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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Emil Rathenau und das elektrische Zeitalter - -Author: Felix Pinner - -Editor: Wilhelm Ostwald - -Release Date: July 24, 2017 [EBook #55188] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EMIL RATHENAU UND DAS ELEKTRISCHE ZEITALTER *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1918 erschienenen Buchausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung - und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend - korrigiert. Fremdsprachliche Ausdrücke können in verschiedenen - Variationen auftreten. Diese wurden nicht korrigiert, wenn sie im - Text mehrmals auftreten. Auch andere inkonsistente Schreibweisen, - einschließlich Personennamen (z.B. ‚Sigismund/Sigmund Schuckert‘) - wurden nicht vereinheitlicht. - - Der Übertrag (‚Transport‘) der Tabelle ‚Gewinn- und Verlust-Conto‘ - zu Beginn der Seite 122 wurde vom Bearbeiter entfernt. - - Die von der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden - in der vorliegenden Fassung mit den nachfolgenden Sonderzeichen - gekennzeichnet: - - kursiv: _Unterstriche_ - fett: =Gleichheitszeichen= - gesperrt: +Pluszeichen+ - - #################################################################### - - - - - [Illustration: - - Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. Leipzig. - - Nach einem Bilde von Prof. Max Liebermann. - - Dr. Emil Rathenau] - - - - - Grosse Männer - - Studien zur Biologie des Genies - - Herausgegeben von - - Wilhelm Ostwald - - Sechster Band - - Emil Rathenau - - und - - das elektrische Zeitalter - - Von - - Felix Pinner - - Leipzig - - Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. - - 1918 - - - - - Emil Rathenau - - und - - das elektrische Zeitalter - - Von - - Felix Pinner - - Mit einer Heliogravüre - - [Illustration] - - Leipzig - Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. - 1918 - - [Illustration] - - - - - Copyright 1918 - by Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. - in Leipzig - - - Druck von +Paul Dünnhaupt+, Cöthen i. A. - - - - -Vorwort - - -Als die „Akademische Verlagsgesellschaft“ an mich die Aufforderung -richtete, eine Lebensgeschichte Emil Rathenaus zu schreiben, habe -ich diesen Vorschlag mit Freuden angenommen. Gab er mir doch die -Möglichkeit, das Bild einer großen, und in jedem Zuge ihres Wesens -reizvollen Persönlichkeit aus dem Hintergrund ihrer Zeitgeschichte -heraustreten zu lassen und den wechselseitigen Einfluß von -Persönlichkeit und Organisation, der für die großen Kaufleute der -letzten Epoche deutscher Wirtschaft typisch gewesen ist, an einem -großen, wohl dem größten Beispiel darzustellen. Gerade dieses Bild und -dieses Leben wird zeigen, wie falsch es ist, wenn man die Kraft und -das Wesen der deutschen Industriewirtschaft -- was ja heute häufig in -der Kritik des Auslandes +und+ leider auch des Inlands geschieht --- ganz allein aus dem Organisatorischen ableitet und ihnen damit -den Charakter einer unpersönlichen, zwar durchschnittlich starken, -aber doch höchster Einzelleistungen nicht fähigen Kultur aufprägen -will. Emil Rathenau, und nicht nur er allein -- neben dem mindestens -ein halbes Dutzend ähnlicher Kopfe über einen gehobenen Durchschnitt -in Geniehöhen hinausragt -- beweist, daß Persönlichkeiten in dem -Deutschland der Organisation und des „Militarismus“ durchaus nicht -zu verkümmern brauchten. Wo sind im Bereiche des viel gepriesenen -englischen Individualismus während der letzten Jahrzehnte die -Erscheinungen gewesen, die einen Vergleich mit Emil Rathenau, Albert -Ballin, Georg v. Siemens, August Thyssen, Emil Kirdorf, Guido v. -Donnersmarck aufnehmen konnten? -- Gewiß mag das Mittelmaß an -Persönlichkeitswerten, der Mensch, Bürger und Kaufmann mittlerer -Größe in England und in anderen Ländern freier gelebt, geschaffen, -über seine Zeit und Arbeit verfügt haben als in Deutschland, aber -die +große+ Persönlichkeit konnte sich in Deutschland so stark -und frei ausleben wie nirgend wo anders. Allerdings haben sich alle -diese deutschen Schöpfernaturen den Gesetzen, die sie zuerst kraft -ihrer Eigenart und Überlegenheit aufgestellt haben, später freiwillig -unterworfen gemäß dem klugen Spruch des Wagnerschen Hans Sachs, der das -Wesen jeder schöpferischen Meisterschaft darin sieht, die Regeln zuerst -aufzustellen und ihnen dann zu folgen. Daraus und nicht aus dem Mosaik -des Zusammenwirkens vieler, zu großen höchstpersönlichen Leistungen -unfähiger Mittelmäßigkeiten sind die deutschen Organisationen -entstanden, die sich in ihrer Wirkung als so stark und unüberwindlich -erwiesen haben. - -Das Bild der Persönlichkeit Emil Rathenaus, das ich in diesem Buche -zeichnen möchte, soll sozusagen in einem +doppelten Rahmen+ -gefaßt sein. Der engere stellt die +Geschichte der A. E. G.+ dar, -der weitere die +allgemeine deutsche Wirtschaftsentwicklung+, -wie sie sich in jenem Zeitalter gestaltet hat, von dem Emil Rathenau -so viel empfing, dem er aber auch nicht weniger zurückgab. Eine -solche Darstellung bald nach dem Tode eines Mannes nicht als Skizze, -sondern als sorgfältig ausgeführtes Bild zu versuchen, hat seine -Schwierigkeiten, aber auch seine Vorteile. Die Nähe noch frischer oder -halbfrischer Geschehnisse mag dem Urteil die Distanz erschweren und -auch der Sammlung des vollständigen Materials in mancher Beziehung -hinderlich sein, da mit Rücksicht auf den soeben Gestorbenen und noch -Lebende sich manche Quellen vorerst nicht öffnen werden. Bei einem -volkswirtschaftlich zu Wertenden ist der Nachteil, der aus solcher -Zurückhaltung erwachsen könnte, allerdings nicht so groß wie bei einem -Künstler oder selbst einem Politiker. Das Privat- und Intimmenschliche, -auf das sie sich erstrecken könnte, spielt bei der zutreffenden -Schilderung einer wirtschaftlichen Persönlichkeit, wenngleich es -durchaus nicht ohne Wichtigkeit ist, doch nicht die gleiche Rolle wie -bei einem Dichter oder Musiker. Die Geschäftsgeheimnisse hinwiederum -brauchen vor dem rückschauenden Auge nicht so sorgsam und so lange -gehütet zu werden wie manche politischen Geheimnisse (meist nicht -der großen, sondern der kleinen Art). Denn das Geschäftsgeheimnis -verliert seinen diskreten Charakter in dem Augenblick, in dem das -Geschäft oder die Geschäftsreihe, deren Teil es ist, seinen Abschluß -erreicht hat. Bei Emil Rathenau im besonderen liegt der Fall für den -Geschichtsschreiber so, daß ein wirklich bedeutendes Schriftenmaterial -+innerer+ Art gar nicht vorhanden ist. Es könnte im wesentlichen -nur in Briefen bestehen, und ein Briefschreiber war Rathenau im -Gegensatz zu Werner v. Siemens, dessen interessanten Briefwechsel -kürzlich Conrad Matschoß veröffentlicht hat, ganz und gar nicht. -Persönlichkeit, Zeit, Arbeits- und Ruhensart Rathenaus widerstrebten -der Beschaulichkeit, auf deren Boden ein Bedürfnis zum Briefschreiben -und die Kunst des Briefschreibens erwachsen können. Die Privatbriefe, -die Rathenau mit seinen Angehörigen und Freunden wechselte, sind rein -familiär und meist knapp gehalten, ohne besondere stilistische und -menschliche Eigenart und bekunden höchstens -- was wir auch ohnedies -wissen -- daß Rathenau ein guter Sohn, Gatte und Vater gewesen ist. Mit -Berufs- und Geschäftsfreunden korrespondierte Rathenau nur selten in -persönlicher Weise, wichtige Auseinandersetzungen wurden meist mündlich -erledigt. Viel bessere Proben seines fachlichen Stils als Briefe bieten -die Geschäftsberichte der A. E. G., an deren Abfassung sich Rathenau --- in Gemeinschaft mit seinem Sohn Walther -- bestimmend zu beteiligen -pflegte, ferner Denkschriften, Reden, von denen ich einige besonders -kennzeichnende ganz oder auszugsweise wiedergebe. - -Im ganzen war das dokumentarische Material, das einer Bearbeitung -unterzogen werden mußte, trotzalledem außerordentlich umfangreich. -Die Geschäftsberichte nicht nur der A. E. G. selbst, sondern der -wichtigeren Tochter- und Konkurrenzgesellschaften, die sehr zerstreuten -Zeitungsberichte über Generalversammlungen und sonstige Vorgänge bei -dem Konzern, Verträge, Denkschriften und Vorlagen der verschiedensten -Art mußten durchgearbeitet werden. Diese Vorbereitung war nicht -ganz einfach, weil die A. E. G. wie die meisten und leider auch die -allergrößten unserer gewerblichen Unternehmungen keine systematischen, -nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführten Archive besitzt, -sondern sich mit der -- lediglich für geschäftliche Bedürfnisse -hinreichenden -- Registratur begnügt, in die ja wohl Geschäftsdokumente -zunächst auch gehören, aus der aber wenigstens die wichtigeren nach -Ablauf einer gewissen Frist in Archive überführt werden sollten. -Die ganzen Registraturen zu durchforschen ist naturgemäß für den -volkswirtschaftlichen Schriftsteller ebenso undurchführbar und -unlohnend, wie es den Geschäftsunternehmungen nicht zugemutet werden -könnte, eine solche Durchforschung zu gestatten. So blieb nichts übrig, -als jeweils solche Dokumente zu erbitten, deren Studium sich mir im -Laufe meiner Arbeit als notwendig oder wünschenswert erwiesen hatte, -ein Verfahren, das natürlich bei aller erzielten Reichhaltigkeit -+absolute+ Vollständigkeit des Materials nicht zu gewährleisten -vermag. - -Gerade bei einer solchen Verfassung der dokumentarischen Verhältnisse -bietet die +schnelle+ Inangriffnahme einer biographischen -Bearbeitung eher Vorteile als Nachteile. Denn mit der fortschreitenden -Zeit werden diese Verhältnisse nicht besser, sondern schlechter. -Die Registraturen entrücken immer mehr der Zugänglichkeit, die sich -ständig häufende Fülle des Nebensächlichen erdrückt das Wesentliche, --- und vor allem die Personen, die heute noch durch ihre Kenntnis der -zurückliegenden Vorgänge, durch ihre lebendige Erinnerung den Schlüssel -zu den toten Akten in den Händen haben, verschwinden allmählich aus -dem Betrieb und aus dem Leben. Die neueren Leiter haben aber an die -Gegenwart zu denken, nicht an die Vergangenheit. - -Gerade aber die Erinnerung Mitlebender ist eine schätzenswerte und -unersetzbare Quelle für die Nachschaffung wirtschaftlicher Vorgänge. -Ich konnte sie erfreulicherweise reich zum Fließen bringen, und wenn -auch in manchen Einzelzügen die Schilderung, mehr noch das Urteil der -noch lebenden Mitarbeiter und Freunde Emil Rathenaus auseinanderging, -so haben gerade diese Darstellungen, verbunden mit meiner eigenen -persönlichen Kenntnis des Menschen Rathenau mir eine plastische -Vorstellung von diesem gegeben, die keine Distanz des späteren -Biographen ersetzen könnte. - -Gedenken möchte ich noch der zahlreichen, wenn auch nicht immer ebenso -reichen Literatur, die bereits vor meiner Arbeit über Emil Rathenau und -die A. E. G. vorlag. Für die ersten Abschnitte, etwa bis zur Befreiung -von den Fesseln der Verträge mit Siemens & Halske, vermochte sie mir -manche wertvolle Hilfe zu leisten. Für die Darstellung der Reifezeit -und der Zeit der Reife, wie auch besonders für die Schilderung der -wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge bin ich im wesentlichen -auf mich selbst angewiesen gewesen. - - +Berlin-Friedenau+, im Jahre 1917. - - Dr. Felix Pinner. - - - - -Litteratur - - - Arthur Wilke, Die Berliner Elektrizitätswerke. Berlin 1890. F. A. - Günther & Sohn. - - Dr. Hermann Hasse, Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft und - ihre wirtschaftliche Bedeutung. Heidelberg 1902. Karl Winter. - - Dr. Emil Kreller, Die Entwicklung der deutschen elektrotechnischen - Industrie. Leipzig 1903. Dunker & Humblot. - - Dr. Friedrich Fasolt, Die sieben größten deutschen - Elektrizitätsgesellschaften, ihre Entwickelung und - Unternehmertätigkeit. Dresden 1904. O. V. Böhmert. - - A. E. G. Zeitung, Festnummer 2. 10. 1908. - - A. E. G. 1883-1908, herausgegeben von der Gesellschaft. - - Conrad Matschoß, Die geschichtliche Entwickelung der Allgemeinen - Elektrizitäts-Gesellschaft in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens. - Jahrbuch des Vereins Deutscher Ingenieure, 1909, 1. Bd. Julius - Springer, Berlin. - - B. E. W. 1884-1909, herausgegeben von der Gesellschaft. - - Dr. Felix Pinner, Emil Rathenau, „Der Kaufmann und das Leben“. - Beiblatt der Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis. - Leipzig, Februar 1913. Ernst Poeschel. - - Artur Fürst, Emil Rathenau, der Mann und sein Werk. Vita, Deutsches - Verlagshaus. Berlin. - - Gedenkblatt zum Todestage Emil Rathenaus. Berlin, Juni 1915. - - Emil Schiff, Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft und Berliner - Elektrizitäts-Werke. Berlin 1915. Franz Siemenroth. - - Conrad Matschoß, Geschichtliche Entwickelung der Berliner - Elektrizitäts-Werke von ihrer Begründung bis zur Übernahme durch - die Stadt. Jahrbuch des Vereins Deutscher Ingenieure. Berlin 1916. - - A. Riedler, Emil Rathenau und das Werden der Großwirtschaft. Julius - Springer. Berlin 1916. - - Werner v. Siemens, Lebenserinnerungen. 9. Auflage. Berlin 1912. - Julius Springer. - - Francis Arth. Jones, Thomas Alva Edison. Sechzig Jahre aus dem - Leben eines Erfinders. Frankfurt a. M. Otto Brandner. - - Dr. ing. Gustav Siegel, Der Staat und die Elektrizitätsversorgung. - Berlin 1915. Georg Stilke. - - G. Klingenberg, Elektrische Großwirtschaft unter staatlicher - Mitwirkung. Berlin 1916. - - Archiv der Handelszeitung des Berliner Tageblattes. - - Archiv der Zeitschrift „Die Bank“, Herausgeber Alfred Lansburgh. - Berlin. - - - - -Inhaltsverzeichnis - - - Seite - - Vorwort V - - Litteratur X - - Erstes Kapitel: Jugendjahre 1 - - Zweites Kapitel: Zwischenspiel 35 - - Drittes Kapitel: Wirtschaftliche Vorbedingungen 48 - - Viertes Kapitel: Technische Vorbedingungen 59 - - Fünftes Kapitel: Licht 80 - - Sechstes Kapitel: Die Deutsche Edison Gesellschaft 100 - - Siebentes Kapitel: Zentralstationen 129 - - Achtes Kapitel: A. E. G. 146 - - Neuntes Kapitel: Ausdehnung und Befreiung 155 - - Zehntes Kapitel: Das Finanz- und Trust-System 186 - - Elftes Kapitel: Krisis 223 - - Zwölftes Kapitel: Konzentration 251 - - Dreizehntes Kapitel: Weltwirtschaft 280 - - Vierzehntes Kapitel: Großkraftversorgung 317 - - Fünfzehntes Kapitel: Gemischt-wirtschaftliche Unternehmung 336 - - Sechzehntes Kapitel: Charakterbild 350 - - - - -Erstes Kapitel - -Jugendjahre - - -Emil Rathenau wurde am 11. Dezember 1838 in Berlin geboren. In der -Rede, die er am Vorabend seines 70. Geburtstages hielt, erzählte er, -nicht ohne beziehungsreichen Stolz: - -„Als ich die Lebensreise antrat, gab es in unserer Vaterstadt ein -interessantes Erlebnis: Die Vollendung der ersten preußischen -Eisenbahn. Die Berliner sollen in hellen Haufen begeistert zum -Potsdamer Tor hinausgepilgert sein, um den Zug nach Steglitz abfahren -zu sehen. Viel zu langsam (nach heutigen Begriffen) bewegte er sich -vorwärts, ohne Schlaf- und ohne Speisewagen; und doch war die Eisenbahn -ein gewaltiger Fortschritt gegen die Postkutsche, in der mein Vater aus -der Uckermark als Jüngling, meine Mutter als Kind mit ihren Eltern aus -der Mark hierher übersiedelten.“ - -Rathenaus Großeltern väterlicherseits und namentlich mütterlicherseits -waren für die damalige Zeit wohlhabende Leute gewesen. Sein -Vater wurde früh Rentier und betätigte sich nur hier und da -in Gelegenheitsgeschäften. In der Mischung von geschäftigem -Unternehmungsdrang und schnellem Überdruß an einer seßhaften, -geordneten Geschäftlichkeit, die der ganzen Familie etwas eigen -gewesen zu sein scheint, die sich entschiedener in dem Lebensgang -seines ältesten und seines jüngsten Sohnes ausprägte und die eine -Zeitlang auch den mittleren und begabtesten Sohn Emil zu erfassen -drohte, scheint bei dem Vater die Abneigung gegen eine ausdauernde -Geschäftstätigkeit das überwiegende Element gewesen zu sein. Gewiß -nicht aus Unlust zur Arbeit, sondern zu einer Arbeit, die ihm nicht -zusagte, seinen Wünschen und Fähigkeiten nicht zu entsprechen -schien. Ein strenger, Fremden und Verwandten gegenüber nicht gerade -entgegenkommender Mann, dessen Denkungsweise aber rechtlich und redlich -war, so wird er von denen geschildert, die ihn gekannt haben. Sein -Anteil an der Erziehung seiner Kinder war offenbar nicht sehr positiv, -er hielt sie äußerlich streng, aber er verstand und versuchte es nicht, -auf ihre innere Bildung Einfluß zu gewinnen, und zu diesem Zwecke in -ihr Charakter- und Seelenleben einzudringen. Sie entwickelten sich, -im Guten wie im Schlechten, ohne ihn und trotz ihm, und da er kein -sehr hohes Alter erreichte (er starb im Jahre 1871), verwischte und -verfärbte sich die Einwirkung seiner Persönlichkeit in dem späteren -Leben der erwachsenen Söhne ziemlich schnell. Emil Rathenau hat in der -selbstbiographischen Skizze, die in seinem Nachlaß vorgefunden wurde, -das Verhältnis zu seinen Eltern mit ein paar kurzen und ziemlich kühlen -Worten geschildert: - -„Mein Vater hat sich bald nach meiner Geburt vom Geschäft -zurückgezogen. Er war streng und gewissenhaft und führte eine korrekte -Ehe mit der klugen und geistreichen Mutter, die Ehrgeiz besaß und -Eleganz in ihrer Erscheinung bis an ihr spätes Lebensalter zu bewahren, -die Schwäche hatte. Für die Erziehung der drei Söhne scheuten die -Eltern keine Kosten, aber sie überließen die Sorge hierfür der Schule -und Privatlehrern, weil das gesellige und gesellschaftliche Leben ihnen -die Muße nicht ließ, den wilden Knaben die erforderliche Aufmerksamkeit -zu widmen.“ - -Auch der Mutter werden in dieser sachlich-knappen Darstellung keine -Worte innerer Beziehung gewidmet und es mag richtig sein, daß auch sie -trotz unleugbarer geistiger Begabungen und Interessen keine eigentliche -Menschenerzieherin im innerlichen Sinne des Wortes gewesen ist. Dennoch -wirkten der mütterliche Einfluß und das Gefühl für die Mutter in -dem Leben der Kinder ganz anders nachhaltig wie die Beziehungen zum -Vater fort. Hier war nicht nur Respekt, hier war Liebe und herzliche -Zuneigung auf beiden Seiten, und wie sehr auch Entwicklung und -Veranlagung die Söhne später auseinander führten, ja entfremdeten, -der Mutter hingen sie alle treu an, und namentlich Emil Rathenau ließ --- auch in den Zeiten, in denen seine Tage nicht mehr die Fülle der -Arbeit fassen wollten -- kaum einen Sonntag vergehen, an dem er die -Frau, die in seltenem und klugem Greisenalter den stolzen Aufstieg -des Sohnes erleben, seinen Stern noch im Zenith sehen durfte, nicht -zu einem Plauderstündchen besuchte. Den Kindern gegenüber hatte sie -jene Herzensfreundlichkeit besessen, die die Grundlage jedes wirklich -schönen Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern ist und die bei -tüchtigen und guten Kindern auch einmal einen bewußten Erziehungsplan -ersetzen kann. - -Emil Rathenau besuchte, wie seine Brüder, zunächst die alte Berliner -Knabenschule von Marggraf in der Sophienstraße, wo die Vorschüler in -ziemlich patriarchalischer Weise auf das Gymnasium vorbereitet wurden. -Die Privatanstalt verließ Emil Rathenau nach einiger Zeit mit seinem -älteren Bruder, der das nach Ansicht des Schulvorstehers unverzeihliche -Vergehen begangen hatte, den Unterricht durch Knallerbsen zu stören. -Im Jahre 1849 kam er auf das Gymnasium zum grauen Kloster, das damals -von dem älteren Professor Bellermann geleitet wurde. Wie so viele, -die später im praktischen Leben bedeutende Männer geworden sind, -war Emil Rathenau kein Musterschüler, und den meisten Fächern, die -auf dem humanistischen Gymnasium gelehrt wurden, vermochte er nicht -viel Interesse abzugewinnen. Immerhin hielt er sich auf leidlichem -Niveau. Die Selbstkritik seiner Leistungen auf dem Gymnasium hat er -in die Worte zusammengefaßt: „An Begabung fehlte es mir weniger als -an häuslichem Fleiß.“ Die interessanten und aufregenden Begebnisse -politischer Art, die in die ersten Schuljahre Rathenaus fielen, -lenkten naturgemäß seine und seiner Mitschüler Aufmerksamkeit von -den Schuldingen ab, so sehr auch die Eltern und Lehrer die Jugend -durch Vorhaltungen und Strafen ihrer Wirkungssphäre zu entrücken -versuchten. Die Ereignisse des Jahres 1848 hat Rathenau meist auf -der Straße miterlebt. Die ausführliche Schilderung, die er in seinen -Aufzeichnungen von ihnen gibt, läßt erkennen, daß der Eindruck auf ihn -und die damalige Schuljugend ein starker war, aber ebenso auch, daß -dieser Eindruck ganz im Sensationellen, Straßenjungen-Romantischen -wurzelte und ihm kaum eine Ahnung der politischen Hintergründe -beigemischt war. „Es war eine lustige Zeit für die Jungen, da die -neuerrungene Freiheit sich häufig auch auf den Schulunterricht -erstreckte und Eltern und Lehrer im Ernst der Zeit den strengen -Gehorsam nicht als das oberste Gesetz mehr zu betrachten schienen.“ -- -Einen ernsten und tiefen Eindruck machte wohl nur die Überführung der -Märzgefallenen nach dem Friedrichshain. Hier traf die Wucht und Tragik -der Ereignisse auch die Kinderseele. „Unvergeßlich“ nannte Rathenau -diese Stunde. - -„Wir beobachteten das Schauspiel von den Fenstern eines kleinen Hauses -am Schloßplatz, das jetzt dem Neubau des Marstalls zum Opfer gefallen -ist; es gehörte der Firma Krüger & Peterson, deren Tabakgeschäft durch -den Verkauf von Hyazinthenzwiebeln in Berlin bekannt geworden war. Der -Schloßplatz, die Kurfürstenbrücke, König- und Burgstraße waren dicht -gedrängt, alles schwarz; überall wehten Trauerfahnen von den Dächern -und an Fenstern, und auf Balkonen standen Männer und Frauen in tiefer -Trauer. Die nicht endenden Züge von offenen Särgen konnten sich nur -mühsam und langsam durch die enge Menschengasse gen Osten bewegen. Auf -den Balkonen des Schlosses und gegenüber standen entblößten Hauptes der -König und sein Gefolge über der Stelle, von der die Kartätschen ihren -Weg durch die Breitestraße zur d’Heureuseschen Konditorei genommen und -manche Erinnerung an die blutigen Ereignisse in Straßenbrunnen und -Häusern zurückgelassen hatten.“ - -Mit dem Zeugnis für Unterprima verließ Rathenau schließlich das -Gymnasium. Über seinen zukünftigen Beruf hatte er noch wenig -nachgedacht. Technische Neigungen hatten sich wohl gelegentlich -gemeldet, waren aber nicht so stark und bestimmend gewesen, daß die -technische Laufbahn sozusagen im festen Plan eines zielbewußten -Willens gelegen hätte. Die Entscheidung brachten vielmehr, wie so -häufig im Leben, Familienbeziehungen. Rathenau wurde Maschinenbauer -und lernte sein Handwerk von der Pike auf. „Da weder Terpsichore noch -andere Musen an meiner Wiege gestanden,“ erzählt er launig, „reiste -ich auch ohne ihr Geleit in die Lehre nach Schlesien.“ Dort besaßen -seine reichen Verwandten, die Liebermanns, industrielle Betriebe, -die für die damalige Zeit als sehr respektabel gelten konnten. Die -Wilhelmshütte, bei Sprottau, ein Eisenwerk mit Maschinenbauanstalt, das -seine Entstehung wie viele der damals noch karg gesäten industriellen -Unternehmungen des preußischen Landes Friedrich dem Großen verdankte, -später in Privatbesitz übergegangen war, aber erst in den Händen von -Rathenaus Großvater mütterlicherseits, Liebermann und dessen Söhnen -sich schnell einen gewissen industriellen Ruf erworben hatte, diente -Rathenau als Lehrstelle. Die Lehre war wie die väterliche Erziehung zu -Hause streng, und das verwandtschaftliche Verhältnis zu den Inhabern -der Fabrik schaffte dem jungen Maschinenbauer in der Arbeit keine -Erleichterung. „Proletarier in blauer Bluse und mit zerschundenen -Händen“ nannte er sich, als er in späteren Jahren auf diesen Abschnitt -seines Lebens zurückblickte. Das Herrensöhnchen durfte er -- zu seinem -eigenen Besten -- nicht spielen und der tüchtige Mestern, der den -technischen Betrieb ziemlich selbständig leitete, behandelte ihn wie -jeden beliebigen anderen Praktikanten auch. Der junge Rathenau, der -doch immerhin die Primareife besaß, niemals gering von sich dachte und -sich wohl damals schon zu Höherem berufen fühlte, mag manchmal unter -dem Joch geknirscht haben, und sich etwas inferior vorgekommen sein, -zumal wenn er den nicht nur äußerlich feinkultivierten Haushalt seiner -Verwandten als Kontrast zu seiner damaligen Lage betrachtete. Erblickte -der Lehrling im Arbeitskittel seine „vornehmen“ Kusinen von ferne, so -wich er einer Begegnung lieber aus und drückte sich, wenn es ging, um -eine naheliegende Ecke, tief beschämt, wenn er inne ward, daß sie ihn -doch gesehen und sich an seiner Verlegenheit geweidet hatten. -- Volle -4½ Jahre mußte er aushalten und er hielt aus. Von seiner Lehrzeit -hat Rathenau die folgende Schilderung gegeben: - -„Das Werk hatte mein Großvater, ein hervorragender Industrieller -unserer Stadt, mit seinen Söhnen eben erworben. Es lag in hübscher -Gegend am Bober, besaß schöne Wohnhäuser und einen großen Park, und -prächtige Wälder in der näheren und weiteren Umgebung machten den -Aufenthalt angenehm. - -Der Reichtum an Holzbeständen und Wiesenerzen, die die Verhüttung -lohnten, Wasserkräfte von mäßiger Stärke und sehr billige Arbeitslöhne -hatten im niederschlesischen Revier zur Errichtung von Hochöfen und -Walzwerken Anlaß gegeben, und namentlich erstere versorgten fast die -ganze Monarchie mit einfachem Guß und Poterien, die roh oder mit -einer schönen weißen Emaille auf den Markt kamen. In den Gießhütten -stellte sich bald das Bedürfnis nach Kupolöfen ein, um die Hallen -und Arbeitskräfte durch Herstellung von Maschinen- und Bauguß besser -zu verwerten. Die Wilhelmshütte hatte einen Hochofen von mäßigen -Dimensionen, dessen Gase ungenutzt in die Luft stiegen und die Gegend -mit hellen Flammen erleuchteten. Das Kolbengebläse wurde durch ein -mittelschlächtiges Wasserrad angetrieben, wie es Scharwerker jener -Zeit herstellten; bei der Konstruktion hatte man offenbar mehr auf -billige und solide Herstellung als auf hohen Nutzeffekt Wert gelegt. -Die Maschinenfabrik baute landwirtschaftliche Maschinen, meist -nach englischem Muster, Pumpen, Wasserstationen, Weichen, Radsätze -für Eisenbahnwagen, Apparate für Gasanstalten, Einrichtungen für -Brennereien und Mühlen jeder Art, daneben wurde all und jedes, was das -Publikum verlangte, auch wenn es in sehr losem Zusammenhang mit dem -Maschinenbau stand, hergestellt, zum Beispiel eiserne Bettstellen, -Turmuhren und dergleichen. Diese Vielseitigkeit wurde eingeschränkt, -als bald nach meinem Antritt A. Mestern die Leitung des Werkes -übernahm. Dieser begabte Techniker hatte sein gemeinsam mit Tischbein -in Magdeburg betriebenes Zivil-Ingenieur-Geschäft aufgegeben und war -auf Fr. Walz’ Empfehlung als Sozius in die Firma getreten. Er war -ein reiner Empiriker und hatte meines Wissens weder im praktischen -Betriebe noch auf Hochschulen Erfahrungen gesammelt, aber sein feines -Auge und Gefühl, sein Verständnis der kinematischen Vorgänge, sein -Talent in der Formgebung und Abmessung aller Konstruktionen ersetzten -diesen Mangel an Ausbildung. Mestern kannte die Dampfmaschine in -ihrer damaligen primitiven Ausführung, und wenn er nach einfachen -Formeln, wie sie in England gebräuchlich zu sein schienen, die -Hauptabmessungen festgestellt hatte, konstruierte er vertikale oder -Balanzier-Maschinen mit gotischem Gestell oder auf blanken Säulen -gelagerter Schwungradwelle. Viel Fleiß verwendete er auf Ausgestaltung -der Formen im Geschmack seiner Zeit, auf tadellose Bearbeitung von -unzähligen blanken Pfeilern; das Publikum der 50er Jahre des vorigen -Jahrhunderts liebte und bezahlte solche Erzeugnisse, legte aber wenig -Wert auf die ökonomische Wirkung, die es weder zu beurteilen noch zu -messen verstand. Obwohl Sachverständige die Bedeutung der Expansion des -Dampfes zu schätzen wußten, begnügten viele Konstrukteure sich mit der -unvollkommenen Wirkung nicht entlasteter Schieber und Drosselklappen, -und die Kunst im Bau dieser langsam laufenden Maschinen bestand zumeist -in der Bearbeitung der Einzelteile mit nichts weniger als vollendeten -Werkzeugen. Die schwachen Hobelmaschinen vibrierten schon bei winzigen -Spänen, und da genaue Flächen einer gründlichen Nacharbeit in jedem -Falle bedurften, begann man häufig sogleich mit der Handarbeit, um die -Zeit des Aufspannens zu ersparen. - -Eine neue Ära des Maschinenbaues begann mit der Corliß-Dampfmaschine -nach amerikanischen Mustern. Ihr vorangegangen war eine Periode des -Maschinenbaues mit U-förmiger Grundplatte, deren Dampfzylinder und -Geradführung an dieser seitlich befestigt waren; das Schwungradlager -mit mehrteiliger Büchse lag so in derselben, daß die Kurbel gegen die -gedrehte Fläche lief; der hohle Raum der Grundplatte war mit einem -Holzdeckel geschlossen und diente als Schrank für Werkzeuge; auf der -Grundplatte stand der von einem Riemen angetriebene Regulator. - -Die Konstruktion der Corliß-Maschine mit ihren getrennten Ein- -und Auslaßschiebern wurde in allen Größen und in einer Ausführung -hergestellt, die dem amerikanischen Original nicht nachstand; -sie führten sich durch das bestechende Äußere und die Ökonomie -des Dampfes rasch ein, trotzdem die Verkaufspreise den teuerern -Herstellungskosten entsprechend hohe waren. Für Reversier-Walzwerke -und Gebläsemaschinen wurde die Schiebersteuerung beibehalten, und -bei den Wasserhaltungsmaschinen für das Waldenburger Revier büßte -die Katarakt-Ventil-Steuerung ihre Bedeutung nicht ein. Als ich -die Wilhelmshütte nach 4½jähriger Tätigkeit verließ, war sie -eine Maschinenfabrik, die sich eines guten Rufes in den Kreisen der -Industrie erfreute und den besten Fabriken gleichwertig erachtet wurde.“ - -Die lange praktische Lehrzeit, die weit über das hinausging, was heute -ein akademisch gebildeter Ingenieur auf diesem Gebiete zu leisten hat, -gab Rathenau eine gründliche handwerkliche Kenntnis des Maschinenbaus, -für den er immer eine gefühlsmäßige Vorliebe behielt, mit auf den -Lebensweg. - -Rathenaus Austritt aus der Wilhelmshütte wurde durch die Mobilmachung -der preußischen Armee aus Anlaß des italienischen Krieges -herbeigeführt. Er sollte beim 2. Garde-Regiment eintreten, als der -Friede von Villafranca geschlossen wurde. Damit wurde der Eintritt in -das Heer zunächst aufgeschoben, der junge Mann ging aber nicht wieder -zur Wilhelmshütte zurück, sondern entschloß sich, seiner technischen -Bildung zunächst eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Aus -der Erbschaft des Großvaters, die beim Kinderreichtum der Familie -allerdings in 15 Teile ging, fiel ihm eine an sich bescheidene, für ihn -aber damals nicht unbedeutende Summe von einigen tausend Talern zu. -Mit diesem Gelde ausgerüstet, über das er ganz frei verfügen konnte, -durfte Emil Rathenau, seinem längst gehegten Wunsch nach akademischer -Durchbildung nachgeben. Er bezog zunächst die polytechnische Schule -in Hannover. Da seine mathematischen Kenntnisse durch den Schulbesuch -auf dem „Grauen Kloster“ nur recht mangelhaft gefördert worden waren, -strebte er danach, sie durch Selbststudien zu ergänzen und hatte sich -tatsächlich in kurzer Zeit in die Differential- und Integral-Rechnung -so eingearbeitet, daß er den Vorlesungen, die allerdings keine großen -Vorkenntnisse der Mathematik voraussetzten, gut folgen konnte. Die -meisten Lehrer, so der Technologe Karmarsch, der Architekt Debo und -der Statiker Ritter verstanden es, mit einer geringen Menge von -Mathematik auszukommen, auch für das Studium des Maschinenbaus in -seiner damaligen Form war ein Zurückgehen auf mathematische Begriffe -nicht unbedingt erforderlich. Nicht lange konnte sich aber Rathenau in -Hannover seinen Studien ruhig hingeben. Ein Streit um die akademische -Freiheit sah Rathenau und einige preußische Kommilitonen unter den -Wortführern, was den Zorn der welfischen Lehrer gegen die preußischen -Studenten erregte. Nach Beendigung der Ferien ging Rathenau darum -nicht mehr nach Hannover zurück, sondern wandte sich nach Zürich, wo -Männer wie Zeuner, Reuleaux, Culmann und andere lehrten und in einem -fast kameradschaftlichen Verhältnis zu ihren Schülern standen. Die -Diplomprüfung bestand Rathenau, trotzdem die Zeit der schriftlichen -Arbeiten gerade in die feuchtfröhliche Feier des eidgenössischen -Schützenfestes fiel, mit der besten Nummer. Mit dem Diplom „eines -richtig gehenden Ingenieurs“ kehrte der junge Techniker nach Berlin -zurück. Der Wiedereintritt in die Wilhelmshütte stand ihm wohl offen, -aber er hatte die Empfindung, daß er mit seiner inzwischen erworbenen -wissenschaftlichen Methodik nicht mehr so recht unter die dortigen -Empiriker passen würde. Als einen großen Erfolg betrachteten er und -die Familie es, als er eine Anstellung in der Lokomotivfabrik von A. -Borsig erhielt, die damals von dem Sohn des Begründers geleitet wurde. -Zuerst wurde er im Zeichenbureau beschäftigt und hatte Arbeiten mehr -untergeordneter Art auszuführen. Bald wurde er aber unter die meist -älteren Konstrukteure versetzt und konnte sich unter der Leitung des -Oberingenieurs Flöhringer mit der Konstruktion von Gitterbrücken, -später unter der Leitung des Obermaschinenmeisters Stambke mit dem -Entwerfen von Lokomotiven beschäftigen. Sein Gehalt betrug 25 Taler -monatlich, womit er seine einfachen Bedürfnisse bestreiten konnte, -ohne die geldliche Hilfe der Eltern in Anspruch zu nehmen. Dagegen -speiste er Sonntags und an manchen Abenden der Woche im elterlichen -Haus in der Kronenstraße. Die Tätigkeit bei Borsig befriedigte den -jungen Ingenieur indessen nicht lange. Der Lokomotivbau wurde ziemlich -schematisch nach den Entwürfen der Maschinenmeister durchgeführt und -ließ den Konstrukteuren wenig Spielraum für die freie Entfaltung -eigener Gedanken. Dazu war auch die Fühlung mit der Praxis, die eine -solche Tätigkeit wenigstens vorausgesetzt hätte, sehr gering. Denn der -Besuch der Werkstätten wurde durch Meister und Werkführer, die ihre -Domäne namentlich den jungen Ingenieuren eifersüchtig verschlossen, -sehr erschwert. Befand man sich doch damals in einer Zeit, in der -die alte empirische Technik im Kampfe mit der neu aufkommenden -wissenschaftlichen Methode stand, die auf den technischen Schulen -herangebildet wurde und infolgedessen ihre Ideen etwas ungestüm und in -der Form vielleicht auch etwas überheblich in die Praxis hineinzutragen -suchte. Emil Rathenau war nicht der Mann, um seine frisch errungenen -wissenschaftlichen Erkenntnisse sich im praktischen Betriebe um des -leichten Fortkommens willen wieder langsam abzugewöhnen. Er hätte, -wenn er ein Durchschnittsmensch und ein Durchschnittstechniker gewesen -wäre, bei Borsig bleiben und allmählich eine wichtige Stellung, -wahrscheinlich sogar einen Ober-Ingenieurposten erringen können. -Aber Rathenau hat sich nie in seinem Leben mit mittelmäßigen Zielen -begnügt. Er besaß die fruchtbare Unzufriedenheit des nach Großen -strebenden Charakters, dem seine innere Entwickelung mehr wert war als -eine gesicherte Existenz. Als er Borsig von seinem Entschluß, bereits -nach ½jähriger Tätigkeit aus seinem Betriebe auszuscheiden und nach -+England+ zu gehen, benachrichtigte, schien der Chef einigermaßen -darüber befremdet, daß Rathenau sein Interesse und seine Absicht, ihn -bald in eine höhere Stellung aufrücken zu lassen, nicht mit größerem -Dank anerkannte. Neben dem Bestreben, sich fortzubilden und alles in -sich aufzunehmen, was die Technik damals in den fortgeschritteneren -Industrieländern an Gegenwartserfüllungen und Zukunftsmöglichkeiten -bieten konnte, war es wohl auch der Wandertrieb, der „Durst nach -weiter Welt“, die ihn bewogen, die aussichtsreiche Stellung in der -Heimat aufzugeben und sich in England, dem damals an der Spitze -schreitendem Lande der Technik und Wirtschaft, gründlich umzusehen. -Mit einem Empfehlungsbrief von Borsig an die große Maschinenfabrik von -John Penn in Greenwich und einem zweiten des Admiralrates Coupette -reiste Rathenau über den Kanal. Die Hoffnung einer Anstellung bei Penn -schien sich zunächst nicht zu verwirklichen und Rathenau war vorerst -darauf angewiesen, sich durch Annoncen im „Engineer“ eine Stellung -zu suchen. Ein persönlicher Besuch in der Villa John Penns führte -aber, ehe sich der junge Ingenieur zur Annahme eines Anerbietens -der landwirtschaftlichen Maschinen- und Lokomotivfabrik Marshall in -Gainsborough entschloß, doch noch zum Ziele einer Anstellung in der -großen Greenwicher Fabrik und er bekam die Stelle eines Draughtsman mit -30 sh. Wochenlohn. Lassen wir nun Rathenau wieder selbst erzählen, wie -sich seine Tätigkeit in verschiedenen englischen Fabriken gestaltete: - -„Mein Vorgesetzter war ein liebenswürdiger Herr Lobb, der bald -nach meiner Anstellung zu dem Österreichischen Lloyd überging; -sein Nachfolger, Mr. Wright, war mir weniger sympathisch. Aber -dieses Vorurteil war ungerecht, denn gerade ihm verdanke ich meine -Heranziehung zu größeren Arbeiten. Ein Landsmann, der spätere -Oberwerftdirektor Meyer, trat in dasselbe Bureau ein. Die teueren -Lebensbedingungen veranlaßten uns zu einem gemeinsamen Haushalt, -und wir fanden eine passende Behausung in der Nähe von zwei -Marineingenieuren Gujod und Dede, die zur Überwachung der im Bau -befindlichen Panzerkorvette nach England geschickt waren. Während -wir unser Leben in Gainsborough allesamt sehr bescheiden einrichten -mußten, fand ich hohe Befriedigung in der geschäftlichen Tätigkeit. -Die englische Marine muß sehr gute Erfahrungen mit den Schiffen der -Warrior-Klasse, zu denen „Achilles“ und „Black Prince“, wie ich -glaube, gehörten, gemacht haben, denn sie ging zu einem ähnlichen -Typ, dem Bellerophon, über und übertrug der Firma J. Penn & Sons die -Ausrüstung des Schiffes mit Maschinen, Kesseln und Zubehör. Es war -die erste 1000 PS-Expansionsdampfmaschine mit Zylinder von 105 Zoll, -eine Trunk-Maschine, in der die Kurbelwelle zwischen jenen und den -Kondensatoren gelagert war. Diese Konstruktion war neu, die Firma -hatte früher meist oszillierende Dampfmaschinen gebaut und durch sie -einen Weltruf erlangt. Nach Vollendung der Werkstattszeichnungen, -Transportmittel, die für die ungewöhnlich schweren Arbeitsstücke -angefertigt werden mußten, und der Gesamtanordnung, die bis in -die Einzelheiten auf dem Papier festgelegt und in Maßskizzen den -verschiedenen Abteilungen zur Fertigstellung überlassen wurden, -befragte mich ein Freund, der nach Deutschland zurückzukehren im -Begriff stand, ob ich sein Nachfolger in der Firma Easton & Amos zu -werden wünsche. Die Vielseitigkeit dieses Geschäftes zog mich an und -ich siedelte nach London über, das ich während meines Aufenthaltes -in Gainsborough an Sonnabenden jeder Woche nachmittags mit Vergnügen -aufgesucht hatte, und in dem das großzügige Leben und der enorme -Verkehr auf den Straßen mich förmlich elektrisierten. - -Im Gegensatz zu John Penns prächtigen Werkstatthallen und imposanten -Werkzeugmaschinen fand ich hier eine elende Baracke, man mußte sich -erst an die Arbeit in diesen Bureaus gewöhnen, die von den Schlägen -der Dampfhämmer erzitterten. Auf den Zeichenbrettern häufte sich der -Kohlenstaub, und während in Gainsborough unsere Kollegen junge lustige -Leute waren, die Späße trieben und sich amüsierten, befanden sich hier -meist Familienväter, deren Pünktlichkeit, wie die von Arbeitern, durch -den Portier und Stundenzettel kontrolliert wurde; sie waren wohl meist -aus diesem Stande hervorgegangen. - -Meine erste Aufgabe war die Konstruktion einer Tunnelbohrmaschine -nach den Patenten von Captain Beaumont: Eine Scheibe von etwa 5 Fuß -Durchmesser enthielt an ihrem Umfange zur Achse parallel laufende -Schlitze, in denen eine große Zahl von Stahlbohrern mit Keilen -befestigt waren. Die hin- und hergehende Bewegung wurde durch einen -mit der Scheibe verbundenen Differential-Dampfkolben verursacht, der -in einem nach Art direkt wirkender Dampfspeisepumpen gesteuerten -Zylinder vor- und rückwärts lief. Der volle Dampfdruck erfolgte bei -der Stoßwirkung, während die kleinere Fläche den Rückzug vollendete. -Waren die Stähle bis an die Befestigung in der Scheibe vor Ort in das -Gebirge durch schnell aufeinanderfolgende Schläge eingedrungen, so -erhielt der auf Rollen stehende Truck, der nach jedem Stoß selbsttätig -vorrückte und sich wieder befestigte, eine geringe Drehung, so daß die -Löcher in der gewünschten Teilung einen Kreis bildeten. Ein Bohrer in -seinem Zentrum diente zur Aufnahme der Patrone, durch die die Sprengung -erfolgte. Hierbei wurde die schwere Maschine auf den radial zur -kreisrunden Öffnung stehenden Rollen des Trucks so weit zurückgezogen, -daß man die Débris vor Ort bequem ausräumen konnte. Über das Schicksal -dieser Maschine ist mir nichts bekannt geworden, dagegen sah ich ein -anderes Werk meiner damaligen Tätigkeit nach einem Menschenalter noch -im Betriebe. Es war ein hydraulischer Aufzug mit direktem Antrieb für -Personentransport, der in dem ersten großen, damals im Bau befindlichen -Hotel in Brighton aufgestellt wurde. Der sehr lange Stempel stak in -dem Preßzylinder, für den man einen tiefen Rohrbrunnen in das Erdreich -gesenkt hatte. Die einzelnen Kolbenteile bestanden aus gußeisernen -Röhren, die durch Gewinde miteinander verbunden waren. Trotzdem diese -Konstruktion große Sicherheit den Reisenden bot, erfuhr ich später -durch Zeitungen, daß im Grand Hotel ein nach diesem Muster erbauter -Aufzug mit den Passagieren verunglückt sein soll. - -Die primitiven Einrichtungen deuteten auf den allmählichen Verfall des -Werkes, und obgleich ich wegen der Vielseitigkeit der Aufträge eine -bessere Schule in England kaum hätte wieder finden können, trat ich -mit achttägiger Kündigung aus der Fabrik aus, die zwar bald nachher -einen neuen Partner aufnahm, aber später von der Bildfläche, wie ich -vorausgesehen hatte, verschwand. Der Wert der Grundstücke in der -City hat hoffentlich die Inhaber oder Gläubiger für ihre Verluste im -Betriebe entschädigt. - -Auf eine Annonce in einem Londoner Fachblatt, durch die ein theoretisch -erfahrener, der französischen Sprache mächtiger Ingenieur bei hohem -Salär gesucht wurde, meldete ich mich zum sofortigen Antritt und -hatte das Glück, aus der großen Zahl von Bewerbern mit 4 Lstrl. -wöchentlichem Gehalt Anstellung nach kurzer Prüfung bei einer neu -gegründeten Gesellschaft, die British & Continental Steam Improvements -Co. firmierte, zu erhalten. Das Bureau der Gesellschaft lag in -Adelphi Street, Strand, ihr Leiter war ein französischer Chemiker -namens Martin, auf dessen Erfindungen das Unternehmen gegründet -war. Der Dienst begann um 10 Uhr; nach dem Luncheon, das ich in -dem dem Theater gegenüber liegenden Public House stehend, aber mit -Gemütsruhe einzunehmen pflegte, erschien der Chef; er las die wenigen -eingegangenen Briefe, besprach die Geschäfte, die ihn kaum mehr als -mich erregten, und führte mich bei eintretender Dunkelheit in ein -vornehmes Restaurant zum Mittagessen, das mir wegen der lukullischen -Genüsse und der gewaltig hohen Preise imponierte. Niemals hatte ich -für eine so geringe Tätigkeit eine solche Behandlung und Bezahlung -erfahren. Meine Aufgabe war doppelter Natur; Konstruktionen und -Schriftstellerei. Beide erstreckten sich auf eine Rauch verzehrende -Lokomotivfeuerung einerseits und einen Kesselsteinreinigungsapparat -andererseits; letzteren kannte ich bereits aus meiner früheren -Tätigkeit; ich entsinne mich nicht, wo er zuerst konstruiert worden -war, glaube aber aus der Literatur später erfahren zu haben, daß er -unter dem Namen Schau in der Lokomotivfabrik in Wiener-Neustadt gebaut -wurde. Auf dem Kessel war ein zweiter Dampfdom so befestigt, daß -man ihn von den ebenen Dichtungsflächen leicht abnehmen konnte. In -diesem waren Teller übereinander so angebracht, daß das kaskadenweise -herabfließende Speisewasser von den oberen zu den unteren langsam in -der heißen Dampfatmosphäre herabtröpfelte. Da gewisse Verunreinigungen -bei diesen Temperaturen sich bereits absondern, so wurde die bewußte -Reinigung häufig erzielt, und da auch die Wärmeverluste unbedeutend -waren, so hat der Apparat sich zuweilen und jedenfalls bei den -Versuchen bewährt, wie denn die Salze auf den Tellern bei ihrer -Herausnahme ad oculus demonstrierten. Mit guten Patenten, genügender -Reklame und glänzenden Zeugnissen hätte der Erfinder vielleicht durch -Herstellung en masse einen Gewinn für die Gesellschaft erzielen können, -dazu aber fehlte ihm kaufmännische Begabung. - -Die Lokomotive, in die auf einem der großen Bahnhöfe in London -- -ich entsinne mich nicht, ob Great Eastern, Northern oder Western -- -die neue Feuerung eingebaut wurde, gab befriedigende Resultate in -ökonomischer Beziehung, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß die -feuerfesten Konstruktionsteile bei den Stößen und Erschütterungen, -denen solche Dampfkessel ausgesetzt sind, eine genügend lange Dauer -besitzen. Die maßgebenden Persönlichkeiten scheinen anderer Ansicht -gewesen zu sein, denn kaum waren die Meßresultate in ihren Händen, so -erhielt ich den Auftrag, eine Straßenlokomotive von Aveling und Porter -mit der Feuerung auszurichten. Technisch bot dieses Kommissorium keine -Schwierigkeiten, aber die kommerzielle Behandlung öffnete mir die Augen -über die Geschäftsgebarung, und ich beschloß deshalb, einen neuen -Wirkungskreis zu suchen.“ - -Vorher wünschte Rathenau seine Eltern nach zweijähriger Abwesenheit -wiederzusehen; zumal diese in der Meinung, daß der junge Ingenieur -sich draußen in der Welt genügend umgesehen habe, und sich nunmehr -eine dauernde Existenz gründen solle, auf die Rückkehr drängten, -die nach ihrem Wunsche eine dauernde Heimkehr sein sollte, während -Rathenau selbst, als er sich zur Heimreise anschickte, noch nicht -fest entschlossen war, sich für die Dauer im Heimatlande anzusiedeln. -Indessen gefiel es ihm im Hause Viktoriastraße 3, das die Eltern -inzwischen bezogen hatten, recht wohl und er ließ sich unschwer -überreden, seine weiteren Wanderpläne aufzugeben. Den Eltern und -Freunden kam es bei ihren Plänen zu statten, daß Rathenau, trotz -aller Lust die Welt kennen zu lernen, doch mit seinem ganzen Herzen -an Deutschland und besonders seiner Heimatstadt Berlin hing, und -eigentlich in seinem ganzen Leben niemals ernstlich daran dachte, sich -wie so viele andere tüchtige Deutsche jener Zeit irgendwo draußen, wo -es sich zu jener Zeit besser und aussichtsvoller leben ließ, dauernd -anzusiedeln. In seinem Streben und Denken war Rathenau Kosmopolit. -In seinem Grundgefühl blieb er trotzdem immer bodenständig. Jeder -Fortschritt, jede Errungenschaft, jede Verbesserung der Verhältnisse, -die er irgendwo draußen sah, waren ihm nie allein Inhalt genug. Er -konnte sie sich nur in Verbindung mit der Heimat denken, der er -entstammte und der er ihren Nutzen dienstbar machen wollte. So wenig -sich Rathenau durch die Schranken und Bedingungen des Vaterlandes -binden oder hemmen ließ, so sehr er alle Fernen nach neuen wissens- und -nachahmenswerten Einrichtungen abschweifte, in irgend einem fremden -Boden hätte er nie Wurzel fassen können. Dort sich einfach und bequem -niederzulassen, wo das Neue bereits entwickelt war, reizte ihn nicht, -bot seinem Schaffenswillen wohl auch nicht Leistungsmöglichkeit und -Spielraum genug. Ihn leitete stets das instinktive Bestreben, das Neue -dorthin zu verpflanzen, wo es sich noch nicht vorfand und ihm schwebte -wohl schon damals der Gedanke vor, daß in Deutschland ein weiteres -Arbeitsgebiet offen lag als in fortgeschritteneren Ländern, wo er die -Hauptstraßen bereits durch einen zu starken Wettbewerb besetzt fand. -„Trotz schmaler Kost und wenig Geld“, sind Emil Rathenau, der in dem -berechtigten Stolz, auf eigenen Füßen zu stehen, schon damals auch die -kleinste geldliche Beisteuer des Vaters nicht mehr angenommen hatte, -die Jahre in England unvergeßlich geblieben. Außer den technischen -Erkenntnissen, die er ihnen verdankte, gaben sie ihm den freien Blick -des Staats- und Weltbürgers und eine ausgeprägte +demokratische -Anschauungsweise+, deren Fundament sich nie verlor, wenngleich -der Geschäftsmann sie später aus Opportunitätsgründen, vielleicht -auch aus Mangel an Zeit für politische Interessen, nicht mehr -sonderlich betonte, allerdings auch nie verleugnete. Auch der spätere -Gegensatz zu der aufkommenden sozialdemokratischen Agitation mit -ihrer Erschwerung der Arbeiterbehandlung und Arbeiterökonomie für das -Unternehmertum mag dazu beigetragen haben, den demokratischen Grundton -der Rathenauschen Denkweise zu dämpfen. In den englischen Jahren -warf er sich ihr aber mit Entschiedenheit in die Arme. Bedeutete sie -doch eine reife Betätigung und Erfüllung der ringenden Bestrebungen, -deren jähes gewaltsames Aufflackern der heranwachsende Knabe im -Jahre 1848 staunend, wenn auch wohl nicht verstehend, miterlebt, -für die der junge polytechnische Student dann im engen Kreise -mitgekämpft hatte. Das waren Erinnerungen, die in der englischen Luft -wieder aufgewacht waren und ihm manche Einrichtungen der englischen -Bürgerfreiheit als glücklich und nachahmenswert erscheinen ließen. -Auch die +Freihändlerlehre+ mochte sich dem jungen Deutschen -damals so tief ins Gemüt gesenkt haben, daß er Zeit seines Lebens nie -so recht von ihr loskam, auch hier allerdings später die Theorie den -Zweckmäßigkeitsgründen seiner besonderen Interessensphäre anpassend. - -Nun machte Emil Rathenau zum ersten Mal den Versuch, seßhaft zu werden -und sich eine Position zu schaffen, wie sie den Augen der Familie -wohlgefiel. Ein wohlsituierter Bürger und tüchtiger Fabrikbesitzer, -das war das Ziel, das den Eltern vorschwebte und das sich immerhin um -eine wesentliche Spielart von den Lebens- und Wirtschaftsbedingungen -unterschied, die sonst in den damaligen jüdischen Kreisen Berlins -und Deutschlands üblich waren. In der Industrie hatten die jüdischen -Kaufleute damals erst in geringem Umfange Fuß gefaßt. Handel und Finanz -waren noch ausgesprochener als heute die Hauptgebiete ihrer Betätigung, -und die kombinierten, großkapitalistischen und großgewerblichen -Methoden, durch die sie späterhin den Übergang auch in die Industrie -fanden, erschienen damals noch wenig ausgebildet. Allerdings -fehlte es nicht an Ausnahmen. Der Stern des industriellen Gründers -Strousberg, der allerdings durch eine Welt von dem soliden deutschen -Industrietypus geschieden war, stand damals noch im Zenith. In Berlin -waren es gerade Rathenaus Verwandte, die Liebermanns und Reichenheims, -die als Industrielle sich bereits einen soliden Reichtum und ein -großes bürgerliches Ansehen geschaffen hatten. Mitglieder der Familie -Liebermann besaßen neben der schon erwähnten Wilhelmshütte in Sprottau -eine bedeutende Tuchweberei, die Familie Reichenheim gleichfalls -eine blühende Textilfabrik im schlesischen Wüste-Giersdorf. Auch die -noch jetzt als Aktiengesellschaft bestehende Textil-Firma Anton und -Alfred Lehmann befand sich im Besitz von Verwandten Rathenaus. Gerade -diese Beispiele aus der Familie, die sich allerdings nach dem Tode -des Großvaters Liebermann nicht mehr allzuviel um Emil Rathenau und -sein Elternhaus kümmerte, werden dazu beigetragen haben, den jungen -Rathenau der industriellen Laufbahn zuzuführen. Nach der Rückkehr aus -England begab er sich auf die Suche nach einem geeigneten, bereits -bestehenden und eingeführten Unternehmen. Durch Familienbeziehungen -gelangte Rathenau an eine Fabrik, die damals verkäuflich war und auch -den Eltern eine geeignete Grundlage für eine Selbständigkeit zu bieten -schien. Es war die kleine Maschinenfabrik von M. +Webers+, die in -der Chausseestraße, dem damaligen Berliner Maschinenfabrikenviertel, -unweit der alten Berliner Anstalten von Schwartzkopf, Borsig, -Wöhlert und Engells gelegen war. Die Fabrik beschäftigte nicht mehr -als 40-50 Arbeiter und betrieb neben dem Bau von Dampfmaschinen -die Herstellung von Einrichtungen für Gas- und Wasserwerke. Auch -Zentrifugalpumpen, Lokomobilen und was sonst zu dem Betrieb einer -damaligen Maschinenfabrik gehörte, wurde gelegentlich hergestellt. -Daneben führte das Unternehmen, gewissermaßen als Monopol, sämtliche -Apparaturen aus, die die Königlichen Theater brauchten. Emil Rathenau -prüfte die Grundlage des Betriebes, von denen die technische trotz -ziemlich primitiver Methoden einen besseren Eindruck machte als die -kaufmännische, und war grundsätzlich zu einem Erwerb bereit. Die -Verfassung, in der sich das Unternehmen damals befand, wurde von ihm -wie folgt geschildert: - -„Aus einem früheren Vergnügungslokal, Bella Vista, war ein -hübsches Wohnhaus mit Vorgarten stehen geblieben, das sich durch -schmuckes Äußeres hervortat; hinter diesem lag die Fabrik in dem -früheren Tanzsaal, der sich als Seitenflügel dem einstöckigen -Wohnhause anschloß; Dampfkessel, wie sie unter bewohnten Räumen -zu jener Zeit zulässig waren, und eine ihrer Größe entsprechende -Dampfmaschine trieben vermittels Wellentransmission die einfachen -Werkzeugmaschinen, wie sie Chemnitzer und Berliner Fabriken -herstellten. Die Fabrik hatte einen guten Ruf. Der spätere Rektor -der technischen Hochschule in Darmstadt hatte als technischer Leiter -die Bügel- und Balanziermaschinen etwas modernisiert und mit einer -Expansionsvorrichtung versehen, die sich recht bewährt hat. Ein -Glockenventil, das auf und mit dem Schieber sich bewegte, wurde von -dem unrunden Konus auf der Spindel des Zentrifugalregulators geöffnet -und geschlossen.“ -- Der junge Ingenieur konnte und wollte das -Wagnis, das auch über die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen -Kräfte hinausging, nun allerdings nur in Gemeinschaft mit einem -tüchtigen und gleichgesinnten Kaufmann übernehmen. Für die Fabrik mit -Grundstücksgebäuden und Inventar -- dazu gehörte ein großer Garten mit -schönen alten Bäumen -- wurden 75000 Taler gefordert und von dem Käufer -eine Anzahlung von einem Drittel dieses Betrages verlangt, über das -Emil Rathenau nur zum Teil verfügte. An Geldmännern, die sich an dem -Geschäft beteiligen wollten, fehlte es nicht. Doch konnte sich Rathenau -nicht zur Wahl eines stillen Teilhabers entschließen. Ein Sozius -fand sich aber bald in der Person des um zwei Jahre jüngeren Julius -+Valentin+, den Rathenau als Nachbarkind vom Monbijouplatz und -als jüngeren Schulgenossen vom Grauen Kloster her kannte. Die beiden -jungen Männer trafen sich ganz zufällig. Auf der Straße begegnete -Rathenau einige Zeit nach seiner Rückkehr aus England dem jungen -Valentin, der ihm den Eindruck eines intelligenten, offenen Menschen -machte. Den ersten gegenseitigen Fragen nach dem „Woher“, nach den -Lebensschicksalen beider seit der gemeinsamen Schulzeit, folgte bald -die Frage nach dem „Wohin“, den Plänen für die Zukunft. - -Rathenau erzählte schließlich, daß er etwas Eigenes unternehmen -wolle, auch schon eine bestimmte Sache in Aussicht habe, daß ihm -aber noch der Kaufmann fehle. Auf die Frage, ob er dieser Kaufmann -sein wolle, und ob er sich mit einem bestimmten Kapital beteiligen -könne, bat sich Valentin Bedenkzeit aus, gestand auch ganz offen, -daß er nicht nur über die zu erwerbende Maschinenfabrik, sondern -auch über Rathenau selbst vorher Erkundigungen einziehen müsse. -Einige Tage nachher bat sich Valentin von Rathenau eine schriftliche -Erklärung aus, daß er ihn zum Sozius bei der Fabrik nehmen wolle. Den -jungen Ingenieur verstimmte diese Vorsicht ganz und gar nicht, sie -gefiel ihm sogar, und man vereinbarte weitere Besprechungen. Diese -fanden statt, und man wurde miteinander einig. Rathenau und Valentin -erwarben gemeinsam die Maschinenfabrik, und der Jugendbekanntschaft -folgte eine enge, fast zehnjährige Geschäftsgenossenschaft und bald -eine herzliche Freundschaft, die auch die geschäftliche Trennung -überdauerte, in manchen späteren gemeinsam geplanten, wenn auch nicht -ausgeführten Projekten ihren Ausdruck fand, und das ganze Privatleben -der beiden trefflich zueinander passenden Männer durchzog. Wenn man -den glaubhaften Schilderungen des in seinem Verhältnis zu Rathenau -selten bescheidenen Valentin folgt, so ist Emil Rathenau schon in der -damaligen gemeinsamen Tätigkeit der führende, aktive und bestimmende -Teil gewesen, während Valentin sich anpaßte und bemüht war, die -Gedanken und Anregungen Rathenaus, so gut ihm das möglich war, -auszuführen. Daß auch Valentin kein gewöhnlicher Mensch gewesen ist, -zeigen die immerhin respektablen Erfolge in seiner späteren eigenen -Tätigkeit. In der Leitung der Maschinenfabrik Webers jedenfalls -vereinigten und ergänzten sich die beiden Charaktere auf das beste, -und es ist vielleicht nie wieder ein äußerlich Gleichgeordneter mit -Rathenau, der im Verkehr mit Menschen als eigenwillig, rücksichtslos, -ja manchmal sogar als hart galt, so gut und glatt ausgekommen wie -Valentin. Dieser rühmt besonders die feine, taktvolle Art, mit der sein -damaliger Sozius bei gemeinsamen Verhandlungen und Beratungen jedes -Pochen auf seine Überlegenheit, jede besserwisserische Art vermied. -„Ja sogar, wenn man Aufklärung, Belehrung bei ihm suchte, hatte man am -Ende den Eindruck, als ob Rathenau, der klar und mit ausgeprägtem Sinn -für das Wesentliche auseinanderzusetzen und zu antworten verstand, als -der Gewinnende, Belehrte und Dankbare aus der Unterhaltung schied.“ --- Ungefähr zu derselben Zeit, als die Maschinenfabrik M. Webers in -den Besitz der beiden Freunde überging, heiratete Rathenau Mathilde -Nachmann, die Tochter eines angesehenen und wohlhabenden Bankiers, und -die Mitgift, die er erhielt, bildete zum Teil die finanzielle Einlage, -die er in die Sozietät mit einbrachte. Mathilde war Emil Rathenau sein -ganzes Leben hindurch eine treue und kluge Lebensgefährtin, die in den -jungen Jahren der ersten kaufmännischen Tätigkeit an den Plänen und -Arbeiten ihres Mannes ihren beratenden Anteil nahm und ihm später in -den Jahren des beschäftigungslosen, manchmal unbefriedigten Suchens -stützend und anspornend zur Seite stand. Als dann das Lebenswerk -Rathenaus auf fester Grundlage errichtet war, die Tätigkeit wuchs, sich -verzweigte und die Tages-, manchmal auch die Nachtstunden des Mannes in -immer zunehmenden Umfange fortnahm, lernte sie sich bescheiden, gerade -weil sie verstand, daß große Männer mehr ihrem Werke als sich und ihren -Nächsten gehören. Sie konnte sich auch bescheiden, weil sie der Liebe -ihres Mannes, +des+ Teils seines Denkens und Fühlens, der dem -Menschen und Privatmann verblieb, stets sicher war und stets sicher -sein durfte. So wenig Emil Rathenau für seine Familie im weiteren Sinne -übrig hatte, so innig war er mit seiner engsten Familie verwachsen, so -selbstverständlich fest war sein Familienzusammengehörigkeitsgefühl mit -seinen nächsten Angehörigen. Unzertrennbar wie er den Eltern, besonders -der Mutter anhing, fühlte er sich auch Frau und Kindern verbunden. -Dieses Bewußtsein linderte auch in den späteren Jahren die Klage der -Lebensgefährtin, daß sie von ihrem Manne so wenig hätte, und „es kaum -so viele Romane gäbe, wie sie in ihren einsamen Stunden lesen müßte.“ -Daß an eine ins Einzelne gehende Teilnahme der Gattin an der Arbeit des -Gatten in späteren Jahren in der Rathenauschen Ehe gar nicht mehr zu -denken war, erscheint bei der Größe, dem Umfange und der Vielseitigkeit -dieser Arbeit nicht verwunderlich. Auch die aktiengesellschaftliche -Form und die strenge Scheidung, die Rathenau -- wie wir noch später -sehen werden -- zwischen seinen eigenen Vermögensinteressen und denen -der Aktiengesellschaft stets wahrte, ließ eine enge Fühlungnahme -der Gattin mit den Geschäften des Gatten, zu der Mathilde Rathenau -an sich durchaus fähig gewesen wäre, nicht entstehen. Wie weit ihre -Geschäftsfremdheit in späteren Jahren gegangen ist, zeigt ein Vorfall, -den mir Rathenau einmal persönlich erzählt hat. Die A. E. G. hatte -seit einiger Zeit die Herstellung der lichtstarken und stromsparenden -Metallfadenlampen aufgenommen und dafür eine große geschäftliche -Propaganda entfaltet. In seiner eigenen Wohnung am Schiffbauerdamm -brannten aber noch ganz gemütlich die altmodischen Kohlenfadenlampen, -bis eines Abends Frau Mathilde einmal den Gatten fragte: „Sag mal, -Emil, Ihr macht doch jetzt in den Zeitungen so viel für eine neue -Lampe Reklame. Können wir die nicht auch bei uns einführen?“ -- Dieser -Vorfall, der zugleich für die völlige Gleichgültigkeit kennzeichnend -ist, mit der Emil Rathenau immer nur das Allgemeine, nie das Spezielle -sehend, sein Privatleben wenigstens in äußeren Dingen behandelte, kann -gegen den tiefen inneren Ernst, mit dem Rathenau die Ehe -- allerdings -weitab von jeder modernen Emanzipation -- ansah und behandelte, nicht -das geringste besagen. Frau Mathilde wird diesen Vorfall wahrscheinlich -ebenso von der gemütlichen, humoristischen Seite genommen haben, wie -die harmlose Galanterie, die ihr Mann, besonders auf Reisen -- und zwar -je älter er wurde, umso mehr -- jungen oder klugen Damen, mit denen -er gern und gut plauderte, entgegengebracht hat. Wußte sie doch, daß -dabei keine Spur von Erotik, sondern nur angeborene Ritterlichkeit -dem weiblichen Geschlechte gegenüber mitspielte, die diesem innerlich -keuschen, jeder groben Sinnlichkeit abholden Manne stets eigen war, -eine Ritterlichkeit, die er der Gattin selbst stets entgegengebracht -hatte. - -Aber kehren wir wieder zu dem jungen Rathenau und seiner -Maschinenfabrik zurück. Kurz nach ihm hatte auch der Sozius Valentin -geheiratet, und die beiden Familien wohnten nun in dem der Fabrik -vorgelagerten Wohnhause in der Chausseestraße, einträchtig beisammen. -Abends nach getaner Arbeit zogen die beiden Ehepaare nicht selten -gemeinsam in das Stadtinnere, nach der Friedrichstadt, wo es damals -noch an jeder Kanalisation fehlte und die Abwässer in offenen -Rinnsteinen, an den Straßenübergängen nur von Bohlen überdeckt, sich -ihren Weg suchten, an warmen Sommerabenden einen wenig angenehmen Duft -verbreitend. Die baulichen und hygienischen Verhältnisse ließen auch -in der Zeit, als Berlin schon Reichshauptstadt geworden war, noch -viel zu wünschen übrig. Die Einführung der Gasbeleuchtung hatte die -wenig fortgeschrittene Kommunalverwaltung zunächst einer englischen -Gesellschaft überlassen, die Gründung des ersten öffentlichen -Schlachthofes und der ersten Markthalle durch Strousberg betrachtete -man mit Mißtrauen und suchte ihr, statt sie zu unterstützen, allerlei -kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen. Rathenau, der ja die damals -viel besseren Verhältnisse in englischen Großstädten kannte, empfand -die Rückständigkeit der Vaterstadt schmerzlich, und auf den gemeinsamen -Abendspaziergängen entwarf er, dessen Hirn stets voll von Plänen -steckte und dem besonders beim Sprechen die Projekte nur so zudrängten, -nicht selten kühne und großzügige Modernisierungsvorschläge. - -Die Tätigkeit Rathenaus in der Maschinenfabrik M. Webers dauerte fast -10 Jahre. Als die beiden Freunde die Leitung übernahmen, verstanden sie -von dem Fabrikbetriebe, wie Rathenau selbst zugab, wenig oder nichts. -Der alte Webers hatte einen Buchhalter hinterlassen, der Valentin -in die Mysterien der einfachen kaufmännischen Tätigkeit einweihte. -Rathenau glaubte eine ähnliche Stütze in dem Ingenieur zu finden, der -den technischen Arbeiten in Bureau und Werkstatt vorgestanden hatte. -Dieser Mann, verstimmt darüber, daß sein früherer Chef das Anwesen -verkauft hatte, ohne ihn zu fragen, ob er selbst darauf reflektiere, -zog sich aus dem Geschäft zurück, um eine eigene Fabrik zu begründen -und Emil Rathenau war somit allein auf sich selbst angewiesen. Der -wichtigste Gegenstand bei seinem Eintritt war die Herstellung des -Schiffes für Meyerbeers Oper „Die Afrikanerin“, die von dem Königlichen -Opernhaus damals vorbereitet wurde. Rathenaus Interesse für derartige -Theaterarbeiten war gering. Weder die Bühne noch die Balletteusen, -für deren Gruppendarstellungen er schmiedeeiserne Konstruktionen -auszuführen hatte, übten eine Anziehungskraft auf ihn aus. Zu dem -Programm des Unternehmens gehörten, wie wir schon gesehen haben, außer -Dampfmaschinen von nicht erheblicher Größe, Apparate für Gasanstalten -und Wasserwerke, wie sie in den beschränkten Werkstätten und mit den -vorhandenen einfachen Hilfsmaschinen ausgeführt werden konnten. Auch -Schieber von den kleinsten bis zu den größten Abmessungen bildeten eine -lohnende Spezialität. Über die technischen Zustände, die Rathenau in -der Fabrik vorfand, und über die Versuche, sie auf eine höhere Stufe zu -heben, lassen wir ihn am besten wieder selbst berichten: - -„Während Aufträge auf gewisse Gegenstände ohne Mühe und regelmäßig -einliefen und die listenmäßigen Preise ohne Feilschen erzielten, -schwankten die Bestellungen auf Dampfmaschinen, und diese Schwankungen -erschwerten den geordneten Werkstattbetrieb. Brauchbare und -leistungsfähige Arbeiter lassen sich nur erziehen, wenn sie die -Überzeugung gewinnen, daß ihre Beschäftigung eine dauernde ist und -das Unternehmen im Aufblühen sich befindet, denn mit dem Wachsen der -Bestellungen nimmt auch ihr Verdienst zu. Der Bau von Dampfmaschinen -nach Preislisten, wie viele amerikanische Fabriken ihn später -aufgenommen haben, lag zuerst in meiner Absicht, aber ich sah bald, daß -jeder Kunde neue Wünsche äußerte und die von mir festgelegten Typen -diesen nicht entsprachen. Lag die fertige Maschine rechts, wünschte -man das Spiegelbild, war das Schwungrad als Riemscheibe ausgebildet, -forderte man besondere Scheiben, befand sich die Kondensation hinter -dem Dampfzylinder, legte man Wert auf den Antrieb der Luftpumpe von -der Kurbel usw. Unter solchen Umständen beschloß ich eine neue Type -zu schaffen, in der Hoffnung, daß mit derselben die Kritik aufhören -würde, und in dieser Erwartung habe ich mich nicht getäuscht, denn -viele hundert Maschinen von 1 PS bis zu ansehnlichen Leistungen wurden -ohne Änderungen der Modelle ausgeführt und verkauft; freilich sorgte -ich stets, daß sie auf der Höhe der Technik verblieben. Diese Maschinen -nannte ich zum Unterschiede von Lokomobilen auf Rädern transportable -Dampfmaschinen. Sie bildeten ein in sich abgeschlossenes Ganze. Die -vertikale Maschine war mit ihrer Grundplatte an dem sauber gearbeiteten -stehenden Dampfkessel befestigt; die einfache Feuerbüchse erhielt -durch herabhängende (Fieldsche) Röhren genügende Heizfläche, und die -aufsteigenden Rauchgase wurden durch eine mit feuerfestem Material -bekleidete Eisenwand abwärts und dann in den Schornstein geführt. -Die Montage der Maschinen nahm geringe Zeit in Anspruch, sie konnten -in tadelloser Ausführung fast immer sogleich vom Lager oder aus -den Werkstätten geliefert werden, hatten einen ganz befriedigenden -ökonomischen Effekt und so viele Vorzüge vor stationären Maschinen -mit schwerfälligen Kesselanlagen, Einmauerungen, Schornsteinen usw., -daß die Firma sich bald eines Rufes erfreute und die Fabrikate über -die ganze Welt absetzte. Weitere Spezialfabrikationen bauten sich auf -direkt gesteuerten Dampfpumpen auf, die die Schwungradpumpen allmählich -ersetzten, auf Zentrifugalpumpen, darunter solche für Hochdruck und -direkten Dampfmaschinenantrieb, auf Ejektoren für Kondensationszwecke -und dergleichen, während Dampfmaschinen und Dampfkessel in allen -Größen, wie sie damals üblich waren, auf besondere Bestellung gebaut -wurden. Es muß hier bemerkt werden, daß der schöne Garten modernen -Werkstätten für Kessel- und Maschinenbau inzwischen Platz gemacht und -Umsatz sowie Arbeiterzahl mit jedem Jahre sich vermehrt hatten. Außer -den laufenden Bestellungen betätigten wir uns in Konstruktionen für -das Heer und die Marine. - -Die Firma Siemens & Halske hatte uns den Auftrag zur Herstellung einer -10 PS transportablen Dampfmaschine erteilt, die auf Rädern dergestalt -hergestellt war, daß Dampfkessel und Maschinen auf der Hinterachse, -Dynamo- und Erregermaschine auf einem leichten schmiedeeisernen -Gestell ruhten. Der Betrieb erfolgte mittels Riemen. Die Versuche mit -Scheinwerfern wurden entweder auf dem Tegeler Schießplatze oder der -damals unbebauten Genthinerstraße, wo die Bureaus des Ingenieurkomitees -sich befanden, wie ich meine, mit befriedigendem Erfolge ausgeführt. - -An ersterer Stelle hatten wir bereits größere Leistungen aufgewiesen. -Unter Leitung eines sehr befähigten, damals als Hauptmann fungierenden -Offiziers hatten wir einen drehbaren Panzerturm für zwei 50 -cm-Geschütze erbaut; die Panzerplatten waren so schwer, wie sie die -englische Firma damals walzen konnte, umgaben aber hauptsächlich -+den+ Teil des Turmes, in dem die Minimalscharten sich befanden, -während der übrige Teil des Ringes aus sehr starken Flächen und die -gewölbte Kalotte aus einer Doppellage von diesen gebildet wurde. Die -Drehung des solid und genial konstruierten Turmes erfolgte durch das -Gewicht von Artilleristen mittelst Hebel und Tritte vorwärts und -rückwärts in mäßigem Tempo. Fast eine Kunst war die Auswechslung der -schweren und langen Geschützröhren in dem niedrigen Turm; ohne Kräne -und Winden mußte sie in wenigen Stunden erfolgen. Diese Röhren wurden -in Eisenblechlafetten durch zwei voneinander unabhängige Vorrichtungen -so bewegt, daß der ideelle Drehpunkt in der Schießscharte verblieb und -diese auf ein Minimum reduziert werden konnte. - -Die Mannschaft wurde allmählich mit den Manipulationen so vollkommen -vertraut, daß es eine Freude war, die schwierigen Exerzitien zu -beobachten. Welche Einfachheit der Übungen im Vergleich zu den -heutigen Manövern, bei welchen alle Neuerungen der modernen Technik -zur Anwendung gebracht sind! Über die zahlreichen Feldbefestigungen, -die wir ausführten, gehe ich hinweg zu dem Barackenlager, das in Tegel -errichtet, vorher aber in einem Exemplar in unserer Fabrik aufgestellt -wurde. Gebogene I-Eisen, durch einen Ring zu einer Kuppel vereinigt und -mit einem halben Stein ausgewölbt, bildeten hohe, luftige Wohnräume -für etwa je 16 Mann; kleinere Baracken waren für Offiziere, Küchen, -Latrinen usw. bestimmt. Bei Ausbruch des französischen Krieges hatte -das für eine Kompagnie in Tegel bestimmte Lager die Aufmerksamkeit -auf sich gelenkt, und der damalige Direktor der Charité Esse, Virchow -und andere Zelebritäten bestürmten uns, zwei solcher Baracken, für -die das Material noch vorhanden war, in dem Königin Augusta-Hospital -zu errichten. Acht Damen, darunter meine Frau, übernahmen die Pflege -der Verwundeten, deren Lob und Dank sie erwarben. Die hohe Protektorin -wünschte mir als Urheber des zeitgemäßen Gedankens und seiner -Verwirklichung ihre Anerkennung persönlich auszusprechen, aber die -Auszeichnungen, die meine Frau erfuhr, schienen mir eine ausreichende -Belohnung für die zur Befriedigung meiner patriotischen Gesinnung -bewirkte Leistung. - -Als die Kriegserklärung erfolgte, stand das Geschäft plötzlich still, -der Gütertransport auf den Bahnen hatte aufgehört, die besten Arbeiter -waren zu den Fahnen berufen, Aufträge liefen nicht mehr ein, und -niemand wußte, welche Ausdehnung der Zustand nehmen würde. Da erhielten -wir die Anfrage, ob wir Minentorpedos anfertigen könnten. Die anderen -Berliner Fabriken hatten es abgelehnt, sich auf die Herstellung -der völlig neuen und von unseren Fabrikaten gänzlich verschiedenen -Konstruktionen einzulassen, und so erhielten wir den großen Auftrag -zu den von uns auskömmlich berechneten Preisen. Das Material wurde -auf Requisitionsschein herbeigeschafft, und die mit der Fabrikation -beschäftigten Beamten, wie ich selbst, von der Dienstpflicht im Heere -befreit. In kurzer Zeit waren Werkstätten und Höfe für den neuen -Zweck eingerichtet. Verzinkereien angelegt, große Feuer zum Biegen -der Bleche gebaut und Drehbänke für Herstellung der Schrauben und -Zünder angeschafft. Die ungewohnte Arbeit ging anfänglich schwer -vonstatten; es fehlte an guten Holzkohlenblechen, die die unsanfte -Behandlung vertrugen, und auch die Dichtung ließ zu wünschen übrig. -Allmählich lernten wir und unsere Arbeiter jedoch die Behandlung, und -jeder Torpedo wurde anstandslos abgenommen. Als die Konkurrenz sah, -wie immer neue Arbeiter von uns eingestellt wurden, die sie aus Mangel -an Beschäftigung entlassen mußten, bewarben auch sie sich um diese -Aufträge und erhielten sie, da unsere Leistungen erschöpft waren. Aber -die höheren Preise, die man ihnen zugebilligt hatte, wurden uns nicht -nur für die noch in Ausführung und Bestellung gegebenen, sondern -auch für die bereits abgelieferten Torpedos in einem schmeichelhaften -Schreiben über unsere Leistungen gewährt. - -So beschlossen wir, unsere Fabrikation beträchtlich zu erweitern. Die -Kesselschmiede wurde damals in Berlin noch recht primitiv betrieben. -Bei Arbeiten aus dünnen Blechen, wie bei Gasbehältern, erhielten wir -kaum die Auslagen für Material und Lohn ersetzt, wie wir zuletzt beim -Bau in Nauen zu unserem Bedauern erfahren hatten, und nicht viel -besser erging es bei Dampfkesseln, Brücken, Dächern, Trägern usw., -die nach Gewicht geliefert und verrechnet wurden. Die einzige Hilfe, -uns aus dieser üblen Lage zu befreien, war auch in diesem Zweig die -Aufnahme von Spezialfabrikaten, denn die Herstellung der Torpedos -hatte gezeigt, daß wir billig zu arbeiten in der Lage waren. Da mit -feinerem Material auch die Arbeit sich verbessern mußte, nahmen -wir den Bau von Stahlkesseln auf, die zwar neue Konstruktionen und -Einrichtungen erforderten, aber auch bessere Verkaufspreise erzielten, -da wir mit Preisunterbietungen seitens der Konkurrenz nicht mehr -zu rechnen brauchten. Auch hier zahlten wir Lehrgeld; denn als ich -in den Weihnachtsfeiertagen durch die Kesselschmiede ging und die -Arbeiten betrachtete, sah ich, daß an verschiedenen Bördelungen der -Feuerröhren infolge mangelhaften Materials Längsrisse entstanden waren. -Der Fabrikant der Bleche schob die Schuld von sich auf nicht genügend -langsame Abkühlung nach dem Biegen der Flansche, ich vermutete die -Ursache in der Unzuverlässigkeit des Materials und überlegte, ob es -nicht geraten sei, die weitere Fabrikation solange zu sistieren, bis -Erfahrungen aus dem Betriebe vorlägen. Seit länger als 30 Jahren ist -der von mir gefertigte Stahlkessel im Betriebe einer Tuchfabrik, und -der Besitzer ist seines Lobes voll. - -Eine andere von mir eingeführte Fabrikation hat sich seit meiner -Zeit zu außerordentlicher Höhe entfaltet: die Verarbeitung von -Wellblechen. In der Fabrik für Eisenbahnbedarf von Pflug erbaute ich -zwei freitragende Dächer aus Wellblech von erheblicher Spannweite über -der großen Schmiede. Interessant ist, daß gerade auf diesem Grundstücke -die A. E. G. etwa zehn Jahre später ihre erste Fabrikationsstätte -errichtet hat. Indem ich jener Fabrik gedenke, erinnere ich mich, daß -nicht nur die ersten Dampfheizungen in den Waggons unter den Sitzen -der Reisenden, sondern auch Niederdruck-Wasserheizungen in Wohnhäusern -von mir ausgeführt sind: sie bewiesen, daß man ideale Behaglichkeit -erreichen kann, wenn man die Kosten der Anlage nicht spart. -- -Kompressoren wurden gebaut, um Gefäße mit komprimierter Luft zu füllen, -mit der die Soldaten in langen Minengängen sich ernährten. Sie trugen -die kurzen Röhren über den Tornistern auf dem Rücken und konnten -dadurch ihre Arme frei bewegen. Erwähnenswert ist auch die Herstellung -einer +Dampfturbine+. Sie bestand aus zwei miteinander verbundenen -Scheiben, die, durch dünne Zwischenlagen voneinander getrennt, den -Dampf von der Mitte nach dem Umfang durch Schaufeln ausströmen ließen, -die in den Zwischenlagen ausgespart waren. Die Querschnitte der -Aktionsturbinen erweiterten sich der Expansion des Dampfes entsprechend -nach dem Umfang zu, und dieser strömte durch die hohle Welle in das -Rad, das in einem Gebäude rotierte, um den Auspuff in die Atmosphäre zu -leiten. Bei der geringen Heizfläche der stehenden Dampfkessel und der -wenig ökonomischen Wirkung war es immer nur minutenweise möglich, die -Turbine im Leerlauf zu erhalten, und die Versuche wurden aufgegeben. -Hätte man die Geschwindigkeit zu steigern, Kondensation anzuwenden und -die erzeugte Arbeit auf die noch wenig bekannten Dynamos zu übertragen -verstanden, die Fortsetzung der Versuche wäre beim Übergang von -Aktions- zu Reaktionsrädern vielleicht von Erfolg gekrönt worden.“ - -Diese Schilderung zeigt, daß alles von Rathenau damals an Neuerungen -Versuchte, zwar im einzelnen ganz schöne Erfolge brachte, aber doch den -Rahmen für eine großzügige Erweiterung oder gar für eine grundlegende -Umgestaltung des im ganzen primitiven Betriebes nicht abgeben konnte. -Über die Grenzen, die der damaligen Maschinen-Industrie in Deutschland -noch gesetzt waren, fand sich das Unternehmen nicht hinaus. Es gab in -der Maschinenfabrikation jener Zeiten bestimmte Typen, an denen zwar -hier und da kleinere oder größere Verbesserungen angebracht wurden, -die aber doch im großen und ganzen ziemlich festlagen. Bahnbrechende -Erfindungen wurden nicht gemacht, für großzügige Experimente wurde -nicht viel Geld ausgegeben. Emil Rathenau, der noch mit einem anderen -Ingenieur den ganzen technischen Stab der Maschinenfabrik bildete, -saß in jener Zeit fleißig am Reißbrett und betätigte sich, ohne schon -eine Spur seiner späteren schöpferischen Kaufmannsbegabung erkennen -zu lassen, hauptsächlich als Konstrukteur. Mit dem, was sich mit -den Mitteln seiner Fabrik verwirklichen ließ, war er innerlich nicht -zufrieden. Damals durchgrübelte er in den freien Stunden, die ihm -der nicht überhastete Betrieb ließ, bereits die Möglichkeiten des -Maschinenbaus, und Ideen, die später in der Hochdruck-Zentrifugalpumpe -und der Dampfturbine ihre Verwirklichung fanden, fühlte und dachte er -schon bis an die Schwelle ihrer Konstruierbarkeit problematisch vor. -Zum großen Konstrukteur fehlte ihm weder die technische Phantasie -noch die intime Kenntnis der maschinellen Praxis, aber wohl das -breite Zwischengebiet, das zwischen diesen beiden Exponenten liegt. -Er hatte das Gefühl dafür, welche Erfindung nottat, und wußte wohl -auch die Richtung ungefähr zu treffen, in der sie zu gewinnen -war. Er verstand es auch trefflich, die vielen kleinen und großen -Hindernisse zu beseitigen, die auf dem Wege von der prinzipiell -gelungenen Konstruktion bis zu ihrem glatten und geschäftlich -rationellem Funktionieren in der Praxis wie Steingeröll auf einer schon -tracierten, aber noch nicht applanierten Chaussee zu liegen pflegen. -Aber die Chaussee zu bauen vermochte er nicht. Dazu fehlte es seinem -technischen Sinn an gleichmäßiger Kraft, seiner Arbeit an Freiheit und -Selbständigkeit. Darunter scheinen auch seine konstruktiven Versuche in -der Maschinenfabrik gelitten zu haben. Gänzlich neue Gebilde vermochte -er nicht zu schaffen. Damals bemächtigte sich seiner zeitweilig sogar -eine gewisse Resignation hinsichtlich der Entwickelungsfähigkeit -des Maschinenbaus überhaupt, und seinem Sozius klagte er in der -beginnenden Stimmung des Überdrusses an dem ewigen Kreislauf des -kleinen Betriebes, daß die Kolbendampfmaschine in allem Großen und -Wesentlichen wohl für alle Zeiten festgelegt sei, und an ihr höchstens -mittlere und kleine Verbesserungen noch erreicht werden konnten. -Es war schon nach einigen Jahren ersichtlich, daß die Tätigkeit in -der Maschinenfabrik dem ruhelos schweifenden Geist Rathenaus, der -Entwickelungsfeld, Weite und die Möglichkeit des vollen Schaffens vor -sich sehen mußte, keine dauernde Befriedigung zu bieten vermochte. -Wäre Emil Rathenau eine Durchschnittsnatur gewesen, ein Mensch, dem -es genügt hätte, einen guten und entwickelungsfähigen Wohlstand zu -gründen, so würde er in der Chausseestraße zufrieden geblieben sein, -mit der Aussicht, es vielleicht allmählich zu einer Position zu -bringen, wie sie seine Verwandten Liebermann sich geschaffen hatten. -Das Gefühl und der Wert des Erwerbens und Besitzens haben aber -Rathenau in seiner Handlungsweise nie geleitet. Gelderwerb war ihm eine -Begleiterscheinung der Arbeit und ein äußeres Zeichen für ihren Erfolg. -Persönlich bedürfnislos, ohne Sinn für Wohlleben und Luxus, auch in -der Zeit des Reichtums noch dem Geld mit kleinbürgerlichen Gefühlen -gegenüberstehend, so ist er allezeit geblieben. Nur die Seligkeit des -Schaffens war es, die ihn beflügelte und befriedigte. Seinem Werke -diente er, weil er in dem Werke und mit ihm wachsen, sich ausleben -konnte, nicht weil er durch Geld genießen und Macht üben wollte. Es -ist kein Wunder, daß einen so gearteten Menschen nach wenigen Jahren -ruhigen Wirkens im gemäßigten Klima Überdruß und Unrast überfielen. -Nicht lange vermochte er sie sich und den Seinen zu verbergen. „Lassen -Sie mich heraus,“ bat er den Sozius, Valentin. „Behalten Sie mein Geld -im Geschäft, ich will keinen Pfennig heraushaben.“ -- „Aber warum -wollen Sie unser gutes Unternehmen, unsere harmonische Zusammenarbeit -im Stich lassen?“ fragte bekümmert der Freund. „Ich finde darin -keine Zukunft für mich, ich komme mir auch manchmal unseren Kunden -gegenüber wie ein Betrüger vor. Unsere heutigen Maschinen verbrauchen -viel mehr Kohlen, als sie dürften. Die Abnehmer rügen es nicht, aber -gerade deswegen drückt es mich. Gewiß sind unsere Fabrikate nicht -schlechter als die anderer Firmen. Das ganze Niveau ist zu niedrig. Es -müßte gehoben werden, aber in einer Fabrik wie unserer, mit unseren -Mitteln muß ich daran verzweifeln, es heben zu können.“ So sprach -Rathenau, zuerst aus vorübergehenden Stimmungen heraus, die Valentin -zurückzudrängen versuchte. „Ich will Ihre Stimmungen und Verstimmungen -nicht benutzen, um mich zu bereichern. Wenn Sie aus der Firma -herausgehen, bleibe auch ich nicht. Dann liquidieren wir eben oder -verkaufen die Fabrik gemeinsam.“ Der Gedanke, den Sozius und Freund -der ihm lieb gewordenen Unternehmung zu entziehen, hielt Rathenau dann -wieder eine Zeitlang von seinem Vorhaben zurück. Aber die Stimmungen -wurden immer düsterer, die Klagen immer dringlicher. „Es ist die -typische Veränderungssucht der Rathenaus, ihr Mangel an Sitzfleisch,“ -so urteilte vielleicht die Familie über die Nöte des schwer ringenden -Mannes. Wer mochte ihn damals verstanden haben? -- Nach dem Kriege -von 1870/71 schien ein Ausweg zu winken. Ein großer Auftrag der -Militärverwaltung auf Umarbeitung von 800000 Gewehren sollte vergeben -werden. Rathenau gibt von dem Vorgang folgende Schilderung: - -„Während der Torpedoauftrag zu Ende ging, erfuhr ich, daß man in -den Spandauer Gewehrfabriken sich mit Umänderung der Visiere auf -den eroberten Chassepotgewehren herumquälte und gern Offerten der -Privatindustrie entgegennehmen würde. Ich begab mich unverweilt in -das Bureau des Dezernenten und führte aus, daß die Umänderungen mit -den hier üblichen Mitteln kostspielig und zeitraubend seien, daß -ich mit modernen amerikanischen Millingmaschinen die Arbeit, deren -Selbstkosten in Spandau ich auf fünf Taler schätzte, für ebensoviel -Mark liefern würde. Der alte General hielt mich zuerst für einen -Hochstapler oder Wahnsinnigen, wie ich aus seinen Fragen und Mienen -sah, im weiteren Verlauf der Unterhaltung gewann er indessen die -Überzeugung, daß meine Offerte Ernst sei, als ich als Garantie für -die Erfüllung meiner Verpflichtungen eine imposante Summe (300000 -Taler) bei einer ersten hiesigen Bank zu hinterlegen mich erbot. -Obwohl ich keine Zusage erhielt, daß der Auftrag an uns zur Vergebung -gelangen würde, veranlaßte ich einen Freund, der die Fabrikation -der oben bezeichneten Maschinen durch seine Tätigkeit in Amerika -genau kennen gelernt hatte, schleunigst nach den Vereinigten Staaten -abzureisen und sich zu vergewissern, in welcher kürzesten Zeit der -ausgedehnte Maschinenpark zu beschaffen sei. Ein Probevisier hatte -er mitgenommen, und bald erhielt ich ein Kabeltelegramm, daß ein -großer Teil der Werkzeuge und Maschinen in vier Monaten, der Rest in -gewissen, näher bezeichneten Perioden zur Verladung gelangen würde. Mit -diesem Telegramm begab ich mich nach der Zimmerstraße in das Bureau -des Dezernenten, der fast sprachlos war, als ich auf seine Fragen die -Absendung meines Delegierten kurz und bündig schilderte. Er hätte mir -weder einen Auftrag erteilt, noch in sichere Aussicht gestellt, meine -Handlungsweise sei nicht zu rechtfertigen; als ich ihm entgegenhielt, -daß die Arbeit in kürzester Zeit vollendet werden müsse, daß weder -die Königlichen Fabriken noch ein Dritter hierzu in der Lage seien, -daß mit den alten Werkzeugmaschinen präzise Arbeit nicht hergestellt -werden könne und meine Mittel mir gestatteten, für die Möglichkeit, -eine große Bestellung zu erlangen, eine Summe zu opfern, beruhigte -sich der alte Herr und entließ mich mit dem Versprechen, die Offerte -wohlwollend zu prüfen. Als wir am Weihnachtsheiligabend desselben -Jahres unsere Kinder unter dem Baum zu bescheren gerade im Begriff -waren, meldete sich der Adjutant des Generals mit dem Auftrage, uns zu -befragen, ob wir den geforderten Preis für Änderung von 800000 Visieren -um 50 Pfg. das Stück zu reduzieren geneigt seien; in diesem Falle würde -der Auftrag uns, sonst aber der inzwischen aufgetauchten Konkurrenz -erteilt werden. Ohne lange Überlegung lehnten wir den Vorschlag ab, -nicht weil wir an einen ernsten Wettbewerb glaubten, sondern weil nach -Lage der Dinge diese Behandlung uns nicht fair erschien. Der Konkurrent -ging, wie vorauszusehen war, bei der Arbeit zugrunde, denn er hatte -weder die Mittel, die neuen Arbeitsmethoden einzuführen, noch kannte -er diese. Sein Untergang war die Erweckung der Nähmaschinenfabrik von -+Ludwig Loewe & Co.+, die bis dahin Erfolge nicht aufzuweisen -gehabt hatte. Nach meinen Kalkulationen sind an diesem Auftrage mehrere -Millionen verdient worden, aber wichtiger als der einmalige Gewinn war -die hierdurch herbeigeführte Annäherung an die Firma Pratt, Whitney -& Co. in Hartford, Conn., deren Maschinen- und Werkzeugbau Loewe an -Stelle der unlohnenden Nähmaschinen aufnahm und hiermit das Verdienst -erwarb, den amerikanischen Machine tools eine würdige Stätte in unserem -Vaterlande zu bereiten.“ - -Das Fehlschlagen dieses Geschäfts bedeutete aber für die -Maschinenfabrik Rathenaus nicht nur einen entgangenen Gewinn und eine -entgangene Entwicklungsmöglichkeit, sondern brachte auch einen -- -wenn auch nicht allzu schweren -- Geldverlust mit sich. Im Vertrauen -auf das erwartete Geschäft, an dessen Zustandekommen die Sozien -nicht zweifelten, hatten sie zur Aufbringung der erforderlichen -beträchtlichen Kapitalien einen stillen Teilhaber aufgenommen oder -doch mit ihm einen Vertrag abgeschlossen, nach dem er einen Betrag von -600000 Mark einbringen sollte. Nachdem das Geschäft sich zerschlagen -hatte, mußte dieser Vertrag gelöst werden, wobei dem Kapitalisten eine -Abstandssumme von 20000 Mark zu zahlen war. Die Frage, ob Rathenau dem -Unternehmen treu geblieben sein würde, wenn es durch den großen Auftrag -der Militärverwaltung auf eine verbreiterte, und vielleicht wesentlich -veränderte Grundlage gestellt worden wäre, ist schwer zu beantworten. -Auch auf dem Gebiet der Waffen- und Werkzeugmaschinen-Industrie waren -große Entwickelungsmöglichkeiten vorhanden, wie ja der Werdegang der -Löweschen Fabrik zeigte, die später einen ganzen Kranz gewaltiger -Unternehmungen der Waffen- und Munitionsindustrie, ihrer Hilfs- und -Nebengewerbe und der Werkzeugmaschinenfabrikation um sich gruppiert -hat. Hinter dem großartigen und vielgestaltigen Sonnensystem der A. E. -G. mit seinen Ausstrahlungen nach allen Seiten und Himmelsrichtungen -bleibt die beschränkte Spezialfabrikation des „Waffenkonzerns“ -aber nicht nur an Umfang, sondern auch an Fülle der Formen und -Gestaltungen, an Möglichkeiten zur Betätigung des kaufmännischen -Ingeniums und des industriellen Schaffenswillens so weit zurück, -daß sie fast einförmig erscheint. Ob einen Emil Rathenau, dem der -Formenreichtum und die gewaltigen Maße der A. E. G. kaum genügten, -dessen Phantasie den Wundern der Elektrizität himmelhoch nachfliegen -durfte, die nüchterne Klein- und Präzisionskunst der Waffenindustrie -und der Drehbänke dauernd gefesselt hätte, will mir nicht sonderlich -glaubhaft erscheinen. Für die Entwickelung der deutschen Industrie -ist es jedenfalls gut gewesen, daß Emil Rathenau als 33jähriger eine -Enttäuschung bei einem kleineren Werke erlebte, um für größere Aufgaben -freizubleiben, zu denen er erst als Reiferer mit 43 Jahren gelangen -sollte. - -Den Jahren der gewerblichen Beschäftigungslosigkeit und der -Kriegsdepression, in denen Rathenau und Valentin, um ihrer Fabrik -überhaupt eine größere Arbeit zuzuführen, dem ihnen an sich fremden -Auftrag aus dem Gebiet der Waffenindustrie nachgegangen waren, folgte -bald die +Gründerperiode+ mit ihrem Überschwung, ihren stürmischen -Hoffnungen und schweren Enttäuschungen. An alledem sollte auch die -Webers’sche Maschinenfabrik Anteil haben. Die Inhaber entschlossen -sich, da die Räume in der Chausseestraße eine Vergrößerung, wie -sie diese planten, nicht zuließen, eine neue Fabrik nach modernen -Grundsätzen auf billigem Gelände in der Nähe der Stadt zu errichten. -Sie erwarben einen geeigneten Komplex von großer Ausdehnung in -Martinikenfelde für 70000 Taler. Der Plan war großzügig angelegt. An -den beiden gegenüberliegenden Straßenfronten lagen nach Martinikenfelde -zu die mächtige Eisengießerei, an der Huttenstraße die ihr an Größe -entsprechende Modellierwerkstatt und Dreherei und zwischen ihnen auf -der westlichen Seite Schmiede und Kesselschmiede. Im Mittelpunkte -befand sich die zentrale Dampferzeugungsstation, die alle Maschinen -des ausgedehnten Werkes durch wohl isolierte Röhren mit Dampf -versorgte. Die Kondensation erfolgte durch Ejekteure, deren Bau die -Firma neuerdings aufgenommen hatte, auch nur ein Schornstein war auf -dem Werke vorhanden. - -„Die Gießerei bestand aus einem Längsschiff von ca. 20 Meter -Spannweite und einer beträchtlichen Höhe und Länge. Sie war mit großen -Kupolöfen, schweren Lauf- und Drehkranen, tiefen Dammgruben und allen -Vorrichtungen einer modernen Gießhalle ausgerüstet, um die schwersten -Stücke in Sand, Masse und Lehm zu gießen. An ihren Enden schlossen sich -zweistöckige Gebäudeflügel an; der eine diente als Modelltischlerei -und Modellboden, der andere für Kleinguß, der mit Maschinen geformt -wurde. -- Die Montagehalle war in Form und Größe der Gießerei ähnlich, -die sich ihr anschließende Dreherei mit kräftigen Werkzeugen reichlich -versehen. Auch in den anderen Werkstätten ließen die Einrichtungen -nichts zu wünschen übrig.“ - -Rathenau faßte später sein Urteil über die Anlage in die Worte -zusammen: „Es war eine Fabrik aus einem Guß, wie sie Berlin -nicht besaß.“ Schon während des Baues waren in der Gründerzeit -Offerten von Großbanken zur Umwandlung des Unternehmens in eine -+Aktien-Gesellschaft+ immer wieder ihren Inhabern gemacht worden. -Rathenau hatte sie zuerst standhaft zurückgewiesen, ja er hatte sogar -ein großes Kapital unter nicht leichten Bedingungen von privater Seite -beschafft, um den Klauen des Geldmarktes zu entschlüpfen, dem er eine -unüberwindliche Abneigung entgegenbrachte und trotzdem, so bekannte er -später resigniert, „entging ich meinem Schicksal nicht.“ - -„Ein befreundetes Bankhaus hatte mit einer ersten Bank sich verbunden -und meinen Sozius zum Verkauf überredet. Trotz der ungewöhnlichen -Bedingungen, die ich in der Erwartung stellte, daß sie die Käufer -abschrecken würden, gingen sie zu meinem Bedauern auf diese ein und -verwandelten das gutrentierende Unternehmen in eine Aktiengesellschaft. -Ich übernahm keine Aktie, erhielt vielmehr den gesamten Kaufpreis -in bar ausgezahlt, die Leitung der Geschäfte mußten wir trotz allem -Widerwillen für einige Zeit übernehmen, da eine geeignete Direktion -nicht sogleich sich finden ließ und die zweckmäßige Umwertung der -Bestände von nicht zu unterschätzendem Wert war. Die Geschäfte gingen -zunächst glänzend, als aber der Krach von 1873 hereinbrach und das -große und sehr geschätzte Bankinstitut, das die Gründung durchgeführt -hatte, von diesem am stärksten betroffen wurde, erlitten wir zwar keine -Einbuße an dem vorhandenen Betriebskapital, aber die Obligationen, -die für den Bau der neuen Fabrik uns zugesichert waren, konnten nicht -zur Ausgabe gelangen, und Hypotheken waren nicht zu beschaffen. Mein -Entschluß war sofort gefaßt: Nachdem die Fabrikbauten schleunigst -vollendet und alle Gläubiger befriedigt waren, legten wir unsere -Stellungen nieder und überließen das weitere Geschick der Gesellschaft, -die später liquidierte. Den fast täglich an mich herantretenden, -zuweilen sehr verlockend erscheinenden Anerbietungen, das glänzende -Unternehmen zurückzuerwerben, entzog ich mich durch eine lange Reise. -Gewiß wäre es ein gutes Geschäft gewesen, die beiden Werke billig zu -kaufen und den früheren Betrieb mit vergrößerten Mitteln aufzunehmen, -aber dieses Ansinnen widerstrebte mir. Geradezu verfolgt hat mich -mit seinen Anträgen der reiche Verwandte eines Großindustriellen der -Branche, der Kriegsmaterial in Martinikenfelde fabrizieren wollte, -große Aufträge der Regierung hinter sich hatte und über sehr erhebliche -pekuniäre Mittel verfügte. Der Kauf kam ohne meine Mitwirkung -zustande, die schöne Fabrik wurde umgestaltet, und ihr Besitzer -stellte die Zahlungen ein, nachdem er das große Vermögen der Erzeugung -von Stahl geopfert hatte. Aus dem Konkurs erwarben die Waffen- und -Munitionsfabriken dieses Werk und gestalteten es für ihre Zwecke um.“ - -Das Bankinstitut, das an der Finanzierung sich beteiligte, war -die Preußische Boden-Kredit-Aktienbank, deren Direktor Schweder -Aufsichtsrat-Vorsitzender bei der „Berliner Union“ -- so hieß die neue -Aktiengesellschaft -- geworden war. Er hatte Rathenau und Valentin -sogar größere Geldmittel als sie beanspruchten, förmlich aufgedrängt, -indem er in den Aufsichtsratssitzungen darlegte, daß es auf 300000 -Mark mehr oder weniger bei einer solchen Gründung nicht ankomme. -Infolgedessen war das finanzielle sowohl wie das betriebliche Gewand -des neuen Unternehmens den Gewohnheiten jener Zeit entsprechend -sehr reichlich bemessen worden. Man hatte neue Fabrikationszweige -aufgenommen und wenn auch alles organisch gut gegliedert und nach dem -Rathenauschen Urteil „wie aus einem Guß“ hingestellt war, so setzte es -doch die pünktliche und regelmäßige Zuführung immer neuer Geldmittel -voraus. Als nun die Krise hereinbrach, stockte der Kapitalzufluß -plötzlich, die bereits gedruckten Schuldverschreibungen konnten nicht -mehr emittiert werden und zu allem Überfluß brach Schweder, eine der -verwegensten Spekulantennaturen jener Periode, finanziell zusammen -und wurde seines Direktorpostens bei der von ihm geleiteten Bank -enthoben. Als daraufhin die Direktoren der „Berliner Union“ bei dieser -Bank vorstellig wurden und um die Hergabe der ihnen zugesagten Mittel -ersuchten, wurde ihnen ein kühl ablehnender Bescheid. Die Bank habe -sich zu nichts verpflichtet, sie könne und wolle als Hypothekenbank -überhaupt derartige industrielle Geschäfte nicht mehr machen und die -Herren möchten sich an Schweder halten. Mit diesem Bescheid mußten -sich Rathenau und Valentin zufrieden geben. Es blieb nichts anderes -übrig als die Liquidation der Gesellschaft, bei der die Gläubiger -nichts verloren, die Aktionäre allerdings nur sehr wenig retteten. -Mit geschmälertem aber immerhin noch ansehnlichem Besitz -- jeder der -beiden Teilhaber verfügte damals aus dem Verkauf der Aktien über ein -Vermögen von etwa 900000 M. -- ging Rathenau nach 10jähriger Tätigkeit -aus seinem ersten Unternehmen heraus. Aber er behielt doch als nie -vergessene Lehre aus der ganzen Angelegenheit die später für seine -großen Transaktionen sehr nützliche und heilsame Abneigung gegen -Geschäfte zurück, für die er vorher das Geld nicht bar im Kasten -hatte. Ihm, dem sich gewisse persönliche Erfahrungen hartnäckig bis -zur Grenze der Zwangsvorstellung einprägten, hatte sich für allezeit -ein Mißtrauen gegen Banken und Bankiers eingegraben, von denen er, -wenn es irgend ging, bei seinen Geschäften nicht abhängig sein wollte. -Hier liegt die erste tiefe Wurzel für seine Bankguthabenpolitik in der -A. E. G.-Zeit, die wir später noch kennen lernen werden. Auch eine -unüberwindbare Antipathie gegen Effektenspekulationen jeder Art hatten -die Erlebnisse und Erfahrungen der Gründerjahre in ihn gelegt. Der -Zusammenbruch Schweders, die Liquidation der „Berliner Union“, und das -tragische Schicksal seines Schwiegervaters Nachmann, der nach schweren -Börsenverlusten aus dem Leben schied, waren die Fälle, die sich von -dem gleichgestimmten Hintergrund der allgemeinen Zeitverhältnisse für -ihn besonders scharf abhoben und ihn persönlich tief berührten. Sein -Unterbewußtsein hat diese Eindrücke nie vergessen. - - - - -Zweites Kapitel - -Zwischenspiel - - -Emil Rathenau war in einer ungünstigen Zeit frei geworden. Wir haben -bereits gesehen, daß die Krisis, die der Gründerzeit folgte, mit in -die letzten Phasen seiner ersten Unternehmung hineingespielt hatte. -Wenngleich seine Trennung von der Maschinenfabrik zweifellos früher -oder später auch ohnedies erfolgt wäre, so ist sie doch durch den -mißglückten Aufschwung und den darauf folgenden Zusammenbruch, mit -denen die Rathenau-Valentinsche Fabrik der Zeitentwicklung Rechnung -trug, beschleunigt worden. Inzwischen war die Krisis hereingebrochen, -und für einen halbverkrachten Unternehmer, als der Rathenau damals -in den Augen der Öffentlichkeit erscheinen mußte, war es nicht -leicht, etwas Neues und Besseres zu finden, das ihm voll zusagte. Vom -Standpunkt der damals nächstliegenden Situation aus beurteilt war das -vielleicht ein „Pech“, vom Standpunkte der langsichtigen Entwickelung -aber ein Glück für den innerlich noch nicht Ausgereiften. Hätte er -seine erste Fabrik vor oder in den Gründerjahren aufgegeben, so würde -die hochflutende Welle der Konjunktur ihn vielleicht schnell wieder -an irgend einen anderen Strand geführt haben. Von dem hochgestimmten, -der Selbstkritik und der Kritik der Dinge abholden Schwunge der Zeit -getragen, würde er vielleicht -- wie so viele andere auch -- Arbeit -und Kredit in einer Sache engagiert haben, der es an solider Grundlage -und dauernder Lebensfähigkeit fehlte. Selbst eine in der Anlage gute -Sache hätte von der Sturmflut der wenig später hereinbrechenden Krisis -untergraben und fortgespült werden können. Ein zweites Mißlingen -hätte ihm aber innerlich und äußerlich zweifellos noch schwerer -geschadet, hätte sein Selbstvertrauen und das Vertrauen, das andere -ihm entgegenbrachten, völlig erschüttern können. So war es wohl für -ihn am besten, daß er, der innerlich noch nicht fertig geworden, der -noch nicht im Feuer des doppelten Kampfes mit sich selbst und mit -der Außenwelt dreimal gehärtet war, nach der Aufgabe seiner ersten -Selbständigkeit in eine Zeit geriet, die aus Erfahrung kritisch -geworden war, die ein berechtigtes Mißtrauen vor neuen Gründungen und -Unternehmungen hatte. Im Jahre 1875 war die Auflösung der „Berliner -Union“ vollendet, und nun tat der siebenunddreißigjährige Rentier, der -seinen wahren Beruf noch nicht gefunden hatte, eigentlich 8 Jahre, -- -sonst die produktivsten Jahre des Manneslebens -- nichts Bestimmtes, -wenn man eben für das unablässige Suchen und das leidenschaftliche -Lernen eines reifenden Charakters den Ausdruck „nichts Bestimmtes tun“ -gebrauchen will. Die Familie, besonders die weitere, die Reichenheims -und Liebermanns, die etwas hinter sich gebracht hatten, deren -gefestigter Wohlstand sich von dem Aufschwung der Gründerzeit vornehm -zurückgehalten hatte, aber auch von den Folgen des Zusammenbruches -verschont geblieben war, gebrauchte wahrscheinlich solche Ausdrücke, -und vielleicht -- wenn sie unter sich war -- noch weniger respektvolle. -Für sie war Emil Rathenau der kleine Verwandte, der Fiasko erlitten -hatte, der sich mit einer Menge von nicht ernstzunehmenden Projekten -herumtrug und herumschlug, dem man darum auch keine rechte Zukunft -zutraute. Emil Rathenau schwankte und irrlichtellierte in dieser -Zeit tatsächlich ziemlich viel hin und her. Er faßte Pläne, ließ sie -wieder fallen, erwärmte sich anfänglich für irgend einen ihm von den -Brüdern oder Fremden zugetragenen Vorschlag, und lehnte -- manchmal im -letzten Augenblick -- wenn der andere sich schon darauf eingerichtet -hatte, aus irgend einem eigensinnigen oder nebensächlichen Vorwande -ab. Sein älterer Bruder zum Beispiel, der eine glückliche Hand bei -dem Kaufe und Wiederverkauf von Häusern zeigte, hatte ihn einmal -zur Teilnahme an einem derartigen Geschäft, das Rathenau von ferne -zunächst einen plausiblen Eindruck zu machen schien, aufgefordert. -Man war übereingekommen, 80000 Taler für das Objekt anzulegen, der -Bruder hatte das Grundstück aber nur zu einem höheren Preise bekommen -können und Emil, dem das ganze seinem Charakter fernliegende Geschäft -inzwischen leid geworden war, benutzte den Vorwand des überschrittenen -Preises, um sich von der Sache loszusagen. „Behalte du das Haus lieber -alleine,“ sagte er zu dem Bruder, der ihm den Kaufabschluß melden -kam. Ein anderes Mal, als es sich um den von Rathenau eine Zeitlang -erwogenen Ankauf der sogenannten Jablochkoff-Patente für elektrische -Bogenlampen-Beleuchtung handelte, die in der Avenue de l’opéra in Paris -mit vielem Reklame-Tam-Tam als erste elektrische Straßenbeleuchtung -größeren Umfangs angewendet worden war, erwog er mit demselben -Bruder den Plan, daß jeder zum gemeinsamen Ankauf jener Patente für -Deutschland einen Teil des erforderlichen Geldes beschaffen sollte. -Auch hier kam es aber nicht zum Kaufabschluß, und die Verstimmungen, -die sich aus diesen gescheiterten Unternehmungen ergaben, waren so -stark, daß eine Aussöhnung zwischen den beiden Brüdern nie mehr -erfolgte. - -Für die Menschen, die ihn damals sahen und kannten, soll Emil Rathenau, -wie manch’ einer von den Zeitgenossen berichtet, keineswegs den -Eindruck eines überragend genialen Mannes gemacht haben, dessen Stunde -noch nicht gekommen ist, und der im vollen Bewußtsein seiner Kraft -den richtigen Augenblick für sein Hervortreten abwartet. Er trug noch -immer den Marschallstab im Tornister, aber der Durchschnittsmensch -sah es ihm nicht an, und er hatte, wo und wann er auch immer mit -Plänen an jemanden herantrat, Mißtrauen oder die noch schlimmere -Gleichgültigkeit, kurz alle jene Hemmungen zu überwinden, die dem -Anfänger, erst recht aber dem, der zum zweiten Mal anfangen will, -im Wege stehen. Nur wer selbst mit Genieaugen Menschen und Dingen -durch die äußere Schale auf den Grund blickte, wie Werner v. Siemens, -spürte aus Rathenaus Reden und Entwürfen den göttlichen Funken -überspringen. „Dem Mann geben wir Geld,“ sagte er, und machte sein -Versprechen trotz skeptischer Einwände und passiver Resistenz seiner -Mitarbeiter schließlich wahr. Für die meisten übrigen Menschen aber -mochte Rathenau, der stets bereitwillig die Lippen von dem überfließen -ließ, wessen sein Herz voll war, in jener Zeit manche Züge von Hjalmar -Ekdal, dem ewigen Genie von morgen, an sich gehabt haben. Eine -gewisse leidenschaftliche Beflissenheit und Verbissenheit konnten -dem werdenden Genius eigen sein, aber dieselben Eigenschaften weist -auch häufig die problematische Natur auf. Auch für Rathenau selbst -war die Wartezeit zwischen der ersten provisorischen Unternehmung, -die im Niedergang einer alten, überlebten Epoche zerbröckelte, und -der zweiten endgültigen Schöpfung, die im Aufstieg einer neuen Zeit -sich zu weltenweiten Formen auswuchs, keineswegs immer die bewußt -gewählte, in jedem Augenblick gut ausgefüllte Ruhe- und Lernpause, als -die sie in den Rückblicken des Vollendeten erscheint. Gar manchmal, -wenn der Akkumulator des phantasiebegabten Kopfes zu viel von der -aufgespeicherten Gedankenkraft von sich gegeben und sich erschöpft -hatte, kamen Stunden und Tage der Verzagtheit, der Trübsal, in -denen der beschäftigungslose Vierziger sich in seine Wohnung in der -Eichhornstraße mit grauen Gedanken einspann. Aber solche Zeiten wurden -von der ihm eigenen Schwungkraft des Wesens bald überwunden, und im -Notfalle half die Ablenkung und Abwechselung einer Reise, wie denn -Emil Rathenau Zeit seines Lebens vom Reisetrieb beseelt war und auch -in den späteren Jahren der Arbeitsüberlastung aus geschäftlichen und -privaten Reisen -- mochten sie auch noch so kurz sein -- immer wieder -Frische und Nervenergänzung mit heim brachte. Wenn somit den in der -Vollkraft der Jahre stehenden Mann die Tatenlosigkeit manchmal drückte, -so zeigt doch seine ganze spätere Entwickelung, besonders die Art, wie -er im richtigen Augenblick mit genialer Intuition und unbeirrbarer -Entschlossenheit zugriff und alle Zweifelsucht von sich abstreifte, -daß +nicht er+ es gewesen war, der in jener Warteperiode an -Ziellosigkeit, an Stagnation krankte, sondern die +Zeit+. Jene -Zeit, in der die Triebkräfte der alten Wirtschaftsordnung abgestorben -waren und die der neuen Epoche nach dem ersten überschwänglichen -Aufflackern in der Gründerperiode noch nicht so recht Wurzelboden -gefunden hatten. Rathenau wartete -- innerlich betrachtet -- nicht -aus Unentschlossenheit, sondern aus Prinzip, und, wenn seine -oberflächlichen Einsichten auch manchmal vielleicht ihn selbst der -hamletischen Charakterschwäche anklagen mochten, die instinktiven, -tieferen Einsichten waren stark genug, um sich dieser Selbstkritik und -der Kritik der Außenwelt gegenüber durchsetzen zu können. Es waren -nicht Jahre der inneren Klarheit, der bewußten Selbstzügelung und -überlegenen Voraussicht, die Emil Rathenau damals durchmachte, sondern -+Jahre+ des inneren +Kämpfens+ und +Ringens+. Mit dieser -Feststellung setzt man die Größe des Mannes und seines Charakters nicht -herab, dessen Bild weder menschlich-richtig, noch glaubhaft erscheinen -würde, wenn man ihm nur geniale Frühzüge andichten wollte. Zu seiner -vollen Entfaltung ist Rathenau, wie so viele seiner Zeitgenossen, erst -dadurch gelangt, daß die Zeit sein Werk und sein Werk +ihn+ zu -einer Höhe trug, die er unter weniger glücklichen Bedingungen kaum -erreicht hätte. Was er vorher darstellte, war ein Charakterboden, auf -dem alle die reichen Saaten der Zeit Wurzel fassen und in reicher Blüte -aufgehen konnten. - -Der Fehler mancher früheren Biographen, den +jungen+ Rathenau zu -bewußt, zu klar und gewissermaßen zu seherisch-weise darzustellen, -ist vom Standpunkt des nachgeborenen Betrachters verständlich -und er ähnelt der Art der dichterischen oder zweckhistorischen -Schilderung, die ihrem Helden bereits pränumerando Gedankengänge und -Ereignisdarstellungen prophetisch in den Mund legt, welche erst viel -später als Ergebnis von Notwendigkeiten, Zufällen, sich kreuzenden -Entwickelungsrichtungen in Kampf und Wirrnis verwirklicht wurden. -So wird von oberflächlichen Schilderern vielfach die Geschichte der -Reichsgründung in der Weise gelehrt, als ob Bismarck bereits, als er -die preußische Ministerpräsidentschaft übernahm, die genauen Pläne für -den Aufbau des Reiches und die Politik, die zu ihm führte, fertig in -seinem Kopfe getragen hätte, als ob Moltke, da er Chef des preußischen -Generalstabs wurde, seine drei großen Kriege und ihren genauen -Hergang bereits in ihren „notwendigen“ Grundzügen vor Augen gehabt -hätte. Wer bewußt Geschichte miterlebt hat, weiß, wie ganz anders die -Dinge sich zu entwickeln pflegen, wie auf dem großen Schachbrett der -Geschehnisse Zug und Gegenzug abwechseln, wieviel verschiedene Züge in -einem bestimmten Augenblick möglich sind, und wieviel Zufälligkeiten, -Gegenströmungen und Wechselwirkungen einen Entschluß zeitigen und seine -Folgen bilden. Die Rathenauschilderer, die in seinem Leben alles auf -Gesetzmäßigkeit, auf Notwendigkeit und Vorherbestimmung zurückführen, -die der Ansicht sind, daß dem 37jährigen, als er seine Maschinenfabrik -Webers aufgab und sich zur ersten Ausreise nach Amerika anschickte, -seine ganze spätere Entwickelung und die ganze spätere Entwickelung der -Industrie wenigstens in ihren Umrissen klar vor Augen gestanden haben, -können allerdings eines zu ihrer Entschuldigung anführen: Rathenau -selbst hat in der schon verschiedentlich erwähnten Jubiläumsrede die -Gedankenwelt, die ihn damals an der Wende zweier Generationen und -wirtschaftlicher Epochen erfüllte, so dargestellt, als ob er nicht -erst als rückschauend Betrachtender, sondern schon als Miterlebender -Vergangenheit und Zukunft mit voller Klarheit erkannt und durchschaut -hätte. Die betreffenden Ausführungen sind interessant genug, um hier -wörtlich wiederholt zu werden. Rathenau erzählte: - -„Als in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ich die erste -Phase geschäftlicher Tätigkeit abgeschlossen hatte, erwog ich, ein -Dreißiger damals, ob ich den mit Leib und Seele zugetanen Beruf -wieder aufnehmen oder einer neuen Technik mich zuwenden sollte. An -Anerbietungen fehlte es nicht, aber der Großmaschinenbau schien seine -Bedeutung in Berlin eingebüßt zu haben, und die Geburtsstadt mochte ich -ungern verlassen. - -Mit der Erhebung zur Reichshauptstadt hatten die Berliner Verhältnisse -sich wesentlich geändert: Der Wert von Grund und Boden, die Preise der -Lebensbedürfnisse und infolgedessen die Arbeitslöhne waren so gewaltig -gestiegen, daß die großen Maschinenbauanstalten von Borsig, Egells, -Schwartzkopf, Wöhlert, Hoppe und andere sich anschickten, ihre Fabriken -aus dem Norden der Stadt, wo sie seit Begründung betrieben wurden, in -die weitere Umgebung zu verlegen, oder das Feld früher ersprießlicher -Tätigkeit aufzugeben. Auf den weitläufigen Geländen entstanden -neue Straßenzüge, an der Stelle lärmender Werkstätten erhoben sich -Wohnhäuser und Mietskasernen, und wo aus hohen Schornsteinen dichter -Qualm zu den Wolken emporgestiegen war, wirbelten dünne Rauchsäulen -von den häuslichen Herden. In den Vororten aber waren bei dem Mangel -an Verkehrsgelegenheit geschulte Arbeitskräfte mit Schwierigkeit zu -beschaffen. Ein noch wichtigerer Faktor beeinflußte meinen Entschluß, -von der unmittelbaren Aufnahme einer neuen Tätigkeit abzustehen und -den völligen Verlauf der Krisis abzuwarten, die in der Finanzwelt und -Industrie unzählige Opfer gefordert hatte: Patriotische Fabrikherren, -die trotz eigener Sorgen in der schweren Zeit die Angehörigen ihrer -im Felde stehenden Arbeiter mit reichen Mitteln unterstützt hatten, -ernteten hierfür keinen Dank, sondern mußten nach dem Kriege mit -Bedauern wahrnehmen, daß die Wogen der sozialdemokratischen Bewegung -sich höher auftürmten als zuvor. Männer, wie Siemens, Schwartzkopf, --- auch ich hatte die Ehre, der kleinen Vereinigung anzugehören, -- -hofften vergeblich durch Wohlfahrtseinrichtungen und den Bau von -Wohnhäusern die Unzufriedenheit der Arbeiter einzudämmen. - -Unter diesen Verhältnissen war eine Wiederbelebung des einst -hochgefeierten Berliner Maschinenbaus frühestens mit dem Ersatz der -physischen Arbeit durch selbsttätig wirkende Maschinen oder bei -vollkommener Ausnutzung der der Berliner Arbeiterschaft eigenen -Geschicklichkeit und Intelligenz zu erwarten. Unter ähnlichen -Bedingungen waren vollendete Arbeitsmethoden in den Vereinigten Staaten -von Nord-Amerika entstanden, allerdings unter Befolgung des Prinzips, -das Zahl und Wahl der Produkte durch Teilung der Arbeit beschränkte. -Leider steht in den heimischen Werken die weitgehende Spezialisierung -der Erzeugnisse auch jetzt noch hinter der amerikanischen zurück, -trotzdem die Fabrikation aus ihr große Vorteile ziehen würde. - -Dieses amerikanische System war in Berlin nicht unbekannt. Intelligente -Fabrikanten hatten mehr oder weniger automatisch arbeitende Maschinen -von Amerika eingeführt, konnten ihnen jedoch in ihren Betrieben -genügende Geltung nicht verschaffen, weil entweder die Präzision der -Leistung damals noch nicht hoch genug eingeschätzt, oder die Rückkehr -zu altmodischen Werkzeugen durch die Gewohnheit zu sehr begünstigt -wurde. - -Im Gegensatz zu diesen Erfahrungen erblickte ich in den Maschinen -Werkzeuge der Zukunft; ich war überzeugt, daß ihre vortrefflichen -Eigenschaften die Abneigung der Arbeiter allmählich überwinden und eine -ihrer Bedeutung entsprechende Verwendung sichern würden.“ - -Zweifellos hat Rathenau damals wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen -das sichere Gefühl gehabt, daß eine gründliche Umwandlung der ganzen -industriellen Technik und Arbeitsmethoden bevorstehe. Und zweifellos -hat ihn dies Gefühl mit dazu veranlaßt, mit der vollkräftigen Gründung -eines neuen Unternehmens erst dann zu beginnen, wenn sich die neue -Lage einigermaßen übersehen lasse, wenn sich der neue Boden derart -gefestigt haben würde, daß auf ihm ein tragfähiger Bau errichtet -werden könnte. Was aber die Einzelheiten der von ihm gegebenen -Schilderung, was ihre scharfe Präzisierung und Schattierung anlangt, -so darf nicht vergessen werden, daß es sich bei ihr nicht um eine -impulsive Beschreibung aus der geschilderten Zeit heraus, sondern -um eine rückschauende Darstellung handelt, gesehen mit der Brille -des durch Erfahrungen hindurchgegangenen Mannes, geklärt im Spiegel -der Distanz, geordnet und gerichtet nach den +Ergebnissen+ der -Strömungen, die in ihren +Ursprüngen+ und Anfängen geschildert -werden. Vergleicht man mit dieser bewußten Darstellung die Zeugnisse -Mitlebender, so möchte man der Ansicht zuneigen, daß in Emil Rathenau -damals, als er an der Wende zweier Zeiten und Unternehmungen stand, -bei aller Denk- und Sehschärfe, die ihn stets ausgezeichnet haben, -doch mehr Chaos gewesen ist, als er später selbst zugegeben und gewußt -hat. Das Vorhandensein eines derartigen kreisenden Chaos würde ja auch -die ungemeine Ursprünglichkeit, Kraft und Ausdauer seiner späteren -Leistung nicht abschwächen, sondern erst recht verständlich machen. -Jede völlig durchsichtige Klarheit wird auf die Dauer kraftlos, matt -und unschöpferisch, und nur das Ringen der wechselnden Gedanken vermag -fortzeugendes Leben, Formen und Gestalten zu gebären. Für Emil Rathenau -bildeten die 8 Jahre, die zwischen der Aufgabe seiner Maschinenfabrik -und der Gründung der Deutschen Edison Gesellschaft lagen, das -Staubecken, in das die neuen Kräfte von allen Seiten strömten, in -dem sich -- oft unter Schmerzen, unter drängender Hoffnungs- und -Zweifelsfülle -- aus der Tüchtigkeit das Genie bildete. Fast spürt -man angesichts dieser Pause Neigung an Zarathustra zu denken, dem der -Dichter an die Stirn seiner Geistesgeschichte die Worte schrieb: „Als -Zarathustra 30 Jahre alt war, verließ er seine Heimat und den See -seiner Heimat und ging ins Gebirge. Hier genoß er seines Geistes und -seiner Einsamkeit und wurde 10 Jahre nicht müde. Endlich aber wandelte -sich sein Herz --“. Auch Zarathustra trug keine Klarheit in seine -Einsiedelei, sondern er brachte erst Klarheit und Entschiedenheit aus -ihr mit zurück. Der moderne Zarathustra der Industrie mußte allerdings -nicht in die Einsamkeit, sondern in die Welt gehen, um sich mit dem -Geiste anzufüllen, den er später in Taten umsetzen wollte. Die erste -große Reise, die Rathenau schon im Jahre 1876, also ein Jahr nach der -Auflösung der „Berliner Union“ antrat, ging nach +Amerika+, dem -Lande der technischen Verheißungen. Ein langgehegter Wunsch, mit dem -schon der 28jährige während seines englischen Aufenthaltes gespielt -hatte, fand damit seine Erfüllung. Den äußeren Anlaß zu der Reise bot -die +Weltausstellung in Philadelphia+, eine der wirklich großen -Ausstellungen, auf der fruchtbare technische Gedanken verkündet -wurden und von der aus sie ihren Weg in die Welt fanden. Für Emil -Rathenau, der später als großer Kaufmann und Industrieller von den -Reklameausstellungen, mit denen gewisse Länder und Städte ihren -Fremdenverkehr zu heben suchten, nur recht wenig hielt, bedeutete die -Ausstellung in Philadelphia eine Offenbarung. Was ihm in den Jahren -der mühsamen Kleinarbeit, der beschränkten Enge in seiner Berliner -Maschinenfabrik vor dem geistigen Auge gestanden hatte, an dessen -Erreichung er aber damals verzweifelte, hier war es verwirklicht -und erfüllt. „Was ich im Geiste erschaute, gestaltete sich zur -Wirklichkeit, und mit reicher Ausbeute kehrte zurück, wer der Heimat -neue Arbeitsprozesse und Industrien zu beschaffen gedachte.“ Damit -meinte Rathenau nicht so sehr die Dampfmaschine, die in Amerika -damals eher auf einer niedrigeren Stufe der Entwickelung stand als -in Deutschland und England. Die 1400 PS vertikale Corlißmaschine, -die in der Mitte der Maschinenhalle paradierte, imponierte zwar dem -Maschinenbauer Rathenau durch den einfachen und soliden Bau, sowie -den langsamen und sanften Gang, aber er hatte doch bereits ähnliches -gesehen. Viel stärker fesselten ihn die Holzbearbeitungs- und -Werkzeugmaschinen für Präzisionsarbeiten, die automatischen Maschinen -zur Herstellung von Massenfabrikaten, neuartige und feine Instrumente -zum Messen, wie sie die deutschen Fabriken nicht einmal kannten. Auch -die Schreibmaschine fand sein lebhaftes Interesse. Im allgemeinen war -es die neuartige technische und wirtschaftliche Betriebsökonomie, die -arbeitssparenden und leistungsverbessernden Maschinen, die Rathenau -in Philadelphia und in den amerikanischen Fabriken bewunderte, -während die räumlichen und sozialen Einrichtungen ihm im Verhältnis -zu den deutschen vernachlässigt zu sein schienen. Auch die deutsche -Industrie hatte damals in Philadelphia ausgestellt, und breite Kreise -der öffentlichen Meinung in Deutschland waren patriotisch-kurzsichtig -genug, um die „soliden und bewährten“ Leistungen der heimischen -Industrie den amerikanischen Bluffkonstruktionen an die Seite oder -noch voranzustellen. Wer den Unterschied wahrheitsgemäß feststellte, -wie Professor Reuleaux, der von der deutschen Industrie damals das -bittere, von unseren Neidern und Konkurrenten noch jahrzehntelang auch -dem längst führend gewordenen deutschen Gewerbe entgegengehaltene -Wort „billig und schlecht“ prägte, wer erkannte und aussprach, -daß die deutsche Fabrikation sich damals zum großen Teil auf -Vergangenheitsgleisen bewegte, während in der amerikanischen -Industrie die konstruktiven Neugedanken vorwärts stürmten, der wurde -„gesteinigt und verbrannt“. Emil Rathenau gehörte weder zu den -radikalen Verächtern der Heimat, deren guten Industrieboden, deren -schlummernde Entwickelungsmöglichkeiten er wohl würdigte, noch zu den -Selbstzufriedenen, die da ständig priesen, „wie wir es so herrlich -weit gebracht hätten.“ „Die Schätze der Maschinenhalle blieben mir -unvergeßlich,“ so erzählte er und in der Tat hat er sich das, was er -dort sah, so tief eingeprägt, daß er es in dem Augenblicke, in dem er -davon Gebrauch machen konnte, nur aus der Kammer des Gedächtnisses -hervorzuholen brauchte. Im Geiste noch übertrumpft mag die mächtige -Phantasie Rathenaus auch die derzeitigen Höchstleistungen des -+Großmaschinenbaus+ schon damals haben. Denn was Rathenau zu -jener Zeit in Philadelphia sah, war neben dem, was er später an -gewaltigen Aggregaten von den Konstrukteuren seiner Drehstrom- und -Hochspannungsmaschinen verlangte und erreichte, das reine Kinderspiel. - -Aber so stark auch die Anregungen auf dem Gebiete der Maschinentechnik -waren, so sehr sie gerade den gelernten Maschinenbauer reizten und -beschäftigten, es war vielleicht zu viel des Neuen, das auf ihn -einstürmte und ihm die Wahl schwer machte. „Mir schien, als brauche ich -nur ins volle Menschenleben hineinzugreifen, um mir die Fabrikation -zu sichern, die mich interessierte,“ schrieb er. Aber die Fülle -der Gesichte, die den Schauenden und Lernenden überwältigte, hätte -entsagungsvoll eingedämmt und eingeschränkt werden müssen, sobald -es ans praktische Ausführen gegangen wäre. Er war ja nicht nur nach -Amerika gereist, um zu lernen, sein Wissen zu bereichern und zu -vertiefen, sondern auch um eine geschäftliche Idee, eine faßbare -Grundlage für eine neue aussichtsreiche Unternehmung mit nach Hause -zu bringen. Der frühere Sozius Valentin begleitete ihn auf dieser -Reise, und beide waren sich darüber klar, daß sie ihr gutes Geld -nicht ausschließlich für eine wissenschaftliche Studienreise ausgeben -durften, sondern als einen Spesenbetrag betrachten müßten, den sie sich -aus den geschäftlichen Früchten dieser Reise vervielfacht zurückholen -wollten. Mehrere amerikanische Städte und Fabriken wurden darum -besucht, und es wurde nach einer aussichtsreichen Sache gesucht, die -man mit den zur Verfügung stehenden, immerhin nicht unbeschränkten -Mitteln und Kräften nach Deutschland verpflanzen könnte. Daß diese -Mittel für die gewaltigen Maße einer in Deutschland nach amerikanischem -Muster zu errichtenden Großmaschinenfabrik nicht ausreichten, sagten -sich die beiden Freunde wohl ohne weiteres. Wenn Rathenau diese -notgedrungene Entsagung nicht zu schwer fiel, so war dies darauf -zurückzuführen, daß sich noch etwas anderes bot, das ihn technisch kaum -weniger fesselte, dazu aber leichter und schneller praktische Erfolge -versprach: - -In Philadelphia hatte Rathenau das Telephon und Mikrophon, eine -dem Gedanken nach deutsche Erfindung, zuerst praktisch brauchbar -ausgeführt in überzeugender Funktion gesehen. „Das Telephon und das -fast gleichzeitig mit ihm erfundene Mikrophon haben, vielleicht wegen -ihrer verblüffenden Einfachheit, die Bewunderung niemals erregt, die -minder bedeutsamen Errungenschaften der Technik zuteil geworden war. -Mich elektrisierten förmlich die ingeniösen Apparate...“ Rathenau -schwankte, ob er ihre Erzeugung im Großen aufnehmen sollte, aber die -Befürchtung, daß einerseits fremde Patente den Absatz ins Ausland -erschwerten und andererseits die Herstellung so außerordentlich, -so fast handwerksmäßig leicht war, daß sie einen verheerenden -Wettbewerb anlocken mußte, ließ ihn vorsichtig sein. Der Kaufmann in -Rathenau bändigte eben fast immer die Leidenschaft des technischen -Gründers. Er entschloß sich, keine Telephonfabrik zu bauen, sondern -nur eine Konzession für eine Berliner Telephonzentrale nachzusuchen, -gewissermaßen das Telephon in Berlin in Generalentreprise zu nehmen. -Die Stadt Berlin hätte die Sache vielleicht mit ihm gemacht, aber -der damalige Polizeipräsident v. Madai wollte die Konzession, die -Rathenau brauchte, nicht erteilen. „Das Telephon ist ein Reichsregal,“ -entschied Herr v. Madai, und, wenn sich auch später bei der Beratung -des Telegraphengesetzes ergab, daß er geirrt hatte, Rathenau fürchtete -zu jener Zeit die Scherereien des Instanzenweges und bot dem damaligen -Generalpostmeister Stephan, dem Verweser des angeblichen Regals, -die Durchführung in Reichsregie an. Aber der sonst so weitsichtige -Stephan versagte zunächst. Er stellte sich auf den Standpunkt, den die -Verteidiger der Postkutsche der Einführung der Eisenbahnen gegenüber -eingenommen hatten und prophezeite, daß eine Telephonzentrale in Berlin -höchstens 23 Anschlüsse finden würde. Diesen rückständigen Standpunkt -nahm er ein, trotzdem die Postverwaltung damals mit dem telephonischen -Überlandverkehr zwischen verschiedenen Ortschaften Versuche gemacht und -günstige Erfolge erzielt hatte. Die städtische Schaltzentrale hielt die -Postbehörde dagegen für ein unlösliches Problem. Später kam Stephan -von selbst auf die Idee zurück, er bot Rathenau an, die Einführung -des Telephons im öffentlichen Postdienst auf Reichskosten zu leiten. -Rathenau, den inzwischen schon ganz andere Dinge beschäftigt und -tiefer in das Wesen der elektrischen Industrie hineingeführt hatten, -nahm trotzdem an, weil er sich mit der elektrischen Technik praktisch -vertraut machen wollte. Ihre Zukunftskraft hatte ihn inzwischen mit -Macht gepackt, um ihn nie mehr loszulassen. - -Den ihm von Stephan übertragenen Auftrag führte er ehrenamtlich -aus, ohne eine Vergütung dafür zu beanspruchen oder anzunehmen. -Nachdem er die grundlegende Organisation geschaffen hatte, verließ -er das Arbeitszimmer im Reichspostamt, das ihm Stephan für die Zeit -seiner Tätigkeit im Telephondienste der Post eingeräumt hatte. Da -Schwachstromanlagen dem Feinmechaniker mehr Spielraum als dem Ingenieur -gewährten, so wandte er sich seinem alten Plan, nach kurzer Übung -auf dem Schwachstromgebiete zu der durch die Elektrizität veredelten -Technik zurückzukehren, ohne längeres Besinnen wieder zu. An einer -Tätigkeit, die ihm innerlich nichts mehr sagte, ihm keine Rätsel -mehr aufgab, hielt er nicht fest, auch wenn sie ihm noch so gute -geschäftliche Erfolge versprochen hätte. - -An die großartige Verbindung und die gegenseitige Befruchtung -der Maschinentechnik und der Elektrizität, die Rathenau auf sein -ureigenstes Schaffensgebiet, zu der großen Leistung seines Lebens -führen sollten, dachte dieser damals noch nicht. Die gewaltige Weite -und Tiefe der zukünftigen Verschwisterung hatte sich vor seinem -Auge noch nicht aufgetan, und wenn er auch einige Blicke in die -Werkstatt der Elektrizität geworfen hatte, so lag es doch nicht -in seiner Absicht, sich zum Meister dieser Werkstatt zu machen, -sondern er dachte an Rückkehr zum „veredelten“ Maschinenbau. Der -„Dynamo“, der Hauptträger der maschinellen Elektrotechnik, befand -sich damals allerdings noch immer in einem primitiven Zustand und -ließ die gewaltige Entwickelung, die er bald -- besonders auf Grund -der Anforderungen nehmen sollte, die Rathenau seinen Konstrukteuren -stellte, noch nicht ahnen. Wie so viele technische Erfindungen wurde er -nicht aus sich heraus, aus seiner eigenen konstruktiven Idee zur vollen -Leistungsfähigkeit entwickelt und ihm dann die Anwendungsmöglichkeit -geschaffen, sondern als sich die praktischen Bedürfnisse einstellten -und immer größere Ansprüche an ihn stellten, wurden die Heere der -Techniker mobilisiert, die besten Ingenieurgehirne aufgeboten, um ihm -seine Geheimnisse abzulauschen und ihm die Leistungen abzuringen, die -der Anwendungszweck von ihm forderte. - - - - -Drittes Kapitel - -Wirtschaftliche Vorbedingungen - - -Die Wirtschafts-Geschichte aller Epochen und Länder weist wohl kaum --- trotz der japanischen Emanzipation -- einen zweiten Fall auf, in -dem sich ein Volk in seinem ganzen ökonomischen Leben so grundsätzlich -und grundlegend wandelte, in die Breite, Tiefe und Höhe reckte, wie -das deutsche Volk nach dem wahrhaft schöpferischen Einigungskriege von -1870/71. Ich weiß, daß ich eine Binsenwahrheit niederschreibe, die von -pathetischen Rednern, denen das unbegreifliche Wunder dieser Befreiung -und Beflügelung elementarer Volkskräfte nie das Hirn erhellt hat, so -oft leer hingesprochen worden ist, daß sie fast zur Phrase versteinte. -Wenn man eine Erscheinung, wie die Emil Rathenaus, wenn man ein Werk, -wie das des großen Organisators der Elektrizität in seinen Wurzeln und -Verzweigungen, in seinem Werden und Sein verstehen will, darf man sich -nicht schämen, diese Binsenwahrheit dreimal unterstrichen noch einmal -auszusprechen, nachdem man sie von allem Phrasenwerk gereinigt und mit -dem Blut des Gedankens wieder gefüllt hat. - -Was der Schöpfer des geeinten Deutschland politisch erreicht -hat, war schon nach wenigen starken Schritten des Volkes auf der -neuerschlossenen Bahn klar und im Resultat abzuschätzen. Nach Bismarcks -entscheidender staatsmännischer Tat hat es in Deutschland einen -großen politischen Gedanken nicht mehr gegeben, brauchte es auch auf -lange Zeit keinen mehr zu geben. Die erobernde Arbeit, die jetzt zu -leisten war, ist wirtschaftliche Arbeit gewesen, selbst die Ansätze -zu einer deutschen Kolonialpolitik, die nach den nun einmal verpaßten -Möglichkeiten einer vollblütigen deutschen Kolonialwirtschaft mehr -ein Luxus des mächtig gewordenen und reich werdenden Deutschlands -waren, als eine wirtschaftliche Notwendigkeit, mußten Nebensache -bleiben. Darin -- noch mehr als in dem subalternen Niveau der -epigonischen Regierungskunst -- liegt wohl der tiefste Grund dafür, -daß sich die Persönlichkeiten mit Schöpferwillen und Schöpferkraft -im Deutschland der nachbismärckischen Zeit nicht der Politik, -sondern dem Wirtschaftsleben zuwendeten, daß wir in Deutschland eine -Überfülle bedeutender, ja großer Kaufleute und Industrieller, so -wenig politische Talente besaßen. Der schöpferische Mensch drängt -dahin, wo es zu schaffen gibt, und besonders Männer des großen Wurfes -fanden in der Politik nicht das Feld, das ihrem Schaffensbedürfnis -genügte, ganz abgesehen davon, daß sich ihr Temperament an den -ständigen Reibungen und fruchtlosen Hemmungen (es gibt auch fruchtbare) -mit dem Bureaukratenstaat müde gelaufen hätte. Es konnten wohl -Organisatoren jener stillen, schmiegsamen Art, wie Stephan und Miquel -im preußisch-deutschen Staate ihren Platz finden, eine volle und -vielleicht übervolle Kraft wie Dernburg wurde darin nie heimisch, -überschritt allenthalben die ihr gezogenen Grenzen, fand die Einheit -ihres Werkes auf Schritt und Tritt von hochmütiger Verständnislosigkeit -durchkreuzt und kapitulierte schließlich vor dem Geist Erzbergers. - -Die politische Sammlung, die die bis 1870 verzettelten, durcheinander -und gegeneinander streitenden Kräfte des Volkes in Richtung und -Zusammenwirkung brachte, vermochte aber allein für sich und aus sich -zunächst das neue wirtschaftliche Deutschland noch nicht zu schaffen, -wenngleich eine Änderung und ein Aufschwung gegenüber dem bisherigen -binnenwirtschaftlich beschränkten Zustand des Landes sofort sichtbar -wurde, wenngleich aus dem Boden fast fabelhaft schnell frisches Grün -emporsproß, vielleicht zu schnell emporwucherte. Aber all das war nur -eine Verstärkung, eine Beschleunigung einer in ihrer Art und Richtung -bisher schon im Flusse befindlichen Entwicklung. Es war nicht die -Etablierung des neuen, technisch wie organisatorisch völlig anders -gearteten Systems, das bisher noch nicht dagewesene Betriebsformen, -Arbeitsmethoden, Wirtschaftsgebilde in Deutschland auf die Füße -stellte, Kanäle und breite Tore auf den Weltmarkt öffnete, aus dem -nach innen gerichteten, an versteckten Meereswinkeln träumenden -Binnenlande den modernsten und expansivsten Industriestaat, den -emsigsten Exporteur der Welt schuf. Dazu bedurfte es erst einer -völligen Umdüngung des freigerodeten Bodens, der für die neue Ökonomie -aufnahmefähig sein sollte. Die tüchtigen Industrieunternehmungen des -Landes erhielten sofort nach dem Kriege einen verstärkten Antrieb -gerieten in ein schnelleres Tempo der Entwicklung. Krupp, Borsig, -Siemens fingen an wirklich groß zu werden. Sie und ein paar andere -Werke wuchsen in die Statur von Weltfirmen hinein, aber die deutsche -Industrie wuchs noch nicht zur Weltindustrie. Es gab schon große -Industriepersönlichkeiten, Männer von jener zähen, soliden Genialität, -die von unten, von klein herauf strebten, ihre Geschäfte Schritt für -Schritt aufbauten, ihren Unternehmungen nur den gerade unbedingt -notwendigen Schuß von Spekulation beimischten und geliehenes Geld -wenn überhaupt, so nur widerwillig, gewissermaßen contre coeur -und contre honneur aufnahmen. Noch in unsere heutige ganz anders -geartete Zeit ragen Reste dieser Familienindustriewirtschaft hinein. -Man denke an die Tradition bei Aktiengesellschaften wie Siemens & -Halske und Krupp, an den alten Magnaten- und Gewerkenreichtum in -Westfalen und Oberschlesien. Neben diesen Industriepersönlichkeiten -und Industriefamilien mit durchaus intensiver Finanzwirtschaft standen -schon damals große, oder doch wenigstens berühmte Finanziers. Sie -waren entweder ihrem Grundzuge nach reine Bankiers wie damals noch die -Bleichröders, Mendelsohns, Schicklers, die Industriefinanzierungen nur -gelegentlich mitmachten, oder sie konnten, wenn sie die wechselseitigen -Befruchtungsmöglichkeiten von Industrie und Bankgeschäft schon -erkannten -- wie einer der Bahnbrecher des modernen Finanzwesens, David -Hansemann -- den neuen Weg nur vorsichtig beschreiten, weil sich in -ihrer Hand zu jener Zeit lange noch nicht die Kapitalien gesammelt -hatten, die für eine Industriefinanzierung großen Stils notwendig -sind. Die damals größte Bank Deutschlands, die Diskontogesellschaft, -verfügte in den 70er Jahren über ein Kapital von 60 Millionen Mark, -unser heutiges führendes Institut, die Deutsche Bank, nur über -ein solches von 45 Millionen. Die Mittel dieser Banken und des -Kapitalmarktes flossen in jenen Zeiten abgesehen von den Beträgen, die -der Handel beanspruchte, in weit größerem Umfange als den Industrien -den Eisenbahngesellschaften zu, die sich damals noch im Privatbesitz -befanden und deren Aktien wie Obligationen mit den wichtigsten Posten -in der Anlagenbilanz des nationalen Kapitals bildeten. - -Einer allerdings hat schon damals -- und zwar schon vor dem Kriege --- seiner Zeit und ihren Möglichkeiten mit ungeduldigem Geniewurf -vorausgreifend, beides, das Industrielle und das Finanzielle, in -denkbar größtem Maße zu vereinen versucht, sich nicht damit begnügen -können, ein einziges Unternehmen in Ruhe auszubauen, sondern sein -Bedürfnis und seine glänzenden Fähigkeiten im Anregen, Finanzieren und -Verwirklichen immer neuer Projekte betätigen müssen. +Strousberg+, -dessen Größe nur allzusehr im „Entwerfen“ lag, und den nicht nur -seine nach einem Sündenbock suchende Zeitgenossenschaft, sondern auch -die geschichtliche Registratur als das böse Musterbeispiel einer -„Gründerei nur um des Gründens willen“, als das Symbol jener sinn- -und skrupellosen Wertetreiberei der ersten siebziger Jahre verewigt -hat. Er war es nicht, war nicht Symbol, nicht Urheber, sondern Opfer -dieser in allen Fäulnisfarben schillernden Periode. Ihre Wurzeln -waren nicht die seinen; der Krieg, der die eigentlichen Gründer groß -machte, hatte ihn, der damals gerade zuviel auf die Karte seiner -rumänischen Bahnbauten gesetzt hatte, bereits empfindlich geschwächt. -Die Atmosphäre der Gründerjahre ergriff den schon unsicher Gewordenen, -und in ihren Zusammenbruch wurde der Ausschweifend-Geniale, der seine -Saatkörner auf zu viele Äcker ausgestreut hatte, als einer der ersten -mit hineingezogen. Den guten, den fruchtbaren Grundkern in Strousberg -und seiner Methode anzuerkennen, ist Pflicht desjenigen, der die Art -und das Werk eines Emil Rathenau in ihrer ganzen Bedeutung für unsere -deutsche Wirtschaft erkennen und würdigen will. Wer Rathenau unbedingt -bejaht, darf Strousberg nicht unbedingt verneinen. Denn Strousberg -hat schon das vorgeschwebt, was Rathenau und die anderen großen -Industriellen in den Jahrzehnten um die Wende des 19. Jahrhunderts auf -ihren begrenzteren, aber geschlosseneren und intensiver bearbeiteten -Arbeitsgebieten verwirklichen konnten. Woran Strousberg scheiterte, -das waren Anomalien der Charakterveranlagung und der Zeitverhältnisse, -die seinen Plänen und Absichten ebenso stark zuwiderliefen, wie die -Schöpfungen Rathenaus und der anderen Nachsiebziger durch Harmonien -der Umstände gefördert und hochgetragen wurden. Der Vergleich zwischen -Strousberg und Rathenau ist darum ganz besonders lehrreich, wenn man -die historischen Wurzeln und Bedingtheiten einer Erscheinung wie der -Emil Rathenaus verstehen lernen will. Strousbergs Entwickelung und -geschäftlicher Höhepunkt lagen in einer Zeit, in der größere Bildungen -industrieller Natur in Deutschland zwar an sich möglich waren, aber -doch mangels entwickelter Kapitalmächte und Geldorganisationen, -mangels einer ausgebildeten modernen Fabrikationstechnik nicht in -verhältnismäßig kurzer Zeit hingeworfen werden konnten. Die bedächtige -Entwicklung von innen heraus, der stufenweise Aufbau vom kleineren -zum größeren war nötig, um dem industriellen Wachstum Gesundheit und -Dauerhaftigkeit zu verleihen. So entwickelten Krupp und Siemens ihre -Betriebe, so betrieb Wilhelm v. Mevissen seine Eisenbahnbaupolitik. -Die kühneren Perspektiven eines Friedrich List waren nur Theorien, die -zwar mit treffsicherem Blick für die Praxis erdacht waren, aber doch -erst in einer späteren Zeit verwirklicht werden konnten. Strousberg -ging ohne Rücksicht auf die Zeitumstände zu Werke. Er sprang mit -Volldampf in seine Projekte. Nicht aus kleinen Anfängen und Entwürfen -wuchsen seine Werke allmählich über sich hinaus, sondern seine -Verwirklichungen blieben fast immer hinter dem Idealbild seiner Pläne -zurück. Interessant und bezeichnend war es schon, wie er die Geldmittel -für seine Gründungen aufbrachte. Sein Kapital stammte -- wenigstens -in der ersten Periode seiner Gründungstätigkeit -- vorwiegend aus -England, dem Lande, das ihm den Namen und die industriellen Maßstäbe -gebildet, aber wohl auch für deutsche Verhältnisse etwas verbildet -hatte. Es war ein geistreicher und geschickter Gedanke Strousbergs, den -damals sehr erheblichen Unterschied zwischen dem niedrigen englischen -und dem hohen deutschen Geldleihsatz als rentensteigernden Faktor in -seine Rechnung einzustellen. Der Gedanke war nicht einmal ganz neu -in jener Zeit, aber er war sonst nicht von Deutschen, sondern meist -von Engländern ausgegangen und hatte zum Beispiel dazu geführt, daß -englische Kapitalisten und Unternehmer in Deutschland Kohlenbergwerke -(wie die Hibernia), Gasanstalten (wie die Berliner Imperial Gas -Association), zu deren Errichtung von deutscher Seite es an Kapital -oder auch an Unternehmungsgeist fehlte, mit eigenen Mitteln und unter -eigener Verantwortung gründeten. Strousberg wollte selbst gründen, -selbst die vollen industriellen Chancen ausnützen und das englische -Kapital, das er verwendete, auf den bescheidenen Platz des mit einer -festen Rente abgefundenen Finanz- oder Bankkapitals verweisen. Auch -das ließ sich durchführen, und versprach sogar hohen Ertrag, wenn mit -der bei einer Verringerung jener Zinsdifferenz eintretenden Gefahr -des plötzlichen Abziehens der englischen Gelder gerechnet und gegen -die Nachteile, die aus einer derartigen Geldentziehung erwachsen -mußten, Vorsorge getroffen worden wäre. Eine solche Vorsorge hätte -darin bestehen können, das englische Kapital entweder so fest an die -deutschen Unternehmungen zu fesseln, daß eine plötzliche Abziehung -nicht hätte vorgenommen werden können. Dann hätte Strousberg aber -diesem Kapital einen starken Einfluß auf die Verwaltung und Verfassung -seiner Unternehmungen einräumen, wahrscheinlich ihnen sogar einen -englischen Sitz und englische Rechtsform, ihren Aktien einen -englischen Markt geben müssen (+deutsche+ Aktien würden ja bei -einer Krise auf den +deutschen+ Markt geworfen worden sein). Da -Strousberg aber seinen Geldgebern einen solchen Anteil an der Macht -nicht einräumen wollte, hätte er sich auf eine andere Art gegen die -Gefahr der Kapitalentziehung sichern müssen. Er hätte das englische -Kapital nur als eine vorübergehende, vorläufige Finanzgrundlage -seiner Unternehmungen betrachten und dafür sorgen müssen, daß es -allmählich entsprechend der langsameren Kapitalbildung auf dem -deutschen Geldmarkte oder auch vermittels der eigenen Erträgnisse -seiner Unternehmungen durch deutsches Kapital ausgewechselt werden -konnte. Das hätte aber einmal einen Verzicht auf die langfristige -Ausnutzung der Zinsdifferenz, an deren dauerndes und ununterbrochenes -Vorhandensein Strousberg geglaubt zu haben schien, zur Bedingung -gehabt; ferner hätte es einen ruhigen, geduldigen Ausbau der Gründungen -verlangt, nicht jenes überstürzte Eiltempo der Expansion, das in dem -Temperament Strousbergs begründet lag. Schon in finanzieller Hinsicht -waren Strousbergs Werke also auf einer historischen Anomalie gegründet. -Dasselbe gilt von ihrer industriellen und technischen Anlage. Seine -Entwürfe und Ideen waren meist gut, oft zukunftsreich und immer -genialisch, die Mittel, mit denen er sie ausführte, oft unzulänglich. -Denn der intellektuelle Defekt in diesem bewunderungswürdig -scharfsinnigen und positiven Gehirn bestand darin, daß Strousberg -keinen Sinn für die praktischen Hemmungen der Materie hatte, daß er -seiner eigenen Phantasie gegenüber durchaus unkritisch war. Sein -Positivismus war ein Rausch, keine fest verankerte Weltanschauung, -er war zu sehr Bau+künstler+ und zu wenig Bau+meister+. -Seiner Phantasie schwebte ein großzügiges Eisenbahnsystem von Rumänien -durch Deutschland bis zum Atlantischen Ozean vor, aber die Art, wie -er nun an allen Ecken und Enden, wo sich ihm gerade eine Möglichkeit -bot, Linien anzulegen begann, in der Hoffnung, das Stückwerk werde -sich schon von selbst zum Ganzen runden, war ganz und gar systemlos. -Der Gedanke, die Lokomotiven, Waggons, Schienen, Eisenteile und den -sonstigen Bedarf für seine Bahnen in eigenen Betrieben herzustellen, -war von industrieller Folgerichtigkeit und Fruchtbarkeit, aber es -war vermessen und ein Zeichen gänzlich falscher Einschätzung des -Entwicklungsgesetzes, die Konzentrationsidee, den Gedanken der -Selbstbedarfsdeckung, des gemischten Fabrikationsprozesses gleich mit -einem umfassenden Radikalismus zu beginnen, bis zu dem er heute nach 50 -industriellen Entwicklungsjahren kaum gediehen ist. Das konnte keine -gesunde Grundlage für mächtige Unternehmungen, kein gerundetes Ganzes -geben, sondern es wurde Stückwerk, das beim ersten naturnotwendigen -Rückschlag der Entwicklung, beim ersten Kampf der Idee mit der -Materie zerbrechen mußte. Die Dortmunder Union, das erste, fast ein -Menschenalter zu früh angewendete Beispiel eines gemischten Eisen- und -Stahlwerks, wie es später eine der schöpferischsten Ideen der deutschen -Industrie wurde, ist in der praktischen Anlage so verunglückt, daß -immer neue Sanierungen notwendig wurden und doch Jahrzehnte hindurch -den Boden des Fasses nicht erreichten. Noch haltloser waren die -Grundlagen für das von Strousberg geplante große Werk in Zbirow bei -Pilsen, das ebenfalls die ganze Eisenfabrikation vom Erz bis zum -Eisenbahnbedarf umfassen sollte. Hier war nicht nur die Anlage, sondern -auch der Standort, die Rohstoffgrundlage verfehlt. Auch den übrigen -Gründungen Strousbergs, den Markthallen, Schlachthöfen, Zeitungen, die -er gewissermaßen nebenbei aus dem unerschöpflichen Füllhorn seines -Ideenreichtums schüttete, lag fast stets ein guter Gedanke zu Grunde, -die Ausführung aber war flüchtig und sorglos. Es war vielleicht die -verhängnisvollste Schwäche Strousbergs, daß er, der Nichtfachmann, der -seine Unternehmungen auf die Technik einer künftigen Zeit anlegte, -nicht einmal die Technik seiner Zeit völlig beherrschte. So sehr er -sich in seinem Memoirenwerk dagegen wehrt, er +hat+ manchmal -schlecht gebaut, trotz des meist ehrlichen Willens, gut zu bauen, weil -er nicht imstande war, sich die richtigen Fachleute auszusuchen und -weil er zu schnell bauen wollte und mußte. - -Aber nicht nur in den Zeitumständen, auch in den Charaktereigenschaften -war Emil Rathenau fester gegründet, als der so ähnlich begabte -Stammesgenosse. In dem wesentlichen Grundzug ihrer finderischen -Natur waren diese beiden Juden einander nahe verwandt. Beide von -einer -- bei aller Fähigkeit für das Komplizierte -- schlichten -und fast naiven Konstruktivität, Strousberg naiver, Rathenau -schlichter, beide von hellseherischer Phantasie für zukünftige -Möglichkeiten und Notwendigkeiten, Strousberg schweifender auf die -Möglichkeiten, Rathenau -- wenigstens in der Arbeit -- nüchterner -auf die Notwendigkeiten gerichtet. Des einen, des Bahnenkönigs -Unternehmungsgeist, trotzdem er nie eine Sache um des Gründergewinns, -sondern nur um des meist guten industriellen Gedankens willen gründete, -etwas fessel- und hier und da auch wahllos umherspringend, des andern -Schaffen bei allen gelegentlichen gedanklichen Exkursionen von einer -einheitlichen Grundidee gebändigt und beherrscht, sich selbst mit -eiserner Selbstzucht stets wieder auf den Boden der Wirklichkeit -zurückzwingend. Strousberg hat auf +viele+ Gebiete der Industrie -übergegriffen, Rathenau hat +eine+ Industrie mit höchster -Vertiefung und Vielseitigkeit ausgebaut und die Nebenindustrien, -denen er sich zuwandte, doch immer unter die Gesichtspunkte des -elektrotechnischen Gewerbes gestellt. Bei aller Verwandtschaft der -spirituellen Intelligenz, der Begabung und der Methode, eine starke -Verschiedenheit weniger der Temperamente, als der Hemmungen der -Temperamente. Strousberg drängte gewaltsam vorwärts und überstürzte. -Rathenau hat gezeigt, daß er wohl zu warten verstand. - -Unter solchen Umständen ist es falsch zu sagen, daß Glück oder Unglück -die entscheidende Rolle in dem Leben dieser beiden Männer gespielt -haben, wie dies Strousberg in seiner im russischen Schuldgefängnis -geschriebenen Selbstbiographie von sich behauptet hat. Es ist richtig, -daß die 6 Millionen Taler Entschädigung, die Strousberg gerade in -seiner kritischen Zeit an Rumänien infolge fehlerhafter Ausführung -eines Bahnenbaus zahlen mußte, seinen Zusammenbruch beschleunigt -haben. Aber dieses Schicksal traf ihn nicht unverdient, und es wurde -aufgewogen durch manchen Glückszufall, aus dem er früher hatte -Nutzen ziehen können. Emil Rathenau andererseits ist durch das Glück -nie sonderlich verwöhnt worden und gerade die vielen Reserven, -Hindernislinien und Schutzgräben, von denen er um sein Werk nicht -genug ziehen konnte, um es gegen jeden Schicksalsschlag, gegen -jeden ungünstigen Zufall zu sichern, zeigen den Unterschied seiner -industriellen Bauweise von der Strousbergs. - -Die vorangegangene Schilderung hat gezeigt, welche große Bedeutung -die +zeitlichen Umstände+ als Vorbedingung für ein Werk, -wie das Rathenaus gehabt haben, wenngleich sie keineswegs allein -ausschlaggebend für das Wachstum seiner Persönlichkeit und seiner -Schöpfung gewesen sind. Man kann sagen, daß die letzten 3 Jahrzehnte -in Deutschland deswegen so viel schöpferische Persönlichkeiten und -Leistungen in Handel und Gewerbe hervorgebracht haben, weil sie -selbst so schöpferisch waren und Gelegenheit, ja förmlich Zwang zu -produktiver Tätigkeit boten. In dem Agrarland Deutschland war noch -so viel Platz für große Industrieunternehmungen, es gab so viele -ungehobene industrielle Rohstoffe, so viel überschüssiges, früher -auf den Weg der Auswanderung gedrängtes Menschenmaterial, daß die -Entwicklung, nachdem einmal die Bahn durch Beseitigung der politischen -Hemmungen, durch Freimachung und Anreicherung der kapitalbildenden -Kräfte geebnet war, mächtig vorwärts drängen mußte. Man brauchte sich -nur von dieser Entwicklung tragen zu lassen, um es zu etwas zu bringen -und selbst die +mäßige+ Begabung konnte sich ansehnliche Ziele -stecken. Die +große+ aber fand Baustoff und Werkzeug zu stärkstem -Vollbringen. Man kann den Anteil, den Zeit und Persönlichkeit an den -gewerblichen Schöpfungen unseres Zeitalters hatten, vielleicht am -besten charakterisieren, wenn man sagt, daß die Männer dieser Zeit mit -der Stromrichtung schwimmen konnten. Sie hatten -- natürlich nur im -Großen, und nicht im einzelnen betrachtet -- kein zähes Gestrüpp an -Gewohnheiten, Vorurteilen erst auszuroden, ehe sie mit der eigentlichen -Arbeit beginnen konnten. Sie brauchten nicht einen erheblichen Teil -ihrer besten Kraft darauf zu wenden, erst den Kampf des Positiven gegen -das Negative zu führen, wie etwa der gedankliche Bahnbrecher Friedrich -List, sie brauchten auch keiner spröden Materie langsame Gestaltung -abzuzwingen, wie David Hansemann, Alfred Krupp und Werner Siemens. Sie -fanden den Boden gepflügt und gedüngt. Gewiß, nur fruchtbare Körner -konnten auf ihm aufgehen. Aber das fruchtbare Korn wird, wenn es auf -einen guten und bereiten Boden fällt, anders und stärker gedeihen, als -wenn es in Brachland oder dünnen Sandboden gesenkt wird. - -Es spricht nicht gegen unsere Auffassung von den wirtschaftlichen -Wirkungen der reichsdeutschen Gruppierung um die staatenbildende -Zentrifugalkraft Preußens, wenn man feststellt, daß einmal der -wirtschaftliche Zusammenschluß Norddeutschlands und der spätere -Hinzutritt Süddeutschlands zu dem deutschen Zollverein schon vor dem -deutsch-französischen Kriege stattgefunden hatten und daß nachher noch -fast ein Jahrzehnt hinging, ehe die moderne Wirtschaftsbewegung mit -voller Kraft einsetzte. Vor dem Kriege war durch die Zollbündnisse, -die den politischen Reichsgedanken vorbereiten halfen, wohl eine -gewisse Einheit schon de jure erreicht. Das blieb auch ganz gewiß -nicht ohne befruchtende Wirkung auf das Wirtschaftsleben und führte -schon in der Mitte der 60er Jahre zu günstigen Geschäftskonjunkturen. -Aber die große Revolutionierung des Wirtschaftsbodens, von der wir -gesprochen haben, wurde dadurch höchstens angekündigt, noch nicht -eingeleitet. Dies konnte erst geschehen, nachdem die wirtschaftliche -Einheit durch die feste politische Form endgültig geworden, gegen -jede Bedrohung von innen und außen gesichert war. Die allgemeine -Überzeugung, daß die Einheit politisch und kriegerisch noch einmal -würde erprobt und verteidigt werden müssen, hinderte vorerst das -organische Zusammenwachsen der einzelnen Glieder Deutschlands zu -einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet. +Nach dem Kriege+ setzte der -+subjektive+ Aufschwung sofort ein und zwar in einem Tempo, daß ihm -der objektive Aufschwung nicht zu folgen vermochte. Da keine genügende -Zahl von industriellen Unternehmungen und von den sie repräsentierenden -Wertpapieren da war, an denen die spekulative Hochbewertung sich -hätte genug tun können, nahm der Aufschwung die Form der künstlichen -„Wertschafferei“ und „Werttreiberei“ an, die sich auch am +fingierten+ -Wert entzündeten. Die +wirklichen+ Werte an industriellen Objekten, an -Grund und Boden, an Waren und Rohstoffen wurden gewaltig übersteigert, -wie das immer der Fall ist, wenn der Kreis der realen Tatsachen -nicht schnell genug erweitert und auf den Umfang der neuen geistigen -Möglichkeiten gebracht werden kann. Die Plötzlichkeit, mit der die -deutsche Binnenwirtschaft vor weltwirtschaftliche, ja imperialistische -Probleme gestellt wurde, zeitigte ein gewaltiges schöpferisches -Bedürfnis, dem die schöpferischen Verwirklichungen nicht im gleichen -Tempo folgen konnten. Die Zukunftsphantasien, die den Gründern und -Spekulanten jener Zeit vor Augen standen, waren dabei sicherlich nicht -einmal falsch gesehen oder übertrieben. Was seither verwirklicht -wurde, hat jene Phantasiegemälde längst überboten und in Schatten -gestellt. Falsch war nur die Bemessung der Distanz, der Zeitspanne, -in der man zur Verwirklichung jener Ideen kommen zu können glaubte. -Man glaubte Tal und Berg im Sprung überwinden zu können, während eine -mühselige Wanderung über Hügel und Einsenkungen, durch Schluchten und -Gestein notwendig war. Was diesen Trugschluß damals noch so wesentlich -förderte, war der französische Milliardensegen, der sich unerwartet -und unvorbereitet über Deutschland ergoß. Man glaubte, daß mit diesem -Gelde jede Distanz überwunden werden könnte und hatte noch nicht -die vorher nirgends so augenfällig gewordene, erst anläßlich dieser -gewaltigsten gegenwertlosen Geldübertragung der Geschichte möglich -gewordene Erfahrung gemacht, daß ein Überfluß an Geld eine gesunde -Entwicklung nicht fördert, sondern stört. Nur Geld, das Kapital -geworden ist oder Kapital werden kann, das heißt für das sich eine -gesunde Anlagemöglichkeit findet, vermag Früchte zu tragen. Das Geld, -das beschäftigungslos umhertreibt oder zu zwecklosen Experimenten -verwendet wird, schafft eine künstliche Kaufkraft, eine ungesunde -Unternehmungslust, bringt die Faktoren der Preisbildung, die Ventile -der Marktregulierung in Unordnung und treibt in Krisen hinein, in denen -die künstlichen Gebilde zusammenbrechen müssen, ehe wieder richtige -Wertmaßstäbe gewonnen werden können. - -Durch die Delirien dieser Krise mußte erst die subjektive -Aufschwungskraft des wirtschaftlichen Deutschland nach seiner Einigung -hindurchgehen, ehe der wirkliche, wohlfundierte Aufstieg begonnen -werden konnte. In dieser Krise wurde schon die Spreu von dem Weizen -gesondert, und wer sie überlebte, hatte schon halb bewiesen, daß er -würdig und fähig war, an den Mühsalen und Früchten des aufsteigenden -Weges teilzunehmen. Emil Rathenau gehörte zu jenen, die sich durch das -falsche Gold der Gründerjahre nicht hatten blenden lassen. Er hatte -seine gewaltige Bejahungskraft, seine Phantasie, die doch nicht weniger -lebendig und beweglich waren als die des verwegensten Abenteurers aus -der Gründerzeit, vollkräftig und doch fast unbeschädigt durch die Jahre -getragen, die rings um ihn von Orgien der Unternehmungslust erfüllt -gewesen waren. So war er rein und stark für die kommenden Jahre der -Stärke geblieben. - - - - -Viertes Kapitel - -Technische Vorbedingungen - - - „Als Emil Rathenau seine Siegeslaufbahn begann, war die - Elektrotechnik wenig mehr als ein bescheidener Versuch, die - großartigen Forschungen der Physik des vorigen Jahrhunderts - nützlicher Verwertung zu erschließen. Die Erfindungen trugen noch - deutlich den Stempel ihrer Geburtsstätte -- es waren Erzeugnisse - instrumentaler Technik. Werner v. Siemens, selbst aus dieser - hervorgegangen, war der erste, dessen weitschauender Geist die - Notwendigkeit erkannte, die Hilfe eines Bundesgenossen, der - Maschinentechnik, herbeizurufen, das Studium der Elektrotechnik - den Technischen Hochschulen zuzuweisen, und mit dem Maschinenbau - auf das Innigste zu verschmelzen. Schwierig war die Aufgabe, - die er damit den technischen Hochschulen erteilte, fehlte es - denselben doch zunächst an geeigneten Lehrkräften, die mit - theoretischem Wissen praktisches Können vereinten. Da brachte - Hilfe die schnell sich entwickelnde Technik selber. Hervorragende - Maschineningenieure, technische Physik beherrschend, traten in die - Werkstätten der Elektrotechnik und wurden bald ihre Lenker und - Leiter. Als der ersten einer -- Emil Rathenau. Es war ein großes - Glück für die deutsche Elektrotechnik, daß ihr neben Siemens ein - Mann erstand, von gleichen Überzeugungen beseelt, mit genialer - Veranlagung zum Maschineningenieur erzogen, der, zwar nicht mit ihm - vereint, wohl aber im edelsten Wetteifer mit ihm gleichen Zielen - zustrebte. Dem Wirken dieser beiden Männer verdankt die deutsche - Elektrotechnik ihre erstaunlich schnelle Entwicklung.