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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 59186 ***
+
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+ Wie wir einst
+ so glücklich waren!
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+ Von Willy Speyer erschien bei Bruno
+ Cassirer, Berlin 1907:
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+ Ödipus, Roman
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+ Wie wir einst
+ so glücklich waren!
+
+
+ Novelle
+ von
+ Willy Speyer
+
+
+ Albert Langen
+ Verlag für Litteratur und Kunst
+ München
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+ 1
+
+
+Auf meinem Lande ist es Herbst geworden. Ungefähr um drei Uhr morgens
+beginnt ein kalter Regen nieder zu gehen, der erst um fünf Uhr
+nachmittags aufhört. Zur Vesperzeit kommt plötzlich und kampflos die
+Sonne hervor; ein leichtes Blau webt mit einem Male in den herbstlichen
+Bäumen, deren genäßte Blätter von der Sonne farbenreich durchleuchtet
+werden. Am Spätabend ziehen über die feuchte Erde Nebel dahin, die des
+Nachts die verblassenden, leise rauschenden Wälder umfangen. Auf diesen
+Nebeln ruht zuweilen Mond- und Sternenlicht; goldene und silberne Wolken
+fließen unaufhörlich durch das Dunkel dahin, bis es zu einem nassen und
+schleichenden Morgen tagt.
+
+Es ist seltsam zu sagen: Ich ziehe den Regen meinen anmutigen
+Herbstabenden vor. Während des ganzen Tages bleiben meine Fenster fest
+geschlossen, und ich finde ein Vergnügen darin, stundenlang im Zimmer
+auf und ab zu gehen, mit der Papierschere zu spielen, meine und meines
+Vaters Tagebücher zu lesen und immer wieder in hundertfachen Pausen dem
+Regen, dem grausamen, dem gänzlich hoffnungslosen zuzusehen. Keine
+Stimme redet zu mir aus dem strömenden Wasser, wie es bisweilen den
+Dichtern geschieht, und belustigt mich durch ihre Geschichten, --
+vielleicht durch kleine rührende Märchen, die meine Brust mit süßen
+Hoffnungen erfüllen könnten und dann ganz trostlos endigen, ... o nein,
+was mich unwiderstehlich zu dem erbarmungslosen Freunde dieser Tage
+hinzieht, ist nichts anderes als die nackte, von jeder Kunst entblößte
+Trauer und ihr schwermütiges Gefolge.
+
+Es gibt Tage, wo der Regen auch vor der Vesperstunde nicht Halt macht,
+sondern in die finstere Nacht hineinrauscht und nimmer ruhen mag. Dann
+kommt die Zeit meiner tiefsten Ängste, und es erfassen mich Gefühle, die
+ich längst vergessen wähnte: Meine vollkommene, durch keine Gunst des
+Schicksals je gestörte Vereinsamung, meine frevelhafte, durch keinen
+leuchtenden Gedanken je geweihte Eigenmächtigkeit und meine tödliche,
+tödliche Sehnsucht.
+
+ * * * * *
+
+Es ist wahr, ich bin grenzenlos einsam. Daß ich dies erst jetzt fühle,
+bereitet mir eine gewisse Genugtuung, zumal wenn ich daran denke, daß es
+Menschen gibt, die Tag für Tag an ihrer Einsamkeit leiden.
+
+Aber nun, hier auf meinem Landsitz, ist es eingetreten, daß ich in den
+Regen schaue, eine ganze Weile, geruhig, mit einer leichten Traurigkeit
+im Herzen, und dann plötzlich der Gedanke mich zu Boden schmettert, daß
+es auf der ganzen Welt keine einzige Seele gibt, die mir am Tage oder in
+der dunklen Nacht je vertraut wäre.
+
+O, ich weiß, daß viele Menschen ebenso wie ich zu sprechen pflegen, --
+aber bedenken diese auch, daß sie noch von der Kindheit her eine alte,
+gebrechliche Haushälterin besitzen, die sie rührend eifrig bedient und
+mit mürrischer Zärtlichkeit an ihnen hängt, oder einen Hund, einen
+kranken vielleicht, der mit guten, getrübten Augen zu ihnen emporsieht?
+Aber ich, ich kann nicht einmal solche Geschöpfe, die Geschöpfe des
+unteren Daseins, mein Eigen nennen. Meine Haushälterin versieht ihren
+Dienst mit gleichgültiger Sorgfalt, und die Hunde des Gutes lieben
+meinen Inspektor, nicht mich.
+
+Ich habe freilich mit vielen Männern Handschlag und freundlichen Blick
+gewechselt, habe Umarmungen und Küsse mit manchen Frauen getauscht und
+bin in vieler Herren Dienst gestanden, -- was blieb mir von alledem? Das
+Herz des Söldners, seine ruchlose Einsamkeit und seine undeutliche
+Erinnerung. Denn meinem Geist sind alle Geschehnisse zerronnen, wie der
+Regen zerrinnt auf den Schieferdächern meiner Scheunen.
+
+ * * * * *
+
+Ich stehe ein wenig abseits vom Sinn und Gefüge der Natur, das sei
+zugestanden, auch trage ich eine spöttische Unbekümmertheit um ihren
+Gang zur Schau. Ich befinde mich außerhalb der Kreise, die von der Natur
+um die Dinge dieser Welt, um Menschen, Tiere, Blumen, ja, um die starre
+Öde des Gesteins gezogen ward und -- ich will es nur aussprechen -- ich
+befinde mich dort nicht allzu wohl. Ich fühle mich ausgeschlossen von
+der mütterlichen Güte der Natur, die selbst dann meine tiefste Sehnsucht
+erweckt, wenn sie den andern nur grausam und sinnlos erscheint. Ich zöge
+es vor, als ihr niedrigster Knecht in Ketten zu schmachten, als, ach --
+so frei zu sein, wie ich bin ...
+
+ * * * * *
+
+Ich gehe an meine Bibliothek und nehme die römischen Elegien heraus. In
+dem Kupferstich auf der ersten Seite finde ich die Worte: »Wie wir einst
+so glücklich waren.«
+
+Ich lese es und habe Tränen in meinen Augen.
+
+ »Wie wir einst so glücklich waren,
+ Müssen's nun durch Euch erfahren.«
+
+Es war auf einem deutschen Rittergut im Sommer, in einem Sommer voll
+gesegneter Tage; das Getreide stand hoch, vortreffliches Heu lag auf den
+Wiesen; der Himmel war am Morgen blau, mit einer glasigen Mondsichel
+über den Scheunen, und nachts leuchteten viel Sterne wie aus einem
+dunkeln, reichen und kostbaren Stoff. Ich liebte dort alle Menschen und
+ich betete mit einer jungglühenden Leidenschaft eine gewisse Dame an, --
+vielleicht war es ein Taugenichts von einer Dame. O, ich habe dies alles
+nie vergessen, ich entsinne mich sehr gut. Ich will diese Geschichte
+aufschreiben und sie dann einem Mädchen vorlesen, das irgendwo in der
+Welt lebt, einem schlanken Mädchen etwa von blondem Haar und weißen,
+milden Händen, und dieser Gedanke hat etwas unendlich Beruhigendes für
+mich. Ich erinnere mich dabei an gewisse Abendspaziergänge über die
+sanften Felder eines deutschen Rittergutes, an gewisse zärtliche und
+gütige Nächte und an die verworrenen Laute eines Fuhrmannes, der in der
+Dunkelheit den Hof erreichte und seine Pferde beim Schein der Laterne
+aus der Deichsel führte.
+
+
+
+
+ 2
+
+
+Ich schauderte, als ich zum ersten Mal mit einem Wagen durch die Straßen
+dieser Stadt fuhr, in der ich die zwei letzten Jahre meiner Schulzeit
+verbringen sollte. Von den häßlichen, kalkig-weißen oder gelben
+Mietshäusern, die mit dem läppischen Stuck einer nur auf die
+Nützlichkeit gerichteten Baukunst verziert waren, wandte sich der
+gekränkte Blick zu modischen Villen, die mitten in Arbeitervierteln
+durch ihren Prunk aufgeblasen, durch ihre ärmliche Umgebung
+unschicklich, ja frech erscheinen mußten. Ein verachteter, oftmals
+bespöttelter Fluß, das Zerrbild eines Flusses, führte sein dünnes,
+unruhiges und stets getrübtes Wasser durch das Weichbild der Stadt. In
+den lichtlosen Gassen aber duckten sich zuweilen jahrhundertalte
+ängstliche Giebelhäuser, die einer seelenvollen und klaräugigen
+Vergangenheit entstammten.
+
+Der Knabe hatte seine erste Jugend auf einer Landschule zugebracht und
+war dort von erfahrenen Männern zusammen mit einer Schar unermüdlicher
+und redlicher Jungen erzogen worden. Nun stand er, einem begründeten
+Wunsche seines Vaters folgend, allein in dieser Stadt, ohne daß ihn
+irgend ein freundliches Gefühl an ihre Menschen gebunden hätte, dazu von
+einer auf dem Lande erlernten und geübten Sittlichkeit beschwert, die
+den Verkehr mit den leichtgesinnten Bewohnern der Städte verbot. So
+verschloß er sich nicht ohne einen gewissen Starrsinn den Freuden der
+Geselligkeit, gedachte mit Trauer der vergangenen Zeit und fand ein
+großes Gefallen daran, den alten Freunden in langen Briefen seine
+augenblickliche Lage mit den trostlosesten Worten zu schildern. Seine
+Stimmung ward durch den Umstand nicht verbessert, daß der Vater ihm
+Geldmittel von bedeutender Höhe zur Verfügung stellte, die weder dem
+Alter noch dem Verdienst des Sohnes ziemten.
+
+Er verachtete mit zusammengepreßten Lippen und immer strengen Zügen die
+Lehrer und Schulkameraden des Gymnasiums und sprach mit keinem von ihnen
+mehr, als die Stunde verlangte. Ihre unerzogenen Körper und die
+schlechte Artung ihrer Seelen erschreckten ihn auf das heftigste und
+stießen ihn ab. Er, nur er allein war edlen, bis zu den Sternen
+erhobenen Geistes und nur er besaß die Schönheit schnellbewegter
+Glieder. Wer von ihnen erfaßte mit so reger Seele die donnernden
+Strophen engländischer Königsdramen, die knabenhaften und verwegenen
+Reden eines jungen Prinzen vor der Versammlung von Lancasterschen
+Herzögen oder den aufrührerischen Hohn der französischen Herolde? Wer
+ward beseligt durch das tönende Gold der achäischen Panzer, durch den
+silbernen Hufschlag der streitenden, leichtberittenen Götter und durch
+das blaue, blaue Griechenland?
+
+Wie sehnte sich der bislang an Freiheit gewöhnte Knabe nach den
+Nachmittagen, die ihm durch keinen Zwang verfinstert waren! Ich denke
+besonders an gewisse regnerische Nachmittage des Herbstes. In einen
+trotzigen, der Kleidersitte widersprechenden Überwurf gehüllt, eine
+phantastische Mütze tief in das Gesicht gezogen, mit hohen schweren
+Stiefeln bekleidet, verließ er seine Wohnung und wanderte zum Stadttor
+hinaus. Bald gelangte er an den armseligen, im Regen blinden Fluß, an
+dessen Ufer er durch Weidengebüsch und dürftige Birkenwäldchen geradeaus
+schritt, um endlich die ersehnten Felder, die trüben, häßlichen und doch
+geliebten zu erreichen. Peitschte ihm der Sturm das Wasser in das
+emporgerichtete Antlitz, dann fühlte er, wie das heiß ersehnte und
+angebetete Leben seiner einsamen Brust günstig genähert war. Er warf die
+Kleider von sich, breitete den schützenden Mantel über sie und badete im
+kalten Fluß, während der Himmel seine frischen Regenstrahlen
+herniedersandte; vor Frost zitternd schwang er sich vielleicht auf einen
+Baum, um von dort in einer großartigeren als der gewöhnlichen Stellung
+Cassius in den verhängten Himmel zu heulen:
+
+ Und so umgürtet, Casca, wie ich bin,
+ Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt,
+
+um endlich mit geschundenem Körper, blau und naß in die Kleider zu
+steigen und gedrückt, traurig und fast ein wenig weinerlich über die
+eigene Narrheit im dunkelnden Nachmittag seinem Hause zuzuwandeln. In
+seinem Zimmer fand er dann bereits die Dämmerung vor, die vom
+Laternenschein am Fenster in zerrissenen Stücken erhellt war. Während
+vom unteren Stockwerk eine musikstudierende junge Dame ihre
+gleichmäßigen und süßen Variationen und Fugen erklingen ließ, schickte
+er sich an, den Tee zu bereiten und die Pfeife in Gang zu bringen. Von
+wundervollen Gefühlen überschlichen ließ er sich in einen Sessel nieder,
+eine angenehme Wärme durchströmte seinen Körper und seine Augenlider
+wurden schwer von Träumen. Aber sein der Wirklichkeit ebenso
+leidenschaftlich wie der Phantasie zugetaner Sinn richtete ihn bald aus
+seinen Träumen empor. Er setzte sich an den Schreibtisch, schlug seine
+Schulbücher auf und arbeitete, ohne seinen Gedanken eine Ablenkung zu
+gestatten, ernst und streng bis zum Abend.
+
+
+
+
+ 3
+
+
+Die letzte Unterrichtsstunde vor den großen Ferien war beendet.
+Plötzlich, ja scheinbar ganz ohne Zusammenhang begann man ungeheuer laut
+und angeregt zu reden, man lachte, sah einander in die Augen, schüttelte
+sich die Hände, und ein jeder wünschte dem andern in weitschallenden und
+überaus herzlichen Zurufen einen fröhlichen Sommer.
+
+Ich stand wie immer abseits. Mir ward bei all dieser Freude, die wie ein
+heller Strom an mir vorbeifloß, ein wenig bedenklich zumute.
+
+Ich nahm zerstreut meinen Strohhut vom Kleiderriegel und betrachtete mit
+Interesse meine Stiefelspitzen.
+
+>Jawohl,< dachte ich, >ich kann mir gut heute Nachmittag ein Paar neue
+Schuhe kaufen. Morgen reise ich ja fort. Wohin eigentlich? In meine
+Heimat? Zu meinem Vater? Er kreuzt mit seiner Jacht auf den nordischen
+Gewässern in Begleitung der schönen Anny Döring, und er hatte in seinem
+letzten Brief die Einladung für mich wohl vergessen, ... eigentlich
+hatte er einen ausgezeichneten Brief geschrieben, einen höflichen,
+zurückhaltenden und etwas frivolen Brief, und beigefügt war eine
+Bankanweisung von erstaunlicher Höhe. Jawohl, so war mein Vater.
+Übrigens war er ein vortrefflicher Herr.<
+
+Ich schickte mich an, den leeren Schulkorridor zu verlassen, als ein
+blonder, vornehm gekleideter Knabe auf mich zutrat.
+
+Da er mein abweisendes Gesicht bemerkte, blieb er zögernd stehen und
+senkte die Augen. Darauf glitt ein Lächeln von großer Anmut über sein
+Antlitz, gleich als sei er über die eigene Schüchternheit belustigt.
+
+»Meine Mutter und ich, wir würden uns sehr freuen, ... das heißt, wenn
+du Lust hast ...«
+
+Eine Stille.
+
+»Ich verstehe nicht, -- wie?«
+
+Der Knabe schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und begann
+sehr herzlich und sehr laut zu lachen.
+
+»Zum Teufel, das war eine prachtvolle Einleitung!«
+
+Er legte ungezwungen und weltmännisch seine Hand auf meinen Arm.
+
+»Lieber Regnitz, man gibt heute nachmittag bei uns eine Gesellschaft. Es
+wird vermutlich ganz witzig werden ... Jungens und Mädchen ...
+Schokolade, Tanz und so ... Meine Mutter liebt das sehr, ... willst du
+uns das Vergnügen machen?«
+
+Ich sah den Jungen erstaunt an; er gefiel mir außerordentlich. Aber ich
+hatte es mir bislang in solchem Maße zur Pflicht gemacht, die
+Schulkameraden abweisend und hochmütig zu behandeln, daß ich auch jetzt
+nicht vermochte, mein gewöhnliches Betragen mit einem freundlicheren zu
+vertauschen.
+
+»Du bist sehr liebenswürdig ... Entschuldige mich, ich habe deinen Namen
+vergessen.«
+
+»Ich heiße Wolfgang Seyderhelm.«
+
+»Ich danke dir sehr für deine Einladung, Wolfgang Seyderhelm. Leider ist
+es mir nicht möglich, sie anzunehmen, da ich heute bereits eingeladen
+bin.«
+
+Wolfgang Seyderhelm wurde etwas rot.
+
+»Sehr schade,« sagte er.
+
+Er steckte eine Hand in die Hosentasche und wies mit der andern höflich
+auf die Schultreppe:
+
+»Wir haben denselben Weg.«
+
+Wir gingen die Stufen hinunter.
+
+»Dein Bruder war Militärattaché in Athen, nicht wahr?« fragte Wolfgang.
+»Meine Mutter glaubt, ihn dort kennen gelernt zu haben.«
+
+»Jawohl, er war Militärattaché in Athen.«
+
+Ich sah zur Seite.
+
+»Was ist's mit ihm?« fragte Seyderhelm, der mich beobachtete.
+
+»Er fiel in Südwest gegen die verdammten Schwarzen.«
+
+»Oh.«
+
+Vor dem Schulgebäude stand ein leichtgefügter eleganter Wagen mit zwei
+lebhaften Apfelschimmeln. Eine junge Dame saß darin; sie trug einen
+silbergrauen Schleier, der den weichen großen Hut an den Seiten
+niederbog und auf der Brust zu einem Knoten verschlungen war. Ihre
+schmalen Hände waren mit dänischem Leder bekleidet, und ihre von den
+Wimpern tief beschatteten Augen sahen etwas mokant zu Wolfgang hin.
+
+»Ah, der Wagen!« sagte Wolfgang Seyderhelm, der zögernd stehen blieb.
+
+»Ah, deine Schwester!« sagte ich beklommen.
+
+»Nein, nicht meine Schwester.«
+
+»Nicht deine Schwester?«
+
+»Eine junge Dame unserer Bekanntschaft. Adieu, Walter Regnitz.«
+
+Wolfgang Seyderhelm grüßte. Ich dankte nicht, sondern sah auf den Wagen.
+Der Kutscher legte die Hand an den Hut, Wolfgang sprach lächelnd einige
+Worte, warf seine Schulmappe auf den Bock und stieg ein. Die Schimmel
+zogen an und das Gefährt bog im Augenblicke um die Ecke ...
+
+Ich eilte in den heftigsten Gedanken nach Haus.
+
+
+
+
+ 4
+
+
+An diesem Nachmittag ging ich nicht spazieren. Ich schritt unruhig in
+meinem Zimmer auf und ab. Ich hatte weder Lust zu arbeiten noch zu
+lesen. Immer wieder kam mir Wolfgang Seyderhelms Einladung in den Sinn.
+Und mit einem Male trat aus der Wirrnis widerstreitender Gefühle ein
+leuchtender Gedanke hervor: Die Sehnsucht nach Gesprächen, nach
+scherzhafter Rede und Gegenrede, nach Tanz und Schokolade und nach einer
+gewissen jungen Dame mit einem silbergrauen Schleier und mokanten, von
+den langen Wimpern tief beschatteten Augen.
+
+Ohne Zögern kleidete ich mich um, lief zum Schuldiener und ließ mir
+Wolfgang Seyderhelms Adresse sagen. Bald fand ich mich abseits der Stadt
+vor einer großen, mitten in einem Park gelegenen Villa. Ich schellte,
+ward vom Diener ohne Verwunderung empfangen, durcheilte einige
+hellerleuchtete Gemächer und stand endlich im Eßzimmer.
+
+Eine stattliche Anzahl von Knaben und Mädchen, unter ihnen einige
+Erwachsene, saßen an drei runden Tischen, vollführten den heitersten
+Lärm, und tranken mit großem Appetit Schokolade, wozu sie ungeheuer viel
+Kuchen aßen. Ich blieb befangen stehen und suchte Wolfgang Seyderhelm.
+Die Herrschaften verstummten allmählich, man begann mich zu bemerken. Da
+sah ich am Ende des letzten Tisches Wolfgang sich erheben, der mich
+verwundert anstarrte. Von einem andern Tisch her rief eine Dame:
+
+»Nun, Wolfgang, willst du nicht deinen Gast begrüßen?«
+
+Über Wolfgang Seyderhelms Gesicht glitt ein Zug von unendlicher
+Liebenswürdigkeit und fast frauenhafter Güte. Schnell kam er auf mich
+zu:
+
+»Wie lieb, daß du kommst!«
+
+Ich erwiderte kein Wort, drückte aber stürmisch und begeistert seine
+Hand. Er faßte mich am Arm und führte mich zu der Dame, die ihm vorhin
+zugerufen hatte. Glücklicherweise begann man an den Tischen sich wieder
+zu unterhalten.
+
+»Dies hier ist mein Schulkamerad Walter Regnitz.«
+
+Die Mutter, eine noch junge Frau von schlankem Wuchs, heiteren
+italienischen Augen und hoher reiner Stirne begrüßte mich lebhaft.
+
+»Es freut mich sehr, daß Sie gekommen sind. Wolfgang hat mir viel von
+Ihnen erzählt.«
+
+Wolfgang errötete.
+
+»Ich denke, Herr Regnitz, Sie setzen sich neben mich. Hier ist noch ein
+Stuhl frei.«
+
+Ich saß und fühlte meinen Sinn ein wenig umnebelt.
+
+»Sind Sie verwandt mit einem Herrn Regnitz, der vor zwei Jahren in Athen
+Attaché war?«
+
+»Das war mein Bruder, gnädige Frau.«
+
+»Nicht möglich! ... Ihr Bruder ...!«
+
+Und sie sprach von meinem Bruder, den sie in Athen vor zwei Jahren
+kennen gelernt hatte.
+
+»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« klang eine singende
+Stimme neben mir, während ich mich mit Frau Seyderhelm über meinen
+Bruder unterhielt, der in Athen vor zwei Jahren Attaché gewesen war. Ich
+wandte mich nicht um und konnte nicht erkennen, woher diese Stimme kam
+und ob sie mir galt. Ich sah viele Gesichter, darunter das von Wolfgang
+Seyderhelm, dessen Blick sich stets abwandte, sobald er den meinen traf.
+Ich empfand es sehr wohltuend, daß ich mich vorhin beim Eintreten nicht
+allzu ungeschickt benommen hatte und nun in ungezwungenem Tone mit
+Wolfgangs Mutter redete.
+
+»Wo ist Ihr Herr Bruder jetzt?«
+
+»Er ist im Kampf gegen die Neger gefallen.«
+
+»Oh wie traurig! Als Offizier?«
+
+»Jawohl, als Offizier.«
+
+»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« sang irgendwo eine
+Stimme.
+
+»Und Sie sind hier in unsere Stadt gekommen, um das Abiturium zu
+machen?«
+
+»Jawohl, ich war jahrelang auf dem Lande, nun will ich hier das
+Abiturium machen.«
+
+»Wolfgang erzählt, Sie seien sehr fleißig.«
+
+»Ich will mit der Schule schnell zu Ende kommen.«
+
+»So --?«
+
+Frau Seyderhelm wandte den Kopf nach einer anderen Richtung, da sie von
+dort gerufen wurde. Nun konnte auch ich mich umsehen.
+
+Neben mir saß eine junge Dame, die auf ihrem hellblauen Kleid
+Schokoladenflecke mit der Serviette abrieb. Diese junge Dame hatte
+golden schimmernde, von den Wimpern tiefbeschattete Augen,
+kastanienbraunes Haar, einen spöttisch verzogenen Mund und lange schmale
+Finger, die auf irgendeine Art an die Kälte des Winters erinnerten, an
+Elfenbein und an die Heiligtümer indischer Völker.
+
+
+
+
+ 5
+
+
+Ich schwieg beklommen, seufzte tief auf und gewann endlich den Mut zu
+fragen: »Habe ich Ihr Kleid ...? Das heißt, bin ich daran schuld, daß
+Sie ...?«
+
+Die junge Dame antwortete nicht, sondern reinigte emsig mit einer
+kleinen Serviette, die sie in warmes Wasser getaucht hatte, ihr
+hellblaues Kleid.
+
+»Ich meinte nur ...« sagte ich ratlos.
+
+Da hob die junge Dame den Kopf in die Höhe, sah mir in die Augen, wobei
+sie sich ein wenig zur Seite neigte, und begann eine Tonreihe von
+silberhellem Klang zu lachen mit listigen, schmalen Augen, mit offenem
+Munde und vielen weißen Zähnen.
+
+»Nein, _zu_ dumm! Sie haben eine Art, sich Schokolade einzugießen! Sehen
+Sie, man macht es nicht so --«
+
+Sie nahm eine Porzellankanne und ließ den Strahl von solcher Höhe in die
+Tasse fallen, daß alles um sie herum erschrocken und lachend zurückwich.
+
+»-- sondern so.«
+
+Sie verkleinerte den Strahl und ließ ihn manierlich fließen.
+
+Ich ward einem Sturm des Gelächters preisgegeben. Ein geistlicher Herr,
+der an einem andern Tisch seinen Platz gefunden hatte, beugte sich mit
+fröhlichem Augenblinzeln zur Seite und begann so herzlich zu lachen, daß
+er sein Taschentuch hervorziehen mußte. Einige Backfische kicherten und
+flüsterten, ein paar Jungens brüllten. Ja, die junge Dame mir zur Seite
+schien ein Tausendsassa zu sein, die eine ganze Gesellschaft mit ihren
+Späßen zu erheitern vermochte.
+
+Ehe ich noch etwas erwidern konnte, wurden die Stühle mit großem Lärm
+gerückt und man erhob sich. Die junge Dame tat mit der Hand noch schnell
+eine sonderbare Geste, die ich mir nur so deuten konnte: »Ein dummer
+Junge, nicht wahr?« Darauf hatte sie plötzlich, als sie von ihrem Stuhl
+aufstand, ernste und unbewegliche Züge. Die strengen Linien ihrer
+goldfarbenen Augenbrauen und Wimpern, der kunstvolle geschlossene Aufbau
+ihres kastanienbraunen Haares beherrschten mit einem Male das Antlitz.
+Die herabhängenden Arme waren eng an das Kleid gehalten und die Hände
+lagen wie erstarrt in den Falten.
+
+Wolfgang Seyderhelm trat auf mich zu und bot mir sehr herzlich die Hand.
+Ich bemerkte, daß er enganliegende graue Hosen trug, Lackstiefel, ein
+Jackett, ähnlich wie es die englischen Midshipmen zu tragen pflegen, und
+einen umgebogenen Kragen, der seinen braunen Hals freiließ. Er schien
+stolz und glücklich zu sein und hatte das Aussehen und Betragen eines
+jungen Engländers und Weltmannes.
+
+»Hast du dich mit deiner Tischnachbarin unterhalten?« fragte er.
+
+»Du meinst, mit deiner Mutter?«
+
+»Nein, ich meine mit dieser jungen Dame dort.«
+
+Er zeigte in den Salon.
+
+»Kaum. -- Wie heißt sie?«
+
+»Nina.«
+
+Ich mußte plötzlich an die Schneeberge und Weintrauben Kaukasiens
+denken, an die reine Stirne und den unvergleichlichen Gang der
+Kosakenmädchen.
+
+»Was ist's mit ihr?« fragte ich.
+
+»Sie ist Schauspielerin am Stadttheater. Eine Protegé meiner Mutter.«
+
+»Wie alt?«
+
+»Achtzehn.«
+
+Ich sah, daß man im Speisezimmer die Stühle an die Wand schob und den
+Teppich aufrollte. Ich blickte zerstreut an den Gobelins hinauf, deren
+streitende Helden sich in übermenschlichen Triumphen und Schmerzen
+gegenüberstanden. Wolfgang sprach noch, aber ich verstand nicht, was er
+eigentlich sagte. So, so ... so ... sie hieß Nina, ... welch ein süßer
+Gleichklang in ihrem Namen, ... welch ein Duft von ihrem Haar, ... ich
+begann Kopfschmerzen zu bekommen, ... wie zärtlich Wolfgang zu ihr
+hinblickte ...
+
+»Du liebst sie ja!« sagte ich laut und wußte nicht, ob ich wirklich
+gesprochen hatte.
+
+Wolfgangs Antlitz sah plötzlich aus wie überströmt von Blut.
+
+»Was sagst du?«
+
+Frau Seyderhelm stand neben uns und unterhielt sich mit dem geistlichen
+Herrn. Frau Seyderhelm stand sehr gerade da, sprach achtungsvoll, mit
+verbindlich zur Seite geneigtem Haupt, gebrauchte sehr oft die Anrede:
+Herr Pastor und hatte zu gleicher Zeit ein etwas mitleidiges Lächeln um
+den Mund, da der geistliche Herr verlegen war und nicht ganz
+ungezwungene Bewegungen zeigte.
+
+»Und morgen gehen Sie auf ihr Rittergut, meine liebe gnädige Frau?«
+fragte der geistliche Herr.
+
+»Ja, stellen Sie sich vor, Herr Pastor, -- dieser Trubel! Alle Koffer
+sind schon gepackt ... es ist ja immer wie ein Umzug! ... Aber Wolfgang
+tut das Landleben so wohl ...!«
+
+Frau Seyderhelm strich mit der Hand über ihr schwarzes Haar.
+
+»Nina geht diesmal auch mit,« sagte sie, lächelte dem Pastor sehr
+liebenswürdig zu und schritt ins Nebenzimmer.
+
+»Wie schön von dir, daß du mich eingeladen hast,« sagte ich zu Wolfgang,
+wurde ganz heiß vor Begeisterung und ging weg.
+
+Eine Dame mit einem ungeheuren Hut betrat den Empfangsraum, ruderte
+durch die Luft auf Frau Seyderhelm zu, erfüllte das Gemach mit ihren
+Begrüßungen, ihren schnellen Handbewegungen, ihrer Rührung über die
+frohe Schar, legte die Arme auf Frau Seyderhelms Schultern, küßte ihr
+jede Wange und sagte oftmals: »Meine liebe Lina.« Sie wurde von den
+Jungen mit ehrfürchtigen und ungeschickten Verbeugungen gegrüßt, von
+Wolfgang empfing sie einen Handkuß und von zwei Mädchen, vermutlich
+ihren Töchtern, sehr rasche und oberflächliche Umarmungen.
+
+Ein junger Herr, ein Student, wie man annehmen durfte, ging quer durch
+den Raum, trug mit steifem Arm die Öffnung seines Zylinderhutes nach
+Außen in der mit braunem Glacé bekleideten Hand, erschreckte jedermann
+durch seine ruckartigen Verbeugungen, saß kurze Zeit darauf von einer
+lauten Gesellschaft umgeben an einem Tisch und versuchte sich in einem
+Kunststück mit zwei Gläsern, einer Teetasse und einem silbernen Löffel.
+
+ * * * * *
+
+Eine Dame in einem schwarzen, bis an den Hals geschlossenen Kleide, die
+blaß und hübsch war und hungrige graue Augen hatte, wahrscheinlich die
+Gesellschaftsdame irgend eines der jungen Mädchen, ließ sich am Flügel
+nieder und begann einen Walzer zu spielen. Die Mädchen bekamen rote
+Köpfe und setzten sich ziemlich nervös auf die Stühle an der Wand. Die
+Knaben standen in den Türrahmen, ordneten ihre Krawatten, ihre
+Schuhbänder, ihre Frisuren und bemühten sich sorglos auszusehen.
+
+Irgendeiner von ihnen, ein kecker Bursche, der den Teufel nach Rotwerden
+und Schüchternsein fragte, forderte als erster eines der Mädchen auf.
