht verzückt, mit nassem, erregtem Munde +und blinkenden Augen auf den Schimmel und beißt mit den weißen Zähnen +auf die Lippe. + +»Gib auf die Sporen acht!« + +In diesem Augenblick tut Sekt, den irgend etwas erschreckt hat, einen +kleinen Sprung, Nina kommt mit den Sporen an die Weichen, der Schimmel +wirft den Kopf mit einer schmerzlichen Gebärde in die Höhe und geht +durch. + +Moissi folgt sofort. Wolfgang und Hans Kietschmann bleiben zurück. + + * * * * * + +»So, Fräulein Nina ... jetzt Ruhe, nur Ruhe!« + +Die Pferde rasen über das Feld. Die Morgensonne erhebt sich +gelbstrahlend über einem Hügel und blendet uns. + +»Rechte Kandare ziehen! ... Sekt, Ruhe!« + +Nina richtet das Tier mit allen Kräften nach rechts. + +Wenn ihr nur nichts geschieht! ... Nein, sie ist ruhig. Es geschieht ihr +nichts. + +»Mehr rechts, immer mehr rechts! ... Fort vom Stall! ...« + +Sieh da, sie ist zufrieden, sie ist hingegeben dieser einzigartigen +Geschwindigkeit, dieser goldenen Flucht durch den Morgendunst. + +»Noch mehr rechts! ... Bravo, Fräulein Nina! Noch mehr!« + +Wir beschreiben mit unserem Ritt eine Kurve. + +»Reitpeitsche fortwerfen!« + +Nina läßt die Peitsche fallen. + +Ich bekomme über meine Stute Gewalt, meine Knie und Schenkel sind +unausgesetzt an den Sattel gepreßt. Ich drücke den Rappen an Nina heran. + +»Noch einmal nach rechts ... sehr gut! ... Noch einmal! ... Ah, er läßt +nach ...« + +Ich beuge mich vor und greife in Ninas Zügel. Der Schimmel erschrickt, +bäumt sich, -- ich packe den Halfter und der Schimmel steht. + +Nina lacht, ein nervöses, schreiendes, jubelndes Lachen. + +Ich steige von meinem Pferd, um Sekt liebkosend zu beruhigen. Ein +unerklärlicher Gram erfaßt mich, ich spreche kein Wort, sehe Nina nicht +an und bebe vor Schmerz und Zorn ... + +Wolfgang erreichte uns endlich. Er lacht. + +»Bravo Nina! -- Nichts geschehen?« + +Nina schüttelt den Kopf. + +»Ein schöner Unsinn, dieses Biest da mit Sporen reiten zu lassen!« sage +ich scharf und böse. + +Wolfgang zieht ein beleidigtes Gesicht. + +»Nehmen Sie die Sporen ab!« herrsche ich Nina an, ohne hinaufzusehen. + +Wolfgang und Hans steigen von den Pferden. + +»O -- Sie sind zornig, Walter!« ruft Nina. + +Ich blicke auf. Ninas Augen lachen, aber sie ist blaß, sehr blaß, und +ihre Lippen zittern nervös. + +»Nehmen Sie jetzt bitte die Sporen ab.« + +Hans befreit Nina von den Sporen und reitet zurück, um auf der Wiese die +Reitpeitsche zu suchen. Ich stecke die Sporen in meine Tasche. + +Wir reiten im Schritt weiter und erreichen ein belichtetes Gehölz. +Unsere Tiere sind ermüdet und zufrieden. Sie gehen in großen Schritten +durch den Wald und spähen an den stolzen Fichtenstämmen stolz vorbei. +Wir sind schweigsam und schlecht gelaunt. + +Mit einem Male streckt Nina die Hand nach mir hin. Da ich nicht in ihrer +Nähe bin, fingert sie ungeduldig in der Luft herum. Ich nehme ihre Hand, +beuge mich tief nach unten und küsse sie lange. + +Wie ich mich emporrichte, sehe ich, daß Nina mit lächelndem Antlitz und +feuchten goldenen Wimpern nach der andern Seite blickt. Wolfgang ist +blaß geworden und hält die Augen gesenkt. Hans reitet irgendwo +hinterher. + +Wir erreichen, ohne ein Wort zu sprechen, nach einer Stunde den Gutshof. +Die Pferde sind naß und wollen ihr Futter. Ich grüße Nina mit dem Hut +und gehe ins Haus. + + + + + 12 + + +Wir fuhren am Abend mit einem leichten Jagdwagen ins Gebirge. Frau +Seyderhelm war im Schloß geblieben, da sie Besuch erwartete. + +Wir saßen auf der Terrasse eines vornehmen und einsam am Fluß gelegenen +Hotels. Vor unseren Blicken zerflossen die kupferbraunen Abhänge und +goldenen Bergeshäupter, die ein unaufhörlich gleitendes Licht belebte. + +Ich stand, noch ehe die Mahlzeit bereitet war, im Stalle bei den Pferden +und sorgte dafür, daß sie ihr Futter bekamen. Mein Kopf war benommen, +und meine Augen brannten. Den ganzen Tag in Ninas Kreise zu leben, den +Hauch ihrer Lippen zu spüren, im Wagen ihren Knieen nahe zu sein und +ihrem duftenden Haar, zu sehen, wie der Wind das helle, sich innig an +den Körper schmiegende Sommerkleid berührte, und mit verwirrten Sinnen +zu ahnen, vieles zu ahnen, -- ah, das alles war nicht ganz leicht zu +ertragen. + +Ein Kellner meldete, das Essen sei angerichtet. Ich stieg die steinerne +Treppe der Terrasse langsam hinauf. Die unaufhörlich wechselnden Farben +des Abends quälten mich; ein drohendes Verhängnis war in dieser +Bewegung, eine Unruhe ohnegleichen, eine süße und unsäglich schmerzliche +Hast, eine Flucht und ein Jammer ohne Trost ... + +Als ich oben angelangt war, sah ich, wie Nina ihre Hand auf Wolfgangs +Arm gelegt hatte. Sie schien ihn etwas zu fragen. Er beantwortete Ninas +Frage, und sein Gesicht bekam den überaus liebenswürdigen und +ritterlichen Zug, den ich an ihm liebte. Ein kindliches, verhaltenes +Schluchzen stieg in mir empor. + +Ich setzte mich an den Tisch, Nina und Wolfgang sahen mich an. + +»Na Lieber? Wie gehts?« fragte Wolfgang. + +»Danke, die Pferde fressen.« + +Nina lachte und blickte fort. + +Ich wurde rot. + +Nina sprach in näselndem Ton von Trüffeln. + +»Sieh mal, Wolfgang, wie witzig, hier gibt es gefüllte Trüffel. +Raffiniert -- nicht?« + +»Nina, du redest wie ein Kavallerieoffizier,« sagte Wolfgang, wandte mir +sein Gesicht schräg zu und fragte in seinem kindlichen Ton: + +»Spricht sie nicht wie ein Gardekürassier?« + +Wir aßen danach Forellen. Nina verstand es gut, das zarte rosige Fleisch +der Fische von den Gräten loszulösen. Die weißen, nun der Seele +beraubten Tieraugen starrten ausdruckslos zu uns herauf. Nur um die +Mäuler lag ein böser Zug, der von Todespein und letztem Kampf erzählte. + +Um die Zeit der späten Dämmerung trat ein Hirsch aus dem Wald des +gegenüberliegenden Berges hervor, äugte mit einer kühnen Gebärde des +Kopfes nach dem Hotel hin und trank aus dem Fluß. + +Der Geruch von Bergwasser und nassem Sand stieg zu uns empor. Allmählich +entfaltete der dunkelnde Himmel die Schönheit der beginnenden Nacht vor +unsern Augen. Die stolzen Gestirne wurden sichtbar; vor ihrer +urweltlichen Starrheit wichen die wechselnden Farben des Abends besiegt +zurück. Das Gebirge ward im funkelnden Schein groß und ehern. + +Wir standen nach beendetem Mahle auf und gingen über die hölzerne Brücke +des Flusses dem andern Ufer zu. Die Nacht gab mir mitleidsvoll von ihrer +Kühle und besänftigte mich wunderbar. Nina schien mir schöner denn je, +aber ihre Schönheit war meinen Sinnen und meinem undeutlichen Verlangen +entfernt. Sie ging mit ihrem weißen Sommerkleid wie durchsichtig durch +die Nacht dahin. Auf ihren Schultern lag ein bläuliches Orenburger Tuch. +Ihr Haar war unbedeckt und bewegte sich ein wenig im Nachtwind. + +Ein leises, sehnsüchtiges Tönen rief uns in den Wald. War es eine Flöte +oder eines Mundes Klage? Wir folgten neugierig der oft entschwindenden +und dann wieder genäherten Musik. + +Vor einem Bretterverschlag, dem Sammelplatz der Tiere, machten wir Halt. +Wir sahen die Gestalt eines Mannes zwischen sternhellen Bäumen +einhergehen, wir sahen ihn in seine Schürze greifen und -- einem Sämann +gleich -- Eicheln und Kastanien mit einer weiten Bewegung seines Armes +über den Waldboden streuen. Dazu pfiff er eine Melodie, eine kleine, +sentimentale, unbeholfene und doch unendlich rührende, süße, zärtlich +lockende Melodie. Nach einer Weile schien es, als bewege sich der Wald. +Unhörbar, aber mit großzügigen Bewegungen und bei jedem Schritt ein +wenig mit den Häuptern nickend, kamen wie aus einem dunkel gewebten +Teppich Hirsche und Rehe aus der Nacht hervor, beugten sich zu Boden und +näherten sich langsam dem lockenden Freund der Tiere. Allmählich +entfernte sich der Mann, umdrängt von seinen zärtlichen Geschöpfen, +ferner und ferner klang die Musik seines Mundes und löste sich endlich +auf im Rauschen des Waldes. + + * * * * * + +Wolfgang eilte voraus, um mit Hans die Pferde anzuschirren. Es zeigten +sich Wolken am Himmel. + +Ich ging mit Nina langsam den jäh erleuchteten Waldweg entlang. Nina +hatte wieder ihren Schnupfen und führte das kleine Tuch oftmals an den +Mund. + +»Walter.« + +»Ja.« + +»Wie alt sind Sie?« + +»Siebenzehn Jahre.« + +»Siebenzehn Jahre,« wiederholte Nina. + +Eine Stille. + +»Walter.« + +»Nina?« + +»Sie werden morgen fortreisen, -- nicht wahr?« + +Und da sie mein Gesicht sah, hob sie beschwörend die bittenden Hände +empor und sagte in unvergleichlich rührendem Ton: + +»Walter, -- Sie sind _siebenzehn_ Jahre!« + +Ich hatte wieder solche Angst. + +Ich werde mich töten, dachte ich. + +Eine lange Stille. + +»Sie werden reisen, Walter?« + +»Ja.« + +»Danke.« + +Ich werde mich töten. Es wird noch diese Nacht geschehen. + + * * * * * + +Wir fuhren über Felder. Wolfgang kutschierte, wobei er manchmal einige +Worte mit Hans wechselte. Ich saß mit Nina in der Break. Nina sprach +viel und war nervös. + +Es erhob sich ein Wind und trieb große, von den Sternen erhellte Wolken +über den Himmel. In der Ferne leuchteten Blitze. + +Nina klagte über den Sturm, der ihr Kopfschmerzen verursachte, und bat, +man solle die Verschläge herunterlassen. Der Wagen hielt, die Pferde +stampften ängstlich auf dem undeutlichen Feldwege, und Hans spannte die +leinenen Gardinen auf. + +Wir waren nun von den andern durch eine Wand getrennt und sahen die Welt +einzig durch die Öffnung über der Türe. Wir hörten von irgendwoher +kleine Bäche rauschen, den Wind im Korn und in entfernten Wäldern +blasen, und aufgescheuchte Enten, die schreiend nach irgend einem +wohlgeborgenen Teiche zogen. + +»Sie frieren, Walter?« + +»Nein. Danke.« + +Nina hüllte sich fester in das weiche blaue Gewebe ihres Tuches. + +Ein Blitz zuckte. + +»Haben Sie den Hasen gesehen, Walter?« + +»Ja.« + +Wir fuhren über eine Brücke. Das Holz dröhnte. + +»Sie haben noch einen Vater, Walter?« + +»Ja.« + +»Wo ist er?« + +»In Skandinavien.« + +»Allein?« + +»Anny Döring ist bei ihm.« + +»Wie? -- Die Soubrette?« + +»Ja.« + +»Ach --!« + +Nina blickte mich verwundert und ängstlich an. + +Wie liebte sie in diesem Augenblick meinen Vater. O Nina, Nina! + +Ich sah lange Zeit hinaus und träumte. Ich fühlte, daß mich Nina +unausgesetzt betrachtete. Später vergaß ich es. + +Eine Hand lag auf der Decke. Es war Ninas Hand. + +»Darf ich sie küssen?« fragte ich. + +Nina lachte mit einem hellen Ton. Es klang, als fiele ein kleiner +silberner Hammer schnell auf Metall. + +Ich küßte die Hand und dachte dabei an den Förster, der durch den Wald +ging und Eicheln über die Erde streute. Ich küßte keine lebendige Haut, +sondern Wildleder, dänisches Wildleder. Ich küßte dieses Leder noch +einige Male und ließ die Hand dann fahren. Ich empfand kein besonderes +Vergnügen dabei und wunderte mich. Wahrscheinlich träumte ich dies alles +nur, sonst wäre ich doch wohl anders gewesen. Ich hätte vielleicht +geschrieen ...? + +Es begann langsam zu regnen. Ich streckte die Hand hinaus. Große warme +Tropfen fielen hernieder. + +»Wir werden morgen nicht Tennis spielen können,« sagte ich schläfrig. + +»Ja,« erwiderte Nina verwundert. + +Ach so, ich reise ja morgen fort, dachte ich. Wie ungeschickt! + +Ich träumte fort, sah Steine, Wolken und Bäume vorbeieilen; oben sprach +Wolfgang irgend etwas, was ich nicht verstand, und der Donner wurde +stärker, immer stärker. + +Nein, ich werde morgen nicht fortreisen. Ich werde mich heute Abend +töten. + +Schafe standen zusammengedrängt und fürchteten sich ... Sieh da, Schafe +... »Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den +Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde. Und siehe, des Herrn Engel +trat zu ihnen, und die Klarheit des Herren leuchtete um sie; und sie +fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch +nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude ...« wie schön, -- siehe, +ich verkünde euch große Freude! Mir war mit einem Male, als sei mein +Körper durchströmt von gutem warmem Blut. Es war ja alles gar nicht so +schlimm! Denn ich verkünde euch große Freude ... + +Da -- was war das? Eine bebende Hand griff nach meiner. Mein Traum +zerriß -- -- + +»Nina!« + +Ich schrie. + +»Sei still, um Gottes willen ...« + +»Hallo, was gibt's?« fragte Wolfgang. + +»Nichts. Ninas Haar im Wind ...« + +Ich riß Nina an mich, überflutete ihr Antlitz mit Küssen, umarmte ihre +Kniee und biß in ihre Lippen und Hände ... + +»Laß ... Laß ... Du bist verrückt.« + +Sie stöhnte. + +Ich flehte unverhüllt mit meinen fiebernden Lippen auf ihren Lippen, auf +ihren Händen, ihrem Haar, ihren Augen und ihrer jungen, jungen Brust ... + +O unerhörtes Glück des Aneinanderschmiegens, der verschlungenen Finger, +der wirren, in die dunkle Luft hineingesprochenen Reden! + +Und dann dieses wunderbare, einzigartige Ermatten, diese tränenreiche, +gütige Müdigkeit, ... dieses bekümmerte Suchen der Hände, ... und +endlich diese Ruhe, diese tiefe, tiefe Ruhe! ... + +Wie wir einst so glücklich waren! + + * * * * * + +Um Mitternacht stürmten die gepeitschten nassen Pferde mit rasselndem +Wagen in den Schloßhof. Frau Seyderhelm empfing uns in der Türe. Sie war +ein wenig müde, aber freundlich und besorgt. + + + + + 13 + + +Ich stellte mich an das Fenster meines Zimmers und sah hinaus. Blitze +spalteten Eichen und Kiefern, und über Wälder und weite Ebenen rollten +ihre Donner. Aus den Ställen brüllten und wieherten geängstigte Tiere, +und Malatesta saß mit glühenden Augen in seiner Hütte vor meinem Fenster +und heulte. + +Auch dies ging vorbei. Ein stetig und kühl strömender Regen spendete +uns, den Fiebernden, Genesung. Gerüche von niegeahnter Kraft erfüllten +die Luft, und die Tiere in den Ställen begannen ihren Schlaf. Zwei Uhr +schlug die Glocke, aber der trübe Morgen war noch fern. + +Ich setzte mich an den Tisch. Ich wollte etwas Unerhörtes schreiben, +aber ach, -- es wurden nur diese einfachen Zeilen: + + Ist es denn möglich, daß wir diese Nacht + In einem Wagen über Felder fuhren? + Hab' ich geträumt? Ich sah doch einen Wald! + Eilten nicht Steine, Wolken, Bäume, Sterne + An uns vorbei, und hast du später nicht + -- So hab' ich _doch_ geträumt, -- und hast du nicht + Mir abgewandten Blicks die Hand gereicht? + ... Und küßte ich sie nicht? + Ich habe nicht geträumt. Wir fuhren nachts + In einem Wagen über weite Felder, + Es eilten stille Wolken, Bäume, Sterne + An uns vorbei ... Du gabst mir deine Hand ... + ... Ich küßte sie ... So hab' ich _doch_ geträumt? + +Ich packte meinen Ranzen, nahm das Blatt, stieg zu Ninas Zimmer hinauf, +öffnete die erste ihrer beiden Türen und legte mein Gedicht auf ihre +Diele. Dann schlich ich mich hinunter. + +Ich trat auf den Hof, streichelte Malatesta und dachte: Frau Seyderhelm +und Wolfgang ... ach, Frau Seyderhelm und Wolfgang! + +Ich wanderte die Straße hinab, bis sich im Osten der bewölkte Tag +ankündete. Auf einem Hügel blieb ich stehen und sah die verlassene +bleiche Landschaft unter mir. Eine Starenkette flog durch die gereinigte +Luft des Morgenrots. + +Da schlug ich mit der Stirn auf