“ - - (Prof. Dr. Slaby in einer Festrede zur Feier des 25jährigen - Bestehens der A. E. G.) - -Im vorigen Kapitel haben wir gesehen, welche allgemeinwirtschaftlichen -Bedingungen Emil Rathenau vorfand, als er am Anfang der 80er Jahre -daranging, ein neues Unternehmen aufzubauen. Jetzt soll untersucht -werden, wie es mit der +Entwicklung+ der +elektrotechnischen -Industrie+ stand, der sich Rathenau zuwandte, weil er auf ihrem -Gebiet die größten Zukunftsmöglichkeiten für einen technischen Kaufmann -sah. - -Die Elektrotechnik, als Grundlage der Elektrizitäts-Industrie, das -heißt einer praktisch-wirtschaftlichen Ausnutzung der Wissenschaft -von der Elektrizität ist viel jünger als die Erfindung oder besser -als die Findung der galvanischen Kraft. Sie ist ganz und gar ein -Kind des 19. Jahrhunderts und setzte zu ihrer Ausbildung die -Pionierdienste voraus, die auf allgemein-technischem Gebiete erst -die Physik und die Chemie leisten mußten. Der erste Schritt in das -seitdem experimentell vielfach durchleuchtete Gebiet einer ihrem -inneren Wesen nach noch immer geheimnisvollen Kraft wurde halb durch -Zufall getan. Lange Zeit ging die herrschende Ansicht dahin, daß -die magnetischen und elektrischen Erscheinungen nicht miteinander -zusammenhingen. Ein dänischer Physiker Hans Chrystian Oersted -entdeckte 1820 das Prinzip des Elektromagnetismus, indem er bemerkte, -daß eine auf seinem Experimentiertische befindliche Magnetnadel -durch galvanischen Strom abgelenkt wurde. Deutsche, französische -und englische Forscher warfen sich bald darauf mit intensiver -Energie auf das neue Gebiet der Wissenschaft und suchten die schmale -Eingangspforte durch systematische Arbeit zu erweitern. Während -man auch nach der Entdeckung Oersteds zunächst noch an der Ansicht -festhielt, daß nicht die Elektrizität, sondern der Magnetismus die -einfachere, grundlegende Kraft sei, begründete Ampère die Theorie, -daß das Grundphänomen das elektrische sei und daß alle Äußerungen -des Magnetismus auf elektrischen Strömen beruhten, eine Theorie, die -als erwiesen gelten konnte, nachdem gezeigt worden war, daß durch -elektrischen Strom ein Magnetfeld erzeugt werden konnte. Damit war -die industriell so außerordentlich fruchtbar gewordene Einwirkung der -elektrischen Kraft auf den Grundstoff aller modernen industriellen -Betätigung, das Eisen, festgestellt, das die Eigentümlichkeit besitzt, -durch einen elektrischen Strom sehr kräftig magnetisiert zu werden. -Gauß und Weber gelangten auf Grund ihrer Arbeiten im Jahre 1833 zur -Erfindung des +elektrischen Telegraphen+ und stellten bald darauf die -erste telegraphische Verbindung auf eine kurze Strecke -- zwischen -ihren beiden Arbeitsstätten in Göttingen -- her. Damit schien die -deutsche Forschung, nachdem sie dieses eminent praktische Problem -wissenschaftlich gelöst hatte, sich zunächst begnügen zu wollen. -Für eine praktische Ausnutzung fehlte es in Deutschland damals an -einer entwickelten Industrie und gerade umgekehrt wie bei späteren -großen Erfindungen, die im Auslande gemacht, aber in Deutschland -systematisch-praktisch durchgebildet wurden, ließ man bei den ersten -epochemachenden Entdeckungen auf dem Gebiete der Elektrotechnik -die grundsätzlichen Erkenntnisse der Wissenschaft ohne Folgen. Wie -später auch das von dem deutschen Physiker Philipp Reis erfundene -Telephon wurde der elektrische Telegraph in Amerika entwickelt. -Schon im Jahre 1835 konstruierte der Amerikaner Samuel Morse den -nach ihm benannten Fernschreibapparat, auch andere Amerikaner und -Engländer, wie Wheatstone und Coke befaßten sich erfolgreich mit der -Ausbildung des Telegraphen. Im Jahre 1844 wurde die erste öffentliche -Telegraphenleitung zwischen Washington und Boston eingerichtet und -dem öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht. Die verkehrstechnische -Entwicklung des Telegraphen schritt nun mit schnellen Schritten fort. -In Amerika, wo besonders große Entfernungen zu überwinden sind, war -das Bedürfnis nach rascher Nachrichtenübermittelung naturgemäß am -stärksten, und der praktische Sinn überdies am schnellsten bereit, -die Errungenschaften der Technik nutzbar zu machen. Aber auch Europa -rührte sich. England, Frankreich und Deutschland vermochten sich -der Bedeutung nicht zu entziehen, die der Telegraph für das ganze -wirtschaftliche, soziale und politische Leben gewinnen mußte. Die Welt -war damals bereits aus dem handwerklichen in das maschinelle Zeitalter -getreten, und sie rückte auch immer entschiedener in das Zeichen -des Verkehrs. Im Jahre 1838 war die erste Eisenbahn in Deutschland -fertiggestellt worden, nun folgten allenthalben neue Schienenwege, und -die Eisenbahnverwaltungen erkannten bald die Vorteile, die es ihnen -bot, ihre Linien von telegraphischen Leitungen begleiten zu lassen. So -trafen sich die Bedürfnisse der maschinellen Verkehrstechnik mit denen -der elektrischen. Der erste Anstoß für die Einführung des Telegraphen -kam in Preußen allerdings nicht von der verkehrspolitischen, sondern -von der militärischen Seite her. Die Kommission des preußischen -Generalstabes für die Einführung der elektrischen Telegraphen übertrug -im Jahre 1847 dem Artillerieleutnant +Werner Siemens+ die Herstellung -einer unterirdischen Telegraphenlinie von Berlin nach Großbeeren zu -Versuchszwecken. Eine glücklichere Wahl hätte die Militärbehörde -nicht treffen können. Damit wurde zum ersten Male der Mann mit -der Lösung einer bedeutsamen Aufgabe betraut, der zu den größten -technischen Konstrukteuren aller Zeiten gehörend, die Entwicklung -der elektrotechnischen Industrie in ihrer ersten, grundlegenden -Periode anregen, führen und verkörpern sollte wie kein zweiter in -Deutschland, wie nur wenige andere in der ganzen Welt. In der Mitte -zwischen technischer Wissenschaft und Praxis stehend, war es Werner -Siemens in einer Zeit, in der eine tiefe Kluft zwischen der Theorie -und der ausübenden Technik gähnte, vergönnt, sich beide Gebiete ganz -zu eigen zu machen, auf beiden Gebieten Gedanken aus erster Hand, von -primärem Wert und schöpferischer Auswirkung zu prägen und miteinander -zu verschmelzen. Die eiserne Folgerichtigkeit seines technischen -Denkens, und die nie ermüdende und nie abschweifende Konstanz seiner -Arbeit ermöglichten es ihm, die fruchtbaren Gedanken zur industriellen -Reife zu entwickeln. Kein schnelles Blitzlicht, das hier und dorthin -springend dunkle Gebiete der Forschung einen Augenblick erhellt und es -dann anderen oder auch dem Zufall überläßt, sie dauernd aufzuklären, -sondern eine ruhig brennende Flamme, die sich von dem zu erforschenden -Gegenstand nicht früher abkehrt, bis sie ihn von allen Seiten -abgeleuchtet hat. Nicht so geniefunkelnd, experimentell-geistreich und -vielseitig wie der amerikanische „Zauberer“ Thomas Alva Edison, aber -nicht weniger finderisch als dieser. Der ernste Kopf, das tiefe Auge, -die feste Hand des Niederdeutschen, eine Natur, die mit einer Sache -ringt und sie nicht läßt, bevor sie sich ihm ergeben hat. Gewiß, auch -Werner Siemens fehlte manches, wovon später noch zu reden sein wird. -Aber es war vielleicht gut, daß ihm dieses fehlte, wofür in seiner -Zeit die Bedingungen wenigstens in Deutschland noch nicht vorhanden -waren, was ihn möglicherweise in der Sicherheit seines Wesens und -Wollens nur beirrt, in der Gradlinigkeit seines Schaffens zersplittert -hätte. Gerade dadurch, daß Werner Siemens die Möglichkeiten und -Forderungen +seiner+ Zeit so völlig erschöpfte, erschöpfte er sich in -ihnen, ging die Entwicklung schließlich über ihn hinweg, vermochte er -sich einer anderen Zeit nicht mehr so recht anzupassen. - -Werner Siemens wurde im Jahre 1816 in Lenthe in Hannover als Sohn -eines Gutspächters geboren. Schon den jungen Gymnasiasten drängten -Begabung und Neigung zur Technik. Da das Studium auf der Bauakademie, -dem damals einzigen technischen Lehrfach, dem Vater zu kostspielig -war, wurde auf Anraten eines Freundes der Familie ein Kompromißweg -gefunden. Werner Siemens sollte preußischer Pionieroffizier werden, -wo er Gelegenheit haben würde, dasselbe zu lernen wie auf der -Bauakademie. Wie so viele strebsame Jünglinge aus den deutschen Mittel- -und Kleinstaaten wandte sich Siemens nach Preußen. „Der einzige -feste Punkt in Deutschland ist jetzt der Staat Friedrichs des Großen -und die preußische Armee,“ sagte ihm zustimmend der Vater, als er -seinen Entschluß zu erkennen gab. Werner Siemens wurde aber nicht -Pionier-, sondern Artillerieoffizier, da ihm gesagt wurde, daß er -als solcher bedeutend bessere militärische Aussichten und dieselbe -technische Vorbildung haben würde. Die Zeit auf der Artillerie- und -Ingenieurschule nutzte der junge Mann in ernster Weise aus, auch als -Offizier in verschiedenen preußischen Garnisonstädten befaßte er -sich mit wissenschaftlichen Studien und Experimenten. Die Erfindung -Jacobis, Kupfer in metallischer Form durch den galvanischen Strom aus -reiner Lösung von Kupfervitriol niederzuschlagen, veranlaßte ihn, -sich im Jahre 1840 mit der Galvanisierung zu beschäftigen. In der -Zitadelle von Magdeburg, in der er eine ihm wegen Sekundierens beim -Duell auferlegte Festungshaft absolvieren sollte, richtete er sich, -ganz zufrieden mit der ihm ermöglichten Muße, ein Laboratorium ein, -und es glückte ihm, ein neues Verfahren galvanischer Versilberung und -Vergoldung zu entdecken. Der praktische Sinn des jungen Offiziers -äußerte sich darin, daß er, obwohl als Militär in der Wahl der Mittel -zur Einleitung von Geschäften sehr beschränkt, darauf bedacht war, -aus seiner Erfindung Kapital zu schlagen. Es gelang ihm, mit der -Neusilberfabrik J. Heninger einen Vertrag abzuschließen, auf Grund -dessen er dieser eine Anstalt für Vergoldung und Versilberung nach -seinen Patenten gegen Gewinnbeteiligung einrichtete. Seinen Bruder -Wilhelm schickte er nach England, damit er dort den Versuch mache, -die elektrolytischen Patente und das später erfundene Verfahren der -Vernickelung zu verwerten. Diesem glückte es auch, die Patente für -1500 Pfd. Sterl. an eine englische Firma zu verkaufen. Bald lenkten -größere Aufgaben das Interesse Werner Siemens auf sich. Er beteiligte -sich an den Versuchen, die Leonhardt im Auftrage des Generalstabes -der preußischen Armee über die Frage der Ersetzbarkeit der optischen -Telegraphie durch elektrische anstellte. Siemens konstruierte einen -Zeigertelegraphen mit Selbstunterbrechung, dessen Herstellung er -einem jungen Mechaniker namens +Halske+ anvertraute. Kurze -Zeit später fand er in dem damals neu auf dem englischen Markte -erschienenen Guttapercha ein ausgezeichnetes Isolationsmaterial für -unterirdische elektrische Drahtleitungen, wie sie damals angesichts -der herrschenden Meinung, daß oberirdische Leitungen zu leicht der -Zerstörung ausgesetzt seien, für allein anwendbar gehalten wurden. Er -stellte ferner auch eine Schraubenpresse her, durch die der erwärmte -Guttapercha unter Anwendung hohen Drucks nahtlos um den Kupferdraht -gepreßt wurde. Siemens Entschluß, sich ganz der Entwicklung des -Telegraphenwesens zu widmen, stand nun fest. Er veranlaßte im Jahre -1847 den Mechaniker G. Halske, mit dem die gemeinsame Arbeit ihn näher -verbunden hatte, eine Telegraphenbauanstalt zu begründen, in die er -nach seiner Verabschiedung aus dem Heeresdienste selbst eintreten -wollte. Das Betriebskapital von 6000 Talern lieh ihm ein Vetter, der -Justizrat Siemens, der Vater des später so berühmt gewordenen ersten -Direktors der Deutschen Bank Georg von Siemens. Die Werkstatt wurde -in einem Hinterhaus der Schönebergerstraße in der Nähe des Anhalter -Bahnhofs eröffnet. Siemens selbst wollte seine ganze Kraft dem neuen -Unternehmen erst widmen, wenn die Generalstabskommission zur Einführung -des elektrischen Telegraphen ihre Aufgabe voll erfüllt hatte. So sehr -er auch die ihm offenstehende Laufbahn, sich dank seiner beherrschenden -Stellung in der Telegraphenkommission allmählich zum Schöpfer und -Leiter des preußischen Staatstelegraphen aufzuschwingen, als zu eng, -zu wenig selbständig, zu bureaukratisch ablehnte, hier lag doch in -der damaligen Zeit noch das Feld, auf dem er am entscheidendsten -an der Verwirklichung seiner Pläne mitarbeiten konnte. Bald darauf -wurde auch die bereits erwähnte erste unterirdische Telegraphenlinie -Berlin-Großbeeren und die oberirdische Linie Berlin-Potsdam -fertiggestellt, und von dem freien Blick dieses kaufmännischen -Soldaten zeugt es, daß er -- im Gegensatz zu den Heeresbehörden -- -dafür eintrat, daß die neuen Linien nicht nur dem Militär, sondern -auch dem Publikum zur Verfügung stehen mußten. Die März-Revolution -und der dänische Krieg von 1848 unterbrachen die systematische Arbeit -am Telegraphen. Wir sehen Siemens als Kriegstechniker in Kiel, -Friedrichsort und Eckernförde, wo er die Verteidigung dieser Seehäfen -durch Minensperren -- die ersten, die jemals gelegt wurden -- und -durch Hafenbatterien durchführte. Nach Berlin zurückgekehrt, nahm -Siemens die telegraphischen Projekte mit Hochdruck wieder auf. Der -brave Halske hatte, unbeirrt durch Revolution und Kriegsgeschrei, seine -Telegraphenapparate auch ohne Bestellung weiter fabriziert und dadurch -das junge Unternehmen vor dem Zusammenbruch bewahrt. Die Zuversicht -sollte sich lohnen. Es gab bald Arbeit in Hülle und Fülle. Eine große -unterirdische Telegraphenlinie von Berlin nach Eisenach und eine -oberirdische von dort nach Frankfurt, wo damals das erste deutsche -Parlament tagte, waren im Auftrage des preußischen Handelsministeriums -zu bauen. Die Loslösung des Telegraphen vom rein militärischen -Interesse, seine Verwendung im Dienste des Verkehrs war eine Tatsache. -Siemens zog nun endgültig den Soldatenrock aus und trat als offener -Teilhaber in die Firma Siemens & Halske ein. Die Periode der Versuche, -der tastenden Anfänge und kleinen Dimensionen ist überwunden. Die -Entwicklung verstärkt, verbreitert, vervielfältigt sich, geht ins -Große und trägt die Firma Siemens & Halske zur Bedeutung nicht nur des -ersten elektrotechnischen Unternehmens in Deutschland, sondern eines -Welthauses empor. - -Neben Telegraphenanlagen wurden bald Läutewerke für Bahnanlagen, -Meßinstrumente hergestellt. Der im Jahre 1850 nach Europa gekommene -Morse-Apparat wurde von der Firma mit vielen Verbesserungen versehen -und zu einer Vollendung gebracht, die ihn über alle früheren Systeme -weit hinaushob. Das Absatzgebiet wurde über Deutschland hinaus -erweitert. Insbesondere in Rußland verstand es die junge Firma, -die im Jahre 1849 immer noch mit 32 Arbeitern auskam, festen Fuß -zu fassen; neben kleineren Telegraphenlinien wurden die großen -Strecken Petersburg-Warschau, Moskau-Kiew-Odessa, Petersburg-Reval -und Petersburg-Helsingfors fertiggestellt. Werner Siemens hatte -das Glück, energische und tüchtige Brüder zu besitzen, denen er -die Geschäfte im Auslande anvertrauen konnte, was dazu beitrug, -den Familiencharakter der Siemensschen Unternehmungen zu wahren, -und trotz der notwendig gewordenen Dezentralisation aufrecht zu -erhalten. Wie Karl Siemens das russische Geschäft, den technischen -Weisungen des genialen Werner folgend, aber kaufmännisch mit einem -hohen Grade von Selbständigkeit und Geschick entwickeln konnte, so -vermochte Wilhelm Siemens, der früh nach England gegangen war, trotz -der starken Konkurrenz in diesem technisch dem damaligen Deutschland -überlegenen Lande, eine starke Stellung zu erkämpfen. Er lieferte -für den indischen Telegraphen Materialien und Apparate und eröffnete -einen lohnenden Fabrikationszweig durch die Konstruktion des nach -ihm benannten Wassermessers. Entscheidend wurde die Betätigung in -England für die Bedeutung, die sich die Firma Siemens & Halske in -der +Kabelfabrikation+ und in der Kabellegung erwerben sollte. -Zunächst beschränkte man sich auf die Herstellung von Kabeln und -elektrischen Apparaten für die Unterwassertelegraphie, und entwickelte -grundlegende Methoden für Kabelprüfung und Fehlerbestimmung. Die -erste selbständige Kabellegung für die Linie Kartagena-Oran, die -von der französischen Regierung in Auftrag gegeben worden war, aber -infolge ungünstiger Formation des Meeresbodens dreimal mißglückte, -forderte schwere Opfer, die die Brüder Siemens nicht entmutigten, -aber den vorsichtigen, jeder Großzügigkeit baren Halske veranlaßten, -die Trennung des Londoner Geschäfts von dem Berliner zu beantragen. -Diese erfolgte und das Londoner Geschäft ging unter der Firma Siemens -Brothers in den Besitz der Brüder Wilhelm, Werner und Karl über. Das -Vertrauen in die Leistungsfähigkeit dieser Firma für den Bau von -Überseekabeln hat nicht getrogen. Im Laufe der Jahre gelang es Siemens -Brothers mit einem direkten Kabel von Irland nach Amerika das Monopol -eines damals unter den Auspizien Sir William Penders gebildeten -Kabelringes zu durchbrechen und andere große Überseekabel in Auftrag -zu bekommen. Kein Geringerer als der große Gelehrte Sir William -Thomson hatte das erste Siemenskabel geprüft und für fehlerfrei und -außerordentlich sprechfähig erklärt. Vorangegangen war die Errichtung -einer eigenen Guttaperchafabrik in England, die notwendig wurde, da -die einzige englische Fabrik, die bis dahin nahtlos mit Guttapercha -umpreßte Drähte nach dem Siemensschen System herstellte, offenbar -im Interesse jenes Kabelringes bei der Lieferung von gereinigter -Guttapercha an Siemens Brothers Schwierigkeiten gemacht hatte. Die -Gesellschaft, die von den Brüdern Werner, Wilhelm und Karl Siemens -für den Bau der Kabellinie Irland-Amerika gegründet wurde, mußte ihr -Kapital auf dem Kontinent aufbringen, da der englische Markt durch -die übermächtige Konkurrenz verschlossen war. Schon vorher hatte -der ständig nach neuen Projekten ausschauende Geist Werner Siemens -ein anderes gewaltiges Werk ersonnen und ausgeführt. Es handelte -sich um nichts geringeres, als um den Bau einer Indo-Europäischen -Überland-Telegraphen-Linie, die England über Preußen, Rußland und -Persien mit seiner Kolonie Indien verband. Zu diesem Zwecke wurde -eine englische Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 425000 Pfd. -Sterl. gegründet, die sämtliche Konzessionen von den beteiligten -Regierungen erwarb und die Linie bis zum Jahre 1869 fertigstellte. -Der Bau, die Lieferungen an Materialien und Apparaten und die -Unterhaltung der ganzen Linie wurde der Firma Siemens & Halske -übertragen, die sich ihrerseits mit einem Fünftel des Aktienkapitals -an dem Unternehmen beteiligte. Die Indo-Europäische Überland-Linie -und die Kabelgesellschaft Irland-Amerika bilden die ersten Fälle von -sogenannten Betriebsunternehmungen, die nicht im fremden Auftrag, -sondern auf eigene Initiative von einer Fabrikationsgesellschaft in -der elektrischen Industrie gegründet worden sind. Für Werner Siemens -sind es Ausnahmefälle geblieben, die nicht einem geschäftlichen -System entsprangen, sondern der Verwirklichung technischer und -verkehrspolitischer Lieblings-Gedanken dienen sollten, weil diese -Verwirklichung auf anderem Wege nicht hätte erfolgen können. Zu -den Prinzipien der Firma Siemens & Halske gehörten derartige -Eigen-Gründungen durchaus nicht, und wir werden später sehen, daß -hier gerade ein Ansatzpunkt für das kaufmännisch anders geartete und -modernere System Emil Rathenaus lag. - -Schon der unternehmerische Wagemut, den damals die Firma Siemens & -Halske an den Tag legte und der die Grenzen der Firma immer weiter ins -Weltwirtschaftliche und Großbetriebliche hinausschob, sagte Halske, -dem ersten Sozius Werner Siemens und Mitbegründer der Firma nicht zu. -Sein ehrlicher, gediegener, aber immerhin begrenzter und ängstlicher -Geist liebte nur Geschäfte, die er überblicken konnte. Wohl fühlte er -sich nur in kleineren Dimensionen, das andere schien ihm ein Wagen, -das dem Hazardieren verwandt war. Darum schied er im Jahre 1868 aus -der Firma, der er in den ersten Jahren ihres Bestehens als geschickter -und tüchtiger Feinmechaniker hatte treffliche Dienste leisten können, -die ihm aber entwachsen war, seitdem sich die Firma handwerkliche -Talente, wie er eins war, zu Dutzenden gegen mäßige Bezahlung halten -konnte. An Bedeutung für das Geschäft war Halske schon lange hinter -Siemens Jugendfreund William Meyer, der jahrelang die Stellung eines -Oberingenieurs und Prokuristen bekleidet hatte, zurückgeblieben. Meyers -Nachfolger, der frühere Leiter des Hannoverschen Telegraphenwesens Karl -Frischen, überragte als Persönlichkeit Halske noch beträchtlicher. -Endlich wuchs in der Person des Herrn v. Hefner-Alteneck, der aus -dem jüngeren Schülerstabe Werner Siemens stammend, als Chef des -Konstruktionsbureaus tätig war, eine Kraft heran, der als technischer -Erfinder in der Folgezeit Bedeutendes leisten sollte und als -Konstrukteur neben Werner Siemens wohl bestehen konnte. Damit war -Halskes Platz als erster Mitarbeiter Werner Siemens in einer dem neuen -Charakter des Geschäfts entsprechenden Weise schon lange besetzt -worden, ehe er ihn noch verlassen hatte. - -Alles was die Firma Siemens & Halske, was die Elektrizitätsindustrie -in der vergangenen Periode geleistet hatte, was auch noch -den Hauptinhalt des nächsten Jahrzehnts bildete, gehörte der -+Schwachstromindustrie+, das heißt der Erzeugung von Elektrizität -auf +chemischem Wege+ an. In Deutschland waren in dieser ersten -Blüteperiode der Elektrizitätsindustrie nur verhältnismäßig wenige -größere Firmen neben Siemens & Halske tätig. Bedeutung erwarben -außerdem eigentlich nur die Firmen Felten & Guilleaume in Mülheim a. -Rh., Gebr. Naglo und H. Poege in Chemnitz. Im übrigen gab es wohl -eine ganze Anzahl von kleinen Betriebswerkstätten, die mit wenigen -Arbeitern auskamen, und sich auf die Anfertigung von Apparaten, -kleineren Telegraphenanlagen, Instrumenten usw. beschränkten. Über -eine nationale, kaum lokale Bedeutung gingen aber diese Betriebe -nicht hinaus. Wie wenig auch Siemens & Halske damals noch trotz -ihres internationalen, weit ausgesponnenen Geschäfts dem entsprachen, -was wir heute unter einem Großunternehmen verstehen, geht daraus -hervor, daß diese Firma im Jahre 1869 nur 250, im Jahre 1875 nur -600 Arbeiter beschäftigte, eine Anzahl, die ungefähr die Hälfte der -damals in der ganzen deutschen Elektrizitätsindustrie verwandten -Arbeiter darstellte. Die überragende Bedeutung der Firma Siemens & -Halske in dieser Periode hatte insofern ihr gutes, als der deutschen -Elektrizitätsindustrie dadurch die konjunkturellen Ausschreitungen und -die darauf folgende Krise erspart blieben, die in den anderen damals -industriell weiter entwickelten Ländern infolge der Übergründungen -elektrotechnischer Unternehmungen unausbleiblich gewesen waren. Die -erste der großen elektrotechnischen Krisen berührte infolgedessen -Deutschland nur verhältnismäßig wenig. Am stärksten hatte sie England -betroffen, wo die industrielle Elektrotechnik namentlich nach den -ersten großen Erfolgen des Kabelbaus mit einer Hochflut von Gründungen -und Projekten eingesetzt hatte. Die hohen Dividenden der ersten -Kabelunternehmungen hatten zur Nachahmung angestachelt, und das -Publikum riß sich förmlich um die Papiere von Aktiengesellschaften, die -irgend etwas mit Elektrizität zu tun hatten. Da die Aktien nach dem -englischen Gesetz auf den kleinen Betrag von 1 Pfd. Sterl. ausgegeben -werden konnten, ergriff das elektrische Spekulationsfieber auch die -kleinsten Kapitalistenschichten. Ein Börsenkrach fegte diese ungesunden -Auswüchse schließlich fort und die englische Regierung hielt es -für richtig, als im Jahre 1880 mit der Lichtelektrizität ein neues -Feld für Gründungen auf elektrotechnischem Gebiete sich zu eröffnen -schien, mit einem beschränkenden Gesetz, der Electric Lighting Act, -einzugreifen. Durch dieses Gesetz, das elektrische Beleuchtungsanlagen -für die Dauer von 20 Jahren als ein Monopol der Regierung erklärte, -wurde aber nicht nur die Entwicklung der Gründerei und Spekulation, -sondern auch die der elektrotechnischen Industrie behindert, was sich -in den kommenden Zeiten der zweiten elektrotechnischen Blüteperiode, -in der die +Starkstrom-Industrie+ zur Geltung kam, als ein -schwerer Nachteil für England erwies. Die großen Erfolge der deutschen -Starkstromindustrie, die dieser die unbestrittene Führung in Europa -sicherten, sind einmal dadurch ermöglicht worden, daß in Deutschland -dank der soliden Vorherrschaft der Firma Siemens & Halske kein -kapitalistischer Zusammenbruch den Enthusiasmus für elektrische -Gründungen abgekühlt hatte; dann aber auch dadurch, daß England, das -gegebene Hauptwettbewerbsland, schon unangenehme Erfahrungen mit der -industriellen Elektrotechnik hinter sich hatte, von denen sich weder -die Regierung, noch das Publikum im richtigen Augenblick befreien -konnten. - -Das große historische Verdienst Werner v. Siemens lag nicht nur -in der hervorragenden Mitwirkung, die er der Entwicklung der -Schwachstromtechnik hatte angedeihen lassen, sondern in der -+schöpferischen Wendung+, die er der +Starkstromtechnik+ durch seine -grundlegende Erfindung des sogenannten +dynamo-elektrischen+ Prinzips -im Jahre 1866 gegeben hatte. Dieses Prinzip besteht darin, daß -Elektrizität nicht wie beim Schwachstrom auf chemischem Wege (durch -Elemente oder Batterien), sondern auf physikalischem Wege durch die -elektromagnetische Induktionsmaschine erzeugt wird. Werner v. Siemens -schildert seine Versuche auf diesem Gebiete und die Ergebnisse, -zu denen er durch sie gelangte, in seinen Lebenserinnerungen -folgendermaßen: - -„Bereits im Herbst des Jahres 1866, als ich bemüht war, die -elektrischen Zündvorrichtungen mit Hilfe meines Zylinderinduktors -zu vervollkommnen, beschäftigte mich die Frage, ob man nicht durch -geschickte Benutzung des sogenannten Extrastromes eine wesentliche -Verstärkung des Induktionsstromes hervorbringen könnte. Es wurde mir -klar, daß eine elektromagnetische Maschine, deren Arbeitsleistung durch -die in ihren Windungen entstehenden Gegenströme so außerordentlich -geschwächt wird, weil diese Gegenströme die Kraft der wirksamen -Batterie beträchtlich vermindern, umgekehrt eine Verstärkung der -Kraft dieser Batterie hervorrufen müßte, wenn sie durch eine äußere -Arbeitskraft in der entgegengesetzten Richtung gewaltsam gedreht -würde. Dies mußte der Fall sein, weil durch die umgekehrte Bewegung -gleichzeitig die Richtung der induzierten Ströme umgekehrt wurde. In -der Tat bestätigte der Versuch diese Theorie, und es stellte sich -dabei heraus, daß in den feststehenden Elektromagneten einer passend -eingerichteten elektromagnetischen Maschine immer Magnetismus genug -zurückbleibt, um durch allmähliche Verstärkung des durch ihn erzeugten -Stromes bei umgekehrter Drehung die überraschendsten Wirkungen -hervorzubringen. - -Es war dies die Entdeckung und erste Anwendung des allen -dynamo-elektrischen Maschinen zu Grunde liegenden dynamo-elektrischen -Prinzips. Die erste Aufgabe, welche dadurch praktisch gelöst wurde, -war die Konstruktion eines wirksamen elektrischen Zündapparates ohne -Stahlmagnete, und noch heute werden Zündapparate dieser Art allgemein -verwendet. Die Berliner Physiker, unter ihnen Magnus, Dove, Rieß, du -Bois-Reymond, waren äußerst überrascht, als ich ihnen im Dezember -1866 einen solchen Zünderinduktor vorführte und an ihm zeigte, daß -eine kleine elektromagnetische Maschine ohne Batterie und permanente -Magnete, die sich in einer Richtung ohne allen Kraftaufwand und in -jeder Geschwindigkeit drehen ließ, der entgegengesetzten Drehung einen -kaum zu überwindenden Widerstand darbot und dabei einen so starken -elektrischen Strom erzeugte, daß ihre Drahtwindungen sich schnell -erhitzten.“ - -Die Priorität der Siemensschen Erfindung ist bald nach ihrer -Bekanntgabe von verschiedenen Seiten bestritten worden. Die Engländer -Wheatstone und Varley nahmen für sich die Gleichzeitigkeit der Idee -in Anspruch. Immerhin hat Werner v. Siemens das dynamo-elektrische -Prinzip zuerst literarisch dargestellt, konstruktiv mit Hilfe des -sogenannten Doppel-T-Ankers ausgeführt, und ihm den Namen gegeben. -Sein Verdienst wird nicht geschmälert, wenn man selbst annimmt, daß er -etwas erfunden habe, was damals in dem Gang der wissenschaftlichen und -technischen Entwicklung logisch begründet und sozusagen in der Luft -lag. Dies zeigt im Gegenteil, daß seine Erfindung systematischer Arbeit -und folgerichtigem Denken, nicht einem Zufall ihr Dasein verdankt. -Richtig ist hingegen, daß Werner v. Siemens weder die Dynamomaschine -zu voller praktischer Brauchbarkeit entwickelt, noch den ganzen -Umfang ihrer industriellen Nutzungsmöglichkeit erkannt und mit der -sonst bei ihm gewohnten Energie zu verwirklichen gesucht hat. Sein -Gedanken- und Arbeitskreis war doch wohl zu sehr von den Problemen der -Schwachstromtechnik erfüllt, seine Kraft zu sehr von der lebenslangen -Beschäftigung mit ihr absorbiert, als daß er sich dem Neuland der -Starkstromtechnik hätte mit unverminderter Schaffensfähigkeit zuwenden -können. Dazu gehörte eine unverbrauchte Frische, eine Jugend mit -Zukunftsaugen, nicht der Rest eines mit Arbeit und Gedanken überfüllten -Lebens. - -Die praktische Verwertbarkeit der Dynamomaschine wurde gefördert -durch die Einführung des sogenannten Pacinottischen Ringankers und des -Hefnerschen Wickelungssystems (Trommelanker), aber erst Gramme baute -im Jahre 1869 die erste wirklich gut funktionierende und industriell -brauchbare Dynamomaschine, die kontinuierlichen Gleichstrom erzeugte. -Werner v. Siemens hat selbstverständlich als der bedeutende Techniker -und der klare Kopf, der er war, erkannt, daß die neue Erfindung -eine große Tragweite besitze. An seinen Bruder Wilhelm schrieb er -schon im Jahre 1866: „Die Effekte der dynamo-elektrischen Maschine -müssen bei geeigneter Konstruktion kolossale werden. Die Sache ist -sehr ausbildungsfähig und kann eine neue Ära des Elektromagnetismus -anbahnen. Magnet-Elektrizität wird billig werden und kann nun zur -Lichterzeugung, für elektrochemische Zwecke, ja selbst wieder zum -Betriebe von kleinen elektromagnetischen Maschinen zum Vorteil -verwandt werden.“ -- Man sieht, das sind Worte, in denen die höchsten -Erwartungen und Hoffnungen sich widerspiegeln, aber es ist merkwürdig, -die Hand Werner v. Siemens war bei den Ausführungsmaßnahmen auf dem -neuen, als gewaltig erkannten Gebiet nicht mehr so sicher, fest -und glücklich wie früher, die Phantasie arbeitete nicht mehr so -hoffnungsfreudig und kühn, und die Durchführung wirkt sozusagen kleiner -als der Gedanke. Wenn Werner v. Siemens auch recht wohl erkannte, daß -die Erzeugung starker Gleichströme und großer Strommengen für die -Lichterzeugung von großer Bedeutung sein werde, so sah er doch auf -diesem Gebiete hauptsächlich nur die äußerlich pompöse Bogenlampe, die -in den 70er Jahren erfunden worden war, und für die Siemens & Halske in -der Hefner-Alteneckschen Differential-Lampe ein besonders gutes Modell -besaßen. Die unscheinbarere, aber für die elektrische Beleuchtung viel -wichtiger gewordene Glühlampe lehnte Siemens nicht gerade ab. Er ließ -sich, als Emil Rathenau mit genialem Blick die großartige Zukunft -dieser Lampe erkannt hatte und zu ihrer Einführung in Deutschland die -Unterstützung der damals maßgebenden deutschen elektrotechnischen Firma -nachsuchte, sogar ziemlich leicht von ihrem Wert überzeugen, aber seine -ganze Stellung zur Glühlampe war doch mehr passiv. Sie mußte ihm erst -plausibel gemacht, fast aufgedrängt werden. Er riß sie nicht an sich, -wie er vor 30 Jahren den Telegraphen an sich gerissen hatte. Auch von -der gewaltigen quantitativen Ausdehnungsfähigkeit der Dynamomaschine -machte er sich nicht das richtige Bild. Als Emil Rathenau, der in -den ersten Jahren seiner Tätigkeit für die Edison-Gesellschaft die -Maschinen vertragsgemäß bei Siemens & Halske bauen lassen mußte, von -Siemens bis dahin unerhört große Maschinentypen verlangte, sah ihn -der große Konstrukteur verwundert, und fast geringschätzig wie einen -überspannten Dilettanten an, und sagte ihm: „Gewiß, bauen kann ich -Ihnen solche Maschinen, aber gehen werden sie nicht.“ Emil Rathenau -ließ die Maschinen schließlich aber doch bauen, und sie gingen nicht -nur, sondern es gingen auch noch solche, neben denen sich seine ersten -heute als Zwerge ausnehmen würden. Emil Rathenau reichte als positiver -Techniker auch nicht entfernt an Werner v. Siemens heran, aber in -diesen Dingen und zu diesen Zeiten hatte er den größeren technischen -Weitblick. - -Auch im Kaufmännischen ging Werner v. Siemens nicht ganz mit der -aufkommenden neuen Zeit mit, wenngleich ein Unternehmen, wie das von -Siemens & Halske naturgemäß genug innere Triebkraft und Elastizität -besaß, um seine Stellung -- allerdings hier und da nach einigem Zaudern --- allen Methoden der Konkurrenz gegenüber zu verteidigen, und wo -es nottat, sich ihnen anzupassen. Einrosten ließ diese Firma ihren -Betrieb auch auf der Höhe der Entwicklung nicht, lebendig blieb ihr -Geschäft auch in der Folgezeit, aber das +Bahnbrechende+ ging doch -in mancher Hinsicht verloren. Das Kämpfen wurde nicht verlernt, aber -doch das Angreifen und Erobern. Die Zeiten, in denen Werner Siemens -nacheinander sechs Außenseiterlinien gegen den englischen Kabelring -aufbot, und immer eine neue Linie begann, wenn sich der Ring mit der -früheren verglichen hatte, wichen ruhigeren Perioden, in denen nicht -das Erringen des Besitzes, sondern seine Wahrung dem Ganzen den Stempel -aufdrückte. Das lag sozusagen an der zunehmenden „Klassizität“, in die -sich Werner v. Siemens hineinwuchs. Der Grundzug seines Wesens war -ja nie loderndes Temperament, heiße Flamme gewesen, wie sie manchmal -auch Grauköpfe noch zu Ausbrüchen, Überraschungen, Neuerungen bringen -mögen. Die ruhige Wärme, die gleichmäßige Kraft, die seiner ganzen -Natur eigen war, gaben seinem reifen Alter etwas Zurückhaltendes, -in sich Geschlossenes, manchmal Abweisendes. Eine gewisse -- -wenigstens äußere -- Abkühlung war bei Menschen seines Schlages -mit den zunehmenden Jahren nicht zu vermeiden. Wir haben bereits -früher einmal gesagt, daß Werner v. Siemens in der Mitte zwischen -Wissenschaft und Technik stand und durch die eine die andere zu erobern -trachtete. In seinen späteren Jahren suchte er immer tiefer von dem -Technischen in das Wissenschaftliche vorzudringen, und wie ernst seine -Wissenschaftlichkeit nicht nur war, sondern auch von der Zunft und -ihren Königen genommen wurde, zeigt sich darin, daß Männer wie Magnus, -Dove, du Bois und Helmholtz ihm eng befreundet waren und ihn durchaus -als ihresgleichen betrachteten. Du Bois-Reymond sagte von ihm, daß er -nach Beanlagung und Neigung in weit höherem Maße der Wissenschaft als -der Technik angehöre und Werner Siemens war mit dieser Charakteristik -durchaus zufrieden. Er wurde philosophischer Ehrendoktor, Mitglied -der Akademie der Wissenschaften, und war als solches nicht nur -genötigt, sondern auch gern bereit, sich über Probleme der angewandten -technischen Wissenschaft hinaus, auch mit rein naturwissenschaftlichen -Untersuchungen und Arbeiten allgemeiner Art zu beschäftigen. Diese -Beschäftigung und dieser Umgang mußten auch auf die kaufmännische Seite -seiner Tätigkeit zurückwirken. Er wurde als Kaufmann sehr vornehm, und -als der alte Kaiser Wilhelm ihm durch die Ernennung zum Kommerzienrat -eine Ehre erweisen wollte, bemerkte er ablehnend zu dem Beauftragten -des Monarchen: „Premierleutnant, Dr. phil. honoris causa und -Kommerzienrat vertrügen sich nicht, das mache ja Leibschmerzen.“ -- Es -wäre indes völlig falsch, wenn man Werner Siemens, wie dies hier und da -geschehen ist, kaufmännische Talente und Neigungen absprechen wollte. -Er besaß sie in hohem Maße, wie sich schon in seiner ersten Periode der -technischen Erfindungen, für die er mit großer Geschäftsgewandtheit -noch als Offizier sofort die richtige kaufmännische Ausnutzung -zu finden wußte, hinlänglich gezeigt hat; wie noch stärker die -spätere meisterhafte Ausnutzung aller nationalen und internationalen -Kaufmannschancen bewies. Man vergleiche damit z. B. die Weltfremdheit, -mit der ein Gauß auf jede kommerzielle Verwertung seines Telegraphen -verzichtet hatte, man vergleiche damit auch moderne Erfinder, wie -Nernst, Röntgen, Ehrlich usw., die zwar -- im Zeitalter der technischen -Ausnutzung -- sehr wohl verstanden, Industrielle für ihre Entdeckungen -zu interessieren und Kapital aus ihnen zu schlagen, aber trotzdem -Gelehrte gewesen und geblieben sind. Werner Siemens war -- das kann -man auch seiner eigenen anders lautenden Ansicht gegenüber aufrecht -erhalten -- im Kerne seines Wesens vor allem nicht nur praktischer -Techniker, sondern auch praktischer Kaufmann. Er beherrschte nicht nur -die großen, sondern auch die kleinen kaufmännischen Mittel und konnte -nicht nur klug, sondern auch gerissen sein. Erst nachdem er sich in -diesen Richtungen so weit ausgelebt hatte, als es die Bedingungen -seiner Zeit und seine Veranlagung erlaubten, gab er der +dritten -Fähigkeit+ seiner reichen Natur freie Bahn, die vielleicht nicht -die innerste, aber doch die innerlichste seines Wesens war, in der -er am reinsten und klarsten zu einer Vertiefung und Sammlung seiner -Gedankenarbeit, zu einem einheitlichen, geschlossenen Wissensbild, zu -einer Klarheit über sich, die Wurzeln und Kräfte seiner Welt gelangen -konnte. Diese Verinnerlichung und Veredelung seines Wesens, die -gewiß nur wenig mit Akademikerstolz, mit geschmeichelter Eitelkeit -des wissenschaftlich Anerkannten zu tun hatte, ehrt den Menschen -Siemens gewiß; diese schließliche seelische Intensivierung ist -keine geringe ethische Leistung für einen von Hause aus praktisch -veranlagten Menschen, dessen Leben lange Zeit im Zeichen der äußersten, -vielgestaltigsten Expansion gestanden hatte. Dem industriellen Kaufmann -und seinem Unternehmen hat sie naturgemäß nicht in gleicher Weise zum -Vorteil gereicht. - -Die Starkstromtechnik brachte bald das zu Wege, was in den Zeiten der -Schwachstromtechnik -- wenigstens in Deutschland -- nicht gelungen war. -Es entstand neben Siemens & Halske eine ganze Reihe von Unternehmungen, -die sich im industriellen Großbetrieb der Elektrotechnik zuwandten. -Auf dem Gebiete des Telegraphen und des Kabels hatten die Verhältnisse -so gelegen, daß zur Gründung von Betrieben, die den Bau von großen -Telegraphenlinien und Kabelverbindungen für fremde oder auch für -eigene Rechnung unternehmen wollten, umfangreiche Kapitalien und -eingehende Erfahrungen nötig waren. An solche Aufgaben traute man -sich in Deutschland, besonders angesichts des Vorsprungs, den Siemens -& Halske darin erworben hatten, nicht heran. Für die Herstellung von -Apparaten, Instrumenten und Materialien der Schwachstromindustrie -genügten aber kleinere Mechanikerbetriebe, die der großgewerblichen -Methoden entraten konnten, da es auf die feinmechanische Arbeit, nicht -auf die Maschinentechnik ankam. Dies wurde mit einem Schlage anders, -als die Starkstromtechnik auf dem Plane erschien. Dynamomaschinen, -elektrische Lampen usw. ließen sich nur in fabrikmäßigen Betrieben -herstellen. Hierzu waren aber weder -- wenigstens in der ersten Zeit --- besonders große Kapitalien nötig, noch war die weit überlegene -Konkurrenz älterer Fabriken zu überwinden. Die Firma Siemens & Halske -mußte hier genau so von vorn anfangen, wie alle anderen Fabriken, und -es gab eine ganze Menge von Fachleuten, die in der Maschinentechnik -ebenso große, vielleicht noch größere Vorkenntnisse besaßen, als die -Ingenieure dieser Firma. Gegen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre -entstanden infolgedessen mehrere elektrotechnische Fabriken, die sich -vornehmlich der Starkstromindustrie zuwandten. Von ihnen sind besonders -zu erwähnen die Elektrizitätsgesellschaft vorm. Schuckert und die -Deutschen Elektrizitätswerke Garbe, Lahmeyer & Co., die später in die -Kommanditges. und schließlich in die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft -W. Lahmeyer & Co. überführt wurde. Ihre Entstehung hat mit der -Lichtelektrizität, die -- ihrerseits vorbereitet durch die Konstruktion -der Dynamomaschine -- wiederum eine Reihe weiterer Unternehmungen wie -die Deutsche Edison-Ges. (A. E. G.), die Helios-Elektrizitäts-Ges., die -Elektrizitäts-Akt.-Ges. Kummer ins Leben rief, noch nicht viel zu tun. -Jene Gründungen -- Schuckert und Lahmeyer -- beruhten hauptsächlich -auf der Fabrikation von Dynamomaschinen. Besonders die Entwicklung -der Schuckertschen Fabrik illustriert deutlich die Bedeutung, die die -praktische Ausgestaltung der Dynamomaschine für die geschäftlichen -Aussichten neuer Unternehmungen in der Elektrizitätsindustrie gehabt -hat. - -Johann Sigmund Schuckert gehört zu den interessanteren Persönlichkeiten -der deutschen Elektrizitätsindustrie, und darum seien seinem -ungewöhnlichen Lebens- und Entwicklungsgang einige Worte gewidmet. -Schuckert hat keine Ingenieurbildung erhalten, sondern er stammte aus -ganz einfacher Mechanikerlaufbahn, und ist in dieser Hinsicht von allen -bekannten Persönlichkeiten der deutschen Elektrizitätsindustrie am -meisten Halske ähnlich. Während dieser aber alles, was er geworden ist, -seinem Sozius Siemens verdankte, dessen fortreißende Persönlichkeit den -für bescheidene Verhältnisse Geschaffenen über die ihm sonst gesetzten -Grenzen hinaushob, ohne ihn doch auf der erreichten Höhe heimisch -machen zu können, besaß Schuckert die +Energien des Auftriebs+ -in sich selbst. In einer mechanischen Werkstätte seiner Vaterstadt -Nürnberg duldete es ihn nur gerade die drei Lehrjahre. Dann ging er -auf die Wanderschaft durch eine Reihe von größeren deutschen Städten. -In Berlin arbeitete er eine Zeitlang im Betriebe von Siemens & Halske. -Allmählich brachte er es bis zum Werkmeister, die Mußestunden, die ihm -seine Berufsarbeit ließ, zu seiner technischen Fortbildung benutzend. -Sein Wandertrieb führte ihn schließlich nach Amerika, wo er auch -bei Edison tätig war. Im Jahre 1873 kehrte er nach Nürnberg zurück, -wo er eine kleine Werkstätte errichtete und sich mit der Reparatur -von Nähmaschinen und der Herstellung von Instrumenten und Apparaten -beschäftigte, die er zum Teil selbst konstruierte oder verbesserte. -Seine Fabrikate verleugneten nicht den Fachmann, der die Elemente -der Feinmechanik nicht nur technisch, sondern auch handwerklich bis -ins Kleinste studiert hatte. Im Jahre 1875 baute er seine erste -Dynamomaschine, und die vorzüglichen Eigenschaften, die sie besaß, -schufen seinen Erzeugnissen Ruf, seinem Geschäft die Grundlage für den -Aufschwung. Auch die Bogenlampe und später die Glühlampe traten hinzu, -wodurch sich das Unternehmen allmählich zum größeren elektrotechnischen -Etablissement auswuchs, das in Alexander Wacker einen tüchtigen -Kaufmann fand, der die technische Arbeit Schuckerts so lange glücklich -ergänzte, als er sich nicht zu unbeherrschten Experimenten hinreißen -ließ. - -In technischer und kaufmännischer Hinsicht richteten sich die -meisten der damals neugegründeten Firmen bis zum Beginn der 90er -Jahre noch immer nach dem +Vorbild+ von Siemens & Halske, die -damals ihren Vorrang noch unbestritten behaupteten. Sie begannen als -offene Handelsgesellschaften und sobald es galt, ihnen eine straffere -handelsrechtliche Form zu geben, bedienten sie sich der Rechtsnatur -der +Kommanditgesellschaft+, die auch Siemens & Halske (Inhaber -Werners Bruder Karl und Werners Söhne Arnold und Wilhelm) nach dem -im Jahre 1890 erfolgten Austritt Werner v. Siemens aus der Firma -gewählt hatten. Erst später, als die A. E. G. sich immer stärker mit -ihren neuen Geschäftsmethoden an die Seite von Siemens & Halske und -an dieser vorbei in den Vordergrund schob, wurde auch für die anderen -Unternehmungen der Elektrizitätsindustrie die +Aktiengesellschaft+ -die gegebene Form, für die sich Emil Rathenau schon bei der Gründung -seiner Gesellschaft im Jahre 1883 ohne Zögern, und ohne an irgend -welche Vorbilder zu denken, entschieden hatte. Selbst Siemens & -Halske konnten schließlich nicht umhin, ihr Unternehmen auch in -dieser Hinsicht ihrer jüngeren Konkurrenz anzupassen und wandelten -im Jahre 1897 ihre Kommanditgesellschaft als letzte der großen -Elektrizitätsfirmen in eine Aktiengesellschaft um. Der Typ Rathenau -hatte endgültig gesiegt. Werner v. Siemens, der im Jahre 1892 gestorben -war, hatte diesen Umschwung allerdings nicht mehr erlebt. Ob er ihn -gebilligt hätte, ist schwer zu sagen. Noch im Jahre 1889, als er -seine Lebenserinnerungen schrieb, äußerte er sich über die Frage der -rechtlichen Form von gewerblichen Unternehmungen folgendermaßen: - - „Es führt mich dies auf die Frage, ob es überhaupt dem - allgemeinen Interesse dienlich ist, daß sich in einem Staate - große Geschäftshäuser bilden, die sich dauernd im Besitze der - Familie des Begründers erhalten. Man könnte sagen, daß solche - großen Häuser dem Emporkommen vieler kleineren Unternehmungen - hinderlich sind und deshalb schädlich wirken. Es ist das gewiß in - vielen Fällen auch zutreffend. Überall, wo der Handwerksbetrieb - ausreicht, die Fabrikation exportfähig zu erhalten, wirken große - konkurrierende Fabriken nachteilig. Überall dagegen, wo es sich - um die Entwicklung neuer Industriezweige und um die Eröffnung des - Weltmarktes für schon bestehende handelt, sind große zentralisierte - Geschäftsorgane mit reichlicher Kapitalansammlung unentbehrlich. - Solche Kapitalansammlungen lassen sich heutigen Tages für - bestimmte Zwecke allerdings am leichtesten in der Form von - Aktiengesellschaften herbeiführen, doch können diese fast immer nur - reine Erwerbsgesellschaften sein, die schon statutenmäßig nur die - Erzielung möglichst hohen Gewinnes im Auge haben dürfen. Sie eignen - sich daher nur zur Ausbeutung von bereits vorhandenen, erprobten - Arbeitsmethoden und Einrichtungen. Die Eröffnung neuer Wege ist - dagegen fast immer mühevoll und mit großem Risiko verknüpft, - erfordert auch einen größeren Schatz von Spezialkenntnissen und - Erfahrungen, als er in den meist kurzlebigen und ihre Leitung - oft wechselnden Aktiengesellschaften zu finden ist. Eine solche - Ansammlung von Kapital, Kenntnissen und Erfahrungen kann sich nur - in lange bestehenden, durch Erbschaft in der Familie bleibenden - Geschäftshäusern bilden und erhalten. So wie die großen - Handelshäuser des Mittelalters nicht nur Geldgewinnungsanstalten - waren, sondern sich für berufen und verpflichtet hielten, durch - Aufsuchung neuer Verkehrsobjekte und neuer Handelswege ihren - Mitbürgern und ihrem Staate zu dienen, und wie dies Pflichtgefühl - sich als Familientradition durch viele Generationen fortpflanzte, - so sind heutigen Tages im angebrochenen naturwissenschaftlichen - Zeitalter die großen technischen Geschäftshäuser berufen, ihre - ganze Kraft dafür einzusetzen, daß die Industrie ihres Landes im - großen Wettkampfe der zivilisierten Welt die leitende Spitze, oder - wenigstens den ihr nach Natur und Lage ihres Landes zustehenden - Platz einnimmt.“ - -Man sieht also, Werner v. Siemens fühlt das Bedürfnis, sich und -seinen Typus des großindustriellen Geschäftshauses noch nach zwei -Seiten hin zu verteidigen, einmal gegenüber dem von ihm überwundenen -+Handwerksbetrieb+, den er zur Zeit seiner Anfänge in Deutschland -noch als den herrschenden vorgefunden hatte, ferner gegenüber dem -Aktienbetrieb, der damals schon im Begriff war, seinen Typus zu -überwinden. Inzwischen hat sich gezeigt, daß die Nachteile, die er -den Aktiengesellschaften zuschreibt, nämlich die Notwendigkeit, hohe -Gewinne zu erzielen und +auszuschütten+, dieser Rechtsform -zwar anhaften können, aber nicht anzuhaften brauchen. Es gibt -Aktiengesellschaften, die Gewinne ebenso zurückzuhalten und im -Betriebe weiterarbeiten zu lassen verstehen, wie Privathäuser. -Man braucht gar nicht einmal an die Friedrich Krupp Akt.-Ges., an -die Thyssenschen, Hanielschen Unternehmungen und an viele andere -zu denken, deren Aktien sich in einer Hand oder in den Händen -einer geschlossenen Gruppe befinden. Wir wissen jetzt, daß auch -die eigentlichen Aktiengesellschaften, die nicht Privathäuser -in Aktiengesellschaftsform, sondern republikanische Gebilde mit -zersplittertem Aktienbesitz sind, die Nachteile, die ihnen Werner -v. Siemens zuschreibt, sehr wohl vermeiden und über das jeweilige -Aktionärinteresse hinaus bei zweckentsprechender Verwaltung eine solide -+Innenkultur+ treiben können. Diesen Beweis hat kein anderer -so glänzend erbracht, wie der zweite große technische Kaufmann der -deutschen Elektrizitätsindustrie: Emil Rathenau. - - - - -Fünftes Kapitel - -Licht - - -Emil Rathenau benutzte, wie wir schon gehört haben, die Zeit -zwischen seinen beiden Arbeitsperioden viel zu Reisen, die teils -der Unterrichtung, teils der Erholung dienten. Auch der schwankende -Gesundheitszustand seines zweiten Sohnes Erich, der seit einer -schweren Erkältung, die er sich auf dem Eise zugezogen hatte, an einer -Herzkrankheit litt, veranlaßte die Familie, häufig Kurorte und Bäder -aufzusuchen. Es mag vielleicht nur ein eigenartiger +Zufall+ sein, -daß Emil Rathenau, ebenso wie er sich die entscheidenden Anregungen -für neue Phasen seiner beruflichen Tätigkeit auf Reisen holte -- in -England, von den Weltausstellungen in Philadelphia und Paris --, -auch die wichtigsten persönlichen Beziehungen auf Reisen anknüpfte. -Die Ausnutzung solcher Zufälle, in mancher Hinsicht möglicherweise -auch die geeignete Prädisposition für ihre Herbeiführung, ist aber -doch zweifellos von der „Reisestimmung“ begünstigt worden. Die -größere Freiheit und Leichtigkeit der veränderten Atmosphäre, die -Losgebundenheit von der latenten Trägheit, in die auch dieser Arbeiter -trotz aller in ihm wirkenden Energien des Gedankens und der Tat -ebenso wie andere Mitglieder seiner Familie gelegentlich verfallen -konnte, wenn sein Leben sich in gewohnten Gleisen ohne zwingende -Arbeitsnötigung hinspann, erfrischten und verjüngten ihn, hoben seine -Entschlußkraft und sein Selbstvertrauen. „Geistige Luftveränderung“ -ist ihm stets sehr gut bekommen, so wenig auch für ihn ein dauernder -Ortswechsel denkbar war. Wir werden später sehen, daß Emil Rathenau -die finanzielle Beihilfe zur Gründung seiner Deutschen Edison -Gesellschaft einer zufälligen Begegnung in Bad Langenschwalbach -verdankte. Auch die Anknüpfung näherer Beziehungen zu Werner v. -Siemens, die so wichtig für ihn werden sollten, vollzog sich auf -einer Schweizer Reise. Kennen gelernt hatte Rathenau den Altmeister -der deutschen Elektrizität, wie wir schon berichteten, bereits lange -vorher, als er noch Besitzer der Maschinenfabrik Webers war. Am -Anfang der 70er Jahre hatte Emil Rathenau mit Siemens, Schwartzkopff -und anderen der kleinen Vereinigung Berliner Fabrikanten angehört, -die durch patriarchalische Wohlfahrtseinrichtungen, wie den Bau von -Arbeiterhäusern gehofft hatten, der jungen sozialdemokratischen -Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen zu können. Die Bekanntschaft -war damals aber nur ziemlich oberflächlicher Art gewesen. Zwischen -dem berühmten technischen Industriellen und dem bescheidenen jungen -Fabrikbesitzer war es zu einem näheren Verkehr nicht gekommen. -Immerhin war die frühere Beziehung dazu hinreichend, daß sich Werner -v. Siemens des damaligen Vereinsgenossen erinnerte, als dieser auf der -Rückreise vom Engadin in Bad Alveneu mit ihm zusammentraf. Nach dem -Mittagessen entspann sich eine zunächst wohl konventionell einsetzende, -dann allmählich wärmer werdende Unterhaltung. Man erörterte die -Möglichkeiten des damals aufkommenden elektrischen Lichts. Rathenau, -der gerade über Zukunftsprobleme zündend zu sprechen wußte, beklagte -die Rückständigkeit Berlins in der elektrischen Beleuchtung gegenüber -Paris, wo die Avenue de l’opéra und die Place de la Concorde jeden -Abend im Glanz von Jablochkoff-Kerzen erstrahlten. Emil Rathenau, -der sich -- wie wir wissen -- vorübergehend selbst mit dem Plan, die -Jablochkoff-Patente für Deutschland zu erwerben, beschäftigt, die Idee -aber bald wieder fallen gelassen hatte, warf die Bemerkung hin, daß die -Leipziger Straße mit Hefner-Altenecks Differential-Lampen beleuchtet, -die französische Hauptstadt in Schatten stellen würde. Werner v. -Siemens gefiel die Anregung, vielleicht schmeichelte sie ihm auch nur, -und er lud Rathenau ein, in Berlin weiter darüber zu sprechen. Bei -seinem Besuch begleitete er Rathenau zur Tür des Chefkonstrukteurs, -mit dem Rathenau persönlich bekannt war, seitdem er für die erste -von Siemens & Halske konstruierte elektrische Scheinwerferanlage die -Dampfmaschine geliefert hatte. Hefner-Alteneck, der merkwürdigerweise -seiner eigenen Erfindung nur eine beschränkte praktische Entwickelung -zuzutrauen schien, fragte Rathenau skeptisch, ob ihm der Alte gesagt -hätte, wie er die Aufgabe zu lösen denke oder ob er selbst es wisse. -Ihm sei das Problem schleierhaft. Hefner-Alteneck dachte bei diesem -Ausspruch vielleicht noch mehr als an die technische Schwierigkeit der -Anlage an die schwer zu überwindende Konkurrenz der Gasbeleuchtung, -die bereits im Jahre 1880, bei einem Versuch, den Pariser Platz -mit Bogenlampen zu beleuchten, hervorgetreten war. Die probeweise -hergestellte Anlage war damals nicht zur Ausführung gekommen, weil -die Gasfachleute das neue elektrische Licht wirksam zu übertrumpfen -in der Lage gewesen waren. Mit etwas bitterer Selbstironie hatte -Hefner-Alteneck damals bemerkt, daß es zu den guten Eigenschaften des -elektrischen Lichtes gehörte, überall da, wo es sich auch nur von ferne -blicken lasse, zu einer mächtigen Gasbeleuchtung die Veranlassung -zu bieten. Daß der Gedanke Rathenaus, die Leipziger Straße mit -Differentiallampen zu beleuchten, übrigens doch nicht so ganz aus der -Welt lag, zeigte sich etwa 1½ Jahre später. Damals -- im Herbst -1882 -- führten Siemens & Halske nach einem kurzen Versuche mit einer -Glühlichtbeleuchtung in der Kochstraße eine Bogenlampenbeleuchtung -in der Leipziger Straße durch. Beide fanden aber keinen so rechten -Anklang beim Publikum. Das Glühlicht in der Kochstraße imponierte -infolge der noch unentwickelten Lampen, die sich mit ihrem roten Licht -kaum vom Gas unterschieden, nur wenig, das Bogenlicht in der Leipziger -Straße, das von 4 Deutzer Gasmaschinen zu je 12½ PS erzeugt wurde, -stellte sich, trotzdem mit der verwendeten Gasmenge die zehnfache -Lichtwirkung wie beim reinen Gaslicht erzielt wurde, sehr teuer, denn -die Lampenbrennstunde kam auf 38 Pfennige zu stehen. Rathenau, der die -Unvollkommenheit der Siemensschen Versuche nicht verkannte, sprach -damals die Überzeugung aus, daß trotz alledem der Sieg des elektrischen -Lichts in der Straßenbeleuchtung nicht ausbleiben werde. - -Die Möglichkeit, mit Siemens & Halske an der elektrischen Beleuchtung -Berlins zu arbeiten, war jedenfalls nach jenem Besuch bei Werner -Siemens, der sich nur halbinteressiert gezeigt hatte, und bei -Hefner-Alteneck, der Rathenau -- zum Teil vielleicht aus einem -Konkurrenzgefühl heraus -- völlig abgewiesen hatte, vorerst erledigt. -Sie stellte für ihn aber nicht den einzigen oder auch nur den besten -Weg dar, auf dem er sich dem Gebiet der elektrischen Beleuchtung -nähern konnte. Dazu war er -- die große Zukunft der Lichtelektrizität -erkennend -- fest entschlossen. War es nicht die Differentiallampe, -die er Siemens gegenüber wohl nur vorgeschlagen hatte, weil er so am -schnellsten dessen mächtige Unterstützung zu finden hoffte, so war es -ein anderer Typus. Diesen fand er mit divinatorischer Sicherheit auf -der Pariser Elektrizitäts-Ausstellung im Jahre 1881, wo Thomas Alva -+Edison+ sich eben anschickte, sein neues Beleuchtungssystem, in -dessen Mittelpunkt als Hauptstück die +Kohlenfadenlampe+ stand, -der europäischen Öffentlichkeit vorzuführen. - -Bevor wir uns der Edisonschen Erfindung und ihrer umwälzenden -Bedeutung für die Lichtelektrizität zuwenden, wollen wir einen kurzen -Rückblick auf die früheren Versuche auf dem Gebiete des elektrischen -Lichts werfen. Die erste -- allerdings nicht praktisch gewordene -- -Verwendung der Elektrizität zur Erzeugung von Licht ist sehr früh -erfolgt, lange bevor der elektrische Telegraph, der doch mehr als ein -Menschenalter vor dem elektrischen Licht die Welt eroberte, entdeckt -worden war. Der berühmte englische Chemiker Humphry +Davy+ -stellte im Jahre 1808, also nur 18 Jahre nach der Entdeckung Galvanis, -den fundamentalen, für seine eigene wissenschaftliche Leistung -allerdings nur nebensächlichen Versuch an, der unter dem Namen des -elektrischen Lichtbogens berühmt geworden ist und die Grundlage -für das Verfahren der Bogenlichterzeugung bildet. Davy hatte zwei -zugespitzte Kohlenstäbchen mit den Polen einer galvanischen Kette -verbunden, und beobachtete, daß zwischen den Spitzen eine leicht -gebogene Flamme entstand, wenn man die vorher in Berührung gebrachten -Kohlenspitzen vorsichtig auseinanderzog. Von da bis zur Anwendung der -Bogenlampe in der Praxis war aber ein weiter Weg. Solange man auf -Schwachstrom angewiesen war, kam man über vereinzelte Versuche nicht -hinaus, als gebräuchliches Beleuchtungssystem wollte die Bogenlampe -nicht Fuß fassen. Im Jahre 1846 wurde die Lampe, der „potenzierte -Mondschein“, wie man sie damals nannte, bei der Erstaufführung der -Meyerbeerschen Oper „Der Prophet“ in Paris als Bühnenbeleuchtung -benutzt. Als Straßenbeleuchtung erschien das neue Licht zu grell und -„augenschädlich“. Diese ungünstigen Eigenschaften verbunden mit einer -noch ziemlich starken Unzuverlässigkeit des Lichtes, ließen den Versuch -einer Straßenbeleuchtung, den Jacobi im Jahre 1850 in Petersburg -machte, scheitern. Dagegen erwies es sich gerade der genannten -Eigenschaften wegen als besonders geeignet für Leuchtturmlicht. -Und besonders nachdem der berühmte englische Elektro-Physiker -+Faraday+ zum wissenschaftlichen Berater der Korporation, die -die Instandhaltung des gesamten englischen Leuchtturmwesens zur -Aufgabe hatte, ernannt worden war, fand das Bogenlicht ausgedehnte -Anwendung bei Leuchttürmen. Dabei bediente sich Faraday aber als -Kraftquellen nicht mehr großer galvanischer Batterien, wie das bei -den früheren Versuchen (auch in St. Petersburg) geschehen war, -sondern von ihm hergestellter magnetelektrischer Maschinen, die nach -dem von Faraday entdeckten Prinzip der Induktion hergestellt worden -waren. Diese Maschinen, bei denen die induzierende Wirkung durch -die Kraft permanenter Stahlmagnete hervorgerufen wurde, arbeiteten -indes trotz ihrer Größe und im Verhältnis zu ihrer Größe wie ihren -Kosten sehr unökonomisch, so daß sich ihre Verwendung für Zwecke, -in denen andere, billigere Beleuchtungsarten zur Verfügung standen -und nicht besonders starke Einzellichter benötigt wurden, verbot. -Erst die Erfindung des dynamoelektrischen Prinzips, bei dem sich die -induzierenden Magnete und der erzeugte Strom gegenseitig verstärkten, -und die hieraus folgende schnelle Entwickelung immer vollkommenerer -Dynamomaschinen schufen hierin Wandel. Es schoß bald eine große -Anzahl von Bogenlampen-Konstruktionen aus dem Boden. Das ganze System -krankte aber noch an dem Nachteil, daß für jede Lampe eine besondere -Dynamomaschine als Kraftquelle benötigt wurde, was das Bogenlicht als -Beleuchtung dem aus zentralen Kraftquellen gespeisten Gas unterlegen -machte. Die erste Erfindung, nach der aus +einer+ Maschine mehrere -Stromkreise gespeist werden konnten, ging von Jablochkoff aus, von -dessen Lampen wir bereits mehrfach, unter anderem zum Beginn dieses -Kapitels gesprochen haben. Das Pariser Warenhaus „Louvre“ wurde zuerst -mit Jablochkoff-Kerzen erleuchtet, es folgten mehrere öffentliche -Plätze und Straßen in Paris, darunter die Avenue de l’opéra, deren -strahlendes Licht Emil Rathenau als Berliner Lokalpatriot in Gegensatz -zu der rückständigen Beleuchtung seiner Vaterstadt gestellt hatte. -Zur Krafterzeugung für diese eine kurze Straße waren damals noch -drei Zentralstationen notwendig. Kurze Zeit später, im Jahre 1878, -konstruierte Hefner-Alteneck die nach ihm benannte Differentiallampe, -deren Prinzip von Werner Siemens herrührt. Hier wurde derselbe Erfolg -der Speisung mehrerer Lampen aus einer Kraftquelle solider und -vollkommener erreicht als bei Jablochkoff, wobei die Differentiallampe -auch durch andere Verbesserungen, wie die Verwendung der sogenannten -Dochtkohlen, reineres Licht usw. ausgestaltet worden war. Dennoch -war man, wie wir gesehen haben, im Hause Siemens & Halske nicht so -wagemutig und unternehmend wie in Paris, was die Beleuchtung von -öffentlichen Straßen mit Bogenlampen anlangt. Werner Siemens stand -derartigen neuen Problemen passiver gegenüber als den Erfindungen -seiner Jugendzeit, und dem Konstrukteur Hefner-Alteneck fehlte -bei aller Tiefe und Gründlichkeit der technischen Anschauung doch -der Feuergeist und die Einbildungskraft des großen Erfinders. Man -beschränkte sich zunächst auf die Beleuchtung von Hallen, Innenräumen -usw. und der Gedanke der zentralen Kraftstation auch in der -primitivsten Form war den vorsichtigen Technikern der Firma Siemens & -Halske noch „schleierhaft“. - -Die große Belebung sollte der Industrie des elektrischen Lichtes aber -nicht von der Bogenlampe, sondern von der +Glühlampe+ kommen. -Die Bogenlampe war bei ihrer großen Intensität und Lichtstärke nur -für die Beleuchtung von Straßen und großen Innenräumen zu verwenden, -nicht für die Erhellung von Wohnräumen. Ihr Licht brannte -- namentlich -in der ersten Zeit -- flackerig und unregelmäßig und sie sonderte -verhältnismäßig viel Kohlenruß ab. - -Experimentelle Versuche mit der Glühlampe sind gleichfalls schon sehr -früh angestellt worden. Das Prinzip bestand darin, Kohlen oder Metalle -in luftleer gemachtem Raume so zu erhitzen, daß sie leuchteten, ohne -zu verbrennen. Als im Jahre 1859 C. G. Farmer in Newport sein Haus -mit 42 Platinfaden-Lampen beleuchtete, war dies nicht der erste, wohl -aber der erste größere Versuch dieser Art. Eine weitere Ausdehnung -der Erfindung scheiterte auch hier daran, daß große galvanische -Batterien, auf die man vorläufig als Kraftquellen angewiesen blieb, -sehr teuer herzustellen waren und trotzdem eine für praktische Zwecke -nur beschränkte Kraftmenge lieferten. Im Großen gelang erst Thomas Alva -+Edison+, dem Verbesserer des Mikrophons -- unter Benutzung von -Dynamomaschinen -- die Herstellung und Verwendung von Glühlampen. In -seinem Laboratorium zu Menlo-Park, einem Vorort von New York, begann -Edison im Jahre 1878, angeregt durch den Anblick der ersten Bogenlampe, -die er sah, und deren Mängel er bei aller Bewunderung sofort erkannte, -mit Hilfe eines Kreises von Assistenten und Schülern die systematische -Arbeit an der Glühlampe, die er trotz aller anfänglichen Fehlschläge -mit großer Zähigkeit fortsetzte. Es ist eigentümlich, daß Edison -seine ersten Versuche nicht mit Kohlenfäden, sondern mit Metallfäden -machte, zu denen ja die Glühlampenindustrie in neuerer Zeit schließlich -nach dem Umwege über die Kohlenfadenlampe wieder zurückgekehrt ist. -Damals mißglückten die 13 Monate lang fortgeführten Versuche mit -Platindrähten, mit Platin-Iridiumdrähten und anderen Metallen, weil es -nicht gelingen wollte, die Drähte bei genügender Erhitzung unschmelzbar -zu machen. Versuche, die Drähte mit Oxyden zu umwickeln, ließen eine -Lampe mit hoher Widerstandsfähigkeit entstehen, aber solche Lampen -erlitten bald Kurzschluß. Durch einen Zufall kam Edison auf die -Idee, Kohlenfäden zu benutzen. Das Experiment glückte mit verkohlten -Baumwollfäden, aber die Brenndauer der Lampe war noch nicht lang -genug. Es dauerte noch einige Zeit, ehe er den geeigneten Stoff zur -Herstellung der Kohlenfäden in den Bambusfasern gefunden hatte. Mit der -Erzeugung der Lampe, auf die Edison bald in Amerika und Europa Patente -nahm, war aber nur der Keim der neuen Beleuchtungsart gefunden. Für das -ihm im Januar 1880 erteilte amerikanische Patent auf die Glühlampe hat -Edison folgende Beschreibung seiner Erfindung geliefert: - - „Ich, Thomas Alva Edison, von Menlo Park, New-Jersey, Vereinigte - Staaten von Amerika, habe eine Verbesserung an elektrischen Lampen - und in der Methode der Fabrikation dieser Lampen erfunden, die ich - im Folgenden einzeln beschreibe: - - Das Objekt dieser Erfindung ist die Herstellung elektrischer - Lampen mit weißglühendem Licht, die einen so starken Widerstand - leisten, daß sie die praktische Verteilung des elektrischen - Lichtes gestatten. Die Erfindung beruht auf einem Licht spendenden - Körper von verkohltem Draht, der dergestalt gedreht ist, daß er - dem Durchgang des elektrischen Stromes hohen Widerstand leistet - und gleichzeitig nur eine geringe Oberfläche für die Ausstrahlung - darbietet. Die Erfindung besteht ferner in der Verwendung von - Brennern von großer Widerstandskraft in einem nahezu vollkommenen - Vakuum, die das Oxydieren und eine Beschädigung des Konduktors - durch die Luft verhindern. Der so durch Platindrähte in die - evakuierte Birne geleitete Strom wird im Glas verschlossen. - Die Erfindung umfaßt ferner die Methode der Herstellung von - Konduktoren aus Kohlenstoff von hoher Widerstandskraft, damit sie - imstande sind, ein weißes Glühlicht zu liefern. - - Vordem hat man weißes Glühlicht von Kohlenstiften mit ein bis vier - Ohm Widerstand erhalten und in verschlossenen Gefäßen gehabt, - worin die Luft durch Gase ersetzt war, die sich chemisch nicht - verbinden. Die Leitungsdrähte sind immer stark gewesen, so daß - ihre Widerstandskraft manchmal geringer als jene des Brenners ist. - Überhaupt waren die Versuche früherer Arbeiter darauf gerichtet, - den Widerstand des Kohlenstifts zu vermindern. Die aus dieser - Praxis erwachsenden Nachteile sind, daß eine Lampe mit nur ein - bis vier Ohm Widerstand in großer Anzahl zu vielfachem Bogenlicht - nicht ohne Verwendung von Konduktoren von enormen Dimensionen zu - benutzen ist, sowie daß wegen des geringen Widerstands der Lampe, - die Leitungsdrähte stark und die Konduktoren gut sein müssen, und - eine Glaskugel nicht dicht gehalten werden kann, wo die Drähte - eingeleitet und fest verbunden sind. Deshalb verzehrt sich der - Kohlenstift, weil stets ein vollkommenes Vakuum vorhanden sein muß, - um den Kohlenstift dauerhaft zu erhalten, besonders wenn dieser nur - klein ist und hohen elektrischen Widerstand leistet. - - Die Verwendung von Gas in dem Empfänger führt bei dem Luftdruck, - wiewohl dieser die Kohle nicht angreift, in kurzer Zeit zur - Zerstörung, entweder durch das Ausfegen durch die Luft, oder durch - die von dem rapiden Durchströmen des Gases über die nur lose - verbundene, noch erhitzte Oberfläche der Kohle erzeugte Reibung. - Die Methode habe ich umgestaltet. Ich habe gefunden, wie selbst ein - gut verkohlter Baumwollfaden in einer verschlossenen Glasbirne, - woraus die Luft bis auf ein Millionstel gepumpt ist, dem Durchgang - des Stromes 100-500 Ohm Widerstand leistet, und daß er auch bei - sehr hoher Temperatur durchaus aushält. Ferner, daß, wenn der - Faden als Spirale gedreht und verkohlt ist, oder wenn die Fasern - gewisser Pflanzen, die einen Rückstand von Kohle aufweisen, nach - Erhitzung in einem geschlossenen Raum gedreht werden, sie bis zu - 2000 Ohm Widerstand leisten, ohne zur Ausstrahlung einer größeren - Oberfläche als drei Sechzehntel eines Zolls zu bedürfen. Baumwoll- - und Leinenfaden habe ich verkohlt probiert, Holzsplitter, auf - verschiedene Weise gedrehte Papiere, auch Lampenruß, Graphit und - Kohle in der verschiedensten Weise mit Teer gemischt und daraus - Drähte von verschiedener Länge und Stärke gedreht.“ - -Mit der bloßen Konstruktion der Glühlampe begnügte sich indes ein -Mann der praktischen Ausnutzung wie Edison nicht. Er glaubte seine -Arbeit nicht eher beendigen zu können, als bis er ein bis ins Kleinste -durchkonstruiertes, alle Erfordernisse der praktischen Nutzbarkeit -berücksichtigendes Beleuchtungssystem fertiggestellt hatte. Die -Hauptstücke waren die Glühlampe und die nach damaligen Begriffen -riesige Stromerzeugungsmaschine (im Volksmund Jumbo genannt), ein -sogenannter „Schnelläufer“ von 150 PS. Die Verbindung zwischen beiden -hatte ein mit allen Finessen feinmechanischer Inspiration ausgedachtes -und ausgeführtes Netz von Apparaten zu schaffen. Emil Rathenau, der -das Ganze auf der Pariser Ausstellung sah, schilderte den Eindruck -folgendermaßen: „Edisons Beleuchtungssystem war bis in die Einzelheiten -so genial erdacht und sachkundig durchgearbeitet, daß man meinte, -es sei in unzähligen Städten jahrzehntelang erprobt gewesen. Weder -Fassungen, Umschalter, Schmelzsicherungen, Lampenträger noch andere -zur Installation gehörige Gegenstände fehlten, und die Stromerzeugung, -die Regulierung, die Leitungen mit ihren Abzweigen, Hausanschlüssen, -Elektrizitätsmessern usw. waren mit staunenswertem Verständnis und -unvergleichlichem Genie durchgebildet.“ - -Dem Eindruck, wie ihn Rathenau hier 27 Jahre nach dem auslösenden -Erlebnis schilderte, ist wohl, wie wir das schon in einem anderen Falle -feststellen zu können glaubten, ein gewisser Schuß retrospektiver -Phantasie beigemischt. So urteilte nicht der unmittelbar Erlebende, -sondern der Zurückschauende, der inzwischen eine lange Periode der -Entwickelung, Durchbildung und Vervollkommnung mit angesehen und -sein ganzes Leben und Tun mit ihr so identifiziert hatte, daß er die -Fähigkeit zur historischen Kritik vielleicht nicht mehr in vollem Maße -besaß. Gewiß, Rathenau, dem die Gabe in seltenem Maße zu eigen war, -eine Erfindung -- auch wenn sie nur in ihrer Urzelle vorlag -- mit -blitzschneller Prophetie bis zu ihrer höchsten Vollendung zu Ende zu -denken, hat in Paris in dem Edisonlicht mehr gesehen als alle anderen, -vielleicht sogar mehr als der Erfinder selbst. Er war überhaupt wohl -der einzige, der die +ganze+ Zukunftskraft der Erfindung erfaßte, -wie er denn auch derjenige gewesen ist, der am meisten zu ihrer -Ausbildung getan hat. Seine Tat war vom technischen Standpunkt aus -betrachtet keine primäre, sondern eine „zweithändige“, aber technisch -doch keine Epigonenleistung und praktisch direkt von schöpferischer -Prägung. Um dies zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß -der +allgemeine+ Eindruck des Edisonlichts in Paris durchaus -nicht einhellig und mit dem Rathenaus identisch war. Es gab gewiß -genug Leute, die von der neuen Erfindung fasziniert waren, ohne doch -ihren ganzen Zukunftswert zu erfassen. Es gab auch wieder andere, -die kühl blieben und das Glühlicht -- ohne seinen praktischen Wert -ganz zu verneinen -- weit hinter das Bogenlicht stellten. Es fehlte -aber auch schließlich nicht an Fachleuten, die die ganze Geschichte -für Humbug, für eine Spielerei erklärten. So hielt ein namhafter -Techniker im Saal der Ausstellung einen wissenschaftlichen Vortrag, -in dem er die Edisonsche Erfindung mit Ironie abtat und am Schluß die -Behauptung aufstellte, daß in Paris eine Edisonsche Glühlichtanlage -zum ersten, aber wohl auch zum letzten Male im Betrieb gewesen sei. -Derartige Aussprüche können heute nur noch komisch wirken. Immerhin -war die Edison-Beleuchtung -- das sollte gerade Rathenau in den ersten -Jahren, als er sich praktisch mit Installationen befaßte, erfahren --- keineswegs so vollkommen, wie er sie rückschauend geschildert -hat. Sie litt vielleicht nicht in der Anlage, wohl aber in der -Durchführung an großen Mängeln und Unvollkommenheiten. Edison ist -stets mehr ein genialer Experimentierer, ein origineller Erfinder, -als ein systematischer Forscher, ein exakter Konstrukteur gewesen. -Diesen Stempel trug auch seine Pariser Glühlichtanlage, und alles -was er in derselben Art bereits in Amerika gemacht hatte, deutlich -an der Stirn. Besonders die Maschinen waren nicht gut konstruiert, -und noch schlechter ausgeführt. Es war alles mehr empfunden, als -genau errechnet; die Maße der Spannungen und Belastungen usw. -waren in ziemlich primitiver empirischer Weise gewählt, sozusagen -nach dem Gefühl. Man hielt sich an eine Schablone, die man bei den -ersten Versuchen gefunden hatte und war zufrieden, wenn sie halbwegs -stimmte. Den Grundsatz „Probieren geht über Studieren“ hat auch die -Arbeit des Autodidakten Edison trotz ihrer genialen Faktur nicht -verleugnet. Gewiß leidet jede große Erfindung unter derartigen -anfänglichen Unvollkommenheiten der Ausführung und des Details, aber -es ist sehr fraglich, ob die damalige amerikanische Elektrotechnik -imstande gewesen wäre, sie so schnell zu beseitigen, wie dies Rathenau -später tat. Jedenfalls waren derartige Mängel in Paris vorhanden, -und während ein technisch-kritisches Genie wie Rathenau über diese -leicht zu beseitigenden Nebensächlichkeiten hinwegblickte und nur den -genialen Kern der Idee und den guten Grundzusammenhang der ganzen -Anlage sah, blieben kleinere Geister, weniger scharfe Augen an den -mangelhaften Äußerlichkeiten haften und erschöpften ihre Kritik an -ihnen. -- Trotzdem aber die Wirkung der Edisonschen Ausstellung -gerade in Fachkreisen keine einhellige war, ist selten der Eindruck -einer technischen Demonstration so nachhaltig gewesen, wie der des -Edison-Lichts in Paris. - -Die Pariser Elektrizitätsausstellung vom Jahre 1881 erlangte für -das elektrische Glühlicht dieselbe epochemachende Bedeutung wie -die Pariser Weltausstellung von 1878 für das Bogenlicht. Die -französische Hauptstadt war damals das unbestrittene Zentrum der -modernen Elektrizitätsentwickelung, die gerade in ihr effektvollstes, -brillantestes Stadium, das der „Lichtwunder“ getreten war. Während -Frankreich in der früheren Geschichte der angewandten Elektrizität -keine besonders ausschlaggebende Rolle gespielt, in der Technik der -elektrischen Telegraphen, Kabel und Maschinen den Pionierländern -Amerika, England und Deutschland nur eben gefolgt war, riß es in der -Beleuchtungsfrage oder wenigstens in ihrer ersten praktischen Anwendung -(denn von den grundlegenden Erfindungen der Lichtelektrizität war -in Frankreich keine gemacht worden) die Führung an sich. Für diese -Erscheinung können zwei Gründe angeführt werden. Einmal war gerade der -französische Volkscharakter und der ihm anhaftende Ehrgeiz, in seiner -Hauptstadt Paris die erste Welt- und Fremdenstadt der Erde zu sehen, -besonders empfänglich für Wirkungen, wie sie das elektrische Licht als -großstädtischer Faktor ausüben mußte. Ferner war besonders die damalige -Zeit, in der sich die französische Republik von dem militärischen -und politischen Schlage des Krieges von 1870/71 zu erheben begann, -angefüllt mit leidenschaftlichen Bemühungen, das an Prestige auf -jenen Gebieten Verlorene durch wirtschaftliche und kulturelle Werke, -oder vielleicht besser durch wirtschaftliche und kulturelle Effekte -wettzumachen. Die Republik warb mit solchen Mitteln aufs neue um die -Bewunderung der Welt, die den Diplomaten und Soldaten des Kaiserreichs -durch den unglücklichen Krieg zu einem großen Teile verloren gegangen -war. Die Weltausstellung wurde hier in die moderne internationale -Form gegossen, in der sie die nächsten Jahrzehnte beherrschen sollte, -als ein Mittelding zwischen einer wissenschaftlichen, technischen -und gewerblichen Demonstrationsstätte und einem den Fremdenverkehr -anziehenden Sensations- und Amüsierbetrieb. Sie war hier nicht -so sehr der Ausdruck einer großen gewerblichen und technischen -Leistungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit, deren überquellende innere -Kräfte nach äußerer Darstellung drängten, als die Bekundung eines -ehrgeizigen Glänzenwollens. Nicht die Befriedigung des Schaffens, -sondern der Drang nach Wirkung beherrschte diese Ausstellungen, und -gerade der Umstand, daß das eigene Schaffen der französischen Nation -damals nicht auf einer Höhe stand, die es gestattete, großartige -Ausstellungswirkungen hervorzurufen, ließ es notwendig erscheinen, -den +Welt+charakter der Ausstellungen in bisher nicht üblich -gewesener starker und wie man zugeben muß national vorurteilsloser -Weise zu betonen. Dieses Weltausstellungssystem ist im Laufe der -Jahre, als es jede mittlere Nation, jede mäßig interessante Stadt -nachzuahmen versuchte, allmählich zu Tode gehetzt worden und es verlor -an Zugkraft, je häufiger sich derartige Ausstellungen wiederholten. -Das Ungewöhnliche wird gewöhnlich, wenn es regelmäßig wiederkehrt und -dabei noch verkleinlicht wird. Die Welt stumpft gegen Sensationen ab, -die einander zu ähnlich sehen. Trotz dieser späteren Entwickelung und -trotz der zweifelhaften Motive, die den ersten Pariser Ausstellungen -zu Grunde lagen, darf ihr gewaltiger Wert für die Verbreitung und -Popularisierung technischer Fortschritte nicht verkannt werden. Gerade -auf dem Gebiete der elektrischen Lichtindustrie haben sie durch die -überzeugende, wirkungsvolle Darstellung, die sie einem ungewöhnlich -großen internationalen Kreis von den damaligen Errungenschaften -der Technik gaben, eine sehr beträchtliche Beschleunigung in der -praktischen Anwendung herbeigeführt. Die Vorführung des Edisonschen -Beleuchtungssystems wirkte an dieser Stelle mit ganz anderer -internationaler Anregungskraft, als wenn die Erfindung in irgend einer -amerikanischen Stadt mit nüchternem Nutzungszweck durchgeführt und ihre -internationale Propaganda in Europa nur durch Beschreibungen in Büchern -und Zeitungen vermittelt worden wäre. - -Auf Naturen wie Emil Rathenau, deren Energien der Anregung durch -eine überzeugende Demonstration bedurften (ebenso wie er später -die Demonstration am gut gewählten Beispiel als das nachhaltigste -Wirkungsmittel auf andere erkannte und benutzte), waren die Eindrücke -in Paris derartig überwältigend, daß sie alles innere Schwanken, alle -Wahlnöte und Entschlußhemmungen mit einem Schlage beseitigten. Aus -dem reflektierenden Zauderer, der auf Enttäuschungen ebenso stark und -schnell reagiert hatte wie auf Hoffnungen, war mit einem Male der -sehnige, bestimmte Tatmensch geworden, der Rathenau, einmal in die -richtige Bahn gestellt, bis an sein Lebensende geblieben ist. Die -Fülle der Gesichte und Möglichkeiten war durch den Anblick des „Ziels“ -gebändigt und vereinheitlicht. Das verwirrende Durcheinander der -gangbaren Wege war zur Straße geworden, deren Lauf mit Notwendigkeit -vorgeschrieben war. Rathenau glaubte, als er Edisons Beleuchtungssystem -zuerst sah, sich seiner ganzen Art nach im Sturm der neuen Aufgabe -bemächtigen zu können. Als nicht sofort festzustellen war, von -wem man die Patente und Nutzungsrechte erwerben könne, kabelte er -kurzentschlossen an Edison nach New York, er möge sich sofort auf das -Schiff setzen und in einer dringenden, für beide Teile außerordentlich -wichtigen Angelegenheit nach Europa kommen. Edison erklärte dies zur -Zeit für unmöglich und riet dem ihm unbekannten deutschen Ingenieur, -sich an seine Pariser Vertreter zu wenden. Wäre Rathenau der leicht -zu entflammende, aber von Schwierigkeiten schnell wieder abgekühlte -Stimmungsmensch gewesen, für den er damals vielfach gehalten wurde, -so hätte er bald die Büchse ins Korn geworfen. Aber es bildete die -erste große Probe auf den inneren Stahl, der in dem Charakter des -Mannes enthalten war, mit welcher Energie und Zähigkeit er aus dem -Labyrinth der Edisonschen Patent- und Rechtsverwirrnis die Verträge -herauszuzwingen verstand, die er für eine gesicherte Anwendung des -Edisonlichts in Deutschland haben zu müssen meinte. - -Edison hatte zur Verwertung seiner Patente zunächst zwei Gesellschaften -gegründet. Die Edison Electric Light Company mit dem Sitz in New York -sollte die Patente für Amerika verwerten, eine Tochtergesellschaft -gleichen Namens in London sollte Europa bearbeiten. Sie veranstaltete -die erste elektrische Ausstellung im Crystal Palace und baute die -erste elektrische Zentralstation -- oder was man damals so bezeichnete --- in Europa. Von ihr abgezweigt wurde wieder die +Compagnie -Continentale Edison+, der die Verwertung aller Edisonschen Patente -auf dem europäischen Kontinent übertragen wurde. Sie errichtete -wieder zwei Untergesellschaften, die Société électrique Edison, die -sich mit der Ausführung privater Beleuchtungsanlagen beschäftigte, -und als Fabrikationsunternehmen die Société industrielle commerciale -Edison, die in Ivry bei Paris Maschinen und Apparate herstellte. Die -Rechtsverhältnisse waren also reichlich kompliziert, was nicht so sehr -an der Vielheit der Gesellschaften, als an der unklaren Organisation -und Kompetenzverteilung zwischen ihnen lag. Auch Rathenau hat später -in seiner industriellen und finanztechnischen Praxis das System der -Dezentralisation und Verschachtelung mit Vorliebe angewandt, aber er -beherrschte doch dieses System derart, daß er jederzeit die Zügel in -der Hand behielt. Zwischen den von ihm gegründeten Unternehmungen -waren die rechtlichen Beziehungen und Aufgaben so klar geordnet und -verteilt, daß Zweifel niemals entstehen konnten, wie dies bei den -Edisonschen Gesellschaften damals und auch weiterhin noch der Fall war. -„Edison hatte,“ so erzählt Rathenau, „seine europäischen Interessen in -die Hände von Gesellschaften gelegt, deren Ideal zum wenigsten darin -bestand, die Welt mit einem Kulturwerk zu beglücken; und so gelang -es erst nach unsäglichen Schwierigkeiten, Verträge zu vereinbaren, -die das Fundament solider deutscher Gesellschaften bilden konnten.“ -Nachdem die unberechtigten Ansprüche verschiedener Gesellschaften -abgewiesen bzw. abgefunden worden waren, wurde der grundlegende -Vertrag schließlich mit der +Compagnie Continentale Edison in -Paris+ abgeschlossen. Ähnlich wie in Frankreich sollte danach auch -für Deutschland eine Fabrikationsgesellschaft und eine zweite zur -Herstellung von Zentralstationen gegründet werden. So großzügig wie -die Sache geplant war, ließ sie sich allerdings zunächst noch nicht -verwirklichen. Während der Verhandlungen hatte sich der finanzielle -Himmel infolge einer von Paris ausgehenden Krisis umwölkt. Der etwas -gewaltsame Industrialismus, mit dem Frankreich über die Schlappe von -1870/71 hinwegzukommen hoffte, hatte zu einem Rückschlag geführt, -und die englische Elektrizitätskrise, die aus einer Überspannung im -Gründerwesen auf dem Gebiete der Kabeltelegraphie entstanden war, -trug dazu bei, daß man gerade Neugründungen auf dem Gebiete der -Elektrizitätsindustrie damals mit Zurückhaltung begegnete. Rathenau -ließ sich von dem einmal gewählten Wege auch durch dieses Hemmnis -nicht abbringen. Er suchte in Berlin in den maßgebenden Bankkreisen -Unterstützung für sein Projekt zu finden. Er besuchte Bleichröder -und andere führende Finanzgrößen. Ohne Erfolg. Die „Großen“ auf dem -Gebiete des Kapitals hielten sich kühl zurück. Schließlich lernte -Rathenau bei einem Besuch seiner Mutter in Bad Langenschwalbach -+Ludwig von Kaufmann+, den Schwiegersohn Jacob Landaus und -Mitinhaber des Bankhauses +Jacob Landau+ kennen. Es gelang ihm, -diesen für die Idee zu interessieren. Es war in verschiedenen Berliner -Unterredungen, die sich an dieses Langenschwalbacher Zusammentreffen -knüpften, vereinbart worden, ein Bankenkonsortium zu bilden, das die -neue Gesellschaft errichten und mit Geld ausstatten sollte. Infolge der -finanziellen Krise kamen die Verhandlungen zunächst ins Stocken. Das -Bankenkonsortium hatte die Geldmittel natürlich nur +vorstrecken+ -wollen, und zwar angesichts seiner nicht sehr starken eigenen -Kapitalskraft, nur für kurze Zeit. Jahrelange Vorschüsse, wie sie -die finanziellen Trustunternehmungen gewährten, die Rathenau später -für derartige Zwecke gegründet hatte, konnten und wollten Rathenaus -Geldgeber dem Ingenieur, dessen Enthusiasmus die einzige Garantie -war, die er bieten konnte, nicht anvertrauen. Man hatte daher von -vornherein geplant, das zur Gründung erforderliche Geld sofort durch -Ausgabe der Aktien an das Publikum aufzubringen. Als dies unmöglich -wurde, verzichtete man auf die sofortige Ausführung des Planes. -Rathenau sorgte indessen dafür, daß die einmal angeknüpften Beziehungen -zwischen ihm und der Bankengruppe nicht völlig abgebrochen wurden. Er -komplizierte die Situation, schon damals sein leidenschaftlich vorwärts -drängendes Temperament durch realpolitische Erwägungen zügelnd, -nicht dadurch, daß er die Bedingung „Alles oder nichts“ stellte. Er -schlug ein Kompromiß vor, das den Mittelweg zwischen völliger Aufgabe -und unbestimmter Vertagung des Projekts darstellte. Es sollte eine -+Studiengesellschaft+ mit dem geringen Kapital von 250000 Mark -gegründet werden. Diese sollte die Arbeit unverzüglich aufnehmen -und Rathenau war überzeugt, daß sie den praktischen Wert der neuen -Beleuchtung einwandfrei dartun würde. Geschah dies aber, so war die -Gründung eines größeren Unternehmens später wesentlich leichter, als -wenn wiederum ganz neue Verhandlungen hätten angeknüpft und neue -Vorbedingungen hätten geschaffen werden müssen. Es war also auf diesem -Wege manches zu gewinnen, und wenig zu verlieren. - -Die Studiengesellschaft trat denn auch bald auf Grund der deutschen -Edisonpatente ins Leben. Die drei Patentansprüche des ersten und -grundlegenden Patentes lauteten folgendermaßen: - -1. Eine elektrische Lampe, die durch Weißglühen Licht gibt, und in der -Hauptsache aus Kohlefasern von großem Widerstand besteht, hergestellt -und mit den metallischen Drähten verbunden, wie beschrieben. - -2. Ein Faden oder Streifen aus Kohlefasern, welche in solcher Weise -in Spiralform gewunden ist, daß nur ein Teil der Oberfläche dieses -Kohlenleiters (ca. 5 mm) Licht ausstrahlt. - -3. Die Platindrähte wie beschrieben an dem Kohlenfaden zu befestigen -und das Ganze in einem geschlossenen Gefäß zu karbonisieren. - -(Der Widerstand ist je nach der Menge des abgelagerten Lampenrusses -klein oder groß herstellbar.) - -Die Studiengesellschaft verfolgte den doppelten Zweck, praktische -Erfahrungen für die Glühlampentechnik zu sammeln, und das Publikum -mit dem neuen Licht bekannt zu machen. Ein paar kleinere Anlagen -wurden für den Berliner Börsencourier und das Böhmische Brauhaus -geschaffen. Dann wandte man sich etwas größeren Aufgaben zu. Der -Unionklub in der Schadowstraße und die benachbarte Ressource von -1794 erteilten den Auftrag zur Ausführung von Musteranlagen. Die -Ressource veranstaltete zur Feier der gelungenen Beleuchtung ein -Bankett, das so etwas wie ein gesellschaftliches Ereignis für Berlin -darstellte. Gerade während Hugo Pringsheim in einer schwungvollen Rede -das neue Licht und den Schöpfer der Anlage, Emil Rathenau, feierte, -verdüsterte sich allmählich, wie Rathenau später ausplauderte, das -Licht und der diensthabende Ingenieur meldete mit schreckensbleichem -Gesicht, daß er die Anlage nicht halten könne. In der gehobenen -Festesstimmung bemerkte niemand das Verschwinden des Ehrengastes, der -im Gesellschaftsanzuge die persönliche Führung der Anlage bis zum -Morgen übernahm, und mit zwei Ingenieuren durch eifriges Kühlen der -Lager mit dem für die Sektkühler bestimmten Eis den Betrieb aufrecht -erhielt. Ein Verlöschen des Lichts an dieser sichtbaren Stelle wäre -ein harter Schlag für das Schicksal der elektrischen Beleuchtung -geworden und noch ein stärkerer für das Schicksal des in der Gründung -befindlichen Unternehmens, dessen Aktien in kurzer Zeit herausgebracht -werden sollten. Das Gelingen wirkte dagegen wie eine besonders wirksame -Propaganda. Weitere Privatanlagen entstanden bald in Berlin. Auch -eine Straßenbeleuchtung wurde versucht und zwar in der Wilhelmstraße -zwischen den Linden und der Leipzigerstraße. Die Wirkung war zumal bei -dem am Eröffnungstage herrschenden Schneefall eindrucksvoll. Trotzdem -ist das intimere Glühlicht in der Folgezeit bei Straßenbeleuchtungen -hinter dem lichtstarken Bogenlicht stets zurückgetreten. In München, -wo der Ingenieur Oscar von +Miller+ im Jahre 1882 die erste -deutsche Elektrizitätsausstellung veranstaltet hatte, von dem größten -Teil der Aussteller aber im Stich gelassen worden war, sprang die -Studiengesellschaft entschlossen ein. Sie übernahm fast die ganze -Versorgung des als Ausstellungsgebäude dienenden Kristallpalastes -mit Elektrizität. Unter ihren Vorführungen erregte besonders die -Beleuchtung eines zu diesem Zwecke errichteten kleinen Theaters, in -dem Balletts aufgeführt wurden, Bewunderung nicht nur beim Publikum, -sondern auch bei Fachleuten. Namentlich faszinierte sie den Intendanten -der Kgl. Schauspiele in München so, daß er sogleich einen Vertrag über -die Einrichtung der elektrischen Beleuchtung des Residenztheaters, der -kleineren der beiden Königlichen Bühnen Münchens, die zur Aufführung -von Schauspielen und Spielopern diente, abschloß. Die Grundlage dieses -Vertrages war, daß die Deutsche Edison Gesellschaft das ganze Risiko -des Gelingens oder Mißlingens auf sich nehmen mußte. - -Oscar v. Miller hatte Rathenau die tatkräftige Hilfe bei der Rettung -der gefährdeten Ausstellung nicht vergessen. Rathenau hinwiederum -hatte in dem Münchener Ingenieur einen für die Sache der Elektrizität -begeisterten, durch Tatkraft und Wagemut ausgezeichneten Mann -gefunden, der ihm als Mitarbeiter bei seinem Unternehmen wie kein -anderer geeignet erschien. Er bewog ihn daher, in die Deutsche -Edison Gesellschaft als Mitdirektor einzutreten, als diese -- durch -die bisherigen technischen und propagandistischen Erfolge der -Studiengesellschaft gut vorbereitet -- am 19. April 1883 mit einem -Aktienkapital von 5 Millionen Mark gegründet und am 5. Mai desselben -Jahres in das Handelsregister eingetragen wurde. Das Bankenkonsortium, -das Emil Rathenau zwei Jahre vorher zusammengebracht hatte, hielt -ihm trotz mancher Zweifel und Meinungsverschiedenheiten, die sich -inzwischen eingestellt hatten, die Treue. Es war ihm sogar, als es an -die endgültige Konstituierung des Unternehmens ging, gelungen, eine -Erweiterung dieses Konsortiums herbeizuführen, das ursprünglich aus -den Firmen Jacob Landau in Berlin, Gebr. Sulzbach in Frankfurt a. -M. und der Nationalbank für Deutschland in Berlin bestanden hatte. -Einen Überblick über seine Mitglieder gibt der erste Aufsichtsrat der -Neuen Edison Gesellschaft, der sich aus folgenden Persönlichkeiten -zusammensetzte: - - Bankier Rudolph Sulzbach in Firma Gebrüder Sulzbach in Frankfurt a. - M., Vorsitzender. - - Ludwig von Kaufmann, in Firma Jacob Landau in Berlin, - Stellvertretender Vorsitzender. - - J. F. Bailey, Administrateur délegué der Compagnie Continentale - Edison in Paris. - - Bankier Edmund Becker, in Firma Becker & Co. in Leipzig. - - Rechtsanwalt Robert Esser II in Köln. - - Kommerzienrat Paul Gaspard Friedenthal in Breslau, in Firma - Breslauer Discontobank Friedenthal & Co. - - Stadtrichter Julius Friedenthal in Breslau, Direktor der Breslauer - Wechslerbank. - - Bankier Moritz Guggenheimer, in Firma Guggenheimer & Co. in München. - - Bankier Hermann Köhler, Disponent der Firma Gebrüder Sulzbach in - Frankfurt a. M. - - Konsul Dr. Kunheim, in Firma Kunheim & Co. in Berlin. - - Bankier Hugo Landau, in Firma Jacob Landau in Berlin. - - Assessor a. D. Dr. Hermann Löwenfeld, Direktor der Nationalbank für - Deutschland in Berlin. - - Bankier Carl Schlesinger-Trier, in Firma C. Schlesinger, Trier & - Co. in Berlin. - - Kommerzienrat Wilhelm Wolf in Berlin. - -Es war also für ein Unternehmen von mäßigem Umfang ein ziemlich -mitgliederreiches Kollegium, das im ganzen 14 Köpfe umfaßte. Darin lag -insofern eine gewisse Absicht, als man einmal durch einen stattlichen -Aufsichtsrat mit Namen von gutem Klang eine gewisse werbende Wirkung -auf die Öffentlichkeit und die für eine Aktienbeteiligung in Betracht -kommende Kapitalistenwelt erzielen wollte. Ferner hielten es aber -auch die hauptsächlich beteiligten Bankfirmen Jacob Landau und Gebr. -Sulzbach für notwendig, sich im Aufsichtsrat doppelt vertreten zu -lassen, einmal um sich bei den Abstimmungen des Kollegiums den ihnen -gebührenden Einfluß zu sichern, andererseits aber auch, um eine -möglichst weitgehende Kontrolltätigkeit ausüben zu können. Da der große -Aufsichtsrat für eine intensive Beteiligung an den innergeschäftlichen -Dingen nicht geeignet war, zweigte man von ihm einen aus 5 Mitgliedern -bestehenden +Arbeitsausschuß+ ab, der die Aufgabe hatte, der -Direktion bei der Führung der Geschäfte zur Seite zu stehen und wohl -auch auf die Finger zu sehen. Man war wohl von der Lebenskräftigkeit -der Rathenauschen Idee durchaus überzeugt, man schätzte die Energie und -die Tüchtigkeit des Direktors auch sehr hoch ein, aber man hielt ihn -für zu schlau und zu eigenwillig, um sich ihm rückhaltlos anvertrauen -zu können. Es zeigte sich schon hier, und es hat sich in den ersten -Jahren der Edison Gesellschaft wiederholt gezeigt, daß das Genie Emil -Rathenaus mit dem Kritizismus und dem gelegentlichen Mißtrauen einer -kleingeistigen Umgebung manchmal recht schwer zu kämpfen hatte. Von -einem großzügigen Verständnis für seine aufs Ganze gerichtete Art und -seine hochfliegenden Pläne, das ihm später sein Aufsichtsrat stets -entgegenbrachte, war anfänglich noch wenig zu spüren. Man glaubte -ihn, in dem man noch immer etwas vom Projektemacher witterte, fest an -der Kandare halten zu müssen, und wenn er seinen Willen schließlich -auch stets zur Geltung zu bringen wußte, so genügte in den Zeiten, -in denen seine Autorität noch nicht über allen Zweifel gefestigt -war, doch häufig nicht sein einfaches Wort, um überall Vertrauen zu -finden, sondern es waren manchmal laute und stille Kämpfe nötig, zu -deren Durchführung es seiner ganzen Zähigkeit bedurfte. Zur Erledigung -der kaufmännischen Geschäfte, zum Teil wohl auch zur Überwachung -seiner Geschäftsleitung im inneren Betriebe war ihm als Helfer -Felix +Deutsch+, der bis dahin in dem der Firma Jacob Landau -nahestehenden Strontianitkonsortium und in deren Zuckerinteressen sich -bewährt hatte, beigegeben worden. Deutsch hat, ohne daß er darum je -nötig hatte, das Vertrauen seiner Auftraggeber zu enttäuschen, doch -vom ersten Augenblick an seine Aufgabe so aufgefaßt, daß er mit ihr -vornehmlich dem Unternehmen, in dessen Dienste er trat, förderlich -war und förderlich sein wollte. Er hat die überragende Bedeutung Emil -Rathenaus wie seine moralische Zuverlässigkeit keinen Augenblick -verkannt, hat sich redlich Mühe gegeben, einen Standpunkt zu gewinnen, -der dem des genialen Mannes ebenbürtig war und es ist ihm sowohl als -Helfer und Mitarbeiter Rathenaus, wie später auch schöpferisch in dem -ihm ziemlich selbständig überlassenen Kreis der Absatz-Organisation -gelungen, eine des Meisters würdige Arbeit zu leisten. - - - - -Sechstes Kapitel - -Die Deutsche Edison Gesellschaft - - -Als die Deutsche Edison Gesellschaft gegründet wurde, verfügte sie -keineswegs über eine starke und gefestigte Position. Was ihr an -Kapitalmacht zur Seite stand, um ihr über die schwierigen Anfänge -hinwegzuhelfen, war trotz mancher gut angesehener Namen, die im -Bankenkonsortium vertreten waren, nicht eben hervorragend und geeignet, -die junge Gesellschaft gegen die Fährnisse der Konjunkturen und die -Bedrohungen durch eine übermächtige Konkurrenz sicherzustellen. -Von den damals führenden Großbanken war keine an der Gesellschaft -beteiligt. Die Nationalbank für Deutschland, die selbst erst im -Jahre 1881 gegründet worden war, verfügte über ein Kapital von 40 -Millionen Mark, das aber nur zur Hälfte eingezahlt war, und hatte in -den folgenden Jahren mit eigenen Schwierigkeiten genug zu tun. Sie wie -auch die Breslauer Diskontobank, die gleichfalls in der Bankengruppe -vertreten war, stand unter Landauschem Einfluß. Diese Aktienbanken -waren also höchstens als Ableger des Bankierkonsortiums, nicht als -weitere unabhängige Finanzquellen zu betrachten und konnten einem -jungen industriellen Unternehmen jedenfalls keinen sonderlichen -Rückhalt geben. Viel Spielraum zum Experimentieren stand Emil Rathenau -also nicht zur Verfügung. Er mußte schnell vorwärtskommen und die -Tragfähigkeit seiner Schöpfung beweisen. In der II. Etage des Hauses -Leipziger Str. 94, in der Rathenau und Deutsch mit einem Buchhalter und -einer Schreibmaschine ihr Heim aufgeschlagen hatten, wurde denn auch -mit Hochdruck gearbeitet. Aber nicht nur zu arbeiten galt es, sondern -auch zu paktieren und zu diplomatisieren. Zuerst mußten die Verträge -mit der Pariser Edison Gruppe einer Revision unterzogen werden, denn -es hatte sich erwiesen, daß sie in der Form, wie sie im Jahre 1881 -vereinbart worden waren, nicht aufrechterhalten werden konnten. Der -Plan, neben der Fabrikationsgesellschaft eine besondere Gesellschaft -für den Bau von Zentralen zu gründen, wurde fallen gelassen, da -Zweifel bestanden, ob eine solche in nächster Zeit auf genügende -Aufträge würde rechnen können. Man wollte nicht Kapital in einer -besonderen Gesellschaft festlegen, um es etwa nachher brach liegen -zu lassen. Es wurde vielmehr der Fabrikationsgesellschaft auch das -Baugeschäft übertragen; dafür wurde sie mit einem erhöhten Kapital von -5 Millionen Mark statt dem ursprünglich in Aussicht genommenen von 2 -Millionen Mark ausgestattet. Durch diese Art der Finanzierung war ein -freieres Disponieren über die zur Verfügung stehenden Gesamtkapitalien -ermöglicht. Die französische Edison-Gesellschaft beteiligte sich mit -Aktienkapital nicht an dem deutschen Unternehmen. Dagegen erhielt -sie 1500 Genußscheine. Weitere 1000 Genußscheine wurden den ersten -Zeichnern des Aktienkapitals ausgefolgt. Die Inhaber der 2500 -Genußscheine hatten Anspruch auf 35% des nach Zahlung einer Dividende -von 6% verbleibenden Gewinnüberschusses. Der mit der französischen -Gesellschaft abgeschlossene Vertrag, der in das Statut der Deutschen -Edison Gesellschaft aufgenommen wurde, hatte folgenden Wortlaut: - - +Rechtsverhältnisse zu der Compagnie - Edison in Paris, sowie zu Herrn - Thomas Alva Edison und der Edison - Electric Light Company of Europe - Lim. zu New York.+ - - -§ 35. - -Die Deutsche Edison Gesellschaft für angewandte Electricität erwirbt -von der Compagnie Continentale zu Paris mit Genehmigung des Herrn -Thomas Alva Edison und der Edison Electric Light Company of Europe lim. -zu New York, unter Anwendung des Art. 209 b des Allgemeinen Deutschen -Handelsgesetzbuches das Recht der gewerblichen Ausnützung der in § 3 -bezeichneten Erfindungen des Herrn Edison und der vorgedachten Electric -Light Company und zwar für das gesamte deutsche Reichsgebiet als -ausschließliches Recht, insbesondere nachbezeichnete Befugnisse: - -1. Das Recht, sämtliche zu den im § 3 dieses Statuts spezialisierten -(gleichviel ob patentierten oder nicht patentierten) Edisonschen -Verfahren gehörigen Maschinen zu fabrizieren oder auch in den -Werkstätten ausländischer Edisonscher Gesellschaften fabrizieren zu -lassen, während die Herstellung in sonstigen Fabriken, so lange die -Compagnie Continentale besteht, nur mit deren Genehmigung statthaft -ist; ferner die gedachten Objekte zu beziehen und zu verkaufen; - -2. das Recht, Installationen für Beleuchtungs- und -Kraftübertragungszwecke einzurichten oder die hierauf bezüglichen -Befugnisse anderen einzuräumen; - -3. das Recht, die ad I und II gedachten Gegenstände selbst zu benutzen, -sowie deren Benutzung Dritten zu gestatten. - -Eine andere Gewähr, als die für die gegenwärtige Existenz der Patente -wird bezüglich derselben von Herrn Edison, der Edison Electric Light -Company und der Compagnie Continentale nicht übernommen. - -Das Recht der Fabrikation (ad I) erstreckt sich auch auf die bei den -elektrischen Bahnen zur Verwendung kommenden Maschinen, Apparate, -Utensilien und Materialien, nicht aber auf die Anwendung derselben. - -Die Gesellschaft ist hinsichtlich ihrer gewerblichen Tätigkeit (§ 3) -und hinsichtlich der ihr vorstehend eingeräumten Rechte nur beschränkt -durch diejenigen Rechte, welche der Firma Siemens & Halske in Berlin -laut der am 13. März 1883 zwischen dieser Firma einerseits und dem -Herrn Edison und der Edison Electric Light Company, der Compagnie -Continentale sowie sonstigen Konsorten andererseits abgeschlossenen -beiden Verträge eingeräumt sind, wogegen aber auch die Rechte, welche -in den gedachten Verträgen dem Herrn Edison, der Electric Light Company -und deren Rechtsnachfolgern zugestanden sind, auf die Deutsche Edison -Gesellschaft von selbst übergehen, sofern dieselbe spätestens innerhalb -4 Wochen nach ihrer Eintragung in das Handelsregister eine schriftliche -Annahmeerklärung zu Händen der Herren Siemens & Halske abgiebt. - -Als Erwerbspreis für die vorstehend beschriebenen Rechte wird an die -Compagnie Continentale zu Paris die Summe von Dreihundertfünfzigtausend -Reichsmark bar aus dem Vermögen der Gesellschaft bezahlt. Es findet -aber eine Amortisierung dieser Summe in der Weise statt, daß die -Compagnie Continentale auf die ihr im folgenden § 41 zugebilligten -Prästationen so lange verzichtet, bis dieselben den Betrag von 350000 -Reichsmark erreicht haben. In dem Maße, in welchem dieser Betrag aus -dem Geschäftsbetriebe der Gesellschaft aufkommt, fließt er den Aktivis -der letzteren zu, während der Erwerbspreis der dafür gemäß Vorstehendem -erworbenen Rechte immer nur mit dem entsprechenden Minderbetrage in die -Bilanz eingestellt werden darf, bis er spätestens bei Erreichung der -vollen Summe aus den Aktivis gänzlich verschwindet. - -Neben den vorstehend gedachten 350000 Reichsmark gelten auch diejenigen -Vermögensvorteile, welche der Compagnie Continentale sonst in dem -gegenwärtigen Statut eingeräumt worden sind (vergl. §§ 12 und 41), als -Äquivalente für die gemäß dem Vorstehendem und § 36 erworbenen Rechte. - -Der Wert der von Herrn Edison, der Edison Electric Light Company und -der Compagnie Continentale gemäß diesem Statut (§§ 35, 36) eingeräumten -Rechte wird hiermit auf den mehrgedachten Betrag von 350000 Reichsmark -und die in vorstehendem Alinea bezeichneten Äquivalente festgesetzt. - - -§ 36. - -Die Compagnie Continentale in Paris verpflichtet sich, der Gesellschaft -und zwar dieser ausschließlich alle einschlägigen patentierten und -nicht patentierten Erfindungen, Verbesserungen und Erfahrungen, -welche dem Herrn Edison, der Edison Electric Light Company, oder ihr -selbst für elektrische Beleuchtungen und Kraftübertragung bereits zu -Gebote stehen oder in deren Besitz Herr Edison, die Electric Light -Company oder sie selbst bis zum 15. November 1886 noch gelangen wird, -für Deutschland im ganzen Umfange der im § 35 erwähnten Verfahren -mitzuteilen, und sie in ihrem Geschäftsbetriebe für Deutschland auf -jede Art dergestalt zu unterstützen, daß sie in der Lage ist, die -Fabrikation in dem nämlichen Grade der technischen Vollkommenheit -auszuführen wie die Compagnie Continentale selbst. - -Insbesondere soll die Pariser Gesellschaft verpflichtet sein, der -Gesellschaft auf deren Kosten geeignete Instrukteure zu stellen. Die -Deutsche Edison Gesellschaft ist in allen diesen Beziehungen zur -Reziprozität verpflichtet. - - -§ 37. - -Sobald die Gesellschaft in das Gesellschaftsregister eingetragen ist, -erhält dieselbe von der Compagnie Continentale diejenigen Vollmachten -des Herrn Edison und der Light Company zu New York ausgehändigt, deren -dieselbe zur Führung etwaiger, wegen Verletzung der durch diesen -Vertrag auf sie zu übertragenden Rechte erforderlichen gerichtlichen -und außergerichtlichen Maßnahmen bedürfen wird. - -Dem Herrn Edison und der Light Company wird hiermit das ihnen laut -ihres Vertrages mit der Compagnie Continentale vom 15. November 1881 -gewährleistete Recht, sich an allen wegen unbefugter Nachahmung -der von ihnen patentierten Erfindungen zu führenden Prozessen -akzessorisch zu beteiligen, sowie an jedem anderen Rechtsstreit und -Verwaltungsverfahren, welcher auf Antrag der Lizenzberechtigten in Gang -gebracht werden sollte, ausdrücklich reserviert. - - -§ 38. - -Die Deutsche Edison Gesellschaft übernimmt ihrerseits die -Verpflichtung, für den Schutz der in Rede stehenden Edison-Patente -auf ihre Kosten Sorge zu tragen, und von jeder zu ihrer Kenntnis -gelangenden Verletzung der einschlägigen Patentrechte der Compagnie -Continentale in Paris unverzüglich Mitteilung zu machen. Ist zur -Inschutznahme der gedachten Patente ein prozessualisches Einschreiten -erforderlich, so dürfen Vergleiche hierüber nur mit Genehmigung der -Compagnie Continentale abgeschlossen werden. - - -§ 39. - -Die Compagnie Continentale ist verpflichtet, der Gesellschaft an -deren Sitz unter der Bedingung der Gegenseitigkeit das erforderliche -Aktenmaterial zu dem im § 37 gedachten Zweck jederzeit zur Verfügung zu -stellen. - - -§ 40. - -Für den Fall der Auflösung der Gesellschaft, insbesondere für den Fall -der Liquidation fallen die derselben übertragenen Patentrechte, soweit -sie sich zu jener Zeit noch in Kraft befinden sollten, an die Compagnie -Continentale zu Paris unentgeltlich zurück. - - -§ 41. - -Außer den in dem § 12 bestimmten Vorteilen, welche die Gesellschaft -der Compagnie Continentale eingeräumt hat, ist dieselbe verpflichtet, -an die Compagnie Continentale in Paris halbjährlich nach Abschluß der -Gesellschafts-Rechnungen folgende Prästationen, zahlbar an die Kasse -der letzteren, zu entrichten: - -a) für jede durch die Deutsche Edison Gesellschaft oder deren -Lizenzberechtigte oder durch die Firma Siemens & Halske auf Grund des -im § 35 erwähnten Vertrages in Benutzung genommene oder verkaufte -Lampe, unabhängig von der Lichtstärke derselben 16⅔% des jeweiligen -Selbstkostenpreises, zu welchem die Deutsche Edison Gesellschaft ihre -Lampen fabriziert oder bei einer auswärtigen Edison Gesellschaft -entnehmen wird, keinesfalls aber mehr als 25 Pfennige pro Stück; von -dieser Abgabe sind jedoch diejenigen Lampen befreit, welche die Firma -Siemens & Halske gemäß dem vorgedachten Vertrage, sowie die Deutsche -Edison Gesellschaft selbst im Bereiche ihrer eigenen Geschäfts- und -Fabrikationsräume verwenden wird; - -b) eine Abgabe für jede von der Deutschen Edison Gesellschaft oder -von der Firma Siemens & Halske auf Grund des mehrgedachten Vertrages -innerhalb des Deutschen Reiches ausgeführte Glühlampenbeleuchtung; -diese Abgabe wird entrichtet für jede in solchen Glühlampen tatsächlich -verbrauchte Maschinen-Pferdekraft gleich 75 Kilogrammeter per Sekunde. -Die Feststellung dieser in Lampen verbrauchten Pferdekraft hat nach -dem elektrischen Maßsystem zu erfolgen; für die ersten 50 hiernach bei -einer Anlage in Rechnung kommenden Pferdekräfte beläuft sich die Abgabe -auf 12½ Mark pro Pferdekraft, für jede weitere Pferdekraft auf 16 -Mark; für außerordentliche Anlagen, die vorübergehend eingerichtet -werden, wird diese Abgabe nicht entrichtet. Bei Anlagen gemischter -(Glüh- und Bogenlicht-)Beleuchtung wird diese Abgabe nur für die in -den Glühlichtlampen verbrauchten Pferdekräfte bezahlt. Die Abgaben -werden fällig für die von der Gesellschaft selbst in Benutzung -genommenen resp. verkauften Lampen und Dynamomaschinen mit Ende des -jeweilig laufenden Semesters, für die von der Firma Siemens & Halske -auf Grund des mehrgedachten Vertrages, sowie von etwaigen Lizentiaten -der Gesellschaft benutzten oder verkauften Lampen und Maschinen -jedesmal alsbald nach Eingang. Die Deutsche Edison Gesellschaft wird -der Compagnie Continentale zu Paris allmonatlich eine Liste der -ihrerseits sowie seitens ihrer Lizentiaten oder der Herren Siemens & -Halske in Deutschland veräußerten zur Glühlichtbeleuchtung verwendbaren -Stromerzeugungs-Maschinen unter Angabe der näheren Details zufertigen. - -Von jeder in Glühlicht verbrauchten Maschinen-Pferdekraft und von jeder -Lampe ist jedoch diese Angabe nur einmal zu leisten. - - -§ 42. - -Solange und in so weit die Gesellschaft nicht in der Lage sein wird, -die zur Anwendung des Edisonschen Glühlichtsystems nötigen Maschinen, -Apparate, Utensilien und Materialien bezw. Teile derselben selbst -zu fabrizieren oder durch die Firma Siemens & Halske fabrizieren zu -lassen, jedoch nicht länger als auf die Dauer eines Jahres, hat die -Compagnie Continentale in Paris die zur Anwendung der einschlägigen -Edisonschen Verfahren nötigen Maschinen, Apparate, Utensilien und -Materialien zum Selbstkostenpreise an die Gesellschaft zu liefern. - -Eine Ausnahme hiervon bilden die Lampen, welche der Deutschen -Gesellschaft zu demselben Preise wie der Compagnie Continentale und -der Société électrique zu Paris frei an Bord des Dampfers in New York -geliefert werden. - - -§ 43. - -Die Compagnie Continentale verpflichtet sich, der Deutsches Edison -Gesellschaft die zur Errichtung von Installationen oder auch -Zentralstationen erforderlichen Hilfskräfte, insbesondere das -technische Personal, auf Kosten der letzteren zur Verfügung zu stellen. - - -§ 44. - -Die Compagnie Continentale wird die Gebühren für die in §§ 3 und 36 -erwähnten Patente jedesmal rechtzeitig vor Verfall an das Deutsche -Reichs-Patentamt entrichten und die Belege darüber der Deutschen Edison -Gesellschaft spätestens einen Monat vor Ablauf der letzten Frist -zustellen. - - -§ 45. - -Die Compagnie Continentale in Paris hat das Recht, zwei ständige -Kommissarien zur Wahrnehmung ihrer Befugnisse und Interessen der -Gesellschaft gegenüber zu bestellen. - -Diese Kommissarien partizipieren als solche, wenn sie nicht schon -Mitglieder des Aufsichtsrats sind, an der Tantieme des letzteren und -es stehen ihnen, soweit es sich um die Wahrung der Vertragsrechte -der Compagnie Continentale handelt, sämtliche den Mitgliedern -des Aufsichtsrats in diesem Statut eingeräumten Revisions- und -Kontroll-Befugnisse zu. - - -§ 46. - -Die Bestimmungen dieses Titels können ohne Genehmigung der Compagnie -Continentale in Paris nicht geändert werden. - - * * - * - -Ein Vertreter der Compagnie Continentale Edison in Paris trat in den -Aufsichtsrat der Deutschen Edison Gesellschaft ein. Daneben wurden -noch zwei Kommissare der französischen Gesellschaft bestellt, die die -Geschäftstätigkeit des neuen Unternehmens unter dem Gesichtspunkte der -Interessenwahrnehmung der Compagnie Continentale zu überwachen hatten. -Es waren Herr Louis Rau, administrateur délégué de C. C. E. in Paris -und der deutsche Rechtsanwalt und Notar A. Simson in Berlin. - -Abgesehen von der juristischen Auseinandersetzung mit Edison und den -von ihm gegründeten Gesellschaften war aber noch eine schwierigere mit -der deutschen Konkurrenz zu bewerkstelligen. Insbesondere erschien es -nicht als ratsam, die Tätigkeit ohne Übereinkommen mit der stärksten -Konkurrenzfirma +Siemens & Halske+ zu beginnen, umsomehr, als -die Edisonpatente nicht mehr als unerschütterlich gelten konnten. -Es hätten Versuche gemacht werden können, Glühlampen von ähnlicher -Beschaffenheit und Güte unter Umgehung der Edisonschen Patente -herzustellen und solche Versuche sind auch, je erfolgreicher das neue -Licht sich bewährte, und je mehr es sich beim Publikum einführte, -in großer Zahl unternommen worden. Wenigstens die leistungsfähigste -Elektrizitätsfirma Deutschlands galt es von einem derartigen Vorgehen -zurückzuhalten. In einem der ersten Geschäftsberichte der Deutschen -Edison Gesellschaft wird von der illegitimen Konkurrenz gesprochen -und ihre Erzeugnisse werden als „billig und schlecht“ bezeichnet. -Infolge dieser Eigenschaften waren sie vielleicht nicht allzusehr zu -fürchten. Etwas ganz anderes wäre es aber gewesen, wenn die Firma -Siemens & Halske mit ihren reichen technischen Mitteln und ihren -großen Erfahrungen in der elektrischen Feinmechanik an die Aufgabe, -eine Konkurrenzlampe herzustellen, herangegangen wäre. Dies galt es zu -verhindern, und so wurde, noch bevor die Deutsche Edison Gesellschaft -sich endgültig konstituierte, gleichsam als eine der Vorbedingungen -für ihre rechtliche und wirtschaftliche Lebensfähigkeit ein umfassender -Vertrag mit der Firma Siemens & Halske abgeschlossen, an dem Edison, -die europäischen Edisongesellschaften, das Gründungskonsortium der -Deutschen Edison Gesellschaft und die Rechtsnachfolger Edisons, unter -denen insbesondere die zu gründende Deutsche Edison Gesellschaft -namhaft gemacht wurde, als Vertragsgenossen teilnahmen. Nach dem -Vertrage verpflichteten sich Siemens & Halske, die Edison-Patente -nicht anzufechten und zu stören, sondern im Gegenteil alles zu -tun, um ihre Aufrechterhaltung zu fördern. Ein damals schwebender -Prozeß zwischen Edison und Siemens & Halske, bei dem es sich um eine -angebliche Verletzung der Siemensschen Dynamomaschinen-Patente durch -Edison handelte, wurde bei dieser Gelegenheit durch Vergleich aus der -Welt geschafft. Rathenau entschloß sich nicht leicht zu dem Pakt mit -der älteren Konkurrenzfirma, zumal er damals wie auch später noch die -Empfindung hatte, daß trotz der geschriebenen Verträge eine wirkliche -Harmonie, ein ehrliches Vertrauensverhältnis schwer herzustellen sein -würde. Aber es blieb ihm tatsächlich kein anderer Ausweg und das -Bankenkonsortium forderte wenigstens nach dieser Seite hin gesicherte -Verhältnisse. Ein Streit mit der Firma Siemens & Halske hätte für -das junge Unternehmen, gleich wie er auch juristisch und tatsächlich -schließlich ausgelaufen wäre, doch sicher jahrelange Kämpfe und -Unruhen mit sich gebracht und wäre jedenfalls die denkbar schlechteste -Beigabe für die zielbewußte Arbeit der ersten entscheidenden Jahre -gewesen. So kam denn der rechtlich durch die eigenartige Stellung der -vielen Kontrahenten zueinander sehr verwickelte Vertrag zustande, -der 10 Jahre lang in Geltung bleiben sollte. Die Deutsche Edison -Gesellschaft übernahm von Siemens & Halske mit der Edison Gruppe -geschlossene Patentausnutzungs-Verträge in der Weise, daß Siemens & -Halske ihre Abgaben nicht an die ausländischen Edison Gesellschaften, -sondern an die Deutsche Edison Gesellschaft abzuführen hatten, -während diese die Hälfte der ihr so zugeflossenen Beträge ebenso wie -ihre eigenen Abgaben an die Pariser Gesellschaft weitergeben mußte. -Wirtschaftlich erhielt also die Firma Siemens & Halske die Stellung -einer Unter-Lizenznehmerin der Deutschen Edison Gesellschaft, wenn sie -auch rechtlich direkte Lizenznehmerin der ausländischen Edisongruppe -blieb. -- Natürlich war für Rathenau diese „Einrangierung“ der Firma -Siemens & Halske in sein deutsches Glühlampenmonopol nicht ohne -Zugeständnisse an das alte Elektrizitätshaus zu erreichen gewesen. -Die Übertragung der Siemensschen Verträge mit der Pariser Gruppe auf -die Deutsche Edison Gesellschaft war nur die +eine+ Seite des -Vertragskomplexes zwischen den beiden Gruppen. Ein zweiter Teil bestand -darin, daß Siemens & Halske im Verhältnis der Vertragsgenossen das -alleinige Recht erhielten, Maschinen, Apparate und Materialien für -Beleuchtungsanlagen nach dem System Edison herzustellen, die sie zu -Meistbegünstigungspreisen an die Deutsche Edison Gesellschaft liefern -und die diese von Siemens & Halske beziehen mußte. Glühlampen und -Zubehör durften beide Gesellschaften selbst herstellen. Hinsichtlich -ihres Bezuges von Dampf- und Hilfsmaschinen war die Deutsche Edison -Gesellschaft nicht auf den Bezug von S. & H. angewiesen. Was -Bogenlampen anlangt, so sollte die Deutsche Edison Gesellschaft -die nach dem System von S. & H. gebauten verwenden müssen, sofern -nicht Edison eine eigene Lampe erfinden und exploitieren würde. -Als Gegenleistung für diese Zugeständnisse verpflichtete sich die -Firma Siemens & Halske, keine elektrischen Anlagen zu gewerblichen -Zwecken (sogenannte Zentralstationen) zu betreiben. Die vertraglichen -Abmachungen, die einer +Teilung+ der +Fabrikations- und -Interessengebiete+ auf dem Gebiete der elektrischen Beleuchtung -zwischen beiden Unternehmungen gleichkamen, wurden dadurch bekräftigt, -daß die Firma Siemens & Halske der jüngeren Gesellschaft, die für die -Propagierung des Edisonlichts eine weitverzweigte und leistungsfähige -Absatzorganisation benötigte, ihre eigenen Vertreter in allen Teilen -des Deutschen Reiches für diese Zwecke zur Verfügung stellte. -- -Der für die Entwickelung der Deutschen Edison Gesellschaft so -wichtig gewordene Hauptvertrag mit Siemens & Halske soll nachstehend -gleichfalls in seinen wesentlichsten Bestimmungen wörtlich -wiedergegeben werden. - - -§ 3. - -Die Firma Siemens & Halske verpflichtet sich für die Dauer des -gegenwärtigen Vertrages, die dem Herrn Edison bezw. der Light-Company -für das Deutsche Reich erteilten, die elektrische Glühlicht-Beleuchtung -betreffenden Patente weder mit dem Antrag auf Nichtigkeits-Erklärung -noch sonst anzufechten; sie ist im Gegenteil gehalten, tunlichst -dahin mitzuwirken, daß diese Patente in ihren wesentlichen Teilen -aufrechterhalten und hinsichtlich ihrer gesetzlichen Wirkung allseitig -beachtet bleiben. - -Dagegen räumen Herr Edison, die Light-Company, die Continentale und das -Konsortium hierdurch der Firma Siemens & Halske für das Deutsche Reich -auf die Dauer des gegenwärtigen Vertrages das Recht ein, den Gegenstand -der durch die vorbezeichneten Glühlicht-Patente geschützten Erfindungen -uneingeschränkt gewerbsmäßig herzustellen, herstellen zu lassen, in -Verkehr zu bringen und feilzuhalten. Die Kontrahenten zu 2. bis 7. -entsagen demgemäß für sich und ihre Rechtsnachfolger dem Recht, selbst -oder durch ihre Agenten oder sonstigen Vertreter der vorbeschriebenen -Ausnutzung der Glühlicht-Patente von Seiten der Herren Siemens & -Halske, sei es im Rechtswege, sei es in irgend einer anderen Weise ein -Hindernis entgegenzusetzen, während die letzteren als Entgelt hierfür, -sowie für die weiteren ihnen in diesem Vertrage von dem anderen Teile -eingeräumten Vorteile die Verbindlichkeit übernehmen, nach näherer -Maßgabe der §§ 4 und 6 eine Abgabe - - a) für die Verwendung der Glühlicht-Lampen und ihrer akzessorischen - Teile zur Beleuchtung, - - b) für die Veräußerung solcher Lampen - -zu entrichten. - - -§ 4. - -..... Diese Abgabe wird entrichtet für jede in den Glühlampen -tatsächlich verbrauchte Pferdekraft (= 75 Kilogrammeter per 1 Sekunde). -Die Feststellung dieser in den Lampen verbrauchten Pferdekraft hat nach -dem elektrischen Maß-System zu erfolgen. Es wird vorbehalten, künftig -eine möglichst einfache und sichere Art der Erhebung dieser Abgabe zu -vereinbaren. Für die ersten fünfzig hiernach bei einer Anlage überhaupt -in Rechnung kommenden Pferdekräfte beläuft sich die Abgabe auf 25.-- -Mark pro Pferdekraft, für jede weitere Pferdekraft auf 32.-- Mark. Für -außerordentliche Anlagen, die vorübergehend eingerichtet werden, wird -diese Abgabe nicht entrichtet. - -..... Von Stromerzeugungsmaschinen, welche die Herren Siemens & Halske -veräußern, ohne selbst oder durch ihre Agenten oder Monteure die -Installation auszuführen, haben sie eine Abgabe nicht zu entrichten. - - -§ 5. - -Die Herren Siemens & Halske entsagen für die Dauer des gegenwärtigen -Vertrages dem Recht, permanente Anlagen mit dem gewerblichen -Zweck der Abgabe von Licht gegen Bezahlung des Licht-Verbrauchs -zu betreiben. Dieser Verzicht umfaßt unbedingt jede Anlage, aus -welcher jedermann Licht beziehen kann, betrifft indessen nicht -den Betrieb solcher Anlagen, bei welchen das Eigentum der Anlagen -innerhalb eines Zeitraumes von längstens 6 Jahren auf den resp. die -Licht-Konsumenten übergeht, auch wenn solche bis zum Eigentumsübergang -als Lichtlieferungsanstalten angesehen werden könnten, und ferner nicht -den Betrieb solcher Anlagen, welche nur dem Zweck der in § 4 erwähnten -vorübergehenden Beleuchtungen dienen. - - -§ 6. - -Auf jede Glühlampe, welche die Herren Siemens & Halske im Deutschen -Reich anwenden oder zum Zweck der Anwendung im Deutschen Reich -veräußern, ausschließlich jedoch aller derjenigen Lampen, welche -sie von Herrn Edison oder dessen Rechtsnachfolgern beziehen, und -ausschließlich derjenigen, welche sie im Bereich ihrer eigenen -Fabrikations- und Geschäftsräume verwenden, werden die Herren Siemens -& Halske -- in besonderer Anerkennung der Verdienste des Herrn Edison -in der Erfindung und Durchführung der Glühlicht-Lampe -- an diesen -beziehungsweise an den von ihm jeweilig als empfangsberechtigt -bezeichneten Rechtsnachfolger eine Abgabe entrichten. Die dieser -Abgabe unterliegenden Lampen werden von den Herren Siemens & Halske -bei der Fabrikation durch ein besonderes Merkmal kenntlich gemacht -werden. Ein ähnliches Merkmal wird auch seitens der künftigen Deutschen -Edison Gesellschaft bei den von ihr in Deutschland in Verkehr -gebrachten Lampen angewendet werden. Die Abgabe wird unabhängig von -der Lichtstärke der Lampen festgesetzt auf 33⅓% (dreiunddreißig ein -Drittel Prozent) des jeweiligen Selbstkostenpreises, zu welchem die -Lampen in der Fabrik der Light-Company zu New York resp. in derjenigen -Fabrik, der die künftige Deutsche Edison Gesellschaft die Mehrzahl -ihrer Lampen entnimmt, hergestellt werden und welchen Herr Edison bezw. -seine Rechtsnachfolger halbjährig nach Semestral-Abschluß der Bücher -den Herren Siemens & Halske mitteilen werden. Die Abgabe pro Lampe -darf indessen in keinem Falle den Betrag von 50 Pf. (fünfzig Pfennig) -übersteigen. - -Das Minimum des Preises, zu welchem Herr Edison und seine -Rechtsnachfolger die Glühlampen in Deutschland verkaufen dürfen, -soll der jeweilige Selbstkostenpreis der Fabrik der Light-Company -zu New York oder derjenigen Fabrik, der die künftige Deutsche -Edison-Gesellschaft die Mehrzahl ihrer Lampen entnimmt, unter -Zurechnung eines Gewinnaufschlages von 33⅓% sein, auch wenn und wo -ein Rabatt gewährt wird. Die so festgesetzte untere Preisgrenze ist für -die Herren Siemens & Halske gleichfalls verbindlich. - - -§ 7. - -Die Abgabe (§ 6) wird nicht gezahlt für alle Glühlampen, welche die -Herren Siemens & Halske von Herrn Edison beziehungsweise der ins Leben -zu rufenden Deutschen Aktien-Gesellschaft (§ 1) oder seinen sonstigen -Rechtsnachfolgern erwerben. - -Im Geschäftsverkehr zwischen diesen und den Herren Siemens & Halske -werden den letzteren vielmehr, unbeschadet etwaiger künftiger -Verständigung über weitergehende Vergünstigungen, mit Rücksicht auf die -vertragsmäßigen Gegenleistungen der Herren Siemens & Halske folgende -Vorzugs-Verkaufspreise zugesichert: - - a) Auf Glühlampen bis zu 16 Kerzenstärken erhalten die Herren - Siemens & Halske einen Rabatt von 25% (fünfundzwanzig Prozent) des - Preiskourant-Satzes, mindestens aber einen Rabatt, der den irgend - einem anderen Abnehmer in Deutschland gewährten um wenigstens 10% - des Preiskourant-Satzes übersteigt. - - b) Wird der Preiskourant-Satz der vorbezeichneten Lampen für - Deutschland loko Berlin unter 4 Mark herabgesetzt, so erhalten - die Herren Siemens & Halske die Lampe zu einem Preise, der um - mindestens 5% niedriger ist, als der irgend einem anderen Abnehmer - in Deutschland bewilligte. Stellt sich der so normierte Preis - höher als der nach Litt. a) von einem Preis von 4 Mark oder mehr - berechnete, so sind die Herren Siemens & Halske berechtigt, die - Lieferung zu diesem letzteren Preise zu fordern. - - c) Auf Glühlampen von mehr als 16 Kerzenstärken erhalten die Herren - Siemens & Halske auf den Preiskourant-Satz einen Rabatt, welcher - den irgend einem anderen deutschen Abnehmer gewährten um wenigstens - 5% des Preiskourant-Satzes übersteigt. - -Die Herren Siemens & Halske sind befugt, selbstverfertigte oder -von Dritten bezogene Lampen -- unter Einhaltung der in § 6 am -Ende gezogenen unteren Preisgrenze -- zu einem ihnen beliebigen -Preise zu verkaufen, während sie die von Herrn Edison bezw. dessen -Rechtsnachfolgern, das heißt ohne Leistung einer Abgabe bezogenen -Lampen nicht unter dem Edisonschen Preiskourant-Satz und nicht mit -einem höheren, als dem auf diesen Edisonschen Preiskourantsatz Dritten -gewährten Rabatt weiter veräußern dürfen. - - -§ 8. - -Herr Edison und die Kontrahenten zu 3. bis 7. entsagen mit Rücksicht -auf die vertragsmäßigen Gegenleistungen der Herren Siemens & Halske -für sich und alle ihre Rechtsnachfolger in der Ausnutzung der -Edison-Patente, zu Gunsten der Herren Siemens & Halske, dem Rechte, -Maschinen, Apparate und Materialien anzufertigen, welche bei ihren -Anlagen in Deutschland für elektrische Beleuchtung zur Verwendung -kommen. - -Ausgenommen von vorstehender Entsagung bleiben: - - a) Glühlampen, - b) sockets (Lampenhalter), - c) safety-catches (Sicherheitsausschalter), - d) commutators (Umschalter), - e) alle solche Gegenstände, welche die Herren Siemens & Halske - selbst, nachdem sie solche eingekauft, ohne Bearbeitung weiter - verkaufen würden, als blanke Drähte, Porzellan-Isolatoren und - dergl., - f) Dampfmaschinen oder sonstige Motoren, Dampfkessel und Hilfsmittel - für Betriebskraft, - g) Kandelaber und Befestigungsteile für die Anbringung der Lampen. - -In der Anschaffung und Anfertigung ihres Bedarfs an Gegenständen der -Kategorien zu a) bis g) sind Herr Edison und seine Rechtsnachfolger -nicht beschränkt. Dagegen verpflichten sie sich, gleichfalls aus der -oben gedachten Rücksicht, alle sonstigen nachstehend unter 1. bis 4. -einschließlich aufgeführten Gegenstände unter folgenden Modalitäten -ausschließlich von den Herren Siemens & Halske fabrizieren zu lassen -und zu beziehen, und zwar: - - 1. Stromerzeugungs-Maschinen nach Edisonschen Modellen, welche - die Herren Siemens & Halske zu fabrizieren und zu Preisen - zu liefern haben, die für innerhalb Berlin zur Installation - gelangende Maschinen unverpackt franko Ausstellungsort in Berlin, - für andere Maschinen einschließlich der Verpackung und franko - Bahnhof Berlin die Ausgangspreise nicht übersteigen, zu denen die - Société industrielle et commerciale Edison in Paris die gleichen - Typen jeweilig franko Bahnhof Paris einschließlich der Verpackung - abgibt. Für die innerhalb des ersten Fabrikationsjahres, von - dem Zeitpunkte ab gerechnet, mit welchem die Verpflichtung der - Herren Siemens & Halske zur Fabrikation beginnt oder zu welchem - tatsächlich Bestellungen erfolgt und akzeptiert sind, ausgeführten - Lieferungen darf jedoch der Preis der Herren Siemens & Halske den - vorbeschriebenen Pariser Preis um 5% übersteigen; - - 2. Conductoren Edisonscher Spezialkonstruktion, boites de jonction - und T-Stücke, sowie alle übrigen hier nicht besonders aufgeführten, - zu dem Edisonschen Leitungssysteme gehörenden Gegenstände, welche - die Herren Siemens & Halske verpackt loko Berlin Bahnhof bezw. - unverpackt loko Berlin franko Aufstellungsort zu Preisen zu - liefern haben, die denjenigen Preis nicht übersteigen, zu welchem - die Société industrielle et commerciale Edison in Paris diese - Gegenstände inklusive Verpackung franko Pariser Bahnhof abgibt. - - 3. Kabel zur Glühlicht-Beleuchtung und Bogenlicht-Beleuchtung, die - Spezial-Konstruktionen der Firma Siemens & Halske sind, welche die - Herren Siemens & Halske zu liefern und loko Fabrik ausschließlich - der Verpackung mit einem Rabatt zu berechnen haben, der den irgend - einem anderen deutschen Abnehmer in derselben Rechnungsperiode - gewährten Rabatt um 5% des Lieferungspreises übersteigt. - - 4. Leitungsdrähte für die Installation im Innern der Gebäude, - welche Herr Edison und seine Rechtsnachfolger gleichfalls - vorzugsweise von den Herren Siemens & Halske beziehen sollen, - sofern und solange diese Firma jene Gegenstände unter den - gleichen Bedingungen, insbesondere in gleicher Qualität, zu dem - nämlichen oder einem geringeren Preise und innerhalb der gleichen - Lieferungszeiten liefert, als zu welchen dieselben loko Berlin von - einem anderen Lieferanten bezogen werden können. - -..... Die Verpflichtung der Herren Siemens & Halske, Maschinen etc. -unter obigen Bedingungen zu liefern, beginnt sechs Monate nach -Vollziehung dieser Vertrages. - -..... Im Fall die Herren Siemens & Halske eine Kündigung des Vertrages -ausgesprochen haben, werden Herr Edison und seine Rechtsnachfolger -- -in besonderer Anerkennung der Verdienste des Herrn Dr. Werner Siemens -und der von ihm geleiteten Firma in der Erfindung und Durchführung der -Dynamo-Maschine -- für die Dauer des gegenwärtigen Vertrages von jeder -solchergestalt in ihren eigenen Werkstätten angefertigten Maschine -an die Herren Siemens & Halske eine Abgabe entrichten. Diese Abgabe -wird festgesetzt auf 5% (fünf Prozent) desjenigen Preises, welcher -den Herren Siemens & Halske für eine stromerzeugende Maschine der -betreffenden Type zuletzt tatsächlich gezahlt ist, bezw. -- bei neuen -Typen -- nach dem Obigen (siehe Nr. 1 etc.) zu zahlen sein würde. - - -§ 11. - -Herr Edison und seine Rechtsnachfolger entsagen mit Rücksicht auf -die vertragsmäßigen Gegenleistungen der Herren Siemens & Halske -für Deutschland dem Recht, bei Bogenlicht-Beleuchtungen irgend -ein anderes System als dasjenige der Herren Siemens & Halske oder -ein von Herrn Edison selbst erfundenes zu exploitieren und den zu -Bogenlicht-Beleuchtungen gebrauchten Zubehör aus einer anderen -Bezugsquelle als von den Herren Siemens & Halske zu entnehmen, -unbeschadet der im § 8 bestimmten Ausnahmen. Nur Kohlenstäbe fallen -nicht unter diese Vereinbarung (§ 9 in fin.). - - * * - * - -Das Abkommen zwischen der Deutschen Edison Gesellschaft und Siemens -& Halske hatte für beide Teile seine Vorteile und Nachteile. Für -die ältere Firma, deren weitverzweigter Geschäftskreis dadurch nur -in einem, überdies ziemlich weit an der Peripherie gelegenen Teile -berührt wurde, hatte es zunächst mehr die Bedeutung eines Ausgleichs -über ein neues, den alten Geschäftsstamm ergänzendes Zukunftsgebiet, -keineswegs die Tragweite einer Teilung bisherigen Alleinbesitzes -mit einem neu hinzukommenden Konkurrenten. So wurde es wenigstens -damals von den Leitern der Firma S. & H. aufgefaßt. Auf diesem neuen -Gebiete, dem der Lichtelektrizität, sicherte man sich das Recht, die -beste damals vorhandene Glühlampe zu produzieren. Die der Deutschen -Edison Gesellschaft gegenüber höhere Lizenzgebühr nahm man in den -Kauf, glaubte diesen Nachteil aber dadurch hinlänglich ausgeglichen zu -haben, daß man das ausschließliche Recht, Maschinen und Materialien -für Beleuchtungszwecke nach dem Edisonschen System herzustellen und -dazu einen bedeutenden Pflichtabnehmer für diese Fabrikate sowie -für die eigene Bogenlampenkonstruktion gewann. Der Verzicht auf die -sogenannten „Konzessionen“, das heißt das Recht, Zentralstationen zur -Erzeugung und gewerblichen Abgabe von Lichtstrom für eigene Rechnung -zu errichten, fiel der Firma Siemens & Halske damals nicht schwer. -Sie hielt diesen Zentralenbau in eigener Regie für etwas Unsolides, -mit dem Odium der Gründerei Behaftetes und hätte -- wenigstens zu -jener Zeit -- wohl auch ohne diese Bindung nicht an die Errichtung -solcher Stationen gedacht. Der ganze Vertrag war für die Firma insofern -wertvoll, als er ihr die Möglichkeit bot, die neue Konkurrenz, deren -Kapitals- und Industriekraft ihr gewiß nicht ebenbürtig war, deren -Unternehmungslust aber sehr groß und lebhaft zu sein schien, auf ein -Sondergebiet, das der Glühlampenbeleuchtung, zu beschränken. Für -die Deutsche Edison Gesellschaft waren manche der einschränkenden -Bedingungen -- darüber war sich Emil Rathenau schon damals nicht im -Unklaren -- hemmend, wenngleich nicht so sehr für die nächste Zeit, die -auf dem gewählten Sondergebiet vorerst mehr als genug Arbeit bot, als -für die weitere Entwickelung. Dafür erwarb die junge Gesellschaft aber -ein Rechtsmonopol für Glühlampen Edisonschen Systems in Deutschland, -schaltete die stärkste Konkurrenz auf dem wichtigen Zentralenbaugebiet -aus und hatte die Gewähr, diejenigen Hilfsanlagen, die sie selbst -nicht herstellen durfte, von der leistungsfähigsten Fabrikationsfirma -zu günstigen Preisen geliefert zu erhalten. Schließlich war die enge -Geschäftsverbindung mit dem großen Hause Siemens & Halske für den -geschäftlichen Ruf eines neu gegründeten Unternehmens an sich, ganz -unabhängig von dem Inhalt der Verträge, wertvoll genug. Sie hob es über -die Fährnisse und Unsicherheiten der Vertrauensfrage Abnehmern und -Aktionären gegenüber mit einem Schlage soweit hinaus, wie dies sonst -nur durch jahrelange gute Leistungen und Erträgnisse möglich gewesen -wäre, und gab ihm von vornherein den Rahmen der Ernsthaftigkeit und -industriellen Bedeutung. Eine Gesellschaft, die Siemens & Halske eines -Interessenteilungs-Vertrages für würdig hielten, mußte -- so wird man -sich damals gesagt haben -- doch eine ernsthafte Grundlage besitzen, -und der „Vertrag mit Siemens, der Rathenau an Händen und Füßen -fesselte“ -- so drückte sich ein bekannter Finanzmann aus -- „war für -das junge Unternehmen nichtsdestoweniger ein Glück, weil es eben ein -Vertrag mit Siemens war.