+Andere folgten. Wolfgang trat von irgendwoher auf Nina zu, lächelte,
+ohne sich zu verbeugen, und zog sie mit sich fort. Die Jungen tanzten
+mit vielen Sprüngen und Witzen, schlugen die Beine nach hinten aus, so
+daß man ihre Stiefelsohlen zu sehen bekam, und hielten ihre Tänzerinnen
+mit steifen Armen, da sie die Berührung des Fleisches fürchteten. Die
+Mädchen bewegten sich ruhiger und hatten versonnene Augen und ein
+süßliches Lächeln auf den Lippen. Wolfgang und Nina sahen jugendlich und
+glücklich aus; sie schienen schon oft miteinander getanzt zu haben, und
+waren ihrer Bewegungen sicher. Nina neigte ihr Haupt ein wenig zu Boden,
+was ihrem schlanken, hochgestellten Körper etwas Verträumtes und
+zugleich Preziöses gab.
+
+Es war recht heiß. Ich fühlte mich elend und doch glücklich und trank
+sehr viel Limonade. Frau Seyderhelm stand mit einem Male vor mir, wie
+stets sehr gerade und beinah mädchenhaft schlank, die edlen Hände über
+der Gürtelschnalle gekreuzt, mit heiteren Augen und reiner Stirn. Sie
+nannte mich oftmals »mein lieber Herr Regnitz« und blickte, da ich
+verwirrte Antworten gab, mütterlich lächelnd über die froh sich
+bewegenden Kinder hin.
+
+Der Student tanzte jetzt mit Nina, nannte sie »mein gnädigstes Fräulein«
+und benahm sich in jeder Beziehung wie ein Student, der zu einer
+Backfischgesellschaft geladen ist und dort mit der einzigen erwachsenen
+jungen Dame tanzt. Sein Zylinder stand irgendwo in der Ecke auf einem
+Stuhl und schwankte grinsend hin und her.
+
+Der geistliche Herr erzählte der Dame mit dem großen Hut, daß Ihre
+Hoheit Prinzessin Clementine am vorigen Sonntag in der Kirche sehr blaß
+ausgesehen habe und augenscheinlich an Kopfschmerzen leide; welche
+Bemerkung seine Dame mit einem kurzen, nervösen Gähnen, einem verlegenen
+Hinunterschlucken und einem ehrfurchtsvollen »Gewiß, Herr Pastor«
+erwiderte.
+
+Irgendein Mädchen, ein braves Kind mit dickem lustigen Gesicht und roten
+Händen forderte mich auf, mit ihr zu tanzen; ich lehnte mit strenger
+Stirne und finsteren Blicken ab. Sie schüttelte den Kopf, lachte leis,
+so daß sich ihre Nase in viele Falten zog, sagte: »Nein, so etwas!« und
+verschwand mit einem andern, wobei sie den Hals ihres Tänzers mit den
+Armen umschloß und die guten dicken Finger auf seinem Nacken faltete.
+
+Wolfgang bat die Dame mit dem großen Hut und den exzentrischen
+Bewegungen um einen Tanz. Die Dame sträubte sich ein wenig, sprach sehr
+viel von ihrem Alter und vom Muttersein in die leere Luft und sagte
+endlich zu. Man klatschte im Takt zu ihrem Tanze und bereitete sich
+alsdann zur Quadrille vor.
+
+Ich begann mich mit irgend jemandem über unsere Lehrer zu unterhalten;
+ich war witzig, der Bengel lachte und verbeugte sich darauf vor mir.
+
+Wolfgang trat auf mich zu.
+
+»Du tanzt nicht?«
+
+»Nein. Danke.«
+
+»Nie?«
+
+»O doch.«
+
+»Magst du heute nicht?«
+
+»Nein. Danke.«
+
+Nina stand neben ihm.
+
+Sie sah mich neugierig an.
+
+»Sie tanzen nicht?«
+
+»Nein, heute nicht.«
+
+Ninas Augen waren stetig auf mich gerichtet. Ich betrachtete das
+kastanienbraune Haar und bemerkte, daß es im Schein der kristallenen
+Lustres leuchtete.
+
+»Sie werden jetzt mit mir Quadrille tanzen. Warum stehen Sie immer an
+der Wand? Das schickt sich doch nicht für einen jungen Herren von Ihren
+Qualitäten!«
+
+»Wollen Sie sich bitte nicht um mich bekümmern, wie?«
+
+Wolfgang bekam große Augen.
+
+»Aber Regnitz, bitte, was ist denn --?«
+
+Nina lachte herzlich, zeigte ihre weißen Zähne, legte die elfenbeinerne
+Hand auf Wolfgangs Arm und sagte:
+
+»Du, der ist aber grob!«
+
+Darauf wandte sie sich mir zu, machte ein hochmütiges Gesicht, senkte
+die Lider, so daß es aussah, als ob sie schliefe, und sagte in einem
+näselnden Ton:
+
+»Also bitte, -- wollen Sie jetzt meinen Arm nehmen?«
+
+Ich fühlte eine Schwäche in den Gliedern, während ich den rechten Arm
+bog.
+
+»O, das ist nett!« sagte Wolfgang mit seinem liebenswürdigen Lächeln.
+»Wir werden in einem Karree tanzen.«
+
+Wir gingen in den Saal.
+
+Der Student stürzte auf Nina zu.
+
+»Aber, gnädigstes Fräulein haben _mir_ ja ... das heißt, wenn Sie
+vorziehen ...«
+
+Er schwitzte und verbeugte sich. Ich bemerkte, daß er nach Mediziner im
+zweiten Semester roch.
+
+»Ach, Herr Doktor, ... ich hatte schon Herrn Regnitz vorher versprochen,
+die Quadrille mit ihm zu tanzen. Verzeihen Sie.«
+
+Wir gingen weiter. Der Student war von diesem Augenblick an in jeder
+Beziehung erledigt. Er war fertig, hingerichtet, gleichsam mausetot ...
+
+Die Dame am Klavier mit den hungrigen Augen spielte die Aufforderung zur
+Quadrille. Das Karree bildete sich. Ich steckte eine Hand in die
+Hosentasche und machte ein gleichgültiges Gesicht.
+
+»Entschuldigen Sie,« sagte ich.
+
+»Bitte?«
+
+Nina begann sich mit dem Geistlichen zu unterhalten, der plötzlich neben
+ihr stand. Sie schauspielerte Ehrfurcht und war sehr schüchtern. Ich
+wurde rot. Sie wandte sich um:
+
+»Was sagten Sie eben?«
+
+»Vielleicht hören Sie zu, wenn ich mit Ihnen spreche!«
+
+»Sie sind manierlos.«
+
+»Ich bat um Entschuldigung wegen vorhin.«
+
+»Sie können gleich um Entschuldigung bitten >wegen jetzt<.«
+
+Ich schwieg. Mein Gott, warum war ich nur so ungezogen! Ein weinerliches
+Etwas stieg in meine Nase empor.
+
+Wolfgang trat uns gegenüber und sprach mit seiner Cousine, einem
+schüchternen Mädchen von außergewöhnlicher Schönheit. Er winkte uns mit
+der Hand zu.
+
+Die Quadrille begann.
+
+Nina verbeugte sich tief vor ihrem Nachbarn, darauf vor mir. Ihre Lider
+bedeckten wiederum die Augen, die langen Wimpern berührten die roten und
+weißen Wangen, das feurige Haar warf seinen Duft zu mir, die
+elfenbeinernen Hände lagen wie unbeseelt in den Falten des blitzenden
+Kleides. Sie war im Augenblick, da sie sich neigte, ein Götterbild, das
+in Betrachtung zum Buddha versunken ist, eine indische Statue aus
+farbigem Stein ... Ich beugte mich noch tiefer, sah ihre blauen schmalen
+Schuhe und dachte: Süße Nina, süße Nina.
+
+Ich gab fleißig acht und tanzte gut. Ich tat keine überflüssige Geste
+und bewegte mich ruhig. Von Zeit zu Zeit sagte Nina:
+
+»_Visite à gauche!_« oder »Jetzt dort!« oder »Passen Sie auf, Sie können
+nur grob sein!« Aber sie schien zufrieden.
+
+»Es geht ja ganz gut,« bemerkte sie einmal.
+
+»Gewiß,« erwiderte ich stolz.
+
+Ich sah, daß Nina und Wolfgang sich beim _moulinet des dames_
+zulächelten, sobald sie sich trafen. Wolfgang sprach viel zu uns hin und
+unterhielt das ganze Karree. Er hatte das Aussehen eines vornehmen
+Pagen, der bei Hof die Schleppe der Königin hält.
+
+Mich überfluteten, sobald ich Nina die Hand reichen mußte, Ströme von
+Zärtlichkeit und Anbetung. Ich beobachtete, daß ihr Fuß beim Auftreten
+die Form nicht veränderte. Ich liebte sie, -- o mein Gott, _wie_ ich sie
+liebte! Ich begann zu fiebern und wurde von Angst ergriffen. Ich dachte
+daran, daß ich heute abend allein in meinem Zimmer sein würde. Irgend
+etwas müßte bis dahin geschehen, irgend etwas, das mich mit einem
+unerhörten Glück erfüllte, ein Blick von ihr, ein Wort, ein Kuß ...
+
+»Sie sind unaufmerksam. Passen Sie auf -- _vis-à-vis_!«
+
+Ich sah einem blonden Mädchen in die Augen, verbeugte mich und trat mit
+Nina zurück.
+
+»Was spielen Sie?«
+
+»Wie?«
+
+Wir wurden getrennt.
+
+»Ich meine, was Sie im Theater spielen?«
+
+Ich tanzte an drei jungen Mädchen vorbei, gab einer jeden die Hand und
+verbeugte mich wieder vor Nina.
+
+»Hebbels Clara.«
+
+»Ah ...«
+
+Ich kannte Hebbel.
+
+Ich verbeugte mich vor Wolfgangs Tänzerin.
+
+Dann stand ich wieder vor Nina.
+
+»Kennen Sie Maria Magdalena?« fragte Nina.
+
+»Ja.«
+
+Ich ging mit den drei Herren _en avant_ und verneigte mich vor Nina.
+
+»Sie sollten lieber Ihre Schulaufgaben machen.«
+
+Ich begann zu lachen, wie verrückt zu lachen, zog das Tuch hervor, bekam
+Tränen in die Augen, fand mich albern, mußte aus der Reihe treten und
+störte den ganzen Tanz. Nina hob die Lider, und es war, als ginge der
+Vorhang im Theater auf.
+
+»Was haben Sie?«
+
+Ich begann zu beben und zu frieren, meine Zähne schlugen aneinander, ich
+hatte das Gefühl, daß ich totenblaß sei.
+
+»Sie sind herrlich!« sagte ich.
+
+Ich wußte nicht mehr, was ich sprach. Ich hatte Fieber, nichts als
+Fieber, und Angst vor meinem einsamen Zimmer ...
+
+Die Reihen ordneten sich wieder, man lachte, ärgerte sich und tanzte
+weiter. Die letzten Takte spielte die Dame am Klavier in rasendem Tempo.
+Man fand sich nicht mehr zurecht, und alles verwirrte sich. Ich lief
+umher, fühlte Schauer in meinem Körper und hatte das Bedürfnis, etwas zu
+zerbrechen. Der Quadrillenwalzer ertönte, man schloß sich in die Arme.
+Ich verbeugte mich vor Nina, aber sie dankte.
+
+Ich führte sie aus dem Saal hinaus. Darauf ward es dunkel vor meinen
+Augen. Ich wurde schwindlig und hielt mich an einem Türpfosten. Mit
+einem Male war ein Bild vor mir: die Mittagssonne über einer
+teppichfarbenen Landschaft des mittleren Deutschlands, der Duft von Korn
+und gemähten Wiesen, und blaue Berge in der Ferne.
+
+Nina lachte, ein singendes, verstehendes, unendlich grausames und süßes
+Lachen:
+
+»Sie taumeln, Herr Regnitz! -- Ist Ihnen schlecht?«
+
+»Nina, ich liebe Sie.«
+
+Ich sah sie an, -- sie, dieses indische Götterbild mit den gesenkten,
+zur Betrachtung geneigten Augen, mit der unvergleichlich bleichen und
+edlen Stirne, mit den elfenbeinernen Händen und dem farbigen, wie von
+Edelstein und Gold blitzendem Gewande, sah diese Lippen aufeinander
+gepreßt, süß und streng, -- bereit, Worte zu sprechen, die den Gläubigen
+vernichten oder aufheben:
+
+»Sie sind verrückt.«
+
+Sie ging fort, mit elastischem stolzem Schritt, wandte plötzlich den
+Kopf um, zeigte mir ein entzückend frisches und amüsiertes
+Mädchengesicht, lachte, lachte eine Reihe makelloser Töne, zog eine
+kleine goldene Uhr aus dem Gürtel, ließ den Deckel aufspringen und
+sagte:
+
+»Es ist übrigens schnell gegangen. Sie sind um fünf Uhr gekommen; jetzt
+ist es vier Minuten vor sechs.«
+
+Aus der Ferne, aus einer Schar lärmender Menschen heraus hörte ich sie
+noch einmal lachen ...
+
+Wolfgang trat schnell auf mich zu.
+
+»Ist dir etwas? Du siehst nicht wohl aus. Willst du den Wagen haben?«
+
+Ich sah mich um und lächelte matt.
+
+»Lieber, welch ein Gefühl!«
+
+Ich gab ihm wie im Traum die Hand.
+
+Plötzlich ermannte ich mich, stürmte hinaus, ohne Gruß, ohne Blick, riß
+den Hut im Korridor vom Riegel und erreichte den Park. Ich lief wie
+gejagt durch die Straßen und hielt mich endlich an einem Gitter fest.
+Atemlos, die Brust erfüllt von einem qualvollen Glück, begann ich wie
+ein Kind zu schluchzen, wie ein kleines, ungezogenes Kind.
+
+
+
+
+ 6
+
+
+Am nächsten Tage wachte ich um fünf Uhr morgens auf. Ich lief im Hemd
+ans Fenster. Die Straßen waren leer, aber auf den Dächern lag warmes
+Morgenlicht und in den Bäumen am Rande des Bürgersteiges zwitscherten
+die Spatzen.
+
+O mein Gott, welch ein Gedanke, ich hatte Ferien, ich hatte fünf Wochen
+Ferien!
+
+Ich eilte in das Badezimmer und öffnete dort die Brause. Da fiel mir
+mitten im kalten Wasser etwas ein ... Was war denn gestern geschehen?
+... War nicht gestern etwas Besonderes vorgefallen? ... Ich war auf
+einer Gesellschaft gewesen ... bei Wolfgang Seyderhelm, ... dort befand
+sich eine junge Dame ... mit goldfarbenen Augen und feurigem Haar ...
+eine Art Gottheit ... ein Backfisch ... Wie hieß doch gleich diese Dame?
+... Nun, wir wollen keine Komödie spielen, wir wissen sehr gut, wie
+diese Dame hieß ... Nina, ... jawohl, Nina hieß sie, ... und dann war
+ich aus der Gesellschaft weggelaufen ... und hatte mich blamiert, ... O
+weh! o weh!
+
+Verwirrt streckte ich die Arme nach dem Kelch der Brause aus, ließ mir
+das Wasser ins Gesicht laufen und rief beglückt in das Geplätscher
+hinein: Süße Nina, süße Nina.
+
+Ich sprang in das Badetuch und zog mich an. Ich sah das Sonnenlicht sich
+langsam über die Häuser senken. Hallo, war ich nicht jung? Meine Heimat,
+-- ach, meine Heimat war überall da, wo es warme Landstraßen gab mit
+schönem weißem Staub, Kirschbäume, schwere Kornfelder. Nina, -- ach,
+Nina war irgend eine junge Dame, ein Spuk, ein Ding ohne Zusammenhang
+mit meinem Leben ...
+
+Ich nahm meinen Ranzen, stopfte Hemden, Strümpfe, die »Versuchung des
+Pescara«, Taschentücher, zwei alte Brötchen hinein und lief die Treppe
+hinunter.
+
+Noch waren die Straßen leer. Hier und da zeigte sich ein verschlafen
+aussehender Bäckergeselle mit listigem Gesicht, ein mürrischer Arbeiter
+auf dem Rad, ein von der Nachtkälte durchfrorener Polizist, sonst
+niemand. In den einsamen Gassen hörte ich nur den Klang meiner Schritte
+und meines Stockes.
+
+Bald hatte ich die letzten Häuser erreicht und sah meine Felder sich im
+Sommermorgenlicht ausbreiten.
+
+Ich ging mit leichtem Fuß und leichtem Herzen die Landstraße hinunter.
+Es kamen Bauernwagen, die zum Markte in die Stadt fuhren, und neben den
+Kutschern saßen eifrig bellende Hunde, es kamen ganz, ganz kleine
+Mädchen, die sich an der Hand hielten und mit putziger Eilfertigkeit in
+ihre Schule trabten; eine Bäuerin tauchte auf, trug einen Korb mit Eiern
+auf dem Kopf und sah wie eine Bäuerin aus dem Bilderbuche aus; darauf
+eine Horde Jungens, die alle ohne Ausnahme nackte Füße und geflickte
+Hosen hatten, und endlich auch ein Mann mit einer Kuh und einem
+Hündchen.
+
+Schon war ich im ersten Dorf. Dort war bereits jedermann auf den Beinen.
+Ein Fuhrmann kam mit der Peitsche in der Hand aus der Schenke, wischte
+sich den Bart und kletterte mit vielen unverständlichen Worten auf den
+Bock; ein schlanker Terrier lief bellend auf mich zu, -- als ich ihm ein
+Stück meines Brots zeigte, sprang er an mir hoch; ein Kind lachte
+irgendwo, und ich wanderte weiter.
+
+Die Sonne stieg. Mir zur Seite erschienen Dörfer mit Kirchtürmen und
+leuchtend weißen Grabsteinen und verschwanden hinter teppichweichen
+Hügeln.
+
+In einem schönen Kirchdorfe machte ich Halt. Ich ging zu einem Bäcker,
+der am Laden eine eiserne Brezel hatte, und kaufte mir Brot und Kuchen.
+
+»Wohin geht's, junger Herr?«
+
+»Nach Fürstenau und immer weiter.«
+
+»Und immer weiter -- das ist ein gutes Stück Wegs. Na, wenn man junge
+Beine hat!«
+
+Ich errötete, ich weiß nicht, warum, bezahlte, schüttelte ihm die Hand,
+sprang an den Brunnen, trank mit Begierde das kräftigschmeckende Wasser
+und marschierte weiter.
+
+Es wurde heiß. Ich schlief einige Stunden im Schatten eines Baumes und
+wanderte dann in den schönen Nachmittag hinein. Über das weite hügelige
+Land glitten zeitweis tiefe und schnelle Wolkenschatten. Ein ganz
+leichter Wind erhob sich und kühlte mich wunderbar. Mir war, als trügen
+mich die Lüfte des Nachmittags über abwechselnd beglänzte und
+beschattete Gefilde. Lag ich nicht auf einer weichen Wolke und trug mich
+diese Wolke nicht in entferntere und schönere Gebiete?
+
+Kurz nachdem die Sonne hinter einem Hügel entschwunden war und mit einem
+Mal die des Sonnenantlitzes beraubte Landschaft wie in einem ungeheueren
+Schrecken zu erbleichen, ja zu sterben schien, erblickte ich, der ich
+auf einem Berge stand, zu meinen Füßen eine Stadt. Ein alter Turm ragte
+in die starr-silberne Luft hinein, und seine Wächter schienen
+silbergraue Vögel, die mit bösem, hastigem Flügelschlage ihn umkreisten.
+Flache Hügel umgaben die Stadt, niedere Weinberge, die ein bescheidenes
+Landgetränk erzeugten; mitten unter den Reben lag der umgitterte
+Friedhof. Meinem Auge gegenüber wandte sich die Straße, die Stadt
+verlassend, nach Westen, lief an den hellen Bergen entlang und durch
+gläserne Wälder, stieg empor in den erblaßten Himmel und verlor sich in
+der offenen Landschaft, andere Städte mit neuen Türmen und späterem
+Lichte zu erreichen. Zwischen Kornfeldern und gleißenden Wiesen, die der
+zweiten Mahd harrten, sah ich Erntewagen der Stadt zustreben. Eine
+Glocke läutete, läutete unablässig, und es war, als sei diese Stadt,
+diese Höhenzüge, diese silberne Spätnachmittagsluft wie überschwemmt von
+schwellenden, sich auflösenden und wieder schwellenden Tönen.
+
+Ein alter Mann stieg keuchend die Höhe zu mir herauf. Er trug einen
+schwarzen, eng anliegenden Taillenrock und eine graue großkarrierte
+Hose, die weit über die bestaubten Schuhe fiel. Er schien dem steilen
+Weg gram zu sein.
+
+Ich lüftete den Hut.
+
+»Ist dies da Fürstenau?«
+
+Der alte Mann trocknete sich mit einem roten Tuch, einer Art Fahne, die
+Stirn.
+
+»In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so ist es ganz bestimmt
+Fürstenau.«
+
+Er lächelte böse und ging weiter.
+
+>Welch eine sonderbare Art sich auszudrücken!< dachte ich. >Spricht man
+so in unserer Zeit? »In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so
+ist es ganz bestimmt Fürstenau.« So spricht man in einem
+Shakespeareschen Lustspiel!<
+
+Ich eilte den Berg hinab und empfand dabei die Freude eines Wanderers,
+der von der Höhe das Ziel seines Tages sieht.
+
+Als ich durch das Tor in die Stadt trat, war mit einem Mal der silberne
+Zauber wie zerbrochen, und Abendrot lag auf den Gassen. Hochbepackte
+Erntewagen, in der golden durchleuchteten Fülle leise schwankend, fuhren
+darüber hin und zeitweis bog einer von ihnen in den Hof ein. Auf den
+Pferden saßen hübsche, nacktfüßige Bauernjungen, die mit den Peitschen
+knallten, an den Häusern emporsahen und nachlässig zu den offenen
+Fenstern hinaufnickten, zu den Mädchen ...
+
+>War es vor tausend Jahren hier anders?< dachte ich. >Ernte und
+Glockengeläut und Menschen? ... Die vor tausend Jahren waren, mich
+trennt nur ein weniges von ihnen, nur die Zeit ... Ach, was ist Zeit!
+... Ich will hier bleiben! ...<
+
+ * * * * *
+
+Bald saß ich in einem Garten vor meinem Abendbrot und erfreute mich,
+sobald ich den Blick hinwegwandte, an den rosigen Bergen und den tiefer
+beleuchteten Gassen. Ein Mädchen mit braunen, zum Kranz geflochtenen
+Strähnen schenkte mir den Wein ins Glas und lächelte dazu mit frischem
+Munde ... Ein Gedanke kam mir ... fort damit ... Gespenster! ...
+
+Ich stand alsbald auf, bestellte mir eine Kammer für die Nacht und ging
+nachlässig, die Hände in den Hosentaschen, durch die Stadt. Ich wünschte
+jedem Mädchen einen guten Abend, und begann mit einigen von ihnen
+dadurch ein Gespräch, daß ich mich nach allerhand Dingen erkundigte, die
+mir völlig gleichgültig waren, -- wo der Schmied wohne, ob die Heuernte
+dieses Jahr gut gewesen sei. Ich war an diesem Abend ziemlich frech ...
+
+Bei Anbruch der Nacht kehrte ich in mein Gasthaus zurück. Als ich die
+Stiege hinaufschritt, die von einem Windlicht schwach erhellt war,
+begegnete ich dem Mädchen mit dem Lächeln um die frischen, feuchten
+Lippen. Ich gab ihr die Hand, bezahlte gleich, da ich früh am Morgen
+aufbrechen wollte, und ging in mein Zimmer. Ich setzte mich auf den Rand
+des Bettes und grübelte. Mit einem Male kam eine tiefe Traurigkeit über
+mich, ich wußte nicht, woher. Ich trat ans Fensters. Da rauschte unter
+mir der tiefe Mühlbach, und über mir spannte sich der Sommerhimmel voll
+von Sternen. Noch hörte ich zwei Männer irgendwo miteinander sprechen,
+noch hörte ich eine Tür im Haus und einen späten Wagen auf der Gasse,
+dann ward es still um mich.
+
+In dieser Stille breitete die Liebe ihre Flügel aus. Sie drückte mich an
+ihre Brust. Ich taumelte und fühlte einen Schmerz wie nie zuvor.
+
+ * * * * *
+
+Ich weiß nicht recht, wie alles gewesen war. Ich weiß nur, daß ich
+plötzlich an Nina dachte, die ich den ganzen Tag vergessen hatte. Ich
+sah sie vor mir, sah ihr Haar, ihre Augen, ihren Gang, ihre Hände, sah
+sie tanzen, mit Wolfgang Seyderhelm tanzen, ... ich hatte Angst, ... das
+Zimmer war so eng und heiß, ... tödliche Angst ... Ich nahm Stock, Hut
+und Ranzen und stürzte hinaus in die dunkle Luft. Die Haustür war noch
+offen. Ein Hund knurrte leise, aber ich entlief ihm schnell. Ich rannte
+durch die Gassen, durch das Stadttor, die Straße entlang, dann einen
+Seitenweg, durch Gebüsch, einen Hügel hinauf, ... ich keuchte sehr, ...
+ich fiel zu Boden und blieb liegen.
+
+... Ich war müde und gehetzt, ich war so müde! Ich fühlte meine Jugend
+von mir gleiten und hatte qualvolle Träume. Ich weiß noch, daß ich
+einmal im Halbschlaf emporfuhr: da lag unter mir die Stadt und das
+dunkle Land, der Mühlbach leuchtete hier und dort im Mondlicht auf, ...
+um meinen Hügel ging ein leichter Wind, ... ich sank zurück ... in Traum
+und Schlummer. Aber schlummernd sah ich immer wieder das dunkle Land mit
+der Stadt, die silbernen Stücke des Baches, ... Sterne, viel Sterne ...
+und Nina ...
+
+
+
+
+ 7
+
+
+Ich bin noch einige Tage so gewandert, aber ich wurde nicht mehr
+fröhlich. Ein Sonntag kam, ich sah die Bauern zur Kirche gehen, trat mit
+ihnen ein und hörte die Predigt, ich sah die Burschen und Mädchen
+hernach in ihren übermütigen Tänzen und empfand am Abend auf der Straße
+die feierliche Stille des scheidenden Sonntages. Aber das alles freute
+mich nicht. Der verworrene Geist war von der Liebesleidenschaft erfaßt
+und kannte nur noch Trauer, Eifersucht, Haß und Träumerei. Ich wollte
+nicht mehr an Nina und Wolfgang denken, ich wollte nie mehr an sie
+denken. Ich sagte mir Gedichte auf, hielt als ein Prinz vor der
+Versammlung von Fürsten eine verwegene Rede, dichtete eine Ode an den
+Kaiser, -- aber selbst das erhabene Gewand der Majestät verwandelte sich
+mir bald, ward ein blitzendes, hellblaues ... mit Schokoladenflecken ...
+
+Am vierten Abend meiner Wanderung zog ich mutloser denn je meine Straße
+entlang. Ich wollte an diesem Tage noch eine größere Stadt erreichen,
+dort einige Zeit verweilen, um dann dem nahen Gebirge zuzueilen. Aber
+irgend ein schöner Baum oder ein sehnsüchtig winkender Kirchturm hätte
+genügt, mich von meinem Wege abzulenken. Wer in der Welt fragte danach,
+ob ich einen Nachmittag unter schattigem Gesträuch verträumte und den
+»Pescara« las oder irgendwo auf staubbedecktem Wege schritt?
+
+Ich blieb vor einem Weiser stehen, der mir zur Seite in das offene Land
+hindeutete. Da war geschrieben: Nach Strelow 3 km, nach Wiesenau 4,5 km.
+Ich las die Worte gedankenlos. Irgend etwas lockte mich, von meiner
+Straße abzubiegen. Was aber war es? Strelow? Ich hatte diesen Namen nie
+gehört. Wiesenau? Ich hatte diesen Namen nie ... Wie? ... Eine
+Erinnerung ... Wiesenau ... Wiesenau ... da war schon wieder alles
+entwichen ... ich schüttelte den Kopf. Wohl zwanzigmal sprach ich nun
+das Wort Wiesenau aus, in der Hoffnung, die Erinnerung möchte mich noch
+einmal erleuchten. Doch jede Mühe war vergebens: es war ein totes Wort.
+
+Schon war ich in die neue Landschaft eingebogen. Es hatte wohl die
+Wochen vorher geregnet, denn überall standen kleine schwarze Teiche, aus
+denen einzelne Bäume, Fichten und Birken, hervortauchten. Endlos
+langgezogene violette Abendwolken spiegelten sich in diesen Teichen und
+gaben ihnen von ihrer Farbe. Soweit mein Blick reichte, sah ich nichts
+anderes als bunte, prächtige Wiesen mit großen Blumen und die schwarzen
+und violetten Teiche, aus denen einsame Bäume hervorwuchsen. Krähen
+flogen zuweilen schreiend darüber hin, um noch vor Nacht die fernen
+Wälder zu erreichen.
+
+Als ich durch Strelow kam, läutete die Glocke den Abend ein. Ich blickte
+durch ein Fenster; ein alter Bauer saß da, hatte die Brille auf der
+Nasenspitze und las in einer Zeitung. Eine Frau trug eine Bank in ihr
+Haus. Der Pfarrer ging durch den Ort und ward von allen gegrüßt; auch
+ich grüßte. Ein Trupp Jungens lief zu Gott weiß welchem Abendstreifzug
+...
+
+In einigen Zimmern brannte ein Licht. Sollte ich hier rasten? Es begann
+zu dunkeln. Draußen konnte ich nicht gut schlafen, der Boden schien
+feucht, auch war es ein wenig kühl. Aber die Lichter in den Häusern
+machten mich traurig, und ich fühlte, daß mich im Zimmer wieder meine
+Angst ergreifen würde.
+
+Ich eilte zum Dorf hinaus. Allein bei den letzten Häusern blieb ich
+beklommen stehen: über die Landschaft hatte sich die Dämmerung gesenkt
+und mit tiefem, dunklem Blau die gespenstischen Bäume, das
+Weidengesträuch an den blinkenden Teichen und die Getreidefelder
+umhüllt; von oben leuchteten durch blaues Licht einige Sterne; nichts
+unterbrach die Stille als das trostlose Quaken der Frösche und das
+Flüstern des Kornes, wenn der Wind darin rauschte.
+
+Ich ging durch die Dämmerung und fühlte mich liebevoll von der Straße
+fortgelockt, umsponnen mit einem blauen Netz. Ein Traum von großer
+Innigkeit berührte mich, mir war, als sei er alt und von jedermann zu
+irgendeiner Zeit geträumt. Um meine Augen legte sich ein Flor, meine
+Füße strauchelten oft ...
+
+>Könnt' ich doch viele Stunden dieses blaue Licht durchschreiten! Wenn
+nur die Füße nicht ermüden wollten ...!<
+
+Aber ach, schon winkten ja am Wegesrand nächtliche Kastanien zu
+Schlummer und Traum! ... Ein Park begann, umgittert, ... eine Allee ...
+Und hier, -- waren hier nicht bronzene Löwen, die in dreifach geteilte
+Becken silbernes Wasser spieen? War es nicht einschläfernd und süß?
+
+Wie, stand dort nicht ein Haus vor mir, ein Schloß, mit einer
+erleuchteten Altane und bläulich schimmernden Stufen?
+
+Bin ich nicht neugierig herangeschlichen, ... leise, ... ganz leise, ...
+und sah ich dort nicht all die Menschen, die ich liebte? ... Die Mutter
+... mit dem Sohn ... und meine schöne Freundin Nina?
+
+
+
+
+ 8
+
+
+Mit pochendem Herzen und heißen Wangen stand ich im Dunkeln und blickte
+auf die Veranda. Nina arbeitete an einer festgespannten Stickerei und
+sprach dabei mit Wolfgang, der die Hände um ein Knie geschlungen hatte,
+eine Zigarette rauchte und zeitweise aus einem Glase trank. Frau
+Seyderhelm schrieb einen Brief. Manchmal hob sie den Kopf und warf
+einige Worte in die Unterhaltung der beiden ein. Ich konnte nicht
+verstehen, was gesprochen wurde.
+
+Ich sah Ninas Profil und ihre Hände. Wie zart sie war! Ja, war sie nicht
+anbetungswürdig? Süße Nina! ... Ich machte eine Bewegung.
+
+Da rief Nina laut:
+
+»Wolfgang, ich bitte dich, -- draußen steht jemand.«
+
+Ich hielt den Atem an.
