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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - - -Title: Der letzte Sommer - Eine Erzählung in Briefen - - -Author: Ricarda Huch - - - -Release Date: September 18, 2017 [eBook #55578] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - - -***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER LETZTE SOMMER*** - - -E-text prepared by Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading -Team (http://www.pgdp.net) from page images generously made available by -Internet Archive (https://archive.org) - - - -Note: Images of the original pages are available through - Internet Archive. See - https://archive.org/details/derletztesommere00huch - - - - - -DER LETZTE SOMMER - - - * * * * * * - - Von Ricarda Huch erschienen früher im gleichen Verlage: - - - Von den Königen und der Krone. - Roman. 5. Auflage. - - Geh. M 4.--, geb. M 5.-- - - - Seifenblasen. Drei scherzhafte Erzählungen. - 3. Auflage. - - Geh. M 3.50, geb. M 4.50 - - - Die Verteidigung Roms. Roman. - Der »Geschichten von Garibaldi«. I. Teil - 6. Tausend. - - Geh. M 5.--, geb. M 6.-- - - - Der Kampf um Rom. Roman. - Der »Geschichten von Garibaldi«. II. Teil - 4. Auflage. - - Geh. M 5.--, geb. M 6.-- - - * * * * * * - - -DER LETZTE SOMMER - -Eine Erzählung in Briefen - -von - -RICARDA HUCH - -Vierte Auflage - - - - - - -Stuttgart und Leipzig -Deutsche Verlags-Anstalt -1910 - -Alle Rechte, -insbesondere das Recht der Uebersetzung in andere Sprachen, -vorbehalten -Nachdruck wird gerichtlich verfolgt - -Druck der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart -Papier von der Papierfabrik Salach in Salach, Württemberg - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 5. Mai 19.. - -Lieber Konstantin! Ich habe mein Amt angetreten und will Dir berichten, -wie sich mir die Lage darstellt. Daß mir gelingen wird, was ich vorhabe, -bezweifle ich nicht, es scheint sogar, daß die Umstände günstiger sind, -als man voraussetzen konnte. Meine Persönlichkeit wirkt in der ganzen -Familie des Gouverneurs sympathisch, von Argwohn ist keine Rede; dies -ist im Grunde natürlich, nur wir Wissende konnten das Gegenteil -befürchten. Wenn der Gouverneur Erkundigungen über mich eingezogen hat, -so konnten diese mir nicht schaden; meine Zeugnisse von der Kinderschule -an bis zur Universität sind glänzend, und das einzige, was zu meinem -Nachteil sprechen könnte, daß ich mich mit meinem Vater überworfen habe, -wird dadurch entkräftet, daß sein herrschsüchtiger und verschrobener -Charakter allgemein bekannt ist. Ich glaube aber eher, daß er es nicht -getan hat; der Mann ist so ganz ohne Mißtrauen, daß es in seiner Lage an -Einfalt grenzen würde, wenn es nicht mehr mit seiner Furchtlosigkeit und -seiner unrichtigen Beurteilung der Menschen zusammenhinge. Außerdem -scheint meine Anstellung durchaus ein Werk seiner Frau zu sein, die, von -Natur ängstlich, seit sie den Drohbrief erhalten hat, nichts andres mehr -denkt, als wie sie das Leben ihres Mannes schützen kann. Mißtrauen liegt -auch in ihrer Natur nicht; während sie in jedem Winkel unmögliche -Gefahren wittert, könnte sie dem Mörder einen Löffel Suppe anbieten, -wenn es ihr so vorkäme, als ob der arme Mann nichts Warmes im Leibe -hätte. - -Sie erzählte mir, daß eben der von Dir verfaßte Brief sie auf den -Gedanken gebracht hätte, einen jungen Mann zu suchen, der unter dem -Vorwande, ihres Mannes Sekretär zu sein, seine Person vor etwaigen -Anschlägen beschützte, ohne daß er selbst es bemerkte. Es sei ihr jedoch -nicht möglich gewesen, weder ihre Angst noch ihren Plan vor ihrem Manne -geheimzuhalten, und auf ihr inständiges Bitten und um Ruhe vor ihr zu -haben, sei er endlich darauf eingegangen, teils auch, weil er seit -kurzem eine Art Nervenschmerz am rechten Arm habe, der ihm das Schreiben -erschwere. Er habe aber die Bedingung gestellt, daß er wenigstens des -Nachts unter dem alleinigen Schutze seiner Frau bleiben dürfe. Sie -lachten beide, und er setzte hinzu, seine Frau verstehe sich so -ausgezeichnet auf die Befestigung der Schlafzimmer, daß er sich dreist -ihr anvertrauen dürfe; sie gehe nie zu Bett, ohne vorher alle Schränke -und besonders die Vorhänge untersucht zu haben, die sie für -Schlupfwinkel von Verbrechern hielte. Natürlich, sagte sie lebhaft, -vorsichtig müsse man doch sein, ängstlich sei sie durchaus nicht, sie -lasse sogar nachts die Fenster offen, weil sie eine Freundin der -frischen Luft sei, gehe allerdings mit dem Gedanken um, Gitter machen zu -lassen, die man davor setzen könne; denn da die Haustüre verschlossen -wäre, bliebe doch den Leuten, die Böses vorhätten, nichts andres übrig, -als durchs Fenster einzusteigen. Indessen, sagte sie, habe sie schon -jetzt das Gefühl, daß sie sich weniger Gedanken machen würde, nun ich da -wäre. Ihr Gesicht hatte etwas ungemein Gewinnendes bei diesen Worten. -Ich sagte: »Das hoffe ich. Ich würde jede Sorge, die Sie sich jetzt noch -machten, als einen Vorwurf gegen meine Berufstreue auffassen.« Während -dieses Gespräches war der Sohn ins Zimmer gekommen; er sah mich mit -einem besorgten Blick an und sagte: »Fangen Sie heute schon an?«, -worüber wir alle so lachen mußten, daß dadurch sofort ein vertraulicher -Ton hergestellt war. Dieser Sohn, er heißt Welja, ist ein hübscher und -sehr drolliger Junge, nicht viel jünger als ich, spielt aber noch wie -ein Kind von fünf Jahren, nur daß das Spielzeug nicht mehr ganz dasselbe -ist. Studieren tut er die Rechte, um einmal die diplomatische Laufbahn -einzuschlagen; man merkt aber nichts davon. Er ist klug und ein moderner -Mensch mit zahllosen unbeschnittenen Trieben und unbegrenzter -Empfänglichkeit; sein Charakter ist, keinen zu haben, und dies macht ihn -vollkommen belanglos. Er sieht von jeder Sache nur die Seite, an die -sich ein Bonmot anknüpfen läßt, dessen größter und unwiderstehlicher -Reiz in der verschlafenen Art besteht, wie er es vorbringt. - -Außer dem Sohne sind zwei Töchter da, Jessika und Katja, zwischen -zwanzig und dreiundzwanzig Jahren, blond, niedlich, einander ähnlich wie -Zwillinge. Sie waren gegen mich eingenommen, weil sie die Furchtsamkeit -ihrer Mutter albern finden und weil sie fürchteten, in ihrer -sommerlichen Zurückgezogenheit gestört zu werden; da ihnen aber mein -Aeußeres hübsch und stilvoll vorkommt, und da Welja, der ihr Vorbild -ist, sich zu mir hingezogen fühlt, fangen sie an, sich mit meiner -Anwesenheit zu befreunden. Diese drei Kinder erinnern mich, ich weiß -nicht warum, an kleine Kanarienvögel, die dicht zusammengedrängt auf -einer Stange sitzen und zwitschern. Ueberhaupt hat die ganze Familie -etwas kindlich Harmloses, das mich und meine Aufgabe vor mir selbst -lächerlich machen könnte; aber ich kenne die menschliche Seele gut -genug, um zu wissen, daß diesem Wesen maßloser Hochmut zugrunde liegt. -Haß, ja selbst Uebelwollen setzt doch eine gewisse Nähe zu den Menschen -voraus; diese fühlen sich im Grunde allein in einer ihnen gehörenden -Welt. Alle andern haben nicht die Bedeutung der Wirklichkeit und greifen -nicht in ihren Frieden ein. - -Die Dienerschaft besteht aus einem Kutscher, Iwan, der trinkt, und den -Welja Väterchen nennt, und drei Mädchen; alles sind Leute altrussischer -Art, fühlen noch als Leibeigene, beten ihre Herrschaft an und urteilen -doch mit unbewußter Ueberlegenheit über sie, weil sie dem Urquell noch -näher sind. Liebe Wesen, die mir, wie Tiere, eine gewisse Ehrfurcht -einflößen. - -Dies sind meine ersten Eindrücke; Du hörst bald mehr von mir. - - Lju. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 6. Mai. - -Lieber Peter! Ich habe mich damit abgefunden, daß ich während der ganzen -Dauer von Papas Urlaub hier auf dem Lande bleiben muß. Blödsinnige -Sache, dieser Schluß der Universität. Ich hatte doch vollkommen recht, -als ich Ruhe empfahl; denn daß wir bei einem Kampfe den kürzeren ziehen -mußten, war vorauszusehen. Aber Du mußtest natürlich wie eine geheizte -Maschine ohne Bremse drauflos, und es ist reiner Zufall, daß Du nicht -von meinem eignen Vater an den Galgen gebracht wirst. Es ist durchaus -keine Schande, der Uebermacht nachzugeben, vielmehr Stumpfsinn und -Raserei, gegen sie anzugehen; ich leide an keinem von beiden. Wenn mir -die armen Kerls nicht leid täten, die mit ihrem heiligen Eifer so -rettungslos hereingefallen sind, würde ich mich mit der Geschichte ganz -aussöhnen; den Sommer genießt man hier schließlich am besten, und aus -der Affäre mit der Lisabeth, die ich ein bißchen unüberlegt angezettelt -hatte, hätte ich mich nicht so leicht loswickeln können, wenn ich in -Petersburg geblieben wäre. Wenn Papa und Mama auch etwas rückständig -sind, so haben sie doch Verstand und Geschmack und sind zum täglichen -Umgang viel angenehmer als die rabiaten Köpfe, mit denen Du Deine -antediluvianische Dickhaut zu umgeben liebst. Papa darf man zwar nicht -ernstlich widersprechen, wenn man seine Ruhe bei Tisch haben will, aber -Mama hört gelegentlich eine rebellische Ansicht recht gern und frondiert -mit einer gewissen Verve gegen Papa, was ihm auch in angemessenen -Grenzen gut an ihr gefällt; wenn er sich aber nachdrücklich räuspert -oder die Augenbrauen zusammenzieht, lenkt sie gleich ein, schon um uns -mit dem guten Beispiel der Unterordnung voranzugehen. Uebrigens ist ja -auch Katja hier, es ist also nicht nur erträglich, sondern positiv nett. - -Der Schutzengel ist angekommen. Mama ist überzeugt, daß er das Talent -hat, alle Gifte, Waffen, Dynamitpatronen und sonstigen Unfälle von Papa -ab- und auf sich hinzulenken, und schätzt den begabten jungen Mann -unendlich. Wir dachten, es würde ein Mann mit breitem Vollbart, biederen -Fäusten und aufgeblasenen Redensarten ankommen; anstatt dessen ist er -schlank, glattrasiert, zurückhaltend, eher ein englischer Typus. Mir -sagte er, sein Vater habe verlangt, daß er sich zu einer Professur -melde, er hat nämlich Philosophie studiert, aber er wolle keinen Beruf -und habe besonders einen Widerwillen gegen die zünftigen Philosophen. Um -ihn zu zwingen, habe sein Vater ihm alle Geldmittel entzogen, und -deshalb habe er diese Stellung angenommen, zu der er im Grunde wohl -wenig befähigt sei. Er sagte: »Ich glaube, ich kann mich am ersten -dadurch nützlich machen, daß ich Ihre Frau Mutter ein wenig beruhige, -und das scheint mir gar nicht schwer zu sein. Sie hat die liebenswürdige -Eigenschaft, nicht zweifelsüchtig zu sein, und wird mich gern für einen -geborenen Blitzableiter halten, wenn ich mir einigermaßen Mühe gebe, -einen solchen vorzustellen.« Ich sagte: »Wenn Sie sich nur nicht dabei -langweilen.« Darüber lachte er und sagte: »Ich langweile mich nie. Der -Mensch befindet sich, wo er auch ist, im Mittelpunkt eines Mysteriums. -Aber auch abgesehen davon: ich liebe das Landleben und gute -Gesellschaft, für mich ist also gesorgt.« Er hat einen durchdringenden -Blick, und ich bin überzeugt, daß er uns alle schon ziemlich zutreffend -zerlegt und eingeteilt hat. Er selbst glaubt unergründlich zu sein; ich -halte ihn trotz seiner anscheinenden Kälte für verwegen, sehr -leidenschaftlich und ehrgeizig. Es wäre schade, wenn er doch noch einmal -Professor würde. Man hat das Gefühl, daß er mehr will und kann als andre -Menschen. Seine Ansichten werden wohl nicht weniger revolutionär sein -als unsre, aber er ist bis jetzt ganz unpersönlich im Gespräch. Diese -Objektivität imponiert mir eigentlich am meisten, besonders weil seine -Unterhaltung trotzdem anregend ist. Jessika und Katja sind dafür -natürlich sehr empfänglich, weswegen Du aber noch nicht eifersüchtig zu -werden brauchst, alter Saurier. - - Dein Welja. - - - - - Jessika an Tatjana - - - Kremskoje, 7. Mai. - -Liebe Tante! Da es tiefstes Geheimnis ist und bleiben soll, daß Mama -einen Sekretär für Papa angestellt hat, dessen eigentliche Bestimmung -ist, Papa vor den Bomben zu schützen, die ihm angedroht sind, kann ich -die Tatsache wohl als bekannt voraussetzen. Vielleicht ist es auch -besser, wenn sie in den weitesten Kreisen verbreitet wird, dann fangen -die Anarchisten gar nicht erst an zu werfen, wodurch unserm Schutzengel -seine Arbeit erleichtert wird. Du siehst, daß ich ihm wohl will, und er -verdient es schon deshalb, weil seine Anwesenheit so günstig auf Mamas -Stimmung einwirkt. Am ersten Mittag fragte Mama ihn, was er geträumt -habe; der erste Traum an einem neuen Aufenthalt sei bedeutungsvoll. Ich -glaube, er hatte gar nichts geträumt, aber er erzählte, ohne sich zu -besinnen, eine lange Geschichte, daß er sich im Innern eines herrlichen -Palastes befunden habe und langsam von einem Raume zum andern gegangen -sei, und beschrieb alle ganz ausführlich. Zuletzt sei er zu einem Gemach -gekommen, in dem es ganz dunkel gewesen sei und auf dessen Schwelle ihn -eine unerklärliche Bangigkeit befallen habe; er habe gezögert, -weiterzugehen, dann sich zusammengenommen, dann wieder innegehalten und -sei dann unter Herzklopfen aufgewacht. Mamas Augen wurden immer größer. -»Wie gut,« sagte sie, »daß Sie nicht hereingegangen sind, es wäre gewiß -etwas Schreckliches darin gewesen.« »Vielleicht eine Badewanne,« sagte -Welja ruhig. Wir mußten alle lachen, und da Katja erst anfing, als wir -andern schon fertig waren, dauerte es sehr lange. Ich sagte: »Bitte, -träumen Sie doch nächste Nacht weiter und nehmen Sie ein Bad, damit Mama -beruhigt ist; denn Baden kann doch nur Gutes bedeuten.« Nein, sagte -Mama, Wasser wäre zweideutig, nur Feuer wäre ein unbedingter -Glückstraum, und sie hätte eben diese Nacht einen gehabt. Dann erzählte -sie ihren Traum, er war zu niedlich; sie hatte nämlich mit Papa schlafen -gehen wollen, und da hatten ihre Betten in Flammen gestanden, schönen, -hellen Flammen ohne Rauch (das ist sehr wichtig!), und sie hatte immer -hineingeblasen in der Meinung zu löschen. Da hatte Papa gerufen: -»Lusinja, so blase doch nicht!« und hatte vor Lachen kaum sprechen -können, und darüber war sie auch ins Lachen gekommen und war lachend -aufgewacht. Diesen Traum bezog Mama auf Lju, dessen Ankunft für uns -glückbringend sei; Lju heißt unser Schutzengel. Daran anknüpfend -erklärte er, woher der Volksglaube an die Bedeutung der Träume stamme -und daß und warum Wasser und Feuer bei allen Völkern im selben Sinne -aufgefaßt würden und was Wahres daran sei; leider kann ich es Dir nicht -so hübsch auseinandersetzen, wie er es tat. Papa hörte auch sehr -interessiert zu, obgleich er von Träumen und dergleichen eigentlich gar -nichts versteht, und sagte zuletzt mit einem Seufzer: »Sie würden -ausgezeichnet zum Sekretär meiner Frau passen!« - -Nun will ich Dir noch etwas Niedliches erzählen, das heute mittag -passierte. Ich fragte Welja, ob er noch Pudding wolle, und er sagte nach -seiner Gewohnheit: »Vater, wie du willst.« Lju sah ihn neugierig an, und -da erklärte Mama, das wäre Weljas Lieblingsredensart, die er immer im -Munde führte, um zu sagen, es ist mir gleichgültig; sie hoffe aber, -setzte sie nachdrücklich hinzu, er unterdrückte nun einmal diese üble -Angewohnheit, denn sie möge Profanationen des Heiligen durchaus nicht -leiden. »Profanationen des Heiligen?« sagte Welja erstaunt. »Was meinst -du damit?« »Aber Welja,« sagt Mama mit Entrüstung, »tu doch nicht, als -ob du nicht wüßtest, daß die Worte in der Bibel stehen!« »Nein, -wahrhaftig,« ruft Welja, »wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, daß solche -faule Redensarten in der Bibel stehen, hätte ich auch mal drin gelesen!« -Der gute Junge, das ehrlichste Staunen strahlte aus seinen -weitaufgerissenen Augen. Lju konnte gar nicht aufhören zu lachen, ich -glaube, er ist entzückt von Welja. - -Mit Papas Nerven geht es ganz gut, er hat Iwan einmal angegrollt, als er -dachte, er wäre betrunken -- er war es zufällig gerade nicht -- und -einmal, weil ihm der Reis angebrannt vorkam, aber einen richtigen Krach -hat er noch nicht gemacht, obgleich wir schon vier Tage draußen sind. - -Geliebteste Tante, ich lege alle Tage Sträuße von Thymian, Lavendel und -Rosmarin in unser Gastzimmer, nicht nur auf den Tisch, sondern auch in -Schränke und Kommoden, damit es durch und durch einen hübschen -Biedermeiergeruch bekommt. Belohne meine Aufmerksamkeit, indem Du -kommst. - - Deine Jessika. - - - - - Katja an Peter - - - Kremskoje, 9. Mai. - -Lieber Peter! Du bist ein Kalb, wenn Du mir wirklich übelgenommen hast, -daß ich nicht zu Hause war, als Du mir Adieu sagen wolltest. Konnte ich -wissen, daß Du kommen würdest? Und außerdem machte ich noch einen Besuch -bei der alten Generalin, was doch wahrhaftig kein Vergnügen ist. -Uebelnehmen ist kleinbürgerlich, hoffentlich hat Welja mich angelogen. -Wenn ich es nicht so unverschämt von Papa fände, daß er die Universität -geschlossen hat, würde ich froh sein, daß ich hier bin. Ich tue nichts -als essen, schlafen, lesen und radfahren. Der neue Sekretär ist sehr -elegant, obgleich er kein Geld hat, eine glänzende Erscheinung und -fabelhaft klug. Er radelt auch mit uns, aber er tut es nicht gern, er -sagt, es wäre schon veraltet, man müßte jetzt Automobil fahren. Ich -finde, er hat ganz recht, wir wollen Papa auch dahin bringen, daß er -eins anschafft, einstweilen halten wir eine Zeitung für Automobilwesen. -Gruß - - Katja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 10. Mai. - -Der Aufenthalt hier ist mir von großem psychologischem Interesse. Die -Familie hat alle Vorzüge und Fehler ihres Standes. Vielleicht kann man -von Fehlern nicht einmal reden; sie haben vorzüglich den einen, einer -Zeit anzugehören, die vergehen muß, und einer im Wege zu stehen, die -sich entwickelt. Wenn ein schöner alter Baum fallen muß, um einer -Eisenbahnlinie Platz zu machen, so schmerzt es einen; man steht bei ihm -wie bei einem alten Freunde und betrachtet ihn bewundernd und trauernd -bis zu seinem Sturze. Unleugbar ist es schade um den Gouverneur, der ein -vortreffliches Exemplar seiner Gattung ist; allerdings glaube ich, daß -er seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Wenn er die Einsicht -davon hätte und von seinem Amte zurückträte, oder wenn er es täte, um -sein Leben nicht auszusetzen, niemand würde es freudiger begrüßen als -ich; aber dazu ist er zu stolz. Er glaubt, nur wer arbeite und etwas -leiste, habe ein Recht zu leben, überhaupt kann er sich ein Leben ohne -Arbeit nicht vorstellen; darum will er arbeiten und glaubt, wenn er dies -und das tue, was die Aerzte ihm empfehlen, so würde er die frühere Kraft -allmählich wiedererhalten. Neulich schlief er ein, während er am -Schreibtische saß, und ich konnte ihn ungestört beobachten; wie das -schöne, dunkle und leidenschaftliche Auge sein Gesicht nicht belebte, -erschien es sehr schlaff und erschöpft, während er im allgemeinen noch -den Eindruck reifer Manneskraft hervorruft. Als er aufwachte, setzte er -sich sofort aufrecht hin, warf einen schnellen Blick auf mich und war -sichtlich dadurch beruhigt, daß ich nichts bemerkt zu haben schien. Es -ist charakteristisch für ihn, daß er nicht gern zugibt, wenn er ermüdet -oder schläfrig ist. So ist es ihm angenehm, daß ich ihm das bißchen -Arbeit, das er hier während des Urlaubs erledigt, abnehme oder -erleichtere, und er sagt es auch; aber er möchte nicht, daß man dächte, -er wäre zu abgespannt, um es allein zu tun, ja es würde ihn unglücklich -machen, es selbst zu denken. - -Er ist, wie oft Menschen, die im Amte für streng und mitleidlos gelten, -gegen jeden einzelnen wohlwollend, ja sogar von unbegrenzter -Gutmütigkeit, wenn er liebevoller Nachgiebigkeit und Unterordnung -begegnet. Widersetzlichkeit macht ihn fassungslos, da er unmittelbar -nichts empfindet als seinen Willen und naiv genug ist, um -vorauszusetzen, daß er ebenso für alle andern maßgebend sein müßte. Er -kommt mir vor wie eine Sonne, die schön und treu, wenn auch etwas -rücksichtslos, ihre Welt zu unterhalten beflissen ist; er trägt, brennt -und leuchtet nach Kräften und zweifelt nicht, daß die Planeten ihr Ideal -darin finden, sich zeitlebens um ihn herumzudrehen. An die Existenz von -Kometen und Abnormitäten glaubt er im Grunde nicht, es sei denn, daß sie -in ihm selbst vorkämen; ich könnte mir denken, daß die ernstliche, -tatsächliche Abtrünnigkeit eines Trabanten ihn eher wahnsinnig als -zornig machte. Dabei tun seine Kinder im allgemeinen, was sie Lust -haben; aber in der Theorie tasten sie seine Herrschaft nicht an; dann -sind es seine eignen Kinder, und er ist ein Mann von starken Instinkten, -und schließlich ist er bequem, was sich mit Arbeitsamkeit wohl vereinen -läßt; zu Hause will er es behaglich haben. - -Welja ist ein reizvoller Junge, obwohl er hier nicht an seinem Platze -ist. Er hat die Seele eines neapolitanischen Fischerknaben oder eines -fürstlichen Lieblings, der hübsche Kleider trägt, hübsche, kecke Dinge -sagt und keinen großen Unterschied zwischen Leben und Traum macht. Die -beiden Töchter sind nicht so zwillingshaft, wie es mir zuerst schien, -auch äußerlich nicht. Sie sind beide eher klein als groß und haben -Massen blonden Haares über zarten Gesichtern, übrigens sind sie so -verschieden voneinander wie eine Teerose von einer Moosrose. Wenn -Jessika geht, ist es, als ob ein weicher Wind ein losgerissenes -Blütenblatt durchs Zimmer wehte; Katja steht fest auf der Erde, und was -ihr nicht ausweicht, wird wo möglich mit Nachdruck beiseitegeworfen. -Jessika ist zart, hat oft Schmerzen, und ihre Verletzlichkeit gibt ihr -einen besonderen, raffinierten Zauber; man glaubt, man könne sie nicht -ans Herz drücken, ohne daß es ihr weh täte. Katja ist gesund, ehrlich, -durchaus nicht aufregend, ein kluges, temperamentvolles Kind, an dem man -seine Freude hat. Jessika hat zuweilen etwas Schmachtendes, dann wieder -überrascht sie durch anmutigen Witz, der niemals verletzend, sondern -eher wie eine auserwählte Liebkosung wirkt. Es hat einen Zauber, Einfluß -auf diese jungen Menschen zu gewinnen, und ich genieße ihn einstweilen: -das Schwere und Harte bleibt nicht aus. - - Lju. - - - - - Jessika an Tatjana - - - Kremskoje, 10. Mai. - -Liebste Tante! Du beunruhigst Dich wegen unsers Beschützers, der eigens -zum Beruhigen da ist? Ich bin entzückt von ihm, und aus meinem Briefe -spricht eine verdächtige Fröhlichkeit? Mein Gott, natürlich finde ich -ihn angenehm, da seine Anwesenheit Mamas Besorgnisse zerstreut hat! Sei -ruhig, geliebteste Tante, wenn er sich verliebt, wird er sich in Katja -verlieben, und Katjas Herz hältst Du doch nicht für so zerbrechlich wie -meins. Oder fürchtest Du in dem Falle, daß Peter eifersüchtig wird? -Weißt Du, ich glaube, Katja verliebt sich überhaupt nicht ernstlich; sie -steckt mit Welja in den Johannisbeeren, und beide essen mit derselben -Geschwindigkeit und Unbedenklichkeit wie vor zehn Jahren, als bekämen -sie einen Orden dafür. - -Mama ist jetzt wirklich so ruhig und vergnügt wie seit langer Zeit -nicht. Gott, wenn ich an die letzte Zeit in der Stadt denke, an die -Auftritte, wenn Papa eine halbe Stunde länger ausblieb, als sie -gerechnet hatte! Neulich fand sie ihn nicht in seinem Zimmer, im ganzen -Hause nicht und auch nicht im Garten. Sie fing schon an aufgeregt zu -werden, da sagte unsre Mariuschka, der Herr Gouverneur wäre mit dem -Herrn Sekretär spazieren gegangen. Sofort war ihre Stimmung wieder im -Gleichgewicht, sie forderte mich auf, ein Duett mit ihr zu singen, -behauptete, ich sänge entzückend, und schmetterte selbst wie eine -Nachtigall in Liebesromanen. - -Heute nachmittag war Papa, als er zum Tee gerufen wurde, noch etwas -verschlafen. Mama nahm ihre Lorgnette zur Hand, betrachtete ihn -aufmerksam und fragte mit zärtlicher Betonung: »Warum bist du so blaß, -Jegor?« Papa sagte: »Endlich! Ich habe schon gedacht, du liebtest mich -nicht mehr, weil du mich seit acht Tagen nicht danach gefragt hast.« -Dies war natürlich Spaß; aber wenn Mamas Aengstlichkeit, über die er -sich immer lustig macht, wirklich mal ausbliebe, würde er sich -tatsächlich sehr vernachlässigt fühlen; so ist der Herr Gouverneur. - -Da fällt mir ein, geliebteste Tante, daß ich noch nicht weiß, ob Deine -Erkältung ganz verschwunden ist. Ob der fatale, rätselhafte Schmerz an -Deinem kleinen Finger nachgelassen hat. Ob und wann Du kommst. Der -Flieder blüht, die Kastanien blühen, alles, was blühen kann, blüht! - - Deine Jessika. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 12. Mai. - -Lieber Peter! Wenn Du Eifersucht merken läßt, machst Du Dich lächerlich -bei Katja. Wozu auch? Am ersten könntest Du noch auf mich eifersüchtig -sein, aber dazu bist Du zu grob organisiert. Lju macht Jessika den Hof, -das heißt er sieht sie an und regiert sie mit den Augen, denn sie fällt -natürlich darauf herein. Lju ist ein fabelhafter Mensch, man könnte -sagen seelenlos, wenn man ein Element, das ganz Kraft ist, so nennen -kann. Er würde sich wahrscheinlich kein Gewissen daraus machen, Jessika -oder sonst ein Mädchen unglücklich zu machen; wenn man den Mut hat, sich -ihm ganz hinzugeben, muß man auch den haben, sich zerstören zu lassen. -Und warum stürzen sich die Mädchen so gierig ins Licht? Es ist -jedenfalls ihre Bestimmung, wie die der Motten, sich die Flügel zu -verbrennen. Uebrigens würde Lju niemals ein Mädchen seiner Eitelkeit zum -Opfer bringen, wie doch schließlich die meisten von uns tun. Er zerstört -sie nur so beiläufig, wie zum Beispiel die Sonne tut; sie sollten ihm -einfach nicht zu nahe kommen, aber das können sie natürlich nicht -lassen. Katja ist gottlob anders, das gefällt mir so gut an ihr, -obgleich ich nicht möchte, daß alle so wären. - -Katja und ich haben gestern im Dorfe einen türkischen Konfekthändler -entdeckt, der unerhört gute Sachen hat, rosa und klebrig und -durchsichtig und gummiartig. Er scheint ein echter Türke zu sein, denn -etwas so Süßes habe ich noch nie gegessen. Ich glaube, je mehr man nach -Südosten kommt, desto wundervoller werden die Süßigkeiten. Katja und ich -aßen immerzu, der Türke betrachtete uns ganz ausdruckslos mit seinen -großen Kuhaugen. Endlich konnten wir nicht mehr, und ich sagte: »Jetzt -müssen wir aufhören.« -- »Haben Sie kein Geld mehr?« fragte er; ich -glaube, er hielt uns für Kinder. Ich sagte: »Mir wird übel.« Sein gelbes -Gesicht veränderte sich nicht; ich glaube, wenn wir vor seinen Augen -geplatzt wären, er hätte nicht mit der Wimper gezuckt. - -Wir trafen ein sehr niedliches Mädchen im Dorf, mit dem wir als Kinder -zuweilen gespielt haben. Damals fanden wir sie furchtbar häßlich, weil -sie rote Haare hat, und neckten sie damit; jetzt kam sie mir verteufelt -niedlich vor. Ich rief ihr zu: »Anetta, du bist ja gar nicht mehr -häßlich?« und sie antwortete gleich: »Welja, du bist ja gar nicht mehr -blind!« Weil Katja dabei war, konnte ich weiter nichts machen, aber ich -habe ihr zugenickt, und sie hat mich verstanden. - - Welja. - - - - - Lusinja an Tatjana - - - Kremskoje, 13. Mai. - -Liebe Tatjana! Nun sag, warum bildest Du Dir so fest ein, meine Töchter -müßten sich in Lju verlieben? Ich habe sie bisher für viel zu -unentwickelt zur Liebe gehalten, Katja ist ja wirklich noch ein Kind. Da -Du mich einmal darauf aufmerksam gemacht hast, sehe ich ein, daß Lju -gefährlich ist; männlich, mutig, klug, interessant, auffallend, alles, -was einem jungen Mädchen imponiert. Ich muß es aber rühmen, daß er eher -zurückhaltend gegen meine beiden Kleinen ist; möglicherweise ist er -schon gebunden. Daß Jessika ihn bewundert, habe ich wohl bemerkt; wenn -er spricht, hängen ihre Augen an ihm, sie ist selbst gesprächiger als -sonst und voll allerliebster Einfälle. Ich dachte mir nichts Arges -dabei, sondern freute mich an ihrer Freudigkeit. Tatjana, wenn Du sie -einladen willst und sie gern zu Dir kommen will, werde ich ihr nichts in -den Weg legen. Es mag sein, daß es besser ist. Meine arme kleine -Jessika, wenn ich mir denke, daß sie ihn liebte! Liebte er sie nicht, -müßte sie leiden, und vielleicht noch mehr, wenn er sie liebte. Nein, -der ist kein Mann für sie. Er versteht alles, aber er vergißt sich -niemals, er hat gar keinen Sinn für Kleinigkeiten und Torheiten, oder, -wenn er Sinn dafür hat, so ist es wie für Kräuter, die man in ein -Herbarium sammelt. Hingeben kann er sich nicht, er verzehrt nur. Ich -traue ihm sehr viel zu, zum Beispiel, daß er einmal ein sehr berühmter -Mann wird; jedenfalls braucht er dünne Höhenluft, in der mein kleines -Mädchen nicht atmen könnte. - -Merkwürdig ist es an ihm, daß er sich offenbar für uns alle lebhaft -interessiert, daß er für unsre Vorzüge empfänglich scheint, daß er das -Vertrauen, das wir ihm entgegenbringen, als etwas Selbstverständliches -hinnimmt und doch von sich selbst eigentlich nichts hergibt. Nicht daß -er nicht offen wäre, er beantwortet jede Frage, die man zufällig einmal -an ihn richtet, freimütig und ausgiebig; man kann vielleicht nicht -einmal sagen, daß er verschlossen ist, wenigstens spricht er ziemlich -viel und stets von Dingen, die ihm wirklich wichtig sind. Trotzdem hat -man nicht das Gefühl, daß man sein Inneres kennt. Ich habe schon -gedacht, daß es Geheimnisse in seinem Leben geben könnte, die ihm -Zurückhaltung auferlegen; aber es beunruhigt mich nicht, weil ich sicher -bin, daß es nichts Gemeines ist. - -Neulich war von Lügen die Rede. Da sagte Lju, Lügen wäre unter Umständen -eine Waffe im Kampfe des Lebens, nicht schlechter als eine andre, nur -sich selbst belügen wäre verächtlich. Welja sagte: »Sich selbst belügen? -Wie macht man das überhaupt? Ich würde mir doch niemals glauben.« Lju -lachte ganz beseligt, ich mußte auch lachen, hielt mich aber doch -verpflichtet, Welja zu sagen, es wäre ein schlechter Witz gewesen. -»Bessere können wir doch hier nicht machen,« sagte der Junge, »sonst -versteht Katja sie nicht.« Ja, eigentlich wollte ich Dir nur sagen, die -Ueberzeugung habe ich wirklich, daß Lju sich niemals selbst belügen -würde, und das ist mir das Wesentliche. Der Grundsatz mag gefährlich -sein, aber einem bedeutenden Menschen ist er angemessen. - -Liebe Schwester meines geliebten Mannes, wenn ich nicht die großen -Kinder um mich hätte, könnte ich mir jetzt einbilden, wir wären auf der -Hochzeitsreise. Brauchten wir nur niemals in die Stadt zurück! Jegor hat -sein Klavierspiel wieder aufgenommen, da er nun einmal nicht -unbeschäftigt sein kann, und ich, die es sehr wohl kann, höre zu und -träume. Erinnerst Du Dich noch an die Zeit, wo ich ihn meinen -Unsterblichen nannte? Manchmal jetzt, wenn ich ihn ansehe, überläuft -mich das Gefühl, daß etwas anders geworden ist; es sind nicht die weißen -Haare, deren schon mehr als schwarze sind, nicht die tiefen Schatten, -die oft unter seinen Augen liegen, nicht die strengen Linien, die sein -Gesicht verdunkeln, es ist etwas Unnennbares, das sein ganzes Wesen -umgibt. Einmal mußte ich plötzlich aufspringen und fortlaufen, weil mir -die Tränen aus den Augen sprangen, und im Schlafzimmer habe ich ins -Kissen geschrien: »Mein Unsterblicher! ach, mein Unsterblicher!« Siehst -Du, das ist nicht merkwürdig, daß es Wahnsinnige gibt, aber daß auch die -Allervernünftigsten einmal einen Wahnsinnsanfall haben können, das ist -beklagenswert. - - Deine Lusinja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 15. Mai. - -Lieber Konstantin! Ich hätte mir das denken können; aber ich möchte, daß -ich mich täusche, wenn ich es künftig denke. Es macht den Eindruck, daß -ich mich zum Zweck psychologischer Studien hier befinde; Du findest, daß -ich sehr viel Sinn für das Familienleben entwickle; Du meinst, ich hätte -ebensogut meine Großtante in Odessa besuchen können, und sonst noch -mehreres. Was willst Du? Hattest Du erwartet, ich würde mich wie ein -hungriger Kannibale oder haßerfüllter Nebenbuhler oder betrogener -Ehemann auf sein Opfer stürzen? Wir waren uns darüber einig, daß wir es -nicht machen wollten wie die fanatischen Büffel, denen es bei ihren -Attentaten mehr darauf anzukommen scheint, daß sie ihr eignes Leben -wegwerfen, als das des Gegners. Wir wollten unser Ziel erreichen, ohne -unser Leben, unsre Freiheit, womöglich sogar unsern Ruf aufs Spiel zu -setzen; denn wir haben noch mehr zu erreichen, und wir wissen, daß wir -nicht leicht zu ersetzen sind. Wenn es eilte, würde ich anders gehandelt -haben; aber der Studentenprozeß beginnt erst Anfang August, bis dahin -dauert der Urlaub des Gouverneurs, und ich habe demnach noch drei Monate -Zeit, von denen erst ein halber verflossen ist. Ich sehe mich hier um, -ich lerne die Menschen, die Umgebung kennen und warte auf eine -Gelegenheit. Natürlich hätte ich den Gouverneur längst ermorden können, -wenn es mir nur darauf ankäme; ich bin oft mit ihm allein gewesen, -sowohl im Hause wie im Garten und im Walde. Aber dann hätte ich -unrichtig gehandelt. Jetzt, wo ich zwar geschätzt und fast geliebt -werde, aber immerhin noch ein Fremder bin, könnte sich ein Argwohn gegen -mich erheben; in ein paar Wochen werde ich wie ein Glied der Familie und -wird das nicht mehr möglich sein. Ich schrieb Dir neulich, glaube ich, -daß ich einige Minuten neben ihm gesessen habe, während er schlief. Ich -betrachtete den Teil seines Gesichtes, der mir zugewendet war; die -breiten schwarzen Brauen -- ein Zeichen starker Vitalität --, die -strenggebogene Nase, in jeder Linie liegt Feuer und Noblesse; durch -vornehmes Empfinden gemäßigte Leidenschaft scheint mir auch ein Grundzug -seines Charakters zu sein. Ein wundervolles Geschöpf! Indem ich ihn -betrachtete, dachte ich, wieviel lieber ich diesen Kopf meinen Gedanken, -meinen Absichten zugänglicher machen als ihn mit einer Kugel zerstören -möchte. Auch dies mußt Du bedenken, daß ich den Mord umgehen könnte, -wenn es mir glückte, ihn zu beherrschen, zu beeinflussen. Ich will aber -gleich hinzusetzen, daß ich die Möglichkeit für gering halte: in kleinen -Dingen ist er wie Wachs, in wichtigen wie Eisen. Wenn er etwas bestimmt -will, können weder Furcht noch Liebe ihn umstimmen; so scheint es mir -bis jetzt. - -Der Kleine ist anders; er ist so indolent, daß er einem dankbar ist, -wenn man für ihn will, man muß es nur mit Verstand tun. Seine -Vorurteilslosigkeit setzt in Erstaunen. Er scheint gar nicht durch -Tradition beherrscht; er hat etwas, als ob er mit keinem Bande an -Vergangenheit, Familie, Vaterland angeknüpft wäre. Ich muß an ein altes -Märchen denken, in dem ein elternloses Kind als Kind der Sonne auftritt; -daran erinnert auch seine goldbraune Haut. Im Gespräch mit ihm spreche -ich fast so, wie ich denke; er ist so unbefangen, daß es ihm nicht -einmal auffällt, wie ich mit meinen Ideen eine Stellung bei seinem Vater -habe annehmen können. Er findet es offenbar selbstverständlich, daß ein -Mensch von Verstand so denkt, wie ich denke, und nebenbei jede Rolle -spielt, die nach seinem Geschmack und zu seinem Fortkommen nützlich ist. -Ich habe ihn lieb, und es freut mich, daß ich ihm nichts zuleide zu tun -brauche. Katja denkt wie ihr Bruder, zum Teil vielleicht aus Liebe zu -ihm. Sie ist für ein Mädchen sehr klug und einsichtsvoll; aber sie kann -so verständig reden, wie sie will, sie ist immer wie ein kleiner, -niedlicher Vogel, der auf einem Zweige sitzt und zwitschert, das ist das -Reizende an ihr. - -Konstantin, mache mir nicht wieder Vorwürfe. Wenn mir solche zu machen -wären, würde ich es selbst tun; deshalb hat kein andrer das Recht dazu. - - Lju. - - - - - Jessika an Tatjana - - - Kremskoje, 15. Mai. - -Tante, Du hast mich eingeladen, huldvolle Tante! Ich küsse dankbar Deine -schöne Hand. Vielleicht komme ich auch einmal, wenn Du gerade gar nicht -daran denkst. Aber Liebste, weißt Du denn gar nicht, daß ich Pflichten -habe? Ich kann doch nicht so ohne weiteres fort. Wir haben doch einen -Haushalt, und Du weißt, daß auch die besten Dienstleute von einem -höheren Wesen inspiriert werden müssen. Ich bedaure die Köchin, die bei -unsrer fünffachen Wunderlichkeit gar keinen Rückhalt hätte. Papa -schwärmt für gefüllte Tomaten, aber nicht für Tomaten an der Sauce, was -Mama besonders liebt, während Welja eine Leidenschaft für Tomaten in -Salat hat, Katja ißt sie nur roh. Katja ißt keinen süß zubereiteten -Reis, Papa keinen gepfefferten, ich keinen Milchreis. Niemand von uns -ißt Kohl, wir wollen aber täglich grünes Gemüse; so könnte ich noch -seitenlang fortfahren. Keine Köchin behält das alles, und lesen kann -unsre nicht. Wenn ich fort wäre, müßte Mama an das alles denken -- denn -Katja fiele das nicht ein --, und das täte mir so leid. Sie geht den -ganzen Tag herum und ist glücklich, ihren Mann einmal für sich und in -Sicherheit zu haben; man mag ihr keine dummen Alltäglichkeiten aufbürden -gerade jetzt. - -Ihr denkt, ich wäre nur eine unbedeutende kleine Person! Aber sie würden -es schon bemerken, wenn nicht vor jedem die Tasse Tee oder Kaffee mit -gerade so viel Zucker und Milch oder Zitrone stände, wie er es haben -mag, oder wenn ihm die Orangenschnitten nicht so fein geschält und -entkernt auf den Teller flögen, wie er es gewohnt ist, oder wenn die -Bleistifte und Scheren und Schirme, die er verliert oder verlegt, nicht -gerade im richtigen Augenblick von mir wiedergefunden würden! Ja, so bin -ich! Komm Du nur einmal hierher und überzeuge Dich, wie unentbehrlich -ich bin. - -Wenn Du nun findest, daß ich belohnt und entschädigt werden muß, Tante -Tatjana, so schicke mir doch lila Batist zu einer Bluse und dazu -passenden Zwischensatz und Spitzen. Ich habe nichts, was leicht genug -wäre bei der Hitze. Niemand hat so viel Geschmack wie Du, darum besorge -es, bitte, selbst, Holdseligste. - - Deine dankbare Jessika. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 17. Mai. - -Lieber Peter! Ich habe mich nicht getäuscht, Lju ist im Grunde ein -Revolutionär, nur daß noch etwas dabei ist, was seine Ansichten -himmelhoch über die durchschnittlichen erhebt. Wie soll ich Dir das -begreiflich machen, süßes Megatherium? Er denkt und steht zugleich über -dem, was er denkt. Er hält das, was er denkt und wünscht, nicht für das -Letzte, Absolute. Darum steht er auch abseits von den Parteien, weil er -über sie hinaussieht. Er sagt, der alten Generation gegenüber haben die -Neuen recht, obwohl sie an sich betrachtet fast noch weniger recht haben -als die Alten. Natürlich verstehst Du das nicht, weil Dir die -Selbstironie fehlt, sowohl der Begriff wie die Qualität. Ihr habt keine -Idee, wie komisch es ist, wenn ihr euch über die Verkommenheit der alten -Kultur erhitzt und nicht von ferne ahnt, was Kultur eigentlich bedeutet. -Macht nichts, brülle nicht, alter Saurier, ich bin ganz euer. Mein Vater -ist köstlich; er findet, daß Lju ein sehr angenehmer, kluger und -unterhaltender Mensch ist, weiter dringt sein Scharfblick nicht. Er -kommt nicht auf die Idee, daß ein Mensch in honetten Kleidern, der -höflich mit ihm umgeht und ihm nicht widerspricht, sich außerhalb seines -Systems bewegen könnte. Mama ist viel weniger, wie soll ich es nennen, -auf ihr Selbst beschränkt. Sie sieht wenigstens deutlich ein, daß sie -längst nicht Ljus ganzes Wesen erfaßt hat; sie fühlt etwas Fremdes, wenn -sie dessen auch nicht habhaft werden kann. Neulich sagte sie zu ihm, -seinen Talenten und Kenntnissen und seiner Leistungsfähigkeit sei -eigentlich das Amt, das er in unserm Hause bekleide, nicht angemessen, -ebensowenig das Entgelt, er hätte es gar nicht annehmen dürfen. Lju -sagte, er hätte gehofft, als Privatsekretär freie Zeit übrig zu haben, -die er gebrauche, um ein philosophisches Werk zu vollenden, das sei sein -nächstes Arbeitsziel. Darüber wurde Mama ordentlich rot und meinte, er -sei nun gewiß enttäuscht, da ja seine ganze Person bei uns dauernd in -Anspruch genommen werde. Ich glaube, Lju hatte schon ganz vergessen, daß -er hier ist, um Mörder und Bomben abzufangen, während Mama denkt, er -riebe sich bei dieser schwer zu definierenden Tätigkeit auf. Sie fordert -ihn seitdem öfters auf, sich in sein Zimmer zurückzuziehen und zu -arbeiten, und ist geneigt, es sehr anspruchsvoll von Papa zu finden, -wenn er ihm mal außer der Zeit einen Brief diktieren will; er könnte -sich eigentlich eine Schreibmaschine anschaffen, meinte sie. Man kann -nicht behaupten, daß Mama die Leute ausbeutet. - -Wir sind augenblicklich damit beschäftigt, Papa ein Automobil kaufen zu -lassen; er ist auch schon nahe daran. Wir sprechen bei Tisch immer von -den letzten Automobilrennen und erörtern, ob es mit Benzin oder -Elektrizität billiger ist. Lju meinte, ob wir nicht lieber warten und -dann gleich ein lenkbares Luftfahrzeug anschaffen wollten. Von dem -Gedanken war Papa ordentlich hingerissen, und wie er die Kosten davon -berechnete, kam ihm das Auto hernach schon ganz alltäglich und -kleinbürgerlich vor. - -Lju ist gar nicht musikalisch. Er sagt, Musik wäre eine primitive Kunst, -wenigstens die man bis jetzt kennte. Es könnte vielleicht auch anders -sein, wovon Richard Wagner gewisse Andeutungen gäbe. Das Musikalische in -unsrer Familie wäre primitiv. Ich glaube, daß das ganz richtig ist, -besonders bei Papa. Er spielt schön in dem Sinne, wie der Wald rauscht -oder der Wind saust, es ist etwas Dämonisches. Aber das Besessensein ist -kein Kulturfaktor. Lju hat aber viel übrig für das Primitive. Er findet, -Jessikas Stimme klänge so, wie wenn in der fahlen Dämmerung tief im -Osten die Morgenröte aufginge. Jessikas Stimme finde ich auch fein, auf -mich wirkt sie wie ein Harfenton; sonst habe ich mir nie viel aus Gesang -gemacht, bei der Sinfonie fängt doch die Musik eigentlich erst an. Bilde -Du Dir aber ja nicht ein, Du wärest ein Uebermensch, weil Du -unmusikalisch bist. Bei Dir ist es ein Vakuum. - - Welja. - - - - - Katja an Tatjana - - - Kremskoje, 17. Mai. - -Liebe Tante! Jessika hat vergessen, Dich zu bitten, daß Du uns die -Partitur von »Tristan und Isolde« besorgst oder besorgen läßt. Papa ist -dagegen, er meint, man könnte Noten auch leihen! Gibt es das überhaupt? -Ach, erkundige Dich nur gar nicht, Bücher aus Leihbibliotheken beziehen -ist unfein, und Noten sind auch Bücher, also. Im Grunde ärgert sich Papa -nur, daß wir uns mit Wagner beschäftigen wollen, er ist nun einmal -einseitig. Nicht mal kennen lernen will er ihn, sondern ist von -vornherein entschlossen, ihn gräßlich zu finden. Ja, hätte Wagner vor -ein paar hundert Jahren gelebt und Kirchenmusik gemacht wie Palestrina --- ach so, das klingt dumm, aber ich habe es nun einmal geschrieben, und -Du verstehst mich auch schon. Natürlich sind Beethovens Lieder an seine -ferne Geliebte schön, die Papa immer singt, aber unsre Zeit und unser -Leben drückt das doch nicht aus. Jedenfalls, Tante Tatjana, Du schickst -uns »Tristan und Isolde«, nicht wahr? Bitte recht bald, Peter kann es ja -besorgen. - - Deine Katja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 20. Mai. - -Lieber Konstantin! Dein Brief hat mich zu einer Unvorsichtigkeit -veranlaßt; aber der wäre ein schlechter Feldherr, der nicht einen -falschen Zug wieder einbringen oder sogar verwerten könnte. Das Gerücht, -daß der Studentenprozeß sofort vorgenommen würde und der Gouverneur -infolgedessen sofort nach Petersburg zurückginge, muß unbegründet sein; -denn er selbst würde es doch am ersten wissen und gleichzeitig auch ich. -Trotzdem erwog ich gestern die Möglichkeit und bereitete mich darauf -vor, schnell oder plötzlich handeln zu müssen. Ich sagte mir, bei Tage -würde ich nicht leicht eine Gelegenheit finden, besonders keine für mich -günstige. Nachts könnte ich ihn und seine Frau, denn sie schlafen -zusammen, mit Aether betäuben, ihn durch einen Stich ins Herz töten und -mich ungesehen wieder zu Bett legen. Kein besonderes Verdachtsmoment -würde auf mich hinweisen; bei Tage hingegen könnte sich kaum jemand an -den Gouverneur herandrängen, ohne daß irgendwer, namentlich ohne daß ich -es bemerkte. Am Tage können unzählige unvorhergesehene Störungen -dazwischenkommen; nachts liegen bestimmte, übersichtliche Umstände vor. -Die Ausführbarkeit des Planes hängt wesentlich von dem mehr oder weniger -leisen Schlafe des Gouverneurs und seiner Frau ab; ich beschloß, mir -sofort Gewißheit über die Frage zu verschaffen. Ich warf einen Mantel -über und schlich mich nach ihrem Schlafzimmer, das durch ein -Ankleidezimmer mit angrenzendem Bade- und Garderoberaum von meinem -getrennt ist. Kaum hatte ich den Fuß über die Schwelle gesetzt, als ich -Frau von Rasimkara auf mich zustürzen sah. Ich will Dir gestehen, daß -ich in diesem Augenblick fast die Besinnung verloren hätte: die Frau so -merkwürdig, so schön, so anders als am Tage vor mir zu sehen, es raubte -mir den Atem. In ihrem Gesicht stand zugleich der Ausdruck des -Entsetzens und der unbedenklichsten Entschlossenheit, der sofort, da sie -mich erkannte, dem Gefühl der Erlösung, dem Erstaunen und ich möchte -sagen dem Gefühl für das Komische der Lage Platz machte. Ja, für die -Dauer eines Augenblicks dachte und empfand ich nichts, als wie -hinreißend sie war, sie zog mich rasch in das Ankleidezimmer zurück und -sagte flüsternd, ich hätte sie sehr erschreckt, sie hätte mich für einen -Mörder gehalten, was geschehen wäre? Ob mir etwas fehlte, ob ich -nachtwandelte? Ich sagte, sie möchte ganz ruhig sein, geschehen wäre -nichts, ich wäre aufgewacht, hätte geglaubt, ein Geräusch zu hören, und -hätte mich überzeugen wollen, ob bei ihnen alles ruhig und in Ordnung -wäre; ich hätte das schon öfters getan, weil ich es als zu der von mir -übernommenen Pflicht gehörig betrachtete, bisher hätte sie es aber nicht -bemerkt. Ich setzte noch hinzu, sie würde vielleicht gut tun, ihrem -Manne nichts von dem Vorfall zu sagen. Natürlich nicht, sagte sie, sie -wäre froh, daß er nicht erwacht wäre; dann drückte sie mir die Hand, -nickte mir zu und lächelte und ging in ihr Schlafzimmer zurück. - -Dies war ein sehr gefährlicher Augenblick, und ich habe erst gegen -Morgen wieder einschlafen können. Als sie vor mir stand und mich -anlächelte, dachte ich, daß sie hinreißend sei und gleichzeitig, daß ich -sie würde töten müssen. Ich dachte es mit solcher Lebhaftigkeit, daß mir -war, es schreie aus meinen Augen heraus: ich bin dein Mörder, weil ich -sein Mörder bin. Du wirst immer an seiner Seite sein, dein Leib wird -sich vor seinen werfen, wenn die Stunde da ist, darum mußt du mit ihm -fallen. Das eigentümliche Lächeln, mit dem sie mich ansah, schien zu -sagen: ich verstehe dich, es ist mein Schicksal, ich nehme es auf mich. - -In gewisser Weise habe ich bei meinem unglücklichen Versuch etwas -gewonnen. Ich weiß nun, daß der Gouverneur tief und fest schläft. Ihr -habe ich die Meinung eingeflößt, daß ich zum Schutze ihres Mannes -zuweilen ihr Schlafzimmer betrete. Sähe sie mich eintreten, mich über -sie beugen, sie würde bis zum letzten Augenblick keinen Verdacht -schöpfen, mich nur mit großen Augen erwartungsvoll ansehen. Anderseits -habe ich erfahren, daß mir diese Art der Ausführung widerstrebt. Ich -würde nur im äußersten Notfall dazu schreiten. Ein andrer Weg wird sich -finden lassen, der mir mehr zusagt. Sei Du jedenfalls ohne Sorge: es mag -sein, daß ich unüberlegt gehandelt habe, aber ich habe auch die etwaigen -schlimmen Folgen im Keim erstickt. - - Lju. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 20. Mai. - -Lieber Peter! Heute habe ich das Gefühl, in einem Irrenhaus zu sein. -Mama hat diese Nacht irgend etwas gehört, was nachher gar nichts war, -aber trotzdem sich alles als Einbildung entpuppt hat, sieht sie verweint -aus und fährt bei jedem Geräusch zusammen. Papa hat Furoranfälle, die -wir als Nervosität respektieren sollen. Vorhin klingelt er Mariuschka -her, weil sie in der Garderobe das elektrische Licht habe brennen -lassen. Er machte solchen Krakeel, daß ich es im Garten hörte, und -stellte sich ungefähr so an, als ob dies elektrische Flämmchen das -Verderben auf unsre ganze Familie herunterziehen müßte. Nachher stellte -sich heraus, daß er selbst es angezündet und auszumachen vergessen -hatte. Katja erhob nun ihrerseits ein Geschrei, es wäre empörend von -Papa, das ganze Haus schwämme in Tränen seinetwegen, die Dienstleute -könnten unmöglich Respekt vor ihm haben, wenn er sich so benähme, und -dazwischen rief sie mich an, ob ich es nicht auch fände. Ich sagte: -»Vater, wie du willst.« Da wendete sich plötzlich ihre Entrüstung gegen -mich, worüber wir dann glücklich alle ins Lachen kamen. Papa sagte, nun -müßte er sich wohl bei Mariuschka entschuldigen, weil er ihr unrecht -getan hätte, und begab sich zu diesem Zweck ins Leutezimmer. Wir wollten -gern mitgehen, um der Szene beizuwohnen, aber Mama verbot es als -unschicklich. Ich fand die Geschichte von vornherein nur komisch und -verstehe nicht, wie Katja sich ärgern kann. - - - - - Katja an Peter - - -Natürlich ärgere ich mich, Welja kann eben nichts ernst nehmen, weil er -zu faul ist. Es ist doch empörend, daß ein Mann wie Papa, der sich -selbst gar nicht beherrschen kann, die Universität schließt, weil die -Studenten ihre Rechte verteidigen. Es ist empörend, daß ein Mann solche -Macht hat, die Tatsache allein verdammt unsre Zustände. Sieh doch zu, ob -sich nicht Lehrer finden, uns und allen, die teilnehmen wollen, -Privatkurse zu halten. Es könnte ja bei Dir zu Hause sein, das kann man -doch nicht verbieten. Ich finde, daß man sich so etwas nicht gefallen -lassen soll. Mir ist es ganz gleichgültig, ob ich ein paar Jahre früher -oder später fertig werde, aber es soll doch wenigstens von mir abhängen. -Und wenn das nicht geht, möchte ich fort, ins Ausland. Es ist mir -unleidlich, in Rußland leben zu müssen. Von Welja habe ich gar nichts, -er ist zu dusselig, was ich auch sage und vorschlage, ihm ist alles -gleich. Natürlich, wenn man muß, muß man, aber erst versucht man doch, -ob es nicht anders geht. - - Katja. - - - - - Lusinja an Tatjana - - - 24. Mai. - -Du Liebe! Die Kinder haben Dir geschrieben, daß wir wieder sehr nervös -sind? Wenn Du mich nicht verraten willst, will ich Dir sagen, wovon es -bei mir gekommen ist. Du weißt, ich bin ängstlich und schreckhaft, und -Du weißt auch, daß ich leider sehr ernsten Anlaß dazu habe. Ich gebe zu, -daß ich es auch ohne das wäre, das ändert aber nichts daran, daß der -Anlaß da ist. Nun also, neulich nachts wache ich auf und sehe einen Mann -auf der Schwelle unsers Schlafzimmers stehen. Natürlich denke ich, daß -er Jegor töten will, und stürze blindlings auf ihn zu, um Jegor zu -schützen -- wie, darüber nachzudenken hatte ich keine Zeit. Es war nur -ein Augenblick, dann erkannte ich Lju. Ja, es war Lju. Das plötzliche -Aufhören der Angst und des Schreckens wirkte so befreiend auf mich, daß -ich beinahe lachen mußte; ich hätte ihn umarmen können. Aber nachher, -als ich wieder im Bett lag, machten sich die Folgen der heftigen -Nervenerregung geltend, ich mußte nun weinen und konnte gar nicht mehr -aufhören. Es kam ein Unbehagen über mich, das viel peinlicher war als -die Furcht, die ich vorher gehabt hatte; es war mir nämlich so -unheimlich, daß Lju nachtwandelt. Anders kann ich mir das Vorgefallene -doch nicht erklären, als daß er somnambul ist. Er selbst hat mir eine -andre Erklärung gegeben; er betrachte es als zu seiner Pflicht gehörig, -sich zuweilen zu überzeugen, ob bei uns alles in Ordnung sei, und er sei -schon öfters in unserm Schlafzimmer gewesen, besonders wenn er ein -Geräusch zu hören geglaubt hätte. Das klingt ganz plausibel, und Du -wirst vielleicht sagen, es müßte etwas Beruhigendes für mich haben, zu -wissen, daß er so treu über uns wacht. Vorher würde ich das auch gedacht -haben; aber ich sehe nun, daß die Vorstellung von einer Tatsache ganz -etwas andres ist als die Tatsache selbst. Es ist mir nichts -Beruhigendes, sondern etwas im höchsten Grade Unheimliches, daß ein -Mensch plötzlich nachts in unserm Zimmer stehen kann, sei es nun, weil -er nachtwandelt oder aus andern Gründen. Ich kann nicht mehr schlafen, -weil ich immer denke, plötzlich steht er da und sieht mich aus diesen -seltsamen grauen Augen an, die alle Körper zu durchdringen scheinen. -Wenn ich eben eingeschlafen bin, schrecke ich entsetzt wieder auf. Der -Einfall ist mir gekommen, er könnte durch das offene Fenster -hereinsteigen; Du weißt doch, daß Nachtwandler überall, selbst auf der -Kante des Daches, gehen können. Und das zu denken, ist mir unheimlich, -ich kann nicht dagegen an. Ich möchte gern das Fenster schließen, aber -Jegor will es nicht; er sagt, es wäre Unsinn, und ich müßte solche -krankhafte Einbildungen unterdrücken. Schlangen könnten wohl an einer -glatten Hausmauer hinaufkriechen, Nachtwandler nicht. Was meinst Du? Ich -habe einmal gelesen, für Nachtwandler wäre das Gesetz der Schwere -aufgehoben; Gott weiß es. - -Unglücklicherweise habe ich Jegor, der nicht aufgewacht war und nichts -gehört hatte, alles erzählt. Er ist gut, aber meine Furchtsamkeit macht -ihn ein wenig ungeduldig, weil er sie aus sich selbst nicht -nachempfinden kann. Und dann allerdings machen ihn auch die Verhältnisse -nervös, die eine gewisse Vorsicht vernünftigerweise doch nötig machen, -die er seinem Temperament nach so ungern beobachten möchte. - -Die Kinder wissen von dem Vorfall nichts, denn ich möchte nicht, daß -darüber bei Tisch gesprochen wird. Es scheint mir auch rücksichtsvoller -gegen Lju zu sein, dem wir so viel verdanken; wenn sich das Gerücht -verbreitete, er wäre Nachtwandler, würde es ihm bei den Leuten schaden. -Und daß er nachts in unser Zimmer kommt, um uns zu bewachen, soll auch -nicht bekannt werden. - -Katja, mein Goldkind, ist ein unverbesserlicher kleiner Teufel. Sie -schilt bei jeder Gelegenheit über die Schließung der Universität, obwohl -sie weiß, daß jetzt die politischen und geschäftlichen Dinge nicht -berührt werden sollen, weil es Jegor aufregt. Mich wundert, ob Dein -Peter einmal mit ihr fertig wird, es spricht für seinen Charakter, daß -er es sich zutraut. Von Dir, Liebste, hat er nichts; er schlägt ganz -Deinem Manne nach, und der hat ja sogar Dir zu imponieren verstanden, -nicht wahr? Ach, meine Kleine ist noch zu kindisch, als daß ihr irgend -etwas auf der Welt imponieren könnte. Ich wollte, es gelänge ihm, ihr -Herz zu gewinnen, wäre es nur, damit sie Dich zur Schwiegermutter -bekäme. Aber auch Dein Sohn würde ihr gut tun mit seiner Stämmigkeit und -Wurzelfestigkeit. Jessika blüht, die Landluft tut ihr gut, sie ist unsre -Hebe mit den Rosenwangen. Mich wird das kleine nächtliche Intermezzo -auch nicht lange stören, hoffe ich. Sei gegrüßt und geküßt von Deiner - - Lusinja. - - - - - Jessika an Tatjana - - - Kremskoje, 25. Mai. - -Liebste Tante! Es ist sehr gut, daß ich hiergeblieben bin. Mama hat -jetzt gerade eine Zeit, wo sie sich um nichts bekümmert als um ihren -Jegor, unsern Vater. Und ein Geist muß doch über dem Haushalt schweben. -In ein paar Tagen kommt unser Automobil, denke dir, Tante. Mama schlug -im letzten Augenblick vor, wir wollten lieber doch keins haben, weil es -gefährlich wäre, und das gab der Sache gerade den letzten kleinen Stoß, -den es noch brauchte, um Papa zum Entschluß zu bringen. Denn nun sagte -er, auf Mamas Aengstlichkeit dürfe keine Rücksicht genommen werden; sie -müßte endlich einmal erzogen werden, sonst würde sie schließlich zu alt -dazu. Einen Chauffeur will Papa nicht haben, das verteuerte die -Geschichte, und er möchte keine fremden Leute ins Haus nehmen; unser -Iwan soll sich dazu ausbilden. Welja sagte: »Väterchen fährt ja schon -mit der Kutsche in den Graben, wohin wird er erst mit dem Automobil -fallen!« Papa sagte, Welja sollte nicht übertreiben, Iwan wäre auch oft -ganz nüchtern. Mama sagte mit einem Seufzer, hoffentlich wäre er es -gerade dann, wenn wir ausfahren wollten. Ich schlug vor, wir wollten nur -selten fahren, dann träfen wir gewiß gerade mit den oftmaligen -Nüchternheiten Iwans zusammen. Das leuchtete Mama sehr ein, aber Katja -schmetterte los, dazu hätte man kein Automobil, sie wolle alle Tage -fahren und so weiter. Zum Glück sprang Lju ein und sagte, er wäre -Dilettant im Automobilfahren und wollte sich noch mehr ausbilden, dann -könnte er Iwan zuweilen ersetzen. Welja sagte nachher, als Papa nicht -dabei war: »Papa wird doch lieber mit Iwan fahren, weil er denkt, daß -die Betrunkenen in Gottes Hand sind.« Das ist doch ein Sprichwort, weißt -du. - -Von unserm Iwan muß ich dir noch etwas erzählen. Welja sagte gestern -mittag, er hätte ihn gefragt, was er von Lju hielte, eigens weil er -gemerkt hätte, daß er ihn nicht leiden möchte. Iwan hätte Ausflüchte -gemacht und nicht mit der Sprache heraus wollen. Welja hätte gesagt, Lju -wäre doch freundlich, gerecht, hilfsbereit, gescheit, geschickt, was -Iwan alles zugegeben hätte. Endlich hätte Iwan dann gesagt: »Er ist mir -zu gebildet.« Darauf hätte Welja gesagt, Papa wäre doch auch gebildet; -da hätte Iwan ganz listige Augen gemacht und den Kopf geschüttelt und -gesagt: »Das stellt sich äußerlich wohl so vor, aber im Grunde ist er -nur ein guter Kerl wie unsereiner.« Wir haben alle sehr gelacht, Lju am -meisten, er war geradezu begeistert über die Bemerkung und sah allen -erdenklichen Tiefsinn darin. Ob jemand ihn leiden mag oder nicht, danach -fragt Lju gar nicht, das finde ich groß an ihm. - -Liebe Tante, ich singe Tristan, Isolde, Brangäne, König Marke und noch -ein paar Heldenkräfte. Kannst Du Dir mich vorstellen? Papa hat nur einen -unwilligen Seitenblick auf die Partitur geworfen, und ich singe -natürlich nur, wenn er außer Hörweite ist. - - Deine Jessika. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 27. Mai. - -Lieber Konstantin! Du meinst, daß ich vielleicht mittels des Automobils -zum Ziele kommen könnte. Ja, wenn es sich so einrichten ließe, daß der -Gouverneur das Genick bräche und ich das Handgelenk! Weißt Du, wie man -das macht? Durch den Kopf gegangen ist mir der Gedanke natürlich, sowie -von dem Automobil die Rede war, und ich habe im Hinblick darauf die -Anschaffung befürwortet, habe mich auch anerboten, zuweilen den -Chauffeur zu machen, was mit Beifall aufgenommen wurde. Es hat aber -außer der erwähnten Schwierigkeit das gegen sich, daß ich mit dem -Einüben viel Zeit verlieren müßte, wahrscheinlich ohne Erfolg und sicher -ganz ohne Vergnügen für mich. Ich bin kein Sportsmann. Zeit und -Aufmerksamkeit lasse ich mir solche Dinge nicht gern in hohem Maße -kosten. Für die Luftschiffahrt würde ich mich etwa interessieren; aber -das ist Arbeit und Tat, nicht Sport, und hat allerlei wissenschaftliche -Haupt- und Nebenzwecke. Ein wenig werde ich mich aber doch mit dem -Automobil befassen; es könnte auch der Fall eintreten, daß ich es zu -schleuniger Flucht benutzen müßte. - -Ein andrer Einfall ist mir gekommen, von dem ich fühle, daß er ergiebig -sein wird. Ich möchte wo möglich bei dem Akt selbst nicht persönlich -beteiligt sein; es müßte also eine Maschine meine Rolle spielen. Nun -schwebt mir vor, daß dies eine Schreibmaschine sein könnte. Das Nähere -sage ich Dir, wenn der Plan etwas reifer in mir ist. Dann könnte es wohl -sein, daß ich Deiner verständnisvollen Mithilfe bedürfte, damit die -Maschine zweckentsprechend eingerichtet wird, ohne daß der Fabrikant -etwas davon erfährt. - -Frau von Rasimkara ist seit jener Nacht verändert, blaß und beinahe -etwas scheu, beständig in der Nähe ihres Mannes. Es ließe sich so -erklären, daß mein Benehmen ihre Aengstlichkeit verdoppelt hat, weil sie -den Schluß daraus ziehen mußte, ich hielte ihren Mann für sehr -gefährdet. Vielleicht schläft sie seitdem nicht mehr gut. Vorher hatte -meine Sicherheit und Sorglosigkeit beruhigend auf sie eingewirkt. Eine -gewisse Zurückhaltung, die sie mir gegenüber weniger zeigt als wider -ihren Willen verrät, könnte darin begründet sein, daß die Erinnerung an -unser nächtliches Begegnen, das so seltsam, so flüchtig und doch so -eindrucksvoll war, und das niemand außer uns weiß, sie verlegen macht -oder wenigstens in irgendeiner Hinsicht bewegt. Verdacht gegen mich hat -sie nicht, dessen bin ich sicher; sie behandelt mich im Gegenteil mit -vermehrter Freundlichkeit und Rücksicht. Da sie jetzt fast immer um -ihren Mann ist, bin ich mehr in die Gesellschaft der Kinder gedrängt, -deren Vertrauter und teuerster Freund ich geworden bin. - -Du darfst dich in der nächsten Zeit nicht von Petersburg entfernen, da -ich Deiner wegen der Schreibmaschine bedürfen könnte. - - Lju. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 28. Mai. - -Lieber Peter! Heute hätte es beinahe eine Familienkatastrophe gegeben, -bei der ich natürlich nicht aktiv war. Katja fing bei Tisch von den -Universitätsgeschichten an; ihr könne es ja gleichgültig sein, denn sie -braucht ihren Lebensunterhalt nicht zu verdienen, für die meisten wäre -es aber verhängnisvoll, daß sie ihr Studium auf unbestimmte Zeit -unterbrechen müßten. Papa sagte, noch verhältnismäßig ruhig und -beherrscht, allerdings wäre das ein Unglück für viele; um so härter -wären diejenigen zu verurteilen, die durch ihr aufrührerisches Tun -mutwillig das Unglück über ihre Kollegen gebracht hätten. Jetzt aber -sauste Katja los! Wie ein künstlicher Wasserfall, den man plötzlich -springen läßt! Das wäre die Art ungerechter Despoten, die Opfer noch zu -verleumden und die eigne Schuld auf sie abzuladen! Demodow und die -andern wären Märtyrer, hinrichten und nach Sibirien schicken könnte man -sie, nicht aber ihnen den Ruhm rauben, daß sie tapfer und selbstlos -gehandelt hätten. Uebrigens hätten fast alle ebenso wie sie gedacht, Du -zum Beispiel hättest auch die Absicht gehabt, den Kosaken Widerstand zu -leisten, Du wärest nur durch einen Zufall auf dem Wege zur Universität -aufgehalten, sonst könnte Papa Dich auch in die Bergwerke schicken. Mama -gelang es endlich, sie zu unterbrechen, indem sie sagte, das würde Papa -allerdings tun, wenn er es für seine Pflicht hielte; denn daran zweifele -sie doch wohl nicht, daß Papa sich von seiner Pflicht leiten ließe, -folglich dürfe sie auch seine Handlungen nicht kritisieren. Ich sagte: -»Mit deinem Spatzengehirn im Kopfe würde er natürlich anders handeln,« -worauf sie mir einen vernichtenden Blick zuwarf. Papa war ganz bleich -und seine Augenbrauen sahen wie ein zackiger schwarzer Blitz aus, -furchtbar stimmungsvoll; wenn es sich nicht um Katja gehandelt hätte, -wäre ein Unwetter losgebrochen, das den ganzen Tisch und alle Stühle -fortgeschwemmt hätte; so hielt er einigermaßen an sich. Und dann hebt -Ljus Gegenwart eigentlich jede Katastrophe auf; seine überlegene Ruhe -zerstreut gewissermaßen alle angesammelte Elektrizität, oder er hat so -viel Kraft, daß er sie in sich sammeln und unschädlich machen kann. Er -saß kühl wie Talleyrand dabei und bewies, daß jeder recht hätte, so daß -alle schweigen und zufrieden sein mußten. Er sagte, selbstverständlich -schließe die Maßregel der Universitätsschließung Ungerechtigkeiten ein, -deshalb könnte sie aber vollständig gerecht sein innerhalb des Systems, -zu dem sie gehöre. Er billige dies System nicht durchaus, er glaube, daß -es sich überlebt habe, aber so lange es herrsche, müsse man mit seinen -Gesetzen arbeiten. Papa sah Lju interessiert und etwas erstaunt an und -fragte, wie das zu verstehen sei, daß er das System nicht billige. Keine -Regierung sei fehlerlos, weil die menschliche Natur überhaupt fehlerhaft -sei. Seiner Meinung nach sei es besser, dahin zu wirken, daß jeder seine -Pflicht tue, anstatt die Irrtümer des Systems aufzudecken. Lju sagte, -ohne den Grundsatz, daß jeder einzelne seine Pflicht zu erfüllen habe, -könne kein gesellschaftliches System sich halten. Er glaube, das -herrschende System habe den Fehler, das Pflichtgefühl nicht auszubilden, -weil es lauter Gesetze und Vorschriften an dessen Stelle gesetzt habe. -Dies sei für eine primitive Kultur berechtigt, jetzt aber sei das Volk -keine Herde mehr, sondern bestehe aus Individuen. Kein Kunstverständiger -werde die byzantinische Malerei mit ihren starren Formen nicht -bewundern; man könne es vielleicht sogar beklagen, daß der -Individualismus sie durchbrochen habe; man könne vielleicht sogar -glauben und wünschen, daß man einmal auf irgendwelchen Umwegen dahin -zurückkehre; aber verständigerweise könne man doch nicht die Entwicklung -auf jene Stufe zurückdrehen wollen. - -Er sprach so liebenswürdig, galant und beinahe herzlich gegen Papa, daß -der ganz angeregt wurde und lebhaft auf alles einging; ich glaube, er -hatte das Gefühl, vollkommen einer Meinung mit Lju zu sein. - -Bei Tisch waren also die Fugen wieder eingerenkt; aber hernach ergoß -sich Katjas zurückgehaltener Zorn gegen Lju. Er hätte sich verächtlich -benommen, er hätte zu ihr halten müssen, denn er dächte ebenso wie sie. -Was er gesagt hätte, möchte ganz schön sein, sie hätte es nicht -verstanden, wolle es auch nicht verstehen, es wäre doch nur eine Brühe -gewesen, um seine wahren Ansichten zu verkleistern. Von mir erwartete -sie ja nichts andres, als daß ich falsch und feig wäre, aber ihn hätte -sie für stolzer gehalten. Sie war zu niedlich, wie ein kleiner Vogel, -der gereizt wird und sein Federschöpfchen sträubt, mit dem Schnabel um -sich pickt und in den höchsten Tönen lospiepst. Lju fand sie offenbar -auch niedlich, denn er ging sehr liebevoll auf ihren Kohl ein. Ich ging -mitten darin fort, weil meine Dorfschönheit auf mich wartete. - -Ich habe Papa eine Auswahl von den feinsten Süßigkeiten mitgebracht, die -der Türke hat. Er fand sie ausgezeichnet und sagte, er hätte sich gleich -gedacht, daß ich einen bestimmten Grund hätte, immer ins Dorf zu radeln. -Er aß übrigens mehr davon als ich und wurde nicht einmal übel; er ist -eigentlich ein großartiger Mensch, ich bin dekadent gegen ihn. Mit Lju -kann er sich allerdings nicht vergleichen; er ist wie ein schöner Dolch -mit kunstvollem Griff und einer mit Edelsteinen buntgeschmückten -Scheide, wie sie zuweilen in Museen ausgestellt sind; Lju ist wie der -schlichte Bogen des Apollo, der nie fehlende Pfeile entsendet. -Schmucklos, schlank, elastisch, durch die vollendete Zweckmäßigkeit -schön, ein Bild göttlicher Kraft, Treffsicherheit und Gewissenlosigkeit. -Ach Gott, ich schreibe ja an ein silurisches Faultier und nicht an einen -feinwitternden Griechen. Quäle Dich nicht mit der Durchdringung meiner -poetischen Bilder und triumphiere nicht, wenn sie hinken sollten; ein -Achilles, der hinkt, kommt immer noch eher an als ein Brontosaurus, der -im Sande stecken bleibt. - - Welja. - - - - - Katja an Peter - - - Kremskoje, 30. Mai. - -Lieber Peter! Wir sind nicht verlobt, ich habe Dir sogar einmal gesagt, -ich würde Dich niemals heiraten; aber ich weiß ja, daß Du doch noch -daran denkst, darum will ich Dir etwas sagen. Ich habe jetzt den Mann -kennen gelernt, den ich heiraten werde, wenn ich überhaupt heirate. Den -einzigen, den ich lieben kann. Frage nicht, wer er ist, frage überhaupt -nicht weiter. Ich hätte Dir ja nichts davon zu sagen brauchen, ich tue -es nur, weil ich Dich gern habe und Dich als meinen Freund betrachte, -und weil Du mich seit unsrer Kindheit als Deine zukünftige Frau -angesehen hast. Dafür kann ich freilich nichts. Wissen darf dies niemand -außer Dir. - - Katja. - - - - - Lusinja an Tatjana - - - Kremskoje, 2. Juni. - -Meine liebe Tatjana! Auf unsern einzig schönen Sommer fällt von -irgendwoher ein kleiner Schatten. Vielleicht eben weil er so schön ist, -muß er das Abzeichen seiner Erdennatur tragen. Jetzt sorge ich mich -besonders um Jessika; ich kann es mir nicht mehr verhehlen, daß sie den -Lju liebt. Ohne daß sie es weiß, richtet sich ihr ganzes Wesen nach ihm: -ich könnte sagen, sie ist eine Art Sonnenuhr, von der man immer ablesen -kann, wo ihr Gestirn steht. Er hat auch etwas Sonnenhaftes; es ist, als -ob eine lebenzeugende Kraft von ihm ausginge, in der freilich auch Leben -verdorren kann. Auf Welja und Katja übt er einen heilsamen Einfluß aus; -er regt sie zum Denken, zu gesteigerter geistiger Tätigkeit an; für -meine kleine Jessika, fürchte ich, sind seine Strahlen zu heiß. Sie muß -Wärme haben, darf aber nicht mitten im Feuer stehen. So erscheint es mir -wenigstens. Zuweilen kommt es mir so vor, als ob nicht nur in ihr ein -Neigen zu ihm wäre, sondern als ob auch ihn ein leises Anziehen zu ihr -hinzöge. Ob er sie liebt? Ich kann nicht umhin, mit ihr in meiner Seele -aufzujubeln, wenn ich es zu bemerken glaube, denn eine Mutter fühlt -jeden Schmerz und jedes Glück mit ihrem Kinde. Wäre es aber überhaupt -wünschbar? Würde es ein Glück für sie sein? Ljus Ansichten und, was -wichtiger ist, seine ganze Auffassung des Lebens weicht sehr von Jegors -und meiner ab, das fühle ich. Auch den Kindern steht er nach Erziehung -und Lebensgewohnheiten ferner, als sie selbst es ahnen. Vielleicht ist -er uns gegenüber im Rechte; aber verbürgt das die Möglichkeit dauernden -Zusammenlebens? Und was würde Jegor sagen? Er hat nichts gegen Lju, er -ist frei von gewöhnlichen Vorurteilen; aber er möchte unsre Mädchen mit -Männern verheiraten, deren Lebensführung ihm vertraut ist, mit denen wir -alle zu einer Familie verwachsen können. Und dann, Liebste, daß er -nachtwandelt! Das ist beinahe das Schrecklichste für mich. Ach Gott, es -ist ja so töricht, aber manchmal wünsche ich, Lju wäre niemals zu uns -gekommen oder er verließe uns wieder. - - Nachmittags. - -Lju ist doch ein unheimlicher Mensch! Er hat Augen, die im Herzen lesen. -Ich hatte eben den Satz geschrieben, als er kam und mir sagte, er fühle -sich sehr wohl bei uns, er hätte auch das Gefühl, daß wir ihn gern -hätten, aber er käme sich überflüssig vor und fände, daß es richtiger -wäre, wenn er ginge; er möchte mit mir darüber sprechen. Er sprach so -vertrauensvoll, so einfach, beinahe kindlich. Ich war ganz betroffen und -sagte, meine Besorgnis um das Leben meines Mannes hätte sich allerdings -allmählich gelegt; aber er wäre doch auch als Sekretär tätig, selbst -schreiben könne mein Mann augenblicklich nicht -- er leidet doch am -Schreibkrampf -- und er würde sich nur ungern an einen andern Herrn -gewöhnen, auch sicher keinen von seiner, Ljus, Bildung und seinen -Kenntnissen finden. Er sagte, darüber hätte er schon nachgedacht, für -meinen Mann würde gewiß das zweckmäßigste sein, wenn er sich an eine -Schreibmaschine gewöhnte, dann wäre er von niemand abhängig, und er -hätte doch so manche Korrespondenzen, die womöglich geheimbleiben -sollten. Diesen Gedanken lobte ich sehr -- ich finde ihn wirklich höchst -vernünftig -- und sagte, eine Schreibmaschine könnte sich ja Jegor -anschaffen, es würde aber wohl eine gute Weile dauern, bis er damit -umzugehen verstände, wenn er es überhaupt wollte, und auch sonst würde -er dadurch doch nicht ganz ersetzt werden. Etwas andres wäre es -natürlich, wenn er aus irgendeinem Grunde seinetwegen fort wollte. -Darauf sagte er, wenn es im Leben auf Glücklichsein ankäme, würde er -sein ganzes Streben darauf richten, immer bei uns bleiben zu können. Er -hätte bei uns eine Art des Glückes kennen gelernt, an die er vorher -nicht geglaubt hätte; er hätte unauslöschliche Eindrücke empfangen. Aber -er hielte es für die Bestimmung des Menschen oder wenigstens für seine, -tätig zu sein, zu wirken, an großen Zielen zu bauen. Er wäre wie ein -Pferd, das, wenn es ihm noch so wohl vor seiner Krippe voll Hafer wäre, -der Trompete folgen müßte, die zur Schlacht riefe; er glaubte in der -Ferne den Ruf der Trompete gehört zu haben. Ich fragte: »Haben Sie etwas -Bestimmtes vor? Wollen Sie uns sofort verlassen?« Nein, sagte er, so -wäre es nicht gemeint. Er hätte nur von mir bestätigt hören wollen, daß -er überflüssig hier wäre, und ich wäre freimütig genug, ihm das -zuzugestehen. Er würde sich nun überlegen, wohin er gehen wollte. -Inzwischen könnte mein Mann sich eine Schreibmaschine kommen lassen und -versuchen, ob er Geschmack daran fände. - -Ja, siehst Du, Tatjana, nun bin ich betrübt, daß es so gekommen ist. -Meine kleine Jessika! Weißt Du, was ich glaube? Es ist Jessikas wegen, -daß er fort will. Daß sie ihn liebt, muß er bemerkt haben; entweder er -erwidert das Gefühl nicht, oder er will im Bewußtsein seiner Armut und -seiner unselbständigen Lage nicht um sie anhalten und hält es für seine -Pflicht, sie zu meiden. Das ist edel gehandelt und besonders fein die -Art und Weise, wie er es ausführt. Er hat nichts angedeutet, nichts -erschwert, alles geebnet. Er ist mir nie so liebenswert erschienen, und -ich empfinde Schmerz für Jessika, trotzdem ist mir leichter zumute, nun -ich sehe, daß der Konflikt -- wenn einer vorhanden ist -- sich lösen -läßt. Was für ein Schreibebrief! Hast Du Geduld bis zu Ende gehabt? - - Deine Schwägerin - Lusinja. - - - - - Jessika an Tatjana - - - 7. Juni. - -Geliebteste Tante! Du hast lange keine Nachricht von uns gehabt? Und ich -habe das Gefühl, Dir erst gestern geschrieben zu haben, auf so leichten -und schnellen Füßen laufen diese Sommertage. Und wenn man sogar noch ein -Automobil davorspannt! Lju hat uns einmal spazierengefahren, aber nicht -lange, weil er noch nicht sicher ist. Unser Iwan kann noch weniger als -er, obwohl er täglich ein paar Stunden damit herumturnt. Papa möchte -auch gern selbst lenken, Mama will es aber nicht, weil es die Nerven -angreife, sie wüßte aufs bestimmteste, daß zwei Drittel aller Chauffeure -durch Wahnsinn oder Selbstmord infolge von Nervenzerrüttung endeten. -Papa versuchte zwar das Argument anzugreifen, aber wir schrien im Chore, -er müßte sich für Staat und Familie erhalten, und einstweilen hat er -nachgegeben. Er hat ja nun auch einen andern Sport, nämlich die -Schreibmaschine. Gestern abend nach dem Essen saßen wir in der Veranda. -Es war so schön, wie es nirgends sonst als hier ist; über uns im Schwarz -des Himmels schimmerten die feuchten Sterne und um uns her im Dunkel der -Erde die bleichen Birken. Wir saßen still und jedes träumte seine eignen -Träume, bis Mama Lju fragte, weil er doch alles wisse, sollte er sagen, -was für Schlangen es in dieser Gegend gäbe. Er nannte augenblicklich -eine Reihe lateinischer Namen und sagte, es wären alles Ottern und -Vipern, harmlose, ungiftige Geschöpfe. Ich dachte bei mir, ob es diese -Namen wohl überhaupt gäbe, aber Mama hielt alles für Evangelium und war -sehr angenehm davon berührt. Papa hätte nämlich neulich gesagt, erzählte -sie, an der glatten Mauer eines Hauses könnte niemand hinaufkriechen -außer Schlangen, und seitdem könnte sie die Vorstellung nicht mehr los -werden, wie der feste, glatte, klebrige Schlangenleib sich am Hause -heraufzöge, und sie könnte oft nachts nicht davor einschlafen. Welja -sagte, er begriffe nicht, wie man sich vor Schlangen fürchten könnte, er -fände sie schön, anmutig, schillernd, geheimnisvoll, gefährlich, und er -würde sich in keine Frau verlieben können, die nicht etwas von einer -Schlange hätte. Katja sagte: »Du Kalb!« und Lju sagte, ich hätte etwas -von einer Schlange, nämlich das lautlos Gleitende und Mystische. Dann -erzählte er ein südrussisches Märchen von einer Schlange, das sehr -grausig war. Ein Zaubrer liebte eine Königstochter, die in einen hohen -Turm eingesperrt war. Um Mitternacht kroch er als Schlange am Turm -herauf durch das Fenster in ihr Gemach, dort nahm er wieder seine -Menschengestalt an, weckte sie und blieb in Liebe bei ihr bis zum -Morgen. Einmal aber schlief die Königstochter nicht und wartete auf ihn; -da sah sie plötzlich mitten im Fenster im weißen Mondschein den -schwarzen Kopf einer Schlange, flach und dreieckig auf steilem Halse, -die sie ansah. Darüber erschrak sie so sehr, daß sie ohne einen Laut ins -Bett zurückfiel und starb. Gerade in diesem Augenblick klingelte es -heftig an der Gartentür, wo ein alter, verrosteter Klingelzug ist, der -fast nie gebraucht wird und deswegen in Vergessenheit geraten ist. Wir -wunderten uns alle, daß Mama nicht auch umfiel und tot war. Papa stand -auf, um an die Gartentür zu gehen und zu sehen, was es gäbe, Mama sprang -auch auf und sah Lju flehend an, damit er zuerst dem Mörder die Stirn -böte, wenn einer da auf Papa wartete, und weil das Aufstehen und die -ersten Schritte bei Papa immer etwas mühsam sind und Lju sehr schnell -laufen kann, kam er zuerst an und empfing den Paketboten, der eine Kiste -trug. Er sagte, es würde eigentlich nichts mehr ausgetragen, aber der -Postmeister hätte gesagt, die Kiste sei aus Petersburg und enthalte -vielleicht etwas Wichtiges, und weil es der Herr Gouverneur sei, für den -der Postmeister eine besondere Verehrung habe, hätte er sie ihm doch -noch zustellen wollen. Na, der Bote bekam ein Trinkgeld, und in der -Kiste war die Schreibmaschine. Lju packte sie gleich aus und fing an zu -schreiben, Papa wollte auch, konnte aber nichts, wir probierten alle, -konnten es aber ebensowenig, nur ich -- ungelogen -- ein bißchen, und -dann sahen wir zu, wie Lju schrieb. Nach einer Weile probierte Papa noch -einmal, und wie Lju sagte, er hätte Talent, war er ganz zufrieden. Mama -war geradezu selig und sagte, sie hätte sogar die Schlange vergessen, so -hübsch wäre die Schreibmaschine. Welja sagte: »Was wollt ihr denn -eigentlich mit der Scharteke?« Und Katja sagte, wenn man doch schon -einmal die Finger gebrauchen müßte, könnte man gerade so gut schreiben, -sie sähe den Zweck davon nicht ein; sie wurde aber überstimmt. - -Bist Du nun _au fait_, einzige Tante? Nun sage ich Dir nur noch, daß die -Rosen zu blühen anfangen, die Zentifolien und die gelben Kletterrosen, -die so merkwürdig riechen, und die wilden Rosen auch, und daß die -Erdbeeren reifen, ferner, daß Papa in der umgänglichsten Stimmung ist -und neulich sogar gefragt hat, ob denn diesen Sommer gar kein Besuch -käme! - - Deine Jessika. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 9. Juni. - -Lieber Konstantin! Ja, Du bist mein Freund, das empfinde ich. Du ehrst -und schätzest dasjenige in mir, was wir für das Höhere halten, und -kennst und liebst doch auch das andre, den Urstrom des Ahnenblutes, -dessen unfaßbare Verzweigungen überall eingreifen und mich leiden -machen. Daß ich leide, will ich Dir nicht verhehlen, auch hast Du es -längst bemerkt. Vielleicht habe ich noch nie so gelitten, aber daß es -überwunden werden wird, weiß ich auch. Ich habe alle diese Menschen vom -ersten Augenblick an, da ich in ihre Mitte trat, zu beherrschen gesucht, -daraus folgt alles übrige; denn auch der Herrscher ist gebunden, nicht -nur der Beherrschte. Was mir gelungen ist, ist ebenso verhängnisvoll für -mich geworden wie das, woran ich scheiterte. Den Gouverneur kann ich -vielleicht täuschen, aber ich habe keinen Einfluß auf ihn. Es kränkt ein -wenig meine Eitelkeit, hauptsächlich beklage ich es aber wegen alles -dessen, was daraus folgt. Der Mann übt einen Zauber aus, für den ich -nicht unempfänglich bin, obwohl er von Kräften ausgeht, die ich nicht -für die höchsten halte. Man sieht die Merkmale eines Geschlechtes an -ihm, in welchem das Lebensfeuer stärker und schöner brannte als in den -gemeinen Menschen. Er ist etwas in sich Vollendetes, wenn auch durchaus -nicht vollendet überhaupt. Gerade seine Unzugänglichkeit gefällt mir; -ich glaube, er ist im Kampfe des Lebens gewachsen, fester und härter -geworden, aber er hat sich nicht erweitert, hat nichts Neues in sich -aufgenommen. Das ist beschränkt, aber es verleiht eine gewisse -Intensität. Verloren hat er auch nichts; er hat noch viel von der -Torheit, von dem Eigensinn und der Innigkeit der Kindheit an sich, was -der in der Regel nicht behält, der sich viel Neues und Fremdes aneignet. -Sein Ich ist ganz, so saftreich und gesammelt und stolz, daß es einen -schmerzt, daran zu tasten; und gerade weil es so ist, muß ich ihn -zerstören. Einmal faßte ich die Hoffnung, ich könnte ihn gewinnen, -könnte ihm andre Ansichten eröffnen. Ich schrieb Dir nichts davon, es -lag mir allzusehr am Herzen, und ich ahnte schon, daß es vergebens sein -würde. Mein Gott, dieser Mann, diese heiße, blinde Sonne! Ich rolle wie -ein Komet neben ihm her, und er ahnt nicht, daß der Augenblick, wo unsre -Bahnen zusammenstoßen, ihn in Stücke reißen wird! Von den Kindern laß -mich schweigen. Besser, viel besser wäre es gewesen, ich hätte auf den -Vater so gewirkt wie auf sie. Das klingt albern; es ist ja natürlich, -daß die Jugend leichter zu beeinflussen und zu beherrschen ist als das -Alter; aber hätte nicht einmal, durch Zufall oder Wunder, das Umgekehrte -stattfinden können? Da es nicht der Fall ist, versuche ich daran zu -denken, daß ich keine Wahl habe, daß ich tun muß, was ich für notwendig -erkannt habe, daß die Heilkraft der Jugend überschwenglich ist, daß es -diesen spielenden Kindern vielleicht nützlich ist, vom Schicksal -aufgerüttelt zu werden. Ach Gott, was heißt nützlich? Sie waren so -wundervoll in ihrem Traumleben! Freilich, einmal muß es doch enden. -Kinder mit Runzeln und gebeugten Rücken sind Zerrbilder, und beizeiten -muß die Umbildung beginnen. Vielleicht kann sogar ich selbst ihnen bei -der Veränderung hilfreich zur Seite stehen. Was ein Mensch wollen kann, -ist möglich; nur zum Wollen gehört Kühnheit. - -So werde ich Dir nun nicht wieder schreiben. Auch rechne ich darauf, daß -Du mich nicht mißverstehst. Zweifel ist nicht in mir. Antworte mir auch -nicht auf alles dies! Trösten kann mich niemand, und daß Du mich -verstehst, weiß ich - - Lju. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 11. Juni. - -Lieber Peter! Sei morgen oder übermorgen zu Hause, wenn du einen -historischen Augenblick erleben willst. Unser treuer Iwan ist mit dem -Automobil in den Graben gefallen, was von ihm auf die Tücke des -Vehikels, von uns auf die des Branntweins geschoben wird. Da er nebst -Automobil mehrere Stunden im Graben gelegen hat, war er ziemlich -nüchtern, als er heimkam, und die Streitfrage ist nicht mehr zu -entscheiden. Das Automobil hat mehr gelitten als er, es sieht aus wie -eine Schildkröte ohne Schale; laufen kann es aber. Mama war ganz -zufrieden mit dem Ergebnis und fand, wir möchten es so lassen, bis Iwan -ganz erprobt wäre, damit er uns nicht auch noch in den Graben führe. -Papa hingegen sagte, in diesem Zustande könnte er das Automobil nicht -auf die Straße lassen, auch wenn niemand als Iwan darinsäße, das würde -seinem Ansehen schaden, es wäre geradeso, als ob seine Töchter mit -durchlöcherten Kleidern ausgingen. Hierdurch überzeugt, beschlossen wir, -daß das Automobil repariert werden müsse, und Lju hat sich erboten, das -Wrack in die Stadt zu fahren und das Nötige zu veranlassen. Jessika will -gern mitfahren, aber Lju will es nicht, weil es bei dem schadhaften -Zustande nicht sicher wäre. Seitdem geht sie mit einem wehleidigen -Gesicht herum; denn sie ist natürlich in Lju verliebt. »Natürlich« sage -ich, weil in einen Mann wie Lju, dessen Willenskraft jedes Atom seiner -Materie durchdringt, sich alle verlieben müssen. Mir ist eigentlich -alles einerlei, sogar wenn ich verliebt bin, ist es mir im allertiefsten -Grunde einerlei, ob ich sie habe oder nicht. - -Auch das hat einen gewissen Reiz für manche Frauen; aber das wahrhaft -Unwiderstehliche ist der Wille. Niemand kann dagegen an, es ist die -Schwerkraft der Seele. Lju hat in bezug auf alles einen bestimmten -Willen. Ich hielte eine solche Lebensweise nicht ein Jahr lang aus, und -er treibt es schon achtundzwanzig Jahre so und wird wahrscheinlich sehr -alt werden. Ob er sich für einzelne Frauen auf die Dauer interessieren -kann, bezweifle ich; die Vielweiberei müßte für ihn eingeführt werden. -Er würde sich nicht viel um sie bekümmern, aber an einem Satz, den er -mal im Vorbeigehen fallen ließe, würden sie wochenlang saugen und damit -zufrieden sein. Also er wird Deiner Mutter einen Besuch machen, sieh Dir -ihn an! - - Welja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 11. Juni. - -Lieber Konstantin! Ich komme morgen oder übermorgen nach Petersburg und -rechne darauf, Dich zu treffen. Es handelt sich um die Einrichtung der -Schreibmaschine, worüber ich am liebsten mündlich mit Dir verhandeln -will; sie kann explosiv wirken oder mit einem Revolverschuß geladen -werden. Im letzteren Falle würden wir aber nicht sicher sein, ob die -Kugel ihr Ziel träfe. Ich werde sie demnächst unter dem Vorwande einer -Reparatur an die Fabrik schicken, wo sie gekauft worden ist. Sie muß -dorthingehen und von dort zurückexpediert werden, damit bei einer -späteren Untersuchung keine Spur zu mir führt. Deine Sorge muß es sein, -daß sie nicht abgeht, ohne zu unserm Gebrauch eingerichtet zu sein; also -wirst Du über einen Angestellten der Fabrik oder über einen Angestellten -der Bahn verfügen müssen. Es eilt nicht, Du kannst Deine Vorkehrungen -mit ruhiger Ueberlegung treffen. - - Lju. - - - - - Jessika an Tatjana - - - Kremskoje, 12. Juni. - -Geliebteste Tante! Ich wollte Dich gern besuchen, aber ich soll nicht! -Ich wäre so gern mit dem zerfetzten Automobil bei Dir vorgefahren, -gerade weil es so schrecklich kaput ist. Denke Dir, ich hätte mich so -hübsch wie möglich gemacht und wäre aus dem zersplitterten Kasten -herausgestiegen wie eine Dryade aus einem hohlen Baumstamme. Und vor -allen Dingen, ich hätte Dich gesehen, ich hätte meinen Charakter an der -schweren Aufgabe gestählt, Deine blühenden Wangen, Deine mit dem Schmelz -ewiger Jugend gepuderte Haut neidlos zu bewundern. Meine Wangen sind, -fürchte ich, augenblicklich blaß und tränennaß, so enttäuscht bin ich, -daß ich nicht mitfahren kann. - -Wir werden nun ohne Beschützer sein, Tante. Ich habe vorgeschlagen, wir -drei könnten Tag und Nacht Fangen ums Haus spielen, dann könnte sich -gewiß niemand ungesehen ins Haus einschleichen. Der gute Welja war auch -bereit dazu, aber Katja nicht; sie sagte, sie wäre doch kein Kind mehr! -Lju bringt Dir diesen Brief. Laß Du Dich unterdessen von ihm beschützen, -wenn Du es auch nicht nötig hast. - - Deine Jessika. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 14. Juni. - -Wenn ich nicht sehr tätig bin, kommt es im Grunde daher, daß meine -Familie immer zur Betrachtung einlädt. Durch Anpassung an die bewegten -Verhältnisse hat sich mein beschauliches Temperament herausgebildet; -wenn ich auch noch mitagierte, würde es zu toll. Heute ist wieder der -Teufel los. Ich saß, noch erschöpft von gestern -- denn seit Lju fort -ist, muß ich immer bis Mitternacht auf der Lauer liegen, weil Mama -Gefahren wittert --, also ich saß in der Bibliothek und blätterte in -einem Buche, als Katja wie ein wirbelnder Federball herein und ans -Telephon gestürzt kam. Damit Dein Gehirn nicht ebenso erschüttert wird, -wie meins bei dieser Gelegenheit wurde, will ich Dir zur Erklärung -voranschicken, daß Katja soeben Jessika dabei betroffen hatte, daß sie -einen Brief an Lju schrieb, und daß Jessika, von Katja zur Rede -gestellt, damit herausgeplatzt war, sie liebte Lju und wäre so gut wie -verlobt mit ihm. Ich mußte dies schließen und erraten, was ich Deinem -Walfischschädel nicht zumuten will. - -Also Katja verbindet sich mit Petersburg. Ich frage, mit wem sie reden -will. Mit Lju, obgleich mich das nichts anginge. Ich sage, du kannst -doch wohl so lange warten, bis er wieder hier ist, so wichtig wird es -nicht sein. Sie: »Kannst du das beurteilen? Hier werde ich überhaupt -nicht mehr mit ihm sprechen und bedaure, es jemals getan zu haben.« Ich: -»Alle Heiligen!« In dem Augenblicke klingelt das Telephon, Katja -ergreift es. »Sind Sie da? Quak, quak, quak ... Ich will Ihnen nur -sagen, daß ich Sie verachte! Quak, quak ... Sie sind ein Heuchler, eine -Qualle, ein Judas! Quak, quak, quak, quak. Bitte, leugnen Sie nicht! Sie -haben die Stirn, sich zu verteidigen? Sie haben mich genug belogen! Ich -werde Jessika aufklären. Für einen solchen Elenden ist sie trotz ihrer -Schwachheit zu gut. Quak, quak, quak, quak, quak ... Sie halten mich für -dümmer, als ich bin. Sie glauben, Sie allein wären klug und alle andern -wären schwachsinnig, aber vielleicht ist es umgekehrt!« - -Dies alles trompetete Katja mit so gellender Stimme, daß Papa und Mama -es hörten, glaubten, es wäre etwas passiert, und herbeigelaufen kamen. -Beide hören erstaunt zu und fragen: »Was bedeutet das? Mit wem spricht -sie denn?« Ich: »Ach, mit Lju, sie hat sich ein bißchen über ihn -geärgert.« Katja am Telephon: »Ich du zu Ihnen sagen? Zu einem so -abgefeimten, zweizüngigen Charakter, wie Sie sind? Niemals!« Papa und -Mama: »Aber um Gottes willen, was hat er denn getan?« Ich: »Ach, sie hat -eine Karte von ihm bekommen mit der Adresse Katinka von Rasimkara, und -das betrachtet sie doch nun einmal als Beleidigung, wenn man ihren Namen -Katja von Katinka ableitet.