“ - -Nach Erledigung dieser rechtlichen und vertraglichen -Grundkonstruktionen konnte sich die neue Verwaltung mit Intensität -ihrer industriellen Arbeit widmen. Dabei war sie sich durchaus der -Tatsache bewußt, daß das neue Beleuchtungssystem in seiner praktischen -Anwendung und Handhabung noch nicht völlig über die Periode der -Versuche und Kinderkrankheiten hinausgewachsen war. Rückschläge und -Mißerfolge -- namentlich in der Hand von ungeübten Unternehmern -- -waren leicht möglich, und hätten der Volkstümlichkeit der jungen -Beleuchtung schweren Schaden bringen können. In der ersten eigenen -Blockstation, Friedrichstraße 85, von der aus man die umliegenden -Häuser und Etablissements mit elektrischem Licht speiste, mußten die -Ingenieure der Gesellschaft, darunter Rathenau und Oscar v. Miller, -noch immer persönlich scharfen Überwachungsdienst leisten, damit -die Maschinen in richtigem Gang blieben, und wenn doch einmal, was -gar nicht so selten vorkam, die elektrische Beleuchtung plötzlich -erlosch, mußten die Gäste im Café Bauer, das zu den Abnehmern -jener ersten Station gehörte, mit guter Laune über die unangenehme -Situation hinweggebracht werden, eine Aufgabe, die allerdings -- wie -Oscar v. Miller humorvoll zu erzählen pflegte -- bei den Kollegen -am wenigsten begehrt war. Hatte die Deutsche Edison Gesellschaft -schon selbst trotz ihrer besonderen Erfahrungen auf dem Gebiete des -Glühlampen-Lichts mit derartigen Schwierigkeiten zu kämpfen, so mußte -sie sich die Lizenzanträge, die ihr in großer Zahl zugingen, doppelt -und dreifach daraufhin ansehen, ob die Firmen, von denen sie ausgingen, -die erforderliche technische Gewähr für zuverlässige Ausführung -boten. In ihrem ersten Geschäftsbericht hebt die Edisongesellschaft -ausdrücklich hervor, daß sie unter Verzicht auf den durch unbeschränkte -Lizenzerteilung zu erzielenden Nutzen unter dem Schutz der deutschen -Edison-Patente nur Firmen vereinigen dürfe, die durch ihre bisherigen -Leistungen und durch ihre bevorzugte Stellung in der Industrie dem -Publikum genügende Sicherheit für sorgfältige Installation und -Garantien dafür boten, daß sie nicht auf Kosten der Qualität eine -Preiskonkurrenz herbeiführen würden. Infolge dieser vorsichtigen -Verkaufspolitik wurden im ersten Geschäftsjahre nur mit der Firma J. -Schuckert in Nürnberg und der Firma Heilmann, Ducommun & Steinlen -in Mülhausen Lizenzverträge abgeschlossen, nach denen sie gegen -Erstattung gewisser Abgaben und gegen die Verpflichtung, die Lampen -ausschließlich von der Deutschen Edison Gesellschaft zu beziehen, -zur Benutzung der Edisonschen Patente berechtigt waren. Trotz dieser -selbstgewählten Beschränkung waren bei Ablauf des ersten im ganzen -noch nicht 8 Monate umfassenden Geschäftsjahres der Gesellschaft in -Deutschland bereits 138 Dynamomaschinen mit mehr als 12000 Lampen unter -dem Schutze der Edisonschen Patente in Tätigkeit. Die ersten Maschinen, -Apparate usw. mußten noch von ausländischen Edison-Gesellschaften -bezogen werden, da die Firma Siemens & Halske nicht sofort mit -der Lieferung von Edison-Maschinen beginnen konnte, sondern erst -umfassende Vorbereitungen für die Produktion treffen mußte. Hierbei -trat denn die Mangelhaftigkeit der Edisonschen Original-Maschinen -klar zutage. Eisenteile zerbrachen häufig, die Widerstände waren -falsch berechnet. Kurz, die Deutsche Edison Gesellschaft hatte mit -diesen Maschinen viel Ärger. Schon in kurzer Zeit gelang es der Firma -Siemens & Halske aber dank ihrer ausgezeichneten und geschulten -Kräfte und der reichen Mittel, die ihr zur Verfügung standen, sich -der übernommenen Aufgabe in so vollendeter Weise zu entledigen, daß -die Deutsche Edison Gesellschaft ihren Bedarf ausschließlich in ihren -Werkstätten decken konnte. Für die Herstellung von Antriebsmotoren -zum Betriebe der Dynamomaschinen, bei deren Bezug die Gesellschaft -nicht an S. & H. gebunden war, entwarf die Edison-Gesellschaft, nachdem -es sich herausgestellt hatte, daß die zu verwendenden Motoren die -bisherigen Ansprüche überstiegen, Spezialkonstruktionen, die nach ihren -Anweisungen von einer Berliner Maschinenfabrik hergestellt wurden. -Auch hier ging es nicht ohne Fehlschläge ab. Für die Herstellung -von Glühlampen, die den wesentlichsten Teil der neuen Beleuchtung -bildeten, richtete die Gesellschaft dagegen eigene Fabrikationsanlagen -auf Grund der in Amerika und Frankreich gemachten Erfahrungen -ein; die Erzeugungsfähigkeit der Fabrik wurde auf zunächst 150000 -Lampen jährlich bemessen und im ersten Geschäftsjahre -- in einer -Verkaufszeit von 6 Monaten -- wurden 25000 Stück abgesetzt. An größeren -Installationsaufträgen waren u. a. auszuführen: Die endgültigen -Beleuchtungsanlagen in den beiden Münchener Königlichen Theatern, -dem Residenztheater und dem Opernhaus, und eine Anlage in dem neuen -Königlichen Residenztheater zu Stuttgart. Im ganzen wurden 27 Anlagen -mit 33 Maschinen hergestellt, unter deren Bestellern sich Maschinen-, -Zucker- und Papierfabriken, Spinnereien, Webereien, Geschäftshäuser und -Restaurants befanden. Dabei leisteten Felix Deutsch seine Beziehungen -namentlich zur Zuckerindustrie gute Dienste. Auch hier waren die -Ergebnisse aber zunächst keineswegs so befriedigend, wie man das -erhofft hatte. Abgesehen von den Störungen, die durch die anfänglich -gelieferten schlechten amerikanischen Maschinen hervorgerufen -wurden, konnten sich die Kunden auch nur schwer an die sogenannten -„Schnelläufer“ gewöhnen, die mit den 300 Touren, die sie in jener Zeit -liefen, für damalige Begriffe ein Höllengeräusch machten. In eigenem -Betrieb wurde die kleine von der Versuchsgesellschaft übernommene -Zentralstation ausgebaut, die von dem Grundstück des Unionklubs in der -Schadowstraße diesen sowie die Ressource von 1794 mit elektrischer -Energie versorgte. Eine Erweiterung mit dem Zwecke, auch das in der -Nähe gelegene Aquarium so wie einige andere Nachbarbetriebe mit Licht -zu versorgen, wurde in die Wege geleitet. Die im Jahre 1883 in Berlin -abgehaltene Hygiene-Ausstellung wurde dazu benutzt, das Glühlicht in -großem Maßstabe dem Publikum der Reichshauptstadt vorzuführen. - -Für das Jahr 1883, das erste Geschäftsjahr des neuen Unternehmens, -wurde folgende Bilanz aufgestellt: - - =Bilance für das erste Geschäftsjahr=, - abgeschlossen per 31. Dezember 1883. - - _Aktiva._ M. Pf. - - An Kasse-Conto 7.720.07 - - „ Effekten-Conto 3½ pCt. Pr. St. - Schld. (Kaution) nom. M. - 150.-- 150.05 - - „ Waaren-Conto 204.248.01 - - „ Conto-Corrent-Conto - a) Guthaben bei diversen Banken 4.103.672.-- - b) Guthaben auf Forderungen in - lfd. Rechnung 548.298.27 4.651.970.27 - - „ Inventarien-Conto - I. Mobilien 11.727.97 - II. Comptoir- und - Bureau-Utensilien 4.219.95 - III. Technische Instrumente, - Apparate und Chemikalien 5.929.55 - IV. Bücher und Pläne 2.387.60 - V. Werkzeuge 1.233.85 - ---------- - 25.498.92 - ab 10% Abschreibung 2.550.-- 22.948.92 - - „ Immobilien-Conto - Grundstück Friedrichstrasse 85 227.211.38 - - „ Vorschuss-Conto Compagnie - Continentale Paris, Rest der - an dieselbe, für Ausnutzung - der Edison-Patente gezahlten - Erwerbspreise von M. - 350.000 per 31. Dezember - 1883 (§ 35 der Statuten) 336.133.45 - - „ Centralstation Schadowstrasse 9 - Union-Club und Ressource 1794 54.739.05 - - „ Patent-Conto 2.000.-- - ------------ - 5.507.121.20 - - - _Passiva._ M. Pf. - - Per Actien-Capital-Conto 5.000.000.-- - „ Conto-Corrent-Conto - Creditoren in laufender Rechnung - 303.137.03 - - „ Hypotheken-Conto - auf Friedrichstrasse 85 haftende - Hypothek 30.000.-- - - „ Gewinn- und Verlust-Conto - Reingewinn 173.984.17 - - „ Dividenden-Conto per 1883 - 4% v. M. 5.000.000 resp. - 10.000 Act. à M. 13.35 M. 133.500 - - „ Rückstellungs-Conto - für unternommene Anlagen M. 40.000 - - „ Gewinn-Uebertrag pro 1884 M. 484.17 - _____ ____________ - 5.507.121.20 - - =Gewinn- und Verlust-Conto= - per 31. Dezember 1883. - - _Debet._ M. Pf. - - An Handlungs-Unkosten-Conto - I. Gehälter 56.563.70 - - II. Reisekosten 4.203.75 - - III. Schreib- und Zeichen-Material, - Druckkosten, Formulare - und Bureaubedürfnisse - 6.529.48 - - IV. Porti, Depeschen, Insertionen - und öffentliche - Blätter 5.926.68 - - V. Miethe und Instandhaltung - der Dienstlokale 6.641.50 - - VI. Feuer-Versicherung 861.48 - - VII. Stempel, Steuern, Einkommen- - und Mieths-Steuer 4.993.70 - _________ - 85.720.29 - - An Organisations-Conto - Druck der Actien und Statuten, Prospekte, - Eintragungskosten, Fertigstellung und - Controllzeichnung der Actien und - Publikationen durch die Presse 12.323.33 - „ Inventarien-Conto - 10 pCt. Abschreibung von 25.498.92 2.550.-- - Reiner Gewinn 173.984.17 - __________ - 274.577.79 - - _Credit._ M. Pf. - Per Waaren-Conto 160.151.23 - Per Zinsen-Conto 114.426.56 - __________ - 274.577.79 - - * * - * - -Wir sehen aus dieser Bilanz, daß nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres -das eingezahlte Kapital der Gesellschaft von 5 Millionen Mark erst zu -einem kleinen Teil in Anspruch genommen und in den Betrieb überführt -worden war. Ein Betrag von 4.103.672 Mark war noch bar vorhanden und -als Guthaben der Gesellschaft bei verschiedenen Banken niedergelegt. -Trotzdem konnte auf das Aktienkapital von 5 Millionen Mark eine -Dividende von 4% für die Zeit von der Gründung der Gesellschaft bis -zum Bilanzabschluß zur Ausschüttung gebracht werden, was aber zum Teil -dadurch ermöglicht wurde, daß neben dem Warengewinn von 160.151 Mark -ein Zinsgewinn von 114.426 Mark aus dem Bankguthaben der Gesellschaft -zufloß. - -In den folgenden Jahren schritt die technische Entwickelung rüstig -fort. Trotz mancher Rück- und Fehlschläge war der Siegeszug des -Edison-Lichts nicht mehr aufzuhalten, besonders nachdem es der -Gesellschaft gelungen war, eine Bogenlampenkonstruktion zu erwerben, -bei der es möglich wurde, Bogenlicht und Glühlicht rationell in -demselben Stromkreise zu brennen. Diese Lampe füllte auch die -Lücke aus, die bisher zwischen der sechzehnkerzigen Glühlampe -und der Bogenlampe von 1000 Normalkerzen bestanden hatte, da man -ihre Lichtstärke durch Regulierung des Stromverbrauchs in weiten -Grenzen bis zu 100 Kerzen Leuchtkraft herab vermindern konnte. -Damit wurde eine der Hauptvorbedingungen für die Einrichtung von -Zentralstationen, die Straßen und Innenräume gleichzeitig versorgen -konnten, gegeben. Die neue Bogenlampe bewährte sich gleich gut in -Wohnungen wie in Werkstätten, in Theatern wie auf Straßen und gewann -schon in wenigen Monaten unter der großen Zahl von Bogenlampen, die -allenthalben angeboten wurden, solchen Ruf, daß die Deutsche Edison -Gesellschaft nur selten Glühlichtbeleuchtungen ausführte, bei denen -nicht einige oder mehrere Bogenlampen mit verwendet wurden. Mit dem -neuen System hatte die Deutsche Edison Gesellschaft zwar, bei der -damals herrschenden Praxis des Patentamts, neue Erfindungen nur in -begrenztem Umfange zu schützen, kein Monopol für gemischtes Licht -erworben, aber trotz der Intensität, mit der sich fast die gesamte -Konkurrenz sofort dem neuen Gebiete zuwandte, einen Vorsprung erlangt, -der so schnell nicht einzuholen war. Auf Grund ihrer Erfahrungen -hatte sie eine Spezialfabrikation der neuen Lampe eingerichtet, die -es ihr ermöglichte, diese in einer Vollendung herzustellen, wie -sie die Konkurrenz damals noch nicht erreichen konnte. Derartige -Vorsprünge lassen sich gerade in der Elektrotechnik allerdings nur -verhältnismäßig kurze Zeit hindurch aufrechterhalten, und, selbst -wenn unablässig weiter gearbeitet und der Zwischenraum durch neue -Verbesserungen aufrecht zu halten versucht wird, gelingt es meist -nach einiger Zeit der Konkurrenz, den Anschluß wieder zu finden. So -schnell war dies damals bei dem gemischten Licht der Deutschen Edison -Gesellschaft aber nicht möglich, und infolgedessen wurde gerade von -der stärksten Konkurrenzfirma, Siemens & Halske, die sich in ihrer -bisherigen fast monopolistischen Beherrschung des Bogenlampengeschäfts -durch die neue Erfindung ernstlich bedroht sah, eine Einwirkung auf -nichttechnischem Gebiete versucht. Siemens & Halske bestritten der -Deutschen Edison Gesellschaft auf Grund des zwischen beiden Firmen -geschlossenen Vertrages das Recht, Bogenlampen anderer Konstruktion als -der von Siemens & Halske verwendeten herzustellen oder zu beziehen. -Der Vermittlungs-Vorschlag der Deutschen Edison Gesellschaft, Siemens -& Halske die Anfertigung der neuen Lampen vorzugsweise zu bestimmten -Preisen zu übertragen, wurde nicht angenommen, und es kam zwischen den -beiden Firmen zu ihrem ersten Prozeß. Auch sonst hatte die Edison -Gesellschaft ihre Patente und Konstruktionen gegen Einsprüche und -Verletzungen zu verteidigen. Insbesondere die Swan United Electric -Light Co. in London, die Besitzerin der englischen Edisonpatente, -hatte einerseits eine Klage auf Nichtigkeit der Edison-Patente in -Deutschland angestrengt, und andererseits behauptet, daß die von ihr -hergestellten und in Deutschland vertriebenen sogenannten Swanlampen -die Edison-Patente nicht berührten. Es entwickelte sich ein Rattenkönig -von Prozessen, da umgekehrt auch die Deutsche Edison Gesellschaft gegen -Agenten und Abnehmer der Swan Electric Co. Klagen bei verschiedenen -Landgerichten wegen Patentverletzung eingereicht hatte. Solange die -Prozesse schwebten, konnten, wie es in solchen Fällen zu geschehen -pflegt, wirksame Mittel gegen eine Herstellung und Vertreibung der -„rechtswidrig hergestellten“ Lampen nicht ergriffen werden. Selbst als -die Hauptklagen vom Reichsgericht zu Gunsten der Edison Gesellschaft -entschieden waren, gelang es nicht mehr, eine völlige Aufrechterhaltung -der Edison-Patente zu erreichen, da die Gegner in gewissen rechtlich -als Nebenpunkte figurierenden Teilen ihrer Klage durchdringen konnten, -womit aber bei der Lage der damaligen Technik die Edison-Patente -tatsächlich gefallen waren. Streng genommen sind sie niemals derart in -Kraft gewesen, daß sie ein tatsächliches Monopol für die Herstellung -der Glühlampen gewährten. Es gab stets Konkurrenzfirmen, sowohl in -Deutschland als auch anderswo, die sich außerhalb der Patente zu -stellen wußten, und so wäre es auch Rathenau an sich möglich gewesen, -seine Glühlampenfabrikation ohne die belastenden Verträge mit Edison -aufzunehmen. Er hätte vielleicht als „Patent-Freibeuter“ nicht viel -mehr Prozesse führen müssen, wie er in seiner Eigenschaft als Wahrer -der legitimen Edisonschen Rechte gegen die Freibeuter zu führen -gezwungen war. Aber er wählte zum Teil aus Redlichkeit, zum Teil, -um die große Zugkraft des berühmten Erfindernamens und die damals -beste und fertigste Glühlampe sowie die von Edison bereits gemachten -Erfahrungen sich nutzbar machen zu können, den geraden Weg. Bitter -hat er es gelegentlich beklagt, daß „dem großen Meister der Tribut -seiner Erfindung vorenthalten worden sei und daß selbst die technische -Autorität eines Slaby nicht ausgereicht hätte, um den Richtern seine -wissenschaftliche Überzeugung, mit der er für die Erhaltung der -deutschen Patente eingetreten war, glaubhaft zu machen.“ Wieviel -Intriguenspiel und inneres Unrecht bei diesen „rechtlich“ zu Gunsten -der Gegner entschiedenen Prozessen mit im Spiel war, zeigt allein -die Tatsache, daß dieselbe Swan Electric Co., die in Deutschland -die Edison-Patente bekämpfte und zu Fall brachte, in England selbst -Inhaberin dieser Patente war und daß es ihr dort gelang, sie noch etwa -10 Jahre lang gegen alle Einsprüche aufrecht zu erhalten. Angesichts -solcher Widersprüche wird die Bitterkeit, mit der Rathenau häufig genug -von den Patententtäuschungen jener Zeit sprach, wohl verständlich. - -Die geschilderten Umstände dürften gezeigt haben, daß es nicht die -bequemen Monopolrechte waren, denen es zuzuschreiben war, daß die -Deutsche Edison Gesellschaft vorwärts kam, sich Namen und Erfolge -errang. Kaufmännische Zähigkeit und technische Tüchtigkeit errangen -diese Erfolge und bewirkten, daß die junge Gesellschaft die von -ihr rechtmäßig erworbenen Monopole auch tatsächlich verdiente. Sie -mußte sie sozusagen täglich erwerben, um sie zu besitzen. Überall -da, wo die Einführung der Lichtelektrizität am schwersten war, -da war die Deutsche Edison Gesellschaft zu finden. Die kleineren -isolierten Einrichtungen, die mit Hilfe von Agenten und selbständigen -Installateuren verhältnismäßig leicht ausgeführt werden konnten, -überließ sie ihren Lizenzträgern. Sie selbst befaßte sich fast -ausschließlich mit dem Bau umfangreicherer Anlagen wie Blockstationen, -Beleuchtungen von Theatern, Kauf- und Warenhäusern, ausgedehnten -gewerblichen Etablissements. Den bereits geschilderten Anlagen -im Jahre 1883 folgten im nächsten Jahre die Blockstation in der -Friedrichstraße 85, die das Café Bauer, die Gebäude Unter den Linden -26 und 27 mit Strom versorgte und eine Lichtkapazität von 2000 -Lampen erhielt. Der Schnelldampfer „Werra“ des Norddeutschen Lloyd -und das chinesische Panzerschiff „Chen Yuen“ erhielten durch die -Gesellschaft Edison-Anlagen. Den Theaterbeleuchtungen in München und -Stuttgart folgten solche in Schwerin, Dessau und Halle. Das Bayerische -Landtagsgebäude, das Preußische Kultusministerium und die Friedrich -Wilhelmsuniversität in Berlin erteilten Aufträge. In Spinnereien, -Webereien, Druckereien, Mühlen, Brauereien fand das neue Licht -wegen seiner Annehmlichkeit und Sicherheit immer größeren Eingang, -besonders nachdem die Maschinen zuverlässiger ausgeführt wurden -und regelmäßiger funktionierten. Derartige größere Anlagen waren -durch selbständige Abnehmer, Agenten oder Installationsingenieure -nicht einzurichten, sie erforderten eine so eingehende Kenntnis der -neuen Methoden, eine so umfangreiche Bauorganisation, daß sie nur -von der Edison-Gesellschaft selbst vorgenommen werden konnten und -nicht nur eine Projektierung durch diese Firma, sondern auch eine -sorgfältige Überwachung der Installationen durch alle Stadien von -der Zentralstelle aus erforderten. Sollte das Werk wirksam seinen -Meister loben, und dem neuen Licht die Anhängerschaft immer weiterer -Kreise werben, so mußten alle wichtigen und schwierigen Anlagen unter -eigener Verantwortlichkeit ausgeführt werden. Besonders Deutsch, der -von Anfang an die Licht- und Kraftanlagen sowie das Installations- -und Absatzgeschäft unter sich hatte, erkannte, gewitzigt durch die -Klagen, die ihm in seinen Abnehmerkreisen fehlerhaft ausgeführte -Anlagen eingetragen hatten, die Notwendigkeit, die bisherigen -Absatzmethoden, wie sie in der Elektrizitätsindustrie, namentlich -auch bei Siemens & Halske, üblich gewesen waren, einer gründlichen -Reform zu unterziehen. An die Stelle des Agenten, Installateurs und -Händlers, der Maschinen, Apparate, Lampen und Materialien bezog, -setzte er das +eigene Installationsbureau+, das allmählich in -allen wichtigeren Städten des In- und Auslands entstehen, die dort -vorkommenden Aufträge ausführen und durch lebendige, individuelle -Propaganda, solide Arbeit und wirksame Beispiele die in Betracht -kommenden Betriebe zur Einführung der elektrischen Beleuchtung anregen -sollte. Bereits im Jahre 1885 wurde das erste Installationsbureau -in München errichtet, zum Teil um den partikularischen Interessen -und Eigenheiten entgegenzukommen, zum Teil weil man in der Stadt -der Elektrizitätsausstellung von 1883 und der ersten elektrischen -Theaterbeleuchtung einen besonders gut vorbereiteten Boden zu finden -hoffte. Leipzig, Breslau, Köln, Hamburg und Straßburg i. E. folgten -bereits in den nächsten Jahren. Die Entwickelung des Geschäfts in der -ersten Periode der Gesellschaft, die mit dem Jahre 1886 abschließt, -wird dadurch am besten gekennzeichnet, daß im Jahre 1883 27 Anlagen mit -33 Maschinen und 4729 Lampen hergestellt wurden, während am Schlusse -des Jahres 1886 durch die Gesellschaft bereits 260 Anlagen mit 70000 -Glühlampen und 1000 Bogenlampen in Betrieb gesetzt waren. - -Dieser Entwickelung des Absatzes und der Geschäftsorganisation -entspricht auch das Wachstum der Fabrikations- und -Geschäftseinrichtungen. Bereits nach wenigen Monaten hatte die -Gesellschaft ihre Bureauräume im Hause Leipzigerstraße 94 aufgegeben, -zum Teil weil sie zu eng wurden, zum Teil weil die Nähe eines in die -Parterre-Räume eingezogenen Caféetablissements mit wenig vornehmem -Konzert- und Nachtbetrieb unangenehm fühlbar wurde. Die Gesellschaft -hatte alsdann auf Veranlassung des rührigen Deutsch das Grundstück -Friedrichstraße 85 erworben. Deutsch hatte einen Erwerb der ganzen -damals verkäuflichen 400 Quadratruten vorgeschlagen. Rathenau, der -bei Neuerwerbungen immer sehr vorsichtig zu Werke ging, hatte von -diesen 400 Quadratruten 200 abgestrichen. Er huldigte überhaupt dem -Grundsatz „Eher zu klein, als zu groß“ und diesem Grundsatz hat es -seine Gesellschaft zu verdanken gehabt, daß ihre Betriebe stets -überbeschäftigt waren, und jene Halbleere, die die Produktionskosten -und Zinsen so abnorm steigert, auch in Zeiten schlechter Konjunktur -vermieden wurde. Auf die Chancen, gute Konjunkturen ganz auszunutzen, -besonders wenn sie überraschend auftraten, mußte allerdings bei einem -solchen System verzichtet werden. In dem Gebäude Friedrichstraße -85, in dessen Kellerräumen die schon mehrfach erwähnte Blockstation -untergebracht war, befanden sich die Bureauräume, indes auch nur -kurze Zeit. Als das erste Fabrikgebäude in der Schlegelstraße, -die Lampenfabrik, auf dem einstmals von Strousberg für einen -Schlachthof, später für eine Markthalle in Aussicht genommenen -Gelände fertiggestellt war, wurden die Bureauräume im Interesse -einheitlicher Verwaltung bereits Mitte März 1884 in die Fabrik verlegt. -Die Parterre-Räumlichkeiten des Hauses Friedrichstraße wurden an -Laden-Geschäfte vermietet, in den oberen Räumen wurde eine permanente -Ausstellung von Erzeugnissen der Gesellschaft eingerichtet. Die -neue Fabrik hatte einen Umfang und Einrichtungen erhalten, in denen -jährlich 300000 Glühlampen hergestellt werden konnten. Man glaubte -damals, mit solchen Dimensionen einen gewaltigen Spielraum für weitere -Ausdehnungsmöglichkeiten der Zukunft erschlossen zu haben. Mit welchen -Riesenschritten die Ansprüche wachsen würden und wie bald und wie -oft neue Erweiterungen dieser Grundfabrik notwendig werden würden, -hat selbst ein Elektrizitäts-Optimist wie Emil Rathenau damals nicht -vorhergesehen. - -Die Bilanz von Ende 1886 gewährte schon ein ganz anderes Bild als -die erste von 1883. Das Anfangskapital von 5 Millionen Mark, mit dem -die Gesellschaft bei ihrer Gründung ziemlich reichlich ausgestattet -worden war, ist auch jetzt noch nicht aufgezehrt. 1.724.886 Mark -werden noch als Bankguthaben flüssig gehalten. Daneben aber sind die -Immobilien (Friedrichstraße und Schlegelstraße) bereits auf 829.502 -Mark angewachsen, die Blockstation in der Friedrichstraße erscheint -mit 132.843 Mark, die in der Schadowstraße mit 50.102 Mark; Aktien der -Städtischen Elektrizitätswerke werden mit 557.200 Mark aufgeführt, -Maschinen und Apparate mit 162.756 Mark, Waren mit 491.938 und -Forderungen in laufender Rechnung mit 1.724.886 Mark. Die Geldmittel -sind also zum großen Teil in den Betrieb geflossen und in werbende -Anlagen überführt worden. Die offenen Schulden der Gesellschaft sind -nur gering und betragen 392.912 Mk., und es hätte aus dem Reingewinn -von 324.870 Mk. bequem eine Dividendensteigerung auf 6%, nachdem in den -ersten beiden Jahren 4% und im dritten Jahre 5% gezahlt worden waren, -vorgenommen werden können. Um zu verstehen, warum dies nicht geschah, -warum die Gesellschaft sogar 1886 und Anfang 1887 in eine Krise -- die -einzige wirklich bedrohliche in ihrer ganzen Geschichte -- geriet, muß -noch von anderen Dingen gesprochen, eine andere Entwickelungsreihe -verfolgt werden, die uns zeigen wird, daß der unternehmerische Geist -Rathenaus sich in den bereits geschilderten Dingen nicht erschöpft -hatte, andererseits aber auch, daß er sich trotz seiner unleugbaren -Erfolge noch nicht zum +entscheidenden+ Erfolg durchgerungen -hatte. - - - - -Siebentes Kapitel - -Zentralstationen - - -Der Name Zentralstation ist uns in den früheren Kapiteln schon öfter -begegnet. Bereits in den Verträgen mit Edison und Siemens wird von -Zentralstationen gesprochen. In dem ersten Vertrage mit Edison im -Jahre 1881 hieß es, daß abgesehen von der Fabrikationsgesellschaft -eine zweite für den Bau von Zentralstationen errichtet werden sollte, -in dem zweiten endgültigen Vertrage von 1883, der die Gründung nur -+einer+ Gesellschaft vorsieht, ist von Zentralstationen in -diesem Zusammenhange nicht mehr die Rede. Es heißt darin schlechthin, -daß die Deutsche Edison Gesellschaft das Recht, Installationen für -Beleuchtungs- und Kraftübertragungswerke einzurichten, von Edison -erwirbt. Im Vertrage mit Siemens & Halske wird der Edison Gesellschaft -bekanntlich das Recht vorbehalten, allein Zentralstationen für eigene -Rechnung zu bauen. Daß der Begriff Zentralstation überhaupt so früh -auftaucht, ist nicht darauf zurückzuführen, daß er in der damaligen -Zeit bereits in großem Maßstabe und in vielen Beispielen verwirklicht -war. Er lebte -- wenigstens in einer Form, die diesen Namen wirklich -verdiente -- eigentlich erst allein in der Idee Emil Rathenaus, der -sich dafür keineswegs auf Vorbilder, sondern höchstens auf gewisse -Ansätze in den damals in der Lichtelektrizität am meisten entwickelten -Ländern Amerika und Frankreich berufen konnte. Was zu jener Zeit -die Regel, den Typus bildete, waren isolierte Lichtanlagen, die ein -Haus, eine Fabrik, einen Park, eine Straße oder mehrere benachbarte -Häuser in einem beschränkten Radius versorgen konnten. Edison war dem -Gedanken des Zentralwerks allerdings bereits früh nachgegangen und -hatte auch eine Zentrale, die einen Stadtteil südlich von Wallstreet -mit Licht versehen sollte, errichtet. Aber diesem genialen Techniker -war doch nur bis zu einem gewissen Grade die Fähigkeit gegeben, ein -technisches Verfahren industriell auszubauen. Seine Anschauungen von -finanziellen Dingen waren naiv, und an betrieblicher Methodik fehlte -es ihm so gut wie ganz. Edison hat denn auch aus seinen großartigen -Erfindungen nur verhältnismäßig geringen und fast niemals dauernden -Nutzen wirtschaftlicher Art gezogen. Wie wenig die Edisonsche Zentrale, -obwohl für einen ersten Versuch sinnreich erdacht, doch dem entsprach, -was wir später unter einer Großstation verstanden, geht daraus hervor, -daß die Herstellung von Maschinen mit 150 PS als ganz besonders -großartiger Fortschritt bezeichnet wurde. Bei der Broadway-Zentrale -wurden die Dynamos nach Edisons eigener Aussage auf bloße Vermutung -hin gebaut. Die gewählte Spannung von 110 Volt reichte denn auch -nicht aus. Auch sonst wurde rein empirisch, ohne jede Systematik -vorgegangen, wenig berechnet und viel probiert. Die Folge war, daß von -den parallel geschalteten Maschinen die eine stille stand, während die -andere bis auf 1000 Umdrehungen lief und dabei wippte. Zur Messung -bediente die „Edison Beleuchtungsgesellschaft“ sich alter chemischer -Geräte, die bald zufroren, bald rotglühend wurden, bald in Brand -gerieten. „Voltometer“, so hat Edison in der „Electrical Review“ -erzählt, „besaßen wir schon gar nicht. Wir benutzten Glühlampen. Mit -Mathematikern ließ ich mich erst recht nicht ein, da ich bald fand, -wie ich es ein gut Teil besser treffen konnte als sie mit ihren -Ziffern, und so fuhr ich im Vermuten fort.“ Gewiß hat ein so glänzender -Experimentator wie Edison alle Anstände, die aus solchem Vorgehen -entstehen mußten, immer, wenn sie sich zeigten, durch seine genialen -Kombinationen zu beseitigen verstanden, aber schließlich kam dabei -doch nur ein Werk zustande, das in seinem empirisch-primitiven Aufbau -auf die Persönlichkeit eines so erfinderischen Kopfes wie Edison -gestellt blieb, und überall dort keine Nachahmung finden konnte, wo -eine ähnlich überlegene Persönlichkeit als Leiter fehlte. 8 Jahre -lang arbeitete das Edisonsche Werk auf diese Weise. Schule konnte es -natürlich nicht machen, da ihm die systematische Durchbildung, die -sichere wissenschaftliche Grundlage fehlte. Emil Rathenau erkannte -die Mängel eines solchen gefühlsmäßigen Vorgehens auf den ersten -Blick. Er war sich klar darüber, daß eine wirklich epochemachende -Zentral-Station nicht auf dem Versuch und dem Zufall, sondern nur auf -dem festen Boden der wissenschaftlichen Methodik aufgebaut sein mußte. -Seine Einbildungskraft lebte nicht von dem Experiment, sondern von der -Konstruktion. Auch +er+ war voller Phantasie und rechnete mit -neuartigen Antriebsmaschinen, kunstvoll durchgearbeiteten Kabelsystemen -und wenn er vor den Grenzen der Gegenwart nicht halt machte, so -ließ er doch die Wege in die Zukunft, ehe er sie betrat, stets von -dem Mathematiker genau durchforschen. Er fragte sich, warum eine -Vergrößerung und Vervielfältigung, eine Sammlung und Verteilung der -in kleinem Rahmen geschaffenen Anlagen nicht möglich sein sollte. Er -suchte nach den Gründen, die einer Übertragung ins Große hätten im Wege -stehen können und fand, daß es keine gab, die unüberwindlich gewesen -wären. Denn die Hemmnisse lagen alle nur noch in der Durchführung, -nicht mehr im Prinzip. Gerade aber die Probleme der Durchführung ließen -sich, das wußte er, nur auf wissenschaftliche Weise lösen. Wenn er -daher mit dem damals der übrigen Welt noch nicht geläufigen oder nur -in unvollkommener Form bekannten Begriff der Zentralstation wie mit -etwas Selbstverständlichem operierte, so hatte er seine bestimmten -Gründe dafür. Er erreichte damit, daß dieser anscheinend harmlose -Begriff -- und zwar in einem ihm günstigen Sinne -- in seine Verträge -aufgenommen wurde, was ihm deswegen nicht besonders schwer fiel, weil -die Vertragsgegner diesem Begriff teils zweifelnd, teils sogar direkt -mißtrauisch gegenüberstanden und das mit ihm gekennzeichnete Gebiet -der Wagnisse und Fährnisse gern dem „Phantasten“ überlassen wollten. -Selbst ein Mann wie Werner v. Siemens lächelte über die Idee der -Zentralstation, und erklärte es für eine Utopie, daß man den Leuten -jemals aus einer Zentrale elektrisches Licht in die Häuser würde leiten -können, wie man es mit dem Gaslicht machte. Die Gasfachleute stellten -sich gleichfalls ungläubig, aber durch ihre Ironie klang doch ein -Unterton von Furcht vor der neuen Konkurrenz, die ihnen vielleicht -auch noch die Hausbeleuchtung streitig machen könnte, nachdem sie -ihnen bereits in der Straßen-, Fabrik- und Theaterbeleuchtung Boden -abgerungen hatte. Daß Rathenau eigentlich als einziger die Idee erfaßte -und trotz aller Anfeindungen von wissenschaftlich-autoritativer und -technisch-praktischer Seite an ihr festhielt, ist ein Beweis seines -originellen, unabhängigen und im Grunde schöpferischen technischen -Denkens. - -Trotzdem aber der Gedanke absolut klar, folgerichtig und fertig -entwickelt vor dem Geiste Rathenaus stand, sah es zunächst noch nicht -so aus, als ob er bald verwirklicht werden würde. In den Jahren der -Versuchsgesellschaft konnte an die Schaffung einer Zentralstation -natürlich nicht herangegangen werden. Es fehlte an dem technischen -Apparat, es fehlte auch an den geldlichen Mitteln. Das erste Jahr der -Deutschen Edison Gesellschaft sah lediglich die Verwirklichung einer -Reihe von Einzelanlagen und die Vollendung einer +Blockstation+ -(in der Schadowstraße) sowie die Inangriffnahme einer zweiten größeren -(in der Friedrichstraße). Sie wurden in den ersten Geschäftsberichten -und Bilanzen der Gesellschaft als Zentralstationen bezeichnet. Mit -Unrecht. Sie waren im technischen Sinne keine Zentralen, sondern -isolierte Anlagen, die -- über den Umfang einer größeren Einzelanlage -kaum hinausgehend -- mehrere Verbraucher versorgten, weil jeder -dieser Verbraucher einen zu geringen Bedarf für eine eigene Anlage -hatte. Weder die Technik war zentral, noch die Verteilung. Denn die -Krafterzeugung erfolgte nicht durch Großmaschinen, sondern durch -eine große Zahl kleiner „Schnellläufer“, von denen jeder nur eine -beschränkte Anzahl von Lampen speiste. Die Verteilung erfolgte -nicht unter Benutzung der öffentlichen Straßen und Verkehrswege -für die Kabellegung, sondern auf dem weit kostspieligeren Wege der -Kabelführung durch privates Gelände. Nur unter besonders günstigen -Bedingungen, nämlich dann, wenn genügend gut zueinander gelegene -Abnehmerbetriebe da waren, die die Leistung der Anlage voll ausnutzen -konnten, waren die Voraussetzungen für die Rentabilität solcher -Blockstationen gegeben. Aber selbst in der Schadowstraße, und in der -Friedrichstraße, also in besonders gut gelegenen Stadtteilen, waren -diese Voraussetzungen nicht vorhanden, denn es konnte nur ein Teil -des erzeugten Stromes abgesetzt werden, und die Erträgnisse reichten -kaum für die notwendigen Abschreibungen, geschweige denn für eine -Verzinsung der Kapitalien aus. Emil Rathenau, für den derartige -Blockstationen nur ein Kompromiß, eine Abschlagszahlung auf die -vollkommenere Idee der Zentralstation darstellten, gelangte sehr -bald zu der Ansicht, daß ein ähnliches Schicksal der Unrentabilität -sehr bald auch die übrigen Stationen erreichen werde, die die -Lieferung elektrischer Ströme mit Umgehung der öffentlichen Straßen -ins Werk setzten. Er war der Ansicht, daß diese Blockstationen nur -Übergangsgebilde darstellen, die verschwinden müßten, nachdem sie -ihren eigentlichen Zweck, als Demonstrationsunternehmungen zu dienen, -erfüllt hätten, und die nächste große Etappe in der Entwickelung, -nämlich die öffentliche Zentralstation, erreicht war. Die spätere -Gestaltung der Dinge hat ihm auch durchaus recht gegeben. Es haben -sich in der Licht- und Krafterzeugung nur +die+ Einzelanlage, -die genau auf die Bedürfnisse des Verbrauchers berechnet war, sich -seinem Betriebe in Produktion und Bedarf anpassen konnte, also im -wesentlichen die industrielle Einzelanlage und ferner die öffentliche -Zentralstation erhalten. Die Blockstation ist völlig verschwunden, wenn -man nicht Einzelanlagen mehrerer Verbraucher oder solche, bei denen -ein Hauptverbraucher nach vorher ungefähr festgelegtem Bedarfsplan an -Nachbarbetriebe Energie abgibt, als Blockstationen bezeichnen will. - -Die Entwickelung von der Blockstation bis zur Zentrale, die zunächst -noch im weiten Felde zu liegen schien, ging aber schließlich wider -Erwarten schnell vor sich. Die Praxis folgte in diesem glücklichen -Falle -- einem der wenigen, in dem Rathenaus fast immer richtige -Diagnostik +schneller+ als er erwartet hatte, durch die Tatsachen -bestätigt wurde -- nicht dem behutsamen Gang der allgemeinen -Anschauungen, sondern dem Siebenmeilenstiefelschritt der Rathenauschen -Phantasie. Professor +Slaby+, dem doch niemand langsames Denken -und mangelndes Einbildungsvermögen in elektrischen Dingen wird -nachsagen können, erzählte später, daß er beim Anblick der ersten -Rathenauschen Blockstation, die aus zahlreichen winzigen Maschinen, -von sogenannten Schnellläufern betrieben, mit bewunderungswerten -Regulierungsmethoden die elektrische Kraft sammelte, um sie in -einige umliegende Häuser zu verteilen, begeistert ausgerufen habe: -„Die Lichtzentrale des kommenden Jahrhunderts.“ -- „O nein,“ -erwiderte Rathenau lächelnd, „wie verkennen Sie den unersättlichen -Elektrizitätshunger der Menschheit, der in wenigen Jahren sich -einstellen wird. Statt dieser Kellerräume mit ihrem ohrenbetäubenden -Lärm sehe ich hohe, luftige Riesenhallen mit vieltausendpferdigen -Maschinen, die automatisch und geräuschlos Millionenstädte mit Licht -und Kraft versorgen. Zuvor haben wir den Maschinenbau für diese -Leistungen zu erziehen.“ Slaby und wohl auch Rathenau selbst haben -damals kaum gedacht, daß schon ein Jahr nach diesem Zwiegespräch die -erste Zentralstation projektiert und kaum ein halbes Jahr später im -Betrieb sein würde. - -Der demonstrative Erfolg der Einzel-Installationen, der Blockstationen -und der Anlage in der Hygieneausstellung war groß gewesen. Es hatten -sich daraufhin in verschiedenen Stadtgemeinden Vereinigungen von -Haus- und Ladenbesitzern gebildet, die mit Anträgen zur Beleuchtung -ihrer Lokale von abgeschlossenen Stationen aus an die Gesellschaft -herantraten. Die Schwierigkeit bestand darin, die Genehmigung der -Stadt Berlin wegen Überlassung städtischen Grund und Bodens zur -Legung von Leitungen zu erhalten, und man bezweifelte, daß die -Stadtverwaltung, als Eigentümerin des Konkurrenzbetriebes der -städtischen Gaswerke, diese Genehmigung in absehbarer Zeit erteilen -würde. Die Kommunalbehörde war aber in diesem Falle besser als -ihr Ruf. Im Roten Hause erinnerte man sich daran, daß man bereits -einmal, als Rathenau vor einer Reihe von Jahren mit dem Plan einer -städtischen Telephonzentrale an die Stadtverwaltung herangetreten -war, die Vorschläge dieses Mannes kurzsichtig abgelehnt hatte. Man -entschloß sich also, trotz der städtischen Gasinteressen, der Idee -der elektrischen Lichtzentrale näherzutreten, und erwog sogar, ob man -das Werk in städtischer Regie errichten solle. Dafür war aber weder -die Mehrheit der Stadtverordneten, noch der vorsichtig abwägende -Oberbürgermeister +Forkenbeck+, der damals an der Spitze der -hauptstädtischen Verwaltung stand, zu haben. Es setzte sich die zu -jener Zeit zweifellos richtige Überzeugung durch, daß ein erstes -Experiment auf so schwierigem Gebiete nicht mit bureaukratischen -Kräften gelöst werden könnte, daß in einer noch so sehr der technischen -Ausgestaltung und Erprobung bedürfenden Unternehmung nicht städtische -Mittel größeren Umfanges investiert werden dürften. Am 24. Januar -1884 wurde von der Stadtverordnetenversammlung nach langen erregten -Debatten, in denen besonders der Bürgermeister +Duncker+ die -Vorlage mit den Worten verteidigte: „Alles Risiko entfällt auf die -Gesellschaft, alle finanziellen Vorteile fallen auf die Stadt,“ -ein Vertrag genehmigt. Das Monopol der +ausschließlichen+ -Straßenbenutzung, das bei einem Teil der Stadtverordneten besonderen -Widerspruch hervorgerufen hatte, fiel allerdings, wenigstens de -jure. De facto ist es nicht durchbrochen worden, da die Stadt Berlin -anderweitige Konzessionen nicht mehr erteilt hat. Die Zersplitterung, -die in manchen anderen, besonders ausländischen Großstädten, wie New -York, Paris usw., die Entwickelung der Zentralen sehr gehemmt hat, -wurde dadurch in der Berliner Elektrizitätsversorgung glücklicherweise -vermieden. Durch den Konzessionsvertrag wurde der Deutschen Edison -Gesellschaft das Recht eingeräumt, in den Straßen eines beträchtlichen -im Stadtinnern gelegenen Teils von Berlin, begrenzt durch einen um -den Werderschen Markt gezogenen Kreis mit einem Halbmesser von 800 m, -Leitungen zur Fortführung elektrischer Ströme von einer oder mehreren -Zentral-Stationen aus zu legen und zur Anlage dieser Leitungen die -Straßendämme und Bürgersteige zu benutzen. Die Stadt Berlin bedang sich -natürlich Gegenleistungen aus, die u. a. in einer jährlichen Abgabe von -der Bruttoeinnahme wie vom Reingewinn bestanden. Gewonnen war mit dem -neuen Vertrage viel. Die Gesellschaft war durch das Recht, die Straßen -für ihre Leitungen zu benutzen, der Notwendigkeit enthoben, kleine -Sonderstationen für die zu beleuchtenden Häuserblocks zu beschaffen, -sich zu diesem Zwecke in jedem Einzelfall teure Lokalitäten zu mieten -und kostspielige Kabelführungsverträge abzuschließen. - -Mit dem technischen Gedanken der Zentralstation war auch in Rathenaus -Kopfe sofort schon die +finanzielle+ und +rechtliche+ Form -da, in der er am besten verwirklicht werden konnte. Es sollte eine -besondere Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 3 Millionen Mark -gegründet werden, an der die Deutsche Edison Gesellschaft bezw. ihre -Aktionäre beteiligt werden konnten. „Um im Interesse unserer Aktionäre -die Aktien der neuen Gesellschaft diesen zu einem angemessenen Kurse -reservieren zu können, haben wir von einer festen Begebung der Aktien -an ein Bankierkonsortium Abstand genommen, mit einem solchen jedoch -die Verabredung getroffen, daß es gegen eine mäßige Gewinnbeteiligung -uns die Abnahme von 80% des gesamten Kapitals garantiert. Wir zweifeln -nicht, daß uns aus dem Verkauf dieser Aktien schon in diesem Jahre -ein entsprechender Nutzen erwachsen wird.“ -- Dies sind die Worte, -mit denen die Gründung der Städtischen Elektrizitätswerke, der -ersten Tochtergesellschaft der Deutschen Edison Gesellschaft, im -Geschäftsbericht von 1883 angekündigt wird. In dem gleichen Bericht -findet sich schon ein +programmatischer Satz+ über die Behandlung -von Zentralstationen und Tochterunternehmungen im allgemeinen, der -einige der wichtigsten Richtlinien, die die Gesellschaft später beim -Ausbau ihres Beteiligungssystems befolgt hat, wenn auch noch in -ziemlich einfacher Form, enthält. Er lautet: „Im übrigen liegt es nicht -in unserer Absicht, den liquiden Vermögensstand dauernd durch eigene -Übernahmen großer Zentralstationen zu alterieren. Vielmehr verfolgen -wir das System, solche Stationen mit Hilfe unserer Geldmittel zwar -einzurichten, dieselben aber spätestens nach erfolgter Inbetriebsetzung -selbständigen Gesellschaften zu überlassen, um so unser Kapital immer -wieder für neue Unternehmungen flüssig zu machen.“ -- Hier ist das -Ideal gekennzeichnet, dem Emil Rathenau von Anfang an zugestrebt hat, -das er allerdings gerade in den ersten Zeiten und gerade bei der -ersten Tochtergründung, wie wir später sehen werden, nicht sofort -verwirklichen konnte. Es bedurfte erst eines elastischen und fein -ausgebildeten Finanz- und Beteiligungssystems, mit sinnreich angelegten -Kapitalsammlungs-, Aufsparungs- und Verteilungsvorrichtungen, um -stets die Freiheit der Verfügung über die eigenen Betriebsmittel -und die in Gründungsbauten anzulegenden Kapitalien zu behalten und -das finanzielle Gleichgewicht unabhängig von den Zufälligkeiten der -Geld- und Industriekonjunkturen, unbeeinflußt von unvorhergesehenen -Entwickelungen in den Finanzbedürfnissen der Tochterunternehmungen, -sicherzustellen. - -An einer anderen Stelle des Geschäftsberichtes für 1883, in der -von eingeleiteten Verhandlungen mit anderen Städten über die -Einrichtung elektrischer Zentralen gesprochen wird, findet sich -gleichfalls ein Satz, der wert ist, hier wiedergegeben zu werden. Er -lautet: „Wir sind indessen weit entfernt, die Organisation solcher -Lokal-Beleuchtungs-Gesellschaften mit Ausschluß jeder Konkurrenz -nur aus eigenen Mitteln zu bewirken, sondern werden vielmehr die -Kooperation solcher Kräfte, welche naturgemäß zur Einführung des -neuen Lichts berufen scheinen, mit Dank begrüßen; insbesondere -hoffen wir, auch auf dem Wege der +Genossenschafts-Assoziation+ -die Wohltaten des elektrischen Lichtes selbst kleineren Städten -und Industriebezirken zugänglich zu machen, welche entweder eine -Beleuchtung von Zentralstellen überhaupt noch nicht besitzen, oder -vermöge ihrer natürlichen Hilfsmittel imstande sind, das elektrische -Licht billiger als andere Beleuchtungen zu erzeugen.“ Diese Stelle ist -in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Einmal zeigt sie das Bestreben, -Aktionäre, Geldgeber und Finanzkonsortium, denen vielleicht damals -noch vor den Risiken des gänzlich unerprobten Zentralenbaus in eigener -Regie etwas bange war, die Beruhigung zu geben, daß man nicht mit -vollen Segeln auf das noch von der Gründerkrisis her gefürchtete Meer -der Unternehmertätigkeit hinausfahren werde. Ferner aber klingen -hier auch schon Ideen über verteiltes Risiko und verteilten Einfluß -zwischen Privatunternehmung und Lokal-Verwaltungen an, die zwar in -der dort geschilderten Form der genossenschaftlichen Assoziation nie -verwirklicht worden sind, aber doch später in der ähnlichen Form der -gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung zur Durchführung gelangten. -Es dauerte allerdings Jahrzehnte, bis dieses Zusammenarbeiten von -privatem und öffentlichem Kapital sich durchsetzte. Es ist aber ein -Beweis für den durchdringenden Blick Rathenaus, daß er damals schon das -unzweifelhaft vorliegende Bedürfnis erkannte. Bevor der Zentralenbau -zu dieser Zusammenarbeit gelangte, mußte erst die Privatunternehmung -allein eine ausgedehnte erfolg-, aber auch zum Teil verlustreiche -Arbeit leisten, und die kommunale Verwaltung mußte gleichfalls die -Methoden der öffentlichen Unternehmung ausbilden. Erst dann gelang es, -die Kräfte und Mittel beider organisatorisch zusammenzufassen. - -Der von der Stadtverordnetenversammlung genehmigte Vertrag mit der -Stadt Berlin wurde am 6. Februar 1884 vom Magistrat, und am 19. Februar -desselben Jahres von der Deutschen Edison Gesellschaft vollzogen. Das -ganze Jahr 1884 und ein Teil des Jahres 1885 gingen mit den Bauarbeiten -hin. - -Die +Städtischen Elektrizitätswerke+, eine neu gegründete -Aktiengesellschaft, der die Deutsche Edison Gesellschaft die ihr von -der Stadt gewährte Konzession zur Einführung des elektrischen Lichts -in einem zentralen Berliner Stadtteil überließ, hatten dafür die -Verpflichtung übernommen, alle Maschinen, Apparate und Utensilien zur -Erzeugung und Verwendung des elektrischen Stroms zu meistbegünstigten -Preisen ausschließlich von der Edison Gesellschaft zu beziehen. Die -Lieferungen hielten sich im Jahre 1884 noch in engen Grenzen, die -Gewinne bei dem Bau der beiden geplanten Zentralen wurden, um den -zukünftigen Nutzen aus den Lieferungen ungeschmälert zu erhalten, -über Handlungsunkosten abgeschrieben. Von den Aktien der Städtischen -Elektrizitätswerke behielt die Edison Gesellschaft nur 560000 Mark -für sich zurück, die übrigen wurden teilweise von den Aktionären -der Edison Gesellschaft bezogen, teilweise zum Parikurse dem -Bankenkonsortium überlassen. Es mag wohl die Aktionäre enttäuscht -haben, daß der „entsprechende Nutzen“, der im vorjährigen Bericht aus -diesen Transaktionen schon für 1884 in Aussicht gestellt worden war, -ausblieb. Auch sonst wickelten sich die Bau- und Installationsarbeiten -bei der Zentralstation nicht ganz glatt ab. Zwar funktionierte der -elektrische Teil der Anlage von Anfang an ohne Tadel, die Durchführung -der Installationen wird als völlig gelungen und als mustergiltig -bezeichnet. Aber die Dampfmaschinen, die die Gesellschaft auf den -Wunsch der Stadtverwaltung, die heimische Industrie bei ihren Aufträgen -zu berücksichtigen, bei der Firma Borsig bestellte, hatten sich bei -Ablauf der kontraktlichen Liefertermine „noch nicht so bewährt, wie das -der Ruf der mit der Konstruktion beauftragten Firma erwarten ließ.“ -Die Städtischen Elektrizitätswerke leiteten aus der Verzögerung der -Termine Schadenersatzansprüche gegen die Deutsche Edison Gesellschaft -als Generalunternehmerin der gesamten Anlage her, gegen die diese -Gesellschaft allerdings durch Garantien der Maschinenfabrik gedeckt -war. Nach einiger Zeit wurden die bestehenden Differenzpunkte durch -beiderseitiges Entgegenkommen aus der Welt geschafft. Der mißglückte -Teil der motorischen Anlage mußte unter der direkten Aufsicht der -Edison Gesellschaft einer Remontierung unterzogen werden, die von der -Firma Kuhn in Stuttgart zur Zufriedenheit durchgeführt wurde. Die erste -Zentrale in der Mauerstraße war somit erst in der zweiten Hälfte des -Jahres 1886 in Betrieb gekommen, der sich nach Angabe der Gesellschaft -nunmehr tadellos und regelmäßig abwickelte. Eine der ersten größeren -Aufgaben, die den Städtischen Elektrizitätswerken gestellt wurde, war -die Beleuchtung der beiden königlichen Theater, des Opernhauses und -des Schauspielhauses. Sie wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten mit -gutem Gelingen durchgeführt. Es folgten die Reichsbank, das Hotel -Kaiserhof und eine Anzahl von Bankgeschäften im Zentrum der Stadt. -Die elektrische Straßenbeleuchtung machte nur langsame Fortschritte. -Eigentlich wurden in den ersten Jahren nur die von Siemens & Halske -früher angelegten, und bis dahin mit besonderen Antriebsmaschinen -versorgten Straßenbeleuchtungen, also im wesentlichen die in der -Leipziger Straße übernommen, deren Kosten sich durch den Strombezug -aus der Zentralstation in der Mauerstraße erheblich verbilligten, -nämlich von 36 auf 4 Pfennige für die Lampenbrennstunde. Aber auch -dieser Preis war im Vergleich mit dem des Gaslichts noch hoch, und -erst später, als mit der zunehmenden Vergrößerung und der wachsenden -Spannung der elektrischen Maschinen die Ausnutzung der Kohlen beim -elektrischen Licht sich erhöhte, konnten die Preise, die später nicht -mehr nach Lampenstunden, sondern nach Kilowattstunden berechnet wurden, -wesentlich herabgesetzt werden. - -Die Stadtverwaltung, die die anfänglichen Hemmnisse vielleicht etwas -stutzig gemacht hatten, die vielleicht auch die Zeit gekommen glaubte, -die Werke zu günstigen Bedingungen an sich zu bringen, verlangte -die Errichtung zweier weiterer Zentralen, abgesehen von den beiden -schon erbauten, und finanzielle Garantien für die Fähigkeit der -Gesellschaft, diese Aufgabe durchzuführen. Insbesondere wurde die -Erhöhung des Grundkapitals von 3 auf 6 Millionen Mark gefordert. -Da in den ersten Jahren die Werke mangels jeglicher Erfahrungen -im Zentralenbetrieb mit Verlust arbeiteten, und die ersten beiden -Zentralen in der Markgrafenstraße mit 6 Dampfmaschinen und in der -Mauerstraße mit 3 Dampfmaschinen, jede nach Edisonschem Vorbild mit -nur 150 PS ausgestattet, über die Voranschläge hinausgehende Summen -verschlangen, war die Situation für die Städtischen Elektrizitätswerke -und die hinter ihr stehende Edison Gesellschaft eine sehr heikle. Der -damalige Direktor Geh. Postrat Ludewig wurde damit beauftragt, ein -Gutachten abzufassen, ob die Gesellschaft die neue Finanzbelastung -ertragen könnte und wie sich bei Erfüllung der von der Stadt -geforderten Garantien die Lage der Werke gestalten würde. Ludewig kam -zu einem niederschmetternden Ergebnis. „Erfüllen wir die Forderungen -der Stadt, so sind wir bankerott.“ Dieses Gutachten rief unter den -Aktionären und den Geldleuten eine wahre Panik hervor, und es mußte -unbedingt etwas geschehen, wenn der Zusammenbruch, der nicht nur für -die Städtischen Werke, sondern auch für die gesamte Zentralen-Idee -von den verhängnisvollsten Folgen begleitet gewesen wäre, verhütet -werden sollte. Rathenau, der die Gefahr erkannte, innerlich aber in -dem festen Glauben an seine Sache keinen Augenblick wankend geworden -war, bewies zum ersten Male die Unbeirrbarkeit, die ihn in kritischen -Lagen stets auszeichnete. Er, der in weniger zugespitzten Situationen -die Vorsicht selbst war, setzte alles auf eine Karte. Es blieb ihm -allerdings wohl auch keine andere Wahl, da eine weniger entschlossene -Haltung wahrscheinlich den Zusammenbruch nicht nur der Städtischen -Werke, sondern auch der Deutschen Edison Gesellschaft, jedenfalls aber -seine Ausschaltung aus beiden Unternehmungen herbeigeführt hätte. Als -Aufsichtsrat und Aktionäre ihn mit Vorwürfen bestürmten, erklärte er -sich bereit, 1.500.000 Mark Aktien der Städtischen Elektrizitätswerke -zum Kurse von 95% zurückzuerwerben. Man ging gern auf sein Angebot ein. -Was damals als tollkühnes Wagnis erschien, hat sich später als ein sehr -gutes Geschäft erwiesen, ja es ist der A. E. G. später noch häufig zum -Vorwurf gemacht worden, daß sie zuviel an den B. E. W. verdiene und -daß sie sich bei der Aktienübernahme zuviel Vorteile in vertraglicher -und verwaltungstechnischer Hinsicht habe zusichern lassen. Zu -diesen späterhin besonders scharf bekämpften Vorteilen gehörte die -Einführung der sogenannten Verwaltungsgemeinschaft zwischen der Edison -Gesellschaft und ihrem Tochterunternehmen, ferner die Einräumung von -Gründerrechten in der Art, daß die Gesellschaft bei Kapitalserhöhungen -die Hälfte der neuen Aktien zum Parikurse beziehen durfte. Man kann -es Rathenau indes nicht verdenken, daß er sich das Risiko, das er -ganz allein zu tragen bereit war, gehörig bezahlen lassen wollte. Der -Geh. Oberpostrat Ludewig, der sich der Situation so wenig gewachsen -gezeigt hatte, wurde mit einer angemessenen Abfindung aus seinem Amt -entfernt, und Emil Rathenau, Oscar v. Miller sowie der inzwischen zum -Vorstandsmitglied der Edison Gesellschaft aufgerückte Felix Deutsch -übernahmen die Leitung der Gesellschaft, die dem Mutterunternehmen -aus ihren Einnahmen einen bestimmten Betrag als Beisteuer zu den -Verwaltungskosten zahlte, wogegen die Verwaltung von der Edison -Gesellschaft geführt und bestritten wurde. - -Bei Gelegenheit der finanziellen Stärkung der Städtischen -Elektrizitätswerke, die vielleicht keine offene, wohl aber eine -heimliche Reorganisation bedeutete, wurden die Beziehungen zur -Stadt -- dieses Äquivalent wußte Rathenau immerhin herauszuschlagen --- gefestigt und für die Gesellschaft im großen und ganzen -verbessert. Die Abgaben vom Reingewinn wurden eingeschränkt, die -vom Installationsgeschäft völlig aufgehoben, wogegen für die -Installationen aber die freie Konkurrenz ausdrücklich zugelassen -werden mußte. Die Straßenbeleuchtung sollte erweitert werden und -zwar besonders durch die Einbeziehung der Straße „Unter den Linden“ -(1888). Das Konzessionsgebiet wurde ausgedehnt und umfaßte jetzt einen -Stadtteil, der von der Besselstraße bis zum Oranienburger Tor, von -der Wallner-Theater-Straße bis zum Ende der Bellevue-Straße reichte. -Dieser ganze Stadtteil mußte mit Kabeln ausgerüstet werden. Zwei -neue Zentralstationen, in der Spandauerstraße und am Schiffbauerdamm -waren anzulegen und mit je 2000 Pferdekräften zunächst für je 6000 -Lampen, die bis zum Jahre 1892 auf 24000 bezw. 12000 gesteigert werden -sollten, auszustatten. Die Zentrale in der Mauerstraße war erheblich zu -erweitern. Die Maschinen für diese Anlagen wurden bei der belgischen -Fabrik van der Kerkhoven in Gent bestellt. Emil Rathenau benutzte die -Gelegenheit, um von den kleineren Schnellläufermaschinen von nicht -mehr als 150 PS, mit denen die erste Zentrale in der Markgrafenstraße -gegen seinen Willen auf Verlangen des zur Vorsicht mahnenden -Bankenkonsortiums ausgestattet worden war, zu großen „Langsamläufern“ -überzugehen, die schnell bis auf 1000 PS gesteigert wurden. Er -stand dabei im Gegensatz zur ganzen Fachwelt, selbst zu Edison, der -die Meinung vertrat, daß die Kraft mehrerer Kleinmaschinen besser -ausgenutzt und den jeweiligen Strombedürfnissen richtiger angepaßt -werden könnte als die einer Großmaschine. Auch die Sachverständigen der -früheren Bankengruppe der Städtischen Elektrizitätswerke hatten sich -von dieser durch die Autorität des Erfinders Edison gestützten Ansicht -nicht abbringen lassen und das war ein weiterer Grund für die Banken -gewesen, Rathenau das Geld für die Erweiterung der Elektrizitätswerke -zu verweigern. Wenn er schon mit den kleinen Maschinen keine -Rentabilität erzielte, so würde er sie -- dies war ihr Argument -- mit -großen sicherlich nicht erreichen. Rathenau war damals der einzige, der -von großen Maschinen das Heil erwartete, nicht nur aus technischen, -sondern auch aus ökonomischen Gründen, denn er hielt es für wichtig, -daß ihre Aufstellung viel weniger Platz in Anspruch nahm als die vieler -Kleinmaschinen, was bei den hohen städtischen Bodenpreisen immerhin -ins Gewicht fiel. Als er bei den Städtischen Werken nun unabhängig -von fremdem Einfluß geworden war, konnte er seine Pläne hinsichtlich -des Großmaschinenbaus unbehindert zur Durchführung bringen und hatte -die Genugtuung, daß sich selbst Edison nach einer Besichtigung der -neuen Zentralen von der Überlegenheit der Neuerung überzeugen ließ. -Erst durch das von Rathenau gegen die ganze damalige übrige Fachwelt -durchgesetzte Prinzip der Großmaschinen ist die Grundlage für die -gewaltige Entwickelung des Zentralenbaus gelegt worden. - -Die Kosten des Bauprogramms wurden auf 9 Millionen Mark berechnet, -die zur Hälfte in Aktien, zur Hälfte in Obligationen aufzubringen -waren. Die Firma der Gesellschaft wurde umgewandelt in +Berliner -Elektrizitätswerke+. Durch die Forderungen der Stadt war die -Tragfähigkeit der ersten großen Elektrizitätszentrale auf eine harte -Probe gestellt worden. Nachdem diese aber bestanden war, schlug die -Belastungsprobe zum Segen für das Unternehmen aus, das dadurch in -seinem Wachstum und seiner Stärke in einer Weise gefördert wurde, die -es wahrscheinlich, sich selbst überlassen, nicht so schnell erreicht -haben würde. - -An den Schluß dieses Kapitels sei der Wortlaut der Rede gesetzt, -die Emil Rathenau am Vorabend der Einführung des elektrischen -Lichtbetriebes in der Straße „Unter den Linden“ hielt: - - „Es ist uns ein Bedürfnis, im Namen der Berliner Elektrizitätswerke - den Spitzen der Städtischen Verwaltung unseren Dank dafür - auszusprechen, daß Sie uns gestattet haben, an einer Schöpfung - mitzuwirken, deren epochemachende Bedeutung weit über die Grenzen - dieser Stadt hinaus greift und deren Vollendung überall mit Freuden - begrüßt werden wird. Diese Schöpfung beweist aufs neue, mit - welchem Verständnis die Stadt Berlin jede neue Errungenschaft der - Wissenschaft und Technik dem Wohle der Bürgerschaft dienstbar zu - machen weiß. Das „lichtvolle“ Werk, dessen Generalprobe Sie soeben - beigewohnt haben, tritt würdig in die Reihe der schon bestehenden - Wohlfahrtseinrichtungen, welche der Erleichterung des Verkehrs, - der Befriedigung der Lebensbedürfnisse und der immer weiteren - Ausgestaltung des täglichen Komforts zu dienen berufen sind. Die - Naturkraft des neunzehnten Jahrhunderts, welche im Telegraphen und - im Telephon sich bereits überall das Bürgerrecht erworben hat, soll - in Zukunft der gesamten Bevölkerung zugängig gemacht werden, dem - Wohlhabenden in der Form strahlenden Lichts, dem Handwerker als - Werkzeug des täglichen Gebrauches. - - Unsere Stadt tritt mit dem heutigen Tage in eine neue - Entwickelungsphase ihres Beleuchtungswesens ein; neben das - Gaslicht, das bisher die Alleinherrschaft behauptete, tritt heute - gleichzeitig das elektrische Licht, und die Zukunft wird lehren, - welchem von beiden der Sieg gehört. - - 80 Jahre sind es her, daß in dieser selben Straße „Unter den - Linden“ das bescheidene Öllämpchen von der ersten Gasflamme - verdrängt wurde und es wird vielleicht nicht weiterer 80 Jahre - bedürfen, um, wie damals die erste, so dereinst die letzte - Gasflamme als staunenswerte Kuriosität betrachtet zu wissen. - - Nicht leicht war die Entscheidung, auf welchem Wege am raschesten - und sichersten das erstrebte Ziel zu erreichen sei, zumal - da städtische Interessen hinzuweisen schienen, welche schon - in Gasanstalten, den Wasserwerken und last not least, der - unübertroffenen Kanalisation zu unbestrittenem Erfolge verholfen - hatten. Die Erkenntnis aber, daß die junge Industrie sich frei - entfalten müsse, bevor sie völlig in den Dienst des städtischen - Ärars treten durfte, hat Früchte gezeitigt, welche die Bewunderung - aller Nationen erregen. Und in dieser Entwicklung betätigt sich - gleichzeitig das Walten ausgleichender Gerechtigkeit, denn an - seiner Geburtsstätte hat der elektrische Strom seine größte - Verbreitung gefunden, obgleich es eine Zeitlang schien, als ob die - neue Welt uns diesen Ruhm streitig machen wolle. - - Weit hinter dieser zurück steht das übrige Europa; in England - erschwert der Wille des Parlaments die Errichtung elektrischer - Zentralstationen und Frankreich konnte, trotz des hohen Fluges, - den es in der Ausstellung des Jahres 1881 zu nehmen schien, weder - in der Städtebeleuchtung noch in der elektrotechnischen Industrie - mit uns Schritt halten. So können wir mit Stolz behaupten, daß wir - an der Spitze aller Kulturvölker marschieren, die in erster Linie - berufen waren, das Prinzip der elektrischen Beleuchtung zu fördern - und sich nutzbar zu machen. - - Diese Erfolge verdanken wir nicht zum wenigsten der Weisheit und - Einsicht unserer Behörden, welche der Privatindustrie freien - Spielraum ließen, und sie vor allen schädlichen Hemmnissen und - Beschränkungen bewahrten. So konnten wir in freier Entfaltung aller - unserer Kräfte das große Werk fördern helfen, das, noch früher als - gehofft und beabsichtigt war, als fertiges und vollendetes Ganzes - vor Ihnen stehen wird. Ein hoher Wille, dem wir uns in Ehrfurcht - beugen, hat uns diese Beschleunigung unserer Arbeiten nahe gelegt, - und wir sind stolz darauf, daß wir diesem Willen trotz mancher - entgegenstehender Hindernisse gerecht werden konnten. - - So wird denn die elektrische Beleuchtung der prächtigsten Straße - der Reichshauptstadt schon mit dem morgigen Abend definitiv - beginnen. - - Freilich konnten wir, die wir an der Lösung dieser gewaltigen - Aufgabe mitzuwirken das Glück hatten, nicht immer gleich allen - Wünschen in dem Umfange Rechnung tragen, wie es das Publikum, das - nach elektrischem Licht sich sehnt, in seiner leicht erklärlichen - Ungeduld beanspruchte, und auch dem Maß des zunächst Erreichbaren - entsprach. Vielleicht nicht immer den weitgehenden Erwartungen, die - gerade auf diesem Gebiet der Technik mehr als auf jedem anderen - sich geltend zu machen pflegen. Das Publikum steht eben unserer - Aufgabe im allgemeinen zu fern, um deren ganze Schwierigkeit voll - ermessen zu können, und es vergißt leicht, wie neu die Sache - eigentlich noch ist, deren Ausbildung und Realisierung wir uns - gewidmet haben. Es vergißt dies um so eher, als die Elektrizität, - trotz der ihr noch anhaftenden Jugendfehler uns schon jetzt ganz - unvergleichliche Dienste leistet. So mag man denn das immer noch - unvermeidliche Mißverhältnis zwischen unserem Wollen und unserem - Vollbringen in der Überzeugung entschuldigen, daß die Naturkraft, - die schon in ihren Kinderjahren so Gewaltiges zu leisten vermochte, - zu noch Größerem berufen ist, wenn Sie derselben Ihren Schutz mit - wohlwollender Nachsicht so lange angedeihen lassen, bis sie völlig - erstarkt ist und in freiem Fluge ihre Schwingen zu regen vermag. - Wir aber, die wir den Berliner Elektrizitätswerken vorstehen, - werden, wie bisher, so auch in Zukunft mit redlichem Eifer - bemüht bleiben, die neue Schöpfung zu einer der Reichshauptstadt - würdigen Stellung emporzuheben und dafür zu sorgen, daß die - führende Stellung in der Elektrotechnik, die Deutschland in beiden - Hemisphären einnimmt, ihm dauernd erhalten werde. - - Das Verdienst für diese Führerschaft gebührt, wie nochmals - betont sei, in erster Reihe den Leitern unserer Stadt, die - mit weitsichtigem Blick, trotz der Bedenken vieler, daß die - Elektrizität andere städtische Unternehmen beeinträchtigen werde, - den Mut besaßen, für die Verwirklichung jener Ideen einzutreten, - welche die Bürgerschaft von Berlin schon jetzt als weise und - wohltätig erkannt hat. - - Darum bitte ich Sie, Ihr Glas mit mir zu erheben, und einzustimmen - in den Ruf: Berlin, die Stadt der Intelligenz, die darum auch die - Stadt des Lichtes werden müßte, sowie die Verwaltung derselben, sie - lebe hoch!“ - - - - -Achtes Kapitel - -A. E. G. - - -Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, daß die Idee und Ausführung -einer Berliner Zentralstation die Deutsche Edison Gesellschaft in -ernste Gefahr gebracht hatte, nicht weil die Lösung des technischen -Problems -- abgesehen von gewissen anfänglichen Hemmnissen -- -Schwierigkeiten oder Enttäuschungen verursachte, sondern weil das -finanzielle Gleichgewicht zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft -verloren zu gehen drohte. Die geldlichen Erfordernisse für die -Zentralstation, die mit einem Kapital von 3 Millionen Mark gegründet -worden war und nach 3 Jahren 9 Millionen Mark neues Geld brauchte, -waren zu groß, als daß sie im richtigen Verhältnis zu den Finanzen der -Muttergesellschaft gestanden hätten, die noch immer mit einem Kapital -von 5 Millionen Mark arbeitete. Ein derartiges Über-den-Kopf-Wachsen -der Tochtergesellschaft würde dann möglich und unbedenklich gewesen -sein, wenn die Zentralstation in der öffentlichen Meinung gesichert -und bewährt genug gewesen wäre, um ein eigenes kapitalistisches -Leben führen, und ihre geldlichen Erfordernisse selbständig auf dem -Anlagemarkt befriedigen zu können. Das war aber, wie wir gesehen -haben, nicht der Fall. Im Gegenteil, nicht nur die Öffentlichkeit und -die Stadt Berlin als Konzessionsgeberin, sondern auch die Aktionäre, -der eigene Aufsichtsrat und die Banken standen der Gesellschaft -skeptisch gegenüber, und waren froh, als Emil Rathenau ihnen ihren -riskanten Aktienbesitz, wenn auch mit Verlust, abnahm. Mit dieser -Transaktion war nun zwar die Tochtergesellschaft gerettet, aber die -Muttergesellschaft war mit einer finanziellen Last beschwert, die -sie in ihrem bisherigen Zustande und mit ihren bisherigen Kräften -nicht tragen konnte, selbst wenn sie ihre ganzen flüssigen Mittel --- besonders die ihr verbliebenen 1,7 Millionen Mark Bankguthaben --- für die Berliner Elektrizitätswerke verwendet hätte, was sie -aber, ohne ihre eigene Entwickelung als Fabrikationsgesellschaft zu -beeinträchtigen, eigentlich gar nicht tun durfte. Dennoch schien -Emil Rathenau eine Zeitlang wohl oder übel entschlossen gewesen zu -sein, seine letzte Geldreserve zu opfern und das Problem der B. E. -W. auf Kosten seiner Deutschen Edison Gesellschaft zu lösen, die zu -diesem Behufe ihre Kräfte aufs äußerste hätte anspannen und sich -wahrscheinlich hätte überlasten müssen. Da die flüssigen Mittel -dieser Gesellschaft aber allein zu jenem Zwecke nicht ausgereicht -hätten, wurde der außerordentlichen Generalversammlung vom 10. Februar -1887 eine Kapitalserhöhung um 2 Millionen Mark vorgeschlagen. Eine -stärkere Inanspruchnahme des Kapitalmarktes verbot sich deswegen, -weil am politischen Horizont schwere Wolken aufgezogen waren und ein -Krieg mit Rußland im Bereiche der Möglichkeit zu liegen schien. Wäre -diese Kapitalstransaktion damals zur Ausführung gelangt, so hätte -durch sie nur eine isolierte Lösung der +einen+ brennenden -Frage, nämlich derjenigen der Städtischen Elektrizitätswerke, -herbeigeführt werden können. Die Dinge lagen aber bei der Deutschen -Edison Gesellschaft schon seit geraumer Zeit so, daß abgesehen von dem -Problem der Elektrizitätswerke noch mehrere andere zur Entscheidung -drängten, weil die Grenzverhältnisse der Gesellschaft gegenüber ihren -wichtigsten Geschäftsfreunden unerfreulich, ja unhaltbar geworden -waren. Es handelte sich um die Pariser Edison Gesellschaft und um -die Firma Siemens & Halske, die aus Interessen-Freunden immer mehr -zu Interessen-Gegnern geworden waren oder zu werden drohten. Mit -Siemens & Halske hatte dieser Zustand schon zu mehreren Prozessen -geführt, von denen wir den wichtigsten über die Frage, ob die Edison -Gesellschaft nur Bogenlampen nach dem Siemensschen System verwenden -dürfte, bereits erwähnt hatten. Auch die fabrikatorische Einengung -der Edison Gesellschaft, die in der Verpflichtung bestand, Maschinen -und Materialien mit Ausnahme von Glühlampen unter Verzicht auf die -Selbstherstellung nur von S. & H. zu beziehen, machte sich mit jedem -Schritte mehr fühlbar, den die Gesellschaft in ihrer Entwickelung -vorwärts tun wollte. Das Gleiche galt von den Beschränkungen -und Auflagen, mit denen das Vertragsverhältnis zu der Compagnie -Continentale die Edison Gesellschaft belastet hatte. Die Zeit, in der -die Abgaben an die Pariser Edison Gesellschaft und der Verzicht auf -Gewinne aus wichtigen Absatzartikeln, die die Gesellschaft von Siemens -& Halske beziehen mußte, die Lebensfähigkeit des Unternehmens nicht -beeinträchtigten, war sehr bald vorübergegangen. Als die Deutsche -Edison Gesellschaft ihr Geschäft auf die Glühlampenfabrikation -beschränkte und diese noch dazu mit hohen Abgaben an den Erfinder -belastete, glaubte sie ein Monopol erworben zu haben. Ein Monopol, -geschützt rechtlich durch Patente und tatsächlich durch Einrichtungen -und Erfahrungen, die anderen Fabrikationsfirmen nicht zu Gebote -standen. Technische Vorsprünge können aber erfahrungsgemäß in einer -Zeit starken technischen Wettbewerbs nur eine Zeitlang gegenüber der -Konkurrenz aufrecht gehalten werden. Nach einigen Jahren war es dieser -sogar gelungen, so wesentliche Verbesserungen an der Lampe anzubringen, -daß es zeitweilig starker Anstrengungen der Ingenieure der Gesellschaft -bedurfte, um sich die Spitze nicht nehmen zu lassen. Der Monopolschutz -versagte in der Praxis so gut wie vollständig. 5 richterliche -Erkenntnisse hatten bis zum Jahre 1887 die Monopolrechte der -Gesellschaft im wesentlichen bestätigt, eine definitive Entscheidung -war noch immer nicht ergangen. Inzwischen war fast die Hälfte der -Patentdauer verstrichen, und die Gesellschaft besaß keine hinreichenden -Handhaben, um gegen die angeblichen Patentbrecher vorzugehen, die zwar -riskierten, bei einem späteren obsiegenden Endurteil der Deutschen -Edison Gesellschaft zum Schadensersatz verurteilt zu werden, inzwischen -aber an der Herstellung von Glühlampen nicht verhindert werden konnten. -Das Warten auf diesen Endsieg und die sich etwa daran schließende -retrospektive Verfolgung der früher erfolgten Patentverletzungen war -für eine Erwerbsgesellschaft eine unlohnende und unsichere Sache, -selbst wenn die Patentrechte schließlich durchgesetzt worden wären. -Im entgegengesetzten Falle aber -- der ja bei der Deutschen Edison -Gesellschaft schließlich praktisch eintrat -- würde die Gesellschaft -ihre ganze Existenzberechtigung verloren haben, wenn sie sich bis zur -Entscheidung der Patentfrage nur auf ihr beanspruchtes Monopolrecht -und nicht auf Leistungen gestützt hätte, die auch unabhängig von -diesem Monopolrecht ihr eine starke Stellung im Wettbewerb sicherten. -Dieser Wettbewerb war, angelockt durch die glänzenden und, wie man -glaubte, leicht zu erringenden Erfolge der Lichtelektrizität, -immer größer geworden. Die Errichtung einer Glühlampenfabrik schien -eine leichte, mit verhältnismäßig kleinem Kapital durchzuführende -Unternehmung zu sein. Fast alle elektrotechnischen und verwandten -Betriebe, daneben noch andere Unternehmer, errichteten Lampenfabriken. -Auf dem Gebiete des Dynamo-Baus lagen die Verhältnisse nicht anders. -Hier waren Patentrechte, die das Prinzip des Dynamos erfaßten, -überhaupt nicht vorhanden, und höchstens spezielle Typen patentierbar. -Jeder konnte sich eine eigene Dynamo-Type konstruieren, und neben -den elektrotechnischen Fabriken gingen auch Maschinenfabriken -vielfach dazu über, zur Unterstützung des Absatzes ihrer Motoren -die eigene Herstellung von Dynamomaschinen aufzunehmen. Auch das -Gebiet der Installation wurde stark umworben. Unternehmer für Gas- -und Wasseranlagen dehnten ihre Betriebe auf elektrische Anlagen -ähnlicher Art aus. In einer solchen Zeit verstärkten und ungehemmten -Wettbewerbs konnte die Deutsche Edison Gesellschaft nicht ohne dauernde -Beeinträchtigung ihrer Position und Entwickelungsmöglichkeit so weiter -existieren, wie sie gegründet worden war: gebunden durch Beschränkungen -nach verschiedenen Richtungen, belastet durch Abgaben, die bei einem -Monopol gerechtfertigt gewesen wären, bei einem nahezu unbegrenzt -freien Wettbewerb aber ihren Sinn verloren hatten. Das Ideal für -Rathenau wäre schon damals die Befreiung von +allen+ hemmenden -Verträgen gewesen, sowohl denen mit der Compagnie Continentale als -auch mit Siemens & Halske. Das erstere ließ sich erreichen, aber nur -dadurch, daß die Bindung an Siemens & Halske enger gestaltet wurde. Die -völlige Selbständigmachung nach allen Richtungen -- besonders zu einem -Zeitpunkte, in dem die auf 10 Jahre geschlossenen Verträge noch nicht -abgelaufen waren und ihre vorzeitige Ablösung auf dem Vergleichswege -nur unter Aufwendung großer Abfindungssummen möglich gewesen wäre -- -hätte finanzielle Ansprüche an die Gesellschaft gestellt, denen sie in -einer Zeit, in der die Stützung der Berliner Elektrizitätswerke ihre -ganzen Mittel und ihren ganzen Kredit schon über Gebühr in Anspruch -nahm, auch nicht entfernt gewachsen war. Eine Lösung ließ sich damals -also nur durch engere Anlehnung der Edison Gesellschaft an Siemens & -Halske, und die Bankkräfte, die ihr diese Anlehnung zuführen konnte, -erreichen. Bereits im September 1886 wurden Verhandlungen eingeleitet, -die sich über volle 8 Monate hinzogen. Sie kamen ins Stocken, wurden -wieder aufgenommen, aufs neue abgebrochen und führten schließlich -zu einem komplizierten Vertrags- und Vertragslösungskomplex, der -der Generalversammlung vom 23. Mai 1887 zugleich mit dem verspätet -veröffentlichten Geschäftsbericht und der Bilanz für das Jahr 1886 -vorgelegt wurde. Die Vorbedingung für die Lösung vom Edison-Konzern -bildete, wie schon gesagt, die Änderung des Vertragsverhältnisses mit -Siemens & Halske, durch die -- wie es in der Vorlage an die Aktionäre -hieß -- die „Gleichberechtigung beider Firmen in technischer und -kommerzieller Beziehung auf dem von ihnen gemeinschaftlich vertretenen -Arbeitsfelde anerkannt wurde.“ Die Grundlage des Neuabkommens mit S. & -H. war die folgende: - -I. Der Bau und Betrieb von Zentralstationen, die beträchtliche -Geldmittel, reiche Erfahrungen und wohlgeschulte Kräfte erfordern, -wird durch Kooperation beider Firmen im In- und Auslande bewirkt. -Der Grundsatz, daß die Edison Gesellschaft die Konzessionen nehmen -sollte, wurde dabei nicht fallen gelassen, dagegen hatte die -Bauausführung in Gemeinschaft mit Siemens & Halske zu erfolgen. Alle -Stromlieferungsunternehmungen von mehr als 100 PS, deren Konzession -Siemens & Halske erwarben, hatten sie der Edison Gesellschaft gegen -Erstattung der Unkosten anzubieten, die die Finanzierung, den -Bau und die Einrichtung der Zentralen zu besorgen hatte, während -Siemens & Halske Maschinen und Kabel lieferten. Verzichtete die -Edison-Gesellschaft auf den Bau, so blieb ihr doch das Recht, gegen -eine Entschädigung die Hausinstallationen auszuführen. Auch dieses -Recht konnte sie gegen eine bestimmte Abgabe an S. & H. abtreten. -Konzessionen auf elektrolytische Einzelanlagen und elektrische Anlagen -für den Betrieb von Eisenbahnen brauchten S. & H. nicht an die Edison -Gesellschaft abzutreten. - -II. Auf dem Gebiete der isolierten Anlagen wurden die der Ausdehnung -der eigenen Fabrikationsfähigkeit der Edison Gesellschaft -entgegenstehenden Schranken beseitigt. Zu diesem Zwecke wurde es der -Gesellschaft erlaubt, Kraftmaschinen bis zu 100 PS selbst herzustellen. - -III. Die Glühlampenfabrikation wurde durch eine Konvention vor einer -gegenseitig ruinösen Preiskonkurrenz geschützt. - -Das Hauptzugeständnis, das der Deutschen Edison Gesellschaft hier -gemacht wurde, lag in der Erlaubnis, Maschinen bis zu 100 PS selbst -bauen zu dürfen. Es war dürftig genug und mußte mit der Aufteilung -des bisher der Edison Gesellschaft allein zustehenden Zentralenbaus -unter beide Firmen bezahlt werden, zu der sich Rathenau gerade in -dem damaligen Zeitpunkte etwas leichter verstand, weil das Berliner -Musterbeispiel eines solchen Zentralenbaus die großen finanziellen -Ansprüche, die dieser Geschäftszweig stellte, deutlich dargetan hatte. -Überdies bedeutete diese Teilung des Zentralengebietes insofern keine -allzugroße Änderung im Vertrage, als ja auch schon vorher die Deutsche -Edison Gesellschaft bei Zentralenbauten einen erheblichen Teil der -Anlage, nämlich die elektrischen Maschinen, Kabel und sonstigen -Materialien von S. & H. hatte beziehen müssen. Allerdings war das -in Aussicht genommene Zusammenwirken beider Firmen im Zentralenbau -insofern ein wunder Punkt in dem gegenseitigen Verhältnis beider -Firmen, als die Fassung dieser Vertragsbestimmung ziemlich dehnbar -war, und nur bei beiderseitigem guten Willen ein ersprießliches -Zusammenwirken versprach. Böswilligkeit oder passive Resistenz auf -einer Seite konnten das Zusammenwirken im Zentralengeschäft sehr -erschweren. - -Die Voraussetzung für dieses Abkommen zwischen der Edison Gesellschaft -und Siemens & Halske bildete eine Regelung der Vertragsbeziehungen -zu der Compagnie Continentale. Beide deutschen Firmen besaßen das -Ausnutzungsrecht für die Edison-Patente, beide waren dafür mit einer -Abgabenpflicht belastet. Die Deutsche Edison Gesellschaft war ferner -durch satzungsmäßige Bestimmungen zu Gunsten der Compagnie beschränkt -und schließlich an sie durch die der französischen Gesellschaft -übergebenen Genußscheine gebunden. Die satzungsmäßigen Beschränkungen -bestanden hauptsächlich darin, daß die Deutsche Edison Gesellschaft -für die Glühlicht-Beleuchtung sich ausschließlich des Edisonschen -Systems bedienen und daß sie Patente, Patentausnutzungsrechte -sowie alle hierher gehörigen Rechte aller Art, betreffend die -Anwendung technischer Prozeduren, Erfindungen und Geheimnisse nur -mit Genehmigung der Compagnie Continentale erwerben durfte. Die -Verhandlungen mit der französischen Edison Gruppe wurden nicht von -der Deutschen Edison Gesellschaft, sondern von der Firma Siemens & -Halske geführt, die sich durch ihren Unterhändler, den Bürgermeister -a. D. Rosenthal, zum Befremden Rathenaus und hinter seinem Rücken in -das Eigentum der deutschen Edisonpatente gesetzt hatten. Rathenau -war dadurch noch mehr auf die Mitwirkung von S. & H. bei der von ihm -geplanten Loslösung von der Compagnie Continentale angewiesen. S. & -H. schlossen ein Abkommen, das die Beseitigung aller Beschränkungen -und Abgaben, die Rück-Übertragung der 1500 Genußscheine der Compagnie -Continentale und den +gemeinsamen Erwerb+ der Patente durch S. & -H. sowie die Deutsche Edison Gesellschaft (nicht nur wie bisher das -Ausnutzungsrecht) ermöglichte. Der Firma S. & H. waren aus diesem -Abkommen Kosten von 809000 Mark erwachsen, von denen sie selbst -ein Drittel, nämlich 269666 Mark, die Deutsche Edison Gesellschaft -75000 Mark für den Rückerwerb von 1500 im Besitz der französischen -Gesellschaft befindlichen Genußscheinen übernahm und ferner auf die -noch etwa 170000 Mark betragende Restsumme verzichtete, die von dem der -Compagnie Continentale seinerzeit als Vorschuß auf die Patentabgaben -gezahlten Betrage von 350000 noch verblieben und in der obigen Summe -von 809000 Mark verrechnet war. Der Rest von 294334 Mark wurde von -einem durch Siemens & Halske gebildeten Bankenkonsortium unter Führung -der Deutschen Bank übernommen, das ebenso wie die Firma Siemens & -Halske einen Teil der 7 Millionen Mark neuen von der Deutschen Edison -Gesellschaft auszugebenden Aktien zeichnen sollte. - -Die Deutsche Edison Gesellschaft hatte im ganzen einschließlich -50000 Mark, die zum Rückerwerb der restlichen 1000 seinerzeit an die -Gründer begebenen Genußscheine dienten, 295000 Mark bereitzustellen. -Die Aufbringung dieser Summe fiel der Gesellschaft, die damals -stille Reserven kaum aufgesammelt hatte, nicht leicht. 195000 Mark -sollten den außerordentlichen (offenen) Reserven entnommen werden, -von denen damals ein Rückstellungskonto in Höhe von 145743 Mark und -eine außerordentliche Reserve von 95000 Mark bestand. Diese wurden -demnach durch die Entnahme bis auf 45000 Mark verzehrt. Ferner -bestand noch ein gesetzlicher Reservefonds von 47674 Mark. Das -war alles, was der Gesellschaft an Reserven verblieb. Die innere -Verfassung des Unternehmens war damals also eine ziemlich schwache, -und wenn im Geschäftsbericht für 1886, wohl um die Aktionäre über -die unbehagliche Situation hinwegzutrösten, mit Genugtuung darauf -hingewiesen wurde, daß in den bisherigen 4 Geschäftsjahren Reserven -von 284667 Mark aufgesammelt, buchmäßige Abschreibungen von 239912 -Mark vorgenommen und 883500 Mark an Dividenden gezahlt worden seien, -so bedeutete diese Zusammenstellung vom Standpunkt der späteren -Rathenauschen Reserven- und Bilanzpolitik betrachtet, eine ziemlich -herbe Kritik, was das Verhältnis der gezahlten Dividenden zu den -zurückgehaltenen Beträgen anlangt. Es waren Dividenden ausgeschüttet -worden, die -- wenn sie auch an sich niedrig waren, -- Emil Rathenau -in späteren Jahren im Verhältnis zu dem erzielten Gewinn entschieden -als viel zu hoch betrachtet haben würde. Das war vielleicht nötig -gewesen, um die Aktionäre des jungen Unternehmens nicht sofort vor -den Kopf zu stoßen, den technischen und finanziellen Kredit nicht zu -gefährden und das Bankenkonsortium zufriedenzustellen, das zu großen -Entsagungen nicht bereit war. Die Folge davon war die mangelhafte -Fundierung der Gesellschaft bei Gelegenheit der Vertragsrevision -mit der Edison-Gruppe. Nicht nur die Reserven mußten geplündert -werden, sondern auch die Aktionäre mußten auf einen Teil ihrer Rente -verzichten. Von dem 308626 Mark betragenden Überschuß mußten 100000 -Mark abgezweigt werden, um den Restbetrag der aus Anlaß des Ausgleichs -mit der Edison-Gruppe aufzubringenden Summe herbeizuschaffen. Statt -6%, wie erwartet worden war, konnten die Aktionäre nur 4% erhalten. -In der Generalversammlung vom 23. Mai 1887 herrschte darum eine -recht ungemütliche Stimmung, und zum ersten Male trat eine kräftige -Opposition hervor, die sich gegen nicht eingelöste Versprechungen -usw. richtete. Die Aktionäre Michelet und Jacob kritisierten die -Verwaltung mit scharfen Worten und gaben Protest gegen die Beschlüsse -der Versammlung zu Protokoll. Hugo Landau, der stellvertretende -Vorsitzende des Aufsichtsrats und Vertreter der Bankengruppe, erklärte -demgegenüber, daß nur durch die Verkürzung der Dividende die fehlenden -100000 Mark aufgebracht werden könnten. Werde das abgelehnt, so sei -die Transaktion nicht durchzuführen. Der Vertrag mit S. & H. und die -Kapitalserhöhung kämen nicht zustande. Statt eine gesunde und große -Zukunft zu gewärtigen, müßte die Gesellschaft mit ihren jetzigen -unzureichenden Mitteln in eine Periode verschärfter Konkurrenz -eintreten. Der Kampf könnte ohne wesentliche Herabschreibung der -Aktiva dann nicht mit Aussicht auf Erfolg aufgenommen werden. Die -+Sanierung+ wurde also als drohendes Gespenst an die Wand gemalt. -Sie wurde vermieden, denn die Generalversammlung genehmigte die Anträge -der Verwaltung schließlich mit großer Mehrheit, und sie tat gut -daran. Schon im nächsten Geschäftsjahr 1887/88, das infolge Verlegung -des Bilanztermins auf den 30. Juni 1½ Jahre umfaßte, konnte eine -Dividende von 7% für das Jahr und 10½% auf 1½ Jahre bei sehr -vorsichtiger Bilanzierung ausgeschüttet werden, und die Aktionäre haben -sich über schlechte Abschlüsse, und nicht eingehaltene Versprechungen -nie wieder zu beklagen gehabt. - -Die 7 Millionen Mark neuen Aktien, von denen Siemens & Halske 1 -Million Mark übernahmen, erhielten für 1887/88 nur 4% Bauzinsen. In -den Aufsichtsrat traten als Vertreter von Siemens & Halske, Arnold -von Siemens, der Sohn Werners, und Bürgermeister a. D. Rosenthal, -ferner als Vertreter des neuen Bankenkonsortiums Dr. Georg Siemens -(Deutsche Bank), August Klönne (Schaaffhausenscher Bankverein), -Geh. Kommerzienrat A. Delbrück (Delbrück, Leo & Co.) sowie -Eisenbahnpräsident A. Jonas (Discontogesellschaft) ein. Trotzdem wurde -der Mitgliederbestand des Aufsichtsrats nicht erhöht. Er betrug wie -zuletzt 11 Köpfe, eine Reihe von bisherigen Aufsichtsratsmitgliedern -mußte den Bankenvertretern ihren Platz räumen. Bereits früher waren -verschiedene Mitglieder, darunter der Vertreter der Nationalbank für -Deutschland, Assessor Löwenfeld ausgeschieden. Im Jahre 1888 wurde der -Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft Carl Fürstenberg -in den Aufsichtsrat gewählt, der späterhin -- besonders nach dem -Ausscheiden Georg Siemens -- der eigentliche finanzielle Berater Emil -Rathenaus geworden ist und ihm in enger Freundschaft bis an sein -Lebensende verbunden blieb. - -Die Gesellschaft legte nach ihrer Lösung vom Edison-Konzern den Namen -„Deutsche Edison Gesellschaft“ ab und nahm den Namen „+Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft+“ an, unter dem sie groß und berühmt -geworden ist. - - - - -Neuntes Kapitel - -Ausdehnung und Befreiung - - -Die folgenden Jahre der Gesellschaft, die ersten unter der Firma -Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, standen im Zeichen einer -+Expansion+ nach allen Richtungen. Die neuen Mittel im Betrage von -7 Millionen Mark jungen Aktien, deren Ausgabe die Generalversammlung -vom 23. Mai 1887 beschlossen hatte, sollten in erster Linie zu dem -Ausbau der Berliner Elektrizitätswerke verwendet werden, aber dieser -Ausbau erfolgte nur allmählich, und wenn er schließlich auch wesentlich -höhere Kapitalien verschlang, als damals vorgesehen war, so konnte -ein Teil des Aktienerlöses aus der Emission von 1887 zunächst flüssig -gehalten und zu anderen Zwecken verwendet werden. Schon zu dieser Zeit -verfolgte Emil Rathenau das Prinzip, in finanzieller Hinsicht über den -augenblicklichen und im Augenblick übersehbaren Bedarf ausgestattet, -in der Einleitung jedes neuen Geschäfts nicht von der Geldbewilligung -durch Banken und Aktionäre abhängig zu sein, und eine „Von der Hand -in den Mund-Politik“, wie sie ihm einmal beinahe verhängnisvoll -gewesen wäre, zu vermeiden. Die Bilanz vom 30. Juni 1888 wies noch -ein Bankguthaben von 6401740 Mark auf, was allerdings zum Teil damit -zusammenhing, daß die Verhandlungen mit der Stadt Berlin über den neuen -Vertrag sich länger als erwartet hinzogen, und erst im August 1888 -zum Abschluß gelangten, so daß im Geschäftsjahr 1887/88 nur 400.000 -Mark zu der Erweiterung der schon bestehenden Zentralen verwendet -wurden. Umso stärker und über die Voranschläge weit hinausgehend -gestaltete sich das Geldbedürfnis der Berliner Elektrizitäts-Werke in -den nächsten Jahren, da die Nachfrage nach Licht- und Kraftanschlüssen -sich im Zusammenhang mit dem Bau neuer Zentralen über Erwarten -steigerte. Die gesamten Investitionen sollten nach dem Bauentwurf -von 1887 9 Millionen Mark betragen, sie schwollen schon im nächsten -Jahre auf 18 Millionen Mark an. Die A. E. G., die abgesehen von der -Erhöhung ihrer Aktienbeteiligung ein Darlehen von 3 Millionen Mark -zugesagt hatte, mußte dieses auf 6 Millionen Mark erhöhen. Abgesehen -davon bezog sie die Hälfte der neuausgegebenen 3 Millionen Mark B. -E. W.-Aktien in Ausnutzung ihrer Gründerrechte zu pari, und an der -Übernahme der anderen Hälfte beteiligte sie sich nach Maßgabe ihres -Aktienbesitzes mit 549000 Mark. Einen Teil der Mittel für die Zeichnung -der neuen Aktien beschaffte sie sich dadurch, daß sie mit ansehnlichem -Nutzen 1044000 Mark von ihrem im ganzen 2.044.000 Mark betragenden -Aktienbesitz erster Emission verkaufte, die sie erst im Jahre vorher -zum Kurse von 95% von den Banken übernommen hatte. Zwar hatten die B. -E. W. ihre Dividendenzahlung noch nicht aufgenommen, aber es stand -doch schon fest, daß bereits im Jahre 1889/90 die erste Dividende -in ansehnlicher Höhe würde ausgezahlt werden können. Diese Aussicht -schuf den Aktien der B. E. W. eine ganz andere Bewertung als noch vor -kurzer Zeit, und erleichterte infolgedessen die Abstossungstransaktion -der A. E. G. Die Gesellschaft verfolgte auch späterhin bei den B. -E. W. wie bei anderen Aktienbeteiligungen das Prinzip, bei Ausübung -des Bezugsrechtes auf junge Aktien einen entsprechenden Teil der -alten Aktien zu realisieren, sofern dies mit Gewinn ermöglicht werden -konnte. In solchen Austauschtransaktionen lag jedesmal ein sicherer -Zwischengewinn, denn die alten Aktien konnten stets zu höheren Kursen -abgestoßen werden, als die jungen Aktien erworben wurden, während diese -für die A. E. G. denselben Beteiligungs- und Kapitalswert besaßen. -Ganz besonders groß und glatt zu erzielen waren die Zwischengewinne -bei den Transaktionen mit den B. E. W.-Aktien, da die A. E. G. bei -dieser Gesellschaft ja infolge ihrer Gründerrechte die Hälfte der neuen -Aktien zu pari beziehen konnte, während infolge der hohen Dividenden -der Gesellschaft ihr Kurs und damit auch ihre Verwertungsmöglichkeit -für die A. E. G. wesentlich über dem Parikurse lag. Emil Rathenau -hat einmal in einer Generalversammlung erklärt, daß er -- auch als -das Kapital der B. E. W. auf viele Zehnmillionen stieg -- den Besitz -der A. E. G. dauernd nie über 2 Millionen Mark hinaus zu steigern -brauchte. Mit einem solchen Kapital konnte er die Tochtergesellschaft -völlig beherrschen. Dieses Prinzip der Kontrollausübung mit sparsamen -Geldmitteln, fußend auf guter Verwaltung und Autorität, war überhaupt -charakteristisch für das Rathenausche Beteiligungssystem, doch konnte -es nicht überall so schnell und wirksam zur Geltung gebracht werden -wie bei den B. E. W. Manche Beteiligungen kosteten viel mehr Geduld -und viel größere und länger festliegende Investierungen. Übrigens hat -sich Emil Rathenau durch den Gesichtspunkt der hohen Zwischengewinne, -die ihm das Pari-Bezugsrecht für die Hälfte der Neuemissionen der B. -E. W. ermöglichte, nicht dazu verleiten lassen, die Finanzpolitik der -B. E. W. auch dort unter diesen Gesichtspunkt zu stellen, wo deren -eigene Kapitalinteressen andere Rücksichten erheischten. Wäre das der -Fall gewesen, so hätte er überhaupt nur Stammaktien, bei denen die -Differenz zwischen dem Paribezugsrecht und dem Börsenkurse allein in -größerem Umfange zu realisieren war, ausgegeben. In Wirklichkeit sind -aber durch die B. E. W. neben Stammaktien im Betrag von 44100000 Mark -auch 4½%ige Vorzugsaktien von 20 Millionen Mark (deren Börsenpreis -nie erheblich über den Paristand gehen konnte), und fast 60 Millionen -Mark Obligationen ausgegeben worden, bei denen ein Bezugs- und -Verwertungsrecht der A. E. G. überhaupt nicht in Frage kam. - -Neben der kräftigen Weiterentwickelung der B. E. W., die nach kaum -10jährigem Bestehen etwa 30 Millionen Mark in ihren Betrieben angelegt -hatten, und nur in den ersten Jahren die Festlegung erheblicher Mittel -seitens der A. E. G. verlangten, während sie sich später mit ihrer -zunehmenden Rentabilität selbständig mit Kapital versorgen konnten, -erforderte das Fabrikations- wie das sonstige Beteiligungsgeschäft -der A. E. G. beträchtliche neue Mittel. Die Glühlampenfabrik erfuhr -eine gewaltige Ausdehnung. Gegen 90000 Stück Lampen im Jahre 1886 -wurden im nächsten, 18 Monate umfassenden Geschäftsjahr 1887/88 -bereits 300000 Stück abgesetzt. Ein paar Jahre später zählte der -Absatz nach Millionen. Die zunehmende Konkurrenz zwang allerdings zu -Preisherabsetzungen und zu Verbesserungen in der Ökonomie der Lampen, -die nur durch Verbilligungen des Herstellungsprozesses ausgeglichen -werden konnten. Die Aufnahme der Dynamomaschinenfabrikation, die für -Maschinen bis zu 100 PS durch den neuen Vertrag mit Siemens & Halske -der Gesellschaft ermöglicht worden war, und für die erst noch das -Edisonsche, dann später ein eigenes System verwendet wurde, erforderte -die Errichtung einer besonderen Fabrik. Es wurde bereits im Jahre 1887 -die Weddingsche Maschinenfabrik samt dem zugehörigen von der Acker-, -Hermsdorfer-, Feld- und Hussitenstraße begrenzten Gelände erworben und -ausgebaut. Auch eine neue Fabrik für Leitungsmaterial wurde errichtet, -desgleichen eine Akkumulatorenfabrik, nachdem die Gesellschaft mit -Rücksicht auf die zukünftige Bedeutung, die sie den Apparaten zur -Aufspeicherung des elektrischen Stromes beimaß, die Patentrechte der -Electrical Power Storage Company für das Deutsche Reich erworben -hatte. Im Jahre 1888/89 wandte sich die Gesellschaft ferner der -Herstellung +elektrischer Straßenbahnen+ zu. Um sogleich mit -einem fertigen und in allen Teilen erprobten System hervortreten zu -können, erwarb Rathenau -- der sich nie gern mit Vorarbeiten abgab, -wo fertige Resultate bereits vorlagen -- die Erfindungen und Patente -des im amerikanischen Eisenbahnwesen bekannten Konstrukteurs J. Frank -Sprague und sicherte sich dadurch vertragsgemäß weitgehende Erfahrungen -auf dem Gebiete der elektrischen Straßenbahnen. Auch elektrische -Grubenbahnen wurden in den Tätigkeitskreis der Gesellschaft gezogen. -Die Zahl der inländischen und ausländischen Installationsbureaus wurde -fernerhin vermehrt. Die Herstellung isolierter Anlagen, für die die -Gesellschaft nach dem neuen Vertrage mit Siemens & Halske nun auch -die +Maschinen+ selbst herstellen durfte, nahm beträchtlich -zu, insbesondere erhielt die Gesellschaft wieder eine Reihe von -Aufträgen für Theaterbeleuchtungen sowie industrielle Stationen, und -mit Genugtuung wurde im Jahre 1892 festgestellt, daß die Gesellschaft -nunmehr den ganzen Bedarf derartiger Anlagen von der Dampfmaschine -bis zur Glühlampe selbst herstelle. Inzwischen war nämlich neben der -Dynamomaschine auch der Elektromotor, ferner die Herstellung von Gummi- -und anderem Isolationsmaterial in den Produktionskreis der Gesellschaft -gezogen worden. Elektrische Pumpen, Winden, Aufzüge und Krähne wurden -gleichfalls fabriziert und außer dem ersten großen Anwendungsgebiet -des elektrischen Starkstroms, der Beleuchtungselektrizität, begann -das zweite, das im Laufe der Entwickelung ungleich wichtiger werden -sollte, das Gebiet des +Kraftstroms+ an Bedeutung zu gewinnen. -Die elektrische Kraftübertragung, die Emil Rathenau schon früh an -Stelle der Dampfkraft setzen wollte, weil er sie als ökonomischer -und leistungsfähiger ansah, faßte allmählich Fuß, wenngleich sich -die Industrie nur schwer von ihrer Überlegenheit beim Betrieb von -Fabriken, Bergwerken usw. überzeugen ließ, und die demonstrative -Vorführung am Muster-Beispiel, die Rathenau sonst gern eindrucksvoll -zur Wirkung kommen ließ, hier viel schwieriger wie auf anderen Gebieten -durchzuführen war. Denn Blockstationen, Beleuchtungszentralen, -elektrische Bahnen, konnte die A. E. G. selbst erbauen und betreiben, -um an ihnen den Wert der Elektrizität zu beweisen. Der überzeugende -Nachweis der elektrischen Ökonomie im Fabrikbetriebe war viel -schwieriger zu erbringen. Rathenau konnte nicht eigene Bergwerke, -Hütten, Hochöfen erwerben, um vergleichende Tabellen über die Kosten -des Dampf- und des elektrischen Betriebes aufzustellen. Die Industrie -ihrerseits, noch immer gegen die unbedingte Zuverlässigkeit des -elektrischen Betriebes mißtrauisch, fürchtete Störungen, und gab sich -zu gefährlichen Experimenten nicht leicht her. Dampfkrafttechniker -und Elektrotechniker bekämpften sich mit Ökonomie-Statistiken, und -jeder wollte nachweisen, daß seine Methode die billigere sei und den -Vorzug verdiene. Emil Rathenau hat die Heranziehung der Elektrizität -als Kraftquelle mit den von Jahr zu Jahr steigenden Kohlenpreisen -einerseits und andererseits mit der Notwendigkeit begründet, die -allmählich sich aufbrauchenden Kohlenvorräte der Erde dadurch zu -„strecken“, daß nur der Kraftantrieb durch Kohle zu erfolgen habe, -während die eigentliche Krafterzeugung durch die mit Kohle in -Bewegung gesetzte Elektrizität erfolgen müsse, eine Anschauung, die -vom Standpunkte einer weitsichtigen Entwickelung aus betrachtet, -zweifellos Berechtigung besitzt. Einen großen Schritt auf dem Wege der -Kraftübertragung tat im Jahre 1890 die A. E. G. durch die Ausbildung -eines von ihrem Ingenieur +Dolivo Dobrolowsky+ ausgebildeten -neuen Stromsystems, das als Drehstrom- oder Mehrphasensystem für -die Kraftübertragung eine fundamentale Bedeutung erlangt hat. Die -Kraftübertragung, die bis dahin technischer Behandlung nur in engen -räumlichen Grenzen fähig war, wurde damit auch auf weitere Entfernungen -hin möglich. Noch wichtiger für die damalige Zeit war es wohl, daß -durch das Drehstromsystem der +Wechselstrom+ mit seinen hohen -Spannungen und größeren Leistungen sich endgültig gegenüber dem bis -dahin vorherrschenden Gleichstrom durchzusetzen vermochte, nachdem -er bis dahin mehrere Jahre lang einen nicht gerade erfolgreichen -Kampf gegen den Gleichstrom geführt hatte. Die technische Welt -war längere Zeit in zwei Lager gespalten gewesen, und gerade die -größten Autoritäten, wie Siemens und Edison, bis zu einem gewissen -Grade auch Rathenau, hatten sich durch die bis dahin eingeführten -unvollkommenen Systeme des Wechselstroms meist einphasiger Natur -nicht für die neue Stromart gewinnen lassen. In Amerika kämpften -Georg Westinghouse, in England Ferranti, in Deutschland besonders die -Helios-Elektrizitäts-Gesellschaft für den Wechselstrom. Es wurden von -diesen auch große Krafterzeugungswerke errichtet, die aber weder in -technischer, noch in wirtschaftlicher Beziehung die Überlegenheit des -Wechselstromsystems zu erweisen vermochten, trotzdem manche von ihnen, -besonders das Ferrantische Werk in Deptford bei London mit großzügigen -Baugedanken, namentlich auf dem Gebiete der Großmotorentechnik -errichtet worden waren. Erst das mehrphasige Drehstromsystem, das nach -einem von dem italienischen Physiker Ferraris entwickelten Prinzip -von verschiedenen Konstrukteuren, mit besonderem Erfolg von Dolivo -Dobrolowsky ausgeführt worden war, brachte die endgültige Entscheidung. - -Die A. E. G. fand Gelegenheit, die starke Wirkung ihres -Drehstromsystems und der dadurch ermöglichten Kraftübertragung in -die Ferne auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in -Frankfurt a. M. im Jahre 1891 vorzuführen, unter deren hervorragenden, -von der Leistungsfähigkeit der Starkstromtechnik zum ersten Male -ein zusammenfassendes Bild gebenden Veranstaltungen die Fernleitung -Lauffen-Frankfurt a. M. im Mittelpunkt des Interesses stand. Die -Idee, mit Hilfe des neuerfundenen Drehstroms die Wasserkräfte des -Neckarfalles bei Lauffen 175 km weit auf elektrischem Wege nach -Frankfurt a. M. zu überführen, ging von dem Ingenieur Oscar v. Miller -aus, der ebenso wie in München vor 9 Jahren auch der leitende Geist -der Frankfurter Elektrizitätsausstellung war. Miller, dieser nicht -nur geschickte, sondern auch geistvolle Organisator und Herold der -Elektrizitäts-Propaganda, der es wie kaum ein anderer verstand, das -repräsentative Bild einer modernen technischen Kultur aus ihren -historischen Fundamenten aufzubauen, in ihrem Gegenwartswert greifbar -lebendig zu machen und zugleich ihre Zukunftsperspektiven aufzurollen, -Oscar v. Miller, der später in der Schöpfung des Deutschen Museums -einen klassischen Ausdruck für seine „gehobene Ausstellungskunst“ -fand, suchte nach einem „Schlager“ für die Frankfurter Ausstellung, -der über die bereits anderweitig gezeigten „Errungenschaften“ der -Elektrizität nicht nur dem Grade nach hinausging, sondern etwas ganz -Neues bieten sollte. Die modernsten Lampen, die damals gerade in voller -Entwickelung stehenden Techniken des Zentralen- und Bahnenbaus, alles -das wurde selbstverständlich in Frankfurt gezeigt, das waren doch -aber nur Verbesserungen von technischen Prozessen, die anderswo auf -Ausstellungen oder im praktischen Betriebe bereits vorgeführt worden -waren, Feinheiten des Details und des Fortschritts, die eigentlich -nur den Techniker voll interessierten. Das ganz Neue, das er suchte, -fand Oscar v. Miller nun bei der A. E. G., deren Mit-Direktor er -bis vor wenigen Jahren gewesen war, bevor er dem an ihn ergangenen -Rufe folgte, die Frankfurter Ausstellung zu organisieren. Miller, -der übrigens bereits 1882 in München den allerdings damals mehr -spielerischen Versuch gemacht hatte, eine Fernleitung vermittelst -Gleichstroms nach dem System von Deprez vorzuführen, kannte von der -A. E. G. her das Dobrolowskysche Drehstrom-Verfahren. Er wußte auch, -daß Emil Rathenau entgegen den Zweifeln und Einwänden, mit denen -ein großer Teil der Elektriker der Fernübertragung des elektrischen -Stroms noch immer begegnete, die kühnsten und höchsten Erwartungen in -dieses Verfahren setzte. Es galt diesen latenten Kräften und Ideen die -Vorbedingungen der Verwirklichung zu geben, da sonst damals auf anderem -Wege die Mittel zur praktischen Nutzanwendung der Erfindung noch nicht -geschaffen werden konnten. Die Fernübertragung war gewissermaßen -nur die sensationelle Einkleidung für das weniger wirkungsvolle, -aber für die damalige Entwickelungsstufe der Elektrizität weit -wichtigere Drehstromsystem. Hinter dem +Schlager+ verbarg sich -das vielumstrittene +Problem+, und Oscar v. Miller leistete -weit mehr als ausstellungstechnische Arbeit, indem er einer der -zukunftskräftigsten, aber auch am schwersten zu verwirklichenden Ideen -der angewandten Elektrizität durch Dornengestrüpp die Wege bahnte. -Denn die zu überwindenden Hindernisse waren groß. Sie bestanden -nicht so sehr in den maschinellen Vorbedingungen der Anlage, die -auf eine so hohe Spannung eingerichtet werden mußte, wie sie damals -noch unerhört war. Daß man Maschinen von genügender Größe und -Stärke herstellen konnte, ist Emil Rathenau und Oscar v. Miller nie -zweifelhaft gewesen. Die Maschinenfabrik Oerlikon bei Zürich in der -Schweiz lieferte auch eine tadellos funktionierende Maschine von -mehr als 200 Pferdestärken, mit der es möglich war, eine Spannung -von 16000 Volt -- eine für jene Zeit außerordentliche Leistung -- zu -erzeugen. Die Anwendung einer derartigen Hochspannung gestattete es -auch, Kupferleitungen zu verwenden, die einen verhältnismäßig geringen -Durchmesser aufwiesen, während bei starkem Gleichstrom wesentlich -größere und direkt unwirtschaftliche Kupferdurchschnitte notwendig -gewesen waren. Auch genügend widerstandsfähige Isolatoren konnten -gebaut werden. An der Erzeugungsstelle, und an der Verbrauchsstelle -des Stroms wurden Transformatoren eingebaut, die die Heraufsetzung und -Wiederherabsetzung des dreiphasigen Stroms tadellos bewirkten. Schwerer -waren die Hemmungen zu überwinden, die der Durchleitung des damals -als sehr gefährlich geltenden Hochspannungsstroms durch die zwischen -der Erzeugungs- und der Verbrauchsstelle liegenden Landstrecken im -Wege standen. Württemberg, Baden, Hessen und Preußen hatten die -Genehmigung zur Durchführung der Leitungen über ihr Gebiet zu erteilen. -Nach großen Schwierigkeiten und Widerständen namentlich seitens der -Postverwaltung, die eine Störung ihrer Schwachstromleitungen durch -die Hochspannungsanlagen befürchtete, gelang auch dies, aber erst -längere Zeit nach Eröffnung der Ausstellung in Frankfurt konnte die -Fernleitung in Betrieb gesetzt werden. Dann aber brannten in Frankfurt -a. M. eines Abends 1000 Glühlampen, die mit Wasserkraftstrom aus -dem 175 km entfernten Kraftwerk gespeist waren. Um die trotz der -Übertragung nicht verminderte Stärke des Fernstroms zu zeigen, wurde in -Frankfurt ein Wasserfall betrieben, der vermittelst einer durch einen -Drehstrommotor in Bewegung gesetzten Kreiselpumpe in Tätigkeit gesetzt -wurde. Charakteristisch für den reifen und klaren Blick, mit dem Emil -Rathenau das Fernleitungsproblem schon im Jahre 1891 sah, ist die Rede, -die er bei der Besichtigung der Frankfurter Anlage vor den Festgästen -gehalten hat. Sie ist interessant genug und gibt außerdem ein so -bezeichnendes Bild von der Art, mit der Rathenaus reale Phantasie -Zukunftsentwickelungen schon aus Erfindungen, die erst sozusagen in -den Anfangsgründen vorlagen, gedanklich vorwegnahm, daß sie hier im -Wortlaut wiedergegeben werden soll: - - „Meine Hochgeehrten Herren! - - Wenn wir auch das Verdienst in keiner Weise für uns in Anspruch - nehmen, daß Sie, meine hochgeehrten Herren, von weit hergekommen - sind, um sich durch den Augenschein zu überzeugen, auf welche - Entfernung der elektrische Strom zur Übertragung der Kraft des - Neckars mit Erfolg verwendet werden kann, so können wir doch - nicht umhin, Ihnen unseren ehrerbietigen und verbindlichsten Dank - auszusprechen, daß Sie uns gestattet haben, die Anregung dazu zu - geben und in diesem Sinne heiße ich Sie willkommen. - - Es möchte als Selbstverherrlichung erscheinen, wenn die, welche an - dem eben vollendeten Werke mitgewirkt haben, sich in Betrachtungen - verlören, über etwaige Umwälzungen, die das Gelingen dieser Aufgabe - herbeiführen kann, und ich überlasse es deshalb der begeisterten - Phantasie Fernstehender, Zukunftsbilder auszumalen; aber vom rein - technischen Standpunkte aus wollen Sie mir gestatten, einige Worte - über die Kraftübertragung hier auszusprechen. - - Wenn wir, uns des wohlgelungenen Werkes freuend, Rückblicke in - die Vergangenheit werfen und sinnend in die Zukunft schauen, so - geschieht dies nicht in dem selbstgenügenden Sinne, in welchem - Goethe seinen alternden Faust zum Augenblicke sagen läßt: „Verweile - doch, du bist so schön.“ Wir glauben nicht einen Idealzustand, ein - endgültiges Ziel erreicht zu haben. Wir möchten uns dem kühnen - Bergsteiger vergleichen, welcher, nachdem wieder ein großer Teil - des Weges zurückgelegt ist, stehen bleibt und auf die überwundenen - Schwierigkeiten zurückblickt, dabei aber doch das Endziel nicht aus - den Augen verliert. - - Die Kultur unserer Erde ist den Jugendjahren entwachsen, sie tritt - in das ernste Alter der Männlichkeit, wo die volle Kraft zur - Verfügung steht, wo es aber zu Ende sein muß mit dem übermütigen - Brausen und Vergeuden der Jugend, und was hier im Bilde von der - Kraft gesagt ist, müssen wir auf die Kraft im wissenschaftlichen - Sinne, auf das eigentliche Lebensprinzip unserer Erde mit - bedeutungsvollem Ernst anwenden. Die Zunahme der Bevölkerung und - ihre dichtere Verbreitung auf dem besser gelegenen Teil unserer - Erde zwingen uns, mit dem Vorhandenen haushälterisch umzugehen. - Die Not hat uns suchen gelehrt, und wir lernen, die Entfernungen - aufzuheben und auszugleichen. Ein Baum, ein Rind, ein Getreidefeld - ist an der einen Stelle kaum des Aneignens wert und wird weit - entfernt von dort so hoch geschätzt, daß einer großen Mehrzahl - der Bevölkerung nur unter schwerer Arbeit es möglich ist, diese - zur Erhaltung notwendigen Erzeugnisse unserer Erde, unser Aller - Mutter, sich zu verschaffen. Nicht anders ergeht es uns mit - jener belebenden Naturkraft, der Sonnenwärme, welche wir in den - mannigfachsten und wunderbar erscheinenden Formen auf unserer - Erde aufgespeichert finden. Die Quelle, der Wassersturz, die Ebbe - und Flut des Ozeans, sie alle sind Kräfte, welche der menschliche - Geist sich dienstbar machen kann und muß, soll er anders die - Herrschaft über die Erde behaupten, und doch gestatten ihm sehr oft - oder vielleicht zumeist die scheinbar zufällig sich entwickelnden - Lebensbedingungen der Individuen nicht, diese Kräfte am günstigsten - auszunutzen. Als der Mensch überhaupt darauf kam, die elementaren - Naturkräfte sich dienstbar zu machen, waren es nur Wind und - Wasser, die er sich gefügig zu machen vermochte, und Jahrhunderte, - Jahrtausende vergingen, ohne daß ein Fortschritt verzeichnet werden - konnte. Erst unserem Jahrhunderte, dem des Dampfes, blieb es - vorbehalten, die Kräfte der Erde dem Menschen zu erschließen und - die in der Kohle angehäufte Sonnenwärme in ihren Urzustand wieder - zurückzubringen, sie zu zwingen, sich wieder als Kraft und so als - Arbeit dem Menschen zu betätigen. Der Dampf wiederum war es, der es - ermöglichte, die Kraft zu verteilen, einerseits durch Verbesserung - der Transportmittel, andererseits, indem man es bald lernte, seine - Wirkung direkt auf Entfernungen, die man für große hielt, zu - übertragen; ja man lernte es auch, die Dampfkraft zu teilen und - mehreren den Nutzen einer großen Einrichtung gemeinschaftlich und - zu gleicher Zeit zuzuführen. - - Bei weitem überflügelt hat aber der, wie man ihn bisher nannte, - elektrische Funke den Dampf. Wir haben es heute gezeigt, daß auf - eine Entfernung von über 170 km mit mathematischer Gewißheit - Elektrizität die ihr von einem Wasserfall zugeführte Kraft - überträgt, und was heute auf 175 km und mit 16000 Volt Spannung - gelingt, wird gewiß in +wenig Jahren mit 100000 Volt auf weit - riesigere Entfernungen ein Leichtes sein+. - - Aber nicht allein dieser fast märchenhafte Erfolg, der Überwindung - von Zeit und Raum ist uns klargelegt; Sie werden, meine hochgeehrte - Versammlung, bei Ihrer Rückkehr nach der Ausstellung dort gewahren - können, wie die auf nur 4 Millimeter starke Drähte eingezwängte - und über weite Strecken fortgeleitete Kraft von mehr als 200 - Pferdestärken an der Ankunftsstelle den verschiedenartigsten - Zwecken dienstbar gemacht wird, wie sie nicht nur mit einem Aufwand - von etwa 80 Pferdestärken eine Wassermenge 10 Meter in die Höhe - drückt, um dieselbe als Wasserfall hinabsprudeln zu lassen, wie sie - dann noch an verschiedenen Stellen dem Gebote eines geringen Drucks - auf einen Hebel folgend, eine große Anzahl von Lampen aufglühen - läßt, wie sie endlich ohne jede Schwierigkeit geringe Teile ihrer - Kraft, 1/10 Pferdekraft, abgibt, um mittels einer kleinen, fast - spielzeugartigen und doch dauerhaften und betriebsfähigen Maschine, - einen Luftfächer zu bedienen. - - Die großartige Verteilungsfähigkeit der Elektrizität ist es, welche - den Versuch der Übertragung auf große, sehr große Entfernungen - erst so recht zu einem bedeutungs- und wertvollen gemacht hat. - Wenn wir daran denken, daß es das ungewußte Sinnen der Menschheit, - das zielbewußte Streben der Forscher, Erfinder, der Leute der - Zukunft, wie ich den Ingenieur bezeichnen möchte, ist, menschlicher - Arbeit das Gebiet des Nachdenkens, das Gebiet der individuellen - Tätigkeit vorzubehalten und immer weiter zu erschließen, alle - rein mechanische, gedankenlose Tätigkeit aber durch Unterjochen - der Naturkraft durch Maschinen zu vollbringen, so darf ich den - jetzt eingeschlagenen Weg kühn als denjenigen bezeichnen, auf dem - Jahrhunderte mit Erfolg weiter wandeln können. Wir dürfen uns auch - weiter der Überzeugung nicht verschließen, daß die Unterstützung - unserer Tätigkeit durch die Arbeitsleistung der Tierwelt längst - nicht mehr ausreicht, und das Zugpferd und der Zugochse von - rechtswegen schon längst der Vergangenheit angehören müßten. Das - Zeitalter des Dampfes hat hierin großes getan, aber wie jeder - rapide und bedeutende Fortschritt auch Nachteile gezeitigt; so - haben wir besonders auf dem Gebiete des Handwerkers mit Bedauern - sehen müssen, daß dem Individualismus die Maschinenarbeit den - Garaus gemacht hat, so daß wir bis vor kurzem uns gewöhnt hatten, - mit dem Ausdruck „Handwerksarbeit“ eine gedankenlose mechanische - Nachahmung zu bezeichnen. Es liegt aber in der Natur des Dampfes, - als Betriebskraft, für große Betriebe mit Erfolg verwendet - werden zu können. Wir haben kein Mittel, um mit materiellem - und technischem Vorteil den Dampf direkt in die Wohnung des - Kleinmeisters zu führen, ebenso wenig können wir die Wirkungen des - Dampfes, sei es durch Transmissionen oder durch andere Art, gut auf - erhebliche Entfernungen übertragen. Ganz anders die Elektrizität! - Die neuesten Fortschritte werden uns gestatten, +großartige - Krafterzeugungszentren an beliebigen Stellen+, im Bergwerk, an - der Meeresküste, um die Ebbe und Flut zu benutzen, an den großen - Katarakten anzulegen, die dort vorhandenen, bisher zwecklos - vergeudeten Kräfte in nutzbringende Elektrizität umzusetzen, diese - in, wir können fast sagen, +beliebige Entfernungen+ zu versenden - und dort in beliebiger Art zu verteilen und zu verbrauchen. Wir - können dem Handwerkmeister seine Nähmaschine elektrisch betreiben, - wir heizen ihm sein Bügeleisen, wir rüsten dem Vergolder die - chemischen Bäder für seine Erzeugnisse. Wir geben noch dazu einem - jeden die Beleuchtung in der Stärke und an dem Orte und zu der - Zeit, wo sie am vorteilhaftesten ist. Und wenn wir schließlich den - Elektromotor mit anderen ähnlichen Maschinen vergleichen, so finden - wir, daß er den geringsten Raum einnimmt, daß seine Einrichtung - die einfachste ist, daß er keine Wartung braucht und keine Gefahr - des Explodierens vorhanden ist, vor allem aber, daß er ökonomisch - deshalb am vorteilhaftesten arbeitet, weil sein Kraftverbrauch - sich mit seiner Belastung selbsttätig regelt. Und wie wir so an - der Verbrauchsstelle sehen, daß die Elektrizität sich bemüht, eine - sparsame Betriebskraft zu sein, so auch an der Erzeugungsstelle. - Das schlechteste Feuerungsmaterial, das bisher den Transport nicht - lohnte, weil zu viel tote Last mit ihm davon geschleppt werden - mußte, wird am Orte, wo es gefunden wird, immer noch mit Vorteil - zum Betriebe von Erregermaschinen Verwendung finden können, und so - sehen wir vor uns, daß die Fortleitung und Verteilung der Kraft - als Elektrizität von der schönsten ausgleichenden Wirkung ist. Wir - können dadurch den Vorteil großartiger Zentralisation erreichen - und ersparen daher viel nutzlose Betriebskraft und Arbeit, und wir - können andererseits in vollkommenster Weise die dezentralisierte - Kraft dem Einzelnen in dem kleinsten Teilchen zugängig machen und - beleben dadurch das Schaffensvermögen und die Schaffensfreudigkeit - der Einzelnen zum Wohle Aller und des Ganzen. Es ist auch nicht - zu unterschätzen, daß die Elektrizität als Verteiler von Kraft die - natürlichen Wasserkräfte wieder zu Ehren gebracht hat, welche durch - den Dampf in die Ecke gedrückt, ein im Verhältnis zu ihrem hohen - ökonomischen Werte zu bescheidenes Dasein fristeten. - - In diesem Sinne bitte ich Sie, meine hochgeehrte Versammlung, - diesen, unseren ersten, in den Einzelheiten gewiß noch der - Ausarbeitung bedürftigen Versuch als einen neuen Schritt auf - der Bahn der menschenbeglückenden Zivilisation wohlwollend zu - betrachten. Ich möchte aber meine herzliche Begrüßung und den - Ausdruck meiner hohen Freude über Ihre Anwesenheit, welche ich - zugleich im Namen aller mitbeteiligten ausführenden Firmen und - Männer der Wissenschaft und Praxis auszusprechen die Ehre habe, - nicht schließen, ohne der überaus nutzbringenden Fürsorge der hohen - Reichs- und Staatsbehörden unseren tiefgefühlten Dank ehrerbietigst - abzustatten, ohne welche dieser Versuch nicht hätte unternommen - werden können. Ich bitte die anwesenden hohen und geehrten Herren - Vertreter der Regierungen diesen, unseren ehrfurchtsvollen Dank - auch an dieser Stelle entgegennehmen zu wollen.“ - -Die Frankfurter Anlage wurde bei aller epochemachender Wirkung, die -nach Schluß der Ausstellung noch zu experimentellen Zwecken auf -eine Spannung von 30000 Volt gesteigert wurde, nur als ein Versuch -aufgefaßt, der nicht als dauernde Einrichtung, sondern als eine -lediglich für die Zeit der Ausstellung berechnete Demonstration -in Geltung bleiben sollte. Trotz des großen Aufsehens, das dieses -Probebeispiel in wissenschaftlichen, technischen und Laienkreisen -machte, hat es ziemlich lange gedauert, bis sich die Kraftübertragung -und erst gar die Fernübertragung elektrischer Kraft praktisch in -vollem Umfange durchgesetzt hat. Die großen Verwirklichungen auf -diesem Gebiete gehören erst einer viel späteren Zeit an. Die ersten -Zweckanwendungen, die dem Frankfurt-Lauffener Experiment folgten, -wurden in der Schweiz vorgenommen, wo Wasserkräfte in großer -Zahl zur Verfügung standen und die zu überwindenden Entfernungen -verhältnismäßig gering waren. Die A. E. G. selbst hat mit den -+Kraftübertragungswerken Rheinfelden+ bereits in den nächsten -Jahren eine praktische Durchführung der Fernübertragung größeren -Umfanges in Angriff genommen. Mit Maschinenleistungen von 15000 PS -sollten elektrische Ströme bei diesem Werk 50 km weit an große und -kleine Abnehmer geliefert werden. Dieser erste Dauer-Anwendungsversuch -hat noch manche schwierige, nur durch langwierige geduldige Arbeit zu -lösende Probleme theoretischer und praktischer Natur aufgeworfen, zumal -da er mit den ersten Versuchen, die Turbine statt der Kolbenmaschine -als Antrieb für Dynamomaschinen zu verwenden, zusammenfiel. Er hat -aber gerade durch die zu überwindenden Schwierigkeiten außerordentlich -lehrreich und klärend gewirkt und über die durch das Lauffener -Experiment bereits festgelegten und im großen ganzen bis heute -unverändert gebliebenen Grundgedanken der Fernübertragung hinaus -viele wichtige Erfahrungen eingetragen. Ist die Lauffen-Frankfurter -Fernübertragung als die erste experimentell-theoretische Lösung des -Problems zu bezeichnen, so stellt die Rheinfeldener Unternehmung -das Schulbeispiel der praktischen systematischen Durchbildung -der Fernübertragung dar. Neben der technischen Bedeutung hat die -Inangriffnahme des Kraft- und Fernübertragungs-Problems für die A. -E. G. noch eine wichtige geschäftliche Folge gehabt. Durch sie sind -die Beziehungen der Gesellschaft zu der schweizerischen Industrie und -Finanz mitangebahnt bezw. es sind diese Beziehungen, die noch von einer -anderen Seite her, nämlich von der Aufnahme der Aluminium-Erzeugung auf -elektrischem Wege in Neuhausen, eingeleitet wurden, derart erweitert -worden, daß sie für die fabrikatorische, besonders aber für die -finanztechnische Entwickelung der Gesellschaft eine große Bedeutung -erhielten. - -Das Drehstromsystem, dieses Rückgrat der modernen Kraftübertragung, -hatte übrigens auch mit dem Lauffen-Frankfurter Erfolge die starke -Opposition, die der Wechselstrom in einem Teile der Fachwelt gefunden -hatte, noch keineswegs völlig überwunden. Der Streit der technischen -Sachverständigen verstummte erst einige Jahre später, und sogar -für die Stadt Frankfurt a. M., die doch gerade in ihren Mauern die -Elektrizitätsausstellung veranstaltet hatte, um für den damals -geplanten Bau eines städtischen Elektrizitätswerkes das beste und -modernste System ausfindig zu machen, war es trotz des großen Erfolges -der Lauffener Fernübertragung nicht ohne weiteres ausgemacht, daß für -ihr Werk das Drehstromsystem zur Anwendung kommen müßte. Als dies -doch schließlich geschah, wurde die Ausführung einer ausländischen -Gesellschaft übertragen. Gleichstrom- und Wechselstrom-Anhänger -kämpften noch bei dieser Gelegenheit scharf gegeneinander. Von den -letzteren wurde auf die Vorteile der Unabhängigkeit vom Verbrauchsort, -des kleineren Querschnitts der Kupferleitungen und der billigeren -Erzeugungskosten, die besonders für Kraftzwecke in die Wagschale -fielen, von den ersteren auf die Mängel, die dem Wechselstrom damals -noch für die Lichtelektrizität anhafteten, sowie auf die angeblichen -Gefahren der Hochspannung hingewiesen. Rathenau nahm auch nach dem -Frankfurt-Lauffener Erfolge noch einen vermittelnden Standpunkt -ein, und wollte die Frage „Gleichstrom oder Wechselstrom“ von den -Bedürfnissen des jeweiligen Anwendungsfalles abhängig machen. Durch die -Verbesserung des Drehstromlichtes wurde schließlich diese Streitfrage -endgültig zugunsten des moderneren Systems gelöst. - -Aber nicht nur die fabrikationstechnische Entwickelung der A. E. G. -kam nach Überwindung der Krise von 1887 in Schwung, auch auf einem -anderen Gebiete begann sie eine weitreichende und bis zu einem gewissen -Grade neuartige Tätigkeit auszuüben. Wir haben gehört, daß schon bei -der Gründung der Gesellschaft nicht nur die Fabrikationstätigkeit, -sondern der Erwerb von Konzessionen zum Zwecke der Errichtung von -Zentralstationen in ihr Programm aufgenommen worden war. Auf dieses -Feld der Gründung und Finanzierung von Tochterunternehmungen, von denen -elektrotechnische Lösungen zunächst beispielmäßig zu Anwendungszwecken -in der Praxis durchgeführt wurden, war die Gesellschaft umsomehr -angewiesen, als ihre fabrikatorische Tätigkeit durch die Verträge mit -der ersten deutschen Fabrikationsgesellschaft Siemens & Halske nach -vielen Seiten hin eingeengt war. Es trafen also sozusagen Neigung und -Zwang zusammen, um einen guten Teil der Kräfte der Gesellschaft auf das -Gebiet des Unternehmergeschäfts zu leiten. In der ersten Periode des -Unternehmens von 1883-1887, als die Kraftquellen noch spärlich flossen, -wurde ihre Gründungstätigkeit voll und sogar übermäßig beansprucht -durch das große Werk der Berliner Elektrizitätswerke. In der zweiten -Periode konnte sich das Unternehmer- und Beteiligungsgeschäft der -Gesellschaft freier und vielfältiger betätigen dank dem größeren -Reichtum der Mittel und dem stärkeren finanziellen Rückhalt, den der -A. E. G. die Erweiterung ihrer Bankengruppe und die erfolgreiche -Entwickelung ihrer ersten großen Tochtergesellschaft verliehen -hatten. Der Umstand, daß die Schranken der Fabrikationstätigkeit in -dieser zweiten Periode zum Teil niedergelegt worden waren, zog die -Gesellschaft von dem Unternehmergeschäft aber nicht ab, sondern -verstärkte in mancher Hinsicht sogar ihre Neigung zu Geschäften auf -diesem Gebiet. Denn um in den neu aufgenommenen Fabrikationszweigen -nicht erst selbst die Anfangsgründe mühsam auf empirischem Wege sich -aneignen zu müssen und der bereits vorher in ihnen tätig gewesenen -Konkurrenz sofort gewachsen zu sein, erwarb die Gesellschaft fertige -Verfahren, in die sie dann sofort mit entwickelter Produktion eintrat. -Das konnte aber am besten dadurch geschehen, daß sie Gesellschaften, -die diese Verfahren bisher betrieben hatten, in sich aufnahm, oder -daß sie für diese Verfahren besondere Gesellschaften bildete, um sie -von ihrem bisherigen Arbeitsgebiete zu trennen, ihr eigenes Risiko -zu begrenzen und der neuen Fabrikation Spielraum zu Experimenten, -Fehlschlägen und Investitionen zu lassen, durch die sie nicht so direkt -berührt wurde wie beim Eigenbetrieb. Über die verschiedenen Arten -und Zwecke der Untergesellschaften soll später eine systematische -Darstellung versucht werden, hier soll nur rein historisch über die -Gründungen und Beteiligungen der Gesellschaft in der eben behandelten -Periode berichtet werden. Zu den ersten Beteiligungsinteressen der -A. E. G. gehörten die an der +General Electric Co.+ in New York -und an der +Compagnie Internationale d’Electricité+ in Lüttich. -Beide Verbindungen standen hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt: -„Austausch von Erfahrungen -- Gegenseitige Absatzunterstützung in den -beiderseitigen Arbeitsgebieten“. -- Die General Electric Co. in New -York vereinigte die verschiedenen amerikanischen Edison-Gesellschaften -zu einem großen Unternehmen, dem größten, das damals in der -elektrotechnischen Industrie Amerikas bestand. Die Finanzierung -erfolgte durch ein Konsortium erster deutscher und amerikanischer -Firmen, in das die A. E. G. mit einem Anteil von 250000 Doll. eintrat, -der später auf 400000 Doll. erhöht wurde. Es ist bezeichnend für -die Fortschritte, die in dem kurzen Zeitraum von 8 Jahren in der -Durchbildung der deutschen Starkstrom- und Beleuchtungstechnik wie -in den Methoden ihrer Bewirtschaftung gemacht worden waren, daß ihre -Hilfe bei der erst jetzt einsetzenden Organisation der zwar technisch -bahnbrechenden, aber lange unsystematisch arbeitenden Unternehmungen -in Amerika nachgesucht wurde und gewährt werden konnte. Emil Rathenau -überzeugte sich durch einen persönlichen Besuch in Amerika, der ihm wie -stets solche Besichtigungsreisen große Anregungen brachte, von „den -vortrefflichen Einrichtungen und den ausnahmsweise günstigen Aussichten -dieses größten elektrotechnischen Unternehmens der neuen Welt.“ Weder -der aufgefrischte Enthusiasmus für die technische Welt Amerikas noch -die alte Liebe zu dem großen Edison verhinderten aber, daß die A. E. G. -einige Jahre später den Besitz an General Electric-Aktien veräußerte, -als dies mit Nutzen (der Gewinn betrug allerdings nur 85459 Mark) -geschehen konnte und naheliegendere Aufgaben wichtiger wurden als die -amerikanische Freundschaftsbeteiligung, die ihren eigentlichen Zweck -bereits erfüllt hatte. So wurde dieser Faden verloren und erst nach -Jahren wieder aufgenommen, als die A. E. G. durch ihre Fusion mit -der Union Elektrizitäts-Ges. in neue Beziehungen zu dem Konzern der -General Electric trat. Eine ähnliche technisch-kontrollierende und -geschäftlich-ausdehnende Bedeutung wie die Beteiligung an der General -Electric hatte auch der Erwerb von 500000 Frcs. Aktien der Compagnie -Internationale d’Electricité in Lüttich. Diese Gesellschaft war aus -einer Firma hervorgegangen, deren Erzeugnissen die A. E. G. seit -Jahren mit Erfolg den deutschen Markt erschlossen hatte. Bei dieser -Anknüpfung war zum Teil der Gedanke maßgebend, daß die Compagnie -Internationale umgekehrt neben ihren Fabrikaten auch denen der A. E. -G. in den westlichen Ländern Europas, die deutschen Gesellschaften aus -nationalen Gründen damals schwer zugänglich waren (gemeint war wohl in -erster Linie Frankreich), Eingang verschaffen sollte. Der Gesellschaft -wurde die Generalvertretung der A. E. G. für Belgien und Frankreich -übertragen. Auch verschaffte sich diese durch die Aktienbeteiligung -an dem belgischen Unternehmen den deutschen Vertrieb einer von der -Compagnie Internationale exploitierten neuen Lampe, die in der -Beleuchtungstechnik eine gewisse Rolle zu spielen versprach, da sie die -Vorzüge des Glühlichts mit denen des Bogenlichts zu vereinigen schien. -Auch hier war die Interessennahme nur eine vorübergehende. Bereits im -Jahre 1891 wurden die Aktien zum Nennwerte wieder verkauft, nachdem -die A. E. G. durch eigene Konstruktionen in den Stand gesetzt worden -war, die Fabrikate, die den Hauptgegenstand der Lütticher Fabrikation -bildeten, selbst herzustellen. -- Wenig ersprießlich gestaltete -sich zunächst auch die Beteiligung der in London von der A. E. G. -mitbegründeten +Key’s Electric Co.+, die an Stelle einer Filiale -für den Verkauf der Erzeugnisse der A. E. G. in England tätig sein -sollte. Von dem 15000 Pfd. Strl. betragenden Kapital erwarb die A. E. -G. zuerst die Hälfte, schließlich 13500 Pfd. Strl. Die Gesellschaft -zeigte sich in dieser Form ihrer Aufgabe nicht gewachsen, zumal auch -in England die Einführung und der Vertrieb deutscher Produkte auf -nationalistischen Widerstand stieß. Die A. E. G. glaubte trotzdem für -die Erschließung des englischen Absatzgebietes noch weitere Opfer -bringen zu sollen. Sie formte das genannte Unternehmen unter Änderung -der Firma in „The Electrical Company Ltd.“ zur Vertretung ihrer -alleinigen Interessen um, erwarb die in fremdem Besitz befindlichen -Aktien und Gründeranteile und beseitigte die vorhandene Unterbilanz, -nachdem sie die ihr dadurch verursachten Verluste in ihrer eigenen -Bilanz bereits vorher abgeschrieben hatte. Auch in dieser Form -vermochte sich die Gesellschaft aber nicht auf die Dauer zu halten. - -Sehr früh wurde der Grund zu einer neuen elektrischen Technik -gelegt, die in nicht langer Zeit zu einer großen industriellen -Bedeutung gelangen und der Gesellschaft ansehnliche Erträge bringen -sollte. Es handelt sich um die Gewinnung von +Aluminium+ auf -elektrischem Wege. In der Generalversammlung vom 22. November 1888 -äußerte sich Emil Rathenau auf Anfragen aus Aktionärkreisen zum -ersten Male ausführlich über seine Anschauungen und Pläne auf diesem -elektrolytischen Gebiete. Auch hier fehlte es nicht an Fachleuten, die -von Utopien und Phantastereien sprachen, auch hier hat die Entwicklung -bewiesen, daß Emil Rathenaus in die Zukunft dringender Blick die -technischen Möglichkeiten durchaus sicher und zutreffend abgeschätzt -hat und daß seine „phantastisch klingenden“ Worte vom Standpunkt der -späteren Verwirklichungen aus betrachtet eher noch zu vorsichtig -gewählt waren. Die Bedeutung der elektrischen Legierungs-Verfahren, -so bemerkte Rathenau in jener Generalversammlung, der ersten, in -der er mit einer größeren Rede hervortrat, sei durchaus nicht zu -unterschätzen. Es sei anzunehmen, daß die Verbindungen des Aluminiums -mit Eisen als Ferro-Mangan und mit Kupfer als Aluminium-Bronze der -Metallindustrie sogleich neue Bahnen eröffnen würden. Das Problem -der Aluminiumgewinnung bestehe darin, das Metall mittels des -elektrischen Stromes aus seinen häufig in der Natur vorkommenden -Verbindungen (hauptsächlich der Tonerde) auszuscheiden und ohne jede -Zutat zu gewinnen. Die bisherige kleine Fabrik habe gute Erfahrungen -für den Großbetrieb geschaffen. -- In Zürich war unterdessen eine -„Metallurgische Gesellschaft“ mit gleichen Zielen ins Leben getreten. -Rathenau hielt es seiner Gewohnheit nach als kluger Taktiker für -zweckmäßig, statt eines Konkurrenzkampfes, eines Wettrennens beider -Unternehmungen um das beste und billigste Verfahren, eine Vereinigung -der zwei Gruppen und Techniken herbeizuführen. Eine solche empfahl -sich für die A. E. G. besonders, weil der Züricher Gesellschaft die -Wasserkräfte des Rheinfalls bei Schaffhausen zur Verfügung standen, -die ihr bei gleicher technischer Leistungsfähigkeit jedenfalls eine -billigere Produktion ermöglicht hätten als der auf Kohlenfeuerung -angewiesenen Fabrik der A. E. G. Der Schweizerischen Gruppe hinwiederum -erschien eine Anlehnung an die stärkere Finanzmacht und an die -größere Absatzorganisation der A. E. G. zweckmäßig. Da schon auf -anderen geschäftlichen Gebieten gute Beziehungen zwischen der A. E. -G. und den maßgebenden Schweizer Persönlichkeiten bestanden, gelang -es rasch, eine Grundlage zur Verständigung zu finden, nachdem eine -gegenseitige Prüfung der beiden Verfahren befriedigt hatte. Es wurde -eine Gesellschaft mit 10 Mill. Frcs. Kapital gegründet, von dem die -A. E. G. 1½ Mill. Frcs. übernahm. Der Besitz der Wasserkräfte -des Rheins, die Vereinigung der beherrschenden europäischen Patente -und Verfahren stellten der Gesellschaft auf die Dauer einen Schutz -gegen jede Konkurrenz in Aussicht. Den Alleinverkauf der Produkte -des Neuhausener Werks übernahm die A. E. G. für Deutschland und -Rußland. Die Erwartungen der Industrie für Verwendung des leichten -Metalls wurden allerdings nicht so rasch erfüllt, als man bei -fabrikmäßiger Herstellung des bis dahin kostbaren Erzeugnisses -vorausgesetzt hatte. Zu den Schwierigkeiten des Großbetriebs gesellte -sich neben mangelnder Erfahrung in der Behandlung, Unkenntnis der -Verwendungszwecke. Ferner warf durch den zollfreien Import begünstigt, -die ausländische Konkurrenz ihre Überproduktion zu Schleuderpreisen -auf den deutschen Markt. Erst allmählich gelang es der Neuhausener -Gesellschaft, die Schwierigkeiten des Gewinnungsprozesses vollkommen -zu beseitigen und das Produkt zu einem den Vorausberechnungen -entsprechenden, konkurrenzfähigen Preise herzustellen. In der Folge -hat sich das Aluminium, das erst nur als Kuriosität betrachtet und -in etwas spielerischer Weise zu allen möglichen und unmöglichen -Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs, wie Federhaltern, Büchsen -etc. verwendet wurde, in der Industrie und im Militärbedarf immer -mehr eingebürgert. Der Absatz stieg förmlich von Tag zu Tag, die -Selbstkosten wurden immer weiter herabgedrückt und die vorhandene -Anlage konnte auf die volle Leistung ausgebaut werden, die die -Gesellschaft dem Rheinfall zu entnehmen berechtigt war. Bereits nach -wenigen Jahren stellte sich die Produktion der Gesellschaft auf 1 -Million Kilo, für 1892 wurde zum ersten Mal die Dividendenzahlung -mit 8% aufgenommen, die im nächsten Jahre auf 10% stieg. Die -Gesellschaft vermochte die Kosten für ihre Erweiterung bereits aus -verfügbaren Mitteln zu decken und die ursprünglichen Aktienzeichner -waren, nachdem die Gesellschaft zur Rentabilität und damit zur -kapitalistischen Selbständigkeit gelangt war, nicht mehr genötigt, -neue Investitionsmittel in dem Unternehmen festzulegen, sie konnten -sogar einen Teil der von ihnen ursprünglich übernommenen Aktien -auf den Markt bringen und dort mit Gewinn abstoßen. Nachdem die in -Neuhausen gemachten Erfahrungen die fabrikatorische Lage hinreichend -geklärt hatten, konnte auch das Konsortium für die Verwertung der -Aluminium-Patente in +Österreich+, dem die A. E. G. gleichfalls -angehörte, zu dem Bau einer Fabrik in Lend-Gastein und zur Ausnutzung -der ihr daselbst gehörigen Wasserkraft mit einem Gefälle von über 100 m -schreiten. - -Die eigene Betätigung, die die A. E. G. auf dem Gebiete der -+Akkumulatoren-Herstellung+ nach Erwerb der Electrical Power -Storage Company für Deutschland geplant, und, um zunächst die -notwendigen Erfahrungen unter geringem Kostenaufwand gewinnen -zu können, in mäßigem Umfange aufgenommen hatte, fand bald ihr -Ende, nachdem die Gesellschaft im Verein mit Siemens & Halske die -bewährte Akkumulatorenfabrik Müller & Einbeck erworben und in eine -Aktiengesellschaft unter der Firma Akkumulatorenfabrik Akt.-Ges. -Hagen umgewandelt hatte. Dieser Akkumulatorenfabrik, die nach dem -System Tudor arbeitete und die von der A. E. G. erst zu machenden -Erfahrungen bereits in erheblichem Grade gesammelt hatte, überließen -sowohl die A. E. G. als auch Siemens & Halske ihre Patente. Von den -Aktien wurde der überwiegende Teil von Siemens & Halske, der A. E. -G. und den Vorbesitzern, der kleinere Teil von den Finanzgruppen der -beiden Gesellschaften übernommen. Der Vorsprung, den diese Gesellschaft -damals an sich schon besaß, die technischen Ergänzungen, die ihr durch -die Akkumulatorenabteilungen der beiden Elektrizitätsgesellschaften -zugeführt wurden, und die Stärke, die ihr die Finanzbeteiligung -sowie die Kundschaft dieser Gesellschaften gewährten, haben -die Stellung der Akkumulatorenfabrik Hagen, die später auch in -Berlin Fabriken errichtete, so gefestigt, daß sie nicht nur eine -glänzende Rentabilität, sondern auch eine marktbeherrschende, fast -monopolistische Stellung in Deutschland erringen konnte. -- Im Jahre -1890 erwarb die A. E. G. schließlich den größten Teil der Aktien der -Akt.-Ges. für Bronze- und Zinkgußwaren vorm. +J. C. Spinn & Sohn+ -im Umtausch gegen Aktien der Berliner Elektrizitätswerke. Damit -gliederte sich die Gesellschaft ein Unternehmen an, das die Herstellung -von Beleuchtungskörpern als Spezialität betrieb und ergänzte damit ihr -Glühlampengeschäft in wirksamer Weise. - -Neben dieser Gruppe von Beteiligungs-Unternehmungen, die im -wesentlichen dazu dienten, entweder bestimmte elektrische -Produktionsprozesse von dem Hauptunternehmen abzusondern bezw. -einen Einfluß auf derartige der Gesellschaft bis dahin fernstehende -Fabrikationen zu gewinnen, oder die auch den Zweck verfolgten, -Hilfsorganisationen für den Absatz in bestimmten Produkten und Ländern -zu schaffen, wurde eine andere Gruppe von Beteiligungsunternehmungen -ausgebildet, mit der Aufgabe, Muster- und Anwendungsbeispiele für -+stromverbrauchende+ Werke zu schaffen. Nachdem man in Amerika -bereits seit einiger Zeit mit der Umwandlung von Pferdebahnen -in elektrischen Betrieb günstige technische wie wirtschaftliche -Erfahrungen gemacht hatte, entschloß sich die A. E. G. zur Anlage einer -elektrischen +Straßenbahn in Halle+. Sie tat dies, indem sie sich -unter maßgebender Beteiligung an einem zur Übernahme der dortigen -Stadtbahn und zu ihrem elektrischen Ausbau gegründeten Finanzsyndikat -die Betriebführung der neuen Bahn für 10 Jahre sicherte. Das Projekt -wurde mit bestem Gelingen durchgeführt und bildete ein so wirksames, -von staatlichen und kommunalen Kommissären, Vertretern von vielen -europäischen Straßenbahngesellschaften studiertes Demonstrationsobjekt, -daß nicht nur die elektrische Straßenbahnführung in Halle auch auf -den bisher noch im Pferdebetrieb verbliebenen Linien eingeführt -wurde, sondern sofort eine Anzahl neuer Elektrisierungspläne in -anderen Städten zur Verwirklichung gelangte. Allerdings führte die -A. E. G. diese Betriebe nicht mehr ausschließlich in eigener Regie -durch, sondern baute sie zum Teil für Rechnung von Kommunen oder -Straßenbahngesellschaften, an denen sie sich allerdings vielfach -durch kleinere Aktienübernahmen beteiligte. Zu erwähnen sind aus -diesen Jahren die Bahnen in Breslau, Gera, Kiew, Chemnitz, Essen, -Dortmund, Christiania, Lübeck und Plauen. Charakteristisch für die -kleinlichen Bedenken, die zu jener Zeit der Einführung der elektrischen -Straßenbahnen entgegengehalten wurden, ist die, auch in der Presse -damals vielfach erörterte, Furcht gewesen, daß die Starkstromleitungen -der Straßenbahnen die Schwachstromleitungen, die die Post für ihre -Telegraphen- und Telephonnetze unterhielt, stören könnte. Es war der -Technik ein Leichtes, diese Gefahr durch geeignete Vorrichtungen zu -bannen. Auch der ästhetische Gesichtspunkt in Form einer Opposition -gegen die „unschöne Oberleitung“ wurde damals von manchen Kreisen nur -zu wirksam gegen die elektrischen Bahnen ins Feld geführt. Er hat zum -Beispiel die Elektrisierung der Berliner Straßenbahn solange verzögert, -daß die Reichshauptstadt erst wesentlich später als viele andere -deutsche Städte elektrische Bahnen erhielt. - -Gleichzeitig mit dem Erwerb der Spragueschen Patente für den -elektrischen Straßenbahnbau und der Inangriffnahme der Elektrifizierung -der Stadtbahn in Halle hatte sich die A. E. G. im Jahre 1890 -durch Aktienübernahme Einfluß auf die +Allgemeine Lokal- und -Straßenbahn+ gesichert, die eine Reihe von Beteiligungen an damals -noch mit Pferden betriebenen Straßenbahnen besaß. Bei dem Erwerb -leitete die Gesellschaft einmal der Gesichtspunkt, daß die betreffenden -Aktien aus dem Konsortialbestande einer nach Entlastung strebenden -Bank billig zu haben waren, andererseits das Bestreben, eine Reihe von -Objekten für die Anwendung ihres elektrischen Straßenbahnsystems sich -fest zu sichern. Der Nutzen, den der Erwerb dieses Aktienpostens für -die Gesellschaft im Gefolge haben konnte, erwies sich erst später. -In der Generalversammlung vom 26. November 1891 kritisierte ein -Aktionär sowohl diesen Ankauf wie auch den der Spinn & Sohn-Aktien. -Die Allgemeine Lokal- und Straßenbahn-Gesellschaft zahle nur 5% -Dividende. Großen Ertrag verspreche eine derartige Kapitalsanlage -nicht, und was die technischen Umgestaltungspläne der Gesellschaft -anlange, so solle man in dem Bestreben, alles selber machen zu wollen, -nicht die finanzielle Übersicht verlieren und die Rücksicht auf die -Geldbeschaffung außer acht lassen. Man möge den Nebenindustrien -auch etwas zukommen lassen, und nicht die ganze Welt aufkaufen. -Die günstigen Erträgnisse, die die Aktien der Allgemeinen Lokal- -und Straßenbahn-Gesellschaft später aufwiesen, die vorteilhaften -Bauaufträge, die sie der Gesellschaft zuführten, haben indes die -Berechtigung auch dieser Transaktion erwiesen. - -Auch mit dem Problem der +elektrischen Untergrundbahnen+ -befaßte sich die A. E. G. frühzeitig, und es ist nicht ihre -Schuld, wenn andere Weltstädte, insbesondere London, Paris und New -York, früher ihre „Subways“ und „Metropolitains“ erhalten haben -als die deutsche Hauptstadt. Im Geschäftsbericht für das Jahr -1890/91 schreibt die Gesellschaft: „Ein Projekt von ungewöhnlicher -Bedeutung für die Verkehrsinteressen der Stadt Berlin haben wir -den Behörden zur Konzessionserteilung eingereicht. Es betrifft den -Bau einer elektrischen Untergrundbahn, die in zwei sich kreuzenden -Achsen nord-südlich und ost-westlich und zwei konzentrischen -Ringen in beträchtlicher Tiefe unter dem Niveau der Straßen den -Hauptverkehrsadern folgen wird. Wir hoffen zuversichtlich, daß dieses -Unternehmen, dem vom Publikum und der Presse eine sympathische -Beurteilung zuteil wird, auch bei den Behörden die Unterstützung finde, -deren es zu seiner Verwirklichung bedarf.“ -- Diese Hoffnung sollte -indes nicht erfüllt werden. Die Gesellschaft bereitete technisch -alles aufs Beste für dies -- wie man zugeben muß -- großzügige -Untergrundbahn-Projekt vor, sie ließ sich Verfahren für neuartige -Tunnelvortriebsapparate patentieren, und rief eine Gesellschaft mit -beschränkter Haftung für den Bau von Untergrundbahnen ins Leben. -Das Projekt scheiterte indes sowohl an den Hemmnissen, die ihm -die Aufsichtsbehörden entgegensetzten, wie auch an dem geringen -Entgegenkommen, das die Stadt Berlin bewies. Mehr Erfolg hatte -bekanntlich das von der Firma Siemens & Halske sowie der Deutschen Bank -geplante und durchgeführte Projekt einer Hoch- und Untergrundbahn, die -zunächst von Osten nach Westen unter Einbeziehung des Verkehrs mit -dem Potsdamer Platz führte. In der Generalversammlung interpelliert, -warum die A. E. G. nicht dem Siemens & Halskeschen Projekt Konkurrenz -gemacht habe, erklärte Rathenau, daß man es für besser erachte, nicht -in einen zu scharfen Wettbewerb zu dieser Firma zu treten, durch den -man nur die Preise verderben würde. Man erwarte, daß Siemens & Halske -in einem anderen, ähnlich gelagerten Falle der A. E. G. gegenüber -ebensolche Zurückhaltung zeigen würden. Abgesehen von diesen nach -außen hin zugegebenen Gründen war man wohl damals schon darauf -bedacht, die Konkurrenzfirma, mit der man noch in dem bekannten -Interessengemeinschaftsverhältnis stand, schonend zu behandeln, da -Rathenau zu jener Zeit schon die Lösung des im Jahre 1887 auf 10 Jahre -geschlossenen Vertrages anstrebte, diese aber nur bei gutem Willen der -Firma S. & H. erreichen zu können Aussicht hatte. - -Am wenigsten entwickelte sich bei der A. E. G. eigentlich +der+ -Geschäftszweig, den man ursprünglich am sorgfältigsten zu pflegen -beabsichtigt hatte: +der Zentralenbau+. Die A. E. G. hatte -das erste große Musterbeispiel für eine Elektrizitätszentrale in -den Berliner Elektrizitätswerken geschaffen und war nach diesen -Erfolgen und Erfahrungen die nächste dazu, für ähnliche Werke, -die anderswo errichtet werden sollten, als Baufirma herangezogen -zu werden. Dennoch war ihre Tätigkeit auf diesem Gebiete sowohl -für eigene Rechnung auf Grund erteilter Konzessionen als auch im -fremden Auftrag verhältnismäßig gering. Konzessionsbauten wurden in -Eisenach und im Berliner Villenvorort Wannsee errichtet, es handelte -sich aber hierbei nur um kleinere Unternehmungen, denen keine große -Bedeutung zukam. Eine weit wichtigere Schöpfung war die +Compania -Generale Madrilena de Electricidad in Madrid+, eine Zentrale, die -im Zusammenwirken mit der Besitzerin der Madrider Gasanstalten, der -Compagnie Madrilene d’Eclairage et de Chauffage par le Gaz in Paris, -unter erheblicher Aktienbeteiligung der A. E. G. errichtet wurde. -Infolge der ausnahmsweise günstigen Verhältnisse in Madrid war diese -Zentrale, die sich eng an das Vorbild der Berliner Elektrizitätswerke -anlehnte, in technischer wie in finanzieller Hinsicht ein voller und -schneller Erfolg; umsomehr als diese Unternehmung sich weit günstiger -entwickelte, als eine andere gleichfalls in Madrid arbeitende englische -Konkurrenzgesellschaft. Die Gesellschaft begann bereits nach 2 Jahren -mit der Dividendenzahlung, schüttete in der Folge hohe Erträgnisse -aus, und mußte andauernd erweitert werden. Bereits nach wenigen Jahren -konnte die A. E. G. ihr Aktieninteresse mit einem Buchgewinn von etwa 1 -Mill. Mark abstoßen, und dieses gute und glatte Geschäft, das aber auch -für die A. E. G. eine Ausnahme bildete, während die meisten übrigen -Gründungen eine geduldigere Behandlung erforderten, trug in erster -Linie dazu bei, in der deutschen Elektrizitätsindustrie den Glauben -an die leichten und großen Gewinnchancen des Unternehmergeschäfts zu -erwecken, ein Glauben, der für viele Elektrizitäts-Firmen späterhin -verhängnisvoll werden sollte. - -Dieser „Treffer“ in Madrid war aber, solange der Vertrag mit Siemens & -Halske in Geltung war, der einzige Lichtblick in dem sonst unergiebigen -Zentralenbau-Geschäft. Der Vertrag hemmte an allen Ecken und Enden. -Die Bedingung, große Maschinen und Kabel von Siemens & Halske zu -beziehen, erschwerte die Kalkulation, gestattete keine ökonomischen -Projektierungen und verringerte die Wettbewerbsfähigkeit +beider+ -Vertragsgesellschaften gegenüber der ungebundenen Konkurrenz, die sich -auf dem ureigenen Gebiet Rathenauscher Initiative die Unfreiheit der -beiden stärksten Gesellschaften zunutze machte. Besonders die Firma -Schuckert in München, die sich fabrikatorisch damals auf der Höhe -ihrer Leistungsfähigkeit befand, sehr gute Maschinen herstellte und -in allem Technischen der Konkurrenz nicht nachstand, warf sich auf -den Zentralenbau und stellte zeitweilig allein mehr Werke her, als -Siemens & Halske und die A. E. G. zusammen. Dabei wurde man sich in -der A. E. G. bald darüber klar, daß die Firma Siemens & Halske oder -wenigstens manche ihrer Beamten in der Zentralenfrage nicht den guten -Willen hatten, den Vertrag seinen Absichten gemäß loyal zu erfüllen. -Kamen zum Beispiel eine Gemeinde oder ein Unternehmer zu Siemens, der -damals namentlich bei Behörden noch immer als die höchste Autorität -in elektrischen Dingen galt, mit der Frage, ob und wie sie ein -Elektrizitätswerk bauen könnten, so empfahl ihnen der Altmeister Werner -v. Siemens zwar in durchaus korrekter Weise, wegen Konzession und -Projektierung sich mit der A. E. G. in Verbindung zu setzen. Darüber -hinaus kümmerte sich aber der alte Herr um Einzelheiten des Geschäfts -nicht mehr wie in den früheren Zeiten seiner industriellen Vollkraft. -Er hörte die an ihn Empfohlenen oder ihm Bekannten zwar höflich an, zur -Besprechung der Einzelfragen verwies er sie aber an seine Prokuristen, -Oberingenieure usw. Und wenn die Frager in diese Regionen kamen, wehte -meist ein ganz anderer Wind. Die „Halbgötter“ der Firma Siemens waren -eifersüchtig auf den jungen Ruhm, die kräftige Unternehmungslust und -die wachsende Bedeutung der Berliner Konkurrenzfirma. „Was brauchen Sie -dazu die Juden?“ fragten sie diejenigen, die mit Projektierungswünschen -an sie gewiesen wurden. Sie wollten der A. E. G. weder Konzessionen -zuweisen, noch selbst welche übernehmen, denn sie hätten sie ja -an die A. E. G. vertragsgemäß weitergeben müssen. So empfahlen sie -meistens den Anfragern, die Anlagen in eigener Regie zu errichten. -Die Kapitalien würden sie sich ja auch ohne die A. E. G. beschaffen -können, und den Bau, die Maschinenlieferung usw. würden ihnen Siemens -& Halske ebensogut direkt liefern können als indirekt durch die A. -E. G. Derartige Fälle kamen wiederholt zur Kenntnis Rathenaus und -seiner Mitdirektoren. Man war empört, beschwerte sich, aber die -Tatbestände waren so geschickt verschleiert, daß Vertragsverletzungen -nicht nachgewiesen werden konnten. Sogar im eigenen Aufsichtsrat, -in dem verschiedene Vertreter des Siemens-Konsortiums saßen, konnte -die Direktion mit ihren Beschwerden nicht hinreichend durchdringen. -Es fehlte nicht an Intriguen und Kabalen, und es gab Zeiten, in -denen an jedem Tage ein anderer A. E. G.