+
+>Wenn ich hier entdeckt werde, ersteche ich mich.<
+
+Wolfgang beugte sich hinaus und rief:
+
+»Es ist niemand hier ... Du bist recht schreckhaft!«
+
+O -- gerettet!
+
+Frau Seyderhelm hatte ihren Brief beendet, man plauderte angeregt. Ich
+sah, wie die Mutter einmal ihrem Sohne lächelnd mit dem Finger drohte.
+Nach einer Weile legte Nina ihren Stickrahmen fort, packte ihre
+Nähsachen in einen Pompadour und stand auf. Sie gab erst Frau Seyderhelm
+die Hand, dann wechselte sie einige Worte mit Wolfgang, -- sie schienen
+etwas zu verabreden, -- ließ ihre Hände auf seinen Schultern ruhen, gab
+ihm einen leichten Backenstreich und trat in die Zimmer hinein. Wolfgang
+küßte seine Mutter, die ihm über das Haar strich; mir war, als sprächen
+sie von Nina, denn sie sahen nach der Türe; dann gingen beide hinaus. --
+Eine Magd erschien einige Augenblicke später auf der Veranda, räumte die
+Sachen auf, zog die Markise in die Höhe und stellte die Gartenmöbel zur
+Seite. Sie nahm die Lampe und verschwand.
+
+Alles war finster um mich herum. Oben im Schloß sah ich mehrere
+erleuchtete Fenster. Ich hörte zuweilen Schritte, dann wurde alles
+still.
+
+Langsam löste ich mich aus meiner Erstarrung und ging durch den Park.
+Ich empfand nicht viel: ein wenig Erstaunen, ein wenig Schmerz, ein
+wenig Müdigkeit und ein wenig Glück ... Ich wollte weiter wandern. Was
+sollte ich hier? Niemand würde mir glauben, daß ich zufällig hierher
+gekommen sei, ... aber da hörte ich wieder die süße, einschläfernde
+Melodie der plätschernden Brunnen. Gedankenlos legte ich mich nieder, zu
+Füßen eines bronzenen Löwen. Ich faltete die Hände hinter dem Kopf und
+blickte in den Himmel, wo die Milchstraße ihren Triumphbogen über das
+Firmament spannte. Ich fühlte, daß der Schlaf mich übermannen würde, und
+wollte doch wachen und nachdenken. Ich ward traurig und erinnerte mich
+der Worte des Herrn: »Könnet ihr denn nicht Eine Stunde mit mir wachen?«
+-- Noch einmal sah ich zu den erleuchteten Fenstern im Schloß, dann fiel
+ich in Traum. Schlafend spürte ich die Kälte der Nacht und zog mein Cape
+eng um mich. Und in meinen Traum drang immer wieder das Plätschern des
+Wassers, ... das Plätschern des Wassers.
+
+
+
+
+ 9
+
+
+Es mochte gegen fünf Uhr morgens sein, als ich erwachte. Mein erster
+Blick galt dem Schloß vor mir, in dessen Fensterscheiben die Morgensonne
+purpurrot leuchtete. Ich sprang empor; mein Gesicht und meine Kleider
+waren naß vom Tau. Ich machte einige Bewegungen mit den Armen und
+stampfte mit den Füßen, denn meine Glieder waren wie erstarrt. Dann
+wusch ich mich in einem der bronzenem Becken und klopfte die Kleider ab.
+Nur weiter, immer weiter, fort von hier ...
+
+Als ich bereit war zu marschieren, lehnte ich mich an einen Baum; ich
+wollte noch einmal mit einem langen Blick dieses geliebte Schloß
+umfangen.
+
+Da ... was war das? ... Ein Fenster öffnete sich, ... ich trat zurück
+... Wolfgang, ... im leichten Morgenkleid. Er beschattete mit der Hand
+die Augen, sah zum Himmel und reckte die Arme in die junge Luft hinein.
+Dann verschwand er; bald jedoch erschien er wieder, nahm einen Stock und
+klopfte leise mit der metallenen Spitze an das benachbarte Fenster.
+Lange Stille ... Dann öffnete sich das Fenster ... Nina ... Sie gaben
+einander die Hände. Wolfgang setzte sich auf das Fensterbrett und
+deutete nach dem Horizont. Nina gähnte ein wenig und beide lachten.
+
+Da war mir, als müsse ich einen Panzer von meiner Brust reißen. Ich bog
+mit beiden Händen die Sträucher auseinander, und meine helltönende
+Stimme rief den Aufhorchenden zu:
+
+ »An jedem Morgen, eh des Hahnen Krähn
+ Die Menschheit weckt, steh ich im tiefen Grunde,
+ Muß durch die Luft nach Burg und Felsen spähn.
+
+ Noch lieget Dunkelheit auf meinem Tal,
+ Da gibt von Osten das Gestirn mir Kunde,
+ Und in dem Fenster oben spielt ein Strahl.
+
+ Es taucht in Licht das trotzige Gestein,
+ Und wächst und starrt und höhnet meiner Qual,
+ Bald reckt es in den Himmel sich hinein --
+
+ Willst du dich heute nicht am Fenster zeigen,
+ In Morgenklarheit dich vom Traum befrein?
+ Willst du das Haupt nicht freundlich zu mir neigen?
+
+ Mich tötet dieses dunklen Tales Schweigen.«
+
+Kaum hatte ich geendigt, als Nina ihrem Freunde mit hochgezogener Stirne
+langsam, ja perfide langsam das Antlitz über die Schultern zuwandte und
+die beiden Handflächen fragend, chokiert und spöttisch nach außen bog.
+Wolfgang aber schien sich nicht darum zu kümmern; er warf das Fenster
+heftig zu, ich hörte ihn eine Treppe herunterstürmen, und einen
+Augenblick später kam er -- notdürftig mit einem Hemde, einer Hose und
+einem Paar Sandalen bekleidet -- durch den Garten auf mich zugelaufen.
+
+»Walter Regnitz! Lieber Walter Regnitz!«
+
+Er umarmte mich stürmisch; er war blaß vor Erregung.
+
+»Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Wir erwarten dich schon seit
+drei Tagen!«
+
+Wie? Man erwartete mich?
+
+Wir wandten uns zum Schloß.
+
+»Ich habe eine Fußwanderung gemacht und diese Nacht im Garten
+geschlafen.«
+
+Wolfgang legte erschrocken seine Hand auf meinen Arm.
+
+»Du hast in unserm Garten geschlafen? Bist du toll?«
+
+Und dann nach einer Pause, die er mit ratlosen Gebärden ausfüllte:
+
+»Ja, warum bist du aber nicht ins Haus gekommen?«
+
+Ich wurde etwas rot.
+
+»Ja ... weißt du, ... ich kam spät hier an ... und da wollte ich nicht
+stören ...«
+
+Ich grüßte zu Nina hinauf.
+
+»Ah, sieh da!« rief sie vom Fenster herunter. »Ein Dichter! Ein
+Troubadour! Sie verlangen gewiß Ihren Lohn!«
+
+Sie nahm aus einem Wasserglas helle Rosen und zerblätterte sie mit den
+weißen Fingern. Mir fielen diese Blätter auf Kopf, Schultern und Hände,
+der ich betroffen, glücklich und verlegen in einem duftenden Blumenregen
+stand.
+
+»Denk' dir, Nina, er hat diese Nacht im Garten geschlafen!«
+
+Nina lachte, -- ihr singendes, gefährliches und verstehendes Lachen.
+
+»Sie sind ein echter Minnesänger, Herr Walter von der Regnitz!« rief sie
+und warf vier volle weiße Rosen zu mir herab. Ich fing eine von ihnen
+auf und führte sie höflich und gefaßt an meine Lippen.
+
+»Und Sie, gnädiges Fräulein, eine echte Herzenskönigin.«
+
+Ich hörte noch einmal, wie Nina tief belustigt lachte und darauf das
+Fenster schloß.
+
+Wolfgang zog mich ungeduldig die Stufen zur Veranda hinauf.
+
+ * * * * *
+
+Wolfgang stand halb angekleidet vor seinem Eimer und putzte sich eifrig
+und andauernd die Zähne.
+
+»Wie findest du sie?« fragte er mich, der ich auf einem Stuhl saß und
+ihm zusah.
+
+»Wen?«
+
+»Nina.«
+
+Er nahm einen Schluck Wasser, gurgelte und spuckte kräftig.
+
+Ich schwieg.
+
+»Nun?« fragte er.
+
+»Oh, ganz nett!« sagte ich endlich.
+
+»Sie ist herrlich!« rief er begeistert und begann von neuem zu gurgeln.
+
+Plötzlich warf er die Zahnbürste fort, drehte sich schnell um und legte
+seine Hände auf meine Schultern.
+
+»Was hast du neulich gesagt?« fragte er.
+
+»Ich? Wann?«
+
+»Neulich, bei unserer Gesellschaft.«
+
+»Ich habe vermutlich viel gesagt.«
+
+»Nein, du hast gar nicht viel gesagt. Du lehntest dich an einen
+Türpfosten und fragtest mich, wie alt Nina sei. Und plötzlich ...«
+
+»Nun?«
+
+»Und plötzlich sagtest du, als ob du geistesabwesend seiest: Du liebst
+sie ja!«
+
+Er wandte sein Gesicht schnell dem Spiegel zu und zog Kamm und Bürste
+aus der Lade.
+
+Ich war erschrocken.
+
+»Habe ich das wirklich gesagt?«
+
+Wolfgang beschrieb mit dem Kamm eine weite phantastische Figur und
+erklärte begeistert:
+
+»Du bist ein großer Menschenkenner, Walter! Ich habe sie wirklich sehr
+gern ... Hör' mal, wie der Kamm knistert.«
+
+Und er hielt seinen Kamm dicht an mein Ohr. Ja, wahrhaftig, der Kamm
+knisterte.
+
+Wolfgang war mit seiner Toilette fertig. Er trug ein hellgraues, eng an
+den Hüften liegendes Sommerjackett mit schwarzen Kniehosen, dazu schmale
+Halbschuhe, ein weißes Sportshemde und eine leichte, seidene Krawatte.
+Er sah sehr frisch, sehr jugendlich und sehr vornehm aus.
+
+Wir gingen durch einige Gemächer und betraten das Speisezimmer. Es fiel
+mir auf, daß dieses Schloß mit einer nahezu bäuerischen Freude an bunten
+Farben eingerichtet war.
+
+Ein Diener erschien. Wolfgang bestellte Tee.
+
+»Du bist hungrig, Walter?« fragte er.
+
+»O ja!«
+
+»Also: hier ist Honig, Gelee, Sumpfdotterblumen, Schinken, Brot ... ach
+...«
+
+Er stand plötzlich auf, warf dabei seinen Stuhl hin und umarmte mich
+noch einmal:
+
+»Wie schön, daß du hier bist!«
+
+Natürlich errötete er, sprang an die Tür und schrie, der Tisch sei
+schlecht gedeckt. Der Diener kam und Wolfgang schlug sich an den Kopf.
+
+»Ich Esel! Willst du ein Beefsteak?«
+
+»Ein Beefsteak?«
+
+»Es dauert gar nicht lange. Fritz, wie lange dauert ein Beefsteak?«
+
+»Eine Viertelstunde«, war die Antwort.
+
+»Ach, Unsinn«, protestierte ich. »Was soll ich denn jetzt um halb sechs
+mit einem Beefsteak?«
+
+Wolfgang lachte und goß sich ein Glas Fachinger ein.
+
+»Prost, Walter! Du kennst unsern Stil noch nicht. Wir leben nämlich hier
+den Stil englischer Peers. Morgens _you take your steak_,« -- er
+bediente sich hierbei einer manirierten Aussprache, -- »mittags hungert
+man, das nennt man _luncheon_ und abends ißt man im _dinnerjackett_
+alles das, was man am Mittag versäumt hat. Das hat Nina hier so
+eingeführt.«
+
+Nina, immer Nina!
+
+Ich fragte unvermittelt:
+
+»Aus welcher Familie stammt sie eigentlich? Hat sie noch Eltern?«
+
+Wolfgang warf nachdenklich zwei Stück Zucker in seine Teetasse.
+
+»Weißt du, bei Nina muß man nicht fragen, woher sie kommt und wohin sie
+geht. Nina ist einfach _da_, -- verstehst du? -- einfach _da_.«
+
+Ich sah Wolfgang aufmerksam an. Schau an, dachte ich, wie klug er ist!
+Was er da eben gesagt hatte, war mir nicht fremd. Nina war einfach da,
+... sie war eigentlich ... seelenlos.
+
+»Sie ist eigentlich seelenlos,« sagte ich.
+
+Wolfgang trank seinen Tee. Er stöhnte einige Male wie ein Kind in die
+Tasse hinein, setzte sie dann ab, sprang vom Tische auf und sagte:
+
+»Jawohl, seelenlos, aber herrlich! -- Bist du fertig?«
+
+»Ja.«
+
+»Gut. Wie wäre es, wenn wir jetzt aufs Feld gingen und arbeiteten? Ich
+lasse mir nämlich jeden Abend von unserm Inspektor ein Feld anweisen.«
+
+Ich willigte in diesen Vorschlag ein. Wir zündeten uns jeder eine
+Zigarette an und gingen in den Hof. Dort holten wir uns aus einem
+Schuppen lange Forken und zogen darauf munter durch den Park.
+
+Einmal wandte ich mich um und blickte zu Ninas Fenstern hinauf. Sie
+waren fest verschlossen und die Vorhänge heruntergelassen.
+
+»Das gnädige Fräulein pflegt bis neun Uhr zu schlafen,« sagte Wolfgang,
+der meinen Blick bemerkt hatte.
+
+Ich errötete und schwieg.
+
+ * * * * *
+
+Wir sind auf dem Feld angelangt und ziehen unsere Jacken aus. Die
+Kornfelder stehen in der jungen gelbstrahlenden Sonne. Auf den heiteren
+grünen Wiesen und Weidegründen grasen die roten und braunen Kühe des
+Gutes und senden den Ton von tiefen Glocken durch das flüssige Licht. Am
+Horizont suchen auf noch beschattetem Hügel Schafe ihr Futter. Ein
+Schäfer mit einem großen Hut steht neben ihnen. Er hält den Hirtenstab
+in der ausgestreckten Hand auf die Erde gestützt, als sei er der Wächter
+dieses Tales und behüte seine Unschuld. Eine Wolke zieht langsam über
+den bleichen westlichen Himmel.
+
+»So, nun stellen wir hier die Garbenbündel auf,« sagt Wolfgang. »Du bist
+ja früher auf dem Land gewesen und weißt, wie man das macht. Immer zu
+sechs auf einen Haufen.«
+
+»Bei uns nahm man acht.«
+
+»So ... na ja, wir nehmen immer sechs. Weiß der Teufel, warum. Bald
+kommen die ersten Leiterwagen vom Gut. Dann gehen wir dort auf das Feld,
+-- siehst du es? -- und packen das Korn auf. Das macht immer sehr viel
+Spaß.«
+
+Wir arbeiten schweigend und mit gesammeltem Eifer. Die Ähren stechen
+unsere Hände wund und ihre Körner rieseln uns in Hemd und Hose. Wolfgang
+macht manchmal eine Bewegung, als habe ihm jemand kaltes Wasser in den
+Nacken gegossen.
+
+Später singt er mit klarer Stimme und deutlicher Aussprache einen
+altfranzösischen Chanson. Da ist von einem Grafen die Rede, dem es nicht
+wohl erging, weil seine Gemahlin der Majestät von Frankreich allzusehr
+gefiel.
+
+ * * * * *
+
+Bald vernehmen wir das Rollen und Klappern von Wagen, die über die
+Landstraße zu uns herauffahren. Wir haben unsere Arbeit gerade beendet,
+als wir die Rufe der Bauern hören, die mit ermunterndem Einsprechen ihre
+Pferde einige schwere Hügel erklimmen lassen. Dann ertönt das Dröhnen
+von Wagen, die über eine hölzerne Brücke fahren, und gleich darauf
+ziehen sie alle an uns vorbei. In einem der Wagen sind nur Frauen. Sie
+haben alle rote Tücher um die Köpfe geschlungen. Jedermann wünscht uns:
+»Guten Morgen!« worauf wir beinahe feierlich unsere Mützen lüften und
+den Gruß erwidern. In einem Gefährt sitzt ein hübsches junges Mädchen.
+Ich nicke ihr zu, worauf sie verlegen zu Boden sieht. Ich bin sehr
+stolz, das erreicht zu haben.
+
+Der letzte Leiterwagen wird von einem Bauernjungen gelenkt, der auf dem
+linken Pferde sitzt. Er grüßt uns, wie ein Souverain zu grüßen pflegt.
+
+»He Hans!« ruft Wolfgang. »Bleib du bei uns!«
+
+Hans steigt vom Pferd. Wolfgang legt seinen Arm auf die Schultern des
+Jungen und führt ihn zu mir heran. Die beiden stehen der Sonne entgegen,
+blinzeln, sind wohlgestaltet, blond, und -- seltsam -- sie sehen
+einander ähnlich.
+
+»Ich stelle dir hier meinen Freund Hänschen Kietschmann vor.«
+
+Der Junge macht eine Verbeugung, eine leichte, weltmännische, garnicht
+zu tiefe Verbeugung, und bietet mir die Hand, die ich schüttle.
+
+Er geht fort, um noch einige Bauern zu holen. Ich sehe ihm nach. Er ist
+schlank und groß gewachsen.
+
+Wolfgang macht ein sonderbares Gesicht und lächelt.
+
+»Nun?«
+
+»Wie?«
+
+»Ist dir etwas ... wie soll ich sagen ... aufgefallen?«
+
+»Aufgefallen? ... Nein, ... das heißt ...«
+
+Ich bin mit einem Male verwirrt.
+
+»Er sieht dir ähnlich.«
+
+Wolfgang nickt, sieht zum Himmel, zieht die Nase kraus, blinzelt,
+schluckt herunter und sagt:
+
+»Er ist mein Halbbruder.«
+
+»Wie --?«
+
+Wolfgang bewegt seine Hand in einer sehr sprechenden, etwas frivolen
+Art.
+
+»Mein Gott, ... wir vergessen, daß unsere Väter auch jung waren ... Mein
+Vater lebte hier allein ... na und ... wie das so kommt.«
+
+Er geht mit graziösem Schritt fort, um die Gabeln vom Graben zu holen.
+
+Ich schüttle den Kopf, wundere mich und vergesse im nächsten Augenblick
+alles.
+
+Wir arbeiten schweigsam fort.
+
+Hans Kietschmann steht zusammen mit einem Bauern oben auf dem Wagen und
+packt das Korn auf. Neben uns sind Weiber, die von Zeit zu Zeit
+miteinander sprechen. Ein leichter, von der aufsteigenden Sonne
+gewärmter Wind trägt aus der Richtung der anderen Wagen den Schall von
+Reden und Gelächter zu uns herüber.
+
+Es beginnt allmählich heiß zu werden. Die Augen schmerzen ein wenig; ich
+sehe nichts als flimmerndes Gelb. Die Weiber riechen nach Schweiß. Die
+Ochsen sind von Fliegen geplagt und schlagen mit den Schwänzen kräftig
+umher. Ich fühle mich sehr wohl. Nina ist vergessen, vollkommen
+vergessen. Wie süß es ist, daran zu denken, daß ich Nina so völlig
+vergessen habe.
+
+Es schlägt zwölf Uhr, wir hören mit der Feldarbeit auf, trinken Wasser
+und ziehen die Jacken an.
+
+Ich gebe Wolfgang die Hand.
+
+»Danke für den Vormittag, Wolfgang.«
+
+Wolfgang lächelt und nimmt meinen Arm. Wir gehen als Freunde zum Schloß.
+Wolfgang ist zärtlich und spricht sehr viel.
+
+
+
+
+ 10
+
+
+Nachdem wir in unsern Zimmern Gesicht und Hände erfrischt hatten,
+betraten wir die Veranda, um dort zu lunchen.
+
+Nina saß am Tisch. Sie schien sich zu langweilen und benahm sich wie ein
+kleines Mädchen, das auf seine Mahlzeit wartet.
+
+Ich betrachtete Nina von der Seite. Sie hatte ein steifes weißes
+Kattunkleid an. Ihr Hals und ihre Arme waren nackt. Auf ihrer Brust trug
+sie eine Brillantenbrosche, an der linken Hand, der elfenbeinernen mit
+den langen schmalen Fingern, leuchteten vier herrliche Saphire von
+mildem Blau. Das kastanienbraune Haar war eine Pracht, eine Krone, ein
+Akkord von rauschenden, dunklen Tönen.
+
+>Mein Gott und dennoch, was ist denn Nina? Ein kleines Mädchen, das sich
+langweilt! Aber ein Mädchen, das ich liebe? Nun ja, was ist schon dabei?
+Viele Jungens lieben viele Mädchen. Da ist gar nichts dabei.<
+
+Ich fühlte mich Nina überlegen.
+
+Ich setzte mich an den Frühstückstisch. Obwohl es sehr heiß war, hatte
+Nina einen Schnupfen, was mir ganz sonderbar vorkam.
+
+Sie führte ihr Tuch an den Mund und fragte mit einer Stimme, die heute
+noch näselnder klang als sonst:
+
+»Wo habt ihr denn eigentlich so lange gesteckt?«
+
+In diesem Augenblicke wurde es mir recht deutlich, daß Nina gar nichts
+anderes war als eine große faule schöne Katze. Ich beugte mich spöttisch
+vor bis auf die Tischplatte und sagte von unten zu ihr aufblickend:
+
+»Wir haben gearbeitet, -- und Sie, was haben Sie getan?«
+
+»Ich habe geschlafen.«
+
+»Ah, Sie haben geschlafen ...«
+
+»Jawohl; ich bin nämlich kein Troubadour, der wie ein Hase mit offenen
+Augen nachts im Felde schläft.«
+
+Hier betrat Frau Seyderhelm die Veranda. Sie begrüßte mich sehr
+herzlich, schalt auf das freundlichste, daß ich die Nacht draußen
+zugebracht hatte, und sprach die Erwartung aus, daß ich nun doch die
+Ferien auf Wiesenau verleben würde.
+
+Man frühstückte.
+
+Es stellte sich im Lauf des Gesprächs heraus, daß Frau Seyderhelm mir am
+Tag nach der Gesellschaft einen Brief mit der Einladung nach Wiesenau in
+die Wohnung geschickt hatte, der nicht mehr in meine Hände gekommen war.
+
+Nina begann mit einer Geschichte, die so komisch war, daß wir alle
+fürchterlich lachen mußten. Sie sprach lebhaft, mit vielen Gesten,
+erzählte vorzüglich und ward durch ihren Erfolg so angeregt, daß sich
+der Schnupfen zu verlieren schien.
+
+Wolfgang machte seiner Mutter kopfschüttelnd Vorwürfe, daß die
+Gänseleberpastete schon seit einigen Tagen nicht mehr genügend auf Eis
+liege. Dann wandte er sich zu mir und fragte mit einer kindlich hohen,
+liebenswürdigen Stimme:
+
+»Ißt du Radieschen gern?«
+
+Man hörte von Frau Seyderhelm, daß die Gräfin Königsmarck heute morgen
+dagewesen sei; man sprach dann sehr lange über die Gräfin Königsmarck.
+Nina schien sie nicht zu lieben. Wolfgang behauptete, diese Dame röche
+nach wilden Tieren.
+
+»Wolfgang, so spricht man nicht von einer Dame!« sagte Frau Seyderhelm.
+
+Nina jubelte und begann ohne den mindesten Zusammenhang eine Schilderung
+zu entwerfen, wie sie auf der Treppe meinen Ranzen gefunden und
+aufgemacht habe.
+
+»Stellen Sie sich vor, Frau Seyderhelm: er reist mit einem zerrissenen
+Hemde, einer Zahnbürste, zwei alten Brötchen und dem Werther; den
+Werther hat er in seine Socken gepackt!«
+
+Man lachte sehr. Mich erfaßte mit einem Mal der unbezähmbare Drang,
+Ninas Hand, die elfenbeinerne mit den spitzen Nägeln und der kühlen
+Haut, zu küssen. Ich bückte mich nach einer Serviette und berührte wie
+zufällig Ninas Finger mit meinen Lippen. Nina ließ es ruhig geschehen;
+sie tat, als habe sie nichts gespürt.
+
+»Es war übrigens gar nicht der Werther,« sagte ich, als ich wieder
+aufrecht saß. »Es war die Versuchung des Pescara.«
+
+Ich bediente mich mit einer kalten Reisspeise und war von meinem
+Abenteuer so aufgeregt, daß ich kaum schlucken konnte.
+
+»Oh, die Versuchung des Pescara,« sagte Frau Seyderhelm. Und sie fing
+an, sich des längeren über »Huttens letzte Tage« auszulassen.
+
+Wolfgang zog ein gelangweiltes Gesicht und schlug Nina für den
+Nachmittag eine Tennispartie vor. Sobald er mit Nina sprach, war seine
+Stimme zart und fast unterwürfig.
+
+Frau Seyderhelm hob die Tafel auf.
+
+»Schreiben Sie mir später den Namen Ihrer Wirtin auf, lieber Walter,«
+sagte sie. »Man soll uns Ihre Sachen nachschicken.«
+
+Ich küßte Frau Seyderhelm die Hand und verbeugte mich vor Nina.
+
+»Spielen Sie Tennis?« fragte Nina.
+
+»Ja, ein wenig.«
+
+Sie fuhr mit ihrer Zunge zwischen den Lippen einher.
+
+»Du reitest heute nicht mehr, Wolfgang?«
+
+»Nein; es ist zu heiß.«
+
+Ich spürte plötzlich den Duft von Ninas Körper. Ich sah ihren weißen
+Hals und erbebte.
+
+Nina lächelte.
+
+»Addio, meine Herren. Ich gehe in den Wald.«
+
+»Addio.«
+
+Wolfgang zog sich in die kühlen Räume zurück.
+
+Ich blieb auf der Veranda und sah in den Park. Nina ging langsam die
+kiesbedeckte Allee entlang, blieb zuweilen stehen, betrachtete
+mütterlich ein Blättchen, das sie mit der kühlen Hand liebkoste,
+pflückte eine Rose vom Blumenbeet und befestigte sie an ihrer
+jugendlichen Brust. Darauf verlor sie sich -- unvergleichlich ebenmäßig
+ausschreitend -- im mittäglichen Gehölz.
+
+Die Gutsglocke schlug ein Uhr. Malatesta, der Hofhund, dehnte sich
+schläfrig, beroch mißtrauisch seine Pfote und legte sich auf den Rasen.
+Der Diener räumte den Frühstückstisch ab.
+
+ * * * * *
+
+Am Nachmittag lag ich irgendwo im Wald auf dem Rücken und träumte in den
+blauen Himmel hinein. Manchmal streichelte ich den schönen Malatesta,
+der mich begleitet hatte. Es war sehr heiß. Der Hund hob zeitweise den
+Kopf, stieß, von Wärme bedrückt, den Atem aus der Kehle, ließ die Zunge
+hängen und hatte feurige Augen. Mich plagten die summenden und
+stechenden Mücken. Ich begann unruhig und gestört zu schlafen. Böse
+Träume von großer Leidenschaft und überquellender Sehnsucht verfolgten
+mich. Ich sah, wie Nina zu mir, dem Schlafenden, trat, ihr mokantes
+Lächeln lächelte und mit einem Male mütterlich, mit drängenden Händen
+und junger weißer Brust sich neigte.
+
+Der nahe Gong, der zum Tee rief, weckte mich auf. Die Sonne war tiefer
+herabgesunken; unter ihren schrägen Strahlen beruhigte sich die Welt und
+wurde kühl. Ein Wind ging durch die Bäume, der in den Blättern flüsterte
+und schluchzte. Der Hund war fortgelaufen. Ich fühlte, daß alles nutzlos
+sei und ich ewig einsam bleiben müsse.
+
+ * * * * *
+
+Gegen Abend spielten wir Tennis.
+
+Nina war biegsam, schmal in den Fesseln und schnellfüßig. Ihre Hand war
+sicher, der Schlag ihres Rackets ruhig.
+
+Wolfgang, ihr Partner, war weißgekleidet, hatte den rechten Ärmel seines
+Hemdes aufgeschlagen und zeigte einen braungebrannten, schmalen und
+kräftigen Arm.
+
+Ich gab streng auf das Spiel acht und hatte den brennenden Ehrgeiz, mich
+gut zu halten. Ich verlor das erste Match, trat beim Wechseln an das
+Netz, beglückwünschte Nina und küßte ihre Hand. Wolfgang sah mich ein
+wenig befremdet an. Nina lächelte, war unendlich liebenswürdig, legte
+einmal beim Gespräch ihre Hand auf meinen Arm und nannte mich Walter.
+Ich war rasend vor Glück, machte ein hochmütiges Gesicht und verdoppelte
+meine Anstrengungen.
+
+Mir war, als ständen Nina und Wolfgang in abendrotem Dunst und
+rosafarbenem Nebel. Jedermann von uns spielte mit streng geschlossenen
+Lippen. Nichts unterbrach das Schweigen als nur das Aufschlagen des
+Balles, das Summen des festgespannten Rackets und zeitweis ein kleiner
+Ausruf der Überraschung oder des Ärgers. Niemand zählte laut, denn jeder
+von uns wußte, wie wir standen. Frau Seyderhelm trat ans Gitter; wir
+grüßten flüchtig und spielten weiter. Frau Seyderhelm sprach mit einem
+Gärtner, deutete einmal mit der Hand auf ein Blumenbeet und wandte sich
+über unsern Eifer lächelnd zum Gehen. Ich wurde gewahr, daß sich mein
+Spiel von Minute zu Minute verbesserte. Im letzten entscheidenden Set
+gewann ich alle sechs Spiele und war somit Sieger im Match. Nina sagte
+uff und fächelte sich mit ihrem Tuch kühle Luft ins Antlitz. Als wir uns
+die Hände schüttelten, sah sie mich wie zum erstenmal an. In ihren Augen
+leuchtete mir etwas Verlockendes und Gefährliches entgegen.
+
+»Sie spielen gut,« sagte Nina. »Reiten Sie?«
+
+»Gewiß.«
+
+»Wolfgang, wir werden morgen früh reiten.«
+
+»O Nina, rede keinen Unsinn, das hast du schon zehnmal gesagt. Du stehst
+ja doch nicht um sieben Uhr auf.«
+
+»Doch, ich werde ganz bestimmt um sieben Uhr aufstehen.«
+
+Sie sah mich wieder mit ihren lockenden Augen an, wobei sie die Lider
+ein wenig zusammenzog. Mir war, als liebkosten mich die goldfarbenen
+seidenen Wimpern.
+
+»Was wird Herr Regnitz für ein Pferd reiten?«
+
+O weh, sie sagte wieder Herr Regnitz!
+
+»Willst du einen ruhigen Gaul, Walter?«
+
+»Nein, im Gegenteil.«
+
+»Gut, du sollst die Moissi haben. Eine Rappstute, weißt du. Du bekommst
+den neuen Sattel, den mir Mama geschenkt hat.«
+
+»Hören Sie zu, Walter, das ist eine unerhörte Gnade.«
+
+O -- sie sagte wieder Walter!
+
+Ich spürte in diesem Augenblick den einzigartigen Duft von Ninas
+mädchenhaftem Körper. Ich sog ihn wissend und gekräftigt ein.
+
+Der Teufel wird mir an diesem Abend wenig anhaben können. Ich habe mein
+Match gewonnen und morgen reite ich Moissi.
+
+ * * * * *
+
+Die Damen zogen sich bald nach dem Abendessen zurück.
+
+Wolfgang und ich, wir saßen noch eine Weile auf der Terrasse, fühlten
+eine angenehme Ermüdung in unsern Gliedern und tranken ein wenig _Black
+and White_ mit sehr viel Sodawasser gemischt.
+
+Wir sprachen nicht viel, sondern sahen zum reichbesternten Himmel empor
+und beobachteten die Sternschnuppen. Der Diener setzte einen Eiskühler
+neben den Tisch und verschwand.