einen Baum und stürzte nieder. + + + + + Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München + + Karl Borromäus Heinrich + + Karl Asenkofer + + Geschichte einer Jugend + + Zweites Tausend + + Geheftet 3 Mark 50 Pf., geb. 5 Mark + + Süddeutsche Monatshefte, München: Wenn ich aber sagen sollte, + welches erzählende Buch des letzten Jahres den stärksten und + nachhaltigsten Eindruck auf mich gemacht hat, so müßte ich + Karl Asenkofer von Karl Borromäus Heinrich nennen. Das ist + mehr als Litteratur: jede Zeile ist erlebt, und was noch + wichtiger, jedes Erlebnis ist behutsam aufbewahrt! noch hängt + der ganze Flügelstaub an den leichten Schwingen. Ein Buch + von packender Ehrlichkeit, die nichts hinzu tut, und so + niemals den Eindruck des Beabsichtigten, Arrangierten + aufkommen läßt. Die letzten Gymnasial-, die ersten + Universitätsjahre sind kaum je so unmittelbar und überzeugend + wahrhaftig dargestellt worden. Als Heldin steht von der ersten + bis zur letzten Seite eine der ergreifendsten Muttergestalten + da. Dies Buch ist so ausgezeichnet, daß man vor der + Fortsetzung ganz Angst hat. Man möchte den Verfasser inständig + bitten, mit dem zweiten Teile zu warten, bis er sich dem + ersten an die Seite stellen kann: ja nicht zu früh, ja nicht + zu viel über seine augenblicklichen Erlebnisse zu berichten, + sondern in Gelassenheit und Demut geduldig zu warten, bis zum + ersten meisterlichen Bande ein zweiter von selber in Stille + und Sturm reif geworden ist. An dem Tag aber wollen wir uns + mit ihm freuen, denn an dem Tag ist unsere Litteratur um ein + bleibendes Werk reicher: um ein solches, das eine Generation + weiter gibt an die andere. + + + Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München + + Korfiz Holm + + Thomas Kerkhoven + + Roman + + Vierte Auflage + + Flexibel geb. 5 Mark, steif geb. 6 Mark + + »The Times«, London: »Thomas Kerkhoven« belongs almost to the + rank of classics like »Tom Jones« or »David Copperfield« or + »Pendennis«. + + Rudolf Herzog in den »Neuesten Nachrichten«, Berlin: Sicher + ist, daß dieses Werk den besten Büchern beizuzählen ist, die + in den letzten Jahren erschienen sind. + + Wilhelm Hegeler im »Litterarischen Echo«, Berlin: Auf jeder + Seite ist das Buch voll sprühender Lebendigkeit, von müheloser + Anschaulichkeit, amüsant und glänzend von Anfang bis zu Ende. + + »Münchener Neueste Nachrichten«: Es wird seinen Weg machen; + denn es ist wert, den besten Dichtungen unserer Zeit an die + Seite gestellt zu werden. + + »Berner Bund«: Ganz »verflixt gut geschrieben« ist es, mit + einer geradezu bewunderungswürdigen Sicherheit in der Technik. + + + Druck von Hesse & Becker in Leipzig + + + + + + Anmerkungen zur Transkription + + +Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. + + + + + +End of the Project Gutenberg EBook of Wie wir einst so glücklich waren!, by +Wilhelm Speyer + +*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 59186 *** diff --git a/59186-8.txt b/59186-8.txt deleted file mode 100644 index 9e63813..0000000 --- a/59186-8.txt +++ /dev/null @@ -1,2910 +0,0 @@ -Project Gutenberg's Wie wir einst so glücklich waren!, by Wilhelm Speyer - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll -have to check the laws of the country where you are located before using -this ebook. - - - -Title: Wie wir einst so glücklich waren! - -Author: Wilhelm Speyer - -Release Date: April 1, 2019 [EBook #59186] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! *** - - - - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This file was -produced from images generously made available by The -Internet Archive. - - - - - - - Wie wir einst - so glücklich waren! - - - Von Willy Speyer erschien bei Bruno - Cassirer, Berlin 1907: - - Ödipus, Roman - - - - - Wie wir einst - so glücklich waren! - - - Novelle - von - Willy Speyer - - - Albert Langen - Verlag für Litteratur und Kunst - München - - - - - 1 - - -Auf meinem Lande ist es Herbst geworden. Ungefähr um drei Uhr morgens -beginnt ein kalter Regen nieder zu gehen, der erst um fünf Uhr -nachmittags aufhört. Zur Vesperzeit kommt plötzlich und kampflos die -Sonne hervor; ein leichtes Blau webt mit einem Male in den herbstlichen -Bäumen, deren genäßte Blätter von der Sonne farbenreich durchleuchtet -werden. Am Spätabend ziehen über die feuchte Erde Nebel dahin, die des -Nachts die verblassenden, leise rauschenden Wälder umfangen. Auf diesen -Nebeln ruht zuweilen Mond- und Sternenlicht; goldene und silberne Wolken -fließen unaufhörlich durch das Dunkel dahin, bis es zu einem nassen und -schleichenden Morgen tagt. - -Es ist seltsam zu sagen: Ich ziehe den Regen meinen anmutigen -Herbstabenden vor. Während des ganzen Tages bleiben meine Fenster fest -geschlossen, und ich finde ein Vergnügen darin, stundenlang im Zimmer -auf und ab zu gehen, mit der Papierschere zu spielen, meine und meines -Vaters Tagebücher zu lesen und immer wieder in hundertfachen Pausen dem -Regen, dem grausamen, dem gänzlich hoffnungslosen zuzusehen. Keine -Stimme redet zu mir aus dem strömenden Wasser, wie es bisweilen den -Dichtern geschieht, und belustigt mich durch ihre Geschichten, -- -vielleicht durch kleine rührende Märchen, die meine Brust mit süßen -Hoffnungen erfüllen könnten und dann ganz trostlos endigen, ... o nein, -was mich unwiderstehlich zu dem erbarmungslosen Freunde dieser Tage -hinzieht, ist nichts anderes als die nackte, von jeder Kunst entblößte -Trauer und ihr schwermütiges Gefolge. - -Es gibt Tage, wo der Regen auch vor der Vesperstunde nicht Halt macht, -sondern in die finstere Nacht hineinrauscht und nimmer ruhen mag. Dann -kommt die Zeit meiner tiefsten Ängste, und es erfassen mich Gefühle, die -ich längst vergessen wähnte: Meine vollkommene, durch keine Gunst des -Schicksals je gestörte Vereinsamung, meine frevelhafte, durch keinen -leuchtenden Gedanken je geweihte Eigenmächtigkeit und meine tödliche, -tödliche Sehnsucht. - - * * * * * - -Es ist wahr, ich bin grenzenlos einsam. Daß ich dies erst jetzt fühle, -bereitet mir eine gewisse Genugtuung, zumal wenn ich daran denke, daß es -Menschen gibt, die Tag für Tag an ihrer Einsamkeit leiden. - -Aber nun, hier auf meinem Landsitz, ist es eingetreten, daß ich in den -Regen schaue, eine ganze Weile, geruhig, mit einer leichten Traurigkeit -im Herzen, und dann plötzlich der Gedanke mich zu Boden schmettert, daß -es auf der ganzen Welt keine einzige Seele gibt, die mir am Tage oder in -der dunklen Nacht je vertraut wäre. - -O, ich weiß, daß viele Menschen ebenso wie ich zu sprechen pflegen, -- -aber bedenken diese auch, daß sie noch von der Kindheit her eine alte, -gebrechliche Haushälterin besitzen, die sie rührend eifrig bedient und -mit mürrischer Zärtlichkeit an ihnen hängt, oder einen Hund, einen -kranken vielleicht, der mit guten, getrübten Augen zu ihnen emporsieht? -Aber ich, ich kann nicht einmal solche Geschöpfe, die Geschöpfe des -unteren Daseins, mein Eigen nennen. Meine Haushälterin versieht ihren -Dienst mit gleichgültiger Sorgfalt, und die Hunde des Gutes lieben -meinen Inspektor, nicht mich. - -Ich habe freilich mit vielen Männern Handschlag und freundlichen Blick -gewechselt, habe Umarmungen und Küsse mit manchen Frauen getauscht und -bin in vieler Herren Dienst gestanden, -- was blieb mir von alledem? Das -Herz des Söldners, seine ruchlose Einsamkeit und seine undeutliche -Erinnerung. Denn meinem Geist sind alle Geschehnisse zerronnen, wie der -Regen zerrinnt auf den Schieferdächern meiner Scheunen. - - * * * * * - -Ich stehe ein wenig abseits vom Sinn und Gefüge der Natur, das sei -zugestanden, auch trage ich eine spöttische Unbekümmertheit um ihren -Gang zur Schau. Ich befinde mich außerhalb der Kreise, die von der Natur -um die Dinge dieser Welt, um Menschen, Tiere, Blumen, ja, um die starre -Öde des Gesteins gezogen ward und -- ich will es nur aussprechen -- ich -befinde mich dort nicht allzu wohl. Ich fühle mich ausgeschlossen von -der mütterlichen Güte der Natur, die selbst dann meine tiefste Sehnsucht -erweckt, wenn sie den andern nur grausam und sinnlos erscheint. Ich zöge -es vor, als ihr niedrigster Knecht in Ketten zu schmachten, als, ach -- -so frei zu sein, wie ich bin ... - - * * * * * - -Ich gehe an meine Bibliothek und nehme die römischen Elegien heraus. In -dem Kupferstich auf der ersten Seite finde ich die Worte: »Wie wir einst -so glücklich waren.« - -Ich lese es und habe Tränen in meinen Augen. - - »Wie wir einst so glücklich waren, - Müssen's nun durch Euch erfahren.« - -Es war auf einem deutschen Rittergut im Sommer, in einem Sommer voll -gesegneter Tage; das Getreide stand hoch, vortreffliches Heu lag auf den -Wiesen; der Himmel war am Morgen blau, mit einer glasigen Mondsichel -über den Scheunen, und nachts leuchteten viel Sterne wie aus einem -dunkeln, reichen und kostbaren Stoff. Ich liebte dort alle Menschen und -ich betete mit einer jungglühenden Leidenschaft eine gewisse Dame an, -- -vielleicht war es ein Taugenichts von einer Dame. O, ich habe dies alles -nie vergessen, ich entsinne mich sehr gut. Ich will diese Geschichte -aufschreiben und sie dann einem Mädchen vorlesen, das irgendwo in der -Welt lebt, einem schlanken Mädchen etwa von blondem Haar und weißen, -milden Händen, und dieser Gedanke hat etwas unendlich Beruhigendes für -mich. Ich erinnere mich dabei an gewisse Abendspaziergänge über die -sanften Felder eines deutschen Rittergutes, an gewisse zärtliche und -gütige Nächte und an die verworrenen Laute eines Fuhrmannes, der in der -Dunkelheit den Hof erreichte und seine Pferde beim Schein der Laterne -aus der Deichsel führte. - - - - - 2 - - -Ich schauderte, als ich zum ersten Mal mit einem Wagen durch die Straßen -dieser Stadt fuhr, in der ich die zwei letzten Jahre meiner Schulzeit -verbringen sollte. Von den häßlichen, kalkig-weißen oder gelben -Mietshäusern, die mit dem läppischen Stuck einer nur auf die -Nützlichkeit gerichteten Baukunst verziert waren, wandte sich der -gekränkte Blick zu modischen Villen, die mitten in Arbeitervierteln -durch ihren Prunk aufgeblasen, durch ihre ärmliche Umgebung -unschicklich, ja frech erscheinen mußten. Ein verachteter, oftmals -bespöttelter Fluß, das Zerrbild eines Flusses, führte sein dünnes, -unruhiges und stets getrübtes Wasser durch das Weichbild der Stadt. In -den lichtlosen Gassen aber duckten sich zuweilen jahrhundertalte -ängstliche Giebelhäuser, die einer seelenvollen und klaräugigen -Vergangenheit entstammten. - -Der Knabe hatte seine erste Jugend auf einer Landschule zugebracht und -war dort von erfahrenen Männern zusammen mit einer Schar unermüdlicher -und redlicher Jungen erzogen worden. Nun stand er, einem begründeten -Wunsche seines Vaters folgend, allein in dieser Stadt, ohne daß ihn -irgend ein freundliches Gefühl an ihre Menschen gebunden hätte, dazu von -einer auf dem Lande erlernten und geübten Sittlichkeit beschwert, die -den Verkehr mit den leichtgesinnten Bewohnern der Städte verbot. So -verschloß er sich nicht ohne einen gewissen Starrsinn den Freuden der -Geselligkeit, gedachte mit Trauer der vergangenen Zeit und fand ein -großes Gefallen daran, den alten Freunden in langen Briefen seine -augenblickliche Lage mit den trostlosesten Worten zu schildern. Seine -Stimmung ward durch den Umstand nicht verbessert, daß der Vater ihm -Geldmittel von bedeutender Höhe zur Verfügung stellte, die weder dem -Alter noch dem Verdienst des Sohnes ziemten. - -Er verachtete mit zusammengepreßten Lippen und immer strengen Zügen die -Lehrer und Schulkameraden des Gymnasiums und sprach mit keinem von ihnen -mehr, als die Stunde verlangte. Ihre unerzogenen Körper und die -schlechte Artung ihrer Seelen erschreckten ihn auf das heftigste und -stießen ihn ab. Er, nur er allein war edlen, bis zu den Sternen -erhobenen Geistes und nur er besaß die Schönheit schnellbewegter -Glieder. Wer von ihnen erfaßte mit so reger Seele die donnernden -Strophen engländischer Königsdramen, die knabenhaften und verwegenen -Reden eines jungen Prinzen vor der Versammlung von Lancasterschen -Herzögen oder den aufrührerischen Hohn der französischen Herolde? Wer -ward beseligt durch das tönende Gold der achäischen Panzer, durch den -silbernen Hufschlag der streitenden, leichtberittenen Götter und durch -das blaue, blaue Griechenland? - -Wie sehnte sich der bislang an Freiheit gewöhnte Knabe nach den -Nachmittagen, die ihm durch keinen Zwang verfinstert waren! Ich denke -besonders an gewisse regnerische Nachmittage des Herbstes. In einen -trotzigen, der Kleidersitte widersprechenden Überwurf gehüllt, eine -phantastische Mütze tief in das Gesicht gezogen, mit hohen schweren -Stiefeln bekleidet, verließ er seine Wohnung und wanderte zum Stadttor -hinaus. Bald gelangte er an den armseligen, im Regen blinden Fluß, an -dessen Ufer er durch Weidengebüsch und dürftige Birkenwäldchen geradeaus -schritt, um endlich die ersehnten Felder, die trüben, häßlichen und doch -geliebten zu erreichen. Peitschte ihm der Sturm das Wasser in das -emporgerichtete Antlitz, dann fühlte er, wie das heiß ersehnte und -angebetete Leben seiner einsamen Brust günstig genähert war. Er warf die -Kleider von sich, breitete den schützenden Mantel über sie und badete im -kalten Fluß, während der Himmel seine frischen Regenstrahlen -herniedersandte; vor Frost zitternd schwang er sich vielleicht auf einen -Baum, um von dort in einer großartigeren als der gewöhnlichen Stellung -Cassius in den verhängten Himmel zu heulen: - - Und so umgürtet, Casca, wie ich bin, - Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt, - -um endlich mit geschundenem Körper, blau und naß in die Kleider zu -steigen und gedrückt, traurig und fast ein wenig weinerlich über die -eigene Narrheit im dunkelnden Nachmittag seinem Hause zuzuwandeln. In -seinem Zimmer fand er dann bereits die Dämmerung vor, die vom -Laternenschein am Fenster in zerrissenen Stücken erhellt war. Während -vom unteren Stockwerk eine musikstudierende junge Dame ihre -gleichmäßigen und süßen Variationen und Fugen erklingen ließ, schickte -er sich an, den Tee zu bereiten und die Pfeife in Gang zu bringen. Von -wundervollen Gefühlen überschlichen ließ er sich in einen Sessel nieder, -eine angenehme Wärme durchströmte seinen Körper und seine Augenlider -wurden schwer von Träumen. Aber sein der Wirklichkeit ebenso -leidenschaftlich wie der Phantasie zugetaner Sinn richtete ihn bald aus -seinen Träumen empor. Er setzte sich an den Schreibtisch, schlug seine -Schulbücher auf und arbeitete, ohne seinen Gedanken eine Ablenkung zu -gestatten, ernst und streng bis zum Abend. - - - - - 3 - - -Die letzte Unterrichtsstunde vor den großen Ferien war beendet. -Plötzlich, ja scheinbar ganz ohne Zusammenhang begann man ungeheuer laut -und angeregt zu reden, man lachte, sah einander in die Augen, schüttelte -sich die Hände, und ein jeder wünschte dem andern in weitschallenden und -überaus herzlichen Zurufen einen fröhlichen Sommer. - -Ich stand wie immer abseits. Mir ward bei all dieser Freude, die wie ein -heller Strom an mir vorbeifloß, ein wenig bedenklich zumute. - -Ich nahm zerstreut meinen Strohhut vom Kleiderriegel und betrachtete mit -Interesse meine Stiefelspitzen. - ->Jawohl,< dachte ich, >ich kann mir gut heute Nachmittag ein Paar neue -Schuhe kaufen. Morgen reise ich ja fort. Wohin eigentlich? In meine -Heimat? Zu meinem Vater? Er kreuzt mit seiner Jacht auf den nordischen -Gewässern in Begleitung der schönen Anny Döring, und er hatte in seinem -letzten Brief die Einladung für mich wohl vergessen, ... eigentlich -hatte er einen ausgezeichneten Brief geschrieben, einen höflichen, -zurückhaltenden und etwas frivolen Brief, und beigefügt war eine -Bankanweisung von erstaunlicher Höhe. Jawohl, so war mein Vater. -Übrigens war er ein vortrefflicher Herr.