« Papa und Mama entzückt: »Das ist ganz -Katja!« Beide wollen sich totlachen. Katja dreht sich um. Ich: -»Täubchen, ruh dich doch mal aus!« Katja mit einem vernichtenden Blick -auf mich: »Affe!« Dann ab. - -Ich stürze ans Telephon, erwische Lju noch und gebe ihm das Versprechen, -beruhigend zu wirken. Er sagte mit einem durchs Telephon zu Herzen -gehenden Seufzer: »Du bist das Oel auf den Sturmwogen deiner Familie; -ohne dich würde man seekrank.« Das Gespräch schien ihn sehr mitgenommen -zu haben. - -Ob er von euch aus gesprochen hat, weiß ich gar nicht; es wäre sehr -belustigend, wenn Du die andre Hälfte des Gespräches mit angehört -hättest. Das ist sicher, Katja ist fertig mit Lju, wenn auch ihre Wut -mit der Zeit nachlassen wird. Ob sie nun, nachdem sie mit der -Intelligenz gebrochen hat, wieder für Deinen Stumpfsinn schwärmen wird, -darüber läßt sich noch nichts sagen, rechne nicht zu bestimmt darauf. -Uebrigens gedeiht sie vortrefflich bei ihrer Enttäuschung; zu beklagen -ist nur die arme kleine Jessika. Sie kommt mir vor wie ein kleiner -Vogel, dem sein Nest zerstört ist, der Sturm und Regen ergeben über sich -ergehen läßt, erschrocken und behutsam piepst und zuweilen mit dem -zerzausten Köpfchen hervorlugt, ob es noch nicht besser wird. Ich -glaube, zuerst hat sie stundenlang geweint, ihr Gesicht zitterte noch -lange nachher. Sie hat etwas so Süßes wie eine überreife Feige und etwas -so Weiches wie eine Schneeflocke, die einem in der Hand zerschmelzen -will. Es wäre für sie sehr gut, wenn Du sie heiratetest; aber Dir ist -nun einmal zuerst Katja eingefallen, und nach dem Gesetz der Trägheit, -das Dich beherrscht, rollst Du damit durch dick und dünn und hältst es -für Charakter. Für Dich ist es ja ziemlich einerlei, wen Du betreust; -aber für Jessika wäre es gut, wenn sie durch die Dickhaut Deiner -saurischen Person vor der Welt geschützt wäre, während Katja eine solche -antediluvianische Mauer nicht nötig hat und sie vielleicht auf die Dauer -sogar nicht gut aushalten könnte. Ich will aber nicht so töricht sein, -jemand Vernunft zu predigen, der keine hat. - -Katja hat Einsicht genug, um Papa und Mama den wahren Sachverhalt zu -verschweigen; aber wenn Papa sie mit Katinka anredet, um sie zu necken, -wirft sie mir zornige Blicke zu, was die andern erst recht ins Lachen -bringt. Lebe wohl! - - Welja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 17. Juni. - -Lieber Konstantin! Es war durchaus zweckmäßig, daß ich Frau Tatjana -bewogen habe, mit mir nach Kremskoje zu fahren; der Einfluß, den ich auf -sie ausübe, hat auf den Gouverneur und seine Familie Eindruck gemacht, -weil sie diese Verwandte sehr bewundern, die in der Gesellschaft eine -große Rolle spielt. Sie ist schön und hat Geist genug, um zu wissen, -wieviel davon eine Frau merken lassen darf. Ihr Verstand ist gut, wenn -auch nicht ausgebildet. Sie liebt die geistigen Genüsse, die man ohne -Anstrengung haben kann, deshalb bevorzugt sie zum Umgang kenntnisreiche -und denkende Menschen, die das Ergebnis ihrer Gedankenarbeit in -anregende Form zu kleiden wissen. Ihre Vorurteilslosigkeit würde man -noch mehr bewundern, wenn sie etwas dadurch riskierte; aber der ganz -unpolitischen Dame läßt man gern die Freiheit, das Gesellschaftseinerlei -durch naive Offenheiten zu kolorieren. - -Ihr Sohn Peter, der seit seiner Kindheit Katja liebt und unbeeinflußt -durch die Tatsache, daß sie seine Neigung nicht erwidert, dabei -verharrt, hat, oberflächlich betrachtet, etwas von den gutmütigen Riesen -des Märchens. Aus einer Art von kindlicher Menschlichkeit und naivem -Gerechtigkeitssinn zählt er sich zur revolutionären Partei. Trotzdem er -eifersüchtig auf mich ist, da seine Cousine mich ihm vorzieht, kam er -mir, wenn auch nicht gerade herzlich, doch mit anständiger -Vorurteilslosigkeit entgegen. Er hat mit einigen andern Studenten, die, -wie er, über bedeutende Mittel verfügen, medizinische Privatkurse -eingerichtet, um sich und seinen Kollegen die Fortsetzung des Studiums -zu ermöglichen, zugleich natürlich, um gegen die Maßregel der Regierung -zu protestieren. An diesen Kursen, die nächstens beginnen werden, will -Katja teilnehmen. Der Gouverneur wußte bis jetzt nichts davon und ist -empfindlich betroffen, daß ein solches Unternehmen von seinem Neffen -ausgeht, und vollends, daß Katja sich daran beteiligen will. Da er gegen -Katja nicht gut streng sein kann, begann er damit, seiner Schwester -Tatjana Vorwürfe zu machen, daß sie ihren Sohn nicht von so ärgerlichen -Donquichotterien zurückhielte. Sie lächelte wie ein Kind und sagte, ihr -Sohn wäre ein erwachsener Mensch, sie könne ihn nicht am Gängelbande -führen, überhaupt sollte man sie mit politischen Dingen, von denen die -Frauen doch ausgeschlossen wären, in Ruhe lassen. Warum sollte sie sich -ein Urteil bilden, das sie doch nicht geltend machen könnte? In -Gesellschaft besonders sollten Gespräche über politische Dinge verboten -sein, bei denen auch der klügste Mann plötzlich ein beschränkter und -borstiger Esel würde. Uebrigens schiene es ihr eigentlich erlaubt zu -sein, daß, wenn der Staat ihm die Mittel dazu nähme, ein junger Mann -sich auf eigne Hand die zu seinem Berufe nötige Bildung zu verschaffen -suchte, denn eine Tätigkeit müsse ein Mann doch einmal haben. - -Katja fiel ein, es wäre empörend, die Schulen zu schließen, was die -Regierung sich einbildete, die Universitäten wären unabhängige -Körperschaften, ob schließlich auch die Eltern den Zaren um Erlaubnis -fragen sollten, ehe sie die Kinder lesen und schreiben lehren dürften. - -Der Gouverneur sagte, wenn die Universität sich damit begnügt hätte, -Wissenschaft zu lehren, würde die Regierung sie respektiert haben, aber -indem sie sich in die öffentlichen Angelegenheiten gemischt und Partei -ergriffen hätte, hätte sie sich ihres Rechtes auf Unantastbarkeit -begeben. Die Härte, welche die Maßregel mit sich brächte, würde dadurch -nicht ausgeglichen, daß einige, denen ihr Vermögen es erlaubte, sich den -Unterricht auf privatem Wege verschafften, dessen Wegfall für -Unbemittelte ohnehin viel schädlicher wäre. Da fuhr aber Katja los: »Du -kennst Peter schlecht! Der verschafft sich keine Vorteile vor den Armen! -Im Interesse der Unbemittelten hat er die Kurse hauptsächlich -eingerichtet! Es können alle daran teilnehmen, auch die nicht zahlen -können!« Der Gouverneur wurde dunkelrot und sagte, dann wäre die Sache -schlimmer, als er geahnt hätte. Er hätte geglaubt, es handelte sich -gewissermaßen um Privatstunden, dies wäre aber eine Gegenuniversität, -eine Herausforderung, ein revolutionärer Akt. Er hätte nie für möglich -gehalten, daß sein eignes Kind sich in die Reihen seiner Gegner stellte. - -Ich habe ihn noch nie so zornig gesehen. Seine Stirn zog sich dicht -zusammen, seine Nase schien zu flammen wie ein frisch geschliffener -Dolch, es war eine unheimliche Atmosphäre um ihn, wie wenn ein -Hagelwetter im Anzuge ist. Katja fürchtete sich ein wenig, hielt aber -tapfer stand, Tatjana wunderte sich unbefangen und kindlich lächelnd -weiter, daß er die Sache so ernst auffaßte. Frau von Rasimkara sah -traurig aus; ich weiß nicht, was sie dachte, aber ich glaube, sie war -außer mir die einzige, die das Gefühl eines unabwendbaren Verhängnisses -hatte. Nicht aus einem bestimmten Grunde, nur weil sie liebt, und wer -liebt, fürchtet und ahnt. - -In dem unangenehmsten Augenblick sagte ich zum Gouverneur, er möchte -doch Welja und Katja ins Ausland schicken; er hätte doch sowieso die -Absicht, sie eine Zeitlang an ausländischen Universitäten studieren zu -lassen, und sie bereiteten ihm dann hier keine Aergernisse mehr. Dieser -Vorschlag heiterte die Gewitterstimmung auf. Welja war bezaubert. »Ja, -Papa,« sagte er, »alle vornehmen jungen Leute werden ins Ausland -geschickt, wenn etwas aus uns werden soll, mußt du es auch tun. Ich bin -für Paris.« Frau Tatjana sagte: »Ich gebe euch Peter mit, damit ein -vernünftiger Mensch dabei ist. Und für Peter ist Paris notwendig, es -fehlt ihm an Grazie.« Der Gouverneur beschränkte seinen Widerspruch -darauf, daß er Berlin für angemessener als Paris erklärte; aber der -Vorschlag leuchtete ihm sichtlich ein, und ich bin überzeugt er wird zur -Ausführung kommen. Gemacht habe ich ihn, damit Katja und Welja abwesend -sind, wenn das Unglück geschieht; Jessika zu entfernen wird sich auch -noch ein Vorwand finden. Ich denke, die Sache wird nun schnell -fortschreiten. - - Lju. - - - - - Katja an Welja - - - Petersburg, 20. Juni. - -Du bist ein Dussel, Welja! Du hast ja doch Peter die ganze Geschichte -mit Lju geschrieben! Ich konnte es mir ja denken, aber warum prahlst Du -denn, Du hättest keiner Menschenseele ein Wort davon mitgeteilt? Erstens -fragte ich Dich nicht danach, und zweitens glaubte ich Dir nicht einmal. -Peter denkt nun, er müßte mich trösten, und ich müßte ihn heiraten; -Logik hat er doch nicht. Uebrigens ist er entzückend, Gott, zu schade, -daß ich nicht in ihn verliebt bin! Nun muß ich diese Albernheit von -Peter ertragen und dazu noch anhören, wie Tante Tatjana für Lju -schwärmt: wie elegant er wäre, und wie anregend, und wie energisch, und -was für einen guten Einfluß er auf uns gehabt hätte! Paß Du nur -wenigstens auf Jessika auf. Es ist auch zu toll, daß sie solche Eltern -hat. Papa merkt nichts, Mama findet alles sympathisch, und Dir ist alles -einerlei. Besinn Dich mal darauf, daß Du ein Mann bist; Lju kann alles -mit Dir anstellen und Dir alles weismachen, gerade als ob Du in ihn -verliebt wärest, das ist unwürdig. Wenn Tante Tatjana nicht gerade von -Lju redet, ist sie reizend und sehr vernünftig. Die Kurse sind noch -nicht eröffnet. Wie steht es mit Paris? Hat Papa ja gesagt? Im Notfall -gehen wir natürlich auch nach Berlin, wenn wir erst fort sind, findet -sich das übrige. Adieu! - - Katja. - - - - - Jessika an Katja - - - Kremskoje, 20. Juni. - -Mein süßer kleiner Maikäfer! Ich möchte lieber weinen, als Dir -schreiben, aber davon hättest Du ja nichts. Ich kann das Gefühl nicht -loswerden, als wäre ich daran schuld, daß Du fortgegangen bist. An etwas -bin ich schuld, das fühle ich ganz sicher, und es fing damit an, daß ich -an Lju schrieb; daß Du darüber außer Dir warst, kannst Du doch nicht -leugnen. Erst dachte ich, Du liebtest Lju auch, aber er lachte und -sagte, das tätest Du ganz gewiß nicht, und als ich euch nachher zusammen -sah, kam es mir auch nicht mehr so vor. Und wenn Du ihn liebtest, -liebtest Du ihn doch nicht so wie ich; Du würdest nicht daran sterben, -wenn er Dich nicht wiederliebte. Aber das täte ich. Du bist doch -überhaupt nicht so, daß Du Dich ernstlich verliebst, mein -Klimperkleinchen, nicht? Welja sagt doch immer, Du wärest nicht so -sentimental wie ich. Schreib mir etwas Tröstliches! Alle sind jetzt -unzufrieden. Papa ist schrecklich nervös, seit ihr fort seid, Besuch -greift ihn ja immer etwas an, aber hauptsächlich ist es, glaube ich, -wegen Deiner Kurse. Es ist doch auch fatal für ihn, wenn seine Tochter -und sein Neffe bei etwas beteiligt sind, was gegen die Regierung -gerichtet ist. Gestern wurden ein paar Bibliotheksbücher entdeckt, die -Welja vor einem oder zwei Jahren entlehnt und vergessen hat -zurückzubringen. Das kostet nun natürlich verhältnismäßig viel, und Papa -wurde wütend und machte Krach. Er sagte, Welja wäre gedankenlos und -verschwenderisch und täte, als wenn er ein Millionär wäre, und würde uns -noch alle an den Bettelstab bringen. Mama, die dazukam, versuchte Welja -zu verteidigen, da wurde Papa erst recht böse. Mittags, als wir uns zu -Tisch setzten, waren alle ernst und still, und Papa starrte finster vor -sich hin. Mama nahm ihre Lorgnette, guckte ratlos von einem zum andern, -endlich betrachtete sie Papa eine Weile und fragte liebevoll: »Warum -bist Du so blaß, Jegor?« Wir fingen alle dermaßen zu lachen an, Papa -auch, daß die Stimmung wiederhergestellt war. - -Welja war hauptsächlich deshalb niedergeschlagen, weil Papa unter anderm -auch sagte, er könnte ihn doch nicht auf weite Reisen schicken, weil er -zu leichtsinnig wäre. Aber das hat er nur so im Aerger gesagt, ich -glaube, er will euch doch gehen lassen. - -Quält Peter Dich sehr? Meinetwegen mache Dir keine Sorge. Lju hat mir -von Anfang an gesagt, er könnte und wollte nicht um mich anhalten, bis -er eine entsprechende Stellung hätte, er wollte nur mein Freund sein; Du -siehst, wie ehrenhaft er ist. Welja würde niemals so sein. Mein -geliebtes Sonnenkäferchen, ich vermisse Dich stündlich. Du mich wohl -nicht? - - Deine Jessika. - - - - - Lusinja an Katja - - - Kremskoje, 21. Juni. - -Meine kleine Katja! Du hast nun Deinen Willen. Bist Du glücklich, daß Du -in der Stadt bist? Wirst Du dadurch klüger, besser, froher? Ich will Dir -nicht verschweigen, mein Liebling, daß es mich schmerzte, daß Du -fortgingest, obwohl Du sahest, was Du Deinem Papa damit zufügst. Ist das -so schwer zu begreifen? Denn wenn Du es recht begriffen hättest, hättest -Du es doch nicht tun können. Es ist ja nicht, daß Du anders denkst als -er, was ihn am meisten schmerzt, auch nicht, daß Du seinen Wünschen -zuwiderhandelst. Aber er liebt Dich zu sehr, um Dir das zu verbieten, -was er andern verbieten würde. Er liebt Dich, trotzdem Du etwas tust, -wodurch alle andern seine Teilnahme verscherzen würden. Das macht ihn -irre an sich, an seinem System, an allem. Warum fügst Du das Deinem -Vater zu, der Dich liebt, einem alternden Manne? Erreichst Du etwas -Bedeutendes für Dich oder für andre damit? Ach, ich glaube zuweilen, -unsre Kinder sind da, um eine Rache an uns zu nehmen, und doch könnte -ich nicht sagen für wen und für was. Kinder sind die einzigen Wesen, -denen gegenüber wir ganz selbstlos sind, darum sind sie die einzigen, -die uns wahrhaft vernichten können. In ein paar Jahren vielleicht wirst -Du selbst Mutter sein und mich verstehen, und auch wissen, daß ich -solche Betrachtungen anstellen kann, ohne daß meine Liebe zu Dir um den -allerkleinsten Grad vermindert wäre. - -Ich denke, es wird dazu kommen, daß Papa Dich und Welja ins Ausland -schickt; er neigt schon sehr dazu, und es wird das beste für uns alle -sein. Lju ist uns eine Stütze in diesen Tagen. Ich bin ihm zu Danke -verpflichtet, und doch möchte ich am liebsten, daß wir nach eurer -Abreise ganz allein wären, Dein Papa und ich. Der Urlaub hat noch nicht -die guten Folgen für ihn gehabt, die ich erhoffte, vielleicht weil zu -viel Umtrieb und Unruhe bei uns herrschte. Furcht habe ich seinetwegen -augenblicklich nicht, weil ich zu sehr von Dingen erfüllt bin, die noch -schlimmer sind als körperliche Gefahren. - -Sei rücksichtsvoll gegen Tante Tatjana, mein Liebling, und auch gegen -Peter. Ich will Dich nicht bereden, einen Mann zu heiraten, den Du nicht -liebst; aber die Freundschaft eines guten Mannes suche Dir zu erhalten. - - Deine Mama. - - - - - Welja an Katja - - - Kremskoje, 23. Juni. - -Dein Spatzengehirn hat, Gott weiß woher, einen vernünftigen Einfall -gehabt, indem Du fortgingest. Spatzen und Mäuse wittern auch ungünstige -Futterverhältnisse, das ist Instinkt, und den will ich Dir ja auch nicht -absprechen. Es ist in der Tat jetzt sehr ungemütlich hier. Gestern früh -hat Mama unter ihrem Kopfkissen wieder einen Drohbrief gefunden: wenn -Demodow und die übrigen Studenten nicht begnadigt würden, würde Papa -ihnen im Tode folgen oder vorangehen. Dies wäre die letzte Warnung, die -er erhielte. Durch die Post kam am selben Tage ein Brief der Mutter -Demodows, in dem sie Papa anflehte, das Leben ihres Sohnes zu schonen. -Ob der Drohbrief mit dem in Zusammenhang steht? Mama fand den Brief -nicht so schrecklich, wie daß sie ihn erst am Morgen fand und also die -ganze Nacht darauf gelegen hat; das ist ihr unheimlich. Merkwürdig ist -es ja, wie er dahin gekommen ist; unsern Leuten kann man so etwas nicht -zutrauen, es ist ausgeschlossen, und wer kann sonst in Papas und Mamas -Schlafzimmer kommen? Selbstverständlich ist es auf natürliche Art -zugegangen, aber dahinterkommen können wir nicht. Man meint, es müßte -spät abends jemand zum Fenster eingestiegen sein; es leuchtet mir nicht -ein, aber widerlegen kann ich es natürlich auch nicht. Lju ist peinlich -berührt, weil seine Bewachung sich so deutlich als ungenügend erwiesen -hat. Ich glaube, im Grunde hat er in der letzten Zeit gar nicht mehr -daran gedacht. Er ist sehr ernst, ordentlich düster. Heute hat er lange -mit mir über die Geschichte gesprochen; er hält es für ausgemacht, daß -die Verfasser des Drohbriefs von dem Briefe der Frau Demodow Kenntnis -hatten; daß er also aus dem Kreise seiner Freunde hervorgegangen sei. -Natürlich braucht Frau Demodow nichts davon zu wissen. Zunächst, meint -Lju, sollte der Drohbrief wahrscheinlich nur bewirken, daß Papa den -Brief der Frau Demodow in günstigem Sinne beantworte, gewissermaßen -seine Wirkung verstärken. Bei Papas Charakter würde er aber natürlich -seinen Zweck gänzlich verfehlen. Lju sagte, er achtete und liebte Papa, -der immer seinem Charakter und seiner Einsicht gemäß handle; aber -anderseits müßte man zugeben, daß die Revolution ihm gegenüber im Rechte -wäre. Die Regierung hätte einen allgemein verehrten Professor, einen der -wenigen, die noch den Mut freier Meinungsäußerung gehabt hätten, -verhaften und nach Sibirien schicken wollen; Demodow hätte ihn und die -Rechte der Universität verteidigen wollen. In späteren Jahren würde man -auf diese paar Studenten hindeuten als Beweis, daß es damals in -Petersburg noch junge Männer von Mut und Ehre gegeben hätte. In diesem -Falle wären im Grunde die Regierung Aufrührer und gesetzloser Barbar, -die sogenannten Revolutionäre Bewahrer des Rechtes. Sie handelten -anständig, indem sie Papa von ihrer Ansicht und von ihren Absichten -unterrichteten und ihm Zeit ließen, einen andern Weg einzuschlagen, der -sie befriedigen würde. Ich gab ihm natürlich recht, aber ich sagte, ich -könnte es doch Papa nachfühlen, daß er nun erst recht nicht nachgäbe. -Vielleicht, sagte Lju, wenn Papa sicher wüßte, daß die Drohungen ernst -gemeint wären und ausgeführt würden, täte er es doch aus Liebe zu seiner -Frau und seinen Kindern. Ich glaube es doch nicht; und jedenfalls würde -er eben davon nicht zu überzeugen sein. Papa ist der einzige, der ganz -unerschüttert ist, das gefällt mir von ihm. Es ist kein Schatten von -Furcht an ihm, wenn es früher noch möglich gewesen wäre, würde er jetzt -auf keinen Fall einlenken. Es ist natürlich auch Trotz und Eigensinn und -Rechthaberei dabei, aber fein ist es doch. Mama ist traurig; sie findet -es natürlich schrecklich, daß die Studenten hingerichtet werden sollen, -oder wenigstens Demodow, und daß Papa es ändern könnte und es nicht tut; -ich glaube aber, sie hat jetzt nicht wieder versucht auf ihn -einzuwirken, weil sie weiß, daß es doch umsonst wäre. Papa und Mama sind -beides außerordentlich geschmackvolle Menschen, ich hätte mir keine -andern Eltern ausgesucht, obgleich mir ihr Charakter und ihre Ansichten -oft komisch vorkommen. - -Lju hat übrigens gesagt, nach seiner Meinung wäre Papas Leben zunächst -noch gar nicht gefährdet, erst wenn die Studenten wirklich verurteilt -wären, würde es vielleicht kritisch. Unsre Dienerschaft wäre ja aber -unbedingt treu, und deshalb wäre kaum für ihn zu fürchten. Ich fragte -ihn nämlich, weil er so ungewöhnlich ernst und gedankenvoll war. Er -sagte, er hätte eingesehen, daß er uns so bald wie möglich verlassen -müßte, und das stimmte ihn traurig. Er hätte es ja sowieso getan, nun -würde er es beschleunigen. Auch weil die Nichtübereinstimmung zwischen -seinen Ideen und Papas doch zu groß wäre, als daß er ein -Zusammenarbeiten für anständig halten könnte. Ich habe versucht, ihm das -auszureden. - -Ich bleibe jedenfalls noch hier, um Papa und Mama ein bißchen zu -zerstreuen, sie tun mir leid. Jessika ist nur verliebt. Gottlob, daß ich -es nicht bin, es ist ein scheußlicher Zustand. Benimm Dich korrekt, -Spatz, damit Papa in dieser Zeit Unannehmlichkeiten erspart werden. - - Welja. - - - - - Jegor von Rasimkara an Frau Demodow - - - Kremskoje, 23. Juni. - -Gnädige Frau! Hätte Ihr Sohn mich persönlich beleidigt oder angegriffen, -so hätte es Ihrer Fürbitte nicht bedurft, damit ich seiner Jugend und -seinem ungestümen Charakter die Kränkung unbedingt vergeben hätte. -Unglücklicherweise ist es nicht die Privatperson, an die Sie sich -wenden, sondern der Vertreter der Regierung; als solcher kann ich nicht -großmütig sein, denn den Staat angehend handelt es sich nicht um -Gefühle, sondern um Nutzen und Notwendigkeit. Ich habe den jungen Mann, -dessen Gesinnung mir bekannt war, zeitig gewarnt, sowohl in seinem wie -im Interesse seiner unglücklichen Eltern; damit, daß er meine Warnung -unbeachtet ließ, erklärte er, die Folgen seiner Handlungsweise auf sich -nehmen zu wollen. Ich traue ihm zu, daß er selbst weder um Gnade bittet, -noch der Regierung aus ihrer Strenge einen Vorwurf machen wird. - -Ihnen zu sagen, gnädige Frau, wie sehr ich mit Ihnen empfinde, hätte ich -vielleicht nur das Recht, wenn ich Ihre Bitte gewähren könnte. Erlauben -Sie mir jedoch, Ihnen zu sagen, daß ich Ihnen dankbar wäre, wenn Sie mir -jemals Gelegenheit gäben, Ihnen mein aufrichtiges und schmerzliches -Mitgefühl durch die Tat zu beweisen. - - Ihr ergebener - Jegor von Rasimkara. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 24. Juni. - -Lieber Konstantin! Frau von Rasimkara hat von dem Brief, den ich ihr -unter das Kopfkissen legte, einen starken Eindruck empfangen. Sie fand -ihn erst am Morgen, nachdem sie eine ganze Nacht darauf geschlafen -hatte. Dies und daß sie nicht begreifen kann, wie der Brief an seine -Stelle gekommen ist, findet sie am unheimlichsten. Uebrigens ist sie -gefaßt; sie ist überzeugt, daß ihr Mann verloren ist, daß niemand es -ändern kann, und erwartet das unvermeidliche Schicksal. Das ist aber -eine Stimmung, die durch andre Stimmungen wieder verscheucht werden -kann; oder es ist ein Grundbewußtsein, über das der Tag immer wieder -hinflutet. Der Gouverneur ist beinahe unempfindlich für den immerhin -aufregenden, auch ihm unerklärlichen Vorfall. Er hat die Bittschrift der -Frau Demodow ohne Zögern in abschlägigem Sinne beantwortet. Es ist -keinerlei Veränderung an ihm wahrzunehmen; allerdings litt er schon -einige Zeit unter dem Verhalten seiner Tochter Katja. Daß ihm eine -ernstliche Gefahr droht, scheint er nicht für möglich zu halten, -jedenfalls will er sie nicht für möglich halten. - -Daß es so kommen würde, habe ich vorausgesehen. Ich hätte den -unerschrockenen und unerschütterlichen Menschen gern gerettet; ich habe -fast zu lange an die Möglichkeit geglaubt, daß ich es vermöchte. Wenn -ich an Selbstüberhebung gelitten habe, können die Erfahrungen, die ich -in diesem Hause gemacht habe, mich davon heilen. Ich sehe, einen -Menschen ändern kann nur Gott; oder nicht einmal Gott! Das könnte meinen -Stolz trösten. Man hat so wenig Macht über die Menschen wie über die -Sterne; man sieht sie nach ihren unbeugsamen Gesetzen auf- und -untergehen. - -Es wird nun nicht mehr lange dauern, es gibt keinen Ausweg. Jetzt ist -mir selbst das liebste, wenn es bald vorüber ist. - - Lju. - - - - - Katja an Welja - - - Petersburg, 25. Juni. - -Welja, ich glaube, Du bist noch nie ganz wach gewesen, seit Du lebst. -Wache doch endlich mal auf! Mir werden von allen Seiten Vorwürfe -gemacht, von andern kann es ja hingehen, aber von Dir? Unerhört! Was tu' -ich denn? Papa hat seine Ideen und ich meine; warum soll er mehr Recht -haben, seinen nachzuleben, als ich? Seine sind schädlicher als meine, -find' ich. Ich bringe doch niemand um. Vielleicht weil er älter ist als -ich? Schöner Grund; sein Alter spricht doch höchstens gegen ihn. Aber -lieb habe ich ihn gewiß ebenso wie Ihr, wahrscheinlich mehr als Du. Du -siehst nicht einmal ein, daß Lju nicht im Hause bleiben darf, wenn er -solche Ansichten hat, wie er Dir gesagt hat. Wenn wir finden, daß Papa -im Unrecht ist, und daß es der Gegenpartei schließlich nicht zu -verdenken ist, wenn sie ihn umbringt, so ist das etwas ganz andres, als -wenn ein Fremder es findet. Was wissen wir denn eigentlich von Lju? Ich -weiß, daß er vollkommen gewissenlos ist. Dir imponiert das natürlich, -mir hat es zuerst auch imponiert, es mag ja auch großartig sein, -vielleicht hast Du auch kein Gewissen, vielleicht möchte ich ebensowenig -haben wie er, aber das ist mir jetzt ganz einerlei, in unserm Hause darf -er nicht bleiben. Siehst Du denn nicht ein, daß er wirklich Papa ganz -ruhig umbringen lassen würde? Halte wenigstens die Augen offen und passe -auf. Es wurde mir geradezu unheimlich zumute, als ich Deinen Brief las. -Er heftet seine eisigen Augen auf Papa und denkt: eigentlich hätten sie -recht, wenn sie dich umbrächten. Wozu soll er überhaupt dasein? Daß er -kein Mann für Jessika ist, mußt du doch einsehen; übrigens will er sie -ja gar nicht einmal heiraten, er macht sie nur unglücklich. Die -Geschichte mit Jessika muß auch Mama einsehen, das andre darf sie -natürlich nicht wissen, damit sie sich keine Gedanken macht. Hörst Du, -Du darfst ihn nicht zurückhalten, sondern mußt ihm im Gegenteil sagen, -ja, geh sofort, Du hättest es schon längst tun sollen! Wenn Du ein Mann -wärest, hättest Du ihm längst gesagt, er müßte Jessikas wegen aus dem -Hause. Sei mal ein Mann! Papa sieht und hört ja leider Gottes nichts; -eigentlich wäre es besser, er spielte im Berufe die Rolle, die er bei -uns spielt, und umgekehrt, dann wären Volk und Familie zufrieden. Armer -Mann, er opfert sich einem Popanz von Pflichtgefühl -- und doch ist auch -etwas Schönes an dem Unsinn. Ich weiß nicht, was mir mehr gefällt, das -oder Ljus Gewissenlosigkeit. Ach, Papa ist nun einmal Papa, und darum -geht er vor. Wir müssen über ihn wachen, Du mußt mir für ihn bürgen, -hörst Du? - - Katja. - - - - - Lusinja an Tatjana - - - Kremskoje, 26. Juni. - -Liebe Tatjana! Es ist gerade, als ob Du die Sonne mit fortgenommen -hättest; seitdem haben wir häßliche Regentage. Der Tag, an dem Du so -überraschend ankamest, wie war der sorglos und heiter! So werden wir -gewiß lange keinen mehr erleben. Als wir hier herauszogen im Mai, dachte -ich nur an die Zeit, die vor mir lag, die ich mir unbeschreiblich -glücklich dachte, wo ich Jegor ganz für mich haben würde, fern von -Geschäften und Sorgen, und mein Gefühl war geradeso, als ob nachher -nichts mehr käme. Das hat man wohl immer so, wenn man ein Glück vor sich -hat; Glück scheint einem ewig zu sein -- obwohl es im Gegenteil nur -flüchtig sein kann. Nun merke ich, daß der Sommer vorübergehen wird, -daß, noch ehe er vorüber ist, die Zeit kommen wird, wo wir wieder in die -Stadt ziehen müssen, wo der Prozeß anfängt mit allen Schrecknissen für -andre und für uns. Jegor wird der Menge und Energie des aufgehäuften -Hasses nicht entrinnen. Wenn sie ihn kennten! Aber sie kennen nur seine -Taten. Und ist der Mensch nicht in seinen Taten? Ach Gott, ich habe mir -fest vorgenommen, ich will nicht urteilen: es ist so viel auf beiden -Seiten abzuwägen, daß ich irren könnte. Nur das weiß ich sicher, daß -Jegor niemals aus angeborener Grausamkeit oder aus persönlicher -Rachsucht handelte, er glaubte immer das Rechte zu tun, und es ist ihm -oft schwer geworden. Vielleicht hat er unrecht; aber daß er irren kann, -macht ihn mir nicht weniger teuer. Er wertet das Bestehende und die -legitime Macht am höchsten, mich hätte die Neigung eher in eine andre -Richtung gezogen, aber ich bin deshalb nicht besser als er. Das liegt im -Blute; seine Ahnen haben ihm andres Blut vererbt, als meine mir. - -Ach, Tatjana, mein Herz ist schwer! Wohin ich sehe, ist alles dunkel, so -gleichmäßig dunkel, daß ich schon gedacht habe, es wären meine Augen, -die nicht mehr hell sehen könnten. Aber sage selbst, wo ist etwas Gutes, -Tröstendes? Wie soll der Konflikt mit den Kindern enden, die nur ihren -Neigungen nachrennen und stolz darauf sind, daß sie sich kaum nach uns -umsehen? Müssen alle Menschen dies erleben? Ja, vielleicht haben wir -unsre Eltern ähnliches erleben lassen; aber es ist darum nicht minder -bitter. - -Furcht ist das Aergste; die Furcht, glaube ich, hat mich so entnervt, -daß ich an keiner Freude mehr teilnehmen kann, daß ich aus mir selbst -keine mehr hervorbringen kann. Ich fürchte ja immer, Tag und Nacht, auch -während ich schlafe. Das ist das Schlimmste. Du kannst Dir gewiß nicht -vorstellen, wie das ist, zu schlafen und zu träumen und währenddessen -fortwährend von Furcht gequält zu sein. Seit ich den Brief unter meinem -Kopfkissen gefunden habe, ist mir zumute wie einem, der zum Tode -verurteilt ist und nicht weiß, wann das Urteil vollstreckt wird. Siehst -Du, der Mörder muß durch das offene Fenster gekommen sein, am Hause -hinaufgekrochen wie eine Schlange, und hat an meinem Bett gestanden, -ganz dicht, und hat den Brief unter mein Kissen geschoben. Er muß -lautlos gekommen sein, wirklich wie eine Schlange, Du weißt doch, daß -ich damals sofort aufwachte, als Lju in unser Schlafzimmer kam, und daß -ich überhaupt einen leisen Schlaf habe. Er hatte ein Messer in der Hand -oder einen Strick und hätte Jegor auf der Stelle ermorden können; aber -er wollte ihm noch eine Frist geben, oder er hatte im Augenblick nicht -das Herz dazu, oder er wollte uns nur auf die Folter spannen. Jede -nächste Nacht kann die sein, wo er wiederkommt und es ausführt. - -Und warum hörte Lju nichts? Ja, warum hätte er mehr hören sollen als -wir, in deren unmittelbarer Nähe sich alles abspielte? Vor diesem -Verhängnis ist auch seine Wachsamkeit unwirksam. Er scheint mir ganz -verändert seitdem, ernst und in sich gekehrt; aber mit diesen Worten ist -sein Wesen noch nicht treffend genug bezeichnet. Sicherlich leidet er -darunter, daß er das nicht leisten konnte, was er versprochen hatte und -was ich ihm zutraute. Vielleicht ist es ihm selbst unheimlich. Er sieht, -daß wir verloren sind. Er mag nicht dabei sein. Oder wenn nun das wäre, -daß er uns nicht schützen kann, nicht schützen darf? Nach seiner Meinung -natürlich. Ob er diejenigen gesehen und erkannt hat, die Jegor -nachstellen? Ob er Freunde unter ihnen erkannt hat? Oder irgendwelche -Menschen, die er für wertvoller hält als uns? Diese Vermutung -- nicht -Vermutung, dies Gedankengespinst wird Dir wahnsinnig erscheinen; ich -wäre auch nie daraufgekommen, wenn ich nicht sein seltsames Wesen vor -meinen Augen hätte. Irgend etwas Geheimnisvolles ist um ihn. Zuweilen, -wenn sein Blick auf Jegor und mir ruht, schaudert mich. Vorwerfen tue -ich ihm nichts, das Mitleid, das ich mit ihm habe, spricht deutlich für -ihn. Wenn es wahr ist, daß er uns schützen könnte und es doch nicht tun -zu dürfen glaubt, so glaubt er im Rechte zu sein. O Gott, alle Leute -haben recht, alle die, welche hassen und morden und verleumden -- o -Gott, was für eine Welt! Was für eine Verschlingung! Am Ende ist der -wohl daran, für den sie gelöst ist. - -Ich gebe zu, daß meine Nerven sehr überreizt sind. Es ist zu -entschuldigen unter diesen Umständen, nicht wahr, Tatjana? Jegor ist -ganz ohne Furcht. Er gefällt mir so gut, ich glaube, ich habe ihn noch -nie so geliebt wie jetzt. Das ist auch ein Glück. Ich weiß ja wohl, daß -ich glücklich bin vor vielen, vielen Frauen; aber es ist ein schwarzer -Vorhang vor diesem Wissen. Ob noch einmal ein guter Wind kommt und ihn -fortreißt? Denke an mich, Liebe. - - Deine Lusinja. - - - - - Welja an Katja - - - Kremskoje, 27. Juni. - -Täubchen, Katinka, was für einen Unsinn schreibst Du mir da von meinem -Schlafen und Wachen? Und von Ljus Gewissenlosigkeit und Papas -Pflichtgefühl, die Dir abwechselnd imponieren? Vater, wie Du willst! -Wenn Du psychologischen Scharfblick hättest, würdest du bemerkt haben, -daß Lju ein Theoretiker ist, Handeln ist eigentlich seine Sache nicht. -Er findet, daß gewisse Leute ganz recht hätten, wenn sie Papa töteten. -Ist das neu? Natürlich hätten sie recht. Als sie voriges Jahr den Kaiser -in die Luft sprengen wollten, waren wir uns auch darüber einig, daß sie -recht hätten, und hätten es doch nicht getan. Dann könntest Du ja auch -von mir denken, ich brächte Papa um. So etwas tut man eben nicht, wenn -man es auch theoretisch tadellos findet oder sogar billigt; die Kultur -hindert einen daran. Du bist einfach noch eifersüchtig, ich hätte besser -von Dir gedacht. Die Liebe macht alle Frauenzimmer dumm und kleinlich. -Jessikas wegen wäre es ja besser, Lju ginge fort, das gebe ich zu; ich -mag nur selbst verliebt sein, von andern kann ich es nicht leiden, sie -werden lächerlich dadurch, für Jessika ist es geradezu ein Elend. Das -heißt, ich kann mir denken, daß andre Leute es entzückend finden, sie -kommt mir selbst oft so vor wie ein blühendes Pfirsichbäumchen, das in -Flammen steht. An sich eine hübsche Erscheinung -- aber wenn ich denke, -daß sie ein Mensch und meine Schwester ist, finde ich es albern. Ich -habe auch zu Lju gesagt, die Sache hätte sich überlebt, und es wäre -besser, daß sie nun ein Ende nähme. Er war ganz damit einverstanden und -sagte, er ginge ja schon längst mit dem Gedanken um, unser Haus zu -verlassen, er wollte nur sicher sein, ob Mama ihn auch gern gehen ließe. -Du siehst, wie unrecht Du hast. Vielleicht geht er mit uns ins Ausland; -natürlich geht das nur, wenn Du vernünftig bist. Er kann doch nicht -jedes Mädchen heiraten, das sich in ihn verliebt, kleines Kalb! Hätte -ich das getan? Was Dich anbetrifft, Du brauchst überhaupt nicht zu -heiraten. Du bist ein furchtbar niedlicher Spatz, als Eheweib und Mutter -wärest Du lächerlich. - - Welja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 29. Juni. - -Lieber Konstantin! Ich habe Frau von Rasimkara gebeten, daß sie mich -entlassen möchte. Ich sagte, der Vorfall mit dem Briefe hätte mich davon -überzeugt, daß meine Anwesenheit nutzlos wäre. Ich hätte Tag und Nacht -darüber nachgedacht, wie es hätte geschehen können, und wäre zu keinem -Ergebnis gekommen. Durch das Fenster könnte bei Nacht niemand gekommen -sein, dessen wäre ich sicher, ich würde es gehört haben. Die Dienstboten -könnte man meiner Ansicht nach nicht verdächtigen, ich hielte sie für -unbestechlich treu. Sie unterbrach mich und sagte lebhaft, in diesem -Punkte hätte sie keinen Zweifel. Ich sagte, die einzige Möglichkeit -wäre, daß ein Dienstbote es in der Hypnose getan hätte. Immerhin wäre es -nicht wahrscheinlich. So etwas interessiert sie sehr, und wir sprachen -eine Weile darüber. Uebrigens, sagte sie, wollte sie die Sache mit dem -Briefe ruhen lassen, es käme doch nichts dabei heraus. Eine eigentliche -Untersuchung wollte ihr Mann nicht anstellen, er pflegte Drohbriefe -immer zu ignorieren und mäße ihnen keine große Bedeutung bei. Bis jetzt -hätten die Erfahrungen ihm ja auch recht gegeben. Ich bestritt dies -weder, noch bestätigte ich es. Jedenfalls, sagte ich, wäre die Lage so, -daß sie meiner nicht mehr bedürfte, sei es nun, weil keine Gefahr -vorhanden sei oder weil ich nicht dafür einstehen könnte, daß ich sie -abzuwenden imstande wäre. - -Sie fragte, wohin ich mich zu wenden und was ich zu tun gedächte. Ich -sagte, ich wollte mein Werk vollenden, das läge mir zumeist am Herzen. -Wenn ich mich mit meinem Vater aussöhnte, würde ich bis auf weiteres zu -Hause bleiben; er hätte mir kürzlich einen entgegenkommenden Brief -geschrieben. Sonst würde ich bei einem Freunde Zuflucht finden. Sie -sagte, daß sie und ihr Mann mir zu Dank verpflichtet wären und daß ich -ihnen gestatten müßte, daß sie mir zu Hilfe kämen, wenn ich Hilfe -gebrauchte; das würde keine Wohltat, sondern Erstatten einer Schuld -sein. Sie war ernst, liebenswürdig, von gewähltester Feinheit. Wenn es -mir paßte, sagte sie, wäre ich frei, sofort zu gehen, wenn ich aber über -meinen künftigen Aufenthalt noch nicht im klaren wäre, sollte ich -bleiben, solange ich möchte. Ich sagte, ich wollte versuchen, ein -Verständnis mit meinem Vater zu erzielen, und würde ihr dankbar sein, -wenn ich ihre Gastfreundschaft noch etwa vierzehn Tage in Anspruch -nehmen dürfte; bis dahin würde sich das entschieden haben. Ich wollte -ihre Hand küssen, die sehr schön ist; aber ich dachte plötzlich daran, -was ich ihr anzutun willens bin, und unterließ es. - -Ich habe den Eindruck, daß meine Mitteilung sie froh gemacht hat, -wahrscheinlich Jessikas wegen. Ich glaube sogar, sie denkt, ich hielte -es Jessikas wegen für meine Pflicht, zu gehen, und hat deswegen ein -Gefühl der Dankbarkeit für mich. Lebe wohl! - - Lju. - - - - - Jessika an Tatjana - - - Kremskoje, 29. Juni. - -Liebste, holdeste Tante! Ich glaube, ich komme bald zu Dir. Die paar -Tage, wo Du hier warest, waren so schön! Alle waren heiter und zufrieden -durch Deine Gegenwart. Jetzt ist es schrecklich. Lju wird fortgehen, er -sagt, er müsse fort, weil es sich gezeigt hätte, daß er überflüssig -wäre, und weil Mama ihn nicht mehr brauchte. Zuerst sagte Mama doch, sie -hätte noch niemals ein solches Sicherheitsgefühl gehabt wie jetzt, weil -Lju da wäre. Aber Papa hatte es niemals gern, und er wird zu Mama gesagt -haben, daß er es nun nicht länger möchte. Du weißt ja, daß Papa nicht -gern fremde Menschen um sich hat, sogar daß Du hier warest, hat seine -Nerven angegriffen. Mama ist gewiß im Grunde sehr unglücklich, daß Lju -fortgeht. Und wenn nun Welja und Katja auch noch fortgehen! Papa ist -schon beinahe überzeugt, daß es am besten ist, wenn sie in Berlin oder -Paris die Universität besuchen. Welja freut sich schrecklich und Katja -natürlich auch, ich gönne es ihnen, sie mögen ja so gern reisen. Aber -nimm mich dann zu Dir, Tante Tatjana, bis wir wieder in die Stadt -ziehen. Es ist mir hier zu traurig so allein, nachdem es im Mai so schön -war wie noch nie. Die Stimmung hier ist so erdrückend. Papa und Mama -werden ganz einverstanden sein, vielleicht tut es ihnen gut, einmal -allein zu sein. Dann kann Papa sich am besten ausruhen, und die Arbeit, -die für die beiden zu machen ist, können unsre Dienstboten ja bequem -ohne mich ausrichten. Lju weiß noch nicht, wohin er geht. Er sagte mir, -wenn er nach Petersburg ginge, würde er Dich besuchen, falls Du es -erlaubtest. Er schwärmt oft von Deiner Schönheit und Deinem Geist. Wer -täte das nicht? Am meisten - - Deine kleine Jessika. - - - - - Welja an Katja - - - Kremskoje, 1. Juli. - -Nun, mein süßer Spatz, Deine Schopffedern sind wohl noch zornig -gesträubt gegen Deinen Bruder, weil er Dir, wie es seine Pflicht ist, -die Wahrheit gesagt hat? Unterdessen arbeitet er für Dein und sein und -unser aller Wohl. Seit Papa sich überzeugt hat, daß wir die tiefere -Bildung nur erlangen können, wenn wir ein paar Semester im kultivierten -Westen studieren, ist seine Laune wieder sehr gestiegen. Er findet es -jetzt auch besser, daß wir mit dem mehr äußerlichen Paris beginnen, um -später zum gründlichen philosophischen Deutschland fortzuschreiten. Wir -sollen bald fort; denn Papa begreift auf einmal, daß alle unsre -Unzulänglichkeiten nur davon kommen, daß wir den Einfluß der alten -westlichen Kultur noch nicht durchgemacht haben. Du mußt also Dein -Studium sofort aufgeben und für unsre Ausrüstung sorgen, das heißt -dabeistehen, wenn Tante Tatjana es tut. - -Lju geht fort, vielleicht schon vor uns. Ich denke mir, er wird auch -nach Paris kommen, wenn wir da sind, obgleich er sich nicht bestimmt -darüber ausspricht. Wir fahren oft Automobil zusammen. Ich habe Mama -mein Wort geben müssen, ihn möglichst selten mit Jessika allein zu -lassen -- ganz überflüssig, denn er hat selbst gar keine Lust dazu. Auf -Papa nehme ich auch viel Rücksicht, ich spiele nie mehr Wagner, weil ihn -das nervös macht. Uebrigens geht es ihm wirklich viel besser, außer -seiner Scharteke hat er jetzt noch unsre Reise, die ihn angenehm -beschäftigt, er gibt mir Anweisungen, welche Züge wir nehmen müssen, in -welchen Hotels wir absteigen sollen, und hat dabei fast das Gefühl, er -könnte selbst mit. Sei Deinem Bruder dankbar, anstatt zu schmollen, was -überhaupt kindisch ist. - - Welja. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 1. Juli. - -Lieber Peter! Das beste wäre, Du gingest mit nach Paris. Meine Mutter -wünscht es, weil sie Dich für verständiger hält als uns, denn sie ist -auch einverstanden, und mir mußt Du nur versprechen, kein verliebtes -Gedusel mit Katja anzufangen. So bist Du ja aber auch nicht; was Du im -Innern fühlst, ist mir natürlich einerlei. Wenn Deine Kurse sich durch -Deine Abreise auflösen, ist es um so besser. Papa hat noch Schererei -genug, er kann einem wirklich leid tun. Mit der Gesinnungsmeierei kann -es ja dann wieder losgehen, wenn wir zurückkommen. Ich meinerseits mache -sehr gern mal eine Pause. In Paris wirst Du Dich auch noch politisch -entwickeln, ich sehe Dich schon als gereiften Robespierre ins heilige -Rußland einbrechen. - - Unbedingt Dein - Welja. - - - - - Lusinja an Katja - - - Kremskoje, 2. Juli. - -Mein Herzenskind! Es ist beschlossen, daß Ihr, Du und Welja, nach Paris -geht. Du freust Dich, nicht wahr? Ich denke, Ihr werdet vernünftig sein -und nicht gar zu viel Geld ausgeben, Ihr seid doch alt genug, um die -Verhältnisse zu begreifen und Euch in sie zu schicken. Ihr habt den -besten Vater, der sich niemals auf unrechtmäßige oder auch nur unfeine -Weise bereichert hat, wie so viele tun, und ich hoffe, ihr ehrt und -liebt ihn deswegen um so mehr und seid stolz auf die verhältnismäßige -Beschränktheit unsrer Mittel. Er hat trotzdem immer mit -verschwenderischer Güte für Euch gesorgt, mißbraucht es nicht. Das -Ueberschreiten eines gewissen Maßes würde ihm nicht nur Kummer, sondern -sehr ernste Widerwärtigkeiten bereiten. Innerhalb dieser Begrenzung, -mein Liebling, sollt Ihr eure Freiheit herzhaft genießen und die Euch -gebotenen Mittel, Euch zu ganzen Menschen zu bilden, benutzen. - -Ich denke mir, daß Jessika, wenn Lju und Ihr fort sein werdet, zu Tante -Tatjana gehen wird. Ihr armes, zärtliches Herz muß noch viel -durchmachen, sie wird dort weniger leiden als hier, deshalb lege ich ihr -nichts in den Weg. Daß Lju fortgeht, ist ihretwegen notwendig. Seine -anregende Art zu sprechen, die naheliegenden mit entfernten und -interessanten Vorstellungen zu verbinden, werde ich vermissen. Er läßt -nie ein Wort, das man sagt, fallen, sondern fängt es auf und spinnt -daran weiter. Das lieb' ich sehr an ihm; am meisten aber, daß er eine -Persönlichkeit ist, ein Mensch mit einem intensiven Bewußtsein von allen -Dingen und mit einem klaren Willen. Anderseits erleichtert es mein -Gemüt, daß er fortgeht, und nicht nur Jessikas wegen. Er hat etwas -Fremdartiges und Unergründliches für mich, das mich zuzeiten sehr -aufgeregt hat. Er hat einen sonderbaren Blick; vielleicht hat er auch -damit solche Macht über Jessika gewonnen. Das Rätselhafte zieht an und -ängstigt zugleich. Er gehört nun einmal nicht zu uns, und all sein Sinn -für die verschiedenartigsten Menschen kann das nicht überbrücken. Und -dann nachtwandelt er; darüber kann ich nicht wegkommen. - -Nach allen Erregungen dieses Sommers freue ich mich darauf, mit Papa -allein zu sein. Wirklich, ich freue mich darauf -- macht Euch also keine -Gedanken unsertwegen. Ihr werdet uns viele schöne Briefe schreiben, und -wir werden Euch im Geiste zur Mona Lisa und zur Place de la Concorde und -zu den Springbrunnen von Versailles begleiten. Dabei fällt mir ein, daß -wir dazu nicht einmal den Hut aufzusetzen brauchen, daß Ihr aber -Reisekleider und sonst noch allerlei haben müßt. Vieles werdet Ihr gewiß -geschmackvoller und billiger in Paris besorgen. Wäret Ihr nur -praktischer! Kann ich es Euch überlassen? Jedenfalls, eine gewisse -kleine Ausrüstung müßt Ihr doch von hier mitnehmen, damit beschäftige -Dich jetzt, Du hast ja Tante Tatjana, die beste Ratgeberin, zur Seite. -Lebe wohl, mein Herzenskind, schreibe Deinem Vater bald, daß Du Dich auf -Paris freust. - - Deine Mama. - - - - - Katja an Jegor - - - Petersburg, 4. Juli. - -Lieber Papa! Es ist fabelhaft anständig von Dir, daß Du uns nach Paris -gehen läßt. Du hast aber auch etwas Gutes davon, indem Du uns los wirst. -Peter will vielleicht auch mit, es ist mir ganz recht, denn er ist so -praktisch, daß man ihn eigentlich gar nicht entbehren kann. Zum Beispiel -ein Automobil heilmachen, weswegen Lju damals eigens in die Stadt fuhr, -das kann er selbst und wenn es noch so kompliziert ist. Er ersetzt einem -Dienstmann, Schlosser, Tapezierer, Schneider, Koch und sogar -Putzmacherin, nur ist sein Geschmack etwas veraltet. Er ist jetzt auch -sehr zurückhaltend gegen mich, es scheint mir beinahe, als wäre er nicht -mehr verliebt; das ist eigentlich schade, obgleich es mir manchmal -lästig war. Für die Reise ist es aber besser so, das sehe ich ein. Und -gefällig ist er auch doch noch ebenso wie früher, gestern hat er mir -erst ein Buch sehr schön eingebunden und einen Schlüssel gemacht für -einen, den ich verloren hatte, was Tante Tatjana nicht erfahren sollte. - -Wenn Peter mitgeht, werden wir viel Geld sparen, auch weil er immer -aufpaßt. Soll ich noch einmal kommen und Euch Adieu sagen? Ich tue es -sehr gern, dann müßt Ihr aber Lju vorher wegschicken, ich kann ihn nicht -ausstehen, und seine Gegenwart würde mir alles verleiden. - - Deine allerkleinste Katja. - - - - - Lusinja an Tatjana - - - Kremskoje, 5. Juli. - -Liebste Tatjana! Ich habe die melancholischen Anwandlungen ganz -überwunden, das muß ich Dir doch erzählen. Weil es einfach so nicht -weiterging, hat sich in mir ein Umschwung vollzogen. Man entdeckt oft -platte Wahrheiten, so ist es mir mit dem Sprichwort gegangen, daß Gott -dem Mutigen hilft. Zuerst kostete es mich Anstrengung, die -Furchtgedanken zu unterdrücken und zuversichtlich in die Zukunft zu -sehen, aber nachdem ich dies ein paarmal gemacht hatte, schien mich auf -einmal eine unbekannte Kraft zu tragen und von selbst überströmte mich -Heiterkeit. Zum Teil kommt es allerdings auch daher, daß Jegor wieder in -guter Stimmung ist, seit er den Entschluß gefaßt hat, die Kinder nach -Paris gehen zu lassen. Das ist mir der größte Schmerz, ihn so gedrückt -und ohnmächtig traurig zu sehen. Nun freue ich mich ordentlich auf die -Zeit, wo wir allein sein werden. Ich glaube, so ganz allein waren wir -noch niemals, seit die Kinder auf der Welt sind. Und auf dem Lande, ohne -etwas zu tun, in schöner Umgebung! Es muß jetzt alles schnell gehen, -sonst ist die Zeit des Urlaubs zu Ende, bevor sie alle fort sind. Jegor -freut sich auch darauf, er meint nur immer, ich könnte gar nicht mehr -für ihn und in ihm allein leben, weil ich gewohnt wäre, mich für viele -und vieles auszugeben, aber im Herzen weiß er genau, daß ich mit ihm -allein erst in meinem Elemente sein werde. Wann wird man wohl einmal -älter? Bis jetzt bin ich seit meinem zwanzigsten Jahre immer jünger -geworden -- ich! Meine Haare und meine Haut natürlich nicht. - -Liebe Tatjana! Hilfst Du meiner kleinen Katja besorgen, was sie zur -Reise braucht? Du hast ja soviel Geschmack und Einsicht. Wenn Dein Peter -mitginge nach Paris, das wäre eine große Beruhigung für uns. Obwohl er -nur so wenig älter ist als Welja, wäre es mir doch, als wenn ein Mentor -mitginge. Ich dachte erst an Lju in diesem Sinne, aber Katjas Abneigung -ist ja nicht zu besiegen. Und wenn ich denke, wie sie zuerst für ihn -schwärmte! Er war ein Orakel für alle drei Kinder. Da nannte er sie -einmal Katinka statt Katja, und aus war es für immer. Ein bißchen -verrückt kommen mir meine Kinder zuweilen vor, Gott weiß, woher sie es -haben. Natürlich, Tatjana, glaube ich nicht, daß diese Namensirrung der -einzige Grund ist. Es wird wohl allerlei zwischen den Kindern -vorgefallen sein, Eifersucht und dergleichen. Im Charakter würden ja Lju -und Katja ganz gut zusammenpassen, wenigstens eher als Lju und Jessika; -aber es pflegen sich nun einmal die Gegensätze anzuziehen. Jedenfalls -ist mir die Abneigung, und wenn sie noch so ungerecht wäre, lieber als -das Gegenteil. Es ist mir auch viel lieber, wenn Peter mitgeht. Ich -weiß, daß Lju die Kinder liebt und versteht, er hat etwas Imponierendes, -etwas Gewandtes, und wäre insofern geeignet, ihr Führer zu sein. Aber -ich glaube, ich würde zuweilen davon träumen, daß er in somnambulem -Zustande in ihr Schlafzimmer ginge und an ihrem Bett stände und sie mit -dem rätselhaften Blick, der ihm eigen ist, betrachtete. - -Ach, Tatjana, das muß ich Dir doch erzählen! Als ich damals den -Drohbrief unter meinem Kopfkissen gefunden hatte, sagte Lju, es könnte -auch jemand im Hause getan haben, den ein andrer daraufhin hypnotisiert -hätte, so etwas wäre möglich. Da dachte ich an seinen rätselhaften Blick -und sein nächtliches Wandern, und es kam mir in den Sinn, er selbst -könnte ja von einem fremden, dämonischen Willen besessen sein. Ich wäre -damals nicht imstande gewesen, mit jemand darüber zu sprechen oder Dir -davon zu schreiben, so grausig war mir die Vorstellung. Jetzt kann ich -es ganz ruhig und lache sogar dabei. Neulich erzählte ich es Jegor, der -amüsierte sich so darüber, daß ich jetzt immer lachen muß, wenn ich -daran denke. Er sagte, je aberwitziger eine Geschichte wäre, desto -bereitwilliger glaubte ich sie. Für ganz unmöglich halte ich so etwas -aber doch an sich nicht, sonst hätte auch Lju es nicht gesagt. - -Du bist also einverstanden, liebe Tatjana, daß Jessika zu Dir kommt? -Wenn Peter fortgeht, wärest Du ja sonst allein, und Jessika ist so gern -bei Dir. Uns freut es, wenn sie Dir etwas sein kann. - - Deine Lusinja. - - - - - Jessika an Katja - - - Kremskoje, 6. Juli. - -Liebes Kleines! Werde nicht böse, aber es ist doch sehr häßlich von Dir, -daß Du nicht kommen willst, solange Lju hier ist, und ihn dadurch aus -dem Hause treibst. Das hat er doch nicht um uns verdient. Ich glaube, Du -denkst, er handelte schlecht gegen mich, und das ist doch gar nicht -richtig. Er liebt mich, aber er hat mir von Anfang an gesagt, daß er -nicht wüßte, ob er mich jemals heiraten könnte, weil er zu stolz ist, -und daß ich meinen Gefühlen den Charakter der Freundschaft geben müßte. -Das tue ich doch auch, und was ist denn dabei, daß er mein Freund ist? -Er ist doch auch Weljas Freund und war auch Deiner, bis Du Dich so -abstoßend gegen ihn benahmest. Er kann sich ja so einrichten, daß er den -ganzen Tag nicht zu Hause ist, wenn Du hier bist. Für Papa und Mama ist -die Geschichte doch auch peinlich, und da Du so viel Schönes vor Dir -hast, könntest Du recht gut in solchen Kleinigkeiten ein wenig Rücksicht -nehmen. - -Bist Du böse, mein Brummerchen, daß ich Dir das sage? Ich predige Dir -doch selten Moral, das mußt Du mir zugestehen. Aber Du wirst ja doch -tun, was Du willst. Papa und Mama sind jetzt sehr wohl, es ist zu -niedlich, wie sie sich auf ihr Alleinsein freuen. Sie sehen manchmal aus -wie ein Brautpaar, das bald Hochzeit haben wird, jung und schön und -geheimnisvoll beseligt. Ich freue mich, daß gerade Rosenzeit ist; in ein -paar Wochen werden alle blühen, dann kann Mama alle Tage ihre Tafel mit -Rosen bedecken und sich Rosen ins Haar stecken und alle Vasen -vollfüllen. - - Jessika. - - - - - Welja an Peter - - - Kremskoje, 8. Juli. - -Lieber Peter! Gestern begegnete mir etwas Merkwürdiges. Ich wollte Lju -in seinem Zimmer aufsuchen, und da er nicht da war, wartete ich auf ihn. -Ich setzte mich an seinen Schreibtisch und blätterte gedankenlos in -seiner Schreibmappe, da sah ich einen Zettel, auf den mit einer -Handschrift etwas geschrieben war, was mir auffiel. Erst wußte ich gar -nicht warum -- dann fiel mir plötzlich ein, daß mit derselben oder einer -ganz ähnlichen Handschrift der Drohbrief geschrieben war, den Mama unter -ihrem Kopfkissen gefunden hat. Denke Dir, ich habe zum erstenmal in -meinem Leben einen wahnsinnigen Schrecken bekommen, es drehte sich alles -um mich. Und dabei weiß ich gar nicht bestimmt, was mich eigentlich so -entsetzte; aber meine Hände und meine Schläfen waren in einem Augenblick -mit Schweiß bedeckt. Wahrscheinlich machte mein Unbewußtes blitzschnell -eine Reihe von Schlüssen, deren Ergebnis der Schrecken war. Ich ging -rasch fort und versuchte meine Gedanken zu ordnen, ich schwöre Dir, ich -war so bestürzt, daß ich nicht klar denken konnte. Als Lju wieder da -war, richtete ich es so ein, daß wir uns in sein Zimmer setzten, ich -blätterte in seiner Mappe, spielte mit dem Zettel und sagte so -beiläufig, die Handschrift wäre ja der auf dem Drohbrief ganz ähnlich. -»Nicht wahr?« sagte Lju vergnügt, »ich glaube auch, daß man sie für -dieselbe halten kann. Ich habe versucht, sie aus dem Gedächtnis -nachzumachen, damit man eventuell damit auf die Spur des Schreibers -kommen könnte; aber dein Vater will ja nicht, daß die Sache verfolgt -wird.« Papa hat nämlich den Brief zerrissen, das machte er immer so mit -anonymen Zuschriften. Es ist ja unfaßlich, daß mir dies passieren -konnte! Ich wußte, daß Lju anfangs mit dem Plan umging, herauszukriegen, -wer den Brief geschrieben hat, und wußte auch, daß er sich viel mit -Graphologie beschäftigt! Allerdings, sowie ich seine Stimme hörte und -ihn sah, kam mir meine Aufregung schon gleich kindisch vor. Am liebsten -hätte ich hernach zu Lju gesagt, wie es gewesen ist, aber ich weiß nicht -warum, ich brachte es nicht über die Lippen. Er ist vollkommen -ahnungslos und freut sich über seinen Erfolg; es ist ja auch eine -kolossale Leistung, eine Schrift aus dem Gedächtnis so täuschend -nachzuahmen. - -Ich erkläre mir meine Dummheit damit, daß die Geschichte mit dem -Drohbrief einen doch ein bißchen nervös gemacht hat. Wenn Papa anders -wäre, würde man sich, glaube ich, tatsächlich ängstigen; aber er hat -eine solche Sicherheit, daß man es für unmöglich hält, ihm könnte etwas -zustoßen. Schließlich erlebt man doch auch solche Schauergeschichten -nicht in Wirklichkeit, das ist höchstens Reiselektüre. Attentate sind ja -allerdings oft vorgekommen. Aber Papa sagt, er wäre im allgemeinen gar -nicht so verhaßt, und die Angehörigen der Studenten wären gebildete -Leute, unter denen keine Mörder zu suchen wären. Dieser letzte Drohbrief -sollte ihn doch nur einschüchtern, das wäre klar, und übrigens könnte -man auch plötzlich krank werden und sterben, dem Tode wäre man immer -ausgesetzt, man müßte dergleichen nicht beachten. Manchmal frage ich -mich, ob die Furchtlosigkeit ein Vorzug oder ein Mangel an Papa ist; -vielleicht hat er einfach gar keine Phantasie. - -Er ist jetzt ganz besonders gut aufgelegt. Seine Scharteke ist -entzweigegangen und er klütert stundenlang mit Lju daran herum, um -herauszukriegen, woran es liegt. Lju betreibt die Sache auch mit Eifer -und Ernst, es ist mir nicht klar geworden, ob er es tut, um Papa ein -Vergnügen zu machen oder weil es ihn wirklich auch interessiert. - -Herrgott, ich will froh sein, wenn wir erst in Paris sind; helfen oder -ändern kann ich hier doch nichts. Erzähle Katja nichts von meiner -Geschichte mit Lju. Papa sagt, in Deutschland könnte man sehr gut -zweiter Klasse fahren. Vater, wie du willst, wenn wir nur überhaupt -reisen. - - Welja. - - - - - Jessika an Katja - - - Kremskoje, 10. Juli. - -Katja, Du sollst auf gar keinen Fall kommen, hörst Du! Wenn Du nur noch -nicht fort bist! Denke Dir, gestern ist das Väterchen plötzlich -furchtbar krank geworden. Er hatte Krämpfe und wand sich und wurde blau -im Gesicht, es war einfach schrecklich. Zuerst sagte Welja, er wäre -betrunken, aber das merkte man bald, daß es etwas andres war, und die -Mädchen sagten, er hätte die Cholera, und stellten sich unbeschreiblich -an, keine wollte bei ihm bleiben. Lju nahm alles in die Hand, er sagte, -Cholera könnte es nicht sein, das hätte andre Symptome, es wäre -wahrscheinlich ein typhöses Fieber mit irgendwelchen Komplikationen. Er -verordnete allerlei und blieb bei Iwan, obgleich Papa und Mama es nicht -leiden wollten, weil sie meinten, es könnte ansteckend sein; aber er -sagte, erstens glaubte er das nicht und außerdem fürchtete er sich gar -nicht davor und wäre deshalb auch nicht empfänglich. Iwan starrte ihn -immer ganz erschrocken an, wenn er zu sich kam, ich glaube, er hatte ihn -ungern bei sich, aber er wagte es nicht zu sagen. Als der Arzt kam, -sagte er, alles, was Lju angeordnet hätte, wäre angemessen, er würde -auch nichts andres gemacht haben und er glaubte auch, daß es -Unterleibstyphus wäre. Papa und Mama wollen durchaus nicht, daß Du -kommst, wegen der Ansteckung. Wir wären nun einmal da, das wäre nicht zu -ändern, Du solltest Dich aber nicht mutwillig der Gefahr aussetzen. Ich -finde, sie haben ganz recht, helfen kannst Du doch nicht, und Mama würde -sich ängstigen, selbst wenn es mit der Ansteckung gar nicht so schlimm -ist. Zunächst kann Iwan noch nicht in die Stadt transportiert werden, -weil er zu krank ist. Das arme Väterchen! Welja sagt immer, es wäre zu -schade um ihn, der Wein schmeckte ihm so gut, ja, mit Branntwein war er -schon glücklich. - -Ich sehe Dich nun gewiß auch nicht mehr vor der Reise, mein -Glühwürmchen! Aber ich komme nicht dazu, Dich zu vermissen, so viel ist -jetzt zu tun! - - Deine Jessika. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 10. Juli. - -Lieber Konstantin! Ich habe die Schreibmaschine abgeschickt. Es bleibt -also dabei, daß die Explosion durch Druck auf den Buchstaben _J_ zur -Entladung kommt. Da wir uns auf einen Buchstaben einigen müssen, soll es -der sein, mit dem der Vorname des Gouverneurs beginnt; es ist -ausgeschlossen, daß er einen Brief schreibt, ohne ihn zu benutzen. -Zunächst liegt nun die Verantwortung auf Dir. Ich bin froh, auf kurze -Zeit davon frei zu sein, denn ich fühle mich krank. Es liegt mir ein -Fieber in den Knochen, am liebsten würde ich mich zu Bett legen, ich -glaube aber, daß ich das Entstehen einer Krankheit am ersten durch -Widerstand verhindern kann. Es ist mir schon einmal gelungen. Der -Kutscher Iwan hat den Unterleibstyphus in hohem Grade, er ist noch in -Lebensgefahr; und weil hier Schrecken und Ratlosigkeit herrschte, denn -die Dienstleute meinten, er hätte die Cholera, und ich einigermaßen -Bescheid mit solchen Sachen weiß, habe ich mich seiner angenommen. Der -Mann mag mich nicht leiden, er empfindet eine unklare Furcht oder -Abneigung gegen mich, ich denke mir, er spürt in der Art, wie Tiere das -können, die Gefahr, die seinem Herrn von mir droht. Ich habe eine -besondere Vorliebe für diese noch halb tierischen, im Unbewußten -lebenden Volksnaturen, es war mir eine ordentliche Freude, ihn zu -behandeln und zu beobachten. Vielleicht habe ich mich bei der Pflege -überanstrengt, da ich ohnehin angegriffen war. - -Sollte die Krankheit stärker als ich sein und sollte ich nach Petersburg -ins Spital geschafft werden, das wäre sehr schlimm. Denn ich muß -durchaus die Maschine selbst in Empfang nehmen und aufstellen. Ich kann -aber mit Sicherheit darauf rechnen, daß Herr und Frau von Rasimkara mich -im Hause behalten und bei sich verpflegen würden, selbst wenn ich mich -sträubte. Vor allen Dingen rechne ich auf meine gesunde Natur und auf -die Kraft meines Willens. Mauern einreißen wie Simson kann man wohl -nicht mehr, aber seinen Körper aufrechthalten, wenn er einstürzen -möchte, wenigstens für eine Weile. Auf alle Fälle erwarte noch ein -Zeichen von mir, ehe Du handelst. - - Lju. - - - - - Lusinja an Tatjana - - - Kremskoje, 12. Juli. - -Liebste Tatjana! Wie sehr schnell wandelt sich doch das Antlitz aller -irdischen Dinge, wirklich schneller als der bewölkte Himmel; das ist -auch so ein Gemeinplatz, der uns plötzlich wie eine Offenbarung -vorkommt, wenn wir seine Wahrheit erleben. Unserm guten alten Iwan -scheint es besser gehen zu wollen; wenigstens meint der Arzt, daß, wenn -die Krankheit zum Ende führte, schon eine erhebliche Verschlimmerung -eingetreten wäre. Du weißt, wie eng wir mit unsern Leuten verbunden -sind; andre zu haben, wäre für uns geradeso traurig, wie in ein andres -Haus zu ziehen. Einen Menschen in Lebensgefahr, gewissermaßen sterben zu -sehen, ist für mich überhaupt ein schreckliches Leiden; es wird mir dann -auf einmal klar, daß dies unser aller Los ist, daß die schwarze Kugel -ebensogut mich hätte treffen können und mich morgen vielleicht trifft -oder übermorgen vielleicht, daß sie eines Tages mich unabwendbar treffen -muß. Dann kann mich eine Angst erfassen, eine Angst, die tausendmal -schlimmer als der Tod ist. Ja, an Iwan scheint es diesmal -vorübergegangen zu sein. Aber gestern abend mußte sich Lju hinlegen. Er -hat doch Iwan so gut gepflegt und sich der Ansteckung ausgesetzt, als ob -es etwas Selbstverständliches wäre. Wir bewunderten ihn um so mehr, als -Iwan ihn niemals hat leiden mögen und kein Hehl daraus gemacht hat. -Vorgestern war er schon nicht wie sonst; aber wenn ich ihn fragte, -behauptete er, vollständig wohl zu sein. Gestern mittag sah er -fieberhaft aus. Jegor, der natürlich nichts merkte, sprach davon, daß er -seine Schreibmaschine vermißte, an die er sich so gewöhnt hätte, und daß -er hoffe, sie käme bald wieder. Da sagte Lju: »Ach, sagen Sie das nicht! -Mir wäre es lieber, wenn sie noch recht lange ausbliebe!« Ich habe mal -von einem berühmten Schauspieler gelesen, der sich zuweilen vor der -Aufführung berauschte und so haltlos war, daß man für unmöglich hielt, -er könnte spielen; wenn er aber auftreten mußte, nahm er sich mit -dämonischer Willenskraft zusammen und spielte hinreißend, nur selten -ließ diese Kraft etwas nach, so daß sein Zustand zum Durchbruch kam. -Weißt Du, daran erinnerte er mich in dem Augenblick; er war immer nahe -daran, zu phantasieren. Ich stellte ihm eindringlich vor, daß er Fieber -hätte und daß er sich hinlegen müßte, er gab es auch zu, behauptete -aber, Bewegung wäre für ihn in solchen Fällen das Beste, er wollte einen -Ausflug auf dem Rade machen. Es war ihm nicht auszureden, er fuhr fort -und kam nach drei Stunden ganz in Schweiß und vollständig erschöpft -zurück. Dann hat er sich zu Bett gelegt, ohne etwas zu sich zu nehmen. -Heute ist er vollständig ermattet liegen geblieben, aber das Fieber -scheint wirklich gebrochen zu sein. Der Arzt, der Iwans wegen kam, -sagte, solche Kuren könnten tatsächlich zuweilen glücken, aber er würde -sie niemand vorschreiben, es wäre nicht jedermanns Sache. Ein -außerordentlicher Mensch ist Lju, er fesselt einen immer wieder aufs -neue. - -Liebe Tatjana, wenn wir nur erst allein sind! Ich pflege gern Kranke, -und es ist mir ordentlich lieb, daß ich etwas für Lju tun kann -- es ist -nur sehr wenig, eigentlich pflegen kann man ihn gar nicht, er ist ein -Mensch, der nur geben kann, zum Empfangen fehlt ihm das Organ -- ja, -aber ich hatte mich nun einmal auf das Alleinsein mit Jegor gefreut, und -alles Unerwartete, was jetzt geschieht, kommt mir wie ein tückisches -Hemmnis vor, das sich zwischen uns und die ersehnten Ferientage schiebt. -Welja und Jessika wären schon heute zu Dir gekommen, aber sie wollten -durchaus nicht abreisen, bevor sich entschieden hätte, ob Lju ernstlich -krank würde. Gott sei Dank, daß diese Gefahr vorübergegangen ist -- wie -würde das in Jessikas weichem Herzen die Liebe gesteigert haben! Iwan -wird, sowie er transportfähig ist, ins Spital geschafft werden, und bis -er hergestellt ist, wird ein verläßlicher Mann, den wir schon mehrmals -zur Aushilfe hatten, an seine Stelle treten. Ich dachte daran, mit Jegor -in die Stadt zu kommen, um die Kinder abreisen zu sehen; er sagt aber, -da er eigens Urlaub genommen hätte, um seiner Gesundheit wegen einen -Landaufenthalt zu nehmen, möchte er sich lieber nicht in Petersburg -sehen lassen, es könnte mißdeutet werden. Er meint auch, der Abschied -würde mir dort viel mehr zum Bewußtsein kommen, ich würde mich sehr -aufregen, weinen und so weiter. Ja, weinen werde ich wohl doch. Ein Jahr -werden sie sicher fortbleiben, wenn nicht noch länger, sonst hat es kaum -Zweck. Ein ganzes Jahr ohne die beiden Kinder! Wenn ich nicht Jegor -gerade jetzt so für mich hätte --! Und dann bin ich auch nicht mehr so -jung, daß ein Jahr mir lang schiene; es sind nur zwölfmaldreißig Tage, -ach, es ist eigentlich nur ein Atemzug! Wie froh bin ich, daß Peter -mitgeht; ich will den Kindern auftragen, daß sie ihm folgen. - - Deine Lusinja. - - - - - Welja an Katja - - - Kremskoje, 12. Juli. - -Mein kleiner Trompetenstoß, Du kannst losschmettern, denn morgen reise -ich. Solltest Du kontra schmettern, so schadet es nichts, weil ich es -nicht höre, es würde Dir also auch nichts helfen. Wir können Papa und -Mama jetzt keine größere Wohltat erweisen, als daß wir abreisen. Es hat -bereits eine Notiz in den Blättern gestanden über die »rote -Universität«. Etwas Schlimmes kann den Leuten nicht passieren, als -höchstens, daß die Kurse aufgehoben werden, aber Papa ist es natürlich -lieb, wenn wir nicht dabei sind. Väterchen lebt noch, er hat heute -bereits nach einem Tropfen Schnaps verlangt, also scheint er mir in der -Genesung begriffen zu sein. Da ich ihm nicht Ade sagen soll, der -Ansteckung wegen, habe ich ihm ein Abschiedsgedicht gemacht. Es fängt -an: - - Schon fünf Tage sind hinabgesunken, - Seit sich Väterchen zuletzt betrunken. - -Und endet: - - Soll ich Dir die treue Hand nicht reichen, - Ohne Abschiedskuß ins Ausland weichen, - Wünsch' ich unter Tränen Dir hienieden - Gute Besserung oder ruh in Frieden. - -Ich habe es Lju vorgelesen, der noch zu Bett liegt, er konnte gar nicht -aufhören zu lachen, obgleich er wirklich sehr schwach ist. Er sagte, er -wäre überzeugt, Iwan würde mich für den größten Dichter Rußlands und das -Gedicht für die Ausgeburt aller Poesie halten, und er beneidete die -Menschen, die noch durch den bloßen Rhythmus und den simpeln Reim in -einen seelischen Rausch geraten können. Lju möchte gern mit uns nach -Petersburg fahren, er fürchtet aber, er würde noch zu schwach sein, und -Mama wird ihn auch gar nicht gehen lassen. Du wirst ihn also nicht mehr -sehen. Jessika ist ein dummer kleiner Wurm mit ihrer Liebe, trotzdem -empfehle ich Dir, süßes Spätzchen, zart mit ihr umzugehen, nicht zu -zetern, nicht zu picken. Sie ist gerade wie ein Tautropfen, der in der -Sonne schön wie ein Edelstein funkelt und beweglich lebendig ist und, -wenn die Sonne fortgeht, glanzlos wird und versiegt. Dies schreibe ich, -damit Du siehst, daß ich mich auch echt dichterisch ausdrücken kann. Hör -mal, Peter soll für Zigarren und Zigaretten unterwegs sorgen, der hat -gern Aufgaben zu erfüllen. - - Welja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 13. Juli. - -Lieber Konstantin! Du hast mir nicht geschrieben, damit, wenn ich -todkrank oder tot wäre, der Brief nicht in unrechte Hände geriete. Jetzt -ist die Gefahr vorüber. Wenn Du keine weitere Nachricht von mir -erhältst, laß die Schreibmaschine am 16. abgehen; melde es mir -gleichzeitig. Die Krankheit ist endgültig gebrochen, aber ich bin noch -sehr erschöpft, so erschöpft, daß ich gern noch ein paar Tage lang im -Bett liegen würde, ohne zu denken, ohne andre Bilder in meinem Gehirn -als das der dunkeln Frau und des blonden Mädchens, die von Zeit zu Zeit -durch mein Zimmer gleiten, sich über mich beugen und mit sanfter Stimme -freundlich zu mir sprechen, oder das der Tannen und Birken, die ich -durch das offene Fenster sehen kann. Wird es einmal Menschen geben, die -ohne Qual, ohne den göttlich-fluchwürdigen Stachel der Seele im -Anschauen der Schönheit verharren können? - -Welja und Jessika reisen morgen nach Petersburg, Jessika bleibt bei -ihrer Tante. Wenn ich sie wiedersehe, wird sie ein schwarzes Kleid -tragen. Diese Nacht, als ich den Mond, leuchtend bleich, von dunkelm -Gewölk umgeben sah, mußte ich an ihren blonden Kopf über dem schwarzen -Kleide denken. Ach, das ist das wenigste. Sie wird wieder rosige Wangen -bekommen und lächeln und weiße Kleider tragen. Daß alles verdammt ist zu -vergehen, indem es entsteht, das ist die einzige Tragik des Lebens; weil -es das Wesen des Lebens ist, weil dies so geartete Leben das einzige -ist, das jemals unser sein kann. Ich erwarte Deine Nachricht. - - Lju. - - - - - Lusinja an Katja - - - 14. Juli. - -Mein Jüngstes! Heute reisen Welja und Jessika ab. Sie haben noch einen -Tag auf Lju gewartet, ihm zuletzt aber selbst davon abgeredet, die -Anstrengung des Reisens heute schon auf sich zu nehmen. Er ist -aufgestanden, aber noch schwach. Etwa drei Tage wird er gewiß noch -hierbleiben, also wirst Du ihn auf keinen Fall mehr sehen, wenn Ihr -übermorgen fahrt. Jessika hat tapfer mit ihren Gefühlen gekämpft, ich -hätte ihr so viel Selbstüberwindung nicht zugetraut. Heute war sie schon -in aller Frühe im Garten und pflückte Körbe voll Rosen, mit denen sie -das ganze Haus geschmückt hat. »Ich finde, es ist wie ein -Hochzeitshaus,« sagte sie. Dann sagte sie: »Mama, wir müssen euch doch -eigentlich recht im Wege gewesen sein, als wir gleich so nacheinander -anrückten?« Ich sagte: »Ja, wenn wir nicht selbst schuld gewesen wären, -hätten wir uns vielleicht ein bißchen geärgert.« Dein Bruder Welja, der -dazukam, sagte: »Gott, was denkst du, sie hätten sich schrecklich -gelangweilt ohne uns.« Jessika entrüstet: »Anmaßender Junge! Du mit -deiner Faulheit hast vor dem zweiten Jahre nicht gesprochen und vor dem -zehnten keinen Witz gemacht.« Nun, Du kannst Dir denken, wie zierlich -sie einander ankläfften. Und dazu das kleine Gesicht, so still und blaß -unter dem alten Kinderlachen. Gebt ihr noch recht viel Liebe an dem -letzten Tage, hörst Du, Herzblatt? Und kränke sie nicht dadurch, daß Du -etwas gegen Lju sagst. Du bist ein viel zu junges und törichtes -Glühwürmchen, als daß Du ihn richtig beurteilen könntest. Er ist -jedenfalls ein bedeutender Mensch, und vor bedeutenden Menschen muß man -die Achtung haben, daß man zunächst das Beste von ihnen denkt und im -Zweifelsfalle mit seinem Urteil zurückhält. - -Was den Chauffeur anbelangt, den Tante Tatjana anstatt des alten -Aushilfsdieners zu nehmen vorschlägt, so kann sich Papa nicht dazu -entschließen, obwohl er zugibt, daß es vielleicht angenehmer für uns -wäre. Er sagt, einen ganz fremden Menschen will er nicht ins Haus -nehmen. Es käme nicht selten vor, daß die revolutionäre Partei auf diese -Art ihre Leute in die Häuser einschmuggelte, um durch sie private -Verhältnisse auszukundschaften oder sich mit der Dienerschaft in -Verbindung zu setzen. Er möchte nicht gern ein zweideutiges Element -zwischen unsre so treuen und zuverlässigen Dienstboten bringen. Da Papa -von jeder Aengstlichkeit frei ist, wird diese Vorsicht wohl berechtigt -sein. Wir bleiben also bei dem alten Kyrill, mehr als Iwan trinkt er -auch nicht, und Papa sagt, Trunkenbolde hätten die treuesten Herzen. - -Ich umarme Dich, Du geliebtes Kind! Habt Euch recht lieb, alle drei, und -zankt Euch nicht auf der Reise, Du und Welja. Nennt Euch auch nicht Kalb -oder Molch oder Spatzengehirn -- das letzte geht allenfalls noch --, aus -dem Scherz könnte einmal Ernst werden, und überhaupt ist es eine -häßliche Gewohnheit, die bei Menschen, die Euch nicht kennen, Anstoß -erregen kann. Gib auch acht auf Welja, als ob Du die Aeltere wärest, -aber ohne es ihn merken zu lassen; um ihn sorge ich mich mehr als um -Dich, Du, mein Liebling, wirst schon das Rechte tun und etwas Rechtes -werden. - -Also bin ich nun eine kinderlose Frau! In meinem Herzen habe ich Euch -aber, ganz fest, da seid Ihr noch klein und habt es gern, in einem -winzigen Raum geschlossen dicht bei Eurer Mama zu sitzen. - - Lebe wohl! - - - - - Welja und Katja an Jegor - - - Petersburg, 16. Juli. - -Lieber Papa! Als Katja in Mamas Brief Deinen Ausspruch gelesen hatte, -Trunkenbolde hätten die treuesten Herzen, trompetete sie los: »Seht ihr, -Lju ist kein Trinker! Er trank Wein nur wegen der schönen Farbe und des -Aromas!« Es wird sich nun gewiß verbreiten, Du hättest Lju entlassen, -weil er sich niemals betrunken hätte, Du wirst ein Liebling des Volkes -werden, und eine Horde taumelnder Kosaken wird Dich als freiwillige -Schutzgarde beständig umgeben. Wir haben gestern abend Tante Tatjana -überzeugt, daß sie uns zum Abschiedsessen sehr feinen Wein vorsetzte, -und Peter, der gerade im Begriff war, in einen Abstinenzverein -einzutreten, hat das deshalb bis zu unsrer Rückkehr verschoben. - -Lieber Papa! Welja schreibt doch nur Dummheiten. Es ist nicht möglich, -mit ihm zu leben, ohne zuweilen Kalb oder Molch zu sagen. Mama, Du -hättest ihn von vornherein besser erziehen sollen. Mit dem Trinken hast -Du ganz recht, Papa, es war eine abgeschmackte Idee von Peter, in einen -Abstinenzverein eintreten zu wollen. Warum soll man nicht trinken, wenn -es einem schmeckt? Zu dumm! Jessika sagt, um Euch brauchte man sich -keine Gedanken zu machen, Ihr sähet beide jung und glücklich aus. So -wollen wir Euch uns unterwegs vorstellen. Mit Jessika bin ich sehr nett, -aber ein Schaf ist sie doch. Da fährt unser Wagen vor! Morgen um diese -Zeit sind wir schon über die Grenze. Unterwegs schreibe ich Dir einen -richtigen langen Brief, süße Mama. - - Katja. - - - - - Lju an Konstantin - - - Kremskoje, 17. Juli. - -Lieber Konstantin! Ich fahre morgen in der Frühe ab. Ich nehme das -Automobil nach Petersburg. Von da fahre ich zu meinem Vater. Ich nehme -an, daß die Schreibmaschine heute abend kommt. Es wäre mir nicht lieb, -wenn sie früher käme, weil der Gouverneur dann wahrscheinlich sofort zu -schreiben verlangen würde. Die beiden Menschen freuen sich auf ihr -Alleinsein wie glückliche Kinder. Sie wissen selbst nicht, was sie -eigentlich erwarten -- ach, mein Gott, was erwartet man überhaupt, wenn -man einem Augenblick der Liebesaufwallung entgegensieht? Was findet man? - -Daß jemand anders vor dem Gouverneur die Maschine benutzt, das einzige, -was meinen Plan zerstören könnte, halte ich für ausgeschlossen. Die -Dienstmädchen getrauen sich aus Angst vor dem Gouverneur nicht, sie -anzurühren, besonders seit sie einmal entzweigegangen ist. Er hat ihnen -einmal sogar verboten, sie abzustauben, er wolle das selbst tun. Auch -wird er sie sehr bald in Gebrauch nehmen, einige Briefe hat er immer zu -schreiben, auch wird er sie nach der Reparatur probieren wollen. Ein Tag -wird nicht darüber hingehen. Vermutlich wird er an die Kinder schreiben. -Sie -- seine Frau -- was wird aus ihr werden? Das beste wäre für sie, -wenn sie an seiner Seite wäre. Sie ist es ja fast immer. Wenn ich das -nächstemal nach Petersburg komme, möchte ich Dich sehen. Zunächst -brauche ich Ruhe. - - Lju. - - - - - Lusinja an Jessika - - - Kremskoje, 17. Juli. - -Jessika, mein Blümchen, Deine schönen Rosen sind nun welk, noch ehe die -Freude des Alleinseins angefangen hat. Der Garten ist aber voll neuer. -Lju reist morgen in aller Frühe ab, er hat sich schon verabschiedet, -weil er früher fährt, als wir aufgestanden sein werden. Vorhin, als wir -von einem Spaziergang zurückkamen, stand ein Mann an der Gartentür. Ich -sah ihn erst, als wir ganz nahe bei ihm waren, und fuhr unwillkürlich -zusammen. Lju lachte und sagte: »Es ist gewiß wieder der Paketbote mit -der Schreibmaschine.« Und wirklich, er war es. Ich sah ihn ganz entsetzt -und bewundernd an, und da lachte er wieder und Papa auch; es war nämlich -ganz natürlich, daß er es erriet, weil sie eigentlich schon mit der -ersten Post erwartet wurde. Denke Dir, Papa fiel gar nicht über die -Kiste her, sondern ließ Lju auspacken und sitzt jetzt noch bei mir und -spielt so schön Klavier, wie sonst niemand auf der Welt spielt. -Vielleicht duftet zur selben Zeit die Lindenblüte Deiner Stimme an Tante -Tatjanas Flügel. Du weißt doch, daß Lju gesagt hat, Dein Gesang wäre so -zart, daß man nicht sagen könnte, er klänge; er duftete. Es ist mir -gerade, als hörte ich Dich, meine kleine Holdseligkeit. - -Lju sah mich wieder mit einem unergründlichen Blick an, als er mir -Lebewohl sagte; ich freue mich, daß ich diesem Blick morgen nicht mehr -begegnen werde. Aber sei ganz ruhig, ich habe ihm ein allerliebstes -Futterkörbchen für die Reise zurechtgemacht und will ihm sehr wohl. Wenn -er nicht nachtwandelte, wäre ich seine unbedingte Freundin. Denke Dir, -Väterchen hat zuletzt noch die Anwandlung bekommen, außer sich zu sein, -daß Lju fortginge, bevor er wieder auf den Beinen wäre; er wäre jetzt -krank und hinfällig und zählte nicht, und ein Mann müßte doch im Hause -sein. Da hat Papa wütend gesagt: »Bin ich denn ein Klapperstorch?« -Darüber hat Iwan erst geweint, und dann hat er gesagt, er hätte Papa -noch nie für einen Klapperstorch gehalten, aber er sollte doch gerade -beschützt werden, und sich selber beschützen könnte man nicht, so wenig -wie man sich selbst den Rücken waschen könnte. Papa fragte Mariuschka, -die uns dies berichtete: »Wer wäscht ihm denn seinen? Du?« Was sie -entrüstet verneinte; also ist das im Dunkeln geblieben. - -Gute Nacht, Liebling. Wann werde ich Dir einmal Dein Haar mit Rosen -schmücken? Wer weiß wie bald! Das Schöne kommt unverhofft über Nacht. - - Deine Mama. - - - - - Jegor an Welja und Katja - - - Kremskoje, 18. Juli. - -Nun ihr beiden kleinen Kinder, was für ein Unsinn ist das mit dem -Trinken? Was soll ich gesagt haben? Gebildete Menschen müssen Maß -halten, das ist selbstverständlich. Wenn ein russischer Bauer nicht -trinkt, kann man auf Theorien und Berechnung schließen, auf den Hang zu -irgendeiner Vervollkommnung, und wo der tierische Trieb einmal gebrochen -ist, da tritt zunächst nichts Gutes an die Stelle. So; ihr habt mäßig zu -sein, weil ihr für gebildete Menschen gelten wollt. Unser Schutzengel -ist abgereist, ich habe augenblicklich keinen andern als Eure Mutter, -unter deren Flügeln ich mich am wohlsten befinde. Eben tritt sie hinter -meinen Stuhl, legt den Arm um mich und tut die nicht mehr neue, aber -immer wieder gern gehörte Frage: »Warum bist du so blaß, J......« - - - - - * * * * * * - - - - -Anmerkungen zur Transkription - - -Die Schreibweise der Buchvorlage wurde weitgehend beibehalten. -Offensichtliche Fehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt -(vorher/nachher): - - [S. 52]: - ... Zum Glück sprang Lju ein und sagt er wäre ... - ... Zum Glück sprang Lju ein und sagte, er wäre ... - - [S. 89]: - ... wenigstens auf Jessika. Es ist auch zu toll, daß ... - ... wenigstens auf Jessika auf. Es ist auch zu toll, daß ... - - [S. 144]: - ... ihnen denkt und im Zweifelfalle mit seinem Urteil ... - ... ihnen denkt und im Zweifelsfalle mit seinem Urteil ... - - [S. 145]: - ... Ihr noch klein und habt es gern, in einen winzigen ... - ... Ihr noch klein und habt es gern, in einem winzigen ... - - - -***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER LETZTE SOMMER*** - - -******* This file should be named 55578-8.txt or 55578-8.zip ******* - - -This and all associated files of various formats will be found in: -http://www.gutenberg.org/dirs/5/5/5/7/55578 - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. 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You may copy it, give it away or re-use it -under the terms of the Project Gutenberg License included with this -eBook or online at <a -href="http://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you are not -located in the United States, you'll have to check the laws of the -country where you are located before using this ebook.</p> -<p>Title: Der letzte Sommer</p> -<p> Eine Erzählung in Briefen</p> -<p>Author: Ricarda Huch</p> -<p>Release Date: September 18, 2017 [eBook #55578]</p> -<p>Language: German</p> -<p>Character set encoding: ISO-8859-1</p> -<p>***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER LETZTE SOMMER***</p> -<p> </p> -<h4>E-text prepared by Jens Sadowski<br /> - and the Online Distributed Proofreading Team<br /> - (<a href="http://www.pgdp.net">http://www.pgdp.net</a>)<br /> - from page images generously made available by<br /> - Internet Archive<br /> - (<a href="https://archive.org">https://archive.org</a>)</h4> -<p> </p> -<table border="0" style="background-color: #ccccff;margin: 0 auto;" cellpadding="10"> - <tr> - <td valign="top"> - Note: - </td> - <td> - Images of the original pages are available through - Internet Archive. See - <a href="https://archive.org/details/derletztesommere00huch"> - https://archive.org/details/derletztesommere00huch</a> - </td> - </tr> -</table> -<p> </p> -<hr class="full" /> -<p> </p> -<p> </p> -<p> </p> - -<div class="frontmatter"> -<p class="halftitle"> -Der letzte Sommer -</p> - -</div> - -<div class="ads"> -<p class="hdr"> -Von Ricarda Huch erschienen früher im gleichen -Verlage: -</p> - -<p class="book"> -<em>Von den Königen und der Krone.</em><br /> -Roman. 5. Auflage. -</p> - -<p class="price"> -Geh. M 4.—, geb. M 5.— -</p> - -<p class="book"> -<em>Seifenblasen.</em> Drei scherzhafte Erzählungen.<br /> -3. Auflage. -</p> - -<p class="price"> -Geh. M 3.50, geb. M 4.50 -</p> - -<p class="book"> -<em>Die Verteidigung Roms.</em> Roman.<br /> -Der „Geschichten von Garibaldi“. I. Teil<br /> -6. Tausend. -</p> - -<p class="price"> -Geh. M 5.—, geb. M 6.— -</p> - -<p class="book"> -<em>Der Kampf um Rom.</em> Roman.<br /> -Der „Geschichten von Garibaldi“. II. Teil<br /> -4. Auflage. -</p> - -<p class="price"> -Geh. M 5.—, geb. M 6.— -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter"> -<h1 class="title"> -Der letzte Sommer -</h1> - -<p class="aut"> -<span class="line1">Eine Erzählung in Briefen</span><br /> -<span class="line2">von</span><br /> -<span class="line3">Ricarda Huch</span> -</p> - -<p class="run"> -Vierte Auflage -</p> - -<div class="centerpic logo"> -<img src="images/logo.jpg" alt="" /></div> - -<p class="pub"> -<span class="line1">Stuttgart und Leipzig</span><br /> -<span class="line2">Deutsche Verlags-Anstalt</span><br /> -<span class="line3">1910</span> -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter"> -<p class="cop"> -Alle Rechte,<br /> -insbesondere das Recht der Uebersetzung in andere Sprachen, vorbehalten<br /> -Nachdruck wird gerichtlich verfolgt -</p> - -<p class="printer"> -Druck der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart<br /> -Papier von der Papierfabrik Salach in Salach, Württemberg -</p> - -</div> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-1"> -<a id="page-5" class="pagenum" title="5"></a> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 5. Mai 19.. -</p> - -<p class="dropart"> -<span class="firstchar"><img src="images/drop_l.jpg" alt="L" /><span class="hidden">L</span></span><span class="postfirstchar">ieber</span> Konstantin! Ich habe mein Amt angetreten -und will Dir berichten, wie sich mir -die Lage darstellt. Daß mir gelingen wird, was -ich vorhabe, bezweifle ich nicht, es scheint sogar, -daß die Umstände günstiger sind, als man voraussetzen -konnte. Meine Persönlichkeit wirkt in der ganzen -Familie des Gouverneurs sympathisch, von Argwohn -ist keine Rede; dies ist im Grunde natürlich, -nur wir Wissende konnten das Gegenteil -befürchten. Wenn der Gouverneur Erkundigungen -über mich eingezogen hat, so konnten diese mir -nicht schaden; meine Zeugnisse von der Kinderschule -an bis zur Universität sind glänzend, und -das einzige, was zu meinem Nachteil sprechen -könnte, daß ich mich mit meinem Vater überworfen -habe, wird dadurch entkräftet, daß sein -herrschsüchtiger und verschrobener Charakter allgemein -bekannt ist. Ich glaube aber eher, daß -er es nicht getan hat; der Mann ist so ganz -<a id="page-6" class="pagenum" title="6"></a> -ohne Mißtrauen, daß es in seiner Lage an Einfalt -grenzen würde, wenn es nicht mehr mit seiner -Furchtlosigkeit und seiner unrichtigen Beurteilung -der Menschen zusammenhinge. Außerdem scheint -meine Anstellung durchaus ein Werk seiner Frau -zu sein, die, von Natur ängstlich, seit sie den -Drohbrief erhalten hat, nichts andres mehr denkt, -als wie sie das Leben ihres Mannes schützen -kann. Mißtrauen liegt auch in ihrer Natur nicht; -während sie in jedem Winkel unmögliche Gefahren -wittert, könnte sie dem Mörder einen Löffel Suppe -anbieten, wenn es ihr so vorkäme, als ob der -arme Mann nichts Warmes im Leibe hätte. -</p> - -<p> -Sie erzählte mir, daß eben der von Dir verfaßte -Brief sie auf den Gedanken gebracht hätte, -einen jungen Mann zu suchen, der unter dem -Vorwande, ihres Mannes Sekretär zu sein, seine -Person vor etwaigen Anschlägen beschützte, ohne -daß er selbst es bemerkte. Es sei ihr jedoch nicht -möglich gewesen, weder ihre Angst noch ihren -Plan vor ihrem Manne geheimzuhalten, und auf -ihr inständiges Bitten und um Ruhe vor ihr zu -haben, sei er endlich darauf eingegangen, teils -auch, weil er seit kurzem eine Art Nervenschmerz -am rechten Arm habe, der ihm das Schreiben -<a id="page-7" class="pagenum" title="7"></a> -erschwere. Er habe aber die Bedingung gestellt, -daß er wenigstens des Nachts unter dem alleinigen -Schutze seiner Frau bleiben dürfe. Sie lachten -beide, und er setzte hinzu, seine Frau verstehe sich -so ausgezeichnet auf die Befestigung der Schlafzimmer, -daß er sich dreist ihr anvertrauen dürfe; -sie gehe nie zu Bett, ohne vorher alle Schränke -und besonders die Vorhänge untersucht zu haben, -die sie für Schlupfwinkel von Verbrechern hielte. -Natürlich, sagte sie lebhaft, vorsichtig müsse man -doch sein, ängstlich sei sie durchaus nicht, sie lasse -sogar nachts die Fenster offen, weil sie eine -Freundin der frischen Luft sei, gehe allerdings -mit dem Gedanken um, Gitter machen zu lassen, -die man davor setzen könne; denn da die Haustüre -verschlossen wäre, bliebe doch den Leuten, die -Böses vorhätten, nichts andres übrig, als durchs -Fenster einzusteigen. Indessen, sagte sie, habe sie -schon jetzt das Gefühl, daß sie sich weniger -Gedanken machen würde, nun ich da wäre. Ihr -Gesicht hatte etwas ungemein Gewinnendes bei -diesen Worten. Ich sagte: „Das hoffe ich. Ich -würde jede Sorge, die Sie sich jetzt noch machten, -als einen Vorwurf gegen meine Berufstreue auffassen.“ -Während dieses Gespräches war der Sohn -<a id="page-8" class="pagenum" title="8"></a> -ins Zimmer gekommen; er sah mich mit einem -besorgten Blick an und sagte: „Fangen Sie heute -schon an?“, worüber wir alle so lachen mußten, -daß dadurch sofort ein vertraulicher Ton hergestellt -war. Dieser Sohn, er heißt Welja, ist -ein hübscher und sehr drolliger Junge, nicht viel -jünger als ich, spielt aber noch wie ein Kind von -fünf Jahren, nur daß das Spielzeug nicht mehr -ganz dasselbe ist. Studieren tut er die Rechte, -um einmal die diplomatische Laufbahn einzuschlagen; -man merkt aber nichts davon. Er ist klug und -ein moderner Mensch mit zahllosen unbeschnittenen -Trieben und unbegrenzter Empfänglichkeit; sein -Charakter ist, keinen zu haben, und dies macht -ihn vollkommen belanglos. Er sieht von jeder -Sache nur die Seite, an die sich ein Bonmot anknüpfen -läßt, dessen größter und unwiderstehlicher -Reiz in der verschlafenen Art besteht, wie er es -vorbringt. -</p> - -<p> -Außer dem Sohne sind zwei Töchter da, -Jessika und Katja, zwischen zwanzig und dreiundzwanzig -Jahren, blond, niedlich, einander ähnlich -wie Zwillinge. Sie waren gegen mich eingenommen, -weil sie die Furchtsamkeit ihrer Mutter albern -finden und weil sie fürchteten, in ihrer sommerlichen -<a id="page-9" class="pagenum" title="9"></a> -Zurückgezogenheit gestört zu werden; da -ihnen aber mein Aeußeres hübsch und stilvoll vorkommt, -und da Welja, der ihr Vorbild ist, sich -zu mir hingezogen fühlt, fangen sie an, sich mit -meiner Anwesenheit zu befreunden. Diese drei -Kinder erinnern mich, ich weiß nicht warum, an -kleine Kanarienvögel, die dicht zusammengedrängt -auf einer Stange sitzen und zwitschern. Ueberhaupt -hat die ganze Familie etwas kindlich Harmloses, -das mich und meine Aufgabe vor mir -selbst lächerlich machen könnte; aber ich kenne -die menschliche Seele gut genug, um zu wissen, -daß diesem Wesen maßloser Hochmut zugrunde -liegt. Haß, ja selbst Uebelwollen setzt doch eine -gewisse Nähe zu den Menschen voraus; diese -fühlen sich im Grunde allein in einer ihnen gehörenden -Welt. Alle andern haben nicht die Bedeutung -der Wirklichkeit und greifen nicht in ihren -Frieden ein. -</p> - -<p> -Die Dienerschaft besteht aus einem Kutscher, -Iwan, der trinkt, und den Welja Väterchen nennt, -und drei Mädchen; alles sind Leute altrussischer -Art, fühlen noch als Leibeigene, beten ihre Herrschaft -an und urteilen doch mit unbewußter Ueberlegenheit -über sie, weil sie dem Urquell noch näher -<a id="page-10" class="pagenum" title="10"></a> -sind. Liebe Wesen, die mir, wie Tiere, eine gewisse -Ehrfurcht einflößen. -</p> - -<p> -Dies sind meine ersten Eindrücke; Du hörst -bald mehr von mir. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-2"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 6. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Ich habe mich damit abgefunden, -daß ich während der ganzen Dauer von Papas -Urlaub hier auf dem Lande bleiben muß. Blödsinnige -Sache, dieser Schluß der Universität. Ich -hatte doch vollkommen recht, als ich Ruhe empfahl; -denn daß wir bei einem Kampfe den kürzeren -ziehen mußten, war vorauszusehen. Aber Du -mußtest natürlich wie eine geheizte Maschine ohne -Bremse drauflos, und es ist reiner Zufall, daß -Du nicht von meinem eignen Vater an den Galgen -gebracht wirst. Es ist durchaus keine Schande, -der Uebermacht nachzugeben, vielmehr Stumpfsinn -und Raserei, gegen sie anzugehen; ich leide an -keinem von beiden. Wenn mir die armen Kerls -nicht leid täten, die mit ihrem heiligen Eifer so -rettungslos hereingefallen sind, würde ich mich -mit der Geschichte ganz aussöhnen; den Sommer -<a id="page-11" class="pagenum" title="11"></a> -genießt man hier schließlich am besten, und aus -der Affäre mit der Lisabeth, die ich ein bißchen -unüberlegt angezettelt hatte, hätte ich mich nicht -so leicht loswickeln können, wenn ich in Petersburg -geblieben wäre. Wenn Papa und Mama -auch etwas rückständig sind, so haben sie doch -Verstand und Geschmack und sind zum täglichen -Umgang viel angenehmer als die rabiaten Köpfe, -mit denen Du Deine antediluvianische Dickhaut -zu umgeben liebst. Papa darf man zwar nicht -ernstlich widersprechen, wenn man seine Ruhe bei -Tisch haben will, aber Mama hört gelegentlich -eine rebellische Ansicht recht gern und frondiert -mit einer gewissen Verve gegen Papa, was ihm -auch in angemessenen Grenzen gut an ihr gefällt; -wenn er sich aber nachdrücklich räuspert oder die -Augenbrauen zusammenzieht, lenkt sie gleich ein, -schon um uns mit dem guten Beispiel der Unterordnung -voranzugehen. Uebrigens ist ja auch -Katja hier, es ist also nicht nur erträglich, sondern -positiv nett. -</p> - -<p> -Der Schutzengel ist angekommen. Mama ist -überzeugt, daß er das Talent hat, alle Gifte, -Waffen, Dynamitpatronen und sonstigen Unfälle -von Papa ab- und auf sich hinzulenken, und schätzt -<a id="page-12" class="pagenum" title="12"></a> -den begabten jungen Mann unendlich. Wir dachten, -es würde ein Mann mit breitem Vollbart, biederen -Fäusten und aufgeblasenen Redensarten ankommen; -anstatt dessen ist er schlank, glattrasiert, zurückhaltend, -eher ein englischer Typus. Mir sagte er, sein -Vater habe verlangt, daß er sich zu einer Professur -melde, er hat nämlich Philosophie studiert, aber -er wolle keinen Beruf und habe besonders einen -Widerwillen gegen die zünftigen Philosophen. Um -ihn zu zwingen, habe sein Vater ihm alle Geldmittel -entzogen, und deshalb habe er diese Stellung -angenommen, zu der er im Grunde wohl wenig -befähigt sei. Er sagte: „Ich glaube, ich kann -mich am ersten dadurch nützlich machen, daß ich -Ihre Frau Mutter ein wenig beruhige, und das -scheint mir gar nicht schwer zu sein. Sie hat die -liebenswürdige Eigenschaft, nicht zweifelsüchtig zu -sein, und wird mich gern für einen geborenen -Blitzableiter halten, wenn ich mir einigermaßen -Mühe gebe, einen solchen vorzustellen.“ Ich sagte: -„Wenn Sie sich nur nicht dabei langweilen.“ -Darüber lachte er und sagte: „Ich langweile mich -nie. Der Mensch befindet sich, wo er auch ist, -im Mittelpunkt eines Mysteriums. Aber auch -abgesehen davon: ich liebe das Landleben und -<a id="page-13" class="pagenum" title="13"></a> -gute Gesellschaft, für mich ist also gesorgt.“ Er -hat einen durchdringenden Blick, und ich bin überzeugt, -daß er uns alle schon ziemlich zutreffend -zerlegt und eingeteilt hat. Er selbst glaubt unergründlich -zu sein; ich halte ihn trotz seiner anscheinenden -Kälte für verwegen, sehr leidenschaftlich -und ehrgeizig. Es wäre schade, wenn er doch -noch einmal Professor würde. Man hat das -Gefühl, daß er mehr will und kann als andre -Menschen. Seine Ansichten werden wohl nicht -weniger revolutionär sein als unsre, aber er ist -bis jetzt ganz unpersönlich im Gespräch. Diese -Objektivität imponiert mir eigentlich am meisten, -besonders weil seine Unterhaltung trotzdem anregend -ist. Jessika und Katja sind dafür natürlich -sehr empfänglich, weswegen Du aber noch -nicht eifersüchtig zu werden brauchst, alter Saurier. -</p> - -<p class="sign"> -Dein Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-3"> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 7. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebe Tante! Da es tiefstes Geheimnis ist -und bleiben soll, daß Mama einen Sekretär für -Papa angestellt hat, dessen eigentliche Bestimmung -<a id="page-14" class="pagenum" title="14"></a> -ist, Papa vor den Bomben zu schützen, die ihm -angedroht sind, kann ich die Tatsache wohl als -bekannt voraussetzen. Vielleicht ist es auch besser, -wenn sie in den weitesten Kreisen verbreitet wird, -dann fangen die Anarchisten gar nicht erst an zu -werfen, wodurch unserm Schutzengel seine Arbeit -erleichtert wird. Du siehst, daß ich ihm wohl will, -und er verdient es schon deshalb, weil seine Anwesenheit -so günstig auf Mamas Stimmung einwirkt. -Am ersten Mittag fragte Mama ihn, was -er geträumt habe; der erste Traum an einem -neuen Aufenthalt sei bedeutungsvoll. Ich glaube, -er hatte gar nichts geträumt, aber er erzählte, -ohne sich zu besinnen, eine lange Geschichte, daß -er sich im Innern eines herrlichen Palastes befunden -habe und langsam von einem Raume zum -andern gegangen sei, und beschrieb alle ganz ausführlich. -Zuletzt sei er zu einem Gemach gekommen, -in dem es ganz dunkel gewesen sei und -auf dessen Schwelle ihn eine unerklärliche Bangigkeit -befallen habe; er habe gezögert, weiterzugehen, -dann sich zusammengenommen, dann wieder innegehalten -und sei dann unter Herzklopfen aufgewacht. -Mamas Augen wurden immer größer. -„Wie gut,“ sagte sie, „daß Sie nicht hereingegangen -<a id="page-15" class="pagenum" title="15"></a> -sind, es wäre gewiß etwas Schreckliches darin gewesen.“ -„Vielleicht eine Badewanne,“ sagte Welja -ruhig. Wir mußten alle lachen, und da Katja -erst anfing, als wir andern schon fertig waren, -dauerte es sehr lange. Ich sagte: „Bitte, träumen -Sie doch nächste Nacht weiter und nehmen Sie -ein Bad, damit Mama beruhigt ist; denn Baden -kann doch nur Gutes bedeuten.“ Nein, sagte -Mama, Wasser wäre zweideutig, nur Feuer wäre -ein unbedingter Glückstraum, und sie hätte eben -diese Nacht einen gehabt. Dann erzählte sie ihren -Traum, er war zu niedlich; sie hatte nämlich mit -Papa schlafen gehen wollen, und da hatten ihre -Betten in Flammen gestanden, schönen, hellen -Flammen ohne Rauch (das ist sehr wichtig!), und -sie hatte immer hineingeblasen in der Meinung -zu löschen. Da hatte Papa gerufen: „Lusinja, so -blase doch nicht!“ und hatte vor Lachen kaum -sprechen können, und darüber war sie auch ins -Lachen gekommen und war lachend aufgewacht. -Diesen Traum bezog Mama auf Lju, dessen Ankunft -für uns glückbringend sei; Lju heißt unser -Schutzengel. Daran anknüpfend erklärte er, woher -der Volksglaube an die Bedeutung der Träume -stamme und daß und warum Wasser und Feuer -<a id="page-16" class="pagenum" title="16"></a> -bei allen Völkern im selben Sinne aufgefaßt würden -und was Wahres daran sei; leider kann ich es Dir -nicht so hübsch auseinandersetzen, wie er es tat. -Papa hörte auch sehr interessiert zu, obgleich er -von Träumen und dergleichen eigentlich gar nichts -versteht, und sagte zuletzt mit einem Seufzer: „Sie -würden ausgezeichnet zum Sekretär meiner Frau -passen!“ -</p> - -<p> -Nun will ich Dir noch etwas Niedliches erzählen, -das heute mittag passierte. Ich fragte -Welja, ob er noch Pudding wolle, und er sagte -nach seiner Gewohnheit: „Vater, wie du willst.“ -Lju sah ihn neugierig an, und da erklärte -Mama, das wäre Weljas Lieblingsredensart, -die er immer im Munde führte, um zu sagen, -es ist mir gleichgültig; sie hoffe aber, setzte sie -nachdrücklich hinzu, er unterdrückte nun einmal -diese üble Angewohnheit, denn sie möge Profanationen -des Heiligen durchaus nicht leiden. -„Profanationen des Heiligen?“ sagte Welja erstaunt. -„Was meinst du damit?“ „Aber Welja,“ -sagt Mama mit Entrüstung, „tu doch nicht, als -ob du nicht wüßtest, daß die Worte in der Bibel -stehen!“ „Nein, wahrhaftig,“ ruft Welja, „wenn -ich eine Ahnung gehabt hätte, daß solche faule -<a id="page-17" class="pagenum" title="17"></a> -Redensarten in der Bibel stehen, hätte ich auch -mal drin gelesen!“ Der gute Junge, das ehrlichste -Staunen strahlte aus seinen weitaufgerissenen -Augen. Lju konnte gar nicht aufhören zu lachen, -ich glaube, er ist entzückt von Welja. -</p> - -<p> -Mit Papas Nerven geht es ganz gut, er hat -Iwan einmal angegrollt, als er dachte, er wäre -betrunken — er war es zufällig gerade nicht — -und einmal, weil ihm der Reis angebrannt vorkam, -aber einen richtigen Krach hat er noch nicht -gemacht, obgleich wir schon vier Tage draußen sind. -</p> - -<p> -Geliebteste Tante, ich lege alle Tage Sträuße -von Thymian, Lavendel und Rosmarin in unser -Gastzimmer, nicht nur auf den Tisch, sondern auch -in Schränke und Kommoden, damit es durch und -durch einen hübschen Biedermeiergeruch bekommt. -Belohne meine Aufmerksamkeit, indem Du kommst. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-4"> -Katja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 9. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Du bist ein Kalb, wenn Du -mir wirklich übelgenommen hast, daß ich nicht zu -Hause war, als Du mir Adieu sagen wolltest. -<a id="page-18" class="pagenum" title="18"></a> -Konnte ich wissen, daß Du kommen würdest? Und -außerdem machte ich noch einen Besuch bei der -alten Generalin, was doch wahrhaftig kein Vergnügen -ist. Uebelnehmen ist kleinbürgerlich, hoffentlich -hat Welja mich angelogen. Wenn ich es -nicht so unverschämt von Papa fände, daß er -die Universität geschlossen hat, würde ich froh -sein, daß ich hier bin. Ich tue nichts als essen, -schlafen, lesen und radfahren. Der neue Sekretär -ist sehr elegant, obgleich er kein Geld hat, eine -glänzende Erscheinung und fabelhaft klug. Er -radelt auch mit uns, aber er tut es nicht gern, -er sagt, es wäre schon veraltet, man müßte jetzt -Automobil fahren. Ich finde, er hat ganz recht, -wir wollen Papa auch dahin bringen, daß er -eins anschafft, einstweilen halten wir eine Zeitung -für Automobilwesen. Gruß -</p> - -<p class="sign"> -Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-5"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 10. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Der Aufenthalt hier ist mir von großem -psychologischem Interesse. Die Familie hat alle -Vorzüge und Fehler ihres Standes. Vielleicht -<a id="page-19" class="pagenum" title="19"></a> -kann man von Fehlern nicht einmal reden; sie -haben vorzüglich den einen, einer Zeit anzugehören, -die vergehen muß, und einer im Wege -zu stehen, die sich entwickelt. Wenn ein schöner -alter Baum fallen muß, um einer Eisenbahnlinie -Platz zu machen, so schmerzt es einen; man steht -bei ihm wie bei einem alten Freunde und betrachtet -ihn bewundernd und trauernd bis zu seinem -Sturze. Unleugbar ist es schade um den Gouverneur, -der ein vortreffliches Exemplar seiner Gattung -ist; allerdings glaube ich, daß er seinen Höhepunkt -bereits überschritten hat. Wenn er die Einsicht -davon hätte und von seinem Amte zurückträte, -oder wenn er es täte, um sein Leben nicht auszusetzen, -niemand würde es freudiger begrüßen -als ich; aber dazu ist er zu stolz. Er glaubt, -nur wer arbeite und etwas leiste, habe ein Recht -zu leben, überhaupt kann er sich ein Leben ohne -Arbeit nicht vorstellen; darum will er arbeiten und -glaubt, wenn er dies und das tue, was die Aerzte -ihm empfehlen, so würde er die frühere Kraft allmählich -wiedererhalten. Neulich schlief er ein, -während er am Schreibtische saß, und ich konnte ihn -ungestört beobachten; wie das schöne, dunkle und -leidenschaftliche Auge sein Gesicht nicht belebte, erschien -<a id="page-20" class="pagenum" title="20"></a> -es sehr schlaff und erschöpft, während er im -allgemeinen noch den Eindruck reifer Manneskraft -hervorruft. Als er aufwachte, setzte er sich sofort -aufrecht hin, warf einen schnellen Blick auf mich -und war sichtlich dadurch beruhigt, daß ich nichts -bemerkt zu haben schien. Es ist charakteristisch -für ihn, daß er nicht gern zugibt, wenn er ermüdet -oder schläfrig ist. So ist es ihm angenehm, -daß ich ihm das bißchen Arbeit, das er -hier während des Urlaubs erledigt, abnehme oder -erleichtere, und er sagt es auch; aber er möchte -nicht, daß man dächte, er wäre zu abgespannt, -um es allein zu tun, ja es würde ihn unglücklich -machen, es selbst zu denken. -</p> - -<p> -Er ist, wie oft Menschen, die im Amte für -streng und mitleidlos gelten, gegen jeden einzelnen -wohlwollend, ja sogar von unbegrenzter Gutmütigkeit, -wenn er liebevoller Nachgiebigkeit und -Unterordnung begegnet. Widersetzlichkeit macht -ihn fassungslos, da er unmittelbar nichts empfindet -als seinen Willen und naiv genug ist, um -vorauszusetzen, daß er ebenso für alle andern -maßgebend sein müßte. Er kommt mir vor wie -eine Sonne, die schön und treu, wenn auch etwas -rücksichtslos, ihre Welt zu unterhalten beflissen -<a id="page-21" class="pagenum" title="21"></a> -ist; er trägt, brennt und leuchtet nach Kräften -und zweifelt nicht, daß die Planeten ihr Ideal -darin finden, sich zeitlebens um ihn herumzudrehen. -An die Existenz von Kometen und Abnormitäten -glaubt er im Grunde nicht, es sei denn, daß sie -in ihm selbst vorkämen; ich könnte mir denken, -daß die ernstliche, tatsächliche Abtrünnigkeit eines -Trabanten ihn eher wahnsinnig als zornig machte. -Dabei tun seine Kinder im allgemeinen, was sie -Lust haben; aber in der Theorie tasten sie seine -Herrschaft nicht an; dann sind es seine eignen -Kinder, und er ist ein Mann von starken Instinkten, -und schließlich ist er bequem, was sich -mit Arbeitsamkeit wohl vereinen läßt; zu Hause -will er es behaglich haben. -</p> - -<p> -Welja ist ein reizvoller Junge, obwohl er -hier nicht an seinem Platze ist. Er hat die Seele -eines neapolitanischen Fischerknaben oder eines -fürstlichen Lieblings, der hübsche Kleider trägt, -hübsche, kecke Dinge sagt und keinen großen Unterschied -zwischen Leben und Traum macht. Die -beiden Töchter sind nicht so zwillingshaft, wie -es mir zuerst schien, auch äußerlich nicht. Sie -sind beide eher klein als groß und haben Massen -blonden Haares über zarten Gesichtern, übrigens -<a id="page-22" class="pagenum" title="22"></a> -sind sie so verschieden voneinander wie eine Teerose -von einer Moosrose. Wenn Jessika geht, -ist es, als ob ein weicher Wind ein losgerissenes -Blütenblatt durchs Zimmer wehte; Katja steht -fest auf der Erde, und was ihr nicht ausweicht, -wird wo möglich mit Nachdruck beiseitegeworfen. -Jessika ist zart, hat oft Schmerzen, und ihre Verletzlichkeit -gibt ihr einen besonderen, raffinierten -Zauber; man glaubt, man könne sie nicht ans -Herz drücken, ohne daß es ihr weh täte. Katja -ist gesund, ehrlich, durchaus nicht aufregend, ein -kluges, temperamentvolles Kind, an dem man seine -Freude hat. Jessika hat zuweilen etwas Schmachtendes, -dann wieder überrascht sie durch anmutigen -Witz, der niemals verletzend, sondern eher wie -eine auserwählte Liebkosung wirkt. Es hat einen -Zauber, Einfluß auf diese jungen Menschen zu -gewinnen, und ich genieße ihn einstweilen: das -Schwere und Harte bleibt nicht aus. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-6"> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 10. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebste Tante! Du beunruhigst Dich wegen -unsers Beschützers, der eigens zum Beruhigen da -ist? Ich bin entzückt von ihm, und aus meinem -<a id="page-23" class="pagenum" title="23"></a> -Briefe spricht eine verdächtige Fröhlichkeit? Mein -Gott, natürlich finde ich ihn angenehm, da seine -Anwesenheit Mamas Besorgnisse zerstreut hat! -Sei ruhig, geliebteste Tante, wenn er sich verliebt, -wird er sich in Katja verlieben, und Katjas Herz -hältst Du doch nicht für so zerbrechlich wie meins. -Oder fürchtest Du in dem Falle, daß Peter eifersüchtig -wird? Weißt Du, ich glaube, Katja verliebt -sich überhaupt nicht ernstlich; sie steckt mit -Welja in den Johannisbeeren, und beide essen mit -derselben Geschwindigkeit und Unbedenklichkeit wie -vor zehn Jahren, als bekämen sie einen Orden dafür. -</p> - -<p> -Mama ist jetzt wirklich so ruhig und vergnügt -wie seit langer Zeit nicht. Gott, wenn ich an die -letzte Zeit in der Stadt denke, an die Auftritte, -wenn Papa eine halbe Stunde länger ausblieb, als -sie gerechnet hatte! Neulich fand sie ihn nicht in -seinem Zimmer, im ganzen Hause nicht und auch -nicht im Garten. Sie fing schon an aufgeregt zu -werden, da sagte unsre Mariuschka, der Herr Gouverneur -wäre mit dem Herrn Sekretär spazieren gegangen. -Sofort war ihre Stimmung wieder im Gleichgewicht, -sie forderte mich auf, ein Duett mit ihr zu singen, behauptete, -ich sänge entzückend, und schmetterte selbst -wie eine Nachtigall in Liebesromanen. -</p> - -<p> -<a id="page-24" class="pagenum" title="24"></a> -Heute nachmittag war Papa, als er zum -Tee gerufen wurde, noch etwas verschlafen. -Mama nahm ihre Lorgnette zur Hand, betrachtete -ihn aufmerksam und fragte mit zärtlicher Betonung: -„Warum bist du so blaß, Jegor?“ Papa -sagte: „Endlich! Ich habe schon gedacht, du liebtest -mich nicht mehr, weil du mich seit acht Tagen -nicht danach gefragt hast.“ Dies war natürlich -Spaß; aber wenn Mamas Aengstlichkeit, über -die er sich immer lustig macht, wirklich mal ausbliebe, -würde er sich tatsächlich sehr vernachlässigt -fühlen; so ist der Herr Gouverneur. -</p> - -<p> -Da fällt mir ein, geliebteste Tante, daß ich -noch nicht weiß, ob Deine Erkältung ganz verschwunden -ist. Ob der fatale, rätselhafte Schmerz -an Deinem kleinen Finger nachgelassen hat. Ob -und wann Du kommst. Der Flieder blüht, die -Kastanien blühen, alles, was blühen kann, blüht! -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-7"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 12. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Wenn Du Eifersucht merken -läßt, machst Du Dich lächerlich bei Katja. Wozu -auch? Am ersten könntest Du noch auf mich -<a id="page-25" class="pagenum" title="25"></a> -eifersüchtig sein, aber dazu bist Du zu grob -organisiert. Lju macht Jessika den Hof, das heißt -er sieht sie an und regiert sie mit den Augen, -denn sie fällt natürlich darauf herein. Lju ist -ein fabelhafter Mensch, man könnte sagen seelenlos, -wenn man ein Element, das ganz Kraft ist, -so nennen kann. Er würde sich wahrscheinlich -kein Gewissen daraus machen, Jessika oder sonst -ein Mädchen unglücklich zu machen; wenn man -den Mut hat, sich ihm ganz hinzugeben, muß -man auch den haben, sich zerstören zu lassen. -Und warum stürzen sich die Mädchen so gierig -ins Licht? Es ist jedenfalls ihre Bestimmung, -wie die der Motten, sich die Flügel zu verbrennen. -Uebrigens würde Lju niemals ein Mädchen seiner -Eitelkeit zum Opfer bringen, wie doch schließlich -die meisten von uns tun. Er zerstört sie nur so -beiläufig, wie zum Beispiel die Sonne tut; sie -sollten ihm einfach nicht zu nahe kommen, aber -das können sie natürlich nicht lassen. Katja ist -gottlob anders, das gefällt mir so gut an ihr, -obgleich ich nicht möchte, daß alle so wären. -</p> - -<p> -Katja und ich haben gestern im Dorfe einen -türkischen Konfekthändler entdeckt, der unerhört -gute Sachen hat, rosa und klebrig und durchsichtig -<a id="page-26" class="pagenum" title="26"></a> -und gummiartig. Er scheint ein echter -Türke zu sein, denn etwas so Süßes habe ich -noch nie gegessen. Ich glaube, je mehr man -nach Südosten kommt, desto wundervoller werden -die Süßigkeiten. Katja und ich aßen immerzu, -der Türke betrachtete uns ganz ausdruckslos mit -seinen großen Kuhaugen. Endlich konnten wir -nicht mehr, und ich sagte: „Jetzt müssen wir aufhören.“ -— „Haben Sie kein Geld mehr?“ fragte -er; ich glaube, er hielt uns für Kinder. Ich -sagte: „Mir wird übel.“ Sein gelbes Gesicht -veränderte sich nicht; ich glaube, wenn wir vor -seinen Augen geplatzt wären, er hätte nicht mit -der Wimper gezuckt. -</p> - -<p> -Wir trafen ein sehr niedliches Mädchen im -Dorf, mit dem wir als Kinder zuweilen gespielt -haben. Damals fanden wir sie furchtbar häßlich, -weil sie rote Haare hat, und neckten sie damit; -jetzt kam sie mir verteufelt niedlich vor. Ich -rief ihr zu: „Anetta, du bist ja gar nicht mehr -häßlich?“ und sie antwortete gleich: „Welja, du -bist ja gar nicht mehr blind!“ Weil Katja dabei -war, konnte ich weiter nichts machen, aber -ich habe ihr zugenickt, und sie hat mich verstanden. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-8"> -<a id="page-27" class="pagenum" title="27"></a> -Lusinja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 13. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebe Tatjana! Nun sag, warum bildest Du -Dir so fest ein, meine Töchter müßten sich in Lju -verlieben? Ich habe sie bisher für viel zu unentwickelt -zur Liebe gehalten, Katja ist ja wirklich -noch ein Kind. Da Du mich einmal darauf -aufmerksam gemacht hast, sehe ich ein, daß Lju -gefährlich ist; männlich, mutig, klug, interessant, -auffallend, alles, was einem jungen Mädchen imponiert. -Ich muß es aber rühmen, daß er eher -zurückhaltend gegen meine beiden Kleinen ist; -möglicherweise ist er schon gebunden. Daß Jessika -ihn bewundert, habe ich wohl bemerkt; wenn er -spricht, hängen ihre Augen an ihm, sie ist selbst -gesprächiger als sonst und voll allerliebster Einfälle. -Ich dachte mir nichts Arges dabei, sondern -freute mich an ihrer Freudigkeit. Tatjana, -wenn Du sie einladen willst und sie gern zu Dir -kommen will, werde ich ihr nichts in den Weg -legen. Es mag sein, daß es besser ist. Meine -arme kleine Jessika, wenn ich mir denke, daß sie -ihn liebte! Liebte er sie nicht, müßte sie leiden, -und vielleicht noch mehr, wenn er sie liebte. Nein, -<a id="page-28" class="pagenum" title="28"></a> -der ist kein Mann für sie. Er versteht alles, aber er -vergißt sich niemals, er hat gar keinen Sinn für -Kleinigkeiten und Torheiten, oder, wenn er Sinn -dafür hat, so ist es wie für Kräuter, die man -in ein Herbarium sammelt. Hingeben kann er -sich nicht, er verzehrt nur. Ich traue ihm sehr -viel zu, zum Beispiel, daß er einmal ein sehr berühmter -Mann wird; jedenfalls braucht er dünne -Höhenluft, in der mein kleines Mädchen nicht -atmen könnte. -</p> - -<p> -Merkwürdig ist es an ihm, daß er sich offenbar -für uns alle lebhaft interessiert, daß er für -unsre Vorzüge empfänglich scheint, daß er das -Vertrauen, das wir ihm entgegenbringen, als -etwas Selbstverständliches hinnimmt und doch -von sich selbst eigentlich nichts hergibt. Nicht -daß er nicht offen wäre, er beantwortet jede -Frage, die man zufällig einmal an ihn richtet, -freimütig und ausgiebig; man kann vielleicht nicht -einmal sagen, daß er verschlossen ist, wenigstens -spricht er ziemlich viel und stets von Dingen, -die ihm wirklich wichtig sind. Trotzdem hat man -nicht das Gefühl, daß man sein Inneres kennt. -Ich habe schon gedacht, daß es Geheimnisse in -seinem Leben geben könnte, die ihm Zurückhaltung -<a id="page-29" class="pagenum" title="29"></a> -auferlegen; aber es beunruhigt mich nicht, weil -ich sicher bin, daß es nichts Gemeines ist. -</p> - -<p> -Neulich war von Lügen die Rede. Da sagte -Lju, Lügen wäre unter Umständen eine Waffe -im Kampfe des Lebens, nicht schlechter als eine -andre, nur sich selbst belügen wäre verächtlich. -Welja sagte: „Sich selbst belügen? Wie macht -man das überhaupt? Ich würde mir doch niemals -glauben.“ Lju lachte ganz beseligt, ich -mußte auch lachen, hielt mich aber doch verpflichtet, -Welja zu sagen, es wäre ein schlechter -Witz gewesen. „Bessere können wir doch hier -nicht machen,“ sagte der Junge, „sonst versteht -Katja sie nicht.“ Ja, eigentlich wollte ich Dir -nur sagen, die Ueberzeugung habe ich wirklich, -daß Lju sich niemals selbst belügen würde, und -das ist mir das Wesentliche. Der Grundsatz -mag gefährlich sein, aber einem bedeutenden -Menschen ist er angemessen. -</p> - -<p> -Liebe Schwester meines geliebten Mannes, -wenn ich nicht die großen Kinder um mich hätte, -könnte ich mir jetzt einbilden, wir wären auf der -Hochzeitsreise. Brauchten wir nur niemals in -die Stadt zurück! Jegor hat sein Klavierspiel -wieder aufgenommen, da er nun einmal nicht unbeschäftigt -<a id="page-30" class="pagenum" title="30"></a> -sein kann, und ich, die es sehr wohl -kann, höre zu und träume. Erinnerst Du Dich -noch an die Zeit, wo ich ihn meinen Unsterblichen -nannte? Manchmal jetzt, wenn ich ihn -ansehe, überläuft mich das Gefühl, daß etwas -anders geworden ist; es sind nicht die weißen -Haare, deren schon mehr als schwarze sind, nicht -die tiefen Schatten, die oft unter seinen Augen -liegen, nicht die strengen Linien, die sein Gesicht -verdunkeln, es ist etwas Unnennbares, das sein -ganzes Wesen umgibt. Einmal mußte ich plötzlich -aufspringen und fortlaufen, weil mir die -Tränen aus den Augen sprangen, und im Schlafzimmer -habe ich ins Kissen geschrien: „Mein Unsterblicher! -ach, mein Unsterblicher!“ Siehst Du, -das ist nicht merkwürdig, daß es Wahnsinnige -gibt, aber daß auch die Allervernünftigsten einmal -einen Wahnsinnsanfall haben können, das -ist beklagenswert. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Lusinja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-9"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 15. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Ich hätte mir das denken -können; aber ich möchte, daß ich mich täusche, wenn -ich es künftig denke. Es macht den Eindruck, daß -<a id="page-31" class="pagenum" title="31"></a> -ich mich zum Zweck psychologischer Studien hier -befinde; Du findest, daß ich sehr viel Sinn für das -Familienleben entwickle; Du meinst, ich hätte ebensogut -meine Großtante in Odessa besuchen können, -und sonst noch mehreres. Was willst Du? -Hattest Du erwartet, ich würde mich wie ein -hungriger Kannibale oder haßerfüllter Nebenbuhler -oder betrogener Ehemann auf sein Opfer -stürzen? Wir waren uns darüber einig, daß -wir es nicht machen wollten wie die fanatischen -Büffel, denen es bei ihren Attentaten mehr darauf -anzukommen scheint, daß sie ihr eignes Leben -wegwerfen, als das des Gegners. Wir wollten unser -Ziel erreichen, ohne unser Leben, unsre Freiheit, -womöglich sogar unsern Ruf aufs Spiel zu -setzen; denn wir haben noch mehr zu erreichen, -und wir wissen, daß wir nicht leicht zu ersetzen -sind. Wenn es eilte, würde ich anders gehandelt -haben; aber der Studentenprozeß beginnt erst -Anfang August, bis dahin dauert der Urlaub des -Gouverneurs, und ich habe demnach noch drei -Monate Zeit, von denen erst ein halber verflossen -ist. Ich sehe mich hier um, ich lerne die -Menschen, die Umgebung kennen und warte auf -eine Gelegenheit. Natürlich hätte ich den Gouverneur -<a id="page-32" class="pagenum" title="32"></a> -längst ermorden können, wenn es mir -nur darauf ankäme; ich bin oft mit ihm allein -gewesen, sowohl im Hause wie im Garten und -im Walde. Aber dann hätte ich unrichtig gehandelt. -Jetzt, wo ich zwar geschätzt und fast -geliebt werde, aber immerhin noch ein Fremder -bin, könnte sich ein Argwohn gegen mich erheben; -in ein paar Wochen werde ich wie ein Glied der -Familie und wird das nicht mehr möglich sein. -Ich schrieb Dir neulich, glaube ich, daß ich einige -Minuten neben ihm gesessen habe, während er -schlief. Ich betrachtete den Teil seines Gesichtes, -der mir zugewendet war; die breiten schwarzen -Brauen — ein Zeichen starker Vitalität —, die -strenggebogene Nase, in jeder Linie liegt Feuer -und Noblesse; durch vornehmes Empfinden gemäßigte -Leidenschaft scheint mir auch ein Grundzug -seines Charakters zu sein. Ein wundervolles -Geschöpf! Indem ich ihn betrachtete, dachte ich, -wieviel lieber ich diesen Kopf meinen Gedanken, -meinen Absichten zugänglicher machen als ihn -mit einer Kugel zerstören möchte. Auch dies -mußt Du bedenken, daß ich den Mord umgehen -könnte, wenn es mir glückte, ihn zu beherrschen, -zu beeinflussen. Ich will aber gleich hinzusetzen, -<a id="page-33" class="pagenum" title="33"></a> -daß ich die Möglichkeit für gering halte: in kleinen -Dingen ist er wie Wachs, in wichtigen wie Eisen. -Wenn er etwas bestimmt will, können weder -Furcht noch Liebe ihn umstimmen; so scheint es -mir bis jetzt. -</p> - -<p> -Der Kleine ist anders; er ist so indolent, daß -er einem dankbar ist, wenn man für ihn will, -man muß es nur mit Verstand tun. Seine Vorurteilslosigkeit -setzt in Erstaunen. Er scheint gar -nicht durch Tradition beherrscht; er hat etwas, -als ob er mit keinem Bande an Vergangenheit, -Familie, Vaterland angeknüpft wäre. Ich muß an -ein altes Märchen denken, in dem ein elternloses -Kind als Kind der Sonne auftritt; daran erinnert -auch seine goldbraune Haut. Im Gespräch -mit ihm spreche ich fast so, wie ich denke; er ist -so unbefangen, daß es ihm nicht einmal auffällt, -wie ich mit meinen Ideen eine Stellung bei seinem -Vater habe annehmen können. Er findet es offenbar -selbstverständlich, daß ein Mensch von Verstand -so denkt, wie ich denke, und nebenbei jede -Rolle spielt, die nach seinem Geschmack und zu -seinem Fortkommen nützlich ist. Ich habe ihn -lieb, und es freut mich, daß ich ihm nichts zuleide -zu tun brauche. Katja denkt wie ihr Bruder, -<a id="page-34" class="pagenum" title="34"></a> -zum Teil vielleicht aus Liebe zu ihm. Sie -ist für ein Mädchen sehr klug und einsichtsvoll; -aber sie kann so verständig reden, wie sie will, -sie ist immer wie ein kleiner, niedlicher Vogel, -der auf einem Zweige sitzt und zwitschert, das -ist das Reizende an ihr. -</p> - -<p> -Konstantin, mache mir nicht wieder Vorwürfe. -Wenn mir solche zu machen wären, würde ich -es selbst tun; deshalb hat kein andrer das Recht -dazu. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-10"> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 15. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Tante, Du hast mich eingeladen, huldvolle -Tante! Ich küsse dankbar Deine schöne Hand. -Vielleicht komme ich auch einmal, wenn Du gerade -gar nicht daran denkst. Aber Liebste, weißt -Du denn gar nicht, daß ich Pflichten habe? Ich -kann doch nicht so ohne weiteres fort. Wir -haben doch einen Haushalt, und Du weißt, daß -auch die besten Dienstleute von einem höheren -Wesen inspiriert werden müssen. Ich bedaure -die Köchin, die bei unsrer fünffachen Wunderlichkeit -gar keinen Rückhalt hätte. Papa schwärmt -<a id="page-35" class="pagenum" title="35"></a> -für gefüllte Tomaten, aber nicht für Tomaten an -der Sauce, was Mama besonders liebt, während -Welja eine Leidenschaft für Tomaten in Salat -hat, Katja ißt sie nur roh. Katja ißt keinen -süß zubereiteten Reis, Papa keinen gepfefferten, -ich keinen Milchreis. Niemand von uns ißt -Kohl, wir wollen aber täglich grünes Gemüse; -so könnte ich noch seitenlang fortfahren. Keine -Köchin behält das alles, und lesen kann unsre -nicht. Wenn ich fort wäre, müßte Mama an -das alles denken — denn Katja fiele das nicht -ein —, und das täte mir so leid. Sie geht den -ganzen Tag herum und ist glücklich, ihren Mann -einmal für sich und in Sicherheit zu haben; man -mag ihr keine dummen Alltäglichkeiten aufbürden -gerade jetzt. -</p> - -<p> -Ihr denkt, ich wäre nur eine unbedeutende -kleine Person! Aber sie würden es schon bemerken, -wenn nicht vor jedem die Tasse Tee oder -Kaffee mit gerade so viel Zucker und Milch oder -Zitrone stände, wie er es haben mag, oder wenn -ihm die Orangenschnitten nicht so fein geschält -und entkernt auf den Teller flögen, wie er es gewohnt -ist, oder wenn die Bleistifte und Scheren -und Schirme, die er verliert oder verlegt, nicht -<a id="page-36" class="pagenum" title="36"></a> -gerade im richtigen Augenblick von mir wiedergefunden -würden! Ja, so bin ich! Komm Du -nur einmal hierher und überzeuge Dich, wie unentbehrlich -ich bin. -</p> - -<p> -Wenn Du nun findest, daß ich belohnt und -entschädigt werden muß, Tante Tatjana, so schicke -mir doch lila Batist zu einer Bluse und dazu -passenden Zwischensatz und Spitzen. Ich habe -nichts, was leicht genug wäre bei der Hitze. Niemand -hat so viel Geschmack wie Du, darum besorge -es, bitte, selbst, Holdseligste. -</p> - -<p class="sign"> -Deine dankbare Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-11"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 17. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Ich habe mich nicht getäuscht, -Lju ist im Grunde ein Revolutionär, nur daß -noch etwas dabei ist, was seine Ansichten himmelhoch -über die durchschnittlichen erhebt. Wie soll -ich Dir das begreiflich machen, süßes Megatherium? -Er denkt und steht zugleich über dem, was er -denkt. Er hält das, was er denkt und wünscht, -nicht für das Letzte, Absolute. Darum steht er -auch abseits von den Parteien, weil er über sie -<a id="page-37" class="pagenum" title="37"></a> -hinaussieht. Er sagt, der alten Generation gegenüber -haben die Neuen recht, obwohl sie an sich betrachtet -fast noch weniger recht haben als die -Alten. Natürlich verstehst Du das nicht, weil -Dir die Selbstironie fehlt, sowohl der Begriff -wie die Qualität. Ihr habt keine Idee, wie -komisch es ist, wenn ihr euch über die Verkommenheit -der alten Kultur erhitzt und nicht von ferne -ahnt, was Kultur eigentlich bedeutet. Macht -nichts, brülle nicht, alter Saurier, ich bin ganz -euer. Mein Vater ist köstlich; er findet, daß Lju -ein sehr angenehmer, kluger und unterhaltender -Mensch ist, weiter dringt sein Scharfblick nicht. -Er kommt nicht auf die Idee, daß ein Mensch -in honetten Kleidern, der höflich mit ihm umgeht -und ihm nicht widerspricht, sich außerhalb -seines Systems bewegen könnte. Mama ist viel -weniger, wie soll ich es nennen, auf ihr Selbst -beschränkt. Sie sieht wenigstens deutlich ein, daß -sie längst nicht Ljus ganzes Wesen erfaßt hat; -sie fühlt etwas Fremdes, wenn sie dessen auch -nicht habhaft werden kann. Neulich sagte sie zu -ihm, seinen Talenten und Kenntnissen und seiner -Leistungsfähigkeit sei eigentlich das Amt, das er -in unserm Hause bekleide, nicht angemessen, ebensowenig -<a id="page-38" class="pagenum" title="38"></a> -das Entgelt, er hätte es gar nicht annehmen -dürfen. Lju sagte, er hätte gehofft, als -Privatsekretär freie Zeit übrig zu haben, die er -gebrauche, um ein philosophisches Werk zu vollenden, -das sei sein nächstes Arbeitsziel. Darüber -wurde Mama ordentlich rot und meinte, er sei -nun gewiß enttäuscht, da ja seine ganze Person -bei uns dauernd in Anspruch genommen werde. -Ich glaube, Lju hatte schon ganz vergessen, daß -er hier ist, um Mörder und Bomben abzufangen, -während Mama denkt, er riebe sich bei dieser -schwer zu definierenden Tätigkeit auf. Sie -fordert ihn seitdem öfters auf, sich in sein -Zimmer zurückzuziehen und zu arbeiten, und ist -geneigt, es sehr anspruchsvoll von Papa zu finden, -wenn er ihm mal außer der Zeit einen Brief -diktieren will; er könnte sich eigentlich eine Schreibmaschine -anschaffen, meinte sie. Man kann nicht -behaupten, daß Mama die Leute ausbeutet. -</p> - -<p> -Wir sind augenblicklich damit beschäftigt, -Papa ein Automobil kaufen zu lassen; er ist auch -schon nahe daran. Wir sprechen bei Tisch immer -von den letzten Automobilrennen und erörtern, -ob es mit Benzin oder Elektrizität billiger ist. -Lju meinte, ob wir nicht lieber warten und dann -<a id="page-39" class="pagenum" title="39"></a> -gleich ein lenkbares Luftfahrzeug anschaffen wollten. -Von dem Gedanken war Papa ordentlich hingerissen, -und wie er die Kosten davon berechnete, -kam ihm das Auto hernach schon ganz alltäglich -und kleinbürgerlich vor. -</p> - -<p> -Lju ist gar nicht musikalisch. Er sagt, Musik -wäre eine primitive Kunst, wenigstens die man -bis jetzt kennte. Es könnte vielleicht auch anders -sein, wovon Richard Wagner gewisse Andeutungen -gäbe. Das Musikalische in unsrer Familie wäre -primitiv. Ich glaube, daß das ganz richtig ist, -besonders bei Papa. Er spielt schön in dem -Sinne, wie der Wald rauscht oder der Wind -saust, es ist etwas Dämonisches. Aber das Besessensein -ist kein Kulturfaktor. Lju hat aber viel -übrig für das Primitive. Er findet, Jessikas -Stimme klänge so, wie wenn in der fahlen Dämmerung -tief im Osten die Morgenröte aufginge. -Jessikas Stimme finde ich auch fein, auf mich -wirkt sie wie ein Harfenton; sonst habe ich mir -nie viel aus Gesang gemacht, bei der Sinfonie -fängt doch die Musik eigentlich erst an. Bilde -Du Dir aber ja nicht ein, Du wärest ein Uebermensch, -weil Du unmusikalisch bist. Bei Dir ist -es ein Vakuum. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-12"> -<a id="page-40" class="pagenum" title="40"></a> -Katja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 17. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebe Tante! Jessika hat vergessen, Dich zu -bitten, daß Du uns die Partitur von „Tristan -und Isolde“ besorgst oder besorgen läßt. Papa -ist dagegen, er meint, man könnte Noten auch -leihen! Gibt es das überhaupt? Ach, erkundige -Dich nur gar nicht, Bücher aus Leihbibliotheken -beziehen ist unfein, und Noten sind auch Bücher, -also. Im Grunde ärgert sich Papa nur, daß -wir uns mit Wagner beschäftigen wollen, er ist -nun einmal einseitig. Nicht mal kennen lernen -will er ihn, sondern ist von vornherein entschlossen, -ihn gräßlich zu finden. Ja, hätte -Wagner vor ein paar hundert Jahren gelebt und -Kirchenmusik gemacht wie Palestrina — ach so, -das klingt dumm, aber ich habe es nun einmal -geschrieben, und Du verstehst mich auch schon. -Natürlich sind Beethovens Lieder an seine ferne -Geliebte schön, die Papa immer singt, aber unsre -Zeit und unser Leben drückt das doch nicht aus. -Jedenfalls, Tante Tatjana, Du schickst uns „Tristan -und Isolde“, nicht wahr? Bitte recht bald, -Peter kann es ja besorgen. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-13"> -<a id="page-41" class="pagenum" title="41"></a> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 20. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Dein Brief hat mich zu -einer Unvorsichtigkeit veranlaßt; aber der wäre -ein schlechter Feldherr, der nicht einen falschen -Zug wieder einbringen oder sogar verwerten -könnte. Das Gerücht, daß der Studentenprozeß -sofort vorgenommen würde und der Gouverneur -infolgedessen sofort nach Petersburg zurückginge, -muß unbegründet sein; denn er selbst würde es -doch am ersten wissen und gleichzeitig auch ich. -Trotzdem erwog ich gestern die Möglichkeit und -bereitete mich darauf vor, schnell oder plötzlich handeln -zu müssen. Ich sagte mir, bei Tage würde -ich nicht leicht eine Gelegenheit finden, besonders -keine für mich günstige. Nachts könnte ich ihn -und seine Frau, denn sie schlafen zusammen, mit -Aether betäuben, ihn durch einen Stich ins Herz -töten und mich ungesehen wieder zu Bett legen. -Kein besonderes Verdachtsmoment würde auf mich -hinweisen; bei Tage hingegen könnte sich kaum -jemand an den Gouverneur herandrängen, ohne -daß irgendwer, namentlich ohne daß ich es bemerkte. -Am Tage können unzählige unvorhergesehene -<a id="page-42" class="pagenum" title="42"></a> -Störungen dazwischenkommen; nachts -liegen bestimmte, übersichtliche Umstände vor. Die -Ausführbarkeit des Planes hängt wesentlich von -dem mehr oder weniger leisen Schlafe des Gouverneurs -und seiner Frau ab; ich beschloß, mir -sofort Gewißheit über die Frage zu verschaffen. -Ich warf einen Mantel über und schlich mich -nach ihrem Schlafzimmer, das durch ein Ankleidezimmer -mit angrenzendem Bade- und Garderoberaum -von meinem getrennt ist. Kaum hatte ich -den Fuß über die Schwelle gesetzt, als ich Frau -von Rasimkara auf mich zustürzen sah. Ich will -Dir gestehen, daß ich in diesem Augenblick fast -die Besinnung verloren hätte: die Frau so merkwürdig, -so schön, so anders als am Tage vor -mir zu sehen, es raubte mir den Atem. In ihrem -Gesicht stand zugleich der Ausdruck des Entsetzens -und der unbedenklichsten Entschlossenheit, -der sofort, da sie mich erkannte, dem Gefühl der -Erlösung, dem Erstaunen und ich möchte sagen -dem Gefühl für das Komische der Lage Platz -machte. Ja, für die Dauer eines Augenblicks -dachte und empfand ich nichts, als wie hinreißend -sie war, sie zog mich rasch in das Ankleidezimmer -zurück und sagte flüsternd, ich hätte sie sehr erschreckt, -<a id="page-43" class="pagenum" title="43"></a> -sie hätte mich für einen Mörder gehalten, -was geschehen wäre? Ob mir etwas fehlte, ob -ich nachtwandelte? Ich sagte, sie möchte ganz -ruhig sein, geschehen wäre nichts, ich wäre aufgewacht, -hätte geglaubt, ein Geräusch zu hören, -und hätte mich überzeugen wollen, ob bei ihnen -alles ruhig und in Ordnung wäre; ich hätte das -schon öfters getan, weil ich es als zu der von mir -übernommenen Pflicht gehörig betrachtete, bisher -hätte sie es aber nicht bemerkt. Ich setzte noch hinzu, -sie würde vielleicht gut tun, ihrem Manne nichts -von dem Vorfall zu sagen. Natürlich nicht, sagte -sie, sie wäre froh, daß er nicht erwacht wäre; dann -drückte sie mir die Hand, nickte mir zu und lächelte -und ging in ihr Schlafzimmer zurück. -</p> - -<p> -Dies war ein sehr gefährlicher Augenblick, -und ich habe erst gegen Morgen wieder einschlafen -können. Als sie vor mir stand und mich anlächelte, -dachte ich, daß sie hinreißend sei und -gleichzeitig, daß ich sie würde töten müssen. Ich -dachte es mit solcher Lebhaftigkeit, daß mir war, -es schreie aus meinen Augen heraus: ich bin dein -Mörder, weil ich sein Mörder bin. Du wirst -immer an seiner Seite sein, dein Leib wird sich vor -seinen werfen, wenn die Stunde da ist, darum mußt -<a id="page-44" class="pagenum" title="44"></a> -du mit ihm fallen. Das eigentümliche Lächeln, mit -dem sie mich ansah, schien zu sagen: ich verstehe -dich, es ist mein Schicksal, ich nehme es auf mich. -</p> - -<p> -In gewisser Weise habe ich bei meinem unglücklichen -Versuch etwas gewonnen. Ich weiß -nun, daß der Gouverneur tief und fest schläft. -Ihr habe ich die Meinung eingeflößt, daß ich -zum Schutze ihres Mannes zuweilen ihr Schlafzimmer -betrete. Sähe sie mich eintreten, mich -über sie beugen, sie würde bis zum letzten Augenblick -keinen Verdacht schöpfen, mich nur mit großen -Augen erwartungsvoll ansehen. Anderseits habe ich -erfahren, daß mir diese Art der Ausführung -widerstrebt. Ich würde nur im äußersten Notfall -dazu schreiten. Ein andrer Weg wird sich -finden lassen, der mir mehr zusagt. Sei Du jedenfalls -ohne Sorge: es mag sein, daß ich unüberlegt -gehandelt habe, aber ich habe auch die etwaigen -schlimmen Folgen im Keim erstickt. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-14"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 20. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Heute habe ich das Gefühl, -in einem Irrenhaus zu sein. Mama hat diese -Nacht irgend etwas gehört, was nachher gar nichts -<a id="page-45" class="pagenum" title="45"></a> -war, aber trotzdem sich alles als Einbildung -entpuppt hat, sieht sie verweint aus und fährt -bei jedem Geräusch zusammen. Papa hat Furoranfälle, -die wir als Nervosität respektieren sollen. -Vorhin klingelt er Mariuschka her, weil sie in -der Garderobe das elektrische Licht habe brennen -lassen. Er machte solchen Krakeel, daß ich es -im Garten hörte, und stellte sich ungefähr so an, -als ob dies elektrische Flämmchen das Verderben -auf unsre ganze Familie herunterziehen müßte. -Nachher stellte sich heraus, daß er selbst es angezündet -und auszumachen vergessen hatte. Katja -erhob nun ihrerseits ein Geschrei, es wäre empörend -von Papa, das ganze Haus schwämme in -Tränen seinetwegen, die Dienstleute könnten unmöglich -Respekt vor ihm haben, wenn er sich so -benähme, und dazwischen rief sie mich an, ob ich -es nicht auch fände. Ich sagte: „Vater, wie du -willst.