+
+»Nina reitet gut,« sagte Wolfgang. »Ich werde ihr mal morgen den >Sekt<
+geben. Da kann sie was erleben.«
+
+Und dann, nach einer Weile:
+
+»Mama hat im vergangenen Jahr viel Sorge mit dem Stall gehabt. Weißt du,
+der Rotz ... Na, jetzt ist es vorbei ...«
+
+»So?«
+
+»Ja, jetzt sind sie wieder alle gesund. Einer ging ein. Na, meinetwegen,
+mir lag nichts an ihm. Ein Wallach.«
+
+Ein Knecht schritt mit einer Laterne durch den Garten. Wir sahen dem
+unruhigen Licht nach.
+
+»Komisch,« sagte Wolfgang plötzlich, »wir kennen uns erst seit sechs
+Tagen.«
+
+»Ja.«
+
+Eine Stille.
+
+»Du bist immer so hochmütig. Hast du was?«
+
+»Nein. Garnichts.«
+
+Eine Stille.
+
+»Du mußt in den Herbstferien herkommen und hier mit uns jagen.«
+
+»Danke. Ja.«
+
+Mir stieg ein Gedanke auf.
+
+»Jagt Nina auch?«
+
+»Ja, sie schießt sehr gut. Sie hat gar keine Angst.«
+
+»Wie schön.«
+
+Ich sah ein Bild vor mir: Nina mit dem unvergleichlichen Gang der
+Kosakenmädchen durch den Wald schreitend, die Büchse in der Hand, mit
+spähenden Augen und grausamen Lippen.
+
+»Wie schön,« wiederholte ich.
+
+Ein Stern glitt in mächtiger und graziöser Bewegung durch den
+erleuchteten Raum.
+
+»Hast du dir etwas gewünscht?« fragte Wolfgang.
+
+»Ja.«
+
+»Was denn?«
+
+»Mehr Whisky.«
+
+Wolfgang lachte und schenkte ein.
+
+»Na, Mama wird morgen Augen machen über unsere Sauferei. Prost!«
+
+»Prost!«
+
+Wir schwiegen lange.
+
+»Man muß das Leben mit gesunden Händen anfassen.«
+
+Wolfgang sah mich unsicher an. Dann sagte er verlegen:
+
+»Ja.«
+
+Wir beobachteten zwei Fledermäuse.
+
+»Was denkst du über die Frauen?« fragte ich.
+
+»Über welche Frauen?«
+
+»Ich meine ... fändest du etwas dabei, wenn Jungens wie wir ... ein
+Verhältnis haben?«
+
+»Nein ... ja, das heißt ... es kommt darauf an!«
+
+Wolfgang lachte ein wenig hilflos.
+
+Ich stand auf und bot ihm die Hand.
+
+»Wir sollten recht lange Zeit Freunde bleiben,« sagte ich sehr herzlich.
+
+Auch Wolfgang erhob sich. Er schüttelte meine Hand kräftig, und es lag
+in dieser Bewegung etwas eigentümlich Ritterliches.
+
+»Ja, das sollten wir wirklich,« erwiderte er in demselben Ton.
+
+»Gute Nacht, Wolfgang.«
+
+»Gute Nacht, Walter, -- und danke für alles.«
+
+Ich ging in mein Zimmer.
+
+
+
+
+ 11
+
+
+Wir reiten zu dritt im abgekürzten Galopp -- von Hans Kietschmann
+gefolgt -- über eine jüngst gemähte Wiese, deren Heu naß und ohne Duft
+ist. Wir reiten Schulter an Schulter und achten streng darauf, daß die
+Linie eingehalten wird. Jeder von uns beschäftigt sich schweigend mit
+seinem Pferde, beobachtet den gebogenen Tierhals und übt auf jeden Druck
+den Gegendruck der Schenkel aus.
+
+Manchmal sehe ich zu Nina hin. Das feurige Haar lodert wie eine Flamme,
+wie ein Triumph unter dem schwarzen Hut hervor; die weißen Kinderzähne
+beißen auf die feuchte Unterlippe, die unbedeckten Hände erfassen die
+Zügel des unruhigen Pferdes mit freudiger Kraft. Unausgesetzt richtet
+Nina die verliebten Blicke auf den Kopf des Pferdes, das in großzügiger
+Bewegung galoppiert. Ich sehe mit Vergnügen, daß der schlanke Körper mit
+den säulenstarken hohen Beinen und der jugendlichen weichen Brust sich
+entzückt der Bewegung des schnaubenden und wiehernden Tieres hingibt und
+niemals die Verbindung mit ihm verliert.
+
+Es geschieht einige Male, daß Sekt sich nahe an meine Stute drängt und
+Ninas Fuß den meinen berührt.
+
+Hatte ich nicht die ganze Nacht von der einen Minute geträumt, in der
+Nina ihren Fuß auf meine Hand setzen würde, um das Pferd zu besteigen?
+Und war ich nicht, als sie es wirklich getan, verwirrt und mit pochendem
+Herzen davongestürzt?
+
+Sekts Gangart wird von Augenblick zu Augenblicke länger. Der Schimmel
+und seine Herrin freuen sich des wie unbegrenzten Raumes, der
+morgendlichen Luft und der würzigen Gerüche des Feldes.
+
+Ich sehe unsicher zu Wolfgang hin, der immerfort mit tiefer Stimme auf
+den Schimmel einspricht:
+
+»Ruhe! -- Sekt! -- Ruhe! -- Ohlala -- Ohlala!«
+
+Meine Moissi geht leichtfüßig mit. Wolfgangs nicht so belebtem Fuchs
+wird es schwer, die Linie einzuhalten.
+
+»Ruhe, Fräulein Nina!« sage auch ich jetzt. »Bitte abgekürzter Galopp!«
+
+Aber Nina hört nichts. Sie sieht verzückt, mit nassem, erregtem Munde
+und blinkenden Augen auf den Schimmel und beißt mit den weißen Zähnen
+auf die Lippe.
+
+»Gib auf die Sporen acht!«
+
+In diesem Augenblick tut Sekt, den irgend etwas erschreckt hat, einen
+kleinen Sprung, Nina kommt mit den Sporen an die Weichen, der Schimmel
+wirft den Kopf mit einer schmerzlichen Gebärde in die Höhe und geht
+durch.
+
+Moissi folgt sofort. Wolfgang und Hans Kietschmann bleiben zurück.
+
+ * * * * *
+
+»So, Fräulein Nina ... jetzt Ruhe, nur Ruhe!«
+
+Die Pferde rasen über das Feld. Die Morgensonne erhebt sich
+gelbstrahlend über einem Hügel und blendet uns.
+
+»Rechte Kandare ziehen! ... Sekt, Ruhe!«
+
+Nina richtet das Tier mit allen Kräften nach rechts.
+
+Wenn ihr nur nichts geschieht! ... Nein, sie ist ruhig. Es geschieht ihr
+nichts.
+
+»Mehr rechts, immer mehr rechts! ... Fort vom Stall! ...«
+
+Sieh da, sie ist zufrieden, sie ist hingegeben dieser einzigartigen
+Geschwindigkeit, dieser goldenen Flucht durch den Morgendunst.
+
+»Noch mehr rechts! ... Bravo, Fräulein Nina! Noch mehr!«
+
+Wir beschreiben mit unserem Ritt eine Kurve.
+
+»Reitpeitsche fortwerfen!«
+
+Nina läßt die Peitsche fallen.
+
+Ich bekomme über meine Stute Gewalt, meine Knie und Schenkel sind
+unausgesetzt an den Sattel gepreßt. Ich drücke den Rappen an Nina heran.
+
+»Noch einmal nach rechts ... sehr gut! ... Noch einmal! ... Ah, er läßt
+nach ...«
+
+Ich beuge mich vor und greife in Ninas Zügel. Der Schimmel erschrickt,
+bäumt sich, -- ich packe den Halfter und der Schimmel steht.
+
+Nina lacht, ein nervöses, schreiendes, jubelndes Lachen.
+
+Ich steige von meinem Pferd, um Sekt liebkosend zu beruhigen. Ein
+unerklärlicher Gram erfaßt mich, ich spreche kein Wort, sehe Nina nicht
+an und bebe vor Schmerz und Zorn ...
+
+Wolfgang erreichte uns endlich. Er lacht.
+
+»Bravo Nina! -- Nichts geschehen?«
+
+Nina schüttelt den Kopf.
+
+»Ein schöner Unsinn, dieses Biest da mit Sporen reiten zu lassen!« sage
+ich scharf und böse.
+
+Wolfgang zieht ein beleidigtes Gesicht.
+
+»Nehmen Sie die Sporen ab!« herrsche ich Nina an, ohne hinaufzusehen.
+
+Wolfgang und Hans steigen von den Pferden.
+
+»O -- Sie sind zornig, Walter!« ruft Nina.
+
+Ich blicke auf. Ninas Augen lachen, aber sie ist blaß, sehr blaß, und
+ihre Lippen zittern nervös.
+
+»Nehmen Sie jetzt bitte die Sporen ab.«
+
+Hans befreit Nina von den Sporen und reitet zurück, um auf der Wiese die
+Reitpeitsche zu suchen. Ich stecke die Sporen in meine Tasche.
+
+Wir reiten im Schritt weiter und erreichen ein belichtetes Gehölz.
+Unsere Tiere sind ermüdet und zufrieden. Sie gehen in großen Schritten
+durch den Wald und spähen an den stolzen Fichtenstämmen stolz vorbei.
+Wir sind schweigsam und schlecht gelaunt.
+
+Mit einem Male streckt Nina die Hand nach mir hin. Da ich nicht in ihrer
+Nähe bin, fingert sie ungeduldig in der Luft herum. Ich nehme ihre Hand,
+beuge mich tief nach unten und küsse sie lange.
+
+Wie ich mich emporrichte, sehe ich, daß Nina mit lächelndem Antlitz und
+feuchten goldenen Wimpern nach der andern Seite blickt. Wolfgang ist
+blaß geworden und hält die Augen gesenkt. Hans reitet irgendwo
+hinterher.
+
+Wir erreichen, ohne ein Wort zu sprechen, nach einer Stunde den Gutshof.
+Die Pferde sind naß und wollen ihr Futter. Ich grüße Nina mit dem Hut
+und gehe ins Haus.
+
+
+
+
+ 12
+
+
+Wir fuhren am Abend mit einem leichten Jagdwagen ins Gebirge. Frau
+Seyderhelm war im Schloß geblieben, da sie Besuch erwartete.
+
+Wir saßen auf der Terrasse eines vornehmen und einsam am Fluß gelegenen
+Hotels. Vor unseren Blicken zerflossen die kupferbraunen Abhänge und
+goldenen Bergeshäupter, die ein unaufhörlich gleitendes Licht belebte.
+
+Ich stand, noch ehe die Mahlzeit bereitet war, im Stalle bei den Pferden
+und sorgte dafür, daß sie ihr Futter bekamen. Mein Kopf war benommen,
+und meine Augen brannten. Den ganzen Tag in Ninas Kreise zu leben, den
+Hauch ihrer Lippen zu spüren, im Wagen ihren Knieen nahe zu sein und
+ihrem duftenden Haar, zu sehen, wie der Wind das helle, sich innig an
+den Körper schmiegende Sommerkleid berührte, und mit verwirrten Sinnen
+zu ahnen, vieles zu ahnen, -- ah, das alles war nicht ganz leicht zu
+ertragen.
+
+Ein Kellner meldete, das Essen sei angerichtet. Ich stieg die steinerne
+Treppe der Terrasse langsam hinauf. Die unaufhörlich wechselnden Farben
+des Abends quälten mich; ein drohendes Verhängnis war in dieser
+Bewegung, eine Unruhe ohnegleichen, eine süße und unsäglich schmerzliche
+Hast, eine Flucht und ein Jammer ohne Trost ...
+
+Als ich oben angelangt war, sah ich, wie Nina ihre Hand auf Wolfgangs
+Arm gelegt hatte. Sie schien ihn etwas zu fragen. Er beantwortete Ninas
+Frage, und sein Gesicht bekam den überaus liebenswürdigen und
+ritterlichen Zug, den ich an ihm liebte. Ein kindliches, verhaltenes
+Schluchzen stieg in mir empor.
+
+Ich setzte mich an den Tisch, Nina und Wolfgang sahen mich an.
+
+»Na Lieber? Wie gehts?« fragte Wolfgang.
+
+»Danke, die Pferde fressen.«
+
+Nina lachte und blickte fort.
+
+Ich wurde rot.
+
+Nina sprach in näselndem Ton von Trüffeln.
+
+»Sieh mal, Wolfgang, wie witzig, hier gibt es gefüllte Trüffel.
+Raffiniert -- nicht?«
+
+»Nina, du redest wie ein Kavallerieoffizier,« sagte Wolfgang, wandte mir
+sein Gesicht schräg zu und fragte in seinem kindlichen Ton:
+
+»Spricht sie nicht wie ein Gardekürassier?«
+
+Wir aßen danach Forellen. Nina verstand es gut, das zarte rosige Fleisch
+der Fische von den Gräten loszulösen. Die weißen, nun der Seele
+beraubten Tieraugen starrten ausdruckslos zu uns herauf. Nur um die
+Mäuler lag ein böser Zug, der von Todespein und letztem Kampf erzählte.
+
+Um die Zeit der späten Dämmerung trat ein Hirsch aus dem Wald des
+gegenüberliegenden Berges hervor, äugte mit einer kühnen Gebärde des
+Kopfes nach dem Hotel hin und trank aus dem Fluß.
+
+Der Geruch von Bergwasser und nassem Sand stieg zu uns empor. Allmählich
+entfaltete der dunkelnde Himmel die Schönheit der beginnenden Nacht vor
+unsern Augen. Die stolzen Gestirne wurden sichtbar; vor ihrer
+urweltlichen Starrheit wichen die wechselnden Farben des Abends besiegt
+zurück. Das Gebirge ward im funkelnden Schein groß und ehern.
+
+Wir standen nach beendetem Mahle auf und gingen über die hölzerne Brücke
+des Flusses dem andern Ufer zu. Die Nacht gab mir mitleidsvoll von ihrer
+Kühle und besänftigte mich wunderbar. Nina schien mir schöner denn je,
+aber ihre Schönheit war meinen Sinnen und meinem undeutlichen Verlangen
+entfernt. Sie ging mit ihrem weißen Sommerkleid wie durchsichtig durch
+die Nacht dahin. Auf ihren Schultern lag ein bläuliches Orenburger Tuch.
+Ihr Haar war unbedeckt und bewegte sich ein wenig im Nachtwind.
+
+Ein leises, sehnsüchtiges Tönen rief uns in den Wald. War es eine Flöte
+oder eines Mundes Klage? Wir folgten neugierig der oft entschwindenden
+und dann wieder genäherten Musik.
+
+Vor einem Bretterverschlag, dem Sammelplatz der Tiere, machten wir Halt.
+Wir sahen die Gestalt eines Mannes zwischen sternhellen Bäumen
+einhergehen, wir sahen ihn in seine Schürze greifen und -- einem Sämann
+gleich -- Eicheln und Kastanien mit einer weiten Bewegung seines Armes
+über den Waldboden streuen. Dazu pfiff er eine Melodie, eine kleine,
+sentimentale, unbeholfene und doch unendlich rührende, süße, zärtlich
+lockende Melodie. Nach einer Weile schien es, als bewege sich der Wald.
+Unhörbar, aber mit großzügigen Bewegungen und bei jedem Schritt ein
+wenig mit den Häuptern nickend, kamen wie aus einem dunkel gewebten
+Teppich Hirsche und Rehe aus der Nacht hervor, beugten sich zu Boden und
+näherten sich langsam dem lockenden Freund der Tiere. Allmählich
+entfernte sich der Mann, umdrängt von seinen zärtlichen Geschöpfen,
+ferner und ferner klang die Musik seines Mundes und löste sich endlich
+auf im Rauschen des Waldes.
+
+ * * * * *
+
+Wolfgang eilte voraus, um mit Hans die Pferde anzuschirren. Es zeigten
+sich Wolken am Himmel.
+
+Ich ging mit Nina langsam den jäh erleuchteten Waldweg entlang. Nina
+hatte wieder ihren Schnupfen und führte das kleine Tuch oftmals an den
+Mund.
+
+»Walter.«
+
+»Ja.«
+
+»Wie alt sind Sie?«
+
+»Siebenzehn Jahre.«
+
+»Siebenzehn Jahre,« wiederholte Nina.
+
+Eine Stille.
+
+»Walter.«
+
+»Nina?«
+
+»Sie werden morgen fortreisen, -- nicht wahr?«
+
+Und da sie mein Gesicht sah, hob sie beschwörend die bittenden Hände
+empor und sagte in unvergleichlich rührendem Ton:
+
+»Walter, -- Sie sind _siebenzehn_ Jahre!«
+
+Ich hatte wieder solche Angst.
+
+Ich werde mich töten, dachte ich.
+
+Eine lange Stille.
+
+»Sie werden reisen, Walter?«
+
+»Ja.«
+
+»Danke.«
+
+Ich werde mich töten. Es wird noch diese Nacht geschehen.
+
+ * * * * *
+
+Wir fuhren über Felder. Wolfgang kutschierte, wobei er manchmal einige
+Worte mit Hans wechselte. Ich saß mit Nina in der Break. Nina sprach
+viel und war nervös.
+
+Es erhob sich ein Wind und trieb große, von den Sternen erhellte Wolken
+über den Himmel. In der Ferne leuchteten Blitze.
+
+Nina klagte über den Sturm, der ihr Kopfschmerzen verursachte, und bat,
+man solle die Verschläge herunterlassen. Der Wagen hielt, die Pferde
+stampften ängstlich auf dem undeutlichen Feldwege, und Hans spannte die
+leinenen Gardinen auf.
+
+Wir waren nun von den andern durch eine Wand getrennt und sahen die Welt
+einzig durch die Öffnung über der Türe. Wir hörten von irgendwoher
+kleine Bäche rauschen, den Wind im Korn und in entfernten Wäldern
+blasen, und aufgescheuchte Enten, die schreiend nach irgend einem
+wohlgeborgenen Teiche zogen.
+
+»Sie frieren, Walter?«
+
+»Nein. Danke.«
+
+Nina hüllte sich fester in das weiche blaue Gewebe ihres Tuches.
+
+Ein Blitz zuckte.
+
+»Haben Sie den Hasen gesehen, Walter?«
+
+»Ja.«
+
+Wir fuhren über eine Brücke. Das Holz dröhnte.
+
+»Sie haben noch einen Vater, Walter?«
+
+»Ja.«
+
+»Wo ist er?«
+
+»In Skandinavien.«
+
+»Allein?«
+
+»Anny Döring ist bei ihm.«
+
+»Wie? -- Die Soubrette?«
+
+»Ja.«
+
+»Ach --!«
+
+Nina blickte mich verwundert und ängstlich an.
+
+Wie liebte sie in diesem Augenblick meinen Vater. O Nina, Nina!
+
+Ich sah lange Zeit hinaus und träumte. Ich fühlte, daß mich Nina
+unausgesetzt betrachtete. Später vergaß ich es.
+
+Eine Hand lag auf der Decke. Es war Ninas Hand.
+
+»Darf ich sie küssen?« fragte ich.
+
+Nina lachte mit einem hellen Ton. Es klang, als fiele ein kleiner
+silberner Hammer schnell auf Metall.
+
+Ich küßte die Hand und dachte dabei an den Förster, der durch den Wald
+ging und Eicheln über die Erde streute. Ich küßte keine lebendige Haut,
+sondern Wildleder, dänisches Wildleder. Ich küßte dieses Leder noch
+einige Male und ließ die Hand dann fahren. Ich empfand kein besonderes
+Vergnügen dabei und wunderte mich. Wahrscheinlich träumte ich dies alles
+nur, sonst wäre ich doch wohl anders gewesen. Ich hätte vielleicht
+geschrieen ...?
+
+Es begann langsam zu regnen. Ich streckte die Hand hinaus. Große warme
+Tropfen fielen hernieder.
+
+»Wir werden morgen nicht Tennis spielen können,« sagte ich schläfrig.
+
+»Ja,« erwiderte Nina verwundert.
+
+Ach so, ich reise ja morgen fort, dachte ich. Wie ungeschickt!
+
+Ich träumte fort, sah Steine, Wolken und Bäume vorbeieilen; oben sprach
+Wolfgang irgend etwas, was ich nicht verstand, und der Donner wurde
+stärker, immer stärker.
+
+Nein, ich werde morgen nicht fortreisen. Ich werde mich heute Abend
+töten.
+
+Schafe standen zusammengedrängt und fürchteten sich ... Sieh da, Schafe
+... »Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den
+Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde. Und siehe, des Herrn Engel
+trat zu ihnen, und die Klarheit des Herren leuchtete um sie; und sie
+fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch
+nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude ...« wie schön, -- siehe,
+ich verkünde euch große Freude! Mir war mit einem Male, als sei mein
+Körper durchströmt von gutem warmem Blut. Es war ja alles gar nicht so
+schlimm! Denn ich verkünde euch große Freude ...
+
+Da -- was war das? Eine bebende Hand griff nach meiner. Mein Traum
+zerriß -- --
+
+»Nina!«
+
+Ich schrie.
+
+»Sei still, um Gottes willen ...«
+
+»Hallo, was gibt's?« fragte Wolfgang.
+
+»Nichts. Ninas Haar im Wind ...«
+
+Ich riß Nina an mich, überflutete ihr Antlitz mit Küssen, umarmte ihre
+Kniee und biß in ihre Lippen und Hände ...
+
+»Laß ... Laß ... Du bist verrückt.«
+
+Sie stöhnte.
+
+Ich flehte unverhüllt mit meinen fiebernden Lippen auf ihren Lippen, auf
+ihren Händen, ihrem Haar, ihren Augen und ihrer jungen, jungen Brust ...
+
+O unerhörtes Glück des Aneinanderschmiegens, der verschlungenen Finger,
+der wirren, in die dunkle Luft hineingesprochenen Reden!
+
+Und dann dieses wunderbare, einzigartige Ermatten, diese tränenreiche,
+gütige Müdigkeit, ... dieses bekümmerte Suchen der Hände, ... und
+endlich diese Ruhe, diese tiefe, tiefe Ruhe! ...
+
+Wie wir einst so glücklich waren!
+
+ * * * * *
+
+Um Mitternacht stürmten die gepeitschten nassen Pferde mit rasselndem
+Wagen in den Schloßhof. Frau Seyderhelm empfing uns in der Türe. Sie war
+ein wenig müde, aber freundlich und besorgt.
+
+
+
+
+ 13
+
+
+Ich stellte mich an das Fenster meines Zimmers und sah hinaus. Blitze
+spalteten Eichen und Kiefern, und über Wälder und weite Ebenen rollten
+ihre Donner. Aus den Ställen brüllten und wieherten geängstigte Tiere,
+und Malatesta saß mit glühenden Augen in seiner Hütte vor meinem Fenster
+und heulte.
+
+Auch dies ging vorbei. Ein stetig und kühl strömender Regen spendete
+uns, den Fiebernden, Genesung. Gerüche von niegeahnter Kraft erfüllten
+die Luft, und die Tiere in den Ställen begannen ihren Schlaf. Zwei Uhr
+schlug die Glocke, aber der trübe Morgen war noch fern.
+
+Ich setzte mich an den Tisch. Ich wollte etwas Unerhörtes schreiben,
+aber ach, -- es wurden nur diese einfachen Zeilen:
+
+ Ist es denn möglich, daß wir diese Nacht
+ In einem Wagen über Felder fuhren?
+ Hab' ich geträumt? Ich sah doch einen Wald!
+ Eilten nicht Steine, Wolken, Bäume, Sterne
+ An uns vorbei, und hast du später nicht
+ -- So hab' ich _doch_ geträumt, -- und hast du nicht
+ Mir abgewandten Blicks die Hand gereicht?
+ ... Und küßte ich sie nicht?
+ Ich habe nicht geträumt. Wir fuhren nachts
+ In einem Wagen über weite Felder,
+ Es eilten stille Wolken, Bäume, Sterne
+ An uns vorbei ... Du gabst mir deine Hand ...
+ ... Ich küßte sie ... So hab' ich _doch_ geträumt?
+
+Ich packte meinen Ranzen, nahm das Blatt, stieg zu Ninas Zimmer hinauf,
+öffnete die erste ihrer beiden Türen und legte mein Gedicht auf ihre
+Diele. Dann schlich ich mich hinunter.
+
+Ich trat auf den Hof, streichelte Malatesta und dachte: Frau Seyderhelm
+und Wolfgang ... ach, Frau Seyderhelm und Wolfgang!
+
+Ich wanderte die Straße hinab, bis sich im Osten der bewölkte Tag
+ankündete. Auf einem Hügel blieb ich stehen und sah die verlassene
+bleiche Landschaft unter mir. Eine Starenkette flog durch die gereinigte
+Luft des Morgenrots.
+
+Da schlug ich mit der Stirn auf einen Baum und stürzte nieder.
+
+
+
+
+ Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München
+
+ Karl Borromäus Heinrich
+
+ Karl Asenkofer
+
+ Geschichte einer Jugend
+
+ Zweites Tausend
+
+ Geheftet 3 Mark 50 Pf., geb. 5 Mark
+
+ Süddeutsche Monatshefte, München: Wenn ich aber sagen sollte,
+ welches erzählende Buch des letzten Jahres den stärksten und
+ nachhaltigsten Eindruck auf mich gemacht hat, so müßte ich
+ Karl Asenkofer von Karl Borromäus Heinrich nennen. Das ist
+ mehr als Litteratur: jede Zeile ist erlebt, und was noch
+ wichtiger, jedes Erlebnis ist behutsam aufbewahrt! noch hängt
+ der ganze Flügelstaub an den leichten Schwingen. Ein Buch
+ von packender Ehrlichkeit, die nichts hinzu tut, und so
+ niemals den Eindruck des Beabsichtigten, Arrangierten
+ aufkommen läßt. Die letzten Gymnasial-, die ersten
+ Universitätsjahre sind kaum je so unmittelbar und überzeugend
+ wahrhaftig dargestellt worden. Als Heldin steht von der ersten
+ bis zur letzten Seite eine der ergreifendsten Muttergestalten
+ da. Dies Buch ist so ausgezeichnet, daß man vor der
+ Fortsetzung ganz Angst hat. Man möchte den Verfasser inständig
+ bitten, mit dem zweiten Teile zu warten, bis er sich dem
+ ersten an die Seite stellen kann: ja nicht zu früh, ja nicht
+ zu viel über seine augenblicklichen Erlebnisse zu berichten,
+ sondern in Gelassenheit und Demut geduldig zu warten, bis zum
+ ersten meisterlichen Bande ein zweiter von selber in Stille
+ und Sturm reif geworden ist. An dem Tag aber wollen wir uns
+ mit ihm freuen, denn an dem Tag ist unsere Litteratur um ein
+ bleibendes Werk reicher: um ein solches, das eine Generation
+ weiter gibt an die andere.
+
+
+ Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München
+
+ Korfiz Holm
+
+ Thomas Kerkhoven
+
+ Roman
+
+ Vierte Auflage
+
+ Flexibel geb. 5 Mark, steif geb. 6 Mark
+
+ »The Times«, London: »Thomas Kerkhoven« belongs almost to the
+ rank of classics like »Tom Jones« or »David Copperfield« or
+ »Pendennis«.
+
+ Rudolf Herzog in den »Neuesten Nachrichten«, Berlin: Sicher
+ ist, daß dieses Werk den besten Büchern beizuzählen ist, die
+ in den letzten Jahren erschienen sind.
+
+ Wilhelm Hegeler im »Litterarischen Echo«, Berlin: Auf jeder
+ Seite ist das Buch voll sprühender Lebendigkeit, von müheloser
+ Anschaulichkeit, amüsant und glänzend von Anfang bis zu Ende.
+
+ »Münchener Neueste Nachrichten«: Es wird seinen Weg machen;
+ denn es ist wert, den besten Dichtungen unserer Zeit an die
+ Seite gestellt zu werden.
+
+ »Berner Bund«: Ganz »verflixt gut geschrieben« ist es, mit
+ einer geradezu bewunderungswürdigen Sicherheit in der Technik.
+
+
+ Druck von Hesse & Becker in Leipzig
+
+
+
+
+
+ Anmerkungen zur Transkription
+
+
+Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert.
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Wie wir einst so glücklich waren!, by
+Wilhelm Speyer
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 59186 ***
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--- a/59186-8.txt
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-Project Gutenberg's Wie wir einst so glücklich waren!, by Wilhelm Speyer
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll
-have to check the laws of the country where you are located before using
-this ebook.
-
-
-
-Title: Wie wir einst so glücklich waren!
-
-Author: Wilhelm Speyer
-
-Release Date: April 1, 2019 [EBook #59186]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! ***
-
-
-
-
-Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed
-Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This file was
-produced from images generously made available by The
-Internet Archive.
-
-
-
-
-
-
- Wie wir einst
- so glücklich waren!
-
-
- Von Willy Speyer erschien bei Bruno
- Cassirer, Berlin 1907:
-
- Ödipus, Roman
-
-
-
-
- Wie wir einst
- so glücklich waren!
-
-
- Novelle
- von
- Willy Speyer
-
-
- Albert Langen
- Verlag für Litteratur und Kunst
- München
-
-
-
-
- 1
-
-
-Auf meinem Lande ist es Herbst geworden. Ungefähr um drei Uhr morgens
-beginnt ein kalter Regen nieder zu gehen, der erst um fünf Uhr
-nachmittags aufhört. Zur Vesperzeit kommt plötzlich und kampflos die
-Sonne hervor; ein leichtes Blau webt mit einem Male in den herbstlichen
-Bäumen, deren genäßte Blätter von der Sonne farbenreich durchleuchtet
-werden. Am Spätabend ziehen über die feuchte Erde Nebel dahin, die des
-Nachts die verblassenden, leise rauschenden Wälder umfangen. Auf diesen
-Nebeln ruht zuweilen Mond- und Sternenlicht; goldene und silberne Wolken
-fließen unaufhörlich durch das Dunkel dahin, bis es zu einem nassen und
-schleichenden Morgen tagt.
-
-Es ist seltsam zu sagen: Ich ziehe den Regen meinen anmutigen
-Herbstabenden vor. Während des ganzen Tages bleiben meine Fenster fest
-geschlossen, und ich finde ein Vergnügen darin, stundenlang im Zimmer
-auf und ab zu gehen, mit der Papierschere zu spielen, meine und meines
-Vaters Tagebücher zu lesen und immer wieder in hundertfachen Pausen dem
-Regen, dem grausamen, dem gänzlich hoffnungslosen zuzusehen. Keine
-Stimme redet zu mir aus dem strömenden Wasser, wie es bisweilen den
-Dichtern geschieht, und belustigt mich durch ihre Geschichten, --
-vielleicht durch kleine rührende Märchen, die meine Brust mit süßen
-Hoffnungen erfüllen könnten und dann ganz trostlos endigen, ... o nein,
-was mich unwiderstehlich zu dem erbarmungslosen Freunde dieser Tage
-hinzieht, ist nichts anderes als die nackte, von jeder Kunst entblößte
-Trauer und ihr schwermütiges Gefolge.
-
-Es gibt Tage, wo der Regen auch vor der Vesperstunde nicht Halt macht,
-sondern in die finstere Nacht hineinrauscht und nimmer ruhen mag. Dann
-kommt die Zeit meiner tiefsten Ängste, und es erfassen mich Gefühle, die
-ich längst vergessen wähnte: Meine vollkommene, durch keine Gunst des
-Schicksals je gestörte Vereinsamung, meine frevelhafte, durch keinen
-leuchtenden Gedanken je geweihte Eigenmächtigkeit und meine tödliche,
-tödliche Sehnsucht.
-
- * * * * *
-
-Es ist wahr, ich bin grenzenlos einsam. Daß ich dies erst jetzt fühle,
-bereitet mir eine gewisse Genugtuung, zumal wenn ich daran denke, daß es
-Menschen gibt, die Tag für Tag an ihrer Einsamkeit leiden.
-
-Aber nun, hier auf meinem Landsitz, ist es eingetreten, daß ich in den
-Regen schaue, eine ganze Weile, geruhig, mit einer leichten Traurigkeit
-im Herzen, und dann plötzlich der Gedanke mich zu Boden schmettert, daß
-es auf der ganzen Welt keine einzige Seele gibt, die mir am Tage oder in
-der dunklen Nacht je vertraut wäre.