< - -Ich schickte mich an, den leeren Schulkorridor zu verlassen, als ein -blonder, vornehm gekleideter Knabe auf mich zutrat. - -Da er mein abweisendes Gesicht bemerkte, blieb er zögernd stehen und -senkte die Augen. Darauf glitt ein Lächeln von großer Anmut über sein -Antlitz, gleich als sei er über die eigene Schüchternheit belustigt. - -»Meine Mutter und ich, wir würden uns sehr freuen, ... das heißt, wenn -du Lust hast ...« - -Eine Stille. - -»Ich verstehe nicht, -- wie?« - -Der Knabe schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und begann -sehr herzlich und sehr laut zu lachen. - -»Zum Teufel, das war eine prachtvolle Einleitung!« - -Er legte ungezwungen und weltmännisch seine Hand auf meinen Arm. - -»Lieber Regnitz, man gibt heute nachmittag bei uns eine Gesellschaft. Es -wird vermutlich ganz witzig werden ... Jungens und Mädchen ... -Schokolade, Tanz und so ... Meine Mutter liebt das sehr, ... willst du -uns das Vergnügen machen?« - -Ich sah den Jungen erstaunt an; er gefiel mir außerordentlich. Aber ich -hatte es mir bislang in solchem Maße zur Pflicht gemacht, die -Schulkameraden abweisend und hochmütig zu behandeln, daß ich auch jetzt -nicht vermochte, mein gewöhnliches Betragen mit einem freundlicheren zu -vertauschen. - -»Du bist sehr liebenswürdig ... Entschuldige mich, ich habe deinen Namen -vergessen.« - -»Ich heiße Wolfgang Seyderhelm.« - -»Ich danke dir sehr für deine Einladung, Wolfgang Seyderhelm. Leider ist -es mir nicht möglich, sie anzunehmen, da ich heute bereits eingeladen -bin.« - -Wolfgang Seyderhelm wurde etwas rot. - -»Sehr schade,« sagte er. - -Er steckte eine Hand in die Hosentasche und wies mit der andern höflich -auf die Schultreppe: - -»Wir haben denselben Weg.« - -Wir gingen die Stufen hinunter. - -»Dein Bruder war Militärattaché in Athen, nicht wahr?« fragte Wolfgang. -»Meine Mutter glaubt, ihn dort kennen gelernt zu haben.« - -»Jawohl, er war Militärattaché in Athen.« - -Ich sah zur Seite. - -»Was ist's mit ihm?« fragte Seyderhelm, der mich beobachtete. - -»Er fiel in Südwest gegen die verdammten Schwarzen.« - -»Oh.« - -Vor dem Schulgebäude stand ein leichtgefügter eleganter Wagen mit zwei -lebhaften Apfelschimmeln. Eine junge Dame saß darin; sie trug einen -silbergrauen Schleier, der den weichen großen Hut an den Seiten -niederbog und auf der Brust zu einem Knoten verschlungen war. Ihre -schmalen Hände waren mit dänischem Leder bekleidet, und ihre von den -Wimpern tief beschatteten Augen sahen etwas mokant zu Wolfgang hin. - -»Ah, der Wagen!« sagte Wolfgang Seyderhelm, der zögernd stehen blieb. - -»Ah, deine Schwester!« sagte ich beklommen. - -»Nein, nicht meine Schwester.« - -»Nicht deine Schwester?« - -»Eine junge Dame unserer Bekanntschaft. Adieu, Walter Regnitz.« - -Wolfgang Seyderhelm grüßte. Ich dankte nicht, sondern sah auf den Wagen. -Der Kutscher legte die Hand an den Hut, Wolfgang sprach lächelnd einige -Worte, warf seine Schulmappe auf den Bock und stieg ein. Die Schimmel -zogen an und das Gefährt bog im Augenblicke um die Ecke ... - -Ich eilte in den heftigsten Gedanken nach Haus. - - - - - 4 - - -An diesem Nachmittag ging ich nicht spazieren. Ich schritt unruhig in -meinem Zimmer auf und ab. Ich hatte weder Lust zu arbeiten noch zu -lesen. Immer wieder kam mir Wolfgang Seyderhelms Einladung in den Sinn. -Und mit einem Male trat aus der Wirrnis widerstreitender Gefühle ein -leuchtender Gedanke hervor: Die Sehnsucht nach Gesprächen, nach -scherzhafter Rede und Gegenrede, nach Tanz und Schokolade und nach einer -gewissen jungen Dame mit einem silbergrauen Schleier und mokanten, von -den langen Wimpern tief beschatteten Augen. - -Ohne Zögern kleidete ich mich um, lief zum Schuldiener und ließ mir -Wolfgang Seyderhelms Adresse sagen. Bald fand ich mich abseits der Stadt -vor einer großen, mitten in einem Park gelegenen Villa. Ich schellte, -ward vom Diener ohne Verwunderung empfangen, durcheilte einige -hellerleuchtete Gemächer und stand endlich im Eßzimmer. - -Eine stattliche Anzahl von Knaben und Mädchen, unter ihnen einige -Erwachsene, saßen an drei runden Tischen, vollführten den heitersten -Lärm, und tranken mit großem Appetit Schokolade, wozu sie ungeheuer viel -Kuchen aßen. Ich blieb befangen stehen und suchte Wolfgang Seyderhelm. -Die Herrschaften verstummten allmählich, man begann mich zu bemerken. Da -sah ich am Ende des letzten Tisches Wolfgang sich erheben, der mich -verwundert anstarrte. Von einem andern Tisch her rief eine Dame: - -»Nun, Wolfgang, willst du nicht deinen Gast begrüßen?« - -Über Wolfgang Seyderhelms Gesicht glitt ein Zug von unendlicher -Liebenswürdigkeit und fast frauenhafter Güte. Schnell kam er auf mich -zu: - -»Wie lieb, daß du kommst!« - -Ich erwiderte kein Wort, drückte aber stürmisch und begeistert seine -Hand. Er faßte mich am Arm und führte mich zu der Dame, die ihm vorhin -zugerufen hatte. Glücklicherweise begann man an den Tischen sich wieder -zu unterhalten. - -»Dies hier ist mein Schulkamerad Walter Regnitz.« - -Die Mutter, eine noch junge Frau von schlankem Wuchs, heiteren -italienischen Augen und hoher reiner Stirne begrüßte mich lebhaft. - -»Es freut mich sehr, daß Sie gekommen sind. Wolfgang hat mir viel von -Ihnen erzählt.« - -Wolfgang errötete. - -»Ich denke, Herr Regnitz, Sie setzen sich neben mich. Hier ist noch ein -Stuhl frei.« - -Ich saß und fühlte meinen Sinn ein wenig umnebelt. - -»Sind Sie verwandt mit einem Herrn Regnitz, der vor zwei Jahren in Athen -Attaché war?« - -»Das war mein Bruder, gnädige Frau.« - -»Nicht möglich! ... Ihr Bruder ...!« - -Und sie sprach von meinem Bruder, den sie in Athen vor zwei Jahren -kennen gelernt hatte. - -»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« klang eine singende -Stimme neben mir, während ich mich mit Frau Seyderhelm über meinen -Bruder unterhielt, der in Athen vor zwei Jahren Attaché gewesen war. Ich -wandte mich nicht um und konnte nicht erkennen, woher diese Stimme kam -und ob sie mir galt. Ich sah viele Gesichter, darunter das von Wolfgang -Seyderhelm, dessen Blick sich stets abwandte, sobald er den meinen traf. -Ich empfand es sehr wohltuend, daß ich mich vorhin beim Eintreten nicht -allzu ungeschickt benommen hatte und nun in ungezwungenem Tone mit -Wolfgangs Mutter redete. - -»Wo ist Ihr Herr Bruder jetzt?« - -»Er ist im Kampf gegen die Neger gefallen.« - -»Oh wie traurig! Als Offizier?« - -»Jawohl, als Offizier.« - -»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« sang irgendwo eine -Stimme. - -»Und Sie sind hier in unsere Stadt gekommen, um das Abiturium zu -machen?« - -»Jawohl, ich war jahrelang auf dem Lande, nun will ich hier das -Abiturium machen.« - -»Wolfgang erzählt, Sie seien sehr fleißig.« - -»Ich will mit der Schule schnell zu Ende kommen.« - -»So --?« - -Frau Seyderhelm wandte den Kopf nach einer anderen Richtung, da sie von -dort gerufen wurde. Nun konnte auch ich mich umsehen. - -Neben mir saß eine junge Dame, die auf ihrem hellblauen Kleid -Schokoladenflecke mit der Serviette abrieb. Diese junge Dame hatte -golden schimmernde, von den Wimpern tiefbeschattete Augen, -kastanienbraunes Haar, einen spöttisch verzogenen Mund und lange schmale -Finger, die auf irgendeine Art an die Kälte des Winters erinnerten, an -Elfenbein und an die Heiligtümer indischer Völker. - - - - - 5 - - -Ich schwieg beklommen, seufzte tief auf und gewann endlich den Mut zu -fragen: »Habe ich Ihr Kleid ...? Das heißt, bin ich daran schuld, daß -Sie ...?« - -Die junge Dame antwortete nicht, sondern reinigte emsig mit einer -kleinen Serviette, die sie in warmes Wasser getaucht hatte, ihr -hellblaues Kleid. - -»Ich meinte nur ...« sagte ich ratlos. - -Da hob die junge Dame den Kopf in die Höhe, sah mir in die Augen, wobei -sie sich ein wenig zur Seite neigte, und begann eine Tonreihe von -silberhellem Klang zu lachen mit listigen, schmalen Augen, mit offenem -Munde und vielen weißen Zähnen. - -»Nein, _zu_ dumm! Sie haben eine Art, sich Schokolade einzugießen! Sehen -Sie, man macht es nicht so --« - -Sie nahm eine Porzellankanne und ließ den Strahl von solcher Höhe in die -Tasse fallen, daß alles um sie herum erschrocken und lachend zurückwich. - -»-- sondern so.« - -Sie verkleinerte den Strahl und ließ ihn manierlich fließen. - -Ich ward einem Sturm des Gelächters preisgegeben. Ein geistlicher Herr, -der an einem andern Tisch seinen Platz gefunden hatte, beugte sich mit -fröhlichem Augenblinzeln zur Seite und begann so herzlich zu lachen, daß -er sein Taschentuch hervorziehen mußte. Einige Backfische kicherten und -flüsterten, ein paar Jungens brüllten. Ja, die junge Dame mir zur Seite -schien ein Tausendsassa zu sein, die eine ganze Gesellschaft mit ihren -Späßen zu erheitern vermochte. - -Ehe ich noch etwas erwidern konnte, wurden die Stühle mit großem Lärm -gerückt und man erhob sich. Die junge Dame tat mit der Hand noch schnell -eine sonderbare Geste, die ich mir nur so deuten konnte: »Ein dummer -Junge, nicht wahr?« Darauf hatte sie plötzlich, als sie von ihrem Stuhl -aufstand, ernste und unbewegliche Züge. Die strengen Linien ihrer -goldfarbenen Augenbrauen und Wimpern, der kunstvolle geschlossene Aufbau -ihres kastanienbraunen Haares beherrschten mit einem Male das Antlitz. -Die herabhängenden Arme waren eng an das Kleid gehalten und die Hände -lagen wie erstarrt in den Falten. - -Wolfgang Seyderhelm trat auf mich zu und bot mir sehr herzlich die Hand. -Ich bemerkte, daß er enganliegende graue Hosen trug, Lackstiefel, ein -Jackett, ähnlich wie es die englischen Midshipmen zu tragen pflegen, und -einen umgebogenen Kragen, der seinen braunen Hals freiließ. Er schien -stolz und glücklich zu sein und hatte das Aussehen und Betragen eines -jungen Engländers und Weltmannes. - -»Hast du dich mit deiner Tischnachbarin unterhalten?« fragte er. - -»Du meinst, mit deiner Mutter?« - -»Nein, ich meine mit dieser jungen Dame dort.« - -Er zeigte in den Salon. - -»Kaum. -- Wie heißt sie?« - -»Nina.« - -Ich mußte plötzlich an die Schneeberge und Weintrauben Kaukasiens -denken, an die reine Stirne und den unvergleichlichen Gang der -Kosakenmädchen. - -»Was ist's mit ihr?« fragte ich. - -»Sie ist Schauspielerin am Stadttheater. Eine Protegé meiner Mutter.« - -»Wie alt?« - -»Achtzehn.« - -Ich sah, daß man im Speisezimmer die Stühle an die Wand schob und den -Teppich aufrollte. Ich blickte zerstreut an den Gobelins hinauf, deren -streitende Helden sich in übermenschlichen Triumphen und Schmerzen -gegenüberstanden. Wolfgang sprach noch, aber ich verstand nicht, was er -eigentlich sagte. So, so ... so ... sie hieß Nina, ... welch ein süßer -Gleichklang in ihrem Namen, ... welch ein Duft von ihrem Haar, ... ich -begann Kopfschmerzen zu bekommen, ... wie zärtlich Wolfgang zu ihr -hinblickte ... - -»Du liebst sie ja!« sagte ich laut und wußte nicht, ob ich wirklich -gesprochen hatte. - -Wolfgangs Antlitz sah plötzlich aus wie überströmt von Blut. - -»Was sagst du?« - -Frau Seyderhelm stand neben uns und unterhielt sich mit dem geistlichen -Herrn. Frau Seyderhelm stand sehr gerade da, sprach achtungsvoll, mit -verbindlich zur Seite geneigtem Haupt, gebrauchte sehr oft die Anrede: -Herr Pastor und hatte zu gleicher Zeit ein etwas mitleidiges Lächeln um -den Mund, da der geistliche Herr verlegen war und nicht ganz -ungezwungene Bewegungen zeigte. - -»Und morgen gehen Sie auf ihr Rittergut, meine liebe gnädige Frau?« -fragte der geistliche Herr. - -»Ja, stellen Sie sich vor, Herr Pastor, -- dieser Trubel! Alle Koffer -sind schon gepackt ... es ist ja immer wie ein Umzug! ... Aber Wolfgang -tut das Landleben so wohl ...!« - -Frau Seyderhelm strich mit der Hand über ihr schwarzes Haar. - -»Nina geht diesmal auch mit,« sagte sie, lächelte dem Pastor sehr -liebenswürdig zu und schritt ins Nebenzimmer. - -»Wie schön von dir, daß du mich eingeladen hast,« sagte ich zu Wolfgang, -wurde ganz heiß vor Begeisterung und ging weg. - -Eine Dame mit einem ungeheuren Hut betrat den Empfangsraum, ruderte -durch die Luft auf Frau Seyderhelm zu, erfüllte das Gemach mit ihren -Begrüßungen, ihren schnellen Handbewegungen, ihrer Rührung über die -frohe Schar, legte die Arme auf Frau Seyderhelms Schultern, küßte ihr -jede Wange und sagte oftmals: »Meine liebe Lina.« Sie wurde von den -Jungen mit ehrfürchtigen und ungeschickten Verbeugungen gegrüßt, von -Wolfgang empfing sie einen Handkuß und von zwei Mädchen, vermutlich -ihren Töchtern, sehr rasche und oberflächliche Umarmungen. - -Ein junger Herr, ein Student, wie man annehmen durfte, ging quer durch -den Raum, trug mit steifem Arm die Öffnung seines Zylinderhutes nach -Außen in der mit braunem Glacé bekleideten Hand, erschreckte jedermann -durch seine ruckartigen Verbeugungen, saß kurze Zeit darauf von einer -lauten Gesellschaft umgeben an einem Tisch und versuchte sich in einem -Kunststück mit zwei Gläsern, einer Teetasse und einem silbernen Löffel. - - * * * * * - -Eine Dame in einem schwarzen, bis an den Hals geschlossenen Kleide, die -blaß und hübsch war und hungrige graue Augen hatte, wahrscheinlich die -Gesellschaftsdame irgend eines der jungen Mädchen, ließ sich am Flügel -nieder und begann einen Walzer zu spielen. Die Mädchen bekamen rote -Köpfe und setzten sich ziemlich nervös auf die Stühle an der Wand. Die -Knaben standen in den Türrahmen, ordneten ihre Krawatten, ihre -Schuhbänder, ihre Frisuren und bemühten sich sorglos auszusehen. - -Irgendeiner von ihnen, ein kecker Bursche, der den Teufel nach Rotwerden -und Schüchternsein fragte, forderte als erster eines der Mädchen auf. -Andere folgten. Wolfgang trat von irgendwoher auf Nina zu, lächelte, -ohne sich zu verbeugen, und zog sie mit sich fort. Die Jungen tanzten -mit vielen Sprüngen und Witzen, schlugen die Beine nach hinten aus, so -daß man ihre Stiefelsohlen zu sehen bekam, und hielten ihre Tänzerinnen -mit steifen Armen, da sie die Berührung des Fleisches fürchteten. Die -Mädchen bewegten sich ruhiger und hatten versonnene Augen und ein -süßliches Lächeln auf den Lippen. Wolfgang und Nina sahen jugendlich und -glücklich aus; sie schienen schon oft miteinander getanzt zu haben, und -waren ihrer Bewegungen sicher. Nina neigte ihr Haupt ein wenig zu Boden, -was ihrem schlanken, hochgestellten Körper etwas Verträumtes und -zugleich Preziöses gab. - -Es war recht heiß. Ich fühlte mich elend und doch glücklich und trank -sehr viel Limonade. Frau Seyderhelm stand mit einem Male vor mir, wie -stets sehr gerade und beinah mädchenhaft schlank, die edlen Hände über -der Gürtelschnalle gekreuzt, mit heiteren Augen und reiner Stirn. Sie -nannte mich oftmals »mein lieber Herr Regnitz« und blickte, da ich -verwirrte Antworten gab, mütterlich lächelnd über die froh sich -bewegenden Kinder hin. - -Der Student tanzte jetzt mit Nina, nannte sie »mein gnädigstes Fräulein« -und benahm sich in jeder Beziehung wie ein Student, der zu einer -Backfischgesellschaft geladen ist und dort mit der einzigen erwachsenen -jungen Dame tanzt. Sein Zylinder stand irgendwo in der Ecke auf einem -Stuhl und schwankte grinsend hin und her. - -Der geistliche Herr erzählte der Dame mit dem großen Hut, daß Ihre -Hoheit Prinzessin Clementine am vorigen Sonntag in der Kirche sehr blaß -ausgesehen habe und augenscheinlich an Kopfschmerzen leide; welche -Bemerkung seine Dame mit einem kurzen, nervösen Gähnen, einem verlegenen -Hinunterschlucken und einem ehrfurchtsvollen »Gewiß, Herr Pastor« -erwiderte. - -Irgendein Mädchen, ein braves Kind mit dickem lustigen Gesicht und roten -Händen forderte mich auf, mit ihr zu tanzen; ich lehnte mit strenger -Stirne und finsteren Blicken ab. Sie schüttelte den Kopf, lachte leis, -so daß sich ihre Nase in viele Falten zog, sagte: »Nein, so etwas!