-Direktor seine Demission -einreichte. Die Situation war in dieser Weise nicht länger haltbar. -Diese Überzeugung kam schließlich nicht nur bei der A. E. G., sondern -auch bei Siemens & Halske zum Durchbruch. Die A. E. G. war allmählich, -das merkte man jetzt auch bei Siemens, eine solche Macht, eine solche -Lebenskraft geworden, daß man sie -- durch den besten Vertrag -- -nicht mehr niederhalten konnte, umsomehr wenn dieser Vertrag nicht -nur die Freiheit der A. E. G., sondern auch die eigene zu Gunsten -lachender Dritter hemmte. Georg von Siemens, der Direktor der Deutschen -Bank, der Zeit seines Lebens ein Verehrer und Freund Emil Rathenaus -gewesen ist, auch Objektivität und volkswirtschaftlichen Sinn genug -besaß, um die engherzige Knebelung einer Gesellschaft, die das Zeug -hatte, Mehrerin der deutschen Industriekraft zu werden, zu Gunsten -seiner Bankinteressen nicht mitzumachen, erbot und bemühte sich als -Vermittler, eine vorzeitige Lösung des Vertrages auf gütlichem Wege -herbeizuführen. Nach schwierigen Verhandlungen gelang am 20. Juni 1894 -die endgültige Auseinandersetzung. Die A. E. G. verpflichtete sich, an -Siemens & Halske eine Entschädigungssumme von 696742 Mark zu zahlen. -Darauf waren aber Bestellungen auf Maschinen und Kabel in Anrechnung -zu bringen, die die A. E. G. noch bis zum 1. Januar 1900 von Siemens -& Halske beziehen sollte und die zum Meistbegünstigungspreise mit 13% -Rabatt geliefert werden mußten. - -So wichtig die endgültige Trennung der A. E. G. von Siemens & Halske -auch war, weder im Geschäftsbericht für das Jahr 1893/94 noch in der -Generalversammlung wurde dieser Vorgang eingehender behandelt. -- Bald -nach Lösung des Vertrages wurde der Bau des +Kabelwerks+ an der -Oberspree begonnen und damit der Fabrikation der A. E. G. das letzte -ihr noch fehlende Hauptglied eingefügt. Auch die Maschinenfabrikation -wurde erweitert. Die Befreiung von den Vertragsfesseln äußerte -sich sofort in einer sichtbaren Zunahme des Zentralenbaus. Der -Geschäftsbericht für 1893/94 verzeichnet bereits Bauaufträge für -Barcelona, Sevilla, Craiova, Freihafengebiet Kopenhagen und Straßburg. -Außerdem wurde für die B. E. W. eine neue Zentralanlage an der -Oberspree errichtet, die die Vorstädte Berlins und die umliegenden -Ortschaften mit elektrischem Strom versorgen sollte. Hier wie in -Straßburg gelangte das Drehstromsystem in großem Maßstabe zur Anwendung. - - * * - * - -Überblicken wir den zuletzt behandelten Abschnitt, der von der -Überwindung der Krisis von 1886/87 und dem zweiten Vertragsabschluß -mit Siemens & Halske bis zur vollständigen Vertrags- und -Betätigungsfreiheit Mitte 1894 reicht, so finden wir, daß diese -Periode, vielleicht die entscheidende und grundlegende für die -Fundierung und Richtungsentwickelung der Gesellschaft --, im Inneren -voll von drängender, vielgestaltiger und doch deswegen nicht -unbeherrschter Gestaltung, auch das +äußere Bild+ der Gesellschaft -wesentlich verändert hat. Zunächst in den Kapitalverhältnissen. Der -Erhöhung des Aktienkapitals von 5 auf 12 Millionen Mark im Jahre 1887 -folgte im April 1889 eine weitere Erhöhung auf 16 Millionen Mark. -Dabei konnten die Aktien der Gesellschaft zum ersten Male mit einem -äußerlich sichtbaren Agio begeben werden. Sie wurden zum Kurse von -150% herausgebracht und 2 Millionen Mark flossen in den Reservefonds, -der dadurch die statutenmäßige und gesetzliche Höhe bereits um -501364 Mark überschritt. Im nächsten Jahre 1890/91 erfolgte eine -dritte Kapitalserhöhung um wieder 4 Millionen Mark auf 20 Millionen -Mark, wobei die neuen Aktien zu dem weiter erhöhten Kurse von 165% -ausgegeben wurden und nach Abzug sämtlicher Provisionen, Spesen, -Stempelkosten usw. 2378115 Mark in den Reservefonds flossen. Von -der Generalversammlung (29. November 1890) hatte sich ferner die -Verwaltung die Ermächtigung erteilen lassen, Obligationen in Höhe -des Aktienkapitals auszugeben, nicht ohne daß aus Aktionärkreisen --- der Oppositionsredner war der angesehene Inhaber des Bankhauses -N. Helfft & Co. -- die Warnung ergangen wäre, den Geschäftsbetrieb -zu weit auszudehnen und die Aktion durch eine uferlose Expansion -zu beunruhigen. Emil Rathenau belächelte innerlich diese Warnungen -kleingeistiger Aktionärvorsicht, die von seiner pflichtgemäßen -Verwaltungsvorsicht so sehr verschieden war. -- In jener Zeit konnte -er allerdings noch nicht auf die Erfolge seiner Finanzwirtschaft -verweisen, mit denen er später alle ähnlichen Einwendungen leicht -zu schlagen vermochte. Georg v. Siemens und Rathenau entschuldigten -die immer neuen Geldforderungen gewissermaßen mit den großen -Geldbedürfnissen der B. E. W., in denen man bald 30 Millionen Mark -investiert haben werde. Man tröstete die Aktionäre damit, daß die -Stadt Berlin die Berliner Werke sicher später einmal übernehmen würde, -vielleicht schon im Jahre 1895, wobei man dann das ausgelegte Geld auf -Heller und Pfennig, dazu mit einem ansehnlichen Gewinn, zurückerhalten -müßte. - -Trotz der großen Agiogewinne, mit denen die Reserven stattlich -aufgefüllt werden konnten, sah Emil Rathenau aber bald ein, daß es -nicht zweckmäßig sein würde, den Emissionskredit der Gesellschaft -allzusehr anzuspannen und den Marktwert der Aktien durch eine -Überproduktion an Aktienkapital zu entwerten. „Wir verkennen den -Vorteil nicht, der bei dem gegenwärtigen Kursstande unserer Papiere -der Gesellschaft durch Ausgabe neuer Aktien erwachsen würde, -glauben aber mit Rücksicht auf eine möglichst gleichbleibende Rente -von derselben für jetzt Abstand nehmen zu sollen, nachdem wir -- -allerdings bei progressiver Steigerung der Gewinnziffern -- in rascher -Folge Kapitalserhöhungen durchgeführt haben, die das ursprüngliche -Gesellschaftsvermögen von 5 auf 20 Millionen Mark vermehrten.“ --- Der Finanzpolitiker, der stets eine feine Witterung für die -Imponderabilien des Geld- und Kapitalmarktes bekundet hat, erkannte in -einem Augenblick, in dem der Aktienkurs seinen höchsten Stand erreicht -hatte, und mancher andere vielleicht dem Agio noch seine letzten -Möglichkeiten abgepreßt haben würde, daß der Aktienemissionskredit nun -zunächst einmal einer längeren Schonung bedürfe und das Gefäß, das -jetzt vielleicht noch nicht ganz angefüllt sei, durch einen neuen -Aufguß zum Überlaufen gebracht werden könne. Also entschloß sich -Rathenau, zunächst einmal ein anderes Mittel der Geldbeschaffung zu -wählen und Obligationen auszugeben. Auch hier nahm er jedoch bei weitem -nicht den ganzen Spielraum, den er sich von der Generalversammlung -hatte geben lassen, in Anspruch. Im Jahre 1890/91 wurden 5 Millionen -Mark Obligationen ausgegeben, mit deren Auslosung sofort begonnen -wurde. Eine meisterhafte Hand in der Verteilung und Niedrighaltung -der Kapitalien für das Gründungsgeschäft tritt schon hier zu Tage. Im -Geschäftsbericht für 1893/94 wird bemerkt: „Da wir die Finanzierung -fast aller größeren Unternehmungen potenten Bankkonsortien überlassen -haben, in denen wir uns angemessene Beteiligungen vorbehielten, so -wird unser Geldbedarf im Verhältnis zu dem Kapitalsaufwand, den -diese Anlagen erfordern, in mäßigen Grenzen sich bewegen.“ Schon -damals gelang es Rathenau, mit einem kleinen eigenen Kapital große -Unternehmergeschäfte in Bewegung zu setzen. Verschiedene glückliche -Geschäfte, die er zum Teil im Gegensatz zur herrschenden Auffassung -und zu den Ansichten der Banken mit großem Erfolge durchgeführt -und durchgehalten hatte, schufen ihm den Ruf eines glücklichen -und scharfsinnigen Finanziers. So drängten sich die Konsorten zu -seinen Geschäften, und er, dem es letzten Endes immer nur auf die -industriepolitische Seite ankam, überließ ihnen gerne einen Teil der -finanziellen Chance, wenn sie ihm halfen, einen entsprechenden Teil der -finanziellen Last und des finanziellen Risikos zu tragen. - -Trotzdem innerhalb des von uns behandelten Zeitabschnittes eine -gewerbliche Krise, die der A. E. G. zwar nichts anhaben konnte, der -aber Rathenau durch die vorsichtige Behandlung des Emissionsmarktes -Rechnung trug, die Verhältnisse unsicher machte, brauchte die -Dividende der Gesellschaft nur vorübergehend und nicht erheblich -gesenkt zu werden. Sie zeigt von 1887-1893 folgende Kurve: 7, 9, -10, 9, 7½, 8¼, 9%. Sehr interessant ist das Bild, das die -Bilanz der Gesellschaft im Vergleich mit denen an früheren markanten -Abschnittspunkten gewährt. Immobilien sind bis Ende 1894 auf 2807455 -Mark, Maschinen und Apparate auf 1220000 Mark, Werkzeuge auf 263000 -Mark, Fabrikutensilien auf 60000 Mark, Waren auf 4108925 Mark, Guthaben -in laufender Rechnung einschließlich der bei Zweigniederlassungen -auf 6613742 Mark, Forderungen für Installationen auf 535848 Mark, -Wechsel auf 247128 Mark und Kautionen auf 579712 Mark gestiegen. Es -ergibt sich danach eine Summe des Fabrikationsgeschäfts von 16435810 -Mark. Das Finanzgeschäft wird dargestellt durch Effekten von 5976266, -Konsortialien von 2963348 Mark und 1913253 Mark Guthaben bei den -B. E. W., also zusammen durch 10852867 Mark. Daneben erscheint als -gleitender Faktor in der Bilanz das Bankguthaben von 7933463 Mark, -wohlgemerkt in einem Zeitpunkte, in dem seit mehreren Jahren weder -neues Aktien-, noch Obligationenkapital der Gesellschaft zugeflossen -war. Die Kreditoren von 2575873 Mark sind gegenüber den festliegenden -und flüssigen Aktivwerten bescheiden und stellen keine Verschuldung, -sondern laufende, durch den Stand des regulären Geschäfts bedingte -Verbindlichkeiten dar, die durch die Aktiva -- und zwar schon durch -die sofort greifbaren -- weit überdeckt sind. Die äußere Finanzlage -der Gesellschaft muß also als glänzend bezeichnet werden. Zum Teil -hing das damit zusammen, daß die B. E. W. durch Obligationenausgabe -in der Lage gewesen waren, einen großen Teil der ihnen geleisteten -Vorschüsse zurückzuzahlen. Auch war vom Effektenbestande einiges -verkauft worden. Die +innere+ Fundierung der Gesellschaft, nicht -zu verwechseln mit der äußeren Finanzlage, ist befriedigend, aber nicht -mehr als dies, wenn man sie in Vergleich stellt zu der Reservenfülle, -die in späteren Jahren erreicht wurde. Der ordentliche Reservefonds, -der bei einem Kapital von 20 Millionen Mark 4479479 Mark enthielt, -ist fast ausschließlich aus den Agiogewinnen der Kapitalserhöhungen -zusammengesetzt. Eine solche Reserve kann wertvoll sein, wenn der -innere Wert der mit hohem Agio begebenen Aktien dem äußeren Kurse -entspricht, er kann aber auch ein Truggebilde darstellen, wenn die -Emissionskurse und die Dividenden künstlich und ungesund in die Höhe -getrieben worden sind. Eine außerordentliche Reserve von 500000 Mark -und ein Rückstellungskonto von 550000 Mark sind zweifellos als echte -Reserven zu bezeichnen, denn sie stammen aus den erzielten Gewinnen. -Stille Reserven enthielt die Bilanz der Gesellschaft im Jahre 1894 wohl -erst in bescheidenem Umfange; sie ruhten zumeist in dem Effektenbesitz, -wenngleich dieser damals über alle Schwankungen noch keineswegs -hinaus war und deshalb eigene Vorsichtsreserven brauchte, die auf ihm -ruhenden Reserven also erst zum Teil für das Gesamtunternehmen in -Rechnung gestellt werden konnten. Die Abschreibungen auf Anlagekonten, -die damals noch sichtbar gemacht wurden, waren angemessen, zum Teil -sogar reichlich, sie betrugen bei Maschinen etwa 10%, bei Werkzeugen, -Modellen usw. etwa 20%. Hier und da wurden Extraabschreibungen -vorgenommen. Auch hier kann man von Überschuß-Reserven, die über die -Sicherung der einzelnen Anlagekonten wesentlich hinausgingen, auf die -sie vorgenommen worden waren, kaum schon sprechen. - - - - -Zehntes Kapitel - -Das Finanz- und Trust-System - - -In einem kurzen Jahrzehnt war es dem bauenden Genie Rathenaus gelungen, -aus einer eng begrenzten Spezialfabrikation trotz aller technischen -und vertraglichen Fesseln, ein großes, universelles Fabrik- und -Geschäftsunternehmen zu machen. Die kleine Glühlampe hatte den Weg zu -großen industriellen Neuschöpfungen erhellt. Sie hatte auch in dem -ringenden Chaos des Rathenauschen Hirns den schöpferischen Funken, die -klärende Flamme entzündet. - -Im vorigen Kapitel haben wir die äußere Expansion der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft in dem ersten Abschnitt ihrer veränderten -Gestalt geschildert, die Verbreiterung der Fabrikation und die ersten, -aber schon kräftigen und vielfältigen Anfänge des Beteiligungs- -und Unternehmergeschäfts. Der jetzt zu behandelnde Zeitraum, der -ungefähr die Jahre 1895-1901 umfaßt, und von der Gewinnung der -vollständigen Handlungsfreiheit der A. E. G. bis zum Ausbruch der -großen Elektro-Krise um die Jahrhundertwende reicht, ist erfüllt von -den starken Fortschritten dieser doppelten Expansion, die sich ins -Große und Reiche auslebt. Daneben aber und im Gleichschritt mit dieser -ständigen Mehrung der +Quantität+ des Besitzes und Einflusses -entwickelt sich -- mehr unterirdisch und zunächst nur dem eingeweihten -Auge sichtbar -- ein Prozeß der Konsolidierung und Organisierung der -zunächst nach außen bewegten Kräfte, der zu einer stärkeren Festigung -der Fundamente, zu einer Dichtung des Gebälks, zu einer inneren -Auspolsterung mit freien, beliebig hin- und herschiebbaren Reserven -führt. Dadurch wird für das Ganze eine Elastizität erreicht, die in der -Lage ist, Verschiebungen, Erschütterungen und Verluste, die von außen -an das Unternehmen oder einzelne Teile herantreten, im wachsenden Maße -innerlich auszugleichen und somit auf den Weg der Rentenstabilisierung, -der Sicherstellung und Festigung der Aktiendividende führt. Die -Fabrikation wird nicht nur ausgedehnt, sondern auch teils durch -technische, teils durch finanzielle Ökonomie verbilligt, und somit in -die Lage gesetzt, wettbewerbsfähiger liefern und Konjunkturabschläge -ausgleichen zu können. In das Unternehmergeschäft, das bisher -unorganisiert, sozusagen von Augenblickserwägungen geleitet war, wird -System gebracht. -- Mit wenigen Strichen soll zunächst das Bild der -+äußeren Fortentwickelung+ der Gesellschaft in dieser Periode -gezeichnet werden. - -In den Geschäftsberichten der Jahre 1894 und 1895 war bereits -auf die zunehmende Bedeutung der +Kraftübertragung+ für die -elektrische Industrie hingewiesen worden, nachdem die Bestrebungen, die -Elektrotechnik der Kraftübertragung und Kraftverteilung zuzuführen, -infolge des Beharrungsvermögens der Verbraucher lange erfolglos -geblieben waren. Zwei Entwickelungen waren es, die dann in der Frage -des elektrischen Antriebes der Arbeitsmaschinen den Bann brachen: -Die -- nach kurzem Zögern -- rapide Entwickelung des Drehstroms, die -Möglichkeit der Verwendung, Umformung und Verteilung hochgespannter -Ströme, die technisch wie ökonomisch dem bisher verwendeten Gleichstrom -und Wechselstrom weit überlegen waren, und ferner das Beispiel -der ersten +Straßenbahnen+, die sofort und schlagend die -Betriebsbilligkeit der Elektrizität als Antriebs- und Arbeitsfaktor -erwiesen. „Die Elektrotechnik vertieft sich zur Maschinenindustrie.“ -Im Straßenbahnbau war die A. E. G. von Anfang an ebenso frei gewesen -wie Siemens & Halske, in der Entwickelung der Kraftübertragung hemmte -das vertragliche Verbot der Herstellung großer Maschinen und hierdurch -wurde die Ausnutzung des starken Vorsprungs, den der Gesellschaft das -von ihr zuerst und besonders wirkungsvoll dargestellte Drehstromsystem -ermöglicht hätte, verhindert, zumal eine Monopolisierung dieses bald -allenthalben von der Konkurrenz adoptierten Systems -- wie das bei -großen elektrischen Erfindungen üblich ist -- nicht gelang. Die erste -technische Aufgabe nach der Erlangung der völligen Fabrikationsfreiheit -war die Erweiterung der Maschinenfabrikation. 84541 qm wurden zu -diesem Zwecke längs des Humboldthains zwischen der Brunnen- bis zur -Hussitenstraße von der Berliner Lagerhof-Ges. in Liqu. erworben und -mit der alten Maschinenfabrik durch eine Tunnelbahn verbunden. 2 -Millionen Mark neue A. E. G.-Aktien, die bei dem damaligen Kurse -einen Wert von mehr als 5 Millionen Mark repräsentierten und 341667 -Mark in bar mußten für die Grundstücke allein bezahlt werden. Für -den Ausbau wurden die Mittel der Gesellschaft um weitere 5 Millionen -Mark Obligationen und 3 Millionen Mark neue Aktien vermehrt, von -denen allerdings 1 Million Mark zum Erwerb von 2 Millionen Mark -Anteilen der +Elektrochemischen Werke Bitterfeld G. m. b. H.+ -dienten und der Rest zum Kurse von 175% den Aktionären angeboten -wurde. Die zweite große Ergänzung des fabrikatorischen Prozesses der -Gesellschaft, das +Kabelwerk+, das Material für unterirdische -Leitungen erzeugen sollte, nachdem die Gesellschaft schon seit längerer -Zeit oberirdisches Leitungsmaterial herstellte, wurde im Jahre 1896 -begonnen. Dafür wurde ein Gelände von 102,120 qm an der Oberspree, -unmittelbar neben der neuen Kraftstation der B. E. W. erworben; dahin -wurde die gesamte Leitungsmaterialfabrikation verlegt, so daß der -bisher durch die Fabrik für oberirdisches Leitungsmaterial belegte -Werkstattraum in der Ackerstraße für andere Zwecke frei wurde. -Zugleich gewann die Gesellschaft durch den neuen Grundstückskauf einen -wertvollen Wasserstraßenanschluß. Von den bestehenden Fabrikanlagen -wurde die Glühlampenfabrikation durch Hinzunahme neuer Räume auf dem -Grundstück Schlegelstraße so beträchtlich erweitert, daß sie im Jahre -1895/96 600000 Lampen mehr erzeugen konnte als im Vorjahre und daß -die Erhöhung der gesamten Produktion auf das Doppelte im Bedarfsfalle -mit den geschaffenen Betriebseinrichtungen vorgenommen werden konnte. -Eine Anzahl von neuen Modellen, besonders Lampen hoher Spannung, die -eine wesentliche Ausdehnung der Netze von Beleuchtungsstationen ohne -starke Kosten ermöglichten, wurde in den nächsten Jahren geschaffen. -Im Jahre 1897/98 stieg der Absatz weiter um 900000 Lampen gegenüber -der gleichfalls wesentlich erhöhten Zahl des Vorjahres; in den Jahren -1898/99 und 1899/1900 um je 1 Million. Damit war die Leistungsfähigkeit -der erweiterten Fabrik erschöpft und es mußte zu einer neuen Ausdehnung -geschritten werden. Dabei wurde auch Vorsorge für die Haltung eines -größeren Lagerbestandes getroffen. Die Preise für Glühlampen waren -infolge der starken Konkurrenz in dieser Zeit ständig unter Druck, und -in den Kreisen der Fabrikanten wurde vielfach über unauskömmliche, zum -Teil ruinöse Preise geklagt. Im Geschäftsbericht für das Jahr 1895/96 -trat die A. E. G. diesen Anschauungen mit folgenden Worten entgegen: -„Trotzdem der Marktpreis der Glühlampen sich über das frühere Niveau -nicht erhoben hat, müssen wir der, auch von Fabrikanten vielfach -ausgesprochenen Ansicht entgegentreten, daß derselbe die Lieferung -eines sorgfältig sortierten und geprüften Fabrikates nicht gestatte. -Bei zweckmäßigen Einrichtungen und entsprechendem Umsatz ist der Preis -dieses nach Millionen zählenden Massenartikels auskömmlich.“ -- In -den nächsten Jahren bis zur Krise kam die rückläufige Preisbewegung -auf dem Kohlenfadenlampen-Markte nicht zum Stillstand. Erst nachdem -eine Reihe schwacher und nicht konkurrenzfähiger Betriebe zum Erliegen -gekommen war, gelang ein Zusammenschluß der verbliebenen Fabriken im -+Kohlenfadenlampensyndikat+. Im Jahre 1898 erwarb die A. E. G. die -Nernstlampe, die nach dem Erfinder Prof. Dr. Nernst in Göttingen diesen -Namen erhalten hat, und suchte, zunächst durch Laboratoriumsarbeit die -praktische Verwertbarkeit dieser Lampe zu erreichen und sie für die -Fabrikation vorzubereiten. Darüber wurde im Geschäftsbericht dieses -Jahres geschrieben: - -„Im Laboratorium beschäftigen wir uns seit Mitte März mit der -Erfindung des Herrn Professors Dr. Nernst in Göttingen. Das Prinzip -derselben läßt sich kurz dahin charakterisieren, daß, ähnlich wie beim -Gasglühlicht anstatt leuchtender Kohlenpartikelchen Substanzen von -besserer Lichtemission durch die Flammgase zum Glühen gelangen, so auch -in der neuen Lampe anstatt Kohlenkörper, die sowohl beim elektrischen -Bogen- wie Glühlicht bisher praktisch ausschließlich zur Verwendung -kamen, unverbrennliche Substanzen von hohem Lichtvermögen durch -den galvanischen Strom zur blendenden Weißglut erhitzt werden. Die -Hauptschwierigkeiten, die der Übertragung der Erfindung in die Praxis -anfänglich entgegenstanden, und welche einerseits die Anregung der im -kalten Zustande isolierenden Glühkörper, andererseits die Erzielung -genügender Haltbarkeit und Konstanz der Glühkörper bot, können jetzt -als bis zum gewissen Grade überwunden angesehen werden. Der Nutzeffekt -der Lampen ist z. Zt. etwa derjenige kleinerer Bogenlampen, also -erheblich besser als derjenige der bisherigen Glühlampen. Es steht zu -hoffen, daß sich der Nutzeffekt noch merklich steigern wird, und daß -sich Glühkörper bis zu fast beliebigen Kerzenstärken werden herstellen -lassen. In der Bequemlichkeit oder Handhabung sind die neuen Lampen -den Bogenlampen offenbar überlegen, stehen aber darin den gewöhnlichen -Glühlampen erheblich nach. Wir glauben nicht, daß die neue Lampe die -bisherigen Systeme elektrischer Beleuchtung verdrängen wird, vielmehr -scheint uns sicher, daß sie neben jenen ihr Anwendungsgebiet sich -erobern wird.“ - -Die Exploitation der Lampe nahm indes unerwartet viel Zeit in Anspruch, -trotzdem unermüdlich unter tätiger und ratender Mitarbeit Emil -Rathenaus an ihr gearbeitet und experimentiert wurde. 1899 hieß es: -„Die technische und wirtschaftliche Bedeutung der Nernstlampe werden -wir zu erproben Gelegenheit haben, sobald die im Bau begriffenen -Werkstätten uns in den Stand setzen, die der regen Nachfrage -entsprechenden Mengen herzustellen. Das Hauptpatent ist in Deutschland -nach Erledigung verschiedener Einsprüche erteilt worden. Die Option auf -die übrigen Patente mit Ausnahme derer für Österreich-Ungarn, Italien -und der Balkanländer haben wir ausgeübt.“ -- Die Hauptschwierigkeit lag -danach nicht mehr in der Konstruktion, sondern in der Produktion, deren -Überführung ins Große sich Hindernisse in den Weg stellten. Sie waren -auch im folgenden Jahre noch nicht behoben. Endlich im Jahre 1900/01 -war das Stadium der Versuche und Enttäuschungen überwunden, worüber die -Gesellschaft mit folgenden Sätzen im Geschäftsbericht quittierte: - -„Ein voller Erfolg ist nach jahrelanger, mühsamer Arbeit die Einführung -der Nernstlampe geworden. Die schöne und zugleich sparsame Lichtquelle -befindet sich in Hunderttausenden von Exemplaren bereits im Gebrauch -und gewinnt infolge sehr günstiger Betriebserfahrungen und der äußerst -befriedigenden Meßresultate der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt -täglich weitere Kreise.“ - -Vermochte die A. E. G. auf dem Gebiete der Beleuchtungstechnik -ihre dominierende Stellung (wenn auch unter ständiger, gewaltiger -Steigerung der Absatzquantität) nur gerade zu behaupten, während -ihren Plänen, neue Vorsprünge vor der Konkurrenz zu gewinnen, --- wie die Folgezeit lehren sollte -- trotz der Nernstlampe ein -durchschlagender und dauernder Erfolg nicht beschieden war, so wurden -auf anderen Gebieten Leistungen vollbracht, die durchaus den Stempel -des Neuartigen, Schöpferischen trugen. Hierher gehört vor allem -die klassische Durchbildung und praktisch-großartige Nutzanwendung -der Kraftübertragung in Stromerzeugungswerken, die das Höchstmaß -der damals möglichen Leistungsfähigkeit zu erreichen und ständig -zu erweitern suchten. Gerade dadurch, daß Rathenau auf dem Gebiete -des Wechselstroms nichts überstürzte und andere Unternehmungen, -so die Helios-Gesellschaft in Köln, englische und schweizerische -Gesellschaften den Wettlauf um die halbfertigen, halbgelungenen -Verwirklichungen ausfechten ließ, erwies er die Geduld und die -Kunst des Meisters. Er hatte sehr richtig erkannt, daß die Motoren -und auch die Lampen erst einer gründlichen Durchbildung für das -Hochspannungssystem bedurften, die nicht im Handumdrehen zu erreichen -war. Seine ersten nach dem Drehstromsystem erbauten Zentralen waren, -nachdem diese Schwierigkeiten überwunden waren, von überzeugender -Schlagkraft und Reife. Die Zentrale in Straßburg i. E. wurde im -Jahre 1895 rechtzeitig eröffnet, um die Stromlieferung für die -elsaß-lothringische Landesausstellung übernehmen zu können. Die neue -Zentrale an der Oberspree trat im Jahre 1896 in Tätigkeit mit einer -Anlage, die auf 50000 Pferdekräfte zugeschnitten war und einen Teil der -Vororte Berlins mit billiger Energie nach einem besonders vorteilhaften -Tarif versorgen sollte. Die Werke der Berliner Elektrizitätswerke -wurden dadurch ergänzt und die B. E. W. übernahmen das fertiggestellte -Werk, nachdem sein Funktionieren zweifelsfrei erwiesen war. Die -moderne Außenanlage wurde bei der nächsten Vertragserneuerung dem -Vertrage mit der Stadt Berlin eingegliedert, und man sorgte dafür, -daß der in Oberschöneweide erzeugte Hochspannungsstrom auch in -das innere Weichbild Berlins eingeführt werden konnte, wo er in 5 -Unterstationen umgeformt wurde. Die Riesenmaschinen der neuen Zentrale -erregten die Bewunderung der ganzen Fachwelt, deren Vertreter wie -seinerzeit bei der Straßenbahn in Halle aus aller Herren Länder zur -Besichtigung herbeieilten. Es folgten die Anfänge der Versorgung -des oberschlesischen Industriebezirks mit Licht- und Kraftstrom, -verbunden mit der Elektrifizierung oberschlesischer Straßenbahnen. -In Zaborze und Chorzow wurden zunächst Zentralstationen errichtet, -die das Fundament für die +Oberschlesischen Elektrizitätswerke+ -abgaben, und im Laufe der Zeit unter der Firma Schlesische -Elektrizitäts- und Gas-Aktiengesellschaft sich zu einem der wenigen -ganz großen Überlandzentralen-Werke Deutschlands auswuchsen. Die -Kraftübertragungswerke Rheinfelden, deren schwierige Wasserbauten -infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse und des dadurch -herbeigeführten hohen Wasserstandes des Rheins nicht mit der -planmäßigen Schnelligkeit gefordert werden konnten, reiften ihrer -Vollendung entgegen. Hier wie in anderen modernen Zentralstationen -wurden +Turbinen+ großer Maßstäbe als Antriebsmaschinen -verwendet. Auch auf diesem Gebiete trat das echt Rathenausche Prinzip -deutlich hervor, nicht zu warten, bis der Absatz allmählich den -Erzeugungsstätten zufloß, sondern sich für besonders rationell zu -erzeugende Kraft Groß-Abnehmer zu schaffen. Die Kraftübertragungswerke -Rheinfelden überließen die Hälfte ihrer verfügbaren Kraft auf die -Dauer der Konzession großen elektrochemischen Fabriken, die von der A. -E. G. und ihrem Konzern zu diesem Behufe gegründet oder unterstützt -worden waren und deren Produktionsnutzen auf dem Prinzip des billigen -Kraftbezuges beruhte. Der Standort der billigen Betriebskraft fing -auch in der elektrotechnischen Industrie an, eine maßgebende Bedeutung -neben dem Standort der günstigen Produktions- und Absatzverhältnisse -zu erlangen. Die Elektrochemie, der sich die A. E. G. besonders -durch Errichtung der Elektrochemischen Werke in Bitterfeld mit ihren -Zweigunternehmungen in Rheinfelden zugewendet hatte, betätigte sich -in der ersten Zeit besonders durch Erzeugung von Kalziumkarbid, um -später durch die elektrochemische Herstellung von Luftstickstoff eine -gewaltige Bedeutung zu erlangen. -- Lizenzen der elektrochemischen -Verfahren wurden an ausländische Gesellschaften, in Polen, in -Frankreich, in der Schweiz usw. übertragen, an denen sich das -Stammunternehmen beteiligte. - -In dieser Zeit beginnt auch das +ausländische+ Gründungs- und -Beteiligungsgeschäft, das schon vorher in kleineren und mittleren -Unternehmen betätigt worden war, große Formen anzunehmen. Die Werke in -Madrid, Barcelona, Bilbao, Craiova, Kopenhagen hatten die A. E. G. im -Auslandsgeschäft heimisch gemacht. Im Jahre 1894 wird durch Übernahme -der Aktien der von der Stadtgemeinde Genua und der italienischen -Regierung konzessionierten Società di Ferrovie Elettriche e Funicolare -(Elektrische Tram- und Drahtseilbahnen) die Zusammenfassung und -Elektrifizierung des gesamten Straßenbahn- und Krafterzeugungswesens -der lebendigsten italienischen Hafenstadt eingeleitet. Schon im -nächsten Jahre wird diese Gesellschaft zum Erwerb sämtlicher -Aktien der Società dei Tramways Orientali veranlaßt, die mit den -Konzessionsrechten zum Bau und zum Betrieb elektrischer Trambahnen für -den Osten von Genua und für die Vororte bis Nervi ausgerüstet war. -Die Netze beider Verkehrsunternehmen sollten zusammen ausgebaut und -in einheitlichem Betriebe geführt werden. Nahezu gleichzeitig mit -dem Erwerb der Società dei Tramways Orientali wird der A. E. G. von -der Stadt Genua die Konzession für den Bau und Betrieb eines Werkes -zur Erzeugung von Licht und Kraft erteilt, die einer neugegründeten -italienischen Aktiengesellschaft „Officine Elettriche Genovesi“ -übertragen wird. Die Interessen der drei Gesellschaften wiesen auf -enges Zusammengehen hin, damit alle Vorteile ausgenutzt würden, die -sich aus der Zusammenlegung der Betriebe ergeben konnten. Die schon -an sich starke Position der A. E. G. in der Elektrizitätsversorgung -Genuas wird noch dadurch verstärkt und ergänzt, daß die seit Jahren -bestehende große Pferdebahn der Compania Generale Francese, die Genua -mit Sampierdarena, Pegli, Voltri und Pontedecimo verband, in den -Besitz einer neugegründeten italienischen Aktiengesellschaft, der -Unione Italiana, übergeführt und dem Netz der A. E. G. -- wenn auch -nicht durch direkte finanzielle Beteiligung, so doch durch Bau- und -Betriebseinfluß -- angegliedert wird. Alle drei Trambahnunternehmen, -die eine Gleislänge von 90 km besitzen, werden in elektrischen Betrieb -überführt und mit dem Strom der Offizine Elettriche Genovesi, des neuen -Kraftwerks, gespeist. Diese mustergültige Konzentration des gesamten -Elektrizitätswesens einer großen Stadt bietet eine Fülle finanzieller, -organisatorischer und technischer Arbeit, zu deren Bewältigung ebenso -wie für andere gegenwärtige und zukünftige Aufgaben ähnlicher Art -eine besondere Finanzgesellschaft, die „+Bank für elektrische -Unternehmungen in Zürich+“ mit einem Kapital von 30 Mill. Fr. -gegründet wird. Sie übernimmt zunächst den Hauptaktienbesitz der A. -E. G. an den italienischen Gesellschaften, zu denen im Laufe der Zeit -Betriebe in Mailand, Venedig und Neapel treten. - -Noch breitere Dimensionen, weitere Perspektiven weist ein zweites -Auslandsunternehmen auf, das zum ersten Mal die Pioniere der A. E. G. -nach +Übersee+ führt. In Buenos Aires und in Santiago de Chile -werden im Jahre 1897 Konzessionen zur Errichtung von Zentralstationen -für die Erzeugung von Kraft und Licht erworben. Straßenbahnprojekte -ergänzen diese Konzessionen. An der chilenischen Unternehmung -beteiligen sich neben der A. E. G. und ihren Finanzfreunden, die dem -Löwe-Konzern nahestehende Gesellschaft für Elektrische Unternehmungen -und das Haus Wernher, Beit & Co. in London. Die südamerikanischen -Werke, zu denen später noch Gründungen in Montevideo und Rosario -treten, werden in einer +Deutsch-Überseeischen Elektrizitäts-Ges.+ -zusammengefaßt. Diese Gesellschaft entwickelt sich so gewaltig, daß zu -ihrer Finanzierung später fast alle deutschen Banken, unter der Führung -der Deutschen Bank hinzugezogen werden, und daß ihr technischer Ausbau -ein Zusammenarbeiten der A. E. G. mit Siemens & Halske wünschenswert -erscheinen läßt. Es entsteht und wächst ein Unternehmen, dessen Kapital -schließlich 150 Millionen Mark an Aktien und über 100 Millionen -Mark an Obligationen erreichte, das größte Kulturwerk deutscher -Auslandswirtschaft. - - * * - * - -Neben der +zentralistischen+ Tätigkeit der A. E. G. in den eigenen -Fabriken war seit der Schaffung der B. E. W. in immer stärkerem -Umfange die +dezentralisierende+ getreten, die sich in der -Gründung von Zweigunternehmungen, Tochter- und Enkelgesellschaften -aller Art ausdrückte. Es wurde ein Weg beschritten, zunächst scheinbar -unabsichtlich oder doch ohne feste programmatische Absicht, der von -Fall zu Fall, wie es jeweilig die einzel-geschäftliche Erwägung -zweckmäßig erscheinen ließ, zu Außenansiedelungen führte, die dem -Stammunternehmen in irgend einer Hinsicht von Nutzen sein und als -Stützpunkte dienen konnten. Die Methode der Dezentralisation, der -Abzweigung exzentrischer Unternehmergebiete vom Hauptunternehmen -durch Schaffung juristisch selbstständiger Gesellschaften oder -auch der Zusammenfassung einer Reihe von verwandten, miteinander -in Beziehung stehenden oder einander ergänzenden Unternehmungen in -einer Gruppe, sei es durch eine übergeordnete Mantelunternehmung -oder durch gegenseitige Aktienbeteiligung, ist nicht von Rathenau -erfunden worden. In dem Zeitalter, das durch Konzentration groß wurde, -lag sie sozusagen in der Luft. Die dezentralisierenden Seiten des -sogenannten Verschachtelungssystems entlasteten die Leiter der großen -Gruppenunternehmungen von einer Kleinarbeit und einer aktienrechtlichen -Verantwortlichkeit für Einzelheiten ihrer weitverzweigten Geschäfte, -die sie bei einer streng zentralistischen Verwaltung in der -Entfaltung ihrer Kräfte behindert, vielleicht erdrückt hätten. Die -zusammenfassenden Seiten dieses Systems boten ihnen trotzdem die -Möglichkeit, jederzeit alle Ausstrahlungen ihrer Unternehmungen zu -überblicken und zu überwachen. Vor Rathenau und gleichzeitig mit ihm -waren in der heimischen und der ausländischen Industrie trustartige -Gebilde entstanden, so besonders in den Vereinigten Staaten von -Amerika, wo sie sich als eine Folge des dort üblichen Finanz- und -Kapitalsystems herausbildeten. Zusammenballung unter ständigem Kampf -mit Konkurrenten war die Tendenz, in der unter der rein plutokratischen -Ordnung in Amerika Vermögen und Unternehmungen in die Breite strebten. -Die Häufung der +Quantität+ gab hier oft den Ausschlag, und -die großen Trustherren des Landes erweiterten ihren Aktienbesitz -durch Zusammenschweißung vielfach heterogener Wirtschaftsgebilde, -getrieben häufig nur von dem Willen zur Macht und zum Reichtum. -Rivalitätsneid, Agiotage, Plusmacherei, Spekulationssucht und andere -unsachliche Nebenerscheinungen des kapitalistischen Unternehmertums -nahmen im Transaktionswesen einen ungebührlich breiten Raum ein -und durchseuchten auch das Wurzelreich der Trustkombinationen. Die -Operationen am Aktienmarkte, nicht die wirtschaftlichen Interessen -der Industrie bildeten häufig die Triebfeder für Effektengeschäfte. -Nicht die Wertebildung, sondern die Wertebemessung war ihr Ziel. Es -konnte durch rasche Manöver besser erreicht werden als durch geduldige -Arbeit, und der Kurs ließ sich schneller beeinflussen als die Rente. -Da der Gewinn am Kurse schon an sich den Gewinn an der Rente um ein -Vielfaches übertrifft, indem er sozusagen die Kapitalisierung des -letzteren darstellt, da überdies Schwankungen des Kurses sich ungleich -häufiger ins Werk setzen lassen als Schwankungen der Rente, findet -derjenige, der auf eine schnelle Häufung großer Kapitalien ausgeht, in -dem Manipulieren, das heißt dem Hin- und Herschieben von industriellen -Wertpapieren eine Potenzierung +der+ Gewinnmöglichkeiten, die -ihm die Entwickelung von industriellen Werten bietet. Nur durch -die skrupellose Schaffung und Ausnutzung von künstlichen oder gar -fiktiven Werteverschiebungen und Wertevergrößerungen, für die -industrielle Vorgänge geschickt als Vorwand benutzt oder konstruiert -wurden, erklärt sich die schnelle Bildung mancher amerikanischen -Riesenvermögen. Ebensowenig wie behauptet werden kann, daß unsere -deutschen Verhältnisse von derartigen Erscheinungen und Auswüchsen -ganz frei gewesen sind -- wir werden später noch sehen, daß gerade -das Rathenausche Unternehmergeschäft, falsch nachgeahmt, zu ganz -ähnlichen Mißbräuchen des Effekteninstruments, allerdings in den -kleineren Maßen unseres Landes geführt hat --, ebensowenig soll dem -amerikanischen Trustsystem jeder sachlich-wertvolle Inhalt, jeder -industriell-zweckvolle Gesichtspunkt abgesprochen werden. Neben der -rein kapitalistischen Macht wurde vielfach auch industrielle Macht -angestrebt, und im Entwurf, wenn auch nicht in der Ausführung, hatten -die Spekulationen der Trustkönige fast stets einen wirtschaftlich -wertvollen Kern, weshalb manchen dieser Männer auch -- im Anfange ihrer -Tätigkeit wenigstens -- der gute Glaube nicht unbedingt abgesprochen -werden kann. An wirtschaftlicher Phantasie fehlte es ihnen häufig -nicht, wohl aber an wirtschaftlicher Solidität, und sie zogen es -bald -- nachdem sie die großen Schwierigkeiten zäher Industriearbeit -kennen gelernt hatten -- vor, Effektenpolitik zu treiben, statt -Wirtschaftspolitik. Viele der großen Trusts haben infolgedessen -Jahrzehnte gebraucht, ehe sie das ihnen bei ihrer Taufe mitgegebene -reichliche „Wasser“ aus ihren Eingeweiden aussondern konnten, und die -unorganische Anlage mancher der amerikanischen Bahnsysteme hat sich -bis in die heutige Zeit als unheilbar erwiesen. Auch die elektrischen -Konzerne der Vereinigten Staaten litten jahrzehntelang unter den -Schäden zu leichter Zimmerung. - -Wenn nun im Laufe der Jahre, nachdem die Expansionsmöglichkeiten selbst -in Amerika eine gewisse Einengung erfahren haben, die Entwickelung -auch in diesem Lande zu einer gewissen Intensität der Wirtschaft -hinlenkte, wenn auch hier die Effektenfluktuationen allmählich -ruhiger wurden, das Land des Trustsystems hat es bisher eigentlich -nur zu Unternehmungsgruppen gebracht, die man +Flächentrusts+ -nennen kann. Es wird eine Anzahl von Unternehmungen, die denselben -Zweck verfolgen und einander ungefähr ähnlich organisiert sind, -zusammengebracht, um die Konkurrenz zwischen ihnen auszuschließen und -den Markt in den von ihnen hergestellten Waren oder den von ihnen -geleisteten Arbeiten zu monopolisieren. Die amerikanischen Trusts sind -im allgemeinen Gegenstücke zu unseren deutschen +Kartellen+. -Sie verfolgen denselben Zweck wie diese, wenngleich sie ihn nie so -voll erreicht haben, weil in Amerika die größeren industriellen -Neubildungsmöglichkeiten ein Außenseitertum mehr begünstigten als -unsere extensiv ziemlich erschöpfte und nur im wesentlichen noch -intensiv zu entwickelnde Industrie. Der wirtschaftliche Vorteil -der amerikanischen Trusts besteht nun fast lediglich darin, ihre -Beteiligten davor zu bewahren, die Waren ohne den von ihnen für -notwendig gehaltenen Produktionsnutzen abgeben zu müssen. Die -Politik, die sie betreiben, ist daher nicht nur in der Absicht, -sondern auch in der Wirkung reine Produzentenpolitik. Sie stärkt die -Erzeugerschicht und leistet der Volkswirtschaft damit einen -- wenn -auch einseitigen -- Dienst, indem sie die Rente des in der Industrie -arbeitenden Kapitals schützt und mehrt, und das Gesamtkapital des -Landes, allerdings vielleicht unter Schädigung anderer Schichten, -nach einer bestimmten Richtung hinlenkt. Wird ihre Politik maßvoll -gehandhabt, so braucht sie, und dasselbe gilt von der Politik der -deutschen Kartelle, auch den Interessen der Konsumenten nicht zuwider -zu laufen. Ist ihre Preisdiktatur aber rücksichtslos, so kann die damit -verbundene Schädigung der Konsumenten oder Weiterverarbeiter so groß -sein, daß sie der gesamten volkswirtschaftlichen Ökonomie des Landes -abträglich wird. In der Praxis haben die amerikanischen Trustherren, -die „reichen Räuber“, begünstigt durch eine auf ihre industriellen -Interessen zugeschnittene Hochschutzzollpolitik, tatsächlich die -Kapitalbildung des Landes in eine industrieplutokratische Richtung -gezwungen, wie sie sich in keinem anderen Lande auch nur annähernd -so scharf ausgeprägt hat. Den amerikanischen Flächentrusts sind aber -die ökonomischen Vorteile, wenn auch nicht gänzlich fremd, so doch -verhältnismäßig wenig vertraut, die sich aus der +Vertiefung+ -des Produktionsprozesses durch Selbstbedarfsherstellung und -Selbstabsatzdeckung ergeben können. Derartige +Tiefentrusts+, wie -sie besonders die deutsche Industrie herausgebildet hat, verfolgen -an sich nicht die Tendenz der Marktbeherrschung. Sie wollen nicht -so sehr an dem teuren Absatz einer Ware verdienen, als an der -billigen Produktion. Sie wollen diese Ware so billig wie möglich -+herstellen+, um sie -- trotz Erzielung ihres angemessenen -Unternehmer-Nutzens -- so wettbewerbsfähig, das heißt so wohlfeil wie -möglich +verkaufen+ zu können. Sie erreichen dies dadurch, daß -sie die Ware in einem möglichst lückenlosen Produktionsprozeß in allen -Stadien der Rohstoffbeschaffung, Weiterverarbeitung und Endproduktion -selbst erzeugen und sie so -- unbelastet mit den Produktionsnutzen der -Vor-Unternehmer (Roh- und Halbstofflieferanten) -- lediglich unter -Einkalkulierung ihres Schlußgewinnes in den Verkehr bringen können. Die -volkswirtschaftlichen Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand. -Sie sind produzenten-fördernd und zugleich konsumenten-dienlich und -selbst wenn der Tiefentrust zugleich ein Monopol besitzt oder -- wie -dies in der deutschen Montanindustrie der Fall ist -- sich mit anderen -Unternehmungen ähnlicher Art durch Kartelle usw. zu einem Monopol -zusammenschließt, sind die Gefahren der Monopolisierung nicht so groß -wie bei dem Flächentrust, weil selbst ein hoher Preisaufschlag beim -Verkauf durch die Ersparnis an den Produktionskosten kompensiert oder -doch verringert wird. Ähnliche Ersparnisse kann der Flächentrust -- -wie dies ja in Amerika teilweise der Fall ist -- nur durch äußerste -Spezialisierung, also auf dem ganz entgegengesetzten Wege, machen, -zum Beispiel dadurch, daß eine Fabrik oder eine Fabrikengruppe nicht -Werkzeugmaschinen verschiedener Art, sondern nur eine ganz bestimmte -Werkzeugmaschinentype, daß eine andere Gruppe nur Automobilreifen, eine -dritte nur Fahrradreifen usw. herstellt. Eine solche Spezialisierung -läßt sich aber nur in der Verfeinerungsindustrie, nicht in den unteren -gewerblichen Stufen erreichen, sie entzieht dem Unternehmer auch den -Überblick über die Gesamtheit seiner Industrie, hindert manchmal darum -sein technisches Fortschreiten und setzt jedenfalls seinen, lediglich -auf einen bestimmten Produktionsprozeß zugeschnittenen Betrieb der -Gefahr aus, konkurrenz- und damit lebensunfähig zu werden, sobald von -irgend einer anderen Seite ein besseres Verfahren gefunden wird oder -die Konjunktur seinem Erzeugnisse ungünstig wird. - -Schon aus der Gegenüberstellung von Tiefen- und Flächentrust werden wir -erkannt haben, daß die trustartigen Erscheinungen, die Emil Rathenau -in Amerika vorgefunden haben mochte, als er sich anschickte, sein -Beteiligungs- und Unternehmungssystem zu schaffen, von ihm keineswegs -nur kopiert zu werden brauchten, um die ihm vorgeschriebenen Probleme -lösen zu können. Was er dort sah und von dort übernehmen konnte, -war eigentlich nur die Form der Effektenverschachtelung. Diese -konnte ihm an sich naturgemäß nichts bedeuten, sondern er bediente -sich ihrer nur, um die ganz eigenartigen und neuartigen Aufgaben -durchzuführen, vor die ihn seine Arbeit -- erst von Fall zu Fall, -dann allmählich systematisch aus- und um sich greifend -- stellte. -Das von ihm geschaffene Trustsystem läßt sich weder als Flächen- noch -als Tiefentrust bezeichnen, es hat Merkmale von beiden und daneben -Eigenschaften, die jenen beiden Systemen ganz fremd sind. Es ist auch -nicht ausschließlich auf die Bildung von industriellen Werten bedacht, -wenngleich diese stets ausschlaggebend im Vordergrunde stehen. Es trägt -auch manche Bestandteile des Effektengeschäfts in sich, die zuerst -vielleicht unbewußt und unbeabsichtigt als Folgen der industriellen -Bildungen in Erscheinung treten, dann aber, als sie in ihrem Wert -und Nutzen erkannt sind, gern ausgebeutet und zur Gewinnung von -Geldmitteln benutzt werden, die später als erwünschtes Subsidienkapital -dem industriellen Prozeß wieder zugeführt werden. Als Selbstzweck, -das heißt als Mittel lediglich zum Zwecke der Geldansammlung werden -derartige Effektengeschäfte aber niemals betrachtet, und weil dies -nicht der Fall ist, können sich Effekten-Gesichtspunkte niemals zu -Herren der industriellen Gesichtspunkte machen. Die Effektengewinne -fallen sozusagen als reife Früchte vom Baume der industriellen -Entwickelung, und dürfen sich nie hervordrängen, wenn die industrielle -Frucht noch nicht gereift ist. - -Das Rathenausche Trustsystem wurde ganz von innen heraus aufgebaut. -Es waren Geschäfte da, die gemacht werden sollten, und zwar mit dem -geringsten Aufwand von Mitteln, Abhängigkeiten und Reibungen. Beispiele -sollten gegeben, Versuche unternommen werden. Alle diese Unternehmungen -suchten sich die Formen, die ihnen paßten, Formen, die nicht durch -ein Übermaß von Organisationsschwere, technischem Apparat den Inhalt -bedrückten, die aber genug Organisationskraft und Tragfähigkeit -besaßen, um nicht durch eine mangelhafte Durchführung die Sache zu -gefährden. Elastisch in seiner Beweglichkeit, fest in seiner Konstanz, -vielfältig in der Fülle und Verschiedenheit seiner Erscheinungen war -das Trustsystem Emil Rathenaus; es fanden sich Formen in ihm vor, die -nur +einmal+ angewendet wurden, es gab aber auch Typen, die in -verwandten Fällen mit mehr oder weniger großen Abweichungen wiederholt -wurden. Wenn es auch empirisch aufgebaut wurde, so mußte es doch -in einem gewissen Stadium seiner Entwickelung das Feuer logischer -Durchschmelzung und Gliederung, die Kontrolle der Idee durchschreiten. -Dieses Stadium war in dem Zeitraum von 1895-1900 gekommen, dessen -äußeren Entwickelungsgang wir oben geschildert haben. Deshalb dürfte -sich an dieser Stelle zweckmäßig der Versuch anschließen, das -Trustsystem Emil Rathenaus als ein Gebilde sui generis in seinen -Grundrissen und Grundzwecken zu untersuchen. - -Die erste große Gruppe der Tochterunternehmungen der A. E. G. -verfolgte Zwecke der Demonstration. Werke dieser Art waren die -Berliner Elektrizitätswerke, die Stadtbahn in Halle, zu einem Teil -auch die Kraftübertragungswerke Rheinfelden und die Elektrochemischen -Werke in Bitterfeld. Durch sie sollten wichtige Anwendungsgebiete -der Elektrizitätsindustrie in der Methode geklärt und der Praxis -erschlossen werden. Ein Schulbeispiel wurde aufgestellt, an dem der -Produzent, wie der Konsument lernen sollte. Die A. E. G. lernte die -Methodik der praktischen Ausführung eines theoretisch bereits gelösten -Problems, der Konsum wurde durch die Vorteile, die ihm vor Augen -geführt wurden, zur Nachahmung und Benutzung angefeuert. War eine Idee -für die Ausführung im Großen, für die dauernde praktische Nutzanwendung -noch nicht reif, waren vor allem noch Zweifel vorhanden, ob sich diese -Idee in der Praxis ebenso bewähren würde wie in der Theorie, oder -war das technische Rüstzeug für die Ausführung eines Problems noch -nicht durchgebildet genug, so wurden der Kostenersparnis halber nur -Studiengesellschaften mit kleinem Kapital gegründet, sofern die bloße -Laboratoriumsarbeit in den eigenen Fabriken nicht die Sicherheit der -praktischen Bewährung zu bieten vermochte. Dies war zum Beispiel bei -der ersten Einführung des Edisonlichtes selbst, beim Akkumulatorenbau, -bei den elektrischen Vollbahnen, beim Untergrundbahnenbau, bei -der drahtlosen Telegraphie usw. der Fall. Waren anderswo bereits -reifere Stadien der Erfahrung erreicht, so suchte Rathenau -- um -sich zeitraubende Umwege zu ersparen und nicht hinter der Konkurrenz -zurückzubleiben -- sich ihre Benutzung zu sichern, entweder indem er -die Unternehmungen, die im Besitze brauchbarer Erfahrungen waren, -erwarb, oder indem er seine Verfahren ihnen überwies, und sich an dem -so geschaffenen Gemeinschaftsbetriebe beteiligte. Auf solche Weise kam -zum Beispiel die Beteiligung an der Akkumulatorenfabrik Berlin-Hagen -zustande, die gemeinsam mit Siemens & Halske erfolgte, indem die -A. E. G. in diese Gesellschaft ihre eigenen Akkumulatorenpatente -einbrachte und mit den von den Vorbesitzern des Hagener Werkes -benutzten Tudor-Patenten vereinigte. In solchen Fällen handelte es -sich meist um Produktionsprozesse, die die Gesellschaft für sich nicht -als hauptsächlich betrachtete und vornehmlich deswegen pflegte, um -Ergänzungen ihrer Hauptproduktionen herbeizuführen. Betriebszweige -ersten Ranges entwickelte sie meist selbständig, und die oben -erwähnten Demonstrationsunternehmungen hatten den Zweck, sie populär -zu machen, wenn der Konsum sich ihnen nur zögernd zuzuwenden schien. -Das geschah hauptsächlich bei den Werken, die als Groß-Produzenten -oder Groß-Verwender elektrischen Stroms in Betracht kamen. Ihre -Produktions- und Absatzverhältnisse mußten erst sinnfällig geklärt, -ihre Rentabilitäts- und Wettbewerbsbedingungen praktisch erprobt -werden, ehe fremde Unternehmer sich ihnen zuwendeten. Der Einfluß der -Berliner Elektrizitätswerke auf den Zentralenbau war, wie wir schon -gesehen haben, außerordentlich stark, nachdem erst das Unternehmen -den Kinderschuhen entwachsen war. Sehr schnell wirkte das Beispiel -der Stadtbahn in Halle, zu dessen Besichtigung sofort Interessenten -aus ganz Deutschland und Europa zusammenströmten. Frühere Erfahrungen -aus amerikanischen Städten hatten hier den Bauproblemen wie der -Aufnahmefähigkeit des Publikums vorgearbeitet. Ziemlich langsam, aber -dann umso intensiver wirkte das Beispiel der Kraftübertragung. - -Das Demonstrations-Motiv blieb aber nicht lange das einzige oder -hauptsächlich ausschlaggebende beim Unternehmergeschäft. Auch nachdem -das gelungene Beispiel aufgestellt war, kamen die Interessenten nun -nicht in genügender Zahl sofort herbei, um es für ihre Rechnung -nachahmen zu lassen, und außerdem kamen die, welche es nachahmen -lassen wollten, nicht alle mit ihren Aufträgen zu der A. E. G. Auch -die Konkurrenz tat sich um und machte sich die werbende Kraft der -gelungenen Probestücke zunutze. Bei Interessenten, die noch nicht -ganz von der industriellen Lebensfähigkeit der Anlagen überzeugt -oder auch nicht allein in der Lage waren, ihre Kosten und Risiken zu -tragen, mußte nachgeholfen werden, indem sich die A. E. G. an der -Kapitalaufbringung oder sogar an der Betriebsführung beteiligte. Bei -Objekten, die von der Konkurrenz umworben wurden, mußten gleichfalls -finanzielle und betriebliche Beihilfen zugesagt werden. Neben das -Motiv der Anregung traten bald das Motiv der Nachhülfe sowie das -Motiv des Wettbewerbs. Hier erscheint die Unternehmer-Beteiligung -aber immerhin noch als ein Mittel zum Zweck der Alimentierung des -+Fabrikationsgeschäfts+ mit Aufträgen, immer wieder von der -Tendenz begleitet, für die allgemeine Ausdehnung der angewandten -Elektrizität Propaganda zu machen. Die guten Erfahrungen, die -mit diesen Beteiligungsgeschäften gemacht wurden (und zwar nicht -nur in ihrer Rückwirkung auf die Fabrikation, sondern in rein -effekten-technischer Hinsicht) ließen aber neben die sekundären -Motive der Effektenbeteiligungen ebenso stark schließlich ihren -+Selbstzweck+ treten. Der Effektenbesitz rentierte sich so -gut, daß das Bestreben der A. E. G. ganz von selbst darauf hinging, -ihn in geeigneter Weise zu mehren. Die Unternehmungen, an denen sie -beteiligt war, wurden nicht nur durch ihre Bauaufträge, sondern -die in ihrem Betriebe fortlaufend hervortretenden Betriebs- und -Erweiterungsbedürfnisse zu einer ständigen Abnehmerschicht für die -A. E. G., ihre alljährlichen Dividendenerträgnisse führten der -Gesellschaft auch regelmäßig namhafte Summen zu. Daneben gab der -Effektenbesitz auch Gelegenheit zu vorteilhaften Transaktionen mit -der Wertpapier+substanz+. Günstige Bezugsrechte auf neue Aktien -konnten ausgeübt, billig erworbene Effekten nach Eintritt oder nach -Besserung der Rentabilität abgestoßen werden. Häufig wurden beide -Transaktionen vereinigt und aus dem alten Besitz Aktien mit Buchgewinn -abgestoßen, während das Beteiligungsinteresse durch Übernahme -billigerer junger Aktien wieder aufgefüllt wurde. Je mehr sich der -betriebstechnische, verwaltungstechnische und finanzielle Umkreis -derartiger Geschäfte mehrte, desto nötiger wurde seine Gruppierung -und Organisierung in besonderen zusammenfassenden Verwaltungs- und -Aktionsunternehmungen, die die Hauptgesellschaft von einem verwirrenden -Zuviel an Belastung und Arbeit befreiten, wie es bei einem im -Grunde die Fabrikation pflegenden Unternehmen den eigentlichen Kern -nicht überwuchern durfte. Es wurden Neben-Zentralen, sogenannte -Mantel-Gesellschaften gegründet, die nicht Unternehmungen besonderer -Art +schaffen+, sondern diese verwalten, überwachen und ihre -Bedürfnisse befriedigen sollten. Sie nahmen dem Konzern-Mittelpunkt -Funktionen ab, sie fügten ihm aber auch andererseits Kräfte und -Hilfsquellen zu, über die er ohne sie wahrscheinlich nicht hätte -verfügen können. Bei derartigen Mantelgesellschaften sind solche, -die als bankähnliche Institute die finanziellen Aufgaben der -Unternehmungen zu übernehmen hatten, zu unterscheiden von anderen, -die eine technische und betriebliche Überwachung durchführen sollten. -Zu den letzteren Unternehmungen gehörten die +Allgemeine Lokal- -und Straßenbahn-Akt.-Ges.+ für den Geschäftszweig „Elektrische -Bahnen“ und die +Elektrizitätslieferungsgesellschaft+ für -die Abteilung „Elektrizitätswerke“. Die Allgemeine Lokal- und -Straßenbahn-Gesellschaft war ein bereits vorher bestehendes -Unternehmen, dessen Aktien die A. E. G. im Jahre 1890 aus dem damals -entlastungsbedürftigen Portefeuille der Nationalbank für Deutschland -erworben hatte. Der Geschäftsbericht der A. E. G. verzeichnet über -den Erwerb nur eine kurze Begründung: „Wir haben uns damit bei -einem in solider Entwickelung befindlichen Unternehmen beteiligt -und eine bleibende Unterlage für ein aussichtsvolles Vorgehen auf -Einführung des elektrischen Betriebes gewonnen.“ Der zunächst in den -Vordergrund tretende Zweck der Angliederung war nicht die Schaffung -eines „Mantels“ für neu zu errichtende oder zu erwerbende elektrische -Bahnen, sondern die Gewinnung eines Stammes eigener Pferdebahnen, -die als Objekte für die Überführung in den elektrischen Betrieb -benutzt werden konnten. Das Versuchs- und Demonstrationsmotiv -spielt also hier noch stark hinein, und das Unternehmerbaumotiv -steht zunächst im Mittelpunkt der Erwerbung. Später verschiebt -sich die Aufgabe der Allgem. Lokal- und Straßenbahn immer stärker -nach der Richtung einer Holding- und Verwaltungsorganisation für -alte und neuzuerwerbende Straßenbahninteressen. Sie wird eine -echte Mantelgesellschaft großen Stils. Daneben werden im Laufe der -Jahre noch kleinere Konzernunternehmungen für den Bahnenbetrieb, -so z. B. die Schlesische Kleinbahn-Akt.-Ges. erworben. -- Die -+Elektrizitätslieferungsgesellschaft+, die von vornherein als -Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft errichtet ist, wurde im Jahre -1897 ins Leben gerufen. Im Geschäftsbericht desselben Jahres wird ihr -Zweck folgendermaßen geschildert: „Nach dem Muster der Allgem. Lokal- -und Straßenbahn-Gesellschaft haben wir eine Stromlieferungsgesellschaft -unter der Firma „Elektrizitätslieferungsgesellschaft“ gegründet. Wie -jene eine Anzahl von elektrischen Bahnen in sich vereinigt und nach -einheitlichem Prinzip und mit wirtschaftlichem Erfolge verwaltet, -wird diese den Betrieb auch von Elektrizitätswerken übernehmen, die -den kostspieligen Apparat einer selbständigen Organisation nicht zu -tragen vermögen oder einer längeren Entwickelungszeit bedürfen, bevor -sie eine angemessene Rente gewähren. Wir haben das gesamte 5 Mill. M. -betragende Aktienkapital unserem Effektenbestande zu dauerndem Besitz -einverleibt und einen maßgebenden Einfluß auf die Geschäftsführung -der Gesellschaft uns gesichert.“ Weiterhin wird dann bemerkt, daß -die Preise und Bedingungen für den Bau von Zentralen mit Rücksicht -auf die engen Beziehungen der Elektrizitätslieferungsgesellschaft -zur A. E. G. in billiger Weise durch Verträge festgelegt sind. Ein -Teil der Aktien der Elektrizitätslieferungsgesellschaft wurde später -übrigens den Berliner Elektrizitätswerken übereignet, als bei diesen -die Wahrscheinlichkeit eintrat, daß die Verträge mit der Stadt Berlin, -die ihren Hauptinhalt bildeten, nicht erneuert werden würden. Die B. -E. W. haben sich schon in den letzten Jahren vor dem Vertragsablauf, -und später noch entschiedener, zu einer Mantelgesellschaft für -Stromerzeugungswerke ausgebildet, da der bei ihnen nach der Übernahme -der Werke durch die Stadt Berlin eintretende Rückfluß freigewordener -Anlagekapitalien mit dem gerade um diese Zeit akut werdenden -Geldbedürfnis anderer in der Entwickelung befindlicher Unternehmungen -des Konzerns zusammentraf. Ihren Hauptbesitz bildeten einige Zeit -die „Elektrowerke“ in Bitterfeld, die auf Braunkohlengrundlage die -Stromerzeugung in großem Maßstabe mit der Tendenz der Fernübertragung -aufnahmen. Als die Entwickelung der Elektrowerke nicht die gewünschten -schnellen Fortschritte machte, wurde diese Beteiligung indes von den -B. E. W. der A. E. G. selbst übertragen und später das ganze Werk von -den Reichsstickstoffwerken übernommen. Durch den früher erfolgten -Erwerb von Aktien der Elektrizitätslieferungsgesellschaft seitens -der B. E. W. wurde eine doppelte Verschachtelung herbeigeführt, die -nicht das einzige Beispiel für die indirekten Beteiligungs-Methoden -des Systems Rathenau ist. Die Mantelgesellschaft erwarb -- und -zwar lediglich aus finanztechnischen Gründen -- die Aktien einer -anderen Mantelgesellschaft, der Weg von dem äußersten Mantel -bis zu den direkten Produktionsgesellschaften führte hier über -zwei Stufen. Ähnliche Mehrstufigkeiten traten z. B. dadurch in -Erscheinung, daß die Elektrizitätslieferungsgesellschaft territoriale -Unter-Elektrizitätslieferungsgesellschaften in Bayern, Sachsen, -Thüringen und so weiter gründete, in denen die bayerischen, sächsischen -und thüringischen Stromwerke zusammengefaßt waren. Den größten Teil der -Aktien dieser territorialen Elektrizitätslieferungsgesellschaften nahm -die Berliner Elektrizitätslieferungsgesellschaft in ihr Portefeuille. -Stellt man folgende Stammtafel auf: - - Aktien des +Elektrizitätswerkes Plauen+ besitzt die - +Sächsische Elektrizitätslieferungs-Ges.+, Aktien der Sächs. - E. L. G. besitzt die +Elektrizitätslieferungsgesellschaft - Berlin+, Aktien der E. L. G. Berlin besitzen die B. E. W. -- - Aktien der B. E. W. besitzt die A. E. G., - -so erhält man das System der Verschachtelung bis zum vierten Gliede -fortgeführt. -- Übrigens wird bei den sogenannten Mantelgesellschaften -das Prinzip, Aktien von Werken einer bestimmten Gattung nur jeweilig -der dafür geschaffenen Trust-Gesellschaft zu übergeben, nicht -immer ganz konsequent durchgeführt. So besitzt zum Beispiel die -Elektrizitätslieferungsgesellschaft Anteile der Brenner Werke G. m. -b. H. und der Elektromotor G. m. b. H. Hier handelt es sich aber -immerhin um Gesellschaften, die als Hilfswerke für Stromunternehmungen -bezw. als Erzeugungsstätten für Produkte, die bei der Stromverwendung -gebraucht werden, in Betracht kommen. Eine solche Verwandtschaft -ist aber -- wenigstens äußerlich -- nicht vorhanden, wenn zum -Beispiel die Elektrizitätslieferungsgesellschaft Aktien der Lahrer -Straßenbahn-Akt.-Ges. erwirbt. Erklären wird sich diese Anomalie -wahrscheinlich dadurch, daß irgend ein Werk der E. L. G. den Strom -für die Lahrer Straßenbahnen liefert und sich diese Beziehung durch -Aktienbesitz zu festigen wünscht. In manchen Fällen werden auch -finanzielle Gründe für derartige Systemlosigkeiten maßgebend sein, -manchmal vielleicht auch nur Zufälligkeiten. An Prinzipienreiterei hat -das System Rathenau nie gekrankt, und es hat sich manche sozusagen -künstlerische Regellosigkeit leisten können, weil es in den großen -Grundgedanken so ganz logisch aufgebaut war. - -Neben den industrie- und verwaltungstechnischen Mantelgesellschaften -stehen die vielleicht noch wichtigeren +finanztechnischen+. -Die bedeutendste und erste von ihnen ist die „Bank für elektrische -Unternehmungen in Zürich“. Dieses Unternehmen ist im Jahre 1896 -mit einem zunächst zu 50% eingezahlten Aktienkapital von 30 Mill. -Frcs. und einem autorisierten, aber erst allmählich ausgegebenen -Obligationenkapital in derselben Höhe begründet worden. Es wurde im -Laufe der Zeit auf 75 Mill. Frcs. Aktien und mehr als 75 Mill. Frcs. -Obligationen erhöht. Als Zweck der Gesellschaft wurde im Statut -angegeben: „Übernahme und Durchführung von Finanzgeschäften, insoweit -dieselben Bezug haben auf die Vorbereitung, den Bau, den Erwerb, den -Betrieb, die Umwandlung oder die Veräußerung von Unternehmungen im -Gebiet der angewandten Elektrotechnik, insbesondere der Beleuchtung, -Kraftübertragung, des Transportwesens und der Elektrochemie.“ -- -Der erste Inhalt, der dieser großen, von vornherein mit bewußter -Absicht ihrer weitausgreifenden Ziele und Grenzen geschaffenen Form -gegeben wurde, bestand -- wie wir schon gesehen haben -- in den -wichtigen italienischen Elektrounternehmungen (in Genua), denen -sich die A. E. G. in der damaligen Zeit eben zugewandt hatte. Neben -der Erkenntnis, daß das Beteiligungsgeschäft des Konzerns ganz -allgemein bis zu einem Umfang und einer Verzweigung gediehen sei, -die die Schaffung einer besonderen Finanzgesellschaft erforderlich -machten, war schon damals für die Wahl eines in der neutralen Schweiz -liegenden Gesellschaftssitzes der Gedanke maßgebend, daß es zweckmäßig -sei, große Auslandsbeteiligungen nicht in Deutschland, sondern im -neutralen Ausland zu verankern; ein Gedanke, der sich gerade in den -im Weltkriege eingetretenen chauvinistischen Irrungen und Wirrungen -als psychologisch durchaus richtig erwiesen hat, wenn er auch die -deutschen Interessen im feindlichen Auslande -- neben dem italienischen -Besitz verwaltete die Bank für elektrische Unternehmungen (kurz -Elektrobank genannt) insbesondere auch den großen Besitz an Aktien der -St. Petersburger Gesellschaft für elektrische Beleuchtung vom Jahre -1886 -- nicht so wirksam zu schützen vermochte, wie dies erwünscht -gewesen wäre. Außer dieser Dislozierung deutscher Auslandsinteressen -verfolgte die Errichtung der Finanzgesellschaft der A. E. G. in der -Schweiz noch verschiedene andere Zwecke. Zunächst einmal bot die -freiere Aktiengesetzgebung der Schweiz einen größeren Spielraum für -Aktien-Transaktionen, wie sie den Haupttätigkeitskreis der neuen -Gesellschaft bildeten. Ferner wurde damit die Einbeziehung der Schweiz -in den Aktions-Radius der A. E. G. in zweifacher Richtung angestrebt. -Einmal sollte die Produktions- und Absatzsphäre der Gesellschaft auf -das elektrischen Unternehmungen von jeher besonders günstige Gebiet -der Schweiz ausgedehnt werden, das mit seinen reichen Wasserkräften -für die Erzeugung billiger Elektrizität und besonders für die damals -aufkommende Kraftübertragung einen besonders guten Entwickelungsboden -abgab, das in der Fernübertragung, im Vollbahnenwesen späterhin -bahnbrechende Leistungen sah. Zweitens sollte der Kapitalmarkt der -Schweiz und vielleicht auch indirekt derjenige anderer ausländischer -Staaten, die vielleicht einer direkten Bearbeitung durch deutsche -industrielle und finanzielle Kräfte nicht so leicht zugänglich gewesen -wären, dem Emissionskredit der A. E. G. erschlossen werden. Alle -diese Zwecke sind in mehr oder weniger starkem Grade auch erreicht -worden. Die Elektrobank wurde, so eng sie stets auch an die A. E. G. -angeschlossen blieb, ein Unternehmen, das sehr stark in der Schweiz -verwurzelte, in dem Schweizer Einfluß sich zur Geltung zu bringen -verstand, und durch das Schweizer Kapitalien dem A. E. G.-Konzern und -umgekehrt deutsche Kapitalien der Schweiz zuflossen. Als die russische -Regierung während des Weltkrieges die schon erwähnten Petersburger -Elektrizitätswerke als „deutsche Unternehmungen“ mit Zwangsmaßnahmen -aller Art bedrohte, konnte von der schweizerischen Regierung mit Recht -darauf hingewiesen werden, daß die Bank für elektrische Unternehmungen, -die Hauptbesitzerin der Aktien der Gesellschaft für elektrische -Beleuchtung, durchaus kein überwiegend deutsches Unternehmen sei -und daß von den 75 Millionen Francs Aktien der Gesellschaft sich -nur 14512000 Francs im Besitze der A. E. G. befänden. Wenngleich -der gesamte Besitz des A. E. G.-Konzerns einschließlich dem ihrer -Bankengruppe und ihrer Tochtergesellschaften größer ist und sich auch -im deutschen Publikum namhafte Beträge von Elektrobank-Aktien befinden -mögen, so ist doch auch der Schweizer Eigenbesitz an Aktien und -namentlich an Obligationen der Elektrobank sehr erheblich. - -Der Zweck dieser Elektrobank ist in ihrem Statut bereits in gedrungener -Kürze, aber eigentlich mit allen wichtigen Merkmalen umgrenzt worden. -In späteren Geschäftsberichten wurden die Finanzmethoden, die die -Gesellschaft zur Anwendung brachte, eingehender unterschieden. Sie -benutzte folgende juristische Formen der Beteiligung: - - 1. Dauernde Aktienbeteiligungen, - - 2. Stille Beteiligungen (als „Partecipacioni“ besonders in Italien - üblich), - - 3. Vorschüsse im Kontokorrent, - - 4. Vorschüsse gegen Hinterlegung von Aktien und Obligationen, - - 5. Syndikatsbeteiligungen und vorübergehende Anlagen. - -Diese Formen sind so gewählt, daß sie allen Bedürfnissen der -Unternehmer- und Industrietätigkeit gerecht werden können. Um dies -zu verstehen, müssen wir diesen Bedürfnissen etwas näher nachzugehen -versuchen. Die Methoden der Finanzierung neuer Unternehmungen, die -Rathenau vorfand, waren ziemlich primitiv. Wenn man Bauprojekte -nicht von irgend einem geldkräftigen Unternehmer, einer Kommune, -einer fremden Aktiengesellschaft usw. im festen risikolosen Auftrag -erhielt (was aber namentlich in den ersten Zeiten der angewandten -Elektrotechnik nur selten der Fall war), mußte man die Geldmittel -für zunächst in eigener Regie auszuführende Werke entweder selbst -bereitstellen, von Banken borgen oder am Kapitalmarkt beschaffen. -Alle derartige Methoden waren aber sozusagen nur von kurzem Atem. -Sie schafften zinsloses Geld nur für verhältnismäßig kurze Zeit, und -hinter dem Industriellen stand der Kapitalist, stets nach schneller -Rente, kurzfristiger Rückgewährung des Kapitals und eventuell noch nach -möglichst hohen Zwischengewinnen drängend. Baldigen und hohen Nutzen -erwartete er von einer neuen Industrie, der er noch nicht so recht -traute und deren Risikoprämie er also verhältnismäßig hoch bemaß und -kurz begrenzte. Die Solidität der Bauarbeiten mußte darunter leiden, -und den Unternehmungen war nicht genügend Zeit und Raum zum Ausreifen -gegönnt. Wir haben gesehen, daß durch solche Verhältnisse selbst ein -so aussichtsreiches und gutfundiertes Unternehmen wie die Berliner -Elektrizitätswerke an den Rand der Krise geführt wurde, daß nicht -nur die Aktionäre, sondern auch die Banken bei dieser Gesellschaft -vorzeitig das Vertrauen verloren. Schon damals wurde es Rathenau, -der von der Notwendigkeit der eigenen Unternehmertätigkeit stets -fest durchdrungen war, vollkommen klar, daß er mit den bisherigen -Finanzierungsmethoden diese Unternehmertätigkeit und damit die -Entwickelung der Elektrizitätsindustrie nicht in dem gewünschten Tempo -vorwärts bringen könnte. Zwar wuchs mit den Erfolgen der ersten Werke --- mit den technischen wie finanziellen -- auch der Emissionskredit -und die Emissionsgeduld beim Kapitalistenpublikum und bei den Banken. -Immerhin war die Hebelkraft, die man auf diese Weise gewinnen -konnte, noch zu gering, und von zu vielen Zufälligkeiten abhängig. -Man konnte dem Publikum vielleicht zu gleicher Zeit zwei oder drei -Papiere werdender, aber noch nicht werbender Unternehmungen derselben -Art anbieten, überall hätte man subsidiär wohl noch den Kredit der -A. E. G. einsetzen müssen. Außerdem war man von den Banken, als -Emissionsvermittlern, Garanten und Vorschußgebern abhängig, und was -das zu bedeuten hatte, wußte Rathenau aus der Praxis ziemlich genau. -Eine derartige Abhängigkeit war ihm unsympathisch und sie paßte auch -nicht in seine planmäßig festen Baukalkulationen. Schließlich mußte -man sich auch nach Industrie- und Börsenkonjunkturen richten. Man lief -somit Gefahr, daß in einem Augenblicke, in dem irgend ein Bauprogramm -dringend fortgeführt werden mußte, die Erweiterung einer Anlage sich -als zweckmäßig und gar notwendig erwies, kein Geld aufzutreiben war, -weil die Verhältnisse auf dem Emissionsmarkte gerade ungünstig lagen. -Hier nun sollte das Finanzierungssystem sichernd, ergänzend, helfend, -vermittelnd und vorsorgend eingreifen. Es war nicht lediglich eine -Vermittelungsorganisation, die den geldbedürftigen Unternehmungen am -Anlagemarkte mit ihrem eigenen gefestigteren Kredit Kapital besorgte, -es war selbst ein Kapitalmarkt im Kleinen, ein Sammel- und Staubecken, -das in günstigen Zeiten der Geldkonjunktur sich mit Kapital vollsog --- gleichgültig ob es zunächst eine bestimmte Verwendung dafür -hatte --, um es zu geeigneten Zeiten an die Bauunternehmungen des -Konzerns weiterzugeben. Ähnlich wie der unregelmäßige Wasserzufluß -eines Gebirgsbaches zu Zeiten des Wasserreichtums in einer Talsperre -aufgesammelt wird, um die konstanten Ansprüche eines Kraftwerkes -auch in Perioden der Wasserarmut befriedigen zu können, war auch das -Stauwerk des Finanzsystems organisiert. „In den nächsten Jahren wird -eine Reihe von neuen Aufgaben an uns herantreten, zu deren Lösung wir -uns jetzt schon rüsten müssen.“ Mit solchen oder ähnlichen Worten -sind von der A. E. G. selbst und ihren Finanzgesellschaften häufig -genug Kapitalserhöhungen begründet worden, für die im Augenblick -ihrer Durchführung bestimmte Anlässe noch nicht vorlagen oder doch -noch nicht klar hervorgetreten waren. Emil Rathenau hielt darauf, daß -in seinen Kassen nie der Boden sichtbar wurde und sorgte dafür, daß -stets mehr Geld darin war, als er für alle im Augenblick übersehbaren -Ausgaben brauchte. Es mußten stets beträchtliche Kapitalreserven für -unvorhergesehene Mehrausgaben oder für neue, plötzlich hervortretende -Projekte verfügbar gehalten werden. Nur dadurch konnte er stets die -+besten+ Geschäfte machen, daß er allen anderen Mitbewerbern in -geldlicher Bereitschaft und geldlicher Leistungsfähigkeit überlegen -war. Er war stets Gläubiger, nie Schuldner der Banken, und blieb durch -die beträchtlichen Bankguthaben, die er so unterhielt, nicht nur -von den großen Geldinstituten unabhängig, sondern er schuf sich eine -solche Position, daß sie um ihn werben mußten und sich zur Teilnahme -an seinen Finanzierungen, an seinen Konsortial- und Kreditgeschäften -drängten. Denn das ist gerade das Geniale an seinem System der -Finanzgesellschaften: Sie waren wohl stets in der Lage und gerüstet, -ihm das Höchstmaß der etwa verlangten finanziellen Kraftanspannung zu -leisten, er nutzte diese theoretische Höchstbelastung aber praktisch -nie aus, sondern verteilte die Ansprüche auf einen möglichst weiten -Kreis ihm zur Verfügung stehender Geldquellen. Nachdem er die feineren -und zuverlässigen Methoden der Finanzierung ausgebildet hatte, -verzichtete er durchaus nicht auf die älteren und primitiven. Neben -dem neuen Trustsystem wendete er das alte Konsortialsystem weiter an, -und die Banken, die ihm zuerst nur vorsichtig Kredit gegeben hatten, -beteiligten sich später gern an seinen neuen, wenn auch zunächst noch -nicht rententragenden Unternehmungen, weil sie bald aus Erfahrung -wußten, daß die mageren Jahre bei ihnen durch darauffolgende fette -mehr als reichlich ausgeglichen würden. So legten sie gewissermaßen -die Bankguthaben, die Rathenau bei ihnen unterhielt, wieder in seinen -industriellen Unternehmungen an und zogen aus der Zinsdifferenz -zwischen beiden Konsortialgewinne. Rathenau selbst hinwiederum -brauchte nicht die ganzen ihm zur Verfügung stehenden Kapitalien in -industriellem Risiko festzulegen, sondern war in der Lage, einen -Teil davon, wenngleich auch dieser letzten Endes indirekt seinem -Unternehmergeschäft wieder zugute kam, als Bankgeld flüssig zu halten. - -Die reichlichen Mittel, die ihm jederzeit für Unternehmungen zur -Verfügung standen, wurden nun in der verschiedensten Form den jungen -Bauwerken zur Verfügung gestellt, teils als einfache Vorschüsse mit -längerer oder kürzerer Rückzahlungsfrist, teils als fundierte Darlehen -(Obligationen oder Hypotheken), teils als aktives Beteiligungskapital, -je nachdem die Bedürfnisse der jungen Werke dies erforderten und -ihre Baureife es zuließ. Mit fortschreitender Entwickelung wurde -vielfach die formlosere Art der Kapitalhergabe in die gebundenere -umgewandelt. Während der Anlaufszeit, die junge Unternehmungen bis zu -dem Zeitpunkt erforderten, in dem sie sich „freigebaut“ hatten und -zinstragend geworden waren, betätigten sich die Finanzgesellschaften, -das Beteiligungskonto der Hauptgesellschaft und die Bankenkonsortien -als kapitalische „Vorwärmer“ für sie, indem sie ihren Geldbedarf -sicherstellten, das Risiko und entsprechend auch die kapitalistische -Gewinnchance übernahmen. Der Emissionskredit der alten bewährten -Unternehmungen trat gewissermaßen solange für die Finanzbedürfnisse -der jungen werdenden Betriebe ein, bis deren eigener Emissionskredit -gereift war und selbständig auf dem Kapitalmarkt tätig sein konnte. -Sobald dieses Stadium erreicht war, erledigten die flügge gewordenen -Gesellschaften nicht nur ihre zukünftige Geldbeschaffung selbständig -(wobei die Finanzgruppen des Konzerns häufig Teilbeträge der neuen -Emissionen noch weiter übernahmen, aber nicht um den geldsuchenden -Tochtergesellschaften die Geldbeschaffung zu erleichtern, sondern -um selbst an den durch sie gebotenen günstigen Anlagemöglichkeiten -teilzunehmen); sondern die Vorwärmer-Gesellschaften konnten dazu -schreiten, die früher von ihnen übernommenen Kapitalbeteiligungen -unter Ausnutzung der inzwischen eingetretenen Wertsteigerungen -soweit abzustoßen, als es ihnen zweckmäßig erschien. Derartige -„Realisierungen“ rententragend gewordener Beteiligungen sorgten -dafür, daß die Finanz- und Konsortialkonten aus dem Wechsel ihrer -Bestände selbst einen Teil der Mittel gewinnen konnten, die sie für -neue Aufgaben brauchten. Der Effektenbesitz alimentierte und ergänzte -sich aus sich selbst. Da der Umfang dieser Aufgaben aber ständig -anwuchs, reichten die Realisations- und Abbaufonds meist nicht aus, -um die Anlage- und Aufbaufonds vollständig zu speisen. Es wurden -Kapitalserhöhungen der Finanzstammunternehmungen, Verstärkungen der -zentralen Geldquellen selbst, von Zeit zu Zeit nötig. Gelegentlich -fügte es sich auch so, daß neugegründete Unternehmungen die ihnen -mitgegebenen Kapitalien nicht sofort vollständig verwenden konnten. -Sie stellten sie dann zeitweilig den Finanzgesellschaften zur -Verfügung, die sie ihrerseits teils wieder zur Deckung akuter -Geldbedürfnisse anderer Betriebswerke verwandten, um sie ihren -Eigentümern im gegebenen Augenblicke zurückzustellen. Neben die -Disposition über dauernde Anlagekapitalien trat dann die Disposition -über vorübergehend verfügbare Mittel, die Finanzgesellschaften wurden -zu Ausgleichsstellen, die sich von den wirklichen Banken nur noch durch -die Begrenzung ihrer Geschäftsgebiete, nicht durch das Wesen ihrer -Geschäfte unterschieden. - -Im allgemeinen wurde bei dem Rathenauschen Finanzsystem nicht der -Nachdruck auf dauernde, unlösliche Aktien-Verkapselung gelegt. Je -selbständiger die Tochtergesellschaften in ihrer Finanzgebarung -gestellt werden konnten, umso mehr ihrer Wertpapiere wurden aus den -Portefeuilles der Konzerngesellschaften an den freien Markt gegeben. -An dem Besitz von Dreiviertel-Majoritäten oder auch nur einfachen -Majoritäten wurde nicht pedantisch festgehalten, sondern das Streben -darauf gerichtet, daß der Konzernzusammenhang bei verhältnismäßig -kleinen Aktienbeteiligungen durch innere Bande, durch den Magnetismus -des wechselseitigen Interesses und der Gewohnheit erhalten blieb. -Nicht die Majoritätskontrolle, sondern die Hingezogenheit der freien -Aktionäre zum Konzern der A. E. G. sollte und konnte fast stets die -Verbindung wahren. Die Besetzung der Aufsichtsratskollegien mit -Konzernmitgliedern, und auch der Herdentrieb der freien Aktionäre, -die die Vertretung ihrer Aktien in den Generalversammlungen meist der -Konzerngesellschaft oder ihren Banken überließen, unterstützte die -Aufrechterhaltung der Herrschaft auch in solchen Fällen, in denen -der Konzern an sich in der Minderheit war. So zum Beispiel besaß die -A. E. G. zeitweilig nicht mehr als 1 Million Aktien der B. E. W. und -vermochte doch das mit einem Aktienkapital von 60 Millionen Mark -arbeitende Unternehmen in allen Einzelheiten zu leiten, trotzdem ihr -die Bestimmung darüber zeitweilig durch eine aus Kreisen der freien -Aktionäre gebildete Opposition streitig zu machen versucht wurde. Eine -solche Herrschaft mit geringem Eigenbesitz konnte nur durch einen -Konzern ausgeübt werden, der ein hohes Maß von immanenter Macht und -Autorität besaß, und der das ihm entgegengebrachte Vertrauen trotz -mancher gegen ihn vorgebrachten Einzel-Kritiken nie getäuscht hat. - -Ein Trustsystem der geschilderten Art war aber nicht nur imstande, -die Emissionskraft der ihm angehörenden Unternehmungen sozusagen zu -„eskomptieren“, auf indirektem Wege früher zur Geltung zu bringen, -als es auf direktem Wege möglich gewesen wäre; es hat sie auch in -außerordentlicher Weise erweitert und verbreitert, und zwar dadurch, -daß es die Emissionen durch Teilung und Abwechslung reizvoller und -verdaulicher für den Kapitalmarkt zu gestalten vermochte. Hätte die -A. E. G. ihr Finanzsystem streng zentralistisch ausgebaut, hätte sie -die Kosten ihrer Unternehmertätigkeit nur durch ihre eigenen Aktien -und Obligationen bestritten, oder auch nur in vorbereitender Weise -aufgebracht, so würde das an dem +industriellen+ und +technischen+ -Wert des Gesamtanlagenkomplexes und der Sicherheit der ihn -repräsentierenden Kapitalanlage eigentlich nichts geändert haben. Ob -ein Betriebsunternehmen direkt von der A. E. G. oder von einer ihrer -Finanzgesellschaften finanziert wurde, wäre für die industrielle -Entwickelung dieses Unternehmens und seiner Rente gleichgültig gewesen, -nicht aber für die Geldaufbringung am Kapitalmarkt. Hätte die A. E. -G. 500 oder 1000 Millionen eigener Aktien und einen ähnlichen Betrag -eigener Obligationen am Geldmarkt aufnehmen müssen, statt nur 200 -Millionen Mark, so würde der Marktwert der A. E. G.-Aktien zweifellos -unter einem Überangebot gelitten haben, ihre Emissionskraft wäre -vermindert worden, da sich der Kapitalmarkt gesträubt und schließlich -ganz geweigert hätte, immer dasselbe Papier aufzunehmen. Viel günstiger -gestaltete sich die Situation dadurch, daß der Emissionskredit des -Gesamtkonzerns auf eine ganze Reihe von A. E. G.-Unternehmungen -verteilt wurde. Er wurde vor Überanstrengung bewahrt, denn die -Tochtergesellschaften behielten ebenso wie die Hauptgesellschaft jede -ihren Einzel-Kredit für sich, und empfingen von ihrer Zugehörigkeit -zum Gesamtkonzern noch eine Beigabe moralischer Art, die ihren eigenen -Kredit festigte und steigerte. - -Dem rückschauenden Blick wird es vielleicht scheinen, daß dieses -Rathenausche Finanz- und Trustsystem, das -- so kompliziert es in -der Darstellung sich auch ausnehmen mag, -- doch wie jede einem -wirtschaftlichen Bedürfnis organisch angepaßte Methode im Kerne -und Aufbau ganz einfach ist, die Zeitgenossen sofort gewonnen und -überzeugt haben muß. In dieser Ansicht wird man noch bestärkt, -wenn man sich vergegenwärtigt, daß bereits ein paar Jahre später -die ganze Konkurrenz in der Elektrizitätsindustrie das Bestreben -zeigte, dieses System nachzuahmen und die mit ihm -- anscheinend -so mühelos -- erzielten Erfolge auch ihrerseits zu erreichen. -Aber es war nicht der gesunde, innere, nur in geduldiger Arbeit -zu entwickelnde Kern, der diese Mitläufer +überzeugt+ hatte, -sondern meist die von ihnen mißverstandenen und für die Hauptsache -gehaltenen äußeren Oberflächenwirkungen, die sie +blendeten+. -In den damals mit Rathenau liierten Bankkreisen war man von den -fachlichen Finanzierungsbanken innerlich durchaus nicht begeistert. -Einmal fürchtete man von ihnen einen Übergriff auf ihr eigenes -Geschäftsgebiet, sah in ihnen das Instrument, durch das sich -Rathenau von den Emissionsbanken unabhängig machen, diese jedenfalls -ihrer finanziellen Vorherrschaft -- soweit die Finanzierung seiner -Unternehmungen in Frage kam -- entkleiden wollte. Die Banken ahnten -wohl, daß hier ein Industrieller den Versuch machte, ihnen die -herrschende Stellung im Industrieleben allmählich zu nehmen und -ihnen die Rolle von dienenden Gliedern in seinem Bereich anzuweisen. -Außerdem war der letzte, vielleicht unbewußte Rest von Mißtrauen in -die Neuerungen des Mannes noch immer nicht geschwunden, von dem erst -endgültig zu erweisen war, ob er ein schöpferischer Umwälzer aller -Werte, oder nur ein glänzend begabter, doch unruhiger Experimentierer -war, dessen kühnes, vielstöckiges Architekturwerk doch eines Tages --- in sich selbst überbaut -- zusammenbrechen konnte. Es gibt ja -Brücken- und Gebäudekonstruktionen, deren Tragfähigkeit die technische -Wissenschaft als sicher, ja übersicher errechnet hat und die doch auf -den Laien einen gefährlichen Eindruck machen. Man hatte sich an der -Gründung der Elektrobank -- fasziniert von der Neuartigkeit der Idee, -und unter dem Einfluß der Rathenauschen Erfolge -- kapitalistisch -beteiligt. Aber es kam hier, -- ähnlich wie seinerzeit bei den -Berliner Elektrizitätswerken, wenn auch in weit weniger krisenhafter -Weise -- bald dahin, daß die Banken an der Ertragfähigkeit des neuen -Unternehmens zweifelten und sich von den ihnen zu groß erscheinenden -Aktienbeteiligungen, die das Publikum ihnen nicht bereitwillig genug -abnehmen wollte, zu entlasten wünschten. In der Tat war in diesen -ersten Jahren ihres Bestehens die Elektrobank, wie das nicht anders -zu erwarten war, mit jungen, meist noch halbfertigen Unternehmungen --- besonders den ausländischen Werken in Genua, Barcelona, Bilbao, -Buenos Aires, Santiago -- angefüllt, die sich nur langsam zur -Rentabilität entwickelten und von Rathenau bewußtermaßen nicht zur -schnellen Einträglichkeit getrieben wurden. Mit Mühe und Not zahlte die -Elektrobank Dividenden von 5%. Darin lag keine Emissionschance für ihre -Aktien und was aus den „exotischen“ Werten ihres Portefeuilles werden -würde, war noch eine ganz offene Frage. Die Banken hatten vielleicht -gewünscht, daß um ihrer Beteiligung an der Mantelgesellschaft willen, -die in deren Besitz befindlichen Betriebswerke etwas gewaltsam -gefördert worden wären. Aber Rathenau war viel zu sehr Industrieller, -als daß er finanztechnische Momente den bautechnischen hätte, -auch nur vorübergehend, voranstellen können. Er, der inzwischen -so erstarkt war, daß er Konzessionen -- wie manchmal am Anfang -- -nicht mehr zu machen brauchte, hätte aber gerade in diesem Punkte -zuallerletzt Bankwünschen nachgegeben. Das entscheidende Interesse -legte er stets den produzierenden Unternehmungen und niemals den -finanzierenden Hilfsgesellschaften bei. Das Mittel, mit dem er die -latenten Schwierigkeiten in dem Falle der Elektrobank beseitigte, -war genau dasselbe wie das im Falle der Berliner Elektrizitätswerke --- vor einem Jahrzehnt -- angewandte. Er übernahm kurz entschlossen -die gesamten Elektrobank-Aktien der Bankgruppe zu vorteilhaftem Kurse -und gewann die Mittel dazu durch Erhöhung des Kapitals der A. E. G. -um 12 Millionen Mark, die allerdings nicht sämtlich zum Umtausch der -Elektrobank-Aktien benötigt wurden. Dieser erfolgte in der Weise, daß -für je 5 vollgezahlte Elektrobank-Aktien zu 1000 Frcs. nom. 2000 M. -junge A. E. G.-Aktien angeboten wurden. Hierbei gelangte die A. E. -G. zu dem lächerlich geringen Buchpreise von 400 Mark für das Stück -in den Besitz von 28640000 Frcs. Elektrobank-Aktien, sie erwarb also -fast das ganze damals 30 Mill. Frcs. betragende Aktienkapital. Im -Geschäftsbericht des Jahres 1897/98 wird der Erwerb nur kurz begründet: -„Die Angliederung einer Trust-Gesellschaft war ratsam, und das uns -nahestehende Institut in Zürich wegen der in Angriff genommenen -internationalen Geschäfte hierfür vorzüglich geeignet.“ -- Für einen -Schritt, der vielleicht in den Augen Emil Rathenaus den Keim für ein -sehr gutes Geschäft darstellte, in den Augen der Aktionäre aber als ein -großes Wagnis erscheinen mußte, waren diese paar Zeilen der Begründung -ziemlich dürftig. Allerdings wurde den Aktionären der A. E. G. auf -Wunsch ein ausführlicher Bericht über die Situation der Elektrobank -zur Verfügung gestellt, aber bei der statistischen Ungeklärtheit der -die ausländischen Unternehmungen betreffenden Fragen, enthielt er -natürlich auch nur Konjekturen, keine unumstößlichen Tatsachen. In -der General-Versammlung sah sich Emil Rathenau denn auch veranlaßt, -den Erwerb der Elektrobank-Aktien näher zu motivieren. In seinen -Ausführungen klingen die Unstimmigkeiten mit der Bankengruppe, die -den Entschluß der Fusion mit der Elektrobank letzten Endes ausgelöst -hatten, nur leise an. In ihrem wesentlichen Teile bedeuten sie eine -Rechtfertigung des Systems der Trustgesellschaften im allgemeinen. Sie -sind gerade darum interessant genug, um nachstehend in ihrem Wortlaut -wiedergegeben zu werden, Rathenau sagte: - -„Zur Durchführung der von uns ins Leben gerufenen Unternehmungen -hatten wir uns bisher mit einem aus potenten Finanzkräften bestehenden -Konsortium verbunden, und diese Vereinigung wird vielleicht auch in -Zukunft aufrecht erhalten werden. Aber wir verhehlen uns nicht, daß -die Banken als Vermittler des Kapitals zwischen dem Publikum und dem -Unternehmer der jeweiligen Stimmung des ersteren Rechnung tragen und -in Perioden wirtschaftlichen Niederganges und politischer Wirren ihre -Mitwirkung leicht versagen könnten. Gerade in solchen Zeitläuften, -deren baldige Wiederkehr freilich vorläufig nicht zu befürchten ist, -am wenigstens für uns, die wir mit lohnenden Aufträgen versorgt sind, -bedarf der Fabrikant ihrer Unterstützung zur Erlangung von Arbeiten, -mit denen er seine Werkstätten beschäftigen und den Stamm geschulter -Arbeiter erhalten kann. Schon aus diesem Grunde erachten wir es als -eine Pflicht, Geldquellen für den steigenden Kapitalbedarf, den die -ausgedehnten Unternehmungen fortdauernd hervorrufen, rechtzeitig uns zu -sichern. Diese Vorsicht scheint uns umsomehr geboten, als wir in einer -Industrie stehen, von der wir nicht wissen, wie lange ihr die Gunst -des Publikums erhalten bleibt. Denn es sind durch die Leichtigkeit der -Geldbeschaffung in den vergangenen Jahren zahlreiche Unternehmungen -gegründet worden, die ihre Lebensfähigkeit noch zu erweisen haben; -Enttäuschungen irgend welcher Art können aber ein Mißtrauen -verursachen, das sich auch auf gesunde Unternehmungen erstreckt. -Unter solchen Umständen werden gut organisierte und kapitalkräftige -Trustgesellschaften, welche den inneren Wert von Unternehmen -erkennen, die sich noch in der Vorbereitung befinden, den Mangel an -Unternehmungslust ersetzen können. Für die großen ausländischen und -überseeischen Unternehmungen, welche eine um so größere Bedeutung -für uns erlangen, je mehr die Geschäfte im Mutterlande abnehmen, -tritt aber das unabweisbare Bedürfnis einer Trustgesellschaft hervor, -welche ein internationales Gepräge besitzt und kapitalkräftig genug -ist, um die Führung in solchen Unternehmungen zu übernehmen. Eine -solche Organisation besteht bereits in der unter dem Patronat der -Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich wirkenden Bank für elektrische -Unternehmungen, die auf einem politisch neutralen Gebiet, unter dem -Schutz einer für Trustgesellschaften günstigen Gesetzgebung im Juli -1895 gegründet wurde. Ein solches großes, bereits in voller Tätigkeit -befindliches internationales Organ für unsere Zwecke in noch höherem -Maße als bisher nutzbar zu machen, halten wir für zweckentsprechend.“ - -Die Aktionäre der A. E. G. haben, wie sich bald zeigte, die Transaktion -nie zu beklagen gehabt. Die Dividende der Elektrobank erhöhte sich -sehr bald auf 6½% und dann nach einem zweijährigen Rückschlag, der -sie in den Jahren der Elektrokrise auf 6% zurückführte, weiter auf -10 und 12%. Die A. E. G. wurde dadurch in die Lage versetzt, jeden -beliebigen Teil ihrer Elektrobank-Aktien mit ansehnlichem Kursgewinn -wieder zu veräußern, eine Möglichkeit, von der sie auch in den ihr -zweckmäßig erscheinenden Grenzen Gebrauch machte. Wieder einmal hatte -Emil Rathenau recht behalten und eine zunächst unerfreulich scheinende -Situation zum Vorteil gewandt. Späterhin wurde der Versuch gemacht, die -Organisation der Elektrobank auf eine grundsätzlich breitere Grundlage -zu stellen und ihren Wirkungskreis über den Bezirk der A. E. G. hinaus -zu erweitern. In ihrem Geschäftsbericht für 1903/04 finden sich -folgende Programmsätze: - - „Nachdem wir uns früher hauptsächlich mit der Finanzierung solcher - neuen Unternehmungen abgegeben haben, deren technische Ausführung - durch die uns nahestehende Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft - besorgt wurde, haben wir im Laufe des letzten Berichtsjahres den - ausdrücklichen Beschluß gefaßt, unsere geschäftliche Tätigkeit - insbesondere auch auszudehnen auf die Beschaffung der nötigen - Geldmittel für bereits bestehende Unternehmungen und die - Bevorschussung von Werten solcher, beides eventuell in Verbindung - mit technischer und administrativer Reorganisation des Betriebes - und mit dadurch zu erzielender Höherbewertung der eigentümlich - erworbenen oder mit Ausbedingung von Optionsrechten bevorschusster - Werte solcher Unternehmungen. Unsere Bank soll mit anderen Worten - +ein allgemeines Finanzierungsinstitut+ der Elektrizitätsindustrie - sein.“ - -Zur besseren Durchführbarkeit dieser Ziele wurde in Berlin -ein Zweigbureau geschaffen, das von Dr. Walther Rathenau, dem -Administrateur und eigentlichen Kopf der Elektrobank geleitet wurde. -In dieser Zeit war die fast völlige Union zwischen der A. E. G. und -der Elektrobank einer Lockerung insofern gewichen, als die A. E. G. -langsam größere Posten ihres Aktienbesitzes der Elektrobank abstieß. -Ferner hatte die Annäherung der Union-Elektrizitäts-Gesellschaft an -die A. E. G. zwar eine erhebliche Anzahl von Beteiligungen dieser -Gesellschaft dem Portefeuille der A. E. G. zugeführt, andere wiederum -einer selbständig bleibenden Trustgesellschaft der „Gesellschaft für -elektrische Unternehmungen“ überlassen. Auch neue schweizerische -Interessentenkreise traten der Elektrobank nahe, und gerade an -Finanzierungen aus der von der A. E. G. unabhängigen Schweizer -Elektrizitätsindustrie war wohl gedacht, wenn die Grenzen der Tätigkeit -der Elektrobank etwas weitergerückt wurden. Überdies wuchs auch -die Deutsch-Überseeische Elektrizitätsgesellschaft, die in ihren -Anfängen vorwiegend von der Elektrobank entwickelt worden war, immer -mehr über das Wurzelreich des A. E. G.-Konzerns hinaus. Sie brauchte -zur Speisung ihres gewaltigen Kapitalbedarfs stärkerer Quellen, als -die A. E. G. und ihr engeres Bankenkonsortium zu bieten vermochten. -Die Gruppe der Deutschen Bank, die an der D. Ü. E. G. schon seit -der Gründung beteiligt gewesen war, wurde schließlich die führende -Bankverbindung der großen südamerikanischen Elektrizitätsunternehmung -und als solche gelangte auch ihre Stellung in der Elektrobank, die -ja noch immer einen beträchtlichen Teil der Deutsch-Überseeischen -Aktien besaß, zu ausgeprägterer Bedeutung. Aus allen diesen Gründen -erschien eine allzugroße Isolierung der Elektrobank auf den A. E. -G.-Konzern nicht mehr erwünscht, und wenn die A. E. G.-Note bei der -Züricher Finanzgesellschaft auch stets die vorherrschende blieb, so -sollte sie doch nicht mehr die einzige sein. In späteren Jahren ist der -Elektrobank durch die Fusion mit der +Elektrizitäts-Akt.-Ges. vorm. -Lahmeyer+, der Finanzgesellschaft des von der A. E. G. aufgenommenen -Felten-Guilleaume-Lahmeyerkonzerns, ein neues großes Einflußgebiet -zugeführt worden. Sie übernahm von dem 25 Millionen Mark betragenden -Kapital der Lahmeyergesellschaft 21720000 Mark gegen Hingabe von -16290000 Frcs. neuer Elektrobank-Aktien. Es fand also eine Verkapselung -zweier Finanzgesellschaften ineinander statt, die beide ohne förmliche -Fusion juristisch selbständig nebeneinander bestehen blieben. - - * * - * - -Werfen wir zum Schluß auch dieses Kapitels unserer Gewohnheit nach -noch einen Blick auf die Entwickelung der Erträgnisse und der -Bilanzaufstellungen der A. E. G. in dem soeben behandelten Abschnitt, -den die Jahre 1894 und 1900 umrahmen. Die Entwickelung der Kapitalien -ist folgende: Im Jahre 1895/96 wurde das Stammkapital von 20 auf 25 -Millionen Mark erhöht, im Jahre 1896/97 auf 35 Millionen Mark, im -Jahre 1897/98 auf 47 Millionen Mark, im Jahre 1898/99 auf 60 Millionen -Mark, eine Höhe, die es auch im Jahre 1899/1900 nicht überschritt. -Das Obligationenkapital wurde in dieser Zeit von 4844000 auf 14046500 -Mark gesteigert. Der ordentliche Reservefonds stieg von 4479479 auf -22027621 Mark, wie früher ausschließlich durch Agiobeträge, die ihm -bei den verschiedenen Kapitalerhöhungen zuflossen. Daneben wurde -die freie oder außerordentliche Reserve von 500000 auf 5 Mill. -M. vermehrt. Neben diesen offenen Reserven sind aber die stillen -Rücklagen in ganz anderer Weise gestärkt worden als in den früheren -Perioden. Die Gesellschaft hat die dazwischen liegende große Expansion -nicht nur zur Erzielung hoher Agiogewinne, sondern auch zur inneren -Festigung des Unternehmens durch Zurückhaltung beträchtlicher Teile -der erzielten Gewinne benutzt, und sich so aufs beste gerüstet und -gewappnet, die folgenden Jahre des Rückschlages und der Krisis nicht -nur unerschüttert zu überstehen, sondern auch ausnutzen zu können. -In dem von der A. E. G. gewählten System waren die stillen Reserven -darum die echten Reserven, die offenen -- wenigstens soweit der -gesetzliche Reservefonds in Frage kam -- nur der Ausfluß des hohen -Markt- und Emissionswertes der A. E. G.-Aktie. Offene Reserven -brauchen durchaus nicht immer wirkliche Schutzwälle zu sein, die um -das Aktienkapital gelegt sind, um es gegen Stöße und Erschütterungen -zu sichern und zu verhindern, daß Verluste sofort die Kapitalsubstanz, -den inneren Fundus einer Gesellschaft treffen können. Sie brauchen -es besonders dann nicht zu sein, wenn sie aus Agiogewinnen stammen. -Denn Agiomöglichkeiten können künstlich durch hochgetriebene oder -leichtfertige Gewinnausschüttungen herbeigeführt werden, da sich ja -der Kurs einer Aktie und damit das Aufgeld bei Kapitalerhöhungen nach -der Höhe der gezahlten Dividenden zu richten pflegen. Gerade wenn ein -zu großer Teil der verdienten Gewinne auf Kosten der Abschreibungen -und Rückstellungen als Dividende ausgeschüttet wird, läßt sich der -Aktienkurs steigern, und in der Zeit, von der wir sprechen, war -die Bilanzkritik bei der Presse und bei den Aktionären noch nicht -ausgebildet genug, als daß nicht derartige Versuche auf dem Gebiet der -künstlichen Agiotage möglich gewesen wären und die Wirtschaftswelt -hätten irre führen können. In der Elektrizitätsindustrie insbesondere, -die in den von uns behandelten Jahren unter einem Überschwange der -Tendenzbeurteilung bei den Produzierenden sowohl wie auch beim Publikum -stand, war ein besonders geeigneter Nährboden für eine derartige -Ausnutzung des Aktienagios vorhanden. Es wurde überreichlich von ihm -Gebrauch gemacht, und wir werden später sehen, daß die auf diese Weise -geschaffenen großen offenen Reserven mancher Unternehmungen dem Anprall -der Krise durchaus nicht standhielten und sozusagen auf den ersten -Anhieb zusammenstürzten, das innere Leben der Gesellschaften, die sie -decken sollten, sofort dem Ansturm preisgebend. In der Rathenauschen -Bilanz war die Expansion, die zur Bildung der großen offenen Reserven -geführt hatte, Hand in Hand mit einer Konsolidierung der inneren -Werte gegangen, und die Echtheit der inneren Reserven wirkte auch auf -den Bestand der äußeren Reserven zurück. Worin bestanden nun diese -inneren Reserven? -- Ein Vergleich der Bilanzen von 1894 und von -1900 zeigt es deutlich. Während im Jahre 1894 noch die sämtlichen -Anlagekonten der A. E. G. in der Bilanz mit sichtbaren Wertansätzen -erschienen, die einen vielleicht +verhältnismäßig+ niedrigen, -aber doch absolut betrachtet, noch einen recht hohen Bewertungsgrad -darstellten, werden im Jahre 1900 nur noch Grundstücke, Gebäude und -Vorräte mit Effektivansätzen bewertet. Maschinen, die 1894 noch mit -1220000 Mark ausgewiesen worden waren, erscheinen jetzt lediglich mit -pro-Memoria-Beträgen von je 1 Mark. Sie sind also ganz abgeschrieben -worden, trotzdem ihr wirklicher Wert in dieser Zeit nicht verringert, -sondern um viele Millionen Mark -- entsprechend dem gewaltigen -Anwachsen der A. E. G.-Unternehmungen -- vergrößert worden ist. In -diesen Konten liegen also sehr beträchtliche innere Reserven, die -sich von Jahr zu Jahr steigerten, denn alles, was in einem Jahre -an neuen Maschinen, Werkzeugen, Utensilien usw. angeschafft wurde, -gelangte sofort wieder voll zur Abschreibung. Während im Jahre 1894 -auf Werkzeuge 20%, auf Maschinen 10% abgesetzt worden waren, betrugen -im Jahre 1899/1900 die Abschreibungssätze auf diesen Konten volle -100%. Emil Rathenau hatte, um diese Bilanzierungsmethode möglichst -unkontrolliert von der Öffentlichkeit und den Aktionären durchführen -zu können, seit einigen Jahren die Gewohnheit angenommen, nur die -Ergebnisse der Fabrikation, des Produktionsgeschäftes -- und auch -diese nur soweit es ihm paßte -- in der Gewinn- und Verlustrechnung -auszuweisen. Die gesamten Erträge des Finanzgeschäftes, und zwar -sowohl die Rentenerträgnisse der im Besitz der A. E. G. befindlichen --- auf Effekten- und Konsortialkonto verbuchten -- Wertpapiere und -Beteiligungen wie auch die Gewinne aus Effektentransaktionen wurden -überhaupt nicht eingestellt, sondern zu Abschreibungen entweder auf -Effekten oder auf Anlagen benutzt. Dabei richtete sich das Ausmaß der -vorzunehmenden Abschreibungen nicht nach den wirklichen jeweiligen -+Ergebnissen+ der Effektenkonten, die ja immerhin einen zufälligen -Faktor darstellten, und somit auch ein Moment der Zufälligkeit in die -Abschreibungspolitik der Gesellschaft gebracht hätten. Sie wurden -vielmehr nach dem Abschreibungsbedürfnis reguliert, das durch die Höhe -der Zugänge auf den regelmäßig bis auf 1 Mark herunterzubuchenden -Anlagekonten und durch den Stand der übrigen Konten (Gebäude, -Grundstücke, Vorräte usw.) bestimmt wurde. Reichten also die aus dem -Effektengeschäft stammenden Beträge nicht aus, so mußten noch Teile -aus dem Fabrikationsgewinn abgezweigt und zu Abschreibungen mit -herangezogen werden. Je gewaltiger die so heruntergeschriebenen Anlagen -der Gesellschaft anwuchsen, desto größer mußten naturgemäß auch die -hinter den Eine-Mark-Posten stehenden inneren Reserven sich erhöhen. -Über die Bedeutung dieses später nur noch quantitativ, nicht mehr -grundsätzlich geänderten Abschreibungssystems für die innere und äußere -Entwickelung der Gesellschaft, für ihre Finanzen und die Stellung der -Aktionäre zu ihr, wird noch später zusammenfassend zu sprechen sein. -Hier soll nur im historischen Entwickelungsgange auf den Zeitpunkt -hingewiesen werden, in dem diese Methode in das Finanzsystem der -Gesellschaft eintritt und auf den Kontrast, in dem sie zu den früheren -Bilanzierungsgewohnheiten steht. In dieser Hinsicht ist sie als Symptom -für den fortschreitenden Konsolidierungsprozeß der Gesellschaft zu -bewerten. - -Abgesehen von diesem Zeichen der Konsolidierung weist die Bilanz von -1899/1900 aber auch noch andere interessante Merkmale auf. Auch bei -den übrigen Anlagekonten ist eine stärkere Abschreibungspolitik -sichtbar. Während zum Beispiel früher auf Gebäude nur 2% abgeschrieben -wurden, werden jetzt neben den ordentlichen Abschreibungen in derselben -Höhe noch außerordentliche Abschreibungen vorgenommen, die dreimal -so hoch sind wie die Pflichtabschreibungen. Es gelangen also auf -Gebäude jetzt 8% gegen 2% früher zur Abschreibung, das sind für solche -Anlagen ungewöhnlich hohe Prozentsätze. Das Effektenkonto wird mit -20984364 Mark gegen 5976266 Mark ausgewiesen, das Konsortialkonto -mit 4837794 gegen 2963348 Mark. Daneben werden noch die Aktien der -Bank für elektrische Unternehmungen mit 11395290 Mark aufgeführt. -Die Effektenbestände sind also in sehr erheblichem Umfang gestiegen. -Vergleicht man aber die Buchwerte mit dem Nominalbesitz an -Wertpapieren, so zeigt sich, daß die Effektenbestände durchschnittlich -viel niedriger zu Buche stehen als im Jahre 1894. In der Bilanz -erscheint ferner -- und dies ist für die Flüssigkeit des Status, -nicht so sehr für die Solidität der Bewertung charakteristisch -- ein -Bankguthaben von 15620344 Mark gegen ein solches von 7933463 Mark in -der Vergleichsbilanz. Die Gesamtdebitoren betragen 47037896 Mark gegen -16996308 Mark, die Gesamtkreditoren 19301579 Mark gegen 2575873 Mark. -Bei einem Kapital von 60 Millionen Mark weist jede Seite der Bilanz -jetzt einen Saldo von 133420023 Mark gegen einen solchen von 35542941 -Mark bei einem Kapital von 20 Millionen Mark in der Vergleichsperiode -auf. Trotzdem die Werte im Jahre 1900 viel niedriger bemessen sind als -im Jahre 1894, trotzdem also ein großer Teil dieser Werte nur durch -innere Reserven, nicht durch sichtbare Bilanzwerte belegt ist, stellt -sich sogar der Gesamtbetrag der sichtbaren Aktiva im Verhältnis zum -Aktienkapital ganz unvergleichlich höher als im Jahre 1894. D. h. mit -einer Kapitalverdreifachung ist eine Expansion ausgeführt worden, die -die Werte des Unternehmens weit mehr als verdreifacht hat. - -Trotz dieser starken inneren Konsolidierung und der Zurückbehaltung -großer Gewinnteile ist die Rente der Aktionäre in diesem Abschnitt -ständig gestiegen. Die Dividende betrug im Jahre 1893/94 9%, sie ging -dann in den folgenden Jahren bis 1895/96 auf 11% und 13%. In den Jahren -1896/97-1899/1900 betrug sie 15%. - - - - -Elftes Kapitel - -Krisis - - -Die bisherige Schilderung des Entwickelungsganges der A. E. G. seit -der Überwindung der Krisis des Jahres 1887 wird bei dem Leser den -Eindruck einer unaufhaltsamen, im Innern von mächtiger, manchmal -ungestümer Triebkraft bewegten, von den äußeren Verhältnissen im -großen und ganzen begünstigten Vorwärts- und Aufwärtsbewegung gemacht -haben. Dieser Eindruck war auch vom Verfasser gewollt, denn er gibt -ein richtiges Spiegelbild von dem inneren Schwung und dem Tempo, die -Rathenaus Persönlichkeit wie das von seinem Geist geschaffene und -erfüllte Werk stets, doch vielleicht nie so feurig beflügelten wie in -jenem Zeitraum. Es waren die Jahre, in denen die Persönlichkeit sich -am reichsten und freiesten entfaltete, in denen die Schöpfung den -Ausdruck der Persönlichkeit und der Eigenart des Schöpfers annahm, in -denen sie die bestimmenden Formen ihres Charakters, ihrer äußeren und -inneren Gestalt, kurz ihres Entwickelungsgesetzes fand. Der Besitz -der A. E. G. ist in späteren Perioden vielleicht noch stärker gemehrt -worden, die Expansion noch vielgestaltiger fortgeschritten. Das -geschah aber dann zum Teil infolge der automatisch nach Erweiterung -drängenden Schwerkraft des kernhaft gewordenen Unternehmens, nicht -mehr so sehr durch höchstpersönliche Leistung am werdenden Werk. Die -Entwickelung +nach 1902+ hätte man sich zur Not auch ohne Emil -Rathenau vorstellen können, die +vor 1900+ aber keinesfalls. Alle -Keime begannen in dieser schöpferischen Periode bereits aufzugehen, -alle Möglichkeiten traten bereits in den Kreis des Unternehmens, -alle Fundamente wurden gefestigt und alle Grenzen fingen an, sich -abzuzeichnen. Die Ideen traten hervor, ohne sich allerdings bereits -ganz zu erfüllen, oder gar zu erschöpfen. Aber das Werk ließ -bereits die Umrisse erkennen, das Wesenhafte an Rathenaus Art und -Leistung hatte sich ausgeprägt. Seine Art der Industriepolitik, -der Unternehmerpolitik, der Finanzpolitik und der Sozialpolitik -ist grundsätzlich hier bereits festgelegt. Was dann noch kam, war -gewiß keineswegs bloße Wiederholung oder nur Anwendung und Ausbau im -Quantitativen, keineswegs nur das Abrollen und Anschwellen einer im -Lauf befindlichen Lawine, aber es war doch das Fortschreiten auf dem -bereits gebahnten und gerichteten Wege. Die Verfeinerungsarbeit, die -nun folgte, die eine naturgemäß im Expansionsgange liegende Häufung -der Mengen und Mittel vor einer Ausartung ins Nichts-als-Kolossale -bewahren, und darum einer ganz besonders eindringlichen inneren -Verarbeitung unterziehen mußte, warf tagtäglich neue Probleme auf, -erforderte ständig eine Verjüngung und Erneuerung der Methoden. Sie -stellte an die Individualität immer frische geistige Anforderungen, -damit die Gefahr der Schematisierung und Mechanisierung vermieden -wurde, die eine unbeherrscht so stark anschwellende Masse schließlich -starr und unproduktiv gemacht hätte. Eine Organisation, die nur -vergrößert, nicht stets kontrolliert und erneuert wird, muß schließlich -zur Bürokratie werden und leidet unter ihrem eigenen Gewicht. Dies im -zunehmenden Tagesdrang der kleinen und großen Geschäfte vermieden, -daneben jedoch neuen Problemen frisches Augenmaß gegeben zu haben, -bleibt die geistige Leistung der nachfolgenden Schaffensperiode -Rathenaus. - -Das große Bild jener Grundlegung in den Entwickelungsjahren bis -1900 durfte nicht durch zu starkes Betonen der Retardations- und -Rückschlagsmomente, der Nebenwirkungen, Auswüchse, der richtigen -und falschen Nachahmungen beschwert und beunruhigt werden, wenn -es voll wirken sollte. An solchen Zügen hat es natürlich auch in -jenen Zeiten des Aufschwungs nicht gefehlt, weder innerhalb, noch -außerhalb des A. E. G.-Kreises. Auf sie ist gelegentlich auch bereits -hingewiesen worden, so besonders auf die langsame, kühle Verwirklichung -mancher heiß und kühn konzipierten technischen und wirtschaftlichen -Erkenntnisse, auf den Überschwang mancher Projekte und die falsche -Abschätzung mancher Dimensionen, schließlich auch auf die falsche, -mißverstandene Anwendung mancher Methoden durch dritte. Wir haben -gesehen, daß in der vergangenen Epoche die Führung und Tonangabe, -wenn auch nicht in der elektrischen Industrie, so doch in ihrer -Fortentwickelungstendenz von der Firma Siemens & Halske auf die A. -E. G. übergegangen war. Ihre Schwungkraft, ihr Expansionswille und -die Art seiner Betätigung gaben der ganzen Industrie die bestimmende -Note. Auf ihrem Fluge war sie bald von einem ganzen Schwarm von -Mitläufern umringt, die ihr Tempo mitzuhalten, wenn gar noch zu -übertreffen versuchten. Überspannung, heftiger Konkurrenzkampf, -der noch durch die Energie und Eifersucht, mit der sich die früher -allein herrschende Firma Siemens & Halske aus ihrem bereits etwas -satt gewordenen Entwickelungstemperament heraus zur Wehr setzte, -gesteigert und vertieft wurde, gaben schon in den letzten Jahren des -zu Ende gehenden neunzehnten Jahrhunderts den Verhältnissen in der -Elektrizitätsindustrie immer stärker das Gepräge. Überproduktion -und Preisrückgänge waren die Folgen. Sie traten umso schärfer in -Erscheinung, als die großen Anregungen der Elektrizitätsbewegung, die -von der Konstruktion der Dynamomaschine, der Erfindung des Bogen- -und Glühlichts ihren Ausgang genommen und ihre Kraft zwei Jahrzehnte -hindurch in ständig anschwellendem Strom betätigt hatten, ihren -Höhepunkt überschritten zu haben und in die Periode des Auslaufs zu -kommen schienen, ohne daß zunächst neue motorische Kräfte an ihre -Stelle traten. Die Krise kündigte sich durch mehr als ein Zeichen -an, und es kam jetzt darauf an, ob alle Unternehmungen der Industrie -ebenso wie die A. E. G. trotz des Sturmschritts des letzten Jahrzehnts -ausreichende Sicherheitsventile gegen die Wucht plötzlichen Überdrucks, -innere Kraftausgleichsquellen gegen Rückschläge geschaffen hatten. - -Von Emil Rathenau war mit der Wahrscheinlichkeit, ja Notwendigkeit -eines Rückschlages immer gerechnet worden. Trotz allem Optimismus für -die große Zukunft und die unverwüstliche Lebenskraft der elektrischen -Idee überließ sich seine praktische Arbeit nie unbeherrscht diesem -felsenfesten Vertrauen in den Enderfolg, sondern sie wurde auf Schritt -und Tritt von dem latenten Pessimismus überwacht, der die Durchführung -dieser Idee gegen alle nur denkbare Zufälle und Mißhelligkeiten nicht -genug versichern konnte. „Ich traue auf meinen Stern, also brauche -ich mich nicht vorzusehen,“ diese beliebte Devise der Optimisten war -Rathenau ganz und gar fremd. Bereits in den letzten Jahren des zu -Ende gehenden Jahrhunderts hat Rathenau die Krisis nahen gefühlt, -während die Konkurrenz sich noch mit ungeminderter Leidenschaft dem -Gründungstaumel hingab. Ganz besonders auf dem scharf umstrittenen -Gebiete des elektrischen Straßenbahnbaus legte sich die A. E. G. -sichtbare Zurückhaltung auf. Dem Handelsredakteur eines großen -süddeutschen Blattes vertraute Emil Rathenau bereits längere Zeit -vor Ausbruch der Krisis seine Befürchtungen an. „Flaumacherei, -Baissemanöver, Neid gegenüber der ihn überflügelnden Konkurrenz“ wurden -Rathenau damals von anderen Elektrizitätsfachleuten in der Presse -vorgeworfen, als seine Äußerungen an die Öffentlichkeit gelangten. -In den offiziellen Kundgebungen der A. E. G. wird zum ersten Male im -Geschäftsbericht für das Jahr 1898/99 das Nahen der Krisis angedeutet, -nachdem bereits in der oben wiedergegebenen Generalversammlungsrede -im Jahre 1898 gelegentlich des Erwerbes der Elektrobank-Aktien auf -die ungesunden Gründungen in der Elektrizitätsindustrie, und auf die -Wahrscheinlichkeit eines früher oder später eintretenden Rückschlags -hingewiesen worden war. Die Gesellschaft spricht im Jahre 1898/99 -von eventuell bevorstehenden schlechteren Zeiten und einer für die -Elektrizitätsindustrie drohenden Überproduktion. Im Bericht für das -Jahr 1899/1900 wird schon ein deutlicheres Warnungssignal gegeben. -Nachdem konstatiert worden ist, daß die Geschäftslage noch günstig -sei, daß die Summe der auf das laufende Jahr übertragenen Aufträge -den Umsatz des abgelaufenen Jahres wesentlich übersteige und die -Gesellschaft auch im neuen Jahre mit lohnenden Arbeiten bisher -reichlich versehen worden sei, heißt es: „Ungeachtet dessen mahnt -die schwindende Zuversicht in den Fortbestand der industriellen -Hochkonjunktur zu verstärkter Vorsicht bei Aufnahme neuer Geschäfte, -die zu ihrer Entwickelung erfahrungsgemäß einer Reihe von Jahren -bedürfen.“ -- Weiter unten wird aber schon die tröstliche Versicherung -gegeben: „Gegen die Nachteile einer etwaigen Überproduktion im Lande -hoffen wir, durch die Einrichtungen unserer Fabriken und deren -Bewertung uns wirksam schützen zu können.“ In der Generalversammlung -vom 6. Dezember des Jahres 1900 unterstrich Rathenau diese Mitteilungen -noch, indem er ausführte, es könne niemand leugnen, daß die Konjunktur -ihren Höhepunkt überschritten habe. Vorläufig sei allerdings der -Rückgang noch mäßig. Als einer der Gründe für den Rückschlag wurde -angegeben, daß zu viele neue Unternehmungen gegründet seien. Am -frühesten zeigten sich Spuren der beginnenden Stauung denn auch -im +Unternehmergeschäft+. Der Geschäftsbericht der Bank für -elektrische Unternehmungen für das Jahr 1899/1900 geht diesen -Spuren nach und schildert sie folgendermaßen, zugleich zeigend, daß -die Trustorganisation für das Unternehmergeschäft nach Versagen des -Kapitalmarktes genau so funktioniere und wirke, wie das von Emil -Rathenau gedacht worden war: - - „Die nicht unerhebliche Steigerung der Preise fast sämtlicher, - für die elektrische Industrie in Betracht fallender Rohprodukte - und die daraus sich ergebende Preiserhöhung der Fabrikate, hat - glücklicherweise den Umfang der geschäftlichen Tätigkeit der - großen Elektrizitätsgesellschaften bisher nicht beeinträchtigt. Im - Gegenteil wird von vielen Seiten während des ganzen Berichtsjahres - eine erfreuliche Andauer der Beschäftigung und eine Steigerung - der Umsätze gemeldet, welche häufig sogar den Gewinn-Ausfall - auszugleichen vermocht hat, der dadurch entstand, daß die Preise - der Fabrikate nicht im gleichen Verhältnis hinaufgesetzt werden - konnten, wie die Preise der Rohstoffe und Hilfsmaterialien für die - Konstruktion der elektrotechnischen Produkte sich steigerten. - - Diese Preissteigerung der Rohstoffe und Hilfsmaterialien hat sich - aber, mehr noch als beim Bau, beim Betrieb der elektrotechnischen - Maschinen und Anlagen fühlbar gemacht. Man denke nur an die sehr - erhebliche Erhöhung der Selbstkosten des elektrischen Stromes, wie - sie sich für diejenigen Zentralen, die auf Dampfkraft angewiesen - sind, aus der Preissteigerung der Kohle um rund 50% ergeben mußten. - Eine Reihe von diesen Anlagen ist dadurch in ihrer finanziellen - Entwickelung im abgelaufenen Jahr gehemmt worden, und da - infolgedessen den großen Elektrizitätsgesellschaften die definitive - Abstoßung ihrer finanziellen Beteiligungen an von ihnen ins Leben - gerufenen Unternehmungen nicht erleichtert worden ist, so hat - sich in neuester Zeit eine gewisse Zurückhaltung in der Übernahme - von Aufträgen, mit welchen finanzielle Leistungen seitens der - Unternehmerfirmen verknüpft sind, geltend gemacht. Daß die großen - Gesellschaften diesen Standpunkt, jedenfalls nicht zum Nachteil des - eigentlichen legitimen Unternehmer- und Fabrikations-Geschäftes, - einnehmen können, erleichtert und ermöglicht ihnen gerade der - erfreuliche Umstand, daß sie bis jetzt auch ohnedies auf allen - Gebieten vollauf und zu lohnenden Preisen beschäftigt zu sein - scheinen. - - Unter solchen Umständen finden Banken, welche, wie die - unsrige, sich speziell mit der Übernahme und Durchführung - von Finanzgeschäften auf elektrotechnischem Gebiet abgeben, - Gelegenheit genug, sich zu betätigen, und es hat der Umfang unserer - Geschäftsverbindungen und die Anlage unserer Betriebsmittel in - Beteiligungen aller Art bei elektrotechnischen Unternehmungen auch - im abgelaufenen Jahr wieder zugenommen. Immerhin genügten hierfür - die von uns schon früher beschafften Mittel, während wir von der - Begebung weiterer Obligationen unserer Bank bei der im ganzen - ungünstigen Disposition des Geldmarktes glaubten absehen zu sollen.“ - -Nichtsdestoweniger wird für das Jahr 1899/1900 bei der A. E. G. noch -die unverminderte Dividende von 15% ausgeschüttet. Das folgende Jahr -bringt einen Rückgang auf 12%, wobei allerdings zu berücksichtigen -ist, daß diesmal 13 Millionen Mark junge Aktien, die im Vorjahre -nur die Hälfte der Dividende erhielten, voll daran teilnehmen. So -wird noch immer eine Dividendensumme von 7,2 Millionen Mark gegen -8025000 Mark im Vorjahre herausgewirtschaftet. Der Niedergang kann -nun von niemandem mehr geleugnet werden. Die starken wohlfundierten -Unternehmungen halten den Stoß bewunderungswürdig gut aus, aber in -dem leichten Gebälk der schwächer gezimmerten Gesellschaften kracht -und knirscht es bereits. Der Geschäftsbericht des Jahres 1900/1901 -setzt sofort mit Krisenstimmung ein. „Fast zwei Jahrzehnte lang hat -die elektrotechnische Industrie immer neue lohnende Aufgaben gefunden -und sich einer stetigen Entwickelung erfreut; die bekannten Vorgänge -in unserem Wirtschaftsleben mußten eine vorläufige Unterbrechung -dieser Bewegung mit Notwendigkeit herbeiführen. Auf die Anzeichen -drohender Überproduktion und ungesunder Übertreibung haben wir in den -letzten Jahren oftmals hingewiesen. Wie schmerzlich auch der scharfe -Rückgang in der Konjunktur empfunden wird und wie berechtigt die -Klagen über Schäden und Einbußen sind: der auf Vervollkommnung der -Arbeitsmethoden bedachte Fabrikant und Techniker wird zugeben, daß nur -normal beschäftigte Werkstätten Zeit und Muße zu Verbesserungen und -Verbilligungen finden, während die zwei- und dreifachen Schichten, wie -sie jahrelang zur Notwendigkeit geworden waren, Ausgestaltungen und -Neuerungen der Fabrikationsmethoden erschwerten.“ -- Von Resignation -oder Waffenstreckung also trotz der Enttäuschungen und Rückschläge -keine Spur. Auch hier der feste Wille, sich von Mißhelligkeiten nicht -unterkriegen zu lassen und sogar aus ihnen noch Vorteil für die Zukunft -zu ziehen. Zur Verzweiflung lag allerdings bei der A. E. G. auch -noch kein Anlaß vor: „Wir konnten annähernd den gleichen Umsatz wie -im Vorjahre abrechnen und waren in den meisten Abteilungen unseres -Geschäftsbetriebes und der Fabrikation befriedigend beschäftigt; neuen -Unternehmungen gegenüber legen wir uns aber große Beschränkungen auf.“ --- Auch die Aussichten werden nicht als direkt ungünstig geschildert, -wenigstens was die Arbeits+quantität+ anlangt: „Nach den ultimo -September gemachten Aufstellungen erreichen die fakturierten Umsätze -nahezu die der gleichen Periode des Vorjahres, ebenso die vorliegenden -Aufträge, soweit Bahnunternehmungen und Bestellungen für die Berliner -Elektrizitätswerke, deren Bautätigkeit einstweilen zum Abschluß gelangt -ist, nicht in Betracht kommen.“ Nun aber kommt der wunde Punkt: - - „Diese Ziffern wären unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen - befriedigend, wenn die Akquisitionstätigkeit der Konkurrenz, - welche ohne Rücksicht auf Herstellungskosten um jeden Auftrag - kämpft, nicht zu andauerndem Rückgang der Preise führte. Da - unter diesen Umständen ein Urteil über die zukünftige Gestaltung - des wirtschaftlichen Lebens schwer zu gewinnen ist, müssen wir - damit rechnen, daß ein Aufschwung gleich dem der letzten Jahre, - dem die Elektrotechnik ihre Größe verdankt, sich nicht sogleich - erneuern werde. Vielfach haben Unternehmungen, welche in der - Hochflut der Konjunktur ohne innere Notwendigkeit entstanden - und mit ungenügender Sachkenntnis geleitet waren, das Vertrauen - in die Ergiebigkeit unserer Industrie erschüttert. Es wird die - Aufgabe der auf solider Grundlage errichteten und mit Umsicht - und Verständnis geleiteten Werke sein, dieses Vertrauen wieder - herzustellen. Aber hierdurch allein wird die Schwierigkeit der - Lage, die teilweise auf notorischer Überproduktion der Fabriken - beruht, nicht beseitigt. Die mißlichen Verhältnisse werden - schwinden, und die deutsche Elektrotechnik wird ihre Macht und - Bedeutung, welche sie im Wettbewerbe der Nationen in Chicago und - Paris gezeigt hat, erfolgreich auf dem Weltmarkt betätigen, wenn - neue Handelsverträge, wie wir hoffen, unseren Waren die Märkte - befreundeter Nationen offen halten, und wenn die kräftigeren - Unternehmungen durch zweckmäßige Organisation und rationelle - Arbeitsteilung die Versuchs-, Fabrikations- und Verkaufsspesen auf - das geringste Maß herabmindern. Im eigenen Interesse, wie in dem - der elektrotechnischen Industrie ist deshalb unser Bestreben darauf - gerichtet, in dem angedeuteten Sinne zu wirken, und wir halten uns - die Initiative hierfür zu ergreifen für berechtigt, weil die innere - und äußere Lage unserer Gesellschaft die Vermutung ausschließen - sollte, daß sie auf das Zustandekommen derartiger Projekte - angewiesen ist.“ - -Noch weiter werden die hier angedeuteten Gesichtspunkte betreffend die -ruinöse Konkurrenz und das Mißtrauen des Kapitals, von dem gerade die -Elektrizitätsindustrie in den letzten Jahren außerordentlich verwöhnt -worden war, ausgesponnen und daneben noch andere negative Momente, -so die langsame Verwirklichung der von der Elektrizitätsindustrie -mit Ungeduld erwarteten Elektrisierung der Vollbahnstrecken, in dem -Geschäftsbericht der Elektrobank für das Jahr 1900/01 geschildert: - - „Die von kompetenten Fachleuten schon vor geraumer Zeit gemachte - und geäußerte, anfänglich aber vielfach bestrittene Wahrnehmung, - daß die Konjunktur in der elektrischen Industrie für einmal - ihren Höhepunkt erreicht habe, hat durch den Geschäftsgang in - dem Zeitraum, über welchen wir Bericht und Rechnung zu erstatten - haben, eine Bestätigung gefunden, welche an der Richtigkeit - dieser Tatsache heute wohl niemanden mehr zweifeln läßt. Zwar - sind wenigstens die größeren Etablissements der elektrischen - Industrie noch immer befriedigend beschäftigt. Aber der Bau - neuer elektrischer Anlagen, sowohl für Beleuchtung, als für - Straßenbahnen und für Kraftübertragung, hat doch insofern eine - fühlbare Einschränkung erfahren, als es den Unternehmerfirmen nicht - mehr so leicht gemacht ist, durch gleichzeitige Finanzierung der - zu erstellenden Werke sich vorteilhafte Bestellungen zu sichern: - Das Kapital drängt sich zu Anlagen in elektrischen Werten nicht - mehr so heran, wie vor einigen Jahren. Das hat zur Folge, daß die - Konstruktionsfirmen diejenigen Aufträge bevorzugen, welche für - sie keine finanziellen Leistungen involvieren, selbst wenn die - dabei zu erzielenden Preise weniger günstig sind. Daneben kommt - das eigentliche Fabrikationsgeschäft, welches sich die Erzeugung - der vielfältigen Verbrauchsgegenstände für die bereits bestehenden - Anlagen zur Aufgabe stellt, immer mehr zur Geltung. Die Zeit muß - lehren, ob alle die großen Konstruktionsunternehmungen, welche die - elektrische Industrie namentlich in Deutschland und der Schweiz - zu so hoher Blüte gebracht haben, auch auf dieser reduzierten - Basis genügende und lohnende Beschäftigung finden, namentlich - wenn neben der gegenseitigen inländischen auch die ausländische, - speziell amerikanische Konkurrenz in der Folge sich noch intensiver - geltend machen sollte. Jedenfalls ist die heutige Situation ein - Ansporn, allen Bestrebungen, welche neue Arten der Verwendung der - elektrischen Energie zu finden bezwecken, die größte Aufmerksamkeit - zu widmen. Angesichts der unbestrittenen Höhe, welche die - Leistungsfähigkeit unserer elektrischen Industrie, wissenschaftlich - und praktisch, erreicht hat, darf man zuversichtlich hoffen, daß - es ihr gelingen wird, die Aufgabe zu lösen, der Elektrizität - Anwendung auf immer weiteren Gebieten zu sichern und sich damit - die Möglichkeit ausreichender Tätigkeit auch in Zukunft zu wahren. - So dürfte eine neue, der frühern nahekommende Blütezeit für die - elektrische Industrie namentlich dann zu erwarten sein, wenn - es gelingen sollte, das Problem eines rationellen elektrischen - Vollbahn-Betriebes endgültig zu lösen, ein Problem, welches - namentlich für kohlenarme, aber wasserkraftreiche Länder, wie die - Schweiz, von sehr großer Bedeutung ist und bleiben wird. - - Für unsere Bank ist der eingetretene Unterbruch in der mehrjährigen - glänzenden Entwicklung der Elektrizitätsbranche bis jetzt nur - insofern von Einfluß gewesen, als auch wir uns mehr mit unseren - bisherigen Geschäften und deren weiteren Forderung, als mit neuen - Unternehmungen abgegeben haben.“ - -Das Jahr 1901/1902 bringt noch eine Vertiefung der Krisis. Die -Dividende der A. E. G. sinkt bis auf 8% und neben der Kritik -der äußeren Dinge wird auch die Selbstkritik schärfer, wird die -Notwendigkeit anerkannt, aus den begangenen Fehlern und Irrtümern zu -lernen, aber doch zugleich eingestanden, daß ein Ende des Niederganges -noch nicht abzusehen und eine volle Erkenntnis der Heilmittel noch -nicht möglich ist. Lassen wir wieder den Geschäftsbericht in Rathenaus -diesmal besonders scharf geprägten Worten sprechen: - - „Wie der wirtschaftliche Aufschwung des letzten Jahrzehntes sich um - die aufblühende elektrotechnische Industrie konzentrierte, so steht - diese in der gegenwärtigen Periode im Mittelpunkte des allgemeinen - Niederganges; ja es darf heute kaum mehr geleugnet werden, daß - die elektrische Krisis eher eine der Ursachen als eine Folge der - wirtschaftlichen Gesamterkrankung darstellt. - - Die Ursachen der Krisis waren übermäßige Investitionen bei - Betriebsunternehmungen, die weder mit der Kapitalskraft des - Landes noch mit den landesüblichen Ansprüchen an Verzinsung im - Einklang standen, mangelhafte Prüfung und Überkapitalisation - dieser Unternehmungen; ungerechtfertigte +Erweiterung der - Fabrikationsstätten+ auf Grund der +Aufträge+, die aus +Lieferung - für eigene Unternehmungen stammten+ und daher nur einmalige - waren, Ausbreitung der Geschäfts- und Verkaufsorganisationen über - dasjenige Maß hinaus, das durch die Basis der Fabrikation gegeben - war. - - Die Bedeutung und Zukunft der Elektrotechnik als Faktor des - modernen Lebens wird durch die Kalamität der Industrie nicht - verringert; im Gegenteil ist zu erwarten, daß die durch Besorgnis - gesteigerte Emsigkeit neue Gebiete und neue Anwendungen erschließen - und die Kenntnis und Beherrschung der vorhandenen erweitern wird. - Wenn auch diese Rückwirkung der elektrotechnischen Industrie zugute - kommen wird, eine Gesundung wird schwerlich sofort erfolgen. Fürs - erste handelt es sich darum, dem vorhandenen Zustand ins Auge zu - sehen und das Mißverhältnis zwischen Produktionsfähigkeit und - Konsum rückhaltlos zu konstatieren. Dies wird dem Kapitalisten - heute leichter sein als vor einem Jahre, nachdem inzwischen - vielfach Ergebnisse und Bewertungen in scharfen Kontrast zu - mannigfachen hoffnungsvollen Erklärungen und Voraussagen getreten - sind. Welche Mittel zu ergreifen sein werden, um unsere Industrie - zu konsolidieren, haben wir wiederholt ausgesprochen. Ein engeres - Zusammenschließen der großen Firmen wird sich kaum vermeiden - lassen, wenn die Verkaufspreise der Erzeugnisse wieder auf ein - der Fabrikation lohnendes Niveau gebracht werden sollen. Daß aber - eine Beschleunigung des Zusammenschlusses leicht zu Übereilungen - führen könnte, scheint uns durch die Tatsache erwiesen, daß noch - im +Verlauf des letzten Jahres+ erhebliche +Verschiebungen in der - relativen Bewertung der einzelnen Unternehmungen+ stattgefunden - haben und anscheinend dauernd sich vollziehen. Schon aus diesem - Grunde scheint uns ein klares Erfassen der Situation die - nächstliegende Vorbedingung für spätere Sanierung.“ - -Noch pessimistischer klingt’s im Geschäftsbericht der Elektrobank: - - „Der Rückschlag auf dem Gebiete der Elektrizitätsindustrie, - der sich schon im Vorjahre als recht intensiv erwies, hat - im Berichtsjahre leider weitere Fortschritte gemacht, und - es ist noch nicht abzusehen, wann die rückläufige Bewegung - einem wiederkehrenden Aufschwunge weichen wird. Speziell das - Unternehmergeschäft, das für Institute, wie das unsrige, - in erster Linie in Betracht fällt, hat an Umfang noch mehr - eingebüßt. Zweifelsohne trägt daran die allgemeine Depression - der wirtschaftlichen Lage in Europa, welche durch den ungewissen - Ausgang der Verhandlungen über den Abschluß neuer Zoll- und - Handelsverträge noch verstärkt wird, eine Hauptschuld. Daneben - wirkt aber mit, daß die Anlagen auf dem Gebiete der elektrischen - Zentralstationen und Straßenbahnen, soweit es sich wenigstens - um hinsichtlich ihrer Ertragsfähigkeit gerechtfertigte Projekte - handelt, in den hierfür einstweilen in Betracht fallenden Ländern - zum guten Teil bereits ausgeführt sein dürften. Eine weitere - Betätigung nach dieser Richtung wird sich also entweder auf - entferntere, politisch und wirtschaftlich weniger entwickelte - Länder erstrecken oder durch eine Verbilligung der Anlagekosten - und des Betriebes die Vorteile der elektrischen Beleuchtung - und Traktion auch solchen Gemeinwesen zugänglich zu machen - suchen müssen, die man für derartige Einrichtungen bis anhin - nicht als genügend lohnende Objekte betrachten konnte. Wohl hat - sich die deutsche und schweizerische Elektrizitätsindustrie - auch schon wiederholt an große ausländische Beleuchtungs- und - Transport-Unternehmungen herangemacht, und wir selbst haben - uns finanziell an solchen interessiert; die Frage bleibt aber - noch offen, ob namentlich die daherige überseeische Tätigkeit - überall eine mit den vermehrten Risiken aller Art im Einklang - stehende Entlohnung dabei findet. Und was die Ausdehnung - elektrischer Einrichtungen im Beleuchtungs- und Traktionswesen - auf wirtschaftlich minder entwickelte Gemeinwesen anbetrifft, so - scheint man auch da schon jetzt oft bis an die äußerste Grenze des - Berechtigten gegangen zu sein. - - Solange die Elektrizitäts- und deren Hilfsgesellschaften über, - wie es damals schien, unerschöpfliche Geldmittel verfügten, - wurden die ihnen sich bietenden Unternehmungen häufig mit einem, - den tatsächlichen Verhältnissen widersprechenden Optimismus - eingeschätzt, und die an der Erteilung von Konzessionen - interessierten Organe nahmen nicht selten zum eigenen Nachteil - keinen Anstand, Bewerber nur deshalb zu bevorzugen, weil sie - glänzende Zugeständnisse machten und hohe Erträge in Aussicht - stellten. Nach dieser Richtung wird die jetzt zuweilen beklagte - Zurückhaltung des Kapitals Wandel schaffen, indem es die - Bedingungen des Zustandekommens und die Chancen neu zu schaffender - Elektrizitätsunternehmungen sorgfältiger prüft als bisher. - Andererseits werden aber auch die Kreise, welche die Hebung der - Gemeinden und die Förderung des Verkehrs durch Einführung von - elektrischem Licht und elektrischen Bahnen mit fremden Mitteln - anstreben, im eigenen Interesse auf die zukünftige Prosperität - dieser Schöpfungen bedacht sein und den privaten Unternehmungen - durch Gewährung günstiger Bedingungen das mit Übernahme derselben - verbundene Risiko erleichtern müssen. - - Unter den gegenwärtigen Verhältnissen liegt einstweilen nach - wie vor das Schwergewicht der Tätigkeit der großen elektrischen - Konstruktionsfirmen in der Fabrikation aller Einrichtungen für - den täglichen, laufenden Gebrauch und Verbrauch der elektrischen - Bedarfsgegenstände aller Art. Hier aber zeigt sich immer mehr, daß - die vorhandenen Fabrikationseinrichtungen für die gegenwärtigen - Bedürfnisse mehr als genügend sind. Daraus resultiert ein ungemein - intensiver Wettbetrieb und ein Preisniveau für die Erzeugnisse, - das kaum mehr den richtigen industriellen Nutzen läßt. Daß - dabei diejenigen Gesellschaften, welche in den guten Zeiten auf - möglichst hohe Rücklagen und Abschreibungen Bedacht genommen - und vor allem für die höchste technische Vervollkommnung ihrer - Fabrikationseinrichtungen Sorge getragen haben, im Konkurrenzkampf - am günstigsten dastehen, ja vielleicht diesen allein zu überdauern - vermögen, ist selbstverständlich. Vielleicht wird auch für - unsere europäischen Elektrizitäts-Gesellschaften ein engerer - Zusammenschluß nach amerikanischem Vorbild zur Notwendigkeit, bei - dem die weniger günstig produzierenden Anlagen einstweilen zum - Stillstand verurteilt werden könnten, bis die Verhältnisse sich - wieder gebessert haben werden. Aber wenn auch verschiedene Gruppen - ihre Interessen vereinigen, so wird eine durchgreifende Besserung - erst allmählich und in dem Maße eintreten, wie die heutigen - Anwendungsarten der elektrischen Industrie auf neue Gebiete sich - erweitern. Wird auch in dieser Richtung unablässig gearbeitet, - und dürfen wir auch in die Fähigkeit, Intelligenz und Energie der - Vertreter unserer elektrischen Wissenschaft und Praxis für die - Zukunft alles Zutrauen haben, so müssen wir doch zugestehen, daß - speziell im abgelaufenen Jahr neue, epochemachende Erfindungen auf - elektrischem Gebiete nicht gemacht, auch längst anhängige wichtige - Probleme, wie insbesondere der elektrische Vollbahnbetrieb, sehr - weit nicht gefördert worden sind.“ - -Doch gerade hier werden die Interessenten nicht ohne Hoffnungsschimmer -entlassen: - - „So düster das vorstehend entworfene Bild sein mag, so fehlen - doch auch gewisse Lichtblicke nicht, die leicht eine Wendung zum - Besseren einleiten könnten: Die starke Verbilligung vieler für die - Elektrotechnik wichtiger Rohmaterialien, insbesondere von Kupfer - und Eisen, hat bereits mit zur Herabsetzung der Preise elektrischer - Maschinen, Kabel usw. beigetragen und wird die Erstellung - neuer elektrischer Einrichtungen, sowie die Ausdehnung des - Anwendungsgebietes der elektrischen Energie zweifelsohne fördern. - Auch die ganz außerordentliche Geldflüssigkeit, die sich seit - längerer Zeit geltend macht, muß früher oder später das Kapital - veranlassen, sich wieder eine höhere Verzinsung bei der Industrie - zu suchen. Das kann auch der Elektrizitätsbranche zugute kommen. - Wie bald, das ist freilich schwer vorauszusagen.“ - -Das Jahr 1902/03 bringt endlich den ersten Schritt zur Lösung und -Überwindung der Krise. Die Dividende der A. E. G. kann zwar noch nicht -wieder über 8% hinaus erhöht werden, aber bei der Elektrobank und der -Elektrizitäts-Lieferungsgesellschaft werden Steigerungen von 6 auf 6½ -und 7 auf 7½% vorgenommen. Das Wesentlichste aber ist, daß das Mittel -nicht nur gefunden, sondern auch zum erstenmal in durchgreifender -Weise zur Anwendung gebracht wird, das den schlimmsten und am bösesten -verwucherten Keim der Krisis, die Überproduktion und den ruinösen -Konkurrenzkampf, zu ertöten geeignet ist. Dieses Mittel heißt -+Konzentration+. Bis dahin in der Elektrizitätsindustrie mit ihren -völlig dezentralisierenden, durch keinerlei Kontrollvereinbarungen -abgedämpften Absatzmethoden völlig unbekannt, ergriff der Gedanke der -Konzentration diese Industrie, geboren aus der Not des Zusammenbruches -und der Kraft des Kontrastes, nun stärker als jedes andere Gewerbe, -die Macht der Schwachen völlig erschütternd, die der Starken aus der -Erbschaft jener außerordentlich mehrend. Er hat die ganze Entwickelung -des folgenden Jahrzehntes beherrscht, aber auch diesen ganzen -Zeitraum gebraucht, um die Reste der früheren individualistischen -Entwicklungsära völlig aufzusaugen und zu verdauen. Bevor wir diesen -Weg weiterverfolgen, wird es notwendig sein, zu untersuchen, wie sich -die Situation der +gesamten Industrie+ in dem Hexenkessel der Krisis -gestaltet und verändert hat. Was wir bisher von ihr gesehen haben, war -aus dem Spiegel der A. E. G. zurückgeworfen und gab -- abgesehen von -subjektiv gefärbten, übrigens immerhin zurückhaltenden Darstellungen -der Lage des Allgemeingewerbes -- nur die Wirkungen auf das A. E. -G.-Unternehmen selbst wieder. Dieses Bild muß durch die Schicksale der -anderen in der Industrie tätigen Unternehmungen, ihre Ursachen und ihre -Folgen, ergänzt werden. Erst dann wird das Verständnis der Krise und -das Verständnis ihrer Überwindung ganz erschlossen werden können. - -Wie wirkte nun der Niedergang auf die übrigen Unternehmungen der -Elektrizitätsindustrie? -- Wenden wir uns zunächst zu der Firma -+Siemens & Halske+, die erst im Jahre 1897 -- nach dem Tode Werner -Siemens -- in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war. Das -Kapital dieser Gesellschaft hatte bei der Gründung 35 Millionen Mark -betragen, hatte also genau dieselbe Höhe wie das damalige Aktienkapital -der A. E. G., auf das allerdings zu jener Zeit nur 32586000 Mark -eingezahlt waren. In den Jahren 1898 und 1899 trug die Gesellschaft -dem stürmischen Expansionstempo in der Elektrizitätsindustrie durch -Erhöhungen von je 5 Millionen Mark Rechnung, und im April 1900, also -in einer Zeit, in der der kluge und vorsichtige Emil Rathenau bereits -warnend von der schwindenden Zuversicht in die Konjunktur sprach und -sich wohlweislich hütete, den Kapitalmarkt noch in Anspruch zu nehmen -(nachdem er sich allerdings vorher zu geeigneter Zeit reichlich mit -Mitteln versehen hatte), erfolgte bei Siemens & Halske noch eine -dritte größere Kapitalvermehrung um 9500000 Mark. Die Aktien wurden -allerdings nur teilweise -- in Höhe von 4,5 Millionen Mark -- auf dem -Kapitalmarkt untergebracht, 5 Millionen Mark übernahm die Familie -Siemens, die der Aktiengesellschaft dafür Aktien der Siemens Brothers -& Co. in London und der russischen elektrotechnischen Werke Siemens & -Halske überließ. Damit war das Kapitalbedürfnis der Siemens & Halske -Akt.-Ges. in jener Zeit der Hochspannung aber noch keineswegs gedeckt. -Im Jahre 1898 wurde eine Obligationenanleihe von 20 Millionen Mark, im -Jahre 1900 eine weitere von 10 Millionen Mark aufgenommen. Auch auf dem -Gebiete des Obligationenkredits hatte Emil Rathenau seine Bedürfnisse -in jener vor-kritischen Periode niedriger zu halten verstanden und -im Jahre 1900 eine Anleihe von 15 Millionen Mark, also nur die Hälfte -der von Siemens & Halske beanspruchten Obligationen-Mittel ausgegeben. --- Die Folge der von Siemens & Halske gerade in der kritischen Zeit -auf sich genommenen neuen Zinslasten war, daß dieses alte, historisch -und technisch viel tiefer als die A. E. G. verwurzelte Unternehmen -dennoch von der Krisis schärfer angefaßt wurde als die jüngere -Konkurrenzgesellschaft. Die Aktiengesellschaft Siemens & Halske, -die in den ersten beiden Jahren ihres Bestehens Dividenden von 10% -ausgeschüttet hatte, mußte im Jahre 1900/01 auf 6%, im Jahre 1901/02 -sogar auf 4% heruntergehen, zum Teil auch deswegen, weil sie das -Unternehmer- und Beteiligungsgeschäft, das bei der A. E. G. schon durch -jahrelangen Ausbau gefestigt worden war, erst in den letzten Jahren -vor der Krisis eingerichtet, und infolgedessen noch nicht hinlänglich -geschützt hatte. - -Immerhin hielt sich die Siemens & Halske Akt.-Ges. naturgemäß doch ganz -anders als die übrigen Elektrizitätsunternehmungen, die der zweiten -und dritten Kategorie angehörten. Sie blieb nicht nur lebenskräftig -und unerschüttert, sondern auch aufnahmefähig zur Übernahme -schwachgewordener Elemente der Elektrizitätsindustrie und konnte, -gestützt auf ihren unverwüstlichen Fundus, trotz einer nicht gerade -elastischen, sondern eine freie Bewegung erschwerenden Organisation -an der gewaltigen Konzentrationsbewegung, die nach Überwindung -der Krisis einsetzte, mit erstaunlicher Aktivität teilnehmen. Für -alle anderen Unternehmungen, -- mit Ausnahme der A. E. G. und der -Siemens & Halske-Akt.-Ges. -- waren die destruktiven Einwirkungen -der Krisis aber derart schwer, daß sie nicht nur von dem akuten -Rückschlag in ihren Grundfesten erschüttert wurden, sondern auch die -Reorganisationskraft für alle Dauer einbüßten. Bei ihnen wurden -- -ob nun die volle Schwere der Krisis sogleich, oder erst später nach -außenhin hervortrat -- nicht nur die Bezirke an der Peripherie, sondern -der Lebensnerv von der Krisis getroffen. Zum offenen Zusammenbruch -kam es sofort bei der +Elektrizitätsgesellschaft vormals Schuckert in -Nürnberg+, bei der +Akt.-Ges. Elektrizitätswerk (vorm. O. L. Kummer)+ -in +Dresden+ und bei der +Helios-Akt.-Ges. für Elektrizität+ in -+Köln+. Die Schuckert-Gesellschaft in Nürnberg war -- wie wir schon -gesehen haben -- ein Unternehmen, das eine ausgezeichnete technische -Leistungsfähigkeit und einen vorzüglichen Ruf in der Fachwelt besaß -und sich diese auch trotz aller späteren Fehlschläge und Mißerfolge, -die sie auf organisatorisch-finanziellem Gebiet erlitt, bewahren -konnte. Ihre Anfänge und die Persönlichkeit ihres grundtüchtigen -Gründers haben wir bereits an früherer Stelle geschildert, und -späterhin auch gesehen, wie sich die Firma in den achtziger und am -Anfang der neunziger Jahre die vertragliche Gebundenheit der A. E. -G. und der Siemens & Halske-Ges. im Zentralenbau derart zunutze zu -machen verstand, daß sie zeitweilig mehr Elektrizitätswerke bauen -konnte, als die beiden Berliner Unternehmungen zusammen. Ihre -Dynamomaschinen besaßen vorzügliche technische Eigenschaften, auf dem -Gebiete der kombinierten Bogen- und Glühlichtbeleuchtung gelangen -ihr treffliche Konstruktionen. Bereits in den Jahren 1883-1886 baute -die Gesellschaft elektrische Straßenbahnen (zwischen Schwabing bei -München und Ungarbad) und Industriebahnen (bei Rosenheim). 1887, also -wenige Jahre nach der Errichtung der Berliner Elektrizitätswerke, -wurde in Lübeck die erste Elektrizitätszentrale von Schuckert gebaut, -seine Scheinwerferkonstruktionen (mit parabolischen Spiegeln) wurden -zeitweilig in der deutschen Marine ausschließlich verwendet. Kurzum -eine Zeitlang hatte es den Anschein, als ob die Gesellschaft sich als -drittes großes Gestirn neben der A. E. G. und Siemens & Halske am -Elektrizitätshimmel dauernd behaupten würde. Der gesellschaftliche -Entwickelungsgang des Unternehmens führte im Jahre 1888 zur Bildung -einer Kommanditgesellschaft mit einem Kapital von 2 Millionen Mark, -an der neben Johann Siegismund Schuckert auch Hugo Ritter von Maffei -von der Maschinenfabrik Maffei in München, die Maschinenfabrik -Augsburg-Nürnberg und der A. Schaaffhausensche Bankverein beteiligt -waren. In demselben Jahre wurde die Elektrotechnische Fabrik -Spieker & Co. in Köln aufgenommen. Im Jahre 1893, also in demselben -Jahre, in dem sich die A. E. G. endgültig von Siemens & Halske frei -machte, erfolgte die Umwandlung des Schuckert-Unternehmens in eine -Aktiengesellschaft, an der auch die Firma Felten & Guilleaume, die -in Mülheim am Rhein ein Kabelwerk betrieb, Anteil nahm. Das Kapital -betrug 12 Mill. M., es wurde im Jahre 1896 bereits auf 18 Mill. -M., im Jahre 1897 weiter auf 22,5 Mill. M. erhöht, wobei ein Teil -der jungen Aktien zu dem hohen Kurse von 265% an die Firma Gebr. -Naglo als Kaufpreis für deren Fabrikunternehmen gegeben wurde; im -Jahre 1898 stieg das Kapital weiter auf 28 Millionen Mark und im -Jahre 1899 auf 42 Millionen Mark, bei welcher Gelegenheit das noch -im Umlauf befindliche Kapital der +Continentalen Gesellschaft für -elektrische Unternehmungen+, der Trust- und Beteiligungsgesellschaft -des Schuckert-Konzerns, erworben wurde. Anleihen von 10, 10 und 15 -Millionen Mark wurden in den Jahren 1898, 1899 und 1901 aufgenommen -und standen in schlechtem Verhältnis zu der Höhe des Aktienkapitals. -Die bald nach der Aktiengründung einsetzende Periode der schnellen -Expansion hatte der ruhige und solide, allen phantastischen Plänen -abholde Joh. Siegismund Schuckert, der, solange er lebte, die -technische Seele und das Gewissen des Unternehmens gewesen war, nicht -mehr miterlebt. An seine Stelle trat Alexander Wacker, der zuerst die -Generalvertretung der Firma Schuckert für Mittel- und Norddeutschland -innegehabt, dann mit der zunehmenden Ausdehnung des Geschäfts die -kaufmännische Leitung in Nürnberg übernommen hatte. Alexander Wacker -schloß sich der Hochkonjunktur in der Elektrizitätsindustrie mit vollen -Segeln an. Er nahm das Unternehmergeschäft nach Rathenauschem System -auf und betrieb die fabrikatorische Expansion in großem Stile. Die -Dividenden der Gesellschaft steigerten sich schnell von 9 auf 15%, -bei den Kapitaltransaktionen wurde das sich aus den hohen Dividenden -ergebende Agio des Aktienkurses bis zur letzten Neige ausgenutzt, ohne -daß dabei aber auf die innere Stärkung des Unternehmens Rücksicht -genommen worden wäre. Die hohen offenen Agio-Reserven vermochten das -Unternehmen nicht vor dem Niederbruch zu bewahren. Für das Jahr 1900/01 -war im Geschäftsbericht noch eine Dividende von 10% vorgeschlagen. -Weil aber als Folge des Krachs der Leipziger Bank 4,2 Millionen Mark -für den Erwerb von Aktien der Bosnischen Elektrizitätswerke seitens -der Gesellschaft sofort zu zahlen waren, die nach den ursprünglichen -Abmachungen erst in 2 Jahren hätten fällig sein sollen, wurde die -Dividendenzahlung von der Generalversammlung sistiert. 714602 Mark -Unkosten und Disagio aus der Begebung der letzten noch im Krisisjahre -1901 aufgenommenen Anleihe von 15 Millionen Mark belasteten überdies -den Abschluß, die Erträgnislosigkeit der Continentalen Gesellschaft -für elektrische Unternehmungen beeinträchtigte ihn weiterhin. Die -Vorgänge bei der Gesellschaft wurden im Bayerischen Abgeordnetenhause -einer abfälligen Kritik unterzogen, was die geschäftliche Entwickelung -natürlich keineswegs förderte. Im Jahre 1901/02 fiel der Umsatz von -72 auf 49 Millionen Mark und das Resultat dieses Jahres gipfelte nach -Aufzehrung des Gewinnvortrages von 5549689 Mark in einem Verlust von -nicht weniger als 15399317 Mark, durch den auch der Reservefonds in -Anspruch genommen wurde. Die Gesellschaft war in ihren Grundlagen -erschüttert und „fusionsreif“ geworden. - -Ganz ähnlich entwickelten sich die Verhältnisse bei der -+Kummer-Gesellschaft+. Sie war als Aktiengesellschaft im -Jahre 1894 errichtet worden und aus der Firma O. L. Kummer, die -in den achtziger Jahren durch den Marineingenieur gleichen Namens -gegründet worden war, hervorgegangen. Auch hier eine stürmische -Kapitalssteigerung von 1,5 Millionen Mark auf 2,5 Millionen Mark im -Jahre 1896, auf 4,5 Millionen Mark im Jahre 1897, auf 7,5 Millionen -Mark im Jahre 1898, auf 10 Millionen Mark im Jahre 1899, hohe -Dividenden bis zu 10%, Ausnutzung des Aktienkurses zur Agiotage -und eine über den engen Rahmen des Unternehmens weit hinausgehende -Beteiligung am Unternehmergeschäft. Am 31. Dezember 1900 waren die -offenen Schulden einschließlich der Bankschulden infolge des in den -letzten Jahren schon verringerten Emissionskredites bis auf 9150239 -Mark angewachsen, erreichten also fast die Höhe des Aktienkapitals. -Die von den Gesellschaftern beabsichtigte Geldbeschaffung zur -Finanzierung schwebender Projekte auf dem Gebiet des Bahnen- und -Zentralenwesens konnte nicht mehr durchgeführt werden, nachdem -die Begebung einer Obligationenanleihe von 2,5 Millionen Mark nur -teilweise geglückt war. Zuerst glaubte die Verwaltung mit einer -Sistierung der Dividendenzahlungen über die Krisis hinwegzukommen. -Der Geschäftsbericht für das Jahr 1900 berichtet sogar noch über -die Schaffung von Ingenieurbureaus in Hannover, Bielefeld, München, -Breslau und von mehreren in Japan und China errichteten Vertretungen. -Bald aber wurde es klar, daß die Verhältnisse des Unternehmens nicht -ohne Sanierung zu ordnen waren, doch auch dieser Ausweg war nach -kurzer Zeit nicht mehr gangbar. Die Situation verschlimmerte sich -rapide. Das Finanzinstitut, auf das sich die Gesellschaft seit ihrer -Gründung gestützt hatte, die Creditanstalt für Industrie und Handel, -geriet selbst in Schwierigkeiten, und es schwand die Möglichkeit, mit -seiner Hilfe die Sanierung durchzuführen. Anderweitig eingeleitete -Verhandlungen zerschlugen sich und am 15. Juni 1901 mußte wegen -Zahlungsunfähigkeit der +Konkurs+ über die Gesellschaft eröffnet -werden. Aus ihren Trümmern entstand späterhin auf gänzlich neuer -Grundlage die Sachsenwerk-Akt.-Ges., ein Elektrizitätsunternehmen, das -sich sehr langsam zu einer mäßigen Rentabilität entwickelte, bis ihm -die Kriegskonjunktur zu außerordentlich günstigen Verhältnissen verhalf. - -Ein ähnliches Schicksal erlebte die +Helios -Elektrizitäts-Akt.-Ges.