-
-O, ich weiß, daß viele Menschen ebenso wie ich zu sprechen pflegen, --
-aber bedenken diese auch, daß sie noch von der Kindheit her eine alte,
-gebrechliche Haushälterin besitzen, die sie rührend eifrig bedient und
-mit mürrischer Zärtlichkeit an ihnen hängt, oder einen Hund, einen
-kranken vielleicht, der mit guten, getrübten Augen zu ihnen emporsieht?
-Aber ich, ich kann nicht einmal solche Geschöpfe, die Geschöpfe des
-unteren Daseins, mein Eigen nennen. Meine Haushälterin versieht ihren
-Dienst mit gleichgültiger Sorgfalt, und die Hunde des Gutes lieben
-meinen Inspektor, nicht mich.
-
-Ich habe freilich mit vielen Männern Handschlag und freundlichen Blick
-gewechselt, habe Umarmungen und Küsse mit manchen Frauen getauscht und
-bin in vieler Herren Dienst gestanden, -- was blieb mir von alledem? Das
-Herz des Söldners, seine ruchlose Einsamkeit und seine undeutliche
-Erinnerung. Denn meinem Geist sind alle Geschehnisse zerronnen, wie der
-Regen zerrinnt auf den Schieferdächern meiner Scheunen.
-
- * * * * *
-
-Ich stehe ein wenig abseits vom Sinn und Gefüge der Natur, das sei
-zugestanden, auch trage ich eine spöttische Unbekümmertheit um ihren
-Gang zur Schau. Ich befinde mich außerhalb der Kreise, die von der Natur
-um die Dinge dieser Welt, um Menschen, Tiere, Blumen, ja, um die starre
-Öde des Gesteins gezogen ward und -- ich will es nur aussprechen -- ich
-befinde mich dort nicht allzu wohl. Ich fühle mich ausgeschlossen von
-der mütterlichen Güte der Natur, die selbst dann meine tiefste Sehnsucht
-erweckt, wenn sie den andern nur grausam und sinnlos erscheint. Ich zöge
-es vor, als ihr niedrigster Knecht in Ketten zu schmachten, als, ach --
-so frei zu sein, wie ich bin ...
-
- * * * * *
-
-Ich gehe an meine Bibliothek und nehme die römischen Elegien heraus. In
-dem Kupferstich auf der ersten Seite finde ich die Worte: »Wie wir einst
-so glücklich waren.«
-
-Ich lese es und habe Tränen in meinen Augen.
-
- »Wie wir einst so glücklich waren,
- Müssen's nun durch Euch erfahren.«
-
-Es war auf einem deutschen Rittergut im Sommer, in einem Sommer voll
-gesegneter Tage; das Getreide stand hoch, vortreffliches Heu lag auf den
-Wiesen; der Himmel war am Morgen blau, mit einer glasigen Mondsichel
-über den Scheunen, und nachts leuchteten viel Sterne wie aus einem
-dunkeln, reichen und kostbaren Stoff. Ich liebte dort alle Menschen und
-ich betete mit einer jungglühenden Leidenschaft eine gewisse Dame an, --
-vielleicht war es ein Taugenichts von einer Dame. O, ich habe dies alles
-nie vergessen, ich entsinne mich sehr gut. Ich will diese Geschichte
-aufschreiben und sie dann einem Mädchen vorlesen, das irgendwo in der
-Welt lebt, einem schlanken Mädchen etwa von blondem Haar und weißen,
-milden Händen, und dieser Gedanke hat etwas unendlich Beruhigendes für
-mich. Ich erinnere mich dabei an gewisse Abendspaziergänge über die
-sanften Felder eines deutschen Rittergutes, an gewisse zärtliche und
-gütige Nächte und an die verworrenen Laute eines Fuhrmannes, der in der
-Dunkelheit den Hof erreichte und seine Pferde beim Schein der Laterne
-aus der Deichsel führte.
-
-
-
-
- 2
-
-
-Ich schauderte, als ich zum ersten Mal mit einem Wagen durch die Straßen
-dieser Stadt fuhr, in der ich die zwei letzten Jahre meiner Schulzeit
-verbringen sollte. Von den häßlichen, kalkig-weißen oder gelben
-Mietshäusern, die mit dem läppischen Stuck einer nur auf die
-Nützlichkeit gerichteten Baukunst verziert waren, wandte sich der
-gekränkte Blick zu modischen Villen, die mitten in Arbeitervierteln
-durch ihren Prunk aufgeblasen, durch ihre ärmliche Umgebung
-unschicklich, ja frech erscheinen mußten. Ein verachteter, oftmals
-bespöttelter Fluß, das Zerrbild eines Flusses, führte sein dünnes,
-unruhiges und stets getrübtes Wasser durch das Weichbild der Stadt. In
-den lichtlosen Gassen aber duckten sich zuweilen jahrhundertalte
-ängstliche Giebelhäuser, die einer seelenvollen und klaräugigen
-Vergangenheit entstammten.
-
-Der Knabe hatte seine erste Jugend auf einer Landschule zugebracht und
-war dort von erfahrenen Männern zusammen mit einer Schar unermüdlicher
-und redlicher Jungen erzogen worden. Nun stand er, einem begründeten
-Wunsche seines Vaters folgend, allein in dieser Stadt, ohne daß ihn
-irgend ein freundliches Gefühl an ihre Menschen gebunden hätte, dazu von
-einer auf dem Lande erlernten und geübten Sittlichkeit beschwert, die
-den Verkehr mit den leichtgesinnten Bewohnern der Städte verbot. So
-verschloß er sich nicht ohne einen gewissen Starrsinn den Freuden der
-Geselligkeit, gedachte mit Trauer der vergangenen Zeit und fand ein
-großes Gefallen daran, den alten Freunden in langen Briefen seine
-augenblickliche Lage mit den trostlosesten Worten zu schildern. Seine
-Stimmung ward durch den Umstand nicht verbessert, daß der Vater ihm
-Geldmittel von bedeutender Höhe zur Verfügung stellte, die weder dem
-Alter noch dem Verdienst des Sohnes ziemten.
-
-Er verachtete mit zusammengepreßten Lippen und immer strengen Zügen die
-Lehrer und Schulkameraden des Gymnasiums und sprach mit keinem von ihnen
-mehr, als die Stunde verlangte. Ihre unerzogenen Körper und die
-schlechte Artung ihrer Seelen erschreckten ihn auf das heftigste und
-stießen ihn ab. Er, nur er allein war edlen, bis zu den Sternen
-erhobenen Geistes und nur er besaß die Schönheit schnellbewegter
-Glieder. Wer von ihnen erfaßte mit so reger Seele die donnernden
-Strophen engländischer Königsdramen, die knabenhaften und verwegenen
-Reden eines jungen Prinzen vor der Versammlung von Lancasterschen
-Herzögen oder den aufrührerischen Hohn der französischen Herolde? Wer
-ward beseligt durch das tönende Gold der achäischen Panzer, durch den
-silbernen Hufschlag der streitenden, leichtberittenen Götter und durch
-das blaue, blaue Griechenland?
-
-Wie sehnte sich der bislang an Freiheit gewöhnte Knabe nach den
-Nachmittagen, die ihm durch keinen Zwang verfinstert waren! Ich denke
-besonders an gewisse regnerische Nachmittage des Herbstes. In einen
-trotzigen, der Kleidersitte widersprechenden Überwurf gehüllt, eine
-phantastische Mütze tief in das Gesicht gezogen, mit hohen schweren
-Stiefeln bekleidet, verließ er seine Wohnung und wanderte zum Stadttor
-hinaus. Bald gelangte er an den armseligen, im Regen blinden Fluß, an
-dessen Ufer er durch Weidengebüsch und dürftige Birkenwäldchen geradeaus
-schritt, um endlich die ersehnten Felder, die trüben, häßlichen und doch
-geliebten zu erreichen. Peitschte ihm der Sturm das Wasser in das
-emporgerichtete Antlitz, dann fühlte er, wie das heiß ersehnte und
-angebetete Leben seiner einsamen Brust günstig genähert war. Er warf die
-Kleider von sich, breitete den schützenden Mantel über sie und badete im
-kalten Fluß, während der Himmel seine frischen Regenstrahlen
-herniedersandte; vor Frost zitternd schwang er sich vielleicht auf einen
-Baum, um von dort in einer großartigeren als der gewöhnlichen Stellung
-Cassius in den verhängten Himmel zu heulen:
-
- Und so umgürtet, Casca, wie ich bin,
- Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt,
-
-um endlich mit geschundenem Körper, blau und naß in die Kleider zu
-steigen und gedrückt, traurig und fast ein wenig weinerlich über die
-eigene Narrheit im dunkelnden Nachmittag seinem Hause zuzuwandeln. In
-seinem Zimmer fand er dann bereits die Dämmerung vor, die vom
-Laternenschein am Fenster in zerrissenen Stücken erhellt war. Während
-vom unteren Stockwerk eine musikstudierende junge Dame ihre
-gleichmäßigen und süßen Variationen und Fugen erklingen ließ, schickte
-er sich an, den Tee zu bereiten und die Pfeife in Gang zu bringen. Von
-wundervollen Gefühlen überschlichen ließ er sich in einen Sessel nieder,
-eine angenehme Wärme durchströmte seinen Körper und seine Augenlider
-wurden schwer von Träumen. Aber sein der Wirklichkeit ebenso
-leidenschaftlich wie der Phantasie zugetaner Sinn richtete ihn bald aus
-seinen Träumen empor. Er setzte sich an den Schreibtisch, schlug seine
-Schulbücher auf und arbeitete, ohne seinen Gedanken eine Ablenkung zu
-gestatten, ernst und streng bis zum Abend.
-
-
-
-
- 3
-
-
-Die letzte Unterrichtsstunde vor den großen Ferien war beendet.
-Plötzlich, ja scheinbar ganz ohne Zusammenhang begann man ungeheuer laut
-und angeregt zu reden, man lachte, sah einander in die Augen, schüttelte
-sich die Hände, und ein jeder wünschte dem andern in weitschallenden und
-überaus herzlichen Zurufen einen fröhlichen Sommer.
-
-Ich stand wie immer abseits. Mir ward bei all dieser Freude, die wie ein
-heller Strom an mir vorbeifloß, ein wenig bedenklich zumute.
-
-Ich nahm zerstreut meinen Strohhut vom Kleiderriegel und betrachtete mit
-Interesse meine Stiefelspitzen.
-
->Jawohl,< dachte ich, >ich kann mir gut heute Nachmittag ein Paar neue
-Schuhe kaufen. Morgen reise ich ja fort. Wohin eigentlich? In meine
-Heimat? Zu meinem Vater? Er kreuzt mit seiner Jacht auf den nordischen
-Gewässern in Begleitung der schönen Anny Döring, und er hatte in seinem
-letzten Brief die Einladung für mich wohl vergessen, ... eigentlich
-hatte er einen ausgezeichneten Brief geschrieben, einen höflichen,
-zurückhaltenden und etwas frivolen Brief, und beigefügt war eine
-Bankanweisung von erstaunlicher Höhe. Jawohl, so war mein Vater.
-Übrigens war er ein vortrefflicher Herr.<
-
-Ich schickte mich an, den leeren Schulkorridor zu verlassen, als ein
-blonder, vornehm gekleideter Knabe auf mich zutrat.
-
-Da er mein abweisendes Gesicht bemerkte, blieb er zögernd stehen und
-senkte die Augen. Darauf glitt ein Lächeln von großer Anmut über sein
-Antlitz, gleich als sei er über die eigene Schüchternheit belustigt.
-
-»Meine Mutter und ich, wir würden uns sehr freuen, ... das heißt, wenn
-du Lust hast ...«
-
-Eine Stille.
-
-»Ich verstehe nicht, -- wie?«
-
-Der Knabe schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und begann
-sehr herzlich und sehr laut zu lachen.
-
-»Zum Teufel, das war eine prachtvolle Einleitung!«
-
-Er legte ungezwungen und weltmännisch seine Hand auf meinen Arm.
-
-»Lieber Regnitz, man gibt heute nachmittag bei uns eine Gesellschaft. Es
-wird vermutlich ganz witzig werden ... Jungens und Mädchen ...
-Schokolade, Tanz und so ... Meine Mutter liebt das sehr, ... willst du
-uns das Vergnügen machen?«
-
-Ich sah den Jungen erstaunt an; er gefiel mir außerordentlich. Aber ich
-hatte es mir bislang in solchem Maße zur Pflicht gemacht, die
-Schulkameraden abweisend und hochmütig zu behandeln, daß ich auch jetzt
-nicht vermochte, mein gewöhnliches Betragen mit einem freundlicheren zu
-vertauschen.
-
-»Du bist sehr liebenswürdig ... Entschuldige mich, ich habe deinen Namen
-vergessen.«
-
-»Ich heiße Wolfgang Seyderhelm.«
-
-»Ich danke dir sehr für deine Einladung, Wolfgang Seyderhelm. Leider ist
-es mir nicht möglich, sie anzunehmen, da ich heute bereits eingeladen
-bin.«
-
-Wolfgang Seyderhelm wurde etwas rot.
-
-»Sehr schade,« sagte er.
-
-Er steckte eine Hand in die Hosentasche und wies mit der andern höflich
-auf die Schultreppe:
-
-»Wir haben denselben Weg.«
-
-Wir gingen die Stufen hinunter.
-
-»Dein Bruder war Militärattaché in Athen, nicht wahr?« fragte Wolfgang.
-»Meine Mutter glaubt, ihn dort kennen gelernt zu haben.«
-
-»Jawohl, er war Militärattaché in Athen.«
-
-Ich sah zur Seite.
-
-»Was ist's mit ihm?« fragte Seyderhelm, der mich beobachtete.
-
-»Er fiel in Südwest gegen die verdammten Schwarzen.«
-
-»Oh.«
-
-Vor dem Schulgebäude stand ein leichtgefügter eleganter Wagen mit zwei
-lebhaften Apfelschimmeln. Eine junge Dame saß darin; sie trug einen
-silbergrauen Schleier, der den weichen großen Hut an den Seiten
-niederbog und auf der Brust zu einem Knoten verschlungen war. Ihre
-schmalen Hände waren mit dänischem Leder bekleidet, und ihre von den
-Wimpern tief beschatteten Augen sahen etwas mokant zu Wolfgang hin.
-
-»Ah, der Wagen!« sagte Wolfgang Seyderhelm, der zögernd stehen blieb.
-
-»Ah, deine Schwester!« sagte ich beklommen.
-
-»Nein, nicht meine Schwester.«
-
-»Nicht deine Schwester?«
-
-»Eine junge Dame unserer Bekanntschaft. Adieu, Walter Regnitz.«
-
-Wolfgang Seyderhelm grüßte. Ich dankte nicht, sondern sah auf den Wagen.
-Der Kutscher legte die Hand an den Hut, Wolfgang sprach lächelnd einige
-Worte, warf seine Schulmappe auf den Bock und stieg ein. Die Schimmel
-zogen an und das Gefährt bog im Augenblicke um die Ecke ...
-
-Ich eilte in den heftigsten Gedanken nach Haus.
-
-
-
-
- 4
-
-
-An diesem Nachmittag ging ich nicht spazieren. Ich schritt unruhig in
-meinem Zimmer auf und ab. Ich hatte weder Lust zu arbeiten noch zu
-lesen. Immer wieder kam mir Wolfgang Seyderhelms Einladung in den Sinn.
-Und mit einem Male trat aus der Wirrnis widerstreitender Gefühle ein
-leuchtender Gedanke hervor: Die Sehnsucht nach Gesprächen, nach
-scherzhafter Rede und Gegenrede, nach Tanz und Schokolade und nach einer
-gewissen jungen Dame mit einem silbergrauen Schleier und mokanten, von
-den langen Wimpern tief beschatteten Augen.
-
-Ohne Zögern kleidete ich mich um, lief zum Schuldiener und ließ mir
-Wolfgang Seyderhelms Adresse sagen. Bald fand ich mich abseits der Stadt
-vor einer großen, mitten in einem Park gelegenen Villa. Ich schellte,
-ward vom Diener ohne Verwunderung empfangen, durcheilte einige
-hellerleuchtete Gemächer und stand endlich im Eßzimmer.
-
-Eine stattliche Anzahl von Knaben und Mädchen, unter ihnen einige
-Erwachsene, saßen an drei runden Tischen, vollführten den heitersten
-Lärm, und tranken mit großem Appetit Schokolade, wozu sie ungeheuer viel
-Kuchen aßen. Ich blieb befangen stehen und suchte Wolfgang Seyderhelm.
-Die Herrschaften verstummten allmählich, man begann mich zu bemerken. Da
-sah ich am Ende des letzten Tisches Wolfgang sich erheben, der mich
-verwundert anstarrte. Von einem andern Tisch her rief eine Dame:
-
-»Nun, Wolfgang, willst du nicht deinen Gast begrüßen?«
-
-Über Wolfgang Seyderhelms Gesicht glitt ein Zug von unendlicher
-Liebenswürdigkeit und fast frauenhafter Güte. Schnell kam er auf mich
-zu:
-
-»Wie lieb, daß du kommst!«
-
-Ich erwiderte kein Wort, drückte aber stürmisch und begeistert seine
-Hand. Er faßte mich am Arm und führte mich zu der Dame, die ihm vorhin
-zugerufen hatte. Glücklicherweise begann man an den Tischen sich wieder
-zu unterhalten.
-
-»Dies hier ist mein Schulkamerad Walter Regnitz.«
-
-Die Mutter, eine noch junge Frau von schlankem Wuchs, heiteren
-italienischen Augen und hoher reiner Stirne begrüßte mich lebhaft.
-
-»Es freut mich sehr, daß Sie gekommen sind. Wolfgang hat mir viel von
-Ihnen erzählt.«
-
-Wolfgang errötete.
-
-»Ich denke, Herr Regnitz, Sie setzen sich neben mich. Hier ist noch ein
-Stuhl frei.«
-
-Ich saß und fühlte meinen Sinn ein wenig umnebelt.
-
-»Sind Sie verwandt mit einem Herrn Regnitz, der vor zwei Jahren in Athen
-Attaché war?«
-
-»Das war mein Bruder, gnädige Frau.«
-
-»Nicht möglich! ... Ihr Bruder ...!«
-
-Und sie sprach von meinem Bruder, den sie in Athen vor zwei Jahren
-kennen gelernt hatte.
-
-»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« klang eine singende
-Stimme neben mir, während ich mich mit Frau Seyderhelm über meinen
-Bruder unterhielt, der in Athen vor zwei Jahren Attaché gewesen war. Ich
-wandte mich nicht um und konnte nicht erkennen, woher diese Stimme kam
-und ob sie mir galt. Ich sah viele Gesichter, darunter das von Wolfgang
-Seyderhelm, dessen Blick sich stets abwandte, sobald er den meinen traf.
-Ich empfand es sehr wohltuend, daß ich mich vorhin beim Eintreten nicht
-allzu ungeschickt benommen hatte und nun in ungezwungenem Tone mit
-Wolfgangs Mutter redete.
-
-»Wo ist Ihr Herr Bruder jetzt?«
-
-»Er ist im Kampf gegen die Neger gefallen.«
-
-»Oh wie traurig! Als Offizier?«
-
-»Jawohl, als Offizier.«
-
-»Eigentümlich, wie Sie sich Schokolade eingießen!« sang irgendwo eine
-Stimme.
-
-»Und Sie sind hier in unsere Stadt gekommen, um das Abiturium zu
-machen?«
-
-»Jawohl, ich war jahrelang auf dem Lande, nun will ich hier das
-Abiturium machen.«
-
-»Wolfgang erzählt, Sie seien sehr fleißig.«
-
-»Ich will mit der Schule schnell zu Ende kommen.«
-
-»So --?«
-
-Frau Seyderhelm wandte den Kopf nach einer anderen Richtung, da sie von
-dort gerufen wurde. Nun konnte auch ich mich umsehen.
-
-Neben mir saß eine junge Dame, die auf ihrem hellblauen Kleid
-Schokoladenflecke mit der Serviette abrieb. Diese junge Dame hatte
-golden schimmernde, von den Wimpern tiefbeschattete Augen,
-kastanienbraunes Haar, einen spöttisch verzogenen Mund und lange schmale
-Finger, die auf irgendeine Art an die Kälte des Winters erinnerten, an
-Elfenbein und an die Heiligtümer indischer Völker.
-
-
-
-
- 5
-
-
-Ich schwieg beklommen, seufzte tief auf und gewann endlich den Mut zu
-fragen: »Habe ich Ihr Kleid ...? Das heißt, bin ich daran schuld, daß
-Sie ...?«
-
-Die junge Dame antwortete nicht, sondern reinigte emsig mit einer
-kleinen Serviette, die sie in warmes Wasser getaucht hatte, ihr
-hellblaues Kleid.
-
-»Ich meinte nur ...« sagte ich ratlos.
-
-Da hob die junge Dame den Kopf in die Höhe, sah mir in die Augen, wobei
-sie sich ein wenig zur Seite neigte, und begann eine Tonreihe von
-silberhellem Klang zu lachen mit listigen, schmalen Augen, mit offenem
-Munde und vielen weißen Zähnen.
-
-»Nein, _zu_ dumm! Sie haben eine Art, sich Schokolade einzugießen! Sehen
-Sie, man macht es nicht so --«
-
-Sie nahm eine Porzellankanne und ließ den Strahl von solcher Höhe in die
-Tasse fallen, daß alles um sie herum erschrocken und lachend zurückwich.
-
-»-- sondern so.«
-
-Sie verkleinerte den Strahl und ließ ihn manierlich fließen.
-
-Ich ward einem Sturm des Gelächters preisgegeben. Ein geistlicher Herr,
-der an einem andern Tisch seinen Platz gefunden hatte, beugte sich mit
-fröhlichem Augenblinzeln zur Seite und begann so herzlich zu lachen, daß
-er sein Taschentuch hervorziehen mußte. Einige Backfische kicherten und
-flüsterten, ein paar Jungens brüllten. Ja, die junge Dame mir zur Seite
-schien ein Tausendsassa zu sein, die eine ganze Gesellschaft mit ihren
-Späßen zu erheitern vermochte.
-
-Ehe ich noch etwas erwidern konnte, wurden die Stühle mit großem Lärm
-gerückt und man erhob sich. Die junge Dame tat mit der Hand noch schnell
-eine sonderbare Geste, die ich mir nur so deuten konnte: »Ein dummer
-Junge, nicht wahr?« Darauf hatte sie plötzlich, als sie von ihrem Stuhl
-aufstand, ernste und unbewegliche Züge. Die strengen Linien ihrer
-goldfarbenen Augenbrauen und Wimpern, der kunstvolle geschlossene Aufbau
-ihres kastanienbraunen Haares beherrschten mit einem Male das Antlitz.
-Die herabhängenden Arme waren eng an das Kleid gehalten und die Hände
-lagen wie erstarrt in den Falten.
-
-Wolfgang Seyderhelm trat auf mich zu und bot mir sehr herzlich die Hand.
-Ich bemerkte, daß er enganliegende graue Hosen trug, Lackstiefel, ein
-Jackett, ähnlich wie es die englischen Midshipmen zu tragen pflegen, und
-einen umgebogenen Kragen, der seinen braunen Hals freiließ. Er schien
-stolz und glücklich zu sein und hatte das Aussehen und Betragen eines
-jungen Engländers und Weltmannes.
-
-»Hast du dich mit deiner Tischnachbarin unterhalten?« fragte er.
-
-»Du meinst, mit deiner Mutter?«
-
-»Nein, ich meine mit dieser jungen Dame dort.«
-
-Er zeigte in den Salon.
-
-»Kaum. -- Wie heißt sie?«
-
-»Nina.«
-
-Ich mußte plötzlich an die Schneeberge und Weintrauben Kaukasiens
-denken, an die reine Stirne und den unvergleichlichen Gang der
-Kosakenmädchen.
-
-»Was ist's mit ihr?« fragte ich.
-
-»Sie ist Schauspielerin am Stadttheater. Eine Protegé meiner Mutter.«
-
-»Wie alt?«
-
-»Achtzehn.«
-
-Ich sah, daß man im Speisezimmer die Stühle an die Wand schob und den
-Teppich aufrollte. Ich blickte zerstreut an den Gobelins hinauf, deren
-streitende Helden sich in übermenschlichen Triumphen und Schmerzen
-gegenüberstanden. Wolfgang sprach noch, aber ich verstand nicht, was er
-eigentlich sagte. So, so ... so ... sie hieß Nina, ... welch ein süßer
-Gleichklang in ihrem Namen, ... welch ein Duft von ihrem Haar, ... ich
-begann Kopfschmerzen zu bekommen, ... wie zärtlich Wolfgang zu ihr
-hinblickte ...
-
-»Du liebst sie ja!« sagte ich laut und wußte nicht, ob ich wirklich
-gesprochen hatte.
-
-Wolfgangs Antlitz sah plötzlich aus wie überströmt von Blut.
-
-»Was sagst du?«
-
-Frau Seyderhelm stand neben uns und unterhielt sich mit dem geistlichen
-Herrn. Frau Seyderhelm stand sehr gerade da, sprach achtungsvoll, mit
-verbindlich zur Seite geneigtem Haupt, gebrauchte sehr oft die Anrede:
-Herr Pastor und hatte zu gleicher Zeit ein etwas mitleidiges Lächeln um
-den Mund, da der geistliche Herr verlegen war und nicht ganz
-ungezwungene Bewegungen zeigte.
-
-»Und morgen gehen Sie auf ihr Rittergut, meine liebe gnädige Frau?«
-fragte der geistliche Herr.
-
-»Ja, stellen Sie sich vor, Herr Pastor, -- dieser Trubel! Alle Koffer
-sind schon gepackt ... es ist ja immer wie ein Umzug! ... Aber Wolfgang
-tut das Landleben so wohl ...!«
-
-Frau Seyderhelm strich mit der Hand über ihr schwarzes Haar.
-
-»Nina geht diesmal auch mit,« sagte sie, lächelte dem Pastor sehr
-liebenswürdig zu und schritt ins Nebenzimmer.
-
-»Wie schön von dir, daß du mich eingeladen hast,« sagte ich zu Wolfgang,
-wurde ganz heiß vor Begeisterung und ging weg.
-
-Eine Dame mit einem ungeheuren Hut betrat den Empfangsraum, ruderte
-durch die Luft auf Frau Seyderhelm zu, erfüllte das Gemach mit ihren
-Begrüßungen, ihren schnellen Handbewegungen, ihrer Rührung über die
-frohe Schar, legte die Arme auf Frau Seyderhelms Schultern, küßte ihr
-jede Wange und sagte oftmals: »Meine liebe Lina.« Sie wurde von den
-Jungen mit ehrfürchtigen und ungeschickten Verbeugungen gegrüßt, von
-Wolfgang empfing sie einen Handkuß und von zwei Mädchen, vermutlich
-ihren Töchtern, sehr rasche und oberflächliche Umarmungen.
-
-Ein junger Herr, ein Student, wie man annehmen durfte, ging quer durch
-den Raum, trug mit steifem Arm die Öffnung seines Zylinderhutes nach
-Außen in der mit braunem Glacé bekleideten Hand, erschreckte jedermann
-durch seine ruckartigen Verbeugungen, saß kurze Zeit darauf von einer
-lauten Gesellschaft umgeben an einem Tisch und versuchte sich in einem
-Kunststück mit zwei Gläsern, einer Teetasse und einem silbernen Löffel.
-
- * * * * *
-
-Eine Dame in einem schwarzen, bis an den Hals geschlossenen Kleide, die
-blaß und hübsch war und hungrige graue Augen hatte, wahrscheinlich die
-Gesellschaftsdame irgend eines der jungen Mädchen, ließ sich am Flügel
-nieder und begann einen Walzer zu spielen. Die Mädchen bekamen rote
-Köpfe und setzten sich ziemlich nervös auf die Stühle an der Wand. Die
-Knaben standen in den Türrahmen, ordneten ihre Krawatten, ihre
-Schuhbänder, ihre Frisuren und bemühten sich sorglos auszusehen.
-
-Irgendeiner von ihnen, ein kecker Bursche, der den Teufel nach Rotwerden
-und Schüchternsein fragte, forderte als erster eines der Mädchen auf.
-Andere folgten. Wolfgang trat von irgendwoher auf Nina zu, lächelte,
-ohne sich zu verbeugen, und zog sie mit sich fort. Die Jungen tanzten
-mit vielen Sprüngen und Witzen, schlugen die Beine nach hinten aus, so
-daß man ihre Stiefelsohlen zu sehen bekam, und hielten ihre Tänzerinnen
-mit steifen Armen, da sie die Berührung des Fleisches fürchteten. Die
-Mädchen bewegten sich ruhiger und hatten versonnene Augen und ein
-süßliches Lächeln auf den Lippen. Wolfgang und Nina sahen jugendlich und
-glücklich aus; sie schienen schon oft miteinander getanzt zu haben, und
-waren ihrer Bewegungen sicher. Nina neigte ihr Haupt ein wenig zu Boden,
-was ihrem schlanken, hochgestellten Körper etwas Verträumtes und
-zugleich Preziöses gab.
-
-Es war recht heiß. Ich fühlte mich elend und doch glücklich und trank
-sehr viel Limonade. Frau Seyderhelm stand mit einem Male vor mir, wie
-stets sehr gerade und beinah mädchenhaft schlank, die edlen Hände über
-der Gürtelschnalle gekreuzt, mit heiteren Augen und reiner Stirn. Sie
-nannte mich oftmals »mein lieber Herr Regnitz« und blickte, da ich
-verwirrte Antworten gab, mütterlich lächelnd über die froh sich
-bewegenden Kinder hin.
-
-Der Student tanzte jetzt mit Nina, nannte sie »mein gnädigstes Fräulein«
-und benahm sich in jeder Beziehung wie ein Student, der zu einer
-Backfischgesellschaft geladen ist und dort mit der einzigen erwachsenen
-jungen Dame tanzt. Sein Zylinder stand irgendwo in der Ecke auf einem
-Stuhl und schwankte grinsend hin und her.
-
-Der geistliche Herr erzählte der Dame mit dem großen Hut, daß Ihre
-Hoheit Prinzessin Clementine am vorigen Sonntag in der Kirche sehr blaß
-ausgesehen habe und augenscheinlich an Kopfschmerzen leide; welche
-Bemerkung seine Dame mit einem kurzen, nervösen Gähnen, einem verlegenen
-Hinunterschlucken und einem ehrfurchtsvollen »Gewiß, Herr Pastor«
-erwiderte.
-
-Irgendein Mädchen, ein braves Kind mit dickem lustigen Gesicht und roten
-Händen forderte mich auf, mit ihr zu tanzen; ich lehnte mit strenger
-Stirne und finsteren Blicken ab. Sie schüttelte den Kopf, lachte leis,
-so daß sich ihre Nase in viele Falten zog, sagte: »Nein, so etwas!« und
-verschwand mit einem andern, wobei sie den Hals ihres Tänzers mit den
-Armen umschloß und die guten dicken Finger auf seinem Nacken faltete.
-
-Wolfgang bat die Dame mit dem großen Hut und den exzentrischen
-Bewegungen um einen Tanz. Die Dame sträubte sich ein wenig, sprach sehr
-viel von ihrem Alter und vom Muttersein in die leere Luft und sagte
-endlich zu. Man klatschte im Takt zu ihrem Tanze und bereitete sich
-alsdann zur Quadrille vor.
-
-Ich begann mich mit irgend jemandem über unsere Lehrer zu unterhalten;
-ich war witzig, der Bengel lachte und verbeugte sich darauf vor mir.
-
-Wolfgang trat auf mich zu.
-
-»Du tanzt nicht?«
-
-»Nein. Danke.«
-
-»Nie?«
-
-»O doch.«
-
-»Magst du heute nicht?«
-
-»Nein. Danke.«
-
-Nina stand neben ihm.
-
-Sie sah mich neugierig an.