« und -verschwand mit einem andern, wobei sie den Hals ihres Tänzers mit den -Armen umschloß und die guten dicken Finger auf seinem Nacken faltete. - -Wolfgang bat die Dame mit dem großen Hut und den exzentrischen -Bewegungen um einen Tanz. Die Dame sträubte sich ein wenig, sprach sehr -viel von ihrem Alter und vom Muttersein in die leere Luft und sagte -endlich zu. Man klatschte im Takt zu ihrem Tanze und bereitete sich -alsdann zur Quadrille vor. - -Ich begann mich mit irgend jemandem über unsere Lehrer zu unterhalten; -ich war witzig, der Bengel lachte und verbeugte sich darauf vor mir. - -Wolfgang trat auf mich zu. - -»Du tanzt nicht?« - -»Nein. Danke.« - -»Nie?« - -»O doch.« - -»Magst du heute nicht?« - -»Nein. Danke.« - -Nina stand neben ihm. - -Sie sah mich neugierig an. - -»Sie tanzen nicht?« - -»Nein, heute nicht.« - -Ninas Augen waren stetig auf mich gerichtet. Ich betrachtete das -kastanienbraune Haar und bemerkte, daß es im Schein der kristallenen -Lustres leuchtete. - -»Sie werden jetzt mit mir Quadrille tanzen. Warum stehen Sie immer an -der Wand? Das schickt sich doch nicht für einen jungen Herren von Ihren -Qualitäten!« - -»Wollen Sie sich bitte nicht um mich bekümmern, wie?« - -Wolfgang bekam große Augen. - -»Aber Regnitz, bitte, was ist denn --?« - -Nina lachte herzlich, zeigte ihre weißen Zähne, legte die elfenbeinerne -Hand auf Wolfgangs Arm und sagte: - -»Du, der ist aber grob!« - -Darauf wandte sie sich mir zu, machte ein hochmütiges Gesicht, senkte -die Lider, so daß es aussah, als ob sie schliefe, und sagte in einem -näselnden Ton: - -»Also bitte, -- wollen Sie jetzt meinen Arm nehmen?« - -Ich fühlte eine Schwäche in den Gliedern, während ich den rechten Arm -bog. - -»O, das ist nett!« sagte Wolfgang mit seinem liebenswürdigen Lächeln. -»Wir werden in einem Karree tanzen.« - -Wir gingen in den Saal. - -Der Student stürzte auf Nina zu. - -»Aber, gnädigstes Fräulein haben _mir_ ja ... das heißt, wenn Sie -vorziehen ...« - -Er schwitzte und verbeugte sich. Ich bemerkte, daß er nach Mediziner im -zweiten Semester roch. - -»Ach, Herr Doktor, ... ich hatte schon Herrn Regnitz vorher versprochen, -die Quadrille mit ihm zu tanzen. Verzeihen Sie.« - -Wir gingen weiter. Der Student war von diesem Augenblick an in jeder -Beziehung erledigt. Er war fertig, hingerichtet, gleichsam mausetot ... - -Die Dame am Klavier mit den hungrigen Augen spielte die Aufforderung zur -Quadrille. Das Karree bildete sich. Ich steckte eine Hand in die -Hosentasche und machte ein gleichgültiges Gesicht. - -»Entschuldigen Sie,« sagte ich. - -»Bitte?« - -Nina begann sich mit dem Geistlichen zu unterhalten, der plötzlich neben -ihr stand. Sie schauspielerte Ehrfurcht und war sehr schüchtern. Ich -wurde rot. Sie wandte sich um: - -»Was sagten Sie eben?« - -»Vielleicht hören Sie zu, wenn ich mit Ihnen spreche!« - -»Sie sind manierlos.« - -»Ich bat um Entschuldigung wegen vorhin.« - -»Sie können gleich um Entschuldigung bitten >wegen jetzt<.« - -Ich schwieg. Mein Gott, warum war ich nur so ungezogen! Ein weinerliches -Etwas stieg in meine Nase empor. - -Wolfgang trat uns gegenüber und sprach mit seiner Cousine, einem -schüchternen Mädchen von außergewöhnlicher Schönheit. Er winkte uns mit -der Hand zu. - -Die Quadrille begann. - -Nina verbeugte sich tief vor ihrem Nachbarn, darauf vor mir. Ihre Lider -bedeckten wiederum die Augen, die langen Wimpern berührten die roten und -weißen Wangen, das feurige Haar warf seinen Duft zu mir, die -elfenbeinernen Hände lagen wie unbeseelt in den Falten des blitzenden -Kleides. Sie war im Augenblick, da sie sich neigte, ein Götterbild, das -in Betrachtung zum Buddha versunken ist, eine indische Statue aus -farbigem Stein ... Ich beugte mich noch tiefer, sah ihre blauen schmalen -Schuhe und dachte: Süße Nina, süße Nina. - -Ich gab fleißig acht und tanzte gut. Ich tat keine überflüssige Geste -und bewegte mich ruhig. Von Zeit zu Zeit sagte Nina: - -»_Visite à gauche!_« oder »Jetzt dort!« oder »Passen Sie auf, Sie können -nur grob sein!« Aber sie schien zufrieden. - -»Es geht ja ganz gut,« bemerkte sie einmal. - -»Gewiß,« erwiderte ich stolz. - -Ich sah, daß Nina und Wolfgang sich beim _moulinet des dames_ -zulächelten, sobald sie sich trafen. Wolfgang sprach viel zu uns hin und -unterhielt das ganze Karree. Er hatte das Aussehen eines vornehmen -Pagen, der bei Hof die Schleppe der Königin hält. - -Mich überfluteten, sobald ich Nina die Hand reichen mußte, Ströme von -Zärtlichkeit und Anbetung. Ich beobachtete, daß ihr Fuß beim Auftreten -die Form nicht veränderte. Ich liebte sie, -- o mein Gott, _wie_ ich sie -liebte! Ich begann zu fiebern und wurde von Angst ergriffen. Ich dachte -daran, daß ich heute abend allein in meinem Zimmer sein würde. Irgend -etwas müßte bis dahin geschehen, irgend etwas, das mich mit einem -unerhörten Glück erfüllte, ein Blick von ihr, ein Wort, ein Kuß ... - -»Sie sind unaufmerksam. Passen Sie auf -- _vis-à-vis_!« - -Ich sah einem blonden Mädchen in die Augen, verbeugte mich und trat mit -Nina zurück. - -»Was spielen Sie?« - -»Wie?« - -Wir wurden getrennt. - -»Ich meine, was Sie im Theater spielen?« - -Ich tanzte an drei jungen Mädchen vorbei, gab einer jeden die Hand und -verbeugte mich wieder vor Nina. - -»Hebbels Clara.« - -»Ah ...« - -Ich kannte Hebbel. - -Ich verbeugte mich vor Wolfgangs Tänzerin. - -Dann stand ich wieder vor Nina. - -»Kennen Sie Maria Magdalena?« fragte Nina. - -»Ja.« - -Ich ging mit den drei Herren _en avant_ und verneigte mich vor Nina. - -»Sie sollten lieber Ihre Schulaufgaben machen.« - -Ich begann zu lachen, wie verrückt zu lachen, zog das Tuch hervor, bekam -Tränen in die Augen, fand mich albern, mußte aus der Reihe treten und -störte den ganzen Tanz. Nina hob die Lider, und es war, als ginge der -Vorhang im Theater auf. - -»Was haben Sie?« - -Ich begann zu beben und zu frieren, meine Zähne schlugen aneinander, ich -hatte das Gefühl, daß ich totenblaß sei. - -»Sie sind herrlich!« sagte ich. - -Ich wußte nicht mehr, was ich sprach. Ich hatte Fieber, nichts als -Fieber, und Angst vor meinem einsamen Zimmer ... - -Die Reihen ordneten sich wieder, man lachte, ärgerte sich und tanzte -weiter. Die letzten Takte spielte die Dame am Klavier in rasendem Tempo. -Man fand sich nicht mehr zurecht, und alles verwirrte sich. Ich lief -umher, fühlte Schauer in meinem Körper und hatte das Bedürfnis, etwas zu -zerbrechen. Der Quadrillenwalzer ertönte, man schloß sich in die Arme. -Ich verbeugte mich vor Nina, aber sie dankte. - -Ich führte sie aus dem Saal hinaus. Darauf ward es dunkel vor meinen -Augen. Ich wurde schwindlig und hielt mich an einem Türpfosten. Mit -einem Male war ein Bild vor mir: die Mittagssonne über einer -teppichfarbenen Landschaft des mittleren Deutschlands, der Duft von Korn -und gemähten Wiesen, und blaue Berge in der Ferne. - -Nina lachte, ein singendes, verstehendes, unendlich grausames und süßes -Lachen: - -»Sie taumeln, Herr Regnitz! -- Ist Ihnen schlecht?« - -»Nina, ich liebe Sie.« - -Ich sah sie an, -- sie, dieses indische Götterbild mit den gesenkten, -zur Betrachtung geneigten Augen, mit der unvergleichlich bleichen und -edlen Stirne, mit den elfenbeinernen Händen und dem farbigen, wie von -Edelstein und Gold blitzendem Gewande, sah diese Lippen aufeinander -gepreßt, süß und streng, -- bereit, Worte zu sprechen, die den Gläubigen -vernichten oder aufheben: - -»Sie sind verrückt.« - -Sie ging fort, mit elastischem stolzem Schritt, wandte plötzlich den -Kopf um, zeigte mir ein entzückend frisches und amüsiertes -Mädchengesicht, lachte, lachte eine Reihe makelloser Töne, zog eine -kleine goldene Uhr aus dem Gürtel, ließ den Deckel aufspringen und -sagte: - -»Es ist übrigens schnell gegangen. Sie sind um fünf Uhr gekommen; jetzt -ist es vier Minuten vor sechs.« - -Aus der Ferne, aus einer Schar lärmender Menschen heraus hörte ich sie -noch einmal lachen ... - -Wolfgang trat schnell auf mich zu. - -»Ist dir etwas? Du siehst nicht wohl aus. Willst du den Wagen haben?« - -Ich sah mich um und lächelte matt. - -»Lieber, welch ein Gefühl!« - -Ich gab ihm wie im Traum die Hand. - -Plötzlich ermannte ich mich, stürmte hinaus, ohne Gruß, ohne Blick, riß -den Hut im Korridor vom Riegel und erreichte den Park. Ich lief wie -gejagt durch die Straßen und hielt mich endlich an einem Gitter fest. -Atemlos, die Brust erfüllt von einem qualvollen Glück, begann ich wie -ein Kind zu schluchzen, wie ein kleines, ungezogenes Kind. - - - - - 6 - - -Am nächsten Tage wachte ich um fünf Uhr morgens auf. Ich lief im Hemd -ans Fenster. Die Straßen waren leer, aber auf den Dächern lag warmes -Morgenlicht und in den Bäumen am Rande des Bürgersteiges zwitscherten -die Spatzen. - -O mein Gott, welch ein Gedanke, ich hatte Ferien, ich hatte fünf Wochen -Ferien! - -Ich eilte in das Badezimmer und öffnete dort die Brause. Da fiel mir -mitten im kalten Wasser etwas ein ... Was war denn gestern geschehen? -... War nicht gestern etwas Besonderes vorgefallen? ... Ich war auf -einer Gesellschaft gewesen ... bei Wolfgang Seyderhelm, ... dort befand -sich eine junge Dame ... mit goldfarbenen Augen und feurigem Haar ... -eine Art Gottheit ... ein Backfisch ... Wie hieß doch gleich diese Dame? -... Nun, wir wollen keine Komödie spielen, wir wissen sehr gut, wie -diese Dame hieß ... Nina, ... jawohl, Nina hieß sie, ... und dann war -ich aus der Gesellschaft weggelaufen ... und hatte mich blamiert, ... O -weh! o weh! - -Verwirrt streckte ich die Arme nach dem Kelch der Brause aus, ließ mir -das Wasser ins Gesicht laufen und rief beglückt in das Geplätscher -hinein: Süße Nina, süße Nina. - -Ich sprang in das Badetuch und zog mich an. Ich sah das Sonnenlicht sich -langsam über die Häuser senken. Hallo, war ich nicht jung? Meine Heimat, --- ach, meine Heimat war überall da, wo es warme Landstraßen gab mit -schönem weißem Staub, Kirschbäume, schwere Kornfelder. Nina, -- ach, -Nina war irgend eine junge Dame, ein Spuk, ein Ding ohne Zusammenhang -mit meinem Leben ... - -Ich nahm meinen Ranzen, stopfte Hemden, Strümpfe, die »Versuchung des -Pescara«, Taschentücher, zwei alte Brötchen hinein und lief die Treppe -hinunter. - -Noch waren die Straßen leer. Hier und da zeigte sich ein verschlafen -aussehender Bäckergeselle mit listigem Gesicht, ein mürrischer Arbeiter -auf dem Rad, ein von der Nachtkälte durchfrorener Polizist, sonst -niemand. In den einsamen Gassen hörte ich nur den Klang meiner Schritte -und meines Stockes. - -Bald hatte ich die letzten Häuser erreicht und sah meine Felder sich im -Sommermorgenlicht ausbreiten. - -Ich ging mit leichtem Fuß und leichtem Herzen die Landstraße hinunter. -Es kamen Bauernwagen, die zum Markte in die Stadt fuhren, und neben den -Kutschern saßen eifrig bellende Hunde, es kamen ganz, ganz kleine -Mädchen, die sich an der Hand hielten und mit putziger Eilfertigkeit in -ihre Schule trabten; eine Bäuerin tauchte auf, trug einen Korb mit Eiern -auf dem Kopf und sah wie eine Bäuerin aus dem Bilderbuche aus; darauf -eine Horde Jungens, die alle ohne Ausnahme nackte Füße und geflickte -Hosen hatten, und endlich auch ein Mann mit einer Kuh und einem -Hündchen. - -Schon war ich im ersten Dorf. Dort war bereits jedermann auf den Beinen. -Ein Fuhrmann kam mit der Peitsche in der Hand aus der Schenke, wischte -sich den Bart und kletterte mit vielen unverständlichen Worten auf den -Bock; ein schlanker Terrier lief bellend auf mich zu, -- als ich ihm ein -Stück meines Brots zeigte, sprang er an mir hoch; ein Kind lachte -irgendwo, und ich wanderte weiter. - -Die Sonne stieg. Mir zur Seite erschienen Dörfer mit Kirchtürmen und -leuchtend weißen Grabsteinen und verschwanden hinter teppichweichen -Hügeln. - -In einem schönen Kirchdorfe machte ich Halt. Ich ging zu einem Bäcker, -der am Laden eine eiserne Brezel hatte, und kaufte mir Brot und Kuchen. - -»Wohin geht's, junger Herr?« - -»Nach Fürstenau und immer weiter.« - -»Und immer weiter -- das ist ein gutes Stück Wegs. Na, wenn man junge -Beine hat!« - -Ich errötete, ich weiß nicht, warum, bezahlte, schüttelte ihm die Hand, -sprang an den Brunnen, trank mit Begierde das kräftigschmeckende Wasser -und marschierte weiter. - -Es wurde heiß. Ich schlief einige Stunden im Schatten eines Baumes und -wanderte dann in den schönen Nachmittag hinein. Über das weite hügelige -Land glitten zeitweis tiefe und schnelle Wolkenschatten. Ein ganz -leichter Wind erhob sich und kühlte mich wunderbar. Mir war, als trügen -mich die Lüfte des Nachmittags über abwechselnd beglänzte und -beschattete Gefilde. Lag ich nicht auf einer weichen Wolke und trug mich -diese Wolke nicht in entferntere und schönere Gebiete? - -Kurz nachdem die Sonne hinter einem Hügel entschwunden war und mit einem -Mal die des Sonnenantlitzes beraubte Landschaft wie in einem ungeheueren -Schrecken zu erbleichen, ja zu sterben schien, erblickte ich, der ich -auf einem Berge stand, zu meinen Füßen eine Stadt. Ein alter Turm ragte -in die starr-silberne Luft hinein, und seine Wächter schienen -silbergraue Vögel, die mit bösem, hastigem Flügelschlage ihn umkreisten. -Flache Hügel umgaben die Stadt, niedere Weinberge, die ein bescheidenes -Landgetränk erzeugten; mitten unter den Reben lag der umgitterte -Friedhof. Meinem Auge gegenüber wandte sich die Straße, die Stadt -verlassend, nach Westen, lief an den hellen Bergen entlang und durch -gläserne Wälder, stieg empor in den erblaßten Himmel und verlor sich in -der offenen Landschaft, andere Städte mit neuen Türmen und späterem -Lichte zu erreichen. Zwischen Kornfeldern und gleißenden Wiesen, die der -zweiten Mahd harrten, sah ich Erntewagen der Stadt zustreben. Eine -Glocke läutete, läutete unablässig, und es war, als sei diese Stadt, -diese Höhenzüge, diese silberne Spätnachmittagsluft wie überschwemmt von -schwellenden, sich auflösenden und wieder schwellenden Tönen. - -Ein alter Mann stieg keuchend die Höhe zu mir herauf. Er trug einen -schwarzen, eng anliegenden Taillenrock und eine graue großkarrierte -Hose, die weit über die bestaubten Schuhe fiel. Er schien dem steilen -Weg gram zu sein. - -Ich lüftete den Hut. - -»Ist dies da Fürstenau?