+ Ihr Ursprung geht zurück auf die im Jahre -1882 mit 200000 Mark Aktienkapital gegründete Kommanditgesellschaft -für elektrisches Licht und Telegraphenbau P. Berghausen in Köln. Im -Jahre 1884 wurde diese Firma mit einem Kapital von 1 Million Mark in -eine Aktiengesellschaft umgewandelt; 1886 erfolgte eine Erhöhung auf -2 Millionen Mark, 1890 eine zweite auf 3,1 Millionen Mark. Das Jahr -1894 führte zu einer Sanierung des Unternehmens durch Herabsetzung -des Kapitals auf 2056000 Mark, das Jahr 1895 bereits wieder zu -einer Erhöhung auf 3 Millionen Mark. Nunmehr geht es wie bei allen -übrigen Gesellschaften im stürmischen Tempo weiter. Das Jahr 1897 -sieht sogar zwei Kapitalerhöhungen, um 1 und 4 Millionen Mark, das -Jahr 1898 eine Erhöhung um 2 Mill. M. und das Jahr 1899 schließlich -eine solche um 6 Millionen Mark, so daß das Kapital der Gesellschaft -beim Ausbruch der Krisis auf 16 Millionen Mark angewachsen war. -Daneben wurden in den Jahren 1896 und 1898 Obligationsanleihen von -1 und 3 Millionen Mark, im Jahre 1900 eine solche von 10 Millionen -Mark und im Jahre 1901 noch eine von 6 Millionen Mark aufgenommen. -Dividenden von 11 und 12% stützten das auf so schmaler Grundlage -hochgetürmte Kapitalgebäude eine Zeitlang. Die Gesellschaft war in ganz -besonders starkem Maße bestrebt, das Rathenausche Unternehmergeschäft -nachzuahmen und sie schuf sich zu seiner Unterstützung eine ganze -Reihe von Finanz- und Beteiligungsgesellschaften, so die Akt.-Ges. für -Elektrizitätsanlagen in Köln, die Bayerische Elektrizitäts-Ges. Helios, -die Elektrizitätsgesellschaft Felix Singer in Berlin, die Bank für -elektrische Industrie in Wien. Aber die Krisis warf alle diese Gebilde -über den Haufen. Die Betriebe und Tochterunternehmungen vermochten den -Anprall des Konjunkturrückschlages nicht auszuhalten, das Jahr 1900/01 -schloß mit einer Unterbilanz von 4906417 Mark, die im folgenden Jahre -auf 8853094 Mark stieg. Eine im Jahre 1902 beschlossene Sanierung -konnte das Unternehmen nicht lebensfähig machen, das Jahr 1903/04 ergab -eine neue Unterbilanz von 5283953 Mark und die Gesellschaft mußte in -Liquidation treten, nachdem mit den Obligationären und Bankengläubigern -ein kompliziertes Abkommen zur Rettung der Masse getroffen worden war -und die großen Elektrizitätskonzerne eine Anzahl von Beteiligungen -übernommen hatten. - - -Nicht ganz so scharf wie die vorstehend geschilderten Unternehmungen -wurden einige andere von der Krisis gefaßt, wenigstens gelang -es ihnen, den offenen Zusammenbruch zu vermeiden. Die +Union -Elektrizitäts-Akt.-Ges.+ in Berlin, die im Jahre 1892 gegründet worden -war, verdankt ihre Existenz starken Kapital- und Industriekräften, die -allerdings damals noch bei weitem nicht die Bedeutung und Macht erlangt -hatten, die sie heute besitzen. An ihrer Gründung waren beteiligt die -Akt.-Ges. Ludw. Loewe & Co. in Berlin, die damals noch außer ihrer -Werkzeugmaschinenfabrik die später auf die Deutschen Waffen- und -Munitionsfabriken übergegangene Waffenfabrik Martinikenfelde besaß, -ferner die Dresdner Bank, die Firma Thyssen & Co. in Mülheim, deren -Industriemacht zu jener Zeit gleichfalls noch nicht so entwickelt war -wie jetzt, schließlich die Thomson Houston Electric Co. in Boston, -die im Jahre 1892 aus einer Fusion zwischen der Thomson Houston -Co. mit der -- uns schon aus den Rathenauschen, allerdings nur -vorübergehend geknüpften Beziehungen bekannt gewordenen -- General -Edison Electric Co. hervorgegangen war. Die beiden Hauptgründer, die -Firma Ludw. Löwe und die Thomson Houston Electric Co. hatten mit der -Errichtung der „Union“ ganz bestimmte Zwecke verfolgt und daher das -junge Unternehmen durch langfristige Verträge an sich gefesselt. Löwe -sicherte sich -- ähnlich wie dies in dem Vertrage zwischen Siemens -& Halske und der Deutschen Edison-Ges. der Fall gewesen war -- bei -der neuen Gesellschaft auf 25 Jahre ein Monopolrecht für den Bau und -die Lieferung aller von ihr benötigten elektrischen Maschinen, die -Firma Thomson Houston Electric Co. übertrug der Union ihre bekannten -und ausgezeichneten Straßenbahnbau-Patente, nach denen bis zum Jahre -1897 etwa 70% aller elektrischen Straßenbahnen in Amerika und 50% -aller europäischen Straßenbahnen gebaut waren. Dem Straßenbahnbau -widmete sich die junge Gesellschaft auch vornehmlich und auf diesem -Gebiete übertraf sie bald die anderen, auch die größten deutschen -Elektrizitätsgesellschaften in dem Umfang ihrer Tätigkeit. Ihr eigenes -Anfangskapital war nur klein, es betrug 1,5 Millionen Mark. Da ihre -Fabrikation nur gering war und der Straßenbahnbau, ihr Spezialfach, -sie hauptsächlich auf das Unternehmergeschäft hinwies, gliederte -sie sich schon im Jahre 1894 in der „Gesellschaft für elektrische -Unternehmungen“ ein Finanzunternehmen an, das mit dem Zehnfachen ihres -Kapitals, nämlich 15 Millionen Mark, arbeitete. Bald aber wurde auch -die Union E. G. von dem Expansionstaumel in der Elektrizitätsindustrie -erfaßt. Ihr Aktienkapital wurde im Jahre 1896 auf 3 Millionen Mark, -und bis zum Jahre 1900 in schnellen Sprüngen auf 24 Millionen Mark -gesteigert. Daneben wurden noch 10 Millionen Mark Obligationen -aufgenommen. Auch diese Gesellschaft vermochte es in der kurzen Zeit -ihrer Schnellentwickelung nicht zu einer soliden inneren Durchbildung -zu bringen. Ihre Dividenden von 12% gingen im Jahre 1899/1900 auf 10%, -im nächsten Jahre auf 6% und in 1901/02 auf 4% zurück. Immerhin schien -es, als ob diese Gesellschaft die Krisis besser überwinden würde als -manche anderen Unternehmungen der Industrie, ja sie benutzte sogar die -Zeit stillerer Beschäftigung, um die maschinellen Einrichtungen ihrer -Fabrik durch Einführung besonders trefflicher Werkzeugmaschinen und -vorteilhafte Anordnung und Anwendung „in einer Weise zu vervollkommnen, -wie sie ihresgleichen kaum finden.“ (Geschäftsbericht für 1900/01.) -Aber gerade die Kosten dieser inneren Umwälzung und die drückende Bürde -des schlechtrentierenden Effektenbesitzes, den die Gesellschaft im -Gegensatz zur A. E. G. nicht durch Vornahme innerer Abschreibungen auf -einen gefahrlos niedrigen Stand herabgeschrieben hatte, und der daher -in der Krisis immer weitere Kursabbuchungen verlangte, führte auch bei -dieser Gesellschaft einen Schwächezustand herbei. Dieser veranlaßte -sie, nachdem das Bilanzgleichgewicht bis in das Jahr 1901/02 künstlich -aufrecht erhalten worden war, in dem Anschluß an die A. E. G. Hilfe zu -suchen. Dem kritischen Prüferauge Emil Rathenaus hielt das notdürftig -gezimmerte Bilanzgerüst nicht stand, und bevor die endgültige Übernahme -der Union durch die A. E. G. erfolgte, mußte die Bilanz noch im -Juni 1903 in einer Zwischenaufstellung einer gründlichen Säuberung -unterzogen werden. Ein buchmäßiger Verlust von 2549933 Mark war das -äußere Zeichen dieser verspäteten Krisen-Reaktion. - -Noch länger konnte die +Elektrizitätsgesellschaft vorm. Lahmeyer -in Frankfurt a. M.+ den vollen Umfang der Schäden verschleiern, -den ihr die Krisis verursacht hatte. Diese Gesellschaft führte ihren -Ursprung zurück auf die im Jahre 1896 als offene Handelsgesellschaft -gegründeten Deutschen Elektrizitätswerke Garbe, Lahmeyer & Co. Von -dieser bezw. von dem Ingenieur W. Lahmeyer wurde im Jahre 1890 mit -1,2 Millionen Mark Kapital die Kommanditgesellschaft W. Lahmeyer -gegründet, die hauptsächlich große Dynamos bauen sollte. Diese Firma -wieder errichtete im Jahre 1893 die „Elektrizitätsgesellschaft vorm. -W. Lahmeyer in Frankfurt a. M.“ mit einem Kapital von 500000 Mark -sowie die „Aktiengesellschaft für den Bau und Betrieb elektrischer -Anlagen“, die eine für die Fabrikation, die andere für die Ausführung -von Elektrizitätsanlagen. Später wurden beide Unternehmungen, da -sich der getrennte Betrieb organisatorisch nicht bewährte, wieder -miteinander fusioniert. Das Kapital der Gesellschaft, das im Jahre 1893 -1,7 Millionen Mark betrug, wurde 1896 auf 3 Millionen Mark, 1897 auf -4 Millionen Mark, 1899 auf 6 Millionen Mark und 1900 auf 10 Millionen -Mark erhöht. Im Jahre 1901 wurde das Aktienkapital gelegentlich -der Angliederung der „Deutschen Gesellschaft für elektrische -Unternehmungen“, der Finanzgesellschaft des Lahmeyer-Konzerns, auf -rund 20 Millionen Mark erhöht, daneben wurden im Jahre 1898, 1901 und -1902 Anleihen von 2, 4 und 10 Millionen Mark aufgenommen. Bei dieser -Gesellschaft liegt also das Schwergewicht der Kapitalsvermehrung -schon direkt in der Krisenzeit. Die Gesellschaft zahlte auch ihre -Höchstdividende von 11% noch im Jahre 1899/1900, im Jahre 1900/01 ging -sie auf 10% herab, und erst die beiden folgenden Jahre brachten die -völlige Einstellung der Dividendenzahlungen. Das Jahr 1901/02 ergab -einen Verlust von 2493871 Mark, das Jahr 1902/03 einen solchen von -371698 Mark, wodurch der Reservefonds so gut wie vollständig aufgezehrt -wurde. Wenn es dieser Gesellschaft gelang, die Bilanzreinigung -länger als andere Unternehmungen hinauszuschieben, so war dies auf -den Umstand zurückzuführen, daß eine verhältnismäßig gute, aber auf -Kosten zu niedriger Konkurrenzpreise erreichte Beschäftigung und ein -relativ befriedigender Geldbestand die latente Schwäche zeitweilig -zu übertünchen gestatteten und die akute Gefahr hinausschoben. -Auf die Dauer war eine derartige Bilanzierung aber natürlich nicht -aufrechtzuerhalten. Auch die Verlustjahre 1901/02 und 1902/03 brachten -keine wirkliche Gesundung. Eine im Jahre 1905 vorgenommene Vereinigung -des Fabrikationsgeschäfts der Gesellschaft mit dem Kabelwerk Felten -& Guilleaume in Mülheim am Rhein, einem in sich durchaus kräftigen -und lebensfähigen Unternehmen, gestattete eine Aufrechterhaltung der -Scheingesundheit für ein paar weitere Jahre. Erst im Jahre 1910 ließ -sich die innere Schwäche der Gesellschaft nicht länger verbergen und -die Gesellschaft fiel als Fusionsobjekt der A. E. G. anheim. - -Günstiger als diese Unternehmungen, die den großen führenden -Konzernen nach zur Universalität in der elektrischen Fabrikation -strebten und sich von Emil Rathenau auf das gefährliche Gebiet -der Unternehmergeschäfte locken ließen, überstanden die -guten elektrotechnischen Spezialfabriken die Krise der Jahre -1900-1903. Kabel- und Drahtwerke, Apparatefabriken, Dynamowerke, -Instrumentenfabriken, die ihre Spezialität sorgfältig ohne -Großmannssucht und ohne Übergriffe auf andere Gebiete ausbildeten, -konnten sich auch späterhin gegen die erdrückende und aufsaugende -Übermacht der großen Konzerne behaupten, der sich die „gemischten -Unternehmungen“ zweiten und dritten Ranges ohne Ausnahme nicht -gewachsen zeigten. - -Es bleibt noch zu untersuchen, weswegen die +Krisis+ des Jahres -1900/01 die Elektrizitätsindustrie +stärker mitnahm als jede andere -gewerbliche Depression+ vorher und nachher, wenigstens soweit die -von uns vornehmlich behandelte Periode von der Gründung der A. E. -G. bis zur Gegenwart in Betracht kommt. Wohl stand der Anfang der -achtziger Jahre in der Elektrizitätsindustrie, namentlich in der -englischen, unter dem Zeichen einer Kabelkrisis, die durch die vielen -Gründungen von Telegraphen- und Kabelgesellschaften entstanden war. -Gerade aber die beginnende Epoche der Starkstromindustrie und die -Erfindung des elektrischen Bogen- und Glühlichts trugen dazu bei, -diese Krisis verhältnismäßig schnell zu überwinden. Indem man sich -in England unter dem Eindruck der Schäden und Verluste, die eine -übermäßige Gründungstätigkeit auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik -dort verursacht hatte, vor ähnlichen Gefahren und Auswüchsen auf dem -Gebiete der Lichtelektrizität in Zukunft durch gesetzliche Hemmungen -und Kontrollen schützen zu müssen meinte, trug man dazu bei, das -Schwergewicht der Starkstromtechnik nach anderen Ländern zu verlegen, -von denen besonders Deutschland, dank der Voraussicht und der Energie -Emil Rathenaus, die Führung auf dem neuen Gebiete übernahm. Die kurze -Krisis von 1891/92 berührte natürlich auch die Elektrizitätsindustrie, -aber sie hinterließ keine tieferen Spuren. Die Entwickelungskräfte, -von denen die Industrie damals getrieben wurde, der Zentralenbau, -der Straßenbahnbau und die Anfänge der Kraftübertragung, waren -noch frisch, und zeigten bislang keine Spuren von Erschöpfung. Das -Unternehmergeschäft war noch nicht allzusehr umstritten, und überhaupt -die Konkurrenz in der Elektrizitätsindustrie noch verhältnismäßig -gering, die Expansionsfreiheit bei großen Unternehmungen wie bei -Siemens & Halske und der A. E. G. beschränkt und durch Verträge -gehindert. Diese Verhältnisse hatten sich in dem folgenden Jahrzehnt -gründlich verändert. Die großen Erfindungen und Entwickelungsprobleme -der achtziger Jahre hatten einen starken und zahlreichen Wettbewerb -auf den Plan gelockt, der sich fast ganz frei betätigen und -ausbreiten konnte, denn die Dynamomaschine und die Glühlampe, die -technischen Träger dieser Entwickelung, hatten sich durch Patente -nicht monopolisieren lassen. Dadurch wurden diese Erfindungen und die -ihnen innewohnenden industriellen Möglichkeiten sehr schnell aus- und -abgenützt, alle der Anwendung zugänglichen Objekte in kurzer Zeit -herausgesucht und bearbeitet und zwar unter Bedingungen, die mit dem -zunehmenden Wettbewerb sich für die Industrie verschlechterten. Die -Zeit von 1890 bis 1900 war eine Periode der schnellen, umfassenden -und gründlichen Durchführung, Verbesserung und Ausbildung früherer -Erfindungen, keine Periode neuer schöpferischer und befruchtender -Gedanken, eine Periode der Industrialisierung, keine der technischen -Grundlegung. Der Zentralenbau hatte noch nicht den großen Schritt zur -Überlandzentrale und erst recht noch nicht den größeren zu der Montan- -oder Wasserkraftzentrale mit weiterem Fernübertragungsradius getan. Der -Lichtelektrizität erstand in der scheinbar schon stark zurückgedrängten -+Gastechnik+ ein alter, aber verjüngter Wettbewerber wieder, der -mit Zähigkeit, Geschick und Glück dem elektrischen Eindringling die -Spitze zu bieten, ja ihn zurückzuschlagen suchte. Das Gasglühlicht, -die geniale Erfindung Auer v. Welsbachs, mit seinem großen technischen -und ökonomischen Fortschritt gegenüber der alten Gaslampe nahm -den Kampf gegen die stagnierende Technik der Kohlenfadenlampe auf. -In der Mitte der neunziger Jahre war es, als die damals gegründete -+Deutsche Gasglühlicht-Akt.-Ges.+ (+Auer-Gesellschaft+) -Dividenden von 100 und 130% ausschüttete und das märchenhafte Phantom -am deutschen Börsenhimmel wurde, bis die Krisis auch diesen Kometen -vorerst wieder verdunkelte. Jene Konstruktion hatte gleichfalls dem -Versuch, sie in die Fesseln des Patentes zu schlagen, gespottet. Die -Patentfreiheit hatte das Monopol der Auer-Gesellschaft zwar vernichtet, -die Konkurrenz des Gasglühlichts gegenüber dem elektrischen Glühlicht -aber wesentlich gesteigert. Später bedeutete das hängende Gasglühlicht -einen weiteren bedeutenden Fortschritt an Lichthelle, Lichtschönheit -und Gasersparnis. Selbst das an die elektrische Bogenlampe verlorene -Terrain suchte die Gaslampe durch neue gelungene Konstruktionen -wiederzuerobern. Demgegenüber gelang der Lichtelektrizität in dieser -Zeit kein ganz großer Wurf. Die elektrische Metallfadenlampe, mit der -Auer v. Welsbach seiner Deutschen Gasglühlicht-Ges. die durch die -Überproduktion im Gasglühlichtgebiete erschütterte Sonderstellung -wiederzugeben versuchte, war noch nicht auf dem Plan erschienen; die -Nernstlampe, so ingeniös ihre Idee auch war und so enormen Aufwand an -Kapital und Arbeit in der Konstruktion und Propaganda die A. E. G. -ihr auch widmete, blieb eine Sonderlichtquelle von schönem, reichem -und stromsparendem Licht. Sie bedeutete für gewisse Zwecke einen -beachtenswerten Fortschritt, es fehlte ihr aber doch das Zündende und -Einfache, das sie zu einem Massenbeleuchtungsartikel hätte machen -können. Der Optimismus Emil Rathenaus sollte sich diesmal nicht ganz -als gerechtfertigt erweisen. „Wiederum stehen wir,“ so hatte Rathenau -in der Generalversammlung der A. E. G. vom November 1899 prophezeit, -„wie damals in Paris an der Wiege einer neuen Beleuchtungsart.“ -Gerade aber das, was Rathenau von der Erfindung der elektrolytischen -Beleuchtungskörper erwartet hatte, daß „das elektrische Licht mit -ihr nicht länger seinen Triumphzug auf Paläste und vornehme Häuser -beschränken würde, sondern vielmehr in die Hütten und Werkstätten -Minderbemittelter eindringen und den Wettbewerb mit untergeordneten -Beleuchtungsmitteln auch ökonomisch bestehen würde,“ hat sich mit -der Nernstlampe noch nicht erfüllt. Diese Aufgabe wurde erst mit der -Metallfadenlampe gelöst. -- Auch auf dem Gebiet der elektrischen -Bahnen schien ein Stillstand einzutreten. Im +Strassenbahnbau+ -mußte sich der Kreis der +möglichen+ Aufträge mit ihrer Erledigung -allmählich erschöpfen, und je stürmischer die Elektrifizierung der -Straßenbahnen in der vorangegangenen Periode vor sich gegangen war, -desto stärker war der Abfall in der Beschäftigung, nachdem der größte -Teil der lokalen Pferdebahnen in den elektrischen Betrieb überführt -war. Dieser Geschäftszweig schrumpfte zusammen und stellte bald kein -ergiebiges Tätigkeitsfeld mehr für eine so umfangreich gewordene -Industrie wie die elektrische dar. Was jetzt noch an Aufträgen -einging, setzte sich aus der Nachlese der Straßenbahnbau-Tätigkeit -und dem im Verhältnis zu den großen Fabrikationsanlagen der Werke -geringen Reparatur- und Ergänzungsgeschäft zusammen. Der Bau von -+Untergrundbahnen+ wollte noch nicht so recht vorwärts schreiten, -und die Unternehmung im Reiche hielt es für richtig, fürs erste einmal -die Erfahrungen abzuwarten, die man mit der Elektrischen Hoch- und -Untergrundbahn in Berlin machen würde. Vollends die +Elektrifizierung -der Vollbahnen+, die von den Elektrizitätsfachleuten, voran Emil -Rathenau, als das große, ertragreiche Zukunftsgebiet bezeichnet wurde, -stieß auf schwer zu überwindende Hemmungen. Die Staatsbahnverwaltungen, -die über die ökonomische Frage, und die militärischen Behörden, -die über die Betriebssicherheit im Kriege recht skeptisch dachten, -standen den großen, stürmisch geäußerten Plänen der Industrie sehr -zurückhaltend gegenüber, und waren nur für eine langsame, vorbereitende -Versuchsarbeit auf kurzen Strecken zu gewinnen. Alles, was in dieser -Epoche auf elektrischem Gebiet geleistet wurde, war somit -- oft sehr -wertvolle und verdienstliche -- Kleinarbeit, bot aber keine großen, -in die Zukunft weisenden, die Phantasie und das Kapital anregenden -Ausblicke. Der bisher stürmisch dahinsausende Wagen der Entwickelung -verlangsamte seinen Lauf, es traten Reibungen und Hemmungen auf und der -Schwung drohte verloren zu gehen. - -Als letztes, die Krisis auslösendes und verschärfendes Moment traten -die +Auswüchse des Unternehmergeschäfts+ hinzu, das von einer -Rathenauschen Spezialität zu einer allgemeinen Übung der Industrie -geworden war, ohne aber in dieser allgemeinen Anwendung die Solidität, -Sicherheit und Rückendeckung zu besitzen, die ihr der Erfinder und -Meister für seinen Sonderfall gegeben hatte. Eine Zeitlang hatte -dieses Unternehmergeschäft der Industrie verstärktes Leben einhauchen -können, gerade diese künstliche Belebung des Pulsschlages mußte aber -umso früher zu einer Erschöpfung und Erschlaffung führen. Die Fabriken -waren, wie die A. E. G. es in ihrem Geschäftsbericht ausgedrückt hatte, -auf Grund von Aufträgen, die aus Lieferungen für eigene Unternehmungen -stammten, und darum nur einmalige waren, ungerechtfertigt erweitert -worden. Von dieser falschen Einschätzung des Verhältnisses zwischen -Unternehmer- und Fabrikationsgeschäft hatte sich sogar die A. E. G. -nicht ganz freihalten können; die meisten übrigen Gesellschaften der -elektrotechnischen Industrie hatten ihre ganze Schwerkraft darauf -eingestellt. - -Rathenaus System war zwar in seinen Äußerlichkeiten nachgeahmt, aber -nicht in seinem organischen Wesen begriffen und übernommen worden. -Was Emil Rathenau in jahrelanger geduldiger Arbeit Stein auf Stein -setzend, vom Kleineren zum Größeren schreitend, keinen Schritt tuend, -ohne den vorigen gesichert und gefestigt zu haben, aufgebaut hatte, -sollte von den anderen in der raschen Arbeit weniger Jahre zu gleicher -Höhe geführt werden. Der industrielle Baugedanke, der bei Rathenau -die Hauptsache gebildet hatte, aus dessen Durchführung erst alle -anderen gefolgt, die Auftragsgewinne, die Effektengewinne usw. als -Früchte langsam gereift waren, trat bei den anderen mehr und mehr in -den Hintergrund. Sie bauten ihre Unternehmungen nicht so selbstlos -wie möglich, damit sie als dauernde Rentenquellen ihren späteren, -dann aber endgültigen Wert erhielten, sondern sie suchten sich schon -an der Ausführung zu bereichern. Sie hielten die Effekten nicht -vorsichtig zurück, bis sie wirklich emissionsreif geworden waren, -sondern wollten den Emissions- und Finanzgewinn schnell pflücken. Die -Banken, die ihnen nahestanden, drängten zu häufigen und schnellen -Transaktionen, bei denen auch die Finanzinstitute umsetzen und -verdienen konnten. Sie machten sich so zu den Herren der Finanzpolitik, -während sie bei Rathenau stets die Diener geblieben waren. Das -Mißverhältnis der Finanzkapitalien zu den Industriekapitalien, -das wir bei einigen der jüngeren Gesellschaften oben festgestellt -haben, ist charakteristisch für die falsche Anwendung der Methode -Rathenau. So gelangen den Nachahmern zwar vielleicht am Anfang einige -Transaktionen -- wenigstens scheinbar. Die schlechten Erfahrungen, -die das Kapitalistenpublikum aber schließlich mit der Mehrzahl der -erworbenen Werte machte, diskreditierte bald ihren Emissionskredit und -den der Elektrizitätsindustrie überhaupt. Denn es ist verständlich, -daß für die zu Tage getretenen Enttäuschungen und Auswüchse nicht -die falsche Anwendung des Systems Rathenau, sondern das System -an sich verantwortlich gemacht wurde. Gerade in Hausseperioden -wie in Krisenzeiten unterscheidet und sichtet das Publikum nicht -ruhig und unbefangen, sondern es ist geneigt, zu verallgemeinern, -statt zu unterscheiden. Der Rausch wie der Katzenjammer führen zu -stimmungsmäßigem, nicht zu kritischem Urteil. - -Auch hier wieder machte die Firma Siemens & Halske eine rühmliche -Ausnahme. Das Finanzierungssystem, das auch sie schließlich gezwungen -war anzunehmen, hat sie nicht leichtfertig gehandhabt. Daran hinderte -sie die anerzogene Gründlichkeit und Ehrlichkeit ihrer industriellen -Methoden. Aber die Tatsache, daß sie sich erst verhältnismäßig -spät entschloß, Rathenau auf den von ihm eingeschlagenen Wegen zu -folgen, hat es ihr nicht gestattet, den Vorsprung des Rivalen, wenn -er auch vielleicht nur 3-4 Jahre alt war, einzuholen. Das zeigt die -Rentabilität ihrer Finanzgesellschaften deutlich. Die „Schweizerische -Gesellschaft für elektrische Industrie“, die das Siemens & Halskesche -Gegenstück zu der Rathenauschen Bank für elektrische Unternehmungen -bildete, hat nur eine Rente von durchschnittlich 6% erreicht gegenüber -einer solchen von 12% der Elektrobank. -- Die „Elektrische Licht- -und Kraftanlagen-Gesellschaft“, die denselben Zwecken diente wie die -Elektrizitätslieferungsgesellschaft der A. E. G., zahlte, nachdem -sie lange Zeit nur eine bescheidene Rente von durchschnittlich -5% erbracht hatte, in den letzten Friedensjahren 7% gegen 10 -und 12% der Elektrizitätslieferungsgesellschaft. Ein ähnliches -bescheidenes Erträgnis haben auch die Siemenssche „Akt.-Ges. für -Elektrizitätsanlagen“ und die „Siemens Elektrische Betriebe Akt. Ges.“ -bisher nicht überschritten. - - - - -Zwölftes Kapitel - -Konzentration - - -Jede große Krisis in der Wirtschaftsgeschichte hat neben dem -allgemeinen Gesetz der Ebbe und Flut, des aus der Überspannung -geborenen Rückschlages, noch irgendeinen bestimmten Sondercharakter -und somit besondere Ursachen und Folgen, die sie von ihren Schwestern -unterscheiden. D. h. nicht im innersten, wesenhaften Kern und -auch nicht so sehr in der Art und Zahl der äußeren Merkmale oder -Ausstrahlungen sind die Krisen voneinander verschieden, sondern -in dem größeren oder geringeren Nachdruck, mit dem sie gewisse -wirtschaftliche Adern und Schichten treffen, in der Stärke, mit -der sie aus ihnen gespeist werden und in der Intensität, mit der -solche Schichten von ihnen umgelagert werden. Fast alle Krisen -weisen ungefähr dieselben Symptome auf, aber in der einen ist dieses -Hauptsymptom stärker ausgeprägt, in der anderen jenes, während die -Symptome zweiten Ranges nur eine mitschwingende, schwächer nuancierte -Bedeutung haben. Diese Differenzierung und Unterscheidung äußert sich -in den Ursachen, Ausdruckserscheinungen und Folgen der einzelnen -Krisen. Gewisse Krisen entstehen hauptsächlich durch die Erfindung -neuer revolutionierender Techniken oder durch die Schaffung neuer -wirtschaftsverändernder Wettbewerbs- und Transportmittel. Andere -haben ihren Grund in geldlichen Bewegungen, in monetären Umwälzungen, -Häufungen oder Verknappungen von Zahlmitteln, sei es aus Metall -oder Papier, die die Kaufkraft des Geldes nach oben oder nach unten -von ihrem normalen Stande entfernen. Manche Krisen wieder entstehen -durch den Wechsel wirtschaftspolitischer Systeme (Freihandel oder -Schutzzoll), die gewisse Wirtschaftsformen in ihren Bedingungen -begünstigen, andere wiederum benachteiligen. Auch soziale und -politische Veränderungen können Revolutionen wirtschaftlicher Art -zur Folge haben. Den verschiedenen Ursachen entsprechen auch stets -die verschiedenen Äußerungs- und Wirkungserscheinungen der einzelnen -Krisen, und jede von ihnen weist sozusagen die Gegenbilder des -vorausgegangenen Aufschwungs und namentlich des ihm fast stets auf -dem Fuße folgenden Überschwangs auf. Frühere Krisen hatten ihre -Ursachen in der Entdeckung neuer großer Gold- oder Silberläger, in -der Verdrängung von Manufakturen durch Maschinentechniken, in der -Ausweitung der lokalen Absatzkreise zu nationalen oder internationalen -durch die Entwickelung der Eisenbahnen und Dampfschiffe. In diesem -Sinne war ferner die Krisis von 1873 vornehmlich eine durch politische -und damit auch wirtschaftliche Maßstabsvergrößerung hervorgerufene, -sowie durch geldliche Hyperthrophie begünstigte Wertveränderungskrise. -Die von 1881, aus Frankreich stammend, hatte ihre Ursache im Gegenteil -in einer Verkleinerung der Maßstäbe, gegen die sich der französische -Wirtschaftsgeist, dazu bestimmt von der unternehmerischen zur -rentnerischen Hauptfunktion überzugehen, in einer krampfhaften, doch -vergeblichen Aufwallung zu wehren strebte. Die Krise von 1907 hatte -ihren Ursprung in einer wirtschaftspolitischen Umwälzung der Ver. -Staaten von Amerika, die zu einer Hochkonjunktur im dortigen Trustwesen -und zu einer Übergründung innerlich schwach konstruierter Trustgebilde -geführt hatte. Der internationale Güteraustausch und das überseeische -Transportwesen waren denn auch von dieser Krise am schärfsten betroffen -worden. Die Krise von 1913 war hinwiederum wenigstens für Deutschland -eine typische Großstadtkrise, von der die gut konsolidierte Industrie -und die gleichfalls gesunde Landwirtschaft nur oberflächlich berührt -wurden, während der städtische Grundbesitz und seine künstlich -hochgezüchteten Blüten, das Terrain-, Kaufhaus-, Theater- und -Etablissementswesen ihre bis dahin schärfste Erschütterung erlebten. - -Die Krisis von 1901 war dagegen die ausgesprochene +Krise der -Großindustrie+, hervorgerufen durch die starken Wucherungen, -die mit der Expansion der zur Großwirtschaft strebenden Gewerbe -naturnotwendig verbunden waren. Die allenthalben ins Breite dringenden, -in individueller Geschäftspolitik bis dahin ungehemmt entwickelten -Großunternehmungen „stießen sich hart im Raume“, rieben sich aneinander -und verstanden noch nicht, Fühlung miteinander zu nehmen, sich -miteinander zu organisieren, in die Absatzgebiete zu teilen und -gewisse Absatzfunktionen gemeinsam auszuüben. Die +Krisis+ des -+freien, ungezügelten Wettbewerbs+ war gekommen, nachdem die -ihr vorangegangene Epoche zu unerhört raschem Wachstum, aber auch zu -starken Energieverlusten geführt hatte. Die Krisis, die nun folgte, war -das deutlichste Negativ jener Entwickelungsperiode. Sie trug aber auch -bereits das Gegengift in sich, die Keime zur Gesundung und Überwindung, -und diese ergaben sich logisch aus der Natur und der Art der Krankheit. -Überproduktion der zu schnell ausgedehnten Wirtschaftskräfte und -Überflutung der beschränkten heimischen Märkte: das war die Krankheit -gewesen. Planmäßige Eroberung der Auslandsmärkte einerseits, -Konzentration und gegenseitiger Ausgleich der zersplitterten -Industriekräfte andererseits, das waren die angewandten Heilmittel. - -Die Konzentration erfolgte in den verschiedensten Formen, je nachdem -der Charakter, das Entwicklungsstadium und die Vorgeschichte der -verschiedenen Industrien sie forderten oder begünstigten. In den -Gewerben, die Massenfabrikate herstellten, also in der Kohlenindustrie, -in den roheren Stadien der Eisenindustrie, erfolgte der Zusammenschluß -auf dem Wege der +Kartellierung+, d. h. der Vereinigung der -Produzenten zur Regelung und gemeinsamen Erledigung gewisser Teile -ihres Geschäftes unter Aufrechterhaltung der bisherigen freien -Besitzverhältnisse. Die Not der Krisenjahre von 1901/02 war es, die -nach dem bekannten Worte die Kartelle der Montanindustrie teils erst -schuf, teils festigte und dauerhaft ausbaute. Daneben trat aber auch -bereits das +Konzentrationsprinzip+ der +Verschmelzung+, -der Zusammenfassung mehrerer sich ergänzender Betriebe sowohl der -Breite als auch der Tiefe nach als generelle Tendenz oder auch -als Mode stärker hervor. Das große und gemischte Montanwerk, das -vorher in einer Reihe von Unternehmungen, so bei Krupp, dem Bochumer -Verein usw. als Einzelerscheinung schon verwirklicht worden war, -begann sich zum Typus in der Montanindustrie auszugestalten. Wo -Zusammenballungstendenzen verwirklicht wurden, drängten sie zum großen -und gemischten Werk, das alle Stufen der Produktion vom untersten -Rohstoff bis zum verfeinertsten Fertigfabrikat umfaßte und in dieser -Vertiefung des Produktionsprozesses und in der Unabhängigmachung von -allen Märkten außer dem letzten Markte der fertigen Verbrauchsartikel -das Ideal des für den Produzenten höchsten und für den Konsumenten -geringsten Unternehmergewinns suchte. Das kleine und reine Werk, -das sich außerhalb dieser Produktionsordnung zu halten versuchte, -wurde konkurrenzunfähig. Einmal, weil die gemischten Werke sich -ihre Rohstoffe billiger zu beschaffen, ihre Selbstkosten durch -Großfabrikation zu ermäßigen und darum die Verkaufspreise niedriger zu -stellen vermochten, zweitens weil die großen gemischten Werke bald die -Verbände in den Stufenfabrikaten beherrschten, denen sie gemeinsam mit -den reinen Werken, -- zum Teil ihren eigenen Abnehmern -- angehörten -und deren Preisbildung sie zu ungunsten der reinen Werke regeln -konnten. Das Trustsystem benutzten sie also dazu, um sich die eigenen -Rohstoffe zu verbilligen, das Kartellsystem u. a. dazu, um sie ihrer -Konkurrenz zu verteuern. - -In anderen Industrien hatten sich die Vertrustungs- und -Verschmelzungstendenzen noch reiner ausgeprägt als in der -Montanindustrie, die sowohl Massenartikel als auch individuelle -Produkte umfaßte und in deren Konzentration sich infolgedessen -das System der Kartellierung mit dem der Vertrustung vermengte. -Reine Vertrustungs-Konzentration fand in der großen chemischen -Farbenindustrie statt, +reine Vertrustungs-Konzentration+ war -auch der +Weg der Elektrizitäts-Industrie+. Umfassende und -vielfältige Gestaltung der Produktion, weitgehende Selbstbedarfsdeckung -und Selbstabsatzwirtschaft waren hier unter Führung der Großkonzerne -schon lange vor der Krisis wenigstens von einem Teil der Industrie -angestrebt und erreicht worden. Die Krisis führte alsdann eine -Ergänzung und Verstärkung dieser Vertrustungsbewegung dadurch herbei, -daß eine Reihe der vorher selbständig entwickelten Konzerne miteinander -verschmolzen wurde. Vor der Krise war das Konzentrationsprinzip in -einer Zusammenfassung von Spezialbetrieben zu Gemischtbetrieben zum -Ausdruck gekommen, nachher wirkte es sich in der Zusammenfassung -mehrerer Gemischtbetriebe zu Kolossalbetrieben aus. Wir haben -bei der Schilderung der Einwirkungen, die die Krisis auf die -einzelnen Unternehmungen ausübte, bereits gesehen, daß eine Reihe -von Unternehmungen der Elektrizitätsindustrie schwach, unfähig zur -selbständigen, wettbewerbsfähigen Weiterexistenz, -- wie man zu sagen -pflegt -- fusionsreif wurde. Sie hatten aber -- wenn auch nicht -mehr mit eigener Zentrilfugalkraft ausgestattet -- zum Teil genug -an technischen Werten, Kundschaft und Beteiligungsbesitz in sich, -daß ihre Angliederung einem oder dem anderen der großen Konzerne -verlockend erscheinen mußte. Konnten diese doch so ihr Machtgebiet -erweitern und -- was vielleicht manchmal noch entscheidender für -sie war -- eine Erweiterung des Machtgebietes der Konkurrenz -verhindern. Der Faktor des +Dualismus+, der seit jener Krisis -die Entwickelung der Elektrizitätsindustrie zu beherrschen begann, -also die Existenz und der Gegensatz von zwei stark, ausdehnungs- -und kristallisationsfähig gebliebenen Gruppen, der A. E. G. und der -Siemens & Halske-Ges., hat die Konzentrationsbewegung wenn auch -nicht veranlaßt, so doch sehr gefördert und beschleunigt. Es ist -seither für die Verschmelzungsbewegung in der Elektrizitätsindustrie -charakteristisch geworden, daß immer, wenn der eine der beiden Konzerne -eine größere Angliederung vornahm, bald auch der andere zu einer -ähnlichen Erweiterung schritt, um das Gleichgewicht in der Machtlage -und der Marktbeherrschung wieder herzustellen. Der Übernahme der -„Union“-Elektrizitätsgesellschaft durch die A. E. G. folgte sofort die -Aufnahme der Schuckert-Ges. durch Siemens & Halske. Die Angliederung -der Lahmeyer-Gesellschaft durch die A. E. G. zog den Anschluß der -Bergmann Elektrizitätswerke an Siemens & Halske nach sich. - -Die Tatsache, daß die Konzentration in der Elektrizitätsindustrie fast -ausschließlich auf dem Wege der Verschmelzung und nicht auf dem der -Kartellierung erfolgte, war aber nicht auf den zufällig oder doch nur -historisch begründeten Umstand zurückzuführen, daß in der Krisis von -1901/02 eine Reihe von Unternehmungen fusionsreif wurde und von den -starkgebliebenen Werken zu niedrigen Preisen und günstigen Bedingungen -(unter geschickter Ausnutzung des eigenen Aktienagios) erworben -werden konnte. Sie beruhte vielmehr auch auf dem natürlichen Umstand, -daß die Elektrizitätsindustrie als Erzeugerin meist komplizierter, -individueller Produkte sich für die Gleichmacherei einer Kartellierung -im allgemeinen nicht eignete. Für die Spezialgebiete, auf denen die -Elektrizitätsindustrie Massenartikel erzeugte, also hauptsächlich -auf dem Gebiete der Glühlampen- und Kabelerzeugung sind sehr wohl -Preis- und Kontingentierungssyndikate zustande gekommen, die nicht nur -die gemischten Konzerne, sondern auch Spezialfabriken umfaßten. Im -Geschäftsbericht des Jahres 1902/03 der A. E. G. werden die Gründe -für den Vertrustungscharakter der Elektrizitätskonzentration in ganz -ähnlicher Weise geschildert. Es heißt da: - - „Die bisher zumeist bekannten und betretenen Wege industrieller - Konsolidierung, Bildung von Kartellen, Syndikaten und - Verkaufsvereinigungen, sind für die Elektrotechniker aus zwei - Gründen schwerer gangbar: Einmal, weil die Fabrikation in zahllose - Gattungen von Erzeugnissen verschiedenster Konstruktion und - Bewertung sich spaltet, sodann, weil nicht Zwischenprodukte, - sondern für den Einzelkonsum bestimmte Endprodukte hergestellt - werden, und nicht der weiterverarbeitende Fabrikant, sondern - der Verbraucher selbst in der Hauptsache die Kundschaft unserer - Industrie bildet. Das kaufende Publikum aber wünscht nicht auf die - Auswahl konkurrierender Produkte zu verzichten und entschließt sich - ungern, von einer monopolisierenden Organisation seinen Bedarf zu - beziehen. - - Unsere Unternehmungen sind daher darauf angewiesen, - organisatorische Ersparnis durch gruppenweise Zusammenfassung - anzustreben, und die bisher dutzendfach geleistete - Projektierungsarbeit, Propaganda und Verkaufstätigkeit auf eine - drei- oder vierfache zu beschränken. Daß daneben allgemeine - Verständigungen über Auswahl der Typen, Auslandsgeschäfte, - allgemein geschäftliches Vorgehen und mannigfache Einzelgebiete - durch Zusammenschlüsse dieser Art erleichtert werden, liegt auf der - Hand. - - Auch sind Syndizierungen solcher Produkte keineswegs - ausgeschlossen, bei denen die individuelle Nüanzierung wenig - bedeutet, und bei denen geringe Korrekturen der Verkaufspreise über - Gewinn und Verlust bei der Fabrikation entscheiden. Dies zeigt das - Zustandekommen der Verkaufsstelle Vereinigter Glühlampenfabriken.“ - -Anfangs hatte es den Anschein, als ob die A. E. G. schnell und -energisch die Führung bei der Konzentrationsbewegung in die Hand -nehmen würde, die sie theoretisch bereits in verschiedenen offiziellen -Auslassungen als notwendig bezeichnet hatte. Doch stellten sich der -Verwirklichung dieser Theorie manche inneren und äußeren Hindernisse -entgegen. Bereits im Jahre 1897 wurde zwischen der A. E. G. und -der Löweschen „Union-Elektrizitäts-Gesellschaft“ über eine Fusion -verhandelt. Das Projekt zerschlug sich an dem hohen Preise, den die -Union damals noch fordern zu können glaubte und Rathenau schritt -unter Verzicht auf die Angliederung zu einer Erweiterung seiner -eigenen Werke unter Erhöhung des Aktienkapitals. Auch mit Schuckert -in Nürnberg wurden im Jahre 1901, also bereits nach Ausbruch der -Krisis Verhandlungen eingeleitet, die damals noch in dem Bestreben -gipfelten, die allmählich unhaltbar gewordenen Wettbewerbsverhältnisse -in der Industrie zu erleichtern und sozusagen sanierend zu wirken. -Diese Verhandlungen wurden aber zu jener Zeit mehr grundsätzlich -und dilatorisch als auf konkret-geschäftlicher Grundlage geführt. -Schuckert war damals schon wankend geworden, aber der Tag seines -Zusammenbruchs war noch nicht gekommen. In der Generalversammlung vom -5. Dezember 1901 interpellierte ein Aktionär die Verwaltung der A. -E. G. über die bekanntgewordenen Gerüchte hinsichtlich einer Fusion -mit der Nürnberger Gesellschaft. Emil Rathenau gab die Tatsache -der Verhandlungen zu, stellte aber eine nahe Entscheidung nicht in -Aussicht. Es sei erklärlich, so legte er dar, daß sich Verwaltungen -zweier Konkurrenzunternehmungen in Zeiten der Krisis miteinander -über die Marktlage aussprachen und Erwägungen anstellten, in welcher -Weise sie sich durch engeren Anschluß ergänzen könnten. Ein festes -Programm oder andere Ergebnisse als eine persönliche Annäherung -der Verwaltungen hätten die jüngsten Verhandlungen, die von beiden -Seiten ohne Leidenschaft (und wohl auch ohne sonderlichen Eifer) -geführt wurden, bisher nicht gezeigt. Es ließe sich auch nicht -übersehen, ob ein Resultat erzielt werden würde. Unmöglich könne -man eine derartige Transaktion in wenigen Tagen zu Ende bringen. -- -Wer die Naturgeschichte wirklich aussichtsreicher und ernsthafter -Transaktionen kennt, sieht sofort, daß hier nicht der Boden und -die Atmosphäre vorhanden waren, in denen Entschlüsse wachsen. Die -öffentliche Behandlung so heikeler Verhandlungen ertötet ihre -Entwickelungsfähigkeit und die Realität ihrer Aussichten, zumal wenn -ein kalter akademischer Hauch durch derartige Erörterungen geht. -Rathenau, der kühne und unabhängige Rechengeist, dem das Urteil -der kompakten Majoritäten sonst immer so gleichgültig gewesen ist, -scheint mitten in der Krisis, aus der er den Ausweg noch nicht -sieht, etwas unschlüssig und unsicher. Seine eigene Schöpfung ist -gut konsolidiert, durch jahrzehntelange Auspolsterung mit inneren -und äußeren Reserven so geschützt, wie Vorsicht und Voraussicht nur -schützen können, und dennoch leidet sie unter den schlechten Zeiten, -muß sie sich vor neuen Geschäften hüten. Soll sie sich mit einer -so großen und mangelhaft organisierten Masse belasten, wie es die -Schuckertgesellschaft ist? -- Rathenau tut auch jetzt noch, als wenn -er Aktionäre und Kapitalistenpublikum verachte und Außenstimmen keinen -Einfluß auf das innere Rädergetriebe seiner Gesellschaft einräume: -„Weder Anfeuerungen, noch Furcht, Enttäuschungen hervorzurufen, -werden uns bestimmen, auf einen voreiligen Abschluß der Verhandlungen -hinzuwirken,“ ruft er trotzig aus, der Spekulation zugewandt, die -offenbar die Ungewißheit über den Ausgang der Verhandlungen ausgenutzt -hat und nunmehr ungeduldig und unsicher hinsichtlich der Früchte ihrer -Manipulationen geworden ist. Aber trotz dieser zur Schau getragenen -Gleichgültigkeit gibt es damals doch anscheinend für Rathenau einen -außenstehenden Faktor, von dem er sich abhängig fühlt, von dem er -nicht genau weiß, ob er sich günstig oder ungünstig zu der Transaktion -stellen wird: den Kapitalmarkt, der -- wie er instinktiv fühlt -- -Anlagen in Elektrizitätsunternehmungen nach den gemachten schlechten -Erfahrungen noch mißtrauisch gegenübersteht. „Das Publikum ist mit -Recht weittragenden Kombinationen gegenüber skeptisch geworden -und wir teilen diese Skepsis.“ Daß es nicht innerste industrielle -Überzeugung ist, die ihn hemmt, sondern augenblickliche finanzielle -Unsicherheit, geht wieder aus dem prinzipiellen Bekenntnis zur -Konzentrationspolitik hervor, das er den negativen Sätzen sofort folgen -läßt: „Daß die materiellen Voraussetzungen für lohnende Geschäfte auf -dem Gebiet der Verständigung liegen, ist nicht zweifelhaft.“ -- Er -schildert die Ersparnisse im Laboratorium, bei den Arbeiten auf dem -Erfindungsgebiete, bei den Versuchsarbeiten, bei der Propaganda, die -auf dem Wege der Konzentration zu finden waren. „Eine solche Teilung -der Arbeit könnte auch eine Mehrheit von Fabrikationsunternehmungen -umfassen,“ sagt er, und deutet damit an, daß nicht nur an -Interessengemeinschaft, sondern an völlige Fusion gedacht wird. Den -in der Öffentlichkeit im Anschluß an die Konzentrationstendenzen in -der Elektrizitätsindustrie schon damals von Theoretikern geäußerten -Befürchtungen, daß diese Tendenzen zu einem Elektrizitätsmonopol -führen könnten, tritt er beruhigend entgegen. „Die Grenzen werden -uns gezogen durch die Notwendigkeit, den Wettbewerb zu erhalten, der -für den technischen Fortschritt ebenso unentbehrlich ist, wie für -die Verhinderung einer Monopolwirtschaft.“ -- Die Aktionäre werden -aus alledem nicht recht klug geworden sein. Ein halbes Ja, dem ein -halbes Nein folgt. Das Resumée ist mehr auf Nein gestimmt. „Weder -Expansionslust noch Waghalsigkeit werden bestimmend sein. -- Es ist -nicht beabsichtigt, für irgendwelche Kombinationen jetzt neue Mittel -zu investieren, noch die Liquidität und die Kreditfähigkeit der A. E. -G. zu beeinflussen.“ Der tiefblickende Bilanzkenner Rathenau witterte -wohl, daß bei Schuckert der Boden des Fasses mit dem schlechten -Abschluß für das Jahr 1900/01 noch nicht erreicht sei und er sollte -recht behalten. In der nächsten Generalversammlung am 2. Dezember 1902, -als sich das Schicksal von Schuckert bereits erfüllt hat, erlebte er -die Genugtuung, daß ein Aktionär -- anscheinend derselbe, der ihn -in der vorigen Generalversammlung wegen des langsamen Fortgangs der -Verhandlungen mit der Nürnberger Gesellschaft befragte -- seiner -Freude darüber Ausdruck gab, daß aus der Fusion nichts geworden sei. -Die Freude teilten nicht alle Kenner und nicht alle Getreuen im Hause -der A. E. G. In einer dreiwöchentlichen eingehenden Prüfung, die -Vertrauensmänner der A. E. G., besonders Walther Rathenau und Deutsch -an Ort und Stelle in Nürnberg vorgenommen hatten, waren einige zu der -Überzeugung gelangt, daß diese Fusion trotz alledem zweckmäßig und -erstrebenswert sei. Sie meinten, daß die Schuckertschen Fabrikbetriebe -und auch die Beteiligungen soviel Wertvolles enthielten, daß ihre -Erwerbung in jedem Falle eine außerordentliche Bereicherung des A. -E. G.-Konzerns, nicht nur einen Zuwachs an Umfang, sondern auch -an Qualität darstellen würde. Es käme nur auf die Bedingungen der -Übernahme an. Ließen sie sich annehmbar gestalten, so sei das Geschäft -zu machen, schon wegen der Gewinnung der wichtigen Stützpunkte in -Süddeutschland, über die Schuckert verfügte. Man müßte 25 Millionen -Mark in die Nürnberger Unternehmungen stecken, um sie auf die Höhe -zu bringen. Allerdings könnte man eine solche Summe den bisherigen -Leuten der Schuckert-Ges. nicht ohne weiteres anvertrauen, sondern es -müßten erste A. E. G.-Leute für die Dauer nach Nürnberg gesetzt werden. -Emil Rathenau scheint in jenen Zeiten unter einer Art Depression, -einer Erschlaffung der Willens- und Entschlußkräfte gestanden zu -haben, die ihm nicht gestattete, selbst das entscheidende Wort zu -sprechen, wie er es in früheren Fällen, so beim Rückerwerb der B. E. -W. und bei der Übernahme der Elektrobank ohne Zaudern, mit durchaus -sicherem inneren Gefühl getan hatte, unbekümmert um die Bedenklichkeit -und Gefährlichkeit der Lage, die auch bei jenen Transaktionen in -den äußeren Verhältnissen vorhanden gewesen war. Die Kraft der -Initiative war ihm zeitweilig verloren gegangen, wie schon in der -bereits erwähnten Generalversammlung vom 5. Dezember 1901 zu erkennen -gewesen war, in der er auf einen Angriff aus Aktionärkreisen, der -sich gelegentlich der Einstellung seiner beiden Söhne in den Vorstand -gegen die Aufrichtung einer „Dynastie Rathenau“ gerichtet hatte, die -Erklärung abgab: Er müsse seine Nachfolge vorbereiten, denn er selbst -gedenke sich in absehbarer Zeit von der Leitung der Gesellschaft -zurückzuziehen, allerdings gehe es gegen sein Gefühl, der A. E. G. -in der Zeit der Krisis den Rücken zu kehren. Das werde er erst tun, -wenn für das Unternehmen wieder eine Zeit des Aufschwungs gekommen -sei. Und was er sonst nie getan hatte, weder vorher noch nachher, -tat er im Falle der Schuckert-Fusion. Er überließ, in einem Anfall -von Unentschlossenheit, der seinem Charakter -- wie wir ja wissen -- -gelegentlich nicht fremd war, die Entscheidung dem Direktorium. Er -beschloß, sich der Majorität seiner Kollegen zu fügen. Gründe und -Gegengründe drangen damals bis in die Öffentlichkeit. In einem offenbar -von +einer+ Verwaltungsseite inspirierten Artikel, der Anfang 1902 -seinen Weg in die Presse fand, wurden die Vorteile der Angliederung -breit ausgemalt. Es hieß darin: - - „Die Herstellungskosten des fertigen Fabrikates werden - erfahrungsgemäß durch die Preise für die Rohmaterialien und durch - die Arbeitslöhne wenig beeinflußt, (?) es kommt außerdem hinzu, - daß, wenn diese beiden Summanden fallen, alle Fabrikanten ziemlich - denselben Nutzen davon haben. Die Preise der fertigen Fabrikate - geben dann ganz allgemein nach und für eine einzelne Fabrik kann - beim Verkauf ein ins Gewicht fallender Nutzen hierdurch nicht - erzielt werden. Es bleiben somit allein die +Generalunkosten+ - übrig, durch deren Reduzierung Ersparnisse erzielt werden können, - und der Zweck der Fusion A. E. G.-Schuckert ist in der Tat - der, die beiderseitige Fabrikation durch ein Zusammenarbeiten - zu verbilligen, dadurch, daß sich die Generalunkosten beider - Gesellschaften, welche teils durch die eigentliche Fabrikation, - teils durch den Verkauf der fertigen Fabrikate entstehen, sich - ermäßigen. - - Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Zweck durch die Fusion - erreicht werden würde, und es ist auch leicht einzusehen, daß damit - ein +Vorsprung+ erreicht wird, welcher von anderen Firmen nicht - leicht hinfällig gemacht werden kann. Augenblicklich, so kann man - sagen, halten sich die Unkosten aller großen Fabriken so ziemlich - das Gleichgewicht, der Nutzen, den die Fabrikation abwirft, ist - gleich schlecht. -- Wenn nun zwei Gesellschaften imstande sind, den - wesentlichsten Faktor, der im Selbstkostenpreis seinen Ausdruck - findet, herabzumindern, so müssen die anderen Fabriken erst Mittel - und Wege finden und suchen, um das Gleiche zu erreichen, bevor das - Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Früher oder später tritt das - natürlich ein, und von dann an wird ein weiteres Fallen der Preise - wieder allmählich beginnen, bis wieder weitere Ersparnisse, um die - Fabrikation rentabel zu machen, nötig werden.“ - -Ferner enthielt dieser Artikel einen genauen Plan über die Organisation -der Unkostenersparnis und der Arbeitseinteilung, die zwischen den -beiden Fabrikationsstätten in Berlin und Nürnberg vorgenommen werden -sollte. -- Trotz aller Propaganda für den Plan überwog im Kollegium -schließlich die Abneigung. -- Es wurde zwar noch ein Versuch gemacht, -wenigstens den Beteiligungsbesitz der Schuckert-Gesellschaft, an -dem der A. E. G. anscheinend am meisten gelegen war, unter deren -Einfluß zu bringen. Nachdem die umfassende Interessenvereinigung -nicht zustande gekommen war, wurden zwischen dem Finanzkonsortium -der A. E. G. und der Schuckert-Gesellschaft bezw. der Continentalen -Gesellschaft für elektrische Unternehmungen, der Finanzgesellschaft -Schuckerts, Verhandlungen eingeleitet mit dem Ziele, daß das genannte -Konsortium der Schuckert-Gruppe einen Vorschuß von 7½ Millionen Mark -gewähren solle. Als Unterpfand für das Darlehen sollten die im Besitz -der „Continentalen“ befindlichen Effekten dienen, die das Berliner -Konsortium möglichst günstig verwerten und aus denen das Darlehen -allmählich abgetragen werden sollte. -- Auch diese Verhandlungen, -die wochenlang hin und her gingen, wurden schließlich ohne Resultat -abgebrochen; damit war die Annäherung zwischen der A. E. G. und -Schuckert endgültig gescheitert. -- Später kam bekanntlich zwischen -der Siemens & Halske-Gesellschaft und Schuckert ein Abkommen zustande, -wonach die beiderseitigen Starkstrombetriebe in eine Gesellschaft -mit beschränkter Haftung, die +Siemens-Schuckert-Werke+, -eingebracht wurden. Von deren 90 Millionen Mark betragenden -Stammanteilen übernahmen Siemens & Halske 45050000 Mark, die -Elektrizitätsgesellschaft Schuckert 44950000 Mark. Die Gründung dieser -Gesellschaft erfolgte im März 1903, also ein Jahr nach dem Scheitern -der Verhandlungen mit der A. E. G. Sie richtete die zusammengebrochene -Schuckert-Gesellschaft wieder empor, indem sie ihr die meisten -Fabrikbetriebe abnahm. Das Schwachstromgeschäft, die Beteiligungen, auf -die doch bei den Verhandlungen mit der A. E. G. von dieser gerade der -Hauptwert gelegt worden war, und die Finanzierungsaufgaben verblieben -bei den unabhängig erhaltenen Stammgesellschaften. In dieser Form, die -vielleicht etwas umständlich war, aber die Parität sorgfältig wahrte, -haben sich die Siemens-Schuckert-Werke gekräftigt und bald nach der -Überwindung der Krisis eine aufsteigende Entwickelung genommen. - -Ob unter den Gründen, die die Fusionspläne bei der A. E. G. aus -dem Stadium der Grundsätzlichkeit in den Bereich der Aktualität -rückten, das Beispiel eine Rolle gespielt hat, das die Erweiterung -des Machtgebiets der Siemens & Halske-Gesellschaft durch die -Angliederung der Schuckertschen Fabriken gab, oder ob umgekehrt die -A. E. G.-Pläne Siemens & Halske anregten, kann nicht zweifelsfrei -festgestellt werden. Die Transaktion zwischen der A. E. G. und der -Union-Elektrizitätsgesellschaft schwebte zur gleichen Zeit, wie die -zwischen Siemens und Schuckert und sie wurde sogar einige Tage früher -veröffentlicht. Wo die Priorität des ersten inneren Gedankens lag, läßt -sich nicht feststellen; zweifellos waren beiden Parteien die geführten -Fusionsverhandlungen der anderen Gruppe nicht verborgen geblieben, -und sie hatten damit einander beeinflußt und angespornt. Was in jenem -obenerwähnten Zeitungsartikel als ein Vorsprung bezeichnet worden -war, der erst allmählich von der Konkurrenz eingeholt werden müßte, -hatte sich blitzschnell in der Taktik der beiden führenden Konzerne -paralysiert. Keine von ihnen wartete ab, daß ein solcher Vorsprung -zugunsten der anderen eintrat. Das Machtverhältnis sollte sich -nicht verschieben, es mußte sofort wieder das frühere Gleichgewicht -hergestellt werden. Das Gesetz des Dualismus begann zu wirken. - -Die A. E. G. konnte aber den Weg der Konzentration nicht nur aus -konkurrenztaktischen, sondern aus sachlichen Gründen betreten, -umsomehr, als er ihr schon seit langem als der zweckmäßigste, ja der -einzig gangbare erschienen war. Dazu kam, daß die Krisis den Tiefpunkt -überschritten hatte und sich bereits wieder hellere Ausblicke zu -zeigen begannen. Die Furcht, bei einer Transaktion neue große Mittel -zu investieren, war zwar noch nicht geschwunden. Aber immerhin war -doch in den Wertverhältnissen der einzelnen Unternehmungen zueinander -jetzt etwas mehr von jener Klarheit geschaffen, die Rathenau noch im -Jahre vorher vermißt hatte, als er im Geschäftsbericht für 1901/02 -schrieb: „Daß aber eine Beschleunigung des Zusammenschlusses leicht zu -Übereilungen führen könnte, scheint uns durch die Tatsache erwiesen, -daß noch im Verlauf des letzten Jahres erhebliche Verschiebungen in -der relativen Bewertung der einzelnen Unternehmungen stattgefunden -haben und anscheinend dauernd sich vollziehen.“ Das hieß auf -deutsch: Die Dividenden- und Kursverhältnisse, die doch bei Fusionen -den Maßstab für den Aktienumtausch oder die Bewertung der Aktiva -anderer Unternehmungen abgeben mußten, boten nicht nur vor, sondern -noch +in+ der Krisis ein falsches Bild. Man hätte auf ihrer -Grundlage die zu erwerbenden Objekte zu teuer bezahlt und mußte erst -warten, bis die Krisis, dieser untrügliche Prüfstein der Werte und -Potenzen, die Fusionsobjekte genügend verbilligt haben würde. In der -Generalversammlung vom Dezember 1902 war Emil Rathenau sogar noch -deutlicher geworden und hatte, nachdem doch schon empfindliche Schäden -bei manchen Gesellschaften zu Tage getreten waren, mit dem untrüglichen -Scharfblick des Kritikers seine Zweifel darüber ausgesprochen, „ob -einige Gesellschaften, die einer Sanierung unterzogen worden und sich -damit genügend organisiert glaubten, nun auch wirklich gesundet wären.“ -Die Prognose war richtig, denn schon die nächstjährigen Bilanzen -brachten neue, noch viel schwerere Verluste bei den halbsanierten -Unternehmungen zu Tage. Das Jahr 1902/03 erst konnte als Tiefpunkt -der Krisis bezeichnet werden; und erst jetzt ließ sich mit Sicherheit -erkennen, was bei den erschütterten Elektro-Unternehmungen seinen -Wert behalten hatte und was abgestorben war. Nicht vor dem Frühjahr -1903 entschlossen sich darum sowohl die A. E. G. wie Siemens & -Halske zu ihren ersten großen Konzentrationsgeschäften. Fast -gleichzeitig mit der Transaktion Siemens-Schuckert wurde der erste -Vertrag mit der „Union-Elektrizitätsgesellschaft“ den Aktionären -der A. E. G. vorgelegt. Er enthielt lediglich den Vorschlag einer -Interessengemeinschaft zwischen beiden Unternehmungen, und sollte -- -wie in der beschlußfassenden Generalversammlung erklärt wurde -- den -Beweis liefern, daß eine Verständigung der sich zusammenschließenden -Firmen auch ohne Verzicht auf ihre Individualität erreicht werden -könne. Diese Selbstbeschränkung, die in Wirklichkeit aber nur -eine Halbheit war und als solche auch wohl von Rathenau innerlich -erkannt wurde, hatte ihren Grund weniger in Zweckmäßigkeitsfragen, -als in persönlichen Rücksichten und Vorbehalten auf beiden Seiten. -Bei der A. E. G. wollte man anscheinend noch immer nicht an die -große Kapitalstransaktion herangehen, die mit einer vollständigen -Fusion unumgänglich verbunden gewesen wäre, auch hielt man die -Bilanz-Verhältnisse bei der Union wohl noch immer nicht für geklärt -genug, als daß man auf der damaligen Bewertungsbasis die Objekte der -Union dauernd und unwiderruflich hätte aufnehmen wollen. Bei der -Union hinwiederum konnte man sich zu dem Opfer der völligen Aufgabe -der Selbständigkeit noch nicht recht entschließen. Endlich schien -sich auch eine vorherige Auseinandersetzung mit den amerikanischen -Verbindungen der Union als zweckmäßig zu erweisen. Man machte also aus -der Not eine Tugend und rühmte bei der unvollkommenen Transaktion die -Erhaltung der Individualität beider Unternehmungen. Der geschlossene -Vertrag hatte nach den damals den Aktionären beider Gesellschaften -gemachten ausführlichen Mitteilungen den Zweck, eine Zusammenfassung -und möglichste Vereinigung der technischen und kommerziellen Kräfte und -Leistungen beider Gesellschaften herbeizuführen. Für ihn sollten die -folgenden Bestimmungen und Grundsätze gelten. - -1. +Identität der Geschäftsführung+ und Verwaltung, soweit dies -gesetzlich zulässig ist; - -2. +Arbeitseinteilung+, entsprechend der Eigenart der -beiderseitigen Fabrikationseinrichtungen, unter Austausch der -kommerziellen und technischen Erfahrungen; - -3. Möglichste +Erhaltung+ des gegenwärtigen -+Beschäftigungsverhältnisses+ beider Gesellschaften; - -4. Tunliche +Verschmelzung+ der +auswärtigen Organisationen+. - -Im einzelnen wurde bestimmt, daß die beiderseitigen Direktoren -gemeinschaftlich die Geschäfte beider Gesellschaften als -Gesamtdirektoren leiten. Die Zahl der Direktoren wurde auf zehn -festgesetzt, wovon sieben der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft -und drei der Union angehören sollten. Die Mitglieder der -+Aufsichtsräte+ beider Gesellschaften bildeten zusammen den -gemeinsamen +Delegationsrat+ der Gesellschaften. In dem -Delegationsrate führten die Mitglieder jedes Aufsichtsrates zusammen -zwölf Stimmen, ohne Rücksicht auf die Zahl der Abstimmenden. Die -Aufsichtsräte beider Gesellschaften waren bei der Beschlußfassung über -folgende Gegenstände an die Beschlüsse des Delegationsrates gebunden: - -1. Erweiterung oder Abtretung von Fabrikationseinrichtungen, im Falle -es sich um mehr als 1% des Aktienkapitals der betreffenden Gesellschaft -handelte. - -2. Dauernde Investitionen im Betrage von mehr als 2% des Aktienkapitals -der betreffenden Gesellschaft. - -3. Abänderungen des Interessengemeinschaftsvertrages. - -4. Ausgabe von Obligationen. - -Über folgende Gegenstände sollten die Aufsichtsräte beider -Gesellschaften nur in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des -Delegationsrates beschließen: Vorschläge an die Generalversammlungen, -betreffend Statutenänderung, Fusion mit anderen Unternehmungen, -Kapitalserhöhung und -herabsetzung, Auflösung einer Gesellschaft, -Anstellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern. -- Abgesehen -von den obigen Einschränkungen, behielten die Aufsichtsräte ihre -bisherigen Funktionen bei. Die Aufsichtsratsmitglieder der A. E. G. -wurden zu den Aufsichtsratssitzungen der Union E. G. eingeladen und -nahmen daran mit beratender Stimme teil und umgekehrt. Jede der beiden -Gesellschaften sollte zunächst in der bisher bei ihr üblichen Weise -eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung aufmachen. Von dem -Gewinn- oder Verlustsaldo dieser Vorbilanz der A. E. G. sollten von -dieser der Union E. G. 4/19 gutgebracht bzw. belastet werden, während -die Union E. G. von dem Gewinn- oder Verlustsaldo ihrer Vorbilanz an -die A. E. G. 15/19 gutzubringen bzw. zu belasten hatte. Auf Grund der -ermittelten Gewinn- oder Verlustziffer stellte dann jede Gesellschaft -für sich ihre gesetzlich und statutarisch vorgeschriebene Bilanz auf. -Der Vertrag sollte vom 1. Juli 1903 ab auf eine Dauer von 35 Jahren -in Kraft treten. Über alle die Auslegung des Vertrages betreffenden -oder sonst sich aus ihm ergebenden Streitigkeiten sollte ein -Schiedsgericht entscheiden. Zur Begründung dieses Vertrages, der eine -aktienrechtlich außerordentlich seltene und interessante Verquickung -der Verwaltungsorgane zweier Gesellschaften darstellte, verlas -Generaldirektor Rathenau in der Generalversammlung eine Erklärung, aus -der wir folgendes hervorheben: - - „Mit dem Vertrag, den wir mit der Union Elektrizitätsgesellschaft - getätigt haben, tritt die deutsche elektrotechnische Industrie - in die Phase der Associationen, die seit Jahren zur Heilung - ihrer Schäden von uns empfohlen werden. Daß der Zusammenschluß - der Gesellschaften neben anderen Zwecken die Hebung der durch - gegenseitige Unterbietungen unlohnend, zuweilen verlustbringend - gewordenen Geschäfte auf eine dem Fabrikationsgewinn entsprechende, - angemessene Höhe verfolgt, wird nicht in Abrede gestellt. Aber - dieser Zweck soll weder durch willkürliche Preisfestsetzungen, - noch durch Syndikatsbildungen erreicht werden, für welche die - Elektrotechnik ihrer Natur nach sich weniger als andere Industrien - eignet..... - - ... Unser Vertrag mit der Union zeigt, daß eine Verständigung - der sich zusammenschließenden Firmen +auch ohne Verzicht - auf ihre Individualität+ erzielt werden kann. Der nach dem - Vorgang der A. E. G. erfolgte Zusammenschluß anderer Firmen - der Elektrizitätsindustrie beweist ferner, daß auch an anderen - maßgebenden Stellen Befürchtungen vor den ungünstigen Folgen - der Vertrustung zu weichen beginnen. Auch in Amerika hat die - Trustbildung technische Fortschritte nicht ausgeschlossen, sondern - gefördert, und nicht mit Unrecht wird darauf hingewiesen, daß - in diesem Lande noch immer mehr erfunden und versucht wird wie - in Europa.... Von keiner Seite ist bisher behauptet worden, daß - die Interessengemeinschaft unserer Gesellschaft mit der Union - inkongruente Elemente zusammengeführt habe; es werden vielmehr von - allen Seiten Gründe angeführt, die gerade für diese Kombination - sprechen. Bei unserer umfangreichen Tätigkeit, welche über die - gesamte Starkstromtechnik sich erstreckt, +hatten wir dem Bau - elektrischer Eisenbahnen weniger Bedeutung+ geschenkt als die sich - hauptsächlich auf dieses Gebiet konzentrierende Union, der noch - dazu die Versuche und Erfahrungen befreundeter Gesellschaften in - Amerika zur Verfügung stehen. Von jeher hat dieses Land gerade - im elektrischen Transportwesen einen Vorsprung erlangt, den es - bei der Eigenart der dortigen Verhältnisse voraussichtlich noch - länger zu bewahren imstande sein wird. Die Fabriken der A. E. G. - und der Union ergänzen sich so glücklich, daß nur verhältnismäßig - wenige, in beiden Unternehmungen gleichzeitig ausgeübte Betriebe - im Interesse der Einheitlichkeit verschmolzen zu werden brauchen. - Außerdem können Aufträge, welche die Union bisher anderweitig - vergeben mußte, den Werkstätten der A. E. G. im Interesse beider - zufallen. Im Besitze der Union befinden sich keine Aktien ihrer - Trustgesellschaft. Die +Finanzgesellschaft bleibt außerhalb des - Vertrages+; ebenso sind die selbständigen, ausländischen Geschäfte - in die jetzige Kombination nicht einbezogen worden. Immerhin - sichert die gewählte Form des Abschlusses die Möglichkeit weiterer - Angliederungen solcher Unternehmungen, die den geschaffenen Konzern - zu ergänzen oder zu stärken geeignet sind. - - Die von uns gewählte Art des Zusammengehens steht der formellen - Fusion vielleicht insofern nach, als diese einen scheinbar weniger - umständlichen Verwaltungsapparat erfordert und der +Gedanke einer - Verschmelzung, von dem man ursprünglich ausgegangen war, braucht - auch deshalb nicht aus dem Auge verloren zu werden+. Für jetzt - wird man sich begnügen, den Zusammenschluß einer tatsächlichen - Fusion so zu nähern, daß materielle Nachteile aus dem +etwas - künstlicheren Aufbau+ weder für die Gesellschaften noch für die - Aktionäre entstehen. Die verschiedenen Momente kann man ihrem - wesentlichen Inhalte nach dahin zusammenfassen: Die gegenwärtige - Lage der Industrie macht den Zusammenschluß der elektrotechnischen - Firmen zu einer Notwendigkeit. Die wirtschaftlichen Vorteile des - Zusammenschlusses sind so erheblich, daß ihnen gegenüber die - Bedenken verschwinden. Interessen dritter werden nicht verletzt, - weder Einzelner noch der Allgemeinheit. Dem Lande aber wird das - Fortbestehen einer seiner schönsten und stärksten Industrien - gesichert.“ - -Wenngleich in den die Interessengemeinschaft begründenden Ausführungen -auf die verbleibende Selbständigkeit der beiden Unternehmungen ein -gewisser Nachdruck gelegt worden war, so betonte doch dasselbe -Verwaltungsdokument, in einem gewissen Widerspruch zu diesem -Individualitätsprinzip bereits, „daß der Gedanke einer Verschmelzung, -von dem man ursprünglich ausgegangen war, deshalb nicht aus dem Auge -verloren zu werden brauchte.“ Daß man bei der A. E. G. die gefundene -Form von vornherein nur für eine vorläufige hielt und sobald als -möglich in eine endgiltige umzuwandeln bestrebt war, geht aus allen -nachprüfbaren Umständen hervor. Auch weiterhin blieb man in jener -Zeit der Konzentrationsbewegung, die man während der Krisis aus -praktischen Gründen hatte zurückdämmen müssen, mit Entschlossenheit -zugewandt und hielt sie mit dem vorstehend geschilderten Abkommen -noch nicht für erledigt. Der Geschäftsbericht für 1902/03 stellte -fest: „der +erste Schritt+ in der Richtung, die wir stets als die -wünschenswerte bezeichneten, ist geschehen: die vier bedeutendsten -Unternehmungen unserer Industrie sind heute zu zwei Gruppen vereinigt, -die mehr als dreiviertel der Gesamtproduktion repräsentieren.“ --- An einer weiteren Stelle hieß es: „In gemeinsamem Interesse -wünschen und hoffen wir, daß die zentralisierende Bewegung in der -Elektrotechnik andauert und unterstützt vom guten Einvernehmen der -leitenden Persönlichkeiten die Erfolge zeitigt, deren, wenn auch -nicht alleinige, Voraussetzung sie bildet.“ -- In demselben Bericht -konnte schon auf ein paar weitere Ergebnisse der Transaktionspolitik -hingewiesen werden, die sich allerdings -- vom Standpunkte der großen -Entwickelung aus betrachtet -- als Nebengeschäfte darstellen. Die A. -E. G. beteiligte sich an der Umwandlung der bekannten Maschinenfabrik -+Gebr. Körting+ in Hannover in eine Aktiengesellschaft, von -deren 16 Millionen Mark betragendem Kapital sie 1,1 Millionen Mark -übernahm. Die elektrische Abteilung des Unternehmens wurde von der -A. E. G. ganz erworben und als G. m. b. H. insbesondere zum Zweck -der Herstellung von Generator-Gasanlagen für elektrische und andere -Betriebe organisiert. -- Auch zwischen den beiden Großkonzernen, -der A. E. G. und Siemens & Halske, die sich bereits früher einmal -bei der Gründung der Akkumulatorenwerke Berlin-Hagen zu gemeinsamer -Betätigung zusammengefunden hatten, spannen sich unter dem Einfluß -der Konzentrationsbewegung weitere Fäden. Die beiderseitigen -funkentelegraphischen Systeme Arco-Slaby und Braun wurden in der -Gesellschaft für drahtlose Telegraphie (System Telefunken) vereinigt. -Nur in gemeinsamer technischer und kommerzieller Ausgestaltung der -zu entwickelnden Anfänge konnte man hoffen, dem mächtigen englischen -Marconi-System, das auf ein Weltmonopol namentlich in der drahtlosen -Schiffstelegraphie hinsteuerte, die Spitze zu bieten. Auch an dem -Bau eines großen Unternehmens in Valparaiso für Licht-, Kraft- und -Bahnbetrieb beteiligten sich die beiden Konzerne. Fertiggestellt -sollte das Werk der Deutsch-Überseeischen Elektrizitätsgesellschaft, -jenem gewaltigen südamerikanischen Sammelunternehmen, zugeführt werden, -in das neben der A. E. G. und der Deutschen Bank damit auch Siemens -& Halske eintraten. Derartige gelegentliche Gemeinschaftsgeschäfte -führten aber letzten Endes keineswegs zu einer engeren Zusammenfassung -der beiden Gesamtgruppen. Die Hauptstrome liefen weiter getrennt -nebeneinander und vielfach sogar auseinander. - -Die +konzentrative Hauptrichtung+ der A. E. G. blieb in dieser -Zeit aber auf den Ausbau der Verbindung mit der „Union“ und den -Anschluß an das amerikanische Interessengebiet dieser Gesellschaft -gerichtet. Diese Angelegenheit erschien Emil Rathenau so wichtig, -daß er sich im Herbst 1903 zu einer Reise nach Amerika entschloß. -Wie in früheren Fällen schon war ihm auch diesmal die Auffrischung -nach den niederdrückenden Zeiten der Krisis ein körperliches und -geistiges Bedürfnis, wie früher schon war die amerikanische Reise -ein Jungbrunnen für seine Energien, eine Quelle neuer bezwingender -Eindrücke, die den auch auf der Höhe des Erfolges und des Ruhmes -frisch und naiv gebliebenen, genau so wie den jungen, unbekannten -Ingenieur enthusiasmierten. Diesmal erschien er aber in der Neuen -Welt nicht als einer, der einen kleinen Teil des drüben angehäuften -Geistesreichtums in sich aufnehmen und zur Errichtung einer -bescheidenen Existenz im Heimatlande mit sich forttragen wollte, -sondern als ein Geistesherrscher, ein Industriekönig, der den -führenden Männern drüben als Gleichberechtigter entgegenzutreten -und mit ihnen über die +Verteilung der elektrischen Welt+ zu -verhandeln beabsichtigte. Er kam nicht nur, um zu nehmen, sondern -auch um zu geben, um auszutauschen. Gewiß hatte die amerikanische -Elektrizitätsindustrie, der die Welt und der Rathenau das elektrische -Glühlicht verdankte, inzwischen erfolgreich weiter gearbeitet und -Erstaunliches geleistet. Aber auch die deutsche Elektrizitätsindustrie -sah auf eine Periode glänzender Vollbringungen, systematischer -Durcharbeitungen zurück und konnte namentlich im Zentralenwesen, auf -dem Gebiete der Kraftübertragung, der Metallurgie und Elektrochemie -wertvolle Kompensationen anbieten. - -Der ordentlichen Generalversammlung vom 12. Dezember 1903 wohnte -Rathenau nicht bei. Es war kein Wunder, daß aus Kreisen der -Aktionäre Interesse und Neugierde laut wurden, welche Zwecke die -Reise des Generaldirektors verfolge, mit der sich auch schon -die Presse angelegentlich beschäftigt hatte. Den Fragern wurde -eingehende Auskunft. Die Union-Elektrizitäts-Ges., so hieß es, war -eine Tochtergesellschaft der amerikanischen Thomson Houston Co., -von der sie als Wirkungsgebiet Mittel- und Nordeuropa zugewiesen -erhalten und mit der sie einen Austausch von Erfindungen, Patenten -und Konstruktionen vereinbart hatte. Später wurde die Thomson Houston -Co. -- wie wir schon wissen -- mit der Edison Electric zu der General -Electric Co. verschmolzen, deren Aktienkapital den stattlichen -Betrag von 42 Millionen Dollar erreichte. Die amerikanischen -Interessenten sahen nun eine Beeinträchtigung für sich darin, daß die -A. E. G., die territorial unbeschränkt war, in Wettbewerb mit den -Tochtergesellschaften der General Electric auf +den+ Gebieten des -Weltmarkts treten konnte, die der Union verschlossen waren. Bei der -engen Interessenverbindung, die zwischen der A. E. G. und der Union -neuerdings bestand, war damit die Beschränkung auch für die Union -praktisch hinfällig geworden. Der Präsident der General Electric war -persönlich nach Europa gekommen, um mit der A. E. G.-Union-Gruppe -auf vorbereiteter Basis ein neues Übereinkommen zu treffen, dessen -Voraussetzung sein sollte, daß die Tochtergesellschaften der General -Electric, die britische und die französische Thomson Houston Co., -denen die Mittelmeergebiete zugewiesen waren, sich der Abgrenzung der -Organisationsgebiete anschlossen. Neben diesen Absatzfragen gab es auch -technische Angelegenheiten zu regeln. Diese bezogen sich insbesondere -auf die +Turbinenfrage+. Die A. E. G. hatte den Turbinenbau -aufgenommen, aus dem Bestreben heraus, sich neue Geschäftszweige zu -schaffen, nachdem manche der alten unter dem starken Wettbewerb in -ihrer Ergiebigkeit gelitten hatten. „Die Konstruktion von Dampfturbinen -haben wir mit dem ihrer Bedeutung entsprechenden Nachdruck entwickelt -und die hierbei erzielten günstigen Ergebnisse haben uns bestimmt, -die Fabrikation dieses für stationäre Betriebe und die Seeschiffahrt -gleich wichtigen Motors, welcher ein hervorragendes Organ auch der -elektrischen Stromerzeugung zu werden verspricht, in großem Umfange -zu betreiben. Zur Erfüllung dieser Aufgabe genügen unsere für andere -Zwecke der Technik geschaffenen Einrichtungen nicht, aber wir sind bis -zur Vollendung der neuen Projekte in der Lage, die noch zu schaffenden -Typen, sowie die Hilfsmittel und Werkzeuge zu ihrer Herstellung im -praktischen Gebrauche zu erproben.“ So hieß es im Geschäftsbericht für -das Jahr 1902/03. Die A. E. G. stützte sich bei ihren Plänen auf die -+Riedler-Stumpf+schen Patente. Die General Electric besaß die -wertvolle und bereits weiter entwickelte +Curtis Turbine+. Während -die General Electric große Typen herstellte, versuchte die A. E. G., -der für diese Zwecke damals unbeschränkte Mittel nicht zur Verfügung -standen, die Konstruktion kleinerer Typen. Eine Vereinigung beider -Systeme und eine damit zu erreichende Vervollkommnung des Turbinenbaus -wurde von den Gruppen angestrebt. In der Zeit der Anwesenheit des -Präsidenten der General Electric in Europa waren die Schwierigkeiten -mit den Mittelmeergesellschaften noch nicht gelöst. Dagegen war es -gelungen, mit der +Brown Boveri-Ges.+, die zur Ausnutzung ihrer -Parsons Patente die Turbinia Parsons Marine-Akt.-Ges. gegründet und -auch einige Aufträge für die deutsche Marine erhalten hatte, ein -Abkommen zu treffen. Die A. E. G. übernahm im Anschluß daran 5625000 -Frcs. Aktien der Brown Boveri & Cie.-Ges. in Baden (Schweiz). Auch -hier war ein Erfolg auf dem Konzentrationswege erreicht worden, der -zwar keine Verbindung erster Größe, doch immerhin eine solche von -Wichtigkeit auf einem Spezialgebiet darstellte. - -Die Reise Emil Rathenaus nach den Ver. Staaten löste alle noch offenen -Probleme und überwand alle Schwierigkeiten. Am 27. Februar 1904 konnte -eine außerordentliche Generalversammlung einberufen werden, von der die -Anträge auf +völlige Verschmelzung+ der A. E. G. mit der Union -E. G. genehmigt wurden. Aus der ausführlichen Denkschrift, die den -Aktionären in der Generalversammlung vorgelegt wurde, sei das Folgende -wiedergegeben: - - „Die Schranken, welche die Verschmelzung unserer Gesellschaften - hinderten, sind beseitigt, und, nachdem die Beziehungen zu - den amerikanischen Gesellschaften eine den neu zu schaffenden - Verhältnissen entsprechende Gestaltung gefunden haben, erscheint - die Fusion jetzt als letzte Konsequenz der Interessengemeinschaft, - die eine Etappe auf diesem Wege war und sein sollte. - - In der Generalversammlung vom 12. Dezember 1903 sind Andeutungen - über den Zweck der Reise des Generaldirektors der Gesellschaft - nach den Vereinigten Staaten gemacht worden. Im Vordergrunde des - Interesses stand die Regelung der zukünftigen Beziehungen der - Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft zur General Electric Co., - der mächtigsten Trägerin der elektrischen Industrie in der Neuen - Welt. Die Werke dieser Gesellschaft sind von gewaltigem Umfang; sie - verfügt über einen großen Stab fähiger Männer aus der Wissenschaft - und Praxis und fördert mit reichen Mitteln und seltener - Freigebigkeit die Ziele der elektrischen Industrie in Laboratorien - und Versuchswerkstätten. - - Eine innige Annäherung an diese Organisation erschien umso - erstrebenswerter, als schon das Bündnis der Union E. G. mit der - inzwischen von der General Electric Co. aufgesaugten Thomson - Houston Co. die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft in - hervorragendem Maße für die Interessengemeinschaft bestimmt hatte. - - Es bestehen europäische Tochtergesellschaften der General Electric - Co. für England, Frankreich und die Mittelmeerländer; sie haben - den Namen Thomson Houston beibehalten. In den Vereinigten Staaten - von Nord-Amerika werden von der General Electric Co. kontrolliert: - Edison General Electric Co., Thomson Houston Electric Co., Fort - Wayne Electric Works, Stanley Electric Manufacturing Co., Eddy - Electric Corporation, General Incandescent Arc Light Co., Sprague - Electric Co. und Northern Electric Co. - - Das Gebiet der Union E. G. war Deutschland, Mittel- und Nord-Europa - und die Balkanstaaten. In Österreich, Rußland und Belgien hat sie - unter Beteiligung einheimischer Finanzinstitute die österreichische - bezw. russische Union E. G. und die Union Electrique in Brüssel - errichtet. - - Die einzelnen Gesellschaften sind durch Verträge untereinander - und mit der Muttergesellschaft auf den ihr zugewiesenen - Bezirk geographisch beschränkt, aber frei, die Gebiete durch - Separatabkommen zu erweitern; so hat die Union Electrique durch - eine Vereinbarung mit der Mittelmeergesellschaft, kurz Meditomson - genannt, das Recht erlangt, unter gewissen Bedingungen auch in - Italien Geschäfte abzuschließen. - - Das alle Gesellschaften gemeinsam verbindende Element ist der - wechselseitige Austausch von Patenten und Erfahrungen. - - Auf den Beitritt zu diesem Konzern und die Anbahnung - freundschaftlicher Beziehungen auch zu den europäischen - Unternehmungen waren unsere Bemühungen nicht weniger - gerichtet, als auf die Verallgemeinerung der wichtigen - technischen und kommerziellen Interessen, welche wir in unseren - Dampfturbinen-Patenten und denen von Riedler-Stumpf besaßen. Die - Vereinigung der letzteren mit den Patenten der Curtisgruppe, die - die General Electric Co. zur eigenen Ausübung in den Vereinigten - Staaten erworben hatte und für andere Länder zu verwerten im - Begriff stand, erschien uns nützlich. - - Unsere zahlreichen Verträge mit den amerikanischen und europäischen - Gesellschaften enthalten folgende Hauptpunkte: - - 1. Eine Vereinbarung, nach welcher die Allgemeine - Elektrizitäts-Gesellschaft und die General Electric Co. ihre - Gebiete für sich und ihre Tochtergesellschaften gegenseitig - abgrenzen und jede Partei der anderen Patente und Erfahrungen für - die betreffenden Gebiete überläßt. - - Das ausschließliche Gebiet der General Electric Co. umfaßt im - wesentlichen die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika und Kanada, - das der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft Deutschland mit - Luxemburg, Österreich-Ungarn, europäisches und asiatisches Rußland, - Finnland, Holland, Belgien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Schweiz, - Türkei und die Balkanstaaten. - - Für die Gebiete der europäischen Tochtergesellschaften sind - langsichtige Separatabkommen geschlossen, für die anderen - Weltteile einschließlich Süd-Amerika ist ein gemeinsames Arbeiten - der beiden großen Elektrizitätsgesellschaften in Aussicht - genommen, Abmachungen, welche ein langjähriges und ersprießliches - Zusammenwirken erwarten lassen. - - Auf die Vereinbarungen über Italien werden wir später noch - zurückkommen; in Spanien und Griechenland bleiben die bisherigen - Verhältnisse einstweilen unverändert. - - 2. Die General Electric Co. und die Allgemeine - Elektrizitäts-Gesellschaft gründen eine Gesellschaft - mit 3 Millionen Mark zur Verwertung der Riedler-Stumpf- - und Curtis-Patente im Gebiete der Allgemeinen - Elektrizitäts-Gesellschaft. Hierbei sind die Patente von Curtis - mit 1,8 Millionen Mark, die von Riedler-Stumpf mit 1,2 Millionen - Mark bewertet. Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft hat sich - eine Lizenz gesichert. Sie erlangt hiermit auch das Lieferungsrecht - nach allen außereuropäischen Ländern mit Ausnahme der Vereinigten - Staaten und Kanada, für welche die General Electric Co. die - Riedler-Stumpf-Rechte erwirbt. - - 3. Das Recht der Benutzung von Curtis-Patenten für - Betriebsmaschinen von Schiffen war der International Curtis - Marine Turbine Co. vorbehalten. Diese hat der Allgemeinen - Elektrizitäts-Gesellschaft Lizenz für deren europäisches Gebiet - erteilt, wogegen die letztere der Marine Turbine Co. die Verfügung - über Riedler-Stumpf-Patente für Schiffsbewegungszwecke gestattet. - - 4. Mit den Professoren Riedler und Stumpf besitzt und - bearbeitet die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft deren - Dampfturbinen-Patente in der Gesellschaft zur Einführung von - Erfindungen m. b. H. Die Patente sind nunmehr an die Vereinigte - Dampf-Turbinen-Gesellschaft und für Nord-Amerika an die - General Electric Co. übergegangen, die Marine-Rechte an die - Marine-Turbinen-Gesellschaften, während die genannten Erfinder - an den der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft gewährten - Gegenleistungen beteiligt werden. - - 5. Mit der British Thomson Houston Co. ist ein analoger Vertrag, - wie der mit der General Electric Co. über das Exportgeschäft - geschlossen worden. Es sind der englischen Gesellschaft aber - außerdem im Interesse der Geschäftsbetriebe noch gewisse - Befugnisse eingeräumt worden, u. a. die finanzielle Beteiligung - an der englischen Tochtergesellschaft der Allgemeinen - Elektrizitäts-Gesellschaft und an einer in England etwa zu - gründenden Gesellschaft für Herstellung von Nernstlampen. Dagegen - bleibt der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft das Recht, - außer anderen Fabrikaten auch Turbinen nach England zu liefern, - vorbehalten. - - 6. Wie mit der britischen Gesellschaft findet auch mit - der französischen Thomson Houston Co. ein gegenseitiger - Austausch der Patente und Erfahrungen statt. Die Allgemeine - Elektrizitäts-Gesellschaft wird ihre französische Organisation - auf den Verkauf ihrer Erzeugnisse in Frankreich beschränken und - Maschinen, sowie Dampfturbinen nur an die französische Gesellschaft - liefern, welcher eine Option auf den Bezug von Aktien der Société - Française d’Electricité A. E. G. bis zu einem gewissen Betrage - zugesichert ist. Dagegen garantiert die französische Thomson - Houston Co. der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft einen dem - bisherigen Umsatz an Maschinen in Frankreich entsprechenden Bezug - von Dynamos. - - Aus den Verträgen ergibt sich für uns das Recht und die Pflicht, - folgende Gesellschaften zu gründen: - - I. eine Gesellschaft für den Bau von Dampfturbinen, Turbodynamos - und deren Zubehör. Die „Allgemeine Dampfturbinen-Gesellschaft“ soll - mit einem nach Bedarf einzuzahlenden Aktienkapital von 5 Millionen - Mark ausgerüstet werden. Die Aktien zeichnet die Allgemeine - Elektrizitäts-Gesellschaft. Als Fabrikanlage werden Grundstücke, - Gebäude und Maschinen der Union E. G., deren Fabrikbetrieb mit dem - der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft verschmolzen worden ist, - voraussichtlich dienen. Die vorgenannten Immobilien würden der - Allgemeinen Dampfturbinen-Gesellschaft auf eine Reihe von Jahren - mit dem Rechte des Erwerbes verpachtet werden. Die technische - Leitung wird Herrn Direktor Lasche, in dessen Hände der Turbinenbau - der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft sich gegenwärtig bereits - befindet, übertragen. - - II. Die oben erwähnte Turbinen-Licenz-Gesellschaft; diese ist unter - der Firma „Vereinigte Dampfturbinen-Gesellschaft m. b. H.“ bereits - errichtet. - - III. Eine italienische Gesellschaft mit einem Kapital von - 6 Millionen Lire, auf die die bisherigen Organisationen - der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und der Thomson - Houston-Gesellschaft, sowie die italienischen Turbinen-Patente - sämtlicher Gruppen übergehen. - - IV. Zwischen der Union Electrique in Brüssel und der Société - Belge d’Electricité A. E. G. ist ein analoges Abkommen, wie es - zwischen der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und Union - Elektrizitäts-Gesellschaft besteht, einstweilen getroffen; eine - förmliche Fusion dieser Gesellschaften dürfte vielleicht später - sich vollziehen. - - Sind schon die Aufwendungen für die genannten Gesellschaften, - den Erwerb von Patenten und die Gewährung von Vorschüssen und - aus den erwähnten Transaktionen von beträchtlichem Belang, so - erfahren sie noch eine Vermehrung durch Übernahme von Aktien - der Österreichischen Union E. G., an der die hiesige Union E. - G. hervorragend beteiligt ist, und die wir sowohl aus diesem - Interesse, als auch zur Schaffung geeigneter Fabrikationsstätten - in Österreich, einer durchgreifenden Rekonstruktion zu unterziehen - beabsichtigen. - - Endlich wird die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft die häufig - im Wege des Kredits beschafften +Betriebsmittel der Union E. G.+, - falls sie ihre durch zwei Jahrzehnte bewährte Finanzgebarung auch - auf diese Geschäfte übertragen will, +ergänzen und verstärken - müssen+. - - Zur +Beschaffung+ der für die Durchführung des vorgezeichneten - Programms erforderlichen +Kapitalien+ unterbreiten wir folgende - Vorschläge Ihrer geneigten Erwägung: - - Die Union E. G. verfügte nach der Bilanz vom 30. Juni 1903 über - Effekten und Anlagen im eigenen Betriebe zum Buchwerte von ca. - 13 Millionen Mark, aber die Objekte befinden sich größtenteils - in der Entwicklung, haben keinen Börsenkurs und würden deshalb - schwer flüssig gemacht werden können. Zur Verwertung dieser - Vermögensobjekte wird die Union E. G. unter Gewährleistung - angemessener Erträgnisse den größten Teil dieses Besitzes der - Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft überlassen und dafür von - ihr 6,5 Millionen Mark nominal neu auszugebender Allgemeine - Elektrizitäts-Gesellschafts-Aktien mit Gewinnberechnung vom 1. Juli - 1903 empfangen. Diese 6,5 Millionen Mark neuer Aktien hat sich der - Union E. G. gegenüber ein Konsortium zu einem Kurse von 210% tel - quel netto ohne Stückzinsenberechnung abzunehmen bereit erklärt. - - Vermöge dieser Transaktion würde die Union in den Besitz von - Barmitteln in Höhe von ca. 13650000 Mark gelangen, und die - Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft die erworbenen Effekten unter - Abzug der aus dieser Transaktion entstehenden Spesen und Zinsen - weit unter dem Buchwerte bei der Union E. G. inventarisieren dürfen. - - Sollte dieses Anerbieten Ihre Zustimmung finden, so - würden wir gleichzeitig den Antrag stellen, die bisherige - +Interessen-Gemeinschaft+ der beiden Gesellschaften +aufzuheben+ - und den Umtausch der Aktien der Union E. G. gegen solche der - Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft im Verhältnis der durch - die Interessengemeinschaft festgesetzten Relationen von 3:2 zum - Zwecke einer späteren Fusion bezw. Liquidation der Union E. G. - zu vollziehen. Diese Verschmelzung würde wesentlich noch dadurch - erleichtert werden, daß Immobilien, Betriebsinventarien, Waren und - Materialien teils auf die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft - übergehen, welche zugleich Kasse, Wechsel, Kautionen, Vorräte, - Debitoren, Versicherungsprämien und Patente zu übernehmen hätte. - Da die Reserven der Union E. G. den aus der Bilanz sich ergebenden - Verlust des letzten Jahres reichlich decken, so wäre das teils - in bar, teils in sofort realisierbaren Werten vorhandene - Gesellschaftskapital der Union E. G. zur Durchführung sämtlicher - Transaktionen vorhanden. - - Aktionäre der Union E. G., welche über die Hälfte des - Aktienkapitals verfügen, haben den eventuellen Umtausch ihrer - Aktien unter diesen Bedingungen zugesagt, und wir zweifeln nicht, - daß die übrigen ihrem Beispiel folgen werden. - - Aber auch die Aktionäre der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft - hätten Grund zur Zufriedenheit, denn ihre Gesellschaft würde - gegen Hergabe von 22½ Millionen neuer Aktien und Übernahme von - 10 Millionen Obligationen erstens 34 Millionen liquider Mittel, - zweitens Effekten, Zentralen und Bahnen, welche bei der Union E. - G. mit mehr als 13 Millionen Mark zu Buche stehen, und drittens - Rechte, Erfahrungen, Patente, die gesamten Grundstücke und - Fabrikanlagen und die Organisation dieser Gesellschaft erlangen, - sowie in den alleinigen und ausschließlichen Besitz der Rechte - und Verträge treten, die namens der deutschen Gruppe mit den oben - erwähnten Parteien geschlossen sind.“ - -Das äußere Resultat, sozusagen der Mantel, mit dem die Fülle der neuen -Lebens- und Schaffensformen umkleidet wurde, ist die Kapitalserhöhung -der A. E. G. um 26 auf 86 Millionen Mark. Die vielen kleineren und -größeren Kräfte, die mit den Transaktionen des 27. Februar 1904 dem -Fundus der A. E. G. zugefügt wurden, setzten ihr Wirken fort, aber -ihr Pulsschlag, ihre Richtung und ihr Taktschritt wird dem größeren -Leben der A. E. G. angepaßt, ihren Gesichtspunkten und Interessen -eingeordnet, -- gewiß nicht im ersten Wurfe, sondern in langsamer, -zusammenschweißender und abschließender Organisationsarbeit. Allmählich -gingen sie auf in dem regelmäßig und einheitlich arbeitenden -Räderwerk, das der Betrieb eines Riesenunternehmens wie der A. -E. G. darstellte, darstellen mußte, wenn nicht Reibungsverluste, -Desorganisation, Absterben von Trieben den Organismus verfallen lassen -sollten. Nur wer die ungeheuren Schwierigkeiten und die gewaltige -Menge an Kleinarbeit, Disharmonik und Unstimmigkeit kennt, die mit -einer Eingliederung und Abstimmung oft heterogener Fusionselemente -verbunden sind, wer es einmal gesehen hat, wie neben den durch die -Fusion erhaltenen und belebten Kräften auch andere der Verpflanzung -sich widersetzen und verkümmern, ja wie manchmal der ganze theoretisch -fein ausgeklügelte Fusionsgedanke sich bei der Verwirklichung -als irrtümlich und verfehlt erweist, der kann ermessen, welche -kaufmännische Leistung die +Durchführung+ einer so umfangreichen -und vielgestaltigen Transaktion wie der vorstehend geschilderten -bildet. Für den Außenstehenden ist die Angelegenheit damit erledigt, -daß der Plan der Transaktionsarchitektur im großen festgelegt ist, -die Personalveränderungen in den höchsten Stufen, bei Aufsichtsrat -und Vorstand, erfolgt und die Generalversammlungsformalitäten erfüllt -sind. Die neuen Aktien sind da und verbergen dem Außenstehenden das -Chaos, das noch besteht, das Durcheinander der Meinungen, Gewohnheiten -und Methoden, das nun erst zu ordnen, in Reih und Glied zu bringen -ist. Welche ungeheure Menge an Fehlschlägen, an Verstimmungen, -an Vergewaltigungen nach der papierenen Beschlußfassung über die -Verschmelzung noch zu entstehen vermag, ahnt der Aktionär nicht, dessen -Wertpapiere nur eine andere Uniform angezogen haben. Oder er bekommt -es manchmal erst später zu erfahren, wenn sich herausstellt, daß das -Mißlingen der Fusionsdurchführung die Rente und die Aktie entkräftet -hat. Auch solche Fälle von unheilbarer Fusionskrankheit gibt es, -und gerade in der Elektrizitätsindustrie ist ein sehr lehrreiches -Beispiel dieser Art in der Fusion des Felten Guilleaume Carlswerks -mit der Elektrizitäts-Ges. Lahmeyer zu finden, die kurze Zeit nach -der Verschmelzung der A. E. G. mit der Union E. G. aus derselben -Konzentrationstendenz heraus und mit ähnlichen Absichten erfolgte. -Hier war nicht Kräftigung, sondern Schwächung die Folge der in der -Durchführung mißlungenen Fusion, und bei der später wieder erforderlich -werdenden Trennung war es gerade die Reorganisationskraft der A. E. -G., die das Übel heilen mußte und heilen konnte. Nicht nur in der -Anlage von Fusionsplänen, sondern auch in ihrer Durchführung haben -Rathenau und seine Mitarbeiter stets eine überragende Meisterschaft -bekundet. Gewiß gab es auch bei ihnen im einzelnen Rückstände -im Einschmelzungsprozeß, aber die große Reservekapazität ihrer -Unternehmungen gestattete es diesen, derartige Verluste bei Fusionen -leicht zu verwinden, ja von vornherein mit in die Rechnung einzustellen. - -Das Gesetz der Rivalität und des +Dualismus+ wurde durch die -Ausdehnung der A. E. G. auf das amerikanische Interessengebiet -augenblicklich in Tätigkeit gesetzt. Siemens & Halske leiteten bald -nach Bekanntwerden der Reise Rathenaus nach Amerika und der damit -verbundenen Pläne Verhandlungen mit dem +Westinghouse-Konzern+ -ein, der zeitweilig seinen mit großer Kühnheit und Vielseitigkeit -entworfenen Unternehmungen größere Ausdehnung zu geben verstanden -hatte als selbst die General Electric. Georg Westinghouse, ein Geist -von hohen technischen und kaufmännischen Fähigkeiten, hatte ähnliche -Bahnen beschritten wie Rathenau, aber gerade bei ihm machte sich -verhältnismäßig früh das Fehlen einer soliden Fundierung, einer inneren -Festigung und Sicherung der durch die Expansion eroberten großen und -mit verschwenderischer Fülle ausgestatteten Gebiete geltend. Die -amerikanische Krisis des Jahres 1907 erschütterte die Fundamente seiner -Gründungen und stellte sie vor die Notwendigkeit einer Reorganisation. -Die Westinghouse-Gesellschaft mußte sich damals unter Receiverschaft -(Zwangsverwaltung) begeben, während Emil Rathenau die Genugtuung hatte, -daß die von ihm beratene General Electric den Sturm überstehen konnte. -So waren es letzten Endes hüben und drüben nur wenige der aus der -großen Schwungkraft der Elektrizitätsbewegung geborenen Unternehmungen, -die aus der Feuerprobe der Krisis ungeschwächt hervorgingen. Die -wenigen allerdings, die stark blieben, wurden durch den Verlust und -den Fall der anderen noch stärker und konnten einen Teil der Werte -aufraffen, die von den anderen hatten aufgegeben werden müssen. - - - - -Dreizehntes Kapitel - -Weltwirtschaft - - -Es kamen die Jahre der Reife und der Ernte. Nachdem die Krisis -überwunden, der Besitz durch sie gemehrt, die früher mit unzulänglichen -Mitteln unternommene Einflußausdehnung auf die verwandte Industrie der -Neuen Welt mit gesammelter Kraft wiederholt, die überseeische Tätigkeit -durch mächtige Stützpunkte und gewaltige Kulturbauten fest gegründet -worden war, brauchte eine Erschütterung der Position nicht mehr -befürchtet zu werden. Eines der größten Unternehmungen Deutschlands -nicht nur, sondern auch eines der bekanntesten im Auslande war die -A. E. G. geworden. Der Weltruf war geschaffen. Nur wenige deutsche -Industrie-Unternehmungen standen ihr darin gleich. Vielleicht Krupp, -Siemens, die Hamburg-Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd. Die -Riesenhüttenwerke Rheinland-Westfalens konnten es an internationaler -Popularität mit ihr nicht aufnehmen, weil sie für breite Teile ihres -Absatzes nicht unmittelbar, sondern durch die großen Montanverbände, -Kohlensyndikat, Stahlwerksverband, Walzdrahtverband usw. mit der -Auslandskundschaft in Berührung traten. - -Nach der stilleren Laboratoriumsarbeit, der inneren Ausgestaltung -der Betriebe und Methoden, die in der Zeit der Krisis und Nachkrisis -zu Ersparnissen und Verbilligungen in der Arbeit führen sollten, -kam wieder die Zeit des kühnen Planens, der neuen Entwürfe und -Geschäfte. Es wurde nicht mehr gespart, sondern gewagt, um zu -gewinnen. Millionen wurden wieder auf eine Karte gesetzt, und -die Zurückhaltung gegenüber neuen Projekten, die Rathenau in den -Generalversammlungen der vergangenen Jahre gepredigt hatte, drückte -nicht mehr auf die Schaffensfreudigkeit. Die Fenster wurden weit -wie nie zuvor geöffnet, und frische Luft drang von allen Seiten in -Bureauräume und Fabrikhallen. Auch in äußeren Dingen wurde mehr auf -Repräsentation und würdige Aufmachung gegeben als vorher. Man mußte -auch dadurch erweisen, daß man an der Spitze der deutschen Industrie -marschierte und Welthaus geworden war. Statt des engen und veralteten -Verwaltungsgebäudes, das die A. E. G. von den B. E. W. gemietet und -mit ihnen geteilt hatte, entstand der in seiner Schlichtheit schöne -und monumentale +Messelbau+ am Friedrich Karl-Ufer. Statt der -roten Backsteinfabriken, wie sie die 80er und 90er Jahre in einer -unschönen Mischung von Kasernen- und Trutzburgenstil geschaffen hatten, --- Bauwerke, die den Fabrikcharakter mehr verdecken, als zum Ausdruck -bringen sollten -- entstanden die Maschinen- und Turbinenhallen Peter -+Behrens+, massige, dabei doch leichte und lichte Zweckbauten -aus Stein, Beton und Eisen, die mit selbstbewußter Sachlichkeit, doch -ohne Aufdringlichkeit den Verwendungszweck der Gebäude betonten. Das -Großgewerbe fand seinen künstlerischen Stil und die Kunst begann das -Großgewerbe zu verstehen. - -Neue große Fabrikbauten entstanden an allen Betriebsstätten des -Unternehmens. Die Grundstücke der Union E. G. in der Sickingen- -und Huttenstraße wurden zur Verlegung ganzer gesonderter -Produktionsabteilungen benutzt. Neben dem Kabelwerk Oberspree wurden -neue Betriebe, so ein Messingwalzwerk, eine eigene Eisen- und -Stahldrahtfabrik, eine Automobilfabrik errichtet. Schließlich als -die in der Stadt und nahe der Stadt liegenden Grundstückskomplexe -der Gesellschaft nicht mehr ausreichten, wurde in Hennigsdorf am -neuen Großschiffahrtsweg Berlin-Stettin im Jahre 1909 ein weites -zusammenhängendes Gelände erworben, auf dem neue Betriebe entstanden -und der Expansionsdrang sich frei ausleben konnte. - -Die Selbstbedarfsdeckung und die Vielseitigkeit im Produktionsprozeß -wurden weiter ausgedehnt, und gingen soweit, daß eigene Porzellan-, -Gummi- und Papierfabriken als Hilfsbetriebe entstanden. Dabei hat -sich die A. E. G. allerdings nicht eigensinnig auf die Durchführung -eines lückenlosen Selbstbedarfsdeckungsprinzips versteift, wo es -nicht rationell in den herrschenden Marktverhältnissen begründet -war. Als zum Beispiel die französische Gummireifen-Firma Michelin -plötzlich dazu überging, die Verkaufspreise ihrer Fabrikate um 50% -herabzusetzen, stellte Rathenau kurzentschlossen die Eigenproduktion in -diesem Artikel ein, denn er konnte seinen Bedarf am Markte billiger -eindecken. Das System der Selbstbedarfsdeckung wurde von der A. E. G. -auch nicht soweit ausgedehnt, daß das Gleichgewicht des Aufbaus durch -die Angliederung „schwerer“ Nebenbetriebe beeinträchtigt worden wäre. -Insbesondere hielt sich Rathenau davon zurück, die Hauptrohstoffe -seiner Produktion in eigenen Betrieben zu erzeugen. Ein Strousberg -hätte vielleicht den jährlichen Kupferverbrauch von zuletzt mehr als -30000 t zum Anlaß genommen, sich eine eigene Kupfermine in Amerika -zu kaufen. Emil Rathenau war ein zu vorsichtiger Rechner, um in -derartige Nebenbetriebe, die ihm möglicherweise eine etwas günstigere -Materialbeschaffung gestattet hätten, ein Kapital zu investieren, -das im Mißverhältnis zu den Anlagen seiner Hauptwerke stand und mit -dem er in seinen Verfeinerungsbetrieben weit mehr verdienen konnte. -Bei aller Großzügigkeit in der Fabrikationspolitik war er doch frei -von jeder Großmannssucht. Er suchte Wirkungen, nicht Effekte. Auch -der Versuchung, eine Kohlenzeche zu erwerben, widerstand er, denn -er hätte deren Produkte nur zum Teil ausnutzen können, zum anderen -Teil verkaufen und damit Geschäftszweige aufnehmen müssen, die -seinem Gebiet ganz fern lagen. Die Feldererwerbungen im Bitterfelder -Braunkohlenrevier dienten nicht der Brennstoffversorgung der A. -E. G., sondern der Stromerzeugung besonderer Kraftwerke. Eine -eigene Stahlanlage in Steinfort schuf sich der A. E. G.-Konzern nur -indirekt durch das Felten-Guilleaume-Carlswerk in Mülheim, dessen -Aktienmajorität er im Jahre 1910 erwarb. Im allgemeinen verfolgte -Rathenau das Prinzip, über den Kreis der Elektrizitätsindustrie nicht -hinauszugehen, und von Erwerbungen, die nur teilweise in diesen -Kreis hineingehörten, mit beträchtlichen Abschnitten aber in andere -Industrien hineinragten, wollte er nicht viel wissen. Dafür war er aber -darauf bedacht, sein eigenes Gebiet, das der Elektrizitätsindustrie, so -weit als möglich auszubauen, innerhalb dieses Gebietes alle möglichen -Techniken und Betriebszweige zu entwickeln, alle Absatzmöglichkeiten -durch Sonderorganisationen zu pflegen und alle Hilfsindustrien, soweit -dies mit angemessenen Kosten möglich war, sich anzugliedern. - -Eine eigenartige Entwickelung nahm im neuen Jahrhundert die -+Beleuchtungs-Industrie+. Die A. E. G. hatte durch Übernahme und -Entwickelung der +Nernstlampe+ die Führung auf diesem Urgebiete -der Starkstromtechnik, die sie bei ihrer Gründung durch den Erwerb der -Edisonpatente für Deutschland inne gehabt hatte, sich von neuem sichern -und festigen wollen. Große Mittel waren in diese Lampe investiert -worden, der Erfolg hatte sich allmählich eingestellt, überwältigend -wäre er nie geworden, -- auch wenn die +bessere+ Metallfadenlampe -nicht gekommen wäre, und sofort über die gute Nernstlampe den Sieg -davon getragen hätte. - -Die sogenannten „ökonomischen“ Lampen waren nicht aus einer in sich -selbst begründeten Fortentwickelung der elektrischen Glühlampe -entstanden, sondern sie wurden gesucht und gefunden, weil das -Gasglühlicht in seinen modernen Formen die „stromfressende“, teure und -lichtschwache Kohlenfadenlampe völlig zu verdrängen drohte. Zuerst -hatte man es mit einer Verbesserung der Ökonomie des Kohlenfadens -versucht und durch die sogenannte Metallisierung dieses Fadens in -der Tat eine Stromersparnis von etwa 30% zu erreichen verstanden. -Das genügte aber nicht lange und höhere Glühtemperaturen ertrug der -Kohlenfaden nicht. Schon vorher war Nernst auf den Plan getreten. Er -nahm an, daß unter den metallisch leitenden Körpern (den sogenannten -Leitern I. Klasse) sich keine Substanz befinde, die für die Herstellung -einer wirklich ökonomischen Lampe geeignet sei. Er benutzte darum als -Glühkörper seltene Oxyde, bei denen die Leitfähigkeit elektrolytischer -Natur ist, die allerdings den Nachteil haben, den elektrischen Strom -erst in der Wärme zu leiten. Es dauerte darum stets einige Zeit, -ehe die Nernstlampe zu leuchten begann. Die Glühstäbchen mußten -erst glühend geworden sein. Die A. E. G. hat auf alle mögliche -Weise versucht, diesen Nachteil zu beheben oder doch abzumildern. -Sie stellte in der sogenannten Expreßlampe eine Kombination der -Heizspirale der Nernstlampe mit sofort leuchtenden Glühfäden her, -ein höchst kunstreiches Produkt, das aber naturgemäß nicht zur -Billigkeit eines Massenartikels zu bringen war. Auch die sogenannte -Mehrfach-Lampe, die eine Anordnung mehrerer Nernstlampen zur Verwendung -für die verschiedensten Zwecke darstellte, konnte den Hauptnachteil -nicht beheben. Es ist eine seltsame Ironie des Schicksals, daß es -gerade Auer von Welsbach, der Erfinder des Gasglühlichts war, dem -als zweiter großer Wurf seines Lebens die Konstruktion +der+ -elektrischen Lampe gelang, die einzig und allein imstande gewesen -ist, die Niederlage des elektrischen Glühlichts im Kampfe mit dem -Gasglühlicht zu verhindern. Auer von Welsbach teilte die Ansicht -Nernsts nicht, daß unter den Metallen keine für die Herstellung -ökonomischer Lampen geeignete Substanz zu finden sei. Nach langen -und mühevollen Versuchen gelang es ihm, im Osmium der Platingruppe -(wer erinnert sich nicht der ersten Versuche Edisons vor Herstellung -des Kohlenfadens?) ein Metall zu finden, das nur im elektrischen -Lichtbogen geschmolzen werden konnte. Helles Licht, große Fortschritte -in der Stromökonomie und verhältnismäßig lange Lebensdauer waren -schon die Vorzüge dieser ersten Metallfadenlampe, die den Anstoß -zu neuen, immer vollkommeneren Konstruktionen gab. Emil Rathenau, -der die Nernstlampe doch gewiß außerordentlich hoch eingeschätzt -hatte, besaß wissenschaftliche Einsicht und kritische Objektivität -genug, um sofort zu erkennen, daß die Bahn Auer von Welsbachs die -erfolgversprechendere war und daß seine eigene Mühe und der gewaltige -Aufwand, den er an die Nernstlampe gewandt hatte, diese nicht zu retten -vermochten. Eine Spezialfabrik, die in eine solche grundsätzlich -„überwundene“ Konstruktion viele Millionen hineingesteckt haben -würde, ohne sie schließlich produktiv machen zu können, hätte den -Schlag wahrscheinlich überhaupt nicht verwunden. Auch ein gemischtes -Unternehmen, das aus großen Reserven die entstandenen Verluste -nicht hätte ausgleichen können, würde schwer unter dem Fehlschlag -gelitten haben. Die A. E. G., die alle für die Nernstlampe gemachten -Investitionen sofort abgeschrieben hatte, vermochte ihn angesichts -ihrer inneren Stärke ohne äußerlich erkennbare Schäden zu überwinden, -und konnte sich sofort mit erheblichen Geldkräften der neuen Industrie -der „seltenen Metalle“ zuwenden. Im Jahre 1909 wird der Nernstlampe -auch offiziell im Geschäftsbericht der Begräbnisschein ausgestellt. -„Nur noch Ersatzbrenner und Projektionslampen werden verkauft.“ Bis -die A. E. G. eine leistungsfähige Metallfadenlampe aus Wolfram-Erz -hergestellt hatte, verging natürlich einige Zeit. Neben ihr arbeiteten -noch andere Firmen, darunter Siemens & Halske, die in der Tantallampe -eine Erstkonstruktion von nicht so erheblicher Stromersparnis als -Stoßfestigkeit hergestellt hatten, unermüdlich an der Ausgestaltung -der Metallfadenlampe. Ein bedeutender Fortschritt gelang der General -Electric Co. durch die Erzeugung der +Metalldrahtlampe+, bei -der der gespritzte Metallfaden durch den gezogenen Metalldraht -ersetzt worden war. Die A. E. G. hatte auf Grund ihres technischen -Austauschvertrages mit der General Electric Anspruch auf die -Auslieferung der Erfahrungen dieser Gesellschaft. Schließlich kam -zwischen der A. E. G., der Siemens & Halske-Ges. und der Deutschen -Gasglühlicht-Gesellschaft (Auer) ein Gegenseitigkeitsvertrag zustande, -auf Grund dessen alle diese Gesellschaften zur Vermeidung von -Patentkonflikten ihre Konstruktionen austauschten. Auch andere Firmen -wandten sich dem neuen Gebiete zu, aber durch Reichsgerichtsurteil -wurde den obengenannten drei Gesellschaften, zu denen später -auch noch die Bergmann-Elektrizitätswerke als Lizenznehmer -traten, der Patentschutz für die Metalldrahtlampe gesichert. Eine -Metallfadenlampen-Konvention nach dem Muster der Verkaufsvereinigung -für Kohlenfadenlampen war von manchen Seiten zur Bekämpfung der bald -eintretenden scharfen Konkurrenz vorgeschlagen worden. Die A. E. G. -lehnte eine solche Konvention diesmal ab, mit der Begründung, daß die -technische und ökonomische Höchstleistung der Metallampe noch nicht -erreicht sei und eine Festlegung von Absatzkontingenten die freie -Entwickelung hemmen könnte. Einige Zeit später schritt die A. E. G. -sogar zu mehrmaligen beträchtlichen Herabsetzungen der Verkaufspreise -für die Metalldrahtlampen und zwar besonders für die größeren -Lampentypen, in denen sie damals leistungsfähigere Konstruktionen -besaß als in den kleinen Lampen. Ihre Absicht war es dabei offenbar, -die Verbraucher an die größeren Lampen zu gewöhnen, die sie ihnen zu -ungefähr denselben Preisen lieferte wie vorher die kleinen. Neben ihren -Fabrikationsinteressen mochten sie dabei auch die Interessen ihrer -Stromerzeugungswerke geleitet haben. Erst während des Krieges ist eine -lose Preiskonvention zwischen den größeren Metallfadenlampenfabriken -zustande gekommen. -- Auch mit der Metalldrahtlampe war der -Höhepunkt der Entwickelung noch nicht erreicht. Es folgte die -+Halbwattlampe+, bei der der Glühfaden nicht mehr im luftleeren, -sondern im gasgefüllten Raum eingespannt war. Zuerst wurde diese -Lampe nur für ganz große Formen hergestellt, in denen sie weniger -der Glühlampe, als der Bogenlampe Konkurrenz machte. In letzter -Zeit ist es aber auch gelungen, kleine Halbwattlampen herzustellen. -Die Ökonomie der elektrischen Lampe ist im Laufe der Entwickelung -seit Erfindung der Glühlampe außerordentlich verbessert worden. Die -Halbwattlampe verbraucht weniger als den zehnten Teil des Stromes, den -die Kohlenfadenlampe mit mehr als 5 Watt für die Normalkerze anfänglich -in Anspruch nahm. - -Auf dem Gebiete der +Kraftübertragung+ begann in den ersten -Jahren des neuen Jahrhunderts die vorher in mühseliger technischer -und propagandistischer Arbeit ausgestreute Saat ihre reichen Früchte -zu tragen, und zwar sowohl auf dem Gebiete der Einzelanlagen als -auch auf dem der Zentralen. Die Industrie ging in immer stärkerem -Umfange zur Benutzung des elektro-motorischen Antriebes über. Die -+elektrische Fördermaschine+ begann sich in den Bergwerken -einzubürgern. Die Dampfmaschine setzte sich zwar anfangs energisch -zur Wehr und ihre Techniker konstruierten eine Dampfförderanlage, -die die Vorzüge der elektrischen Förderung wettzumachen versuchte -und in wenigen Jahren Verbesserungen erreichte, wie sie vorher in -Jahrzehnten nicht hatten erzielt werden können. Hüben und drüben -wurde mit ökonomischen Tabellen in den industriellen Zeitschriften -für die Vorteile dieses oder jenes Systems gestritten. Es nützte der -Dampfförderanlage nicht viel. Der Kampf war scharf, aber nur kurz. -An Betriebssicherheit und Bequemlichkeit war die elektrische Anlage -namentlich für die Personenbeförderung der Dampfanlage überlegen. -Auch auf den +Hochofen-+ und +Stahlwerksanlagen+, bei den -+Reversierstraßen der Walzwerke+ setzte sich die elektrische -Kraftübertragung rasch durch. Hier galt es einen Kampf mit dem Gasmotor -zu führen, der allerdings nicht so leicht gewonnen werden konnte, wie -der mit der Dampfförderanlage. Die Verwendung des Turbinenantriebes für -Dynamos brachte die Elektrizität auch auf diesem Gebiet in Vorteil, -zumal da es hierdurch möglich war, die Abfallgase mehr als bisher -nutzbar zu machen. Immerhin behauptete sich der Gasmotor für manche -Zwecke. Auch in anderen Industriezweigen, in der Braunkohlenindustrie, -in der Papierindustrie, in der Textilindustrie, die großer -Heißdampfmengen bedarf, drang die Kraftübertragung im Verein mit der -Turbine vor. „Die Zeit der Groß-Elektromotoren ist im Beginnen“ heißt -es im Geschäftsbericht der A. E. G. für 1903/04. - -Die Hochkonjunktur für +Zentralstationen+, für die das letzte -Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts den Höhepunkt gebracht -hatte, war in den Jahren der Krisis und in der Folgezeit merklich -abgeflaut. Zwar wurden auch jetzt im Inlande, namentlich aber im -Auslande noch Zentralstationen errichtet, doch der Regiebetrieb -überwog den Unternehmer-Betrieb. Auch an Aufträgen für Ergänzungs- -und Ersatzlieferungen für alte Zentralen fehlte es nicht. Der -Geschäftszweig war aber im ganzen viel ruhiger geworden, und infolge -der scharfen Konkurrenzbedingungen nicht mehr so lohnend wie früher. -Schwung kam erst in ihn wieder hinein, als sich das Lokalwerk zur -+Überlandzentrale+ auswuchs, vermittelst des Hochspannungssystems -der Versorgungsradius der Kraftwerke sich ausdehnte und neben dem -städtischen Bedarf auch die Industrie und das platte Land in die -Versorgung von Zentralwerken einbezogen werden konnten. Erst jetzt -- -wiederum begünstigt durch die Ausgestaltung des Turbodynamos -- kam das -Drehstromsystem, das vorher etwas rohe und ökonomisch wie technisch -nicht ganz befriedigende Ergebnisse geliefert hatte, zu voller und -reifer Auswirkung. Aber die technische Leistungsfähigkeit war eher -erreicht als das Gleichgewicht der wirtschaftlichen Durchbildung. -Emil Rathenau warnte vor Überlandzentralen, die nur ländliche Bezirke -versorgten. Der ungleichmäßige, zeitweilig anschwellende, dann wieder -erheblich nachlassende Bedarf, die zu geringe Beanspruchung des Stroms -in den dünn besiedelten ländlichen Verbrauchsstätten machten die großen -Kosten des weit auseinandergezogenen Hochspannungsnetzes nicht bezahlt. -Erst der Anschluß von industriellen Verbrauchern, die Einbeziehung -lokaler Kraftwerke, die von den Überlandzentralen den Strom zu -niedrigeren als ihren eigenen Erzeugungskosten beziehen und ihn durch -ihre Anlagen umformen sowie verteilen konnten, ließen die Zentralen -rentabel arbeiten. An besonders geeigneten Stellen, im Kraftwerk an -der Oberspree, im oberschlesischen Industriebezirk schuf die A. E. G. -Musterbeispiele moderner und ökonomisch arbeitender Überlandzentralen. -Zu typischer Bedeutung gelangte das neue System erst in den Jahren -1907 bis 1909. Im englischen Kohlenrevier von Newcastle führte die -A. E. G. ein Kabelnetz von 130 km Länge mit 10000 bis teilweise -20000 Volt Spannung aus, im südafrikanischen Randminen-Gebiete -errichtete sie das gewaltige Elektrizitätswerk der +Victoria -Falls und Transvaal Power Co.+ mit Wasserkraftantrieb, das einen -beträchtlichen Teil der Goldminen Transvaals mit Energie versorgte, -während allerdings ein anderer Teil an seinen eigenen Kraftzentralen -festhielt. Als dieses Projekt in der Öffentlichkeit bekannt wurde, -warf man der unternehmenden Gesellschaft wie der bauausführenden -A. E. G. Phantasterei vor und hielt es technisch, besonders aber -wirtschaftlich für außerordentlich gewagt, eine oberirdische -Fernleitung 800 Kilometer weit von den Victoria-Fällen durch die Wüste -nach dem Rand zu legen. „Die deutsche Elektrizitätsindustrie ist an der -Ausführung des Planes durch ihr gewordene große Aufträge wesentlich -interessiert. Sie hat sich dadurch vielleicht ebenfalls etwas ins -Utopische hineinziehen lassen. Die Utopie ist aber eine Insel, die -schwer mit heilem Schiffe zu umsegeln ist,“ so hieß es in einer der -gelesensten Berliner Zeitungen. Nichtsdestoweniger gelang das kühne -Unternehmen. In Deutschland erstand durch die A. E. G. das +Märkische -Elektrizitätswerk+ bei Eberswalde, das eine Anzahl märkischer Kreise -versorgte und in neuester Zeit zu einem gemischt-wirtschaftlichen -Unternehmen unter Beteiligung der Provinz Brandenburg umgestaltet -wurde. Im westfälischen Bezirk wurde das +Elektrizitätswerk -Westfalen+ am Standorte der Kohle errichtet, im Saargebiet -gleichfalls ein großes Elektrizitätswerk unter denselben Bedingungen. -Zur Ausrüstung des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks, der -größten Montanzentrale Deutschlands, lieferte die A. E. G. Turbodynamos -von 21500 K. V. A. Ständig wurden diese Größenmaße überboten und im -Kriegsjahre 1915/16 erhielt dasselbe Werk von der A. E. G. Turbodynamos -von 60000 K. V. A. Auch in Braunkohlenrevieren entstanden große -Kraftwerke. Die Hochspannung wurde schließlich bis auf 100000 Volt und -mehr gesteigert. Über diese Werke, ihre rechtliche, wirtschaftliche -und technische Bedeutung soll in einem besonderen Kapitel gesprochen -werden. Hier seien sie nur als vorläufige Endpunkte einer mit der -Schaffung der Überlandzentralen eingeleiteten Entwickelung kurz erwähnt. - -Eine gleiche Entwickelung vom Kleinen zum Großen, vom Lokal- zum -Überland- und Fernbetrieb wie im Zentralenwesen vollzog sich auch -auf dem zweiten großen Ausdehnungsgebiete der Elektrizität, bei den -+elektrischen Bahnen+. Allerdings kam hier die Entwickelung noch -schwerer in Fluß und der Ausbreitung stellten sich größere Widerstände -entgegen als dem Bau zentraler Kraftwerke. Insbesondere bekundeten die -Staatsbahnverwaltungen in der Frage der Elektrisierung der Vollbahnen -Zurückhaltung. Emil Rathenau schätzte die Widerstände anfänglich wohl -zu gering ein, seinem lediglich auf den Fortschritt eingestellten -Geist war die bureaukratische und fiskalische Bedächtigkeit, mit -der die Verwaltungsbehörden diese Dinge anfaßten oder vielmehr nach -Möglichkeit von sich fernhielten, unverständlich. Er hatte daher -nicht mit ihr gerechnet und das Problem der Vollbahnen für gelöst oder -doch für lösbar gehalten, nachdem die technische Seite und vielleicht -auch die ökonomische, wie sie für große privatwirtschaftliche -Betriebe sich dargestellt hätte, ihre grundsätzliche Klärung gefunden -hatten. Bereits um die Wende des 20. Jahrhunderts sprach Rathenau in -den Geschäftsberichten der A. E. G. viel davon, daß die Lösung des -elektrischen Vollbahnproblems zu den nächsten großen Aufgaben der -Zukunft gehöre. Er hatte aber dabei wohl nicht genügend berücksichtigt, -daß eine aktive Art der demonstrativen Propaganda, wie sie die -Elektrizitätsindustrie unter seiner Führung bei der Einführung der -früheren großen Unternehmungstypen entwickelt hatte, auf diesem Gebiete -unmöglich war. Für Eigenbetriebe war hier wenigstens in Deutschland -wegen des Eisenbahnmonopols kein Raum, in anderen Ländern verbot der -Umfang der notwendigen Kapitalinvestitionen große Unternehmergeschäfte -im Vollbahnbau. - -So entwickelte sich der Großbahnenbetrieb nur langsam, tastend und -versuchsweise. Die Staatsbahnverwaltung verlangte umfangreiche Vor- -und Probearbeiten. Auf der Militärbahnstrecke Berlin-Zossen wurde ein -elektrischer Versuchsbahnbetrieb eingerichtet, an dem neben der A. -E. G. auch Siemens & Halske sich beteiligten. Die zu diesem Behufe -bereits im Jahre 1902 gebildete Studiengesellschaft bekundete schnell -ihre elektrotechnische Leistungsfähigkeit, indes gestattete der -Oberbau der Strecke nur eine Schnelligkeit von 125 km in der Stunde. -Um größere Schnelligkeiten zu erreichen, war eine Verstärkung des -Oberbaus der Strecke erforderlich. Nachdem diese durchgeführt war, -gelangen mühelos Stundengeschwindigkeiten bis zu 200 km. Damit war -die Schnelligkeitshöchstgrenze, über die man vorerst praktisch nicht -hinausgehen wollte, erreicht und die Studiengesellschaft beendete -im Jahre 1905 vorläufig ihre Arbeiten, nachdem sie die technische -Seite des Problems hinlänglich klargestellt hatte. Das von der A. -E. G. und Siemens & Halske auf Grund der Erfahrungen ausgearbeitete -+Projekt+ einer +elektrischen Schnellbahn Berlin-Hamburg+, -durch das die Elektrizitätsindustrie an einer Stelle der stärksten -Verkehrsakkumulation sozusagen in medias res springen wollte, erschien -der Regierung zu kühn. Es war dazu bestimmt, Schreibtischarbeit zu -bleiben. Dagegen entschloß sich die preußische Eisenbahnverwaltung in -schrittweisem Vorgehen zu einem zweiten Stadium der Versuchsarbeiten. -Es wurde -- auch hier wieder ohne Überstürzung und Beschleunigung --- der Ausbau einer größeren für den praktischen Verkehr bestimmten -+Vollbahnstrecke Magdeburg-Halle-Leipzig+ begonnen und zunächst -der Streckenteil Dessau-Bitterfeld in Angriff genommen. An dieser -Strecke sollte die betriebliche und wirtschaftliche Seite der -elektrischen Fernbahn studiert werden. Gemäß dem Grundsatz, daß bei -der Ausprobierung des Problems möglichst vielseitige Konstruktionen -und Erfahrungen gesammelt und aus ihrem Zusammenarbeiten die beste -praktische Lösung gefunden werden sollte, wurden verschiedene -Elektrizitätsfirmen zur Beteiligung aufgefordert, neben der A. E. G. -auch Siemens & Halske, die Bergmann Elektrizitätswerke und andere -leistungsfähige Unternehmungen. Noch eine weitere -- kleinere -- -Strecke Lauban-Königszelt, die nicht ausschließlich durch Flachland -führte, sondern größere Steigungen zu überwinden hatte, wurde in -Angriff genommen. - -Schon vorher hatte die A. E. G. sich auf eigene Faust mit dem -Schnellbahnsystem in seinen verschiedensten Formen, wenn auch -in kleineren Ausmaßen beschäftigt. Dabei hatte sie sich auf -das Einphasen-Wechselstromsystem gestützt, das die „Union“ ihr -aus dem amerikanischen Patentkreis in die Fusion eingebracht -hatte. Zunächst wurde es bei der Elektrisierung der Anhalter -Vorortbahnstrecke Berlin-Groß-Lichterfelde-Ost, dann auf der Strecke -Spindlersfeld-Johannisthal, beidemal im Auftrage der Preußischen -Staatsbahnverwaltung, ausprobiert und bewährte sich schon in der -ersten Anlage. Auch der Stadt- und Vorortverkehr von Hamburg-Altona -wurde nach demselben System teilweise in den elektrischen Betrieb -überführt, daneben wurden mehrere Gebirgsstrecken, so die Linie -Berchtesgaden-Salzburg, die Stubaitalbahn erbaut. Auch im Auslande -konnte die A. E. G. ihr Einphasen-Wechselstromsystem zur Anwendung -bringen, auf einer schwedischen Linie und auf der Strecke Padua-Fusina. -Die London Brighton und South East Bahn (Victoria Station) bezog ihre -elektrische Ausrüstung ebenfalls von der A. E. G. Um die elektrische -Städtebahn Köln-Düsseldorf mußte ein langwieriger Konzessionsstreit -geführt werden. Um das Bild der Betätigung der A. E. G. auf dem Gebiete -der elektrischen Vollbahnen vollständig zu machen, soll noch auf die -+Hamburger Hochbahn+ hingewiesen werden, die von der A. E. G. -gemeinsam mit Siemens & Halske erbaut wurde, ferner auf die +A. E. -G. Schnellbahn-Gesellschaft+, ein die Stadt Berlin in der Richtung -Gesundbrunnen-Neukölln durchquerendes Untergrundbahn-Unternehmen, das -in eigener Regie von der A. E. G. gebaut wird. Das Projekt wurde im -Jahre 1907 den Behörden unterbreitet, die Fertigstellung des Baus, -bei dem schwierige Wasseruntertunnelungen nach neuartigen Systemen -unternommen wurden, ist in einigen Jahren zu erwarten. Das Kapital -dieses Unternehmens, das ganz allein von der A. E. G. finanziert wird, -beträgt 42500000 M. - -Im Zusammenhang mit den Bestrebungen auf dem Gebiet des Fernbahnenbaus -wurde die +Lokomotivfabrikation+ aufgenommen, die sich bald -zu einem umfangreichen Geschäftszweig entwickelte. Bereits im -Jahre 1909/10 waren tausend Lokomotiven von den Fabriken der -Gesellschaft geliefert. Ergänzt wurden die Fabrikationen auf dem -Gebiet der motorischen Beförderungsmittel durch die Aufnahme -des +Automobilbaus+. Zu diesem Zwecke wurde in den ersten -Jahren des neuen Jahrhunderts die Automobilfirma Kühlstein in -Charlottenburg übernommen und eine eigene Fabrik neben dem Kabelwerk -Oberspree errichtet, die sowohl Benzin-Automobile wie Elektromobile -herstellte. Gerade auf diesem Gebiet blieben der Gesellschaft aber -Anfangsschwierigkeiten und Kinderkrankheiten nicht erspart. Die -schwere Automobil-Krise der Jahre 1907/08 traf auch ihre Fabriken, -und die Neue Automobil-Gesellschaft, die den Vertrieb der A. E. -G.-Automobile besorgte, mußte erst einer durchgreifenden Reorganisation -unterworfen werden, ehe aus dem von ihr bearbeiteten Geschäftszweige -ein rentables Unternehmen werden konnte. Bei der Automobilindustrie -sind die Erfahrungen der Krisenjahre auf ganz besonders fruchtbaren -Boden gefallen, sie hat die Unsicherheitsfaktoren, die gerade -in ihrer Fabrikation liegen, ebenso wie die ungewöhnlich großen -Reklameaufwendungen richtig einschätzen gelernt, und ist seither eine -der bestfundierten und reichsten Industrien Deutschlands geworden. - -Die gewaltig steigenden Leistungen und Ausmaße der elektrischen -Großkraftwerke auf allen Gebieten wären nicht möglich gewesen ohne -die schnelle und glückliche Entwickelung der +Turbinen+ und der -Turbodynamos. Emil Rathenau hatte sich in richtiger Voraussicht dieser -Entwickelung, mit dem sicheren Instinkt des geborenen Maschinenbauers, -dem neuen Gebiete frühzeitig zugewandt, und den Turbinenbau noch in -den Krisenjahren 1901 und 1902 als einen der neuen Geschäftszweige -aufgenommen, die dazu dienen sollten, die infolge der starken -Konkurrenz geschmälerten Gewinne der alten Produktionen zu ergänzen -und zu ersetzen. Er hatte sich nicht lange mit der eigensinnigen -Beschränkung auf die eigenen Turbinensysteme aufgehalten, sondern diese -nur als Kompensationsobjekte benutzt, um die besten damaligen Patente -in seinen Bereich zu ziehen und durch Verschmelzung mit seinen eigenen -einen möglichst vollkommenen Typ zu gewinnen. Er bekannte sich zu dem -Standpunkte, lieber eine vollkommene Maschine in einem vertraglich -beschränkten Absatzgebiet zu verkaufen, als für eine schlechtere -Maschine die ganze Welt freizuhaben. Diese Grundsätze kamen in den -Verträgen mit der General Electric und der Brown Boveri-Gesellschaft -zum Ausdruck. Die Turbine errang sich auf verschiedenen Gebieten -bald eine beherrschende Stellung. Große Kraftleistung, regelmäßiger -Gang, Geräuschlosigkeit und geringe Raumbeanspruchung zeichneten sie -vor den Kolbenmaschinen aus, ihre Größen- und Leistungsmaße erwiesen -sich schlechthin als unbegrenzt. Mit Leistungen von 3000 bis 6000 PS -begann die Turbine ihre Entwickelung, bis zu Leistungen von 60000 PS -ist sie zurzeit schon gelangt. Als die beiden Hauptanwendungsgebiete -hatten -- das wurde bald klar -- der Kraftantrieb bei Schiffen und die -Verbindung mit dynamoelektrischen Maschinen im sogenannten Turbodynamo -zu gelten. Schon im Jahre 1905 wurde der Hapag-Dampfer „Kaiser“ mit -2 Turbinen von je 6000 PS ausgerüstet, die vom ersten Tage an ohne -Störung liefen. Schnell griff die Kriegsmarine die neue Errungenschaft -auf, die damit erreichbare größere Schnelligkeit der Schiffe gab -für sie den Ausschlag. Zuerst wurden ein paar Torpedobootdivisionen -mit Turbinen ausgerüstet, dann der kleine Kreuzer „Mainz“. Die -gemachten Erfahrungen führten dahin, daß schließlich auch die -größten Schiffsneubauten der Marine Turbinenantrieb erhielten. Die -Handelsmarine entschloß sich etwas langsamer zur allgemeinen Einführung -der Turbinen. Hier war das Problem der Wirtschaftlichkeit, das für -die Kriegsmarine gegenüber der offenkundig größeren Schnelligkeit an -Bedeutung zurücktrat, erst zu lösen. Ferner wirkte zuerst der Umstand -störend, daß der Turbinenantrieb nur in +einer+ Laufrichtung -des Schiffes wirksam war. Für die Rückwärtsbewegung mußte eine -zweite Turbine oder ein zweiter Turbinensatz eingebaut werden. Die -Umschaltung der Turbinen gelang erst eine Reihe von Jahren später -durch Transformatoren (Föttinger Transformator). Nachdem die englische -Cunard-Linie ihre beiden Rekordbrecher-Schiffe „Lusitania“ und -„Mauretania“ unter Subvention der englischen Regierung gebaut und -mit Turbinenantrieb versehen hatte, verschloß sich auch der deutsche -Handelschiffsbau bei seinen Großschiffen der Turbine nicht länger. Die -Hamburg-Amerika-Linie versah ihre gewaltigen Bauten der Imperatorklasse -mit Turbinen, der Norddeutsche Lloyd verhielt sich zunächst allerdings -noch abwartend. -- Im Kraftantrieb wie im Schiffsbau hat allerdings -der Dieselmotor in den letzten Jahren sich einen Platz neben der -Turbine zu erringen verstanden, doch bewährte sich jener bislang nur -für kleinere Schiffseinheiten und für Privatzentralen, nicht so sehr -für Großkraftwerke und es ist ein Fall bekannt geworden, in dem eine -neue große Kraftzentrale die zuerst von ihr eingebauten Dieselmotoren -wieder stillgelegt und dafür Turbinen verwendet hat. Die A. E. G. hat -denn auch nur Dieselmotoren kleineren Typs in ihr Fabrikationsprogramm -aufgenommen. - -Der große Erfolg der Turbine führte naturgemäß bald dahin, auch -dieses Produktionsgebiet starker Konkurrenz auszusetzen, und zwar -umsomehr, als es von zwei verschiedenen Industriegruppen aus zu -erreichen und zu erobern war: von der +Elektrizitätsindustrie+ -und von der +Maschinenindustrie+ aus. Fast alle namhaften -Elektrizitätswerke und Maschinenfabriken bemächtigten sich der Turbine -und konnten, nachdem die Technik des Turbinenbaus die grundsätzlichen -Schwierigkeiten überwunden hatte und zu einer typischen Fabrikation -geworden war, unschwer brauchbare Konstruktionen herstellen: das -übliche Schicksal neuer Produktionszweige, in denen sich technische -Vorsprünge bei der systematischen Durchbildung und dem öffentlichen -Charakter der modernen Technik nicht lange aufrecht erhalten -lassen. Die Turbinenfabrikation wurde infolgedessen bald aus einem -privilegierten und einträglichen Geschäft zu einem landläufigen -und scharf umstrittenen. Überproduktion und Preisdruck waren die -Folge dieser Entwickelung, die sich höchstens durch eine allgemeine -Syndizierung, nicht durch Einzelverträge hätte beseitigen oder mildern -lassen. Ein allgemeines Syndikat kam bei der Verschiedenartigkeit der -Fabrikate und der Fabrikanten indes nicht zustande, die Sonderverträge -aus früherer Zeit hatten aber ihre Bedeutung verloren. Infolgedessen -löste die A. E. G. nach einiger Zeit auch ihr Turbinenabkommen mit der -Gesellschaft Brown Boveri & Cie. in Baden (Schweiz) und brachte den von -ihr früher erworbenen Besitz an Aktien dieser Gesellschaft wieder zur -Abstoßung. - - * * - * - -Die Krisis von 1907/08 hatte den starken und gefestigten Unternehmungen -der deutschen Elektrizitätsindustrie nicht viel anzuhaben vermocht. -Die A. E. G. hatte ihre Dividende von 12% unverkürzt aufrecht -erhalten können, und das Jahr 1908/09, das in der allgemeinen -Konjunktur bereits Ansätze zu einer Wiederbelebung aufwies, brachte -den Aktionären sogar eine vorsichtige Erhöhung auf 13%. Die großen -Arbeiten und schwebenden Probleme der A. E. G. waren während der -kritischen Zeit nicht unterbrochen, kaum verlangsamt worden. Von -einer Cäsur wie in 1901/02 war hier nichts zu spüren gewesen. Der -Umfang des Geschäftes, namentlich für Großmaschinen, und die Preise -hatten sich besonders gegen das Ende der Krisis wohl etwas gesenkt, -es setzten auch zeitweilig der Auftrieb und der jährliche Zuwachs -aus, auf die ein blühendes Unternehmen wie jeder lebendige Organismus -vielleicht vorübergehend, aber nicht dauernd verzichten kann, wenn -statt des Aufbaus nicht ein Abbau der Kräfte eintreten soll. -- Im -Geschäftsbericht für 1907/09 wird mit knappen Strichen das Bild der -schwindenden Krisis gezeichnet: - - „Die Krisis, die Handel und Gewerbe während der jüngsten Jahre - niederhielt, hatte ihren Ursprung in Amerika. Wie in mehreren - früheren Fällen, ist indes auch die Besserung des Wirtschaftslebens - von dort ausgegangen. Ihre Ausdehnung auf die heimische Konjunktur - wurde zunächst durch politische Besorgnisse und durch die - Unsicherheit über die deutsche Finanzreform verzögert. Erst in den - letzten Monaten zeigen sich erfreulicherweise auch in Deutschland - wieder vertrauenerweckende Ansätze zu einer Hebung der gewerblichen - Tätigkeit. Wenngleich nun die deutsche Elektrizitätsindustrie sich - gegenüber der jüngsten Krisis verhältnismäßig widerstandsfähig - erwiesen hatte, so begrüßt sie doch das Wiedererwachen des - Unternehmungsgeistes mit lebhafter Befriedigung und knüpft daran - die zuversichtliche Erwartung auf kräftige Anregungen und lohnende - Beschäftigung. - - War eine der Ursachen der Krisis die Geldklemme gewesen, so wurde - durch deren Beseitigung die Erholung eingeleitet. Die A. E. G. war - auch während der kritischen Periode des Geldmarktes mit verfügbaren - Mitteln überaus reichlich versorgt. Die Geldflüssigkeit, die - in vielen Fällen als Folge darniederliegender Gewerbstätigkeit - anzusehen ist, erklärte sich, soweit unsere Gesellschaft in - Betracht kommt, größtenteils aus den niedrigen Preisen der Metalle, - wie der sonstigen Rohstoffe und damit unserer Lagerbestände. Bei - Lieferungen und Bauausführungen hat sich diese Liquidität schon als - nutzbringend erwiesen. - - Die Gefahr einer Elektrizitätssteuer ist glücklich abgewendet - worden, nur Beleuchtungsmittel werden seit dem 1. Oktober d. J. - besteuert. Für die Verbraucher elektrischer Beleuchtungsmittel wird - diese Belastung insofern weniger empfindlich, als Leuchtkörper - für das Gas ebenfalls von der Steuer betroffen werden, und die - elektrischen Lichtquellen neuerdings so gebessert sind, daß - sie trotz der Steuer beträchtliche Ersparnisse gegen früher - ermöglichen.“ - -Nicht so glimpflich war die neue Krisis an den wenigen gemischten -Fabriken vorübergegangen, die sich abseits von dem Dualismus der beiden -führenden Großkonzerne noch bis dahin eine volle Selbständigkeit -gewahrt hatten. Die Kräfte, die sie nach den Blutverlusten der Krise -von 1901-1903 in den folgenden Jahren des Aufschwungs langsam wieder -angesammelt hatten, waren ihnen durch den bald von frischem entbrannten -Wettbewerb und die Angriffe der neuen Krisenzeit wieder verloren -gegangen. Viel Hoffnung, es den führenden Gruppen noch gleichtun, -diese an Leistungsfähigkeit und Finanzkraft erreichen zu können, -besaßen sie nicht mehr. Immer breiter dehnte sich das Wurzelreich der -„Großen“ unter der Erde, das Geäst ihrer üppigen Baumkronen über der -Erde aus, immer stärker sog es die Kräfte des Bodens in sich hinein, -nahm Licht und Luft für sich in Anspruch. Die größten Kapitalmächte -des Landes waren ihnen dienstbar geworden, speisten ihren Geldhunger, -konnten und wollten anderen Wettbewerbern nicht die riesigen Mittel -zuführen, die zur Behauptung neben den führenden Gruppen, oder -gar zur Überwindung jener Konzerne notwendig gewesen wären. Und -neue Geldmächte, die vielleicht ein Interesse an der Stärkung und -Stützung mittlerer Unternehmungen gehabt hätten, konnten sich auf dem -aufgeteilten und größtenteils kultivierten Kapitalboden Deutschlands -nicht mehr bilden. Denn ebenso wie in der Elektrizitätsindustrie lagen -die Wettbewerbsverhältnisse auch im Bankgewerbe. Auch hier war die -Welt vergeben, Machtverschiebung nicht mehr durch Neubildung, sondern -nur noch durch Konzentration und Fusion möglich. So nahte denn für -die Elektrizitätsindustrie die +zweite Fusionsära+, auch diese -wieder nach einer Krisis, die die Schwachen geschwächt und die Starken -gestärkt hatte. - -Zuerst wurde der Konzern +Felten Guilleaume Lahmeyer+ fusionsreif. -Die Felten Guilleaume Lahmeyerwerke in Mülheim und Frankfurt waren -1905 durch Zusammenschluß der Felten Guilleaume Carlswerk-Akt.-Ges. -mit der Fabrikationsabteilung der Elektrizitäts-Akt.-Ges. vorm. W. -Lahmeyer & Co. entstanden. Der Zusammenschluß war die Frucht jener -ersten Konzentrationsperiode in der Elektrizitätsindustrie gewesen und -die beiden stattlichen Provinzunternehmungen hatten versucht, sich -nach demselben Prinzip, nach dem die beiden großen Berliner Gruppen -vorgegangen waren, gegenseitig zu stützen und zu ergänzen. Der Versuch -mißlang, trotzdem das Mülheimer Carlswerk als ein altes, wohlsituiertes -und tragfähiges Unternehmen recht wohl den Kern hätte bilden können, -um den sich eine starke und leistungsfähige Elektrizitätsgesellschaft -gemischter Art kristallisieren konnte. Das Carlswerk war hervorgegangen -aus der schon im Jahre 1826 gegründeten offenen Handelsgesellschaft -Felten & Guilleaume, seine Ursprünge reichten also sogar weiter -zurück als die der Siemens & Halske-Ges. und gar der A. E. G. Das -Unternehmen war aber erst viel später der Elektrizitätsindustrie -nähergetreten und befaßte sich auch dann noch als Spezialfabrik fast -ausschließlich mit der Erzeugung von Draht, Kabeln und metallurgischen -Fabrikaten für die Zwecke der angewandten Elektrizität. So standen -die Dinge noch, als die offene Handelsgesellschaft nebst ihrer -Filiale in Nürnberg Ende 1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt -wurde. Damals war allerdings bei den Inhabern des Werkes -- und -darin lag einer der Hauptzwecke der Aktiengründung -- bereits der -Gedanke entstanden, der Zeitrichtung folgend, das Unternehmen zu -einem elektrischen Universalbetrieb auszubauen. Unter den Zwecken -der Aktiengesellschaft war auch die „Erlangung von Konzessionen -zur gewerblichen Ausnutzung der Elektrizität und deren Ausbeutung -im eigenen Betriebe oder mittels sonstiger Verwertung“ in den -Gesellschaftsvertrag aufgenommen. Es war vielleicht kein Schaden -für die Gesellschaft, daß die nahende Krisis eine umfangreichere -Betätigung der Gesellschaft auf neuen Gebieten, insbesondere im -Unternehmergeschäft, zunächst verhinderte. Erst nach Überwindung der -Krise tauchten die Ausdehnungspläne von neuem auf, und erhielten -durch die Konzentrationsbeispiele bei der Konkurrenz einen stärkeren -Nachdruck. Auch der Weg war vorgeschrieben. Er lag nicht in der -Errichtung eigener Fabriken mit neuen Geschäftszweigen, insbesondere -auf dem Gebiete der Maschinen- und Lampenherstellung, die eine zu lange -Anlaufszeit bis zur Produktionsreife gefordert und die Gesellschaft -gezwungen hätten, eine Menge von Betriebserfahrungen, neuen Techniken -aus dem Nichts zu schaffen und bis zur Wettbewerbsfähigkeit mit einer -hochentwickelten Konkurrenz zu vervollkommnen. Der Weg der Angliederung -schien schnelleren und leichteren Erfolg zu versprechen. Zeitweilig -hatte man sich mit dem naheliegenden Gedanken getragen, mit der -Kölner Helios-Gesellschaft, dem größten rheinischen Unternehmen auf -dem Gebiete der Licht- und Kraftelektrizität, zusammenzugehen, aber -ehe derartige Pläne sich verwirklichen konnten, kam der Zusammenbruch -des „Helios“, aus dem es, wie sich bald zeigte, auch mit Hilfe eines -stärkeren Werkes, keine Rettung mehr gab. So blieb eigentlich nur -Lahmeyer in Frankfurt übrig. In der Theorie ergänzten sich beide -Werke recht gut, vielleicht sogar besser als die Kontrahenten bei -den bisherigen Fusionen in der Elektrizitätsindustrie. Während -bei Siemens-Schuckert, bei der A. E. G. und der Union sich Werke -miteinander vereinigt hatten, die vielfach dieselben Erzeugnisse -herstellten und gleichartige Geschäftszweige betrieben, deckten sich -die Produktionen des Carlswerkes und der Lahmeyer-Gesellschaft nur zum -kleinen Teile. Dem „gemischten Starkstromwerk“ Lahmeyer fehlte die -Kabel- und Drahtindustrie vollständig, in der Schwachstrom-Technik, -die Felten und Guilleaume seit langem ganz besonders gründlich -ausgebildet und noch vor kurzem durch die Aufnahme des Baues von -Telephon- und Telegraphen-Apparaten ergänzt hatten, war Lahmeyer -nur ganz geringfügig tätig gewesen. Seine Hauptbedeutung lag in der -Fabrikation von elektrischen Maschinen, Motoren und Apparaten (in -denen im Jahre 1904/05 die Ablieferung 4783 Stück mit 164000 PS, gegen -25829 Stück mit 667773 PS bei der A. E. G. betragen hatte) und in -dem Bau von elektrischen Anlagen für eigene oder fremde Rechnung. -Ebenso wie Felten und Guilleaume eine Ergänzung ihres Betriebes durch -den Maschinenbau und das Anlagengeschäft schon seit längerer Zeit -anstrebten, hatte sich Lahmeyer bereits verschiedentlich mit der -Frage der Errichtung und des Erwerbs eines Kabelwerks beschäftigt. -Gut angelegt, litt und scheiterte der Plan des Zusammenschlusses an -der schlechten Durchführung. Was bei Siemens-Schuckert wenigstens -betrieblich, wenn auch nicht in gleicher Weise finanzpolitisch, was -bei der A. E. G.-Union in beiden Richtungen restlos gelungen war, -die +organische+ Verschmelzung und Vereinheitlichung, zwischen -Mülheim und Frankfurt kam sie nicht zustande. Gerade die „in die Augen -springenden Vorteile der Transaktion“, von denen der Geschäftsbericht -der Lahmeyer-Werke sprach, die Gunst der organisatorischen und -geschäftlichen Vorbedingungen, verleiteten offenbar zu einer zu -leichten Behandlung der Organisationsfrage. Da sich beide Betriebe -gut zu ergänzen schienen, glaubte man, die Zusammenarbeit und der -Zusammenschluß würden sich von selbst einstellen, brauchten nicht erst -durch sorgfältige Organisations- und Abtönungskunst herbeigeführt -zu werden. Die Folge war, daß beide Betriebe, in der Verwaltung -selbständig gelassen, nebeneinander und zu wenig miteinander arbeiteten. - -Die Selbständigkeit entwickelte sich mit der Zeit zu stark, das -Selbständigkeitsgefühl der örtlichen Direktionen verschärfte sich -allmählich zur Eifersucht, und die lokale Trennung, die zuerst -nur passive Hemmungen verursacht hatte, führte schließlich zu -lokalpatriotischen Absonderungen und Störungen. So kam es, daß am -Ende aus dem „Nebeneinander“, das nicht gleich von Anfang an zu einem -„Miteinander“ geworden war, in vielen Dingen ein „Gegeneinander“ -wurde. Beide Teile verfolgten zum mindesten im Kleinen, im -Betriebsdetail, eine eigene Geschäftspolitik, wenn es dem Aufsichtsrat -auch im allgemeinen gelingen mochte, die Gegensätze in der großen -Geschäftspolitik immer wieder auszugleichen oder wenigstens nicht -zum offenen Ausbruch kommen zu lassen. Eine solche Zwiespältigkeit -der Richtung, die das Gesamtunternehmen naturgemäß außerordentlich -schädigen, den Nutzen der Sammlung beeinträchtigen und die Kraft des -Auftriebs dämpfen mußte, hatte Emil Rathenau bei seinen Fusionen immer -klug zu verhindern gewußt und zwar gleich in den ersten Keimen. Auch er -nahm wohl geeignete Direktoren und Aufsichtsräte aus den angegliederten -Unternehmungen mit zu sich hinüber, aber sie durften keine -Nebenregierungen bilden, mußten sich anpassen und wurden, wenn sie dies -nicht konnten oder wollten, bald wieder ausgeschifft. Selbständige -Arbeit duldete auch er und wünschte sie sogar, aber sie mußte sich -streng sachlich äußern, sich dem Willensgesetze seiner Persönlichkeit -und dem Entwickelungsgesetze der A. E. G. unterordnen, dem er selbst -trotz aller scheinbaren Autokratie gehorchte. An Ungerechtigkeiten, -ja an Gewalttätigkeiten und sonstigen Zusammenstößen auf persönlichem -Gebiete hat es auch in seinem System nicht gefehlt, aber Rathenau hielt -es immer noch für besser, einmal einer einzelnen Persönlichkeit unrecht -zu tun, als die Ordnung des Gesamtunternehmens zu gefährden, dessen -streng zentralistische Leitung nicht angetastet werden durfte. - -Für die Konzentration Felten Guilleaume-Lahmeyer war es abgesehen -von der dualistischen Organisation nachteilig, daß die Frankfurter -Abteilung sozusagen unkonsolidiert in die Fusion hineingenommen worden -war. Die Union wie die Schuckertwerke waren bei ihrem Übergang auf -die Hauptwerke einer gründlichen Bilanzreinigung unterzogen worden, -ihre zu hohen Buchwerte waren auf einen Stand abgeschrieben worden, -der den Bilanzmaßstäben der aufnehmenden, durch und durch gesunden -Unternehmungen entsprach. Auch die Verfassung der Lahmeyerwerke hätte -einen derartigen Umwertungsprozeß erforderlich gemacht. Statt dessen -wurden die Buchwerte unverändert übernommen, da eine innere Sanierung -dem streng paritätischen Charakter dieser doch von „zwei gleichwertigen -und ebenbürtigen Gesellschaften“ beschlossenen Fusion nicht entsprochen -hätte. So krankte das Gesamtwerk weiter an der Krankheit des einen -der beiden Beteiligten, und die Gefahr lag nahe, daß auch das gesunde -Unternehmen schließlich angesteckt werden würde. Dieser in der -Gesamtanlage der Vereinigung anfänglich begangene Fehler mußte in der -weiteren Entwickelung umso nachteiliger hervortreten, als es nicht das -gesunde, tragfähige Kabelwerk, sondern das schwache Dynamowerk war, bei -dem sich die Hauptexpansion der folgenden Jahre abzuspielen hatte, bei -dem der Hauptwettbewerb mit der überlegenen Konkurrenz auszufechten und -auszuhalten war. Das Kabelwerk war in sich geschlossen und nur noch in -den unteren Stufen der Selbstbedarfsdeckung, also im Montanbetriebe, -auszubauen. Bei ihm war der Wettbewerb nicht -- wie im Maschinen-, -Turbinen- und Lampenfach oder im Unternehmergeschäft des Frankfurter -Werks -- ungeregelt, sondern durch das Kabelkartell vor ruinösem -Preiskampf gesichert. Somit traf es sich unglücklich, daß gerade der -schlecht organisierte, schlecht fundierte und mangelhaft geleitete -Teil des zersplitterten Unternehmens den ungünstigen Zeitverhältnissen -besonders stark ausgesetzt war. - -In den ersten beiden Jahren nach der Fusion, 1905 und 1906, war, -- -wohl auf Grund einer unbekümmerten, mit Zukunftshoffnungen rechnenden -Bilanzpolitik -- der Versuch einer aufsteigenden Rentenentwickelung -gemacht und es waren Dividenden von 10 und 11% ausgeschüttet worden, -aber schon im Jahre 1907, das doch eigentlich ein Hochkonjunkturjahr -war, mußte die Gesellschaft auf 10% heruntergehen, dann ging es weiter -abwärts auf 8%, 6 und 4%. -- In Frankfurt, namentlich aber auch in -Mülheim mußte man sich jetzt sagen, daß die Dinge so nicht weitergehen -konnten, sollten die guten Gewinne der Mülheimer Abteilung nicht durch -die Zuschüsse, die das Dynamowerk in den letzten Jahren gefordert -hatte, vollends aufgezehrt werden. Aussicht auf Besserung war nirgends -zu sehen, sofern das Dynamowerk weiter seine Selbständigkeit behaupten -wollte. So entschloß man sich zu Verhandlungen mit der A. E. G., die -von Dr. Walther Rathenau über die grundsätzlichen Punkte hinweg geführt -wurden, ehe der Vorstand der A. E. G. sich mit ihnen beschäftigte. -Der +Abschluß+ erfolgte in +zwei Etappen+. Zunächst wurde -die Elektrizitäts-Gesellschaft vormals Lahmeyer in Frankfurt a. M., -die bei der Fusion des Dynamowerks mit Felten Guilleaume bestehen -geblieben war und das Beteiligungsgeschäft selbständig weitergeführt -hatte, mit der Bank für elektrische Unternehmungen in Zürich, der -Finanzgesellschaft der A. E. G., in Verbindung gebracht. Auch die -Elektrizitäts-Gesellschaft Lahmeyer, die für ihre an die Felten -Guilleaume-Lahmeyerwerke im Jahre 1905 abgetretenen Fabrikanlagen 15 -Millionen Mark Aktien der letzteren Gesellschaft erhalten und ins -Portefeuille genommen hatte, war durch den Dividendenrückgang des -Fabrikations-Unternehmens, der für ihren Haupteffektenposten eine -bedeutende Mindereinnahme mit sich brachte, in Mitleidenschaft gezogen -worden und hatte ihre eigene Dividende von 7 auf 4% ermäßigen müssen. -Als nunmehr von ihrem 25 Millionen Mark betragenden Aktienkapital -21720000 Mark auf die Züricher Elektrobank übergingen, wurden auf -je 4000 Mark Lahmeyer-Aktien 3000 Frcs. neue Elektrobank-Aktien -gegeben, so daß 16290000 Frcs. dieser Elektrobank-Aktien für die -Durchführung des den Lahmeyer-Aktionären anheimgegebenen Umtausches -erforderlich waren. Mit dieser ersten Transaktion aus der Gruppe -der A. E. G.