“ Da wendete sich plötzlich ihre Entrüstung -gegen mich, worüber wir dann glücklich alle ins -Lachen kamen. Papa sagte, nun müßte er sich -wohl bei Mariuschka entschuldigen, weil er ihr -unrecht getan hätte, und begab sich zu diesem -Zweck ins Leutezimmer. Wir wollten gern mitgehen, -um der Szene beizuwohnen, aber Mama -<a id="page-46" class="pagenum" title="46"></a> -verbot es als unschicklich. Ich fand die Geschichte -von vornherein nur komisch und verstehe nicht, -wie Katja sich ärgern kann. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-15"> -Katja an Peter -</h2> - -<p class="noindent"> -Natürlich ärgere ich mich, Welja kann eben -nichts ernst nehmen, weil er zu faul ist. Es ist -doch empörend, daß ein Mann wie Papa, der -sich selbst gar nicht beherrschen kann, die Universität -schließt, weil die Studenten ihre Rechte -verteidigen. Es ist empörend, daß ein Mann -solche Macht hat, die Tatsache allein verdammt -unsre Zustände. Sieh doch zu, ob sich nicht -Lehrer finden, uns und allen, die teilnehmen -wollen, Privatkurse zu halten. Es könnte ja bei -Dir zu Hause sein, das kann man doch nicht -verbieten. Ich finde, daß man sich so etwas nicht -gefallen lassen soll. Mir ist es ganz gleichgültig, -ob ich ein paar Jahre früher oder später fertig -werde, aber es soll doch wenigstens von mir abhängen. -Und wenn das nicht geht, möchte ich -fort, ins Ausland. Es ist mir unleidlich, in -Rußland leben zu müssen. Von Welja habe ich -gar nichts, er ist zu dusselig, was ich auch sage -und vorschlage, ihm ist alles gleich. Natürlich, -<a id="page-47" class="pagenum" title="47"></a> -wenn man muß, muß man, aber erst versucht -man doch, ob es nicht anders geht. -</p> - -<p class="sign"> -Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-16"> -Lusinja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -24. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Du Liebe! Die Kinder haben Dir geschrieben, -daß wir wieder sehr nervös sind? Wenn Du -mich nicht verraten willst, will ich Dir sagen, -wovon es bei mir gekommen ist. Du weißt, ich -bin ängstlich und schreckhaft, und Du weißt auch, -daß ich leider sehr ernsten Anlaß dazu habe. Ich -gebe zu, daß ich es auch ohne das wäre, das -ändert aber nichts daran, daß der Anlaß da ist. -Nun also, neulich nachts wache ich auf und sehe -einen Mann auf der Schwelle unsers Schlafzimmers -stehen. Natürlich denke ich, daß er -Jegor töten will, und stürze blindlings auf ihn -zu, um Jegor zu schützen — wie, darüber nachzudenken -hatte ich keine Zeit. Es war nur ein -Augenblick, dann erkannte ich Lju. Ja, es war -Lju. Das plötzliche Aufhören der Angst und des -Schreckens wirkte so befreiend auf mich, daß ich -beinahe lachen mußte; ich hätte ihn umarmen -können. Aber nachher, als ich wieder im Bett -<a id="page-48" class="pagenum" title="48"></a> -lag, machten sich die Folgen der heftigen Nervenerregung -geltend, ich mußte nun weinen und konnte -gar nicht mehr aufhören. Es kam ein Unbehagen -über mich, das viel peinlicher war als die Furcht, -die ich vorher gehabt hatte; es war mir nämlich -so unheimlich, daß Lju nachtwandelt. Anders -kann ich mir das Vorgefallene doch nicht erklären, -als daß er somnambul ist. Er selbst hat mir -eine andre Erklärung gegeben; er betrachte es als -zu seiner Pflicht gehörig, sich zuweilen zu überzeugen, -ob bei uns alles in Ordnung sei, und er -sei schon öfters in unserm Schlafzimmer gewesen, -besonders wenn er ein Geräusch zu hören geglaubt -hätte. Das klingt ganz plausibel, und Du -wirst vielleicht sagen, es müßte etwas Beruhigendes -für mich haben, zu wissen, daß er so treu -über uns wacht. Vorher würde ich das auch -gedacht haben; aber ich sehe nun, daß die Vorstellung -von einer Tatsache ganz etwas andres -ist als die Tatsache selbst. Es ist mir nichts -Beruhigendes, sondern etwas im höchsten Grade -Unheimliches, daß ein Mensch plötzlich nachts in -unserm Zimmer stehen kann, sei es nun, weil er -nachtwandelt oder aus andern Gründen. Ich kann -nicht mehr schlafen, weil ich immer denke, plötzlich -<a id="page-49" class="pagenum" title="49"></a> -steht er da und sieht mich aus diesen seltsamen -grauen Augen an, die alle Körper zu -durchdringen scheinen. Wenn ich eben eingeschlafen -bin, schrecke ich entsetzt wieder auf. Der Einfall -ist mir gekommen, er könnte durch das offene -Fenster hereinsteigen; Du weißt doch, daß Nachtwandler -überall, selbst auf der Kante des Daches, -gehen können. Und das zu denken, ist mir unheimlich, -ich kann nicht dagegen an. Ich möchte -gern das Fenster schließen, aber Jegor will es -nicht; er sagt, es wäre Unsinn, und ich müßte solche -krankhafte Einbildungen unterdrücken. Schlangen -könnten wohl an einer glatten Hausmauer hinaufkriechen, -Nachtwandler nicht. Was meinst Du? -Ich habe einmal gelesen, für Nachtwandler wäre -das Gesetz der Schwere aufgehoben; Gott weiß es. -</p> - -<p> -Unglücklicherweise habe ich Jegor, der nicht -aufgewacht war und nichts gehört hatte, alles erzählt. -Er ist gut, aber meine Furchtsamkeit -macht ihn ein wenig ungeduldig, weil er sie aus -sich selbst nicht nachempfinden kann. Und dann -allerdings machen ihn auch die Verhältnisse nervös, -die eine gewisse Vorsicht vernünftigerweise doch -nötig machen, die er seinem Temperament nach -so ungern beobachten möchte. -</p> - -<p> -<a id="page-50" class="pagenum" title="50"></a> -Die Kinder wissen von dem Vorfall nichts, -denn ich möchte nicht, daß darüber bei Tisch gesprochen -wird. Es scheint mir auch rücksichtsvoller -gegen Lju zu sein, dem wir so viel verdanken; -wenn sich das Gerücht verbreitete, er wäre Nachtwandler, -würde es ihm bei den Leuten schaden. -Und daß er nachts in unser Zimmer kommt, um -uns zu bewachen, soll auch nicht bekannt werden. -</p> - -<p> -Katja, mein Goldkind, ist ein unverbesserlicher -kleiner Teufel. Sie schilt bei jeder Gelegenheit -über die Schließung der Universität, obwohl sie -weiß, daß jetzt die politischen und geschäftlichen -Dinge nicht berührt werden sollen, weil es Jegor -aufregt. Mich wundert, ob Dein Peter einmal -mit ihr fertig wird, es spricht für seinen Charakter, -daß er es sich zutraut. Von Dir, Liebste, -hat er nichts; er schlägt ganz Deinem Manne -nach, und der hat ja sogar Dir zu imponieren -verstanden, nicht wahr? Ach, meine Kleine ist -noch zu kindisch, als daß ihr irgend etwas auf -der Welt imponieren könnte. Ich wollte, es gelänge -ihm, ihr Herz zu gewinnen, wäre es nur, -damit sie Dich zur Schwiegermutter bekäme. Aber -auch Dein Sohn würde ihr gut tun mit seiner -Stämmigkeit und Wurzelfestigkeit. Jessika blüht, -<a id="page-51" class="pagenum" title="51"></a> -die Landluft tut ihr gut, sie ist unsre Hebe mit -den Rosenwangen. Mich wird das kleine -nächtliche Intermezzo auch nicht lange stören, -hoffe ich. Sei gegrüßt und geküßt von Deiner -</p> - -<p class="sign"> -Lusinja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-17"> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 25. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebste Tante! Es ist sehr gut, daß ich hiergeblieben -bin. Mama hat jetzt gerade eine Zeit, -wo sie sich um nichts bekümmert als um ihren -Jegor, unsern Vater. Und ein Geist muß doch -über dem Haushalt schweben. In ein paar Tagen -kommt unser Automobil, denke dir, Tante. Mama -schlug im letzten Augenblick vor, wir wollten lieber -doch keins haben, weil es gefährlich wäre, und -das gab der Sache gerade den letzten kleinen -Stoß, den es noch brauchte, um Papa zum Entschluß -zu bringen. Denn nun sagte er, auf -Mamas Aengstlichkeit dürfe keine Rücksicht genommen -werden; sie müßte endlich einmal erzogen -werden, sonst würde sie schließlich zu alt -dazu. Einen Chauffeur will Papa nicht haben, -das verteuerte die Geschichte, und er möchte keine -fremden Leute ins Haus nehmen; unser Iwan -<a id="page-52" class="pagenum" title="52"></a> -soll sich dazu ausbilden. Welja sagte: „Väterchen -fährt ja schon mit der Kutsche in den Graben, -wohin wird er erst mit dem Automobil fallen!“ -Papa sagte, Welja sollte nicht übertreiben, Iwan -wäre auch oft ganz nüchtern. Mama sagte mit -einem Seufzer, hoffentlich wäre er es gerade dann, -wenn wir ausfahren wollten. Ich schlug vor, -wir wollten nur selten fahren, dann träfen wir -gewiß gerade mit den oftmaligen Nüchternheiten -Iwans zusammen. Das leuchtete Mama sehr ein, -aber Katja schmetterte los, dazu hätte man kein -Automobil, sie wolle alle Tage fahren und so weiter. -Zum Glück sprang Lju ein und <a id="corr-0"></a>sagte, er wäre -Dilettant im Automobilfahren und wollte sich noch -mehr ausbilden, dann könnte er Iwan zuweilen ersetzen. -Welja sagte nachher, als Papa nicht dabei -war: „Papa wird doch lieber mit Iwan fahren, -weil er denkt, daß die Betrunkenen in Gottes Hand -sind.“ Das ist doch ein Sprichwort, weißt du. -</p> - -<p> -Von unserm Iwan muß ich dir noch etwas -erzählen. Welja sagte gestern mittag, er hätte -ihn gefragt, was er von Lju hielte, eigens weil -er gemerkt hätte, daß er ihn nicht leiden möchte. -Iwan hätte Ausflüchte gemacht und nicht mit -der Sprache heraus wollen. Welja hätte gesagt, -<a id="page-53" class="pagenum" title="53"></a> -Lju wäre doch freundlich, gerecht, hilfsbereit, gescheit, -geschickt, was Iwan alles zugegeben hätte. -Endlich hätte Iwan dann gesagt: „Er ist mir zu -gebildet.“ Darauf hätte Welja gesagt, Papa wäre -doch auch gebildet; da hätte Iwan ganz listige -Augen gemacht und den Kopf geschüttelt und gesagt: -„Das stellt sich äußerlich wohl so vor, aber -im Grunde ist er nur ein guter Kerl wie unsereiner.“ -Wir haben alle sehr gelacht, Lju am -meisten, er war geradezu begeistert über die Bemerkung -und sah allen erdenklichen Tiefsinn darin. -Ob jemand ihn leiden mag oder nicht, danach -fragt Lju gar nicht, das finde ich groß an ihm. -</p> - -<p> -Liebe Tante, ich singe Tristan, Isolde, Brangäne, -König Marke und noch ein paar Heldenkräfte. -Kannst Du Dir mich vorstellen? Papa hat nur -einen unwilligen Seitenblick auf die Partitur geworfen, -und ich singe natürlich nur, wenn er -außer Hörweite ist. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-18"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 27. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Du meinst, daß ich vielleicht -mittels des Automobils zum Ziele kommen -könnte. Ja, wenn es sich so einrichten ließe, -<a id="page-54" class="pagenum" title="54"></a> -daß der Gouverneur das Genick bräche und ich -das Handgelenk! Weißt Du, wie man das macht? -Durch den Kopf gegangen ist mir der Gedanke -natürlich, sowie von dem Automobil die Rede -war, und ich habe im Hinblick darauf die Anschaffung -befürwortet, habe mich auch anerboten, -zuweilen den Chauffeur zu machen, was mit Beifall -aufgenommen wurde. Es hat aber außer -der erwähnten Schwierigkeit das gegen sich, daß -ich mit dem Einüben viel Zeit verlieren müßte, -wahrscheinlich ohne Erfolg und sicher ganz ohne -Vergnügen für mich. Ich bin kein Sportsmann. -Zeit und Aufmerksamkeit lasse ich mir solche -Dinge nicht gern in hohem Maße kosten. Für -die Luftschiffahrt würde ich mich etwa interessieren; -aber das ist Arbeit und Tat, nicht Sport, und -hat allerlei wissenschaftliche Haupt- und Nebenzwecke. -Ein wenig werde ich mich aber doch mit -dem Automobil befassen; es könnte auch der Fall -eintreten, daß ich es zu schleuniger Flucht benutzen -müßte. -</p> - -<p> -Ein andrer Einfall ist mir gekommen, von -dem ich fühle, daß er ergiebig sein wird. Ich möchte -wo möglich bei dem Akt selbst nicht persönlich beteiligt -sein; es müßte also eine Maschine meine -<a id="page-55" class="pagenum" title="55"></a> -Rolle spielen. Nun schwebt mir vor, daß dies -eine Schreibmaschine sein könnte. Das Nähere -sage ich Dir, wenn der Plan etwas reifer in mir -ist. Dann könnte es wohl sein, daß ich Deiner -verständnisvollen Mithilfe bedürfte, damit die -Maschine zweckentsprechend eingerichtet wird, ohne -daß der Fabrikant etwas davon erfährt. -</p> - -<p> -Frau von Rasimkara ist seit jener Nacht verändert, -blaß und beinahe etwas scheu, beständig -in der Nähe ihres Mannes. Es ließe sich so -erklären, daß mein Benehmen ihre Aengstlichkeit -verdoppelt hat, weil sie den Schluß daraus ziehen -mußte, ich hielte ihren Mann für sehr gefährdet. -Vielleicht schläft sie seitdem nicht mehr gut. -Vorher hatte meine Sicherheit und Sorglosigkeit -beruhigend auf sie eingewirkt. Eine gewisse Zurückhaltung, -die sie mir gegenüber weniger zeigt -als wider ihren Willen verrät, könnte darin begründet -sein, daß die Erinnerung an unser -nächtliches Begegnen, das so seltsam, so flüchtig -und doch so eindrucksvoll war, und das niemand -außer uns weiß, sie verlegen macht oder wenigstens -in irgendeiner Hinsicht bewegt. Verdacht -gegen mich hat sie nicht, dessen bin ich sicher; -sie behandelt mich im Gegenteil mit vermehrter -<a id="page-56" class="pagenum" title="56"></a> -Freundlichkeit und Rücksicht. Da sie jetzt fast -immer um ihren Mann ist, bin ich mehr in die -Gesellschaft der Kinder gedrängt, deren Vertrauter -und teuerster Freund ich geworden bin. -</p> - -<p> -Du darfst dich in der nächsten Zeit nicht von -Petersburg entfernen, da ich Deiner wegen der -Schreibmaschine bedürfen könnte. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-19"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 28. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Heute hätte es beinahe eine -Familienkatastrophe gegeben, bei der ich natürlich -nicht aktiv war. Katja fing bei Tisch von den -Universitätsgeschichten an; ihr könne es ja gleichgültig -sein, denn sie braucht ihren Lebensunterhalt -nicht zu verdienen, für die meisten wäre es -aber verhängnisvoll, daß sie ihr Studium auf -unbestimmte Zeit unterbrechen müßten. Papa -sagte, noch verhältnismäßig ruhig und beherrscht, -allerdings wäre das ein Unglück für viele; um so -härter wären diejenigen zu verurteilen, die durch -ihr aufrührerisches Tun mutwillig das Unglück -über ihre Kollegen gebracht hätten. Jetzt aber -sauste Katja los! Wie ein künstlicher Wasserfall, -<a id="page-57" class="pagenum" title="57"></a> -den man plötzlich springen läßt! Das wäre die -Art ungerechter Despoten, die Opfer noch zu verleumden -und die eigne Schuld auf sie abzuladen! -Demodow und die andern wären Märtyrer, hinrichten -und nach Sibirien schicken könnte man sie, -nicht aber ihnen den Ruhm rauben, daß sie -tapfer und selbstlos gehandelt hätten. Uebrigens -hätten fast alle ebenso wie sie gedacht, Du -zum Beispiel hättest auch die Absicht gehabt, den -Kosaken Widerstand zu leisten, Du wärest nur -durch einen Zufall auf dem Wege zur Universität -aufgehalten, sonst könnte Papa Dich auch in die -Bergwerke schicken. Mama gelang es endlich, -sie zu unterbrechen, indem sie sagte, das würde -Papa allerdings tun, wenn er es für seine Pflicht -hielte; denn daran zweifele sie doch wohl nicht, -daß Papa sich von seiner Pflicht leiten ließe, -folglich dürfe sie auch seine Handlungen nicht -kritisieren. Ich sagte: „Mit deinem Spatzengehirn -im Kopfe würde er natürlich anders handeln,“ -worauf sie mir einen vernichtenden Blick zuwarf. -Papa war ganz bleich und seine Augenbrauen -sahen wie ein zackiger schwarzer Blitz aus, furchtbar -stimmungsvoll; wenn es sich nicht um Katja -gehandelt hätte, wäre ein Unwetter losgebrochen, -<a id="page-58" class="pagenum" title="58"></a> -das den ganzen Tisch und alle Stühle fortgeschwemmt -hätte; so hielt er einigermaßen an sich. -Und dann hebt Ljus Gegenwart eigentlich jede -Katastrophe auf; seine überlegene Ruhe zerstreut -gewissermaßen alle angesammelte Elektrizität, oder -er hat so viel Kraft, daß er sie in sich sammeln -und unschädlich machen kann. Er saß kühl wie -Talleyrand dabei und bewies, daß jeder recht -hätte, so daß alle schweigen und zufrieden sein -mußten. Er sagte, selbstverständlich schließe die -Maßregel der Universitätsschließung Ungerechtigkeiten -ein, deshalb könnte sie aber vollständig -gerecht sein innerhalb des Systems, zu dem sie -gehöre. Er billige dies System nicht durchaus, -er glaube, daß es sich überlebt habe, aber so -lange es herrsche, müsse man mit seinen Gesetzen -arbeiten. Papa sah Lju interessiert und etwas -erstaunt an und fragte, wie das zu verstehen sei, -daß er das System nicht billige. Keine Regierung -sei fehlerlos, weil die menschliche Natur -überhaupt fehlerhaft sei. Seiner Meinung nach -sei es besser, dahin zu wirken, daß jeder seine -Pflicht tue, anstatt die Irrtümer des Systems -aufzudecken. Lju sagte, ohne den Grundsatz, daß -jeder einzelne seine Pflicht zu erfüllen habe, könne -<a id="page-59" class="pagenum" title="59"></a> -kein gesellschaftliches System sich halten. Er -glaube, das herrschende System habe den Fehler, -das Pflichtgefühl nicht auszubilden, weil es lauter -Gesetze und Vorschriften an dessen Stelle gesetzt -habe. Dies sei für eine primitive Kultur berechtigt, -jetzt aber sei das Volk keine Herde mehr, -sondern bestehe aus Individuen. Kein Kunstverständiger -werde die byzantinische Malerei mit -ihren starren Formen nicht bewundern; man -könne es vielleicht sogar beklagen, daß der Individualismus -sie durchbrochen habe; man könne -vielleicht sogar glauben und wünschen, daß man -einmal auf irgendwelchen Umwegen dahin zurückkehre; -aber verständigerweise könne man doch nicht -die Entwicklung auf jene Stufe zurückdrehen wollen. -</p> - -<p> -Er sprach so liebenswürdig, galant und beinahe -herzlich gegen Papa, daß der ganz angeregt -wurde und lebhaft auf alles einging; ich glaube, -er hatte das Gefühl, vollkommen einer Meinung -mit Lju zu sein. -</p> - -<p> -Bei Tisch waren also die Fugen wieder eingerenkt; -aber hernach ergoß sich Katjas zurückgehaltener -Zorn gegen Lju. Er hätte sich verächtlich -benommen, er hätte zu ihr halten müssen, -denn er dächte ebenso wie sie. Was er gesagt -<a id="page-60" class="pagenum" title="60"></a> -hätte, möchte ganz schön sein, sie hätte es nicht -verstanden, wolle es auch nicht verstehen, es -wäre doch nur eine Brühe gewesen, um seine -wahren Ansichten zu verkleistern. Von mir erwartete -sie ja nichts andres, als daß ich falsch -und feig wäre, aber ihn hätte sie für stolzer gehalten. -Sie war zu niedlich, wie ein kleiner -Vogel, der gereizt wird und sein Federschöpfchen -sträubt, mit dem Schnabel um sich pickt und in -den höchsten Tönen lospiepst. Lju fand sie -offenbar auch niedlich, denn er ging sehr liebevoll -auf ihren Kohl ein. Ich ging mitten darin fort, -weil meine Dorfschönheit auf mich wartete. -</p> - -<p> -Ich habe Papa eine Auswahl von den feinsten -Süßigkeiten mitgebracht, die der Türke hat. Er -fand sie ausgezeichnet und sagte, er hätte sich -gleich gedacht, daß ich einen bestimmten Grund -hätte, immer ins Dorf zu radeln. Er aß übrigens -mehr davon als ich und wurde nicht einmal -übel; er ist eigentlich ein großartiger Mensch, -ich bin dekadent gegen ihn. Mit Lju kann er -sich allerdings nicht vergleichen; er ist wie ein -schöner Dolch mit kunstvollem Griff und einer -mit Edelsteinen buntgeschmückten Scheide, wie sie -zuweilen in Museen ausgestellt sind; Lju ist wie -<a id="page-61" class="pagenum" title="61"></a> -der schlichte Bogen des Apollo, der nie fehlende -Pfeile entsendet. Schmucklos, schlank, elastisch, -durch die vollendete Zweckmäßigkeit schön, ein -Bild göttlicher Kraft, Treffsicherheit und Gewissenlosigkeit. -Ach Gott, ich schreibe ja an ein silurisches -Faultier und nicht an einen feinwitternden -Griechen. Quäle Dich nicht mit der Durchdringung -meiner poetischen Bilder und triumphiere -nicht, wenn sie hinken sollten; ein Achilles, der -hinkt, kommt immer noch eher an als ein Brontosaurus, -der im Sande stecken bleibt. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-20"> -Katja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 30. Mai. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Wir sind nicht verlobt, ich -habe Dir sogar einmal gesagt, ich würde Dich -niemals heiraten; aber ich weiß ja, daß Du doch -noch daran denkst, darum will ich Dir etwas -sagen. Ich habe jetzt den Mann kennen gelernt, -den ich heiraten werde, wenn ich überhaupt heirate. -Den einzigen, den ich lieben kann. Frage nicht, -wer er ist, frage überhaupt nicht weiter. Ich -hätte Dir ja nichts davon zu sagen brauchen, ich -<a id="page-62" class="pagenum" title="62"></a> -tue es nur, weil ich Dich gern habe und Dich -als meinen Freund betrachte, und weil Du mich -seit unsrer Kindheit als Deine zukünftige Frau -angesehen hast. Dafür kann ich freilich nichts. -Wissen darf dies niemand außer Dir. -</p> - -<p class="sign"> -Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-21"> -Lusinja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 2. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Meine liebe Tatjana! Auf unsern einzig -schönen Sommer fällt von irgendwoher ein kleiner -Schatten. Vielleicht eben weil er so schön ist, -muß er das Abzeichen seiner Erdennatur tragen. -Jetzt sorge ich mich besonders um Jessika; ich -kann es mir nicht mehr verhehlen, daß sie den -Lju liebt. Ohne daß sie es weiß, richtet sich ihr -ganzes Wesen nach ihm: ich könnte sagen, sie ist -eine Art Sonnenuhr, von der man immer ablesen -kann, wo ihr Gestirn steht. Er hat auch -etwas Sonnenhaftes; es ist, als ob eine lebenzeugende -Kraft von ihm ausginge, in der freilich -auch Leben verdorren kann. Auf Welja und -Katja übt er einen heilsamen Einfluß aus; er -regt sie zum Denken, zu gesteigerter geistiger -<a id="page-63" class="pagenum" title="63"></a> -Tätigkeit an; für meine kleine Jessika, fürchte ich, -sind seine Strahlen zu heiß. Sie muß Wärme -haben, darf aber nicht mitten im Feuer stehen. -So erscheint es mir wenigstens. Zuweilen kommt -es mir so vor, als ob nicht nur in ihr ein Neigen -zu ihm wäre, sondern als ob auch ihn ein leises -Anziehen zu ihr hinzöge. Ob er sie liebt? Ich -kann nicht umhin, mit ihr in meiner Seele aufzujubeln, -wenn ich es zu bemerken glaube, denn -eine Mutter fühlt jeden Schmerz und jedes Glück -mit ihrem Kinde. Wäre es aber überhaupt -wünschbar? Würde es ein Glück für sie sein? -Ljus Ansichten und, was wichtiger ist, seine ganze -Auffassung des Lebens weicht sehr von Jegors -und meiner ab, das fühle ich. Auch den Kindern -steht er nach Erziehung und Lebensgewohnheiten -ferner, als sie selbst es ahnen. Vielleicht ist er -uns gegenüber im Rechte; aber verbürgt das die -Möglichkeit dauernden Zusammenlebens? Und -was würde Jegor sagen? Er hat nichts gegen -Lju, er ist frei von gewöhnlichen Vorurteilen; -aber er möchte unsre Mädchen mit Männern -verheiraten, deren Lebensführung ihm vertraut -ist, mit denen wir alle zu einer Familie verwachsen -können. Und dann, Liebste, daß er -<a id="page-64" class="pagenum" title="64"></a> -nachtwandelt! Das ist beinahe das Schrecklichste -für mich. Ach Gott, es ist ja so töricht, aber -manchmal wünsche ich, Lju wäre niemals zu uns -gekommen oder er verließe uns wieder. -</p> - -<p class="date"> -Nachmittags. -</p> - -<p class="noindent"> -Lju ist doch ein unheimlicher Mensch! Er -hat Augen, die im Herzen lesen. Ich hatte eben -den Satz geschrieben, als er kam und mir sagte, -er fühle sich sehr wohl bei uns, er hätte auch -das Gefühl, daß wir ihn gern hätten, aber er -käme sich überflüssig vor und fände, daß es richtiger -wäre, wenn er ginge; er möchte mit mir -darüber sprechen. Er sprach so vertrauensvoll, -so einfach, beinahe kindlich. Ich war ganz betroffen -und sagte, meine Besorgnis um das Leben -meines Mannes hätte sich allerdings allmählich -gelegt; aber er wäre doch auch als Sekretär -tätig, selbst schreiben könne mein Mann augenblicklich -nicht — er leidet doch am Schreibkrampf -— und er würde sich nur ungern an -einen andern Herrn gewöhnen, auch sicher keinen -von seiner, Ljus, Bildung und seinen Kenntnissen -finden. Er sagte, darüber hätte er schon nachgedacht, -für meinen Mann würde gewiß das -zweckmäßigste sein, wenn er sich an eine Schreibmaschine -<a id="page-65" class="pagenum" title="65"></a> -gewöhnte, dann wäre er von niemand -abhängig, und er hätte doch so manche Korrespondenzen, -die womöglich geheimbleiben sollten. -Diesen Gedanken lobte ich sehr — ich finde ihn -wirklich höchst vernünftig — und sagte, eine -Schreibmaschine könnte sich ja Jegor anschaffen, -es würde aber wohl eine gute Weile dauern, bis -er damit umzugehen verstände, wenn er es überhaupt -wollte, und auch sonst würde er dadurch -doch nicht ganz ersetzt werden. Etwas andres -wäre es natürlich, wenn er aus irgendeinem -Grunde seinetwegen fort wollte. Darauf sagte -er, wenn es im Leben auf Glücklichsein ankäme, -würde er sein ganzes Streben darauf richten, -immer bei uns bleiben zu können. Er hätte bei -uns eine Art des Glückes kennen gelernt, an die -er vorher nicht geglaubt hätte; er hätte unauslöschliche -Eindrücke empfangen. Aber er hielte -es für die Bestimmung des Menschen oder -wenigstens für seine, tätig zu sein, zu wirken, an -großen Zielen zu bauen. Er wäre wie ein Pferd, -das, wenn es ihm noch so wohl vor seiner Krippe -voll Hafer wäre, der Trompete folgen müßte, die -zur Schlacht riefe; er glaubte in der Ferne den -Ruf der Trompete gehört zu haben. Ich fragte: -<a id="page-66" class="pagenum" title="66"></a> -„Haben Sie etwas Bestimmtes vor? Wollen -Sie uns sofort verlassen?“ Nein, sagte er, so -wäre es nicht gemeint. Er hätte nur von mir -bestätigt hören wollen, daß er überflüssig hier -wäre, und ich wäre freimütig genug, ihm das -zuzugestehen. Er würde sich nun überlegen, -wohin er gehen wollte. Inzwischen könnte -mein Mann sich eine Schreibmaschine kommen -lassen und versuchen, ob er Geschmack daran -fände. -</p> - -<p> -Ja, siehst Du, Tatjana, nun bin ich betrübt, -daß es so gekommen ist. Meine kleine Jessika! -Weißt Du, was ich glaube? Es ist Jessikas -wegen, daß er fort will. Daß sie ihn liebt, muß -er bemerkt haben; entweder er erwidert das Gefühl -nicht, oder er will im Bewußtsein seiner -Armut und seiner unselbständigen Lage nicht um -sie anhalten und hält es für seine Pflicht, sie zu -meiden. Das ist edel gehandelt und besonders -fein die Art und Weise, wie er es ausführt. -Er hat nichts angedeutet, nichts erschwert, alles -geebnet. Er ist mir nie so liebenswert erschienen, -und ich empfinde Schmerz für Jessika, trotzdem -ist mir leichter zumute, nun ich sehe, daß der -Konflikt — wenn einer vorhanden ist — sich -<a id="page-67" class="pagenum" title="67"></a> -lösen läßt. Was für ein Schreibebrief! Hast -Du Geduld bis zu Ende gehabt? -</p> - -<p class="sign"> -Deine Schwägerin<br /> -Lusinja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-22"> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -7. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Geliebteste Tante! Du hast lange keine Nachricht -von uns gehabt? Und ich habe das Gefühl, -Dir erst gestern geschrieben zu haben, auf -so leichten und schnellen Füßen laufen diese -Sommertage. Und wenn man sogar noch ein -Automobil davorspannt! Lju hat uns einmal -spazierengefahren, aber nicht lange, weil er noch -nicht sicher ist. Unser Iwan kann noch weniger -als er, obwohl er täglich ein paar Stunden damit -herumturnt. Papa möchte auch gern selbst -lenken, Mama will es aber nicht, weil es die -Nerven angreife, sie wüßte aufs bestimmteste, -daß zwei Drittel aller Chauffeure durch Wahnsinn -oder Selbstmord infolge von Nervenzerrüttung -endeten. Papa versuchte zwar das -Argument anzugreifen, aber wir schrien im Chore, -er müßte sich für Staat und Familie erhalten, -<a id="page-68" class="pagenum" title="68"></a> -und einstweilen hat er nachgegeben. Er hat ja -nun auch einen andern Sport, nämlich die -Schreibmaschine. Gestern abend nach dem Essen -saßen wir in der Veranda. Es war so schön, -wie es nirgends sonst als hier ist; über uns im -Schwarz des Himmels schimmerten die feuchten -Sterne und um uns her im Dunkel der Erde -die bleichen Birken. Wir saßen still und jedes -träumte seine eignen Träume, bis Mama Lju -fragte, weil er doch alles wisse, sollte er sagen, -was für Schlangen es in dieser Gegend gäbe. -Er nannte augenblicklich eine Reihe lateinischer -Namen und sagte, es wären alles Ottern und -Vipern, harmlose, ungiftige Geschöpfe. Ich dachte -bei mir, ob es diese Namen wohl überhaupt gäbe, -aber Mama hielt alles für Evangelium und war -sehr angenehm davon berührt. Papa hätte nämlich -neulich gesagt, erzählte sie, an der glatten Mauer -eines Hauses könnte niemand hinaufkriechen außer -Schlangen, und seitdem könnte sie die Vorstellung -nicht mehr los werden, wie der feste, glatte, -klebrige Schlangenleib sich am Hause heraufzöge, -und sie könnte oft nachts nicht davor einschlafen. -Welja sagte, er begriffe nicht, wie man sich vor -Schlangen fürchten könnte, er fände sie schön, -<a id="page-69" class="pagenum" title="69"></a> -anmutig, schillernd, geheimnisvoll, gefährlich, und -er würde sich in keine Frau verlieben können, -die nicht etwas von einer Schlange hätte. Katja -sagte: „Du Kalb!“ und Lju sagte, ich hätte etwas -von einer Schlange, nämlich das lautlos Gleitende -und Mystische. Dann erzählte er ein südrussisches -Märchen von einer Schlange, das sehr grausig -war. Ein Zaubrer liebte eine Königstochter, -die in einen hohen Turm eingesperrt war. Um -Mitternacht kroch er als Schlange am Turm -herauf durch das Fenster in ihr Gemach, dort -nahm er wieder seine Menschengestalt an, weckte -sie und blieb in Liebe bei ihr bis zum Morgen. -Einmal aber schlief die Königstochter nicht und -wartete auf ihn; da sah sie plötzlich mitten im -Fenster im weißen Mondschein den schwarzen -Kopf einer Schlange, flach und dreieckig auf -steilem Halse, die sie ansah. Darüber erschrak -sie so sehr, daß sie ohne einen Laut ins Bett -zurückfiel und starb. Gerade in diesem Augenblick -klingelte es heftig an der Gartentür, wo ein -alter, verrosteter Klingelzug ist, der fast nie gebraucht -wird und deswegen in Vergessenheit geraten -ist. Wir wunderten uns alle, daß Mama -nicht auch umfiel und tot war. Papa stand auf, -<a id="page-70" class="pagenum" title="70"></a> -um an die Gartentür zu gehen und zu sehen, -was es gäbe, Mama sprang auch auf und sah -Lju flehend an, damit er zuerst dem Mörder die -Stirn böte, wenn einer da auf Papa wartete, -und weil das Aufstehen und die ersten Schritte -bei Papa immer etwas mühsam sind und Lju -sehr schnell laufen kann, kam er zuerst an und -empfing den Paketboten, der eine Kiste trug. Er -sagte, es würde eigentlich nichts mehr ausgetragen, -aber der Postmeister hätte gesagt, die Kiste sei -aus Petersburg und enthalte vielleicht etwas -Wichtiges, und weil es der Herr Gouverneur sei, -für den der Postmeister eine besondere Verehrung -habe, hätte er sie ihm doch noch zustellen wollen. -Na, der Bote bekam ein Trinkgeld, und in der -Kiste war die Schreibmaschine. Lju packte sie -gleich aus und fing an zu schreiben, Papa wollte -auch, konnte aber nichts, wir probierten alle, -konnten es aber ebensowenig, nur ich — ungelogen -— ein bißchen, und dann sahen wir zu, -wie Lju schrieb. Nach einer Weile probierte -Papa noch einmal, und wie Lju sagte, er hätte -Talent, war er ganz zufrieden. Mama war -geradezu selig und sagte, sie hätte sogar die -Schlange vergessen, so hübsch wäre die Schreibmaschine. -<a id="page-71" class="pagenum" title="71"></a> -Welja sagte: „Was wollt ihr denn -eigentlich mit der Scharteke?“ Und Katja sagte, -wenn man doch schon einmal die Finger gebrauchen -müßte, könnte man gerade so gut -schreiben, sie sähe den Zweck davon nicht ein; -sie wurde aber überstimmt. -</p> - -<p> -Bist Du nun <span class="antiqua">au fait</span>, einzige Tante? Nun -sage ich Dir nur noch, daß die Rosen zu blühen -anfangen, die Zentifolien und die gelben Kletterrosen, -die so merkwürdig riechen, und die wilden -Rosen auch, und daß die Erdbeeren reifen, ferner, -daß Papa in der umgänglichsten Stimmung ist und -neulich sogar gefragt hat, ob denn diesen Sommer -gar kein Besuch käme! -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-23"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 9. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Ja, Du bist mein Freund, -das empfinde ich. Du ehrst und schätzest dasjenige -in mir, was wir für das Höhere halten, -und kennst und liebst doch auch das andre, den -Urstrom des Ahnenblutes, dessen unfaßbare Verzweigungen -überall eingreifen und mich leiden -machen. Daß ich leide, will ich Dir nicht verhehlen, -<a id="page-72" class="pagenum" title="72"></a> -auch hast Du es längst bemerkt. Vielleicht -habe ich noch nie so gelitten, aber daß es -überwunden werden wird, weiß ich auch. Ich -habe alle diese Menschen vom ersten Augenblick -an, da ich in ihre Mitte trat, zu beherrschen gesucht, -daraus folgt alles übrige; denn auch der -Herrscher ist gebunden, nicht nur der Beherrschte. -Was mir gelungen ist, ist ebenso verhängnisvoll -für mich geworden wie das, woran ich scheiterte. -Den Gouverneur kann ich vielleicht täuschen, aber -ich habe keinen Einfluß auf ihn. Es kränkt ein -wenig meine Eitelkeit, hauptsächlich beklage ich es -aber wegen alles dessen, was daraus folgt. Der -Mann übt einen Zauber aus, für den ich nicht -unempfänglich bin, obwohl er von Kräften ausgeht, -die ich nicht für die höchsten halte. Man -sieht die Merkmale eines Geschlechtes an ihm, -in welchem das Lebensfeuer stärker und schöner -brannte als in den gemeinen Menschen. Er ist -etwas in sich Vollendetes, wenn auch durchaus -nicht vollendet überhaupt. Gerade seine Unzugänglichkeit -gefällt mir; ich glaube, er ist im -Kampfe des Lebens gewachsen, fester und härter -geworden, aber er hat sich nicht erweitert, hat -nichts Neues in sich aufgenommen. Das ist beschränkt, -<a id="page-73" class="pagenum" title="73"></a> -aber es verleiht eine gewisse Intensität. -Verloren hat er auch nichts; er hat noch viel -von der Torheit, von dem Eigensinn und der -Innigkeit der Kindheit an sich, was der in der -Regel nicht behält, der sich viel Neues und -Fremdes aneignet. Sein Ich ist ganz, so saftreich -und gesammelt und stolz, daß es einen -schmerzt, daran zu tasten; und gerade weil es so -ist, muß ich ihn zerstören. Einmal faßte ich die -Hoffnung, ich könnte ihn gewinnen, könnte ihm -andre Ansichten eröffnen. Ich schrieb Dir nichts -davon, es lag mir allzusehr am Herzen, und ich -ahnte schon, daß es vergebens sein würde. Mein -Gott, dieser Mann, diese heiße, blinde Sonne! -Ich rolle wie ein Komet neben ihm her, und er -ahnt nicht, daß der Augenblick, wo unsre Bahnen -zusammenstoßen, ihn in Stücke reißen wird! Von -den Kindern laß mich schweigen. Besser, viel -besser wäre es gewesen, ich hätte auf den Vater -so gewirkt wie auf sie. Das klingt albern; es ist -ja natürlich, daß die Jugend leichter zu beeinflussen -und zu beherrschen ist als das Alter; -aber hätte nicht einmal, durch Zufall oder -Wunder, das Umgekehrte stattfinden können? -Da es nicht der Fall ist, versuche ich daran zu -<a id="page-74" class="pagenum" title="74"></a> -denken, daß ich keine Wahl habe, daß ich tun -muß, was ich für notwendig erkannt habe, daß -die Heilkraft der Jugend überschwenglich ist, daß -es diesen spielenden Kindern vielleicht nützlich ist, -vom Schicksal aufgerüttelt zu werden. Ach Gott, -was heißt nützlich? Sie waren so wundervoll -in ihrem Traumleben! Freilich, einmal muß -es doch enden. Kinder mit Runzeln und gebeugten -Rücken sind Zerrbilder, und beizeiten -muß die Umbildung beginnen. Vielleicht kann -sogar ich selbst ihnen bei der Veränderung hilfreich -zur Seite stehen. Was ein Mensch wollen -kann, ist möglich; nur zum Wollen gehört -Kühnheit. -</p> - -<p> -So werde ich Dir nun nicht wieder schreiben. -Auch rechne ich darauf, daß Du mich nicht mißverstehst. -Zweifel ist nicht in mir. Antworte mir -auch nicht auf alles dies! Trösten kann mich -niemand, und daß Du mich verstehst, weiß ich -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-24"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 11. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Sei morgen oder übermorgen -zu Hause, wenn du einen historischen Augenblick -<a id="page-75" class="pagenum" title="75"></a> -erleben willst. Unser treuer Iwan ist mit dem -Automobil in den Graben gefallen, was von -ihm auf die Tücke des Vehikels, von uns auf die -des Branntweins geschoben wird. Da er nebst -Automobil mehrere Stunden im Graben gelegen -hat, war er ziemlich nüchtern, als er heimkam, -und die Streitfrage ist nicht mehr zu entscheiden. -Das Automobil hat mehr gelitten als er, es sieht -aus wie eine Schildkröte ohne Schale; laufen -kann es aber. Mama war ganz zufrieden mit -dem Ergebnis und fand, wir möchten es so -lassen, bis Iwan ganz erprobt wäre, damit er -uns nicht auch noch in den Graben führe. Papa -hingegen sagte, in diesem Zustande könnte er das -Automobil nicht auf die Straße lassen, auch -wenn niemand als Iwan darinsäße, das würde -seinem Ansehen schaden, es wäre geradeso, als -ob seine Töchter mit durchlöcherten Kleidern ausgingen. -Hierdurch überzeugt, beschlossen wir, daß -das Automobil repariert werden müsse, und Lju -hat sich erboten, das Wrack in die Stadt zu -fahren und das Nötige zu veranlassen. Jessika -will gern mitfahren, aber Lju will es nicht, weil -es bei dem schadhaften Zustande nicht sicher -wäre. Seitdem geht sie mit einem wehleidigen -<a id="page-76" class="pagenum" title="76"></a> -Gesicht herum; denn sie ist natürlich in Lju -verliebt. „Natürlich“ sage ich, weil in einen -Mann wie Lju, dessen Willenskraft jedes Atom -seiner Materie durchdringt, sich alle verlieben -müssen. Mir ist eigentlich alles einerlei, sogar -wenn ich verliebt bin, ist es mir im allertiefsten -Grunde einerlei, ob ich sie habe oder -nicht. -</p> - -<p> -Auch das hat einen gewissen Reiz für manche -Frauen; aber das wahrhaft Unwiderstehliche ist -der Wille. Niemand kann dagegen an, es ist die -Schwerkraft der Seele. Lju hat in bezug auf -alles einen bestimmten Willen. Ich hielte eine -solche Lebensweise nicht ein Jahr lang aus, und -er treibt es schon achtundzwanzig Jahre so und -wird wahrscheinlich sehr alt werden. Ob er sich -für einzelne Frauen auf die Dauer interessieren -kann, bezweifle ich; die Vielweiberei müßte für -ihn eingeführt werden. Er würde sich nicht viel -um sie bekümmern, aber an einem Satz, den er -mal im Vorbeigehen fallen ließe, würden sie -wochenlang saugen und damit zufrieden sein. -Also er wird Deiner Mutter einen Besuch machen, -sieh Dir ihn an! -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-25"> -<a id="page-77" class="pagenum" title="77"></a> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 11. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Ich komme morgen oder -übermorgen nach Petersburg und rechne darauf, -Dich zu treffen. Es handelt sich um die -Einrichtung der Schreibmaschine, worüber ich -am liebsten mündlich mit Dir verhandeln -will; sie kann explosiv wirken oder mit einem -Revolverschuß geladen werden. Im letzteren -Falle würden wir aber nicht sicher sein, ob -die Kugel ihr Ziel träfe. Ich werde sie demnächst -unter dem Vorwande einer Reparatur -an die Fabrik schicken, wo sie gekauft worden -ist. Sie muß dorthingehen und von dort zurückexpediert -werden, damit bei einer späteren -Untersuchung keine Spur zu mir führt. Deine -Sorge muß es sein, daß sie nicht abgeht, ohne -zu unserm Gebrauch eingerichtet zu sein; also -wirst Du über einen Angestellten der Fabrik -oder über einen Angestellten der Bahn verfügen -müssen. Es eilt nicht, Du kannst -Deine Vorkehrungen mit ruhiger Ueberlegung -treffen. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-26"> -<a id="page-78" class="pagenum" title="78"></a> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 12. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Geliebteste Tante! Ich wollte Dich gern besuchen, -aber ich soll nicht! Ich wäre so gern -mit dem zerfetzten Automobil bei Dir vorgefahren, -gerade weil es so schrecklich kaput ist. Denke -Dir, ich hätte mich so hübsch wie möglich gemacht -und wäre aus dem zersplitterten Kasten -herausgestiegen wie eine Dryade aus einem -hohlen Baumstamme. Und vor allen Dingen, -ich hätte Dich gesehen, ich hätte meinen Charakter -an der schweren Aufgabe gestählt, Deine blühenden -Wangen, Deine mit dem Schmelz ewiger Jugend -gepuderte Haut neidlos zu bewundern. Meine -Wangen sind, fürchte ich, augenblicklich blaß und -tränennaß, so enttäuscht bin ich, daß ich nicht -mitfahren kann. -</p> - -<p> -Wir werden nun ohne Beschützer sein, Tante. -Ich habe vorgeschlagen, wir drei könnten Tag -und Nacht Fangen ums Haus spielen, dann -könnte sich gewiß niemand ungesehen ins Haus -einschleichen. Der gute Welja war auch bereit -dazu, aber Katja nicht; sie sagte, sie wäre doch -kein Kind mehr! Lju bringt Dir diesen Brief. -<a id="page-79" class="pagenum" title="79"></a> -Laß Du Dich unterdessen von ihm beschützen, -wenn Du es auch nicht nötig hast. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-27"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 14. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Wenn ich nicht sehr tätig bin, kommt es im -Grunde daher, daß meine Familie immer zur -Betrachtung einlädt. Durch Anpassung an die -bewegten Verhältnisse hat sich mein beschauliches -Temperament herausgebildet; wenn ich auch noch -mitagierte, würde es zu toll. Heute ist wieder -der Teufel los. Ich saß, noch erschöpft von -gestern — denn seit Lju fort ist, muß ich immer -bis Mitternacht auf der Lauer liegen, weil Mama -Gefahren wittert —, also ich saß in der Bibliothek -und blätterte in einem Buche, als Katja wie -ein wirbelnder Federball herein und ans Telephon -gestürzt kam. Damit Dein Gehirn nicht ebenso -erschüttert wird, wie meins bei dieser Gelegenheit -wurde, will ich Dir zur Erklärung voranschicken, -daß Katja soeben Jessika dabei betroffen hatte, -daß sie einen Brief an Lju schrieb, und daß -Jessika, von Katja zur Rede gestellt, damit herausgeplatzt -<a id="page-80" class="pagenum" title="80"></a> -war, sie liebte Lju und wäre so gut wie -verlobt mit ihm. Ich mußte dies schließen und -erraten, was ich Deinem Walfischschädel nicht -zumuten will. -</p> - -<p> -Also Katja verbindet sich mit Petersburg. -Ich frage, mit wem sie reden will. Mit Lju, -obgleich mich das nichts anginge. Ich sage, du -kannst doch wohl so lange warten, bis er wieder -hier ist, so wichtig wird es nicht sein. Sie: -„Kannst du das beurteilen? Hier werde ich überhaupt -nicht mehr mit ihm sprechen und bedaure, -es jemals getan zu haben.“ Ich: „Alle Heiligen!“ -In dem Augenblicke klingelt das Telephon, Katja -ergreift es. „Sind Sie da? Quak, quak, quak ... -Ich will Ihnen nur sagen, daß ich Sie verachte! -Quak, quak ... Sie sind ein Heuchler, eine -Qualle, ein Judas! Quak, quak, quak, quak. -Bitte, leugnen Sie nicht! Sie haben die Stirn, -sich zu verteidigen? Sie haben mich genug belogen! -Ich werde Jessika aufklären. Für einen -solchen Elenden ist sie trotz ihrer Schwachheit zu -gut. Quak, quak, quak, quak, quak ... Sie -halten mich für dümmer, als ich bin. Sie glauben, -Sie allein wären klug und alle andern wären -schwachsinnig, aber vielleicht ist es umgekehrt!“ -</p> - -<p> -<a id="page-81" class="pagenum" title="81"></a> -Dies alles trompetete Katja mit so gellender -Stimme, daß Papa und Mama es hörten, -glaubten, es wäre etwas passiert, und herbeigelaufen -kamen. Beide hören erstaunt zu und -fragen: „Was bedeutet das? Mit wem spricht sie -denn?“ Ich: „Ach, mit Lju, sie hat sich ein bißchen -über ihn geärgert.“ Katja am Telephon: „Ich du -zu Ihnen sagen? Zu einem so abgefeimten, zweizüngigen -Charakter, wie Sie sind? Niemals!“ -Papa und Mama: „Aber um Gottes willen, was -hat er denn getan?“ Ich: „Ach, sie hat eine -Karte von ihm bekommen mit der Adresse Katinka -von Rasimkara, und das betrachtet sie doch nun -einmal als Beleidigung, wenn man ihren Namen -Katja von Katinka ableitet.“ Papa und Mama -entzückt: „Das ist ganz Katja!“ Beide wollen -sich totlachen. Katja dreht sich um. Ich: „Täubchen, -ruh dich doch mal aus!“ Katja mit -einem vernichtenden Blick auf mich: „Affe!“ -Dann ab. -</p> - -<p> -Ich stürze ans Telephon, erwische Lju noch -und gebe ihm das Versprechen, beruhigend zu -wirken. Er sagte mit einem durchs Telephon zu -Herzen gehenden Seufzer: „Du bist das Oel auf -den Sturmwogen deiner Familie; ohne dich würde -<a id="page-82" class="pagenum" title="82"></a> -man seekrank.