« - -Der alte Mann trocknete sich mit einem roten Tuch, einer Art Fahne, die -Stirn. - -»In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so ist es ganz bestimmt -Fürstenau.« - -Er lächelte böse und ging weiter. - ->Welch eine sonderbare Art sich auszudrücken!< dachte ich. >Spricht man -so in unserer Zeit? »In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so -ist es ganz bestimmt Fürstenau.« So spricht man in einem -Shakespeareschen Lustspiel!< - -Ich eilte den Berg hinab und empfand dabei die Freude eines Wanderers, -der von der Höhe das Ziel seines Tages sieht. - -Als ich durch das Tor in die Stadt trat, war mit einem Mal der silberne -Zauber wie zerbrochen, und Abendrot lag auf den Gassen. Hochbepackte -Erntewagen, in der golden durchleuchteten Fülle leise schwankend, fuhren -darüber hin und zeitweis bog einer von ihnen in den Hof ein. Auf den -Pferden saßen hübsche, nacktfüßige Bauernjungen, die mit den Peitschen -knallten, an den Häusern emporsahen und nachlässig zu den offenen -Fenstern hinaufnickten, zu den Mädchen ... - ->War es vor tausend Jahren hier anders?< dachte ich. >Ernte und -Glockengeläut und Menschen? ... Die vor tausend Jahren waren, mich -trennt nur ein weniges von ihnen, nur die Zeit ... Ach, was ist Zeit! -... Ich will hier bleiben! ...< - - * * * * * - -Bald saß ich in einem Garten vor meinem Abendbrot und erfreute mich, -sobald ich den Blick hinwegwandte, an den rosigen Bergen und den tiefer -beleuchteten Gassen. Ein Mädchen mit braunen, zum Kranz geflochtenen -Strähnen schenkte mir den Wein ins Glas und lächelte dazu mit frischem -Munde ... Ein Gedanke kam mir ... fort damit ... Gespenster! ... - -Ich stand alsbald auf, bestellte mir eine Kammer für die Nacht und ging -nachlässig, die Hände in den Hosentaschen, durch die Stadt. Ich wünschte -jedem Mädchen einen guten Abend, und begann mit einigen von ihnen -dadurch ein Gespräch, daß ich mich nach allerhand Dingen erkundigte, die -mir völlig gleichgültig waren, -- wo der Schmied wohne, ob die Heuernte -dieses Jahr gut gewesen sei. Ich war an diesem Abend ziemlich frech ... - -Bei Anbruch der Nacht kehrte ich in mein Gasthaus zurück. Als ich die -Stiege hinaufschritt, die von einem Windlicht schwach erhellt war, -begegnete ich dem Mädchen mit dem Lächeln um die frischen, feuchten -Lippen. Ich gab ihr die Hand, bezahlte gleich, da ich früh am Morgen -aufbrechen wollte, und ging in mein Zimmer. Ich setzte mich auf den Rand -des Bettes und grübelte. Mit einem Male kam eine tiefe Traurigkeit über -mich, ich wußte nicht, woher. Ich trat ans Fensters. Da rauschte unter -mir der tiefe Mühlbach, und über mir spannte sich der Sommerhimmel voll -von Sternen. Noch hörte ich zwei Männer irgendwo miteinander sprechen, -noch hörte ich eine Tür im Haus und einen späten Wagen auf der Gasse, -dann ward es still um mich. - -In dieser Stille breitete die Liebe ihre Flügel aus. Sie drückte mich an -ihre Brust. Ich taumelte und fühlte einen Schmerz wie nie zuvor. - - * * * * * - -Ich weiß nicht recht, wie alles gewesen war. Ich weiß nur, daß ich -plötzlich an Nina dachte, die ich den ganzen Tag vergessen hatte. Ich -sah sie vor mir, sah ihr Haar, ihre Augen, ihren Gang, ihre Hände, sah -sie tanzen, mit Wolfgang Seyderhelm tanzen, ... ich hatte Angst, ... das -Zimmer war so eng und heiß, ... tödliche Angst ... Ich nahm Stock, Hut -und Ranzen und stürzte hinaus in die dunkle Luft. Die Haustür war noch -offen. Ein Hund knurrte leise, aber ich entlief ihm schnell. Ich rannte -durch die Gassen, durch das Stadttor, die Straße entlang, dann einen -Seitenweg, durch Gebüsch, einen Hügel hinauf, ... ich keuchte sehr, ... -ich fiel zu Boden und blieb liegen. - -... Ich war müde und gehetzt, ich war so müde! Ich fühlte meine Jugend -von mir gleiten und hatte qualvolle Träume. Ich weiß noch, daß ich -einmal im Halbschlaf emporfuhr: da lag unter mir die Stadt und das -dunkle Land, der Mühlbach leuchtete hier und dort im Mondlicht auf, ... -um meinen Hügel ging ein leichter Wind, ... ich sank zurück ... in Traum -und Schlummer. Aber schlummernd sah ich immer wieder das dunkle Land mit -der Stadt, die silbernen Stücke des Baches, ... Sterne, viel Sterne ... -und Nina ... - - - - - 7 - - -Ich bin noch einige Tage so gewandert, aber ich wurde nicht mehr -fröhlich. Ein Sonntag kam, ich sah die Bauern zur Kirche gehen, trat mit -ihnen ein und hörte die Predigt, ich sah die Burschen und Mädchen -hernach in ihren übermütigen Tänzen und empfand am Abend auf der Straße -die feierliche Stille des scheidenden Sonntages. Aber das alles freute -mich nicht. Der verworrene Geist war von der Liebesleidenschaft erfaßt -und kannte nur noch Trauer, Eifersucht, Haß und Träumerei. Ich wollte -nicht mehr an Nina und Wolfgang denken, ich wollte nie mehr an sie -denken. Ich sagte mir Gedichte auf, hielt als ein Prinz vor der -Versammlung von Fürsten eine verwegene Rede, dichtete eine Ode an den -Kaiser, -- aber selbst das erhabene Gewand der Majestät verwandelte sich -mir bald, ward ein blitzendes, hellblaues ... mit Schokoladenflecken ... - -Am vierten Abend meiner Wanderung zog ich mutloser denn je meine Straße -entlang. Ich wollte an diesem Tage noch eine größere Stadt erreichen, -dort einige Zeit verweilen, um dann dem nahen Gebirge zuzueilen. Aber -irgend ein schöner Baum oder ein sehnsüchtig winkender Kirchturm hätte -genügt, mich von meinem Wege abzulenken. Wer in der Welt fragte danach, -ob ich einen Nachmittag unter schattigem Gesträuch verträumte und den -»Pescara« las oder irgendwo auf staubbedecktem Wege schritt? - -Ich blieb vor einem Weiser stehen, der mir zur Seite in das offene Land -hindeutete. Da war geschrieben: Nach Strelow 3 km, nach Wiesenau 4,5 km. -Ich las die Worte gedankenlos. Irgend etwas lockte mich, von meiner -Straße abzubiegen. Was aber war es? Strelow? Ich hatte diesen Namen nie -gehört. Wiesenau? Ich hatte diesen Namen nie ... Wie? ... Eine -Erinnerung ... Wiesenau ... Wiesenau ... da war schon wieder alles -entwichen ... ich schüttelte den Kopf. Wohl zwanzigmal sprach ich nun -das Wort Wiesenau aus, in der Hoffnung, die Erinnerung möchte mich noch -einmal erleuchten. Doch jede Mühe war vergebens: es war ein totes Wort. - -Schon war ich in die neue Landschaft eingebogen. Es hatte wohl die -Wochen vorher geregnet, denn überall standen kleine schwarze Teiche, aus -denen einzelne Bäume, Fichten und Birken, hervortauchten. Endlos -langgezogene violette Abendwolken spiegelten sich in diesen Teichen und -gaben ihnen von ihrer Farbe. Soweit mein Blick reichte, sah ich nichts -anderes als bunte, prächtige Wiesen mit großen Blumen und die schwarzen -und violetten Teiche, aus denen einsame Bäume hervorwuchsen. Krähen -flogen zuweilen schreiend darüber hin, um noch vor Nacht die fernen -Wälder zu erreichen. - -Als ich durch Strelow kam, läutete die Glocke den Abend ein. Ich blickte -durch ein Fenster; ein alter Bauer saß da, hatte die Brille auf der -Nasenspitze und las in einer Zeitung. Eine Frau trug eine Bank in ihr -Haus. Der Pfarrer ging durch den Ort und ward von allen gegrüßt; auch -ich grüßte. Ein Trupp Jungens lief zu Gott weiß welchem Abendstreifzug -... - -In einigen Zimmern brannte ein Licht. Sollte ich hier rasten? Es begann -zu dunkeln. Draußen konnte ich nicht gut schlafen, der Boden schien -feucht, auch war es ein wenig kühl. Aber die Lichter in den Häusern -machten mich traurig, und ich fühlte, daß mich im Zimmer wieder meine -Angst ergreifen würde. - -Ich eilte zum Dorf hinaus. Allein bei den letzten Häusern blieb ich -beklommen stehen: über die Landschaft hatte sich die Dämmerung gesenkt -und mit tiefem, dunklem Blau die gespenstischen Bäume, das -Weidengesträuch an den blinkenden Teichen und die Getreidefelder -umhüllt; von oben leuchteten durch blaues Licht einige Sterne; nichts -unterbrach die Stille als das trostlose Quaken der Frösche und das -Flüstern des Kornes, wenn der Wind darin rauschte. - -Ich ging durch die Dämmerung und fühlte mich liebevoll von der Straße -fortgelockt, umsponnen mit einem blauen Netz. Ein Traum von großer -Innigkeit berührte mich, mir war, als sei er alt und von jedermann zu -irgendeiner Zeit geträumt. Um meine Augen legte sich ein Flor, meine -Füße strauchelten oft ... - ->Könnt' ich doch viele Stunden dieses blaue Licht durchschreiten! Wenn -nur die Füße nicht ermüden wollten ...!< - -Aber ach, schon winkten ja am Wegesrand nächtliche Kastanien zu -Schlummer und Traum! ... Ein Park begann, umgittert, ... eine Allee ... -Und hier, -- waren hier nicht bronzene Löwen, die in dreifach geteilte -Becken silbernes Wasser spieen? War es nicht einschläfernd und süß? - -Wie, stand dort nicht ein Haus vor mir, ein Schloß, mit einer -erleuchteten Altane und bläulich schimmernden Stufen? - -Bin ich nicht neugierig herangeschlichen, ... leise, ... ganz leise, ... -und sah ich dort nicht all die Menschen, die ich liebte? ... Die Mutter -... mit dem Sohn ... und meine schöne Freundin Nina? - - - - - 8 - - -Mit pochendem Herzen und heißen Wangen stand ich im Dunkeln und blickte -auf die Veranda. Nina arbeitete an einer festgespannten Stickerei und -sprach dabei mit Wolfgang, der die Hände um ein Knie geschlungen hatte, -eine Zigarette rauchte und zeitweise aus einem Glase trank. Frau -Seyderhelm schrieb einen Brief. Manchmal hob sie den Kopf und warf -einige Worte in die Unterhaltung der beiden ein. Ich konnte nicht -verstehen, was gesprochen wurde. - -Ich sah Ninas Profil und ihre Hände. Wie zart sie war! Ja, war sie nicht -anbetungswürdig? Süße Nina! ... Ich machte eine Bewegung. - -Da rief Nina laut: - -»Wolfgang, ich bitte dich, -- draußen steht jemand.« - -Ich hielt den Atem an. - ->Wenn ich hier entdeckt werde, ersteche ich mich.< - -Wolfgang beugte sich hinaus und rief: - -»Es ist niemand hier ... Du bist recht schreckhaft!« - -O -- gerettet! - -Frau Seyderhelm hatte ihren Brief beendet, man plauderte angeregt. Ich -sah, wie die Mutter einmal ihrem Sohne lächelnd mit dem Finger drohte. -Nach einer Weile legte Nina ihren Stickrahmen fort, packte ihre -Nähsachen in einen Pompadour und stand auf. Sie gab erst Frau Seyderhelm -die Hand, dann wechselte sie einige Worte mit Wolfgang, -- sie schienen -etwas zu verabreden, -- ließ ihre Hände auf seinen Schultern ruhen, gab -ihm einen leichten Backenstreich und trat in die Zimmer hinein. Wolfgang -küßte seine Mutter, die ihm über das Haar strich; mir war, als sprächen -sie von Nina, denn sie sahen nach der Türe; dann gingen beide hinaus. -- -Eine Magd erschien einige Augenblicke später auf der Veranda, räumte die -Sachen auf, zog die Markise in die Höhe und stellte die Gartenmöbel zur -Seite. Sie nahm die Lampe und verschwand. - -Alles war finster um mich herum. Oben im Schloß sah ich mehrere -erleuchtete Fenster. Ich hörte zuweilen Schritte, dann wurde alles -still. - -Langsam löste ich mich aus meiner Erstarrung und ging durch den Park. -Ich empfand nicht viel: ein wenig Erstaunen, ein wenig Schmerz, ein -wenig Müdigkeit und ein wenig Glück ... Ich wollte weiter wandern. Was -sollte ich hier? Niemand würde mir glauben, daß ich zufällig hierher -gekommen sei, ... aber da hörte ich wieder die süße, einschläfernde -Melodie der plätschernden Brunnen. Gedankenlos legte ich mich nieder, zu -Füßen eines bronzenen Löwen. Ich faltete die Hände hinter dem Kopf und -blickte in den Himmel, wo die Milchstraße ihren Triumphbogen über das -Firmament spannte. Ich fühlte, daß der Schlaf mich übermannen würde, und -wollte doch wachen und nachdenken. Ich ward traurig und erinnerte mich -der Worte des Herrn: »Könnet ihr denn nicht Eine Stunde mit mir wachen?« --- Noch einmal sah ich zu den erleuchteten Fenstern im Schloß, dann fiel -ich in Traum. Schlafend spürte ich die Kälte der Nacht und zog mein Cape -eng um mich. Und in meinen Traum drang immer wieder das Plätschern des -Wassers, ... das Plätschern des Wassers. - - - - - 9 - - -Es mochte gegen fünf Uhr morgens sein, als ich erwachte. Mein erster -Blick galt dem Schloß vor mir, in dessen Fensterscheiben die Morgensonne -purpurrot leuchtete. Ich sprang empor; mein Gesicht und meine Kleider -waren naß vom Tau. Ich machte einige Bewegungen mit den Armen und -stampfte mit den Füßen, denn meine Glieder waren wie erstarrt. Dann -wusch ich mich in einem der bronzenem Becken und klopfte die Kleider ab. -Nur weiter, immer weiter, fort von hier ... - -Als ich bereit war zu marschieren, lehnte ich mich an einen Baum; ich -wollte noch einmal mit einem langen Blick dieses geliebte Schloß -umfangen. - -Da ... was war das? ... Ein Fenster öffnete sich, ... ich trat zurück -... Wolfgang, ... im leichten Morgenkleid. Er beschattete mit der Hand -die Augen, sah zum Himmel und reckte die Arme in die junge Luft hinein. -Dann verschwand er; bald jedoch erschien er wieder, nahm einen Stock und -klopfte leise mit der metallenen Spitze an das benachbarte Fenster. -Lange Stille ... Dann öffnete sich das Fenster ... Nina ... Sie gaben -einander die Hände. Wolfgang setzte sich auf das Fensterbrett und -deutete nach dem Horizont. Nina gähnte ein wenig und beide lachten. - -Da war mir, als müsse ich einen Panzer von meiner Brust reißen. Ich bog -mit beiden Händen die Sträucher auseinander, und meine helltönende -Stimme rief den Aufhorchenden zu: - - »An jedem Morgen, eh des Hahnen Krähn - Die Menschheit weckt, steh ich im tiefen Grunde, - Muß durch die Luft nach Burg und Felsen spähn. - - Noch lieget Dunkelheit auf meinem Tal, - Da gibt von Osten das Gestirn mir Kunde, - Und in dem Fenster oben spielt ein Strahl. - - Es taucht in Licht das trotzige Gestein, - Und wächst und starrt und höhnet meiner Qual, - Bald reckt es in den Himmel sich hinein -- - - Willst du dich heute nicht am Fenster zeigen, - In Morgenklarheit dich vom Traum befrein? - Willst du das Haupt nicht freundlich zu mir neigen? - - Mich tötet dieses dunklen Tales Schweigen.« - -Kaum hatte ich geendigt, als Nina ihrem Freunde mit hochgezogener Stirne -langsam, ja perfide langsam das Antlitz über die Schultern zuwandte und -die beiden Handflächen fragend, chokiert und spöttisch nach außen bog. -Wolfgang aber schien sich nicht darum zu kümmern; er warf das Fenster -heftig zu, ich hörte ihn eine Treppe herunterstürmen, und einen -Augenblick später kam er -- notdürftig mit einem Hemde, einer Hose und -einem Paar Sandalen bekleidet -- durch den Garten auf mich zugelaufen. - -»Walter Regnitz! Lieber Walter Regnitz!