-Lahmeyer-Geschäfte, die sich lediglich zwischen den -beiderseitigen Finanzgesellschaften abspielte, war aber doch schon eine -Brücke auch zwischen den Fabrikationsunternehmungen geschlagen. Denn -die 14 Millionen Mark Aktien der Felten & Guilleaume Lahmeyerwerke -(1 Million Mark war vorher abgestoßen worden), die sich im Besitze -der Elektrizitäts-Ges. Lahmeyer befunden hatten, waren damit nebst -2 weiteren Millionen Mark aus Konzernbesitz in den Machtbereich der -A. E. G. gelangt. Ein so kleiner Aktienbesitz erschien aber für die -Ausübung der Macht seitens der A. E. G. nicht ausreichend. Auf ihr -fußend konnte Rathenau eine Neuordnung der Verhältnisse bei dem Felten -Guilleaume-Lahmeyer-Konzern noch nicht durchführen. Der +ersten -Transaktion+, die Ende August 1910 vor sich ging, folgte Mitte -Oktober nach weiteren eingehenden Verhandlungen die +zweite+ -entscheidende. Sie war von dem Gelingen des Aktienaustausches zwischen -der Bank für elektrische Unternehmungen und der Elektrizitäts-Ges. -vormals Lahmeyer abhängig gemacht worden und führte zu folgenden -Anträgen an die Generalversammlung der A. E. G. vom 15. Oktober 1910: - - „1. Das Grundkapital der Gesellschaft wird um 30 Millionen Mark auf - 130 Millionen Mark erhöht durch Ausgabe von 30000 auf den Inhaber - lautenden Aktien über je 1000 Mark, die für das mit dem 30. Juni - 1911 abschließende Geschäftsjahr den halben Gewinnanteil erhalten - und sonst den übrigen Aktien gleichstehen. - - Von diesen Aktien werden: - - a) 8777 Stück den Herren Geheimer Kommerzienrat Theodor - von Guilleaume und Kommerzienrat Max von Guilleaume zu - Mülheim am Rhein zum Nennwert überlassen gegen Hergabe - von nominal 16 Millionen Mark Aktien der Felten & - Guilleaume-Lahmeyerwerke-Aktien-Gesellschaft zu Mülheim am Rhein - nebst Gewinnanteilscheinen vom 1. Januar 1910 ab; - - b) 11223 Stück werden der Felten & - Guilleaume-Lahmeyerwerke-Aktien-Gesellschaft zu Mülheim am - Rhein zum Nennwert überlassen gegen Einbringung der sämtlichen - 10 Millionen Mark nominal Aktien einer neu zu gründenden - Aktiengesellschaft unter der Firma A. E. G.-Lahmeyer-Werke - Aktiengesellschaft oder unter einer anderen Firma, zu Frankfurt - a. M., die die gesamte Abteilung Frankfurt (Dynamowerk) der - Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke Aktiengesellschaft zu - Mülheim am Rhein, mit allen zugehörigen Immobilien, Maschinen, - Beständen, Vorräten und Aufträgen, jedoch ohne Übernahme von - Schuldverbindlichkeiten und Außenständen, besitzen soll. - - c) 10000 Stück der Berliner Handels-Gesellschaft und der - Direktion der Diskonto-Gesellschaft zu Berlin gemeinschaftlich - zum Kurse von 200% und einem Spesenbauschbetrag von je 100 Mark - für jede Aktie ohne Stückzinsenberechnung überlassen und mit der - Verpflichtung, die sämtlichen übernommenen 10000 Stück-Aktien - alsbald nach Eintragung des Kapitalserhöhungsbeschlusses in das - Handelsregister den Besitzern der 100 Millionen Mark alter Aktien - unter Offenhaltung einer mindestens zweiwöchentlichen Frist zum - Kurse von 200% und einem Spesenbauschbetrag von 100 Mark für - jede Aktie zum Bezuge derart anzubieten, daß auf je 10000 Mark - Nennwert alter Aktien eine neue Aktie bezogen werden kann. - - Die Ausgabe dieser 10000 Stück Aktien erfolgt zur Verstärkung der - Betriebsmittel.“ - -Den Anträgen wurde folgende Begründung gegeben: - - „Als die Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke Akt.-Ges. für - das Jahr 1909 nur 6% Dividende verteilte, weil der in den - letzten Jahren bei ihrem Dynamowerk in Frankfurt a. M. - eingetretene Rückgang die früheren guten Dividenden der Felten - & Guilleaume-Gesellschaft beeinträchtigte, wurden Verhandlungen - wegen Abstoßung des Frankfurter Werkes veranlaßt. Diese haben - zu einer Verständigung mit der A. E. G. geführt, nach der die - Felten & Guilleaume-Gesellschaft das Dynamowerk an die A. E. - G. gegen Hergabe von neuen A. E. G.-Aktien abstößt. Das Werk - wird der A. E. G. in Form einer mit einem Aktienkapital von 10 - Millionen Mark und mit Reserven von 3 Millionen Mark ausgestatteten - Aktiengesellschaft übergeben; diese neue Gesellschaft übernimmt die - Fabriken und Anlagen des Dynamowerks nebst Inventar und Vorräten, - jedoch ausschließlich Debitoren und Kreditoren. Das Werk geht - hiermit auf ein Unternehmen über, das die Kraft und Mittel zu - dessen vorteilhafter Ausgestaltung besitzt. Zugleich wird die A. - E. G. infolge der bei der Überlassung ihrer Aktien festgesetzten - Relation das Frankfurter Werk zu niedrigem Buchwert in ihre Bilanz - einstellen können. Für die Felten & Guilleaume-Gesellschaft - ergibt sich der nicht zu unterschätzende Vorteil, daß sie die - von ihr für das Frankfurter Werk bisher verwendeten erheblichen - Kapitalien in Zukunft nutzbringend in ihren Stammwerken anlegen - wird. Hiermit bessert sie ihre bisherige Situation wesentlich, - indem sie an Stelle von Verlusten aus dem Dynamowerk Gewinne aus - den frei gewordenen Mitteln ziehen kann. Zu der Übernahme des - Dynamowerks hat sich die A. E. G. indes nur unter der Voraussetzung - entschlossen, daß ihr gleichzeitig ein ausreichender Betrag Aktien - der Felten & Guilleaume-Gesellschaft zu günstigen Bedingungen - überlassen wurde. Indem weit ausschauende Großaktionäre der Felten - & Guilleaume-Gesellschaft 16 Millionen M. Aktien an die A. E. G. - abtreten, erlangt diese in Gemeinschaft mit der +befreundeten - Elektrobank in Zürich 32 Millionen Mark Aktien von den im ganzen - 55 Millionen betragenden Felten & Guilleaume-Aktien und hiermit - entscheidenden Einfluß+ auf die in hohem Ansehen stehende - Gesellschaft, aus deren Firma der Name Lahmeyer in Zukunft - ausscheidet. Zudem erwachsen der A. E. G. Vorteile daraus, daß - sie mit der Übernahme des Frankfurter Dynamowerks eine lästige - Konkurrenz beseitigt, mit dem Dynamowerk materielle und ideelle - Werte zu günstigen Bedingungen erwirbt, einen +neuen Stützpunkt - in Süddeutschland+ erlangt und durch innige Verbindung ihres - Kabelwerks mit dem alten Mülheimer Carlswerk auch auf dem +Gebiet - des Seekabelwesens+ die Führung übernimmt. Indem die A. E. G. in - dieser Weise ihre Stellung von neuem um ein erhebliches stärkt, - wird dieser Zusammenschluß auch der von dem Dynamowerk befreiten - Felten & Guilleaume-Gesellschaft die Bahn zu neuer erfolgreicher - Tätigkeit ebnen. - - Der Erwerb der 16 Millionen Mark Felten & Guilleaume-Aktien erfolgt - gegen Hergabe neuer A. E. G.-Aktien in einem Umtauschverhältnis, - das der A. E. G. die Einstellung in die Bilanz zu niedrigem - Buchwert gestattet. Während die vorstehenden Transaktionen - 20 Millionen Mark neue A. E. G.-Aktien erfordern, soll den - Aktionären gleichzeitig ein Bezugsrecht auf 10 Millionen Mark - Aktien angeboten werden, um die Mittel für den Betrieb und die - Ausgestaltung des Dynamowerks zu schaffen.“ - -Das Prinzip der Gesamttransaktion bestand also darin, daß die -mißlungene Verbindung zwischen der Frankfurter Lahmeyer-Fabrik und dem -Carlswerk durch einen resoluten Schnitt wieder beseitigt wurde. Der -Frankfurter Teil wurde mit der A. E. G. verschmolzen, der Mülheimer -Teil und die Finanzgesellschaft traten durch Aktienbeteiligung in den -Konzern der A. E. G. ein. Da der Kurs der A. E. G.-Aktien zur Zeit -jener Transaktion ungefähr 260% betrug, stellten die 11223000 Mark -jungen Aktien, die mit halber Dividendenberechtigung für 1910/11 bei -der Übernahme des Lahmeyer-Dynamowerks in Zahlung gegeben wurden, -einen rechnerischen Wert von etwa 28,4 Millionen Mark dar. In der -Bilanz der A. E. G. erschien das Werk allerdings nur mit einem Betrage -von 10 Millionen Mark, das heißt in Höhe des Nominalkapitals der A. -E. G.-Unternehmungen-Akt.-Ges., welchen Namen die zur Aufnahme der -Frankfurter Werke der Felten & Guilleaume-Lahmeyerges. neu gegründete -Aktiengesellschaft schließlich erhielt. Diese blieb in Zukunft nicht in -ihrer bisherigen Gestalt, das heißt als gemischtes Elektrizitätswerk, -bestehen. Die Hauptabteilungen, die als Produktionsstätten die -Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Berliner Betriebe nicht -erreichten, so die Maschinenfabrik, die Lampenfabrik wurden aufgegeben -bezw. mit den Berliner Betrieben zusammengelegt. Aufrechterhalten und -weiterentwickelt wurden in Frankfurt nur einige Sonderbetriebe, so -die Stellwerk-Abteilung, in der elektrische Signalapparate als neuer -Produktionszweig aufgenommen wurden, ferner die Scheinwerferabteilung, -die hauptsächlich für den Bedarf von Heer und Marine arbeitete. Die -Beschränkung der Frankfurter Abteilung hatte zur Folge, daß ein -beträchtlicher Teil des in Frankfurt benutzten Fabrikgeländes frei -wurde, der an die Adlerwerke vorm. Kleyer veräußert werden konnte und -somit einen Gegenwert für die Aufgabe der Frankfurter Betriebsstätten -und die damit verbundenen Substanzenverluste bildete. - -Die technische und industrielle Bereicherung, die die A. E. G. aus dem -Transaktionskomplex mit dem Felten & Guilleaume-Lahmeyerkonzern gewann, -war vielleicht nicht so groß wie jene, die ihr bei dem Zusammenschluß -mit der Union zugeflossen war. Die Bedeutung lag hier mehr auf dem -Gebiete der Verringerung des Wettbewerbs und der Absatzausdehnung, -die durch die neuen starken Stützpunkte in Süddeutschland und dem -industriereichen Westen gefördert werden konnte. Dem kräftigen, -wohl arrondierten und wohl proportionierten Wirtschaftskörper -der A. E. G. waren nicht so sehr neue Lebensquellen, neue -Befruchtungsmöglichkeiten nötig, sondern er schob die Grenzen seines -Wirtschafts- und Wirkungsgebiets, der Schwerkraft, dem drängenden -Wachstumsbedürfnis seiner industriellen Kraft Raum schaffend, weiter -vor. Der Wille zur Macht und zur Entwickelung der Macht, der jedem -blühenden Wirtschaftskörper unzertrennlich innewohnt, war hier die -Haupttriebfeder des Handelns. Rein wirtschaftlich betrachtet, gehörte -die Aufnahme der Lahmeyerwerke zu den Geschäften, die sich nicht sofort -und nicht unmittelbar völlig bezahlt machen, und es gehörte schon die -ganze strotzende Gesundheit der A. E. G. und die Fülle ihrer Säfte -dazu, um einen so schweren Bissen wie das Lahmeyerwerk zu verdauen und -zu verarbeiten. Erst allmählich begann diese Fusion sowie auch die -Verbindung mit dem Carlswerk ihre Früchte zu tragen. - -War Triebfeder und Ergebnis der Lahmeyer-Transaktion für die -A. E. G. in erster Linie Machterweiterung, so konnte es nicht -ausbleiben, daß das die Verhältnisse in der Elektrizitätsindustrie -beherrschende Gesetz des +Dualismus+ die Wurzel für einen +Gegenzug+ -des +Siemens-Schuckert-Konzerns+ bildete. Dieser erfolgte -nicht so stürmisch, so „Zug um Zug“ wie in der ersten großen -Konzentrationsperiode, in der die Machtverhältnisse noch nicht so -gefestigt, die Möglichkeiten der Ausdehnung noch zahlreicher, die -Auswahl unter den Fusionsobjekten noch größer, die ganze Entwickelung -noch mehr im Fluß gewesen war. Beide Konzerne waren inzwischen in -ihrem Besitz, in ihrer inneren Verfassung reicher, weiter und sicherer -geworden und konnten ihre Transaktionen langsam vorbereiten und -überlegen. Sie brauchten sich der neuen Objekte nicht ungeduldig zu -bemächtigen, sondern konnten die Dinge an sich herankommen lassen. -So dauerte es noch fast ein Jahr, bis die Siemens-Schuckert-Werke -auf die Machterweiterung der A. E. G. damit antworteten, daß sie -sich durch Aktienerwerb und Verwaltungseinfluß an dem letzten -bis dahin noch unabhängig gebliebenen „gemischten“ Großwerk der -Elektrizitätsindustrie, den +Bergmann-Elektrizitätswerken+, beteiligten. - -Die Bergmann-Elektrizitätswerke in Berlin waren nicht als -gemischtes Werk gegründet worden, sondern hatten sich, -ursprünglich als Spezialfabrik für Isolier-Leitungsrohre und -Spezial-Installations-Artikel errichtet, erst später und in -allmählichem Ausbau zum elektrischen Universalunternehmen entwickelt. -Ihre Geschichte, ihr Kampf und ihr Schicksal ist in mehr als einer -Hinsicht charakteristisch für die Gestaltung der Verhältnisse in der -deutschen Elektrizitätsindustrie nach der Krise von 1901/03. Im Jahre -1893 wurde die Gesellschaft mit dem kleinen Kapital von 1 Million -Mark zur Herstellung der oben erwähnten Sonderartikel gegründet, sie -ging hervor aus der seit 1891 bestehenden offenen Handelsgesellschaft -S. Bergmann & Co. in Berlin. Sigmund Bergmann, ihr Gründer, stammte -aus der Schule des Amerikaners Edison, mit dem er jahrelang als -Associé zusammengearbeitet hatte und der ihm auch später stets in -enger Freundschaft verbunden blieb. Bergmann gründete im Jahre 1897, -während er seinen Wohnsitz noch in New York hatte, außerdem die -Bergmann-Elektromotoren- und Dynamo-Werke, die gleichfalls zuerst nur -mit einem Kapital von 1 Million Mark arbeiteten. Im Jahre 1900 wurden -beide Gesellschaften miteinander fusioniert und das Kapital des damit -den Weg der gemischten Werke beschreitenden Gesamtunternehmens erhielt -einen Umfang von 8,5 Millionen Mark. Die Gesellschaft, technisch aufs -beste und modernste ausgerüstet und mit den neuesten amerikanischen -Konstruktionen arbeitend, hatte bis zum Jahre 1900 ihre Dividenden -auf 23% gesteigert. Die Krisis brachte nur einen Rückgang auf den -immerhin noch sehr hohen, von keiner anderen Elektrizitätsgesellschaft -jemals gezahlten Satz von 17%. Nach der Krisis stellte sich die -Dividende jahrelang auf 18%. Die hohe Rente bot die Möglichkeit zur -Erzielung großer Agiogewinne bei den verschiedenen und häufigen -Kapitalerhöhungen. Die Aktienkurse bewegten sich zwischen 200 und 300%. -Bei Neuemissionen konnten Begebungskurse von durchschnittlich 200% -festgesetzt werden, und kein geringeres Institut als die Deutsche Bank -wurde für den Aufsichtsrat und als Bankverbindung für die Gesellschaft -gewonnen. - -Diese äußerlich glänzende Entwickelung hatte aber eine Schattenseite. -Sigmund Bergmann war ein ausgezeichneter Techniker, ein moderner, -tatkräftiger Industrieller, aber er, der Amerikaner unter den deutschen -Elektrikern, glaubte die amerikanischen Industrie- und Finanzmethoden -nach Deutschland übertragen zu können, wo doch Emil Rathenau längst -einen Typus und ein System entwickelt hatte, das dem amerikanischen -weit überlegen war und die nach diesem arbeitenden Unternehmungen -letzten Endes schlagen +mußte+. Bergmann mangelte bei seinen -außerordentlichen technischen und industriellen Fähigkeiten eine -ebenbürtige kaufmännische Veranlagung. Er kopierte hier eigentlich -nur, was ihm die großen Konkurrenzwerke bereits erfolgreich vorgemacht -hatten. Ganz ging ihm aber die +finanzielle Meisterschaft+ eines -Emil Rathenau ab, er besaß nicht das eigene finanzielle Urteil, -geschweige denn die originale, schöpferische Finanzkunst des A. -E. G.-Gründers. So ließ er sich auf der Bahn, die ihm die ersten -großen technischen Erfolge seines Unternehmens mit ihren hohen -Dividendenresultaten eröffnet hatten, gern und kritiklos weitertreiben. -Er nutzte unbekümmert um die innere Konsolidierung, um die Sicherung -seiner Basis durch starke Reservestellungen, die Möglichkeiten aus, -die ihm die hohen äußeren Renten boten. Seine Finanztechnik bestand -in der Ausmünzung des +Aktienagios+, und er glaubte genug -Rücklagen zu haben, wenn er die ihm aus seinen Kapitalserhöhungen -zufließenden stattlichen Aufgelder in den Reservefonds einstellte. -Seine Finanzpolitik war ein grundsätzliches Gegenbild zu der Emil -Rathenaus, der sich nie durch die Agiochancen dazu verführen ließ, -seine Dividenden höher zu bemessen, als ihm dies seine streng -sachliche, hypervorsichtige Bilanzierung gestattete. Sigmund Bergmann -war dabei zweifellos finanziell gutgläubig, seine Finanzpolitik kann -nicht etwa als +leichtfertige+ Agiotage bezeichnet werden, und in -einer anderen, nicht so sehr durch übermächtigen Wettbewerb älterer -Unternehmungen beengten Industrie hätte sie vielleicht sogar passieren -können. Bergmanns Tragik war, daß er 10 oder 15 Jahre zu spät kam, und -in seiner Fachtüchtigkeit einen Gegner wie Emil Rathenau vorfand, der -nicht nur fachtüchtig, sondern universal-tüchtig war und obendrein -im Besitz, im Vorsprung war. Bergmann fand die ungeheuer schwere -Aufgabe vor, nicht nur unter gleichen Bedingungen die stärksten Gegner -zu besiegen, sondern noch deren beträchtliche Vorgabe einzuholen. -Der Mut, mit dem der finanziell naive Techniker an die gewaltige -Aufgabe heranging, ist bewunderungswürdig, bewunderungswürdig auch, -was er unter so ungünstigen Bedingungen industriell erreicht hat. -Der Ausbau seiner kleinen Spezialbetriebe zu einem großen modernen -elektrotechnischen Universalwerk, das sich in technischer Beziehung -durchaus neben der A. E. G. und Siemens-Schuckert sehen lassen konnte, -ist eine hervorragende Leistung, die ohne bedeutende Organisationskraft -nicht zu bewältigen war. Da er große und zahlreiche Werke schnell -bauen mußte, auch in der kostspieligen Außenorganisation, die ihn zur -Errichtung vieler auswärtiger und ausländischer Installations- und -Konstruktionsbureaus zwang, und schließlich in der Fundierung des -Unternehmergeschäfts, die er durch die Gründung einer Trustgesellschaft -„der Bergmann Elektrische Unternehmungen-Akt.-Ges.“ zu stützen -versuchte, den großen Vorbildern nachstreben mußte, konnte er -allerdings wohl finanziell gar nicht so vorsichtig und bedächtig -vorgehen wie Emil Rathenau. Er konnte sich nicht den Luxus leisten, -das Geld auf die hohe Kante zu legen, sondern mußte häufige und -umfangreiche Kapitalerhöhungen vornehmen, und dabei so beträchtliche -Agiobeträge wie möglich hereinbringen. Er war spät gekommen und -mußte schnell vorwärts, wenn er noch mit an die Spitze wollte. Der -finanziell Einsichtige hätte wissen müssen, daß er so Gefahr lief, -sich letzten Endes in geldlichen Schwierigkeiten zu verfangen, der -industriell Wagemutige und Schaffensfreudige hat das Experiment doch -versucht, und ist daran gescheitert. Bergmanns Tragödie ist die -Tragödie des Nachgeborenen, der mit all seiner Schaffenskraft beendete -Entwickelungen, verschlossene Kanäle, gelöste Probleme vorfindet, wie -Rathenaus Glück das Glück des Schöpfers ist, der gerade im Augenblicke -zu schaffen beginnt, in dem die Zeit seinen Plänen entgegenreift, -in dem Baugrund und Baumaterial nur des Baumeisters warten. Den -einen haben die Verhältnisse niedergehalten, den anderen haben sie -emporgetragen. - -Sigmund Bergmann war es zwar in den Tagen des Glücks gelungen, die -erste deutsche Bank zur Unterstützung seiner Finanzgebarung zu -gewinnen. Aber gerade hier hat sich erwiesen, wie wenig auch die -beste Bank (wenn sie nicht gerade selbst industrielle Unternehmungen -entwickelt) in der Lage und gewillt ist, rein industrielle -Finanzpolitik zu treiben, die eigene, rein sachliche und nur den -Interessen des Unternehmens dienende Finanzpolitik des industriellen -Leiters zu ersetzen. Gerade dieses negative Ergebnis bei Bergmann -illustriert in scharfem Kontrast, wie sehr umgekehrt Emil Rathenau, -der sein eigener Finanzminister war, die Bankier-Begabung zustatten -gekommen sein muß. Die Deutsche Bank hat Sigmund Bergmanns falsche -Finanzpolitik, die ihr selbst bei den vielen Kapitalserhöhungen schöne -Provisions- und Emissionsgewinne einbrachte, bereitwillig und ohne -Kritik mitgemacht, so lange alles gut ging. Als aber die Zeit der -Dividendenrückgänge, des Schwachwerdens im Konkurrenzgeschäft, das -Versagen des Emissionsmarktes und die durch keine Kapitalserhöhungen -mehr zu behebenden Geldschwierigkeiten kamen, hat die Deutsche Bank -der Gesellschaft und ihrem Leiter nicht die starke finanzielle -Rückendeckung gewährt, die ihn vielleicht noch (oder vielleicht -auch nicht mehr) hätte retten können. Sie hat vielmehr die -Bergmann-Gesellschaft zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit, zum Anschluß -an einen der großen Konzerne gedrängt und die weitere Geldhergabe -von dieser Kapitulation abhängig gemacht. Mit diesen Worten soll -der Deutschen Bank gewiß nicht der Vorwurf einer illoyalen, -unzuverlässigen Handlungsweise gemacht, sondern nur gezeigt werden, -daß auch die größten Banken nicht gewillt und imstande sind, schon mit -Rücksicht auf ihre eigenen Aktionäre gar nicht imstande sein können, -junge Industrie-Unternehmungen im Kampf gegen große übermächtige -Konkurrenzkonzerne durchzuhalten und in ihrer Entwickelung zu stützen; -insbesondere dann nicht, wenn diese Kapitalmächte -- wie das im -deutschen Wirtschaftsleben nicht selten der Fall ist -- in Beziehungen -zu einem jener großen Konkurrenzkonzerne stehen und im Interesse der -wertvolleren Verbindung die minder wertvolle preiszugeben geneigt -sind. Die Unabhängigkeit eines Industrieunternehmens, besonders eines -mittleren, noch nicht zum ersten Range emporgestiegenen, kann nur auf -dem Wege erreicht werden, den Rathenau einschlug, nämlich dem der -finanziellen Selbständigkeit. Unbedingt Herr im eigenen Hause bleibt -nur +der+ Industrielle, der sich frei von Bankgeld und Bankenhilfe -hält, der genug eigene Geldmittel aufsammelt, um damit auch Krisen -überwinden, in Zeiten schlechten Emissionswetters seine Bedürfnisse -decken zu können. Beispiele für solche selbständige Finanzpolitik, -die zwar die Banken gelegentlich benutzt, darin aber nicht so weit -geht, daß sie von Banken beherrscht werden kann, bieten abgesehen von -der A. E. G., Siemens & Halske, Krupp, die Hamburg-Amerika-Linie, die -Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, der Bochumer Gußstahlverein, -die großen Anilinfarbengesellschaften und eine erhebliche Anzahl in -der letzten Zeit reich gewordener Unternehmungen kleineren Formats. -Gegenbeispiele der durch Banken in ihrer sachlichen Geschäftspolitik -zeitweilig beeinflußten Unternehmungen sind außer Bergmann u. a. die -Phönix-Akt.-Ges. in ihrer früheren Periode, in der sie durch die -Banken zum Eintritt in den Stahlwerksverband gezwungen wurde, die -Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-Ges., die Hohenlohewerke, -die Deutschen Erdölwerke. Nur +ein+ großes Beispiel, bei dem -sich industrielle Selbständigkeit mit starker Verschuldung bei Banken -vereinigt hat, kennt die Geschichte der deutschen Großindustrie: -den Fall +August Thyssens+. Dieser Ausnahmefall weist aber -so viele seltene, einzigartige Vorbedingungen auf, daß er gerade -dadurch die Regel bestätigt. Eine große, kühne und ganz besonders -im Komplizierten sich erweisende Finanzkunst, die in ihrer Art der -ganz anders gerichteten Emil Rathenaus ebenbürtig war, die mit dem -persönlichen Kredit ebenso überlegen operierte, wie Rathenau mit dem -Aktienkredit, unterstützte hier die industrie-kaufmännische Begabung. -August Thyssen verstand es, so viele Kreditquellen zu benutzen, und die -Konkurrenzströmungen auf dem Kapitalmarkte so geschickt gegeneinander -auszuspielen, daß er stets Herr der Lage blieb und schließlich eine -Macht wurde, mit der es kein Bankgläubiger verderben durfte, -- in -guten Zeiten, weil er den großen Kunden zu verlieren fürchtete, in -schlechten, weil er die Sicherheit des geliehenen Geldes besser durch -Nachgiebigkeit als durch Rücksichtslosigkeit gewährleistet glauben -mußte. - -Kehren wir zu den Verhältnissen der Elektrizitätsindustrie zurück. -Die Bergmann-Elektrizitätswerke mußten, durch den Konkurrenzkampf der -letzten Jahre geschwächt, mitten in großen Erweiterungsplänen und -Geldbedürfnissen, ihre Dividende im Jahre 1910 von 18 auf 12%, im -folgenden Jahre auf 5% herabsetzen. Der überanstrengte Emissionskredit -brach damit zusammen, die unvollendeten Pläne konnten nicht mehr weiter -geführt werden. In dieser Situation gab es keinen anderen Ausweg als -den Anschluß an einen der großen Konkurrenzkonzerne. Die Deutsche -Bank vermittelte die Anlehnung an den Siemens-Schuckert-Konzern, -dem sie ja selbst finanziell nahestand. Auch mit der A. E. G. war -verhandelt worden, aber diese konnte sich nicht dazu entschließen, -Bergmann die von ihm verlangte, wenigstens halbe Selbständigkeit -zu gewähren, war wohl auch durch die Angliederung des Felten -Guilleaume-Lahmeyer-Konzerns vorerst gesättigt und brauchte kein -Unternehmen mehr zu erwerben, das ihr nur Machterweiterung, aber -keine Ergänzung durch neue Betriebszweige bot. So kam die Anlehnung -der Bergmannwerke an Siemens-Schuckert zustande. Das Kapital der -Bergmann-Werke wurde von 29 auf 52 Millionen Mark erhöht, davon -übernahmen die Siemens-Schuckertwerke 8½ Millionen Mark. Aus ihrem -Konzern trat Theodor Berliner in die Generaldirektion der Bergmannwerke -neben Sigmund Bergmann ein, er übernahm die kaufmännische und -finanzielle Führung, während die technische bei Bergmann verblieb. -Die industriellen Baupläne wurden, mit +dem+ Teil des neuen -Geldes, der nicht zur Ablösung bereits verbauter, vorläufig durch -Bankkredit beschaffter Mittel erforderlich war, zu Ende geführt. Das -Unternehmergeschäft dagegen wurde liquidiert. Der früher hochrentablen -Bergmann-Aktie stand eine Reihe magerer Jahre bevor, bis der Krieg auch -diesem Unternehmen, wie so manchen anderen durch Betätigung auf dem -seiner eigentlichen Natur fremden Gebiet der Munitionsherstellung eine -unerwartet schnelle Erholung brachte. - -Die Geschichte der Bergmannwerke hat den Beweis erbracht, daß ein -aussichtsreicher Wettbewerb gegen die beiden herrschenden Groß-Konzerne -auf dem Gebiete der +Neuerrichtung von Werken+ ebensowenig -möglich war, wie er durch Fusion bereits bestehender Unternehmungen -mittlerer Größe im Falle Felten Guilleaume-Lahmeyer auf die Dauer -sich hatte behaupten können. Dies Aufgehen der beiden letzten -Konkurrenzbetriebe gemischter Natur in die Interessenkreise der beiden -„Großen“ hatte nunmehr die Situation in voller Reinheit und Klarheit -hervortreten lassen, auf die die ganze Entwickelung seit Beginn der -Konzentrationsperiode sichtlich hingedrängt hatte. Das Prinzip des -Dualismus hatte sich voll ausgewirkt. Nur zwei Gruppen, die A. E. -G. und Siemens-Schuckert, standen sich jetzt noch gegenüber. Es war -kein Wunder, daß die Monopolfurcht, die schon gelegentlich der ersten -großen Fusionen im Jahre 1903 in der Öffentlichkeit hervorgetreten -war, von neuem auftauchte. Vom konsequent durchgeführten Dualismus -bis zum Monopolismus war ja nur -- so fürchtete ein Teil der -öffentlichen Meinung -- ein Schritt. Ein offener oder ein geheimer -Vertrag zwischen den beiden Gruppen konnte den deutschen Konsum der -Herrschaft eines Elektrizitätsmonopols ausliefern. In der Mitteilung, -die der Siemens-Schuckertkonzern gelegentlich der Transaktion mit -Bergmann bekannt gab, verwahrte er sich allerdings mit Nachdruck gegen -Monopolbestrebungen. Man wolle kein Monopol, und man halte es nicht -einmal für nützlich im Interesse der Elektrizitätsindustrie. Darum -beabsichtige man auch nicht, die kaufmännische Selbständigkeit der -Bergmann-Elektrizitätswerke durch die Übernahme der Bergmann-Aktien -anzutasten. Diese Gesellschaft solle ihre Bewegungsfreiheit auch -weiter behalten. Eine +nachhaltige+ Beunruhigung über die -Monopolfrage kam denn auch infolge der letzten Fusionen in der -Elektrizitätsindustrie nicht auf oder sie verlor sich doch bald. Das -war zum Teil darauf zurückzuführen, daß man den Monopolen in manchen -Kreisen nicht mehr so streng ablehnend gegenüberstand, wie noch vor 10 -Jahren, nachdem man erkannt hatte, daß ihre Macht durch Staatskontrolle -zu beschränken sei, während die betriebliche Wirtschaftlichkeit -durch sie zweifellos gefördert werde. Auf der anderen Seite hatte -man aber gerade in der Zwischenzeit die Erfahrung gemacht, daß die -Vereinigungsidee in der Elektrizitätsindustrie über den Dualismus A. E. -G.--Siemens-Schuckert nur schwer hinwegschreiten würde. Zwischen beiden -Konzernen waren viele Berührungspunkte entstanden, sie saßen in manchen -Produktionsgesellschaften, wie den Akkumulatorenwerken Hagen, in der -Telefunkengesellschaft, in vielen Betriebsgesellschaften, wie der -Deutsch-Überseeischen Elektrizitätsgesellschaft, der St. Petersburger -Gesellschaft für elektrische Beleuchtung, der Hamburger Hochbahn -usw. zusammen, sie gehörten verschiedenen Kartellen an, hatten sogar -gelegentlich geheime Submissionsabmachungen getroffen, und doch waren -die Grundgegensätze zwischen ihnen dadurch keineswegs beseitigt, oder -auch nur gemildert worden. Wenn man mit Persönlichkeiten aus einem der -beiden Häuser von der Konkurrenz sprach, so waren es durchaus nicht -immer Worte des gegenseitigen Verständnisses, der Anerkennung, der -Würdigung, die man über den anderen zu hören bekam. Die Gefühle der -Rivalität, des Konkurrenzneides, waren mehr als je vorherrschend. Statt -eine Annäherung im großen herbeizuführen, hatten die gelegentlichen -geschäftlichen Verbindungen nur das heimliche Gegensatzgefühl, die -innere Kampfstellung verschärft. Und dieser Gegensatz blieb nicht auf -akademische Erörterungen beschränkt, er trat auch auf den Absatzmärkten -allenthalben in Erscheinung. Überall war das Bestreben fühlbar, den -Gegner zu verdrängen, an Leistung zu überbieten und im Preise zu -unterbieten, seine Produkte schlecht zu machen, seine Geschäftspraxis -zu bemängeln. Wenn auch bei großen Geschäften der eine manchmal -vornehm hinter dem anderen zurücktrat, er tat es nur mit innerlichem -Ingrimm, und in kleinen Geschäften wurde der Konkurrenzkampf oft -bis aufs Messer ausgefochten. Man hat gesagt, daß dieser Gegensatz -in Personenfragen begründet sei und mit dem Rücktritt der alten, im -gegenseitigen Kampf aufgewachsenen Personen verblassen und schließlich -ganz verschwinden werde. Das mag bis zu einem gewissen Grade richtig -sein, vorläufig ist aber mit einem Absterben dieser persönlichen -Stimmungen noch lange nicht zu rechnen. Der Patrizierstolz der Familie -Siemens hat sich nun bereits bis ins dritte Glied fortgeerbt, und ist -noch immer stark und unerschüttert. Der A. E. G.-Geist, der nicht -einmal so sehr in der weniger fruchtbaren Dynastie Rathenau verkörpert -ist, wie in den vielen noch lebenden Mitarbeitern Emil Rathenaus aus -seinen ersten Anfängen, will und braucht ebenfalls keine Kompromisse -zu schließen. Ob vielleicht die veränderte Weltlage, die nach -Beendigung des Krieges zweifellos in Erscheinung treten wird, einen -Zusammenschluß der Elektrizitätskonzerne aus Gründen der Verteidigung -des Weltmarktbesitzes herbeiführen wird -- wie sie während des Krieges -schon zu einer Vereinigung der Anilinkonzerne geführt hat und wie ihre -Vorahnung vor dem Kriege bereits ein Bündnis zwischen Hapag und Lloyd -zu Wege brachte -- läßt sich jetzt noch nicht beurteilen. Es ist aber -nicht ganz von der Hand zu weisen, daß auch hier vielleicht die Sachen -stärker sein werden als die Personen. - -Bei Beurteilung der Monopolfrage darf nicht außer acht gelassen -werden, daß die elektrischen Großkonzerne, die gemischten Betriebe, -nicht die einzigen Unternehmungen auf dem Gebiete der deutschen -Elektrizitätsindustrie sind. Es besteht sowohl auf dem Starkstrom- -wie auch auf dem Schwachstromgebiet noch eine erhebliche Anzahl -leistungsfähiger und unabhängiger Spezialbetriebe, die gewisse -Sonderprodukte herstellen und die darin eine beachtenswerte Konkurrenz -für die Großkonzerne bilden. Es gibt fast kein elektrotechnisches -Erzeugnis, angefangen von der kleinen Glühlampe und dem Telephonapparat -bis zu der größten Dynamomaschine, das nicht in Spezialfabriken -hergestellt wird. Man kann annehmen, daß die Produktion dieser -Spezialfabriken sich zu der der Großkonzerne etwa wie 1:3 verhält. -Eine Reihe der Spezialfabriken, wie zum Beispiel das Sachsenwerk, -die elektrotechnische Fabrik Rheydt, die Telephonfabrik Berliner, -die Mix & Genest-Gesellschaft, die Elektrizitätsgesellschaft Poege, -die Hackethal-Draht- und Kabelwerke, die Fabrik isolierter Drähte -Vogel, das Kabelwerk Cassierer, hat sich im Kriege finanziell sehr -günstig entwickelt und große Reserven aufgehäuft. Dadurch dürfte die -Konkurrenzfähigkeit dieser Gesellschaften nach dem Kriege gegenüber dem -früheren Stand wesentlich gesteigert worden sein. Solange der Dualismus -zwischen der A. E. G. und Siemens-Schuckert erhalten bleibt, werden -auch die Spezialfabriken ihre Stellung behaupten können. - -Etwas anders liegen die Verhältnisse auf dem Gebiete der -+Betriebsunternehmungen+. Hier beherrschen die beiden Gruppen -ziemlich allein das Feld und sowohl im Unternehmergeschäft, -als auch bei den Auftragsbauten für Rechnung von besonderen -Betriebsgesellschaften, Kommunen und sonstigen Behörden findet sich -für sie kaum ein nennenswerter Wettbewerb. Das Prinzip des Dualismus, -der wechselseitigen Konkurrenz beider Konzerne, reicht aber auf diesem -Gebiet nur bis zur Projektionsgenehmigung und Auftragserteilung für den -Bau im ganzen, manchmal, wenn beide Gruppen zusammenarbeiten oder sich -über Projekte verständigen, scheidet es auch schon vorher aus. In der -Durchführung des Baus, meist auch in der späteren Materialversorgung, -werden die Gruppen kaum noch durch eine Einwirkung der Konkurrenz -gestört. Diese Gestaltung der Dinge hat in der Öffentlichkeit vielfach -die Furcht vor einem privaten Strommonopol hervorgerufen. Gerade aber -hier würde es auch einem solchen Monopol schwer sein, seine Macht zu -einer Vergewaltigung der Konsumenten, die doch hauptsächlich nur in -einer Heraufschraubung der Tarife bestehen könnte, zu mißbrauchen. -Besonders gilt das für den Kraftstrom. Sobald bei der Tarifbemessung -für elektrische Kraft nämlich die Elektrizitätswerke zu hohe Preise -forderten, würde die Anlage von Privatkraftzentralen für größere -Verbraucherbetriebe, die schon bisher den Strom vielfach vorteilhafter -liefern konnten als öffentliche Zentralen nicht ganz moderner Art und -Leistungsfähigkeit, eine solche Ausdehnung nehmen, daß die öffentliche -Stromversorgung jede Aussicht verlieren würde, an großindustrielle -Betriebe Strom überhaupt abzusetzen. Wurden doch von öffentlichen -Elektrizitätswerken im Jahre 1913 nur 2800 Millionen Kwstd. nutzbar -abgegeben gegen 10000 Millionen Kwstd. von Einzelanlagen[1]. Was aber -den kommunalen Stromverbrauch für Licht- und Kraftzwecke anlangt, -so ist seine Abgabe von der Erteilung der Konzessionen seitens der -Kommunalbehörden abhängig, die sich vertraglich gegen eine Ausnutzung -der Strommonopole zur Erzielung unangemessener Preise schützen können, -wobei die Angemessenheit der Preise durch den sachverständigen -Vergleich mit anderen Werken und Verträgen der gleichen Art nicht -schwer festzustellen ist. Vielfach haben auch Städte, Kreise und -sonstige öffentliche Körperschaften die Stromwerke in eigenen -Betrieb genommen, um statt des privaten Monopols ein öffentliches zu -schaffen. Auch verschiedene +Staaten+ haben sich Einfluß auf die -Elektrizitätserzeugung innerhalb ihrer Grenzen durch Errichtung von -eigenen großen Kraftwerken, Beschlagnahme der Wasserkräfte, Kohlenläger -usw. gesichert. - -Das hindert allerdings nicht, daß die elektrischen Großkonzerne -durch geschickte „Strategie“ verschiedentlich kommunalpolitische -Elektrizitätsprojekte geschädigt haben. Ein Beispiel bildet -das Vorgehen des A. E. G.-Konzerns im Falle der Berliner -Elektrizitätswerke, nachdem diese auf die Stadt Berlin übergegangen -waren. Hier hat die A. E. G. mit ihrem Märkischen Elektrizitätswerk -die Berliner Elektrizitätserzeugung sozusagen „eingekreist“, indem sie -durch ihren die Bildung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens -vorsehenden Vertrag mit der Provinz Brandenburg der Stadt Berlin -jede Möglichkeit nahm, sich mit dem Stromabsatz ihrer Werke über -deren altes Versorgungsgebiet auszudehnen, wie es wohl im Rahmen -einer großzügigen und ökonomischen Berliner Elektrizitätspolitik -gelegen hätte. In ähnlicher Weise ist die Stadt Mülhausen i. E. an -der Errichtung eines leistungsfähigen kommunalen Werkes verhindert -worden, weil ringsherum große, mit Wasserkraft und Montankraft -arbeitende Privatwerke entstanden, die ihr an Wettbewerbsfähigkeit -überlegen waren. Aber auch in diesen Fällen kann man nicht sagen, -daß die eigentlichen Verbraucherinteressen durch das Vorgehen der -Großkonzerne gelitten haben, denn es ist ja gerade die aus höherer -Leistungsfähigkeit sich ergebende Möglichkeit der Unterbietung, -die das private Großwerk dem kommunalen Lokalwerk überlegen macht. -Beeinträchtigt werden vielmehr nur kommunale Interessen, wobei die -Frage, ob es überhaupt kommunalpolitisch gerechtfertigt ist, daß eine -Gemeinde über ihr eigenes Weichbild hinaus als Stromlieferant auftritt, -offenbleiben soll. -- Im Falle der Berliner Elektrizitätswerke steht -übrigens nicht das kommunalpolitische Verwaltungs-Prinzip dem privaten -Unternehmerprinzip, sondern dem gemischt-wirtschaftlichen Prinzip -gegenüber, da ja die Märkischen Elektrizitätswerke durch Beteiligung -der Provinz Brandenburg zu einem halböffentlichen Unternehmen geworden -sind. Durch den Hinweis auf öffentliche Interessen wird man also diesen -Widerstreit -- auch bei aller Sympathie für die Reichshauptstadt -- -nicht in ihrem Sinne lösen können. Was der Stadt Berlin recht ist, muß -schließlich der Provinz Brandenburg billig sein. Es bleibt ein rein -wirtschaftlicher Kampf übrig, in dem letzten Endes wirtschaftliche -Leistungsfähigkeit und geschickte Geschäftstaktik den Ausschlag geben -müssen. - -Ein besonderes Wort sei noch den sogenannten -+Installationsmonopolen+ gewidmet. Darunter versteht man -den von manchen Stromlieferungswerken ausgeübten Zwang auf die -Stromabnehmer, die Hausinstallationen, die Anschlüsse an das -Kabelnetz des Stromwerkes usw. von ihnen selbst oder von den ihnen -nahestehenden Fabrikationsgesellschaften vornehmen zu lassen und -die dazu erforderlichen Apparate durch sie zu beziehen. Derartige -Installationsmonopole, die bei konsequenter Durchführung den -Handwerkerstand der unabhängigen Elektromechaniker bald völlig -beseitigen würden, sind neuerdings in fast allen Konzessionsverträgen -ausdrücklich verboten, die Zentral-Regierungen in den einzelnen -Bundesstaaten haben sie in Erlassen bekämpft, und auch die -großen Elektrizitätsgesellschaften haben erkannt, daß derartige -Installationsmonopole (nicht zu verwechseln mit den Einrichtungs- -und Materiallieferungsmonopolen oder den Lieferverträgen mit -Meistbegünstigung für den Bedarf der Stromwerke selbst) weder -durchzusetzen sind, noch den Fabrikationsgesellschaften selbst zum -Nutzen gereichen, da diese an der Vernichtung eines selbständigen und -leistungsfähigen Installateur-Standes keineswegs ein Interesse haben. - - - - -Vierzehntes Kapitel - -Großkraftversorgung - - -Die Entwicklung der elektrischen Stromversorgung, die von -der Blockstation über die Zwischenetappen der +Lokal-+ und -+Überlandzentrale+ zum großen +Zentral-+ und +Fernkraftwerk+ schritt, -ist im letzten Jahrzehnt besonders durch zwei Dinge vorbereitet -und ermöglicht worden. Einmal durch die Lösung des technischen -Problems der +Fernübertragung hochgespannter+ Ströme über beliebig -weite Strecken und ferner durch die juristisch-organisatorische -„Erfindung“ der +gemischt-wirtschaftlichen+ Unternehmung. Die letztere -war in Wirklichkeit allerdings nur das Verwaltungskleid, das der -ersteren gesucht und gefunden wurde. Die grundsätzliche Lösung des -Fernübertragungsproblems liegt schon Jahrzehnte zurück, sie war -mit der Einführung des Drehstromsystems gegeben, das wir an +der+ -Stelle unseres Buches, die ihm im historischen Gange der Untersuchung -zukam, bereits behandelt haben. Wenn es auch noch ziemlich lange -dauerte, bis die neue Erfindung trotz schon anfänglich verblüffender -Demonstrationswirkung in größerem Umfange angewendet wurde und -die Praxis der Theorie auf ihre damals dem vorausschauenden Genie -schon erkennbaren Wege folgte, so lag dies daran, daß man in der -Elektrizitätsindustrie erst die Verwendung hochgespannter Ströme -zu hinreichender Leistungsfähigkeit entwickeln und ebenso sicher -ihre Umwandlung in niedrige Spannungen beherrschen mußte. Ganz -besonders für die Fernübertragung kam es auf diese Ausbildung der -Transformatoren-Technik an. Denn in den Zentralwerken war, um deren -günstige Ökonomie auszunutzen, die Erzeugung höchster Spannungen -nötig, ebenso für die Übertragung nach den Verbrauchsstätten durch -die weiten dazwischen liegenden Strecken. An den letzteren mußte der -Strom, um für manche Verwandlungszwecke erst brauchbar zu werden, -auf niedrige Spannungen wieder zurückgebracht werden. Besonders die -Lichtelektrizität verlangte eine solche Verringerung der Spannung. -Neben den Maschinen, Transformatoren und Generatoren, die für die -großen Ausmaße hergestellt und erprobt werden mußten, bedurfte auch -das Leitungsnetz einer Einrichtung für die erforderlichen hohen -Volt-Spannungen. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß die -Leitungsdrähte mit der Zunahme der Spannung nicht verstärkt zu werden -brauchten, sondern im Gegenteil eine Verringerung ihres Querschnittes -zuließen und daß gerade darin einer der Hauptvorteile der Hochspannung -lag. Auf der anderen Seite war aber für besonders gutes, zug- und -druckfestes Material und für eine minutiöse Isolierung Sorge zu tragen. - -Nachdem diese technischen Vorbedingungen gelöst waren, stand das -Problem großzügiger und billiger Stromerzeugung bald klar vor -Augen: die Elektrizität konnte in Zukunft viel vorteilhafter an -den +Fundstätten+ der +Antriebsenergie+, also an Orten, -wo Wasserkräfte oder Kohle aus erster Hand zur Verfügung standen, -gewonnen werden, als an den +Verbrauchsorten+ des elektrischen -Stromes, wo sie bisher erzeugt worden war, nachdem man die zu ihrer -Gewinnung erforderliche Kohle mit der Bahn oder mit dem Schiff -dorthingeschafft hatte. Der Vorteil des neuen Systems lag einmal darin, -daß die Massenproduktion in großen Zentralwerken die Gewinnungskosten -verbilligte und ferner darin, daß durch die Herstellung größerer -Absatzgebiete ein besserer Ausgleich zwischen Stromproduktion und -Strombeanspruchung ermöglicht wurde. Je größer das Versorgungsgebiet -eines Elektrizitätswerkes ist, desto vielseitigere und vielzeitigere -Anwendungsmöglichkeiten bieten sich in ihm für den elektrischen -Strom. Kraftstrom und Lichtstrom, Industriebedarf, Hausbedarf und -Straßenbahnbedarf ergänzen einander. Wenn der eine Verbraucher feiert, -arbeitet der andere, alle Tages- und Nachtzeiten werden ausgenutzt, die -steil ansteigenden und wieder abfallenden Beanspruchungskurven, die zu -ungleichmäßiger Beschäftigung und schlechter Ausnutzung der Anlagen -führen, -- werden gemildert, oder gar ganz aufgehoben. Eine geschickte -Produktionspolitik, die eine möglichst gleichmäßige Erzeugung in den -Hauptwerken herbeizuführen sucht, und den außergewöhnlichen Bedarf -durch kleinere Spitzenwerke deckt, eine großzügige Absatzpolitik, -die sich für die sogenannten Vacuen selbst Abnehmer schafft oder -erzieht, können den wirtschaftlichen Effekt wesentlich verbessern. -Ein neuer Standort für Industrien bildete sich im Anschluß an diese -Großkraftwerke heraus. Neben den Gewerben, die an den Gewinnungsstätten -für Kohle, Erze und sonstige industrielle Rohstoffe sich niedergelassen -hatten, neben den Verfeinerungsindustrien in und bei den Großstädten -wurden nunmehr auch in der Nähe der Großkraftwerke Betriebe, namentlich -chemischer Art (Stickstofferzeugung aus Luft) und metallurgischer Art -errichtet, mit dem Zwecke, die billige Kraft auszunutzen. Aber auch -dort, wo die Kraft nicht an Ort und Stelle verbraucht werden konnte, -sondern transportiert werden mußte -- und hier tritt ja der Hauptzweck -der Fernkraftwerke in Erscheinung -- bedeutete es eine sehr große -Ersparnis an Transportkosten, daß die körperlich schwere Kohle nicht -mehr auf Schienen- und Wasserwegen an die lokalen Erzeugungsstätten -der elektrischen Energie geschafft zu werden brauchte, sondern daß der -körperlose Strom in fertigem Zustande sozusagen an die Verbrauchsorte -„hinübertelegraphiert“ werden konnte. Ein besonderer Vorteil ergab -sich noch insofern, als auch ganz minderwertige Brennstoffe, die einen -Transport nicht lohnten, für die Krafterzeugung an ihrem Fundorte noch -mit Nutzen verwendet werden konnten. - -Derartige Kraftwerke auf Wasser- oder Kohlengrundlage, die nicht -immer allergrößten Umfanges waren und vielfach an Ausmaßen hinter -einem Unternehmen wie den Berliner Elektrizitätswerken zurückblieben, -wenn sie diese auch an technischer und wirtschaftlicher Ökonomie -übertrafen, wurden im vorletzten und besonders letzten Jahrzehnt -allenthalben in den großen Montanrevieren und an Wasserkraft-Standorten -(Niederdruckwerke) errichtet. In Rheinland-Westfalen erstand das -Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk Hugo Stinnes, das zum Teil -unter Ausnutzung der von den Hochöfen entweichenden Gichtgase zum -Motorenantrieb eine große Anzahl von Stadt- und Landgemeinden mit -Strom versorgte, ferner das Elektrizitätswerk Westfalen, an dessen -Gründung die A. E. G. mitwirkte, das aber später in ein rein kommunales -Verbandsunternehmen überführt wurde. Auch in Oberschlesien und im -Saarrevier wurden von der A. E. G. ähnliche Werke errichtet. In allen -deutschen Braunkohlenrevieren traten gleichfalls Montankraftwerke ins -Leben, namentlich im rheinischen Braunkohlenrevier, im mitteldeutschen, -niederlausitzer und bitterfelder Gebiet. Eines der größten und -modernsten waren die +Elektrowerke+ in Bitterfeld, die von der -A. E. G. erbaut und später auf die B. E. W., nach deren Abtretung der -Berliner Werke an die Stadt Berlin, überführt wurden. Sie wurden auf -eine Erzeugungsfähigkeit von mehreren Millionen Kilowattstunden im -Jahre eingerichtet. Vor dem Kriege waren zwischen den B. E. W. und -der Stadt Berlin Verhandlungen geführt worden, um eine Verlängerung -des Vertrages zwischen diesen beiden Parteien unter der Bedingung zu -erreichen, daß der Strom für die Berliner Werke aus Bitterfeld bezogen -werden sollte. Diese Verhandlungen wurden von den B. E. W. abgebrochen, -nachdem sie während des Krieges in den staatlichen Stickstoffwerken -in Bitterfeld an Ort und Stelle einen Abnehmer gefunden hatten, -der von ihnen 500 Mill. Kwstd. jährlich bezog, während ein anderes -Unternehmen, die Elektrosalpeterwerke, einen weiteren Lieferungsvertrag -von 250 Mill. Kwstd. jährlich abschloß. Diese Verträge, die einen -Stromverkaufspreis von nur 1 Pf. für die Kwstd. vorsahen gegen einen -durchschnittlichen Licht- und Kraftpreis der B. E. W. von zuletzt -13,32 Pf., erwiesen sich allerdings später infolge der unerwartet -ungünstigen Selbstkostenentwickelung des Braunkohlenbergbaus im Kriege -als recht unvorteilhaft für die Elektrowerke, und die Folge davon -war, daß die A. E. G. den B. E. W. das Interesse an den Elektrowerken -wieder abnahm, um es mit ihren reicheren Mitteln erst selbst zur -Reife zu bringen.[2] Auch die preußische Regierung hat bereits -mehrere große Fernkraftwerke auf Kohlenbasis errichtet, so das Werk -Muldenstein für den Bedarf der Staatsbahnstrecke Dessau-Bitterfeld; -ferner ist ein noch größeres Kraftwerk bei Wittenberg im Bau -begriffen, das den Bedarf für die Elektrifizierung der Berliner -Stadt- und Ringbahn decken soll und daneben mit dem Märkischen -Elektrizitätswerk, dem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen des A. E. -G.-Konzerns, an dem sich neuerdings die Provinz Brandenburg führend -beteiligt hat, einen langjährigen Lieferungsvertrag abgeschlossen -hat. In den meisten dieser Dampfkraftwerke auf Montanbasis wird -der Brennstoff auf mechanischen Rosten verfeuert, wobei auch die -minderwertigsten Kohlen, die für Heiz- und Brikettierungszwecke -unbrauchbar sind, Verwendung finden können. Neuerdings hat man auch -mit dem System der +Vergasung der Kohle+ in Generatoren zum -Zwecke der Elektrizitätserzeugung gute Erfolge erzielt, ein Gebiet, -auf dem wieder die A. E. G. in Gemeinschaft mit einer Reihe anderer -Unternehmungen bahnbrechend vorging. Dieses noch der Ausbildung -bedürfende System ist deswegen besonders aussichtsreich, weil es -einmal die Möglichkeit gibt, den Brennwert der Kohle fast vollständig -auszunutzen und ferner eine Verwertung der meisten Nebenprodukte wie -Mineralöle, Ammoniak usw. gestattet. Sogar der in Mooren gewonnene -+Torf+ läßt sich für die Zwecke der Energieerzeugung mit -Nutzen verwenden, wie die vom Siemens-Schuckertkonzern errichtete -Überlandzentrale Wiesmoor, die allmählich ganz Ostfriesland, Oldenburg -und die anstoßenden Gebiete mit Strom versorgen soll, erwiesen -hat. Auf der Grundlage von Wasserkräften wurden namentlich in den -süddeutschen Staaten große Stromerzeugungswerke errichtet, so in -Bayern das staatliche Walchenseewerk, die Isarwerke, die Ampèrewerke, -die Lech-Elektrizitätswerke, in Baden das Murgtalwerk usw. An eine -Ausnutzung der großen Wasserkräfte des Oberrheins unter Mitwirkung des -Reiches wird demnächst herangegangen werden. - -Emil Rathenau hat den Problemen der Großkraftversorgung in den -letzten Jahren seines Lebens lebendige und fast jugendliche -Anteilnahme entgegengebracht. Greisenhafte Müdigkeit oder jene -Abgeklärtheit des Alters, die von Werner v. Siemens Besitz ergriff, -waren ihm gänzlich fremd. Er, der Zeit seines Lebens für die private -Elektrizitätswirtschaft eingetreten war, der er die Sphäre seiner -Leistung und den Erfolg seines Lebens verdankt, besaß Elastizität -genug, um umzulernen, als die Verhältnisse sich änderten und über die -Grenzen hinauswuchsen, die der privaten Erzeugung gezogen werden. -Die fachliche und sachliche Einsicht, daß die Tendenz, ganz große -Elektrizitätswerke zu errichten, nicht nur aus politischen, sondern -auch aus wirtschaftlichen Gründen zu stark geworden sei, als daß sie -mit der denkbar größten Leistungssteigerung privater Werke noch dauernd -hätte aufgehalten werden können, genügte, um diesen Realpolitiker -umzustimmen und ihm neue Gedankengänge zu eröffnen. Als ich Rathenau -im Mai 1914 aufsuchte, nachdem er von schwerer Krankheit scheinbar -genesen, seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, sah er mich aus seinen -hellfragenden, klugen Augen ganz wie früher an. Er war durchaus mitten -im Strom lebendiger Probleme und als ich neben anderen Fragen, auch -die eines Elektrizitätsmonopols streifte, war ich erstaunt, von ihm -Ansichten zu hören, die ich dem alten Privatindustriellen am wenigsten -zugetraut hätte. Ich habe damals unter dem frischen Eindruck seiner -Darlegungen ihren Gedankengang folgendermaßen aufgezeichnet: - - „Der ganz billige Strom, wie wir ihn zu Kraftzwecken unbedingt - brauchen, kann nur in Betrieben hergestellt werden, die über - das Ausmaß auch unserer bisherigen größten Zentralen weit - hinausgehen. Die Stadt Berlin verbraucht im Jahre alles in - allem zurzeit vielleicht 300 Millionen Kilowattstunden, der - preußische Eisenbahnfiskus dagegen dürfte auf seiner einzigen - kleinen elektrischen Vollbahnstrecke Dessau-Bitterfeld bei vollem - Betriebe fast das Doppelte an Strom verbrauchen. Es ist also - durchaus natürlich, daß der preußische Staat, zumal bei einer - fortschreitenden Elektrifizierung der Vollbahnen, Kraftwerke bauen - muß, die in bezug auf die Leistungsfähigkeit selbst die größten - lokalen Werke und Überlandzentralen weit übertreffen werden. Da nun - die Herstellungskosten des Stromes sich mit der Größe der Anlagen - und der produzierten Menge progressiv verringern, da andererseits - aber die staatlichen Werke ihre Kapazität sowie die für einen - regelmäßigen Bahnbetrieb unumgänglich notwendige Reservekapazität - nicht und vor allem nicht zu jeder Zeit voll ausnutzen können, - ist es natürlich, daß sie dazu übergehen, und auch schon dazu - übergegangen sind, Strom an Private abzugeben. Bereits kürzlich - hat eines der staatlichen Werke auf dem Wege der Submission ein - Stromkontingent von ca. 30 Mill. Kilowattstunden ausgeboten. Wenn - wir in unseren lokalen Elektrizitätswerken den Strom uns dadurch - billiger schaffen können, daß wir ihn von einem staatlichen - Riesenwerk beziehen, so sehe ich gar keinen Grund, warum wir uns - eigensinnig gegen einen derartigen Verzicht auf eigene Erzeugung - sperren sollen. Wir beziehen dann einfach Strom statt Kohlen - und benutzen die lokalen Anlagen für Stromverteilungszwecke. - Die technischen Möglichkeiten der Stromherstellung im großen - sind beinahe unbegrenzt. Es wäre durchaus möglich, daß der ganze - Bedarf Europas an elektrischer Energie an einem Orte hergestellt - würde und die elektrische Fernübertragung wäre durchaus imstande, - diesen zentral hergestellten Strom über ganz Europa und noch - weiterhin zu versenden. Natürlich wird es in der Praxis zu einer - derartigen intensiven Konzentrierung der Stromherstellung - nicht kommen. Immerhin aber wird man voraussichtlich über die - jetzige Dezentralisation und Verzettelung hinausstreben müssen. - Ein Reichsmonopol allerdings ist für Deutschland wohl kaum - noch durchführbar, nachdem Einzelstaaten wie Bayern und Baden - bereits mit Hilfe ihrer Wasserkräfte durch Errichtung riesiger - Werke ihre Stromproduktion auf dem Wege der einzelstaatlichen - Gesetzgebung geregelt haben. Wohl aber wäre es denkbar, daß - man für Preußen zu einer monopolistischen Gestaltung der - Stromerzeugung unter staatlicher Führung oder Mitwirkung gelangte. - Das notwendige Korrelat für eine derartige großzügige Regulierung - der Stromproduktion müßte allerdings ein Enteignungsgesetz für - die Zwecke elektrischer Anlagen, besonders für Kabelführungen - durch private und öffentliche Grundstücke bilden. Heute sind, - um derartige Durchführungen zu ermöglichen, komplizierte - Privatverträge erforderlich, die oft durch kleinliche Motive - erschwert werden.“ - -Es waren keine Projekte und spekulativen Phantasien, wie sie Rathenau -manchmal aus irgend einer Stimmung heraus entwickelte, um sie ebenso -schnell wieder zu vergessen. Diese Darlegungen gaben wohldurchdachte -Anschauungen wieder, die sich bei ihm und seinem Kreise über die -Fortführung einer Hauptrichtung ihres Gewerbes gebildet hatten und -deren systematisch-theoretische Durcharbeitung auch bald danach von -Mitgliedern dieses Kreises in Angriff genommen wurde. Anfang 1915 -veröffentlichte Dr. ing. Gustav +Siegel+ in den Preußischen -Jahrbüchern unter dem Titel „Der Staat und die Elektrizitätsversorgung“ -eine Arbeit, in der er den von Rathenau entwickelten Plan mit einem -ausführlichen Zahlen- und Datenmaterial zu begründen und die Tatsache, -daß die Reichszuständigkeit für das vorgeschlagene Monopol durch -Präjudiz in verschiedenen Einzelstaaten behindert werde, durch den -Vorschlag der Bildung eines +Reichselektrizitätsverbandes+ zu -überwinden suchte. Rathenau selbst schrieb dem Aufsatz ein kurzes -Vorwort, in dem er sich zu dem Grundgedanken zustimmend äußerte. Drei -Gesichtspunkte stellte er darin in den Vordergrund: Einmal Befriedigung -des Verbrauchs zu niedrigen Strompreisen, zweitens die Schaffung neuer -Einnahmequellen für den Staat und drittens die wenigstens teilweise -Erhaltung des Tätigkeitsgebietes für die bisherigen Träger des -Elektrizitätsgebietes. Rathenau schrieb: - - „Die seit einer Reihe von Jahren gepflogenen Erörterungen über - die seitens des Staates gegenüber der Elektrizität einzunehmende - Haltung haben durch das starke Bedürfnis nach Erhöhung der - Staatseinnahmen einen neuen Anstoß erhalten. Wenn die auf - diesem Gebiete gestellte Aufgabe eine zweckmäßige Lösung - finden soll, ist darauf Bedacht zu nehmen, unter Befriedigung - des Verbrauchs zu niedrigen Strompreisen dem Staate in der - Elektrizität eine Quelle zu neuen Einnahmen zu schaffen, indem - ihm nicht über das unvermeidliche Erfordernis hinaus Aufgaben - und Lasten auferlegt werden und den bisherigen Trägern der - Elektrizitätsunternehmungen die Tätigkeit vorbehalten bleibt, - in der sie sich Jahrzehnte hindurch bewährt haben. Einen zu - diesem Ziele führenden Weg scheint mir der Verfasser der Arbeit - „Der Staat und die Elektrizitätsversorgung“ zu weisen, indem er - empfiehlt, die elektrische Arbeit an den Energiequellen durch - staatliche Großkraftwerke zu erzeugen und den Strom mit einem - durch die wirtschaftlichere Erzeugung ermöglichten Gewinn den - Stromverteilungsunternehmen zu überlassen, die die für sie - erforderlichen Leitungsnetze anschließen und betreiben. Diesem - Grundgedanken der mir vorliegenden Arbeit pflichte ich durchaus - bei. Ohne zu den Ausführungen im Einzelnen Stellung zu nehmen, - möchte ich die eine Bemerkung hinzufügen, daß der von dem - Verfasser empfohlene Reichs-Elektrizitätsverband, der die von - den Einzelstaaten zu betreibenden Großkraftwerke zusammenfassen - soll, dahin ausgestaltet werden könnte, daß er die gesamten - Einnahmen aus dem Stromabsatz der Elektrizitätswerke einzieht und - nach Entschädigung der Einzelstaaten für die von ihnen gemachten - Aufwendungen und nach ihrer angemessenen Beteiligung an den - Überschüssen den verbleibenden Ertrag an das Reich zur Befriedigung - des hier am dringendsten fühlbaren Bedürfnisses nach neuen - Einnahmen abführt.“ - -Siegel selbst sucht in seiner Arbeit nachzuweisen, daß die für ein -Elektrizitätsmonopol zumeist vorgebrachten Gründe, soweit sie den -Schutz der Verbraucher vor einer Vergewaltigung und Ausnutzung durch -private Elektrizitätsmonopole wie den Schutz der Installateure -vor einer Ausschaltung durch den überlegenen Wettbewerb der -Fabrikationsgesellschaften betreffen oder im Interesse der politischen -und militärischen Macht des Staates über die Kraftquelle der Zukunft -vorgebracht werden, nicht zwingend genug seien. Wenn er trotzdem -einer Zentralisation der Stromerzeugung und im gewissen Sinne auch der -Stromverteilung zustimmt, so tut er dies lediglich aus Gründen der -technischen und wirtschaftlichen Ökonomie. - - „Es handelt sich darum, unmittelbar an ergiebigen Kraftquellen, - an den Fundstätten der Brennstoffe, an den Wasserkräften, - den Torfmooren, oder wo sonst sich billige Betriebsstoffe in - ausreichender Menge finden, Elektrizitätserzeugungsstätten größten - Umfangs zu errichten und +sie durch ein nach einem einheitlichen - Plane ausgebautes Hochspannungsnetz zu verbinden+, das sich über - das ganze Reich erstrecken und den Ausgleich aller verfügbaren und - benötigten Elektrizitätsmengen bilden soll. Diese Aufgabe stellt - sowohl in finanzieller wie organisatorischer Hinsicht schwierige - Probleme, die zwar auch ohne Mithilfe des Staates vielleicht im - Laufe von Jahrzehnten überwunden werden könnten, die aber durch - sein Eingreifen +schneller+, +zuverlässiger+ und +vollständiger+ - einer glücklichen Lösung entgegengeführt würden.“ - -Siegel untersucht die Möglichkeiten und Bedingungen der -einzelnen Vorschläge, auf Grund deren eine Vereinheitlichung der -Elektrizitätserzeugung unter Wahrung der Interessen des Staates, -der Verbraucher und der Erzeuger durchgeführt werden könnte. Ein -lediglich kontrollierendes Elektrizitätsschutzgesetz, das keine -wirtschaftliche oder technische Umgestaltung der Verhältnisse, -sondern nur eine Abwägung der Interessen aller beteiligten Kreise -durch Zuweisung der Kontrolle an den Staat, Festlegung günstiger -Bezugsbedingungen für den Konsum, und Beseitigung der Wege- und -Leitungsschwierigkeiten für die Stromerzeugung auf dem Wege staatlicher -Gesetze und Verwaltungsnormative herbeiführen würde, lehnt er aus -zwei Gründen ab. Es würde einen Hemmschuh für die freie Entwicklung -der immerhin von starken Konkurrenzen, wie dem Gas, dem Petroleum, -dem Treiböl bedrängten Elektrizitätserzeugung bedeuten und dem -Staate keine Erträgnisse zuführen. Auch ein derartiges Schutzgesetz, -verbunden mit einem finanziellen Nutzen für den Staat, wird als -unsachgemäß bezeichnet. Denn eine Regelung, die darin bestehen -würde, die Erzeugung des elektrischen Stromes in den bisherigen -Händen, also denen der Privatindustrie, der kommunalen und der -gemischt-wirtschaftlichen Werke zu belassen, um den Staat an ihr nur -durch das Recht der Konzessionserteilung sowie durch Anteile am -Umsatz, Gewinn oder sonstige Abgaben zu beteiligen, würde letzten Endes -auf eine +Elektrizitätssteuer+ hinauslaufen, wie sie gelegentlich -der Reichs-Finanzreform von 1909 bereits einmal vorgeschlagen, aber -abgelehnt worden war. Eine solche Steuer-Ordnung müßte, da sie die -betriebliche Ökonomie der Elektrizitätsindustrie nicht verbessern, -sondern die bisherigen Methoden der Erzeugung beibehalten würde, -infolge der den Werken aufgebürdeten neuen Lasten eine Erhöhung der -Selbstkosten und dadurch eine Steigerung der Strompreise im Gefolge -haben, während doch umgekehrt die Bedürfnisse der Konsumenten -- -und zwar mit berechtigtem Nachdruck -- gerade auf eine Ermäßigung -der Strompreise hindeuten. Eine solche fiskalische Methode würde -letzten Endes auch den Interessen des Staats zuwiderlaufen, da eine -Verteuerung der Strompreise oder auch nur eine Erhaltung des jetzigen, -den Möglichkeiten der neuzeitlichen Technik nicht mehr entsprechenden -Preisniveaus die Einnahmen, die der Staat aus der Elektrizitätsregelung -erwartet, schmälern oder doch jedenfalls den von der Zukunft erhofften -Zuwachs stark herabmindern würde. - -Eine +dritte+ -- die radikalste -- +Möglichkeit+ bestünde -darin, halbe Maßnahmen jeder Art zu vermeiden, und sofort an die -gesamte Monopolisierung der Elektrizitätserzeugung und -Verteilung -heranzugehen. Diese Forderung besticht durch ihre staatssozialistische -Entschiedenheit und wird insbesondere von politischen Schriftstellern, -aber technischen Laien erhoben, die damit die Ausschaltung der -Privatindustrie am gründlichsten herbeiführen, die staatlichen -Einnahmen am stärksten steigern zu können meinen. Siegel geht davon -aus, daß der Staat nur die öffentlichen Elektrizitätswerke mit -einer nutzbaren Stromabgabe von 2,8 Milliarden Kilowattstunden, -nicht die viel umfangreicheren Einzelanlagen privater Erzeuger, mit -der viel größeren Stromabgabe von 10 Milliarden Kwstd. erwerben -würde und erwerben könnte. Der Erwerb der unzähligen, auf die -einzelnen Verbraucherbetriebe zugeschnittenen Privatanlagen käme -aus betrieblichen wie finanziellen Gründen nicht in Betracht. Er -würde dem Staat eine zersplitterte, statt einer zentralisierten -Elektrizitätswirtschaft aufhalsen und das Anlagekapital auf weit -über 6 Milliarden Mark steigern. Bereits bei der Übernahme der 4000 -öffentlichen Elektrizitätswerke müßte das aufzuwendende Kapital -2,9 Milliarden Mark betragen, und bei einem daraus zu erzielenden -Reinertrag von 167 Milliarden Mark würde für den Staat nach Abzug -der Zinsen von 4½% für das Anlagekapital ein frei verfügbarer -Überschuß von nur 37 Milliarden Mark verbleiben. Das sei bei einem -so riesigen Anlagekapital ein viel zu geringer Ertrag. Die ganze -Konstruktion eines solchen Monopols wäre aber weder vom Standpunkte -des Produzenten, noch von dem des Konsumenten, noch schließlich -auch von dem der Staatswirtschaft aus fortschrittlich, sondern -würde eher Keime zur Stagnation, oder gar zum Rückschritt in -sich tragen. Die Übernahme der vielen verschiedenartigen, teils -veralteten, teils halbmodernen, teils modernen Erzeugungsstätten zu -ihrem Gegenwarts- oder Vergangenheitswerte durch den Staat müßte -den Übergang zu einer wirklich zeitgemäßen Großerzeugung in wenigen -billig arbeitenden Zentralwerken erschweren, infolgedessen einer -Ermäßigung der Strompreise entgegenstehen, den Wettbewerb der privaten -Einzelanlagen und der übrigen konkurrierenden Kraftquellen stärken, -der Zukunftsentwicklung der Elektrizitätswirtschaft den Weg verlegen -und somit auch den -- an sich schon geringen -- staatlichen Ertrag -des Elektrizitätsmonopols gefährden. Siegel kommt infolgedessen auf -Grund seiner theoretischen Gründe und praktischen Berechnungen zu -der Empfehlung des oben erwähnten +gemischten+ Systems, bei -dem der Staat, ohne sich mit der Übernahme und Bezahlung alter und -veralteter Werke zu belasten, nur die zentralen Hauptkraftwerke an -den Standorten der Wasserkräfte, der Kohlenläger, der Torfmoore usw. -errichten, diese untereinander und mit den bestehenden öffentlichen -Privatwerken durch Hochspannungsanlagen verbinden und die letzteren -als Verteilungs- und Reserveanlagen in Privatbetrieb weiter bestehen -lassen würde, soweit er es nicht für zweckmäßig erachtete, einige -ganz besonders moderne Anlagen, die den Anforderungen zentraler -Erzeugung entsprechen, zur Beschleunigung und Erleichterung seiner -Produktionsaufnahme zu erwerben. Die Privatwerke sollen bei diesem -System durch die vorteilhafte Preisstellung der Zentralwerke veranlaßt -werden, von diesen den Strom zu besseren Bedingungen zu beziehen, als -sie ihn selbst in ihren eigenen Werken herstellen könnten. Besonders -leistungsfähige Privatwerke sollen aber auch berechtigt werden, an -staatliche Fernleitungen elektrische Kraft zu liefern, sofern sie dies -zu gleichen Preisen wie die Staatswerke zu tun vermöchten. Einen -gesetzlichen Zwang für die Privatwerke, Strom von den Staatszentralen -zu beziehen, will Siegel nicht schaffen, er erwartet die allmähliche -freiwillige Zentralisation vielmehr von den Vorteilen des billigeren -Bezuges. Die +Verteilung+ des Stroms soll wie bisher in den Händen -der privaten, kommunalen und gemischt-wirtschaftlichen Unternehmungen -verbleiben, die dadurch in die Lage versetzt würden, für ihre Anlagen -weitere Beschäftigung und für ihre Kapitalien weitere Verzinsung zu -finden, die auch besser als der Staat in der Lage seien, für die -Ausdehnung des Stromabsatzes werbend tätig zu sein. Die Träger der -staatlichen Unternehmung sollen die Bundesstaaten sein, die sich -ähnlich wie bei den Eisenbahnen zu einem „Reichs-Elektrizitätsverband“ -zusammenschließen müßten. - -Siegel errechnet bei einem Kapitalaufwand des Staates für den ersten -Ausbau der Fernleitungszentralen von 400 Millionen Mark, bei einem -durchschnittlichen Selbstkostenpreis von 1 Pfennig pro Kwstd. und einem -Verkaufspreis von durchschnittlich etwa 2,6 Pfennig auf Grund einer -jährlichen Verkaufsmenge von 6 Milliarden Kwstd., einen Reinüberschuß -des Staates von 60 Millionen Mark. Hinsichtlich der Zukunftsentwicklung -legt Siegel seiner Phantasie keine Zügel an. Er schreibt: - - „Nach einem weiteren Ausbau wird eine nutzbare Abgabe von - etwa 12 Milliarden Kilowattstunden in Frage kommen; die Zahl - der Kraftwerke dürfte sich dann auf etwa 35 erhöht haben. Die - Gesamtkosten betragen mit einem entsprechend erweiterten Ausbau der - Hochspannungsleitungen etwa 650 Millionen Mark. Unter ähnlichen - Verhältnissen wie beim ersten Ausbau läßt sich selbst unter - Verringerung des Verkaufspreises noch ein Reinüberschuß von etwa 90 - Millionen Mark für den Staat erzielen. Es dürfte auf diese Weise - möglich sein, vielleicht im Laufe eines Jahrzehnts einen großen - Teil des gesamten Kraftbedarfs Deutschlands, der einschließlich - der Eisenbahnen weiter oben auf etwa 80 Milliarden Kilowattstunden - geschätzt wurde, aus den staatlichen Kraftwerken zu liefern, - selbstverständlich unter entsprechender Erhöhung der Reineinnahme - des Staates.“ - -Während sich Siegels Untersuchung auf eine Zusammenstellung der -+wirtschaftlichen+ Grundgedanken des Problems beschränkt und -die technischen wie statistischen Nachweise, sofern sie überhaupt -gegeben sind, in einer gewissen al fresco-Manier behandelt werden, -hat sich Professor Georg +Klingenberg+, Direktor und Leiter der -Abteilung Elektrizitätswerke der A. E. G., mit einer statistisch -wie technisch sorgfältig durchgeführten Studie in einem Vortrag, -den er unter dem Titel „Elektrotechnische Großwirtschaft unter -staatlicher Mitwirkung“[3] in Frankfurt a. M. hielt, mit derselben -Frage beschäftigt. Der Gedankengang seiner Ausführungen ist genau -derselbe wie bei Dr. Siegel, kleine Abweichungen brauchen hier nicht -hervorgehoben zu werden, auf technische und ökonomische Details, -so lehrreich sie auch sein mögen, kann ich im Rahmen dieses Buches -leider nicht eingehen. Interessant sind aber die Ergebnisse, zu denen -Klingenberg kommt. Er faßt sie in folgenden Leitsätzen zusammen: - -1. Die Zusammenfassung großer Gebiete zu einer einheitlichen und -großzügigen Elektrizitätswirtschaft läßt sich mit dem heutigen System -der Einzelanlagen nicht erreichen. Nur der Staat ist imstande, die -entgegenstehenden rechtlichen Schwierigkeiten zu beseitigen; hieraus -folgt die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs. - -2. Es empfiehlt sich nicht, den staatlichen Betrieb auch auf die -Verteilung elektrischer Arbeit zu erstrecken. Die Verteilung muß -vielmehr Sache derjenigen bleiben, die sie heute schon besorgen. Der -Staat muß sich auf die Erzeugung des Stromes und die Verkupplung der -Kraftwerke durch Hochspannungsleitungen beschränken. - -3. Das Übergewicht großer Werke gegenüber mittleren und kleinen -entsteht durch die geringeren Erzeugungskosten des Stromes, durch die -Ausnutzung billiger Brennstoffe und vor allem durch die Verkupplung der -Werke, die zur Verbesserung des Ausnutzungsfaktors und zur Verminderung -der Reserven führt. Diese Vorteile werden durch die erhöhten -Umformungs- und Fortleitungskosten zwar vermindert, als Endergebnis -bleibt jedoch eine ziffernmäßige Überlegenheit des staatlichen -Betriebes. - -4. Es werden Untersuchungen über die gegenseitigen Versorgungsgrenzen -mehrerer mit verschiedenen Brennstoffen arbeitender Großkraftwerke -angestellt. - -5. Ein staatlicher Wettbewerb mit den bestehenden großen und mittleren -Werken würde zu einem Mißerfolg führen. Der Staat kann deshalb nur -auf dem Wege vorgehen, daß er die bestehenden Werke als Abnehmer zu -gewinnen sucht. Für die bereits vorhandene Erzeugung ist dies nur -teilweise möglich, dagegen läßt sich der +Zuwachs+ fast restlos -für die staatlichen Werke sichern. - -6. Der Staat muß zu diesem Zwecke eine Anzahl von Großkraftwerken -an geeigneten Stellen errichten, sie mit 100000 Volt-Leitungen -untereinander verbinden, und an diese Umformerwerke anschließen, die -zur Versorgung der Verteilungsorganisation dienen. Die Einführung einer -Reihe von technischen Normalien ist hierbei wünschenswert. - -7. Es muß ferner eine einheitliche staatliche Organisation für diese -Aufgaben geschaffen werden. - -8. Unter Voraussetzung der zu erwartenden Entwicklung darf für das Jahr -1926 mit folgenden Zahlen für Preußen gerechnet werden: - - Gesamte Erzeugung der staatlichen Werke 10 Milliarden Kwstd. - Anlagekapital 900 Millionen Mark. - Jährlicher Reingewinn 41 Millionen Mark. - -9. Weitere Einnahmen lassen sich nur durch eine Besteuerung -erzielen. Von den vielen möglichen Steuerformen empfiehlt sich eine -unmittelbare +Besteuerung der Beleuchtungselektrizität+ und des -+Beleuchtungsgases+ in Höhe von 10 v. H. des Rechnungsbetrages und -eine mittelbare durch Besteuerung der +Kohle+. Insgesamt wird ein -Erträgnis aus der Elektrizitätswirtschaft und den Steuern für 1926 von -320 Millionen Mark errechnet. - -Die Arbeit Klingenbergs hat in der Fachwelt manche Kritik -hervorgerufen. Insbesondere hat sich der Direktor des Städtischen -Elektrizitätswerkes in Kiel, +Dr. Voigt+, in der Hauptversammlung -der Vereinigung der Elektrizitätswerke, die im wesentlichen -die kommunalen Werke umfaßt, gegen die Vorschläge Klingenbergs -gewandt, denen er das uneingestandene Motiv unterlegte, daß -die Elektrizitätsindustrie sich eine gute Geschäftskonjunktur -durch die Aufträge, die die Errichtung der neuen staatlichen -Elektrizitätszentralen mit sich bringen würde, schaffen wolle. Er -nannte im besten Falle die Erträgnisse des Monopols für den Staat sehr -bescheiden, erwartete sogar im Gegensatz zu Klingenberg Fehlbeträge -und fürchtete Nachteile für die Kommunen, deren Gasbetriebe durch -das Monopol nicht weniger beeinträchtigt werden würden als die -Elektrizitätsbetriebe. „Die Aufgabe der staatlichen Großkraftwerke -sei letzten Endes auf die Stillsetzung der Ortskraftwerke gerichtet. -Damit werde eine große Zahl von Trägern selbständigen Lebens und -selbständiger Wirtschaft zugunsten einer Zentralisation ausgeschaltet, -deren technisch-wirtschaftliche Notwendigkeit nicht bewiesen sei.“ -Auf die Dauer werde neben der staatlichen Elektrizitätserzeugung eine -private oder gemeindliche Gaswirtschaft nicht bestehen können, deren -Verstaatlichung würde -- wenn die Ergebnisse des Elektrizitätsmonopols -gut seien, aus dem Wunsch nach weiteren finanziellen Einnahmequellen -heraus, wenn sie schlecht seien, aus dem Wunsch nach ihrer Verbesserung -heraus -- bald folgen und schließlich würde der Staat auch die Urquelle -beider Kräfte, die Kohle, mit Beschlag belegen. Die Klingenbergschen -Pläne zielten auf eine äußere und einseitige Zusammenfassung der im -Lande gebrauchten elektrischen Kräfte hin, während die natürliche -Entwicklung auf eine wirtschaftliche Sammlung aller an ein und -demselben Ort vorhandenen Energiemengen (offenbar durch die Kommunen. -Der Verf.) gerichtet sei. - -Klingenberg hat auf die Darlegungen Voigts geantwortet und die -Überzeugung ausgesprochen, daß die technisch mögliche Modernisierung -und Verbilligung der Stromerzeugung in zentralen Großkraftwerken, die -nach Voigts Ansicht ganz von selbst sich vollziehen werde, nur durch -staatliche Mitwirkung gelöst werden könne. Nur durch den Staat, der -allein die Macht hierfür besitze, würden sich die politischen Grenzen -zwischen den einzelnen Wegeberechtigten und deren partikularistische -Eigeninteressen soweit überwinden lassen, daß Großkraftwerke -geschaffen werden könnten. Von den bestehenden Werken weisen nur ganz -wenige befriedigende Ausnutzung auf. Das gelte insbesondere von den -städtischen Werken, die in ihrer bisherigen Entwickelung nur sehr -langsam auf die industrielle Versorgung eingegangen seien. Die Werke --- auch die meisten großstädtischen -- seien viel zu klein, um größere -Industrien wirtschaftlich versorgen zu können. Aber nur durch die -Einbeziehung industriellen Anschlusses, nur durch die möglichst weit -getriebene Vermischung eines verschiedenartigen Verbrauches ließen -sich die höchstmöglichen wirtschaftlichen Vorteile erzielen, und -so gute Ergebnisse erreichen, wie sie durch die besten städtischen -Belastungen, nämlich die Straßenbahnen, erzielbar seien. Damit würden -die Erzeugungskosten auf einen Bruchteil der bisherigen heruntergehen. - -Zu dieser Kontroverse ist zu sagen, daß der rein technisch-ökonomische -Kern des Klingenbergschen Vorschlages zweifellos richtiger und -überzeugender ist als die von allen möglichen außerwirtschaftlichen, -kommunalpolitischen und partikularistischen Gesichtspunkten beeinflußte -Gegenargumentation Voigts, womit aber nicht gesagt werden soll, daß -in dieser Angelegenheit nur der technisch-ökonomische Gesichtspunkt -Beachtung verdient, wenn er zweifellos auch den wichtigsten Faktor des -Problems darstellt. - -Dennoch werden auch die Klingenbergschen Vorschläge oder vielmehr -Ergebnisse, an den hohen Erwartungen gemessen, mit denen man auf Grund -der großzügigen Perspektiven Rathenaus der Lösung der Monopolfrage -entgegensah, manch einen etwas enttäuscht haben. Klingenberg, der seine -Rechnung nur für Preußen aufgestellt, gelangt auf Grund eines von den -Staatswerken gedeckten Stromverbrauchs von 10 Milliarden Kwstd. und -bei einem Anlagekapital von 900 Millionen Mark für das Jahr 1926 zu -einem jährlichen Reingewinn von 41 Millionen Mark. Siegel berechnete -den in ganz Deutschland durch Staatswerke zu deckenden Stromverbrauch -nach Fertigstellung der von ihm vorgeschlagenen Anlagen auf 6 Milliard. -Kwstd. und kam bei einem Anlagekapital von 400 Mill. M. auf 60 Mill. -M. jährlichen Reingewinn. Sind Klingenbergs Berechnungen richtig, so -folgt daraus, daß jene Siegels -- auf die Kilowattstunde berechnet -- -viel zu optimistisch waren. Die Klingenbergschen Ergebnisse, die wohl -als besser fundiert gelten müssen, können aber vom Standpunkte der -Staatsfinanzwirtschaft betrachtet, nicht sehr befriedigen. Er will -im Jahre 1926 -- also erst nach einem Jahrzehnt -- dem Staate eine -Einnahme von 41 Millionen Mark zuführen, muß aber zu diesem Zwecke -in einer Zeit, in der Kapital sehr knapp sein wird, 900 Millionen -Mark investieren. Auch ihm selbst haben offenbar die finanziellen -Resultate, die sich allerdings nach Überwindung des Übergangsstadiums, -nach Amortisierung der alten, jetzt noch im lokalen Verteilungsprozeß -mitzuschleppenden Werke wesentlich erhöhen dürften, nicht genügt. -Darin liegt denn offenbar auch der Grund, daß er seinen Vorschlag -mit einer +Besteuerung+ der Beleuchtungselektrizität und des -Beleuchtungsgases -- die ja vom Standpunkt der Konkurrenzfähigkeit der -deutschen Industrie auf dem Weltmarkte vielleicht nicht gefährlich, -aber vom Standpunkt der Verbraucherinteressen doch bedauerlich wäre --- verknüpft, daß er auch die zweifellos auf einem ganz anderen -Blatte stehende Besteuerung der Kohle mit heranzieht, und ihr sogar -den Hauptanteil (200 Millionen Mark) an seiner mit 320 Millionen Mark -balanzierenden „Finanzreform“ aufbürdet.[4] - -Die Frage der Reichskonzentration, die recht schwierig geworden -ist, nachdem Bayern und Sachsen bereits selbständig Wege -beschritten haben, wie sie Klingenberg vorgeschlagen hat, wird -von diesem gar nicht behandelt, während sie von Siegel mit dem -Wort Reichs-Elektrizitätsverband leichthin abgetan worden ist. -Ganz so einfach dürfte es ja nicht sein, die Wasser-Elektrizität -Bayerns zum Beispiel mit der Kohlen-Elektrizität Preußens auf eine -gemeinsame Formel zu bringen, abgesehen davon, daß gerade die -größeren Bundesstaaten nicht ohne weiteres bereit sein werden, ihre -Elektrizitätskompetenzen auf das Reich übergehen zu lassen oder auch -nur Teile davon in eine Reichs-Elektrizitätsgemeinschaft einzubringen. - -Nach alledem kommen wir zu dem Ergebnis, daß der Gedanke der zentralen -Krafterzeugung der technischen und ökonomischen Folgerichtigkeit -nicht entbehrt, daß er aber starke Hemmnisse, die zum Teil aus der -Belastung der Gegenwart mit Rudimenten der Vergangenheitsentwickelung, -zum Teil aus dem bundesstaatlichen und kommunalen Partikularismus -stammen, überwinden muß, ehe er zu voller Wirkung und Reife erwachsen -kann. Die Ernte dieses fruchtbaren Gedankens wird erst in der -Zukunft gepflückt werden[5]. Viel wird dabei auf die Frage ankommen, -welche Entwickelung in den nächsten Jahren das Vollbahnenproblem -nehmen wird. Geht der Staat nach dem Kriege in verstärktem Tempo -zur +Elektrifizierung der Vollbahnen+ über, wie das allerdings -nach den Erfahrungen des militärischen Verkehrs und bei der starken -Verschuldung aller kriegführenden Staaten nicht gerade erwartet -werden kann, so würden zur Deckung des Strombedarfs für die Bahnen -sowieso riesige Zentralstromwerke errichtet werden müssen, die -ganz natürlich zur Unterbringung ihrer überschüssigen Kapazitäten -versuchen würden, auch andere Großabnehmer an sich zu ziehen. Daß -auch der preußische Staat in solchem Falle danach streben würde, -diese Tendenz durch ein Strommonopol zu unterstützen, erscheint -naheliegend. Ebenso ist damit zu rechnen, daß sich bei einer solchen -Entwickelung, wenn nämlich die Anlageinvestitionen sowieso vorgenommen -werden müßten, und zur Deckung des zusätzlichen Absatzes an Private -nur vergrößert zu werden brauchten, die Erträgnisbedingungen für das -Staatsmonopol wesentlich verbessern würden. Je stärker nämlich in -der Zusammensetzung von neuem Bedarf (für die Bahnen) und von altem -Bedarf (für bestehende Verteilungsanlagen) der neue Bedarf, bei dem -eine Verzinsung und Amortisierung alter Anlagen nicht mehr in Betracht -kommt, dominieren würde, desto stärker und ungestörter würden sich -in der Monopolwirtschaft die technischen und ökonomischen Wirkungen -und Vorteile des Großkraftwerk-Betriebes ausprägen können. In jedem -Falle, ob nun die Elektrifizierung der Vollbahnen das Monopolproblem -begünstigen würde oder ob dieses sich ohne eine solche Stütze -durchzusetzen hätte, bleibt es fraglich, ob der Monopolgesetzgeber die -Frage des Anschlusses der bisherigen privaten Erzeuger -- öffentlicher -Werke und Einzelanlagen -- an das Monopolnetz so ganz von deren freiem -Willen abhängen lassen könnte, wie dies sowohl Siegel wie Klingenberg -voraussetzen. Das Riesenproblem der Kriegslastendeckung wird vielleicht -tiefere Eingriffe in das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht -der Privaten erforderlich machen und insbesondere dürfte ein -Elektrizitätsmonopol sich nicht damit begnügen, den viel geringeren -Teil der Elektrizitätserzeugung zu erfassen, der in den öffentlichen -Werken vereinigt ist, und den weit größeren Teil frei zu lassen, der in -den Einzelanlagen zum Ausdruck kommt. Gewiß ist für manche Unternehmer -die Versorgung durch Einzelanlagen, trotz der an sich höheren -Produktionskosten des Stroms in meist kleinen und oft unmodernen -Betrieben infolge der Ersparnis der Kosten des Leitungsnetzes -vorteilhafter als der Bezug aus einer öffentlichen, wenn auch ganz -modernen Zentrale. Es wird aber auch Fälle geben, in denen, namentlich -bei günstiger Lage der Zentralen, das Gegenteil zutrifft. Will man -aber schon den Besitzer einer bereits bestehenden Privatanlage um -der Kapitalien willen, die er in seine Zentrale gesteckt hat, nicht -zwingen, vom Staatsnetz teureren Strom zu beziehen, als er ihn sich in -seiner eigenen Anlage selbst herstellen könnte, so fällt doch diese -Rücksicht fort bei dem Unternehmer, der erst eine Privatanlage schaffen -oder eine schon bestehende erweitern will. Ihm schmälert man kein -wohlerworbenes Recht, wenn man ihn durch gesetzlichen Zwang oder durch -Prohibitiv-Steuer veranlaßt, seinen Strombedarf bei den Staatswerken -zu decken. Die Furcht Klingenbergs, daß dann ein Teil der Industrie -wieder von der elektrischen Kraftübertragung zur Dampftransmission -zurückkehren würde, erscheint mir kaum begründet. Der +ganze+ -Zusatzbedarf jedenfalls, gleichgültig ob er sonst durch öffentliche -Werke oder private Einzelanlagen gedeckt werden würde, gebührt -dem Monopol. Erst dann kann dieses auf die große und einträgliche -Neubeschäftigung rechnen, die ihm die Grundlage für eine sichere und -ergiebige Gewinn-Kalkulation bietet. - - - - -Fünfzehntes Kapitel - -Gemischt-wirtschaftliche Unternehmung - - -Wenn man der Stellungnahme Rathenaus und seines Kreises für das -Elektrizitätsmonopol in der oben geschilderten Art neben den -objektiven, volkswirtschaftlichen Gründen auch so etwas wie ein -subjektives, sozusagen -- im erlaubten Sinne -- eigennütziges -Motiv unterlegen wollte, so könnte es im folgenden liegen: Der -kluge Realpolitiker, der sich bei allem Gedankenschwung nie an -Unmöglichkeiten klammerte, dessen Stärke darin bestand, immer nur -zu wollen, was er konnte, hatte wohl erkannt, daß die Tendenz zum -Staatsmonopol so stark sei, daß ihr auf die Dauer nicht Widerstand -zu leisten war. Gewisse Widerstände, denen Konzessionsanträge von -Privatgesellschaften für Großkraftwerke seit einiger Zeit bei der -Regierung begegneten, zeigten ihm, daß man dort die Zukunft nicht zu -„präjudizieren“, sondern sich die Freiheit des Handelns zu erhalten -wünschte. War sich die Privatunternehmung aber einmal klar darüber -geworden, daß sie die Zukunft auf dem Gebiete der Stromerzeugung -nicht mehr so würde beherrschen können wie die Vergangenheit und -zum Teil auch noch die Gegenwart, so war es für sie unklug, sich -gegen eine doch unvermeidliche Entwickelung zu sträuben, schließlich -besiegt zu werden und unter Bedingungen kapitulieren zu müssen, die -sie dann nicht mehr stellen, mit bestimmen oder auch nur beeinflussen -könnte. Bis zur Rolle des Expropriierten hat sich Emil Rathenau nie -drängen lassen. Er hielt es in solcher Lage für besser, mit den -Zukunftsmächten in einem Zeitpunkte zu paktieren, in dem er ihnen noch -als Gleichstarker, Ebenbürtiger, in freier Verhandlungs-, Forderungs- -und Konzessionsfähigkeit gegenübertreten konnte. Er wollte lieber -beizeiten einen Teil seiner Macht und seines Besitzes an Kräfte, -deren schließliche Überlegenheit er erkannt hatte, hergeben, um sich -durch dieses Opfer den anderen Teil zu erhalten, anstatt später einmal -alles zu verlieren. Auf unseren Fall übertragen: Rathenau hielt es -für richtiger und vorteilhafter, früh ein Strommonopol vorzuschlagen, -auf dessen Konstruktion und Beschaffenheit er bestimmend einwirken -konnte, statt schließlich eins nehmen zu müssen, bei dessen Formung und -Verwaltung er ausgeschaltet sein würde. Sein Elektrizitätsmonopol mit -der Zentralkraftherstellung durch den Staat und der Verteilung durch -die bisherigen Privatunternehmer läßt auch deutlich die Aufteilung der -Macht, des Besitzes, der produktiven und ertragsfähigen Arbeit zwischen -Staat und Privatindustrie erkennen. - -Genau nach diesem diplomatischen Rezept hatte sich Rathenau bereits -vorher mit einem anderen -- kleineren, wenn auch für die Zeit seiner -Geltung sehr wichtigen -- Problem abgefunden, nämlich dem Problem der -+kommunalen+ und sonstigen +öffentlich-korporativen Einfluß- -und Besitzansprüche+ auf dem Gebiete der Elektrizitätserzeugung. -Die Gefahr war auch hier die völlige Überführung der Stromversorgung -und Stromverteilung auf die Gemeinden, Kreise, Provinzen usw. und -damit die Expropriierung der Privatindustrie gewesen, die Lösung wurde -in der +gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung+ gefunden. Diese -ist im Verhältnis zum staatlichen Elektrizitätsmonopol, der Betriebs- -und Verwaltungsform der Größtkraftversorgung von morgen, das Gewand, -das die Großkraftversorgung der letzten Vergangenheit und zum Teil -auch noch der Gegenwart sich geschaffen hat. Eine Schöpfung, die im -+Prinzip+ bereits wieder überholt und überwunden ist, in der -Praxis aber die Verhältnisse gegenwärtig noch stark beherrscht. Ist das -Elektrizitätsmonopol die Rechts- und Betriebsform, der die zentrale -Fernkraftversorgung zudrängt, so ist die gemischt-wirtschaftliche -Unternehmung die typische Rechtsform der +Überlandzentrale+. - -Um die ganze Atmosphäre, die historische Bedingtheit zu -verstehen, in der sich die gemischt-wirtschaftliche Unternehmung -entwickelte, muß man etwas weiter ausholen und sich kurz die -Entwicklung des +Staatssozialismus+ vergegenwärtigen, ehe -man sich dem für uns in Betracht kommenden damit verschwisterten -+Kommunalsozialismus+ zuwenden und neben dem technischen auch den -öffentlich-wirtschaftlichen Wurzelboden der gemischt-wirtschaftlichen -Unternehmung verstehen lernen kann. - -Eine Zeitlang hat es den Anschein gehabt, als ob der Staats- und -Kommunalsozialismus mit raschen Schritten das wirtschaftliche Gebiet -mit Beschlag belegen wolle, das den von ihm bereits beherrschten -Verwaltungsfeldern benachbart oder verwandt ist. Nachdem das Reich und -die Einzelstaaten mit bedeutendem Organisations- und Finanzerfolge die -großen Verkehrsmittel, wie Eisenbahnen, Post, Telegraph und Telephon, -verstaatlicht hatten, nachdem auch in den Kommunen vielfach mit Erfolg -versucht worden war, Anstalten lokaler Ausbreitung und öffentlichen -Charakters, wie Straßenbahnen, Schlachthäuser, Wasserwerke, Gas- -und Elektrizitätswerke, in eigenen Betrieb zu nehmen, schien die -Entwicklung darauf hinzuzielen, die privatwirtschaftlichen Reste -innerhalb dieses von der Theorie bereits mit Entschiedenheit für -die öffentliche Unternehmung in Anspruch genommenen Gebietes auch -praktisch zu verdrängen. Es gab eine Zeit -- und sie liegt gar nicht -einmal weit zurück --, in der es zum Beispiel für die städtischen -Verwaltungsorgane, für die Presse und die Bürgerschaft von Berlin -außer Zweifel stand, daß alle Straßenbahnen und Elektrizitätswerke -beim Erlöschen der Privat-Konzessionen städtisch werden müßten; in der -es das Ziel jeder großzügigen Gemeindepolitik war, alle derartigen -Anstalten in kommunale Verwaltung zu bringen, einerseits um die -Anstalten den öffentlichen Gesichtspunkten besser und unabhängiger von -privaten Unternehmerinteressen dienstbar zu machen, andererseits auch, -um die aus den Anstalten erzielten Unternehmergewinne den Kommunen in -vollem Umfang zuzuführen. - -Der Kreis der für den öffentlichen Betrieb geeigneten Unternehmungen -erweiterte sich immer mehr. Die bereits öffentlich betriebenen -Gewerbe zogen andere nach sich, die als Hilfsgewerbe für sie wichtig -waren. Der preußische Staat errichtete in Westfalen staatliche -Kohlenbergwerke, um den Kohlenbezug für seine Bahnen sicherzustellen -und sich von der Preisdiktatur des Kohlensyndikats unabhängig zu -machen. Das war in einer Zeit, in der die Kartellbildungen noch neu -waren und, namentlich was die Roh- und Halbstoffindustrien anlangt, -nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch bei den Regierenden -Beklemmungen erweckten und Gegenwehr erheischten. Den schlüpfrigen -Boden eines Kartellgesetzes scheute man sich zu betreten, da man -nicht wußte, wie sich die neuen Organisationen entwickeln würden, da -man auch fürchtete, für die Gesamtwirtschaft vielleicht fruchtbare -(und tatsächlich außerordentlich fruchtbar gewordene) Möglichkeiten -durch Bureaukratismus und Polizeimaßregeln zu verbauen. So versuchte -man es mit einer indirekten Methode der Sicherung, indem man in -staatlichen Konkurrenzwerken Gegengewichte gegen die Überspannung -des Unternehmereigennutzes zu schaffen suchte. Aus dieser Stimmung -heraus motivierte man die neuen Unternehmungen nicht nur mit -den fiskal-wirtschaftlichen Beweggründen der Sicherstellung des -Kohlenbedarfs für die staatlichen Bahnen, sondern man stellte sie -auch unter die Gesichtspunkte der Wahrung allgemeiner Bürger- (das -heißt Verbraucher-)Interessen. Es mag dahingestellt sein, ob man -sich damals klar darüber war, wie weit man mit solchen immerhin nur -in beschränktem Umfange vorgenommenen Experimenten das angestrebte -Ziel überhaupt erreichen konnte, oder ob man mit der Möglichkeit -rechnete, diesen Experimenten im Erfolgsfalle eine breitere Basis -zu geben, oder ob man vielleicht nur aus einer Stimmung, nicht aus -einem durchdachten Plane heraus staatssozialistischen und auch -bodenreformerischen Bestrebungen, die sich damals zu einem System -gerundet hatten, eine Konzession machen wollte. Jedenfalls griff die -staatssozialistische Theorie die vereinzelten Eroberungszüge, die die -öffentliche Unternehmung aus dem Gebiet der Kommunikationsmittel in -das Gebiet der Produktionsmittel unternahm, sofort begeistert auf und -verallgemeinerte sie zu Forderungen, nach denen die Bodenschätze und -Bodenwerte eines Landes nicht von einzelnen Unternehmern nach Belieben -ausgenutzt werden dürften, sondern im Interesse der Allgemeinheit -verwendet werden müßten. Damit war eine Atmosphäre geschaffen, -in der es auch im kommunalen Leben als überaus rückständig galt, -Unternehmungen öffentlicher Art mit lokal umgrenztem Wirkungskreise -privaten Unternehmern zu überlassen. - -Es ist aber bald ein Rückschlag eingetreten. Er mußte eintreten, da -es sich zeigte, daß staatssozialistische Experimente, auf schmaler -Grundlage zaghaft und ohne volle Konsequenz ausgeführt, ohne -organische Umbildung des ganzen Wirtschaftslebens auf ungünstige -Betriebsbedingungen angewiesen, ohne Monopolrechte dem in vielen -Dingen freieren Wettbewerb der Privatunternehmer unterlegen, keinen -überzeugenden und namentlich keinen schnellen Erfolg haben konnten. -Die Verstaatlichung der Eisenbahnen gelang, weil hier ein Monopol -geschaffen wurde, dessen ganze Organisation dem bureaukratischen -Apparat entgegenkam und dessen Betrieb mehr die verwaltende als die -propagandistische Seite der Kaufmannstätigkeit in Anspruch nahm. Die -Ordnung, die Sicherheit, die Einheitlichkeit bedeuteten hier mehr -als die bloße geschäftliche Nutzwirkung, die möglicherweise beim -Privatbetriebe größer gewesen wäre als beim Staatsbetriebe. Was aber -für die Kommunikationsmittel galt, das galt nicht in gleicher Weise -für die Produktionsmittel. Die teurere Betriebsweise des Staates, -die im bureaukratischen Betriebe wie in der staatssozialistischen -Idee begründeten Hemmungen des unternehmerischen Agens, würden auch -bei einer vollständigen Verstaatlichung vieler Produktionsmittel -(namentlich solcher, die in ihrem Absatzradius nicht auf die -Staatsgrenzen beschränkt, sondern auf den Ausfuhrmarkt angewiesen -sind) den volkswirtschaftlichen Nutzeffekt der Industrien -herabgedrückt haben, ohne daß diese Nachteile auf der anderen Seite -durch so große Vorteile wie bei den Eisenbahnen aufgewogen worden -wären. Ganz besonders augenfällig mußte diese Unterlegenheit des -staatlichen Betriebes in Erscheinung treten, als der Staat auf -privatkapitalistischem Boden mit der Privatindustrie in Wettbewerb -trat, als er sich nicht die monopolistische Form schuf, die seiner -Verwaltungsmethode entsprach. Hier mußte er den Kürzeren ziehen, nicht -nur weil seine Arbeits- und Verwaltungsweise weniger beweglich war, -sondern auch weil er in seiner Unternehmerpolitik naturgemäß sozialer -und rücksichtsvoller sein mußte als die Privatindustrie. - -Die Tatsache, daß die staatssozialistischen Eroberungszüge in das -Gebiet der Produktionsmittel, geführt mit dem Rüstzeug und auf dem -Boden der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, unergiebig ausgelaufen -sind und auslaufen mußten, schien vor dem Kriege fast festzustehen. -Was der Krieg an +unfreiwilligen+ und durch die Verhältnisse -erzwungenen staatssozialistischen Verwirklichungen umfassenderer Art -gebracht hat, welche Erfahrungen -- sie schienen zuerst günstiger, dann -wieder ungünstiger zu sein, als man erwartet hatte -- dabei gemacht -wurden, braucht uns hier ebenso wenig zu interessieren wie die Folgen, -die sich daraus ergeben werden. Denn wir sprechen von dem Zeitpunkt -und den Zeitverhältnissen, aus denen die gemischt-wirtschaftliche -Unternehmung historisch entstand und die wir in ihren Ursachen und -Anlässen zu erklären haben. - -In dieser Zeit war nun die Folge der wenig erfolgreichen -staatssozialistischen Experimente, daß die Stimmung in den Kreisen der -Regierenden unsicher wurde, und neues Feld für staatssozialistische -Versuche nicht mehr zu gewinnen war. Der Fiskus, der bei der ganzen -Sache viel riskiert und wenig gewonnen hatte, sträubte sich und -verlangte aus dem Spiel gelassen zu werden, und somit war der -Bildung von Unternehmungen, die eine rein staatliche Verwaltung -und beträchtliche staatliche Mittel erforderten, zunächst der Weg -erschwert. Dennoch war die Luft inzwischen mit staatssozialistischen -Ideen derart getränkt worden, daß ein völliger Rückzug nicht mehr gut -möglich war. So kam man denn schließlich zu dem +Aushilfsgebilde+ -der +halböffentlichen Betriebs- und Verwaltungsform+. Verschiedene -brennende Probleme der Industriepolitik suchte man mit ihr zu -bewältigen. So stellte die Diamantenregie Dernburg-Fürstenbergs ein -gelungenes, für die Privatunternehmung und den Staat vorteilbringendes -Beispiel, die Regelung des Kaliabsatzes, die der Industrie als -solcher nur Unsegen und dem Staate keinerlei Vorteil brachte, ein -mißglücktes Beispiel dieser halbstaatlichen Verwaltungsform dar. -Alle diese Experimente liegen aber nicht mehr ausschließlich in der -Richtung des Staatssozialismus; sie laufen nicht lediglich auf eine -Regulierung, Machtbeschränkung und Erziehung der Produzenten im -staatlichen und Konsumenten-Interesse hinaus. Zu derselben Zeit, da -der Staat seine Bemühungen, den großen Unternehmerorganisationen mit -Staatssozialismus beizukommen, fast schon aufgeben wollte, hatten die -Unternehmer erkannt, welche Möglichkeiten ihnen der Staatssozialismus -für die Aufrechterhaltung ihrer künstlichen Marktregelungen zu -bieten vermochte. Das Argument, daß man die wirtschaftliche Lage, -wie sie durch die ehemals als Feinde bekämpften Kartelle seit Jahren -befestigt worden war, im volkswirtschaftlichen Interesse nicht -zusammenbrechen lassen dürfe, daß aus der Auflösung dieser oder jener -„bewährten Organisation“ unberechenbare Folgen sich ergeben würden, -wurde nicht selten als Vorspann für die Forderung oder Verwirklichung -halböffentlicher Regelungen von den privaten Unternehmern selbst -benutzt und die Verbraucher mußten noch froh sein, wenn bei derartigen -auf Anregung der Produzenten vorgenommenen Regelungen durch gewisse -Lieferungsvorschriften auch auf sie Rücksicht genommen wurde. - -Diese ganze Hemmung und Umbiegung einer in ihrer Art und Richtung -anfänglich recht entschiedenen Bewegung ist aber nicht lediglich auf -die obengeschilderte wirtschaftliche und betriebliche Überlegenheit -der Privatindustrie über die Staatsindustrie (wohlgemerkt, wenn sie -nach dem System und auf dem Boden der Privatindustrie arbeitet), -sondern auch auf die Überlegenheit der privatwirtschaftlichen -+Finanztechnik+ über die staatswirtschaftliche zurückzuführen. Es -ist durchaus kein Zufall, daß die Resignation des Staatssozialismus -mit dem damals vielleicht vorläufigen, aber doch recht entschiedenen -+Siege der Industrieaktie+, ja sogar der Industrieobligation, -über die Staatsrente zeitlich zusammenfiel. Einstmals besaß die -staatliche Unternehmung vor der privaten den einen, manche Nachteile -ausgleichenden Vorteil der wesentlich billigeren Geldbeschaffung. -Hier hat die neuere Entwicklung abschwächend gewirkt. Als der Staat -noch sein Leihgeld mit nur 3 oder 3½% zu verzinsen brauchte, die -Privatindustrie aber für das ihrige 5 bis 6% oder noch mehr zahlen -mußte, bestand hinsichtlich der Sicherheit und Stabilität zwischen -Staats- und Privatpapieren eine scharfe Trennungslinie. Auch heute sind -Staatsanleihen theoretisch noch sicherer als die besten Privatpapiere, -aber je mehr die großgewerblichen Kartelle und Trustgebilde die -privatindustrielle Rente ausgeglichen und befestigt haben, um so -mehr ist die +praktische+ Sicherheitsgrenze verwischt worden. -Dazu kam, daß die zunehmende Industrialisierung unserer Wirtschaft -schon im Frieden eine andauernde Verteuerung der Lebenshaltung und -ein andauerndes Sinken des Geldwerts im Gefolge hatte, wodurch der -Rentner veranlaßt worden ist, auf eine höhere Verzinsung seines -Kapitals hinzuarbeiten. Es war eben die Rückwirkung der überwiegend im -Produzenteninteresse liegenden Wirtschaftspolitik, die der Staat in -den letzten Jahrzehnten getrieben hatte und vielleicht mit Rücksicht -auf die Gesamtwirtschaft und ihre Stellung im Wettbewerb auch treiben -mußte, daß der Staat nun diese Politik bei seiner Finanzgebarung am -eigenen Leibe nachteilig zu spüren bekam. Jedenfalls hatte diese -Entwicklung, welche die althergebrachte, in der Finanzwissenschaft -beinahe zum Dogma gewordene Lehre von dem Abstand zwischen Staatsrente -und Industriepapier zuungunsten der Staatsrente verschob, für eine -Weiterbildung der staatssozialistischen Ansätze starke finanzpolitische -Hemmungen geschaffen. - -Die zurückflutende Welle der staatssozialistischen Bewegung hat -naturgemäß auch die Entwicklung des +Kommunalsozialismus+, die -an sich schon durch allerlei Reibungen in ihrem zeitweilig kräftigen -Vorwärtsdrängen gehemmt worden war, nicht unberührt gelassen. Das -bureaukratische Betriebssystem ist mit seinen Nachteilen und Vorteilen -in der Kommune und der sonstigen öffentlichen Körperschaft ungefähr -dasselbe wie im Staate. Das schwerfällige Rechnungs- und Haushaltswesen -der öffentlichen Gemeinschaften, das ohnehin die Beweglichkeit und -Elastizität der privaten Unternehmertätigkeit nicht zuläßt, macht -sich vielleicht in den Kommunen noch störender bemerkbar, weil -bei ihnen nicht nur der eigene Instanzenzug, sondern auch der der -übergeordneten Staatsbehörde zu berücksichtigen ist. Selbst wenn eine -Kommune Unternehmungen in eigenen Betrieb übernehmen wollte, ist ihr -dies häufig (man denke an die Erfahrungen der Stadt Berlin in der -Straßenbahn-Verstadtlichungsfrage und bei dem Ankaufsgebot auf das -Tempelhofer Feld) durch die Staatsregierung erschwert, wenn nicht ganz -unmöglich gemacht worden. - -Ein weiterer und sehr wichtiger Grund, der einer allzustarken -Ausdehnung des Kommunalsozialismus -- selbst wenn betriebliche -Gründe, von denen noch die Rede sein wird, ihm nicht von selbst -schon gewisse Schranken gezogen hätten -- hinderlich werden mußte, -war wieder die Finanzierungsfrage, die sich für die Kommunen noch -schwieriger gestaltete als für den Staat. Der Kapitalmarkt, schon -an sich den festverzinslichen Rentenwerten nicht mehr so geneigt -wie früher, vermochte die sich von Jahr zu Jahr häufende Menge von -Stadt- und Kommunalanleihen nicht mehr aufzunehmen; das Wettrennen -zwischen den Staaten, Kommunen, Bodenkreditanstalten und industriellen -Unternehmungen um den günstigsten Platz auf dem Anleihemarkte -drohte diesen der Schonung dringend bedürftigen Markt völlig zu -desorganisieren. Die Städte hatten unter diesen Umständen Mühe, -ihren bei den erhöhten Anforderungen der modernen Kommunalpolitik -schon an und für sich stark angeschwollenen Geldbedarf für reine -Verwaltungszwecke recht und schlecht zu decken. Die Aufgaben des -Kommunalsozialismus mußten so nach Möglichkeit eingeschränkt oder -zurückgestellt werden, und sie ließen sich leichter zurückstellen -als die übrigen öffentlichen Aufgaben. Man kann der Regierung -infolgedessen nicht so unrecht geben, wenn sie die Kommunen mehrfach -zur Einschränkung ihrer Anleiheausgaben aufgefordert und so indirekt -auf eine Eindämmung des reinen Kommunalsozialismus hingewirkt hat. -Emil Rathenau, der diese Entwickelung frühzeitig erkannt hatte, -machte verschiedene Versuche, um aus ihr Nutzen zu ziehen oder doch -die sich daraus für die Elektrizitätsbewegung ergebenden Nachteile -zu beseitigen. Ein erster Versuch in dieser Richtung, der darin -bestand, +Elektrotreuhandbanken+ zu errichten, die den Kommunen -und Korporationen zur Errichtung von Elektrizitätsunternehmungen -Obligationenkredit einräumen sollten, führte zu keinem rechten -Ergebnis. Dagegen bürgerte sich die ähnlichen Zwecken dienende -gemischt-wirtschaftliche Unternehmung ziemlich schnell und umfassend -ein und die Kommunalpolitik nahm bereitwillig diese Form an, als das -Großgewerbe -- den Zeichen der Zeit folgend -- sie ihr sozusagen auf -halbem Wege entgegenbrachte. Man hat sie hier sogar in verhältnismäßig -kurzer Zeit praktisch wirkungsvoller auszugestalten vermocht, als dies -dem Staat gelungen ist. Allerdings gerade denjenigen Vorteil, den -der theoretische Befürworter und Ausgestalter dieser Form, Geheimrat -Freund, vielleicht als den ausschlaggebenden angesehen hat, konnte sie -nicht erbringen. Sie vermochte nicht mit der privatwirtschaftlichen -Initiative und Beweglichkeit die billigere Geldbeschaffung der Kommunen -zu vereinigen, eben weil eines der Hauptmotive zu ihrer Bildung und -zur Abkehr der Kommunen von eigenen Betrieben die Überspannung des -Kommunalkredits gewesen ist. - -Anwendung gefunden hat die Form der gemischt-wirtschaftlichen -Unternehmung bisher hauptsächlich bei Elektrizitätswerken (Kraft-, -Lichtwerken und elektrischen Bahnen), Kleinbahnbetrieben, und mit -schwächeren Ansätzen auf dem Gebiet der Grundstücksunternehmung. Im -nachfolgenden soll ausschließlich von dem uns im Rahmen unserer Arbeit -vornehmlich angehenden Anwendungsgebiet der Elektrizitätsbetriebe die -Rede sein. - -Will man verstehen, warum gerade das +elektrische Lokal- -und Überlandunternehmen+ die Hauptanwendungsform für die -gemischt-wirtschaftliche Unternehmung geworden ist, so muß -man notwendig auf die Entstehung und Geschichte der lokalen -Elektrizitätsunternehmungen zurückgehen. Sie gehörten im Anfang nicht -zu jenen Betrieben, die mit städtischen Mitteln und in städtischer -Verwaltung errichtet wurden. Das hat seinen Grund vor allem darin, daß -vor der Elektrizitätszentrale die Gasanstalt da war. Die Errichtung der -ersten lokalen Zentralbeleuchtungsanstalt war naturgemäß eine wichtige -Angelegenheit jeder einigermaßen fortgeschrittenen Kommunalpolitik. -Es bildete eine fast unerläßliche Aufgabe jeder größeren Kommune, -eine zentrale Beleuchtung einzuführen, die nicht nur eine helle -Lichtwirkung, sondern auch eine bequeme Bedienung ermöglichte. Diese -Möglichkeit bot zuerst das Gas, und da die Privatunternehmung nicht -mit einer an der Gasherstellung interessierten Spezialindustrie -zusammenhing, und da sich überdies die Städte damals noch nicht damit -befreunden konnten, ihren Straßengrund der privaten Röhrenverlegung -preiszugeben, so mußten die Kommunen, wenn sie sich modernes Licht -schaffen wollten, die Gaszentralen und die verteilenden Röhrennetze in -vielen Fällen selbst errichten (wenngleich auch auf diesem Gebiete der -Privatunternehmung ein größeres Arbeitsfeld verblieb). Als dann geraume -Zeit später die elektrische Beleuchtung aufkam, zögerten die Kommunen, -die ja ihr Beleuchtungssystem in eine immerhin moderne Verfassung -gebracht hatten, neben ihren Gaswerken noch Elektrizitätswerke zu -bauen. Das Bedürfnis dafür schien nicht unbedingt vorhanden zu sein, -zumal da die Gasbeleuchtung den Kampf mit der Elektrizität tatkräftig -und lange Zeit erfolgreich führte. Das Elektrizitätswerk stellte zudem -eine technisch wesentlich kompliziertere, in ihrem Betriebe besonders -in der ersten Zeit schwerer zu übersehende Unternehmung dar als die -Gaszentrale. Auch beschränkte sich die Elektrizität nicht auf das -Beleuchtungsgebiet, vielmehr griff sie in der Form von Antriebsenergie -für alle Arten von Maschinen direkt auf das industrielle Leben über -und in den allgemeinen Produktionsprozeß hinein. Man scheute sich -daher in kommunalen Kreisen zunächst, eine so vielfältige und schwer -übersehbare Produktion in eigene Verwaltung zu übernehmen. Da griff -denn die Elektrizitätsindustrie -- als Großinteressentin an der -Ausbreitung der elektrischen Energie -- wie wir dies in unserem Buche -bereits ausführlich geschildert haben, mit privater Initiative ein. -Die privaten Elektrizitätswerke, an die zumeist auch elektrische -Straßenbahnnetze angeschlossen wurden, entwickelten sich trotz der -beträchtlichen Abgaben, die an die Kommunen zu entrichten waren, -so nutzbringend, daß die Privatindustrie gern die ganze kommunale -Elektrizitätsversorgung dauernd in ihrer Hand behalten hätte. Je mehr -aber die hohe Nutzwirkung der Stromerzeugung ersichtlich wurde, desto -mehr zeigte sich bei den Kommunen das Bestreben, diese Quelle reichlich -strömender Gewinne völlig für sich mit Beschlag zu belegen. Es kam -die Periode, in der allenthalben die Verstadtlichung der elektrischen -Kraftwerke und Straßenbahnen angestrebt und vielfach auch durchgesetzt -wurde. - -Zweifellos haben die Kommunen dabei keine schlechten Erfahrungen -gemacht. Die von ihnen geführten Betriebe wurden vielfach geschickt -verwaltet, ihre Erträgnisse befruchteten die kommunalen Finanzen, -und für die Verbraucher ergaben sich befriedigende Verhältnisse. -Dennoch ist die kommunalsoziale Strömung im Elektrizitätswesen schon -nach kurzer Zeit verlangsamt worden. Daran waren neben den oben -geschilderten finanziellen Gründen auch verwaltungspolitische und -betriebstechnische schuld. Die Übernahme von Elektrizitätswerken, -elektrischen Straßenbahnen usw. in städtische Regie erforderte -eine beträchtliche Verstärkung der kommunalen Beamten- und -Arbeiterschaft; sie schuf verwickelte Besoldungsprobleme und rapide -anschwellende Pensionsetats. Überdies erforderte die Eigenart -des elektrischen Betriebes die Anstellung besonders tüchtiger -und demgemäß auch teurer Kräfte, deren Bezahlung innerhalb der -kommunalen Beamtenschaft Schwierigkeiten bot. Alles dies in einer -Zeit, in der die Kommunalpolitik notgedrungen auf größtmöglichste -Sparsamkeit und auf Einschränkung der Ausgaben hinarbeiten mußte. Das -ausschlaggebende Moment war aber doch wohl das betriebstechnische. -Die +Elektrizitätswerke+ fingen an +zu groß+ zu werden, -als daß ihr Wirkungsgebiet sich hätte auf eine einzige mittlere oder -selbst große Kommune beschränken können. Elektrizitätszentralen, -die auf der Höhe der Technik und Wirtschaftlichkeit stehen -sollten, mußten neben der Zentralstadt nicht nur die Vororte und -benachbarten Landkreise, sondern auch weitere Zentralstädte in ihren -Versorgungsradius ziehen. Den einzelnen Kommunen wuchs mit anderen -Worten das Problem der wirtschaftlichen Elektrizitätsversorgung -aus den Händen. Sie machten zwar gelegentlich den Versuch, sich zu -Verbänden oder Verbands-Aktiengesellschaften zusammen zu schließen, -aber solche Versuche gelangen doch nur ausnahmsweise, zumal da sich -gleichzeitig die Elektrizitätserzeugung der großen Industriezentren -mit überzeugendem Nutzen an privatindustrielle Produktionsstätten -anzulehnen begann, die einen Teil ihrer überschüssigen oder billig -zu erzeugenden Kraft für die Elektrizitätserzeugung hergeben -konnten. Hier liegt die große produktive Leistung Hugo Stinnes, -der -- ohne eigentlich Elektrizitätsfachmann zu sein -- eine -derartige Elektrizitätserzeugung auf montanindustrieller Basis zum -ersten Mal in großem Stile aufnahm, die Gichtgase seiner Hochöfen -als Antriebskraft für riesige Dynamomaschinen benutzte und in -seinem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk eine technisch -wie kaufmännisch gleich hervorragende Organisation schuf. In diese -Organisation zog er eine große Reihe rheinisch-westfälischer Groß- und -Kleinstädte, Landgemeinden und Privatkonsumenten mit hinein. Was Emil -Rathenau vorschwebte, als er vor Jahrzehnten bereits aus den damaligen -Schwierigkeiten seiner privaten Kraftwerke heraus ein Zusammenwirken -zwischen Privatindustrie und Gemeinden auf genossenschaftlicher -Grundlage vorschlug, was er später beim Elektrizitätswerk Straßburg -i. E. durch Verbindung eines Konzessionsvertrages mit einer mäßigen -Aktienbeteiligung der Kommune vorbereitend anbahnte, ist beim -Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk aus den Unzulänglichkeiten -lokaler Elektrizitätsversorgung heraus voll verwirklicht und in reifer -Form angewendet worden. - -Hugo Stinnes hat nicht nur zuerst das technische Problem der -montanindustriellen Großzentrale bewältigt, er hat auch zugleich -die grundsätzliche wirtschaftliche Unternehmungsform gefunden, -die es gestattete, einen privaten Industriebetrieb mit einer oder -mehreren kommunalen Körperschaften zu einem Interessenverbande zu -vereinigen. Er wählte die Form der Privat-Aktiengesellschaft, an deren -Finanzierung sich sowohl das private Unternehmerkapital als auch die -Kommunen beteiligten, und in deren Verwaltungsrat sowohl Vertreter -der beteiligten Kommunen als auch der privaten Unternehmerkreise -saßen. Ging beim Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk die -Anregung zur Bildung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens -von der Rohstofflieferantin, der Montanindustrie, aus, so gab -bei anderen Bildungen dieser Art die Materiallieferantin, die -Elektrizitätsindustrie, den Anstoß. Diese Industrie, die seit -langem mit der Errichtung von Elektrizitätswerken in eigener Regie -oder in der Regie von Tochterunternehmungen günstige finanzielle -Erfolge erzielt hatte, indem sie sich nicht nur für den Absatz ihrer -Fabrikate Stützpunkte schuf, sondern auch noch die Quelle reichlich -und ziemlich gleichmäßig fließender Rentengewinne erschloß, diese -Industrie hat sehr schnell eingesehen, daß sie mit der neuen Form der -gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung, mit dieser Konzession an den -sozialen Zeitgedanken, der streng kommunalsozialistischen Bewegung den -Wind wenigstens teilweise würde aus den Segeln nehmen können. Was sie -praktisch aufgab, war nicht sehr viel. Das absolute privatindustrielle -Selbstbestimmungsrecht, das ihr übrigens vorher schon durch die -Konzessionsverträge mit den Kommunen beschnitten gewesen war, wurde -durch die Beteiligung der Kommunen am Stimmrecht und an der Verwaltung, -sowie durch gewisse kommunale Veto- und Forderungsrechte allerdings -bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt. Dafür bot ihr aber die -Kontrolle durch öffentliche Verwaltungsorgane einen wirksamen Schutz -gegen Angriffe, denen sie vorher ausgesetzt war. Ferner behielt die -Privatindustrie die besonders wertvolle Möglichkeit, die von ihr -in Gemeinschaft mit den Kommunen betriebenen Elektrizitätswerke -als Arbeitszubringer und Abnehmer für ihre Fabrikate zu benutzen, -fast unbeschränkt bei. Ebenso blieb ihr das Renteninteresse an den -Unternehmungen erhalten, wenn auch der Quantität nach durch die -Beteiligung der Kommunen etwas verringert; der Qualität nach wurde es -durch die moralische und manchmal auch rechtliche Garantieübernahme -seitens der Kommunen sogar noch erhöht. - -Ob die Interessen der Kommunen und der Verbraucher bei der -gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung ebenso gut aufgehoben gewesen -sind, wie die der Privatindustrie, ist eine Frage, die sich nicht -allgemein entscheiden und bejahen läßt. Ein gewisser Nachteil für -die Kommunen mag darin liegen, daß eine gemeinsame Beteiligung -und Tätigkeit in denselben Unternehmungen sie aus übergeordneten -Behörden zu Wirtschaftsgenossen und Geschäftsteilnehmern der -Unternehmer macht, ein Verhältnis, das gewiß Gefahren mit sich -bringt, deren Vermeidung besondere Klugheit und Charakterfestigkeit -der kommunalen Vertreter erfordert. Dabei war besonders anfänglich -der Kaufmann dem Verwaltungsbeamten in der geschäftlichen Praxis, -noch mehr in der industriellen Technik so sehr überlegen, daß die -theoretisch zugestandenen Aufsichts- und Mitbestimmungsrechte -nicht immer wirkungsvoll zur Geltung gebracht werden konnten. Das -lag aber oft nicht an der Formulierung dieser Rechte, die meist -ausreichend war und einer besonderen gesetzlichen Regelung, wie -sie zum Beispiel Freund gefordert hat, nicht bedurfte, sondern -eben an der mangelhaften Handhabung. Gerade in dieser Hinsicht -hat der Kommunalbeamte im Laufe der Entwickelung und durch diese -viel gelernt. Die Möglichkeiten der Erfahrung und der Vergleichung -haben ihn geschult. Eine Kontrolle durch fachmännische Revisoren -ist bei Elektrizitätswerken heute fast schematisch möglich. Es läßt -sich ziemlich genau bestimmen, welche Stromkosten ein Kraftwerk -je nach seiner Größe, seiner betriebstechnischen Grundlage (als -montanindustrielles, Fernleitungs- oder lokales Werk) haben, und welche -Strompreise es berechnen darf. Schwieriger schon ist die Kontrolle, -ob die von den privaten Unternehmergesellschaften berechneten Preise -für Maschinen- und Materiallieferungen angemessen sind, aber auch -in dieser Hinsicht sind die Kontrollaufgaben für eine tüchtige -Kommunalverwaltung schließlich recht wohl zu erfüllen. Prinzipiell -wird man das System der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung in der -elektrischen Stromerzeugung schon deswegen billigen können, weil in dem -Entwicklungsprozeß der Stromerzeugung, der sich gegenwärtig vollzieht, -die gemischte Unternehmung eine nützliche Übergangsstufe zu den höheren -Betriebsformen darstellt, die wir im vorigen Kapitel geschildert haben. - - - - -Sechzehntes Kapitel - -Charakterbild - - -a) - -Wenn man sich den großen Tatmenschen vorstellt, so sieht man -ihn gemeiniglich als absoluten Willensmenschen von unbeirrbarer -Geistesschärfe, unerschütterlicher Entschlußkraft und -Entschlußdurchführung, von immer gleichbleibender Energie des -Entwerfens und Arbeitens. Unentschlossenheit, Schwankungen des -Intellektes und des Willens traut man ihm und seiner ganzen Art nicht -zu. Hat er Nerven, so sind es stählerne, federnde, die ihn nicht in -der Entfaltung seiner Geisteskräfte hemmen, sondern ihn beschwingen, -ihn über körperliche Anfechtungen und Schwächen hinwegtragen, seinem -Geist, wenn er in zu einsame Höhen der Abstraktion fliegen will, die -Verbindung mit dem Körper, dem Humusboden der Realität erhalten. So -sieht vielleicht das Bild des Genies der Tat für den Fernstehenden aus, -wie es sich am Ende einer festliegenden und festlegenden Entwickelung -geformt hat. Mit so abgeschlossenen und verschlossenen Zügen tritt das -Genie vielleicht aus den Kämpfen seines Innenlebens, aus den Stürmen -seines Werdegangs der Öffentlichkeit entgegen, der es nur die fertigen -Tatsachen, nicht den schweren Weg, auf dem es zu ihnen gelangt ist, nur -die äußeren Ergebnisse, nicht den aufreibenden und oft verzweifelten -Kampf der Möglichkeiten, der ihnen voranging, zeigen will und zeigt. -So ist es auch erklärlich, daß zunächst nur das +äußere+ Bild des -großen Mannes in die Geschichte übergeht und erst die eindringende -Nachforschung des psychologischen Geschichtsschreibers notwendig ist, -um es zu verinnerlichen, um hinter der +Maske+ das Gesicht hervortreten -zu lassen. Man hat gesagt, daß niemand vor seinem Kammerdiener der -große Mann bleibt, und man kann mit der gleichen Berechtigung sagen, -daß niemand vor dem Spiegel seines eigenen Inneren oder dem seiner -nächsten Umgebung der eiserne Tatenmensch bleibt, als den ihn die -Fernstehenden nach seinen Taten ansehen. Shakespeare hat seinem Hamlet, -diesem genialischen Typus der Halbheit und Unentschlossenheit, der -ewigen einander lähmenden Schwankungen und Streitereien des Gemüts -und des Verstandes in Fortinbras einen Tatmenschen, einen Typus des -Positivismus gegenübergestellt. Jener zergrübelt, dieser handelt. -Hamlet ist ein bis ins Feinste ausgeführtes Bildnis, Fortinbras eine -nur den Zwecken des Kontrastes dienende Skizze. Hätte Shakespeare -diese Skizze weiter ausgeführt, so würde er gefunden haben, daß auch -Fortinbras nicht nur klares Wissen, gradliniger Wille ist. Er, der -tiefe Menschenkenner, würde sicherlich zu dem Ergebnis gekommen sein, -daß auch der Tatmensch nicht immer sofort instinktiv das Richtige -sieht und das Richtige tut, sondern daß auch ihm die Fülle der -Gesichte oft beängstigend entgegendrängt, daß auch er sich in Streit -und Widerstreit, in leidenschaftlichen Diskussionen mit sich selbst -und anderen erst aus dem verwirrenden Zuviel der Möglichkeiten auf -den klaren Weg der Notwendigkeit retten muß. Das Entscheidende und -Unterscheidende ist es eben, +daß+ er sich rettet, daß er nicht in dem -Strauchwerk der Reflexion hängen bleibt wie der hamletische Charakter, -der ihm an +vielen+ Gaben nicht unterlegen zu sein braucht, dem aber -die +eine+ Gabe fehlt, in sich Ordnung zu schaffen, seiner Gedanken und -Gefühle doch schließlich Herr zu werden, nachdem er sie genug in sich -hat ringen und wühlen lassen. Gewiß tritt mancher schöpferische Gedanke -intuitiv, sozusagen blitzartig vor den Geist des Tatmenschen hin. Er -hat sich vielleicht nie oder nur obenhin mit dem Problem beschäftigt, -das dieser Gedanke löst. Er erhält Antwort, ohne gefragt zu haben, -findet Gold, ohne daß er danach zu graben brauchte. Die Überlieferung -berichtet von manchen großen Taten, die so entstanden sind, aber sie -verschweigt, wie viel öfter der sogenannte Instinkt den schöpferischen -wie den problematischen Menschen irregeführt hat. Die Bewunderung der -Masse vor dem genialen Instinkt würde vielleicht geringer werden, -wenn sie erfaßte, daß gerade zu dem psychischen Bild Hamlets schnelle -Gedankenblitze und Gedankensprünge gehören, die dem geistreichen -Menschen in gehobener Stimmung oft einen Goldwert der Idee vortäuschen, -der sich bei nüchterner Überlegung nur als blinder Glanz erweist. - -Wie nahe die Grenzen problematischen Wesens und tatkräftiger -Veranlagung beieinander liegen können, wie schmal manchmal die -Wasserscheide ist, von der der Lauf eines Lebens zu diesem oder jenem -Charakter führen kann, zeigt gerade die Geschichte Emil Rathenaus. Nach -einer frisch, doch keineswegs ungewöhnlich geführten Jugend drohte -sein Dasein -- eine beklemmend lange Zeit -- in Unentschlossenheit -zu zerfließen, und doch hat sich derselbe Mann später zu einem -Tatmenschen stärkster Prägung entwickelt. Es ist eben nicht nur -Charakter+material+ zur Bildung eines Charakters erforderlich, -sondern auch das taugliche Objekt, an dem sich dieses Material bewähren -kann. Sicherlich gibt es nicht nur Begabungen, sondern auch Charaktere, -die ihre beste Energie im Suchen um einen geeigneten Platz aufbrauchen, -ihn vielleicht nie finden oder, wenn sie ihn endlich gefunden haben, -nicht mehr Vollkraft genug besitzen, um auf ihm Großes zu wirken. Das -tägliche Leben kennt viele solcher halben Helden, die Geschichte weiß -nicht ebensoviel von ihnen zu erzählen, denn ihr Schicksal erfüllt -sich meistens nicht im Licht, sondern im Dunkel. Hätte Emil Rathenau -ganz mit denselben Geistes- und Charaktereigenschaften erst zehn Jahre -später seinen wahren Beruf, sein wahres Objekt gefunden, und dann nicht -mehr die Frische gehabt, um sich ganz darin auszuleben und auszuwirken, -oder wäre er über die Krise der Berliner Elektrizitätswerke -gestrauchelt und hätte nicht die Kraft besessen, um zum dritten -Male anzufangen, die Geschichte hätte kaum etwas von ihm gewußt und -in dem Gedächtnis seiner Bekannten hätte er höchstens als begabter -„Lebensverfehler“ fortgelebt. - -Emil Rathenaus Charakter rückte wohl deswegen eine Zeitlang scheinbar -so dicht in die Nähe der problematischen, weil er ganz ungewöhnlich -voll von Gegensätzen und Widersprüchen war, die sich mit dem -zunehmenden Alter nicht etwa verringerten oder abschliffen, sondern -im Gegenteil bis zur Wunderlichkeit und Skurrilität verschärften. -Hierin lag vielleicht letzten Endes der Grund für die Langsamkeit, -mit der er sich in die entscheidende Bahn fand, mit der er den Boden -erreichte, auf dem er endlich Wurzel fassen und den festen Punkt -für die Ausgleichung seiner starken Charakterschwankungen finden -konnte. Aber hierin lag auch der Grund für die Kraft, den Reichtum, -die Mannigfaltigkeit und die Elastizität seiner Natur, die sich -niemals länger in einer Richtung festhalten ließ, als dies ihrer -Entwickelung förderlich war und die bei aller sachlichen Konsequenz --- wenn es von höherem Gesichts- oder Gefühlspunkte zweckmäßig war -- -auch einmal inkonsequent sein konnte. Dem außenstehenden Beobachter -mochte vielleicht manchmal als Sprunghaftigkeit, als Impressionismus -erscheinen, was doch nur ein freies und souveränes Spiel mit den -äußeren Formen der Logik war, ein Spiel, das manchmal vielleicht -den Gesetzen der Umwelt, niemals aber den Gesetzen der eigenen -Natur zuwiderlief. Den Mitlebenden oft unverständlich, sich selbst -vielfach nicht bewußt, sprang Rathenaus schneller Instinkt manchmal -über Zwischenglieder der logischen Entwickelung hinweg, an denen -andere nicht vorüberkamen oder vor denen sie wenigstens stutzten. -Seine Entschlüsse und Maßnahmen, die aus einem derartigen geistigen -Telegrammstil entsprangen, erschienen anderen darum oft verkehrt und -nicht folgerichtig, zumal Rathenau sie häufig nicht bewußt begründen -konnte. Die rückschauende Beurteilung mußte sie fast stets als treffend -und zweckmäßig anerkennen, was Rathenau verschiedentlich den Ruf -prophetischer Gabe eingetragen hat. In der schönen Grabrede, die er -seinem Vater hielt, hat Walther Rathenau diese Gabe folgendermaßen -geschildert: „Wer ihm nahe gestanden hat, der weiß es, wie erschütternd -es war, wenn er in seiner einfachen Sprache von Dingen erzählte, -die ihm selbstverständlich erschienen; aber diese Dinge waren nicht -selbstverständlich, denn es waren keine Erinnerungen und es war -keine Gegenwart. Was er schilderte und was er erzählte, das war die -Zukunft, und in dieser Zukunft sah er so klar, wie wir sehen in unserer -Zeit und in dem, was wir von der Vergangenheit wissen. So kamen die -Menschen von weit her und fragten ihn: was wird aus dieser Technik, -was wird aus jenem Verkehr, was wird aus dieser Wirtschaftsform und -was wird aus jener Entwickelung? Und dann gab er ihnen stille Antwort -und wunderte sich nur über das Eine, daß der andere nicht als ein -Selbstverständliches schmählte, was er ihm aussprach.“ - -Gegensätze und Widersprüche des Charakters können die Tatkraft einer -Intelligenz lähmen und zerreiben, wie wir das nur zu oft auch bei -klugen und scharfsinnigen Menschen zu beobachten vermögen. Aber sie -können einem Wirken auch jene Fruchtbarkeit geben, die der einfach -organisierten Natur nicht erreichbar ist, weil sie nicht die ganze -Tiefe, Fülle und Vielgestaltigkeit der Probleme ausschöpfen kann, die -der komplizierte Charakter -- stets auf den Kampf und den Ausgleich -zwischen seinen verschiedenen Gegensätzen angewiesen -- aufwerfen -und in glücklichen Fällen lösen wird. Jeder Mensch und besonders der -sanguinische hat Zeiten des Optimismus und Pessimismus, schwankt -zwischen verschiedenen Stimmungen auf und nieder. Hochgefühl, frische -Spannkraft auf der einen Seite, Depression, Unzufriedenheit und -Überdruß auf der anderen Seite wechseln miteinander ab. Wie sehr hier -eine der Triebkräfte jeder Leistung, jedes Fortschritts und jeder -Entwickelung liegt, zeigt die Übertragung dieser Schwankungen auf -die Geschichte allgemeiner Gestaltungen, die sozusagen von diesem -Auf und Nieder leben, aus dem Wechsel von Hausse und Baisse, von -Ebbe und Flut ihre immer neue motorische Lebenskraft ziehen. Fehlten -die Pendelschwingungen dieses geistigen „Perpetuum mobile“, so -würde die Uhr bald stille stehen, jede Fortentwickelung im Marasmus -ersticken. Bei Emil Rathenau war die Wellenlinie zwischen Optimismus -und Pessimismus außerordentlich stark ausgeprägt. Beide Pole standen -einander ganz schroff entgegen. Daher lebte der Organismus so stark, -wirkte der Ausgleich so fruchtbar, war der entladende Funke von so -zündender Durchschlagsgewalt. So kraß Wärme und Kälte in dem Wesen Emil -Rathenaus aber auch in Erscheinung treten konnten, so wenig ließ der -reale Tatsachensinn, der in der Mitte zwischen den beiden Polen stand, -zu, daß sie mit ihrem +Übermaß+ Einfluß auf die praktische Arbeit -gewinnen konnten. Sie hatten im richtigen Moment anzufeuern und im -richtigen Momente abzukühlen, hatten sich gegenseitig zu beobachten und -zu kontrollieren. War die rechte Mischung erreicht, so war damit die -Bahn und das Tempo der Arbeit festgelegt. Beide wurden dann unbeirrt -und unbeirrbar festgehalten bis zum Ende. Optimistische Voreiligkeit -und pessimistische Hemmung durften ihre Konstanz nicht mehr stören. - -+Optimist+ war Rathenau stets im Entwerfen, und noch vielmehr -in der Absteckung des Feldes, auf dem entworfen oder verwirklicht -werden sollte. Die Ziele, die er seiner elektrischen Technik stellte, -wurden mit fast unbegrenzter Phantasie so weit als nur irgend denkbar -gestellt. Sein Ideal war, die Welt mit Elektrizität zu durchdringen. -Oft im Gespräch mit Fachgenossen, noch mehr mit Laien und Frauen -erging er sich in kühnen Zukunftskombinationen, die sich bis zu Jules -Verneschen Sphären versteigen konnten. Wenn er in den bescheidenen -Anfängen der Lichtelektrizität von den Möglichkeiten sprach, zu -denen die neue Beleuchtungsart einmal führen könnte, mochte das den -Zeitgenossen phantastisch klingen. Für uns, die wir die Verwirklichung -seiner Pläne miterlebt haben, wirken diese Äußerungen als fast exakt -wissenschaftliche Voraussagung einer Entwickelung, die kommen mußte, -wie sie gekommen ist, und die doch nur dieser eine damals gerade so -vorhergesehen hat. Dasselbe war bei der elektrischen Kraftübertragung -der Fall, wenngleich hier noch einige andere an die große Zukunftskraft -der Erfindung vielleicht nicht weniger stark geglaubt haben als -Rathenau. Ihren optimistischen, phantasievollen Charakter auch jetzt -noch bis zu einem gewissen Grade behalten haben die Rathenauschen -Prophezeiungen über das elektrische Fernbahnsystem, dessen Durchführung -nur langsam fortschreitet, trotz alledem jedoch im Bereiche der -Wahrscheinlichkeit liegt. Aber, wenn Rathenau ins Schwärmen kam, konnte -er auch Ideen entwickeln, zu deren Verwirklichung heute noch nicht -die geringsten Ansätze vorliegen, die zu verwirklichen die Menschheit -vielleicht auch nie unternehmen wird, weil der erreichbare Erfolg -in keinem Verhältnis zu dem technischen Aufwand steht. Warum sollte -man, so meinte er, nicht dahin kommen, daß alle Wohnungen von großen -Elektrizitätszentralen aus geheizt werden, daß jede Wohnung mit einer -Anlage versehen ist, die sie von einer Zentrale her elektrisch mit -Kälte für die Eisherstellung versorgt? Fast stets waren derartige -Kombinationen -- auch wenn sie Dinge nebensächlicher Art betrafen -- -technisch richtig gesehen. Das verstand sich für einen so gewiegten -Fachmann von selbst. Rathenau war sich aber recht wohl bewußt, daß er -in solchen lässigen Gesprächen mehr beispielmäßig als ernst sprach und -er würde es sich verbeten haben, wenn ihn jemand beim Wort genommen -und seine praktische Mitwirkung bei der Ausführung derartiger Projekte -verlangt haben würde. Solche Phantasien im großen und im kleinen waren -aber doch kennzeichnend für den gewaltigen Glauben, mit dem Rathenau -seiner Wissenschaft anhing, für die stets beschwingte Vorstellungswelt, -in der dieser Praktiker lebte und aus der er sich Kraft und -Lebendigkeit für seine Arbeit immer wieder aufs neue holte, wenn ihn -die Kleinlichkeiten und Schwierigkeiten mancher Einzeltätigkeit zu -ermüden und niederzudrücken drohten. - -Optimist war Rathenau nicht nur in seiner technischen Weltanschauung, -sondern auch im Entwerfen und Unternehmen, wenn es sich um die -Bewältigung einer neuen bestimmten Aufgabe oder eines Aufgabenkomplexes -handelte. Seine Initiative war frisch, sein Plan großzügig, seine -Stimmung hoffnungsfreudig angeregt, sein Einfluß auf die Tätigkeit -der Mitarbeiter anfeuernd. Kurzum der Rausch des Schaffens erfüllte -und bewegte ihn, wie nur je einen Künstler, der von der Inspiration -ergriffen ist. Sobald aber vom Entwerfen zum Ausführen geschritten -wurde, trat eine merkwürdige Erkältung ein. Ernüchterung, Mißtrauen -und Zweifel an der Arbeit und ihrer Lösung überkamen ihn, er quälte -sich und die Mitarbeiter mit Bedenken, Abänderungsplänen, immer neuen -Einwürfen und Fragen. Kein Ergebnis erschien ihm vollkommen genug, -keine Leistung genügte ihm. Dieser Abfall der Stimmung hatte aber nun -nicht wie bei optimistischen Plänemachern die Wirkung, daß er der -Sache schnell überdrüssig wurde und sie mißmutig und müde beiseite -legte, um sich neuen Projekten zuzuwenden. Im Gegenteil, nun, da der -Schwung, das Hochgefühl des Schaffens verloren gegangen war, trat -eine andere Eigenschaft seines Charakters in Erscheinung, die seine -Mitarbeiter und Untergebenen bewunderten, aber auch fürchteten. Es -war eine Zähigkeit ohne Gleichen, die allen das Leben schwer machte, -kein Ausruhen, keine Ablenkung für ihn und für die anderen zuließ. -Die spröde Materie mußte sozusagen bis ins Kleinste durchknetet, der -Arbeitsprozeß immer wieder von neuem wiederholt werden, bis das Höchste -an Inhalt und Form aus dem Stoffe herausgearbeitet war. Ein Abschweifen -zu anderen Plänen gab es dabei selten, wenigstens nicht, wenn es sich -um die Bewältigung einer großen Aufgabe handelte. Der Meister, der -sonst viele Zügel auf einmal in der Hand halten konnte, konzentrierte -sich dann ganz auf die eine Sache, Schwierigkeiten konnten ihn nie -schrecken, sie veranlaßten ihn höchstens, die bereits geleistete Arbeit -über den Haufen zu werfen und das Problem von einer ganz anderen Seite -anzupacken. Auch in finanziellen Dingen trat dieser Gegensatz zwischen -optimistischem Schwung und kritischer, ja übertriebener Vorsicht -oft auffallend in Erscheinung. Vor finanziellen Wagnissen, neuen -großen Unternehmungen und Gründungen schreckte er nie zurück, aber er -begann nie eine Sache zu verwirklichen, bis er sie nicht gründlich -nach allen Seiten hin fundiert hatte. Damit, daß er jemandem, der -ihm ein Projekt vortrug, in freudigen Worten seine erste Zustimmung -ausgedrückt hatte, war er -- wie manche Erfinder und Unternehmer zu -ihrer Verblüffung inne wurden -- noch keineswegs für die Durchführung -gewonnen. Solche Leute schickte er gewöhnlich zu dem Fachdirektor, -der das betreffende Gebiet bearbeitete, mit dem Auftrag, alles -einzelne zu besprechen und zu verabreden. Hier wurden nun häufig die -überschwänglichen Hoffnungen, denen sich die Besucher auf Grund ihrer -Unterredung mit Rathenau hingegeben hatten, wesentlich herabgemindert. -War aber einmal ein Projekt als reif und aussichtsvoll anerkannt, so -trug Rathenau kein Bedenken, seine Verwirklichung in freigebiger Weise -mit Geldmitteln zu unterstützen. Vor großen geldlichen Transaktionen -ist er nie zurückgescheut, das Kapital der A. E. G. war ihm stets zu -niedrig, und als es auf 60 Millionen Mark angelangt war, erklärte er -Aktionären, denen das Tempo der Expansion zu schnell gegangen war, -daß er sich freuen würde, wenn er es auf 100 Millionen bringen könne. -Dabei war ihm doch häufig sozusagen vor seiner eigenen „Courage“ -bange. Die Sorge vor Rückschlägen, vor unerwarteten Entwickelungen -raubte ihm den Schlaf mancher Nacht, und wenn er sein Unternehmen nie -genug mit Reserven auspolstern konnte, so tat er dies weniger, weil -er sich von dem großen Spartopf nicht trennen konnte, sondern weil -er, Zeit seines Lebens beherrscht von den schlimmen Erfahrungen, die -er mit seiner Maschinenfabrik in der Gründerzeit gemacht hatte, ein -überstarkes Gegengewicht gegen die großen Risiken und Gefahren, denen -er durch seine extensive Geschäftspolitik die Gesellschaft aussetzen -+mußte+, für unbedingt nötig hielt. Als ich ihn einmal ein paar -Jahre vor seinem Tode besuchte, sagte er mir wörtlich: „Sie glauben gar -nicht, welch ein Stein mir vom Herzen gefallen ist, als ich die offenen -Reserven in diesem Jahre auf 50% des verantwortlichen Aktienkapitals -bringen konnte.“ - -Höchst widerspruchsvoll war auch das Verhältnis Rathenaus +zum -Gelde+. Bei den Geschäften seiner Unternehmungen schaltete er damit -in einer Weise, die an Großzügigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. -Aussichtsreiche, gut begründete Geschäfte stattete er in durchaus -splendider Weise aus, knauserte nicht mit Einrichtungskosten, -Spesen, Versuchs- und Propagandaopfern. In technische Ideen, die ihm -zukunftsreich erschienen, konnte er Millionen hineinstecken, ehe er -noch Aussicht hatte, einen Pfennig wieder herauszuholen. So legte er -zum Beispiel die Netze neuer elektrischer Bahnen manchmal in einem -Umfange an, der die bisherigen Verkehrszahlen weit übertraf und alle -Vorkalkulationen außer acht ließ. Dabei ging er von der optimistischen -Ansicht aus, daß die modernere Verkehrsform die Frequenz auf eine -ganz andere als die bisherige Stufe stellen würde. Nicht nur dem -Inhalt seiner Unternehmungen gab er, was notwendig war, sondern er -hatte auch Sinn für die Form, die Ausstattung, das Dekorum. Zwischen -dieser Großzügigkeit bei Ausgaben, die er sozusagen nur auf dem Papier -übersah und nur auf ihrem Wege durch Projekte, Rechnungsauszüge -und Bilanzen verfolgen konnte, und dem Ausgabeetat, der zu seiner -unmittelbaren persönlichen Sphäre gehörte, gewissermaßen unter -seinen Augen verbraucht wurde, bestand aber ein großer Unterschied. -Hier war er kleinlich bis zum Geiz, weniger aus System -- denn ein -System hätte zweifellos die geistig sichtbaren mit den körperlich -sichtbaren Ausgaben auf eine Stufe gestellt und die nur scheinbare -Verschiedenheit zwischen ihnen überwunden -- sondern aus Gewohnheit und -Beharrungsträgheit. Wir können ja vielfach bei selfmademen, die aus -kleinen Anfängen sich zu großen Verhältnissen hinaufgearbeitet haben, -die Beobachtung machen, daß sie mit den Maßen ihrer Geschäfte in allen -Hauptdingen gewachsen sind, aber in gewissen +Äußerlichkeiten+ und -+Nebensachen+ sich von den alten Befangenheiten und Beschränktheiten -nicht zu befreien vermögen. Daß eine den neuzeitlichen Anforderungen -entsprechende Fabrik, ein modernes Geschäftshaus gebaut werden muß, -sieht ein solcher selfmademan stets ein, zur Anschaffung einer neuen -Kopiermaschine kann er sich dagegen viel schwerer entschließen. In -seiner Jugend ist man, so meint er, mit dem alten Kontormaterial sehr -gut ausgekommen. Warum muß man jetzt neue und kostspieligere Moden -einführen? Für jüngere Kaufleute, die derartige Reminiszenzen aus ihrer -bescheidenen Werdezeit nicht mit sich herumschleppen und gleich in -größere Verhältnisse hineingeboren sind, ist ein derartiges Verhalten -unverständlich, es erscheint ihnen kleinlich, unlogisch, ja lächerlich. -Von Emil Rathenau werden viele Züge solcher Kleinlichkeit erzählt, und -mit den Anekdoten, die über seine Sparsamkeit in kleingeschäftlichen -und privaten Dingen über ihn im Umlauf sind, könnte man ein Kapitel -füllen, das an Umfang das längste dieses Buches übertreffen würde. -Das würde zwar ganz unterhaltend sein, aber doch die kleinen -Schönheitsflecke, die auch im Bilde dieses Großen nicht fehlen, über -Gebühr betonen. Einiges, was für dieses Bild charakteristisch ist, -möge immerhin erzählt werden. So konnte Rathenau es nicht über sich -gewinnen, aus der Hausverwaltung des unmittelbaren Geschäftsgebäudes -der A. E. G. sich ganz auszuschalten. Dabei begnügte er sich nicht mit -gelegentlichen Stichproben. Er ließ sich über alle Anschaffungen, die -gemacht werden mußten, Bericht erstatten. Jeder neue Linoleumläufer -mußte von ihm genehmigt sein, und er konnte recht ungemütlich werden, -wenn er Botenjungen im Hause unbeschäftigt herumlungern sah. Wenn -bei den Generalversammlungen der Gesellschaft drei Garderobiers den -Aktionären die Mäntel und Hüte abnahmen, konnte er den Hausverwalter -heftig zur Rede stellen, und ihm vorrechnen, daß für diesen Zweck auch -zwei Beamte völlig ausreichend seien. Auch in Personalangelegenheiten -behielt er sich die letzte Entscheidung vor bis zur Anstellung von -Maschinenschreiberinnen hinab. Alle nicht ganz geringfügigen Zulagen -bedurften seiner Genehmigung. Es war aber vielleicht nicht nur die -alte Gewohnheit, von der er sich nicht zu trennen vermochte, sondern -einem derartigen Abschweifen und Haftenbleiben an geschäftlichem -Kleinkram, bei dem möglicherweise wirklich erzielbare Ersparnisse den -Zeitaufwand auch nicht im entferntesten lohnten, den die Oberleitung -und kostbarste Kraft des Unternehmens an sie wendete, lagen wohl noch -andere Ursachen zu Grunde. Die eine von ihnen bestand vielleicht -darin, daß Emil Rathenau, wie viele praktische Kaufleute, die „von -der Pike auf gedient haben,“ mit der persönlichen „Kontrolle bis ins -Kleinste“, wenn er sie auch nur in einem ganz schmalen Ausschnitt des -gewaltigen Gesamtbetriebes zur Geltung bringen konnte, bei seinem -Personal den Eindruck erwecken wollte, als ob sein Auge und sein -Interesse allgegenwärtig seien. Möglicherweise wollte er dadurch einen -erzieherischen Eindruck auf Kontrollierte und Kontrolleure ausüben. -Wahrscheinlicher ist es aber, daß dieser bewußte Beweggrund, wenn er -wirklich mitspielte, nur eine Art Vorwand darstellte für ein unbewußtes -Bedürfnis, das überlastete Menschen, die aber doch nicht stillsitzen -und sich einer völligen Muße hingeben können, häufig dazu zwingt, sich -ein Ventil gegen Überspannung zu schaffen. Die ständige ununterbrochene -Beschäftigung mit großen und schwierigen geschäftlichen Problemen -würde solche Männer frühzeitig aufreiben und aufbrauchen, und es ist -ja auch schon häufig beobachtet worden, daß derart überanstrengte -Persönlichkeiten, die stets mit voller Kraft arbeiteten, plötzlich -geistig oder körperlich zusammenbrachen. Bei anderen wieder sucht sich -die Natur selbsttätig einen gewissen Ausgleich. Dieser kann in der -Beschäftigung mit Sport, Kunst, Spiel oder auch in der Geselligkeit -bestehen. Er kann aber auch sehr wohl darin liegen, daß sie sich für -gewisse Zeiten mit kleingeschäftlichen Dingen beschäftigen, zu deren -Behandlung sie keine eigentliche Geistesarbeit aufzuwenden brauchen und -die sie gerade aus diesem geistigen Ausruhebedürfnis heraus häufig ganz -schablonenhaft (wie sie es in ihrer Jugend gelernt haben), erledigen. -Emil Rathenau hatte außerhalb seines Geschäftes keine Interessen. Er -besuchte zwar regelmäßig -- aber meist nur zu leichteren Stücken -- -das Theater, im übrigen war er gänzlich kunstfremd. Musik, Malerei -sagten ihm nichts. Er konnte nicht einmal der Kunstsammlerei, die -manche reichen Leute auch ohne innere Beziehung zur Kunst betreiben, -einen Geschmack abgewinnen. Von Politik und von Fragen des Gemeinlebens -hielt er sich fast gänzlich fern. Spiel und gesellige Anregung reizten -ihn nicht. Auch die Fähigkeit auszuruhen, ohne irgend etwas äußerlich -Greifbares zu tun, besaß seine unruhige Natur nicht. So ruhte er in -der Beschäftigung mit geschäftlichem Kleinkram aus, wobei er sich -natürlich bemühte, die sachlich wenig ergiebige, für sein persönliches -Gleichgewicht aber nützliche und heilsame Tätigkeit durch logische -Erwägungen vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen. Auf einem -ganz ähnlichen Blatte stand es zum Beispiel auch, wenn er manchmal mit -der Stadtbahn nach Niederschöneweide ins Kabelwerk hinausfuhr, statt --- wie die übrigen Direktoren und höheren Beamten -- Automobile dazu -zu benutzen. Er redete sich dann ein, daß die Fahrt mit der Stadtbahn -ökonomischer sei als die Automobilfahrt, bei der Benzin, Gummi usw. -verbraucht würden. Der folgerichtige Denkprozeß hätte ihn natürlich -dahin geführt, daß der Zeitverlust, den er bei der Stadtbahnfahrt -erleiden mußte, ökonomisch für ihn in keinem Verhältnis zu den -verhältnismäßig geringen Unkosten stand, die bei einer Automobilfahrt -entstanden. Aber trotzdem war in diesem Falle die unbewußte Halblogik -besser als die schärfste Konsequenz im abstrakten, unpersönlichen -Denkprozesse. Hätte Rathenau in der Struktur seiner Seele und seines -Körpers ganz klar lesen können, wie in den Blättern eines Buches, so -würde er den Vorwand der Materialersparnis erst gar nicht gebraucht -haben. Er hätte die Frage überhaupt nicht mit rechnenden, sondern mit -psychologischen oder wenn man will, mit ärztlichen Augen angesehen und -wäre zu dem Schluß gekommen, daß die Zeit, die er an unwichtige Dinge -preisgab, für ihn doch im ganzen betrachtet keine zur Arbeit nutzbare -gewesen wäre. - -Noch bescheidener und sparsamer als in kleingeschäftlichen Dingen -war Rathenau in seinem +Privatleben+. Bedürfnisse hatte er -nicht, Wohlleben verstand er nicht zu würdigen. Wenn er auch ganz -und gar nicht frei von Ehrgeiz und dem Bedürfnis nach Anerkennung -war, im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben wollte er keine -repräsentative Rolle spielen. Er hätte sie auch schlecht gespielt, -da ihm das leichte Plaudertalent fehlte, und er nur im geistig -anregenden, ernsthaften Gespräch seine nicht gewöhnliche Fähigkeit -des Sprechens erweisen konnte. Überdies schätzte Rathenau das Geld, -seine wirtschaftliche Kraft und Macht zu hoch ein, um es für Dinge -hinzugeben, die er nicht würdigte, kaum verstand. Seine Sparsamkeit war -nicht das Hängen am persönlichen Besitz, der ihm niemals eine besondere -Freude oder auch bloß Interesse bereitete, da er nur arbeitete, um zu -schaffen, nicht um zu erwerben. Seine Sparsamkeit entsprang vielmehr -ganz einem sachlichen Wertgefühl gegenüber dem Gelde, das man nicht -vergeudete oder verschenkte, sondern verwertete, und zwar so, daß -keine Leistung überzahlt wurde. In großen Dingen des geschäftlichen -Lebens konnte Rathenau den Wert oder den Kurs einer Leistung nun sehr -wohl abschätzen, nicht aber in den kleinen Privatangelegenheiten des -täglichen Lebens. Hier war er, der vom Weltmann nichts, aber auch -gar nichts an sich hatte, gänzlich unerfahren und die Maße, die er -an solche Ausgaben anlegte, entstammten noch den kleinbürgerlichen -Verhältnissen und Zeiten, in denen er aufgewachsen war. Wenn seine -Mitdirektoren oder Geschäftsfreunde zum Beispiel mit ihm im Schlafwagen -reisten oder im Hotel wohnten, so gaben sie häufig dem Dienstpersonal -nach Rathenau noch einmal Trinkgeld, um dieses einigermaßen auf die in -ihren Kreisen übliche Höhe zu bringen. Rathenau selbst bekam, wenn er -allein reiste, oft mürrische Gesichter zu sehen, denn er betrachtete -den Hotelportier, „der ihm ja nichts geleistet hatte,“ mit 50 Pfennigen -als genügend entlohnt. Es konnte auch vorkommen, daß Rathenau zu -einer Geschäftsreise nach Zürich, die er mit einem Vorstands- oder -Aufsichtsratsmitgliede gemeinsam unternahm, in Lackstiefeln erschien -und auf die Frage, ob er gerade von einer Gesellschaft komme, -erwiderte: „Das nicht, aber man muß doch solche Stiefeln einmal -auftragen.