-
-»Sie tanzen nicht?«
-
-»Nein, heute nicht.«
-
-Ninas Augen waren stetig auf mich gerichtet. Ich betrachtete das
-kastanienbraune Haar und bemerkte, daß es im Schein der kristallenen
-Lustres leuchtete.
-
-»Sie werden jetzt mit mir Quadrille tanzen. Warum stehen Sie immer an
-der Wand? Das schickt sich doch nicht für einen jungen Herren von Ihren
-Qualitäten!«
-
-»Wollen Sie sich bitte nicht um mich bekümmern, wie?«
-
-Wolfgang bekam große Augen.
-
-»Aber Regnitz, bitte, was ist denn --?«
-
-Nina lachte herzlich, zeigte ihre weißen Zähne, legte die elfenbeinerne
-Hand auf Wolfgangs Arm und sagte:
-
-»Du, der ist aber grob!«
-
-Darauf wandte sie sich mir zu, machte ein hochmütiges Gesicht, senkte
-die Lider, so daß es aussah, als ob sie schliefe, und sagte in einem
-näselnden Ton:
-
-»Also bitte, -- wollen Sie jetzt meinen Arm nehmen?«
-
-Ich fühlte eine Schwäche in den Gliedern, während ich den rechten Arm
-bog.
-
-»O, das ist nett!« sagte Wolfgang mit seinem liebenswürdigen Lächeln.
-»Wir werden in einem Karree tanzen.«
-
-Wir gingen in den Saal.
-
-Der Student stürzte auf Nina zu.
-
-»Aber, gnädigstes Fräulein haben _mir_ ja ... das heißt, wenn Sie
-vorziehen ...«
-
-Er schwitzte und verbeugte sich. Ich bemerkte, daß er nach Mediziner im
-zweiten Semester roch.
-
-»Ach, Herr Doktor, ... ich hatte schon Herrn Regnitz vorher versprochen,
-die Quadrille mit ihm zu tanzen. Verzeihen Sie.«
-
-Wir gingen weiter. Der Student war von diesem Augenblick an in jeder
-Beziehung erledigt. Er war fertig, hingerichtet, gleichsam mausetot ...
-
-Die Dame am Klavier mit den hungrigen Augen spielte die Aufforderung zur
-Quadrille. Das Karree bildete sich. Ich steckte eine Hand in die
-Hosentasche und machte ein gleichgültiges Gesicht.
-
-»Entschuldigen Sie,« sagte ich.
-
-»Bitte?«
-
-Nina begann sich mit dem Geistlichen zu unterhalten, der plötzlich neben
-ihr stand. Sie schauspielerte Ehrfurcht und war sehr schüchtern. Ich
-wurde rot. Sie wandte sich um:
-
-»Was sagten Sie eben?«
-
-»Vielleicht hören Sie zu, wenn ich mit Ihnen spreche!«
-
-»Sie sind manierlos.«
-
-»Ich bat um Entschuldigung wegen vorhin.«
-
-»Sie können gleich um Entschuldigung bitten >wegen jetzt<.«
-
-Ich schwieg. Mein Gott, warum war ich nur so ungezogen! Ein weinerliches
-Etwas stieg in meine Nase empor.
-
-Wolfgang trat uns gegenüber und sprach mit seiner Cousine, einem
-schüchternen Mädchen von außergewöhnlicher Schönheit. Er winkte uns mit
-der Hand zu.
-
-Die Quadrille begann.
-
-Nina verbeugte sich tief vor ihrem Nachbarn, darauf vor mir. Ihre Lider
-bedeckten wiederum die Augen, die langen Wimpern berührten die roten und
-weißen Wangen, das feurige Haar warf seinen Duft zu mir, die
-elfenbeinernen Hände lagen wie unbeseelt in den Falten des blitzenden
-Kleides. Sie war im Augenblick, da sie sich neigte, ein Götterbild, das
-in Betrachtung zum Buddha versunken ist, eine indische Statue aus
-farbigem Stein ... Ich beugte mich noch tiefer, sah ihre blauen schmalen
-Schuhe und dachte: Süße Nina, süße Nina.
-
-Ich gab fleißig acht und tanzte gut. Ich tat keine überflüssige Geste
-und bewegte mich ruhig. Von Zeit zu Zeit sagte Nina:
-
-»_Visite à gauche!_« oder »Jetzt dort!« oder »Passen Sie auf, Sie können
-nur grob sein!« Aber sie schien zufrieden.
-
-»Es geht ja ganz gut,« bemerkte sie einmal.
-
-»Gewiß,« erwiderte ich stolz.
-
-Ich sah, daß Nina und Wolfgang sich beim _moulinet des dames_
-zulächelten, sobald sie sich trafen. Wolfgang sprach viel zu uns hin und
-unterhielt das ganze Karree. Er hatte das Aussehen eines vornehmen
-Pagen, der bei Hof die Schleppe der Königin hält.
-
-Mich überfluteten, sobald ich Nina die Hand reichen mußte, Ströme von
-Zärtlichkeit und Anbetung. Ich beobachtete, daß ihr Fuß beim Auftreten
-die Form nicht veränderte. Ich liebte sie, -- o mein Gott, _wie_ ich sie
-liebte! Ich begann zu fiebern und wurde von Angst ergriffen. Ich dachte
-daran, daß ich heute abend allein in meinem Zimmer sein würde. Irgend
-etwas müßte bis dahin geschehen, irgend etwas, das mich mit einem
-unerhörten Glück erfüllte, ein Blick von ihr, ein Wort, ein Kuß ...
-
-»Sie sind unaufmerksam. Passen Sie auf -- _vis-à-vis_!«
-
-Ich sah einem blonden Mädchen in die Augen, verbeugte mich und trat mit
-Nina zurück.
-
-»Was spielen Sie?«
-
-»Wie?«
-
-Wir wurden getrennt.
-
-»Ich meine, was Sie im Theater spielen?«
-
-Ich tanzte an drei jungen Mädchen vorbei, gab einer jeden die Hand und
-verbeugte mich wieder vor Nina.
-
-»Hebbels Clara.«
-
-»Ah ...«
-
-Ich kannte Hebbel.
-
-Ich verbeugte mich vor Wolfgangs Tänzerin.
-
-Dann stand ich wieder vor Nina.
-
-»Kennen Sie Maria Magdalena?« fragte Nina.
-
-»Ja.«
-
-Ich ging mit den drei Herren _en avant_ und verneigte mich vor Nina.
-
-»Sie sollten lieber Ihre Schulaufgaben machen.«
-
-Ich begann zu lachen, wie verrückt zu lachen, zog das Tuch hervor, bekam
-Tränen in die Augen, fand mich albern, mußte aus der Reihe treten und
-störte den ganzen Tanz. Nina hob die Lider, und es war, als ginge der
-Vorhang im Theater auf.
-
-»Was haben Sie?«
-
-Ich begann zu beben und zu frieren, meine Zähne schlugen aneinander, ich
-hatte das Gefühl, daß ich totenblaß sei.
-
-»Sie sind herrlich!« sagte ich.
-
-Ich wußte nicht mehr, was ich sprach. Ich hatte Fieber, nichts als
-Fieber, und Angst vor meinem einsamen Zimmer ...
-
-Die Reihen ordneten sich wieder, man lachte, ärgerte sich und tanzte
-weiter. Die letzten Takte spielte die Dame am Klavier in rasendem Tempo.
-Man fand sich nicht mehr zurecht, und alles verwirrte sich. Ich lief
-umher, fühlte Schauer in meinem Körper und hatte das Bedürfnis, etwas zu
-zerbrechen. Der Quadrillenwalzer ertönte, man schloß sich in die Arme.
-Ich verbeugte mich vor Nina, aber sie dankte.
-
-Ich führte sie aus dem Saal hinaus. Darauf ward es dunkel vor meinen
-Augen. Ich wurde schwindlig und hielt mich an einem Türpfosten. Mit
-einem Male war ein Bild vor mir: die Mittagssonne über einer
-teppichfarbenen Landschaft des mittleren Deutschlands, der Duft von Korn
-und gemähten Wiesen, und blaue Berge in der Ferne.
-
-Nina lachte, ein singendes, verstehendes, unendlich grausames und süßes
-Lachen:
-
-»Sie taumeln, Herr Regnitz! -- Ist Ihnen schlecht?«
-
-»Nina, ich liebe Sie.«
-
-Ich sah sie an, -- sie, dieses indische Götterbild mit den gesenkten,
-zur Betrachtung geneigten Augen, mit der unvergleichlich bleichen und
-edlen Stirne, mit den elfenbeinernen Händen und dem farbigen, wie von
-Edelstein und Gold blitzendem Gewande, sah diese Lippen aufeinander
-gepreßt, süß und streng, -- bereit, Worte zu sprechen, die den Gläubigen
-vernichten oder aufheben:
-
-»Sie sind verrückt.«
-
-Sie ging fort, mit elastischem stolzem Schritt, wandte plötzlich den
-Kopf um, zeigte mir ein entzückend frisches und amüsiertes
-Mädchengesicht, lachte, lachte eine Reihe makelloser Töne, zog eine
-kleine goldene Uhr aus dem Gürtel, ließ den Deckel aufspringen und
-sagte:
-
-»Es ist übrigens schnell gegangen. Sie sind um fünf Uhr gekommen; jetzt
-ist es vier Minuten vor sechs.«
-
-Aus der Ferne, aus einer Schar lärmender Menschen heraus hörte ich sie
-noch einmal lachen ...
-
-Wolfgang trat schnell auf mich zu.
-
-»Ist dir etwas? Du siehst nicht wohl aus. Willst du den Wagen haben?«
-
-Ich sah mich um und lächelte matt.
-
-»Lieber, welch ein Gefühl!«
-
-Ich gab ihm wie im Traum die Hand.
-
-Plötzlich ermannte ich mich, stürmte hinaus, ohne Gruß, ohne Blick, riß
-den Hut im Korridor vom Riegel und erreichte den Park. Ich lief wie
-gejagt durch die Straßen und hielt mich endlich an einem Gitter fest.
-Atemlos, die Brust erfüllt von einem qualvollen Glück, begann ich wie
-ein Kind zu schluchzen, wie ein kleines, ungezogenes Kind.
-
-
-
-
- 6
-
-
-Am nächsten Tage wachte ich um fünf Uhr morgens auf. Ich lief im Hemd
-ans Fenster. Die Straßen waren leer, aber auf den Dächern lag warmes
-Morgenlicht und in den Bäumen am Rande des Bürgersteiges zwitscherten
-die Spatzen.
-
-O mein Gott, welch ein Gedanke, ich hatte Ferien, ich hatte fünf Wochen
-Ferien!
-
-Ich eilte in das Badezimmer und öffnete dort die Brause. Da fiel mir
-mitten im kalten Wasser etwas ein ... Was war denn gestern geschehen?
-... War nicht gestern etwas Besonderes vorgefallen? ... Ich war auf
-einer Gesellschaft gewesen ... bei Wolfgang Seyderhelm, ... dort befand
-sich eine junge Dame ... mit goldfarbenen Augen und feurigem Haar ...
-eine Art Gottheit ... ein Backfisch ... Wie hieß doch gleich diese Dame?
-... Nun, wir wollen keine Komödie spielen, wir wissen sehr gut, wie
-diese Dame hieß ... Nina, ... jawohl, Nina hieß sie, ... und dann war
-ich aus der Gesellschaft weggelaufen ... und hatte mich blamiert, ... O
-weh! o weh!
-
-Verwirrt streckte ich die Arme nach dem Kelch der Brause aus, ließ mir
-das Wasser ins Gesicht laufen und rief beglückt in das Geplätscher
-hinein: Süße Nina, süße Nina.
-
-Ich sprang in das Badetuch und zog mich an. Ich sah das Sonnenlicht sich
-langsam über die Häuser senken. Hallo, war ich nicht jung? Meine Heimat,
--- ach, meine Heimat war überall da, wo es warme Landstraßen gab mit
-schönem weißem Staub, Kirschbäume, schwere Kornfelder. Nina, -- ach,
-Nina war irgend eine junge Dame, ein Spuk, ein Ding ohne Zusammenhang
-mit meinem Leben ...
-
-Ich nahm meinen Ranzen, stopfte Hemden, Strümpfe, die »Versuchung des
-Pescara«, Taschentücher, zwei alte Brötchen hinein und lief die Treppe
-hinunter.
-
-Noch waren die Straßen leer. Hier und da zeigte sich ein verschlafen
-aussehender Bäckergeselle mit listigem Gesicht, ein mürrischer Arbeiter
-auf dem Rad, ein von der Nachtkälte durchfrorener Polizist, sonst
-niemand. In den einsamen Gassen hörte ich nur den Klang meiner Schritte
-und meines Stockes.
-
-Bald hatte ich die letzten Häuser erreicht und sah meine Felder sich im
-Sommermorgenlicht ausbreiten.
-
-Ich ging mit leichtem Fuß und leichtem Herzen die Landstraße hinunter.
-Es kamen Bauernwagen, die zum Markte in die Stadt fuhren, und neben den
-Kutschern saßen eifrig bellende Hunde, es kamen ganz, ganz kleine
-Mädchen, die sich an der Hand hielten und mit putziger Eilfertigkeit in
-ihre Schule trabten; eine Bäuerin tauchte auf, trug einen Korb mit Eiern
-auf dem Kopf und sah wie eine Bäuerin aus dem Bilderbuche aus; darauf
-eine Horde Jungens, die alle ohne Ausnahme nackte Füße und geflickte
-Hosen hatten, und endlich auch ein Mann mit einer Kuh und einem
-Hündchen.
-
-Schon war ich im ersten Dorf. Dort war bereits jedermann auf den Beinen.
-Ein Fuhrmann kam mit der Peitsche in der Hand aus der Schenke, wischte
-sich den Bart und kletterte mit vielen unverständlichen Worten auf den
-Bock; ein schlanker Terrier lief bellend auf mich zu, -- als ich ihm ein
-Stück meines Brots zeigte, sprang er an mir hoch; ein Kind lachte
-irgendwo, und ich wanderte weiter.
-
-Die Sonne stieg. Mir zur Seite erschienen Dörfer mit Kirchtürmen und
-leuchtend weißen Grabsteinen und verschwanden hinter teppichweichen
-Hügeln.
-
-In einem schönen Kirchdorfe machte ich Halt. Ich ging zu einem Bäcker,
-der am Laden eine eiserne Brezel hatte, und kaufte mir Brot und Kuchen.
-
-»Wohin geht's, junger Herr?«
-
-»Nach Fürstenau und immer weiter.«
-
-»Und immer weiter -- das ist ein gutes Stück Wegs. Na, wenn man junge
-Beine hat!«
-
-Ich errötete, ich weiß nicht, warum, bezahlte, schüttelte ihm die Hand,
-sprang an den Brunnen, trank mit Begierde das kräftigschmeckende Wasser
-und marschierte weiter.
-
-Es wurde heiß. Ich schlief einige Stunden im Schatten eines Baumes und
-wanderte dann in den schönen Nachmittag hinein. Über das weite hügelige
-Land glitten zeitweis tiefe und schnelle Wolkenschatten. Ein ganz
-leichter Wind erhob sich und kühlte mich wunderbar. Mir war, als trügen
-mich die Lüfte des Nachmittags über abwechselnd beglänzte und
-beschattete Gefilde. Lag ich nicht auf einer weichen Wolke und trug mich
-diese Wolke nicht in entferntere und schönere Gebiete?
-
-Kurz nachdem die Sonne hinter einem Hügel entschwunden war und mit einem
-Mal die des Sonnenantlitzes beraubte Landschaft wie in einem ungeheueren
-Schrecken zu erbleichen, ja zu sterben schien, erblickte ich, der ich
-auf einem Berge stand, zu meinen Füßen eine Stadt. Ein alter Turm ragte
-in die starr-silberne Luft hinein, und seine Wächter schienen
-silbergraue Vögel, die mit bösem, hastigem Flügelschlage ihn umkreisten.
-Flache Hügel umgaben die Stadt, niedere Weinberge, die ein bescheidenes
-Landgetränk erzeugten; mitten unter den Reben lag der umgitterte
-Friedhof. Meinem Auge gegenüber wandte sich die Straße, die Stadt
-verlassend, nach Westen, lief an den hellen Bergen entlang und durch
-gläserne Wälder, stieg empor in den erblaßten Himmel und verlor sich in
-der offenen Landschaft, andere Städte mit neuen Türmen und späterem
-Lichte zu erreichen. Zwischen Kornfeldern und gleißenden Wiesen, die der
-zweiten Mahd harrten, sah ich Erntewagen der Stadt zustreben. Eine
-Glocke läutete, läutete unablässig, und es war, als sei diese Stadt,
-diese Höhenzüge, diese silberne Spätnachmittagsluft wie überschwemmt von
-schwellenden, sich auflösenden und wieder schwellenden Tönen.
-
-Ein alter Mann stieg keuchend die Höhe zu mir herauf. Er trug einen
-schwarzen, eng anliegenden Taillenrock und eine graue großkarrierte
-Hose, die weit über die bestaubten Schuhe fiel. Er schien dem steilen
-Weg gram zu sein.
-
-Ich lüftete den Hut.
-
-»Ist dies da Fürstenau?«
-
-Der alte Mann trocknete sich mit einem roten Tuch, einer Art Fahne, die
-Stirn.
-
-»In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so ist es ganz bestimmt
-Fürstenau.«
-
-Er lächelte böse und ging weiter.
-
->Welch eine sonderbare Art sich auszudrücken!< dachte ich. >Spricht man
-so in unserer Zeit? »In der Tat, Herr, wenn ich mich recht erinnere, so
-ist es ganz bestimmt Fürstenau.« So spricht man in einem
-Shakespeareschen Lustspiel!<
-
-Ich eilte den Berg hinab und empfand dabei die Freude eines Wanderers,
-der von der Höhe das Ziel seines Tages sieht.
-
-Als ich durch das Tor in die Stadt trat, war mit einem Mal der silberne
-Zauber wie zerbrochen, und Abendrot lag auf den Gassen. Hochbepackte
-Erntewagen, in der golden durchleuchteten Fülle leise schwankend, fuhren
-darüber hin und zeitweis bog einer von ihnen in den Hof ein. Auf den
-Pferden saßen hübsche, nacktfüßige Bauernjungen, die mit den Peitschen
-knallten, an den Häusern emporsahen und nachlässig zu den offenen
-Fenstern hinaufnickten, zu den Mädchen ...
-
->War es vor tausend Jahren hier anders?< dachte ich. >Ernte und
-Glockengeläut und Menschen? ... Die vor tausend Jahren waren, mich
-trennt nur ein weniges von ihnen, nur die Zeit ... Ach, was ist Zeit!
-... Ich will hier bleiben! ...<
-
- * * * * *
-
-Bald saß ich in einem Garten vor meinem Abendbrot und erfreute mich,
-sobald ich den Blick hinwegwandte, an den rosigen Bergen und den tiefer
-beleuchteten Gassen. Ein Mädchen mit braunen, zum Kranz geflochtenen
-Strähnen schenkte mir den Wein ins Glas und lächelte dazu mit frischem
-Munde ... Ein Gedanke kam mir ... fort damit ... Gespenster! ...
-
-Ich stand alsbald auf, bestellte mir eine Kammer für die Nacht und ging
-nachlässig, die Hände in den Hosentaschen, durch die Stadt. Ich wünschte
-jedem Mädchen einen guten Abend, und begann mit einigen von ihnen
-dadurch ein Gespräch, daß ich mich nach allerhand Dingen erkundigte, die
-mir völlig gleichgültig waren, -- wo der Schmied wohne, ob die Heuernte
-dieses Jahr gut gewesen sei. Ich war an diesem Abend ziemlich frech ...
-
-Bei Anbruch der Nacht kehrte ich in mein Gasthaus zurück. Als ich die
-Stiege hinaufschritt, die von einem Windlicht schwach erhellt war,
-begegnete ich dem Mädchen mit dem Lächeln um die frischen, feuchten
-Lippen. Ich gab ihr die Hand, bezahlte gleich, da ich früh am Morgen
-aufbrechen wollte, und ging in mein Zimmer. Ich setzte mich auf den Rand
-des Bettes und grübelte. Mit einem Male kam eine tiefe Traurigkeit über
-mich, ich wußte nicht, woher. Ich trat ans Fensters. Da rauschte unter
-mir der tiefe Mühlbach, und über mir spannte sich der Sommerhimmel voll
-von Sternen. Noch hörte ich zwei Männer irgendwo miteinander sprechen,
-noch hörte ich eine Tür im Haus und einen späten Wagen auf der Gasse,
-dann ward es still um mich.
-
-In dieser Stille breitete die Liebe ihre Flügel aus. Sie drückte mich an
-ihre Brust. Ich taumelte und fühlte einen Schmerz wie nie zuvor.
-
- * * * * *
-
-Ich weiß nicht recht, wie alles gewesen war. Ich weiß nur, daß ich
-plötzlich an Nina dachte, die ich den ganzen Tag vergessen hatte. Ich
-sah sie vor mir, sah ihr Haar, ihre Augen, ihren Gang, ihre Hände, sah
-sie tanzen, mit Wolfgang Seyderhelm tanzen, ... ich hatte Angst, ... das
-Zimmer war so eng und heiß, ... tödliche Angst ... Ich nahm Stock, Hut
-und Ranzen und stürzte hinaus in die dunkle Luft. Die Haustür war noch
-offen. Ein Hund knurrte leise, aber ich entlief ihm schnell. Ich rannte
-durch die Gassen, durch das Stadttor, die Straße entlang, dann einen
-Seitenweg, durch Gebüsch, einen Hügel hinauf, ... ich keuchte sehr, ...
-ich fiel zu Boden und blieb liegen.
-
-... Ich war müde und gehetzt, ich war so müde! Ich fühlte meine Jugend
-von mir gleiten und hatte qualvolle Träume. Ich weiß noch, daß ich
-einmal im Halbschlaf emporfuhr: da lag unter mir die Stadt und das
-dunkle Land, der Mühlbach leuchtete hier und dort im Mondlicht auf, ...
-um meinen Hügel ging ein leichter Wind, ... ich sank zurück ... in Traum
-und Schlummer. Aber schlummernd sah ich immer wieder das dunkle Land mit
-der Stadt, die silbernen Stücke des Baches, ... Sterne, viel Sterne ...
-und Nina ...
-
-
-
-
- 7
-
-
-Ich bin noch einige Tage so gewandert, aber ich wurde nicht mehr
-fröhlich. Ein Sonntag kam, ich sah die Bauern zur Kirche gehen, trat mit
-ihnen ein und hörte die Predigt, ich sah die Burschen und Mädchen
-hernach in ihren übermütigen Tänzen und empfand am Abend auf der Straße
-die feierliche Stille des scheidenden Sonntages. Aber das alles freute
-mich nicht. Der verworrene Geist war von der Liebesleidenschaft erfaßt
-und kannte nur noch Trauer, Eifersucht, Haß und Träumerei. Ich wollte
-nicht mehr an Nina und Wolfgang denken, ich wollte nie mehr an sie
-denken. Ich sagte mir Gedichte auf, hielt als ein Prinz vor der
-Versammlung von Fürsten eine verwegene Rede, dichtete eine Ode an den
-Kaiser, -- aber selbst das erhabene Gewand der Majestät verwandelte sich
-mir bald, ward ein blitzendes, hellblaues ... mit Schokoladenflecken ...
-
-Am vierten Abend meiner Wanderung zog ich mutloser denn je meine Straße
-entlang. Ich wollte an diesem Tage noch eine größere Stadt erreichen,
-dort einige Zeit verweilen, um dann dem nahen Gebirge zuzueilen. Aber
-irgend ein schöner Baum oder ein sehnsüchtig winkender Kirchturm hätte
-genügt, mich von meinem Wege abzulenken. Wer in der Welt fragte danach,
-ob ich einen Nachmittag unter schattigem Gesträuch verträumte und den
-»Pescara« las oder irgendwo auf staubbedecktem Wege schritt?
-
-Ich blieb vor einem Weiser stehen, der mir zur Seite in das offene Land
-hindeutete. Da war geschrieben: Nach Strelow 3 km, nach Wiesenau 4,5 km.
-Ich las die Worte gedankenlos. Irgend etwas lockte mich, von meiner
-Straße abzubiegen. Was aber war es? Strelow? Ich hatte diesen Namen nie
-gehört. Wiesenau? Ich hatte diesen Namen nie ... Wie? ... Eine
-Erinnerung ... Wiesenau ... Wiesenau ... da war schon wieder alles
-entwichen ... ich schüttelte den Kopf. Wohl zwanzigmal sprach ich nun
-das Wort Wiesenau aus, in der Hoffnung, die Erinnerung möchte mich noch
-einmal erleuchten. Doch jede Mühe war vergebens: es war ein totes Wort.
-
-Schon war ich in die neue Landschaft eingebogen. Es hatte wohl die
-Wochen vorher geregnet, denn überall standen kleine schwarze Teiche, aus
-denen einzelne Bäume, Fichten und Birken, hervortauchten. Endlos
-langgezogene violette Abendwolken spiegelten sich in diesen Teichen und
-gaben ihnen von ihrer Farbe. Soweit mein Blick reichte, sah ich nichts
-anderes als bunte, prächtige Wiesen mit großen Blumen und die schwarzen
-und violetten Teiche, aus denen einsame Bäume hervorwuchsen. Krähen
-flogen zuweilen schreiend darüber hin, um noch vor Nacht die fernen
-Wälder zu erreichen.
-
-Als ich durch Strelow kam, läutete die Glocke den Abend ein. Ich blickte
-durch ein Fenster; ein alter Bauer saß da, hatte die Brille auf der
-Nasenspitze und las in einer Zeitung. Eine Frau trug eine Bank in ihr
-Haus. Der Pfarrer ging durch den Ort und ward von allen gegrüßt; auch
-ich grüßte. Ein Trupp Jungens lief zu Gott weiß welchem Abendstreifzug
-...
-
-In einigen Zimmern brannte ein Licht. Sollte ich hier rasten? Es begann
-zu dunkeln. Draußen konnte ich nicht gut schlafen, der Boden schien
-feucht, auch war es ein wenig kühl. Aber die Lichter in den Häusern
-machten mich traurig, und ich fühlte, daß mich im Zimmer wieder meine
-Angst ergreifen würde.
-
-Ich eilte zum Dorf hinaus. Allein bei den letzten Häusern blieb ich
-beklommen stehen: über die Landschaft hatte sich die Dämmerung gesenkt
-und mit tiefem, dunklem Blau die gespenstischen Bäume, das
-Weidengesträuch an den blinkenden Teichen und die Getreidefelder
-umhüllt; von oben leuchteten durch blaues Licht einige Sterne; nichts
-unterbrach die Stille als das trostlose Quaken der Frösche und das
-Flüstern des Kornes, wenn der Wind darin rauschte.
-
-Ich ging durch die Dämmerung und fühlte mich liebevoll von der Straße
-fortgelockt, umsponnen mit einem blauen Netz. Ein Traum von großer
-Innigkeit berührte mich, mir war, als sei er alt und von jedermann zu
-irgendeiner Zeit geträumt. Um meine Augen legte sich ein Flor, meine
-Füße strauchelten oft ...
-
->Könnt' ich doch viele Stunden dieses blaue Licht durchschreiten! Wenn
-nur die Füße nicht ermüden wollten ...!<
-
-Aber ach, schon winkten ja am Wegesrand nächtliche Kastanien zu
-Schlummer und Traum! ... Ein Park begann, umgittert, ... eine Allee ...
-Und hier, -- waren hier nicht bronzene Löwen, die in dreifach geteilte
-Becken silbernes Wasser spieen? War es nicht einschläfernd und süß?
-
-Wie, stand dort nicht ein Haus vor mir, ein Schloß, mit einer
-erleuchteten Altane und bläulich schimmernden Stufen?
-
-Bin ich nicht neugierig herangeschlichen, ... leise, ... ganz leise, ...
-und sah ich dort nicht all die Menschen, die ich liebte? ... Die Mutter
-... mit dem Sohn ... und meine schöne Freundin Nina?
-
-
-
-
- 8
-
-
-Mit pochendem Herzen und heißen Wangen stand ich im Dunkeln und blickte
-auf die Veranda. Nina arbeitete an einer festgespannten Stickerei und
-sprach dabei mit Wolfgang, der die Hände um ein Knie geschlungen hatte,
-eine Zigarette rauchte und zeitweise aus einem Glase trank. Frau
-Seyderhelm schrieb einen Brief. Manchmal hob sie den Kopf und warf
-einige Worte in die Unterhaltung der beiden ein. Ich konnte nicht
-verstehen, was gesprochen wurde.
-
-Ich sah Ninas Profil und ihre Hände. Wie zart sie war! Ja, war sie nicht
-anbetungswürdig? Süße Nina! ... Ich machte eine Bewegung.
-
-Da rief Nina laut:
-
-»Wolfgang, ich bitte dich, -- draußen steht jemand.«
-
-Ich hielt den Atem an.
-
->Wenn ich hier entdeckt werde, ersteche ich mich.<
-
-Wolfgang beugte sich hinaus und rief:
-
-»Es ist niemand hier ... Du bist recht schreckhaft!«
-
-O -- gerettet!
-
-Frau Seyderhelm hatte ihren Brief beendet, man plauderte angeregt. Ich
-sah, wie die Mutter einmal ihrem Sohne lächelnd mit dem Finger drohte.
-Nach einer Weile legte Nina ihren Stickrahmen fort, packte ihre
-Nähsachen in einen Pompadour und stand auf. Sie gab erst Frau Seyderhelm
-die Hand, dann wechselte sie einige Worte mit Wolfgang, -- sie schienen
-etwas zu verabreden, -- ließ ihre Hände auf seinen Schultern ruhen, gab
-ihm einen leichten Backenstreich und trat in die Zimmer hinein. Wolfgang
-küßte seine Mutter, die ihm über das Haar strich; mir war, als sprächen
-sie von Nina, denn sie sahen nach der Türe; dann gingen beide hinaus. --
-Eine Magd erschien einige Augenblicke später auf der Veranda, räumte die
-Sachen auf, zog die Markise in die Höhe und stellte die Gartenmöbel zur
-Seite. Sie nahm die Lampe und verschwand.
-
-Alles war finster um mich herum. Oben im Schloß sah ich mehrere
-erleuchtete Fenster. Ich hörte zuweilen Schritte, dann wurde alles
-still.
-
-Langsam löste ich mich aus meiner Erstarrung und ging durch den Park.
-Ich empfand nicht viel: ein wenig Erstaunen, ein wenig Schmerz, ein
-wenig Müdigkeit und ein wenig Glück ... Ich wollte weiter wandern. Was
-sollte ich hier? Niemand würde mir glauben, daß ich zufällig hierher
-gekommen sei, ... aber da hörte ich wieder die süße, einschläfernde
-Melodie der plätschernden Brunnen. Gedankenlos legte ich mich nieder, zu
-Füßen eines bronzenen Löwen. Ich faltete die Hände hinter dem Kopf und
-blickte in den Himmel, wo die Milchstraße ihren Triumphbogen über das
-Firmament spannte. Ich fühlte, daß der Schlaf mich übermannen würde, und
-wollte doch wachen und nachdenken. Ich ward traurig und erinnerte mich
-der Worte des Herrn: »Könnet ihr denn nicht Eine Stunde mit mir wachen?«
--- Noch einmal sah ich zu den erleuchteten Fenstern im Schloß, dann fiel
-ich in Traum. Schlafend spürte ich die Kälte der Nacht und zog mein Cape
-eng um mich. Und in meinen Traum drang immer wieder das Plätschern des
-Wassers, ... das Plätschern des Wassers.
-
-
-
-
- 9
-
-
-Es mochte gegen fünf Uhr morgens sein, als ich erwachte. Mein erster
-Blick galt dem Schloß vor mir, in dessen Fensterscheiben die Morgensonne
-purpurrot leuchtete. Ich sprang empor; mein Gesicht und meine Kleider
-waren naß vom Tau. Ich machte einige Bewegungen mit den Armen und
-stampfte mit den Füßen, denn meine Glieder waren wie erstarrt. Dann
-wusch ich mich in einem der bronzenem Becken und klopfte die Kleider ab.
-Nur weiter, immer weiter, fort von hier ...