« - -Er umarmte mich stürmisch; er war blaß vor Erregung. - -»Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Wir erwarten dich schon seit -drei Tagen!« - -Wie? Man erwartete mich? - -Wir wandten uns zum Schloß. - -»Ich habe eine Fußwanderung gemacht und diese Nacht im Garten -geschlafen.« - -Wolfgang legte erschrocken seine Hand auf meinen Arm. - -»Du hast in unserm Garten geschlafen? Bist du toll?« - -Und dann nach einer Pause, die er mit ratlosen Gebärden ausfüllte: - -»Ja, warum bist du aber nicht ins Haus gekommen?« - -Ich wurde etwas rot. - -»Ja ... weißt du, ... ich kam spät hier an ... und da wollte ich nicht -stören ...« - -Ich grüßte zu Nina hinauf. - -»Ah, sieh da!« rief sie vom Fenster herunter. »Ein Dichter! Ein -Troubadour! Sie verlangen gewiß Ihren Lohn!« - -Sie nahm aus einem Wasserglas helle Rosen und zerblätterte sie mit den -weißen Fingern. Mir fielen diese Blätter auf Kopf, Schultern und Hände, -der ich betroffen, glücklich und verlegen in einem duftenden Blumenregen -stand. - -»Denk' dir, Nina, er hat diese Nacht im Garten geschlafen!« - -Nina lachte, -- ihr singendes, gefährliches und verstehendes Lachen. - -»Sie sind ein echter Minnesänger, Herr Walter von der Regnitz!« rief sie -und warf vier volle weiße Rosen zu mir herab. Ich fing eine von ihnen -auf und führte sie höflich und gefaßt an meine Lippen. - -»Und Sie, gnädiges Fräulein, eine echte Herzenskönigin.« - -Ich hörte noch einmal, wie Nina tief belustigt lachte und darauf das -Fenster schloß. - -Wolfgang zog mich ungeduldig die Stufen zur Veranda hinauf. - - * * * * * - -Wolfgang stand halb angekleidet vor seinem Eimer und putzte sich eifrig -und andauernd die Zähne. - -»Wie findest du sie?« fragte er mich, der ich auf einem Stuhl saß und -ihm zusah. - -»Wen?« - -»Nina.« - -Er nahm einen Schluck Wasser, gurgelte und spuckte kräftig. - -Ich schwieg. - -»Nun?« fragte er. - -»Oh, ganz nett!« sagte ich endlich. - -»Sie ist herrlich!« rief er begeistert und begann von neuem zu gurgeln. - -Plötzlich warf er die Zahnbürste fort, drehte sich schnell um und legte -seine Hände auf meine Schultern. - -»Was hast du neulich gesagt?« fragte er. - -»Ich? Wann?« - -»Neulich, bei unserer Gesellschaft.« - -»Ich habe vermutlich viel gesagt.« - -»Nein, du hast gar nicht viel gesagt. Du lehntest dich an einen -Türpfosten und fragtest mich, wie alt Nina sei. Und plötzlich ...« - -»Nun?« - -»Und plötzlich sagtest du, als ob du geistesabwesend seiest: Du liebst -sie ja!« - -Er wandte sein Gesicht schnell dem Spiegel zu und zog Kamm und Bürste -aus der Lade. - -Ich war erschrocken. - -»Habe ich das wirklich gesagt?« - -Wolfgang beschrieb mit dem Kamm eine weite phantastische Figur und -erklärte begeistert: - -»Du bist ein großer Menschenkenner, Walter! Ich habe sie wirklich sehr -gern ... Hör' mal, wie der Kamm knistert.« - -Und er hielt seinen Kamm dicht an mein Ohr. Ja, wahrhaftig, der Kamm -knisterte. - -Wolfgang war mit seiner Toilette fertig. Er trug ein hellgraues, eng an -den Hüften liegendes Sommerjackett mit schwarzen Kniehosen, dazu schmale -Halbschuhe, ein weißes Sportshemde und eine leichte, seidene Krawatte. -Er sah sehr frisch, sehr jugendlich und sehr vornehm aus. - -Wir gingen durch einige Gemächer und betraten das Speisezimmer. Es fiel -mir auf, daß dieses Schloß mit einer nahezu bäuerischen Freude an bunten -Farben eingerichtet war. - -Ein Diener erschien. Wolfgang bestellte Tee. - -»Du bist hungrig, Walter?« fragte er. - -»O ja!« - -»Also: hier ist Honig, Gelee, Sumpfdotterblumen, Schinken, Brot ... ach -...« - -Er stand plötzlich auf, warf dabei seinen Stuhl hin und umarmte mich -noch einmal: - -»Wie schön, daß du hier bist!« - -Natürlich errötete er, sprang an die Tür und schrie, der Tisch sei -schlecht gedeckt. Der Diener kam und Wolfgang schlug sich an den Kopf. - -»Ich Esel! Willst du ein Beefsteak?« - -»Ein Beefsteak?« - -»Es dauert gar nicht lange. Fritz, wie lange dauert ein Beefsteak?« - -»Eine Viertelstunde«, war die Antwort. - -»Ach, Unsinn«, protestierte ich. »Was soll ich denn jetzt um halb sechs -mit einem Beefsteak?« - -Wolfgang lachte und goß sich ein Glas Fachinger ein. - -»Prost, Walter! Du kennst unsern Stil noch nicht. Wir leben nämlich hier -den Stil englischer Peers. Morgens _you take your steak_,« -- er -bediente sich hierbei einer manirierten Aussprache, -- »mittags hungert -man, das nennt man _luncheon_ und abends ißt man im _dinnerjackett_ -alles das, was man am Mittag versäumt hat. Das hat Nina hier so -eingeführt.« - -Nina, immer Nina! - -Ich fragte unvermittelt: - -»Aus welcher Familie stammt sie eigentlich? Hat sie noch Eltern?« - -Wolfgang warf nachdenklich zwei Stück Zucker in seine Teetasse. - -»Weißt du, bei Nina muß man nicht fragen, woher sie kommt und wohin sie -geht. Nina ist einfach _da_, -- verstehst du? -- einfach _da_.« - -Ich sah Wolfgang aufmerksam an. Schau an, dachte ich, wie klug er ist! -Was er da eben gesagt hatte, war mir nicht fremd. Nina war einfach da, -... sie war eigentlich ... seelenlos. - -»Sie ist eigentlich seelenlos,« sagte ich. - -Wolfgang trank seinen Tee. Er stöhnte einige Male wie ein Kind in die -Tasse hinein, setzte sie dann ab, sprang vom Tische auf und sagte: - -»Jawohl, seelenlos, aber herrlich! -- Bist du fertig?« - -»Ja.« - -»Gut. Wie wäre es, wenn wir jetzt aufs Feld gingen und arbeiteten? Ich -lasse mir nämlich jeden Abend von unserm Inspektor ein Feld anweisen.« - -Ich willigte in diesen Vorschlag ein. Wir zündeten uns jeder eine -Zigarette an und gingen in den Hof. Dort holten wir uns aus einem -Schuppen lange Forken und zogen darauf munter durch den Park. - -Einmal wandte ich mich um und blickte zu Ninas Fenstern hinauf. Sie -waren fest verschlossen und die Vorhänge heruntergelassen. - -»Das gnädige Fräulein pflegt bis neun Uhr zu schlafen,« sagte Wolfgang, -der meinen Blick bemerkt hatte. - -Ich errötete und schwieg. - - * * * * * - -Wir sind auf dem Feld angelangt und ziehen unsere Jacken aus. Die -Kornfelder stehen in der jungen gelbstrahlenden Sonne. Auf den heiteren -grünen Wiesen und Weidegründen grasen die roten und braunen Kühe des -Gutes und senden den Ton von tiefen Glocken durch das flüssige Licht. Am -Horizont suchen auf noch beschattetem Hügel Schafe ihr Futter. Ein -Schäfer mit einem großen Hut steht neben ihnen. Er hält den Hirtenstab -in der ausgestreckten Hand auf die Erde gestützt, als sei er der Wächter -dieses Tales und behüte seine Unschuld. Eine Wolke zieht langsam über -den bleichen westlichen Himmel. - -»So, nun stellen wir hier die Garbenbündel auf,« sagt Wolfgang. »Du bist -ja früher auf dem Land gewesen und weißt, wie man das macht. Immer zu -sechs auf einen Haufen.« - -»Bei uns nahm man acht.« - -»So ... na ja, wir nehmen immer sechs. Weiß der Teufel, warum. Bald -kommen die ersten Leiterwagen vom Gut. Dann gehen wir dort auf das Feld, --- siehst du es? -- und packen das Korn auf. Das macht immer sehr viel -Spaß.« - -Wir arbeiten schweigend und mit gesammeltem Eifer. Die Ähren stechen -unsere Hände wund und ihre Körner rieseln uns in Hemd und Hose. Wolfgang -macht manchmal eine Bewegung, als habe ihm jemand kaltes Wasser in den -Nacken gegossen. - -Später singt er mit klarer Stimme und deutlicher Aussprache einen -altfranzösischen Chanson. Da ist von einem Grafen die Rede, dem es nicht -wohl erging, weil seine Gemahlin der Majestät von Frankreich allzusehr -gefiel. - - * * * * * - -Bald vernehmen wir das Rollen und Klappern von Wagen, die über die -Landstraße zu uns herauffahren. Wir haben unsere Arbeit gerade beendet, -als wir die Rufe der Bauern hören, die mit ermunterndem Einsprechen ihre -Pferde einige schwere Hügel erklimmen lassen. Dann ertönt das Dröhnen -von Wagen, die über eine hölzerne Brücke fahren, und gleich darauf -ziehen sie alle an uns vorbei. In einem der Wagen sind nur Frauen. Sie -haben alle rote Tücher um die Köpfe geschlungen. Jedermann wünscht uns: -»Guten Morgen!« worauf wir beinahe feierlich unsere Mützen lüften und -den Gruß erwidern. In einem Gefährt sitzt ein hübsches junges Mädchen. -Ich nicke ihr zu, worauf sie verlegen zu Boden sieht. Ich bin sehr -stolz, das erreicht zu haben. - -Der letzte Leiterwagen wird von einem Bauernjungen gelenkt, der auf dem -linken Pferde sitzt. Er grüßt uns, wie ein Souverain zu grüßen pflegt. - -»He Hans!« ruft Wolfgang. »Bleib du bei uns!« - -Hans steigt vom Pferd. Wolfgang legt seinen Arm auf die Schultern des -Jungen und führt ihn zu mir heran. Die beiden stehen der Sonne entgegen, -blinzeln, sind wohlgestaltet, blond, und -- seltsam -- sie sehen -einander ähnlich. - -»Ich stelle dir hier meinen Freund Hänschen Kietschmann vor.« - -Der Junge macht eine Verbeugung, eine leichte, weltmännische, garnicht -zu tiefe Verbeugung, und bietet mir die Hand, die ich schüttle. - -Er geht fort, um noch einige Bauern zu holen. Ich sehe ihm nach. Er ist -schlank und groß gewachsen. - -Wolfgang macht ein sonderbares Gesicht und lächelt. - -»Nun?« - -»Wie?« - -»Ist dir etwas ... wie soll ich sagen ... aufgefallen?« - -»Aufgefallen? ... Nein, ... das heißt ...« - -Ich bin mit einem Male verwirrt. - -»Er sieht dir ähnlich.« - -Wolfgang nickt, sieht zum Himmel, zieht die Nase kraus, blinzelt, -schluckt herunter und sagt: - -»Er ist mein Halbbruder.« - -»Wie --?« - -Wolfgang bewegt seine Hand in einer sehr sprechenden, etwas frivolen -Art. - -»Mein Gott, ... wir vergessen, daß unsere Väter auch jung waren ... Mein -Vater lebte hier allein ... na und ... wie das so kommt.« - -Er geht mit graziösem Schritt fort, um die Gabeln vom Graben zu holen. - -Ich schüttle den Kopf, wundere mich und vergesse im nächsten Augenblick -alles. - -Wir arbeiten schweigsam fort. - -Hans Kietschmann steht zusammen mit einem Bauern oben auf dem Wagen und -packt das Korn auf. Neben uns sind Weiber, die von Zeit zu Zeit -miteinander sprechen. Ein leichter, von der aufsteigenden Sonne -gewärmter Wind trägt aus der Richtung der anderen Wagen den Schall von -Reden und Gelächter zu uns herüber. - -Es beginnt allmählich heiß zu werden. Die Augen schmerzen ein wenig; ich -sehe nichts als flimmerndes Gelb. Die Weiber riechen nach Schweiß. Die -Ochsen sind von Fliegen geplagt und schlagen mit den Schwänzen kräftig -umher. Ich fühle mich sehr wohl. Nina ist vergessen, vollkommen -vergessen. Wie süß es ist, daran zu denken, daß ich Nina so völlig -vergessen habe. - -Es schlägt zwölf Uhr, wir hören mit der Feldarbeit auf, trinken Wasser -und ziehen die Jacken an. - -Ich gebe Wolfgang die Hand. - -»Danke für den Vormittag, Wolfgang.« - -Wolfgang lächelt und nimmt meinen Arm. Wir gehen als Freunde zum Schloß. -Wolfgang ist zärtlich und spricht sehr viel. - - - - - 10 - - -Nachdem wir in unsern Zimmern Gesicht und Hände erfrischt hatten, -betraten wir die Veranda, um dort zu lunchen. - -Nina saß am Tisch. Sie schien sich zu langweilen und benahm sich wie ein -kleines Mädchen, das auf seine Mahlzeit wartet. - -Ich betrachtete Nina von der Seite. Sie hatte ein steifes weißes -Kattunkleid an. Ihr Hals und ihre Arme waren nackt. Auf ihrer Brust trug -sie eine Brillantenbrosche, an der linken Hand, der elfenbeinernen mit -den langen schmalen Fingern, leuchteten vier herrliche Saphire von -mildem Blau. Das kastanienbraune Haar war eine Pracht, eine Krone, ein -Akkord von rauschenden, dunklen Tönen. - ->Mein Gott und dennoch, was ist denn Nina? Ein kleines Mädchen, das sich -langweilt! Aber ein Mädchen, das ich liebe? Nun ja, was ist schon dabei? -Viele Jungens lieben viele Mädchen. Da ist gar nichts dabei.< - -Ich fühlte mich Nina überlegen. - -Ich setzte mich an den Frühstückstisch. Obwohl es sehr heiß war, hatte -Nina einen Schnupfen, was mir ganz sonderbar vorkam. - -Sie führte ihr Tuch an den Mund und fragte mit einer Stimme, die heute -noch näselnder klang als sonst: - -»Wo habt ihr denn eigentlich so lange gesteckt?« - -In diesem Augenblicke wurde es mir recht deutlich, daß Nina gar nichts -anderes war als eine große faule schöne Katze. Ich beugte mich spöttisch -vor bis auf die Tischplatte und sagte von unten zu ihr aufblickend: - -»Wir haben gearbeitet, -- und Sie, was haben Sie getan?« - -»Ich habe geschlafen.« - -»Ah, Sie haben geschlafen ...« - -»Jawohl; ich bin nämlich kein Troubadour, der wie ein Hase mit offenen -Augen nachts im Felde schläft.« - -Hier betrat Frau Seyderhelm die Veranda. Sie begrüßte mich sehr -herzlich, schalt auf das freundlichste, daß ich die Nacht draußen -zugebracht hatte, und sprach die Erwartung aus, daß ich nun doch die -Ferien auf Wiesenau verleben würde. - -Man frühstückte. - -Es stellte sich im Lauf des Gesprächs heraus, daß Frau Seyderhelm mir am -Tag nach der Gesellschaft einen Brief mit der Einladung nach Wiesenau in -die Wohnung geschickt hatte, der nicht mehr in meine Hände gekommen war. - -Nina begann mit einer Geschichte, die so komisch war, daß wir alle -fürchterlich lachen mußten. Sie sprach lebhaft, mit vielen Gesten, -erzählte vorzüglich und ward durch ihren Erfolg so angeregt, daß sich -der Schnupfen zu verlieren schien. - -Wolfgang machte seiner Mutter kopfschüttelnd Vorwürfe, daß die -Gänseleberpastete schon seit einigen Tagen nicht mehr genügend auf Eis -liege. Dann wandte er sich zu mir und fragte mit einer kindlich hohen, -liebenswürdigen Stimme: - -»Ißt du Radieschen gern?« - -Man hörte von Frau Seyderhelm, daß die Gräfin Königsmarck heute morgen -dagewesen sei; man sprach dann sehr lange über die Gräfin Königsmarck. -Nina schien sie nicht zu lieben. Wolfgang behauptete, diese Dame röche -nach wilden Tieren. - -»Wolfgang, so spricht man nicht von einer Dame!« sagte Frau Seyderhelm. - -Nina jubelte und begann ohne den mindesten Zusammenhang eine Schilderung -zu entwerfen, wie sie auf der Treppe meinen Ranzen gefunden und -aufgemacht habe. - -»Stellen Sie sich vor, Frau Seyderhelm: er reist mit einem zerrissenen -Hemde, einer Zahnbürste, zwei alten Brötchen und dem Werther; den -Werther hat er in seine Socken gepackt!« - -Man lachte sehr. Mich erfaßte mit einem Mal der unbezähmbare Drang, -Ninas Hand, die elfenbeinerne mit den spitzen Nägeln und der kühlen -Haut, zu küssen. Ich bückte mich nach einer Serviette und berührte wie -zufällig Ninas Finger mit meinen Lippen. Nina ließ es ruhig geschehen; -sie tat, als habe sie nichts gespürt. - -»Es war übrigens gar nicht der Werther,« sagte ich, als ich wieder -aufrecht saß. »Es war die Versuchung des Pescara.« - -Ich bediente mich mit einer kalten Reisspeise und war von meinem -Abenteuer so aufgeregt, daß ich kaum schlucken konnte. - -»Oh, die Versuchung des Pescara,« sagte Frau Seyderhelm. Und sie fing -an, sich des längeren über »Huttens letzte Tage« auszulassen. - -Wolfgang zog ein gelangweiltes Gesicht und schlug Nina für den -Nachmittag eine Tennispartie vor. Sobald er mit Nina sprach, war seine -Stimme zart und fast unterwürfig. - -Frau Seyderhelm hob die Tafel auf. - -»Schreiben Sie mir später den Namen Ihrer Wirtin auf, lieber Walter,« -sagte sie. »Man soll uns Ihre Sachen nachschicken.