“ „In großen Dingen ein Grandseigneur, in kleinen Dingen ein -Krämer,“ so hat ihn einmal einer seiner Freunde charakterisiert und -ein anderer, Karl Fürstenberg, hat den hübschen Ausspruch geprägt, daß -bei Rathenau das Geld bei 3 Mark aufhöre und erst bei 3 Millionen Mark -wieder anfange. Die Gegensätze in seiner Stellung zum Gelde waren so -groß, daß sie Emil Rathenau selbst nicht verborgen bleiben konnten. -Er zwang sich, weil er seine schwache Seite kannte, manchmal direkt, -seinem Naturell zuwider zu handeln, besonders in solchen Fällen, in -denen er sich vor anderen genierte, als geizig zu erscheinen. Wenn -er zum Beispiel mit Bekannten zusammen ein Restaurant besuchte, so -bezahlte er manchmal die ganze Zeche heimlich, lange vor dem geeigneten -Zeitpunkt, damit alle späteren Erörterungen über den Zahlungsmodus -von vornherein abgeschnitten wurden. Ebenso kam es vor, daß er bei -gemeinsamen Droschken- und Autofahrten den Kutscher vor der Fahrt -schon entlohnte. Gerade die Umständlichkeit, mit der er freihielt, -bildet aber die beste Bestätigung dafür, daß ihm das Freihalten und -Geldausgeben nicht leicht und selbstverständlich von der Hand ging. - -Diese kleinbürgerliche Einfachheit, ja Knickerigkeit des Privatlebens -bei sonst groß gewordenen Lebens- und Schaffensformen ist eine -Eigenschaft, die vielleicht als Erbteil der +jüdischen+ Rasse -bezeichnet werden kann. Sie ist ebenso jüdisch wie das entgegengesetzte -Extrem der üppigen Lebensführung, die sich gerade bei manchen jüdischen -Emporkömmlingen herauszubilden pflegt. Auch sonst ist der jüdische -Einfluß in Rathenaus Charakter deutlich zu spüren. Der rechnerische -Sinn im Schwärmen, der Realismus in der Phantasie, die Kühle im -Enthusiasmus, die Selbstkritik im Optimismus und schließlich die -Schärfe und Helle des Intellekts, die trotzdem nicht zur Gedankenblässe -wird, sondern der Fülle und Farbe fähig ist, alles das sind Zeichen -des einmal bodenständig gewesenen, aber dann entwurzelten und nun -wieder nach Verankerung strebenden, darum in seinen Empfindungen häufig -umschlagenden jüdischen Geistes. Eine Wesens- und Blutsverwandtschaft -zwischen Rathenau und seinem um 8 Jahre jüngeren Vetter, dem Maler Max -Liebermann, mit dem er sich allezeit gut verstand und dessen Berufswahl -er einst gegenüber der ganzen Familie verteidigt hatte, ist hier -schwer zu verkennen. - -Außer dem Unterschied zwischen dem problematischen und dem positiven -Charakter, von dem wir am Eingang dieses Kapitels ausgingen, ist -auch für die Beurteilung großer Männer noch ein anderer zu beachten, -nämlich jener, den Schiller durch den Gegensatz von +naiv+ und -+sentimentalisch+ gekennzeichnet hat. Ein Tatmensch kann sowohl -naiv wie auch sentimentalisch sein oder besser gesagt, sowohl der naive -wie der sentimentalische Mensch kann es zu starken Taten bringen. -Der ganze Unterschied liegt vielleicht, wenn man den seelischen -Vorgängen auf den Grund geht, nur im Graduellen. Beim naiven Menschen -ist die Ausbeute aus den intuitiven Einfällen größer als beim -sentimentalischen. Er denkt, schafft, ringt leichter, weil ihm mehr -zufliegt, d. h. weil sein schwingendes, schaffendes Unterbewußtsein -an den Problemen mitarbeitet, die es selbst seinem Bewußtsein als die -seinem Wesen adäquatesten sozusagen untergeschoben hat. Einfall und -bewußte Gedankenarbeit kommen sich bei ihm auf halbem Wege entgegen, -während sich beim sentimentalischen Menschen die Gedankenbildung fast -(aber nur +fast+) vom Urgrund an in der quälend offenliegenden -Sphäre des Bewußtseins, d. h. im Bereiche der Kämpfe, Zweifel und -Widerstände abspielt und er auch Anlage und Form der Schöpfung, die -sich dem naiven Schöpfer meist unwillkürlich runden, erst mühsam -konstruieren muß. Aber man soll nur ja diesen graduellen Unterschied -nicht zu einem grundsätzlichen machen. Auch sentimentalische Schöpfer -gehen von Einfällen aus, wenn diese auch unfertiger, geringer -entwickelt, weniger original sind und mehr von Außendingen angeregt -zu werden pflegen. Auch sie haben Visionen, indes auf der anderen -Seite genialen Männern, die wir als Hauptvertreter des naiven Typus -zu bezeichnen pflegen, wie Luther, Goethe, Friedrich, Napoleon und -Bismarck problematische Kämpfe der schwersten Art gewiß nicht erspart -geblieben sind. - -Emil Rathenau ist, wenn man ihn von dieser Seite aus betrachtet, -nicht ganz leicht in eine der beiden Charakterklassen einzuordnen, -aber im ganzen ist er doch mehr den naiven als den sentimentalischen -Menschen- und Schöpfernaturen zuzurechnen. Dies zeigt sich einmal -in dem schon oben angeführten Merkmal, daß bei ihm die Zahl und -Qualität der „Einfälle“, der intuitiven Gedanken, verhältnismäßig -groß war. Ferner aber in der echt naiven Art, wie er sich, so sehr -und vielseitig er auch die Möglichkeiten seiner Begabung auf den ihr -zugänglichen Gebieten auszubilden bestrebt war, gegen alles abschloß -und verschloß, was ihm nicht „lag“, was ihn von den Grundlagen seines -Wesens und seiner Kraft ablenken, zersplittern und unnötigerweise -mit wahrscheinlich doch zweckloser Arbeit belasten konnte. Der -sentimentalische Mensch weiß oder fühlt nicht so sicher, was ihm -nützen oder schaden, fördern oder hemmen wird. Weil er sich aus -unsicheren Grundlagen heraus seinen wesenhaften und charakteristischen -Besitz erringen muß, kommt er manchmal auch in die Versuchung, sich -etwas nutzbar machen zu wollen, was ihm nichts nützen, ihn nicht -bereichern kann. Er hat, um die gleiche Leistung zu vollbringen wie -der naive Schöpfer, meist einen größeren Material- und darum auch -Energieverbrauch aufzuwenden als jener. Seinem Ertrag an Weizen steht -eine größere Menge Spreu gegenüber. Darüber darf auch die Tatsache -nicht forttäuschen, daß er, als der selbstkritischere Intellekt, -gegenüber dem, was er als fertig betrachtet und an die Öffentlichkeit -gelangen läßt, meist schonungsloser urteilt und es sorgfältiger -sichtet, als der naive Genius. - -Emil Rathenau, der ein großer Fachmann war und den die kleinen -Künstler vielleicht mitleidig lächelnd als einen Fachmenschen abtun -werden, stand zum Beispiel jeder Kunst -- mit Ausnahme vielleicht der -ihm naheliegenden Architektur -- mit gänzlich naivem Unverständnis -gegenüber. Er hat sie und manches andere, dem näherzukommen er keinen -Sinn und keine Zeit hatte, aber durchaus nicht etwa geringgeschätzt. -Im Gegenteil, er hatte eine Art kindlich staunender, echt naiver -Bewunderung dafür, die er allerdings auch in derselben Weise den -halsbrecherischen Kunststücken irgendeines Akrobaten entgegenbringen -konnte. Vielleicht hat er manches, was ihm nicht zugänglich war, sogar -mit größerer Ehrfurcht betrachtet als die eigenen Leistungen und das -Gebiet, auf dem sie sich abspielten, und die schriftstellerischen -Arbeiten seines Sohnes Walther, die er wohl kaum ganz verstand, -haben ihn gerade darum etwas von jener Art bewundernden Stolzes auf -den gelehrten und in allen schöngeistigen Sätteln gerechten Sohn -abgenötigt, wie sie der reiche Kaufmann vor dem „studierten“ Erben -häufig genug empfindet. Trotz seiner Kunstfremdheit war Emil Rathenau, -der sich so ängstlich in sein Fachgebiet einschloß, aber im Grunde -seines Wesens und seines Schaffens eine durch und durch künstlerische -Natur. Den Fachmenschen charakterisiert Trockenheit, Pedanterie und -Erdenschwere. Rathenau besaß Schwung, visionäre Kraft und Leidenschaft. -Seine Geistesklarheit, seine Logik waren nicht von nüchterner -Abstraktion durchsetzt, sondern sozusagen bluterfüllt und darum auch -Widersprüchen zugänglich, die ja der Natur gleichfalls nicht so fremd -sind wie der Wissenschaft. - -Bei einer solchen Grundveranlagung war an Emil Rathenau und den -Eigenschaften seines Wesens nichts alltäglich, schablonenhaft, vielmehr -alles eigenartig, persönlich, eigenem Boden entwachsen und nach eigenen -Maßen gebildet. Nichts war eindruckslos, matt und trübe, alles farbig, -und zwar von starker, gleichzeitig aber subtil vermischter Farbe. Alles -rundete und gestaltete sich bei ihm zur charakteristischen, bedeutenden -Form. Nichts blieb ungebildetes, unbeherrschtes Material. Gerade -dieser unwillkürliche Drang zur Form offenbart die im tiefsten Wesen -künstlerische Natur dieses Geschäftsmannes. - - -b) - -Rudolf +Sulzbach+, der dem Aufsichtsrat der A. E. G. seit -ihrer Gründung angehörte und mit ihrem Begründer mehr als nur -geschäftsfreundlich verkehrte, fragte einmal, als in einem Kreise -von den +technischen Fähigkeiten+ Rathenaus gesprochen wurde, -einigermaßen erstaunt: „Ist Rathenau denn Ingenieur?“ Herrschte schon -in dem engeren Kreise, der Emil Rathenau umgab, solche Unwissenheit -über seine technische Begabung und Leistung, so ist es nicht weiter -verwunderlich, wenn die weitere Öffentlichkeit von dem Techniker nicht -viel wußte und ihn so sehr ausschließlich als Kaufmann und Finanzmann -betrachtete, daß die Legende entstehen und sich jahrelang erhalten -konnte, die A. E. G. sei gar kein Fabrikationsunternehmen, sondern ein -rein industrielles Finanzinstitut. Gewiß, Emil Rathenaus einzigartige -Begabung, sein Genie und das Schöpferische seiner Leistung lagen auf -industrie-kaufmännischem und industrie-finanziellem Gebiete, aber alles -dies hätte sich doch nicht zu so geschlossener Wirkung, zu so sicherer -Schlagkraft und Ausgeglichenheit entwickeln können, wenn es nicht auf -dem Untergrunde einer zuverlässigen technischen Fähigkeit aufgebaut -gewesen wäre. Ein Kaufmann, der erst über die technische Grundlage und -Tragweite seiner wirtschaftlichen Projekte den Fachmann befragen muß, -wird seine Pläne nie so frei, so sicher, so souverän entwerfen und -überwachen können, als wenn er selbst der technische Fachmann ist. Er -ist von dem Urteil anderer abhängig und kann Glück haben, wenn diese -anderen ein richtiges Urteil besitzen und seinen Plänen kongeniales -Verständnis entgegenbringen. Er kann aber auch Unglück haben, wenn das -Urteil seiner Fachleute falsch ist oder sich ihr technischer Ideengang -nicht ganz harmonisch mit seinem wirtschaftlichen verschmelzen läßt. -Emil Rathenau war kein sogenannter produktiver Techniker, kein -Erfinder und Entwerfer, er hat nur selten eine technische Konstruktion -selbständig von Anfang bis zum Ende durchgeführt. Darin waren ihm -viele Ingenieure mittleren und kleineren Formats überlegen. Selbst -in der Maschinenfabrik Webers, wo er doch konstruieren sollte und -wollte, hat er es nur zu Verbesserungen der Maschinen gebracht. Das -Hauptresultat seiner Arbeit war ein ziemlich resigniertes Urteil über -die Unzulänglichkeit der ganzen damaligen Maschinentypen. Dennoch besaß -er auch auf dem Fachgebiet eine Begabung allerersten Ranges: Er war ein -technischer +Kritiker+ von ungewöhnlichem Scharf- und Weitblick, -ein Kritiker, der nicht nur tief in die Einzelheiten und Kleinheiten -einer Materie eindringen, sondern der neben dem Mikrokosmos auch den -Makrokosmos, die großen Zusammenhänge, Untergründe und Ausblicke sah. -Vielleicht ist diese Gabe der technischen Kritik sogar für den Leiter -eines so weit ausgesponnenen Unternehmens mit gemischter Fabrikation, -das sozusagen alle Erzeugnisse seines Faches herstellen und sich -nicht auf die hervorragende Durchführung irgend einer Spezialität -beschränken darf, wichtiger als die geniale Technikerveranlagung -positiver Art. Denn der positive Techniker, der ein großes Unternehmen -leitet, kann immer nur eine beschränkte Anzahl von Konstruktionen -selbst durchführen oder leiten. Es liegt bei ihm die Gefahr vor, daß -er gerade +seine+ Konstruktionen für die wichtigsten hält, sie -in der Gesamtökonomie seiner Fabrikation bevorzugt und darum den -objektiv richtig wertenden Überblick über den ganzen technischen -Komplex der Gesamt-Unternehmung aus subjektiven Gründen verliert. -- -Ein technischer Kritiker ist dieser Gefahr nicht so sehr ausgesetzt. -Auch er kann natürlich, wie jeder Mensch, subjektiv sein, sich in den -Maßstäben seiner Kritik irren, gewisse Vorlieben und Vorurteile haben. -Während aber bei dem positiven Techniker der Subjektivismus mit der -Größe des Talents sehr wohl wachsen, der Eigensinn mit der Eigenart -sich steigern kann, wird der Kritiker, je klüger, scharfsinniger, -treffsicherer er denkt, auch umso objektiver in seinem Urteil werden -und man kann ruhig sagen, daß gerade der große Kritiker sich von -Willkürlichkeiten in der Wertbemessung im allgemeinen fern halten -wird. Er hat die Distanz zum Einzelnen und zum Gesamten, die dem -Erfinder häufig fehlt. Denn das Grundelement seiner Begabung ist -+vergleichende+ Logik, das des Erfinders +temperamentvolle+ -Logik. Worin tritt nun die Wirksamkeit eines solchen technischen -Kritikers, wie Emil Rathenau einer war, besonders in Erscheinung? -- -Wenn man es kurz und prägnant zusammenfassen will, kann man vielleicht -sagen, daß er +einmal+ aus dem bisherigen Stande der Wirtschaft -und der Technik Bedürfnisse und die Möglichkeiten ihrer Befriedigung -für die weitere Entwickelung ablesen kann und +zweitens+, -daß er bei technischen Erfindungen die Frage ihrer praktischen -Verwertbarkeit treffend zu beurteilen vermag. Die erstere Eigenschaft -macht den technischen Anreger, und tatsächlich ist Rathenau für seine -Konstrukteure ein außerordentlich fruchtbarer Anreger gewesen, er -hat sie auf Ideen gebracht, die nicht selten unter den Händen der -richtigen Fachleute zu glücklichen Verwirklichungen führten. Er sagte -zum Beispiel: Wir brauchen, um eine gewisse wirtschaftlich notwendig -erscheinende Wirkung zu erzielen, jetzt Maschinen oder Transformatoren -von einer gewissen Stärke und Beschaffenheit. Oder wir brauchen, um die -elektrische Kraftübertragung in den Fabriken einzuführen, Vorrichtungen -bestimmter Art und Wirkung, durch die gewisse ökonomische Vorteile -erreicht werden. Er gab das Ziel an, und manchmal auch den Weg oder -mehrere Wege, auf denen man zu dem erwünschten Ziel kommen könnte und -er hat sich in der richtigen Beurteilung des Zieles nur selten geirrt -und ziemlich häufig auch mit den von ihm vorgeschlagenen Wegen das -Richtige getroffen. Vielleicht noch erfolgreicher war Rathenau in der -treffsicheren Beurteilung der in einer Erfindung liegenden praktischen -Ausnutzungs-Möglichkeiten. Sein Blick dafür war direkt genial, und -es gibt vielleicht keinen zweiten, der ihm in dieser Hinsicht an -die Seite zu stellen ist. Seine praktische Vision beim Anblick der -Edisonlampe sah sofort Jahrzehnte der Entwickelung voraus, die dann -tatsächlich fast genau so eingetreten ist, wie er sie sich vorgestellt -hatte. Die Aussichten der Aluminiumherstellung auf elektrochemischem -Wege erkannte er gleichfalls auf der Stelle und hielt das Verfahren -und die praktische Arbeit mit diesem durch alle Schwierigkeiten und -Kosten hindurch aufrecht. Den Wert des Drehstromsystems, der Turbine -hat er mit schneller Sicherheit begriffen, und auch viele kleinere -Erfindungen verdanken ihm ihre Ausgestaltung und Nutzanwendung. -Erfindungen dagegen, die nicht so absolut schlagkräftig waren, wie den -Jablochkofflampen, dem ersten Wechselstromsystem usw. stand er mit -abwartender Vorsicht gegenüber. Den Akkumulator, der viele Techniker -und Gründer blendete, hat er niemals überschätzt, sondern bei aller -Würdigung seines Wertes doch stets als Stromquelle minderen Ranges -betrachtet. - -Der kritische Techniker dieser Art braucht zwar kein hervorragender -Könner im Positiven zu sein, aber ohne grundlegende technische -Vorbildung, ohne genaue Einsicht in die technischen Methoden, -Erfahrungen und Gesetze kann er seine fruchtbare Arbeit nicht -ausüben. Ein begabter Dilettant, der nur gewisse mehr oder weniger -phantasievolle, selbst geistreiche Vorstellungen von technischen -Dingen hätte -- ein Jules Verne der Praxis -- würde das sichere -Urteil, diese Grundlage des technischen Kritikers, nicht besitzen, -er würde vielleicht einmal einen Treffer erzielen, öfter jedoch -irren und Fehlschläge erleiden. Ein solcher Dilettant, dessen Wissen -Stückwerk ist, würde, an die Spitze eines großen Unternehmens -gestellt, mit seiner Autorität im Anregen und Entscheiden großes -Unheil über seine Gesellschaft bringen können, Geld und Arbeitskräfte -vergeuden und das Unternehmen zum finanziellen Ruin treiben können. -Emil Rathenau war ganz und gar kein solcher Dilettant. Er hatte die -Maschinentechnik in seiner Jugend gründlich gelernt und studiert, -und mit der Elektrotechnik, wenigstens dem für ihn ausschlaggebenden -Starkstromwesen, war er sozusagen aufgewachsen. Ihre Gesetze und ihre -Erscheinungsformen waren ihm nicht angelernter, sondern erworbener -Besitz. - -Neben seiner Fähigkeit der technischen Kritik oder sozusagen -verbunden mit ihr, besaß Rathenau noch eine andere Gabe, die seine -Mitarbeit an technischen Dingen für seine Ingenieure zwar manchmal -wenig angenehm, aber im Interesse eines gelungenen Ergebnisses -außerordentlich wertvoll machte. Er besaß eine ausgesprochene, -direkt erfinderische Kunst, Hemmnisse, Fehler und Widerstände in der -technischen Konstruktion zu überwinden oder doch die Konstrukteure auf -die richtigen Wege zu ihrer Überwindung hinzuweisen. Diese Kunst, bei -der es sich um kein bloßes Herumraten, sondern um ernstes Durchdenken -handelte, wurzelte in zweien seiner grundlegenden Eigenschaften, -nämlich einmal in seiner intellektuellen Fähigkeit der technischen -Kritik und ferner in der Unerschütterlichkeit des Willens, mit der er, -von keinem Fehlschlage entmutigt, immer wieder von neuem durchdachte, -versuchte und aufstachelte, um schließlich dennoch -- wenn nicht auf -der Hauptstraße, so doch auf Umwegen -- zum Ziele zu gelangen. Dabei -begnügte er sich nicht mit einer unvollkommenen oder annehmbaren -Lösung, sondern er gab nicht eher Ruhe, als bis die höchstmöglichste -Vollendung erreicht war. Als einmal Felix Deutsch noch in der ersten -Zeit der A. E. G. von einer Geschäftsreise aus England zurückkehrte, -empfing ihn Rathenau zu seiner großen Bestürzung mit den Worten: -„Lieber Deutsch, Sie haben zwar sehr schöne Aufträge gebracht. Das -nützt aber nichts. Wir sind kaputt. Siemens hat eine neue Lampe, die -viel besser ist als die unsrige.“ Emil Rathenau setzte sich aber trotz -dieses Anfalls von Resignation 4 Wochen lang von morgens früh bis -tief in die Nacht hinein in die Lampenfabrik, und arbeitete mit den -Konstrukteuren so lange, bis er eine Lampe fertiggebracht hatte, die -dem Konkurrenzfabrikat mehr als ebenbürtig war. Unsäglich peinigte er -die armen Techniker, denen er die knifflige Aufgabe zugewiesen hatte, -die Nernstlampe, aus einer geistreich ersonnenen in eine praktisch -brauchbare Konstruktion umzuwandeln. Hier liegt vielleicht der einzige -Fall vor, bei dem sich Rathenau in eine falsche Richtung verrannt, oder -doch die noch richtigere Bahn verfehlt hatte. Bei dieser Arbeit war der -Verbrauch Rathenaus an Technikern ganz gewaltig gewesen, und einige von -ihnen mußten Sanatorien aufsuchen, um sich von der Arbeit und Mitarbeit -Emil Rathenaus zu erholen. - -Leicht gemacht wurden Emil Rathenau seine technischen Erfolge fast nie. -Er mußte überall ringen, und Lehrgeld bezahlen, viel Mühe und Zeit -aufwenden, ehe er den Erfolg sah. Dafür hat er aber auch diesen am -Ende fast stets für sich gehabt, und ein vollständiges Fiasko kaum je -erlitten. - - -c) - -Als +Kaufmann+ wurzelte Emil Rathenau +nicht+ im -+Händlerischen+, sondern im +Industriellen+. Das heißt, ihn -interessierte nicht der Verkauf der Ware, und die Technik des Absatzes, -sondern sein Interesse und seine Arbeit gingen dahin, eine Ware so -herzustellen und auszustatten, daß sie sich gut verkaufen ließ, daß -ihre Eigenschaften dazu angetan waren, auf dem Absatzmarkte Nachfrage -zu erregen, wirkliche Bedürfnisse zu befriedigen oder auch zukünftige -Bedürfnisse zu wecken. Dabei wußte er sehr wohl, daß man dem Käufer -auf die Dauer keine Ware aufdrängen konnte, die ihm nicht wirklich -Vorteile bot. Nicht das Verblüffende, das Effektvolle einer Ware konnte -das dauernde Bedürfnis nach ihr schaffen, sondern nur das Zweckmäßige, -das irgendwelche Vorzüge vor der bisherigen Art der Bedarfsdeckung -bot, eine höhere Stufe der Wirtschaftlichkeit verhieß, neue produktive -Möglichkeiten eröffnete und neue Aussichten des Gewinnes oder der -Ersparnis bot. Das Telephon, die Glühlampe, die Kraftübertragung -führte er in Zeiten, in denen ein großer Bedarf nach ihnen sich noch -nicht feststellen ließ, vielleicht auch noch gar nicht vorhanden war, -keineswegs deswegen ein, weil die Einrichtungen technisch sinnreich -und praktisch effektvoll waren, sondern er sah voraus, welche neuen -Wirkungen, Leistungen und Vervielfältigungen im Wirtschafts- und -Verkehrsleben sich mit ihnen erreichen lassen würden. Hier, wo die -Statistik, die Erfahrung, die zahlenmäßige Kalkulation auf Grund des -vorhandenen Tatsachenmaterials versagen, wo aber auch die Phantasie -nicht theoretisch schweifen darf, sondern die realen Voraussetzungen, -die +Tatsachen+ einer zukünftigen Wirtschaftswelt sich sozusagen -im Irrealen voraus konstruieren muß, als ob bereits Erfahrungen -vorlagen, ist das schwierigste, aber auch das erfolgversprechendste -Gebiet des industriellen Kaufmanns. - -Emil Rathenau war ein Meister dieser +realen+, dieser -+statistischen+ Phantasie. Naturgemäß genügte aber bei -der Befriedigung erst zu weckender Kaufbedürfnisse nicht die -einfache ökonomische Fertigstellung einer brauchbaren, ja selbst -konkurrenzüberlegenen Ware, so daß dann alles übrige der Verkaufs- -und Handelstechnik überlassen werden konnte. Es war auch notwendig, -die Ware oder die Leistung so zu zeigen, daß ihre Vorzüge für jeden -als Verbraucher in Betracht kommenden deutlich in Erscheinung -treten +mußten+. Diese Propaganda für neuartige Dinge gehörte -infolgedessen mit zu der Sphäre des industriellen Kaufmanns, in -der Rathenau lebte und webte. Die Schaffung und Organisation der -sogenannten Demonstrationsunternehmungen war sogar eine seiner -ureigenen Aufgaben, zu deren Lösung er die Anregungen und die -bestimmenden Anweisungen gegeben hat. Anders war es mit dem Absatz -von sogenannten marktgängigen Waren, von Typen- und Massenartikeln, -worunter nicht nur solche zu verstehen sind, die in ihren Formen und -Eigenschaften endgültig oder für längere Zeitspannen festliegen, -sondern auch solche, die -- wie es bei den meisten Fabrikaten -einer fortschrittlichen Technik der Fall ist -- in einem ständigen -Entwickelungs- und Verbesserungsprozeß begriffen sind. Hier griff -die eigentliche Verkaufsorganisation ein, die für Rathenau aber nur -eine Sache zweiter Ordnung war. Wenn trotzdem die A. E. G. auch in -dieser Hinsicht nicht nur mustergültig versorgt war, sondern ganz -neuartige Wege beschritt, so ist dies dem Umstand zu danken, daß -ihr von Anfang an in Felix Deutsch, Rathenaus erstem Mitarbeiter, -eine Kraft zur Verfügung stand, die an händlerischer Begabung die -mehr aufs Industrielle gerichteten Fähigkeiten des Meisters wirksam -und glücklich ergänzte. Deutsch war auf seinem ureigenen Gebiete so -überragend und selbstsicher, daß Emil Rathenau ihm dieses Gebiet -fast ganz selbständig überließ und sogar zugab, daß die Organisation -des Verkaufsgeschäfts sich in einer Richtung entwickelte, die seinen -eigenen Anschauungen anfangs bis zu einem gewissen Grade zuwiderlief. -Rathenau hatte nämlich in allen Fragen, die er nicht aus erster -Hand, sozusagen in höchstpersönlicher Art löste (was bei dem ihn -nur mittelbar interessierenden Verkaufsgeschäft aber nicht der Fall -war), eine gewisse bewundernde Vorliebe für das Amerikanische. Das -amerikanische Verkaufssystem bestand nun wesentlich in der Abgabe -der typischen Artikel und Massenware an Vertreter, Kommissionäre, -Installateure und Händler, die ihrerseits den Absatz an die Verbraucher -besorgten. Ein solches System ist einfach für den Fabrikanten, und -entsprach aus diesem Grunde wohl der minder bedeutsamen Stellung, die -Rathenau dem Verkaufsgeschäft zuwies. Er wollte es ohne allzugroßen -Aufwand an Eigenarbeit, Apparatur und Kapital, die nach seiner Ansicht -besser anderen, ihm wichtiger erscheinenden Gebieten zugeführt werden -sollten, erledigen und konnte sich dabei immerhin darauf berufen, daß -die Amerikaner mit diesem System gute Geschäfte machten und einen -großen Umsatz erzielten. Nun lagen allerdings die Verhältnisse in -Amerika wohl etwas anders als in Europa. Die Absatzmöglichkeiten des -weiten und sich rasch auf jungem Kulturboden entwickelnden Landes -waren an sich größer, der Bedarf war weniger passiv und wandte sich -ganz von selbst den modernsten Methoden der Technik zu, denn es waren -dort absolut und relativ viel mehr Unternehmungen und Ausrüstungen -ganz neu zu schaffen, die sich naturgemäß dann sofort mit den -zeitgemäßesten Einrichtungen versahen. In der Zeit der Licht- und -Kraftelektrizität entstanden drüben zum Beispiel erst viele Städte -oder es wuchsen Ortschaften zu städtischem Umfang an, die, vor das -Problem der Beleuchtung und Beförderung gestellt, naturgemäß nicht -die älteren Systeme (Gas und Pferdebahn), sondern die modernsten -(elektrisches Licht und elektrische Straßenbahnen) wählten. Dasselbe -war mit neuerstehenden Fabriken, Hüttenwerken usw. der Fall. Sie -führten sofort die rationellste Art der Kraftübertragung ein. Ganz -anders lagen die Verhältnisse in den europäischen Ländern. Hier waren -die Städte und ein großer Teil der Fabrikationsbetriebe bereits, bevor -die Elektrotechnik ihre Leistungsfähigkeit bis zu voller Überlegenheit -entwickelt hatte, auf andere Weise eingerichtet gewesen, und es galt, -sie zur Auswechslung ihrer alten Einrichtungen und zur Ersetzung durch -neue elektrotechnische Anlagen zu veranlassen, eine Aufgabe, die -naturgemäß eine größere Aktivität der Elektrizitätsindustrie erforderte -als in Amerika. Für die Zentralunternehmungen (Elektrizitätswerke -und Bahnen) erkannte dies auch Rathenau als erster durchaus -richtig, und seine Gründungen auf jenen Gebieten dienten darum in -erster Linie dem Zwecke, den Konsum durch anregende Beispiele zur -Elektrizität hinzuführen, ja sogar hinzuzwingen. Sobald es sich aber -um Privatzentralen oder sonstige Einzelanlagen handelte, wollte Emil -Rathenau die Konsequenzen seiner eigenen Idee merkwürdigerweise nicht -ziehen. Er neigte dem amerikanischen System des Absatzes zu, trotzdem -man mit diesem doch nicht unmittelbar an den Konsum herankommen, und -offenbar manche Möglichkeiten des Geschäfts nicht tatkräftig genug -ausnutzen konnte. Anscheinend fürchtete Rathenau, die Schicht der -Zwischenhändler, Vertreter-Firmen und Installateure zu verstimmen, die -zur Zeit der Gründung der A. E. G. das Geschäft zum großen Teil noch -vermittelte und auf die er bis zu einem gewissen Grade sich stützen -zu müssen glaubte. Hier war nun Deutsch weitsichtiger als Rathenau -selbst, indem er die Aussichten der Zukunft über die Beschränktheiten -der damaligen Gegenwart stellte. Er machte die Inkonsequenz seines -Meisters nicht mit und bestand, gestützt auf seine Autorität als -Leiter des Verkaufsgeschäfts, darauf, auch in diesem Gebiete das -Rathenausche System zur Geltung zu bringen. Rathenau selbst ließ ihn -gewähren und mußte sich später überzeugen, daß Deutsch recht gehabt -hatte. Die 300 kaufmännisch-technischen Bureaus, die Deutsch an allen -größeren Plätzen des In- und Auslandes errichtete, bildeten immer mehr -die Tragpfeiler der Absatzorganisation und boten die Möglichkeit, -den Absatz in schneller Progression zu steigern, und alle neuen -Konstruktionen auf dem direktesten Wege in den Konsum zu bringen. Die -Bureaus waren nicht nur mit Kaufleuten besetzt, die propagandistisch -tätig waren und Geschäfte in ihrem Bezirk abschlossen, sondern auch mit -Technikern, die sich nicht darauf beschränkten, die von der A. E. G. -gelieferten Anlagen zu montieren, sondern sie auch ständig überwachten, -Anregungen zu ihrer Anlage, Ergänzung, Verbesserung usw. gaben, Fehler -beseitigten, Belehrungen über die Anwendung erteilten, Irrtümer in der -Anwendung korrigierten, kurzum den Kunden dieselben Berater-Dienste -erwiesen, die ihnen sonst von sogenannten „konsultierenden Technikern“ -geleistet wurden. Naturgemäß verschlang ein solcher Riesenapparat von -300 technischen Bureaus mit ihrem Beamtenstab, ihren Lagerbeständen, -ihren Räumlichkeiten gewaltige Summen. Er machte sich nur bei einem -wirklich großen Umsatz bezahlt, und gewann infolgedessen besonders -an Einträglichkeit durch die verschiedenartigen großen Fusionen, die -eine Zusammenlegung der Verkaufsorganisationen der verschmolzenen -Unternehmungen und eine wesentliche Vergrößerung ihres Umsatzes bei nur -geringfügig erhöhten Unkosten gestatteten. Gerade der gewaltige Apparat -der Verkaufsorganisation war ebenso wie das Unternehmergeschäft eine -der Klippen, an denen die schwächeren Konkurrenzunternehmungen in der -Elektrizitätsindustrie scheiterten. Sie vermochten den Umsatz nicht -hereinzubringen, der die großen Spesen dieses Apparates aufgewogen -hätte. - -Emil Rathenau hat sich um das Verkaufsgeschäft -- wie schon gesagt --- nicht allzusehr gekümmert. Wenn er zum Beispiel auf Reisen war, -ließ er sich nur in gewissen Abständen eine kurze Aufstellung über die -Art und die Summe der erfolgten Verkäufe nachsenden. Die Namen der -Käufer interessierten ihn nicht. Das war Deutsch’s Ressort, der als -„Globetrotter der A. E. G.“ einen großen Teil des Jahres unterwegs war, -die Filialen und Bureaus kontrollierte, dort Anregungen geschäftlicher -und organisatorischer Art gab und dafür sorgte, daß die Einrichtungen -auf der Höhe blieben. Wenn Rathenau reiste, so geschah dies -- sofern -nicht Aufsichtsratssitzungen oder Generalversammlungen befreundeter -Gesellschaften und Transaktionsverhandlungen die Veranlassung dazu -boten -- fast stets nur, wenn technische oder fabrikatorische Fragen -zu lösen waren. Insbesondere hatten seine Reisen nach Amerika, -deren letzte noch im Jahre 1912 geplant war, aber nicht mehr zur -Ausführung kam, meist sozusagen eine vergleichende Generalrevision -der jeweiligen technischen Gesamtlage der elektrischen Welt zum -Zwecke. Er prüfte, wie die beiderseitigen Leistungen und Fortschritte -zueinander standen, brachte Eindrücke und Anregungen mit heim und -hielt drüben auch nicht mit den Errungenschaften zurück, die in der -alten Welt inzwischen gemacht worden waren. Natürlich genügten diese -gelegentlichen persönlichen Besuche in Amerika nicht, um einen wirklich -erschöpfenden Ausgleich zwischen kontinentaler und amerikanischer -Elektrizitätstechnik zu gewährleisten. Sie dienten sozusagen nur der -Superkontrolle für das von Rathenau bereits früh eingeführte System des -Austausches mit der General Electric-Gruppe. - -Nicht nur gegenüber dem Kaufmann wußte Rathenau das industrielle -Prinzip zur Geltung zu bringen, sondern auch gegenüber dem Techniker. -Der manchmal eigensinnige Ehrgeiz vieler, hauptsächlich konstruktiv -begabter Techniker, alles im eigenen Hause machen zu wollen, für -jeden Gegenstand eine eigene Konstruktion zu haben, war ihm fremd. Es -hat der A. E. G. unter der Leitung Rathenaus nie an hervorragenden -Eigenkonstruktionen gefehlt. Wenn aber durch den Erwerb fremder, -bereits erprobter Verfahren oder durch die Zusammenlegung eigener und -fremder Verfahren schneller und vorteilhafter zum Ziele zu kommen war -als durch die mühselige technische Innenarbeit, so wählte Rathenau, -dem es letzten Endes nicht nur auf den technischen, sondern auch -auf den wirtschaftlichen Erfolg ankam, unbedenklich statt des rein -technischen Weges den technisch-kommerziellen. Von einer bloßen -schematischen Nachahmung und Benutzung fremder Geistesarbeit war -die Rathenausche Methode aber auch in solchen Fällen weit entfernt. -Überall, wo er fremde Konstruktionen erwarb, so bei den Edisonlampen, -bei den Spragueschen Straßenbahnpatenten, beim Akkumulator und -der Curtis-Turbine, hat er die übernommenen Gegenstände in steter -Weiterentwickelung verbessert und durchgebildet, sie so recht -eigentlich erst zu der Reife gebracht, durch die sie ihre großen -Erfolge davontrugen. - -Für die industrielle Grundlage des kaufmännischen Charakters -Emil Rathenaus zeugt schließlich auch die innere Ausbildung des -Kalkulationswesens der A. E. G. Dieses war so organisiert, daß die -Fabrikationsabteilungen mit dem Verkauf und mit der Preisbemessung für -die von ihnen hergestellten Waren nicht das geringste zu tun hatten. -Für sie gab es nur Selbstkostentabellen. Diese übermittelten sie der -Verkaufsabteilung, der es vorbehalten war, auf der Grundlage jener -Tabellen die Preise festzusetzen. Damit wurde bezweckt, daß sich die -Fabrikation von dem Verkaufspreise weder nach oben noch nach unten in -ihrem Herstellungsprozess beeinflussen lassen sollte. Ihre Aufgabe war -es, nach rein sachlichen Gesichtspunkten zu produzieren und dabei die -Ware so gut und so billig wie möglich herzustellen, ohne sich in der -Qualität ihrer Arbeit durch die Kenntnis der Verkaufspreise beirren -zu lassen. Stellte die Verkaufsabteilung fest, daß die Selbstkosten -einer bestimmten Ware im Vergleich mit dem Preise einer gleichartigen -Ware der Konkurrenz zu hoch waren, so wurde auf ihre Veranlassung in -die Frage einer Untersuchung und Verbesserung des Produktionsprozesses -eingetreten. Im übrigen war es das Prinzip Rathenaus, aus den drei -Faktoren Grundrente, Produktionspreis und Vertriebskosten eine -Preisstellung zu ermöglichen, die der jedes Konkurrenten gewachsen, -möglichst aber überlegen war. Über die Faktoren Produktionspreis und -Vertriebskosten ist schon gesprochen worden. Über das Thema Grundrente -soll der nächste Abschnitt, der die Grundlage der Rathenauschen -Finanzpolitik noch einmal zusammenfassend schildern will, Aufschluß -geben. - - -d) - -+Industriefinanzier+ -- das ist das Wort, mit dem Rathenau am -häufigsten charakterisiert wird, womit man die Größe und Besonderheit -seiner Leistung am kräftigsten herausheben und umschreiben zu -können meint. Große Industriegebilde hätten auch andere geschaffen, -unterschiedlich und neu seien bei Rathenau aber hauptsächlich die -Finanzierungsmethoden, die in dieser Art und Ausprägung kein anderer -vor ihm und neben ihm ausgebildet habe, die für eine ganze Generation -vorbildlich und fruchtbar geworden seien. Drängt sich ein so starker -Eindruck von dem Wesen und Wirken eines Mannes der Öffentlichkeit -auf, so muß ihm naturgemäß irgend eine berechtigte Ursache zu Grunde -liegen. Das Urteil der öffentlichen Meinung braucht nicht umfassend zu -sein, es braucht das Bild des beurteilten Menschen oder Gegenstandes -nicht ganz in der Fläche zu decken und nicht ganz bis in die Tiefe -zu erfassen. Die Beurteilung kann schief und oberflächlich, aber -sie kann nicht völlig falsch sein. In der Tat war Emil Rathenau -ein Finanzkünstler ersten Ranges, und in der Tat gehen von hier -vielleicht die stärksten Einflüsse aus, die er über die Grenzen seiner -Sondertechnik und Sonderindustrie hinaus auf das Gesamtwirtschaftsleben -ausgeübt hat, sofern wir allerdings die umwälzenden Einwirkungen der -von Rathenau beschleunigten „Elektrisierung“ fast aller Verkehrs- -und Produktionsprozesse als zur elektrischen Sondertechnik gehörend -betrachten. Unter seinen Methoden, die einfach von anderen Gewerben -übernommen, zum Gemeingut der Gesamtwirtschaft werden konnten, -stehen die finanziellen weitaus im Vordergrunde. Das System der -Selbstbedarfsdeckung und Selbstabsatzwirtschaft, wie es Rathenau für -die elektrische Industrie erfunden hat, war doch im wesentlichen -auf diese oder wenige verwandt organisierte Industrien beschränkt, -in anderen Großgewerben, wie zum Beispiel im Montangewerbe, in der -chemischen Großindustrie usw. entstanden unabhängig davon ganz andere, -zum Teil sogar noch radikalere Methoden der „Gemischtwirtschaft“. Das -Finanz- und Reservensystem Emil Rathenaus dagegen ist weit über die -Grenzen der Elektrizitätsindustrie hinaus epochemachend geworden, und -mit Recht konnte Dr. Walther Rathenau in der ersten Generalversammlung, -die die A. E. G. während des Krieges abhielt, darauf hinweisen, daß -die großen Reserven der industriellen Unternehmungen, dieses „Mark im -Knochengerüst des deutschen Industriekörpers“ die schnelle Umstellung -und Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie im Kriege in erster -Linie ermöglicht hätten. Nun folgt allerdings daraus, daß Emil Rathenau -diese Reservenpolitik zuerst im großen Maßstabe angewandt hat, noch -nicht unbedingt, daß sie ohne ihn überhaupt nicht Eingang im deutschen -Wirtschaftsleben gefunden hätte. Vielleicht lag sie ohnedies in der -Richtung unserer Industrieentwickelung und Emil Rathenaus Verdienst -bestände alsdann nur darin, durch sein erfolgreiches Vorbild diese -Entwickelung bestärkt und beschleunigt zu haben. Daß sie nicht mit -+jeder+ großen und reichen Wirtschaftsentwickelung notwendig -verbunden zu sein braucht, zeigt das Beispiel Englands, wo eine -viel ältere wirtschaftliche Generation doch nicht annähernd so viel -Reservekraft der unpersönlichen Unternehmungen, dafür aber mehr -persönlichen Reichtum angesammelt hatte wie die deutsche, zeigt -ferner das Beispiel Amerikas, wo man trotz einer fast noch stärkeren -Industrialisierung im allgemeinen noch nicht die Kinderkrankheit -jeder Großwirtschaftsbewegung, das System der Agiotage und -Kapitalverwässerung, überwunden hat. - -Und doch -- trotz der großen Ausbildung, Sichtbarkeit und Fernwirkung -der Rathenauschen Finanzkunst, kann sie nicht als seine grundlegende, -seine primäre Begabung bezeichnet werden. Rathenau hat niemals -reine Geschäfte mit dem Gelde und um des Geldes willen gemacht, er -finanzierte nie aus Freude am Finanzieren, sondern dies war ihm nur -das -- virtuos angewandte -- Mittel zum Zwecke des Industrialisierens. -Seine Finanzwirtschaft war sozusagen nur das der Industriewirtschaft -genau angepaßte Kleid, eine sekundäre Kunst, destilliert aus -seinen +ursprünglichen+ Begabungen und Eigenschaften, denen -sie dienen und die sie erst zu voller Wirkung bringen sollte. -Finanzgewinne wurden von Rathenau -- wenigstens ursprünglich -- nicht -+angestrebt+, sondern sie fielen als reife Früchte von dem Baume -seiner Industriepolitik ab. Erst später, als er erkannt hatte, wie -reiche Geldfrüchte dieser Baum tragen könnte, ging er dazu über, sie zu -züchten, immer jedoch die Gesichtspunkte der Industriewirtschaft denen -der Finanzwirtschaft voranstellend, deren Gefahren er wohl kannte und -deren Verlockungen er darum nie Macht über sich gewinnen ließ. - -Entwickelte sich so Rathenaus Finanzkunst, die in der Hochzüchtung, -Festigung und späteren gewinnreichen Verwertung von Betriebsrenten, -nicht im Manipulieren mit dem Aktienkurse bestand, ganz aus dem -Bedürfnis des Industrialisierens, also aus der wirtschaftlichen -Grundeigenschaft des Mannes, so wurzelte seine finanzielle -Reservenpolitik vielleicht noch tiefer in einem der Grundgefühle des -Rathenauschen +Charakters+: nämlich in dem +Pessimismus+. -In der Kühnheit des Entwerfens industrieller und finanzieller -Transaktionen keinem der großen Kaufleute unserer Zeit nachstehend, -übertraf sie Rathenau doch alle in dem Gegengewicht der Vorsicht, -durch das er diese Kühnheit des Entwurfes bei der Ausführung gegen -alle möglichen Gefahren zu sichern bestrebt war. Dieses Gegengewicht -war aus Reserven gebildet, die zum Teil aus zurückgelegten Beträgen -der Jahresgewinne, zum Teil aus dem zurückhaltend angewandten -Aktienagio und zum Teil aus Buchvorteilen bei Transaktionen unter -Ausnutzung dieses Aktienagios stammten, das es der A. E. G. gestattete, -Fabrikationswerte und Beteiligungen zu außerordentlich niedrigen -Preisen zu erwerben oder doch so in ihre Bilanz einzustellen. -Dabei hat sich die Reservenpolitik nie so weit verstiegen, daß von -einer +ungesunden+ Thesaurierung gesprochen werden könnte, -wie sie sich in einem Teil der deutschen Verfeinerungsindustrie, -namentlich im Metallgewerbe, in der chemischen Großindustrie, in der -Rüstungsindustrie -- unter übertriebener Nachahmung des Rathenauschen -Vorbildes -- während des letzten Jahrzehnts ohne berechtigten -wirtschaftlichen Zweck herausgebildet hat. Ein so falsches Bild wie -bei den Unternehmungen dieser Art, so zum Beispiel den Daimlerwerken, -den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, den Köln-Rottweiler -Pulverfabriken, der Deutschen Gasglühlicht-Gesellschaft (Auer), -den Vereinigten Glanzstofffabriken und vielen anderen, die mit -verantwortlichen Aktienkapitalien von 10 bis 20 Millionen Mark, -Vermögenswerte von 50 und 100 Millionen Mark decken, hat die Bilanz -der A. E. G. niemals gezeigt. Bei ihr standen die Rücklagen immer noch -in einem ungefähr richtigen Verhältnis zu den Risiken, der Aktienkurs -war nicht so beschwert mit spekulationstreibenden Rätseln, wenn auch -das Bilanzbild keineswegs jene Durchsichtigkeit besaß, die der Sinn -und jedenfalls der Buchstabe des Aktienrechts vielleicht verlangen, -die der wirtschaftlichen Entwickelung des Aktienwesens aber nicht -immer zuträglich ist. Niemals hat die A. E. G. jene künstlichen -Kapitalserleichterungen und Kapitalsverwässerungen vornehmen müssen, -die das sicherste äußere Kennzeichen einer +ungesunden+ -Reservenanhäufung sind, eine spekulative Unsicherheit in den Besitz -der Aktien und bis zu einem gewissen Grade auch in die Verwaltung der -Aktiengesellschaften tragen. Emil Rathenau hat niemals unter Verzicht -auf das Aktienagio Pari-Aktien oder gar Gratis-Aktien ausgegeben, er -hat andererseits auch niemals das Agio bis zur letzten Grenze oder -gar noch darüber hinaus ausgenutzt. Er ging einen Mittelweg, der alle -Bedürfnisse des gesellschaftlichen Interesses, des Aktionärinteresses -und des Kapitalmarktes zu berücksichtigen suchte. Ebenso wie die Rente -und den Aktienkurs suchte er auch das Aktienagio stabil oder doch in -stabiler, das heißt stetiger Aufwärtsbewegung zu halten. - -Damit waren der Grundrente nicht nur günstige, sondern auch sichere -Verhältnisse geschaffen und das Verhältnis zwischen Kapital plus -inneren und äußeren Reserven auf der einen Seite und dem Umsatz, -dem Gewinn und dem Unternehmerrisiko auf der anderen Seite blieb in -den Formen des Ebenmaßes und Gleichgewichts, die auf Produktion und -Kalkulation vorteilhaft und festigend einwirkten und in guten Zeiten -angenehme Überraschungen nicht übermäßigen Umfanges, in schlechten -Zeiten niemals allzu unangenehme Enttäuschungen bringen konnten. -Das finanzielle Traggerüst war so gezimmert, daß es auf die denkbar -größte Belastung eingerichtet war. Dieses Ideal der Sicherheit, das -für Rathenau mit dem der +allgemeinen und durchschnittlichen+ -Wirtschaftlichkeit zusammenfiel, wurde soweit verfolgt, daß darüber -die Wirtschaftlichkeit in manchen Einzeldingen allerdings auch außer -acht gelassen wurde. Dies zeigt sich vornehmlich auch in der von -Jahr zu Jahr größeren +Anhäufung von baren Mitteln+, die nicht -im Betriebe werbend angelegt, sondern in Form von Bankguthaben stets -greifbar gehalten wurden und fast immer die Hälfte des nominellen -Aktienkapitals, so gewaltig dieses auch zuletzt anwuchs, erreicht -haben. Der Zweck dieser Bankguthaben, in denen ja allerdings nicht -allein die Barmittel der A. E. G. selbst vereinigt waren, sondern -auch ein Teil der überschüssigen Gelder des ganzen Konzerns zum -Ausdruck kam, bestand in der jederzeitigen völligen Unabhängigkeit -von den Banken und vom Kapitalmarkte. Die Gesellschaft sollte stets -bereit und fähig sein, neue Projekte und Geschäfte, die sich ihr vom -technischen oder industriellen Standpunkte aus boten, durchzuführen, -gleichgültig, ob die Zeitverhältnisse oder die kapitalbeherrschenden -Geldmächte solche Unternehmungen gerade begünstigten oder nicht. Bis zu -einem gewissen Grade war die Geldbeschaffung des Konzerns durch die -Finanzgesellschaften sichergestellt. Ein Teil von deren Hilfskräften -aber gerade sowie die eigenen Barmittel der A. E. G. waren in den -Bankguthaben der A. E. G. (im Gegensatz zu den buchmäßigen Rücklagen, -die möglichst verborgen gehalten wurden) sichtbar zusammengefaßt und -mit einem gewissen Stolze zur Schau getragen, als deutliches Zeichen -der finanziellen Macht und Stärke der Gesellschaft. Industriell ist -diese Hauptreserve der Gesellschaft in den späteren Jahren selten in -vollem oder auch nur größerem Umfange in Anspruch genommen worden, -und das Beispiel anderer großer Industriekonzerne hat gezeigt, daß -ein wohlfundiertes, gut rentierendes Unternehmen auch von außenher -fast stets Investitionsmittel erhalten konnte, wenn es sie für -wichtige Zwecke gebrauchte. Gerade erstklassige Großunternehmungen -brauchen so riesige Barmittel nicht unbedingt, kleinere und weniger -gefestigte Gesellschaften können sie sich wiederum nicht leisten. -Eine rückschauende Kritik wird daher möglicherweise einmal zu dem -Ergebnis kommen, daß diese großen Flüssigkeitsreserven in stärkerem -Maße einen Luxus darstellten als die von den Aktionären viel -heftiger bekämpften Buchreserven. Bei der Struktur unseres Kapital- -und Bankenwesens, die immer mehr darauf zugeschnitten wurde, die -einträgliche Industrieanlage vor den sonstigen Kapitalanlagen, der -Staatsrente, dem Hypothekarkredit usw. zu bevorzugen, erscheint von -einem industriellen Nützlichkeitsstandpunkte aus betrachtet diese -übermäßige Anhäufung von Barmitteln für ein industrielles Unternehmen -vielleicht nicht mehr unbedingt nötig. Vom finanziellen Standpunkte -aus bedeutet die Barhaltung so großer Teile des Anlagekapitals, die -nicht im Betriebe gewinnbringende Anlage finden, sondern im günstigsten -Falle die Zinsen wieder einbringen, die sie kosten, bis zu einem -gewissen Grade eine unwirtschaftliche Last. Emil Rathenau, der doch -sonst moderne Entwickelungen so schnell begriffen, häufig sogar ihnen -vorangegangen ist, kam in dieser Hinsicht von den Verhältnissen in den -70er und 80er Jahren und den schlechten Erfahrungen, die er damals -mit der „Berliner Union“, der Deutschen Edison Gesellschaft und den -Städtischen Elektrizitätswerken gemacht hatte, niemals so recht los. Er -bedachte nicht, daß sich in der Zwischenzeit nicht nur sein Unternehmen -bis zu einer Größe und Kraft entwickelt hatte, die es den Banken unter -keinen Umständen hätte geraten erscheinen lassen, seine Bedürfnisse zu -ignorieren, sondern daß auch Bankwesen und Kapitalmarkt sich inzwischen -gewandelt und zu größerer Aufnahmefähigkeit und Aufnahmewilligkeit -für Industriefinanzierungen vertieft hatten. Wenn sich trotzdem auch -der Grundsatz der Unabhängigkeit von Banken und Kapitalmarkt für ein -großindustrielles Unternehmen sehr wohl billigen ließ, so ist doch -die Übertreibung dieses Grundsatzes, die durch Ansammlung übergroßer -Barmittel eher umgekehrt eine Beherrschung der Banken anstrebte, nicht -ebenso ganz zu rechtfertigen. - -Die +Krisengefahr+ konnte -- wie sich wiederholt gezeigt hat -- -die übermäßige Höhe der unwirtschaftlichen Barmittel nicht hinreichend -begründen, höchstens konnte man bis vor ein paar Jahren der Ansicht -sein, daß die +Kriegsgefahr+ sie fordere. Der gegenwärtige -Weltkrieg scheint aber -- wohl entgegen der vorher überwiegend -herrschenden Meinung -- gerade diese Ansicht bis zu einem gewissen -Grade widerlegt zu haben. Denn er hat -- wenn man von wenigen -Gewerben, wie der Seeschiffahrt, absieht -- nicht die Folge gehabt, -die Barmittel der industriellen Unternehmungen in Anspruch zu nehmen -oder gar aufzubrauchen, sondern er hat im Gegenteil allenthalben diese -Barmittel in ungeahntem Umfange vergrößert, und Verhältnisse, wie -sie in dieser Hinsicht vor dem Kriege nur bei einer Minderzahl von -Gesellschaften, besonders bei der A. E. G., bestanden, für die Mehrzahl -der Industrieunternehmungen geschaffen. Das Barreservensystem ist im -Kriege typisch für die deutsche Gesamtindustrie geworden, bei den -Kriegsmaterialunternehmungen infolge übernormaler Gewinnansammlungen, -bei vielen Friedensunternehmungen infolge einer immer weiter -fortschreitenden Liquidierung ihrer Betriebsmittel (Vorräte, -Außenstände usw.). Welche Wirkung allerdings in dieser Hinsicht ein -unglücklich verlaufender Krieg gehabt haben würde, der ja auch zu einer -Besetzung großer deutscher Industriegebiete durch den Feind hätte -führen können, ist eine andere Frage, die uns veranlassen muß, das -Urteil über das industrielle Barreservensystem immerhin mit einiger -Vorsicht abzugeben. - -Gerade wenn wir uns die Reserven- und Finanzpolitik Emil Rathenaus -ansehen, mit ihrer Fülle von verwickelten Erscheinungen und Formen, von -Mitteln und Zwecken, und ihren wenigen einfachen, manchmal vielleicht -übertrieben vereinfachten Resultaten, in die am Ende alle diese Ströme -münden, so finden wir einen der stärksten Grundzüge Rathenauschen -Wesens und Strebens bekräftigt, der sich auch auf allen anderen seiner -Wirkungsgebiete nachweisen läßt: +den Drang vom Komplizierten zum -Einfachen+. Menschen kleineren und mittleren Wuchses beginnen häufig -mit dem Einfachen und gelangen im Laufe ihrer Tätigkeit immer mehr zum -Komplizierteren. Ganz anders Rathenau. Seine Anfänge waren kompliziert. -Er besaß eine erdrückende Fülle der Formen und Möglichkeiten in sich, -in ihm gärte, wie in vielen genialen Charakteren, ein Chaos, das nach -Ausdruck, nach Gestaltung rang. Jede Unfertigkeit, jede Unklarheit -und Ungelöstheit war ihm dabei eine Qual und so strebte er naturgemäß -nach ihrer Beseitigung. Den Mitlebenden mag die erste Schaffensperiode -Rathenaus wirr, unübersichtlich und sprunghaft erschienen sein. Sie -mußte Außenstehenden und in Sonderheit oberflächlich Urteilenden wohl -auch so erscheinen, wenngleich die mannigfaltigen Kräfte Rathenaus wohl -innerlich stets schon nach bestimmten Richtungen und Zielen gedrängt -haben. Erst die zweite Periode brachte -- auch nach außenhin erkennbar --- die Vereinfachung, die Zusammenfassung der auf verschiedenen Wegen -vorwärts strebenden Tendenzen. Auch dieser kaufmännische Stratege -folgte -- wenn auch bis zu einem gewissen Grade unbewußt -- dem -Grundsatz: „Getrennt marschieren und vereint schlagen“. Und nun trat -das ein, was stets bei den Leistungen großer Männer zu geschehen -pflegt. Was während des mühevollen Arbeitens und Ringens solcher -Männer den Zuschauern unentwirrbar, fragwürdig, im Ziele unklar, im -Ausgang zweifelhaft erschien, wurde nach erreichten Resultaten allen -so einleuchtend, so selbstverständlich, daß es gar nicht anders hätte -kommen können, daß alle schon vorher gewußt und vorher gesagt haben -wollten, wie es kommen würde. Ein großes Beispiel aus der Geschichte: -Die Bismarcksche Reichsgründung, von der wir Nachgeborenen den -Eindruck haben, daß die ganze vorherige Entwickelung mit Notwendigkeit -darauf hindrängte, die aber doch von ihrem Schöpfer nicht mit wenigen -mächtigen Hammerschlägen gefügt, sondern aus vielen Möglichkeiten, -gegen hundert Widerstände und Mißhelligkeiten im erbitterten Ringen -mit sich selbst und der Umwelt, unter aufreibenden Kleinkämpfen -durchgesetzt wurde. Wenn man mit dem gewaltigen politischen Werk -Bismarcks die in ihrer Art gleichfalls imposante Leistung eines großen -Industrieschöpfers vergleichen darf, so hat sich das Urteil der Welt -ihr gegenüber mit dem Erfolge in ähnlicher Weise gewandelt. Aber erst -die lapidaren Linien der Resultate ließen auch die innere Arbeit -erkennen, die das Ringen um sie verursacht haben mußte. - - * * - * - -In dem Bilde des finanziellen Charakters Emil Rathenaus ist einer der -Hauptzüge die Meisterschaft, mit der er die Aktie behandelte, und es -ist kaum glaublich, daß derselbe Mann, dessen ganzes öffentliches -Wirken auf der Grundlage des Aktienwesens aufgebaut ist, im Privatleben -eine unüberwindliche Scheu vor Aktienerwerb und Aktienbesitz hatte. -Das ist kaum glaublich und doch müssen wir, da es von Personen, -die ihm nahestanden, übereinstimmend versichert wird, wohl daran -glauben, ohne es allerdings hinreichend verstehen und erklären zu -können. Der kleinbürgerliche Privatcharakter, den wir ja auch schon -in anderem Zusammenhange in Gegensatz zu seinem geschäftlichen -Weltbürgertum stellen mußten, scheint sich hier von dem Netzwerke der -höchstpersönlichen Begebnisse nicht haben befreien zu können mit dem -Ergebnis, daß Rathenau für sich selbst, und auch für Freunde, die Rat -von ihm verlangten, alles das abschwor, was er öffentlich verkündet -hatte. Einem alten Freunde, der ihn einmal fragte, ob er denn jetzt -A. E. G.-Aktien hinzu kaufen, oder seinen alten Besitz verkaufen -solle, erwiderte er: „Sie können auch das Spekulieren nie lassen.“ Es -mag Leute geben, die Emil Rathenau nach solchen Feststellungen für -unehrlich halten werden und man könnte sich sogar denken, daß ein -findiger Staatsanwalt für den Fall, daß Rathenaus vielverschlungene -Aktiengründungen nicht zu einem großen Erfolg, sondern zu einem -finanziellen Zusammenbruch geführt hätten, aus dem Gegensatz zwischen -der öffentlichen und der privaten Stellung zur Aktie so etwas wie -den „bösen Glauben“ konstruiert haben würde. Als feiner Psychologe -hätte er sich dabei allerdings nicht erwiesen, denn man wird diesen -Widerspruch nicht klären, wenn man den öffentlichen Charakter Rathenaus -der Unehrlichkeit, sondern wenn man den privaten Charakter einer -schrullenhaften Schwäche zeiht. Zweifellos ist Emil Rathenau, dieser -größte Meisterer des Aktienwesens, die tiefinnerliche Abneigung gegen -die Aktie nie losgeworden, die ihn schon beherrschte, als er in der -Gründerzeit gegen die Umwandlung der Maschinenfabrik Webers in eine -Aktiengesellschaft längere Zeit Widerstand leistete. Da er aber ohne -sie seine industriellen Pläne nicht ausführen konnte, mußte er sie -wohl oder übel benutzen, denn sein Drang zum industriellen Schaffen -war schließlich doch noch größer als seine Abneigung gegen die Aktie. -Gewissermaßen um sein Gewissen zu beschwichtigen, hat er die Aktie in -seinem Machtbereich durch die Reservenpolitik immer mehr der Obligation -angenähert, sozusagen aus ihr ein Surrogat für das festverzinsliche -Papier gemacht, ohne daß er sich doch entschließen konnte, für seine -Person von diesem Surrogat Gebrauch zu machen. Als reicher und dabei -bedürfnisloser Mann war er auf die paar Prozent Mehrzinsen, die ihm die -Aktie vor der Staatsrente, der Hypothek brachte, nicht angewiesen. - -Doppelseitig wie die Stellung Rathenaus zur Aktie war auch die zu -den Aktionären. Er verachtete und ignorierte die Kapitalisten, die -ihr Geld ihm und seinen Gesellschaften anvertrauten, keineswegs, -wie das manche Selbstherrscher des Aktienwesens tun, von denen die -Aktionäre nur als Objekte, nicht als Subjekte der aktienrechtlichen -Gesetzgebung und der aktiengesellschaftlichen Interessen betrachtet -werden. Für Emil Rathenau stand das Interesse der Aktionäre sehr hoch -und wurde von ihm mit peinlicher Gewissenhaftigkeit wahrgenommen. Bei -allen Maßnahmen, die er traf, bei allen Vorschlägen, die er machte, -fragte er sich und seine Mitarbeiter stets: „Was werden die Aktionäre -dazu sagen, wie schneiden die Aktionäre dabei ab?“ Diese Frage -beschäftigte ihn unausgesetzt und spielte bei seinen Entschließungen -eine wichtige Rolle. Er fühlte sich durchaus als Sachwalter fremden -Vermögens, und in der Tat waren seine Maßnahmen, selbst wenn sie von -Generalversammlungs-Oppositionen heftig bekämpft wurden, auch vom -Standpunkte der Aktionäre aus betrachtet, fast immer wohlüberlegt. -Jedenfalls kann Emil Rathenau kein Fall nachgewiesen werden, in dem -er berechtigte Interessen der Aktionäre verletzt und Ansprüche, -die von einem höheren Gesichtspunkte aus begründet waren, nicht zu -erfüllen versucht hätte. Aber formell erkannte er den außenstehenden -Aktionären nicht das Recht zu, sich über wichtige gesellschaftliche -Fragen, die nur aus der Kenntnis der inneren Verhältnisse und Vorgänge -bei dem Unternehmen begriffen werden konnten, ein Urteil anzumaßen, -das an fachmännischem Gehalt dem der Verwaltung gleichwertig gewesen -wäre. Der Tag der Generalversammlung war für Rathenau durchaus -keine bloße Formalität, keine unbequeme Äußerlichkeit, der aus -gesetzlichen Gründen genügt werden und die man so schnell als möglich -erledigen mußte. Er schilderte den Aktionären seine Beweggründe so -ausführlich, wie er das mit den geschäftlichen Interessen der Firma -vereinbaren zu können glaubte, gab Auskunft, so weit er es für irgend -tunlich hielt und gewährte den Aktionären volle Rede-, Frage- und -Beschwerdefreiheit. In seinen Entschlüssen ließ er sich aber fast nie -durch sie umstimmen, zumal sie ihm selten etwas Neues vortrugen, einer -Frage eine Beleuchtung geben konnten, in der er sie nicht schon selbst -gesehen hatte. Er pflegte ja die ihm vorliegenden Probleme nach allen -Seiten hin zu durchdenken, sie immer wieder hin- und herzudrehen, ehe -er zu einem Ergebnis kam. Sein Sohn Walther hat nach dem Tode des -Vaters einmal Aktionären, die der Ansicht waren, neue Gesichtspunkte -zur Beurteilung einer Angelegenheit beigebracht zu haben, das Wort -zugerufen: „Glauben Sie denn nicht, daß wir Phantasie genug besitzen, -um uns ungefähr alle Einwände, die Sie hier in der Generalversammlung -vorbringen könnten, schon vorher vorzulegen und sie in Erwägung zu -ziehen?“ -- Die Aktionäre antworteten auf diesen Ausspruch, -- der ganz -und gar aus dem Geiste Rathenaus, des Vaters, gesprochen war, wenn -dieser ihm vielleicht auch nicht die schlagfertige, scharf pointierte -Fassung gefunden haben würde, -- daß dann ja die Generalversammlung -nur eine Farce sei und es sich für die Aktionäre nicht lohne, sie zu -besuchen und in ihr das Wort zu ergreifen. In der Tat läßt sich mit -einer solchen Aktionärpolitik mancher Mißbrauch treiben, denn keine -Verwaltung ist unfehlbar und es gibt Fälle, in denen der Außenstehende -mehr und schärfer sieht, eine bessere Distanz zu den Dingen hat, als -die doch immerhin im Geschäftsgang befangene Verwaltung. Rathenau hat -sich solchen Mißbrauch aber eben nie zu schulden kommen lassen. Wenn -man heute zurückschauend die verschiedenen Kämpfe zwischen ihm und den -Aktionären betrachtet, so wird man finden, daß +in der Sache+ -fast stets Rathenau recht gehabt hat, und daß die Anträge und Wünsche -der Aktionäre, wenn ihnen Folge gegeben worden wäre, die A. E. G. von -der finanziellen Richtung, die sie mit so großer Konsequenz und mit -so glänzendem Erfolge innehielt, abgelenkt und vielleicht etwas ganz -anderes aus ihr gemacht hätten. - -Niemals ist Emil Rathenau in den Generalversammlungen wegen Schäden, -fehlerhafter oder schlechter Führung der Geschäfte angegriffen worden, -sondern das in allen Versammlungen mit seltener Regelmäßigkeit -wiederkehrende Thema der Opposition waren die angeblich zu niedrigen -Dividenden. „Tun Sie doch nicht immer nur in den Spartopf hinein, -sondern nehmen Sie doch auch einmal etwas für die Aktionäre heraus.“ -- -„In guten Zeiten sammeln Sie für die schlechten, in schlechten nehmen -Sie nichts von den Notreserven, sondern sammeln weiter im Hinblick -auf die ungeklärte Lage.“ -- „Was nützen uns die Reserven, von denen -man versprochen hat, daß sie uns einmal zugute kommen werden, wenn -erst unsere Enkel den Vorteil davon haben sollen.“ -- So und ähnlich -lauteten die manchmal ganz witzig und klug zugespitzten Wendungen, mit -denen man ihn -- nicht selten mit Argumenten aus dem Arsenal seiner -eigenen Logik -- zu schlagen und aus seiner Festung herauszulocken -suchte. Emil Rathenau blieb kühl bis ans Herz hinan. Er war nicht -so gewandt wie sein Sohn Walther, der als Aufsichtsratsvorsitzender -resigniert zu entgegnen pflegte: „Es hat keinen Zweck, der Opposition -entgegen zu kommen, denn gleichgültig, welche Dividende wir auch -vorschlagen, es wird stets eine Erhöhung um 2% beantragt werden.“ Wenn -die Opposition heftig oder gar in der Form verletzend wurde, so konnte -allerdings auch Emil Rathenau in Harnisch geraten und seine Worte waren -dann manchmal von einer Bitterkeit, einer persönlichen Gereiztheit, -die er ruhigen Blutes wohl selbst als zu weit gehend erkannt haben -würde. -- Zu derart heftigen Kämpfen kam es aber nur in einigen wenigen -Versammlungen, so in der vom 12. Dezember 1905, als der Führer der -Opposition, Rechtsanwalt Elsbach, nachdem er die Bilanz undurchsichtig, -den Geschäftsbericht einen furchtbaren Blender genannt und dem -Generaldirektor vorgeworfen hatte, daß er seine Versprechungen nicht -gehalten habe, seine Rede mit den Worten schloß: „Wir bitten nicht -mehr, fordern wollen wir. Wir sind hier im eigenen Hause und stehen vor -den Verwaltern unseres Vermögens.“ -- Rathenau entgegnete aufbrausend: -„Wenn wir in derartiger wenig taktvoller Weise angegriffen, ja -persönlich besudelt werden, so können wir nichts anderes tun, als Ihnen -unseren Platz zur Verfügung zu stellen.“ -- Erst Fürstenberg, der kluge -Dialektiker, der die Verhandlungen gewöhnlich anstelle der dekorativen -Aufsichtsratsvorsitzenden mit dem Staatssekretärstitel leitete, konnte -durch seine schlagfertigen Bemerkungen die Situation in solchen Fällen -wieder einigermaßen herstellen. Derart scharfe Zusammenstöße bildeten -aber Ausnahmen. Im allgemeinen verliefen die Generalversammlungen ruhig -und sachlich, und wenn die Aktionäre auch durch sie keinen Einfluß auf -die Verwaltung zu gewinnen vermochten, so waren diese Tage doch für -die Besucher nicht selten recht interessant und lehrreich, und diese -konnten stets die Beruhigung mit davon tragen, daß die Verwaltung ihres -Vermögens in guten Händen sei. - - -e) - -Wenn in der Presse die Unergiebigkeit unseres politischen Lebens, das -angeblich niedrige Niveau unserer Parlamente und Parlamentsdebatten -beklagt wird, so empfiehlt man häufig als Abhilfe die Zuwahl unserer -geistigen und gewerblichen Führer in den Reichstag oder Landtag, -da man von ihnen glaubt und hofft, daß sie mit ihren anderwärts -bewährten überlegenen Persönlichkeitswerten auch das parlamentarische -Leben befruchten, neue und größere Gesichtspunkte in den Kleinkram -der geschäftspolitischen Verhandlungen bringen könnten. Die Stände -des Handels und der Industrie haben es auch oft genug beklagt, daß -ihre Vertreter in den Parlamenten weit spärlicher zu finden seien -als zum Beispiel Persönlichkeiten aus der Landwirtschaft. Ob die -so ausgesprochenen Gedanken und Wünsche allgemein betrachtet einen -berechtigten Kern haben, ist mir stets zweifelhaft gewesen. Die -Beschäftigung mit der Politik stellt ihre eigenen Ansprüche, fordert -ihre eigenen Maßstäbe. Nicht geistiges, industrielles oder agrarisches -Talent ist zu ihrer Ausübung erforderlich, sondern politisches, -daneben auch politische Leidenschaft. Sie fordert heute bei der Fülle -der Facharbeit, die im parlamentarischen Leben zu erledigen ist, den -ganzen Mann, und ist nicht mit den paar beschäftigungslosen oder der -eigentlichen Beschäftigung abgerungenen Stunden zufrieden, die ihr -ein auf anderem Gebiete voll in Anspruch genommener Mann etwa widmen -könnte. Beim Landwirt liegen die Verhältnisse meist etwas anders. -Die agrarischen Führer sind fast durchweg Berufspolitiker, die aus -landwirtschaftlichen Kreisen stammen und die Interessengesichtspunkte -ihrer Herkunft mit in das politische Leben hinübernehmen. Üben -sie eine landwirtschaftliche Tätigkeit noch aus, so ist sie meist -nebensächlicher Natur. Es fehlt ihr auch fast stets der schöpferische -Inhalt, der den großen Industriellen so stark ausfüllt und beansprucht, -daß er kaum eine seiner Hauptkräfte für eine ganz anders geartete -politische Tätigkeit einsetzen kann. Für die Richtigkeit dieser -Ansicht sprechen die Erfahrungen, die wir mit bedeutenden Kaufleuten -in ihrer parlamentarischen Praxis gemacht haben. In ihrer besten -schaffenskräftigsten Zeit waren sie nur selten gute, vollgültige -Politiker. Man wird vielleicht auf Männer wie Hansemann und Camphausen -verweisen. Aber diese gehörten einer anderen Zeit an. Damals lag -das wirtschaftliche Leben ganz auf der Linie des politischen. Die -Wirtschaft wollte frei werden wie der Staatsbürger. Beide hatten -denselben Weg. Inzwischen ist die wirtschaftliche Freiheit schneller -zum Ziele gelangt als die politische. Statt nach Zielen orientierte -sich die Wirtschaft nunmehr nach Interessen. Das war auch auf die -Stellung der Industriellen nicht ohne Einfluß geblieben. Sie waren -nun meistens Interessenten, ähnlich wie die Agrarier, nur nicht -auf einem so geschlossenen und in sich einheitlichen Gebiet wie -der Landwirtschaft, sondern auf ihrem eigenen Sondergebiete, das -ja in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht durchaus nicht von -denselben Interessen beherrscht zu werden brauchte, wie irgend ein -anderes, nicht minder wichtiges, aber auch nicht minder beschränktes -Wirtschaftsgebiet. Es gibt Gewerbe, die schutzzöllnerisch sind, andere -die dem Freihandel zuneigen, es gibt Gewerbe, deren Vertreter politisch -rechts, andere, deren Vertreter politisch links stehen. Der Hansabund, -dessen unorganische Zusammensetzung im Gegensatz zu dem homogenen Bund -der Landwirte schnell zutage trat, ist ein sprechendes Beispiel für -diese politische Zerfallenheit der Handels- und Industriekreise. Die -höheren politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte, die früher -in unserem parlamentarischen Leben zur Geltung kamen, vermochte er -ebensowenig zurückzubringen, wie das die stärkere Zuwahl bedeutender -Gewerbetreibender in unsere Parlamente tun könnte, wenn diese nicht -zugleich einen entwickelten Sinn für Dinge des Gemeinwohls, für -staatsbürgerliche und staatsgesellschaftliche Interessen hätten. - -Emil Rathenau gingen diese Interessen so gut wie völlig ab. Auf seinem -Fachgebiete universell, in allem Können und Wissen, das diesem -Fachgebiete irgendwie nützen konnte, unbestrittener Meister, schloß -er sich von Gesichtspunkten und Fragen des Gesamtinteresses fast -ebenso entschieden ab, wie von den schönen Künsten, den theoretischen -Wissenschaften und ähnlichen für ihn abseits liegenden Dingen. Sein -Leben war so ganz von der Sphäre durchdrungen, in der es zur Vollendung -gelangte, daß er sicher keine Zeit, und ebensowenig Neigung zu Dingen -hatte, in denen er es höchstens zu halben Resultaten hätte bringen -können. Die Mehrzahl der +intensiven+ Schöpfer ist so organisiert, -ihre Kraft ist an den Boden gebannt, dem sie entwuchs, und nur ganz -frei und leicht schaffenden Naturen ist es manchmal gegeben, daß ihnen -ihre Genialität auch auf anders geartete Gebiete folgen darf. Emil -Rathenau war ein überwiegend naiver Schöpfer, aber darum wurde ihm -sein Werk nicht leicht. Sein Ringen mit ihm verzehrte alle Kräfte. -So blieb er denn auch ganz in seinem Werk und dessen Dunstkreise -befangen. Seine Tätigkeit für gemeinwirtschaftliche Fragen beschränkte -sich auf eine vorübergehende Gastrolle, die er im Ältestenkollegium -der Berliner Kaufmannschaft gab. Nach dem Tode seines Sohnes Erich -zog er sich auch von dieser Tätigkeit und der damit verbundenen -Geselligkeit zurück. Allgemeine wirtschaftspolitische Anschauungen -besaß er vielleicht, sie waren aber nach den Interessen seines -Faches orientiert, ein freies wirtschaftspolitisches Weltbild wurde -nicht daraus. Er war gegen Kartelle, weil sie der elektrotechnischen -Industrie nicht „lagen“, er war gegen die hohen Schutzzölle, weil seine -Industrie einen ausländischen Wettbewerb im Inlande nicht zu befürchten -brauchte und andererseits stark auf den Export angewiesen war. Er war -in diesen Dingen Interessent, besaß aber Takt und Selbsterkenntnis -genug, um seine privatwirtschaftlichen Interessen nicht im Gewande -des Volkswirts der Allgemeinheit aufzudrängen. Einmal hat er, befragt -von einer illustrierten Zeitschrift (Illustrierte Zeitung, 27. Januar -1910), sich über Zollfragen öffentlich ausgelassen. Die Äußerung ist so -interessant, daß sie hier wiedergegeben werden soll. - - „Als Nichtpolitiker möchte ich mich einer Antwort auf die - erste Frage enthalten, wie sehr ich auch die Bedeutung des - darin angeregten schiedsgerichtlichen Vertrages für die - deutsch-französischen Beziehungen und für das gesamte Kulturleben - zu schätzen weiß. - - Mehr berechtigt halte ich mich zur Beantwortung der zweiten - Frage, die das wirtschaftliche Verhältnis der beiden Länder - betrifft. Sie bietet mir eine willkommene Gelegenheit, zunächst - einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Das unter der Parole - „Schutz der nationalen Arbeit“ betriebene System hat nunmehr zwar - schon eine langjährige Geschichte, indes ist damit noch nicht - ohne weiteres seine Berechtigung erwiesen. Vorteilhafter ist es - vielmehr, wenn eine Ware möglichst da produziert wird, wo die dafür - günstigsten Bedingungen gegeben sind. Statt dessen hat es das - Schlagwort vom Schutz der nationalen Arbeit mit sich gebracht, daß - heute nicht mehr bloß jedes Land, sondern auch die verschiedenen - Städte, ja selbst kleine Gemeinden allerlei herstellen möchten, - was geeigneter anderwärts und unter anderen Bedingungen geschaffen - werden kann. Um Produktion und Konsum steht es am besten, wenn die - denkbar höchste Qualität unter möglichst niedrigen Kosten erreicht - werden kann. Das läßt sich nur erzielen, wenn die Herstellung an - dem dafür zweckmäßigsten Orte erfolgt, da, wo sie sich am ehesten - im großen auf höchster Stufenleiter betreiben läßt. Statt dessen - werden die Produktionsstätten verengt, wenn die Länder sich - gegeneinander absperren, und wenn dem Vorbilde, das diese in ihrem - Verhalten zueinander geben, auch Städte und Gemeinden innerhalb der - einzelnen Länder folgen. - - Dieser Auffassung von den Nachteilen des Schutzzollsystems - pflegen die Vereinigten Staaten von Amerika als ein Beispiel - entgegengehalten zu werden, das für die Ersprießlichkeit der - Schutzzölle spreche. Indes nehmen die Vereinigten Staaten eine - Ausnahmestellung ein. Ich werde da an eine Begegnung mit Mac Kinley - erinnert. Wir sprachen über den teueren Lebensunterhalt in Amerika - und ich bezeichnete ihn als eine nachteilige Wirkung der von Mac - Kinley so eifrig vertretenen Hochschutzzölle. Er stimmte meiner - Verurteilung dieses Systems und meiner Befürwortung des freien - Handels im Prinzip zu, nur wollte er meinen Standpunkt nicht für - die Vereinigten Staaten gelten lassen. Sie bildeten ein Land für - sich, das auf das Ausland nicht angewiesen wäre. Amerika sei als - eine Art Robinson Crusoe imstande, seine Bedürfnisse vom Rohprodukt - bis zum letzten Fabrikat selber herzustellen. - - Mindestens bis zu einem gewissen Grade ist dieses Urteil Mac - Kinleys in der Tat berechtigt. Die sich auf achtzig Millionen - belaufende Bevölkerung der Vereinigten Staaten stellt einen - Konsumenten von ungewöhnlicher Größe dar. Da sie zudem fast - völlig einheitlich in ihrer Sprache, ihren öffentlichen - Einrichtungen und ihren Lebensgewohnheiten ist, hat sie mehr als - die Bevölkerung anderer Länder die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse - durch Massenfabrikation zu befriedigen. Indem damit der Arbeit - der Maschine ein so viel größerer Spielraum gewährt ist, wird die - Produktion durch die Höhe der Löhne für menschliche Arbeit nur - verhältnismäßig wenig benachteiligt. Die übrigen Produktionsmittel - aber stehen dem Lande in der größten Mannigfaltigkeit und Fülle zur - Verfügung. - - Anders die europäischen Länder. Deutschland mit seinen sechzig, - Frankreich mit vierzig Millionen Einwohnern bleiben in der - Bevölkerungszahl hinter der amerikanischen stark zurück. Dazu ist - die Bevölkerung und damit auch die Befriedigung ihrer Bedürfnisse - hier um vieles differenzierter. Und weiter ist keines dieser Länder - mit den vielseitigen und reichen Naturschätzen bedacht, die den - Vereinigten Staaten beschieden sind. In Frankreich ist, da es über - Kohle und Erz nur in relativ unzureichenden Mengen verfügt, der - Betrieb von Gewerben, in denen es auf Massenfabrikation ankommt, - erschwert. Er ist vergleichsweise so viel mehr für Deutschland - geeignet, dem jene Roh- und Hilfsmaterialien in umfassender - Menge zu Gebote stehen. Hinwiederum sind Frankreich in manchen - seiner Weine und in deren vorzüglicher Kultur, sowie in dem durch - jahrhundertlange Tradition überlegenen Kunst- und Luxusgewerbe - Produktionszweige gegeben, in denen es berufen ist, die Bedürfnisse - des Auslandes, unter anderm auch die Deutschlands, zu befriedigen. - - Aus dieser meiner Auffassung ergibt es sich als selbstverständlich, - daß ich alle Schritte, die das bisherige handelspolitische - Verhältnis Deutschlands zu Frankreich bessern könnten, mit voller - Sympathie begrüße. Da die hier veranstaltete Umfrage die Anregung - gibt, „in einem bestimmten Punkte Vorschläge zu machen“, liegt es - mir nahe, im Hinblick auf etwaige Besprechungen zwischen den beiden - Regierungen Frankreich darauf hinzuweisen, von welcher Bedeutung - es für die französische Bevölkerung wäre, wenn ihr die Möglichkeit - geboten würde, elektrotechnische Fabrikate, für deren Herstellung - in Deutschland die günstigeren Voraussetzungen bestehen, billiger - und leichter, als es bisher möglich ist, zu beziehen. - - Die deutsche Elektrotechnik nimmt in Europa eine führende - Stellung ein. Der Vorsprung, den sie erreicht hat, läßt sich - anderwärts in absehbarer Zeit nicht einholen. Es wäre demnach - natürlich, daß die Nachbarländer sich die Leistungen der deutschen - Elektrizitätsindustrie zunutze machten, zumal es keinerlei - Beschäftigung oder Beruf gibt, in denen die Elektrizität - nicht in irgend einer Weise Verbesserungen der Arbeits- und - Lebensbedingungen mit sich bringt. Für die Erzeugnisse der - elektrotechnischen Industrie besteht aber zwischen Frankreich - und Deutschland keine handelsvertragliche Verständigung. Die - Zollschranke, die Frankreich zwischen sich und der Schweiz - aufgerichtet hat, und die die elektrotechnische Industrie im - besonderen Grade trifft, gilt laut Vertrag vom Jahre 1871 unter der - Bezeichnung einer „Meistbegünstigung“ auch für die deutsche Einfuhr - nach Frankreich. Wenn ein Handelsabkommen zwischen Deutschland - und Frankreich zustande käme, das den Erzeugnissen der deutschen - Elektrotechnik die französische Grenze öffnete, würde Frankreich - damit die Teilnahme an den Fortschritten der Industrie erleichtert - werden. Für den Vorteil, der sich daraus zugleich für Deutschland - ergäbe, könnten Frankreich Zugeständnisse bei der Einfuhr seiner - Weine und kunstgewerblichen Fabrikate gemacht werden. Das hätte - auch für Deutschland den Vorteil, daß die Lebensfreude hier durch - die Erzeugnisse Frankreichs gehoben würde. - - Statt daß die Lebenshaltung des einen Landes durch die Zollmauer, - die es von dem andern trennt, niedergehalten wird, schüfe ein - auf der Grundlage freieren Warenaustausches sich aufbauendes - Handelsabkommen eine Harmonie der Interessen, die hier und dort - Arbeit und Genuß mehrten und erleichterten.“ - -Wir sehen also: Am Anfang ganz gescheite, wenn auch nicht -übermäßig originelle Ausführungen prinzipieller Natur. Sobald -aber die Nutzanwendung kommt, steuern sie in das Fahrwasser -einer Interessenpolitik, die nur auf den Nutzen für die eigene -Industrie, nicht auf eine wirklich tief durchdachte und objektive -wissenschaftliche Begründung Wert legt. Hätte Emil Rathenau, als er zu -schaffen anfing, den Vorsprung, den sich damals Amerika und England in -der elektrotechnischen Industrie errungen hatten, als etwas gegebenes -hingenommen und auf eine eigene Betätigung in dieser Industrie -verzichtet, so würde er nie die A. E. G. geschaffen und zu der ersten -Elektrizitätsgesellschaft der Welt gemacht haben. - - -f) - -Wie ist Emil Rathenau, der die +Sachen+ im allgemeinen so -trefflich zu behandeln verstand, nun mit +Menschen+ umgegangen? --- Man könnte vielleicht sagen: Wie mit den Sachen, -- wenn dem Worte -nicht ein gewisser herabsetzender Beiklang von Gefühllosigkeit, -von Herzenskälte innewohnte, der in Rathenaus Art, mit Menschen zu -verkehren, vielleicht manchmal, aber durchaus nicht immer enthalten -war. Rathenau konnte kühl und uninteressiert, ja schroff und ablehnend -sein, aber er war durchaus keiner von den Menschen, die über Leichen -gehen. Er hatte darum für eine so ausgesprochene Eroberernatur -eigentlich wenig persönliche Konflikte. Er war Gefühlsregungen -keineswegs unzugänglich und Personen gegenüber, die ihm menschlich -nahe standen, sogar großer Zartheit fähig. Man konnte seine Art, -Menschen zu behandeln, eher „sachlich“ nennen, wenn diese Sachlichkeit -nicht gelegentlich durch persönliche Stimmungen, Gereiztheiten und -sogar Ungerechtigkeiten getrübt worden wäre. Am besten wird man sein -Verhältnis, seinen Umgang mit Menschen vielleicht mit dem Worte -„direkt“ kennzeichnen. Er kannte im Verkehr mit Menschen keine -Umschweife, keine Nebenwege, keine Umhülltheiten, mit einem Worte keine -Indirektheiten. Er hielt mit nichts zurück, und täuschte nichts vor. -Er sagte ehrlich, was er dachte, war in Lob und Tadel, in Anerkennung -und Kritik offen. Rücksichten auf Stand, Rang und Alter nahm er dabei -nicht, und er hat einmal -- wie mir ein Augenzeuge berichtete -- eine -hochgestellte Persönlichkeit seines Konzerns, einen Exzellenzherrn -in Gegenwart von dritten ziemlich brüsk zur Rede gestellt, weil -dieser eine von ihm übernommene Aufgabe nicht zu seiner Zufriedenheit -ausgeführt hatte. Aber so sehr sein Tadel verletzen konnte, so tief -konnte sein Lob beglücken. Für Mitarbeiter, die viel mit ihrem Chef in -Berührung kamen, gab es keine schönere Belohnung als eine Anerkennung -des Meisters, nicht nur deswegen, weil sie selten war, sondern weil -er ihr oft eine menschlich-warme, den Belobten innerlich berührende -Form zu geben verstand. Eine so direkte Art der Menschenbehandlung -war natürlich für das kaufmännische +Verhandeln+ nicht unter -allen Umständen geeignet. Delikate Besprechungen, in denen zunächst -sondiert werden mußte, in denen es darauf ankam, vorerst einmal nicht -das ganze Ziel, die letzte Absicht, das eigentliche Interesse zu -zeigen und aus dem Gegner, der sich ebenso vorsichtig, abwartend -und berechnend verhielt, trotzdem das Wissenswerte herauszuholen, -lagen ihm im allgemeinen nicht. Auch Verhandlungen, bei denen der -Kontrahent nicht durch sachliche Gründe, sondern durch politische -List, nicht durch den Inhalt, sondern durch die Form des Gesprächs -gewonnen werden sollte, verstand Emil Rathenau, trotzdem er am -Schreibtisch und im monologischen Denkprozeß nicht nur klug, sondern -auch schlau zu argumentieren vermochte, nicht übermäßig gut zu -führen. Der +Mensch+, der ihm gegenüber saß, zwang ihn mehr oder -minder rasch zur Offenbarung seiner Karten. Die Ursprünglichkeit, die -Ungeduld, das Endziel zu erreichen, sprengten den zurückhaltenden -Gang umhüllter Unterredungen. Emil Rathenau vermochte im Gespräch -schlagend, aber nicht ebenso schlagfertig zu sein. Während er im -uninteressierten Fachgespräch gut zu plaudern verstand, waren für -Einleitungsverhandlungen zu konkreten Geschäften andere im Konzern -besser geeignet als er. Denn er sagte hier, wie auch in Zweckgesprächen -mit Konkurrenten, Vertretern von Behörden usw. zu schnell und zu -offen, alles was zu sagen und manchmal besser auch nicht zu sagen war, -wie er denn überhaupt der Ansicht war, daß gute Geschäfte nur solche -seien, die beiden Kontrahenten zum Vorteil gereichten. Vorsichtig -zu behandelnde Einleitungsbesprechungen ließ er denn auch meist von -seinen Direktoren oder von seinem Sohn Walther führen. Standen die -Dinge aber so, daß eine offene Aussprache am besten zum Ziele führen -konnte, das heißt handelte es sich um Geschäfte, die überhaupt ganz auf -diese Weise erledigt werden konnten, oder waren die Erörterungen bei -anderen Geschäften über das Stadium des Parlamentierens hinausgelangt, -so war Emil Rathenau der richtige Mann. Dann wurde er zum glänzenden -Verhändler. Kurz, sachlich, bestimmt formulierte er seinen Standpunkt, -machte die Konzessionen, die er machen konnte, feilschte nicht viel und -blieb unbeirrbar bei der Sache. Für Leute, die gleichfalls sachlich zu -diskutieren verstanden, war es ein Vergnügen mit ihm zu verhandeln, -eine Leichtigkeit, mit ihm ins Reine zu kommen. Aber auch Abschweifende -zwang er durch die Suggestion seiner Art und Persönlichkeit gleichfalls -bald zur Sache. - -Ein +schneller+ Menschenkenner war Emil Rathenau nicht. Dazu -war er zu vertrauensvoll und darum anfänglich stets geneigt, die -Menschen als das zu nehmen, was sie selbst darstellen und scheinen -wollten. Seine Naivität veranlaßte ihn, nicht nur die Menschen -direkt zu +behandeln+, sondern sie auch direkt, das heißt ohne -Hintergedanken zu +beurteilen+. So kam es, daß ihm auch ein -weniger wertvoller Mensch anfänglich zu interessieren, zu gefallen, ja -zu imponieren vermochte. Niemand konnte ihn aber auf die Dauer über -seinen Wert täuschen. Eine nähere Bekanntschaft offenbarte Rathenau -bald die wirkliche Natur und Fähigkeit eines Menschen, und wenn er -diese einmal als unzulänglich erkannt hatte, so war er für allezeit mit -ihrem Besitzer fertig. Auf eine nachträgliche Revision seines Urteils -ließ er sich nur höchst selten ein. Dies führte dazu, daß er -- der -im allgemeinen die Menschen richtig und gerecht einschätzte -- in -Ausnahmefällen auch einmal aus Vorurteil oder Eigensinn einem Menschen -unrecht tat. Las er meist auch nicht so schnell in Menschenseelen -wie andere sogenannte gute Psychologen, so las er doch häufig tiefer -und gründlicher als diese. Ungewöhnliche Menschen, auch wenn sie -ihre Eigenart noch nicht greifbar bekundet hatten, vielleicht selbst -nicht einmal kannten, hat er nicht selten entdeckt, gefördert und an -die richtige Stelle gesetzt. Als der Professor an der technischen -Hochschule +Klingenberg+ mit einem in der Konstruktion nicht -gerade gelungenen Automobilmotor zu Rathenau kam, erkannte dieser im -Gespräch, welche ungehobenen Schätze technischer Praxis in diesem -akademischen Professor schlummerten, und ohne langes Besinnen forderte -er ihn zum Eintritt in die Direktion der A. E. G. auf, in der sich -Klingenberg ganz so bewährte, wie es Rathenau vorausgesehen hatte. -Seine Mitarbeiter suchte und erzog er sich auf ganz individuelle Weise, -und zwar individuell für ihn wie für die anderen. Wenn irgend ein Platz -zu besetzen, irgend eine Aufgabe zu lösen war, so schaffte er sich -die Personen hierzu nicht nach dem System, das leider sonst vielfach -in der Industrie üblich ist, wo man bekannte Fachkräfte durch das -Angebot eines höheren Gehalts einfach aus ihrem früheren Wirkungskreis -fortengagiert. Ein derartiges System, bei dem schließlich nicht nur -Tenoristen-, sondern fast Bankdirektorengehälter für sogenannte erste -Fachkräfte üblich wurden, hat er seiner Konkurrenz oft vorgeworfen. -„Auf solche Weise ist es kein Kunststück, Leute zu bekommen,“ hat er -mir selbst einmal geklagt. Er selbst ging ganz anders zu Werke. Er nahm -nicht notwendigerweise für einen freigewordenen Posten oder eine zu -lösende Aufgabe -- abgesehen von Ausnahmen, bei denen die Zeit drängte, -oder es eine besondere Spezialität unbedingt verlangte, -- einen gerade -auf diesem Gebiete bewährten oder bekannten Fachmann, es sei denn, -daß er ihn ebenso leicht wie einen anderen bekommen und ihn ebensogut -brauchen konnte. Er suchte sich vielmehr unter seinen Leuten denjenigen -aus, der ihm für diese Sache die beste Eignung zu besitzen schien, auch -wenn er sich erst in das neue Gebiet einarbeiten mußte. Fähigkeiten, -nicht Vorkenntnisse waren für ihn ausschlaggebend und er wußte, daß -Frische, Unbefangenheit, die Gabe, sich eine Materie während der Arbeit -zu erobern, manchmal wertvoller sind als Wissen, das zur Routine -geworden ist. Er kannte seine Mitarbeiter genau, schematisierte nicht -mit Menschen und suchte jeden nach seiner Individualität, nach der Art, -nicht nur nach dem Maß seiner Leistung zu beschäftigen. - -Emil Rathenau hatte das Glück, schon bei der Gründung oder kurz nach -der Gründung seines Unternehmens Mitarbeiter zu finden, die ihm und -seiner Gesellschaft ihr ganzes Leben lang treu blieben und so eng mit -ihr verwuchsen wie er selbst. Daß Deutsch, Mamroth oder Jordan jemals -hätten aus der A. E. G. ausscheiden, eine andere Stellung suchen oder -annehmen können, ist ein Gedanke, der allen Beteiligten wohl absurd -vorgekommen wäre. Diese treue und gute Kameradschaft, die auf der -Arbeit an der gemeinsamen großen, unter ihren Händen aufblühenden -Sache, aber auch auf der gegenseitigen Achtung vor der Persönlichkeit -der anderen beruhte, spricht gleicherweise für den menschlichen Wert -Rathenaus wie seiner Mitarbeiter. Tüchtige, energische Charaktere von -eigener Prägung und starkem Wuchs gruppierten sich um den Mittelpunkt -des Genies, dessen Überlegenheit alle anerkannten, das aber auch -ihnen Spielraum und Entwickelungsfreiheit für ihre Kräfte gewährte. -Die Stärke des Vorstandes der A. E. G., sagte mir einmal eines seiner -Mitglieder, liegt in ihrer seltenen, nicht herbeigeführten, sondern -„gewordenen“ +Homogenität+. Da war stets ein vollständiges -Gleichgewicht in dem Verwaltungskörper vorhanden, niemand drängte -sich vor, niemand blieb zurück, nichts verschob sich, nichts -mußte verschoben werden. Palastrevolutionen, innere Konflikte und -Auseinandersetzungen -- abgesehen von Meinungsverschiedenheiten wegen -sachlicher Fragen -- gab es nicht. Eifersucht, Neid, Intriguen, -persönliche Motive trugen keine Verwirrung in den Geschäftsgang. Die -geschäftliche Arbeit spielte sich auf dem Untergrund langjähriger -persönlicher Freundschaft ab. Viele Jahre hindurch wohnte Emil Rathenau -mit Deutsch und Mamroth zusammen in einem Hause am Schiffbauerdamm, -ganz nahe den alten und nicht fern den neuen Geschäftsräumen, Rathenau -im ersten, Deutsch und Mamroth im zweiten Stockwerk. Rathenau in -seiner Einfachheit hätte die alte Wohnung vielleicht nie aufgegeben. -Aber die Kollegen zogen fort, erbauten sich eigene Villenhäuser. -So entschloß sich denn auch Rathenau als Siebzigjähriger zum Bau -eines eigenen Hauses in der Viktoriastraße, auf dem Grundstück, -das seinen Eltern, zuletzt seiner Mutter, gehört hatte und das er -durch das danebenliegende erweiterte. Pietät gegen einen geliebten -Menschen erleichterte ihm den Bruch mit der Pietät gegen die gewohnte -Heimstätte. Um den Umständlichkeiten, den Gemütsbewegungen des Umzuges -zu entgehen, reiste er nach Wien, als schwerkranker Mann kehrte er -zurück und kurz, nachdem er sein neues Heim bezogen hatte, mußte er -sich zur Beinamputation entschließen. - -Die Organisation des Vorstandes der A. E. G. ist, wie ich schon sagte, -nicht geschaffen worden, sie hat sich historisch entwickelt und ist -gerade darum so innerlich organisch geworden. Es wird von Interesse -sein, sie nachstehend in der Form, zu der sie sich in den letzten -Jahren Rathenaus entwickelt hatte, zu schildern. - - 1. +Deutsch+: - - System der inländischen und ausländischen Zweiganstalten. - Installation und Fabrikation im Auslande. Organisation - der 300 Filialen, Installations- und Ingenieurbureaus. -- - Großinstallationsgeschäft, soweit es von Berlin aus geleitet - wurde, also Einrichtung von Stationen für Berg- und Hüttenwerke, - Fabriken usw. (Privatanlagen). Fertigstellung der Jahresbilanz - (nicht Buchwesen). Sozusagen Minister des Äußeren. - - 2. +Mamroth+: - - Wiederverkaufsgeschäft, Warenhandelsgeschäft, Buchführung, - Kasse, Gelddispositionen (Anlage der flüssigen Gelder, - Bankguthaben), Überwachung der Betriebsgesellschaften (nicht der - Trustunternehmungen). -- Sozusagen Minister des Inneren. - - 3. +Jordan+: - - (früher im Patentamt tätig, leitete zuerst das Patentbureau der - A. E. G.) Leitung der gesamten Fabriken der A. E. G. mit Ausnahme - des +Kabelwerks+, und ausschließlich derjenigen Fabriken, die an - ausländische Zweiganstalten angegliedert waren. Arbeiterwesen. - - 4. Prof. +Klingenberg+: - - Bau der Zentralstationen für eigene und fremde Rechnung. - - 5. Baurat +Pforr+: - - Elektrische Bahnen. - - 6. +Emil Rathenau+: - - Vereinheitlichung und Kontrolle der Geschäftspolitik, - Kontrolle der Finanzinvestitionen, technische Politik, wie - Aufnahme neuer Fabrikationszweige, ferner besondere Mitwirkung - beim Bahnengeschäft, beim juristischen, litterarischen und - Patentbureau. Das Kabelwerk, das Erich Rathenau geleitet hatte, - übernahm nach dessen Tode Emil Rathenau aus Pietät. -- Vertretung - der Gesellschaft in ihren Ausstrahlungen, Finanzbeteiligungen - (Aufsichtsräten) in erster Linie E. +Rathenau+, unterstützt - durch Dr. Walther Rathenau und daneben durch Deutsch, Mamroth - und Klingenberg. -- Fusionsunternehmungen behandelte E. Rathenau - mit Dr. Walther Rathenau, Elektrobankunternehmungen Dr. Walther - Rathenau allein. - -Diese Organisation des Vorstandes erwies sich als außerordentlich -glücklich und leistungsfähig. - -„Wir bewältigen damit einen Umsatz von 300 Millionen Mark, wir können -ebenso gut damit einen Umsatz von einer halben, ja einer ganzen -Milliarde kontrollieren,“ sagte einmal Deutsch zu einem Frager. - -Bei einem Vorstande, der aus so starken Persönlichkeiten -zusammengesetzt ist, bei einer Gesellschaft, die sich zudem geldlich -so unabhängig zu halten verstand wie die A. E. G., ist die bestimmende -geschäftliche Mitwirkung des +Aufsichtsrats+ natürlich nur -verhältnismäßig gering. Abgesehen von den gesetzlichen Funktionen, -die er zu erfüllen hat, sind seine Aufgaben im wesentlichen -dekorativer Natur, nicht in leer repräsentativer Bedeutung, sondern -in dem Sinne einer Zusammenfassung und Wiederspiegelung wichtiger -geschäftlicher Beziehungen, die das Unternehmen mit anderen Industrie- -und Kapitalmächten verbinden. Eine intensive Arbeitsleistung kann ein -Kollegium von 30 Mitgliedern, das fast schon ein kleines Parlament -ist und sich nur ein paar Mal im Jahr vollständig versammeln wird, -naturgemäß nicht vollbringen. Es waren wohl auch zu vielerlei -Interessen in ihm vertreten, als daß diesem Kollegium ein allzutiefer -Einblick in alle Geschäftsdetails gegeben werden konnte. Neben den -Vertretern fast aller Großbanken gehörten Repräsentanten solcher -Unternehmungen dem Aufsichtsrat der A. E. G. an, die in einer -hervorragenden Geschäftsverbindung mit ihr standen, so Albert Ballin -von der Hamburg-Amerika-Linie, Ministerialdirektor a. D. Micke und -später Dr. Wussow von der Großen Berliner Straßenbahn, ferner die -Vertreter der früher mit der A. E. G. fusionierten Konzerne der -„Union“, der Lahmeyerwerke, der Felten & Guilleaume-Gesellschaft. -Auch die beiden großen Berliner Kohlenhändler Eduard Arnhold in -Firma Caesar Wollheim und Fritz von Friedländer-Fuld waren in -ihm vertreten. Als Fachleute, die für eine industrie-technische -Kontrolle in Betracht kamen, konnten eigentlich nur die früheren, -inzwischen in den Aufsichtsrat gewählten Vorstandsmitglieder und -einige wissenschaftliche Praktiker oder Konstrukteure, wie Geheimrat -Dr. Kirchhoff und bis zu seinem Tode v. Hefner-Alteneck gelten. Den -Vorsitz im Aufsichtsrat führten nach Georg v. Siemens Ausscheiden zwei -Exzellenzen, zuerst der preußische Staatsminister a. D. Herrfurth, -dann der Staatssekretär a. D. Hollmann, Repräsentationsfiguren, die -offenbar Beziehungen zu Regierungskreisen herstellen sollten und in -dieser Hinsicht auch wertvolle Dienste leisten konnten, namentlich -in einer Zeit, in der die A. E. G. als jüngeres Unternehmen noch mit -dem alten Ruhm und Ruf, den die Konkurrenzfirma Siemens & Halske -namentlich bei Behörden sich erhalten hatte, ringen mußte. Der -eigentlich geschäftsführende Vorsitzende war in jenen Zeiten Carl -Fürstenberg, der finanzielle Vertrauensmann und Freund Emil Rathenaus, -der den Titel eines stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden -führte. Nach dem Ausscheiden Hollmanns wurde Dr. Walther Rathenau -Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft und erhielt nach dem Tode -Emil Rathenaus als solcher den Titel Präsident der A. E. G. Mit diesem -war eine ausgedehnte und dauernde Arbeitsstellung verbunden, in die -ein Teil der früher von Emil Rathenau erfüllten Obliegenheiten, u. a. -die Zusammenfassung der Gesamtpolitik der A. E. G., eingebracht wurde, -während den anderen Teil der Vorsitzende des Direktoriums Geheimrat -Felix Deutsch übernahm. - -Die ungewöhnliche und geistig leitende Stellung, die dem einzig -überlebenden Sohne Emil Rathenaus in der von diesem geschaffenen, -aber doch längst über die Grenzen eines persönlichen und privaten -Unternehmens hinausgewachsenen Gesellschaft von den bewährten -Mitarbeitern des Gesellschaftsgründers bereitwillig eingeräumt wurde, -findet ihre hinreichende Erklärung nicht in einem traditionellen -Erbgange, nicht in dem Streben nach einer Fortführung der „Dynastie -Rathenau“ aus dekorativen Gründen. Dem verständnisvollen Leser dieses -Buches braucht nicht gesagt zu werden, daß nur +sachliche+ Gründe -zu verantwortlichen Stellungen in der A. E. G. führen, daß solche -Stellungen nicht ererbt werden konnten, sondern erworben werden mußten. -Um den Nachweis für die Richtigkeit dieser Ansicht zu führen, aber auch -deswegen, weil es für das Charakterbild des Vaters nicht ohne Wert sein -kann, wenn dem Wesen und Wirken der Kinder -- ebenso wie dem der Eltern --- nachgegangen wird --, wollen wir uns mit den Gestalten der Söhne -Emil Rathenaus an dieser Stelle kurz befassen. Der Anteil, den sie an -der Schöpfung des Vaters genommen haben, war nicht gering; er war auch -nicht äußerlich und zufällig, sondern innerlich und sozusagen organisch. - -Emil Rathenaus Söhne sind beide keine Epigonennaturen gewesen. Sie -haben ihr Licht nicht nur von dem väterlichen Gestirn erhalten, sondern -durch ausgeprägte Eigenleistungen gezeigt, daß die Kraft des Stammes, -die das Genie des Vaters formte, in ihnen nicht ermüdete, sondern -lebendig blieb. Der jüngere von ihnen, +Erich+ Rathenau ist an der -Schwelle der Mannesjahre einem tückischen Leiden erlegen, das ihn schon -in den Knabenjahren befiel. Wohl kein Ereignis seines Lebens hat den -Vater so schwer getroffen, wie dieses Leiden und dieser Tod, es hat ihn -jahrelang der Geselligkeit und eine Zeitlang fast dem Werke entfremdet. -Erich Rathenau wird von allen, die ihn kannten, als ein gradliniger, -schlichter und gütiger Mensch geschildert. Er hatte ohne Zweifel das -Zeug zu einem hervorragenden Techniker. Das Kabelwerk der A. E. G., -das er leitete, hat er zur Vollendung entwickelt. Es war keine Phrase, -wenn Emil Rathenau, als ihm in einer Generalversammlung vorgeworfen -wurde, daß er nun auch noch seinen zweiten Sohn in den Vorstand der A. -E. G. berufen lasse, sein Vorgehen in folgender Weise begründete: „Dem -tüchtigen Fachmann Erich Rathenau sind von der Konkurrenz so glänzende -Anerbietungen gemacht worden, daß es besonderer Gegenleistungen seitens -der A. E. G. bedarf, um ihn zu halten.“ - -+Walther+ Rathenau, sein älterer Bruder, ist eine kompliziertere -Natur. Auch er ging vom Technischen aus. Als Ingenieur war er -in schaffender Weise an der Ausbildung der elektrochemischen -Arbeitsgebiete der A. E. G. beteiligt, baute und leitete sieben -Jahre hindurch die drei Fabriken der Elektrochemischen Werke G. m. -b. H., deren Chlorverfahren er selbständig entwickelt hatte. Im -Jahre 1899 trat er in den Vorstand der A. E. G., übernahm dort die -Abteilung „Zentralenbau“ und führte insbesondere das Baugeschäft -für fremde Rechnung, das vorher etwas vernachlässigt worden war, -zu ansehnlichem Wachstum. Im Jahre 1901 wurde er mit Karl Frey -Administrateur der Elektrobank in Zürich, deren Geschäftskreis er ganz -selbständig verwaltete und deren Geschäftsmethoden er reformierte; -eine Tätigkeit, die ihn zu weitgehender Mitwirkung an dem Aufbau -des Trust- und Finanzsystems der A. E. G. berief und fähig zeigte. -Die Besserung der Beziehungen zu der Konkurrenzfirma Siemens & -Halske, die eine Verständigung über das Zentralengeschäft und die -Bildung des Kabelkartells ermöglichte, hat er durch ausgesprochenes -Verhandlungsgeschick angebahnt. Besonders war seine Hand bei den -großen Ausdehnungsgeschäften der A. E. G. zu spüren. Die Aufnahme -der Schuckert-Gesellschaft, für die er sich nach gründlicher -Untersuchung der Verhältnisse entschieden ins Zeug legte, konnte -er im Vorstandskollegium nicht durchsetzen. Dieses Schicksal eines -persönlichen Projektes, dessen Mißlingen er als einen großen und -dauernden Verlust für die A. E. G. ansah, veranlaßte ihn im Jahre 1902 -aus dem Vorstand der A. E. G. auszuscheiden und einer Aufforderung -Karl Fürstenbergs zu folgen, in die Berliner Handelsgesellschaft als -Geschäftsinhaber einzutreten. Aber auch nach seinem Austritt blieb -Walther Rathenau in enger Fühlung mit der A. E. G., zumal da er seine -Stellung als Administrateur der Elektrobank beibehielt. Bei der -Verschmelzung der A. E. G. mit der „Union“ wirkte er in weitgehender -Weise mit; den Zusammenschluß mit dem Lahmeyer-Konzern, der ja von der -Elektrobank seinen Ausgang nahm, hat er fast selbständig entworfen, -desgleichen die erst nach dem Tode Emil Rathenaus eingeleitete Serie -der B. E. W.- und Elektrowerke-Transaktionen, durch die die Berliner -Elektrizitätswerke Akt. Ges. nach der Verstadtlichung ihrer Berliner -Zentralen durch Überführung des größten Teils der Aktien mit der A. -E. G. nahe verbunden und dann von dem ihr zur Last gewordenen Besitz -an den Elektrowerken in Bitterfeld befreit wurde. Bei allen diesen -Entwürfen kamen ihm sein Sinn für die Architektur großer Transaktionen -und seine konstruktive Begabung zustatten, die er während des Krieges -in noch größerem Rahmen bei der Rohstoffsicherung für die Zwecke des -deutschen Heeresbedarfs erweisen konnte. - -Hatte sich in Erich Rathenau die naive Seite des väterlichen -Charakters fortentwickelt, so war Walthers Erbteil die Größe und -Schärfe des Denkens. Eine Erscheinung von ausgesprochener und sehr -bewußter Geistigkeit, die sich nicht auf das Fachgebiet des Vaters -oder das eigene beschränkte, sondern die allgemeinen Probleme des -wissenschaftlichen, künstlerischen und gesellschaftlichen Lebens ihrer -Zeit in den Brennspiegel ihrer Persönlichkeit zog. Die nicht nur in -den +Schaffens-+, sondern auch in den +Lebensformen+, mit -denen der Vater, wie wir gesehen haben, im Kleinbürgertum seiner -Herkunft haften geblieben war, frei zum Weltbürgertum emporwuchs -und darum ihrer Geistigkeit auch Kultur zu geben verstand. Daß eine -solche Entwickelung auch zu schriftstellerischer Betätigung drängen -mußte, ist verständlich. An dieser Stelle das Bild des Schriftstellers -Walther Rathenau und seines litterarischen Schaffens zu zeichnen, ist -unmöglich. Aber wenn wir feststellen, daß er Tiefe des Gedankens mit -einer ungewöhnlichen Plastik der Darstellungsweise, Originalität der -Anschauung mit einem sicheren Blick für das Praktische zu verbinden -weiß, sind wir uns der Zusammenhänge bewußt, die zwischen dem Geist des -Vaters und dem des Sohnes bestehen. - - * * - * - -Haben wir im Vorstehenden geschildert, wie Emil Rathenau die -Menschen als einzelne Persönlichkeiten behandelte, so bleibt noch -zu untersuchen, wie er zu den +Menschengruppen+, zu den -Kollektivpersönlichkeiten stand, mit denen er in Berührung kam. -Rathenau hatte, wie fast alle bedeutenden Industriellen seiner Epoche, -keinen ausgesprochenen Sinn und kein unmittelbares Interesse für das -+Soziale+. Er war nicht gerade antisozial, aber er war asozial. -Das Schicksal der Arbeiter- und Beamtenklasse interessierte ihn nicht -um dieser Menschenschichten oder um der Menschheit willen, sondern weil -er mit ihnen zu tun hatte, sie für seine industriellen Zwecke und Pläne -brauchte. Daß die meisten Industriepolitiker keine Sozialpolitiker -sind, ist erklärlich. Um ein bedeutender Industriepolitiker zu werden -und zu sein, braucht man die Arbeit eines ganzen Lebens und oft reicht -sie nicht einmal dazu hin. Auch die Sozialpolitik braucht ihren ganzen -Mann. Dazu kommt, daß der Industrielle, der verdienen, das Verhältnis -zwischen Einnahmen und Ausgaben ständig verbessern will, als größten -Widerstand auf diesem Wege die ständige Forderung des Arbeiters und -Beamten nach höherer Entlohnung, höherem Anteil am Produktionsertrag -findet. Der Fabrikant, dessen Streben in der Gegenrichtung fortdrängt, -hat es naturgemäß am schwersten, den Standpunkt der arbeitenden Klassen -zu begreifen. Denn er muß erst sich selbst ausschalten, seine stärksten -Ichgefühle neutralisieren, ehe er beginnen kann, sich in die Seele des -Arbeiters einzufühlen. So einfach, so primitiv und brutal darf man -den Gegensatz natürlich nicht darstellen, als ob die unersättliche -Geldgier des reichen Produzenten dem armen Arbeiter nicht von seinem -Überfluß ein Teilchen zur Verbesserung seiner Existenzbedingungen -abgeben will. Gewiß, auch das hat es häufig gegeben und gibt es wohl -auch noch. Aber gerade bei industriellen Schöpfernaturen spielt das -Geld nicht die ausschlaggebende Rolle, sondern die Kalkulation, -die Ökonomie des Produktionsprozesses, das Gedeihen des Werkes. -Gerade die tiefsten Verelendungen der Arbeiterklasse hatten ihren -Ursprung nicht in der Willkür zu reichlich verdienender Fabrikanten, -sondern in der Verschlechterung der Produktionsbedingungen für den -Industriellen, häufig sogar in dem Aufkommen neuer überlegener -Produktionseinrichtungen, die die Herstellung der nach den alten -Verfahren arbeitenden Unternehmer unrentabel machten und sie zum -Lohndruck zwangen. - -Emil Rathenau hat sich mit der Sozialwissenschaft, die derartige -soziale Übergangskatastrophen zu verhindern oder doch zu mildern -suchte, nicht bewußt beschäftigt, ebenso wenig war er allerdings auch -konsequenter Antisozialist, wie zum Beispiel Kirdorf. Er war in dieser -Hinsicht, wie in mancher anderen, Unternehmer, Realist und Rationalist -und suchte mit dem Sozialismus, den er als eine wurzelstarke, -unausrottbare Bewegung erkannt hatte und mit dem er darum rechnen -mußte, so gut wie möglich fertig zu werden. Konflikte suchte er so -lange als möglich zu verhindern, denn er wußte, daß eine Niederlage für -den Arbeitgeber verhängnisvoll werden konnte, daß ein Sieg die Lage für -ihn nur auf eine verhältnismäßig kurze Zeit sicherte und den Keim zu -immer neuen Kämpfen bildete. Dabei war seine Art, der Arbeiterbewegung -Konzessionen zu machen, keineswegs die alte patriarchalische, die -sich vorzugsweise an das Gemüt wendet und die auch in ganz großen -Betrieben, wie zum Beispiel bei der Firma Fried. Krupp noch gepflegt -wird. Seine Methode war vielmehr eine ganz nüchtern rechnungsmäßige, -die an den Verstand appelliert und vom Verstande geleitet wird. -Während der Patriarchalismus manchen Forderungen des Sozialismus, -rein sachlich betrachtet, entgegenkommt, aber stets betont, daß er -diese Konzessionen freiwillig, gewissermaßen als Wohltat gewähre, dem -Arbeitenden jedoch keinen Anspruch auf sie einräumen will, war es -Rathenau ziemlich gleichgültig, in welcher Form er die Forderungen der -Arbeiter erfüllte. Wenn er sachlich etwas geben mußte, hielt er sich -nicht lange bei der Formfrage auf, ob er den Arbeitenden ein Recht -einräume, oder ob er ihnen ein Geschenk mache. Die Hauptfrage war für -ihn der rechnerische Effekt, die Einwirkung auf die Ökonomie. Erschien -diese ihm zu nachteilig, so ließ er es lieber auf den Kampf ankommen, -ehe er nachgab. Im anderen Falle war er zum Entgegenkommen bereit, -sofern er den Eindruck hatte, daß der Gegner stark genug war, um einen -Arbeitskampf wagen zu können. Im allgemeinen huldigte er der Ansicht, -daß es auch wirtschaftlich zweckmäßig sei, Störungen der industriellen -Arbeit möglichst zu vermeiden, da sie auch dem Unternehmer häufig mehr -schaden könnten als Zugeständnisse, die er den Arbeitern machte und die -vielleicht durch Verbesserung der Arbeitsmethoden wieder ausgeglichen -werden konnten. Von Arbeitskämpfen aus prinzipiellen Gründen wollte er -nicht viel wissen, und vermied sie, wenn es irgend angängig war. - -Naturgemäß haben sich seine Anschauungen und Methoden auch in der -Arbeiterfrage im Laufe der Zeit verändert und entwickelt. Vor einer -Reihe von Jahren hielt ihm einmal jemand vor, daß er in der Zeit der -Hochkonjunktur viele Arbeiter eingestellt habe, die er dann in der -Periode des Rückschlags nicht behalten konnte. Er erwiderte: „Habe -ich denn diese Arbeiter alle gezeugt, daß ich +verpflichtet+ -bin, sie zu beschäftigen? Wenn ich Arbeit für sie habe und sie zu -mir kommen, gebe ich ihnen Beschäftigung, habe ich keine Arbeit mehr -für sie, muß ich sie entlassen.“ -- Von diesem Standpunkt kam er mit -den Jahren immer mehr ab, je klarer er erkannte, wie vorteilhaft es -vom geschäftlichen Standpunkt für ein Großunternehmen ist, einen -dauernden, treuen und geübten Arbeiterstamm zu besitzen. Natürlich -führte er diese Ansicht nicht bis zu der Konsequenz durch, nun -überhaupt keinen Arbeiter mehr zu entlassen, auch wenn es für ihn -an Beschäftigung fehlte. Aber er suchte die Entlassungen möglichst -einzuschränken, indem er für Arbeiter, deren Tätigkeit auf einem Gebiet -beendigt war, neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen bestrebt war und -zur Erreichung solcher Zwecke auch Opfer nicht scheute, von denen er -wußte, daß sie sich später wieder bezahlt machen würden. Übrigens trug -sein kaufmännisches System, die A. E. G. vor Beschäftigungskrisen -sicherzustellen und die Produktion auch in schlechten Zeiten konstant -zu erhalten, naturgemäß dazu bei, auch die Arbeiterverhältnisse in -ihren Betrieben zu festigen. Entlassungen fanden in späteren Jahren -weniger in Zeiten des Konjunkturrückganges als infolge der Einführung -neuer arbeitersparender Produktionsmethoden statt. Hier war aber der -Arbeiterrückgang meist nur ein ganz vorübergehender, denn solche neuen -Produktionsmethoden pflegten sehr schnell den Bedarf anzuregen und -damit auch die Nachfrage nach Arbeitern wieder zu heben. - -In der +Angestelltenfrage+ war der Standpunkt Rathenaus -grundsätzlich derselbe wie in der Arbeiterfrage. Er stellte sich auf -den Boden einer nüchternen Tatsachenpolitik, und wenn die Angestellten -bei ihm trotzdem nicht dasselbe erreichten wie die Arbeiter, so liegt -das daran, daß ihnen die Macht und Solidarität des Zusammenschlusses -nicht in demselben Maße zur Seite stand, die ihren Forderungen -denselben Nachdruck hätte geben können wie der Arbeiterschaft. Immerhin -versuchte er, soweit es bei einem so großen Betrieb möglich ist, den -tüchtigen Angestellten den Aufstieg aus den niedrigsten Regionen zu -ermöglichen. Die Verbesserung der sozialen Lage des Durchschnitts ging -nur schrittweise vor sich. - -Ein eigenartiges Kapitel im sozialen Leben Rathenaus betrifft die -+Frauenarbeit+. Er schätzte an Frauen besonders die Weiblichkeit, -und infolgedessen entsprach seinem Gefühl die Frauenarbeit recht wenig. -Als ihm aber manche seiner Mitarbeiter rechnerisch überzeugend deren -Vorteile für das Unternehmen dargelegt hatten, gab er seinen Widerstand -auf und ließ sogar zu, daß Frauen von der A. E. G. in großem Umfange -eingestellt wurden. In seinem innersten Empfinden blieb er aber immer -ungläubig und als einmal in irgend einer Zeitung die Meldung zu lesen -war, daß die Baltimore- und Ohio-Bahn eine Statistik aufgemacht habe, -nach der die Bezahlung der Frauen bei dieser Gesellschaft um 30%, -die Leistung aber um 50% geringer sei als die der Männer, ließ er -überall nachforschen, um Näheres über diese Statistik zu ermitteln. -Die Ermittelungen fielen negativ aus und es erwies sich, daß die -Baltimore-Ohio-Bahn überhaupt keine Statistik dieser Art angefertigt -habe. -- Die Beamten, die er mit dieser Nachforschung beauftragt -hatte, waren nicht wenig erstaunt, als Rathenau wenige Tage nachher -gelegentlich des Empfanges einer Studiengesellschaft eine Rede hielt, -in der er die Vorteile der Frauenarbeit begeistert pries und mit Stolz -darauf hinwies, daß bei der A. E. G. schon seit langem die Frauenarbeit -in großem Maßstabe gepflegt würde. - -Im Endeffekt hat natürlich Emil Rathenau, wie jeder andere große -Entwickeler industrieller Arbeit, auch sozial fördernd gewirkt. -Industrie schaffen, heißt Arbeit schaffen und die Bedingungen der -Industrie verbessern, heißt auch die Bedingungen der Arbeit verbessern, -wenngleich eine zu plötzliche, revolutionierende Verbesserung der -Industrietechnik vorübergehend auch auf die Arbeiterverhältnisse -drücken kann. Das von Adam Smith aufgestellte Lohngesetz, nach dem die -Industrie den Arbeiter stets nur so viel verdienen läßt, daß er gerade -sein Auskommen finden kann, hat doch heute nicht mehr volle Geltung. -Die soziale Bewegung, aber auch die großartige Industrieentwickelung -haben zweifellos in den letzten Jahrzehnten dahin gewirkt, die soziale -Lage zu mindestens des Standes der gelernten Arbeiter zu heben und sie -der des Kleinbürgertums anzunähern. - - -g) - -Wir sind am Ende. Wir haben versucht, ein Menschenleben in seinem -Sein und Wirken zu schildern, das ein Heldenleben gewesen ist, wie -nur irgend eines, wenn ihm auch vielleicht der Schimmer der Romantik -gefehlt hat. An Kämpfen war dieses Leben reich und reich an Erfolgen. -Mit dem Leben hatte Emil Rathenau zu ringen, und zuletzt auch mit -dem Tode. Wer den Invaliden sah, als er sich, von dem ersten Anfall -der tückischen Krankheit kaum erholt, im Rollstuhl nach seinem -Arbeitszimmer am Friedrich Karl-Ufer fahren ließ, diese zitternden -Hände, diesen totenblassen Kopf, diese müden Züge, die einst von -Energie und Lebenswillen durchglüht gewesen waren, gab diesem Mann -nur noch wenige Wochen. Immer neue Attacken der Krankheit schüttelten -ihn. Er überwand sie und gewann noch ein paar Jahre. Im Mai 1914, als -ich ihn zum letzten Male aufsuchte, war er äußerlich ganz der alte. -Seinen künstlichen Fuß, den ihm ein Meister-Orthopäde konstruiert -hatte, betrachtete er nur als technisches Problem. In stundenlanger -Unterhaltung entwickelte er mir damals alle brennenden Fragen der -Elektrizitätsindustrie, jugendlich, frisch, zukunftsfreudig wie nur je, -ganz ungebrochener Geist, der sich die Materie untertan gemacht hat. -Ein Jahr später hatte die Materie doch den Geist überwunden. Am Tage -der Wiedereroberung von Lemberg schloß Emil Rathenau die Augen. - -Können heute noch Männer seinesgleichen wachsen und werden? Die -Großen aus dem Reiche der Industrie sind gestorben oder sie altern. -Aus den Reihen der jungen Saat sehen wir noch keinen Halm, der über -die umstehenden Köpfe soweit hinausragt, wie Saul über die Propheten. -Unsere Industrieentwickelung ist voller aber auch ruhiger geworden. Es -sind nur Schritte vorwärts zu tun, langsame oder schnelle, aber keine -großen Distanzen mehr zu überspringen, im Sturmschritt zu durcheilen -wie zur Zeit, als Rathenau nicht nur selbst jung war, sondern das Glück -hatte, die Jugend einer Epoche zu erleben. Es fehlen die neuen, großen -jungfräulichen Probleme, an denen sich die Begabung zur Vollkraft -entwickeln, der Feuerfunke des Genius zum lodernden Brand entzünden -kann. -- Fehlen sie? Oder werden sie aus der ungeheuren Umwälzung -entstehen, in die dieser lange, schwere und zerstörende Krieg Europa -gestürzt hat und aus der seine Weltherrschaft nur eine ungeheure Arbeit -der Geister und Hände erretten könnte? -- Warten wir und hoffen, -daß uns Deutschen Männer wie Emil Rathenau wieder geschenkt werden, -die unsere Kraft der Organisation mit dem Blute der Persönlichkeit -durchtränken und zu noch höherem Werte emporheben können. - - - - -Wir machen bei dieser Gelegenheit noch besonders auf die früher -erschienenen Bände I-V der „Großen Männer“ aufmerksam. - - -Band I - -Große Männer. - -Von +Wilhelm Ostwald+, 3. u. 4. Aufl. Broschiert M. 14.--. - -Die schnelle Folge der Auflagen ist ein Beweis dafür, wie dieses Werk -die öffentliche Meinung wachgerüttelt hat. Demgemäß haben denn auch -die vorliegenden Kritiken alle Stufen von glühendem Enthusiasmus bis -zu wütender Gegnerschaft durchmessen... Es sei wiederholt auf dieses -bedeutsame Buch hingewiesen, das die so wichtigen Gegenstände der -Erziehung und Bildung der Jugend in eine ganz neue Beleuchtung rückt -und aus deren Ergebnis einschneidende Verbesserungsvorschläge gewinnt. - - Frankfurter Zeitung. - - -Band II - -Zur Geschichte der Wissenschaften und der Gelehrten seit zwei -Jahrhunderten - -nebst anderen Studien über wissenschaftl. Gegenstände, insbesondere -Vererbung u. Selektion beim Menschen v. +Alphonse de Candolle+. -Deutsch herausgeg. v. +Wilh. Ostwald+. Brosch. M. 12.--, gebunden -M. 13.--. - -... Die Umsicht und die Gewissenhaftigkeit, mit der das Material -bearbeitet ist, erweckt ebenso unsere Bewunderung, wie die -Bescheidenheit, mit der die Ergebnisse vorgetragen werden, unsere -Sympathie erregt. Forscher und Lehrer sollten sich mit dem Inhalt des -schönen Werkes vertraut machen. - - Prof. Schaum, Leipzig, in „Leipziger Neueste Nachrichten.“ - - -Band III - -Jacobus Henricus van’t Hoff. - -Sein Leben und Wirken von +Ernst Cohen+, Prof. an der -Reichs-Universität zu Utrecht. Mit 2 Gravuren u. 90 Abbildungen. -Broschiert M. 14.75, gebunden. M. 16.--. - -Das Aufsehen erregende Werk bildet einerseits einen wertvollen Beitrag -zur Geschichte der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der -Chemie und sucht andererseits die Schätze aufzudecken, die der heutige -Schulbetrieb für einseitig begabte Menschen, die das Zeug zum „großen -Mann“ hätten, im Gefolge habe. - - „Jahresbericht für das höhere Schulwesen.“ - - -BESTELLSCHEIN - -Unterzeichneter bestellt hiermit von den im Verlage der - -Akademischen Verlagsgesellschaft m. b. H. in Leipzig - -erschienenen Bänden der „=Großen Männer=“: - - Bd. I: =Große Männer.= Von Wilh. Ostwald. Brosch. M. 14.--, - gebd. M. 15.-- - - Bd. II: =Zur Geschichte der Wissenschaften u. der Gelehrten - seit zwei Jahrhunderten.= Von A. de Candolle -- Wilh. Ostwald. - Brosch. M. 12.--, gebd. M. 13.-- - - Bd. III: =Jac. Henr. van’t Hoff.= Von Ernst Cohen. Brosch. M. - 14.75, gebd. M. 16.-- - - Bd. IV: =Victor Meyer.= Von Rich. Meyer. Brosch. M. 18.--, - gebd. M. 20.-- - - Bd. V: =Ernst Abbe.= Von F. Auerbach. Brosch. M. 18.--, gebd. - M. 21.-- - - Ort und Datum Unterschrift (bitte recht deutlich): - - ........................................................... - - - - -GROSSE MÄNNER - -Studien zur Biologie des Genies - -Herausgegeben von - -WILHELM OSTWALD - - -Band IV - -VICTOR MEYER - -Leben und Wirken eines deutschen Chemikers und Naturforschers 1848-1897 - -von - -RICHARD MEYER - -Geh. Rat, Professor an der Herzogl. Techn. Hochschule zu Braunschweig. - -Mit 1 Titelbilde, 79 Textabbildungen und der Wiedergabe eines -Originalbriefes. - -Geheftet M. 18.--; gebunden M. 20.--. - -Aus dem Vorwort: - -Das vorliegende Werk ist aus einem Nachruf hervorgegangen, den ich auf -Wunsch des Vorstandes der Deutschen Chemischen Gesellschaft verfaßt -habe und der in den Berichten der Gesellschaft (41, 4505) im Jahre -1909 erschienen ist. Wie ich damals ausführte, glaubte ich im ersten -Augenblick die Aufgabe, ein Lebensbild meines geliebten Bruders zu -entwerfen, nicht übernehmen zu können. Ich empfand nicht nur die -großen, allgemeinen Schwierigkeiten, sondern vor allem die besonderen -persönlichen Bedenken, welche sich aus meinem verwandtschaftlichen -Verhältnisse zu dem früh Geschiedenen ergaben. Sie wollten sich auch -durch die Erwägung nicht beschwichtigen lassen, daß die gemeinsam -verlebte Jugend und unsere durch ein ganzes Leben fortgesetzten -innigen Beziehungen mir eine Fülle von Erinnerungen und schriftlichen -Zeugnissen seiner Entwickelung hinterlassen haben, welche eine -wertvolle Grundlage für ein Lebensbild abgeben konnten. Die Bedenken -habe ich in eingehender Darlegung zum Ausdruck gebracht. Sie wurden -freundlich aber entschieden zurückgewiesen -- und so glaubte ich -mich der verantwortungsvollen und zugleich mir teuren Pflicht nicht -entziehen zu dürfen. - -Als vier Jahre später die Akademische Verlagsgesellschaft mit der -Aufforderung an mich herantrat, eine ausführliche Biographie zu -verfassen, habe ich dem nach gründlicher Überlegung Folge gegeben. An -der Bearbeitung des Werkes hat meine Frau einen wesentlichen Anteil. -Von der Jugend her in inniger Freundschaft mit uns beiden verbunden, -stand sie meinem Bruder menschlich nahe und teilte seine künstlerischen -und literarischen Interessen. Manches hier Niedergeschriebene stammt -aus ihrer Feder, und vielfach ist die Grenze ihres und meines Anteils -verwischt. - -Dem Texte sind zahlreiche Bildnisse von Personen eingefügt, welche mit -meinem Bruder in näherer wissenschaftlicher oder freundschaftlicher -Beziehung gestanden haben. Daher war ich bestrebt, die Betreffenden in -dem Alter wiederzugeben, in dem sie hauptsächlich mit meinem Bruder -verkehrten, was in den meisten Fällen, wenn auch nicht immer gelungen -ist. - -Die Darstellung gliedert sich in zwei Abschnitte. Der erste enthält -die Schilderung des Lebensganges, im zweiten ist die wissenschaftliche -Lebensarbeit des Mannes im Zusammenhange dargestellt. Dabei konnte -es aber nicht fehlen, daß die Arbeiten auch schon im ersten Teile -berührt wurden, soweit sie das innere Leben beeinflußten, und -weil die Briefe vielfach ganz davon erfüllt sind. -- Den Schluß -bildet ein Anhang, welcher kurze biographische Notizen über die im -Text erwähnten Persönlichkeiten enthält. Dabei ließ ich mich von -demselben Gedanken leiten, welcher +G. W. A. Kahlbaum+ bei der -Herausgabe von +Liebigs+ Briefwechsel mit +Schönbein+ und -+Friedr. Mohr+ zur Anfügung umfassender Anmerkungen veranlaßte, -und welchen er durch die Worte zum Ausdruck brachte: „Als Ideal hat -uns vorgeschwebt, den Leser so zu stellen, als sei er ein Mitglied -des Freundeskreises +Liebig-Schönbein+ gewesen, und daher -über Menschen und Dinge, über Vorgänge und Arbeiten einigermaßen -orientiert.“ -- Dabei mußte ich auf einen Leserkreis Rücksicht nehmen, -der sich aus Chemikern und Nicht-Chemikern zusammensetzt. - -Die Arbeit wurde im Januar 1914 begonnen. Während ich damit beschäftigt -war, brach der Weltkrieg aus, der natürlich hemmend darauf einwirken -mußte. Gleichwohl konnte ich sie zu Ende führen, und wenn jetzt der -ersehnte Friede anscheinend noch in unbestimmter Ferne liegt, so wird -doch vielleicht nach mehr als zweijähriger Kriegsdauer der Leserwelt -die Darbietung eines friedlichen Stoffes nicht unerwünscht sein. - - +Braunschweig+, im Oktober 1916. - - +Richard Meyer.+ - - -Band V - -ERNST ABBE - -Sein Leben, sein Wirken, seine Persönlichkeit - -nach den Quellen und eigenen Erinnerungen dargestellt - -von - -FELIX AUERBACH - -Mit 1 Gravüre, 115 Abbildungen im Text und der Wiedergabe zweier -Originalschriftstücke. - - Geheftet M. 18.-- Gebunden M. 21.--. - -Hiermit wird den Lesern die Lebensbeschreibung eines Mannes geboten, -der wegen der völligen Originalität seiner Persönlichkeit wie seines -Wirkens, durch die Mannigfaltigkeit seiner Betätigung und doch auch -wieder durch die einheitliche Größe seines Wesens das Interesse -weiterer Kreise erwecken und erfüllen muß, als es sonst Biographien tun -können. Hat doch Ernst Abbe nicht bloß in der wissenschaftlichen Optik -Bahnbrechendes geleistet, hat er doch nicht bloß die optische Industrie -auf eine Höhe gebracht, von der aus Deutschland jetzt auf die andern -Länder mit berechtigtem Stolze herabschaut; sondern auch auf einem ganz -andern Gebiete, als sozialer Reformator, Unvergleichliches geschaffen --- auf einem Gebiete, auf dem es leicht ist zu reden und zu schreiben, -aber ebenso schwer zu handeln, schwer wegen der unumgänglichen -Voraussetzungen des Herzens, des Charakters und des Verstandes, an die -jenes Handeln geknüpft ist. Nur selten in Jahrhunderten finden sich -diese Voraussetzungen in einer und derselben Person vereinigt; bei -Abbe sind sie es gewesen, und so war diesem einfachen Arbeitersohn ein -innerer und äußerer Erfolg gleichen Maßes und größten Stils beschieden. -Im vorliegenden Buche wird, an der Hand des Quellenmaterials und -persönlichen Erlebnisses, unterstützt durch sorgfältig ausgewählte -Bildnisse und Illustrationen, der ganze Aufbau dieses Lebens -dargestellt, und das in einer Weise, die es auch dem Nichtfachmann -(und Abbe gegenüber sind wir das alle) ermöglicht, Schritt für Schritt -mitzugehen und die Entwickelung dieses wahrhaft großen Mannes zu -verfolgen -- nicht nur dem Gelehrten, dem Techniker, dem Industriellen, -dem Volkswirt; nein, auch ganz einfach dem Menschen, zu dem der große -Mensch eindringlich spricht. Den Beschluß des Buches bilden Beigaben -für den, der durch seine Lektüre zu eingehender Beschäftigung mit -seinem Gegenstande angeregt worden ist. - - - - -Fußnoten: - -[1] Siehe „Der Staat und die Elektrizitätsversorgung“ von Dr. ing. -Gustav Siegel. - -[2] In letzter Zeit hat die A. E. G. die Elektrowerke an den -Reichsfiskus verkauft. - -[3] Abgedruckt in der „Elektrochemischen Zeitschrift“ 1916, S. 297 ff. - -[4] Inzwischen ist die Besteuerung der Kohle ohne Zusammenhang mit dem -Elektrizitätsproblem bereits zur Durchführung gelangt, und zwar in viel -höherem Ausmaß, als es Klingenberg vorgeschlagen hatte. - -[5] Nach Fertigstellung dieser Ausführungen hat der Verkehrsminister -v. Breitenbach im Abgeordnetenhause eine stärkere Betätigung des -preußischen Staates auf dem Gebiete der Großkrafterzeugung angekündigt -und Pläne entwickelt, die ganz in der Richtung der Rathenau’schen, -Siegel’schen und Klingenberg’schen liegen. Auch er mußte aber zugeben, -daß die Vorteile eines solchen Vorgehens zunächst nicht so sehr auf -dem staatsfinanziellen, als auf dem allgemeinwirtschaftlichen Gebiete -liegen würden. - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Emil Rathenau und das elektrische -Zeitalter, by Felix Pinner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EMIL RATHENAU UND DAS ELEKTRISCHE ZEITALTER *** - -***** This file should be named 55188-0.txt or 55188-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/5/1/8/55188/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. 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Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/55188-0.zip b/old/55188-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 4724597..0000000 --- a/old/55188-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/55188-h.zip b/old/55188-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 5e49c0d..0000000 --- a/old/55188-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/55188-h/55188-h.htm b/old/55188-h/55188-h.htm deleted file mode 100644 index 082a084..0000000 --- a/old/55188-h/55188-h.htm +++ /dev/null @@ -1,17400 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Emil Rathenau und das elektrische Zeitalter, by Felix Pinner. - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; 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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Emil Rathenau und das elektrische Zeitalter - -Author: Felix Pinner - -Editor: Wilhelm Ostwald - -Release Date: July 24, 2017 [EBook #55188] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EMIL RATHENAU UND DAS ELEKTRISCHE ZEITALTER *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1918 erschienenen -Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden -stillschweigend korrigiert. Fremdsprachliche Ausdrücke können in -verschiedenen Variationen auftreten. Diese wurden nicht korrigiert, -wenn sie im Text mehrmals auftreten. Auch andere inkonsistente -Schreibweisen, einschließlich Personennamen (z.B. ‚Sigismund/Sigmund -Schuckert‘) wurden nicht vereinheitlicht.</p> - -<p class="p0">Der Übertrag (‚Transport‘) der Tabelle ‚Gewinn- und -Verlust-Conto‘ zu Beginn der <a href="#Seite_122">Seite 122</a> wurde -vom Bearbeiter entfernt.</p> - -<p class="p0 nohtml">Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät -installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> -gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl -serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</p> - -</div> - -<div class="figcenter break-before"> - <a id="frontispiz" name="frontispiz"> - <img src="images/frontispiz.jpg" - alt="" /></a> - <p class="s6 center">Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H. Leipzig.</p> - <p class="s6 center">Nach einem Bilde von Prof. Max Liebermann.</p> - <p class="s6 center mbot2 ebhide"><a href="images/frontispiz_hr.jpg">❏<br /> - <span class="s5">GRÖSSERE BILDANSICHT</span></a></p> -</div> - -<div class="titelei"> - -<p class="s1 break-before padtop1"><b>Grosse Männer</b></p> - -<p class="s3">Studien zur Biologie des Genies</p> - -<p>Herausgegeben von</p> - -<p class="s3">Wilhelm Ostwald</p> - -<p class="s4 mtop3">Sechster Band</p> - -<p class="s1">Emil Rathenau</p> - -<p>und</p> - -<p class="s3">das elektrische Zeitalter</p> - -<p class="mtop2">Von</p> - -<p class="s3">Felix Pinner</p> - -<p class="padtop5"><span class="mleft0_2">L</span><span class="mleft0_2">e</span><span class="mleft0_2">i</span><span class="mleft0_2">p</span><span class="mleft0_2">z</span><span class="mleft0_2">i</span><span class="mleft0_2">g</span></p> - -<p class="mtop1"><b>Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H.</b></p> - -<p>1918</p> - -<h1>Emil Rathenau<br /> -<span class="s7"><span class="s6">und</span></span><br /> -<span class="s6">das elektrische Zeitalter</span></h1> - -<p class="padtop1 mtop1">Von</p> - -<p class="s3 padtop1">Felix Pinner</p> - -<p class="mtop2">Mit einer Heliogravüre</p> - -<div class="figcenter padtop3"> - <a id="deko" name="deko"> - <img class="w4em" src="images/deko.jpg" - alt="Dekoration" /></a> -</div> - -<p class="padtop5"><span class="mleft0_2">L</span><span class="mleft0_2">e</span><span class="mleft0_2">i</span><span class="mleft0_2">p</span><span class="mleft0_2">z</span><span class="mleft0_2">i</span><span class="mleft0_2">g</span></p> - -<p class="mtop1"><b>Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H.</b></p> - -<p>1918</p> - -<div class="figcenter padtop1"> - <a id="signet" name="signet"> - <img class="w4em" src="images/signet.jpg" - alt="Dekoration" /></a> -</div> - -<p class="padtop5 break-before">Copyright 1918<br /> -by Akademische Verlagsgesellschaft m. b. H.<br /> -in Leipzig</p> - -<p class="s6 padtop5">Druck von <em class="gesperrt">Paul Dünnhaupt</em>, -Cöthen i. A.</p> - -</div> - -<hr class="full" /> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">[S. V]</a></span></p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort">Vorwort</h2> - -</div> - -<p>Als die „Akademische Verlagsgesellschaft“ an mich die Aufforderung -richtete, eine Lebensgeschichte Emil Rathenaus zu schreiben, habe -ich diesen Vorschlag mit Freuden angenommen. Gab er mir doch die -Möglichkeit, das Bild einer großen, und in jedem Zuge ihres Wesens -reizvollen Persönlichkeit aus dem Hintergrund ihrer Zeitgeschichte -heraustreten zu lassen und den wechselseitigen Einfluß von -Persönlichkeit und Organisation, der für die großen Kaufleute der -letzten Epoche deutscher Wirtschaft typisch gewesen ist, an einem -großen, wohl dem größten Beispiel darzustellen. Gerade dieses Bild und -dieses Leben wird zeigen, wie falsch es ist, wenn man die Kraft und -das Wesen der deutschen Industriewirtschaft — was ja heute häufig in -der Kritik des Auslandes <em class="gesperrt">und</em> leider auch des Inlands geschieht -— ganz allein aus dem Organisatorischen ableitet und ihnen damit -den Charakter einer unpersönlichen, zwar durchschnittlich starken, -aber doch höchster Einzelleistungen nicht fähigen Kultur aufprägen -will. Emil Rathenau, und nicht nur er allein — neben dem mindestens -ein halbes Dutzend ähnlicher Kopfe über einen gehobenen Durchschnitt -in Geniehöhen hinausragt — beweist, daß Persönlichkeiten in dem -Deutschland der Organisation und des „Militarismus“ durchaus nicht -zu verkümmern brauchten. Wo sind im Bereiche des viel gepriesenen -englischen Individualismus während der letzten Jahrzehnte die -Erscheinungen gewesen, die einen Vergleich mit Emil Rathenau, Albert -Ballin, Georg v. Siemens, August Thyssen, Emil Kirdorf, Guido v. -Donnersmarck aufnehmen konnten? — Gewiß<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">[S. VI]</a></span> mag das Mittelmaß an -Persönlichkeitswerten, der Mensch, Bürger und Kaufmann mittlerer -Größe in England und in anderen Ländern freier gelebt, geschaffen, -über seine Zeit und Arbeit verfügt haben als in Deutschland, aber -die <em class="gesperrt">große</em> Persönlichkeit konnte sich in Deutschland so stark -und frei ausleben wie nirgend wo anders. Allerdings haben sich alle -diese deutschen Schöpfernaturen den Gesetzen, die sie zuerst kraft -ihrer Eigenart und Überlegenheit aufgestellt haben, später freiwillig -unterworfen gemäß dem klugen Spruch des Wagnerschen Hans Sachs, der das -Wesen jeder schöpferischen Meisterschaft darin sieht, die Regeln zuerst -aufzustellen und ihnen dann zu folgen. Daraus und nicht aus dem Mosaik -des Zusammenwirkens vieler, zu großen höchstpersönlichen Leistungen -unfähiger Mittelmäßigkeiten sind die deutschen Organisationen -entstanden, die sich in ihrer Wirkung als so stark und unüberwindlich -erwiesen haben.</p> - -<p>Das Bild der Persönlichkeit Emil Rathenaus, das ich in diesem Buche -zeichnen möchte, soll sozusagen in einem <em class="gesperrt">doppelten Rahmen</em> -gefaßt sein. Der engere stellt die <em class="gesperrt">Geschichte der A. E. G.</em> dar, -der weitere die <em class="gesperrt">allgemeine deutsche Wirtschaftsentwicklung</em>, -wie sie sich in jenem Zeitalter gestaltet hat, von dem Emil Rathenau -so viel empfing, dem er aber auch nicht weniger zurückgab. Eine -solche Darstellung bald nach dem Tode eines Mannes nicht als Skizze, -sondern als sorgfältig ausgeführtes Bild zu versuchen, hat seine -Schwierigkeiten, aber auch seine Vorteile. Die Nähe noch frischer oder -halbfrischer Geschehnisse mag dem Urteil die Distanz erschweren und -auch der Sammlung des vollständigen Materials in mancher Beziehung -hinderlich sein, da mit Rücksicht auf den soeben Gestorbenen und noch -Lebende sich manche Quellen vorerst nicht öffnen werden. Bei einem -volkswirtschaftlich zu Wertenden ist der Nachteil, der aus solcher -Zurückhaltung erwachsen könnte, allerdings nicht so groß wie bei einem -Künstler oder selbst einem Politiker. Das Privat- und Intimmenschliche, -auf das sie sich erstrecken könnte, spielt bei der<span class="pagenum"><a name="Seite_vii" id="Seite_vii">[S. VII]</a></span> zutreffenden -Schilderung einer wirtschaftlichen Persönlichkeit, wenngleich es -durchaus nicht ohne Wichtigkeit ist, doch nicht die gleiche Rolle wie -bei einem Dichter oder Musiker. Die Geschäftsgeheimnisse hinwiederum -brauchen vor dem rückschauenden Auge nicht so sorgsam und so lange -gehütet zu werden wie manche politischen Geheimnisse (meist nicht -der großen, sondern der kleinen Art). Denn das Geschäftsgeheimnis -verliert seinen diskreten Charakter in dem Augenblick, in dem das -Geschäft oder die Geschäftsreihe, deren Teil es ist, seinen Abschluß -erreicht hat. Bei Emil Rathenau im besonderen liegt der Fall für den -Geschichtsschreiber so, daß ein wirklich bedeutendes Schriftenmaterial -<em class="gesperrt">innerer</em> Art gar nicht vorhanden ist. Es könnte im wesentlichen -nur in Briefen bestehen, und ein Briefschreiber war Rathenau im -Gegensatz zu Werner v. Siemens, dessen interessanten Briefwechsel -kürzlich Conrad Matschoß veröffentlicht hat, ganz und gar nicht. -Persönlichkeit, Zeit, Arbeits- und Ruhensart Rathenaus widerstrebten -der Beschaulichkeit, auf deren Boden ein Bedürfnis zum Briefschreiben -und die Kunst des Briefschreibens erwachsen können. Die Privatbriefe, -die Rathenau mit seinen Angehörigen und Freunden wechselte, sind rein -familiär und meist knapp gehalten, ohne besondere stilistische und -menschliche Eigenart und bekunden höchstens — was wir auch ohnedies -wissen — daß Rathenau ein guter Sohn, Gatte und Vater gewesen ist. Mit -Berufs- und Geschäftsfreunden korrespondierte Rathenau nur selten in -persönlicher Weise, wichtige Auseinandersetzungen wurden meist mündlich -erledigt. Viel bessere Proben seines fachlichen Stils als Briefe bieten -die Geschäftsberichte der A. E. G., an deren Abfassung sich Rathenau -— in Gemeinschaft mit seinem Sohn Walther — bestimmend zu beteiligen -pflegte, ferner Denkschriften, Reden, von denen ich einige besonders -kennzeichnende ganz oder auszugsweise wiedergebe.</p> - -<p>Im ganzen war das dokumentarische Material, das einer Bearbeitung -unterzogen werden mußte, trotzalledem außerordentlich umfangreich. -Die Geschäftsberichte nicht nur der A. E. G. selbst,<span class="pagenum"><a name="Seite_viii" id="Seite_viii">[S. VIII]</a></span> sondern der -wichtigeren Tochter- und Konkurrenzgesellschaften, die sehr zerstreuten -Zeitungsberichte über Generalversammlungen und sonstige Vorgänge bei -dem Konzern, Verträge, Denkschriften und Vorlagen der verschiedensten -Art mußten durchgearbeitet werden. Diese Vorbereitung war nicht -ganz einfach, weil die A. E. G. wie die meisten und leider auch die -allergrößten unserer gewerblichen Unternehmungen keine systematischen, -nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführten Archive besitzt, -sondern sich mit der — lediglich für geschäftliche Bedürfnisse -hinreichenden — Registratur begnügt, in die ja wohl Geschäftsdokumente -zunächst auch gehören, aus der aber wenigstens die wichtigeren nach -Ablauf einer gewissen Frist in Archive überführt werden sollten. -Die ganzen Registraturen zu durchforschen ist naturgemäß für den -volkswirtschaftlichen Schriftsteller ebenso undurchführbar und -unlohnend, wie es den Geschäftsunternehmungen nicht zugemutet werden -könnte, eine solche Durchforschung zu gestatten. So blieb nichts übrig, -als jeweils solche Dokumente zu erbitten, deren Studium sich mir im -Laufe meiner Arbeit als notwendig oder wünschenswert erwiesen hatte, -ein Verfahren, das natürlich bei aller erzielten Reichhaltigkeit -<em class="gesperrt">absolute</em> Vollständigkeit des Materials nicht zu gewährleisten -vermag.</p> - -<p>Gerade bei einer solchen Verfassung der dokumentarischen Verhältnisse -bietet die <em class="gesperrt">schnelle</em> Inangriffnahme einer biographischen -Bearbeitung eher Vorteile als Nachteile. Denn mit der fortschreitenden -Zeit werden diese Verhältnisse nicht besser, sondern schlechter. -Die Registraturen entrücken immer mehr der Zugänglichkeit, die sich -ständig häufende Fülle des Nebensächlichen erdrückt das Wesentliche, -— und vor allem die Personen, die heute noch durch ihre Kenntnis der -zurückliegenden Vorgänge, durch ihre lebendige Erinnerung den Schlüssel -zu den toten Akten in den Händen haben, verschwinden allmählich aus -dem Betrieb und aus dem Leben. Die neueren Leiter haben aber an die -Gegenwart zu denken, nicht an die Vergangenheit.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_ix" id="Seite_ix">[S. IX]</a></span></p> - -<p>Gerade aber die Erinnerung Mitlebender ist eine schätzenswerte und -unersetzbare Quelle für die Nachschaffung wirtschaftlicher Vorgänge. -Ich konnte sie erfreulicherweise reich zum Fließen bringen, und wenn -auch in manchen Einzelzügen die Schilderung, mehr noch das Urteil der -noch lebenden Mitarbeiter und Freunde Emil Rathenaus auseinanderging, -so haben gerade diese Darstellungen, verbunden mit meiner eigenen -persönlichen Kenntnis des Menschen Rathenau mir eine plastische -Vorstellung von diesem gegeben, die keine Distanz des späteren -Biographen ersetzen könnte.</p> - -<p>Gedenken möchte ich noch der zahlreichen, wenn auch nicht immer ebenso -reichen Literatur, die bereits vor meiner Arbeit über Emil Rathenau und -die A. E. G. vorlag. Für die ersten Abschnitte, etwa bis zur Befreiung -von den Fesseln der Verträge mit Siemens & Halske, vermochte sie mir -manche wertvolle Hilfe zu leisten. Für die Darstellung der Reifezeit -und der Zeit der Reife, wie auch besonders für die Schilderung der -wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge bin ich im wesentlichen -auf mich selbst angewiesen gewesen.</p> - -<p class="mtop2"><em class="gesperrt">Berlin-Friedenau</em>, im Jahre 1917.</p> - -<p class="s4 right mright2 mtop2"><b class="sans">Dr. Felix Pinner.</b></p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_x" id="Seite_x">[S. X]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Litteratur">Litteratur</h2> - -</div> - -<div class="litteratur"> - -<p>Arthur Wilke, Die Berliner Elektrizitätswerke. Berlin 1890. F. A. -Günther & Sohn.</p> - -<p>Dr. Hermann Hasse, Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft und -ihre wirtschaftliche Bedeutung. Heidelberg 1902. Karl Winter.</p> - -<p>Dr. Emil Kreller, Die Entwicklung der deutschen elektrotechnischen -Industrie. Leipzig 1903. Dunker & Humblot.</p> - -<p>Dr. Friedrich Fasolt, Die sieben größten deutschen -Elektrizitätsgesellschaften, ihre Entwickelung und -Unternehmertätigkeit. Dresden 1904. O. V. Böhmert.</p> - -<p>A. E. G. Zeitung, Festnummer 2. 10. 1908.</p> - -<p>A. E. G. 1883–1908, herausgegeben von der Gesellschaft.</p> - -<p>Conrad Matschoß, Die geschichtliche Entwickelung der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens. -Jahrbuch des Vereins Deutscher Ingenieure, 1909, 1. Bd. Julius -Springer, Berlin.</p> - -<p>B. E. W. 1884–1909, herausgegeben von der Gesellschaft.</p> - -<p>Dr. Felix Pinner, Emil Rathenau, „Der Kaufmann und das Leben“. -Beiblatt der Zeitschrift für Handelswissenschaft und Handelspraxis. -Leipzig, Februar 1913. Ernst Poeschel.</p> - -<p>Artur Fürst, Emil Rathenau, der Mann und sein Werk. Vita, Deutsches -Verlagshaus. Berlin.</p> - -<p>Gedenkblatt zum Todestage Emil Rathenaus. Berlin, Juni 1915.</p> - -<p>Emil Schiff, Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft und Berliner -Elektrizitäts-Werke. Berlin 1915. Franz Siemenroth.</p> - -<p>Conrad Matschoß, Geschichtliche Entwickelung der Berliner -Elektrizitäts-Werke von ihrer Begründung bis zur Übernahme durch -die Stadt. Jahrbuch des Vereins Deutscher Ingenieure. Berlin 1916.</p> - -<p>A. Riedler, Emil Rathenau und das Werden der Großwirtschaft. Julius -Springer. Berlin 1916.</p> - -<p>Werner v. Siemens, Lebenserinnerungen. 9. Auflage. Berlin 1912. -Julius Springer.</p> - -<p>Francis Arth. Jones, Thomas Alva Edison. Sechzig Jahre aus dem -Leben eines Erfinders. Frankfurt a. M. Otto Brandner.</p> - -<p>Dr. ing. Gustav Siegel, Der Staat und die Elektrizitätsversorgung. -Berlin 1915. Georg Stilke.</p> - -<p>G. Klingenberg, Elektrische Großwirtschaft unter staatlicher -Mitwirkung. Berlin 1916.</p> - -<p>Archiv der Handelszeitung des Berliner Tageblattes.</p> - -<p>Archiv der Zeitschrift „Die Bank“, Herausgeber Alfred Lansburgh. -Berlin.</p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_xi" id="Seite_xi">[S. XI]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Inhaltsverzeichnis">Inhaltsverzeichnis</h2> - -</div> - -<table class="inhalt" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="s5"> - Seite - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vorwort - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_v">V</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Litteratur - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_x">X</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Erstes Kapitel: Jugendjahre - </td> - <td class="vab"> -   <a href="#Seite_1">1</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zweites Kapitel: Zwischenspiel - </td> - <td class="vab"> -  <a href="#Seite_35">35</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Drittes Kapitel: Wirtschaftliche Vorbedingungen - </td> - <td class="vab"> -  <a href="#Seite_48">48</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Viertes Kapitel: Technische Vorbedingungen - </td> - <td class="vab"> -  <a href="#Seite_59">59</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Fünftes Kapitel: Licht - </td> - <td class="vab"> -  <a href="#Seite_80">80</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sechstes Kapitel: Die Deutsche Edison Gesellschaft - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_100">100</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Siebentes Kapitel: Zentralstationen - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_129">129</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Achtes Kapitel: A. E. G. - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_146">146</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Neuntes Kapitel: Ausdehnung und Befreiung - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_155">155</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zehntes Kapitel: Das Finanz- und Trust-System - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_186">186</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Elftes Kapitel: Krisis - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_223">223</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zwölftes Kapitel: Konzentration - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_251">251</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Dreizehntes Kapitel: Weltwirtschaft - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_280">280</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vierzehntes Kapitel: Großkraftversorgung - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_317">317</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Fünfzehntes Kapitel: Gemischt-wirtschaftliche Unternehmung - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_336">336</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sechzehntes Kapitel: Charakterbild - </td> - <td class="vab"> - <a href="#Seite_350">350</a> - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_1" id="Seite_1">[S. 1]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Erstes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Erstes Kapitel</em><br /> - -Jugendjahre</h2> - -</div> - -<p>Emil Rathenau wurde am 11. Dezember 1838 in Berlin geboren. In der -Rede, die er am Vorabend seines 70. Geburtstages hielt, erzählte er, -nicht ohne beziehungsreichen Stolz:</p> - -<p>„Als ich die Lebensreise antrat, gab es in unserer Vaterstadt ein -interessantes Erlebnis: Die Vollendung der ersten preußischen -Eisenbahn. Die Berliner sollen in hellen Haufen begeistert zum -Potsdamer Tor hinausgepilgert sein, um den Zug nach Steglitz abfahren -zu sehen. Viel zu langsam (nach heutigen Begriffen) bewegte er sich -vorwärts, ohne Schlaf- und ohne Speisewagen; und doch war die Eisenbahn -ein gewaltiger Fortschritt gegen die Postkutsche, in der mein Vater aus -der Uckermark als Jüngling, meine Mutter als Kind mit ihren Eltern aus -der Mark hierher übersiedelten.“</p> - -<p>Rathenaus Großeltern väterlicherseits und namentlich mütterlicherseits -waren für die damalige Zeit wohlhabende Leute gewesen. Sein -Vater wurde früh Rentier und betätigte sich nur hier und da -in Gelegenheitsgeschäften. In der Mischung von geschäftigem -Unternehmungsdrang und schnellem Überdruß an einer seßhaften, -geordneten Geschäftlichkeit, die der ganzen Familie etwas eigen -gewesen zu sein scheint, die sich entschiedener in dem Lebensgang -seines ältesten und seines jüngsten Sohnes ausprägte und die eine -Zeitlang auch den mittleren und begabtesten Sohn Emil zu erfassen -drohte, scheint bei dem Vater die Abneigung gegen eine ausdauernde -Geschäftstätigkeit das überwiegende Element gewesen zu sein. Gewiß -nicht aus Unlust zur Arbeit, sondern zu einer Arbeit, die ihm nicht -zusagte, seinen Wünschen und Fähigkeiten nicht zu entsprechen -schien. Ein strenger, Fremden und Verwandten gegenüber nicht gerade -entgegenkommender Mann, dessen Denkungsweise aber rechtlich und redlich -war, so wird er von denen geschil<span class="pagenum"><a name="Seite_2" id="Seite_2">[S. 2]</a></span>dert, die ihn gekannt haben. Sein -Anteil an der Erziehung seiner Kinder war offenbar nicht sehr positiv, -er hielt sie äußerlich streng, aber er verstand und versuchte es nicht, -auf ihre innere Bildung Einfluß zu gewinnen, und zu diesem Zwecke in -ihr Charakter- und Seelenleben einzudringen. Sie entwickelten sich, -im Guten wie im Schlechten, ohne ihn und trotz ihm, und da er kein -sehr hohes Alter erreichte (er starb im Jahre 1871), verwischte und -verfärbte sich die Einwirkung seiner Persönlichkeit in dem späteren -Leben der erwachsenen Söhne ziemlich schnell. Emil Rathenau hat in der -selbstbiographischen Skizze, die in seinem Nachlaß vorgefunden wurde, -das Verhältnis zu seinen Eltern mit ein paar kurzen und ziemlich kühlen -Worten geschildert:</p> - -<p>„Mein Vater hat sich bald nach meiner Geburt vom Geschäft -zurückgezogen. Er war streng und gewissenhaft und führte eine korrekte -Ehe mit der klugen und geistreichen Mutter, die Ehrgeiz besaß und -Eleganz in ihrer Erscheinung bis an ihr spätes Lebensalter zu bewahren, -die Schwäche hatte. Für die Erziehung der drei Söhne scheuten die -Eltern keine Kosten, aber sie überließen die Sorge hierfür der Schule -und Privatlehrern, weil das gesellige und gesellschaftliche Leben ihnen -die Muße nicht ließ, den wilden Knaben die erforderliche Aufmerksamkeit -zu widmen.“</p> - -<p>Auch der Mutter werden in dieser sachlich-knappen Darstellung keine -Worte innerer Beziehung gewidmet und es mag richtig sein, daß auch sie -trotz unleugbarer geistiger Begabungen und Interessen keine eigentliche -Menschenerzieherin im innerlichen Sinne des Wortes gewesen ist. Dennoch -wirkten der mütterliche Einfluß und das Gefühl für die Mutter in -dem Leben der Kinder ganz anders nachhaltig wie die Beziehungen zum -Vater fort. Hier war nicht nur Respekt, hier war Liebe und herzliche -Zuneigung auf beiden Seiten, und wie sehr auch Entwicklung und -Veranlagung die Söhne später auseinander führten, ja entfremdeten, -der Mutter hingen sie alle treu an, und namentlich Emil Rathenau ließ -— auch in den Zeiten, in denen seine Tage nicht mehr die Fülle der -Arbeit fassen wollten — kaum einen Sonntag vergehen, an dem er die -Frau, die in seltenem und klugem Greisenalter den stolzen Aufstieg -des Sohnes erleben, seinen Stern noch im Zenith sehen durfte, nicht -zu einem Plauderstündchen besuchte. Den Kindern gegenüber hatte sie -jene Herzensfreundlichkeit besessen, die die Grundlage jedes wirklich<span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span> -schönen Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern ist und die bei -tüchtigen und guten Kindern auch einmal einen bewußten Erziehungsplan -ersetzen kann.