“ Das Gespräch schien ihn sehr -mitgenommen zu haben. -</p> - -<p> -Ob er von euch aus gesprochen hat, weiß ich -gar nicht; es wäre sehr belustigend, wenn Du -die andre Hälfte des Gespräches mit angehört -hättest. Das ist sicher, Katja ist fertig mit Lju, -wenn auch ihre Wut mit der Zeit nachlassen -wird. Ob sie nun, nachdem sie mit der Intelligenz -gebrochen hat, wieder für Deinen Stumpfsinn -schwärmen wird, darüber läßt sich noch -nichts sagen, rechne nicht zu bestimmt darauf. -Uebrigens gedeiht sie vortrefflich bei ihrer Enttäuschung; -zu beklagen ist nur die arme kleine -Jessika. Sie kommt mir vor wie ein kleiner -Vogel, dem sein Nest zerstört ist, der Sturm und -Regen ergeben über sich ergehen läßt, erschrocken -und behutsam piepst und zuweilen mit dem zerzausten -Köpfchen hervorlugt, ob es noch nicht -besser wird. Ich glaube, zuerst hat sie stundenlang -geweint, ihr Gesicht zitterte noch lange -nachher. Sie hat etwas so Süßes wie eine überreife -Feige und etwas so Weiches wie eine Schneeflocke, -die einem in der Hand zerschmelzen will. -Es wäre für sie sehr gut, wenn Du sie heiratetest; -aber Dir ist nun einmal zuerst Katja eingefallen, -<a id="page-83" class="pagenum" title="83"></a> -und nach dem Gesetz der Trägheit, das Dich beherrscht, -rollst Du damit durch dick und dünn -und hältst es für Charakter. Für Dich ist es -ja ziemlich einerlei, wen Du betreust; aber für -Jessika wäre es gut, wenn sie durch die Dickhaut -Deiner saurischen Person vor der Welt geschützt -wäre, während Katja eine solche antediluvianische -Mauer nicht nötig hat und sie vielleicht auf die -Dauer sogar nicht gut aushalten könnte. Ich -will aber nicht so töricht sein, jemand Vernunft -zu predigen, der keine hat. -</p> - -<p> -Katja hat Einsicht genug, um Papa und -Mama den wahren Sachverhalt zu verschweigen; -aber wenn Papa sie mit Katinka anredet, um sie -zu necken, wirft sie mir zornige Blicke zu, was die -andern erst recht ins Lachen bringt. Lebe wohl! -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-28"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 17. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Es war durchaus zweckmäßig, -daß ich Frau Tatjana bewogen habe, -mit mir nach Kremskoje zu fahren; der Einfluß, -den ich auf sie ausübe, hat auf den Gouverneur -<a id="page-84" class="pagenum" title="84"></a> -und seine Familie Eindruck gemacht, weil sie -diese Verwandte sehr bewundern, die in der Gesellschaft -eine große Rolle spielt. Sie ist schön -und hat Geist genug, um zu wissen, wieviel davon -eine Frau merken lassen darf. Ihr Verstand ist -gut, wenn auch nicht ausgebildet. Sie liebt die -geistigen Genüsse, die man ohne Anstrengung -haben kann, deshalb bevorzugt sie zum Umgang -kenntnisreiche und denkende Menschen, die das -Ergebnis ihrer Gedankenarbeit in anregende -Form zu kleiden wissen. Ihre Vorurteilslosigkeit -würde man noch mehr bewundern, wenn sie -etwas dadurch riskierte; aber der ganz unpolitischen -Dame läßt man gern die Freiheit, das -Gesellschaftseinerlei durch naive Offenheiten zu -kolorieren. -</p> - -<p> -Ihr Sohn Peter, der seit seiner Kindheit -Katja liebt und unbeeinflußt durch die Tatsache, -daß sie seine Neigung nicht erwidert, dabei verharrt, -hat, oberflächlich betrachtet, etwas von den -gutmütigen Riesen des Märchens. Aus einer Art -von kindlicher Menschlichkeit und naivem Gerechtigkeitssinn -zählt er sich zur revolutionären -Partei. Trotzdem er eifersüchtig auf mich ist, da -seine Cousine mich ihm vorzieht, kam er mir, -<a id="page-85" class="pagenum" title="85"></a> -wenn auch nicht gerade herzlich, doch mit anständiger -Vorurteilslosigkeit entgegen. Er hat -mit einigen andern Studenten, die, wie er, über -bedeutende Mittel verfügen, medizinische Privatkurse -eingerichtet, um sich und seinen Kollegen die -Fortsetzung des Studiums zu ermöglichen, zugleich -natürlich, um gegen die Maßregel der -Regierung zu protestieren. An diesen Kursen, die -nächstens beginnen werden, will Katja teilnehmen. -Der Gouverneur wußte bis jetzt nichts davon -und ist empfindlich betroffen, daß ein solches -Unternehmen von seinem Neffen ausgeht, und -vollends, daß Katja sich daran beteiligen will. -Da er gegen Katja nicht gut streng sein kann, -begann er damit, seiner Schwester Tatjana Vorwürfe -zu machen, daß sie ihren Sohn nicht von -so ärgerlichen Donquichotterien zurückhielte. Sie -lächelte wie ein Kind und sagte, ihr Sohn wäre -ein erwachsener Mensch, sie könne ihn nicht am -Gängelbande führen, überhaupt sollte man sie -mit politischen Dingen, von denen die Frauen doch -ausgeschlossen wären, in Ruhe lassen. Warum -sollte sie sich ein Urteil bilden, das sie doch nicht -geltend machen könnte? In Gesellschaft besonders -sollten Gespräche über politische Dinge verboten -<a id="page-86" class="pagenum" title="86"></a> -sein, bei denen auch der klügste Mann plötzlich -ein beschränkter und borstiger Esel würde. Uebrigens -schiene es ihr eigentlich erlaubt zu sein, daß, -wenn der Staat ihm die Mittel dazu nähme, ein -junger Mann sich auf eigne Hand die zu seinem -Berufe nötige Bildung zu verschaffen suchte, denn -eine Tätigkeit müsse ein Mann doch einmal haben. -</p> - -<p> -Katja fiel ein, es wäre empörend, die Schulen zu -schließen, was die Regierung sich einbildete, die Universitäten -wären unabhängige Körperschaften, ob -schließlich auch die Eltern den Zaren um Erlaubnis -fragen sollten, ehe sie die Kinder lesen und -schreiben lehren dürften. -</p> - -<p> -Der Gouverneur sagte, wenn die Universität -sich damit begnügt hätte, Wissenschaft zu lehren, -würde die Regierung sie respektiert haben, aber -indem sie sich in die öffentlichen Angelegenheiten -gemischt und Partei ergriffen hätte, hätte sie sich -ihres Rechtes auf Unantastbarkeit begeben. Die -Härte, welche die Maßregel mit sich brächte, -würde dadurch nicht ausgeglichen, daß einige, -denen ihr Vermögen es erlaubte, sich den Unterricht -auf privatem Wege verschafften, dessen Wegfall -für Unbemittelte ohnehin viel schädlicher wäre. -Da fuhr aber Katja los: „Du kennst Peter schlecht! -<a id="page-87" class="pagenum" title="87"></a> -Der verschafft sich keine Vorteile vor den Armen! -Im Interesse der Unbemittelten hat er die Kurse -hauptsächlich eingerichtet! Es können alle daran -teilnehmen, auch die nicht zahlen können!“ Der -Gouverneur wurde dunkelrot und sagte, dann -wäre die Sache schlimmer, als er geahnt hätte. -Er hätte geglaubt, es handelte sich gewissermaßen -um Privatstunden, dies wäre aber eine Gegenuniversität, -eine Herausforderung, ein revolutionärer -Akt. Er hätte nie für möglich gehalten, daß sein -eignes Kind sich in die Reihen seiner Gegner stellte. -</p> - -<p> -Ich habe ihn noch nie so zornig gesehen. -Seine Stirn zog sich dicht zusammen, seine Nase -schien zu flammen wie ein frisch geschliffener Dolch, -es war eine unheimliche Atmosphäre um ihn, wie -wenn ein Hagelwetter im Anzuge ist. Katja -fürchtete sich ein wenig, hielt aber tapfer stand, -Tatjana wunderte sich unbefangen und kindlich -lächelnd weiter, daß er die Sache so ernst auffaßte. -Frau von Rasimkara sah traurig aus; -ich weiß nicht, was sie dachte, aber ich glaube, -sie war außer mir die einzige, die das Gefühl -eines unabwendbaren Verhängnisses hatte. Nicht -aus einem bestimmten Grunde, nur weil sie liebt, -und wer liebt, fürchtet und ahnt. -</p> - -<p> -<a id="page-88" class="pagenum" title="88"></a> -In dem unangenehmsten Augenblick sagte ich -zum Gouverneur, er möchte doch Welja und Katja -ins Ausland schicken; er hätte doch sowieso die -Absicht, sie eine Zeitlang an ausländischen Universitäten -studieren zu lassen, und sie bereiteten -ihm dann hier keine Aergernisse mehr. Dieser -Vorschlag heiterte die Gewitterstimmung auf. -Welja war bezaubert. „Ja, Papa,“ sagte er, -„alle vornehmen jungen Leute werden ins Ausland -geschickt, wenn etwas aus uns werden soll, -mußt du es auch tun. Ich bin für Paris.“ -Frau Tatjana sagte: „Ich gebe euch Peter mit, -damit ein vernünftiger Mensch dabei ist. Und -für Peter ist Paris notwendig, es fehlt ihm an -Grazie.“ Der Gouverneur beschränkte seinen -Widerspruch darauf, daß er Berlin für angemessener -als Paris erklärte; aber der Vorschlag -leuchtete ihm sichtlich ein, und ich bin überzeugt -er wird zur Ausführung kommen. Gemacht habe -ich ihn, damit Katja und Welja abwesend sind, -wenn das Unglück geschieht; Jessika zu entfernen -wird sich auch noch ein Vorwand finden. -Ich denke, die Sache wird nun schnell fortschreiten. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-29"> -<a id="page-89" class="pagenum" title="89"></a> -Katja an Welja -</h2> - -<p class="date"> -Petersburg, 20. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Du bist ein Dussel, Welja! Du hast ja doch -Peter die ganze Geschichte mit Lju geschrieben! -Ich konnte es mir ja denken, aber warum prahlst -Du denn, Du hättest keiner Menschenseele ein -Wort davon mitgeteilt? Erstens fragte ich Dich -nicht danach, und zweitens glaubte ich Dir nicht -einmal. Peter denkt nun, er müßte mich trösten, -und ich müßte ihn heiraten; Logik hat er doch -nicht. Uebrigens ist er entzückend, Gott, zu -schade, daß ich nicht in ihn verliebt bin! Nun -muß ich diese Albernheit von Peter ertragen und -dazu noch anhören, wie Tante Tatjana für Lju -schwärmt: wie elegant er wäre, und wie anregend, -und wie energisch, und was für einen guten Einfluß -er auf uns gehabt hätte! Paß Du nur -wenigstens auf Jessika<a id="corr-1"></a> auf. Es ist auch zu toll, daß -sie solche Eltern hat. Papa merkt nichts, Mama -findet alles sympathisch, und Dir ist alles einerlei. -Besinn Dich mal darauf, daß Du ein Mann bist; -Lju kann alles mit Dir anstellen und Dir alles -weismachen, gerade als ob Du in ihn verliebt -wärest, das ist unwürdig. Wenn Tante Tatjana -<a id="page-90" class="pagenum" title="90"></a> -nicht gerade von Lju redet, ist sie reizend und -sehr vernünftig. Die Kurse sind noch nicht eröffnet. -Wie steht es mit Paris? Hat Papa ja -gesagt? Im Notfall gehen wir natürlich auch -nach Berlin, wenn wir erst fort sind, findet sich -das übrige. Adieu! -</p> - -<p class="sign"> -Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-30"> -Jessika an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 20. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Mein süßer kleiner Maikäfer! Ich möchte -lieber weinen, als Dir schreiben, aber davon -hättest Du ja nichts. Ich kann das Gefühl -nicht loswerden, als wäre ich daran schuld, daß -Du fortgegangen bist. An etwas bin ich schuld, -das fühle ich ganz sicher, und es fing damit an, -daß ich an Lju schrieb; daß Du darüber außer -Dir warst, kannst Du doch nicht leugnen. Erst -dachte ich, Du liebtest Lju auch, aber er lachte -und sagte, das tätest Du ganz gewiß nicht, und -als ich euch nachher zusammen sah, kam es mir -auch nicht mehr so vor. Und wenn Du ihn -liebtest, liebtest Du ihn doch nicht so wie ich; -Du würdest nicht daran sterben, wenn er Dich -<a id="page-91" class="pagenum" title="91"></a> -nicht wiederliebte. Aber das täte ich. Du bist -doch überhaupt nicht so, daß Du Dich ernstlich -verliebst, mein Klimperkleinchen, nicht? Welja -sagt doch immer, Du wärest nicht so sentimental -wie ich. Schreib mir etwas Tröstliches! Alle -sind jetzt unzufrieden. Papa ist schrecklich nervös, -seit ihr fort seid, Besuch greift ihn ja immer -etwas an, aber hauptsächlich ist es, glaube ich, -wegen Deiner Kurse. Es ist doch auch fatal für -ihn, wenn seine Tochter und sein Neffe bei etwas -beteiligt sind, was gegen die Regierung gerichtet -ist. Gestern wurden ein paar Bibliotheksbücher -entdeckt, die Welja vor einem oder zwei Jahren -entlehnt und vergessen hat zurückzubringen. Das -kostet nun natürlich verhältnismäßig viel, und -Papa wurde wütend und machte Krach. Er sagte, -Welja wäre gedankenlos und verschwenderisch -und täte, als wenn er ein Millionär wäre, und -würde uns noch alle an den Bettelstab bringen. -Mama, die dazukam, versuchte Welja zu verteidigen, -da wurde Papa erst recht böse. Mittags, -als wir uns zu Tisch setzten, waren alle ernst -und still, und Papa starrte finster vor sich hin. -Mama nahm ihre Lorgnette, guckte ratlos von -einem zum andern, endlich betrachtete sie Papa -<a id="page-92" class="pagenum" title="92"></a> -eine Weile und fragte liebevoll: „Warum bist -Du so blaß, Jegor?“ Wir fingen alle dermaßen -zu lachen an, Papa auch, daß die Stimmung -wiederhergestellt war. -</p> - -<p> -Welja war hauptsächlich deshalb niedergeschlagen, -weil Papa unter anderm auch sagte, -er könnte ihn doch nicht auf weite Reisen schicken, -weil er zu leichtsinnig wäre. Aber das hat er -nur so im Aerger gesagt, ich glaube, er will euch -doch gehen lassen. -</p> - -<p> -Quält Peter Dich sehr? Meinetwegen mache -Dir keine Sorge. Lju hat mir von Anfang an -gesagt, er könnte und wollte nicht um mich anhalten, -bis er eine entsprechende Stellung hätte, -er wollte nur mein Freund sein; Du siehst, wie -ehrenhaft er ist. Welja würde niemals so sein. -Mein geliebtes Sonnenkäferchen, ich vermisse Dich -stündlich. Du mich wohl nicht? -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-31"> -Lusinja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 21. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Meine kleine Katja! Du hast nun Deinen -Willen. Bist Du glücklich, daß Du in der Stadt -bist? Wirst Du dadurch klüger, besser, froher? -<a id="page-93" class="pagenum" title="93"></a> -Ich will Dir nicht verschweigen, mein Liebling, -daß es mich schmerzte, daß Du fortgingest, obwohl -Du sahest, was Du Deinem Papa damit -zufügst. Ist das so schwer zu begreifen? Denn -wenn Du es recht begriffen hättest, hättest Du es -doch nicht tun können. Es ist ja nicht, daß Du -anders denkst als er, was ihn am meisten schmerzt, -auch nicht, daß Du seinen Wünschen zuwiderhandelst. -Aber er liebt Dich zu sehr, um Dir -das zu verbieten, was er andern verbieten würde. -Er liebt Dich, trotzdem Du etwas tust, wodurch -alle andern seine Teilnahme verscherzen würden. -Das macht ihn irre an sich, an seinem System, -an allem. Warum fügst Du das Deinem Vater -zu, der Dich liebt, einem alternden Manne? -Erreichst Du etwas Bedeutendes für Dich oder -für andre damit? Ach, ich glaube zuweilen, -unsre Kinder sind da, um eine Rache an uns -zu nehmen, und doch könnte ich nicht sagen für -wen und für was. Kinder sind die einzigen -Wesen, denen gegenüber wir ganz selbstlos sind, -darum sind sie die einzigen, die uns wahrhaft -vernichten können. In ein paar Jahren vielleicht -wirst Du selbst Mutter sein und mich verstehen, -und auch wissen, daß ich solche Betrachtungen -<a id="page-94" class="pagenum" title="94"></a> -anstellen kann, ohne daß meine Liebe zu Dir um -den allerkleinsten Grad vermindert wäre. -</p> - -<p> -Ich denke, es wird dazu kommen, daß Papa -Dich und Welja ins Ausland schickt; er neigt -schon sehr dazu, und es wird das beste für uns -alle sein. Lju ist uns eine Stütze in diesen Tagen. -Ich bin ihm zu Danke verpflichtet, und doch -möchte ich am liebsten, daß wir nach eurer Abreise -ganz allein wären, Dein Papa und ich. -Der Urlaub hat noch nicht die guten Folgen für -ihn gehabt, die ich erhoffte, vielleicht weil zu viel -Umtrieb und Unruhe bei uns herrschte. Furcht -habe ich seinetwegen augenblicklich nicht, weil ich -zu sehr von Dingen erfüllt bin, die noch schlimmer -sind als körperliche Gefahren. -</p> - -<p> -Sei rücksichtsvoll gegen Tante Tatjana, mein -Liebling, und auch gegen Peter. Ich will Dich -nicht bereden, einen Mann zu heiraten, den Du nicht -liebst; aber die Freundschaft eines guten Mannes -suche Dir zu erhalten. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Mama. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-32"> -Welja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 23. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Dein Spatzengehirn hat, Gott weiß woher, -einen vernünftigen Einfall gehabt, indem Du -<a id="page-95" class="pagenum" title="95"></a> -fortgingest. Spatzen und Mäuse wittern auch -ungünstige Futterverhältnisse, das ist Instinkt, -und den will ich Dir ja auch nicht absprechen. -Es ist in der Tat jetzt sehr ungemütlich hier. -Gestern früh hat Mama unter ihrem Kopfkissen -wieder einen Drohbrief gefunden: wenn Demodow -und die übrigen Studenten nicht begnadigt würden, -würde Papa ihnen im Tode folgen oder -vorangehen. Dies wäre die letzte Warnung, die -er erhielte. Durch die Post kam am selben Tage -ein Brief der Mutter Demodows, in dem sie -Papa anflehte, das Leben ihres Sohnes zu schonen. -Ob der Drohbrief mit dem in Zusammenhang -steht? Mama fand den Brief nicht so schrecklich, -wie daß sie ihn erst am Morgen fand und also -die ganze Nacht darauf gelegen hat; das ist ihr -unheimlich. Merkwürdig ist es ja, wie er dahin -gekommen ist; unsern Leuten kann man so etwas -nicht zutrauen, es ist ausgeschlossen, und wer -kann sonst in Papas und Mamas Schlafzimmer -kommen? Selbstverständlich ist es auf natürliche -Art zugegangen, aber dahinterkommen können wir -nicht. Man meint, es müßte spät abends jemand -zum Fenster eingestiegen sein; es leuchtet mir -nicht ein, aber widerlegen kann ich es natürlich -<a id="page-96" class="pagenum" title="96"></a> -auch nicht. Lju ist peinlich berührt, weil seine -Bewachung sich so deutlich als ungenügend erwiesen -hat. Ich glaube, im Grunde hat er in -der letzten Zeit gar nicht mehr daran gedacht. -Er ist sehr ernst, ordentlich düster. Heute hat er -lange mit mir über die Geschichte gesprochen; er -hält es für ausgemacht, daß die Verfasser des -Drohbriefs von dem Briefe der Frau Demodow -Kenntnis hatten; daß er also aus dem Kreise -seiner Freunde hervorgegangen sei. Natürlich -braucht Frau Demodow nichts davon zu wissen. -Zunächst, meint Lju, sollte der Drohbrief wahrscheinlich -nur bewirken, daß Papa den Brief der -Frau Demodow in günstigem Sinne beantworte, -gewissermaßen seine Wirkung verstärken. Bei -Papas Charakter würde er aber natürlich seinen -Zweck gänzlich verfehlen. Lju sagte, er achtete und -liebte Papa, der immer seinem Charakter und -seiner Einsicht gemäß handle; aber anderseits -müßte man zugeben, daß die Revolution ihm -gegenüber im Rechte wäre. Die Regierung hätte -einen allgemein verehrten Professor, einen der -wenigen, die noch den Mut freier Meinungsäußerung -gehabt hätten, verhaften und nach Sibirien -schicken wollen; Demodow hätte ihn und -<a id="page-97" class="pagenum" title="97"></a> -die Rechte der Universität verteidigen wollen. In -späteren Jahren würde man auf diese paar Studenten -hindeuten als Beweis, daß es damals in -Petersburg noch junge Männer von Mut und -Ehre gegeben hätte. In diesem Falle wären im -Grunde die Regierung Aufrührer und gesetzloser -Barbar, die sogenannten Revolutionäre Bewahrer -des Rechtes. Sie handelten anständig, indem sie -Papa von ihrer Ansicht und von ihren Absichten -unterrichteten und ihm Zeit ließen, einen andern -Weg einzuschlagen, der sie befriedigen würde. -Ich gab ihm natürlich recht, aber ich sagte, ich -könnte es doch Papa nachfühlen, daß er nun -erst recht nicht nachgäbe. Vielleicht, sagte Lju, -wenn Papa sicher wüßte, daß die Drohungen -ernst gemeint wären und ausgeführt würden, -täte er es doch aus Liebe zu seiner Frau und -seinen Kindern. Ich glaube es doch nicht; und -jedenfalls würde er eben davon nicht zu überzeugen -sein. Papa ist der einzige, der ganz unerschüttert -ist, das gefällt mir von ihm. Es ist -kein Schatten von Furcht an ihm, wenn es -früher noch möglich gewesen wäre, würde er jetzt -auf keinen Fall einlenken. Es ist natürlich auch -Trotz und Eigensinn und Rechthaberei dabei, -<a id="page-98" class="pagenum" title="98"></a> -aber fein ist es doch. Mama ist traurig; sie -findet es natürlich schrecklich, daß die Studenten -hingerichtet werden sollen, oder wenigstens Demodow, -und daß Papa es ändern könnte und -es nicht tut; ich glaube aber, sie hat jetzt nicht -wieder versucht auf ihn einzuwirken, weil sie -weiß, daß es doch umsonst wäre. Papa und -Mama sind beides außerordentlich geschmackvolle -Menschen, ich hätte mir keine andern Eltern ausgesucht, -obgleich mir ihr Charakter und ihre Ansichten -oft komisch vorkommen. -</p> - -<p> -Lju hat übrigens gesagt, nach seiner Meinung -wäre Papas Leben zunächst noch gar nicht gefährdet, -erst wenn die Studenten wirklich verurteilt -wären, würde es vielleicht kritisch. Unsre -Dienerschaft wäre ja aber unbedingt treu, und -deshalb wäre kaum für ihn zu fürchten. Ich -fragte ihn nämlich, weil er so ungewöhnlich ernst -und gedankenvoll war. Er sagte, er hätte eingesehen, -daß er uns so bald wie möglich verlassen -müßte, und das stimmte ihn traurig. Er -hätte es ja sowieso getan, nun würde er es beschleunigen. -Auch weil die Nichtübereinstimmung -zwischen seinen Ideen und Papas doch zu groß -wäre, als daß er ein Zusammenarbeiten für anständig -<a id="page-99" class="pagenum" title="99"></a> -halten könnte. Ich habe versucht, ihm -das auszureden. -</p> - -<p> -Ich bleibe jedenfalls noch hier, um Papa und -Mama ein bißchen zu zerstreuen, sie tun mir leid. -Jessika ist nur verliebt. Gottlob, daß ich es nicht -bin, es ist ein scheußlicher Zustand. Benimm -Dich korrekt, Spatz, damit Papa in dieser Zeit -Unannehmlichkeiten erspart werden. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-33"> -Jegor von Rasimkara an Frau Demodow -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 23. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Gnädige Frau! Hätte Ihr Sohn mich persönlich -beleidigt oder angegriffen, so hätte es -Ihrer Fürbitte nicht bedurft, damit ich seiner -Jugend und seinem ungestümen Charakter die -Kränkung unbedingt vergeben hätte. Unglücklicherweise -ist es nicht die Privatperson, an die Sie -sich wenden, sondern der Vertreter der Regierung; -als solcher kann ich nicht großmütig sein, denn -den Staat angehend handelt es sich nicht um -Gefühle, sondern um Nutzen und Notwendigkeit. -Ich habe den jungen Mann, dessen Gesinnung -mir bekannt war, zeitig gewarnt, sowohl in seinem -<a id="page-100" class="pagenum" title="100"></a> -wie im Interesse seiner unglücklichen Eltern; -damit, daß er meine Warnung unbeachtet ließ, -erklärte er, die Folgen seiner Handlungsweise -auf sich nehmen zu wollen. Ich traue ihm zu, -daß er selbst weder um Gnade bittet, noch der -Regierung aus ihrer Strenge einen Vorwurf -machen wird. -</p> - -<p> -Ihnen zu sagen, gnädige Frau, wie sehr ich -mit Ihnen empfinde, hätte ich vielleicht nur das -Recht, wenn ich Ihre Bitte gewähren könnte. -Erlauben Sie mir jedoch, Ihnen zu sagen, daß -ich Ihnen dankbar wäre, wenn Sie mir jemals -Gelegenheit gäben, Ihnen mein aufrichtiges -und schmerzliches Mitgefühl durch die Tat zu -beweisen. -</p> - -<p class="sign"> -Ihr ergebener<br /> -Jegor von Rasimkara. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-34"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 24. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Frau von Rasimkara hat -von dem Brief, den ich ihr unter das Kopfkissen -legte, einen starken Eindruck empfangen. Sie fand -ihn erst am Morgen, nachdem sie eine ganze -<a id="page-101" class="pagenum" title="101"></a> -Nacht darauf geschlafen hatte. Dies und daß -sie nicht begreifen kann, wie der Brief an seine -Stelle gekommen ist, findet sie am unheimlichsten. -Uebrigens ist sie gefaßt; sie ist überzeugt, daß ihr -Mann verloren ist, daß niemand es ändern kann, -und erwartet das unvermeidliche Schicksal. Das -ist aber eine Stimmung, die durch andre Stimmungen -wieder verscheucht werden kann; oder es -ist ein Grundbewußtsein, über das der Tag immer -wieder hinflutet. Der Gouverneur ist beinahe -unempfindlich für den immerhin aufregenden, -auch ihm unerklärlichen Vorfall. Er hat die Bittschrift -der Frau Demodow ohne Zögern in abschlägigem -Sinne beantwortet. Es ist keinerlei -Veränderung an ihm wahrzunehmen; allerdings -litt er schon einige Zeit unter dem Verhalten seiner -Tochter Katja. Daß ihm eine ernstliche Gefahr -droht, scheint er nicht für möglich zu halten, jedenfalls -will er sie nicht für möglich halten. -</p> - -<p> -Daß es so kommen würde, habe ich vorausgesehen. -Ich hätte den unerschrockenen und unerschütterlichen -Menschen gern gerettet; ich habe -fast zu lange an die Möglichkeit geglaubt, daß -ich es vermöchte. Wenn ich an Selbstüberhebung -gelitten habe, können die Erfahrungen, die ich in -<a id="page-102" class="pagenum" title="102"></a> -diesem Hause gemacht habe, mich davon heilen. -Ich sehe, einen Menschen ändern kann nur Gott; -oder nicht einmal Gott! Das könnte meinen -Stolz trösten. Man hat so wenig Macht über die -Menschen wie über die Sterne; man sieht sie nach -ihren unbeugsamen Gesetzen auf- und untergehen. -</p> - -<p> -Es wird nun nicht mehr lange dauern, es -gibt keinen Ausweg. Jetzt ist mir selbst das -liebste, wenn es bald vorüber ist. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-35"> -Katja an Welja -</h2> - -<p class="date"> -Petersburg, 25. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Welja, ich glaube, Du bist noch nie ganz -wach gewesen, seit Du lebst. Wache doch endlich -mal auf! Mir werden von allen Seiten Vorwürfe -gemacht, von andern kann es ja hingehen, -aber von Dir? Unerhört! Was tu’ ich denn? -Papa hat seine Ideen und ich meine; warum -soll er mehr Recht haben, seinen nachzuleben, als -ich? Seine sind schädlicher als meine, find’ ich. -Ich bringe doch niemand um. Vielleicht weil -er älter ist als ich? Schöner Grund; sein Alter -spricht doch höchstens gegen ihn. Aber lieb habe -<a id="page-103" class="pagenum" title="103"></a> -ich ihn gewiß ebenso wie Ihr, wahrscheinlich mehr -als Du. Du siehst nicht einmal ein, daß Lju -nicht im Hause bleiben darf, wenn er solche Ansichten -hat, wie er Dir gesagt hat. Wenn wir -finden, daß Papa im Unrecht ist, und daß es -der Gegenpartei schließlich nicht zu verdenken ist, -wenn sie ihn umbringt, so ist das etwas ganz -andres, als wenn ein Fremder es findet. Was -wissen wir denn eigentlich von Lju? Ich weiß, -daß er vollkommen gewissenlos ist. Dir imponiert -das natürlich, mir hat es zuerst auch imponiert, -es mag ja auch großartig sein, vielleicht hast Du -auch kein Gewissen, vielleicht möchte ich ebensowenig -haben wie er, aber das ist mir jetzt ganz -einerlei, in unserm Hause darf er nicht bleiben. -Siehst Du denn nicht ein, daß er wirklich Papa -ganz ruhig umbringen lassen würde? Halte -wenigstens die Augen offen und passe auf. Es -wurde mir geradezu unheimlich zumute, als ich -Deinen Brief las. Er heftet seine eisigen Augen -auf Papa und denkt: eigentlich hätten sie recht, -wenn sie dich umbrächten. Wozu soll er überhaupt -dasein? Daß er kein Mann für Jessika -ist, mußt du doch einsehen; übrigens will er sie -ja gar nicht einmal heiraten, er macht sie nur -<a id="page-104" class="pagenum" title="104"></a> -unglücklich. Die Geschichte mit Jessika muß auch -Mama einsehen, das andre darf sie natürlich -nicht wissen, damit sie sich keine Gedanken macht. -Hörst Du, Du darfst ihn nicht zurückhalten, -sondern mußt ihm im Gegenteil sagen, ja, geh -sofort, Du hättest es schon längst tun sollen! -Wenn Du ein Mann wärest, hättest Du ihm -längst gesagt, er müßte Jessikas wegen aus dem -Hause. Sei mal ein Mann! Papa sieht und -hört ja leider Gottes nichts; eigentlich wäre es -besser, er spielte im Berufe die Rolle, die er bei -uns spielt, und umgekehrt, dann wären Volk und -Familie zufrieden. Armer Mann, er opfert sich -einem Popanz von Pflichtgefühl — und doch ist -auch etwas Schönes an dem Unsinn. Ich weiß -nicht, was mir mehr gefällt, das oder Ljus Gewissenlosigkeit. -Ach, Papa ist nun einmal Papa, -und darum geht er vor. Wir müssen über ihn -wachen, Du mußt mir für ihn bürgen, hörst Du? -</p> - -<p class="sign"> -Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-36"> -Lusinja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 26. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebe Tatjana! Es ist gerade, als ob Du die -Sonne mit fortgenommen hättest; seitdem haben -<a id="page-105" class="pagenum" title="105"></a> -wir häßliche Regentage. Der Tag, an dem Du -so überraschend ankamest, wie war der sorglos -und heiter! So werden wir gewiß lange keinen -mehr erleben. Als wir hier herauszogen im -Mai, dachte ich nur an die Zeit, die vor mir -lag, die ich mir unbeschreiblich glücklich dachte, -wo ich Jegor ganz für mich haben würde, fern -von Geschäften und Sorgen, und mein Gefühl -war geradeso, als ob nachher nichts mehr käme. -Das hat man wohl immer so, wenn man ein -Glück vor sich hat; Glück scheint einem ewig zu -sein — obwohl es im Gegenteil nur flüchtig sein -kann. Nun merke ich, daß der Sommer vorübergehen -wird, daß, noch ehe er vorüber ist, die -Zeit kommen wird, wo wir wieder in die Stadt -ziehen müssen, wo der Prozeß anfängt mit allen -Schrecknissen für andre und für uns. Jegor wird -der Menge und Energie des aufgehäuften Hasses -nicht entrinnen. Wenn sie ihn kennten! Aber -sie kennen nur seine Taten. Und ist der Mensch -nicht in seinen Taten? Ach Gott, ich habe mir -fest vorgenommen, ich will nicht urteilen: es ist -so viel auf beiden Seiten abzuwägen, daß ich irren -könnte. Nur das weiß ich sicher, daß Jegor -niemals aus angeborener Grausamkeit oder aus -<a id="page-106" class="pagenum" title="106"></a> -persönlicher Rachsucht handelte, er glaubte immer -das Rechte zu tun, und es ist ihm oft schwer -geworden. Vielleicht hat er unrecht; aber daß -er irren kann, macht ihn mir nicht weniger teuer. -Er wertet das Bestehende und die legitime Macht -am höchsten, mich hätte die Neigung eher in eine -andre Richtung gezogen, aber ich bin deshalb -nicht besser als er. Das liegt im Blute; seine -Ahnen haben ihm andres Blut vererbt, als -meine mir. -</p> - -<p> -Ach, Tatjana, mein Herz ist schwer! Wohin -ich sehe, ist alles dunkel, so gleichmäßig dunkel, -daß ich schon gedacht habe, es wären meine -Augen, die nicht mehr hell sehen könnten. Aber -sage selbst, wo ist etwas Gutes, Tröstendes? -Wie soll der Konflikt mit den Kindern enden, -die nur ihren Neigungen nachrennen und stolz -darauf sind, daß sie sich kaum nach uns umsehen? -Müssen alle Menschen dies erleben? Ja, vielleicht -haben wir unsre Eltern ähnliches erleben lassen; -aber es ist darum nicht minder bitter. -</p> - -<p> -Furcht ist das Aergste; die Furcht, glaube ich, -hat mich so entnervt, daß ich an keiner Freude -mehr teilnehmen kann, daß ich aus mir selbst -keine mehr hervorbringen kann. Ich fürchte ja -<a id="page-107" class="pagenum" title="107"></a> -immer, Tag und Nacht, auch während ich schlafe. -Das ist das Schlimmste. Du kannst Dir gewiß -nicht vorstellen, wie das ist, zu schlafen und zu -träumen und währenddessen fortwährend von -Furcht gequält zu sein. Seit ich den Brief unter -meinem Kopfkissen gefunden habe, ist mir zumute -wie einem, der zum Tode verurteilt ist und nicht -weiß, wann das Urteil vollstreckt wird. Siehst -Du, der Mörder muß durch das offene Fenster -gekommen sein, am Hause hinaufgekrochen wie -eine Schlange, und hat an meinem Bett gestanden, -ganz dicht, und hat den Brief unter mein Kissen -geschoben. Er muß lautlos gekommen sein, wirklich -wie eine Schlange, Du weißt doch, daß ich -damals sofort aufwachte, als Lju in unser Schlafzimmer -kam, und daß ich überhaupt einen leisen -Schlaf habe. Er hatte ein Messer in der Hand -oder einen Strick und hätte Jegor auf der Stelle -ermorden können; aber er wollte ihm noch eine -Frist geben, oder er hatte im Augenblick nicht -das Herz dazu, oder er wollte uns nur auf die -Folter spannen. Jede nächste Nacht kann die -sein, wo er wiederkommt und es ausführt. -</p> - -<p> -Und warum hörte Lju nichts? Ja, warum -hätte er mehr hören sollen als wir, in deren -<a id="page-108" class="pagenum" title="108"></a> -unmittelbarer Nähe sich alles abspielte? Vor -diesem Verhängnis ist auch seine Wachsamkeit -unwirksam. Er scheint mir ganz verändert seitdem, -ernst und in sich gekehrt; aber mit diesen -Worten ist sein Wesen noch nicht treffend genug -bezeichnet. Sicherlich leidet er darunter, daß er -das nicht leisten konnte, was er versprochen hatte -und was ich ihm zutraute. Vielleicht ist es ihm -selbst unheimlich. Er sieht, daß wir verloren -sind. Er mag nicht dabei sein. Oder wenn nun -das wäre, daß er uns nicht schützen kann, nicht -schützen darf? Nach seiner Meinung natürlich. -Ob er diejenigen gesehen und erkannt hat, die -Jegor nachstellen? Ob er Freunde unter ihnen -erkannt hat? Oder irgendwelche Menschen, die er -für wertvoller hält als uns? Diese Vermutung -— nicht Vermutung, dies Gedankengespinst wird -Dir wahnsinnig erscheinen; ich wäre auch nie -daraufgekommen, wenn ich nicht sein seltsames -Wesen vor meinen Augen hätte. Irgend etwas -Geheimnisvolles ist um ihn. Zuweilen, wenn -sein Blick auf Jegor und mir ruht, schaudert -mich. Vorwerfen tue ich ihm nichts, das Mitleid, -das ich mit ihm habe, spricht deutlich für -ihn. Wenn es wahr ist, daß er uns schützen -<a id="page-109" class="pagenum" title="109"></a> -könnte und es doch nicht tun zu dürfen glaubt, -so glaubt er im Rechte zu sein. O Gott, alle -Leute haben recht, alle die, welche hassen und -morden und verleumden — o Gott, was für -eine Welt! Was für eine Verschlingung! Am -Ende ist der wohl daran, für den sie gelöst ist. -</p> - -<p> -Ich gebe zu, daß meine Nerven sehr überreizt -sind. Es ist zu entschuldigen unter diesen -Umständen, nicht wahr, Tatjana? Jegor ist ganz -ohne Furcht. Er gefällt mir so gut, ich glaube, -ich habe ihn noch nie so geliebt wie jetzt. Das -ist auch ein Glück. Ich weiß ja wohl, daß ich -glücklich bin vor vielen, vielen Frauen; aber es -ist ein schwarzer Vorhang vor diesem Wissen. -Ob noch einmal ein guter Wind kommt und ihn -fortreißt? Denke an mich, Liebe. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Lusinja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-37"> -Welja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 27. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Täubchen, Katinka, was für einen Unsinn -schreibst Du mir da von meinem Schlafen und -Wachen? Und von Ljus Gewissenlosigkeit und -Papas Pflichtgefühl, die Dir abwechselnd imponieren? -<a id="page-110" class="pagenum" title="110"></a> -Vater, wie Du willst! Wenn Du -psychologischen Scharfblick hättest, würdest du bemerkt -haben, daß Lju ein Theoretiker ist, -Handeln ist eigentlich seine Sache nicht. Er -findet, daß gewisse Leute ganz recht hätten, wenn -sie Papa töteten. Ist das neu? Natürlich hätten -sie recht. Als sie voriges Jahr den Kaiser in -die Luft sprengen wollten, waren wir uns auch -darüber einig, daß sie recht hätten, und hätten -es doch nicht getan. Dann könntest Du ja auch -von mir denken, ich brächte Papa um. So etwas -tut man eben nicht, wenn man es auch theoretisch -tadellos findet oder sogar billigt; die Kultur -hindert einen daran. Du bist einfach noch eifersüchtig, -ich hätte besser von Dir gedacht. Die -Liebe macht alle Frauenzimmer dumm und kleinlich. -Jessikas wegen wäre es ja besser, Lju ginge -fort, das gebe ich zu; ich mag nur selbst verliebt -sein, von andern kann ich es nicht leiden, sie -werden lächerlich dadurch, für Jessika ist es -geradezu ein Elend. Das heißt, ich kann mir -denken, daß andre Leute es entzückend finden, sie -kommt mir selbst oft so vor wie ein blühendes -Pfirsichbäumchen, das in Flammen steht. An sich -eine hübsche Erscheinung — aber wenn ich denke, -<a id="page-111" class="pagenum" title="111"></a> -daß sie ein Mensch und meine Schwester ist, -finde ich es albern. Ich habe auch zu Lju gesagt, -die Sache hätte sich überlebt, und es wäre -besser, daß sie nun ein Ende nähme. Er war -ganz damit einverstanden und sagte, er ginge ja -schon längst mit dem Gedanken um, unser Haus -zu verlassen, er wollte nur sicher sein, ob Mama -ihn auch gern gehen ließe. Du siehst, wie unrecht -Du hast. Vielleicht geht er mit uns ins -Ausland; natürlich geht das nur, wenn Du vernünftig -bist. Er kann doch nicht jedes Mädchen -heiraten, das sich in ihn verliebt, kleines Kalb! -Hätte ich das getan? Was Dich anbetrifft, Du -brauchst überhaupt nicht zu heiraten. Du bist -ein furchtbar niedlicher Spatz, als Eheweib und -Mutter wärest Du lächerlich. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-38"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 29. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Ich habe Frau von Rasimkara -gebeten, daß sie mich entlassen möchte. Ich -sagte, der Vorfall mit dem Briefe hätte mich -davon überzeugt, daß meine Anwesenheit nutzlos -<a id="page-112" class="pagenum" title="112"></a> -wäre. Ich hätte Tag und Nacht darüber nachgedacht, -wie es hätte geschehen können, und wäre -zu keinem Ergebnis gekommen. Durch das Fenster -könnte bei Nacht niemand gekommen sein, dessen -wäre ich sicher, ich würde es gehört haben. Die -Dienstboten könnte man meiner Ansicht nach nicht -verdächtigen, ich hielte sie für unbestechlich treu. -Sie unterbrach mich und sagte lebhaft, in diesem -Punkte hätte sie keinen Zweifel. Ich sagte, die -einzige Möglichkeit wäre, daß ein Dienstbote es -in der Hypnose getan hätte. Immerhin wäre -es nicht wahrscheinlich. So etwas interessiert sie -sehr, und wir sprachen eine Weile darüber. -Uebrigens, sagte sie, wollte sie die Sache mit -dem Briefe ruhen lassen, es käme doch nichts -dabei heraus. Eine eigentliche Untersuchung -wollte ihr Mann nicht anstellen, er pflegte Drohbriefe -immer zu ignorieren und mäße ihnen keine -große Bedeutung bei. Bis jetzt hätten die Erfahrungen -ihm ja auch recht gegeben. Ich bestritt -dies weder, noch bestätigte ich es. Jedenfalls, -sagte ich, wäre die Lage so, daß sie meiner -nicht mehr bedürfte, sei es nun, weil keine Gefahr -vorhanden sei oder weil ich nicht dafür einstehen -könnte, daß ich sie abzuwenden imstande wäre. -</p> - -<p> -<a id="page-113" class="pagenum" title="113"></a> -Sie fragte, wohin ich mich zu wenden und -was ich zu tun gedächte. Ich sagte, ich wollte -mein Werk vollenden, das läge mir zumeist am -Herzen. Wenn ich mich mit meinem Vater aussöhnte, -würde ich bis auf weiteres zu Hause -bleiben; er hätte mir kürzlich einen entgegenkommenden -Brief geschrieben. Sonst würde ich -bei einem Freunde Zuflucht finden. Sie sagte, -daß sie und ihr Mann mir zu Dank verpflichtet -wären und daß ich ihnen gestatten müßte, daß -sie mir zu Hilfe kämen, wenn ich Hilfe gebrauchte; -das würde keine Wohltat, sondern Erstatten -einer Schuld sein. Sie war ernst, liebenswürdig, -von gewähltester Feinheit. Wenn es mir paßte, -sagte sie, wäre ich frei, sofort zu gehen, wenn -ich aber über meinen künftigen Aufenthalt noch -nicht im klaren wäre, sollte ich bleiben, solange -ich möchte. Ich sagte, ich wollte versuchen, ein -Verständnis mit meinem Vater zu erzielen, und -würde ihr dankbar sein, wenn ich ihre Gastfreundschaft -noch etwa vierzehn Tage in Anspruch -nehmen dürfte; bis dahin würde sich das -entschieden haben. Ich wollte ihre Hand küssen, -die sehr schön ist; aber ich dachte plötzlich daran, -was ich ihr anzutun willens bin, und unterließ es. -</p> - -<p> -<a id="page-114" class="pagenum" title="114"></a> -Ich habe den Eindruck, daß meine Mitteilung -sie froh gemacht hat, wahrscheinlich Jessikas wegen. -Ich glaube sogar, sie denkt, ich hielte es Jessikas -wegen für meine Pflicht, zu gehen, und hat deswegen -ein Gefühl der Dankbarkeit für mich. -Lebe wohl! -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-39"> -Jessika an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 29. Juni. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebste, holdeste Tante! Ich glaube, ich komme -bald zu Dir. Die paar Tage, wo Du hier warest, -waren so schön! Alle waren heiter und zufrieden -durch Deine Gegenwart. Jetzt ist es schrecklich. -Lju wird fortgehen, er sagt, er müsse fort, weil -es sich gezeigt hätte, daß er überflüssig wäre, -und weil Mama ihn nicht mehr brauchte. Zuerst -sagte Mama doch, sie hätte noch niemals -ein solches Sicherheitsgefühl gehabt wie jetzt, weil -Lju da wäre. Aber Papa hatte es niemals gern, -und er wird zu Mama gesagt haben, daß er es -nun nicht länger möchte. Du weißt ja, daß -Papa nicht gern fremde Menschen um sich hat, -sogar daß Du hier warest, hat seine Nerven angegriffen. -Mama ist gewiß im Grunde sehr unglücklich, -<a id="page-115" class="pagenum" title="115"></a> -daß Lju fortgeht. Und wenn nun Welja -und Katja auch noch fortgehen! Papa ist schon beinahe -überzeugt, daß es am besten ist, wenn sie in -Berlin oder Paris die Universität besuchen. Welja -freut sich schrecklich und Katja natürlich auch, ich -gönne es ihnen, sie mögen ja so gern reisen. Aber -nimm mich dann zu Dir, Tante Tatjana, bis wir -wieder in die Stadt ziehen. Es ist mir hier zu -traurig so allein, nachdem es im Mai so schön war -wie noch nie. Die Stimmung hier ist so erdrückend. -Papa und Mama werden ganz einverstanden sein, -vielleicht tut es ihnen gut, einmal allein zu sein. -Dann kann Papa sich am besten ausruhen, und die -Arbeit, die für die beiden zu machen ist, können unsre -Dienstboten ja bequem ohne mich ausrichten. Lju -weiß noch nicht, wohin er geht. Er sagte mir, wenn -er nach Petersburg ginge, würde er Dich besuchen, -falls Du es erlaubtest. Er schwärmt oft von Deiner -Schönheit und Deinem Geist. Wer täte das nicht? -Am meisten -</p> - -<p class="sign"> -Deine kleine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-40"> -Welja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 1. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Nun, mein süßer Spatz, Deine Schopffedern -sind wohl noch zornig gesträubt gegen Deinen -<a id="page-116" class="pagenum" title="116"></a> -Bruder, weil er Dir, wie es seine Pflicht ist, -die Wahrheit gesagt hat? Unterdessen arbeitet -er für Dein und sein und unser aller Wohl. -Seit Papa sich überzeugt hat, daß wir die tiefere -Bildung nur erlangen können, wenn wir ein -paar Semester im kultivierten Westen studieren, -ist seine Laune wieder sehr gestiegen. Er findet -es jetzt auch besser, daß wir mit dem mehr -äußerlichen Paris beginnen, um später zum -gründlichen philosophischen Deutschland fortzuschreiten. -Wir sollen bald fort; denn Papa begreift -auf einmal, daß alle unsre Unzulänglichkeiten -nur davon kommen, daß wir den Einfluß -der alten westlichen Kultur noch nicht durchgemacht -haben. Du mußt also Dein Studium -sofort aufgeben und für unsre Ausrüstung sorgen, -das heißt dabeistehen, wenn Tante Tatjana es tut. -</p> - -<p> -Lju geht fort, vielleicht schon vor uns. Ich -denke mir, er wird auch nach Paris kommen, -wenn wir da sind, obgleich er sich nicht bestimmt -darüber ausspricht. Wir fahren oft Automobil -zusammen. Ich habe Mama mein Wort geben -müssen, ihn möglichst selten mit Jessika allein zu -lassen — ganz überflüssig, denn er hat selbst gar -keine Lust dazu. Auf Papa nehme ich auch viel -<a id="page-117" class="pagenum" title="117"></a> -Rücksicht, ich spiele nie mehr Wagner, weil ihn -das nervös macht. Uebrigens geht es ihm wirklich -viel besser, außer seiner Scharteke hat er -jetzt noch unsre Reise, die ihn angenehm beschäftigt, -er gibt mir Anweisungen, welche Züge -wir nehmen müssen, in welchen Hotels wir absteigen -sollen, und hat dabei fast das Gefühl, er -könnte selbst mit. Sei Deinem Bruder dankbar, -anstatt zu schmollen, was überhaupt kindisch ist. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-41"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 1. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Das beste wäre, Du gingest -mit nach Paris. Meine Mutter wünscht es, weil -sie Dich für verständiger hält als uns, denn sie -ist auch einverstanden, und mir mußt Du nur -versprechen, kein verliebtes Gedusel mit Katja -anzufangen. So bist Du ja aber auch nicht; -was Du im Innern fühlst, ist mir natürlich -einerlei. Wenn Deine Kurse sich durch Deine -Abreise auflösen, ist es um so besser. Papa hat -noch Schererei genug, er kann einem wirklich leid -tun. Mit der Gesinnungsmeierei kann es ja -<a id="page-118" class="pagenum" title="118"></a> -dann wieder losgehen, wenn wir zurückkommen. -Ich meinerseits mache sehr gern mal eine Pause. -In Paris wirst Du Dich auch noch politisch -entwickeln, ich sehe Dich schon als gereiften Robespierre -ins heilige Rußland einbrechen. -</p> - -<p class="sign"> -Unbedingt Dein<br /> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-42"> -Lusinja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 2. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Mein Herzenskind! Es ist beschlossen, daß -Ihr, Du und Welja, nach Paris geht. Du freust -Dich, nicht wahr? Ich denke, Ihr werdet vernünftig -sein und nicht gar zu viel Geld ausgeben, -Ihr seid doch alt genug, um die Verhältnisse -zu begreifen und Euch in sie zu schicken. -Ihr habt den besten Vater, der sich niemals auf -unrechtmäßige oder auch nur unfeine Weise bereichert -hat, wie so viele tun, und ich hoffe, ihr -ehrt und liebt ihn deswegen um so mehr und seid -stolz auf die verhältnismäßige Beschränktheit -unsrer Mittel. Er hat trotzdem immer mit verschwenderischer -Güte für Euch gesorgt, mißbraucht -es nicht. Das Ueberschreiten eines gewissen -Maßes würde ihm nicht nur Kummer, sondern -<a id="page-119" class="pagenum" title="119"></a> -sehr ernste Widerwärtigkeiten bereiten. Innerhalb -dieser Begrenzung, mein Liebling, sollt Ihr eure -Freiheit herzhaft genießen und die Euch gebotenen -Mittel, Euch zu ganzen Menschen zu bilden, benutzen. -</p> - -<p> -Ich denke mir, daß Jessika, wenn Lju und -Ihr fort sein werdet, zu Tante Tatjana gehen -wird. Ihr armes, zärtliches Herz muß noch -viel durchmachen, sie wird dort weniger leiden -als hier, deshalb lege ich ihr nichts in den Weg. -Daß Lju fortgeht, ist ihretwegen notwendig. -Seine anregende Art zu sprechen, die naheliegenden -mit entfernten und interessanten Vorstellungen -zu verbinden, werde ich vermissen. Er läßt nie -ein Wort, das man sagt, fallen, sondern fängt -es auf und spinnt daran weiter. Das lieb’ ich -sehr an ihm; am meisten aber, daß er eine -Persönlichkeit ist, ein Mensch mit einem intensiven -Bewußtsein von allen Dingen und mit einem -klaren Willen. Anderseits erleichtert es mein -Gemüt, daß er fortgeht, und nicht nur Jessikas -wegen. Er hat etwas Fremdartiges und Unergründliches -für mich, das mich zuzeiten sehr -aufgeregt hat. Er hat einen sonderbaren Blick; -vielleicht hat er auch damit solche Macht über -<a id="page-120" class="pagenum" title="120"></a> -Jessika gewonnen. Das Rätselhafte zieht an und -ängstigt zugleich. Er gehört nun einmal nicht -zu uns, und all sein Sinn für die verschiedenartigsten -Menschen kann das nicht überbrücken. -Und dann nachtwandelt er; darüber kann ich -nicht wegkommen. -</p> - -<p> -Nach allen Erregungen dieses Sommers freue -ich mich darauf, mit Papa allein zu sein. Wirklich, -ich freue mich darauf — macht Euch also -keine Gedanken unsertwegen. Ihr werdet uns -viele schöne Briefe schreiben, und wir werden -Euch im Geiste zur Mona Lisa und zur Place -de la Concorde und zu den Springbrunnen von -Versailles begleiten. Dabei fällt mir ein, daß -wir dazu nicht einmal den Hut aufzusetzen brauchen, -daß Ihr aber Reisekleider und sonst noch allerlei -haben müßt. Vieles werdet Ihr gewiß geschmackvoller -und billiger in Paris besorgen. Wäret -Ihr nur praktischer! Kann ich es Euch überlassen? -Jedenfalls, eine gewisse kleine Ausrüstung müßt -Ihr doch von hier mitnehmen, damit beschäftige -Dich jetzt, Du hast ja Tante Tatjana, die beste -Ratgeberin, zur Seite. Lebe wohl, mein Herzenskind, -schreibe Deinem Vater bald, daß Du Dich -auf Paris freust. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Mama. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-43"> -<a id="page-121" class="pagenum" title="121"></a> -Katja an Jegor -</h2> - -<p class="date"> -Petersburg, 4. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Papa! Es ist fabelhaft anständig von -Dir, daß Du uns nach Paris gehen läßt. Du -hast aber auch etwas Gutes davon, indem Du -uns los wirst. Peter will vielleicht auch mit, -es ist mir ganz recht, denn er ist so praktisch, -daß man ihn eigentlich gar nicht entbehren kann. -Zum Beispiel ein Automobil heilmachen, weswegen -Lju damals eigens in die Stadt fuhr, -das kann er selbst und wenn es noch so kompliziert -ist. Er ersetzt einem Dienstmann, Schlosser, -Tapezierer, Schneider, Koch und sogar Putzmacherin, -nur ist sein Geschmack etwas veraltet. -Er ist jetzt auch sehr zurückhaltend gegen mich, -es scheint mir beinahe, als wäre er nicht mehr -verliebt; das ist eigentlich schade, obgleich es mir -manchmal lästig war. Für die Reise ist es aber -besser so, das sehe ich ein. Und gefällig ist er -auch doch noch ebenso wie früher, gestern hat er -mir erst ein Buch sehr schön eingebunden und -einen Schlüssel gemacht für einen, den ich verloren -hatte, was Tante Tatjana nicht erfahren -sollte. -</p> - -<p> -<a id="page-122" class="pagenum" title="122"></a> -Wenn Peter mitgeht, werden wir viel Geld -sparen, auch weil er immer aufpaßt. Soll ich -noch einmal kommen und Euch Adieu sagen? Ich -tue es sehr gern, dann müßt Ihr aber Lju vorher -wegschicken, ich kann ihn nicht ausstehen, und -seine Gegenwart würde mir alles verleiden. -</p> - -<p class="sign"> -Deine allerkleinste Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-44"> -Lusinja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 5. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebste Tatjana! Ich habe die melancholischen -Anwandlungen ganz überwunden, das muß ich -Dir doch erzählen. Weil es einfach so nicht -weiterging, hat sich in mir ein Umschwung vollzogen. -Man entdeckt oft platte Wahrheiten, so -ist es mir mit dem Sprichwort gegangen, daß -Gott dem Mutigen hilft. Zuerst kostete es mich -Anstrengung, die Furchtgedanken zu unterdrücken -und zuversichtlich in die Zukunft zu sehen, aber -nachdem ich dies ein paarmal gemacht hatte, -schien mich auf einmal eine unbekannte Kraft zu -tragen und von selbst überströmte mich Heiterkeit. -Zum Teil kommt es allerdings auch daher, daß -Jegor wieder in guter Stimmung ist, seit er den -<a id="page-123" class="pagenum" title="123"></a> -Entschluß gefaßt hat, die Kinder nach Paris -gehen zu lassen. Das ist mir der größte Schmerz, -ihn so gedrückt und ohnmächtig traurig zu sehen. -Nun freue ich mich ordentlich auf die Zeit, wo -wir allein sein werden. Ich glaube, so ganz -allein waren wir noch niemals, seit die Kinder -auf der Welt sind. Und auf dem Lande, ohne -etwas zu tun, in schöner Umgebung! Es muß -jetzt alles schnell gehen, sonst ist die Zeit des -Urlaubs zu Ende, bevor sie alle fort sind. Jegor -freut sich auch darauf, er meint nur immer, ich -könnte gar nicht mehr für ihn und in ihm allein -leben, weil ich gewohnt wäre, mich für viele und -vieles auszugeben, aber im Herzen weiß er genau, -daß ich mit ihm allein erst in meinem Elemente -sein werde. Wann wird man wohl einmal -älter? Bis jetzt bin ich seit meinem zwanzigsten -Jahre immer jünger geworden — ich! Meine -Haare und meine Haut natürlich nicht. -</p> - -<p> -Liebe Tatjana! Hilfst Du meiner kleinen -Katja besorgen, was sie zur Reise braucht? Du -hast ja soviel Geschmack und Einsicht. Wenn -Dein Peter mitginge nach Paris, das wäre eine -große Beruhigung für uns. Obwohl er nur so -wenig älter ist als Welja, wäre es mir doch, -<a id="page-124" class="pagenum" title="124"></a> -als wenn ein Mentor mitginge. Ich dachte erst -an Lju in diesem Sinne, aber Katjas Abneigung -ist ja nicht zu besiegen. Und wenn ich denke, -wie sie zuerst für ihn schwärmte! Er war ein -Orakel für alle drei Kinder. Da nannte er sie -einmal Katinka statt Katja, und aus war es für -immer. Ein bißchen verrückt kommen mir meine -Kinder zuweilen vor, Gott weiß, woher sie es -haben. Natürlich, Tatjana, glaube ich nicht, daß -diese Namensirrung der einzige Grund ist. Es -wird wohl allerlei zwischen den Kindern vorgefallen -sein, Eifersucht und dergleichen. Im -Charakter würden ja Lju und Katja ganz gut -zusammenpassen, wenigstens eher als Lju und -Jessika; aber es pflegen sich nun einmal die -Gegensätze anzuziehen. Jedenfalls ist mir die -Abneigung, und wenn sie noch so ungerecht wäre, -lieber als das Gegenteil. Es ist mir auch viel -lieber, wenn Peter mitgeht. Ich weiß, daß Lju -die Kinder liebt und versteht, er hat etwas Imponierendes, -etwas Gewandtes, und wäre insofern -geeignet, ihr Führer zu sein. Aber ich -glaube, ich würde zuweilen davon träumen, daß -er in somnambulem Zustande in ihr Schlafzimmer -ginge und an ihrem Bett stände und sie -<a id="page-125" class="pagenum" title="125"></a> -mit dem rätselhaften Blick, der ihm eigen ist, -betrachtete. -</p> - -<p> -Ach, Tatjana, das muß ich Dir doch erzählen! -Als ich damals den Drohbrief unter meinem -Kopfkissen gefunden hatte, sagte Lju, es könnte -auch jemand im Hause getan haben, den ein -andrer daraufhin hypnotisiert hätte, so etwas -wäre möglich. Da dachte ich an seinen rätselhaften -Blick und sein nächtliches Wandern, und -es kam mir in den Sinn, er selbst könnte ja -von einem fremden, dämonischen Willen besessen -sein. Ich wäre damals nicht imstande gewesen, -mit jemand darüber zu sprechen oder Dir davon -zu schreiben, so grausig war mir die Vorstellung. -Jetzt kann ich es ganz ruhig und lache sogar -dabei. Neulich erzählte ich es Jegor, der amüsierte -sich so darüber, daß ich jetzt immer lachen muß, -wenn ich daran denke. Er sagte, je aberwitziger -eine Geschichte wäre, desto bereitwilliger glaubte -ich sie. Für ganz unmöglich halte ich so etwas -aber doch an sich nicht, sonst hätte auch Lju es -nicht gesagt. -</p> - -<p> -Du bist also einverstanden, liebe Tatjana, -daß Jessika zu Dir kommt? Wenn Peter fortgeht, -wärest Du ja sonst allein, und Jessika ist -<a id="page-126" class="pagenum" title="126"></a> -so gern bei Dir. Uns freut es, wenn sie Dir -etwas sein kann. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Lusinja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-45"> -Jessika an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 6. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebes Kleines! Werde nicht böse, aber es -ist doch sehr häßlich von Dir, daß Du nicht -kommen willst, solange Lju hier ist, und ihn dadurch -aus dem Hause treibst. Das hat er doch -nicht um uns verdient. Ich glaube, Du denkst, -er handelte schlecht gegen mich, und das ist doch -gar nicht richtig. Er liebt mich, aber er hat mir -von Anfang an gesagt, daß er nicht wüßte, ob -er mich jemals heiraten könnte, weil er zu stolz -ist, und daß ich meinen Gefühlen den Charakter -der Freundschaft geben müßte. Das tue ich doch -auch, und was ist denn dabei, daß er mein -Freund ist? Er ist doch auch Weljas Freund -und war auch Deiner, bis Du Dich so abstoßend -gegen ihn benahmest. Er kann sich ja so einrichten, -daß er den ganzen Tag nicht zu Hause -ist, wenn Du hier bist. Für Papa und Mama -ist die Geschichte doch auch peinlich, und da Du -<a id="page-127" class="pagenum" title="127"></a> -so viel Schönes vor Dir hast, könntest Du recht -gut in solchen Kleinigkeiten ein wenig Rücksicht -nehmen. -</p> - -<p> -Bist Du böse, mein Brummerchen, daß ich -Dir das sage? Ich predige Dir doch selten -Moral, das mußt Du mir zugestehen. Aber Du -wirst ja doch tun, was Du willst. Papa und -Mama sind jetzt sehr wohl, es ist zu niedlich, -wie sie sich auf ihr Alleinsein freuen. Sie sehen -manchmal aus wie ein Brautpaar, das bald -Hochzeit haben wird, jung und schön und geheimnisvoll -beseligt. Ich freue mich, daß gerade -Rosenzeit ist; in ein paar Wochen werden alle -blühen, dann kann Mama alle Tage ihre Tafel -mit Rosen bedecken und sich Rosen ins Haar -stecken und alle Vasen vollfüllen. -</p> - -<p class="sign"> -Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-46"> -Welja an Peter -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 8. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Peter! Gestern begegnete mir etwas -Merkwürdiges. Ich wollte Lju in seinem Zimmer -aufsuchen, und da er nicht da war, wartete ich -auf ihn. Ich setzte mich an seinen Schreibtisch -<a id="page-128" class="pagenum" title="128"></a> -und blätterte gedankenlos in seiner Schreibmappe, -da sah ich einen Zettel, auf den mit einer Handschrift -etwas geschrieben war, was mir auffiel. -Erst wußte ich gar nicht warum — dann fiel -mir plötzlich ein, daß mit derselben oder einer -ganz ähnlichen Handschrift der Drohbrief geschrieben -war, den Mama unter ihrem Kopfkissen -gefunden hat. Denke Dir, ich habe zum erstenmal -in meinem Leben einen wahnsinnigen Schrecken -bekommen, es drehte sich alles um mich. Und -dabei weiß ich gar nicht bestimmt, was mich -eigentlich so entsetzte; aber meine Hände und -meine Schläfen waren in einem Augenblick mit -Schweiß bedeckt. Wahrscheinlich machte mein -Unbewußtes blitzschnell eine Reihe von Schlüssen, -deren Ergebnis der Schrecken war. Ich ging -rasch fort und versuchte meine Gedanken zu -ordnen, ich schwöre Dir, ich war so bestürzt, daß -ich nicht klar denken konnte. Als Lju wieder da -war, richtete ich es so ein, daß wir uns in sein -Zimmer setzten, ich blätterte in seiner Mappe, -spielte mit dem Zettel und sagte so beiläufig, die -Handschrift wäre ja der auf dem Drohbrief ganz -ähnlich. „Nicht wahr?“ sagte Lju vergnügt, -„ich glaube auch, daß man sie für dieselbe halten -<a id="page-129" class="pagenum" title="129"></a> -kann. Ich habe versucht, sie aus dem Gedächtnis -nachzumachen, damit man eventuell damit auf die -Spur des Schreibers kommen könnte; aber dein -Vater will ja nicht, daß die Sache verfolgt -wird.“ Papa hat nämlich den Brief zerrissen, -das machte er immer so mit anonymen Zuschriften. -Es ist ja unfaßlich, daß mir dies -passieren konnte! Ich wußte, daß Lju anfangs -mit dem Plan umging, herauszukriegen, wer den -Brief geschrieben hat, und wußte auch, daß er -sich viel mit Graphologie beschäftigt! Allerdings, -sowie ich seine Stimme hörte und ihn sah, kam -mir meine Aufregung schon gleich kindisch vor. -Am liebsten hätte ich hernach zu Lju gesagt, wie -es gewesen ist, aber ich weiß nicht warum, ich -brachte es nicht über die Lippen. Er ist vollkommen -ahnungslos und freut sich über seinen Erfolg; es -ist ja auch eine kolossale Leistung, eine Schrift aus -dem Gedächtnis so täuschend nachzuahmen. -</p> - -<p> -Ich erkläre mir meine Dummheit damit, daß -die Geschichte mit dem Drohbrief einen doch ein -bißchen nervös gemacht hat. Wenn Papa anders -wäre, würde man sich, glaube ich, tatsächlich -ängstigen; aber er hat eine solche Sicherheit, daß -man es für unmöglich hält, ihm könnte etwas -<a id="page-130" class="pagenum" title="130"></a> -zustoßen. Schließlich erlebt man doch auch solche -Schauergeschichten nicht in Wirklichkeit, das ist -höchstens Reiselektüre. Attentate sind ja allerdings -oft vorgekommen. Aber Papa sagt, er -wäre im allgemeinen gar nicht so verhaßt, und -die Angehörigen der Studenten wären gebildete -Leute, unter denen keine Mörder zu suchen wären. -Dieser letzte Drohbrief sollte ihn doch nur einschüchtern, -das wäre klar, und übrigens könnte -man auch plötzlich krank werden und sterben, dem -Tode wäre man immer ausgesetzt, man müßte -dergleichen nicht beachten. Manchmal frage ich -mich, ob die Furchtlosigkeit ein Vorzug oder -ein Mangel an Papa ist; vielleicht hat er einfach -gar keine Phantasie. -</p> - -<p> -Er ist jetzt ganz besonders gut aufgelegt. -Seine Scharteke ist entzweigegangen und er -klütert stundenlang mit Lju daran herum, um -herauszukriegen, woran es liegt. Lju betreibt die -Sache auch mit Eifer und Ernst, es ist mir nicht -klar geworden, ob er es tut, um Papa ein Vergnügen -zu machen oder weil es ihn wirklich auch -interessiert. -</p> - -<p> -Herrgott, ich will froh sein, wenn wir erst -in Paris sind; helfen oder ändern kann ich hier -<a id="page-131" class="pagenum" title="131"></a> -doch nichts. Erzähle Katja nichts von meiner Geschichte -mit Lju. Papa sagt, in Deutschland könnte -man sehr gut zweiter Klasse fahren. Vater, wie du -willst, wenn wir nur überhaupt reisen. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-47"> -Jessika an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 10. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Katja, Du sollst auf gar keinen Fall kommen, -hörst Du! Wenn Du nur noch nicht fort bist! -Denke Dir, gestern ist das Väterchen plötzlich -furchtbar krank geworden. Er hatte Krämpfe -und wand sich und wurde blau im Gesicht, es -war einfach schrecklich. Zuerst sagte Welja, er -wäre betrunken, aber das merkte man bald, daß -es etwas andres war, und die Mädchen sagten, -er hätte die Cholera, und stellten sich unbeschreiblich -an, keine wollte bei ihm bleiben. Lju nahm -alles in die Hand, er sagte, Cholera könnte es -nicht sein, das hätte andre Symptome, es wäre -wahrscheinlich ein typhöses Fieber mit irgendwelchen -Komplikationen. Er verordnete allerlei -und blieb bei Iwan, obgleich Papa und Mama -es nicht leiden wollten, weil sie meinten, es -<a id="page-132" class="pagenum" title="132"></a> -könnte ansteckend sein; aber er sagte, erstens -glaubte er das nicht und außerdem fürchtete er -sich gar nicht davor und wäre deshalb auch nicht -empfänglich. Iwan starrte ihn immer ganz erschrocken -an, wenn er zu sich kam, ich glaube, -er hatte ihn ungern bei sich, aber er wagte es -nicht zu sagen. Als der Arzt kam, sagte er, -alles, was Lju angeordnet hätte, wäre angemessen, -er würde auch nichts andres gemacht haben und -er glaubte auch, daß es Unterleibstyphus wäre. -Papa und Mama wollen durchaus nicht, daß Du -kommst, wegen der Ansteckung. Wir wären nun -einmal da, das wäre nicht zu ändern, Du solltest -Dich aber nicht mutwillig der Gefahr aussetzen. -Ich finde, sie haben ganz recht, helfen kannst Du -doch nicht, und Mama würde sich ängstigen, -selbst wenn es mit der Ansteckung gar nicht so -schlimm ist. Zunächst kann Iwan noch nicht in -die Stadt transportiert werden, weil er zu krank -ist. Das arme Väterchen! Welja sagt immer, -es wäre zu schade um ihn, der Wein schmeckte -ihm so gut, ja, mit Branntwein war er schon -glücklich. -</p> - -<p> -Ich sehe Dich nun gewiß auch nicht mehr -vor der Reise, mein Glühwürmchen! Aber ich -<a id="page-133" class="pagenum" title="133"></a> -komme nicht dazu, Dich zu vermissen, so viel ist -jetzt zu tun! -</p> - -<p class="sign"> -Deine Jessika. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-48"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 10. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Ich habe die Schreibmaschine -abgeschickt. Es bleibt also dabei, daß -die Explosion durch Druck auf den Buchstaben <span class="antiqua">J</span> -zur Entladung kommt. Da wir uns auf einen -Buchstaben einigen müssen, soll es der sein, mit -dem der Vorname des Gouverneurs beginnt; es -ist ausgeschlossen, daß er einen Brief schreibt, -ohne ihn zu benutzen. Zunächst liegt nun die -Verantwortung auf Dir. Ich bin froh, auf -kurze Zeit davon frei zu sein, denn ich fühle mich -krank. Es liegt mir ein Fieber in den Knochen, -am liebsten würde ich mich zu Bett legen, ich -glaube aber, daß ich das Entstehen einer Krankheit -am ersten durch Widerstand verhindern kann. -Es ist mir schon einmal gelungen. Der Kutscher -Iwan hat den Unterleibstyphus in hohem Grade, -er ist noch in Lebensgefahr; und weil hier -Schrecken und Ratlosigkeit herrschte, denn die -<a id="page-134" class="pagenum" title="134"></a> -Dienstleute meinten, er hätte die Cholera, und -ich einigermaßen Bescheid mit solchen Sachen -weiß, habe ich mich seiner angenommen. Der -Mann mag mich nicht leiden, er empfindet eine -unklare Furcht oder Abneigung gegen mich, ich -denke mir, er spürt in der Art, wie Tiere das -können, die Gefahr, die seinem Herrn von mir -droht. Ich habe eine besondere Vorliebe für -diese noch halb tierischen, im Unbewußten lebenden -Volksnaturen, es war mir eine ordentliche -Freude, ihn zu behandeln und zu beobachten. -Vielleicht habe ich mich bei der Pflege überanstrengt, -da ich ohnehin angegriffen war. -</p> - -<p> -Sollte die Krankheit stärker als ich sein und -sollte ich nach Petersburg ins Spital geschafft -werden, das wäre sehr schlimm. Denn ich muß -durchaus die Maschine selbst in Empfang nehmen -und aufstellen. Ich kann aber mit Sicherheit -darauf rechnen, daß Herr und Frau von Rasimkara -mich im Hause behalten und bei sich verpflegen -würden, selbst wenn ich mich sträubte. Vor allen -Dingen rechne ich auf meine gesunde Natur und -auf die Kraft meines Willens. Mauern einreißen -wie Simson kann man wohl nicht mehr, aber -seinen Körper aufrechthalten, wenn er einstürzen -<a id="page-135" class="pagenum" title="135"></a> -möchte, wenigstens für eine Weile. Auf alle -Fälle erwarte noch ein Zeichen von mir, ehe Du -handelst. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-49"> -Lusinja an Tatjana -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 12. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Liebste Tatjana! Wie sehr schnell wandelt -sich doch das Antlitz aller irdischen Dinge, wirklich -schneller als der bewölkte Himmel; das ist auch -so ein Gemeinplatz, der uns plötzlich wie eine -Offenbarung vorkommt, wenn wir seine Wahrheit -erleben. Unserm guten alten Iwan scheint es -besser gehen zu wollen; wenigstens meint der -Arzt, daß, wenn die Krankheit zum Ende führte, -schon eine erhebliche Verschlimmerung eingetreten -wäre. Du weißt, wie eng wir mit unsern Leuten -verbunden sind; andre zu haben, wäre für uns -geradeso traurig, wie in ein andres Haus zu -ziehen. Einen Menschen in Lebensgefahr, gewissermaßen -sterben zu sehen, ist für mich überhaupt -ein schreckliches Leiden; es wird mir dann -auf einmal klar, daß dies unser aller Los ist, -daß die schwarze Kugel ebensogut mich hätte -treffen können und mich morgen vielleicht trifft -<a id="page-136" class="pagenum" title="136"></a> -oder übermorgen vielleicht, daß sie eines Tages -mich unabwendbar treffen muß. Dann kann mich -eine Angst erfassen, eine Angst, die tausendmal -schlimmer als der Tod ist. Ja, an Iwan scheint -es diesmal vorübergegangen zu sein. Aber gestern -abend mußte sich Lju hinlegen. Er hat doch -Iwan so gut gepflegt und sich der Ansteckung -ausgesetzt, als ob es etwas Selbstverständliches -wäre. Wir bewunderten ihn um so mehr, als -Iwan ihn niemals hat leiden mögen und kein -Hehl daraus gemacht hat. Vorgestern war er schon -nicht wie sonst; aber wenn ich ihn fragte, behauptete -er, vollständig wohl zu sein. Gestern -mittag sah er fieberhaft aus. Jegor, der natürlich -nichts merkte, sprach davon, daß er seine Schreibmaschine -vermißte, an die er sich so gewöhnt -hätte, und daß er hoffe, sie käme bald wieder. -Da sagte Lju: „Ach, sagen Sie das nicht! Mir -wäre es lieber, wenn sie noch recht lange ausbliebe!“ -Ich habe mal von einem berühmten -Schauspieler gelesen, der sich zuweilen vor der -Aufführung berauschte und so haltlos war, daß -man für unmöglich hielt, er könnte spielen; wenn -er aber auftreten mußte, nahm er sich mit dämonischer -Willenskraft zusammen und spielte hinreißend, -<a id="page-137" class="pagenum" title="137"></a> -nur selten ließ diese Kraft etwas nach, -so daß sein Zustand zum Durchbruch kam. -Weißt Du, daran erinnerte er mich in dem -Augenblick; er war immer nahe daran, zu phantasieren. -Ich stellte ihm eindringlich vor, daß er -Fieber hätte und daß er sich hinlegen müßte, er -gab es auch zu, behauptete aber, Bewegung wäre -für ihn in solchen Fällen das Beste, er wollte -einen Ausflug auf dem Rade machen. Es war -ihm nicht auszureden, er fuhr fort und kam nach -drei Stunden ganz in Schweiß und vollständig -erschöpft zurück. Dann hat er sich zu Bett gelegt, -ohne etwas zu sich zu nehmen. Heute ist -er vollständig ermattet liegen geblieben, aber das -Fieber scheint wirklich gebrochen zu sein. Der -Arzt, der Iwans wegen kam, sagte, solche Kuren -könnten tatsächlich zuweilen glücken, aber er würde -sie niemand vorschreiben, es wäre nicht jedermanns -Sache. Ein außerordentlicher Mensch ist Lju, -er fesselt einen immer wieder aufs neue. -</p> - -<p> -Liebe Tatjana, wenn wir nur erst allein -sind! Ich pflege gern Kranke, und es ist mir -ordentlich lieb, daß ich etwas für Lju tun kann -— es ist nur sehr wenig, eigentlich pflegen kann -man ihn gar nicht, er ist ein Mensch, der nur -<a id="page-138" class="pagenum" title="138"></a> -geben kann, zum Empfangen fehlt ihm das -Organ — ja, aber ich hatte mich nun einmal -auf das Alleinsein mit Jegor gefreut, und alles -Unerwartete, was jetzt geschieht, kommt mir wie -ein tückisches Hemmnis vor, das sich zwischen -uns und die ersehnten Ferientage schiebt. Welja -und Jessika wären schon heute zu Dir gekommen, -aber sie wollten durchaus nicht abreisen, bevor -sich entschieden hätte, ob Lju ernstlich krank würde. -Gott sei Dank, daß diese Gefahr vorübergegangen -ist — wie würde das in Jessikas weichem Herzen -die Liebe gesteigert haben! Iwan wird, sowie er -transportfähig ist, ins Spital geschafft werden, -und bis er hergestellt ist, wird ein verläßlicher -Mann, den wir schon mehrmals zur Aushilfe -hatten, an seine Stelle treten. Ich dachte daran, -mit Jegor in die Stadt zu kommen, um die -Kinder abreisen zu sehen; er sagt aber, da er -eigens Urlaub genommen hätte, um seiner Gesundheit -wegen einen Landaufenthalt zu nehmen, -möchte er sich lieber nicht in Petersburg sehen -lassen, es könnte mißdeutet werden. Er meint -auch, der Abschied würde mir dort viel mehr -zum Bewußtsein kommen, ich würde mich sehr -aufregen, weinen und so weiter. Ja, weinen -<a id="page-139" class="pagenum" title="139"></a> -werde ich wohl doch. Ein Jahr werden sie -sicher fortbleiben, wenn nicht noch länger, sonst -hat es kaum Zweck. Ein ganzes Jahr ohne die -beiden Kinder! Wenn ich nicht Jegor gerade -jetzt so für mich hätte —! Und dann bin ich auch -nicht mehr so jung, daß ein Jahr mir lang -schiene; es sind nur zwölfmaldreißig Tage, ach, -es ist eigentlich nur ein Atemzug! Wie froh bin -ich, daß Peter mitgeht; ich will den Kindern auftragen, -daß sie ihm folgen. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Lusinja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-50"> -Welja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 12. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Mein kleiner Trompetenstoß, Du kannst losschmettern, -denn morgen reise ich. Solltest Du -kontra schmettern, so schadet es nichts, weil ich -es nicht höre, es würde Dir also auch nichts -helfen. Wir können Papa und Mama jetzt keine -größere Wohltat erweisen, als daß wir abreisen. -Es hat bereits eine Notiz in den Blättern gestanden -über die „rote Universität“. Etwas -Schlimmes kann den Leuten nicht passieren, als -höchstens, daß die Kurse aufgehoben werden, aber -Papa ist es natürlich lieb, wenn wir nicht dabei -<a id="page-140" class="pagenum" title="140"></a> -sind. Väterchen lebt noch, er hat heute bereits -nach einem Tropfen Schnaps verlangt, also -scheint er mir in der Genesung begriffen zu sein. -Da ich ihm nicht Ade sagen soll, der Ansteckung -wegen, habe ich ihm ein Abschiedsgedicht gemacht. -Es fängt an: -</p> - -<div class="poem-container"> - <div class="poem"> - <div class="stanza"> - <p class="verse">Schon fünf Tage sind hinabgesunken,</p> - <p class="verse">Seit sich Väterchen zuletzt betrunken.</p> - </div> - </div> -</div> - -<p class="noindent"> -Und endet: -</p> - -<div class="poem-container"> - <div class="poem"> - <div class="stanza"> - <p class="verse">Soll ich Dir die treue Hand nicht reichen,</p> - <p class="verse">Ohne Abschiedskuß ins Ausland weichen,</p> - <p class="verse">Wünsch’ ich unter Tränen Dir hienieden</p> - <p class="verse">Gute Besserung oder ruh in Frieden.</p> - </div> - </div> -</div> - -<p class="noindent"> -Ich habe es Lju vorgelesen, der noch zu Bett -liegt, er konnte gar nicht aufhören zu lachen, obgleich -er wirklich sehr schwach ist. Er sagte, er -wäre überzeugt, Iwan würde mich für den -größten Dichter Rußlands und das Gedicht für -die Ausgeburt aller Poesie halten, und er beneidete -die Menschen, die noch durch den bloßen -Rhythmus und den simpeln Reim in einen seelischen -Rausch geraten können. Lju möchte gern -mit uns nach Petersburg fahren, er fürchtet -aber, er würde noch zu schwach sein, und Mama -wird ihn auch gar nicht gehen lassen. Du wirst -<a id="page-141" class="pagenum" title="141"></a> -ihn also nicht mehr sehen. Jessika ist ein dummer -kleiner Wurm mit ihrer Liebe, trotzdem empfehle -ich Dir, süßes Spätzchen, zart mit ihr umzugehen, -nicht zu zetern, nicht zu picken. Sie ist gerade -wie ein Tautropfen, der in der Sonne schön wie -ein Edelstein funkelt und beweglich lebendig ist -und, wenn die Sonne fortgeht, glanzlos wird -und versiegt. Dies schreibe ich, damit Du siehst, -daß ich mich auch echt dichterisch ausdrücken -kann. Hör mal, Peter soll für Zigarren und -Zigaretten unterwegs sorgen, der hat gern Aufgaben -zu erfüllen. -</p> - -<p class="sign"> -Welja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-51"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 13. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Du hast mir nicht geschrieben, -damit, wenn ich todkrank oder tot wäre, -der Brief nicht in unrechte Hände geriete. Jetzt -ist die Gefahr vorüber. Wenn Du keine weitere -Nachricht von mir erhältst, laß die Schreibmaschine -am 16. abgehen; melde es mir gleichzeitig. Die -Krankheit ist endgültig gebrochen, aber ich bin -noch sehr erschöpft, so erschöpft, daß ich gern -<a id="page-142" class="pagenum" title="142"></a> -noch ein paar Tage lang im Bett liegen würde, -ohne zu denken, ohne andre Bilder in meinem -Gehirn als das der dunkeln Frau und des -blonden Mädchens, die von Zeit zu Zeit durch -mein Zimmer gleiten, sich über mich beugen und -mit sanfter Stimme freundlich zu mir sprechen, -oder das der Tannen und Birken, die ich durch -das offene Fenster sehen kann. Wird es einmal -Menschen geben, die ohne Qual, ohne den göttlich-fluchwürdigen -Stachel der Seele im Anschauen -der Schönheit verharren können? -</p> - -<p> -Welja und Jessika reisen morgen nach Petersburg, -Jessika bleibt bei ihrer Tante. Wenn ich -sie wiedersehe, wird sie ein schwarzes Kleid tragen. -Diese Nacht, als ich den Mond, leuchtend bleich, -von dunkelm Gewölk umgeben sah, mußte ich an -ihren blonden Kopf über dem schwarzen Kleide -denken. Ach, das ist das wenigste. Sie wird -wieder rosige Wangen bekommen und lächeln und -weiße Kleider tragen. Daß alles verdammt ist -zu vergehen, indem es entsteht, das ist die einzige -Tragik des Lebens; weil es das Wesen des Lebens -ist, weil dies so geartete Leben das einzige ist, -das jemals unser sein kann. Ich erwarte Deine -Nachricht. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-52"> -<a id="page-143" class="pagenum" title="143"></a> -Lusinja an Katja -</h2> - -<p class="date"> -14. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Mein Jüngstes! Heute reisen Welja und -Jessika ab. Sie haben noch einen Tag auf Lju -gewartet, ihm zuletzt aber selbst davon abgeredet, -die Anstrengung des Reisens heute schon auf sich -zu nehmen. Er ist aufgestanden, aber noch schwach. -Etwa drei Tage wird er gewiß noch hierbleiben, -also wirst Du ihn auf keinen Fall mehr sehen, -wenn Ihr übermorgen fahrt. Jessika hat tapfer -mit ihren Gefühlen gekämpft, ich hätte ihr so viel -Selbstüberwindung nicht zugetraut. Heute war -sie schon in aller Frühe im Garten und pflückte -Körbe voll Rosen, mit denen sie das ganze Haus -geschmückt hat. „Ich finde, es ist wie ein Hochzeitshaus,“ -sagte sie. Dann sagte sie: „Mama, -wir müssen euch doch eigentlich recht im Wege -gewesen sein, als wir gleich so nacheinander anrückten?“ -Ich sagte: „Ja, wenn wir nicht selbst -schuld gewesen wären, hätten wir uns vielleicht -ein bißchen geärgert.“ Dein Bruder Welja, der -dazukam, sagte: „Gott, was denkst du, sie -hätten sich schrecklich gelangweilt ohne uns.“ -Jessika entrüstet: „Anmaßender Junge! Du mit -<a id="page-144" class="pagenum" title="144"></a> -deiner Faulheit hast vor dem zweiten Jahre -nicht gesprochen und vor dem zehnten keinen Witz -gemacht.“ Nun, Du kannst Dir denken, wie -zierlich sie einander ankläfften. Und dazu das -kleine Gesicht, so still und blaß unter dem alten -Kinderlachen. Gebt ihr noch recht viel Liebe an -dem letzten Tage, hörst Du, Herzblatt? Und -kränke sie nicht dadurch, daß Du etwas gegen -Lju sagst. Du bist ein viel zu junges und törichtes -Glühwürmchen, als daß Du ihn richtig beurteilen -könntest. Er ist jedenfalls ein bedeutender Mensch, -und vor bedeutenden Menschen muß man die -Achtung haben, daß man zunächst das Beste von -ihnen denkt und im <a id="corr-4"></a>Zweifelsfalle mit seinem Urteil -zurückhält. -</p> - -<p> -Was den Chauffeur anbelangt, den Tante -Tatjana anstatt des alten Aushilfsdieners zu -nehmen vorschlägt, so kann sich Papa nicht dazu -entschließen, obwohl er zugibt, daß es vielleicht -angenehmer für uns wäre. Er sagt, einen ganz -fremden Menschen will er nicht ins Haus nehmen. -Es käme nicht selten vor, daß die revolutionäre -Partei auf diese Art ihre Leute in die Häuser -einschmuggelte, um durch sie private Verhältnisse -auszukundschaften oder sich mit der Dienerschaft -<a id="page-145" class="pagenum" title="145"></a> -in Verbindung zu setzen. Er möchte nicht gern -ein zweideutiges Element zwischen unsre so treuen -und zuverlässigen Dienstboten bringen. Da Papa -von jeder Aengstlichkeit frei ist, wird diese Vorsicht -wohl berechtigt sein. Wir bleiben also bei dem alten -Kyrill, mehr als Iwan trinkt er auch nicht, und Papa -sagt, Trunkenbolde hätten die treuesten Herzen. -</p> - -<p> -Ich umarme Dich, Du geliebtes Kind! Habt -Euch recht lieb, alle drei, und zankt Euch nicht -auf der Reise, Du und Welja. Nennt Euch -auch nicht Kalb oder Molch oder Spatzengehirn -— das letzte geht allenfalls noch —, aus dem -Scherz könnte einmal Ernst werden, und überhaupt -ist es eine häßliche Gewohnheit, die bei -Menschen, die Euch nicht kennen, Anstoß erregen -kann. Gib auch acht auf Welja, als ob Du die -Aeltere wärest, aber ohne es ihn merken zu -lassen; um ihn sorge ich mich mehr als um Dich, -Du, mein Liebling, wirst schon das Rechte tun -und etwas Rechtes werden. -</p> - -<p> -Also bin ich nun eine kinderlose Frau! In -meinem Herzen habe ich Euch aber, ganz fest, da seid -Ihr noch klein und habt es gern, in <a id="corr-5"></a>einem winzigen -Raum geschlossen dicht bei Eurer Mama zu sitzen. -</p> - -<p class="sign"> -Lebe wohl! -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-53"> -<a id="page-146" class="pagenum" title="146"></a> -Welja und Katja an Jegor -</h2> - -<p class="date"> -Petersburg, 16. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Papa! Als Katja in Mamas Brief -Deinen Ausspruch gelesen hatte, Trunkenbolde -hätten die treuesten Herzen, trompetete sie los: -„Seht ihr, Lju ist kein Trinker! Er trank Wein -nur wegen der schönen Farbe und des Aromas!“ -Es wird sich nun gewiß verbreiten, Du hättest -Lju entlassen, weil er sich niemals betrunken hätte, -Du wirst ein Liebling des Volkes werden, und -eine Horde taumelnder Kosaken wird Dich als -freiwillige Schutzgarde beständig umgeben. Wir -haben gestern abend Tante Tatjana überzeugt, -daß sie uns zum Abschiedsessen sehr feinen Wein -vorsetzte, und Peter, der gerade im Begriff war, -in einen Abstinenzverein einzutreten, hat das -deshalb bis zu unsrer Rückkehr verschoben. -</p> - -<p> -Lieber Papa! Welja schreibt doch nur Dummheiten. -Es ist nicht möglich, mit ihm zu leben, -ohne zuweilen Kalb oder Molch zu sagen. Mama, -Du hättest ihn von vornherein besser erziehen -sollen. Mit dem Trinken hast Du ganz recht, -Papa, es war eine abgeschmackte Idee von Peter, -in einen Abstinenzverein eintreten zu wollen. -<a id="page-147" class="pagenum" title="147"></a> -Warum soll man nicht trinken, wenn es einem -schmeckt? Zu dumm! Jessika sagt, um Euch -brauchte man sich keine Gedanken zu machen, Ihr -sähet beide jung und glücklich aus. So wollen -wir Euch uns unterwegs vorstellen. Mit Jessika -bin ich sehr nett, aber ein Schaf ist sie doch. Da -fährt unser Wagen vor! Morgen um diese Zeit -sind wir schon über die Grenze. Unterwegs -schreibe ich Dir einen richtigen langen Brief, -süße Mama. -</p> - -<p class="sign"> -Katja. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-54"> -Lju an Konstantin -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 17. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Lieber Konstantin! Ich fahre morgen in der -Frühe ab. Ich nehme das Automobil nach -Petersburg. Von da fahre ich zu meinem Vater. -Ich nehme an, daß die Schreibmaschine heute -abend kommt. Es wäre mir nicht lieb, wenn sie -früher käme, weil der Gouverneur dann wahrscheinlich -sofort zu schreiben verlangen würde. Die -beiden Menschen freuen sich auf ihr Alleinsein wie -glückliche Kinder. Sie wissen selbst nicht, was sie -eigentlich erwarten — ach, mein Gott, was erwartet -man überhaupt, wenn man einem Augenblick der -Liebesaufwallung entgegensieht? Was findet man? -</p> - -<p> -<a id="page-148" class="pagenum" title="148"></a> -Daß jemand anders vor dem Gouverneur -die Maschine benutzt, das einzige, was meinen -Plan zerstören könnte, halte ich für ausgeschlossen. -Die Dienstmädchen getrauen sich aus Angst vor -dem Gouverneur nicht, sie anzurühren, besonders -seit sie einmal entzweigegangen ist. Er hat ihnen -einmal sogar verboten, sie abzustauben, er wolle -das selbst tun. Auch wird er sie sehr bald in -Gebrauch nehmen, einige Briefe hat er immer zu -schreiben, auch wird er sie nach der Reparatur -probieren wollen. Ein Tag wird nicht darüber -hingehen. Vermutlich wird er an die Kinder -schreiben. Sie — seine Frau — was wird aus -ihr werden? Das beste wäre für sie, wenn sie -an seiner Seite wäre. Sie ist es ja fast immer. -Wenn ich das nächstemal nach Petersburg komme, -möchte ich Dich sehen. Zunächst brauche ich Ruhe. -</p> - -<p class="sign"> -Lju. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-55"> -Lusinja an Jessika -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 17. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Jessika, mein Blümchen, Deine schönen Rosen -sind nun welk, noch ehe die Freude des Alleinseins -angefangen hat. Der Garten ist aber voll neuer. -<a id="page-149" class="pagenum" title="149"></a> -Lju reist morgen in aller Frühe ab, er hat sich -schon verabschiedet, weil er früher fährt, als wir -aufgestanden sein werden. Vorhin, als wir von -einem Spaziergang zurückkamen, stand ein Mann -an der Gartentür. Ich sah ihn erst, als wir -ganz nahe bei ihm waren, und fuhr unwillkürlich -zusammen. Lju lachte und sagte: „Es ist gewiß -wieder der Paketbote mit der Schreibmaschine.“ -Und wirklich, er war es. Ich sah ihn ganz -entsetzt und bewundernd an, und da lachte er -wieder und Papa auch; es war nämlich ganz -natürlich, daß er es erriet, weil sie eigentlich -schon mit der ersten Post erwartet wurde. Denke -Dir, Papa fiel gar nicht über die Kiste her, -sondern ließ Lju auspacken und sitzt jetzt noch -bei mir und spielt so schön Klavier, wie sonst -niemand auf der Welt spielt. Vielleicht duftet -zur selben Zeit die Lindenblüte Deiner Stimme -an Tante Tatjanas Flügel. Du weißt doch, daß -Lju gesagt hat, Dein Gesang wäre so zart, daß -man nicht sagen könnte, er klänge; er duftete. Es -ist mir gerade, als hörte ich Dich, meine kleine -Holdseligkeit. -</p> - -<p> -Lju sah mich wieder mit einem unergründlichen -Blick an, als er mir Lebewohl sagte; ich -<a id="page-150" class="pagenum" title="150"></a> -freue mich, daß ich diesem Blick morgen nicht -mehr begegnen werde. Aber sei ganz ruhig, ich -habe ihm ein allerliebstes Futterkörbchen für die -Reise zurechtgemacht und will ihm sehr wohl. -Wenn er nicht nachtwandelte, wäre ich seine unbedingte -Freundin. Denke Dir, Väterchen hat -zuletzt noch die Anwandlung bekommen, außer -sich zu sein, daß Lju fortginge, bevor er wieder -auf den Beinen wäre; er wäre jetzt krank und -hinfällig und zählte nicht, und ein Mann müßte -doch im Hause sein. Da hat Papa wütend gesagt: -„Bin ich denn ein Klapperstorch?“ Darüber -hat Iwan erst geweint, und dann hat er gesagt, -er hätte Papa noch nie für einen Klapperstorch -gehalten, aber er sollte doch gerade beschützt -werden, und sich selber beschützen könnte man -nicht, so wenig wie man sich selbst den Rücken -waschen könnte. Papa fragte Mariuschka, die -uns dies berichtete: „Wer wäscht ihm denn -seinen? Du?“ Was sie entrüstet verneinte; also -ist das im Dunkeln geblieben. -</p> - -<p> -Gute Nacht, Liebling. Wann werde ich Dir -einmal Dein Haar mit Rosen schmücken? Wer -weiß wie bald! Das Schöne kommt unverhofft -über Nacht. -</p> - -<p class="sign"> -Deine Mama. -</p> - -<h2 class="chapter" id="chapter-0-56"> -<a id="page-151" class="pagenum" title="151"></a> -Jegor an Welja und Katja -</h2> - -<p class="date"> -Kremskoje, 18. Juli. -</p> - -<p class="noindent"> -Nun ihr beiden kleinen Kinder, was für ein -Unsinn ist das mit dem Trinken? Was soll -ich gesagt haben? Gebildete Menschen müssen -Maß halten, das ist selbstverständlich. Wenn ein -russischer Bauer nicht trinkt, kann man auf -Theorien und Berechnung schließen, auf den -Hang zu irgendeiner Vervollkommnung, und -wo der tierische Trieb einmal gebrochen ist, da -tritt zunächst nichts Gutes an die Stelle. So; -ihr habt mäßig zu sein, weil ihr für gebildete -Menschen gelten wollt. Unser Schutzengel ist -abgereist, ich habe augenblicklich keinen andern -als Eure Mutter, unter deren Flügeln ich mich -am wohlsten befinde. Eben tritt sie hinter meinen -Stuhl, legt den Arm um mich und tut die nicht -mehr neue, aber immer wieder gern gehörte Frage: -„Warum bist du so blaß, J......“ -</p> - - -<div class="trnote"> -<p id="trnote" class="transnote"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p> -Die Schreibweise der Buchvorlage wurde weitgehend beibehalten. -Offensichtliche Fehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt -(vorher/nachher): -</p> - -<ul> - -<li> -... Zum Glück sprang Lju ein und <span class="underline">sagt</span> er wäre ...<br /> -... Zum Glück sprang Lju ein und <a href="#corr-0"><span class="underline">sagte,</span></a> er wäre ...<br /> -</li> - -<li> -... wenigstens auf Jessika. Es ist auch zu toll, daß ...<br /> -... wenigstens auf Jessika<a href="#corr-1"><span class="underline"> auf</span></a>. Es ist auch zu toll, daß ...<br /> -</li> - -<li> -... ihnen denkt und im <span class="underline">Zweifelfalle</span> mit seinem Urteil ...<br /> -... ihnen denkt und im <a href="#corr-4"><span class="underline">Zweifelsfalle</span></a> mit seinem Urteil ...<br /> -</li> - -<li> -... Ihr noch klein und habt es gern, in <span class="underline">einen</span> winzigen ...<br /> -... Ihr noch klein und habt es gern, in <a href="#corr-5"><span class="underline">einem</span></a> winzigen ...<br /> -</li> -</ul> -</div> - - -<p> </p> -<p> </p> -<hr class="full" /> -<p>***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER LETZTE SOMMER***</p> -<p>******* This file should be named 55578-h.htm or 55578-h.zip *******</p> -<p>This and all associated files of various formats will be found in:<br /> -<a href="http://www.gutenberg.org/dirs/5/5/5/7/55578">http://www.gutenberg.org/5/5/5/7/55578</a></p> -<p> -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed.</p> - -<p>Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. -</p> - -<h2 class="pg">START: FULL LICENSE<br /> -<br /> -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE<br /> -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</h2> - -<p>To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license.</p> - -<h3>Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works</h3> - -<p>1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation</h3> - -<p>The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws.</p> - -<p>The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact</p> - -<p>For additional contact information:</p> - -<p> Dr. Gregory B. Newby<br /> - Chief Executive and Director<br /> - gbnewby@pglaf.org</p> - -<h3>Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation</h3> - -<p>Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS.</p> - -<p>The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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