« - -Ich küßte Frau Seyderhelm die Hand und verbeugte mich vor Nina. - -»Spielen Sie Tennis?« fragte Nina. - -»Ja, ein wenig.« - -Sie fuhr mit ihrer Zunge zwischen den Lippen einher. - -»Du reitest heute nicht mehr, Wolfgang?« - -»Nein; es ist zu heiß.« - -Ich spürte plötzlich den Duft von Ninas Körper. Ich sah ihren weißen -Hals und erbebte. - -Nina lächelte. - -»Addio, meine Herren. Ich gehe in den Wald.« - -»Addio.« - -Wolfgang zog sich in die kühlen Räume zurück. - -Ich blieb auf der Veranda und sah in den Park. Nina ging langsam die -kiesbedeckte Allee entlang, blieb zuweilen stehen, betrachtete -mütterlich ein Blättchen, das sie mit der kühlen Hand liebkoste, -pflückte eine Rose vom Blumenbeet und befestigte sie an ihrer -jugendlichen Brust. Darauf verlor sie sich -- unvergleichlich ebenmäßig -ausschreitend -- im mittäglichen Gehölz. - -Die Gutsglocke schlug ein Uhr. Malatesta, der Hofhund, dehnte sich -schläfrig, beroch mißtrauisch seine Pfote und legte sich auf den Rasen. -Der Diener räumte den Frühstückstisch ab. - - * * * * * - -Am Nachmittag lag ich irgendwo im Wald auf dem Rücken und träumte in den -blauen Himmel hinein. Manchmal streichelte ich den schönen Malatesta, -der mich begleitet hatte. Es war sehr heiß. Der Hund hob zeitweise den -Kopf, stieß, von Wärme bedrückt, den Atem aus der Kehle, ließ die Zunge -hängen und hatte feurige Augen. Mich plagten die summenden und -stechenden Mücken. Ich begann unruhig und gestört zu schlafen. Böse -Träume von großer Leidenschaft und überquellender Sehnsucht verfolgten -mich. Ich sah, wie Nina zu mir, dem Schlafenden, trat, ihr mokantes -Lächeln lächelte und mit einem Male mütterlich, mit drängenden Händen -und junger weißer Brust sich neigte. - -Der nahe Gong, der zum Tee rief, weckte mich auf. Die Sonne war tiefer -herabgesunken; unter ihren schrägen Strahlen beruhigte sich die Welt und -wurde kühl. Ein Wind ging durch die Bäume, der in den Blättern flüsterte -und schluchzte. Der Hund war fortgelaufen. Ich fühlte, daß alles nutzlos -sei und ich ewig einsam bleiben müsse. - - * * * * * - -Gegen Abend spielten wir Tennis. - -Nina war biegsam, schmal in den Fesseln und schnellfüßig. Ihre Hand war -sicher, der Schlag ihres Rackets ruhig. - -Wolfgang, ihr Partner, war weißgekleidet, hatte den rechten Ärmel seines -Hemdes aufgeschlagen und zeigte einen braungebrannten, schmalen und -kräftigen Arm. - -Ich gab streng auf das Spiel acht und hatte den brennenden Ehrgeiz, mich -gut zu halten. Ich verlor das erste Match, trat beim Wechseln an das -Netz, beglückwünschte Nina und küßte ihre Hand. Wolfgang sah mich ein -wenig befremdet an. Nina lächelte, war unendlich liebenswürdig, legte -einmal beim Gespräch ihre Hand auf meinen Arm und nannte mich Walter. -Ich war rasend vor Glück, machte ein hochmütiges Gesicht und verdoppelte -meine Anstrengungen. - -Mir war, als ständen Nina und Wolfgang in abendrotem Dunst und -rosafarbenem Nebel. Jedermann von uns spielte mit streng geschlossenen -Lippen. Nichts unterbrach das Schweigen als nur das Aufschlagen des -Balles, das Summen des festgespannten Rackets und zeitweis ein kleiner -Ausruf der Überraschung oder des Ärgers. Niemand zählte laut, denn jeder -von uns wußte, wie wir standen. Frau Seyderhelm trat ans Gitter; wir -grüßten flüchtig und spielten weiter. Frau Seyderhelm sprach mit einem -Gärtner, deutete einmal mit der Hand auf ein Blumenbeet und wandte sich -über unsern Eifer lächelnd zum Gehen. Ich wurde gewahr, daß sich mein -Spiel von Minute zu Minute verbesserte. Im letzten entscheidenden Set -gewann ich alle sechs Spiele und war somit Sieger im Match. Nina sagte -uff und fächelte sich mit ihrem Tuch kühle Luft ins Antlitz. Als wir uns -die Hände schüttelten, sah sie mich wie zum erstenmal an. In ihren Augen -leuchtete mir etwas Verlockendes und Gefährliches entgegen. - -»Sie spielen gut,« sagte Nina. »Reiten Sie?« - -»Gewiß.« - -»Wolfgang, wir werden morgen früh reiten.« - -»O Nina, rede keinen Unsinn, das hast du schon zehnmal gesagt. Du stehst -ja doch nicht um sieben Uhr auf.« - -»Doch, ich werde ganz bestimmt um sieben Uhr aufstehen.« - -Sie sah mich wieder mit ihren lockenden Augen an, wobei sie die Lider -ein wenig zusammenzog. Mir war, als liebkosten mich die goldfarbenen -seidenen Wimpern. - -»Was wird Herr Regnitz für ein Pferd reiten?« - -O weh, sie sagte wieder Herr Regnitz! - -»Willst du einen ruhigen Gaul, Walter?« - -»Nein, im Gegenteil.« - -»Gut, du sollst die Moissi haben. Eine Rappstute, weißt du. Du bekommst -den neuen Sattel, den mir Mama geschenkt hat.« - -»Hören Sie zu, Walter, das ist eine unerhörte Gnade.« - -O -- sie sagte wieder Walter! - -Ich spürte in diesem Augenblick den einzigartigen Duft von Ninas -mädchenhaftem Körper. Ich sog ihn wissend und gekräftigt ein. - -Der Teufel wird mir an diesem Abend wenig anhaben können. Ich habe mein -Match gewonnen und morgen reite ich Moissi. - - * * * * * - -Die Damen zogen sich bald nach dem Abendessen zurück. - -Wolfgang und ich, wir saßen noch eine Weile auf der Terrasse, fühlten -eine angenehme Ermüdung in unsern Gliedern und tranken ein wenig _Black -and White_ mit sehr viel Sodawasser gemischt. - -Wir sprachen nicht viel, sondern sahen zum reichbesternten Himmel empor -und beobachteten die Sternschnuppen. Der Diener setzte einen Eiskühler -neben den Tisch und verschwand. - -»Nina reitet gut,« sagte Wolfgang. »Ich werde ihr mal morgen den >Sekt< -geben. Da kann sie was erleben.« - -Und dann, nach einer Weile: - -»Mama hat im vergangenen Jahr viel Sorge mit dem Stall gehabt. Weißt du, -der Rotz ... Na, jetzt ist es vorbei ...« - -»So?« - -»Ja, jetzt sind sie wieder alle gesund. Einer ging ein. Na, meinetwegen, -mir lag nichts an ihm. Ein Wallach.« - -Ein Knecht schritt mit einer Laterne durch den Garten. Wir sahen dem -unruhigen Licht nach. - -»Komisch,« sagte Wolfgang plötzlich, »wir kennen uns erst seit sechs -Tagen.« - -»Ja.« - -Eine Stille. - -»Du bist immer so hochmütig. Hast du was?« - -»Nein. Garnichts.« - -Eine Stille. - -»Du mußt in den Herbstferien herkommen und hier mit uns jagen.« - -»Danke. Ja.« - -Mir stieg ein Gedanke auf. - -»Jagt Nina auch?« - -»Ja, sie schießt sehr gut. Sie hat gar keine Angst.« - -»Wie schön.« - -Ich sah ein Bild vor mir: Nina mit dem unvergleichlichen Gang der -Kosakenmädchen durch den Wald schreitend, die Büchse in der Hand, mit -spähenden Augen und grausamen Lippen. - -»Wie schön,« wiederholte ich. - -Ein Stern glitt in mächtiger und graziöser Bewegung durch den -erleuchteten Raum. - -»Hast du dir etwas gewünscht?« fragte Wolfgang. - -»Ja.« - -»Was denn?« - -»Mehr Whisky.« - -Wolfgang lachte und schenkte ein. - -»Na, Mama wird morgen Augen machen über unsere Sauferei. Prost!« - -»Prost!« - -Wir schwiegen lange. - -»Man muß das Leben mit gesunden Händen anfassen.« - -Wolfgang sah mich unsicher an. Dann sagte er verlegen: - -»Ja.« - -Wir beobachteten zwei Fledermäuse. - -»Was denkst du über die Frauen?« fragte ich. - -»Über welche Frauen?« - -»Ich meine ... fändest du etwas dabei, wenn Jungens wie wir ... ein -Verhältnis haben?« - -»Nein ... ja, das heißt ... es kommt darauf an!« - -Wolfgang lachte ein wenig hilflos. - -Ich stand auf und bot ihm die Hand. - -»Wir sollten recht lange Zeit Freunde bleiben,« sagte ich sehr herzlich. - -Auch Wolfgang erhob sich. Er schüttelte meine Hand kräftig, und es lag -in dieser Bewegung etwas eigentümlich Ritterliches. - -»Ja, das sollten wir wirklich,« erwiderte er in demselben Ton. - -»Gute Nacht, Wolfgang.« - -»Gute Nacht, Walter, -- und danke für alles.« - -Ich ging in mein Zimmer. - - - - - 11 - - -Wir reiten zu dritt im abgekürzten Galopp -- von Hans Kietschmann -gefolgt -- über eine jüngst gemähte Wiese, deren Heu naß und ohne Duft -ist. Wir reiten Schulter an Schulter und achten streng darauf, daß die -Linie eingehalten wird. Jeder von uns beschäftigt sich schweigend mit -seinem Pferde, beobachtet den gebogenen Tierhals und übt auf jeden Druck -den Gegendruck der Schenkel aus. - -Manchmal sehe ich zu Nina hin. Das feurige Haar lodert wie eine Flamme, -wie ein Triumph unter dem schwarzen Hut hervor; die weißen Kinderzähne -beißen auf die feuchte Unterlippe, die unbedeckten Hände erfassen die -Zügel des unruhigen Pferdes mit freudiger Kraft. Unausgesetzt richtet -Nina die verliebten Blicke auf den Kopf des Pferdes, das in großzügiger -Bewegung galoppiert. Ich sehe mit Vergnügen, daß der schlanke Körper mit -den säulenstarken hohen Beinen und der jugendlichen weichen Brust sich -entzückt der Bewegung des schnaubenden und wiehernden Tieres hingibt und -niemals die Verbindung mit ihm verliert. - -Es geschieht einige Male, daß Sekt sich nahe an meine Stute drängt und -Ninas Fuß den meinen berührt. - -Hatte ich nicht die ganze Nacht von der einen Minute geträumt, in der -Nina ihren Fuß auf meine Hand setzen würde, um das Pferd zu besteigen? -Und war ich nicht, als sie es wirklich getan, verwirrt und mit pochendem -Herzen davongestürzt? - -Sekts Gangart wird von Augenblick zu Augenblicke länger. Der Schimmel -und seine Herrin freuen sich des wie unbegrenzten Raumes, der -morgendlichen Luft und der würzigen Gerüche des Feldes. - -Ich sehe unsicher zu Wolfgang hin, der immerfort mit tiefer Stimme auf -den Schimmel einspricht: - -»Ruhe! -- Sekt! -- Ruhe! -- Ohlala -- Ohlala!« - -Meine Moissi geht leichtfüßig mit. Wolfgangs nicht so belebtem Fuchs -wird es schwer, die Linie einzuhalten. - -»Ruhe, Fräulein Nina!« sage auch ich jetzt. »Bitte abgekürzter Galopp!« - -Aber Nina hört nichts. Sie sieht verzückt, mit nassem, erregtem Munde -und blinkenden Augen auf den Schimmel und beißt mit den weißen Zähnen -auf die Lippe. - -»Gib auf die Sporen acht!« - -In diesem Augenblick tut Sekt, den irgend etwas erschreckt hat, einen -kleinen Sprung, Nina kommt mit den Sporen an die Weichen, der Schimmel -wirft den Kopf mit einer schmerzlichen Gebärde in die Höhe und geht -durch. - -Moissi folgt sofort. Wolfgang und Hans Kietschmann bleiben zurück. - - * * * * * - -»So, Fräulein Nina ... jetzt Ruhe, nur Ruhe!« - -Die Pferde rasen über das Feld. Die Morgensonne erhebt sich -gelbstrahlend über einem Hügel und blendet uns. - -»Rechte Kandare ziehen! ... Sekt, Ruhe!« - -Nina richtet das Tier mit allen Kräften nach rechts. - -Wenn ihr nur nichts geschieht! ... Nein, sie ist ruhig. Es geschieht ihr -nichts. - -»Mehr rechts, immer mehr rechts! ... Fort vom Stall! ...« - -Sieh da, sie ist zufrieden, sie ist hingegeben dieser einzigartigen -Geschwindigkeit, dieser goldenen Flucht durch den Morgendunst. - -»Noch mehr rechts! ... Bravo, Fräulein Nina! Noch mehr!« - -Wir beschreiben mit unserem Ritt eine Kurve. - -»Reitpeitsche fortwerfen!« - -Nina läßt die Peitsche fallen. - -Ich bekomme über meine Stute Gewalt, meine Knie und Schenkel sind -unausgesetzt an den Sattel gepreßt. Ich drücke den Rappen an Nina heran. - -»Noch einmal nach rechts ... sehr gut! ... Noch einmal! ... Ah, er läßt -nach ...« - -Ich beuge mich vor und greife in Ninas Zügel. Der Schimmel erschrickt, -bäumt sich, -- ich packe den Halfter und der Schimmel steht. - -Nina lacht, ein nervöses, schreiendes, jubelndes Lachen. - -Ich steige von meinem Pferd, um Sekt liebkosend zu beruhigen. Ein -unerklärlicher Gram erfaßt mich, ich spreche kein Wort, sehe Nina nicht -an und bebe vor Schmerz und Zorn ... - -Wolfgang erreichte uns endlich. Er lacht. - -»Bravo Nina! -- Nichts geschehen?« - -Nina schüttelt den Kopf. - -»Ein schöner Unsinn, dieses Biest da mit Sporen reiten zu lassen!« sage -ich scharf und böse. - -Wolfgang zieht ein beleidigtes Gesicht. - -»Nehmen Sie die Sporen ab!« herrsche ich Nina an, ohne hinaufzusehen. - -Wolfgang und Hans steigen von den Pferden. - -»O -- Sie sind zornig, Walter!« ruft Nina. - -Ich blicke auf. Ninas Augen lachen, aber sie ist blaß, sehr blaß, und -ihre Lippen zittern nervös. - -»Nehmen Sie jetzt bitte die Sporen ab.« - -Hans befreit Nina von den Sporen und reitet zurück, um auf der Wiese die -Reitpeitsche zu suchen. Ich stecke die Sporen in meine Tasche. - -Wir reiten im Schritt weiter und erreichen ein belichtetes Gehölz. -Unsere Tiere sind ermüdet und zufrieden. Sie gehen in großen Schritten -durch den Wald und spähen an den stolzen Fichtenstämmen stolz vorbei. -Wir sind schweigsam und schlecht gelaunt. - -Mit einem Male streckt Nina die Hand nach mir hin. Da ich nicht in ihrer -Nähe bin, fingert sie ungeduldig in der Luft herum. Ich nehme ihre Hand, -beuge mich tief nach unten und küsse sie lange. - -Wie ich mich emporrichte, sehe ich, daß Nina mit lächelndem Antlitz und -feuchten goldenen Wimpern nach der andern Seite blickt. Wolfgang ist -blaß geworden und hält die Augen gesenkt. Hans reitet irgendwo -hinterher. - -Wir erreichen, ohne ein Wort zu sprechen, nach einer Stunde den Gutshof. -Die Pferde sind naß und wollen ihr Futter. Ich grüße Nina mit dem Hut -und gehe ins Haus. - - - - - 12 - - -Wir fuhren am Abend mit einem leichten Jagdwagen ins Gebirge. Frau -Seyderhelm war im Schloß geblieben, da sie Besuch erwartete. - -Wir saßen auf der Terrasse eines vornehmen und einsam am Fluß gelegenen -Hotels. Vor unseren Blicken zerflossen die kupferbraunen Abhänge und -goldenen Bergeshäupter, die ein unaufhörlich gleitendes Licht belebte. - -Ich stand, noch ehe die Mahlzeit bereitet war, im Stalle bei den Pferden -und sorgte dafür, daß sie ihr Futter bekamen. Mein Kopf war benommen, -und meine Augen brannten. Den ganzen Tag in Ninas Kreise zu leben, den -Hauch ihrer Lippen zu spüren, im Wagen ihren Knieen nahe zu sein und -ihrem duftenden Haar, zu sehen, wie der Wind das helle, sich innig an -den Körper schmiegende Sommerkleid berührte, und mit verwirrten Sinnen -zu ahnen, vieles zu ahnen, -- ah, das alles war nicht ganz leicht zu -ertragen. - -Ein Kellner meldete, das Essen sei angerichtet. Ich stieg die steinerne -Treppe der Terrasse langsam hinauf. Die unaufhörlich wechselnden Farben -des Abends quälten mich; ein drohendes Verhängnis war in dieser -Bewegung, eine Unruhe ohnegleichen, eine süße und unsäglich schmerzliche -Hast, eine Flucht und ein Jammer ohne Trost ... - -Als ich oben angelangt war, sah ich, wie Nina ihre Hand auf Wolfgangs -Arm gelegt hatte. Sie schien ihn etwas zu fragen. Er beantwortete Ninas -Frage, und sein Gesicht bekam den überaus liebenswürdigen und -ritterlichen Zug, den ich an ihm liebte. Ein kindliches, verhaltenes -Schluchzen stieg in mir empor. - -Ich setzte mich an den Tisch, Nina und Wolfgang sahen mich an. - -»Na Lieber? Wie gehts?« fragte Wolfgang. - -»Danke, die Pferde fressen.« - -Nina lachte und blickte fort. - -Ich wurde rot. - -Nina sprach in näselndem Ton von Trüffeln. - -»Sieh mal, Wolfgang, wie witzig, hier gibt es gefüllte Trüffel. -Raffiniert -- nicht?