-
-Als ich bereit war zu marschieren, lehnte ich mich an einen Baum; ich
-wollte noch einmal mit einem langen Blick dieses geliebte Schloß
-umfangen.
-
-Da ... was war das? ... Ein Fenster öffnete sich, ... ich trat zurück
-... Wolfgang, ... im leichten Morgenkleid. Er beschattete mit der Hand
-die Augen, sah zum Himmel und reckte die Arme in die junge Luft hinein.
-Dann verschwand er; bald jedoch erschien er wieder, nahm einen Stock und
-klopfte leise mit der metallenen Spitze an das benachbarte Fenster.
-Lange Stille ... Dann öffnete sich das Fenster ... Nina ... Sie gaben
-einander die Hände. Wolfgang setzte sich auf das Fensterbrett und
-deutete nach dem Horizont. Nina gähnte ein wenig und beide lachten.
-
-Da war mir, als müsse ich einen Panzer von meiner Brust reißen. Ich bog
-mit beiden Händen die Sträucher auseinander, und meine helltönende
-Stimme rief den Aufhorchenden zu:
-
- »An jedem Morgen, eh des Hahnen Krähn
- Die Menschheit weckt, steh ich im tiefen Grunde,
- Muß durch die Luft nach Burg und Felsen spähn.
-
- Noch lieget Dunkelheit auf meinem Tal,
- Da gibt von Osten das Gestirn mir Kunde,
- Und in dem Fenster oben spielt ein Strahl.
-
- Es taucht in Licht das trotzige Gestein,
- Und wächst und starrt und höhnet meiner Qual,
- Bald reckt es in den Himmel sich hinein --
-
- Willst du dich heute nicht am Fenster zeigen,
- In Morgenklarheit dich vom Traum befrein?
- Willst du das Haupt nicht freundlich zu mir neigen?
-
- Mich tötet dieses dunklen Tales Schweigen.«
-
-Kaum hatte ich geendigt, als Nina ihrem Freunde mit hochgezogener Stirne
-langsam, ja perfide langsam das Antlitz über die Schultern zuwandte und
-die beiden Handflächen fragend, chokiert und spöttisch nach außen bog.
-Wolfgang aber schien sich nicht darum zu kümmern; er warf das Fenster
-heftig zu, ich hörte ihn eine Treppe herunterstürmen, und einen
-Augenblick später kam er -- notdürftig mit einem Hemde, einer Hose und
-einem Paar Sandalen bekleidet -- durch den Garten auf mich zugelaufen.
-
-»Walter Regnitz! Lieber Walter Regnitz!«
-
-Er umarmte mich stürmisch; er war blaß vor Erregung.
-
-»Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Wir erwarten dich schon seit
-drei Tagen!«
-
-Wie? Man erwartete mich?
-
-Wir wandten uns zum Schloß.
-
-»Ich habe eine Fußwanderung gemacht und diese Nacht im Garten
-geschlafen.«
-
-Wolfgang legte erschrocken seine Hand auf meinen Arm.
-
-»Du hast in unserm Garten geschlafen? Bist du toll?«
-
-Und dann nach einer Pause, die er mit ratlosen Gebärden ausfüllte:
-
-»Ja, warum bist du aber nicht ins Haus gekommen?«
-
-Ich wurde etwas rot.
-
-»Ja ... weißt du, ... ich kam spät hier an ... und da wollte ich nicht
-stören ...«
-
-Ich grüßte zu Nina hinauf.
-
-»Ah, sieh da!« rief sie vom Fenster herunter. »Ein Dichter! Ein
-Troubadour! Sie verlangen gewiß Ihren Lohn!«
-
-Sie nahm aus einem Wasserglas helle Rosen und zerblätterte sie mit den
-weißen Fingern. Mir fielen diese Blätter auf Kopf, Schultern und Hände,
-der ich betroffen, glücklich und verlegen in einem duftenden Blumenregen
-stand.
-
-»Denk' dir, Nina, er hat diese Nacht im Garten geschlafen!«
-
-Nina lachte, -- ihr singendes, gefährliches und verstehendes Lachen.
-
-»Sie sind ein echter Minnesänger, Herr Walter von der Regnitz!« rief sie
-und warf vier volle weiße Rosen zu mir herab. Ich fing eine von ihnen
-auf und führte sie höflich und gefaßt an meine Lippen.
-
-»Und Sie, gnädiges Fräulein, eine echte Herzenskönigin.«
-
-Ich hörte noch einmal, wie Nina tief belustigt lachte und darauf das
-Fenster schloß.
-
-Wolfgang zog mich ungeduldig die Stufen zur Veranda hinauf.
-
- * * * * *
-
-Wolfgang stand halb angekleidet vor seinem Eimer und putzte sich eifrig
-und andauernd die Zähne.
-
-»Wie findest du sie?« fragte er mich, der ich auf einem Stuhl saß und
-ihm zusah.
-
-»Wen?«
-
-»Nina.«
-
-Er nahm einen Schluck Wasser, gurgelte und spuckte kräftig.
-
-Ich schwieg.
-
-»Nun?« fragte er.
-
-»Oh, ganz nett!« sagte ich endlich.
-
-»Sie ist herrlich!« rief er begeistert und begann von neuem zu gurgeln.
-
-Plötzlich warf er die Zahnbürste fort, drehte sich schnell um und legte
-seine Hände auf meine Schultern.
-
-»Was hast du neulich gesagt?« fragte er.
-
-»Ich? Wann?«
-
-»Neulich, bei unserer Gesellschaft.«
-
-»Ich habe vermutlich viel gesagt.«
-
-»Nein, du hast gar nicht viel gesagt. Du lehntest dich an einen
-Türpfosten und fragtest mich, wie alt Nina sei. Und plötzlich ...«
-
-»Nun?«
-
-»Und plötzlich sagtest du, als ob du geistesabwesend seiest: Du liebst
-sie ja!«
-
-Er wandte sein Gesicht schnell dem Spiegel zu und zog Kamm und Bürste
-aus der Lade.
-
-Ich war erschrocken.
-
-»Habe ich das wirklich gesagt?«
-
-Wolfgang beschrieb mit dem Kamm eine weite phantastische Figur und
-erklärte begeistert:
-
-»Du bist ein großer Menschenkenner, Walter! Ich habe sie wirklich sehr
-gern ... Hör' mal, wie der Kamm knistert.«
-
-Und er hielt seinen Kamm dicht an mein Ohr. Ja, wahrhaftig, der Kamm
-knisterte.
-
-Wolfgang war mit seiner Toilette fertig. Er trug ein hellgraues, eng an
-den Hüften liegendes Sommerjackett mit schwarzen Kniehosen, dazu schmale
-Halbschuhe, ein weißes Sportshemde und eine leichte, seidene Krawatte.
-Er sah sehr frisch, sehr jugendlich und sehr vornehm aus.
-
-Wir gingen durch einige Gemächer und betraten das Speisezimmer. Es fiel
-mir auf, daß dieses Schloß mit einer nahezu bäuerischen Freude an bunten
-Farben eingerichtet war.
-
-Ein Diener erschien. Wolfgang bestellte Tee.
-
-»Du bist hungrig, Walter?« fragte er.
-
-»O ja!«
-
-»Also: hier ist Honig, Gelee, Sumpfdotterblumen, Schinken, Brot ... ach
-...«
-
-Er stand plötzlich auf, warf dabei seinen Stuhl hin und umarmte mich
-noch einmal:
-
-»Wie schön, daß du hier bist!«
-
-Natürlich errötete er, sprang an die Tür und schrie, der Tisch sei
-schlecht gedeckt. Der Diener kam und Wolfgang schlug sich an den Kopf.
-
-»Ich Esel! Willst du ein Beefsteak?«
-
-»Ein Beefsteak?«
-
-»Es dauert gar nicht lange. Fritz, wie lange dauert ein Beefsteak?«
-
-»Eine Viertelstunde«, war die Antwort.
-
-»Ach, Unsinn«, protestierte ich. »Was soll ich denn jetzt um halb sechs
-mit einem Beefsteak?«
-
-Wolfgang lachte und goß sich ein Glas Fachinger ein.
-
-»Prost, Walter! Du kennst unsern Stil noch nicht. Wir leben nämlich hier
-den Stil englischer Peers. Morgens _you take your steak_,« -- er
-bediente sich hierbei einer manirierten Aussprache, -- »mittags hungert
-man, das nennt man _luncheon_ und abends ißt man im _dinnerjackett_
-alles das, was man am Mittag versäumt hat. Das hat Nina hier so
-eingeführt.«
-
-Nina, immer Nina!
-
-Ich fragte unvermittelt:
-
-»Aus welcher Familie stammt sie eigentlich? Hat sie noch Eltern?«
-
-Wolfgang warf nachdenklich zwei Stück Zucker in seine Teetasse.
-
-»Weißt du, bei Nina muß man nicht fragen, woher sie kommt und wohin sie
-geht. Nina ist einfach _da_, -- verstehst du? -- einfach _da_.«
-
-Ich sah Wolfgang aufmerksam an. Schau an, dachte ich, wie klug er ist!
-Was er da eben gesagt hatte, war mir nicht fremd. Nina war einfach da,
-... sie war eigentlich ... seelenlos.
-
-»Sie ist eigentlich seelenlos,« sagte ich.
-
-Wolfgang trank seinen Tee. Er stöhnte einige Male wie ein Kind in die
-Tasse hinein, setzte sie dann ab, sprang vom Tische auf und sagte:
-
-»Jawohl, seelenlos, aber herrlich! -- Bist du fertig?«
-
-»Ja.«
-
-»Gut. Wie wäre es, wenn wir jetzt aufs Feld gingen und arbeiteten? Ich
-lasse mir nämlich jeden Abend von unserm Inspektor ein Feld anweisen.«
-
-Ich willigte in diesen Vorschlag ein. Wir zündeten uns jeder eine
-Zigarette an und gingen in den Hof. Dort holten wir uns aus einem
-Schuppen lange Forken und zogen darauf munter durch den Park.
-
-Einmal wandte ich mich um und blickte zu Ninas Fenstern hinauf. Sie
-waren fest verschlossen und die Vorhänge heruntergelassen.
-
-»Das gnädige Fräulein pflegt bis neun Uhr zu schlafen,« sagte Wolfgang,
-der meinen Blick bemerkt hatte.
-
-Ich errötete und schwieg.
-
- * * * * *
-
-Wir sind auf dem Feld angelangt und ziehen unsere Jacken aus. Die
-Kornfelder stehen in der jungen gelbstrahlenden Sonne. Auf den heiteren
-grünen Wiesen und Weidegründen grasen die roten und braunen Kühe des
-Gutes und senden den Ton von tiefen Glocken durch das flüssige Licht. Am
-Horizont suchen auf noch beschattetem Hügel Schafe ihr Futter. Ein
-Schäfer mit einem großen Hut steht neben ihnen. Er hält den Hirtenstab
-in der ausgestreckten Hand auf die Erde gestützt, als sei er der Wächter
-dieses Tales und behüte seine Unschuld. Eine Wolke zieht langsam über
-den bleichen westlichen Himmel.
-
-»So, nun stellen wir hier die Garbenbündel auf,« sagt Wolfgang. »Du bist
-ja früher auf dem Land gewesen und weißt, wie man das macht. Immer zu
-sechs auf einen Haufen.«
-
-»Bei uns nahm man acht.«
-
-»So ... na ja, wir nehmen immer sechs. Weiß der Teufel, warum. Bald
-kommen die ersten Leiterwagen vom Gut. Dann gehen wir dort auf das Feld,
--- siehst du es? -- und packen das Korn auf. Das macht immer sehr viel
-Spaß.«
-
-Wir arbeiten schweigend und mit gesammeltem Eifer. Die Ähren stechen
-unsere Hände wund und ihre Körner rieseln uns in Hemd und Hose. Wolfgang
-macht manchmal eine Bewegung, als habe ihm jemand kaltes Wasser in den
-Nacken gegossen.
-
-Später singt er mit klarer Stimme und deutlicher Aussprache einen
-altfranzösischen Chanson. Da ist von einem Grafen die Rede, dem es nicht
-wohl erging, weil seine Gemahlin der Majestät von Frankreich allzusehr
-gefiel.
-
- * * * * *
-
-Bald vernehmen wir das Rollen und Klappern von Wagen, die über die
-Landstraße zu uns herauffahren. Wir haben unsere Arbeit gerade beendet,
-als wir die Rufe der Bauern hören, die mit ermunterndem Einsprechen ihre
-Pferde einige schwere Hügel erklimmen lassen. Dann ertönt das Dröhnen
-von Wagen, die über eine hölzerne Brücke fahren, und gleich darauf
-ziehen sie alle an uns vorbei. In einem der Wagen sind nur Frauen. Sie
-haben alle rote Tücher um die Köpfe geschlungen. Jedermann wünscht uns:
-»Guten Morgen!« worauf wir beinahe feierlich unsere Mützen lüften und
-den Gruß erwidern. In einem Gefährt sitzt ein hübsches junges Mädchen.
-Ich nicke ihr zu, worauf sie verlegen zu Boden sieht. Ich bin sehr
-stolz, das erreicht zu haben.
-
-Der letzte Leiterwagen wird von einem Bauernjungen gelenkt, der auf dem
-linken Pferde sitzt. Er grüßt uns, wie ein Souverain zu grüßen pflegt.
-
-»He Hans!« ruft Wolfgang. »Bleib du bei uns!«
-
-Hans steigt vom Pferd. Wolfgang legt seinen Arm auf die Schultern des
-Jungen und führt ihn zu mir heran. Die beiden stehen der Sonne entgegen,
-blinzeln, sind wohlgestaltet, blond, und -- seltsam -- sie sehen
-einander ähnlich.
-
-»Ich stelle dir hier meinen Freund Hänschen Kietschmann vor.«
-
-Der Junge macht eine Verbeugung, eine leichte, weltmännische, garnicht
-zu tiefe Verbeugung, und bietet mir die Hand, die ich schüttle.
-
-Er geht fort, um noch einige Bauern zu holen. Ich sehe ihm nach. Er ist
-schlank und groß gewachsen.
-
-Wolfgang macht ein sonderbares Gesicht und lächelt.
-
-»Nun?«
-
-»Wie?«
-
-»Ist dir etwas ... wie soll ich sagen ... aufgefallen?«
-
-»Aufgefallen? ... Nein, ... das heißt ...«
-
-Ich bin mit einem Male verwirrt.
-
-»Er sieht dir ähnlich.«
-
-Wolfgang nickt, sieht zum Himmel, zieht die Nase kraus, blinzelt,
-schluckt herunter und sagt:
-
-»Er ist mein Halbbruder.«
-
-»Wie --?«
-
-Wolfgang bewegt seine Hand in einer sehr sprechenden, etwas frivolen
-Art.
-
-»Mein Gott, ... wir vergessen, daß unsere Väter auch jung waren ... Mein
-Vater lebte hier allein ... na und ... wie das so kommt.«
-
-Er geht mit graziösem Schritt fort, um die Gabeln vom Graben zu holen.
-
-Ich schüttle den Kopf, wundere mich und vergesse im nächsten Augenblick
-alles.
-
-Wir arbeiten schweigsam fort.
-
-Hans Kietschmann steht zusammen mit einem Bauern oben auf dem Wagen und
-packt das Korn auf. Neben uns sind Weiber, die von Zeit zu Zeit
-miteinander sprechen. Ein leichter, von der aufsteigenden Sonne
-gewärmter Wind trägt aus der Richtung der anderen Wagen den Schall von
-Reden und Gelächter zu uns herüber.
-
-Es beginnt allmählich heiß zu werden. Die Augen schmerzen ein wenig; ich
-sehe nichts als flimmerndes Gelb. Die Weiber riechen nach Schweiß. Die
-Ochsen sind von Fliegen geplagt und schlagen mit den Schwänzen kräftig
-umher. Ich fühle mich sehr wohl. Nina ist vergessen, vollkommen
-vergessen. Wie süß es ist, daran zu denken, daß ich Nina so völlig
-vergessen habe.
-
-Es schlägt zwölf Uhr, wir hören mit der Feldarbeit auf, trinken Wasser
-und ziehen die Jacken an.
-
-Ich gebe Wolfgang die Hand.
-
-»Danke für den Vormittag, Wolfgang.«
-
-Wolfgang lächelt und nimmt meinen Arm. Wir gehen als Freunde zum Schloß.
-Wolfgang ist zärtlich und spricht sehr viel.
-
-
-
-
- 10
-
-
-Nachdem wir in unsern Zimmern Gesicht und Hände erfrischt hatten,
-betraten wir die Veranda, um dort zu lunchen.
-
-Nina saß am Tisch. Sie schien sich zu langweilen und benahm sich wie ein
-kleines Mädchen, das auf seine Mahlzeit wartet.
-
-Ich betrachtete Nina von der Seite. Sie hatte ein steifes weißes
-Kattunkleid an. Ihr Hals und ihre Arme waren nackt. Auf ihrer Brust trug
-sie eine Brillantenbrosche, an der linken Hand, der elfenbeinernen mit
-den langen schmalen Fingern, leuchteten vier herrliche Saphire von
-mildem Blau. Das kastanienbraune Haar war eine Pracht, eine Krone, ein
-Akkord von rauschenden, dunklen Tönen.
-
->Mein Gott und dennoch, was ist denn Nina? Ein kleines Mädchen, das sich
-langweilt! Aber ein Mädchen, das ich liebe? Nun ja, was ist schon dabei?
-Viele Jungens lieben viele Mädchen. Da ist gar nichts dabei.<
-
-Ich fühlte mich Nina überlegen.
-
-Ich setzte mich an den Frühstückstisch. Obwohl es sehr heiß war, hatte
-Nina einen Schnupfen, was mir ganz sonderbar vorkam.
-
-Sie führte ihr Tuch an den Mund und fragte mit einer Stimme, die heute
-noch näselnder klang als sonst:
-
-»Wo habt ihr denn eigentlich so lange gesteckt?«
-
-In diesem Augenblicke wurde es mir recht deutlich, daß Nina gar nichts
-anderes war als eine große faule schöne Katze. Ich beugte mich spöttisch
-vor bis auf die Tischplatte und sagte von unten zu ihr aufblickend:
-
-»Wir haben gearbeitet, -- und Sie, was haben Sie getan?«
-
-»Ich habe geschlafen.«
-
-»Ah, Sie haben geschlafen ...«
-
-»Jawohl; ich bin nämlich kein Troubadour, der wie ein Hase mit offenen
-Augen nachts im Felde schläft.«
-
-Hier betrat Frau Seyderhelm die Veranda. Sie begrüßte mich sehr
-herzlich, schalt auf das freundlichste, daß ich die Nacht draußen
-zugebracht hatte, und sprach die Erwartung aus, daß ich nun doch die
-Ferien auf Wiesenau verleben würde.
-
-Man frühstückte.
-
-Es stellte sich im Lauf des Gesprächs heraus, daß Frau Seyderhelm mir am
-Tag nach der Gesellschaft einen Brief mit der Einladung nach Wiesenau in
-die Wohnung geschickt hatte, der nicht mehr in meine Hände gekommen war.
-
-Nina begann mit einer Geschichte, die so komisch war, daß wir alle
-fürchterlich lachen mußten. Sie sprach lebhaft, mit vielen Gesten,
-erzählte vorzüglich und ward durch ihren Erfolg so angeregt, daß sich
-der Schnupfen zu verlieren schien.
-
-Wolfgang machte seiner Mutter kopfschüttelnd Vorwürfe, daß die
-Gänseleberpastete schon seit einigen Tagen nicht mehr genügend auf Eis
-liege. Dann wandte er sich zu mir und fragte mit einer kindlich hohen,
-liebenswürdigen Stimme:
-
-»Ißt du Radieschen gern?«
-
-Man hörte von Frau Seyderhelm, daß die Gräfin Königsmarck heute morgen
-dagewesen sei; man sprach dann sehr lange über die Gräfin Königsmarck.
-Nina schien sie nicht zu lieben. Wolfgang behauptete, diese Dame röche
-nach wilden Tieren.
-
-»Wolfgang, so spricht man nicht von einer Dame!« sagte Frau Seyderhelm.
-
-Nina jubelte und begann ohne den mindesten Zusammenhang eine Schilderung
-zu entwerfen, wie sie auf der Treppe meinen Ranzen gefunden und
-aufgemacht habe.
-
-»Stellen Sie sich vor, Frau Seyderhelm: er reist mit einem zerrissenen
-Hemde, einer Zahnbürste, zwei alten Brötchen und dem Werther; den
-Werther hat er in seine Socken gepackt!«
-
-Man lachte sehr. Mich erfaßte mit einem Mal der unbezähmbare Drang,
-Ninas Hand, die elfenbeinerne mit den spitzen Nägeln und der kühlen
-Haut, zu küssen. Ich bückte mich nach einer Serviette und berührte wie
-zufällig Ninas Finger mit meinen Lippen. Nina ließ es ruhig geschehen;
-sie tat, als habe sie nichts gespürt.
-
-»Es war übrigens gar nicht der Werther,« sagte ich, als ich wieder
-aufrecht saß. »Es war die Versuchung des Pescara.«
-
-Ich bediente mich mit einer kalten Reisspeise und war von meinem
-Abenteuer so aufgeregt, daß ich kaum schlucken konnte.
-
-»Oh, die Versuchung des Pescara,« sagte Frau Seyderhelm. Und sie fing
-an, sich des längeren über »Huttens letzte Tage« auszulassen.
-
-Wolfgang zog ein gelangweiltes Gesicht und schlug Nina für den
-Nachmittag eine Tennispartie vor. Sobald er mit Nina sprach, war seine
-Stimme zart und fast unterwürfig.
-
-Frau Seyderhelm hob die Tafel auf.
-
-»Schreiben Sie mir später den Namen Ihrer Wirtin auf, lieber Walter,«
-sagte sie. »Man soll uns Ihre Sachen nachschicken.«
-
-Ich küßte Frau Seyderhelm die Hand und verbeugte mich vor Nina.
-
-»Spielen Sie Tennis?« fragte Nina.
-
-»Ja, ein wenig.«
-
-Sie fuhr mit ihrer Zunge zwischen den Lippen einher.
-
-»Du reitest heute nicht mehr, Wolfgang?«
-
-»Nein; es ist zu heiß.«
-
-Ich spürte plötzlich den Duft von Ninas Körper. Ich sah ihren weißen
-Hals und erbebte.
-
-Nina lächelte.
-
-»Addio, meine Herren. Ich gehe in den Wald.«
-
-»Addio.«
-
-Wolfgang zog sich in die kühlen Räume zurück.
-
-Ich blieb auf der Veranda und sah in den Park. Nina ging langsam die
-kiesbedeckte Allee entlang, blieb zuweilen stehen, betrachtete
-mütterlich ein Blättchen, das sie mit der kühlen Hand liebkoste,
-pflückte eine Rose vom Blumenbeet und befestigte sie an ihrer
-jugendlichen Brust. Darauf verlor sie sich -- unvergleichlich ebenmäßig
-ausschreitend -- im mittäglichen Gehölz.
-
-Die Gutsglocke schlug ein Uhr. Malatesta, der Hofhund, dehnte sich
-schläfrig, beroch mißtrauisch seine Pfote und legte sich auf den Rasen.
-Der Diener räumte den Frühstückstisch ab.
-
- * * * * *
-
-Am Nachmittag lag ich irgendwo im Wald auf dem Rücken und träumte in den
-blauen Himmel hinein. Manchmal streichelte ich den schönen Malatesta,
-der mich begleitet hatte. Es war sehr heiß. Der Hund hob zeitweise den
-Kopf, stieß, von Wärme bedrückt, den Atem aus der Kehle, ließ die Zunge
-hängen und hatte feurige Augen. Mich plagten die summenden und
-stechenden Mücken. Ich begann unruhig und gestört zu schlafen. Böse
-Träume von großer Leidenschaft und überquellender Sehnsucht verfolgten
-mich. Ich sah, wie Nina zu mir, dem Schlafenden, trat, ihr mokantes
-Lächeln lächelte und mit einem Male mütterlich, mit drängenden Händen
-und junger weißer Brust sich neigte.
-
-Der nahe Gong, der zum Tee rief, weckte mich auf. Die Sonne war tiefer
-herabgesunken; unter ihren schrägen Strahlen beruhigte sich die Welt und
-wurde kühl. Ein Wind ging durch die Bäume, der in den Blättern flüsterte
-und schluchzte. Der Hund war fortgelaufen. Ich fühlte, daß alles nutzlos
-sei und ich ewig einsam bleiben müsse.
-
- * * * * *
-
-Gegen Abend spielten wir Tennis.
-
-Nina war biegsam, schmal in den Fesseln und schnellfüßig. Ihre Hand war
-sicher, der Schlag ihres Rackets ruhig.
-
-Wolfgang, ihr Partner, war weißgekleidet, hatte den rechten Ärmel seines
-Hemdes aufgeschlagen und zeigte einen braungebrannten, schmalen und
-kräftigen Arm.
-
-Ich gab streng auf das Spiel acht und hatte den brennenden Ehrgeiz, mich
-gut zu halten. Ich verlor das erste Match, trat beim Wechseln an das
-Netz, beglückwünschte Nina und küßte ihre Hand. Wolfgang sah mich ein
-wenig befremdet an. Nina lächelte, war unendlich liebenswürdig, legte
-einmal beim Gespräch ihre Hand auf meinen Arm und nannte mich Walter.
-Ich war rasend vor Glück, machte ein hochmütiges Gesicht und verdoppelte
-meine Anstrengungen.
-
-Mir war, als ständen Nina und Wolfgang in abendrotem Dunst und
-rosafarbenem Nebel. Jedermann von uns spielte mit streng geschlossenen
-Lippen. Nichts unterbrach das Schweigen als nur das Aufschlagen des
-Balles, das Summen des festgespannten Rackets und zeitweis ein kleiner
-Ausruf der Überraschung oder des Ärgers. Niemand zählte laut, denn jeder
-von uns wußte, wie wir standen. Frau Seyderhelm trat ans Gitter; wir
-grüßten flüchtig und spielten weiter. Frau Seyderhelm sprach mit einem
-Gärtner, deutete einmal mit der Hand auf ein Blumenbeet und wandte sich
-über unsern Eifer lächelnd zum Gehen. Ich wurde gewahr, daß sich mein
-Spiel von Minute zu Minute verbesserte. Im letzten entscheidenden Set
-gewann ich alle sechs Spiele und war somit Sieger im Match. Nina sagte
-uff und fächelte sich mit ihrem Tuch kühle Luft ins Antlitz. Als wir uns
-die Hände schüttelten, sah sie mich wie zum erstenmal an. In ihren Augen
-leuchtete mir etwas Verlockendes und Gefährliches entgegen.
-
-»Sie spielen gut,« sagte Nina. »Reiten Sie?«
-
-»Gewiß.«
-
-»Wolfgang, wir werden morgen früh reiten.«
-
-»O Nina, rede keinen Unsinn, das hast du schon zehnmal gesagt. Du stehst
-ja doch nicht um sieben Uhr auf.«
-
-»Doch, ich werde ganz bestimmt um sieben Uhr aufstehen.«
-
-Sie sah mich wieder mit ihren lockenden Augen an, wobei sie die Lider
-ein wenig zusammenzog. Mir war, als liebkosten mich die goldfarbenen
-seidenen Wimpern.
-
-»Was wird Herr Regnitz für ein Pferd reiten?«
-
-O weh, sie sagte wieder Herr Regnitz!
-
-»Willst du einen ruhigen Gaul, Walter?«
-
-»Nein, im Gegenteil.«
-
-»Gut, du sollst die Moissi haben. Eine Rappstute, weißt du. Du bekommst
-den neuen Sattel, den mir Mama geschenkt hat.«
-
-»Hören Sie zu, Walter, das ist eine unerhörte Gnade.«
-
-O -- sie sagte wieder Walter!
-
-Ich spürte in diesem Augenblick den einzigartigen Duft von Ninas
-mädchenhaftem Körper. Ich sog ihn wissend und gekräftigt ein.
-
-Der Teufel wird mir an diesem Abend wenig anhaben können. Ich habe mein
-Match gewonnen und morgen reite ich Moissi.
-
- * * * * *
-
-Die Damen zogen sich bald nach dem Abendessen zurück.
-
-Wolfgang und ich, wir saßen noch eine Weile auf der Terrasse, fühlten
-eine angenehme Ermüdung in unsern Gliedern und tranken ein wenig _Black
-and White_ mit sehr viel Sodawasser gemischt.
-
-Wir sprachen nicht viel, sondern sahen zum reichbesternten Himmel empor
-und beobachteten die Sternschnuppen. Der Diener setzte einen Eiskühler
-neben den Tisch und verschwand.
-
-»Nina reitet gut,« sagte Wolfgang. »Ich werde ihr mal morgen den >Sekt<
-geben. Da kann sie was erleben.«
-
-Und dann, nach einer Weile:
-
-»Mama hat im vergangenen Jahr viel Sorge mit dem Stall gehabt. Weißt du,
-der Rotz ... Na, jetzt ist es vorbei ...«
-
-»So?«
-
-»Ja, jetzt sind sie wieder alle gesund. Einer ging ein. Na, meinetwegen,
-mir lag nichts an ihm. Ein Wallach.«
-
-Ein Knecht schritt mit einer Laterne durch den Garten. Wir sahen dem
-unruhigen Licht nach.
-
-»Komisch,« sagte Wolfgang plötzlich, »wir kennen uns erst seit sechs
-Tagen.«
-
-»Ja.«
-
-Eine Stille.
-
-»Du bist immer so hochmütig. Hast du was?«
-
-»Nein. Garnichts.«
-
-Eine Stille.
-
-»Du mußt in den Herbstferien herkommen und hier mit uns jagen.«
-
-»Danke. Ja.«
-
-Mir stieg ein Gedanke auf.
-
-»Jagt Nina auch?«
-
-»Ja, sie schießt sehr gut. Sie hat gar keine Angst.«
-
-»Wie schön.«
-
-Ich sah ein Bild vor mir: Nina mit dem unvergleichlichen Gang der
-Kosakenmädchen durch den Wald schreitend, die Büchse in der Hand, mit
-spähenden Augen und grausamen Lippen.
-
-»Wie schön,« wiederholte ich.
-
-Ein Stern glitt in mächtiger und graziöser Bewegung durch den
-erleuchteten Raum.
-
-»Hast du dir etwas gewünscht?« fragte Wolfgang.
-
-»Ja.«
-
-»Was denn?«
-
-»Mehr Whisky.«
-
-Wolfgang lachte und schenkte ein.
-
-»Na, Mama wird morgen Augen machen über unsere Sauferei. Prost!«
-
-»Prost!«
-
-Wir schwiegen lange.
-
-»Man muß das Leben mit gesunden Händen anfassen.«
-
-Wolfgang sah mich unsicher an. Dann sagte er verlegen:
-
-»Ja.«
-
-Wir beobachteten zwei Fledermäuse.
-
-»Was denkst du über die Frauen?« fragte ich.
-
-»Über welche Frauen?«
-
-»Ich meine ... fändest du etwas dabei, wenn Jungens wie wir ... ein
-Verhältnis haben?«
-
-»Nein ... ja, das heißt ... es kommt darauf an!«
-
-Wolfgang lachte ein wenig hilflos.
-
-Ich stand auf und bot ihm die Hand.
-
-»Wir sollten recht lange Zeit Freunde bleiben,« sagte ich sehr herzlich.
-
-Auch Wolfgang erhob sich. Er schüttelte meine Hand kräftig, und es lag
-in dieser Bewegung etwas eigentümlich Ritterliches.
-
-»Ja, das sollten wir wirklich,« erwiderte er in demselben Ton.
-
-»Gute Nacht, Wolfgang.«
-
-»Gute Nacht, Walter, -- und danke für alles.«
-
-Ich ging in mein Zimmer.
-
-
-
-
- 11
-
-
-Wir reiten zu dritt im abgekürzten Galopp -- von Hans Kietschmann
-gefolgt -- über eine jüngst gemähte Wiese, deren Heu naß und ohne Duft
-ist. Wir reiten Schulter an Schulter und achten streng darauf, daß die
-Linie eingehalten wird. Jeder von uns beschäftigt sich schweigend mit
-seinem Pferde, beobachtet den gebogenen Tierhals und übt auf jeden Druck
-den Gegendruck der Schenkel aus.