« - -»Nina, du redest wie ein Kavallerieoffizier,« sagte Wolfgang, wandte mir -sein Gesicht schräg zu und fragte in seinem kindlichen Ton: - -»Spricht sie nicht wie ein Gardekürassier?« - -Wir aßen danach Forellen. Nina verstand es gut, das zarte rosige Fleisch -der Fische von den Gräten loszulösen. Die weißen, nun der Seele -beraubten Tieraugen starrten ausdruckslos zu uns herauf. Nur um die -Mäuler lag ein böser Zug, der von Todespein und letztem Kampf erzählte. - -Um die Zeit der späten Dämmerung trat ein Hirsch aus dem Wald des -gegenüberliegenden Berges hervor, äugte mit einer kühnen Gebärde des -Kopfes nach dem Hotel hin und trank aus dem Fluß. - -Der Geruch von Bergwasser und nassem Sand stieg zu uns empor. Allmählich -entfaltete der dunkelnde Himmel die Schönheit der beginnenden Nacht vor -unsern Augen. Die stolzen Gestirne wurden sichtbar; vor ihrer -urweltlichen Starrheit wichen die wechselnden Farben des Abends besiegt -zurück. Das Gebirge ward im funkelnden Schein groß und ehern. - -Wir standen nach beendetem Mahle auf und gingen über die hölzerne Brücke -des Flusses dem andern Ufer zu. Die Nacht gab mir mitleidsvoll von ihrer -Kühle und besänftigte mich wunderbar. Nina schien mir schöner denn je, -aber ihre Schönheit war meinen Sinnen und meinem undeutlichen Verlangen -entfernt. Sie ging mit ihrem weißen Sommerkleid wie durchsichtig durch -die Nacht dahin. Auf ihren Schultern lag ein bläuliches Orenburger Tuch. -Ihr Haar war unbedeckt und bewegte sich ein wenig im Nachtwind. - -Ein leises, sehnsüchtiges Tönen rief uns in den Wald. War es eine Flöte -oder eines Mundes Klage? Wir folgten neugierig der oft entschwindenden -und dann wieder genäherten Musik. - -Vor einem Bretterverschlag, dem Sammelplatz der Tiere, machten wir Halt. -Wir sahen die Gestalt eines Mannes zwischen sternhellen Bäumen -einhergehen, wir sahen ihn in seine Schürze greifen und -- einem Sämann -gleich -- Eicheln und Kastanien mit einer weiten Bewegung seines Armes -über den Waldboden streuen. Dazu pfiff er eine Melodie, eine kleine, -sentimentale, unbeholfene und doch unendlich rührende, süße, zärtlich -lockende Melodie. Nach einer Weile schien es, als bewege sich der Wald. -Unhörbar, aber mit großzügigen Bewegungen und bei jedem Schritt ein -wenig mit den Häuptern nickend, kamen wie aus einem dunkel gewebten -Teppich Hirsche und Rehe aus der Nacht hervor, beugten sich zu Boden und -näherten sich langsam dem lockenden Freund der Tiere. Allmählich -entfernte sich der Mann, umdrängt von seinen zärtlichen Geschöpfen, -ferner und ferner klang die Musik seines Mundes und löste sich endlich -auf im Rauschen des Waldes. - - * * * * * - -Wolfgang eilte voraus, um mit Hans die Pferde anzuschirren. Es zeigten -sich Wolken am Himmel. - -Ich ging mit Nina langsam den jäh erleuchteten Waldweg entlang. Nina -hatte wieder ihren Schnupfen und führte das kleine Tuch oftmals an den -Mund. - -»Walter.« - -»Ja.« - -»Wie alt sind Sie?« - -»Siebenzehn Jahre.« - -»Siebenzehn Jahre,« wiederholte Nina. - -Eine Stille. - -»Walter.« - -»Nina?« - -»Sie werden morgen fortreisen, -- nicht wahr?« - -Und da sie mein Gesicht sah, hob sie beschwörend die bittenden Hände -empor und sagte in unvergleichlich rührendem Ton: - -»Walter, -- Sie sind _siebenzehn_ Jahre!« - -Ich hatte wieder solche Angst. - -Ich werde mich töten, dachte ich. - -Eine lange Stille. - -»Sie werden reisen, Walter?« - -»Ja.« - -»Danke.« - -Ich werde mich töten. Es wird noch diese Nacht geschehen. - - * * * * * - -Wir fuhren über Felder. Wolfgang kutschierte, wobei er manchmal einige -Worte mit Hans wechselte. Ich saß mit Nina in der Break. Nina sprach -viel und war nervös. - -Es erhob sich ein Wind und trieb große, von den Sternen erhellte Wolken -über den Himmel. In der Ferne leuchteten Blitze. - -Nina klagte über den Sturm, der ihr Kopfschmerzen verursachte, und bat, -man solle die Verschläge herunterlassen. Der Wagen hielt, die Pferde -stampften ängstlich auf dem undeutlichen Feldwege, und Hans spannte die -leinenen Gardinen auf. - -Wir waren nun von den andern durch eine Wand getrennt und sahen die Welt -einzig durch die Öffnung über der Türe. Wir hörten von irgendwoher -kleine Bäche rauschen, den Wind im Korn und in entfernten Wäldern -blasen, und aufgescheuchte Enten, die schreiend nach irgend einem -wohlgeborgenen Teiche zogen. - -»Sie frieren, Walter?« - -»Nein. Danke.« - -Nina hüllte sich fester in das weiche blaue Gewebe ihres Tuches. - -Ein Blitz zuckte. - -»Haben Sie den Hasen gesehen, Walter?« - -»Ja.« - -Wir fuhren über eine Brücke. Das Holz dröhnte. - -»Sie haben noch einen Vater, Walter?« - -»Ja.« - -»Wo ist er?« - -»In Skandinavien.« - -»Allein?« - -»Anny Döring ist bei ihm.« - -»Wie? -- Die Soubrette?« - -»Ja.« - -»Ach --!« - -Nina blickte mich verwundert und ängstlich an. - -Wie liebte sie in diesem Augenblick meinen Vater. O Nina, Nina! - -Ich sah lange Zeit hinaus und träumte. Ich fühlte, daß mich Nina -unausgesetzt betrachtete. Später vergaß ich es. - -Eine Hand lag auf der Decke. Es war Ninas Hand. - -»Darf ich sie küssen?« fragte ich. - -Nina lachte mit einem hellen Ton. Es klang, als fiele ein kleiner -silberner Hammer schnell auf Metall. - -Ich küßte die Hand und dachte dabei an den Förster, der durch den Wald -ging und Eicheln über die Erde streute. Ich küßte keine lebendige Haut, -sondern Wildleder, dänisches Wildleder. Ich küßte dieses Leder noch -einige Male und ließ die Hand dann fahren. Ich empfand kein besonderes -Vergnügen dabei und wunderte mich. Wahrscheinlich träumte ich dies alles -nur, sonst wäre ich doch wohl anders gewesen. Ich hätte vielleicht -geschrieen ...? - -Es begann langsam zu regnen. Ich streckte die Hand hinaus. Große warme -Tropfen fielen hernieder. - -»Wir werden morgen nicht Tennis spielen können,« sagte ich schläfrig. - -»Ja,« erwiderte Nina verwundert. - -Ach so, ich reise ja morgen fort, dachte ich. Wie ungeschickt! - -Ich träumte fort, sah Steine, Wolken und Bäume vorbeieilen; oben sprach -Wolfgang irgend etwas, was ich nicht verstand, und der Donner wurde -stärker, immer stärker. - -Nein, ich werde morgen nicht fortreisen. Ich werde mich heute Abend -töten. - -Schafe standen zusammengedrängt und fürchteten sich ... Sieh da, Schafe -... »Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den -Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde. Und siehe, des Herrn Engel -trat zu ihnen, und die Klarheit des Herren leuchtete um sie; und sie -fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch -nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude ...« wie schön, -- siehe, -ich verkünde euch große Freude! Mir war mit einem Male, als sei mein -Körper durchströmt von gutem warmem Blut. Es war ja alles gar nicht so -schlimm! Denn ich verkünde euch große Freude ... - -Da -- was war das? Eine bebende Hand griff nach meiner. Mein Traum -zerriß -- -- - -»Nina!« - -Ich schrie. - -»Sei still, um Gottes willen ...« - -»Hallo, was gibt's?« fragte Wolfgang. - -»Nichts. Ninas Haar im Wind ...« - -Ich riß Nina an mich, überflutete ihr Antlitz mit Küssen, umarmte ihre -Kniee und biß in ihre Lippen und Hände ... - -»Laß ... Laß ... Du bist verrückt.« - -Sie stöhnte. - -Ich flehte unverhüllt mit meinen fiebernden Lippen auf ihren Lippen, auf -ihren Händen, ihrem Haar, ihren Augen und ihrer jungen, jungen Brust ... - -O unerhörtes Glück des Aneinanderschmiegens, der verschlungenen Finger, -der wirren, in die dunkle Luft hineingesprochenen Reden! - -Und dann dieses wunderbare, einzigartige Ermatten, diese tränenreiche, -gütige Müdigkeit, ... dieses bekümmerte Suchen der Hände, ... und -endlich diese Ruhe, diese tiefe, tiefe Ruhe! ... - -Wie wir einst so glücklich waren! - - * * * * * - -Um Mitternacht stürmten die gepeitschten nassen Pferde mit rasselndem -Wagen in den Schloßhof. Frau Seyderhelm empfing uns in der Türe. Sie war -ein wenig müde, aber freundlich und besorgt. - - - - - 13 - - -Ich stellte mich an das Fenster meines Zimmers und sah hinaus. Blitze -spalteten Eichen und Kiefern, und über Wälder und weite Ebenen rollten -ihre Donner. Aus den Ställen brüllten und wieherten geängstigte Tiere, -und Malatesta saß mit glühenden Augen in seiner Hütte vor meinem Fenster -und heulte. - -Auch dies ging vorbei. Ein stetig und kühl strömender Regen spendete -uns, den Fiebernden, Genesung. Gerüche von niegeahnter Kraft erfüllten -die Luft, und die Tiere in den Ställen begannen ihren Schlaf. Zwei Uhr -schlug die Glocke, aber der trübe Morgen war noch fern. - -Ich setzte mich an den Tisch. Ich wollte etwas Unerhörtes schreiben, -aber ach, -- es wurden nur diese einfachen Zeilen: - - Ist es denn möglich, daß wir diese Nacht - In einem Wagen über Felder fuhren? - Hab' ich geträumt? Ich sah doch einen Wald! - Eilten nicht Steine, Wolken, Bäume, Sterne - An uns vorbei, und hast du später nicht - -- So hab' ich _doch_ geträumt, -- und hast du nicht - Mir abgewandten Blicks die Hand gereicht? - ... Und küßte ich sie nicht? - Ich habe nicht geträumt. Wir fuhren nachts - In einem Wagen über weite Felder, - Es eilten stille Wolken, Bäume, Sterne - An uns vorbei ... Du gabst mir deine Hand ... - ... Ich küßte sie ... So hab' ich _doch_ geträumt? - -Ich packte meinen Ranzen, nahm das Blatt, stieg zu Ninas Zimmer hinauf, -öffnete die erste ihrer beiden Türen und legte mein Gedicht auf ihre -Diele. Dann schlich ich mich hinunter. - -Ich trat auf den Hof, streichelte Malatesta und dachte: Frau Seyderhelm -und Wolfgang ... ach, Frau Seyderhelm und Wolfgang! - -Ich wanderte die Straße hinab, bis sich im Osten der bewölkte Tag -ankündete. Auf einem Hügel blieb ich stehen und sah die verlassene -bleiche Landschaft unter mir. Eine Starenkette flog durch die gereinigte -Luft des Morgenrots. - -Da schlug ich mit der Stirn auf einen Baum und stürzte nieder. - - - - - Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München - - Karl Borromäus Heinrich - - Karl Asenkofer - - Geschichte einer Jugend - - Zweites Tausend - - Geheftet 3 Mark 50 Pf., geb. 5 Mark - - Süddeutsche Monatshefte, München: Wenn ich aber sagen sollte, - welches erzählende Buch des letzten Jahres den stärksten und - nachhaltigsten Eindruck auf mich gemacht hat, so müßte ich - Karl Asenkofer von Karl Borromäus Heinrich nennen. Das ist - mehr als Litteratur: jede Zeile ist erlebt, und was noch - wichtiger, jedes Erlebnis ist behutsam aufbewahrt! noch hängt - der ganze Flügelstaub an den leichten Schwingen. Ein Buch - von packender Ehrlichkeit, die nichts hinzu tut, und so - niemals den Eindruck des Beabsichtigten, Arrangierten - aufkommen läßt. Die letzten Gymnasial-, die ersten - Universitätsjahre sind kaum je so unmittelbar und überzeugend - wahrhaftig dargestellt worden. Als Heldin steht von der ersten - bis zur letzten Seite eine der ergreifendsten Muttergestalten - da. Dies Buch ist so ausgezeichnet, daß man vor der - Fortsetzung ganz Angst hat. Man möchte den Verfasser inständig - bitten, mit dem zweiten Teile zu warten, bis er sich dem - ersten an die Seite stellen kann: ja nicht zu früh, ja nicht - zu viel über seine augenblicklichen Erlebnisse zu berichten, - sondern in Gelassenheit und Demut geduldig zu warten, bis zum - ersten meisterlichen Bande ein zweiter von selber in Stille - und Sturm reif geworden ist. An dem Tag aber wollen wir uns - mit ihm freuen, denn an dem Tag ist unsere Litteratur um ein - bleibendes Werk reicher: um ein solches, das eine Generation - weiter gibt an die andere. - - - Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München - - Korfiz Holm - - Thomas Kerkhoven - - Roman - - Vierte Auflage - - Flexibel geb. 5 Mark, steif geb. 6 Mark - - »The Times«, London: »Thomas Kerkhoven« belongs almost to the - rank of classics like »Tom Jones« or »David Copperfield« or - »Pendennis«. - - Rudolf Herzog in den »Neuesten Nachrichten«, Berlin: Sicher - ist, daß dieses Werk den besten Büchern beizuzählen ist, die - in den letzten Jahren erschienen sind. - - Wilhelm Hegeler im »Litterarischen Echo«, Berlin: Auf jeder - Seite ist das Buch voll sprühender Lebendigkeit, von müheloser - Anschaulichkeit, amüsant und glänzend von Anfang bis zu Ende. - - »Münchener Neueste Nachrichten«: Es wird seinen Weg machen; - denn es ist wert, den besten Dichtungen unserer Zeit an die - Seite gestellt zu werden. - - »Berner Bund«: Ganz »verflixt gut geschrieben« ist es, mit - einer geradezu bewunderungswürdigen Sicherheit in der Technik. - - - Druck von Hesse & Becker in Leipzig - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - -Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Wie wir einst so glücklich waren!, by -Wilhelm Speyer - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! *** - -***** This file should be named 59186-8.txt or 59186-8.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/9/1/8/59186/ - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. 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By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. 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You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The -Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm -trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - diff --git a/59186-h/59186-h.htm b/59186-h/59186-h.htm index 4d096c8..2c5baf4 100644 --- a/59186-h/59186-h.htm +++ b/59186-h/59186-h.htm @@ -113,46 +113,7 @@ div.centerpic { text-align:center; text-indent:0; display:block; } <body> -<pre> - -Project Gutenberg's Wie wir einst so glücklich waren!, by Wilhelm Speyer - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and -most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll -have to check the laws of the country where you are located before using -this ebook. - - - -Title: Wie wir einst so glücklich waren! - -Author: Wilhelm Speyer - -Release Date: April 1, 2019 [EBook #59186] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! *** - - - - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This file was -produced from images generously made available by The -Internet Archive. - - - - - - -</pre> +<div>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 59186 ***</div> <div class="frontmatter chapter"> @@ -4945,380 +4906,7 @@ Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Wie wir einst so glücklich waren!, by -Wilhelm Speyer - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! *** - -***** This file should be named 59186-h.htm or 59186-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/9/1/8/59186/ - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This file was -produced from images generously made available by The -Internet Archive. - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. 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Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. 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It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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