-
-Manchmal sehe ich zu Nina hin. Das feurige Haar lodert wie eine Flamme,
-wie ein Triumph unter dem schwarzen Hut hervor; die weißen Kinderzähne
-beißen auf die feuchte Unterlippe, die unbedeckten Hände erfassen die
-Zügel des unruhigen Pferdes mit freudiger Kraft. Unausgesetzt richtet
-Nina die verliebten Blicke auf den Kopf des Pferdes, das in großzügiger
-Bewegung galoppiert. Ich sehe mit Vergnügen, daß der schlanke Körper mit
-den säulenstarken hohen Beinen und der jugendlichen weichen Brust sich
-entzückt der Bewegung des schnaubenden und wiehernden Tieres hingibt und
-niemals die Verbindung mit ihm verliert.
-
-Es geschieht einige Male, daß Sekt sich nahe an meine Stute drängt und
-Ninas Fuß den meinen berührt.
-
-Hatte ich nicht die ganze Nacht von der einen Minute geträumt, in der
-Nina ihren Fuß auf meine Hand setzen würde, um das Pferd zu besteigen?
-Und war ich nicht, als sie es wirklich getan, verwirrt und mit pochendem
-Herzen davongestürzt?
-
-Sekts Gangart wird von Augenblick zu Augenblicke länger. Der Schimmel
-und seine Herrin freuen sich des wie unbegrenzten Raumes, der
-morgendlichen Luft und der würzigen Gerüche des Feldes.
-
-Ich sehe unsicher zu Wolfgang hin, der immerfort mit tiefer Stimme auf
-den Schimmel einspricht:
-
-»Ruhe! -- Sekt! -- Ruhe! -- Ohlala -- Ohlala!«
-
-Meine Moissi geht leichtfüßig mit. Wolfgangs nicht so belebtem Fuchs
-wird es schwer, die Linie einzuhalten.
-
-»Ruhe, Fräulein Nina!« sage auch ich jetzt. »Bitte abgekürzter Galopp!«
-
-Aber Nina hört nichts. Sie sieht verzückt, mit nassem, erregtem Munde
-und blinkenden Augen auf den Schimmel und beißt mit den weißen Zähnen
-auf die Lippe.
-
-»Gib auf die Sporen acht!«
-
-In diesem Augenblick tut Sekt, den irgend etwas erschreckt hat, einen
-kleinen Sprung, Nina kommt mit den Sporen an die Weichen, der Schimmel
-wirft den Kopf mit einer schmerzlichen Gebärde in die Höhe und geht
-durch.
-
-Moissi folgt sofort. Wolfgang und Hans Kietschmann bleiben zurück.
-
- * * * * *
-
-»So, Fräulein Nina ... jetzt Ruhe, nur Ruhe!«
-
-Die Pferde rasen über das Feld. Die Morgensonne erhebt sich
-gelbstrahlend über einem Hügel und blendet uns.
-
-»Rechte Kandare ziehen! ... Sekt, Ruhe!«
-
-Nina richtet das Tier mit allen Kräften nach rechts.
-
-Wenn ihr nur nichts geschieht! ... Nein, sie ist ruhig. Es geschieht ihr
-nichts.
-
-»Mehr rechts, immer mehr rechts! ... Fort vom Stall! ...«
-
-Sieh da, sie ist zufrieden, sie ist hingegeben dieser einzigartigen
-Geschwindigkeit, dieser goldenen Flucht durch den Morgendunst.
-
-»Noch mehr rechts! ... Bravo, Fräulein Nina! Noch mehr!«
-
-Wir beschreiben mit unserem Ritt eine Kurve.
-
-»Reitpeitsche fortwerfen!«
-
-Nina läßt die Peitsche fallen.
-
-Ich bekomme über meine Stute Gewalt, meine Knie und Schenkel sind
-unausgesetzt an den Sattel gepreßt. Ich drücke den Rappen an Nina heran.
-
-»Noch einmal nach rechts ... sehr gut! ... Noch einmal! ... Ah, er läßt
-nach ...«
-
-Ich beuge mich vor und greife in Ninas Zügel. Der Schimmel erschrickt,
-bäumt sich, -- ich packe den Halfter und der Schimmel steht.
-
-Nina lacht, ein nervöses, schreiendes, jubelndes Lachen.
-
-Ich steige von meinem Pferd, um Sekt liebkosend zu beruhigen. Ein
-unerklärlicher Gram erfaßt mich, ich spreche kein Wort, sehe Nina nicht
-an und bebe vor Schmerz und Zorn ...
-
-Wolfgang erreichte uns endlich. Er lacht.
-
-»Bravo Nina! -- Nichts geschehen?«
-
-Nina schüttelt den Kopf.
-
-»Ein schöner Unsinn, dieses Biest da mit Sporen reiten zu lassen!« sage
-ich scharf und böse.
-
-Wolfgang zieht ein beleidigtes Gesicht.
-
-»Nehmen Sie die Sporen ab!« herrsche ich Nina an, ohne hinaufzusehen.
-
-Wolfgang und Hans steigen von den Pferden.
-
-»O -- Sie sind zornig, Walter!« ruft Nina.
-
-Ich blicke auf. Ninas Augen lachen, aber sie ist blaß, sehr blaß, und
-ihre Lippen zittern nervös.
-
-»Nehmen Sie jetzt bitte die Sporen ab.«
-
-Hans befreit Nina von den Sporen und reitet zurück, um auf der Wiese die
-Reitpeitsche zu suchen. Ich stecke die Sporen in meine Tasche.
-
-Wir reiten im Schritt weiter und erreichen ein belichtetes Gehölz.
-Unsere Tiere sind ermüdet und zufrieden. Sie gehen in großen Schritten
-durch den Wald und spähen an den stolzen Fichtenstämmen stolz vorbei.
-Wir sind schweigsam und schlecht gelaunt.
-
-Mit einem Male streckt Nina die Hand nach mir hin. Da ich nicht in ihrer
-Nähe bin, fingert sie ungeduldig in der Luft herum. Ich nehme ihre Hand,
-beuge mich tief nach unten und küsse sie lange.
-
-Wie ich mich emporrichte, sehe ich, daß Nina mit lächelndem Antlitz und
-feuchten goldenen Wimpern nach der andern Seite blickt. Wolfgang ist
-blaß geworden und hält die Augen gesenkt. Hans reitet irgendwo
-hinterher.
-
-Wir erreichen, ohne ein Wort zu sprechen, nach einer Stunde den Gutshof.
-Die Pferde sind naß und wollen ihr Futter. Ich grüße Nina mit dem Hut
-und gehe ins Haus.
-
-
-
-
- 12
-
-
-Wir fuhren am Abend mit einem leichten Jagdwagen ins Gebirge. Frau
-Seyderhelm war im Schloß geblieben, da sie Besuch erwartete.
-
-Wir saßen auf der Terrasse eines vornehmen und einsam am Fluß gelegenen
-Hotels. Vor unseren Blicken zerflossen die kupferbraunen Abhänge und
-goldenen Bergeshäupter, die ein unaufhörlich gleitendes Licht belebte.
-
-Ich stand, noch ehe die Mahlzeit bereitet war, im Stalle bei den Pferden
-und sorgte dafür, daß sie ihr Futter bekamen. Mein Kopf war benommen,
-und meine Augen brannten. Den ganzen Tag in Ninas Kreise zu leben, den
-Hauch ihrer Lippen zu spüren, im Wagen ihren Knieen nahe zu sein und
-ihrem duftenden Haar, zu sehen, wie der Wind das helle, sich innig an
-den Körper schmiegende Sommerkleid berührte, und mit verwirrten Sinnen
-zu ahnen, vieles zu ahnen, -- ah, das alles war nicht ganz leicht zu
-ertragen.
-
-Ein Kellner meldete, das Essen sei angerichtet. Ich stieg die steinerne
-Treppe der Terrasse langsam hinauf. Die unaufhörlich wechselnden Farben
-des Abends quälten mich; ein drohendes Verhängnis war in dieser
-Bewegung, eine Unruhe ohnegleichen, eine süße und unsäglich schmerzliche
-Hast, eine Flucht und ein Jammer ohne Trost ...
-
-Als ich oben angelangt war, sah ich, wie Nina ihre Hand auf Wolfgangs
-Arm gelegt hatte. Sie schien ihn etwas zu fragen. Er beantwortete Ninas
-Frage, und sein Gesicht bekam den überaus liebenswürdigen und
-ritterlichen Zug, den ich an ihm liebte. Ein kindliches, verhaltenes
-Schluchzen stieg in mir empor.
-
-Ich setzte mich an den Tisch, Nina und Wolfgang sahen mich an.
-
-»Na Lieber? Wie gehts?« fragte Wolfgang.
-
-»Danke, die Pferde fressen.«
-
-Nina lachte und blickte fort.
-
-Ich wurde rot.
-
-Nina sprach in näselndem Ton von Trüffeln.
-
-»Sieh mal, Wolfgang, wie witzig, hier gibt es gefüllte Trüffel.
-Raffiniert -- nicht?«
-
-»Nina, du redest wie ein Kavallerieoffizier,« sagte Wolfgang, wandte mir
-sein Gesicht schräg zu und fragte in seinem kindlichen Ton:
-
-»Spricht sie nicht wie ein Gardekürassier?«
-
-Wir aßen danach Forellen. Nina verstand es gut, das zarte rosige Fleisch
-der Fische von den Gräten loszulösen. Die weißen, nun der Seele
-beraubten Tieraugen starrten ausdruckslos zu uns herauf. Nur um die
-Mäuler lag ein böser Zug, der von Todespein und letztem Kampf erzählte.
-
-Um die Zeit der späten Dämmerung trat ein Hirsch aus dem Wald des
-gegenüberliegenden Berges hervor, äugte mit einer kühnen Gebärde des
-Kopfes nach dem Hotel hin und trank aus dem Fluß.
-
-Der Geruch von Bergwasser und nassem Sand stieg zu uns empor. Allmählich
-entfaltete der dunkelnde Himmel die Schönheit der beginnenden Nacht vor
-unsern Augen. Die stolzen Gestirne wurden sichtbar; vor ihrer
-urweltlichen Starrheit wichen die wechselnden Farben des Abends besiegt
-zurück. Das Gebirge ward im funkelnden Schein groß und ehern.
-
-Wir standen nach beendetem Mahle auf und gingen über die hölzerne Brücke
-des Flusses dem andern Ufer zu. Die Nacht gab mir mitleidsvoll von ihrer
-Kühle und besänftigte mich wunderbar. Nina schien mir schöner denn je,
-aber ihre Schönheit war meinen Sinnen und meinem undeutlichen Verlangen
-entfernt. Sie ging mit ihrem weißen Sommerkleid wie durchsichtig durch
-die Nacht dahin. Auf ihren Schultern lag ein bläuliches Orenburger Tuch.
-Ihr Haar war unbedeckt und bewegte sich ein wenig im Nachtwind.
-
-Ein leises, sehnsüchtiges Tönen rief uns in den Wald. War es eine Flöte
-oder eines Mundes Klage? Wir folgten neugierig der oft entschwindenden
-und dann wieder genäherten Musik.
-
-Vor einem Bretterverschlag, dem Sammelplatz der Tiere, machten wir Halt.
-Wir sahen die Gestalt eines Mannes zwischen sternhellen Bäumen
-einhergehen, wir sahen ihn in seine Schürze greifen und -- einem Sämann
-gleich -- Eicheln und Kastanien mit einer weiten Bewegung seines Armes
-über den Waldboden streuen. Dazu pfiff er eine Melodie, eine kleine,
-sentimentale, unbeholfene und doch unendlich rührende, süße, zärtlich
-lockende Melodie. Nach einer Weile schien es, als bewege sich der Wald.
-Unhörbar, aber mit großzügigen Bewegungen und bei jedem Schritt ein
-wenig mit den Häuptern nickend, kamen wie aus einem dunkel gewebten
-Teppich Hirsche und Rehe aus der Nacht hervor, beugten sich zu Boden und
-näherten sich langsam dem lockenden Freund der Tiere. Allmählich
-entfernte sich der Mann, umdrängt von seinen zärtlichen Geschöpfen,
-ferner und ferner klang die Musik seines Mundes und löste sich endlich
-auf im Rauschen des Waldes.
-
- * * * * *
-
-Wolfgang eilte voraus, um mit Hans die Pferde anzuschirren. Es zeigten
-sich Wolken am Himmel.
-
-Ich ging mit Nina langsam den jäh erleuchteten Waldweg entlang. Nina
-hatte wieder ihren Schnupfen und führte das kleine Tuch oftmals an den
-Mund.
-
-»Walter.«
-
-»Ja.«
-
-»Wie alt sind Sie?«
-
-»Siebenzehn Jahre.«
-
-»Siebenzehn Jahre,« wiederholte Nina.
-
-Eine Stille.
-
-»Walter.«
-
-»Nina?«
-
-»Sie werden morgen fortreisen, -- nicht wahr?«
-
-Und da sie mein Gesicht sah, hob sie beschwörend die bittenden Hände
-empor und sagte in unvergleichlich rührendem Ton:
-
-»Walter, -- Sie sind _siebenzehn_ Jahre!«
-
-Ich hatte wieder solche Angst.
-
-Ich werde mich töten, dachte ich.
-
-Eine lange Stille.
-
-»Sie werden reisen, Walter?«
-
-»Ja.«
-
-»Danke.«
-
-Ich werde mich töten. Es wird noch diese Nacht geschehen.
-
- * * * * *
-
-Wir fuhren über Felder. Wolfgang kutschierte, wobei er manchmal einige
-Worte mit Hans wechselte. Ich saß mit Nina in der Break. Nina sprach
-viel und war nervös.
-
-Es erhob sich ein Wind und trieb große, von den Sternen erhellte Wolken
-über den Himmel. In der Ferne leuchteten Blitze.
-
-Nina klagte über den Sturm, der ihr Kopfschmerzen verursachte, und bat,
-man solle die Verschläge herunterlassen. Der Wagen hielt, die Pferde
-stampften ängstlich auf dem undeutlichen Feldwege, und Hans spannte die
-leinenen Gardinen auf.
-
-Wir waren nun von den andern durch eine Wand getrennt und sahen die Welt
-einzig durch die Öffnung über der Türe. Wir hörten von irgendwoher
-kleine Bäche rauschen, den Wind im Korn und in entfernten Wäldern
-blasen, und aufgescheuchte Enten, die schreiend nach irgend einem
-wohlgeborgenen Teiche zogen.
-
-»Sie frieren, Walter?«
-
-»Nein. Danke.«
-
-Nina hüllte sich fester in das weiche blaue Gewebe ihres Tuches.
-
-Ein Blitz zuckte.
-
-»Haben Sie den Hasen gesehen, Walter?«
-
-»Ja.«
-
-Wir fuhren über eine Brücke. Das Holz dröhnte.
-
-»Sie haben noch einen Vater, Walter?«
-
-»Ja.«
-
-»Wo ist er?«
-
-»In Skandinavien.«
-
-»Allein?«
-
-»Anny Döring ist bei ihm.«
-
-»Wie? -- Die Soubrette?«
-
-»Ja.«
-
-»Ach --!«
-
-Nina blickte mich verwundert und ängstlich an.
-
-Wie liebte sie in diesem Augenblick meinen Vater. O Nina, Nina!
-
-Ich sah lange Zeit hinaus und träumte. Ich fühlte, daß mich Nina
-unausgesetzt betrachtete. Später vergaß ich es.
-
-Eine Hand lag auf der Decke. Es war Ninas Hand.
-
-»Darf ich sie küssen?« fragte ich.
-
-Nina lachte mit einem hellen Ton. Es klang, als fiele ein kleiner
-silberner Hammer schnell auf Metall.
-
-Ich küßte die Hand und dachte dabei an den Förster, der durch den Wald
-ging und Eicheln über die Erde streute. Ich küßte keine lebendige Haut,
-sondern Wildleder, dänisches Wildleder. Ich küßte dieses Leder noch
-einige Male und ließ die Hand dann fahren. Ich empfand kein besonderes
-Vergnügen dabei und wunderte mich. Wahrscheinlich träumte ich dies alles
-nur, sonst wäre ich doch wohl anders gewesen. Ich hätte vielleicht
-geschrieen ...?
-
-Es begann langsam zu regnen. Ich streckte die Hand hinaus. Große warme
-Tropfen fielen hernieder.
-
-»Wir werden morgen nicht Tennis spielen können,« sagte ich schläfrig.
-
-»Ja,« erwiderte Nina verwundert.
-
-Ach so, ich reise ja morgen fort, dachte ich. Wie ungeschickt!
-
-Ich träumte fort, sah Steine, Wolken und Bäume vorbeieilen; oben sprach
-Wolfgang irgend etwas, was ich nicht verstand, und der Donner wurde
-stärker, immer stärker.
-
-Nein, ich werde morgen nicht fortreisen. Ich werde mich heute Abend
-töten.
-
-Schafe standen zusammengedrängt und fürchteten sich ... Sieh da, Schafe
-... »Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den
-Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Herde. Und siehe, des Herrn Engel
-trat zu ihnen, und die Klarheit des Herren leuchtete um sie; und sie
-fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch
-nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude ...« wie schön, -- siehe,
-ich verkünde euch große Freude! Mir war mit einem Male, als sei mein
-Körper durchströmt von gutem warmem Blut. Es war ja alles gar nicht so
-schlimm! Denn ich verkünde euch große Freude ...
-
-Da -- was war das? Eine bebende Hand griff nach meiner. Mein Traum
-zerriß -- --
-
-»Nina!«
-
-Ich schrie.
-
-»Sei still, um Gottes willen ...«
-
-»Hallo, was gibt's?« fragte Wolfgang.
-
-»Nichts. Ninas Haar im Wind ...«
-
-Ich riß Nina an mich, überflutete ihr Antlitz mit Küssen, umarmte ihre
-Kniee und biß in ihre Lippen und Hände ...
-
-»Laß ... Laß ... Du bist verrückt.«
-
-Sie stöhnte.
-
-Ich flehte unverhüllt mit meinen fiebernden Lippen auf ihren Lippen, auf
-ihren Händen, ihrem Haar, ihren Augen und ihrer jungen, jungen Brust ...
-
-O unerhörtes Glück des Aneinanderschmiegens, der verschlungenen Finger,
-der wirren, in die dunkle Luft hineingesprochenen Reden!
-
-Und dann dieses wunderbare, einzigartige Ermatten, diese tränenreiche,
-gütige Müdigkeit, ... dieses bekümmerte Suchen der Hände, ... und
-endlich diese Ruhe, diese tiefe, tiefe Ruhe! ...
-
-Wie wir einst so glücklich waren!
-
- * * * * *
-
-Um Mitternacht stürmten die gepeitschten nassen Pferde mit rasselndem
-Wagen in den Schloßhof. Frau Seyderhelm empfing uns in der Türe. Sie war
-ein wenig müde, aber freundlich und besorgt.
-
-
-
-
- 13
-
-
-Ich stellte mich an das Fenster meines Zimmers und sah hinaus. Blitze
-spalteten Eichen und Kiefern, und über Wälder und weite Ebenen rollten
-ihre Donner. Aus den Ställen brüllten und wieherten geängstigte Tiere,
-und Malatesta saß mit glühenden Augen in seiner Hütte vor meinem Fenster
-und heulte.
-
-Auch dies ging vorbei. Ein stetig und kühl strömender Regen spendete
-uns, den Fiebernden, Genesung. Gerüche von niegeahnter Kraft erfüllten
-die Luft, und die Tiere in den Ställen begannen ihren Schlaf. Zwei Uhr
-schlug die Glocke, aber der trübe Morgen war noch fern.
-
-Ich setzte mich an den Tisch. Ich wollte etwas Unerhörtes schreiben,
-aber ach, -- es wurden nur diese einfachen Zeilen:
-
- Ist es denn möglich, daß wir diese Nacht
- In einem Wagen über Felder fuhren?
- Hab' ich geträumt? Ich sah doch einen Wald!
- Eilten nicht Steine, Wolken, Bäume, Sterne
- An uns vorbei, und hast du später nicht
- -- So hab' ich _doch_ geträumt, -- und hast du nicht
- Mir abgewandten Blicks die Hand gereicht?
- ... Und küßte ich sie nicht?
- Ich habe nicht geträumt. Wir fuhren nachts
- In einem Wagen über weite Felder,
- Es eilten stille Wolken, Bäume, Sterne
- An uns vorbei ... Du gabst mir deine Hand ...
- ... Ich küßte sie ... So hab' ich _doch_ geträumt?
-
-Ich packte meinen Ranzen, nahm das Blatt, stieg zu Ninas Zimmer hinauf,
-öffnete die erste ihrer beiden Türen und legte mein Gedicht auf ihre
-Diele. Dann schlich ich mich hinunter.
-
-Ich trat auf den Hof, streichelte Malatesta und dachte: Frau Seyderhelm
-und Wolfgang ... ach, Frau Seyderhelm und Wolfgang!
-
-Ich wanderte die Straße hinab, bis sich im Osten der bewölkte Tag
-ankündete. Auf einem Hügel blieb ich stehen und sah die verlassene
-bleiche Landschaft unter mir. Eine Starenkette flog durch die gereinigte
-Luft des Morgenrots.
-
-Da schlug ich mit der Stirn auf einen Baum und stürzte nieder.
-
-
-
-
- Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München
-
- Karl Borromäus Heinrich
-
- Karl Asenkofer
-
- Geschichte einer Jugend
-
- Zweites Tausend
-
- Geheftet 3 Mark 50 Pf., geb. 5 Mark
-
- Süddeutsche Monatshefte, München: Wenn ich aber sagen sollte,
- welches erzählende Buch des letzten Jahres den stärksten und
- nachhaltigsten Eindruck auf mich gemacht hat, so müßte ich
- Karl Asenkofer von Karl Borromäus Heinrich nennen. Das ist
- mehr als Litteratur: jede Zeile ist erlebt, und was noch
- wichtiger, jedes Erlebnis ist behutsam aufbewahrt! noch hängt
- der ganze Flügelstaub an den leichten Schwingen. Ein Buch
- von packender Ehrlichkeit, die nichts hinzu tut, und so
- niemals den Eindruck des Beabsichtigten, Arrangierten
- aufkommen läßt. Die letzten Gymnasial-, die ersten
- Universitätsjahre sind kaum je so unmittelbar und überzeugend
- wahrhaftig dargestellt worden. Als Heldin steht von der ersten
- bis zur letzten Seite eine der ergreifendsten Muttergestalten
- da. Dies Buch ist so ausgezeichnet, daß man vor der
- Fortsetzung ganz Angst hat. Man möchte den Verfasser inständig
- bitten, mit dem zweiten Teile zu warten, bis er sich dem
- ersten an die Seite stellen kann: ja nicht zu früh, ja nicht
- zu viel über seine augenblicklichen Erlebnisse zu berichten,
- sondern in Gelassenheit und Demut geduldig zu warten, bis zum
- ersten meisterlichen Bande ein zweiter von selber in Stille
- und Sturm reif geworden ist. An dem Tag aber wollen wir uns
- mit ihm freuen, denn an dem Tag ist unsere Litteratur um ein
- bleibendes Werk reicher: um ein solches, das eine Generation
- weiter gibt an die andere.
-
-
- Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, München
-
- Korfiz Holm
-
- Thomas Kerkhoven
-
- Roman
-
- Vierte Auflage
-
- Flexibel geb. 5 Mark, steif geb. 6 Mark
-
- »The Times«, London: »Thomas Kerkhoven« belongs almost to the
- rank of classics like »Tom Jones« or »David Copperfield« or
- »Pendennis«.
-
- Rudolf Herzog in den »Neuesten Nachrichten«, Berlin: Sicher
- ist, daß dieses Werk den besten Büchern beizuzählen ist, die
- in den letzten Jahren erschienen sind.
-
- Wilhelm Hegeler im »Litterarischen Echo«, Berlin: Auf jeder
- Seite ist das Buch voll sprühender Lebendigkeit, von müheloser
- Anschaulichkeit, amüsant und glänzend von Anfang bis zu Ende.
-
- »Münchener Neueste Nachrichten«: Es wird seinen Weg machen;
- denn es ist wert, den besten Dichtungen unserer Zeit an die
- Seite gestellt zu werden.
-
- »Berner Bund«: Ganz »verflixt gut geschrieben« ist es, mit
- einer geradezu bewunderungswürdigen Sicherheit in der Technik.
-
-
- Druck von Hesse & Becker in Leipzig
-
-
-
-
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
-
-Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert.
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Wie wir einst so glücklich waren!, by
-Wilhelm Speyer
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! ***
-
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- the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
- you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
- to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has
- agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
- Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
- within 60 days following each date on which you prepare (or are
- legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
- payments should be clearly marked as such and sent to the Project
- Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
- Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg
- Literary Archive Foundation."
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-* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
- you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
- does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
- License. You must require such a user to return or destroy all
- copies of the works possessed in a physical medium and discontinue
- all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm
- works.
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-* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
- any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
- electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
- receipt of the work.
-
-* You comply with all other terms of this agreement for free
- distribution of Project Gutenberg-tm works.
-
-1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
-Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than
-are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
-from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
-Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm
-trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.
-
-1.F.
-
-1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
-effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
-works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
-Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
-electronic works, and the medium on which they may be stored, may
-contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
-or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
-intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
-other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
-cannot be read by your equipment.
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-1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
-of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
-Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
-Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
-liability to you for damages, costs and expenses, including legal
-fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
-LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
-PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
-TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
-LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
-INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
-DAMAGE.
-
-1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
-defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
-receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
-written explanation to the person you received the work from. If you
-received the work on a physical medium, you must return the medium
-with your written explanation. The person or entity that provided you
-with the defective work may elect to provide a replacement copy in
-lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
-or entity providing it to you may choose to give you a second
-opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
-the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
-without further opportunities to fix the problem.
-
-1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
-in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
-OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
-LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
-
-1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
-warranties or the exclusion or limitation of certain types of
-damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
-violates the law of the state applicable to this agreement, the
-agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
-limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
-unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
-remaining provisions.
-
-1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
-trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
-providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
-accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
-production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
-electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
-including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
-the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
-or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
-additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
-Defect you cause.
-
-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
-
-Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
-computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.
-
-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
-goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
-www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation
-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state's laws.
-
-The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
-mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
-volunteers and employees are scattered throughout numerous
-locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
-Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
-date contact information can be found at the Foundation's web site and
-official page at www.gutenberg.org/contact
-
-For additional contact information:
-
- Dr. Gregory B. Newby
- Chief Executive and Director
- gbnewby@pglaf.org
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-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation
-
-Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
-spread public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
-freely distributed in machine readable form accessible by the widest
-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.
-
-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
-charities and charitable donations in all 50 states of the United
-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
-with these requirements. We do not solicit donations in locations
-where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
-DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
-state visit www.gutenberg.org/donate
-
-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.
-
-International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
-outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
-
-Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
-
-Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.
-
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
-volunteer support.
-
-Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.
-
-Most people start at our Web site which has the main PG search
-facility: www.gutenberg.org
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-This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
-
diff --git a/59186-h/59186-h.htm b/59186-h/59186-h.htm
index 4d096c8..2c5baf4 100644
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<body>
-<pre>
-
-Project Gutenberg's Wie wir einst so glücklich waren!, by Wilhelm Speyer
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
-most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
-of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll
-have to check the laws of the country where you are located before using
-this ebook.
-
-
-
-Title: Wie wir einst so glücklich waren!
-
-Author: Wilhelm Speyer
-
-Release Date: April 1, 2019 [EBook #59186]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: ISO-8859-1
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! ***
-
-
-
-
-Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed
-Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This file was
-produced from images generously made available by The
-Internet Archive.
-
-
-
-
-
-
-</pre>
+<div>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 59186 ***</div>
<div class="frontmatter chapter">
@@ -4945,380 +4906,7 @@ Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert.
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Wie wir einst so glücklich waren!, by
-Wilhelm Speyer
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE WIR EINST SO GLÜCKLICH WAREN! ***
-
-***** This file should be named 59186-h.htm or 59186-h.zip *****
-This and all associated files of various formats will be found in:
- http://www.gutenberg.org/5/9/1/8/59186/
-
-Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed
-Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This file was
-produced from images generously made available by The
-Internet Archive.
-
-
-Updated editions will replace the previous one--the old editions will
-be renamed.
-
-Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
-law means that no one owns a United States copyright in these works,
-so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
-States without permission and without paying copyright
-royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part
-of this license, apply to copying and distributing Project
-Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm
-concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark,
-and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive
-specific permission. If you do not charge anything for copies of this
-eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook
-for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports,
-performances and research. They may be modified and printed and given
-away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks
-not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the
-trademark license, especially commercial redistribution.
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-START: FULL LICENSE
-
-THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
-PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK
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-distribution of electronic works, by using or distributing this work
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-Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full
-Project Gutenberg-tm License available with this file or online at
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-Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project
-Gutenberg-tm electronic works
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-even without complying with the full terms of this agreement. See
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-
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-of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual
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-States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
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-claim a right to prevent you from copying, distributing, performing,
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-works in compliance with the terms of this agreement for keeping the
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-what you can do with this work. Copyright laws in most countries are
-in a constant state of change. If you are outside the United States,
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-on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the
-phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed,
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-
- This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
- most other parts of the world at no cost and with almost no
- restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it
- under the terms of the Project Gutenberg License included with this
- eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the
- United States, you'll have to check the laws of the country where you
- are located before using this ebook.
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-derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not
-contain a notice indicating that it is posted with permission of the
-copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in
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-Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply
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-obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm
-trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.
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-with the permission of the copyright holder, your use and distribution
-must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any
-additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
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-posted with the permission of the copyright holder found at the
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-License terms from this work, or any files containing a part of this
-work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.
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-1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
-electronic work, or any part of this electronic work, without
-prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
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-compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including
-any word processing or hypertext form. However, if you provide access
-to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format
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-version posted on the official Project Gutenberg-tm web site
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-to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means
-of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain
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-unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.
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-1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
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-provided that
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-* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
- the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
- you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
- to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has
- agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
- Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
- within 60 days following each date on which you prepare (or are
- legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
- payments should be clearly marked as such and sent to the Project
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- Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg
- Literary Archive Foundation."
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-* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
- you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
- does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
- License. You must require such a user to return or destroy all
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- all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm
- works.
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-* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
- any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
- electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
- receipt of the work.
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-* You comply with all other terms of this agreement for free
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-1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
-Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than
-are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
-from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
-Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm
-trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.
-
-1.F.
-
-1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
-effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
-works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
-Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
-electronic works, and the medium on which they may be stored, may
-contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
-or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
-intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
-other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
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-1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
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-Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
-liability to you for damages, costs and expenses, including legal
-fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
-LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
-PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
-TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
-LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
-INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
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-defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
-receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
-written explanation to the person you received the work from. If you
-received the work on a physical medium, you must return the medium
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-lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
-or entity providing it to you may choose to give you a second
-opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
-the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
-without further opportunities to fix the problem.
-
-1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
-in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
-OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
-LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.
-
-1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
-warranties or the exclusion or limitation of certain types of
-damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
-violates the law of the state applicable to this agreement, the
-agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
-limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
-unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
-remaining provisions.
-
-1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
-trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
-providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
-accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
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-including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
-the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
-or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
-additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
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-
-Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
-computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.
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-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
-goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
-www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation
-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state's laws.
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-The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
-mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
-volunteers and employees are scattered throughout numerous
-locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
-Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
-date contact information can be found at the Foundation's web site and
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- Dr. Gregory B. Newby
- Chief Executive and Director
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-Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation
-
-Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
-spread public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
-freely distributed in machine readable form accessible by the widest
-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.
-
-The Foundation is committed to complying with the laws regulating
-charities and charitable donations in all 50 states of the United
-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
-with these requirements. We do not solicit donations in locations
-where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
-DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
-state visit www.gutenberg.org/donate
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-While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.
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-International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
-outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
-
-Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
-
-Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.
-
-Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
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