</p> - -<p>Emil Rathenau besuchte, wie seine Brüder, zunächst die alte Berliner -Knabenschule von Marggraf in der Sophienstraße, wo die Vorschüler in -ziemlich patriarchalischer Weise auf das Gymnasium vorbereitet wurden. -Die Privatanstalt verließ Emil Rathenau nach einiger Zeit mit seinem -älteren Bruder, der das nach Ansicht des Schulvorstehers unverzeihliche -Vergehen begangen hatte, den Unterricht durch Knallerbsen zu stören. -Im Jahre 1849 kam er auf das Gymnasium zum grauen Kloster, das damals -von dem älteren Professor Bellermann geleitet wurde. Wie so viele, -die später im praktischen Leben bedeutende Männer geworden sind, -war Emil Rathenau kein Musterschüler, und den meisten Fächern, die -auf dem humanistischen Gymnasium gelehrt wurden, vermochte er nicht -viel Interesse abzugewinnen. Immerhin hielt er sich auf leidlichem -Niveau. Die Selbstkritik seiner Leistungen auf dem Gymnasium hat er -in die Worte zusammengefaßt: „An Begabung fehlte es mir weniger als -an häuslichem Fleiß.“ Die interessanten und aufregenden Begebnisse -politischer Art, die in die ersten Schuljahre Rathenaus fielen, -lenkten naturgemäß seine und seiner Mitschüler Aufmerksamkeit von -den Schuldingen ab, so sehr auch die Eltern und Lehrer die Jugend -durch Vorhaltungen und Strafen ihrer Wirkungssphäre zu entrücken -versuchten. Die Ereignisse des Jahres 1848 hat Rathenau meist auf -der Straße miterlebt. Die ausführliche Schilderung, die er in seinen -Aufzeichnungen von ihnen gibt, läßt erkennen, daß der Eindruck auf ihn -und die damalige Schuljugend ein starker war, aber ebenso auch, daß -dieser Eindruck ganz im Sensationellen, Straßenjungen-Romantischen -wurzelte und ihm kaum eine Ahnung der politischen Hintergründe -beigemischt war. „Es war eine lustige Zeit für die Jungen, da die -neuerrungene Freiheit sich häufig auch auf den Schulunterricht -erstreckte und Eltern und Lehrer im Ernst der Zeit den strengen -Gehorsam nicht als das oberste Gesetz mehr zu betrachten schienen.“ — -Einen ernsten und tiefen Eindruck machte wohl nur die Überführung der -Märzgefallenen nach dem Friedrichshain. Hier traf die Wucht und Tragik -der Ereignisse auch die Kinderseele. „Unvergeßlich“ nannte Rathenau -diese Stunde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span></p> - -<p>„Wir beobachteten das Schauspiel von den Fenstern eines kleinen Hauses -am Schloßplatz, das jetzt dem Neubau des Marstalls zum Opfer gefallen -ist; es gehörte der Firma Krüger & Peterson, deren Tabakgeschäft durch -den Verkauf von Hyazinthenzwiebeln in Berlin bekannt geworden war. Der -Schloßplatz, die Kurfürstenbrücke, König- und Burgstraße waren dicht -gedrängt, alles schwarz; überall wehten Trauerfahnen von den Dächern -und an Fenstern, und auf Balkonen standen Männer und Frauen in tiefer -Trauer. Die nicht endenden Züge von offenen Särgen konnten sich nur -mühsam und langsam durch die enge Menschengasse gen Osten bewegen. Auf -den Balkonen des Schlosses und gegenüber standen entblößten Hauptes der -König und sein Gefolge über der Stelle, von der die Kartätschen ihren -Weg durch die Breitestraße zur d’Heureuseschen Konditorei genommen und -manche Erinnerung an die blutigen Ereignisse in Straßenbrunnen und -Häusern zurückgelassen hatten.“</p> - -<p>Mit dem Zeugnis für Unterprima verließ Rathenau schließlich das -Gymnasium. Über seinen zukünftigen Beruf hatte er noch wenig -nachgedacht. Technische Neigungen hatten sich wohl gelegentlich -gemeldet, waren aber nicht so stark und bestimmend gewesen, daß die -technische Laufbahn sozusagen im festen Plan eines zielbewußten -Willens gelegen hätte. Die Entscheidung brachten vielmehr, wie so -häufig im Leben, Familienbeziehungen. Rathenau wurde Maschinenbauer -und lernte sein Handwerk von der Pike auf. „Da weder Terpsichore noch -andere Musen an meiner Wiege gestanden,“ erzählt er launig, „reiste -ich auch ohne ihr Geleit in die Lehre nach Schlesien.“ Dort besaßen -seine reichen Verwandten, die Liebermanns, industrielle Betriebe, -die für die damalige Zeit als sehr respektabel gelten konnten. Die -Wilhelmshütte, bei Sprottau, ein Eisenwerk mit Maschinenbauanstalt, das -seine Entstehung wie viele der damals noch karg gesäten industriellen -Unternehmungen des preußischen Landes Friedrich dem Großen verdankte, -später in Privatbesitz übergegangen war, aber erst in den Händen von -Rathenaus Großvater mütterlicherseits, Liebermann und dessen Söhnen -sich schnell einen gewissen industriellen Ruf erworben hatte, diente -Rathenau als Lehrstelle. Die Lehre war wie die väterliche Erziehung zu -Hause streng, und das verwandtschaftliche Verhältnis zu den Inhabern -der Fabrik schaffte dem jungen Maschinenbauer in der Arbeit keine -Erleichterung. „Proletarier in blauer Bluse und<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> mit zerschundenen -Händen“ nannte er sich, als er in späteren Jahren auf diesen Abschnitt -seines Lebens zurückblickte. Das Herrensöhnchen durfte er — zu seinem -eigenen Besten — nicht spielen und der tüchtige Mestern, der den -technischen Betrieb ziemlich selbständig leitete, behandelte ihn wie -jeden beliebigen anderen Praktikanten auch. Der junge Rathenau, der -doch immerhin die Primareife besaß, niemals gering von sich dachte und -sich wohl damals schon zu Höherem berufen fühlte, mag manchmal unter -dem Joch geknirscht haben, und sich etwas inferior vorgekommen sein, -zumal wenn er den nicht nur äußerlich feinkultivierten Haushalt seiner -Verwandten als Kontrast zu seiner damaligen Lage betrachtete. Erblickte -der Lehrling im Arbeitskittel seine „vornehmen“ Kusinen von ferne, so -wich er einer Begegnung lieber aus und drückte sich, wenn es ging, um -eine naheliegende Ecke, tief beschämt, wenn er inne ward, daß sie ihn -doch gesehen und sich an seiner Verlegenheit geweidet hatten. — Volle -4½ Jahre mußte er aushalten und er hielt aus. Von seiner Lehrzeit -hat Rathenau die folgende Schilderung gegeben:</p> - -<p>„Das Werk hatte mein Großvater, ein hervorragender Industrieller -unserer Stadt, mit seinen Söhnen eben erworben. Es lag in hübscher -Gegend am Bober, besaß schöne Wohnhäuser und einen großen Park, und -prächtige Wälder in der näheren und weiteren Umgebung machten den -Aufenthalt angenehm.</p> - -<p>Der Reichtum an Holzbeständen und Wiesenerzen, die die Verhüttung -lohnten, Wasserkräfte von mäßiger Stärke und sehr billige Arbeitslöhne -hatten im niederschlesischen Revier zur Errichtung von Hochöfen und -Walzwerken Anlaß gegeben, und namentlich erstere versorgten fast die -ganze Monarchie mit einfachem Guß und Poterien, die roh oder mit -einer schönen weißen Emaille auf den Markt kamen. In den Gießhütten -stellte sich bald das Bedürfnis nach Kupolöfen ein, um die Hallen -und Arbeitskräfte durch Herstellung von Maschinen- und Bauguß besser -zu verwerten. Die Wilhelmshütte hatte einen Hochofen von mäßigen -Dimensionen, dessen Gase ungenutzt in die Luft stiegen und die Gegend -mit hellen Flammen erleuchteten. Das Kolbengebläse wurde durch ein -mittelschlächtiges Wasserrad angetrieben, wie es Scharwerker jener -Zeit herstellten; bei der Konstruktion hatte man offenbar mehr auf -billige und solide Herstellung als auf hohen Nutzeffekt Wert gelegt. -Die<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> Maschinenfabrik baute landwirtschaftliche Maschinen, meist -nach englischem Muster, Pumpen, Wasserstationen, Weichen, Radsätze -für Eisenbahnwagen, Apparate für Gasanstalten, Einrichtungen für -Brennereien und Mühlen jeder Art, daneben wurde all und jedes, was das -Publikum verlangte, auch wenn es in sehr losem Zusammenhang mit dem -Maschinenbau stand, hergestellt, zum Beispiel eiserne Bettstellen, -Turmuhren und dergleichen. Diese Vielseitigkeit wurde eingeschränkt, -als bald nach meinem Antritt A. Mestern die Leitung des Werkes -übernahm. Dieser begabte Techniker hatte sein gemeinsam mit Tischbein -in Magdeburg betriebenes Zivil-Ingenieur-Geschäft aufgegeben und war -auf Fr. Walz’ Empfehlung als Sozius in die Firma getreten. Er war -ein reiner Empiriker und hatte meines Wissens weder im praktischen -Betriebe noch auf Hochschulen Erfahrungen gesammelt, aber sein feines -Auge und Gefühl, sein Verständnis der kinematischen Vorgänge, sein -Talent in der Formgebung und Abmessung aller Konstruktionen ersetzten -diesen Mangel an Ausbildung. Mestern kannte die Dampfmaschine in -ihrer damaligen primitiven Ausführung, und wenn er nach einfachen -Formeln, wie sie in England gebräuchlich zu sein schienen, die -Hauptabmessungen festgestellt hatte, konstruierte er vertikale oder -Balanzier-Maschinen mit gotischem Gestell oder auf blanken Säulen -gelagerter Schwungradwelle. Viel Fleiß verwendete er auf Ausgestaltung -der Formen im Geschmack seiner Zeit, auf tadellose Bearbeitung von -unzähligen blanken Pfeilern; das Publikum der 50er Jahre des vorigen -Jahrhunderts liebte und bezahlte solche Erzeugnisse, legte aber wenig -Wert auf die ökonomische Wirkung, die es weder zu beurteilen noch zu -messen verstand. Obwohl Sachverständige die Bedeutung der Expansion des -Dampfes zu schätzen wußten, begnügten viele Konstrukteure sich mit der -unvollkommenen Wirkung nicht entlasteter Schieber und Drosselklappen, -und die Kunst im Bau dieser langsam laufenden Maschinen bestand zumeist -in der Bearbeitung der Einzelteile mit nichts weniger als vollendeten -Werkzeugen. Die schwachen Hobelmaschinen vibrierten schon bei winzigen -Spänen, und da genaue Flächen einer gründlichen Nacharbeit in jedem -Falle bedurften, begann man häufig sogleich mit der Handarbeit, um die -Zeit des Aufspannens zu ersparen.</p> - -<p>Eine neue Ära des Maschinenbaues begann mit der Corliß-Dampfmaschine -nach amerikanischen Mustern. Ihr vorangegangen<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span> war eine Periode des -Maschinenbaues mit U-förmiger Grundplatte, deren Dampfzylinder und -Geradführung an dieser seitlich befestigt waren; das Schwungradlager -mit mehrteiliger Büchse lag so in derselben, daß die Kurbel gegen die -gedrehte Fläche lief; der hohle Raum der Grundplatte war mit einem -Holzdeckel geschlossen und diente als Schrank für Werkzeuge; auf der -Grundplatte stand der von einem Riemen angetriebene Regulator.</p> - -<p>Die Konstruktion der Corliß-Maschine mit ihren getrennten Ein- -und Auslaßschiebern wurde in allen Größen und in einer Ausführung -hergestellt, die dem amerikanischen Original nicht nachstand; -sie führten sich durch das bestechende Äußere und die Ökonomie -des Dampfes rasch ein, trotzdem die Verkaufspreise den teuerern -Herstellungskosten entsprechend hohe waren. Für Reversier-Walzwerke -und Gebläsemaschinen wurde die Schiebersteuerung beibehalten, und -bei den Wasserhaltungsmaschinen für das Waldenburger Revier büßte -die Katarakt-Ventil-Steuerung ihre Bedeutung nicht ein. Als ich -die Wilhelmshütte nach 4½jähriger Tätigkeit verließ, war sie -eine Maschinenfabrik, die sich eines guten Rufes in den Kreisen der -Industrie erfreute und den besten Fabriken gleichwertig erachtet wurde.“</p> - -<p>Die lange praktische Lehrzeit, die weit über das hinausging, was heute -ein akademisch gebildeter Ingenieur auf diesem Gebiete zu leisten hat, -gab Rathenau eine gründliche handwerkliche Kenntnis des Maschinenbaus, -für den er immer eine gefühlsmäßige Vorliebe behielt, mit auf den -Lebensweg.</p> - -<p>Rathenaus Austritt aus der Wilhelmshütte wurde durch die Mobilmachung -der preußischen Armee aus Anlaß des italienischen Krieges -herbeigeführt. Er sollte beim 2. Garde-Regiment eintreten, als der -Friede von Villafranca geschlossen wurde. Damit wurde der Eintritt in -das Heer zunächst aufgeschoben, der junge Mann ging aber nicht wieder -zur Wilhelmshütte zurück, sondern entschloß sich, seiner technischen -Bildung zunächst eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Aus -der Erbschaft des Großvaters, die beim Kinderreichtum der Familie -allerdings in 15 Teile ging, fiel ihm eine an sich bescheidene, für ihn -aber damals nicht unbedeutende Summe von einigen tausend Talern zu. -Mit diesem Gelde ausgerüstet, über das er ganz frei verfügen konnte, -durfte Emil Rathenau, seinem längst gehegten Wunsch nach akademischer -Durchbildung<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> nachgeben. Er bezog zunächst die polytechnische Schule -in Hannover. Da seine mathematischen Kenntnisse durch den Schulbesuch -auf dem „Grauen Kloster“ nur recht mangelhaft gefördert worden waren, -strebte er danach, sie durch Selbststudien zu ergänzen und hatte sich -tatsächlich in kurzer Zeit in die Differential- und Integral-Rechnung -so eingearbeitet, daß er den Vorlesungen, die allerdings keine großen -Vorkenntnisse der Mathematik voraussetzten, gut folgen konnte. Die -meisten Lehrer, so der Technologe Karmarsch, der Architekt Debo und -der Statiker Ritter verstanden es, mit einer geringen Menge von -Mathematik auszukommen, auch für das Studium des Maschinenbaus in -seiner damaligen Form war ein Zurückgehen auf mathematische Begriffe -nicht unbedingt erforderlich. Nicht lange konnte sich aber Rathenau in -Hannover seinen Studien ruhig hingeben. Ein Streit um die akademische -Freiheit sah Rathenau und einige preußische Kommilitonen unter den -Wortführern, was den Zorn der welfischen Lehrer gegen die preußischen -Studenten erregte. Nach Beendigung der Ferien ging Rathenau darum -nicht mehr nach Hannover zurück, sondern wandte sich nach Zürich, wo -Männer wie Zeuner, Reuleaux, Culmann und andere lehrten und in einem -fast kameradschaftlichen Verhältnis zu ihren Schülern standen. Die -Diplomprüfung bestand Rathenau, trotzdem die Zeit der schriftlichen -Arbeiten gerade in die feuchtfröhliche Feier des eidgenössischen -Schützenfestes fiel, mit der besten Nummer. Mit dem Diplom „eines -richtig gehenden Ingenieurs“ kehrte der junge Techniker nach Berlin -zurück. Der Wiedereintritt in die Wilhelmshütte stand ihm wohl offen, -aber er hatte die Empfindung, daß er mit seiner inzwischen erworbenen -wissenschaftlichen Methodik nicht mehr so recht unter die dortigen -Empiriker passen würde. Als einen großen Erfolg betrachteten er und -die Familie es, als er eine Anstellung in der Lokomotivfabrik von A. -Borsig erhielt, die damals von dem Sohn des Begründers geleitet wurde. -Zuerst wurde er im Zeichenbureau beschäftigt und hatte Arbeiten mehr -untergeordneter Art auszuführen. Bald wurde er aber unter die meist -älteren Konstrukteure versetzt und konnte sich unter der Leitung des -Oberingenieurs Flöhringer mit der Konstruktion von Gitterbrücken, -später unter der Leitung des Obermaschinenmeisters Stambke mit dem -Entwerfen von Lokomotiven beschäftigen. Sein Gehalt betrug 25 Taler -monatlich, womit er<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> seine einfachen Bedürfnisse bestreiten konnte, -ohne die geldliche Hilfe der Eltern in Anspruch zu nehmen. Dagegen -speiste er Sonntags und an manchen Abenden der Woche im elterlichen -Haus in der Kronenstraße. Die Tätigkeit bei Borsig befriedigte den -jungen Ingenieur indessen nicht lange. Der Lokomotivbau wurde ziemlich -schematisch nach den Entwürfen der Maschinenmeister durchgeführt und -ließ den Konstrukteuren wenig Spielraum für die freie Entfaltung -eigener Gedanken. Dazu war auch die Fühlung mit der Praxis, die eine -solche Tätigkeit wenigstens vorausgesetzt hätte, sehr gering. Denn der -Besuch der Werkstätten wurde durch Meister und Werkführer, die ihre -Domäne namentlich den jungen Ingenieuren eifersüchtig verschlossen, -sehr erschwert. Befand man sich doch damals in einer Zeit, in der -die alte empirische Technik im Kampfe mit der neu aufkommenden -wissenschaftlichen Methode stand, die auf den technischen Schulen -herangebildet wurde und infolgedessen ihre Ideen etwas ungestüm und in -der Form vielleicht auch etwas überheblich in die Praxis hineinzutragen -suchte. Emil Rathenau war nicht der Mann, um seine frisch errungenen -wissenschaftlichen Erkenntnisse sich im praktischen Betriebe um des -leichten Fortkommens willen wieder langsam abzugewöhnen. Er hätte, -wenn er ein Durchschnittsmensch und ein Durchschnittstechniker gewesen -wäre, bei Borsig bleiben und allmählich eine wichtige Stellung, -wahrscheinlich sogar einen Ober-Ingenieurposten erringen können. -Aber Rathenau hat sich nie in seinem Leben mit mittelmäßigen Zielen -begnügt. Er besaß die fruchtbare Unzufriedenheit des nach Großen -strebenden Charakters, dem seine innere Entwickelung mehr wert war als -eine gesicherte Existenz. Als er Borsig von seinem Entschluß, bereits -nach ½jähriger Tätigkeit aus seinem Betriebe auszuscheiden und nach -<em class="gesperrt">England</em> zu gehen, benachrichtigte, schien der Chef einigermaßen -darüber befremdet, daß Rathenau sein Interesse und seine Absicht, ihn -bald in eine höhere Stellung aufrücken zu lassen, nicht mit größerem -Dank anerkannte. Neben dem Bestreben, sich fortzubilden und alles in -sich aufzunehmen, was die Technik damals in den fortgeschritteneren -Industrieländern an Gegenwartserfüllungen und Zukunftsmöglichkeiten -bieten konnte, war es wohl auch der Wandertrieb, der „Durst nach -weiter Welt“, die ihn bewogen, die aussichtsreiche Stellung in der -Heimat aufzugeben und sich in England, dem damals an der Spitze -schreitendem<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> Lande der Technik und Wirtschaft, gründlich umzusehen. -Mit einem Empfehlungsbrief von Borsig an die große Maschinenfabrik von -John Penn in Greenwich und einem zweiten des Admiralrates Coupette -reiste Rathenau über den Kanal. Die Hoffnung einer Anstellung bei Penn -schien sich zunächst nicht zu verwirklichen und Rathenau war vorerst -darauf angewiesen, sich durch Annoncen im „Engineer“ eine Stellung -zu suchen. Ein persönlicher Besuch in der Villa John Penns führte -aber, ehe sich der junge Ingenieur zur Annahme eines Anerbietens -der landwirtschaftlichen Maschinen- und Lokomotivfabrik Marshall in -Gainsborough entschloß, doch noch zum Ziele einer Anstellung in der -großen Greenwicher Fabrik und er bekam die Stelle eines Draughtsman mit -30 sh. Wochenlohn. Lassen wir nun Rathenau wieder selbst erzählen, wie -sich seine Tätigkeit in verschiedenen englischen Fabriken gestaltete:</p> - -<p>„Mein Vorgesetzter war ein liebenswürdiger Herr Lobb, der bald -nach meiner Anstellung zu dem Österreichischen Lloyd überging; -sein Nachfolger, Mr. Wright, war mir weniger sympathisch. Aber -dieses Vorurteil war ungerecht, denn gerade ihm verdanke ich meine -Heranziehung zu größeren Arbeiten. Ein Landsmann, der spätere -Oberwerftdirektor Meyer, trat in dasselbe Bureau ein. Die teueren -Lebensbedingungen veranlaßten uns zu einem gemeinsamen Haushalt, -und wir fanden eine passende Behausung in der Nähe von zwei -Marineingenieuren Gujod und Dede, die zur Überwachung der im Bau -befindlichen Panzerkorvette nach England geschickt waren. Während -wir unser Leben in Gainsborough allesamt sehr bescheiden einrichten -mußten, fand ich hohe Befriedigung in der geschäftlichen Tätigkeit. -Die englische Marine muß sehr gute Erfahrungen mit den Schiffen der -Warrior-Klasse, zu denen „Achilles“ und „Black Prince“, wie ich -glaube, gehörten, gemacht haben, denn sie ging zu einem ähnlichen -Typ, dem Bellerophon, über und übertrug der Firma J. Penn & Sons die -Ausrüstung des Schiffes mit Maschinen, Kesseln und Zubehör. Es war -die erste 1000 PS-Expansionsdampfmaschine mit Zylinder von 105 Zoll, -eine Trunk-Maschine, in der die Kurbelwelle zwischen jenen und den -Kondensatoren gelagert war. Diese Konstruktion war neu, die Firma -hatte früher meist oszillierende Dampfmaschinen gebaut und durch sie -einen Weltruf erlangt. Nach Vollendung der Werkstattszeichnungen, -Transportmittel, die für die ungewöhnlich schweren Arbeitsstücke -angefertigt<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> werden mußten, und der Gesamtanordnung, die bis in -die Einzelheiten auf dem Papier festgelegt und in Maßskizzen den -verschiedenen Abteilungen zur Fertigstellung überlassen wurden, -befragte mich ein Freund, der nach Deutschland zurückzukehren im -Begriff stand, ob ich sein Nachfolger in der Firma Easton & Amos zu -werden wünsche. Die Vielseitigkeit dieses Geschäftes zog mich an und -ich siedelte nach London über, das ich während meines Aufenthaltes -in Gainsborough an Sonnabenden jeder Woche nachmittags mit Vergnügen -aufgesucht hatte, und in dem das großzügige Leben und der enorme -Verkehr auf den Straßen mich förmlich elektrisierten.</p> - -<p>Im Gegensatz zu John Penns prächtigen Werkstatthallen und imposanten -Werkzeugmaschinen fand ich hier eine elende Baracke, man mußte sich -erst an die Arbeit in diesen Bureaus gewöhnen, die von den Schlägen -der Dampfhämmer erzitterten. Auf den Zeichenbrettern häufte sich der -Kohlenstaub, und während in Gainsborough unsere Kollegen junge lustige -Leute waren, die Späße trieben und sich amüsierten, befanden sich hier -meist Familienväter, deren Pünktlichkeit, wie die von Arbeitern, durch -den Portier und Stundenzettel kontrolliert wurde; sie waren wohl meist -aus diesem Stande hervorgegangen.</p> - -<p>Meine erste Aufgabe war die Konstruktion einer Tunnelbohrmaschine -nach den Patenten von Captain Beaumont: Eine Scheibe von etwa 5 Fuß -Durchmesser enthielt an ihrem Umfange zur Achse parallel laufende -Schlitze, in denen eine große Zahl von Stahlbohrern mit Keilen -befestigt waren. Die hin- und hergehende Bewegung wurde durch einen -mit der Scheibe verbundenen Differential-Dampfkolben verursacht, der -in einem nach Art direkt wirkender Dampfspeisepumpen gesteuerten -Zylinder vor- und rückwärts lief. Der volle Dampfdruck erfolgte bei -der Stoßwirkung, während die kleinere Fläche den Rückzug vollendete. -Waren die Stähle bis an die Befestigung in der Scheibe vor Ort in das -Gebirge durch schnell aufeinanderfolgende Schläge eingedrungen, so -erhielt der auf Rollen stehende Truck, der nach jedem Stoß selbsttätig -vorrückte und sich wieder befestigte, eine geringe Drehung, so daß die -Löcher in der gewünschten Teilung einen Kreis bildeten. Ein Bohrer in -seinem Zentrum diente zur Aufnahme der Patrone, durch die die Sprengung -erfolgte. Hierbei wurde die schwere Maschine auf den radial zur -kreisrunden Öffnung stehenden Rollen des Trucks so weit zurück<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span>gezogen, -daß man die Débris vor Ort bequem ausräumen konnte. Über das Schicksal -dieser Maschine ist mir nichts bekannt geworden, dagegen sah ich ein -anderes Werk meiner damaligen Tätigkeit nach einem Menschenalter noch -im Betriebe. Es war ein hydraulischer Aufzug mit direktem Antrieb für -Personentransport, der in dem ersten großen, damals im Bau befindlichen -Hotel in Brighton aufgestellt wurde. Der sehr lange Stempel stak in -dem Preßzylinder, für den man einen tiefen Rohrbrunnen in das Erdreich -gesenkt hatte. Die einzelnen Kolbenteile bestanden aus gußeisernen -Röhren, die durch Gewinde miteinander verbunden waren. Trotzdem diese -Konstruktion große Sicherheit den Reisenden bot, erfuhr ich später -durch Zeitungen, daß im Grand Hotel ein nach diesem Muster erbauter -Aufzug mit den Passagieren verunglückt sein soll.</p> - -<p>Die primitiven Einrichtungen deuteten auf den allmählichen Verfall des -Werkes, und obgleich ich wegen der Vielseitigkeit der Aufträge eine -bessere Schule in England kaum hätte wieder finden können, trat ich -mit achttägiger Kündigung aus der Fabrik aus, die zwar bald nachher -einen neuen Partner aufnahm, aber später von der Bildfläche, wie ich -vorausgesehen hatte, verschwand. Der Wert der Grundstücke in der -City hat hoffentlich die Inhaber oder Gläubiger für ihre Verluste im -Betriebe entschädigt.</p> - -<p>Auf eine Annonce in einem Londoner Fachblatt, durch die ein theoretisch -erfahrener, der französischen Sprache mächtiger Ingenieur bei hohem -Salär gesucht wurde, meldete ich mich zum sofortigen Antritt und -hatte das Glück, aus der großen Zahl von Bewerbern mit 4 Lstrl. -wöchentlichem Gehalt Anstellung nach kurzer Prüfung bei einer neu -gegründeten Gesellschaft, die British & Continental Steam Improvements -Co. firmierte, zu erhalten. Das Bureau der Gesellschaft lag in -Adelphi Street, Strand, ihr Leiter war ein französischer Chemiker -namens Martin, auf dessen Erfindungen das Unternehmen gegründet -war. Der Dienst begann um 10 Uhr; nach dem Luncheon, das ich in -dem dem Theater gegenüber liegenden Public House stehend, aber mit -Gemütsruhe einzunehmen pflegte, erschien der Chef; er las die wenigen -eingegangenen Briefe, besprach die Geschäfte, die ihn kaum mehr als -mich erregten, und führte mich bei eintretender Dunkelheit in ein -vornehmes Restaurant zum Mittagessen, das mir wegen der lukullischen -Genüsse und der gewaltig hohen Preise imponierte. Niemals hatte ich -für<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span> eine so geringe Tätigkeit eine solche Behandlung und Bezahlung -erfahren. Meine Aufgabe war doppelter Natur; Konstruktionen und -Schriftstellerei. Beide erstreckten sich auf eine Rauch verzehrende -Lokomotivfeuerung einerseits und einen Kesselsteinreinigungsapparat -andererseits; letzteren kannte ich bereits aus meiner früheren -Tätigkeit; ich entsinne mich nicht, wo er zuerst konstruiert worden -war, glaube aber aus der Literatur später erfahren zu haben, daß er -unter dem Namen Schau in der Lokomotivfabrik in Wiener-Neustadt gebaut -wurde. Auf dem Kessel war ein zweiter Dampfdom so befestigt, daß -man ihn von den ebenen Dichtungsflächen leicht abnehmen konnte. In -diesem waren Teller übereinander so angebracht, daß das kaskadenweise -herabfließende Speisewasser von den oberen zu den unteren langsam in -der heißen Dampfatmosphäre herabtröpfelte. Da gewisse Verunreinigungen -bei diesen Temperaturen sich bereits absondern, so wurde die bewußte -Reinigung häufig erzielt, und da auch die Wärmeverluste unbedeutend -waren, so hat der Apparat sich zuweilen und jedenfalls bei den -Versuchen bewährt, wie denn die Salze auf den Tellern bei ihrer -Herausnahme ad oculus demonstrierten. Mit guten Patenten, genügender -Reklame und glänzenden Zeugnissen hätte der Erfinder vielleicht durch -Herstellung en masse einen Gewinn für die Gesellschaft erzielen können, -dazu aber fehlte ihm kaufmännische Begabung.</p> - -<p>Die Lokomotive, in die auf einem der großen Bahnhöfe in London — -ich entsinne mich nicht, ob Great Eastern, Northern oder Western — -die neue Feuerung eingebaut wurde, gab befriedigende Resultate in -ökonomischer Beziehung, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß die -feuerfesten Konstruktionsteile bei den Stößen und Erschütterungen, -denen solche Dampfkessel ausgesetzt sind, eine genügend lange Dauer -besitzen. Die maßgebenden Persönlichkeiten scheinen anderer Ansicht -gewesen zu sein, denn kaum waren die Meßresultate in ihren Händen, so -erhielt ich den Auftrag, eine Straßenlokomotive von Aveling und Porter -mit der Feuerung auszurichten. Technisch bot dieses Kommissorium keine -Schwierigkeiten, aber die kommerzielle Behandlung öffnete mir die Augen -über die Geschäftsgebarung, und ich beschloß deshalb, einen neuen -Wirkungskreis zu suchen.“</p> - -<p>Vorher wünschte Rathenau seine Eltern nach zweijähriger Abwesenheit -wiederzusehen; zumal diese in der Meinung, daß der junge<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> Ingenieur -sich draußen in der Welt genügend umgesehen habe, und sich nunmehr -eine dauernde Existenz gründen solle, auf die Rückkehr drängten, -die nach ihrem Wunsche eine dauernde Heimkehr sein sollte, während -Rathenau selbst, als er sich zur Heimreise anschickte, noch nicht -fest entschlossen war, sich für die Dauer im Heimatlande anzusiedeln. -Indessen gefiel es ihm im Hause Viktoriastraße 3, das die Eltern -inzwischen bezogen hatten, recht wohl und er ließ sich unschwer -überreden, seine weiteren Wanderpläne aufzugeben. Den Eltern und -Freunden kam es bei ihren Plänen zu statten, daß Rathenau, trotz -aller Lust die Welt kennen zu lernen, doch mit seinem ganzen Herzen -an Deutschland und besonders seiner Heimatstadt Berlin hing, und -eigentlich in seinem ganzen Leben niemals ernstlich daran dachte, sich -wie so viele andere tüchtige Deutsche jener Zeit irgendwo draußen, wo -es sich zu jener Zeit besser und aussichtsvoller leben ließ, dauernd -anzusiedeln. In seinem Streben und Denken war Rathenau Kosmopolit. -In seinem Grundgefühl blieb er trotzdem immer bodenständig. Jeder -Fortschritt, jede Errungenschaft, jede Verbesserung der Verhältnisse, -die er irgendwo draußen sah, waren ihm nie allein Inhalt genug. Er -konnte sie sich nur in Verbindung mit der Heimat denken, der er -entstammte und der er ihren Nutzen dienstbar machen wollte. So wenig -sich Rathenau durch die Schranken und Bedingungen des Vaterlandes -binden oder hemmen ließ, so sehr er alle Fernen nach neuen wissens- und -nachahmenswerten Einrichtungen abschweifte, in irgend einem fremden -Boden hätte er nie Wurzel fassen können. Dort sich einfach und bequem -niederzulassen, wo das Neue bereits entwickelt war, reizte ihn nicht, -bot seinem Schaffenswillen wohl auch nicht Leistungsmöglichkeit und -Spielraum genug. Ihn leitete stets das instinktive Bestreben, das Neue -dorthin zu verpflanzen, wo es sich noch nicht vorfand und ihm schwebte -wohl schon damals der Gedanke vor, daß in Deutschland ein weiteres -Arbeitsgebiet offen lag als in fortgeschritteneren Ländern, wo er die -Hauptstraßen bereits durch einen zu starken Wettbewerb besetzt fand. -„Trotz schmaler Kost und wenig Geld“, sind Emil Rathenau, der in dem -berechtigten Stolz, auf eigenen Füßen zu stehen, schon damals auch die -kleinste geldliche Beisteuer des Vaters nicht mehr angenommen hatte, -die Jahre in England unvergeßlich geblieben. Außer den technischen -Erkenntnissen, die er ihnen verdankte, gaben sie ihm den<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> freien Blick -des Staats- und Weltbürgers und eine ausgeprägte <em class="gesperrt">demokratische -Anschauungsweise</em>, deren Fundament sich nie verlor, wenngleich -der Geschäftsmann sie später aus Opportunitätsgründen, vielleicht -auch aus Mangel an Zeit für politische Interessen, nicht mehr -sonderlich betonte, allerdings auch nie verleugnete. Auch der spätere -Gegensatz zu der aufkommenden sozialdemokratischen Agitation mit -ihrer Erschwerung der Arbeiterbehandlung und Arbeiterökonomie für das -Unternehmertum mag dazu beigetragen haben, den demokratischen Grundton -der Rathenauschen Denkweise zu dämpfen. In den englischen Jahren -warf er sich ihr aber mit Entschiedenheit in die Arme. Bedeutete sie -doch eine reife Betätigung und Erfüllung der ringenden Bestrebungen, -deren jähes gewaltsames Aufflackern der heranwachsende Knabe im -Jahre 1848 staunend, wenn auch wohl nicht verstehend, miterlebt, -für die der junge polytechnische Student dann im engen Kreise -mitgekämpft hatte. Das waren Erinnerungen, die in der englischen Luft -wieder aufgewacht waren und ihm manche Einrichtungen der englischen -Bürgerfreiheit als glücklich und nachahmenswert erscheinen ließen. -Auch die <em class="gesperrt">Freihändlerlehre</em> mochte sich dem jungen Deutschen -damals so tief ins Gemüt gesenkt haben, daß er Zeit seines Lebens nie -so recht von ihr loskam, auch hier allerdings später die Theorie den -Zweckmäßigkeitsgründen seiner besonderen Interessensphäre anpassend.</p> - -<p>Nun machte Emil Rathenau zum ersten Mal den Versuch, seßhaft zu werden -und sich eine Position zu schaffen, wie sie den Augen der Familie -wohlgefiel. Ein wohlsituierter Bürger und tüchtiger Fabrikbesitzer, -das war das Ziel, das den Eltern vorschwebte und das sich immerhin um -eine wesentliche Spielart von den Lebens- und Wirtschaftsbedingungen -unterschied, die sonst in den damaligen jüdischen Kreisen Berlins -und Deutschlands üblich waren. In der Industrie hatten die jüdischen -Kaufleute damals erst in geringem Umfange Fuß gefaßt. Handel und Finanz -waren noch ausgesprochener als heute die Hauptgebiete ihrer Betätigung, -und die kombinierten, großkapitalistischen und großgewerblichen -Methoden, durch die sie späterhin den Übergang auch in die Industrie -fanden, erschienen damals noch wenig ausgebildet. Allerdings -fehlte es nicht an Ausnahmen. Der Stern des industriellen Gründers -Strousberg, der allerdings durch eine Welt von dem soliden deut<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span>schen -Industrietypus geschieden war, stand damals noch im Zenith. In Berlin -waren es gerade Rathenaus Verwandte, die Liebermanns und Reichenheims, -die als Industrielle sich bereits einen soliden Reichtum und ein -großes bürgerliches Ansehen geschaffen hatten. Mitglieder der Familie -Liebermann besaßen neben der schon erwähnten Wilhelmshütte in Sprottau -eine bedeutende Tuchweberei, die Familie Reichenheim gleichfalls -eine blühende Textilfabrik im schlesischen Wüste-Giersdorf. Auch die -noch jetzt als Aktiengesellschaft bestehende Textil-Firma Anton und -Alfred Lehmann befand sich im Besitz von Verwandten Rathenaus. Gerade -diese Beispiele aus der Familie, die sich allerdings nach dem Tode -des Großvaters Liebermann nicht mehr allzuviel um Emil Rathenau und -sein Elternhaus kümmerte, werden dazu beigetragen haben, den jungen -Rathenau der industriellen Laufbahn zuzuführen. Nach der Rückkehr aus -England begab er sich auf die Suche nach einem geeigneten, bereits -bestehenden und eingeführten Unternehmen. Durch Familienbeziehungen -gelangte Rathenau an eine Fabrik, die damals verkäuflich war und auch -den Eltern eine geeignete Grundlage für eine Selbständigkeit zu bieten -schien. Es war die kleine Maschinenfabrik von M. <em class="gesperrt">Webers</em>, die in -der Chausseestraße, dem damaligen Berliner Maschinenfabrikenviertel, -unweit der alten Berliner Anstalten von Schwartzkopf, Borsig, -Wöhlert und Engells gelegen war. Die Fabrik beschäftigte nicht mehr -als 40–50 Arbeiter und betrieb neben dem Bau von Dampfmaschinen -die Herstellung von Einrichtungen für Gas- und Wasserwerke. Auch -Zentrifugalpumpen, Lokomobilen und was sonst zu dem Betrieb einer -damaligen Maschinenfabrik gehörte, wurde gelegentlich hergestellt. -Daneben führte das Unternehmen, gewissermaßen als Monopol, sämtliche -Apparaturen aus, die die Königlichen Theater brauchten. Emil Rathenau -prüfte die Grundlage des Betriebes, von denen die technische trotz -ziemlich primitiver Methoden einen besseren Eindruck machte als die -kaufmännische, und war grundsätzlich zu einem Erwerb bereit. Die -Verfassung, in der sich das Unternehmen damals befand, wurde von ihm -wie folgt geschildert:</p> - -<p>„Aus einem früheren Vergnügungslokal, Bella Vista, war ein -hübsches Wohnhaus mit Vorgarten stehen geblieben, das sich durch -schmuckes Äußeres hervortat; hinter diesem lag die Fabrik in dem -früheren Tanzsaal, der sich als Seitenflügel dem einstöckigen -Wohnhause<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> anschloß; Dampfkessel, wie sie unter bewohnten Räumen -zu jener Zeit zulässig waren, und eine ihrer Größe entsprechende -Dampfmaschine trieben vermittels Wellentransmission die einfachen -Werkzeugmaschinen, wie sie Chemnitzer und Berliner Fabriken -herstellten. Die Fabrik hatte einen guten Ruf. Der spätere Rektor -der technischen Hochschule in Darmstadt hatte als technischer Leiter -die Bügel- und Balanziermaschinen etwas modernisiert und mit einer -Expansionsvorrichtung versehen, die sich recht bewährt hat. Ein -Glockenventil, das auf und mit dem Schieber sich bewegte, wurde von -dem unrunden Konus auf der Spindel des Zentrifugalregulators geöffnet -und geschlossen.“ — Der junge Ingenieur konnte und wollte das -Wagnis, das auch über die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen -Kräfte hinausging, nun allerdings nur in Gemeinschaft mit einem -tüchtigen und gleichgesinnten Kaufmann übernehmen. Für die Fabrik mit -Grundstücksgebäuden und Inventar — dazu gehörte ein großer Garten mit -schönen alten Bäumen — wurden 75000 Taler gefordert und von dem Käufer -eine Anzahlung von einem Drittel dieses Betrages verlangt, über das -Emil Rathenau nur zum Teil verfügte. An Geldmännern, die sich an dem -Geschäft beteiligen wollten, fehlte es nicht. Doch konnte sich Rathenau -nicht zur Wahl eines stillen Teilhabers entschließen. Ein Sozius -fand sich aber bald in der Person des um zwei Jahre jüngeren Julius -<em class="gesperrt">Valentin</em>, den Rathenau als Nachbarkind vom Monbijouplatz und -als jüngeren Schulgenossen vom Grauen Kloster her kannte. Die beiden -jungen Männer trafen sich ganz zufällig. Auf der Straße begegnete -Rathenau einige Zeit nach seiner Rückkehr aus England dem jungen -Valentin, der ihm den Eindruck eines intelligenten, offenen Menschen -machte. Den ersten gegenseitigen Fragen nach dem „Woher“, nach den -Lebensschicksalen beider seit der gemeinsamen Schulzeit, folgte bald -die Frage nach dem „Wohin“, den Plänen für die Zukunft.</p> - -<p>Rathenau erzählte schließlich, daß er etwas Eigenes unternehmen -wolle, auch schon eine bestimmte Sache in Aussicht habe, daß ihm -aber noch der Kaufmann fehle. Auf die Frage, ob er dieser Kaufmann -sein wolle, und ob er sich mit einem bestimmten Kapital beteiligen -könne, bat sich Valentin Bedenkzeit aus, gestand auch ganz offen, -daß er nicht nur über die zu erwerbende Maschinenfabrik, sondern -auch über Rathenau selbst vorher Erkundigungen einziehen müsse. -Einige Tage nachher bat sich Valentin von Rathenau<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span> eine schriftliche -Erklärung aus, daß er ihn zum Sozius bei der Fabrik nehmen wolle. Den -jungen Ingenieur verstimmte diese Vorsicht ganz und gar nicht, sie -gefiel ihm sogar, und man vereinbarte weitere Besprechungen. Diese -fanden statt, und man wurde miteinander einig. Rathenau und Valentin -erwarben gemeinsam die Maschinenfabrik, und der Jugendbekanntschaft -folgte eine enge, fast zehnjährige Geschäftsgenossenschaft und bald -eine herzliche Freundschaft, die auch die geschäftliche Trennung -überdauerte, in manchen späteren gemeinsam geplanten, wenn auch nicht -ausgeführten Projekten ihren Ausdruck fand, und das ganze Privatleben -der beiden trefflich zueinander passenden Männer durchzog. Wenn man -den glaubhaften Schilderungen des in seinem Verhältnis zu Rathenau -selten bescheidenen Valentin folgt, so ist Emil Rathenau schon in der -damaligen gemeinsamen Tätigkeit der führende, aktive und bestimmende -Teil gewesen, während Valentin sich anpaßte und bemüht war, die -Gedanken und Anregungen Rathenaus, so gut ihm das möglich war, -auszuführen. Daß auch Valentin kein gewöhnlicher Mensch gewesen ist, -zeigen die immerhin respektablen Erfolge in seiner späteren eigenen -Tätigkeit. In der Leitung der Maschinenfabrik Webers jedenfalls -vereinigten und ergänzten sich die beiden Charaktere auf das beste, -und es ist vielleicht nie wieder ein äußerlich Gleichgeordneter mit -Rathenau, der im Verkehr mit Menschen als eigenwillig, rücksichtslos, -ja manchmal sogar als hart galt, so gut und glatt ausgekommen wie -Valentin. Dieser rühmt besonders die feine, taktvolle Art, mit der sein -damaliger Sozius bei gemeinsamen Verhandlungen und Beratungen jedes -Pochen auf seine Überlegenheit, jede besserwisserische Art vermied. -„Ja sogar, wenn man Aufklärung, Belehrung bei ihm suchte, hatte man am -Ende den Eindruck, als ob Rathenau, der klar und mit ausgeprägtem Sinn -für das Wesentliche auseinanderzusetzen und zu antworten verstand, als -der Gewinnende, Belehrte und Dankbare aus der Unterhaltung schied.“ -— Ungefähr zu derselben Zeit, als die Maschinenfabrik M. Webers in -den Besitz der beiden Freunde überging, heiratete Rathenau Mathilde -Nachmann, die Tochter eines angesehenen und wohlhabenden Bankiers, und -die Mitgift, die er erhielt, bildete zum Teil die finanzielle Einlage, -die er in die Sozietät mit einbrachte. Mathilde war Emil Rathenau sein -ganzes Leben hindurch eine treue und kluge Lebensgefährtin, die in den -jungen Jahren der ersten<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> kaufmännischen Tätigkeit an den Plänen und -Arbeiten ihres Mannes ihren beratenden Anteil nahm und ihm später in -den Jahren des beschäftigungslosen, manchmal unbefriedigten Suchens -stützend und anspornend zur Seite stand. Als dann das Lebenswerk -Rathenaus auf fester Grundlage errichtet war, die Tätigkeit wuchs, sich -verzweigte und die Tages-, manchmal auch die Nachtstunden des Mannes in -immer zunehmenden Umfange fortnahm, lernte sie sich bescheiden, gerade -weil sie verstand, daß große Männer mehr ihrem Werke als sich und ihren -Nächsten gehören. Sie konnte sich auch bescheiden, weil sie der Liebe -ihres Mannes, <em class="gesperrt">des</em> Teils seines Denkens und Fühlens, der dem -Menschen und Privatmann verblieb, stets sicher war und stets sicher -sein durfte. So wenig Emil Rathenau für seine Familie im weiteren Sinne -übrig hatte, so innig war er mit seiner engsten Familie verwachsen, so -selbstverständlich fest war sein Familienzusammengehörigkeitsgefühl mit -seinen nächsten Angehörigen. Unzertrennbar wie er den Eltern, besonders -der Mutter anhing, fühlte er sich auch Frau und Kindern verbunden. -Dieses Bewußtsein linderte auch in den späteren Jahren die Klage der -Lebensgefährtin, daß sie von ihrem Manne so wenig hätte, und „es kaum -so viele Romane gäbe, wie sie in ihren einsamen Stunden lesen müßte.“ -Daß an eine ins Einzelne gehende Teilnahme der Gattin an der Arbeit des -Gatten in späteren Jahren in der Rathenauschen Ehe gar nicht mehr zu -denken war, erscheint bei der Größe, dem Umfange und der Vielseitigkeit -dieser Arbeit nicht verwunderlich. Auch die aktiengesellschaftliche -Form und die strenge Scheidung, die Rathenau — wie wir noch später -sehen werden — zwischen seinen eigenen Vermögensinteressen und denen -der Aktiengesellschaft stets wahrte, ließ eine enge Fühlungnahme -der Gattin mit den Geschäften des Gatten, zu der Mathilde Rathenau -an sich durchaus fähig gewesen wäre, nicht entstehen. Wie weit ihre -Geschäftsfremdheit in späteren Jahren gegangen ist, zeigt ein Vorfall, -den mir Rathenau einmal persönlich erzählt hat. Die A. E. G. hatte -seit einiger Zeit die Herstellung der lichtstarken und stromsparenden -Metallfadenlampen aufgenommen und dafür eine große geschäftliche -Propaganda entfaltet. In seiner eigenen Wohnung am Schiffbauerdamm -brannten aber noch ganz gemütlich die altmodischen Kohlenfadenlampen, -bis eines Abends Frau Mathilde einmal den Gatten fragte: „Sag mal, -Emil, Ihr macht doch jetzt in den Zeitungen<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span> so viel für eine neue -Lampe Reklame. Können wir die nicht auch bei uns einführen?“ — Dieser -Vorfall, der zugleich für die völlige Gleichgültigkeit kennzeichnend -ist, mit der Emil Rathenau immer nur das Allgemeine, nie das Spezielle -sehend, sein Privatleben wenigstens in äußeren Dingen behandelte, kann -gegen den tiefen inneren Ernst, mit dem Rathenau die Ehe — allerdings -weitab von jeder modernen Emanzipation — ansah und behandelte, nicht -das geringste besagen. Frau Mathilde wird diesen Vorfall wahrscheinlich -ebenso von der gemütlichen, humoristischen Seite genommen haben, wie -die harmlose Galanterie, die ihr Mann, besonders auf Reisen — und zwar -je älter er wurde, umso mehr — jungen oder klugen Damen, mit denen -er gern und gut plauderte, entgegengebracht hat. Wußte sie doch, daß -dabei keine Spur von Erotik, sondern nur angeborene Ritterlichkeit -dem weiblichen Geschlechte gegenüber mitspielte, die diesem innerlich -keuschen, jeder groben Sinnlichkeit abholden Manne stets eigen war, -eine Ritterlichkeit, die er der Gattin selbst stets entgegengebracht -hatte.</p> - -<p>Aber kehren wir wieder zu dem jungen Rathenau und seiner -Maschinenfabrik zurück. Kurz nach ihm hatte auch der Sozius Valentin -geheiratet, und die beiden Familien wohnten nun in dem der Fabrik -vorgelagerten Wohnhause in der Chausseestraße, einträchtig beisammen. -Abends nach getaner Arbeit zogen die beiden Ehepaare nicht selten -gemeinsam in das Stadtinnere, nach der Friedrichstadt, wo es damals -noch an jeder Kanalisation fehlte und die Abwässer in offenen -Rinnsteinen, an den Straßenübergängen nur von Bohlen überdeckt, sich -ihren Weg suchten, an warmen Sommerabenden einen wenig angenehmen Duft -verbreitend. Die baulichen und hygienischen Verhältnisse ließen auch -in der Zeit, als Berlin schon Reichshauptstadt geworden war, noch -viel zu wünschen übrig. Die Einführung der Gasbeleuchtung hatte die -wenig fortgeschrittene Kommunalverwaltung zunächst einer englischen -Gesellschaft überlassen, die Gründung des ersten öffentlichen -Schlachthofes und der ersten Markthalle durch Strousberg betrachtete -man mit Mißtrauen und suchte ihr, statt sie zu unterstützen, allerlei -kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen. Rathenau, der ja die damals -viel besseren Verhältnisse in englischen Großstädten kannte, empfand -die Rückständigkeit der Vaterstadt schmerzlich, und auf den gemeinsamen -Abendspaziergängen entwarf er, dessen Hirn stets voll<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span> von Plänen -steckte und dem besonders beim Sprechen die Projekte nur so zudrängten, -nicht selten kühne und großzügige Modernisierungsvorschläge.</p> - -<p>Die Tätigkeit Rathenaus in der Maschinenfabrik M. Webers dauerte fast -10 Jahre. Als die beiden Freunde die Leitung übernahmen, verstanden sie -von dem Fabrikbetriebe, wie Rathenau selbst zugab, wenig oder nichts. -Der alte Webers hatte einen Buchhalter hinterlassen, der Valentin -in die Mysterien der einfachen kaufmännischen Tätigkeit einweihte. -Rathenau glaubte eine ähnliche Stütze in dem Ingenieur zu finden, der -den technischen Arbeiten in Bureau und Werkstatt vorgestanden hatte. -Dieser Mann, verstimmt darüber, daß sein früherer Chef das Anwesen -verkauft hatte, ohne ihn zu fragen, ob er selbst darauf reflektiere, -zog sich aus dem Geschäft zurück, um eine eigene Fabrik zu begründen -und Emil Rathenau war somit allein auf sich selbst angewiesen. Der -wichtigste Gegenstand bei seinem Eintritt war die Herstellung des -Schiffes für Meyerbeers Oper „Die Afrikanerin“, die von dem Königlichen -Opernhaus damals vorbereitet wurde. Rathenaus Interesse für derartige -Theaterarbeiten war gering. Weder die Bühne noch die Balletteusen, -für deren Gruppendarstellungen er schmiedeeiserne Konstruktionen -auszuführen hatte, übten eine Anziehungskraft auf ihn aus. Zu dem -Programm des Unternehmens gehörten, wie wir schon gesehen haben, außer -Dampfmaschinen von nicht erheblicher Größe, Apparate für Gasanstalten -und Wasserwerke, wie sie in den beschränkten Werkstätten und mit den -vorhandenen einfachen Hilfsmaschinen ausgeführt werden konnten. Auch -Schieber von den kleinsten bis zu den größten Abmessungen bildeten eine -lohnende Spezialität. Über die technischen Zustände, die Rathenau in -der Fabrik vorfand, und über die Versuche, sie auf eine höhere Stufe zu -heben, lassen wir ihn am besten wieder selbst berichten:</p> - -<p>„Während Aufträge auf gewisse Gegenstände ohne Mühe und regelmäßig -einliefen und die listenmäßigen Preise ohne Feilschen erzielten, -schwankten die Bestellungen auf Dampfmaschinen, und diese Schwankungen -erschwerten den geordneten Werkstattbetrieb. Brauchbare und -leistungsfähige Arbeiter lassen sich nur erziehen, wenn sie die -Überzeugung gewinnen, daß ihre Beschäftigung eine dauernde ist und -das Unternehmen im Aufblühen sich befindet, denn mit dem Wachsen der -Bestellungen nimmt auch ihr Verdienst zu.<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span> Der Bau von Dampfmaschinen -nach Preislisten, wie viele amerikanische Fabriken ihn später -aufgenommen haben, lag zuerst in meiner Absicht, aber ich sah bald, daß -jeder Kunde neue Wünsche äußerte und die von mir festgelegten Typen -diesen nicht entsprachen. Lag die fertige Maschine rechts, wünschte -man das Spiegelbild, war das Schwungrad als Riemscheibe ausgebildet, -forderte man besondere Scheiben, befand sich die Kondensation hinter -dem Dampfzylinder, legte man Wert auf den Antrieb der Luftpumpe von -der Kurbel usw. Unter solchen Umständen beschloß ich eine neue Type -zu schaffen, in der Hoffnung, daß mit derselben die Kritik aufhören -würde, und in dieser Erwartung habe ich mich nicht getäuscht, denn -viele hundert Maschinen von 1 PS bis zu ansehnlichen Leistungen wurden -ohne Änderungen der Modelle ausgeführt und verkauft; freilich sorgte -ich stets, daß sie auf der Höhe der Technik verblieben. Diese Maschinen -nannte ich zum Unterschiede von Lokomobilen auf Rädern transportable -Dampfmaschinen. Sie bildeten ein in sich abgeschlossenes Ganze. Die -vertikale Maschine war mit ihrer Grundplatte an dem sauber gearbeiteten -stehenden Dampfkessel befestigt; die einfache Feuerbüchse erhielt -durch herabhängende (Fieldsche) Röhren genügende Heizfläche, und die -aufsteigenden Rauchgase wurden durch eine mit feuerfestem Material -bekleidete Eisenwand abwärts und dann in den Schornstein geführt. -Die Montage der Maschinen nahm geringe Zeit in Anspruch, sie konnten -in tadelloser Ausführung fast immer sogleich vom Lager oder aus -den Werkstätten geliefert werden, hatten einen ganz befriedigenden -ökonomischen Effekt und so viele Vorzüge vor stationären Maschinen -mit schwerfälligen Kesselanlagen, Einmauerungen, Schornsteinen usw., -daß die Firma sich bald eines Rufes erfreute und die Fabrikate über -die ganze Welt absetzte. Weitere Spezialfabrikationen bauten sich auf -direkt gesteuerten Dampfpumpen auf, die die Schwungradpumpen allmählich -ersetzten, auf Zentrifugalpumpen, darunter solche für Hochdruck und -direkten Dampfmaschinenantrieb, auf Ejektoren für Kondensationszwecke -und dergleichen, während Dampfmaschinen und Dampfkessel in allen -Größen, wie sie damals üblich waren, auf besondere Bestellung gebaut -wurden. Es muß hier bemerkt werden, daß der schöne Garten modernen -Werkstätten für Kessel- und Maschinenbau inzwischen Platz gemacht und -Umsatz sowie Arbeiterzahl mit jedem Jahre sich vermehrt hatten. Außer -den laufenden<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> Bestellungen betätigten wir uns in Konstruktionen für -das Heer und die Marine.</p> - -<p>Die Firma Siemens & Halske hatte uns den Auftrag zur Herstellung einer -10 PS transportablen Dampfmaschine erteilt, die auf Rädern dergestalt -hergestellt war, daß Dampfkessel und Maschinen auf der Hinterachse, -Dynamo- und Erregermaschine auf einem leichten schmiedeeisernen -Gestell ruhten. Der Betrieb erfolgte mittels Riemen. Die Versuche mit -Scheinwerfern wurden entweder auf dem Tegeler Schießplatze oder der -damals unbebauten Genthinerstraße, wo die Bureaus des Ingenieurkomitees -sich befanden, wie ich meine, mit befriedigendem Erfolge ausgeführt.</p> - -<p>An ersterer Stelle hatten wir bereits größere Leistungen aufgewiesen. -Unter Leitung eines sehr befähigten, damals als Hauptmann fungierenden -Offiziers hatten wir einen drehbaren Panzerturm für zwei 50 -cm-Geschütze erbaut; die Panzerplatten waren so schwer, wie sie die -englische Firma damals walzen konnte, umgaben aber hauptsächlich -<em class="gesperrt">den</em> Teil des Turmes, in dem die Minimalscharten sich befanden, -während der übrige Teil des Ringes aus sehr starken Flächen und die -gewölbte Kalotte aus einer Doppellage von diesen gebildet wurde. Die -Drehung des solid und genial konstruierten Turmes erfolgte durch das -Gewicht von Artilleristen mittelst Hebel und Tritte vorwärts und -rückwärts in mäßigem Tempo. Fast eine Kunst war die Auswechslung der -schweren und langen Geschützröhren in dem niedrigen Turm; ohne Kräne -und Winden mußte sie in wenigen Stunden erfolgen. Diese Röhren wurden -in Eisenblechlafetten durch zwei voneinander unabhängige Vorrichtungen -so bewegt, daß der ideelle Drehpunkt in der Schießscharte verblieb und -diese auf ein Minimum reduziert werden konnte.</p> - -<p>Die Mannschaft wurde allmählich mit den Manipulationen so vollkommen -vertraut, daß es eine Freude war, die schwierigen Exerzitien zu -beobachten. Welche Einfachheit der Übungen im Vergleich zu den -heutigen Manövern, bei welchen alle Neuerungen der modernen Technik -zur Anwendung gebracht sind! Über die zahlreichen Feldbefestigungen, -die wir ausführten, gehe ich hinweg zu dem Barackenlager, das in Tegel -errichtet, vorher aber in einem Exemplar in unserer Fabrik aufgestellt -wurde. Gebogene I-Eisen, durch einen Ring zu einer Kuppel vereinigt und -mit einem halben Stein ausgewölbt, bildeten hohe, luftige Wohnräume -für etwa je 16<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span> Mann; kleinere Baracken waren für Offiziere, Küchen, -Latrinen usw. bestimmt. Bei Ausbruch des französischen Krieges hatte -das für eine Kompagnie in Tegel bestimmte Lager die Aufmerksamkeit -auf sich gelenkt, und der damalige Direktor der Charité Esse, Virchow -und andere Zelebritäten bestürmten uns, zwei solcher Baracken, für -die das Material noch vorhanden war, in dem Königin Augusta-Hospital -zu errichten. Acht Damen, darunter meine Frau, übernahmen die Pflege -der Verwundeten, deren Lob und Dank sie erwarben. Die hohe Protektorin -wünschte mir als Urheber des zeitgemäßen Gedankens und seiner -Verwirklichung ihre Anerkennung persönlich auszusprechen, aber die -Auszeichnungen, die meine Frau erfuhr, schienen mir eine ausreichende -Belohnung für die zur Befriedigung meiner patriotischen Gesinnung -bewirkte Leistung.</p> - -<p>Als die Kriegserklärung erfolgte, stand das Geschäft plötzlich still, -der Gütertransport auf den Bahnen hatte aufgehört, die besten Arbeiter -waren zu den Fahnen berufen, Aufträge liefen nicht mehr ein, und -niemand wußte, welche Ausdehnung der Zustand nehmen würde. Da erhielten -wir die Anfrage, ob wir Minentorpedos anfertigen könnten. Die anderen -Berliner Fabriken hatten es abgelehnt, sich auf die Herstellung -der völlig neuen und von unseren Fabrikaten gänzlich verschiedenen -Konstruktionen einzulassen, und so erhielten wir den großen Auftrag -zu den von uns auskömmlich berechneten Preisen. Das Material wurde -auf Requisitionsschein herbeigeschafft, und die mit der Fabrikation -beschäftigten Beamten, wie ich selbst, von der Dienstpflicht im Heere -befreit. In kurzer Zeit waren Werkstätten und Höfe für den neuen -Zweck eingerichtet. Verzinkereien angelegt, große Feuer zum Biegen -der Bleche gebaut und Drehbänke für Herstellung der Schrauben und -Zünder angeschafft. Die ungewohnte Arbeit ging anfänglich schwer -vonstatten; es fehlte an guten Holzkohlenblechen, die die unsanfte -Behandlung vertrugen, und auch die Dichtung ließ zu wünschen übrig. -Allmählich lernten wir und unsere Arbeiter jedoch die Behandlung, und -jeder Torpedo wurde anstandslos abgenommen. Als die Konkurrenz sah, -wie immer neue Arbeiter von uns eingestellt wurden, die sie aus Mangel -an Beschäftigung entlassen mußten, bewarben auch sie sich um diese -Aufträge und erhielten sie, da unsere Leistungen erschöpft waren. Aber -die höheren Preise, die man ihnen zugebilligt hatte, wurden uns nicht -nur für die noch in Ausführung und Bestellung<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> gegebenen, sondern -auch für die bereits abgelieferten Torpedos in einem schmeichelhaften -Schreiben über unsere Leistungen gewährt.</p> - -<p>So beschlossen wir, unsere Fabrikation beträchtlich zu erweitern. Die -Kesselschmiede wurde damals in Berlin noch recht primitiv betrieben. -Bei Arbeiten aus dünnen Blechen, wie bei Gasbehältern, erhielten wir -kaum die Auslagen für Material und Lohn ersetzt, wie wir zuletzt beim -Bau in Nauen zu unserem Bedauern erfahren hatten, und nicht viel -besser erging es bei Dampfkesseln, Brücken, Dächern, Trägern usw., -die nach Gewicht geliefert und verrechnet wurden. Die einzige Hilfe, -uns aus dieser üblen Lage zu befreien, war auch in diesem Zweig die -Aufnahme von Spezialfabrikaten, denn die Herstellung der Torpedos -hatte gezeigt, daß wir billig zu arbeiten in der Lage waren. Da mit -feinerem Material auch die Arbeit sich verbessern mußte, nahmen -wir den Bau von Stahlkesseln auf, die zwar neue Konstruktionen und -Einrichtungen erforderten, aber auch bessere Verkaufspreise erzielten, -da wir mit Preisunterbietungen seitens der Konkurrenz nicht mehr -zu rechnen brauchten. Auch hier zahlten wir Lehrgeld; denn als ich -in den Weihnachtsfeiertagen durch die Kesselschmiede ging und die -Arbeiten betrachtete, sah ich, daß an verschiedenen Bördelungen der -Feuerröhren infolge mangelhaften Materials Längsrisse entstanden waren. -Der Fabrikant der Bleche schob die Schuld von sich auf nicht genügend -langsame Abkühlung nach dem Biegen der Flansche, ich vermutete die -Ursache in der Unzuverlässigkeit des Materials und überlegte, ob es -nicht geraten sei, die weitere Fabrikation solange zu sistieren, bis -Erfahrungen aus dem Betriebe vorlägen. Seit länger als 30 Jahren ist -der von mir gefertigte Stahlkessel im Betriebe einer Tuchfabrik, und -der Besitzer ist seines Lobes voll.</p> - -<p>Eine andere von mir eingeführte Fabrikation hat sich seit meiner -Zeit zu außerordentlicher Höhe entfaltet: die Verarbeitung von -Wellblechen. In der Fabrik für Eisenbahnbedarf von Pflug erbaute ich -zwei freitragende Dächer aus Wellblech von erheblicher Spannweite über -der großen Schmiede. Interessant ist, daß gerade auf diesem Grundstücke -die A. E. G. etwa zehn Jahre später ihre erste Fabrikationsstätte -errichtet hat. Indem ich jener Fabrik gedenke, erinnere ich mich, daß -nicht nur die ersten Dampfheizungen in den Waggons unter den Sitzen -der Reisenden, sondern auch Niederdruck-Wasserheizungen in Wohnhäusern -von mir ausgeführt sind:<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> sie bewiesen, daß man ideale Behaglichkeit -erreichen kann, wenn man die Kosten der Anlage nicht spart. — -Kompressoren wurden gebaut, um Gefäße mit komprimierter Luft zu füllen, -mit der die Soldaten in langen Minengängen sich ernährten. Sie trugen -die kurzen Röhren über den Tornistern auf dem Rücken und konnten -dadurch ihre Arme frei bewegen. Erwähnenswert ist auch die Herstellung -einer <em class="gesperrt">Dampfturbine</em>. Sie bestand aus zwei miteinander verbundenen -Scheiben, die, durch dünne Zwischenlagen voneinander getrennt, den -Dampf von der Mitte nach dem Umfang durch Schaufeln ausströmen ließen, -die in den Zwischenlagen ausgespart waren. Die Querschnitte der -Aktionsturbinen erweiterten sich der Expansion des Dampfes entsprechend -nach dem Umfang zu, und dieser strömte durch die hohle Welle in das -Rad, das in einem Gebäude rotierte, um den Auspuff in die Atmosphäre zu -leiten. Bei der geringen Heizfläche der stehenden Dampfkessel und der -wenig ökonomischen Wirkung war es immer nur minutenweise möglich, die -Turbine im Leerlauf zu erhalten, und die Versuche wurden aufgegeben. -Hätte man die Geschwindigkeit zu steigern, Kondensation anzuwenden und -die erzeugte Arbeit auf die noch wenig bekannten Dynamos zu übertragen -verstanden, die Fortsetzung der Versuche wäre beim Übergang von -Aktions- zu Reaktionsrädern vielleicht von Erfolg gekrönt worden.“</p> - -<p>Diese Schilderung zeigt, daß alles von Rathenau damals an Neuerungen -Versuchte, zwar im einzelnen ganz schöne Erfolge brachte, aber doch den -Rahmen für eine großzügige Erweiterung oder gar für eine grundlegende -Umgestaltung des im ganzen primitiven Betriebes nicht abgeben konnte. -Über die Grenzen, die der damaligen Maschinen-Industrie in Deutschland -noch gesetzt waren, fand sich das Unternehmen nicht hinaus. Es gab in -der Maschinenfabrikation jener Zeiten bestimmte Typen, an denen zwar -hier und da kleinere oder größere Verbesserungen angebracht wurden, -die aber doch im großen und ganzen ziemlich festlagen. Bahnbrechende -Erfindungen wurden nicht gemacht, für großzügige Experimente wurde -nicht viel Geld ausgegeben. Emil Rathenau, der noch mit einem anderen -Ingenieur den ganzen technischen Stab der Maschinenfabrik bildete, -saß in jener Zeit fleißig am Reißbrett und betätigte sich, ohne schon -eine Spur seiner späteren schöpferischen Kaufmannsbegabung erkennen -zu lassen, hauptsächlich als Konstrukteur.<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span> Mit dem, was sich mit -den Mitteln seiner Fabrik verwirklichen ließ, war er innerlich nicht -zufrieden. Damals durchgrübelte er in den freien Stunden, die ihm -der nicht überhastete Betrieb ließ, bereits die Möglichkeiten des -Maschinenbaus, und Ideen, die später in der Hochdruck-Zentrifugalpumpe -und der Dampfturbine ihre Verwirklichung fanden, fühlte und dachte er -schon bis an die Schwelle ihrer Konstruierbarkeit problematisch vor. -Zum großen Konstrukteur fehlte ihm weder die technische Phantasie -noch die intime Kenntnis der maschinellen Praxis, aber wohl das -breite Zwischengebiet, das zwischen diesen beiden Exponenten liegt. -Er hatte das Gefühl dafür, welche Erfindung nottat, und wußte wohl -auch die Richtung ungefähr zu treffen, in der sie zu gewinnen -war. Er verstand es auch trefflich, die vielen kleinen und großen -Hindernisse zu beseitigen, die auf dem Wege von der prinzipiell -gelungenen Konstruktion bis zu ihrem glatten und geschäftlich -rationellem Funktionieren in der Praxis wie Steingeröll auf einer schon -tracierten, aber noch nicht applanierten Chaussee zu liegen pflegen. -Aber die Chaussee zu bauen vermochte er nicht. Dazu fehlte es seinem -technischen Sinn an gleichmäßiger Kraft, seiner Arbeit an Freiheit und -Selbständigkeit. Darunter scheinen auch seine konstruktiven Versuche in -der Maschinenfabrik gelitten zu haben. Gänzlich neue Gebilde vermochte -er nicht zu schaffen. Damals bemächtigte sich seiner zeitweilig sogar -eine gewisse Resignation hinsichtlich der Entwickelungsfähigkeit -des Maschinenbaus überhaupt, und seinem Sozius klagte er in der -beginnenden Stimmung des Überdrusses an dem ewigen Kreislauf des -kleinen Betriebes, daß die Kolbendampfmaschine in allem Großen und -Wesentlichen wohl für alle Zeiten festgelegt sei, und an ihr höchstens -mittlere und kleine Verbesserungen noch erreicht werden konnten. -Es war schon nach einigen Jahren ersichtlich, daß die Tätigkeit in -der Maschinenfabrik dem ruhelos schweifenden Geist Rathenaus, der -Entwickelungsfeld, Weite und die Möglichkeit des vollen Schaffens vor -sich sehen mußte, keine dauernde Befriedigung zu bieten vermochte. -Wäre Emil Rathenau eine Durchschnittsnatur gewesen, ein Mensch, dem -es genügt hätte, einen guten und entwickelungsfähigen Wohlstand zu -gründen, so würde er in der Chausseestraße zufrieden geblieben sein, -mit der Aussicht, es vielleicht allmählich zu einer Position zu -bringen, wie sie seine Verwandten Liebermann sich geschaffen hatten. -Das Gefühl und der<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> Wert des Erwerbens und Besitzens haben aber -Rathenau in seiner Handlungsweise nie geleitet. Gelderwerb war ihm eine -Begleiterscheinung der Arbeit und ein äußeres Zeichen für ihren Erfolg. -Persönlich bedürfnislos, ohne Sinn für Wohlleben und Luxus, auch in -der Zeit des Reichtums noch dem Geld mit kleinbürgerlichen Gefühlen -gegenüberstehend, so ist er allezeit geblieben. Nur die Seligkeit des -Schaffens war es, die ihn beflügelte und befriedigte. Seinem Werke -diente er, weil er in dem Werke und mit ihm wachsen, sich ausleben -konnte, nicht weil er durch Geld genießen und Macht üben wollte. Es -ist kein Wunder, daß einen so gearteten Menschen nach wenigen Jahren -ruhigen Wirkens im gemäßigten Klima Überdruß und Unrast überfielen. -Nicht lange vermochte er sie sich und den Seinen zu verbergen. „Lassen -Sie mich heraus,“ bat er den Sozius, Valentin. „Behalten Sie mein Geld -im Geschäft, ich will keinen Pfennig heraushaben.“ — „Aber warum -wollen Sie unser gutes Unternehmen, unsere harmonische Zusammenarbeit -im Stich lassen?“ fragte bekümmert der Freund. „Ich finde darin -keine Zukunft für mich, ich komme mir auch manchmal unseren Kunden -gegenüber wie ein Betrüger vor. Unsere heutigen Maschinen verbrauchen -viel mehr Kohlen, als sie dürften. Die Abnehmer rügen es nicht, aber -gerade deswegen drückt es mich. Gewiß sind unsere Fabrikate nicht -schlechter als die anderer Firmen. Das ganze Niveau ist zu niedrig. Es -müßte gehoben werden, aber in einer Fabrik wie unserer, mit unseren -Mitteln muß ich daran verzweifeln, es heben zu können.“ So sprach -Rathenau, zuerst aus vorübergehenden Stimmungen heraus, die Valentin -zurückzudrängen versuchte. „Ich will Ihre Stimmungen und Verstimmungen -nicht benutzen, um mich zu bereichern. Wenn Sie aus der Firma -herausgehen, bleibe auch ich nicht. Dann liquidieren wir eben oder -verkaufen die Fabrik gemeinsam.“ Der Gedanke, den Sozius und Freund -der ihm lieb gewordenen Unternehmung zu entziehen, hielt Rathenau dann -wieder eine Zeitlang von seinem Vorhaben zurück. Aber die Stimmungen -wurden immer düsterer, die Klagen immer dringlicher. „Es ist die -typische Veränderungssucht der Rathenaus, ihr Mangel an Sitzfleisch,“ -so urteilte vielleicht die Familie über die Nöte des schwer ringenden -Mannes. Wer mochte ihn damals verstanden haben? — Nach dem Kriege -von 1870/71 schien ein Ausweg zu winken. Ein großer Auftrag der -Militärverwaltung auf Umarbeitung von 800000 Gewehren<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> sollte vergeben -werden. Rathenau gibt von dem Vorgang folgende Schilderung:</p> - -<p>„Während der Torpedoauftrag zu Ende ging, erfuhr ich, daß man in -den Spandauer Gewehrfabriken sich mit Umänderung der Visiere auf -den eroberten Chassepotgewehren herumquälte und gern Offerten der -Privatindustrie entgegennehmen würde. Ich begab mich unverweilt in -das Bureau des Dezernenten und führte aus, daß die Umänderungen mit -den hier üblichen Mitteln kostspielig und zeitraubend seien, daß -ich mit modernen amerikanischen Millingmaschinen die Arbeit, deren -Selbstkosten in Spandau ich auf fünf Taler schätzte, für ebensoviel -Mark liefern würde. Der alte General hielt mich zuerst für einen -Hochstapler oder Wahnsinnigen, wie ich aus seinen Fragen und Mienen -sah, im weiteren Verlauf der Unterhaltung gewann er indessen die -Überzeugung, daß meine Offerte Ernst sei, als ich als Garantie für -die Erfüllung meiner Verpflichtungen eine imposante Summe (300000 -Taler) bei einer ersten hiesigen Bank zu hinterlegen mich erbot. -Obwohl ich keine Zusage erhielt, daß der Auftrag an uns zur Vergebung -gelangen würde, veranlaßte ich einen Freund, der die Fabrikation -der oben bezeichneten Maschinen durch seine Tätigkeit in Amerika -genau kennen gelernt hatte, schleunigst nach den Vereinigten Staaten -abzureisen und sich zu vergewissern, in welcher kürzesten Zeit der -ausgedehnte Maschinenpark zu beschaffen sei. Ein Probevisier hatte -er mitgenommen, und bald erhielt ich ein Kabeltelegramm, daß ein -großer Teil der Werkzeuge und Maschinen in vier Monaten, der Rest in -gewissen, näher bezeichneten Perioden zur Verladung gelangen würde. Mit -diesem Telegramm begab ich mich nach der Zimmerstraße in das Bureau -des Dezernenten, der fast sprachlos war, als ich auf seine Fragen die -Absendung meines Delegierten kurz und bündig schilderte. Er hätte mir -weder einen Auftrag erteilt, noch in sichere Aussicht gestellt, meine -Handlungsweise sei nicht zu rechtfertigen; als ich ihm entgegenhielt, -daß die Arbeit in kürzester Zeit vollendet werden müsse, daß weder -die Königlichen Fabriken noch ein Dritter hierzu in der Lage seien, -daß mit den alten Werkzeugmaschinen präzise Arbeit nicht hergestellt -werden könne und meine Mittel mir gestatteten, für die Möglichkeit, -eine große Bestellung zu erlangen, eine Summe zu opfern, beruhigte -sich der alte Herr und entließ mich mit dem Versprechen, die Offerte -wohlwollend zu prüfen. Als<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span> wir am Weihnachtsheiligabend desselben -Jahres unsere Kinder unter dem Baum zu bescheren gerade im Begriff -waren, meldete sich der Adjutant des Generals mit dem Auftrage, uns zu -befragen, ob wir den geforderten Preis für Änderung von 800000 Visieren -um 50 Pfg. das Stück zu reduzieren geneigt seien; in diesem Falle würde -der Auftrag uns, sonst aber der inzwischen aufgetauchten Konkurrenz -erteilt werden. Ohne lange Überlegung lehnten wir den Vorschlag ab, -nicht weil wir an einen ernsten Wettbewerb glaubten, sondern weil nach -Lage der Dinge diese Behandlung uns nicht fair erschien. Der Konkurrent -ging, wie vorauszusehen war, bei der Arbeit zugrunde, denn er hatte -weder die Mittel, die neuen Arbeitsmethoden einzuführen, noch kannte -er diese. Sein Untergang war die Erweckung der Nähmaschinenfabrik von -<em class="gesperrt">Ludwig Loewe & Co.</em>, die bis dahin Erfolge nicht aufzuweisen -gehabt hatte. Nach meinen Kalkulationen sind an diesem Auftrage mehrere -Millionen verdient worden, aber wichtiger als der einmalige Gewinn war -die hierdurch herbeigeführte Annäherung an die Firma Pratt, Whitney -& Co. in Hartford, Conn., deren Maschinen- und Werkzeugbau Loewe an -Stelle der unlohnenden Nähmaschinen aufnahm und hiermit das Verdienst -erwarb, den amerikanischen Machine tools eine würdige Stätte in unserem -Vaterlande zu bereiten.“</p> - -<p>Das Fehlschlagen dieses Geschäfts bedeutete aber für die -Maschinenfabrik Rathenaus nicht nur einen entgangenen Gewinn und eine -entgangene Entwicklungsmöglichkeit, sondern brachte auch einen — -wenn auch nicht allzu schweren — Geldverlust mit sich. Im Vertrauen -auf das erwartete Geschäft, an dessen Zustandekommen die Sozien -nicht zweifelten, hatten sie zur Aufbringung der erforderlichen -beträchtlichen Kapitalien einen stillen Teilhaber aufgenommen oder -doch mit ihm einen Vertrag abgeschlossen, nach dem er einen Betrag von -600000 Mark einbringen sollte. Nachdem das Geschäft sich zerschlagen -hatte, mußte dieser Vertrag gelöst werden, wobei dem Kapitalisten eine -Abstandssumme von 20000 Mark zu zahlen war. Die Frage, ob Rathenau dem -Unternehmen treu geblieben sein würde, wenn es durch den großen Auftrag -der Militärverwaltung auf eine verbreiterte, und vielleicht wesentlich -veränderte Grundlage gestellt worden wäre, ist schwer zu beantworten. -Auch auf dem Gebiet der Waffen- und Werkzeugmaschinen-Industrie waren -große Entwickelungsmöglichkeiten vorhanden, wie ja der<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> Werdegang der -Löweschen Fabrik zeigte, die später einen ganzen Kranz gewaltiger -Unternehmungen der Waffen- und Munitionsindustrie, ihrer Hilfs- und -Nebengewerbe und der Werkzeugmaschinenfabrikation um sich gruppiert -hat. Hinter dem großartigen und vielgestaltigen Sonnensystem der A. E. -G. mit seinen Ausstrahlungen nach allen Seiten und Himmelsrichtungen -bleibt die beschränkte Spezialfabrikation des „Waffenkonzerns“ -aber nicht nur an Umfang, sondern auch an Fülle der Formen und -Gestaltungen, an Möglichkeiten zur Betätigung des kaufmännischen -Ingeniums und des industriellen Schaffenswillens so weit zurück, -daß sie fast einförmig erscheint. Ob einen Emil Rathenau, dem der -Formenreichtum und die gewaltigen Maße der A. E. G. kaum genügten, -dessen Phantasie den Wundern der Elektrizität himmelhoch nachfliegen -durfte, die nüchterne Klein- und Präzisionskunst der Waffenindustrie -und der Drehbänke dauernd gefesselt hätte, will mir nicht sonderlich -glaubhaft erscheinen. Für die Entwickelung der deutschen Industrie -ist es jedenfalls gut gewesen, daß Emil Rathenau als 33jähriger eine -Enttäuschung bei einem kleineren Werke erlebte, um für größere Aufgaben -freizubleiben, zu denen er erst als Reiferer mit 43 Jahren gelangen -sollte.</p> - -<p>Den Jahren der gewerblichen Beschäftigungslosigkeit und der -Kriegsdepression, in denen Rathenau und Valentin, um ihrer Fabrik -überhaupt eine größere Arbeit zuzuführen, dem ihnen an sich fremden -Auftrag aus dem Gebiet der Waffenindustrie nachgegangen waren, folgte -bald die <em class="gesperrt">Gründerperiode</em> mit ihrem Überschwung, ihren stürmischen -Hoffnungen und schweren Enttäuschungen. An alledem sollte auch die -Webers’sche Maschinenfabrik Anteil haben. Die Inhaber entschlossen -sich, da die Räume in der Chausseestraße eine Vergrößerung, wie -sie diese planten, nicht zuließen, eine neue Fabrik nach modernen -Grundsätzen auf billigem Gelände in der Nähe der Stadt zu errichten. -Sie erwarben einen geeigneten Komplex von großer Ausdehnung in -Martinikenfelde für 70000 Taler. Der Plan war großzügig angelegt. An -den beiden gegenüberliegenden Straßenfronten lagen nach Martinikenfelde -zu die mächtige Eisengießerei, an der Huttenstraße die ihr an Größe -entsprechende Modellierwerkstatt und Dreherei und zwischen ihnen auf -der westlichen Seite Schmiede und Kesselschmiede. Im Mittelpunkte -befand sich die zentrale Dampferzeugungsstation, die alle Maschinen -des<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> ausgedehnten Werkes durch wohl isolierte Röhren mit Dampf -versorgte. Die Kondensation erfolgte durch Ejekteure, deren Bau die -Firma neuerdings aufgenommen hatte, auch nur ein Schornstein war auf -dem Werke vorhanden.</p> - -<p>„Die Gießerei bestand aus einem Längsschiff von ca. 20 Meter -Spannweite und einer beträchtlichen Höhe und Länge. Sie war mit großen -Kupolöfen, schweren Lauf- und Drehkranen, tiefen Dammgruben und allen -Vorrichtungen einer modernen Gießhalle ausgerüstet, um die schwersten -Stücke in Sand, Masse und Lehm zu gießen. An ihren Enden schlossen sich -zweistöckige Gebäudeflügel an; der eine diente als Modelltischlerei -und Modellboden, der andere für Kleinguß, der mit Maschinen geformt -wurde. — Die Montagehalle war in Form und Größe der Gießerei ähnlich, -die sich ihr anschließende Dreherei mit kräftigen Werkzeugen reichlich -versehen. Auch in den anderen Werkstätten ließen die Einrichtungen -nichts zu wünschen übrig.“</p> - -<p>Rathenau faßte später sein Urteil über die Anlage in die Worte -zusammen: „Es war eine Fabrik aus einem Guß, wie sie Berlin -nicht besaß.“ Schon während des Baues waren in der Gründerzeit -Offerten von Großbanken zur Umwandlung des Unternehmens in eine -<em class="gesperrt">Aktien-Gesellschaft</em> immer wieder ihren Inhabern gemacht worden. -Rathenau hatte sie zuerst standhaft zurückgewiesen, ja er hatte sogar -ein großes Kapital unter nicht leichten Bedingungen von privater Seite -beschafft, um den Klauen des Geldmarktes zu entschlüpfen, dem er eine -unüberwindliche Abneigung entgegenbrachte und trotzdem, so bekannte er -später resigniert, „entging ich meinem Schicksal nicht.“</p> - -<p>„Ein befreundetes Bankhaus hatte mit einer ersten Bank sich verbunden -und meinen Sozius zum Verkauf überredet. Trotz der ungewöhnlichen -Bedingungen, die ich in der Erwartung stellte, daß sie die Käufer -abschrecken würden, gingen sie zu meinem Bedauern auf diese ein und -verwandelten das gutrentierende Unternehmen in eine Aktiengesellschaft. -Ich übernahm keine Aktie, erhielt vielmehr den gesamten Kaufpreis -in bar ausgezahlt, die Leitung der Geschäfte mußten wir trotz allem -Widerwillen für einige Zeit übernehmen, da eine geeignete Direktion -nicht sogleich sich finden ließ und die zweckmäßige Umwertung der -Bestände von nicht zu unterschätzendem Wert war. Die Geschäfte gingen -zunächst glänzend, als aber der<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span> Krach von 1873 hereinbrach und das -große und sehr geschätzte Bankinstitut, das die Gründung durchgeführt -hatte, von diesem am stärksten betroffen wurde, erlitten wir zwar keine -Einbuße an dem vorhandenen Betriebskapital, aber die Obligationen, -die für den Bau der neuen Fabrik uns zugesichert waren, konnten nicht -zur Ausgabe gelangen, und Hypotheken waren nicht zu beschaffen. Mein -Entschluß war sofort gefaßt: Nachdem die Fabrikbauten schleunigst -vollendet und alle Gläubiger befriedigt waren, legten wir unsere -Stellungen nieder und überließen das weitere Geschick der Gesellschaft, -die später liquidierte. Den fast täglich an mich herantretenden, -zuweilen sehr verlockend erscheinenden Anerbietungen, das glänzende -Unternehmen zurückzuerwerben, entzog ich mich durch eine lange Reise. -Gewiß wäre es ein gutes Geschäft gewesen, die beiden Werke billig zu -kaufen und den früheren Betrieb mit vergrößerten Mitteln aufzunehmen, -aber dieses Ansinnen widerstrebte mir. Geradezu verfolgt hat mich -mit seinen Anträgen der reiche Verwandte eines Großindustriellen der -Branche, der Kriegsmaterial in Martinikenfelde fabrizieren wollte, -große Aufträge der Regierung hinter sich hatte und über sehr erhebliche -pekuniäre Mittel verfügte. Der Kauf kam ohne meine Mitwirkung -zustande, die schöne Fabrik wurde umgestaltet, und ihr Besitzer -stellte die Zahlungen ein, nachdem er das große Vermögen der Erzeugung -von Stahl geopfert hatte. Aus dem Konkurs erwarben die Waffen- und -Munitionsfabriken dieses Werk und gestalteten es für ihre Zwecke um.“</p> - -<p>Das Bankinstitut, das an der Finanzierung sich beteiligte, war -die Preußische Boden-Kredit-Aktienbank, deren Direktor Schweder -Aufsichtsrat-Vorsitzender bei der „Berliner Union“ — so hieß die neue -Aktiengesellschaft — geworden war. Er hatte Rathenau und Valentin -sogar größere Geldmittel als sie beanspruchten, förmlich aufgedrängt, -indem er in den Aufsichtsratssitzungen darlegte, daß es auf 300000 -Mark mehr oder weniger bei einer solchen Gründung nicht ankomme. -Infolgedessen war das finanzielle sowohl wie das betriebliche Gewand -des neuen Unternehmens den Gewohnheiten jener Zeit entsprechend -sehr reichlich bemessen worden. Man hatte neue Fabrikationszweige -aufgenommen und wenn auch alles organisch gut gegliedert und nach dem -Rathenauschen Urteil „wie aus einem Guß“ hingestellt war, so setzte es -doch die pünktliche und regelmäßige Zuführung immer neuer Geldmittel -voraus. Als nun die<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> Krise hereinbrach, stockte der Kapitalzufluß -plötzlich, die bereits gedruckten Schuldverschreibungen konnten nicht -mehr emittiert werden und zu allem Überfluß brach Schweder, eine der -verwegensten Spekulantennaturen jener Periode, finanziell zusammen -und wurde seines Direktorpostens bei der von ihm geleiteten Bank -enthoben. Als daraufhin die Direktoren der „Berliner Union“ bei dieser -Bank vorstellig wurden und um die Hergabe der ihnen zugesagten Mittel -ersuchten, wurde ihnen ein kühl ablehnender Bescheid. Die Bank habe -sich zu nichts verpflichtet, sie könne und wolle als Hypothekenbank -überhaupt derartige industrielle Geschäfte nicht mehr machen und die -Herren möchten sich an Schweder halten. Mit diesem Bescheid mußten -sich Rathenau und Valentin zufrieden geben. Es blieb nichts anderes -übrig als die Liquidation der Gesellschaft, bei der die Gläubiger -nichts verloren, die Aktionäre allerdings nur sehr wenig retteten. -Mit geschmälertem aber immerhin noch ansehnlichem Besitz — jeder der -beiden Teilhaber verfügte damals aus dem Verkauf der Aktien über ein -Vermögen von etwa 900000 M. — ging Rathenau nach 10jähriger Tätigkeit -aus seinem ersten Unternehmen heraus. Aber er behielt doch als nie -vergessene Lehre aus der ganzen Angelegenheit die später für seine -großen Transaktionen sehr nützliche und heilsame Abneigung gegen -Geschäfte zurück, für die er vorher das Geld nicht bar im Kasten -hatte. Ihm, dem sich gewisse persönliche Erfahrungen hartnäckig bis -zur Grenze der Zwangsvorstellung einprägten, hatte sich für allezeit -ein Mißtrauen gegen Banken und Bankiers eingegraben, von denen er, -wenn es irgend ging, bei seinen Geschäften nicht abhängig sein wollte. -Hier liegt die erste tiefe Wurzel für seine Bankguthabenpolitik in der -A. E. G.-Zeit, die wir später noch kennen lernen werden. Auch eine -unüberwindbare Antipathie gegen Effektenspekulationen jeder Art hatten -die Erlebnisse und Erfahrungen der Gründerjahre in ihn gelegt. Der -Zusammenbruch Schweders, die Liquidation der „Berliner Union“, und das -tragische Schicksal seines Schwiegervaters Nachmann, der nach schweren -Börsenverlusten aus dem Leben schied, waren die Fälle, die sich von -dem gleichgestimmten Hintergrund der allgemeinen Zeitverhältnisse für -ihn besonders scharf abhoben und ihn persönlich tief berührten. Sein -Unterbewußtsein hat diese Eindrücke nie vergessen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zweites_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Zweites Kapitel</em><br /> - -Zwischenspiel</h2> - -</div> - -<p>Emil Rathenau war in einer ungünstigen Zeit frei geworden. Wir haben -bereits gesehen, daß die Krisis, die der Gründerzeit folgte, mit in -die letzten Phasen seiner ersten Unternehmung hineingespielt hatte. -Wenngleich seine Trennung von der Maschinenfabrik zweifellos früher -oder später auch ohnedies erfolgt wäre, so ist sie doch durch den -mißglückten Aufschwung und den darauf folgenden Zusammenbruch, mit -denen die Rathenau-Valentinsche Fabrik der Zeitentwicklung Rechnung -trug, beschleunigt worden. Inzwischen war die Krisis hereingebrochen, -und für einen halbverkrachten Unternehmer, als der Rathenau damals -in den Augen der Öffentlichkeit erscheinen mußte, war es nicht -leicht, etwas Neues und Besseres zu finden, das ihm voll zusagte. Vom -Standpunkt der damals nächstliegenden Situation aus beurteilt war das -vielleicht ein „Pech“, vom Standpunkte der langsichtigen Entwickelung -aber ein Glück für den innerlich noch nicht Ausgereiften. Hätte er -seine erste Fabrik vor oder in den Gründerjahren aufgegeben, so würde -die hochflutende Welle der Konjunktur ihn vielleicht schnell wieder -an irgend einen anderen Strand geführt haben. Von dem hochgestimmten, -der Selbstkritik und der Kritik der Dinge abholden Schwunge der Zeit -getragen, würde er vielleicht — wie so viele andere auch — Arbeit -und Kredit in einer Sache engagiert haben, der es an solider Grundlage -und dauernder Lebensfähigkeit fehlte. Selbst eine in der Anlage gute -Sache hätte von der Sturmflut der wenig später hereinbrechenden Krisis -untergraben und fortgespült werden können. Ein zweites Mißlingen -hätte ihm aber innerlich und äußerlich zweifellos<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span> noch schwerer -geschadet, hätte sein Selbstvertrauen und das Vertrauen, das andere -ihm entgegenbrachten, völlig erschüttern können. So war es wohl für -ihn am besten, daß er, der innerlich noch nicht fertig geworden, der -noch nicht im Feuer des doppelten Kampfes mit sich selbst und mit -der Außenwelt dreimal gehärtet war, nach der Aufgabe seiner ersten -Selbständigkeit in eine Zeit geriet, die aus Erfahrung kritisch -geworden war, die ein berechtigtes Mißtrauen vor neuen Gründungen und -Unternehmungen hatte. Im Jahre 1875 war die Auflösung der „Berliner -Union“ vollendet, und nun tat der siebenunddreißigjährige Rentier, der -seinen wahren Beruf noch nicht gefunden hatte, eigentlich 8 Jahre, — -sonst die produktivsten Jahre des Manneslebens — nichts Bestimmtes, -wenn man eben für das unablässige Suchen und das leidenschaftliche -Lernen eines reifenden Charakters den Ausdruck „nichts Bestimmtes tun“ -gebrauchen will. Die Familie, besonders die weitere, die Reichenheims -und Liebermanns, die etwas hinter sich gebracht hatten, deren -gefestigter Wohlstand sich von dem Aufschwung der Gründerzeit vornehm -zurückgehalten hatte, aber auch von den Folgen des Zusammenbruches -verschont geblieben war, gebrauchte wahrscheinlich solche Ausdrücke, -und vielleicht — wenn sie unter sich war — noch weniger respektvolle. -Für sie war Emil Rathenau der kleine Verwandte, der Fiasko erlitten -hatte, der sich mit einer Menge von nicht ernstzunehmenden Projekten -herumtrug und herumschlug, dem man darum auch keine rechte Zukunft -zutraute. Emil Rathenau schwankte und irrlichtellierte in dieser -Zeit tatsächlich ziemlich viel hin und her. Er faßte Pläne, ließ sie -wieder fallen, erwärmte sich anfänglich für irgend einen ihm von den -Brüdern oder Fremden zugetragenen Vorschlag, und lehnte — manchmal im -letzten Augenblick — wenn der andere sich schon darauf eingerichtet -hatte, aus irgend einem eigensinnigen oder nebensächlichen Vorwande -ab. Sein älterer Bruder zum Beispiel, der eine glückliche Hand bei -dem Kaufe und Wiederverkauf von Häusern zeigte, hatte ihn einmal -zur Teilnahme an einem derartigen Geschäft, das Rathenau von ferne -zunächst einen plausiblen Eindruck zu machen schien, aufgefordert. -Man war übereingekommen, 80000 Taler für das Objekt anzulegen, der -Bruder hatte das Grundstück aber nur zu einem höheren Preise bekommen -können und Emil, dem das ganze seinem Charakter fernliegende Geschäft -inzwischen leid geworden war, benutzte den Vorwand des überschrittenen -Prei<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span>ses, um sich von der Sache loszusagen. „Behalte du das Haus lieber -alleine,“ sagte er zu dem Bruder, der ihm den Kaufabschluß melden -kam. Ein anderes Mal, als es sich um den von Rathenau eine Zeitlang -erwogenen Ankauf der sogenannten Jablochkoff-Patente für elektrische -Bogenlampen-Beleuchtung handelte, die in der Avenue de l’opéra in Paris -mit vielem Reklame-Tam-Tam als erste elektrische Straßenbeleuchtung -größeren Umfangs angewendet worden war, erwog er mit demselben -Bruder den Plan, daß jeder zum gemeinsamen Ankauf jener Patente für -Deutschland einen Teil des erforderlichen Geldes beschaffen sollte. -Auch hier kam es aber nicht zum Kaufabschluß, und die Verstimmungen, -die sich aus diesen gescheiterten Unternehmungen ergaben, waren so -stark, daß eine Aussöhnung zwischen den beiden Brüdern nie mehr -erfolgte.</p> - -<p>Für die Menschen, die ihn damals sahen und kannten, soll Emil Rathenau, -wie manch’ einer von den Zeitgenossen berichtet, keineswegs den -Eindruck eines überragend genialen Mannes gemacht haben, dessen Stunde -noch nicht gekommen ist, und der im vollen Bewußtsein seiner Kraft -den richtigen Augenblick für sein Hervortreten abwartet. Er trug noch -immer den Marschallstab im Tornister, aber der Durchschnittsmensch -sah es ihm nicht an, und er hatte, wo und wann er auch immer mit -Plänen an jemanden herantrat, Mißtrauen oder die noch schlimmere -Gleichgültigkeit, kurz alle jene Hemmungen zu überwinden, die dem -Anfänger, erst recht aber dem, der zum zweiten Mal anfangen will, -im Wege stehen. Nur wer selbst mit Genieaugen Menschen und Dingen -durch die äußere Schale auf den Grund blickte, wie Werner v. Siemens, -spürte aus Rathenaus Reden und Entwürfen den göttlichen Funken -überspringen. „Dem Mann geben wir Geld,“ sagte er, und machte sein -Versprechen trotz skeptischer Einwände und passiver Resistenz seiner -Mitarbeiter schließlich wahr. Für die meisten übrigen Menschen aber -mochte Rathenau, der stets bereitwillig die Lippen von dem überfließen -ließ, wessen sein Herz voll war, in jener Zeit manche Züge von Hjalmar -Ekdal, dem ewigen Genie von morgen, an sich gehabt haben. Eine -gewisse leidenschaftliche Beflissenheit und Verbissenheit konnten -dem werdenden Genius eigen sein, aber dieselben Eigenschaften weist -auch häufig die problematische Natur auf. Auch für Rathenau selbst -war die Wartezeit zwischen der ersten provisorischen Unternehmung, -die im Niedergang einer alten, überlebten<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> Epoche zerbröckelte, und -der zweiten endgültigen Schöpfung, die im Aufstieg einer neuen Zeit -sich zu weltenweiten Formen auswuchs, keineswegs immer die bewußt -gewählte, in jedem Augenblick gut ausgefüllte Ruhe- und Lernpause, als -die sie in den Rückblicken des Vollendeten erscheint. Gar manchmal, -wenn der Akkumulator des phantasiebegabten Kopfes zu viel von der -aufgespeicherten Gedankenkraft von sich gegeben und sich erschöpft -hatte, kamen Stunden und Tage der Verzagtheit, der Trübsal, in -denen der beschäftigungslose Vierziger sich in seine Wohnung in der -Eichhornstraße mit grauen Gedanken einspann. Aber solche Zeiten wurden -von der ihm eigenen Schwungkraft des Wesens bald überwunden, und im -Notfalle half die Ablenkung und Abwechselung einer Reise, wie denn -Emil Rathenau Zeit seines Lebens vom Reisetrieb beseelt war und auch -in den späteren Jahren der Arbeitsüberlastung aus geschäftlichen und -privaten Reisen — mochten sie auch noch so kurz sein — immer wieder -Frische und Nervenergänzung mit heim brachte. Wenn somit den in der -Vollkraft der Jahre stehenden Mann die Tatenlosigkeit manchmal drückte, -so zeigt doch seine ganze spätere Entwickelung, besonders die Art, wie -er im richtigen Augenblick mit genialer Intuition und unbeirrbarer -Entschlossenheit zugriff und alle Zweifelsucht von sich abstreifte, -daß <em class="gesperrt">nicht er</em> es gewesen war, der in jener Warteperiode an -Ziellosigkeit, an Stagnation krankte, sondern die <em class="gesperrt">Zeit</em>. Jene -Zeit, in der die Triebkräfte der alten Wirtschaftsordnung abgestorben -waren und die der neuen Epoche nach dem ersten überschwänglichen -Aufflackern in der Gründerperiode noch nicht so recht Wurzelboden -gefunden hatten. Rathenau wartete — innerlich betrachtet — nicht -aus Unentschlossenheit, sondern aus Prinzip, und, wenn seine -oberflächlichen Einsichten auch manchmal vielleicht ihn selbst der -hamletischen Charakterschwäche anklagen mochten, die instinktiven, -tieferen Einsichten waren stark genug, um sich dieser Selbstkritik und -der Kritik der Außenwelt gegenüber durchsetzen zu können. Es waren -nicht Jahre der inneren Klarheit, der bewußten Selbstzügelung und -überlegenen Voraussicht, die Emil Rathenau damals durchmachte, sondern -<em class="gesperrt">Jahre</em> des inneren <em class="gesperrt">Kämpfens</em> und <em class="gesperrt">Ringens</em>. Mit dieser -Feststellung setzt man die Größe des Mannes und seines Charakters nicht -herab, dessen Bild weder menschlich-richtig, noch glaubhaft erscheinen -würde, wenn man ihm nur geniale Frühzüge andichten<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> wollte. Zu seiner -vollen Entfaltung ist Rathenau, wie so viele seiner Zeitgenossen, erst -dadurch gelangt, daß die Zeit sein Werk und sein Werk <em class="gesperrt">ihn</em> zu -einer Höhe trug, die er unter weniger glücklichen Bedingungen kaum -erreicht hätte. Was er vorher darstellte, war ein Charakterboden, auf -dem alle die reichen Saaten der Zeit Wurzel fassen und in reicher Blüte -aufgehen konnten.</p> - -<p>Der Fehler mancher früheren Biographen, den <em class="gesperrt">jungen</em> Rathenau zu -bewußt, zu klar und gewissermaßen zu seherisch-weise darzustellen, -ist vom Standpunkt des nachgeborenen Betrachters verständlich -und er ähnelt der Art der dichterischen oder zweckhistorischen -Schilderung, die ihrem Helden bereits pränumerando Gedankengänge und -Ereignisdarstellungen prophetisch in den Mund legt, welche erst viel -später als Ergebnis von Notwendigkeiten, Zufällen, sich kreuzenden -Entwickelungsrichtungen in Kampf und Wirrnis verwirklicht wurden. -So wird von oberflächlichen Schilderern vielfach die Geschichte der -Reichsgründung in der Weise gelehrt, als ob Bismarck bereits, als er -die preußische Ministerpräsidentschaft übernahm, die genauen Pläne für -den Aufbau des Reiches und die Politik, die zu ihm führte, fertig in -seinem Kopfe getragen hätte, als ob Moltke, da er Chef des preußischen -Generalstabs wurde, seine drei großen Kriege und ihren genauen -Hergang bereits in ihren „notwendigen“ Grundzügen vor Augen gehabt -hätte. Wer bewußt Geschichte miterlebt hat, weiß, wie ganz anders die -Dinge sich zu entwickeln pflegen, wie auf dem großen Schachbrett der -Geschehnisse Zug und Gegenzug abwechseln, wieviel verschiedene Züge in -einem bestimmten Augenblick möglich sind, und wieviel Zufälligkeiten, -Gegenströmungen und Wechselwirkungen einen Entschluß zeitigen und seine -Folgen bilden. Die Rathenauschilderer, die in seinem Leben alles auf -Gesetzmäßigkeit, auf Notwendigkeit und Vorherbestimmung zurückführen, -die der Ansicht sind, daß dem 37jährigen, als er seine Maschinenfabrik -Webers aufgab und sich zur ersten Ausreise nach Amerika anschickte, -seine ganze spätere Entwickelung und die ganze spätere Entwickelung der -Industrie wenigstens in ihren Umrissen klar vor Augen gestanden haben, -können allerdings eines zu ihrer Entschuldigung anführen: Rathenau -selbst hat in der schon verschiedentlich erwähnten Jubiläumsrede die -Gedankenwelt, die ihn damals an der Wende zweier Generationen und -wirtschaftlicher Epochen erfüllte, so dargestellt, als ob er nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> -erst als rückschauend Betrachtender, sondern schon als Miterlebender -Vergangenheit und Zukunft mit voller Klarheit erkannt und durchschaut -hätte. Die betreffenden Ausführungen sind interessant genug, um hier -wörtlich wiederholt zu werden. Rathenau erzählte:</p> - -<p>„Als in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ich die erste -Phase geschäftlicher Tätigkeit abgeschlossen hatte, erwog ich, ein -Dreißiger damals, ob ich den mit Leib und Seele zugetanen Beruf -wieder aufnehmen oder einer neuen Technik mich zuwenden sollte. An -Anerbietungen fehlte es nicht, aber der Großmaschinenbau schien seine -Bedeutung in Berlin eingebüßt zu haben, und die Geburtsstadt mochte ich -ungern verlassen.</p> - -<p>Mit der Erhebung zur Reichshauptstadt hatten die Berliner Verhältnisse -sich wesentlich geändert: Der Wert von Grund und Boden, die Preise der -Lebensbedürfnisse und infolgedessen die Arbeitslöhne waren so gewaltig -gestiegen, daß die großen Maschinenbauanstalten von Borsig, Egells, -Schwartzkopf, Wöhlert, Hoppe und andere sich anschickten, ihre Fabriken -aus dem Norden der Stadt, wo sie seit Begründung betrieben wurden, in -die weitere Umgebung zu verlegen, oder das Feld früher ersprießlicher -Tätigkeit aufzugeben. Auf den weitläufigen Geländen entstanden -neue Straßenzüge, an der Stelle lärmender Werkstätten erhoben sich -Wohnhäuser und Mietskasernen, und wo aus hohen Schornsteinen dichter -Qualm zu den Wolken emporgestiegen war, wirbelten dünne Rauchsäulen -von den häuslichen Herden. In den Vororten aber waren bei dem Mangel -an Verkehrsgelegenheit geschulte Arbeitskräfte mit Schwierigkeit zu -beschaffen. Ein noch wichtigerer Faktor beeinflußte meinen Entschluß, -von der unmittelbaren Aufnahme einer neuen Tätigkeit abzustehen und -den völligen Verlauf der Krisis abzuwarten, die in der Finanzwelt und -Industrie unzählige Opfer gefordert hatte: Patriotische Fabrikherren, -die trotz eigener Sorgen in der schweren Zeit die Angehörigen ihrer -im Felde stehenden Arbeiter mit reichen Mitteln unterstützt hatten, -ernteten hierfür keinen Dank, sondern mußten nach dem Kriege mit -Bedauern wahrnehmen, daß die Wogen der sozialdemokratischen Bewegung -sich höher auftürmten als zuvor. Männer, wie Siemens, Schwartzkopf, -— auch ich hatte die Ehre, der kleinen Vereinigung anzugehören, — -hofften vergeblich durch Wohlfahrtseinrichtungen und den Bau von -Wohnhäusern die Unzufriedenheit der Arbeiter einzudämmen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span></p> - -<p>Unter diesen Verhältnissen war eine Wiederbelebung des einst -hochgefeierten Berliner Maschinenbaus frühestens mit dem Ersatz der -physischen Arbeit durch selbsttätig wirkende Maschinen oder bei -vollkommener Ausnutzung der der Berliner Arbeiterschaft eigenen -Geschicklichkeit und Intelligenz zu erwarten. Unter ähnlichen -Bedingungen waren vollendete Arbeitsmethoden in den Vereinigten Staaten -von Nord-Amerika entstanden, allerdings unter Befolgung des Prinzips, -das Zahl und Wahl der Produkte durch Teilung der Arbeit beschränkte. -Leider steht in den heimischen Werken die weitgehende Spezialisierung -der Erzeugnisse auch jetzt noch hinter der amerikanischen zurück, -trotzdem die Fabrikation aus ihr große Vorteile ziehen würde.</p> - -<p>Dieses amerikanische System war in Berlin nicht unbekannt. Intelligente -Fabrikanten hatten mehr oder weniger automatisch arbeitende Maschinen -von Amerika eingeführt, konnten ihnen jedoch in ihren Betrieben -genügende Geltung nicht verschaffen, weil entweder die Präzision der -Leistung damals noch nicht hoch genug eingeschätzt, oder die Rückkehr -zu altmodischen Werkzeugen durch die Gewohnheit zu sehr begünstigt -wurde.</p> - -<p>Im Gegensatz zu diesen Erfahrungen erblickte ich in den Maschinen -Werkzeuge der Zukunft; ich war überzeugt, daß ihre vortrefflichen -Eigenschaften die Abneigung der Arbeiter allmählich überwinden und eine -ihrer Bedeutung entsprechende Verwendung sichern würden.“</p> - -<p>Zweifellos hat Rathenau damals wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen -das sichere Gefühl gehabt, daß eine gründliche Umwandlung der ganzen -industriellen Technik und Arbeitsmethoden bevorstehe. Und zweifellos -hat ihn dies Gefühl mit dazu veranlaßt, mit der vollkräftigen Gründung -eines neuen Unternehmens erst dann zu beginnen, wenn sich die neue -Lage einigermaßen übersehen lasse, wenn sich der neue Boden derart -gefestigt haben würde, daß auf ihm ein tragfähiger Bau errichtet -werden könnte. Was aber die Einzelheiten der von ihm gegebenen -Schilderung, was ihre scharfe Präzisierung und Schattierung anlangt, -so darf nicht vergessen werden, daß es sich bei ihr nicht um eine -impulsive Beschreibung aus der geschilderten Zeit heraus, sondern -um eine rückschauende Darstellung<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> handelt, gesehen mit der Brille -des durch Erfahrungen hindurchgegangenen Mannes, geklärt im Spiegel -der Distanz, geordnet und gerichtet nach den <em class="gesperrt">Ergebnissen</em> der -Strömungen, die in ihren <em class="gesperrt">Ursprüngen</em> und Anfängen geschildert -werden. Vergleicht man mit dieser bewußten Darstellung die Zeugnisse -Mitlebender, so möchte man der Ansicht zuneigen, daß in Emil Rathenau -damals, als er an der Wende zweier Zeiten und Unternehmungen stand, -bei aller Denk- und Sehschärfe, die ihn stets ausgezeichnet haben, -doch mehr Chaos gewesen ist, als er später selbst zugegeben und gewußt -hat. Das Vorhandensein eines derartigen kreisenden Chaos würde ja auch -die ungemeine Ursprünglichkeit, Kraft und Ausdauer seiner späteren -Leistung nicht abschwächen, sondern erst recht verständlich machen. -Jede völlig durchsichtige Klarheit wird auf die Dauer kraftlos, matt -und unschöpferisch, und nur das Ringen der wechselnden Gedanken vermag -fortzeugendes Leben, Formen und Gestalten zu gebären. Für Emil Rathenau -bildeten die 8 Jahre, die zwischen der Aufgabe seiner Maschinenfabrik -und der Gründung der Deutschen Edison Gesellschaft lagen, das -Staubecken, in das die neuen Kräfte von allen Seiten strömten, in -dem sich — oft unter Schmerzen, unter drängender Hoffnungs- und -Zweifelsfülle — aus der Tüchtigkeit das Genie bildete. Fast spürt -man angesichts dieser Pause Neigung an Zarathustra zu denken, dem der -Dichter an die Stirn seiner Geistesgeschichte die Worte schrieb: „Als -Zarathustra 30 Jahre alt war, verließ er seine Heimat und den See -seiner Heimat und ging ins Gebirge. Hier genoß er seines Geistes und -seiner Einsamkeit und wurde 10 Jahre nicht müde. Endlich aber wandelte -sich sein Herz —“. Auch Zarathustra trug keine Klarheit in seine -Einsiedelei, sondern er brachte erst Klarheit und Entschiedenheit aus -ihr mit zurück. Der moderne Zarathustra der Industrie mußte allerdings -nicht in die Einsamkeit, sondern in die Welt gehen, um sich mit dem -Geiste anzufüllen, den er später in Taten umsetzen wollte. Die erste -große Reise, die Rathenau schon im Jahre 1876, also ein Jahr nach der -Auflösung der „Berliner Union“ antrat, ging nach <em class="gesperrt">Amerika</em>, dem -Lande der technischen Verheißungen. Ein langgehegter Wunsch, mit dem -schon der 28jährige während seines englischen Aufenthaltes gespielt -hatte, fand damit seine Erfüllung. Den äußeren Anlaß zu der Reise bot -die <em class="gesperrt">Weltausstellung in Philadelphia</em>, eine der wirklich großen -Ausstellungen, auf der<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> fruchtbare technische Gedanken verkündet -wurden und von der aus sie ihren Weg in die Welt fanden. Für Emil -Rathenau, der später als großer Kaufmann und Industrieller von den -Reklameausstellungen, mit denen gewisse Länder und Städte ihren -Fremdenverkehr zu heben suchten, nur recht wenig hielt, bedeutete die -Ausstellung in Philadelphia eine Offenbarung. Was ihm in den Jahren -der mühsamen Kleinarbeit, der beschränkten Enge in seiner Berliner -Maschinenfabrik vor dem geistigen Auge gestanden hatte, an dessen -Erreichung er aber damals verzweifelte, hier war es verwirklicht -und erfüllt. „Was ich im Geiste erschaute, gestaltete sich zur -Wirklichkeit, und mit reicher Ausbeute kehrte zurück, wer der Heimat -neue Arbeitsprozesse und Industrien zu beschaffen gedachte.“ Damit -meinte Rathenau nicht so sehr die Dampfmaschine, die in Amerika -damals eher auf einer niedrigeren Stufe der Entwickelung stand als -in Deutschland und England. Die 1400 PS vertikale Corlißmaschine, -die in der Mitte der Maschinenhalle paradierte, imponierte zwar dem -Maschinenbauer Rathenau durch den einfachen und soliden Bau, sowie -den langsamen und sanften Gang, aber er hatte doch bereits ähnliches -gesehen. Viel stärker fesselten ihn die Holzbearbeitungs- und -Werkzeugmaschinen für Präzisionsarbeiten, die automatischen Maschinen -zur Herstellung von Massenfabrikaten, neuartige und feine Instrumente -zum Messen, wie sie die deutschen Fabriken nicht einmal kannten. Auch -die Schreibmaschine fand sein lebhaftes Interesse. Im allgemeinen war -es die neuartige technische und wirtschaftliche Betriebsökonomie, die -arbeitssparenden und leistungsverbessernden Maschinen, die Rathenau -in Philadelphia und in den amerikanischen Fabriken bewunderte, -während die räumlichen und sozialen Einrichtungen ihm im Verhältnis -zu den deutschen vernachlässigt zu sein schienen. Auch die deutsche -Industrie hatte damals in Philadelphia ausgestellt, und breite Kreise -der öffentlichen Meinung in Deutschland waren patriotisch-kurzsichtig -genug, um die „soliden und bewährten“ Leistungen der heimischen -Industrie den amerikanischen Bluffkonstruktionen an die Seite oder -noch voranzustellen. Wer den Unterschied wahrheitsgemäß feststellte, -wie Professor Reuleaux, der von der deutschen Industrie damals das -bittere, von unseren Neidern und Konkurrenten noch jahrzehntelang auch -dem längst führend gewordenen deutschen Gewerbe entgegengehaltene -Wort „billig und schlecht“ prägte, wer erkannte und aussprach, -daß<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> die deutsche Fabrikation sich damals zum großen Teil auf -Vergangenheitsgleisen bewegte, während in der amerikanischen -Industrie die konstruktiven Neugedanken vorwärts stürmten, der wurde -„gesteinigt und verbrannt“. Emil Rathenau gehörte weder zu den -radikalen Verächtern der Heimat, deren guten Industrieboden, deren -schlummernde Entwickelungsmöglichkeiten er wohl würdigte, noch zu den -Selbstzufriedenen, die da ständig priesen, „wie wir es so herrlich -weit gebracht hätten.“ „Die Schätze der Maschinenhalle blieben mir -unvergeßlich,“ so erzählte er und in der Tat hat er sich das, was er -dort sah, so tief eingeprägt, daß er es in dem Augenblicke, in dem er -davon Gebrauch machen konnte, nur aus der Kammer des Gedächtnisses -hervorzuholen brauchte. Im Geiste noch übertrumpft mag die mächtige -Phantasie Rathenaus auch die derzeitigen Höchstleistungen des -<em class="gesperrt">Großmaschinenbaus</em> schon damals haben. Denn was Rathenau zu -jener Zeit in Philadelphia sah, war neben dem, was er später an -gewaltigen Aggregaten von den Konstrukteuren seiner Drehstrom- und -Hochspannungsmaschinen verlangte und erreichte, das reine Kinderspiel.</p> - -<p>Aber so stark auch die Anregungen auf dem Gebiete der Maschinentechnik -waren, so sehr sie gerade den gelernten Maschinenbauer reizten und -beschäftigten, es war vielleicht zu viel des Neuen, das auf ihn -einstürmte und ihm die Wahl schwer machte. „Mir schien, als brauche ich -nur ins volle Menschenleben hineinzugreifen, um mir die Fabrikation -zu sichern, die mich interessierte,“ schrieb er. Aber die Fülle -der Gesichte, die den Schauenden und Lernenden überwältigte, hätte -entsagungsvoll eingedämmt und eingeschränkt werden müssen, sobald -es ans praktische Ausführen gegangen wäre. Er war ja nicht nur nach -Amerika gereist, um zu lernen, sein Wissen zu bereichern und zu -vertiefen, sondern auch um eine geschäftliche Idee, eine faßbare -Grundlage für eine neue aussichtsreiche Unternehmung mit nach Hause -zu bringen. Der frühere Sozius Valentin begleitete ihn auf dieser -Reise, und beide waren sich darüber klar, daß sie ihr gutes Geld -nicht ausschließlich für eine wissenschaftliche Studienreise ausgeben -durften, sondern als einen Spesenbetrag betrachten müßten, den sie sich -aus den geschäftlichen Früchten dieser Reise vervielfacht zurückholen -wollten. Mehrere amerikanische Städte und Fabriken wurden darum -besucht, und es wurde nach einer aussichtsreichen Sache gesucht, die -man mit den zur Verfügung<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span> stehenden, immerhin nicht unbeschränkten -Mitteln und Kräften nach Deutschland verpflanzen könnte. Daß diese -Mittel für die gewaltigen Maße einer in Deutschland nach amerikanischem -Muster zu errichtenden Großmaschinenfabrik nicht ausreichten, sagten -sich die beiden Freunde wohl ohne weiteres. Wenn Rathenau diese -notgedrungene Entsagung nicht zu schwer fiel, so war dies darauf -zurückzuführen, daß sich noch etwas anderes bot, das ihn technisch kaum -weniger fesselte, dazu aber leichter und schneller praktische Erfolge -versprach:</p> - -<p>In Philadelphia hatte Rathenau das Telephon und Mikrophon, eine -dem Gedanken nach deutsche Erfindung, zuerst praktisch brauchbar -ausgeführt in überzeugender Funktion gesehen. „Das Telephon und das -fast gleichzeitig mit ihm erfundene Mikrophon haben, vielleicht wegen -ihrer verblüffenden Einfachheit, die Bewunderung niemals erregt, die -minder bedeutsamen Errungenschaften der Technik zuteil geworden war. -Mich elektrisierten förmlich die ingeniösen Apparate...“ Rathenau -schwankte, ob er ihre Erzeugung im Großen aufnehmen sollte, aber die -Befürchtung, daß einerseits fremde Patente den Absatz ins Ausland -erschwerten und andererseits die Herstellung so außerordentlich, -so fast handwerksmäßig leicht war, daß sie einen verheerenden -Wettbewerb anlocken mußte, ließ ihn vorsichtig sein. Der Kaufmann in -Rathenau bändigte eben fast immer die Leidenschaft des technischen -Gründers. Er entschloß sich, keine Telephonfabrik zu bauen, sondern -nur eine Konzession für eine Berliner Telephonzentrale nachzusuchen, -gewissermaßen das Telephon in Berlin in Generalentreprise zu nehmen. -Die Stadt Berlin hätte die Sache vielleicht mit ihm gemacht, aber -der damalige Polizeipräsident v. Madai wollte die Konzession, die -Rathenau brauchte, nicht erteilen. „Das Telephon ist ein Reichsregal,“ -entschied Herr v. Madai, und, wenn sich auch später bei der Beratung -des Telegraphengesetzes ergab, daß er geirrt hatte, Rathenau fürchtete -zu jener Zeit die Scherereien des Instanzenweges und bot dem damaligen -Generalpostmeister Stephan, dem Verweser des angeblichen Regals, -die Durchführung in Reichsregie an. Aber der sonst so weitsichtige -Stephan versagte zunächst. Er stellte sich auf den Standpunkt, den die -Verteidiger der Postkutsche der Einführung der Eisenbahnen gegenüber -eingenommen hatten und prophezeite, daß eine Telephonzentrale in Berlin -höchstens 23 Anschlüsse finden<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> würde. Diesen rückständigen Standpunkt -nahm er ein, trotzdem die Postverwaltung damals mit dem telephonischen -Überlandverkehr zwischen verschiedenen Ortschaften Versuche gemacht und -günstige Erfolge erzielt hatte. Die städtische Schaltzentrale hielt die -Postbehörde dagegen für ein unlösliches Problem. Später kam Stephan -von selbst auf die Idee zurück, er bot Rathenau an, die Einführung -des Telephons im öffentlichen Postdienst auf Reichskosten zu leiten. -Rathenau, den inzwischen schon ganz andere Dinge beschäftigt und -tiefer in das Wesen der elektrischen Industrie hineingeführt hatten, -nahm trotzdem an, weil er sich mit der elektrischen Technik praktisch -vertraut machen wollte. Ihre Zukunftskraft hatte ihn inzwischen mit -Macht gepackt, um ihn nie mehr loszulassen.</p> - -<p>Den ihm von Stephan übertragenen Auftrag führte er ehrenamtlich -aus, ohne eine Vergütung dafür zu beanspruchen oder anzunehmen. -Nachdem er die grundlegende Organisation geschaffen hatte, verließ -er das Arbeitszimmer im Reichspostamt, das ihm Stephan für die Zeit -seiner Tätigkeit im Telephondienste der Post eingeräumt hatte. Da -Schwachstromanlagen dem Feinmechaniker mehr Spielraum als dem Ingenieur -gewährten, so wandte er sich seinem alten Plan, nach kurzer Übung -auf dem Schwachstromgebiete zu der durch die Elektrizität veredelten -Technik zurückzukehren, ohne längeres Besinnen wieder zu. An einer -Tätigkeit, die ihm innerlich nichts mehr sagte, ihm keine Rätsel -mehr aufgab, hielt er nicht fest, auch wenn sie ihm noch so gute -geschäftliche Erfolge versprochen hätte.</p> - -<p>An die großartige Verbindung und die gegenseitige Befruchtung -der Maschinentechnik und der Elektrizität, die Rathenau auf sein -ureigenstes Schaffensgebiet, zu der großen Leistung seines Lebens -führen sollten, dachte dieser damals noch nicht. Die gewaltige Weite -und Tiefe der zukünftigen Verschwisterung hatte sich vor seinem -Auge noch nicht aufgetan, und wenn er auch einige Blicke in die -Werkstatt der Elektrizität geworfen hatte, so lag es doch nicht -in seiner Absicht, sich zum Meister dieser Werkstatt zu machen, -sondern er dachte an Rückkehr zum „veredelten“ Maschinenbau. Der -„Dynamo“, der Hauptträger der maschinellen Elektrotechnik, befand -sich damals allerdings noch immer in einem primitiven Zustand und -ließ die gewaltige Entwickelung, die er bald — besonders auf Grund<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span> -der Anforderungen nehmen sollte, die Rathenau seinen Konstrukteuren -stellte, noch nicht ahnen. Wie so viele technische Erfindungen wurde er -nicht aus sich heraus, aus seiner eigenen konstruktiven Idee zur vollen -Leistungsfähigkeit entwickelt und ihm dann die Anwendungsmöglichkeit -geschaffen, sondern als sich die praktischen Bedürfnisse einstellten -und immer größere Ansprüche an ihn stellten, wurden die Heere der -Techniker mobilisiert, die besten Ingenieurgehirne aufgeboten, um ihm -seine Geheimnisse abzulauschen und ihm die Leistungen abzuringen, die -der Anwendungszweck von ihm forderte.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Drittes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Drittes Kapitel</em><br /> - -Wirtschaftliche Vorbedingungen</h2> - -</div> - -<p>Die Wirtschafts-Geschichte aller Epochen und Länder weist wohl kaum -— trotz der japanischen Emanzipation — einen zweiten Fall auf, in -dem sich ein Volk in seinem ganzen ökonomischen Leben so grundsätzlich -und grundlegend wandelte, in die Breite, Tiefe und Höhe reckte, wie -das deutsche Volk nach dem wahrhaft schöpferischen Einigungskriege von -1870/71. Ich weiß, daß ich eine Binsenwahrheit niederschreibe, die von -pathetischen Rednern, denen das unbegreifliche Wunder dieser Befreiung -und Beflügelung elementarer Volkskräfte nie das Hirn erhellt hat, so -oft leer hingesprochen worden ist, daß sie fast zur Phrase versteinte. -Wenn man eine Erscheinung, wie die Emil Rathenaus, wenn man ein Werk, -wie das des großen Organisators der Elektrizität in seinen Wurzeln und -Verzweigungen, in seinem Werden und Sein verstehen will, darf man sich -nicht schämen, diese Binsenwahrheit dreimal unterstrichen noch einmal -auszusprechen, nachdem man sie von allem Phrasenwerk gereinigt und mit -dem Blut des Gedankens wieder gefüllt hat.</p> - -<p>Was der Schöpfer des geeinten Deutschland politisch erreicht -hat, war schon nach wenigen starken Schritten des Volkes auf der -neuerschlossenen Bahn klar und im Resultat abzuschätzen. Nach Bismarcks -entscheidender staatsmännischer Tat hat es in Deutschland einen -großen politischen Gedanken nicht mehr gegeben, brauchte es auch auf -lange Zeit keinen mehr zu geben. Die erobernde Arbeit, die jetzt zu -leisten war, ist wirtschaftliche Arbeit gewesen, selbst die Ansätze -zu einer deutschen Kolonialpolitik, die nach den nun einmal verpaßten -Möglichkeiten einer vollblütigen deutschen Kolonialwirtschaft mehr -ein Luxus des mächtig gewordenen und reich werdenden Deutschlands -waren, als eine wirtschaftliche Notwendigkeit, mußten Nebensache -bleiben. Darin — noch mehr als in dem subalternen Niveau der -epigonischen Regierungskunst — liegt wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> der tiefste Grund dafür, -daß sich die Persönlichkeiten mit Schöpferwillen und Schöpferkraft -im Deutschland der nachbismärckischen Zeit nicht der Politik, -sondern dem Wirtschaftsleben zuwendeten, daß wir in Deutschland eine -Überfülle bedeutender, ja großer Kaufleute und Industrieller, so -wenig politische Talente besaßen. Der schöpferische Mensch drängt -dahin, wo es zu schaffen gibt, und besonders Männer des großen Wurfes -fanden in der Politik nicht das Feld, das ihrem Schaffensbedürfnis -genügte, ganz abgesehen davon, daß sich ihr Temperament an den -ständigen Reibungen und fruchtlosen Hemmungen (es gibt auch fruchtbare) -mit dem Bureaukratenstaat müde gelaufen hätte. Es konnten wohl -Organisatoren jener stillen, schmiegsamen Art, wie Stephan und Miquel -im preußisch-deutschen Staate ihren Platz finden, eine volle und -vielleicht übervolle Kraft wie Dernburg wurde darin nie heimisch, -überschritt allenthalben die ihr gezogenen Grenzen, fand die Einheit -ihres Werkes auf Schritt und Tritt von hochmütiger Verständnislosigkeit -durchkreuzt und kapitulierte schließlich vor dem Geist Erzbergers.</p> - -<p>Die politische Sammlung, die die bis 1870 verzettelten, durcheinander -und gegeneinander streitenden Kräfte des Volkes in Richtung und -Zusammenwirkung brachte, vermochte aber allein für sich und aus sich -zunächst das neue wirtschaftliche Deutschland noch nicht zu schaffen, -wenngleich eine Änderung und ein Aufschwung gegenüber dem bisherigen -binnenwirtschaftlich beschränkten Zustand des Landes sofort sichtbar -wurde, wenngleich aus dem Boden fast fabelhaft schnell frisches Grün -emporsproß, vielleicht zu schnell emporwucherte. Aber all das war nur -eine Verstärkung, eine Beschleunigung einer in ihrer Art und Richtung -bisher schon im Flusse befindlichen Entwicklung. Es war nicht die -Etablierung des neuen, technisch wie organisatorisch völlig anders -gearteten Systems, das bisher noch nicht dagewesene Betriebsformen, -Arbeitsmethoden, Wirtschaftsgebilde in Deutschland auf die Füße -stellte, Kanäle und breite Tore auf den Weltmarkt öffnete, aus dem -nach innen gerichteten, an versteckten Meereswinkeln träumenden -Binnenlande den modernsten und expansivsten Industriestaat, den -emsigsten Exporteur der Welt schuf. Dazu bedurfte es erst einer -völligen Umdüngung des freigerodeten Bodens, der für die neue Ökonomie -aufnahmefähig sein sollte. Die tüchtigen Industrieunternehmungen des -Landes erhielten sofort nach dem Kriege einen verstärkten An<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span>trieb -gerieten in ein schnelleres Tempo der Entwicklung. Krupp, Borsig, -Siemens fingen an wirklich groß zu werden. Sie und ein paar andere -Werke wuchsen in die Statur von Weltfirmen hinein, aber die deutsche -Industrie wuchs noch nicht zur Weltindustrie. Es gab schon große -Industriepersönlichkeiten, Männer von jener zähen, soliden Genialität, -die von unten, von klein herauf strebten, ihre Geschäfte Schritt für -Schritt aufbauten, ihren Unternehmungen nur den gerade unbedingt -notwendigen Schuß von Spekulation beimischten und geliehenes Geld -wenn überhaupt, so nur widerwillig, gewissermaßen contre coeur -und contre honneur aufnahmen. Noch in unsere heutige ganz anders -geartete Zeit ragen Reste dieser Familienindustriewirtschaft hinein. -Man denke an die Tradition bei Aktiengesellschaften wie Siemens & -Halske und Krupp, an den alten Magnaten- und Gewerkenreichtum in -Westfalen und Oberschlesien. Neben diesen Industriepersönlichkeiten -und Industriefamilien mit durchaus intensiver Finanzwirtschaft standen -schon damals große, oder doch wenigstens berühmte Finanziers. Sie -waren entweder ihrem Grundzuge nach reine Bankiers wie damals noch die -Bleichröders, Mendelsohns, Schicklers, die Industriefinanzierungen nur -gelegentlich mitmachten, oder sie konnten, wenn sie die wechselseitigen -Befruchtungsmöglichkeiten von Industrie und Bankgeschäft schon -erkannten — wie einer der Bahnbrecher des modernen Finanzwesens, David -Hansemann — den neuen Weg nur vorsichtig beschreiten, weil sich in -ihrer Hand zu jener Zeit lange noch nicht die Kapitalien gesammelt -hatten, die für eine Industriefinanzierung großen Stils notwendig -sind. Die damals größte Bank Deutschlands, die Diskontogesellschaft, -verfügte in den 70er Jahren über ein Kapital von 60 Millionen Mark, -unser heutiges führendes Institut, die Deutsche Bank, nur über -ein solches von 45 Millionen. Die Mittel dieser Banken und des -Kapitalmarktes flossen in jenen Zeiten abgesehen von den Beträgen, die -der Handel beanspruchte, in weit größerem Umfange als den Industrien -den Eisenbahngesellschaften zu, die sich damals noch im Privatbesitz -befanden und deren Aktien wie Obligationen mit den wichtigsten Posten -in der Anlagenbilanz des nationalen Kapitals bildeten.</p> - -<p>Einer allerdings hat schon damals — und zwar schon vor dem Kriege -— seiner Zeit und ihren Möglichkeiten mit ungeduldigem Geniewurf -vorausgreifend, beides, das Industrielle und das Finan<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span>zielle, in -denkbar größtem Maße zu vereinen versucht, sich nicht damit begnügen -können, ein einziges Unternehmen in Ruhe auszubauen, sondern sein -Bedürfnis und seine glänzenden Fähigkeiten im Anregen, Finanzieren und -Verwirklichen immer neuer Projekte betätigen müssen. <em class="gesperrt">Strousberg</em>, -dessen Größe nur allzusehr im „Entwerfen“ lag, und den nicht nur -seine nach einem Sündenbock suchende Zeitgenossenschaft, sondern auch -die geschichtliche Registratur als das böse Musterbeispiel einer -„Gründerei nur um des Gründens willen“, als das Symbol jener sinn- -und skrupellosen Wertetreiberei der ersten siebziger Jahre verewigt -hat. Er war es nicht, war nicht Symbol, nicht Urheber, sondern Opfer -dieser in allen Fäulnisfarben schillernden Periode. Ihre Wurzeln -waren nicht die seinen; der Krieg, der die eigentlichen Gründer groß -machte, hatte ihn, der damals gerade zuviel auf die Karte seiner -rumänischen Bahnbauten gesetzt hatte, bereits empfindlich geschwächt. -Die Atmosphäre der Gründerjahre ergriff den schon unsicher Gewordenen, -und in ihren Zusammenbruch wurde der Ausschweifend-Geniale, der seine -Saatkörner auf zu viele Äcker ausgestreut hatte, als einer der ersten -mit hineingezogen. Den guten, den fruchtbaren Grundkern in Strousberg -und seiner Methode anzuerkennen, ist Pflicht desjenigen, der die Art -und das Werk eines Emil Rathenau in ihrer ganzen Bedeutung für unsere -deutsche Wirtschaft erkennen und würdigen will. Wer Rathenau unbedingt -bejaht, darf Strousberg nicht unbedingt verneinen. Denn Strousberg -hat schon das vorgeschwebt, was Rathenau und die anderen großen -Industriellen in den Jahrzehnten um die Wende des 19. Jahrhunderts auf -ihren begrenzteren, aber geschlosseneren und intensiver bearbeiteten -Arbeitsgebieten verwirklichen konnten. Woran Strousberg scheiterte, -das waren Anomalien der Charakterveranlagung und der Zeitverhältnisse, -die seinen Plänen und Absichten ebenso stark zuwiderliefen, wie die -Schöpfungen Rathenaus und der anderen Nachsiebziger durch Harmonien -der Umstände gefördert und hochgetragen wurden. Der Vergleich zwischen -Strousberg und Rathenau ist darum ganz besonders lehrreich, wenn man -die historischen Wurzeln und Bedingtheiten einer Erscheinung wie der -Emil Rathenaus verstehen lernen will. Strousbergs Entwickelung und -geschäftlicher Höhepunkt lagen in einer Zeit, in der größere Bildungen -industrieller Natur in Deutschland zwar an sich möglich waren,<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> aber -doch mangels entwickelter Kapitalmächte und Geldorganisationen, -mangels einer ausgebildeten modernen Fabrikationstechnik nicht in -verhältnismäßig kurzer Zeit hingeworfen werden konnten. Die bedächtige -Entwicklung von innen heraus, der stufenweise Aufbau vom kleineren -zum größeren war nötig, um dem industriellen Wachstum Gesundheit und -Dauerhaftigkeit zu verleihen. So entwickelten Krupp und Siemens ihre -Betriebe, so betrieb Wilhelm v. Mevissen seine Eisenbahnbaupolitik. -Die kühneren Perspektiven eines Friedrich List waren nur Theorien, die -zwar mit treffsicherem Blick für die Praxis erdacht waren, aber doch -erst in einer späteren Zeit verwirklicht werden konnten. Strousberg -ging ohne Rücksicht auf die Zeitumstände zu Werke. Er sprang mit -Volldampf in seine Projekte. Nicht aus kleinen Anfängen und Entwürfen -wuchsen seine Werke allmählich über sich hinaus, sondern seine -Verwirklichungen blieben fast immer hinter dem Idealbild seiner Pläne -zurück. Interessant und bezeichnend war es schon, wie er die Geldmittel -für seine Gründungen aufbrachte. Sein Kapital stammte — wenigstens -in der ersten Periode seiner Gründungstätigkeit — vorwiegend aus -England, dem Lande, das ihm den Namen und die industriellen Maßstäbe -gebildet, aber wohl auch für deutsche Verhältnisse etwas verbildet -hatte. Es war ein geistreicher und geschickter Gedanke Strousbergs, den -damals sehr erheblichen Unterschied zwischen dem niedrigen englischen -und dem hohen deutschen Geldleihsatz als rentensteigernden Faktor in -seine Rechnung einzustellen. Der Gedanke war nicht einmal ganz neu -in jener Zeit, aber er war sonst nicht von Deutschen, sondern meist -von Engländern ausgegangen und hatte zum Beispiel dazu geführt, daß -englische Kapitalisten und Unternehmer in Deutschland Kohlenbergwerke -(wie die Hibernia), Gasanstalten (wie die Berliner Imperial Gas -Association), zu deren Errichtung von deutscher Seite es an Kapital -oder auch an Unternehmungsgeist fehlte, mit eigenen Mitteln und unter -eigener Verantwortung gründeten. Strousberg wollte selbst gründen, -selbst die vollen industriellen Chancen ausnützen und das englische -Kapital, das er verwendete, auf den bescheidenen Platz des mit einer -festen Rente abgefundenen Finanz- oder Bankkapitals verweisen. Auch -das ließ sich durchführen, und versprach sogar hohen Ertrag, wenn mit -der bei einer Verringerung jener Zinsdifferenz eintretenden Gefahr -des plötzlichen Abziehens der englischen Gelder gerechnet und<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> gegen -die Nachteile, die aus einer derartigen Geldentziehung erwachsen -mußten, Vorsorge getroffen worden wäre. Eine solche Vorsorge hätte -darin bestehen können, das englische Kapital entweder so fest an die -deutschen Unternehmungen zu fesseln, daß eine plötzliche Abziehung -nicht hätte vorgenommen werden können. Dann hätte Strousberg aber -diesem Kapital einen starken Einfluß auf die Verwaltung und Verfassung -seiner Unternehmungen einräumen, wahrscheinlich ihnen sogar einen -englischen Sitz und englische Rechtsform, ihren Aktien einen -englischen Markt geben müssen (<em class="gesperrt">deutsche</em> Aktien würden ja bei -einer Krise auf den <em class="gesperrt">deutschen</em> Markt geworfen worden sein). Da -Strousberg aber seinen Geldgebern einen solchen Anteil an der Macht -nicht einräumen wollte, hätte er sich auf eine andere Art gegen die -Gefahr der Kapitalentziehung sichern müssen. Er hätte das englische -Kapital nur als eine vorübergehende, vorläufige Finanzgrundlage -seiner Unternehmungen betrachten und dafür sorgen müssen, daß es -allmählich entsprechend der langsameren Kapitalbildung auf dem -deutschen Geldmarkte oder auch vermittels der eigenen Erträgnisse -seiner Unternehmungen durch deutsches Kapital ausgewechselt werden -konnte. Das hätte aber einmal einen Verzicht auf die langfristige -Ausnutzung der Zinsdifferenz, an deren dauerndes und ununterbrochenes -Vorhandensein Strousberg geglaubt zu haben schien, zur Bedingung -gehabt; ferner hätte es einen ruhigen, geduldigen Ausbau der Gründungen -verlangt, nicht jenes überstürzte Eiltempo der Expansion, das in dem -Temperament Strousbergs begründet lag. Schon in finanzieller Hinsicht -waren Strousbergs Werke also auf einer historischen Anomalie gegründet. -Dasselbe gilt von ihrer industriellen und technischen Anlage. Seine -Entwürfe und Ideen waren meist gut, oft zukunftsreich und immer -genialisch, die Mittel, mit denen er sie ausführte, oft unzulänglich. -Denn der intellektuelle Defekt in diesem bewunderungswürdig -scharfsinnigen und positiven Gehirn bestand darin, daß Strousberg -keinen Sinn für die praktischen Hemmungen der Materie hatte, daß er -seiner eigenen Phantasie gegenüber durchaus unkritisch war. Sein -Positivismus war ein Rausch, keine fest verankerte Weltanschauung, -er war zu sehr Bau<em class="gesperrt">künstler</em> und zu wenig Bau<em class="gesperrt">meister</em>. -Seiner Phantasie schwebte ein großzügiges Eisenbahnsystem von Rumänien -durch Deutschland bis zum Atlantischen Ozean vor, aber die Art, wie -er nun an allen Ecken und Enden, wo sich ihm gerade eine<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> Möglichkeit -bot, Linien anzulegen begann, in der Hoffnung, das Stückwerk werde -sich schon von selbst zum Ganzen runden, war ganz und gar systemlos. -Der Gedanke, die Lokomotiven, Waggons, Schienen, Eisenteile und den -sonstigen Bedarf für seine Bahnen in eigenen Betrieben herzustellen, -war von industrieller Folgerichtigkeit und Fruchtbarkeit, aber es -war vermessen und ein Zeichen gänzlich falscher Einschätzung des -Entwicklungsgesetzes, die Konzentrationsidee, den Gedanken der -Selbstbedarfsdeckung, des gemischten Fabrikationsprozesses gleich mit -einem umfassenden Radikalismus zu beginnen, bis zu dem er heute nach 50 -industriellen Entwicklungsjahren kaum gediehen ist. Das konnte keine -gesunde Grundlage für mächtige Unternehmungen, kein gerundetes Ganzes -geben, sondern es wurde Stückwerk, das beim ersten naturnotwendigen -Rückschlag der Entwicklung, beim ersten Kampf der Idee mit der -Materie zerbrechen mußte. Die Dortmunder Union, das erste, fast ein -Menschenalter zu früh angewendete Beispiel eines gemischten Eisen- und -Stahlwerks, wie es später eine der schöpferischsten Ideen der deutschen -Industrie wurde, ist in der praktischen Anlage so verunglückt, daß -immer neue Sanierungen notwendig wurden und doch Jahrzehnte hindurch -den Boden des Fasses nicht erreichten. Noch haltloser waren die -Grundlagen für das von Strousberg geplante große Werk in Zbirow bei -Pilsen, das ebenfalls die ganze Eisenfabrikation vom Erz bis zum -Eisenbahnbedarf umfassen sollte. Hier war nicht nur die Anlage, sondern -auch der Standort, die Rohstoffgrundlage verfehlt. Auch den übrigen -Gründungen Strousbergs, den Markthallen, Schlachthöfen, Zeitungen, die -er gewissermaßen nebenbei aus dem unerschöpflichen Füllhorn seines -Ideenreichtums schüttete, lag fast stets ein guter Gedanke zu Grunde, -die Ausführung aber war flüchtig und sorglos. Es war vielleicht die -verhängnisvollste Schwäche Strousbergs, daß er, der Nichtfachmann, der -seine Unternehmungen auf die Technik einer künftigen Zeit anlegte, -nicht einmal die Technik seiner Zeit völlig beherrschte. So sehr er -sich in seinem Memoirenwerk dagegen wehrt, er <em class="gesperrt">hat</em> manchmal -schlecht gebaut, trotz des meist ehrlichen Willens, gut zu bauen, weil -er nicht imstande war, sich die richtigen Fachleute auszusuchen und -weil er zu schnell bauen wollte und mußte.</p> - -<p>Aber nicht nur in den Zeitumständen, auch in den Charaktereigenschaften -war Emil Rathenau fester gegründet, als der so ähnlich<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> begabte -Stammesgenosse. In dem wesentlichen Grundzug ihrer finderischen -Natur waren diese beiden Juden einander nahe verwandt. Beide von -einer — bei aller Fähigkeit für das Komplizierte — schlichten -und fast naiven Konstruktivität, Strousberg naiver, Rathenau -schlichter, beide von hellseherischer Phantasie für zukünftige -Möglichkeiten und Notwendigkeiten, Strousberg schweifender auf die -Möglichkeiten, Rathenau — wenigstens in der Arbeit — nüchterner -auf die Notwendigkeiten gerichtet. Des einen, des Bahnenkönigs -Unternehmungsgeist, trotzdem er nie eine Sache um des Gründergewinns, -sondern nur um des meist guten industriellen Gedankens willen gründete, -etwas fessel- und hier und da auch wahllos umherspringend, des andern -Schaffen bei allen gelegentlichen gedanklichen Exkursionen von einer -einheitlichen Grundidee gebändigt und beherrscht, sich selbst mit -eiserner Selbstzucht stets wieder auf den Boden der Wirklichkeit -zurückzwingend. Strousberg hat auf <em class="gesperrt">viele</em> Gebiete der Industrie -übergegriffen, Rathenau hat <em class="gesperrt">eine</em> Industrie mit höchster -Vertiefung und Vielseitigkeit ausgebaut und die Nebenindustrien, -denen er sich zuwandte, doch immer unter die Gesichtspunkte des -elektrotechnischen Gewerbes gestellt. Bei aller Verwandtschaft der -spirituellen Intelligenz, der Begabung und der Methode, eine starke -Verschiedenheit weniger der Temperamente, als der Hemmungen der -Temperamente. Strousberg drängte gewaltsam vorwärts und überstürzte. -Rathenau hat gezeigt, daß er wohl zu warten verstand.</p> - -<p>Unter solchen Umständen ist es falsch zu sagen, daß Glück oder Unglück -die entscheidende Rolle in dem Leben dieser beiden Männer gespielt -haben, wie dies Strousberg in seiner im russischen Schuldgefängnis -geschriebenen Selbstbiographie von sich behauptet hat. Es ist richtig, -daß die 6 Millionen Taler Entschädigung, die Strousberg gerade in -seiner kritischen Zeit an Rumänien infolge fehlerhafter Ausführung -eines Bahnenbaus zahlen mußte, seinen Zusammenbruch beschleunigt -haben. Aber dieses Schicksal traf ihn nicht unverdient, und es wurde -aufgewogen durch manchen Glückszufall, aus dem er früher hatte -Nutzen ziehen können. Emil Rathenau andererseits ist durch das Glück -nie sonderlich verwöhnt worden und gerade die vielen Reserven, -Hindernislinien und Schutzgräben, von denen er um sein Werk nicht -genug ziehen konnte, um es gegen jeden Schicksalsschlag, gegen -jeden ungünstigen Zufall zu sichern,<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> zeigen den Unterschied seiner -industriellen Bauweise von der Strousbergs.</p> - -<p>Die vorangegangene Schilderung hat gezeigt, welche große Bedeutung -die <em class="gesperrt">zeitlichen Umstände</em> als Vorbedingung für ein Werk, -wie das Rathenaus gehabt haben, wenngleich sie keineswegs allein -ausschlaggebend für das Wachstum seiner Persönlichkeit und seiner -Schöpfung gewesen sind. Man kann sagen, daß die letzten 3 Jahrzehnte -in Deutschland deswegen so viel schöpferische Persönlichkeiten und -Leistungen in Handel und Gewerbe hervorgebracht haben, weil sie -selbst so schöpferisch waren und Gelegenheit, ja förmlich Zwang zu -produktiver Tätigkeit boten. In dem Agrarland Deutschland war noch -so viel Platz für große Industrieunternehmungen, es gab so viele -ungehobene industrielle Rohstoffe, so viel überschüssiges, früher -auf den Weg der Auswanderung gedrängtes Menschenmaterial, daß die -Entwicklung, nachdem einmal die Bahn durch Beseitigung der politischen -Hemmungen, durch Freimachung und Anreicherung der kapitalbildenden -Kräfte geebnet war, mächtig vorwärts drängen mußte. Man brauchte sich -nur von dieser Entwicklung tragen zu lassen, um es zu etwas zu bringen -und selbst die <em class="gesperrt">mäßige</em> Begabung konnte sich ansehnliche Ziele -stecken. Die <em class="gesperrt">große</em> aber fand Baustoff und Werkzeug zu stärkstem -Vollbringen. Man kann den Anteil, den Zeit und Persönlichkeit an den -gewerblichen Schöpfungen unseres Zeitalters hatten, vielleicht am -besten charakterisieren, wenn man sagt, daß die Männer dieser Zeit mit -der Stromrichtung schwimmen konnten. Sie hatten — natürlich nur im -Großen, und nicht im einzelnen betrachtet — kein zähes Gestrüpp an -Gewohnheiten, Vorurteilen erst auszuroden, ehe sie mit der eigentlichen -Arbeit beginnen konnten. Sie brauchten nicht einen erheblichen Teil -ihrer besten Kraft darauf zu wenden, erst den Kampf des Positiven gegen -das Negative zu führen, wie etwa der gedankliche Bahnbrecher Friedrich -List, sie brauchten auch keiner spröden Materie langsame Gestaltung -abzuzwingen, wie David Hansemann, Alfred Krupp und Werner Siemens. Sie -fanden den Boden gepflügt und gedüngt. Gewiß, nur fruchtbare Körner -konnten auf ihm aufgehen. Aber das fruchtbare Korn wird, wenn es auf -einen guten und bereiten Boden fällt, anders und stärker gedeihen, als -wenn es in Brachland oder dünnen Sandboden gesenkt wird.</p> - -<p>Es spricht nicht gegen unsere Auffassung von den wirtschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span>lichen -Wirkungen der reichsdeutschen Gruppierung um die staatenbildende -Zentrifugalkraft Preußens, wenn man feststellt, daß einmal der -wirtschaftliche Zusammenschluß Norddeutschlands und der spätere -Hinzutritt Süddeutschlands zu dem deutschen Zollverein schon vor dem -deutsch-französischen Kriege stattgefunden hatten und daß nachher noch -fast ein Jahrzehnt hinging, ehe die moderne Wirtschaftsbewegung mit -voller Kraft einsetzte. Vor dem Kriege war durch die Zollbündnisse, -die den politischen Reichsgedanken vorbereiten halfen, wohl eine -gewisse Einheit schon de jure erreicht. Das blieb auch ganz gewiß -nicht ohne befruchtende Wirkung auf das Wirtschaftsleben und führte -schon in der Mitte der 60er Jahre zu günstigen Geschäftskonjunkturen. -Aber die große Revolutionierung des Wirtschaftsbodens, von der wir -gesprochen haben, wurde dadurch höchstens angekündigt, noch nicht -eingeleitet. Dies konnte erst geschehen, nachdem die wirtschaftliche -Einheit durch die feste politische Form endgültig geworden, gegen -jede Bedrohung von innen und außen gesichert war. Die allgemeine -Überzeugung, daß die Einheit politisch und kriegerisch noch einmal -würde erprobt und verteidigt werden müssen, hinderte vorerst das -organische Zusammenwachsen der einzelnen Glieder Deutschlands zu -einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet. <em class="gesperrt">Nach dem Kriege</em> setzte -der <em class="gesperrt">subjektive</em> Aufschwung sofort ein und zwar in einem Tempo, -daß ihm der objektive Aufschwung nicht zu folgen vermochte. Da -keine genügende Zahl von industriellen Unternehmungen und von den -sie repräsentierenden Wertpapieren da war, an denen die spekulative -Hochbewertung sich hätte genug tun können, nahm der Aufschwung die -Form der künstlichen „Wertschafferei“ und „Werttreiberei“ an, die sich -auch am <em class="gesperrt">fingierten</em> Wert entzündeten. Die <em class="gesperrt">wirklichen</em> -Werte an industriellen Objekten, an Grund und Boden, an Waren und -Rohstoffen wurden gewaltig übersteigert, wie das immer der Fall ist, -wenn der Kreis der realen Tatsachen nicht schnell genug erweitert -und auf den Umfang der neuen geistigen Möglichkeiten gebracht werden -kann. Die Plötzlichkeit, mit der die deutsche Binnenwirtschaft -vor weltwirtschaftliche, ja imperialistische Probleme gestellt -wurde, zeitigte ein gewaltiges schöpferisches Bedürfnis, dem die -schöpferischen Verwirklichungen nicht im gleichen Tempo folgen konnten. -Die Zukunftsphantasien, die den Gründern und Spekulanten jener Zeit vor -Augen standen, waren dabei sicherlich nicht einmal<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span> falsch gesehen oder -übertrieben. Was seither verwirklicht wurde, hat jene Phantasiegemälde -längst überboten und in Schatten gestellt. Falsch war nur die Bemessung -der Distanz, der Zeitspanne, in der man zur Verwirklichung jener -Ideen kommen zu können glaubte. Man glaubte Tal und Berg im Sprung -überwinden zu können, während eine mühselige Wanderung über Hügel und -Einsenkungen, durch Schluchten und Gestein notwendig war. Was diesen -Trugschluß damals noch so wesentlich förderte, war der französische -Milliardensegen, der sich unerwartet und unvorbereitet über Deutschland -ergoß. Man glaubte, daß mit diesem Gelde jede Distanz überwunden -werden könnte und hatte noch nicht die vorher nirgends so augenfällig -gewordene, erst anläßlich dieser gewaltigsten gegenwertlosen -Geldübertragung der Geschichte möglich gewordene Erfahrung gemacht, daß -ein Überfluß an Geld eine gesunde Entwicklung nicht fördert, sondern -stört. Nur Geld, das Kapital geworden ist oder Kapital werden kann, -das heißt für das sich eine gesunde Anlagemöglichkeit findet, vermag -Früchte zu tragen. Das Geld, das beschäftigungslos umhertreibt oder -zu zwecklosen Experimenten verwendet wird, schafft eine künstliche -Kaufkraft, eine ungesunde Unternehmungslust, bringt die Faktoren der -Preisbildung, die Ventile der Marktregulierung in Unordnung und treibt -in Krisen hinein, in denen die künstlichen Gebilde zusammenbrechen -müssen, ehe wieder richtige Wertmaßstäbe gewonnen werden können.</p> - -<p>Durch die Delirien dieser Krise mußte erst die subjektive -Aufschwungskraft des wirtschaftlichen Deutschland nach seiner Einigung -hindurchgehen, ehe der wirkliche, wohlfundierte Aufstieg begonnen -werden konnte. In dieser Krise wurde schon die Spreu von dem Weizen -gesondert, und wer sie überlebte, hatte schon halb bewiesen, daß er -würdig und fähig war, an den Mühsalen und Früchten des aufsteigenden -Weges teilzunehmen. Emil Rathenau gehörte zu jenen, die sich durch das -falsche Gold der Gründerjahre nicht hatten blenden lassen. Er hatte -seine gewaltige Bejahungskraft, seine Phantasie, die doch nicht weniger -lebendig und beweglich waren als die des verwegensten Abenteurers aus -der Gründerzeit, vollkräftig und doch fast unbeschädigt durch die Jahre -getragen, die rings um ihn von Orgien der Unternehmungslust erfüllt -gewesen waren. So war er rein und stark für die kommenden Jahre der -Stärke geblieben.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Viertes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Viertes Kapitel</em><br /> - -Technische Vorbedingungen</h2> - -</div> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Als Emil Rathenau seine Siegeslaufbahn begann, war die -Elektrotechnik wenig mehr als ein bescheidener Versuch, die -großartigen Forschungen der Physik des vorigen Jahrhunderts -nützlicher Verwertung zu erschließen. Die Erfindungen trugen noch -deutlich den Stempel ihrer Geburtsstätte — es waren Erzeugnisse -instrumentaler Technik. Werner v. Siemens, selbst aus dieser -hervorgegangen, war der erste, dessen weitschauender Geist die -Notwendigkeit erkannte, die Hilfe eines Bundesgenossen, der -Maschinentechnik, herbeizurufen, das Studium der Elektrotechnik -den Technischen Hochschulen zuzuweisen, und mit dem Maschinenbau -auf das Innigste zu verschmelzen. Schwierig war die Aufgabe, -die er damit den technischen Hochschulen erteilte, fehlte es -denselben doch zunächst an geeigneten Lehrkräften, die mit -theoretischem Wissen praktisches Können vereinten. Da brachte -Hilfe die schnell sich entwickelnde Technik selber. Hervorragende -Maschineningenieure, technische Physik beherrschend, traten in die -Werkstätten der Elektrotechnik und wurden bald ihre Lenker und -Leiter. Als der ersten einer — Emil Rathenau. Es war ein großes -Glück für die deutsche Elektrotechnik, daß ihr neben Siemens ein -Mann erstand, von gleichen Überzeugungen beseelt, mit genialer -Veranlagung zum Maschineningenieur erzogen, der, zwar nicht mit ihm -vereint, wohl aber im edelsten Wetteifer<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> mit ihm gleichen Zielen -zustrebte. Dem Wirken dieser beiden Männer verdankt die deutsche -Elektrotechnik ihre erstaunlich schnelle Entwicklung.“</p> - -<p class="right mright2">(Prof. Dr. Slaby in einer Festrede zur Feier des 25jährigen -Bestehens der A. E. G.)</p></div> - -<p>Im vorigen Kapitel haben wir gesehen, welche allgemeinwirtschaftlichen -Bedingungen Emil Rathenau vorfand, als er am Anfang der 80er Jahre -daranging, ein neues Unternehmen aufzubauen. Jetzt soll untersucht -werden, wie es mit der <em class="gesperrt">Entwicklung</em> der <em class="gesperrt">elektrotechnischen -Industrie</em> stand, der sich Rathenau zuwandte, weil er auf ihrem -Gebiet die größten Zukunftsmöglichkeiten für einen technischen Kaufmann -sah.</p> - -<p>Die Elektrotechnik, als Grundlage der Elektrizitäts-Industrie, das -heißt einer praktisch-wirtschaftlichen Ausnutzung der Wissenschaft -von der Elektrizität ist viel jünger als die Erfindung oder besser -als die Findung der galvanischen Kraft. Sie ist ganz und gar ein -Kind des 19. Jahrhunderts und setzte zu ihrer Ausbildung die -Pionierdienste voraus, die auf allgemein-technischem Gebiete erst -die Physik und die Chemie leisten mußten. Der erste Schritt in das -seitdem experimentell vielfach durchleuchtete Gebiet einer ihrem -inneren Wesen nach noch immer geheimnisvollen Kraft wurde halb durch -Zufall getan. Lange Zeit ging die herrschende Ansicht dahin, daß -die magnetischen und elektrischen Erscheinungen nicht miteinander -zusammenhingen. Ein dänischer Physiker Hans Chrystian Oersted -entdeckte 1820 das Prinzip des Elektromagnetismus, indem er bemerkte, -daß eine auf seinem Experimentiertische befindliche Magnetnadel -durch galvanischen Strom abgelenkt wurde. Deutsche, französische -und englische Forscher warfen sich bald darauf mit intensiver -Energie auf das neue Gebiet der Wissenschaft und suchten die schmale -Eingangspforte durch systematische Arbeit zu erweitern. Während -man auch nach der Entdeckung Oersteds zunächst noch an der Ansicht -festhielt, daß nicht die Elektrizität, sondern der Magnetismus die -einfachere, grundlegende Kraft sei, begründete Ampère die Theorie, -daß das Grundphänomen das elektrische sei und daß alle Äußerungen -des Magnetismus auf elektrischen Strömen beruhten, eine Theorie, die -als erwiesen gelten konnte, nachdem gezeigt worden war, daß durch -elektrischen Strom ein Magnetfeld erzeugt<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> werden konnte. Damit war -die industriell so außerordentlich fruchtbar gewordene Einwirkung der -elektrischen Kraft auf den Grundstoff aller modernen industriellen -Betätigung, das Eisen, festgestellt, das die Eigentümlichkeit besitzt, -durch einen elektrischen Strom sehr kräftig magnetisiert zu werden. -Gauß und Weber gelangten auf Grund ihrer Arbeiten im Jahre 1833 zur -Erfindung des <em class="gesperrt">elektrischen Telegraphen</em> und stellten bald darauf -die erste telegraphische Verbindung auf eine kurze Strecke — zwischen -ihren beiden Arbeitsstätten in Göttingen — her. Damit schien die -deutsche Forschung, nachdem sie dieses eminent praktische Problem -wissenschaftlich gelöst hatte, sich zunächst begnügen zu wollen. -Für eine praktische Ausnutzung fehlte es in Deutschland damals an -einer entwickelten Industrie und gerade umgekehrt wie bei späteren -großen Erfindungen, die im Auslande gemacht, aber in Deutschland -systematisch-praktisch durchgebildet wurden, ließ man bei den ersten -epochemachenden Entdeckungen auf dem Gebiete der Elektrotechnik -die grundsätzlichen Erkenntnisse der Wissenschaft ohne Folgen. Wie -später auch das von dem deutschen Physiker Philipp Reis erfundene -Telephon wurde der elektrische Telegraph in Amerika entwickelt. -Schon im Jahre 1835 konstruierte der Amerikaner Samuel Morse den -nach ihm benannten Fernschreibapparat, auch andere Amerikaner und -Engländer, wie Wheatstone und Coke befaßten sich erfolgreich mit der -Ausbildung des Telegraphen. Im Jahre 1844 wurde die erste öffentliche -Telegraphenleitung zwischen Washington und Boston eingerichtet und -dem öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht. Die verkehrstechnische -Entwicklung des Telegraphen schritt nun mit schnellen Schritten fort. -In Amerika, wo besonders große Entfernungen zu überwinden sind, war -das Bedürfnis nach rascher Nachrichtenübermittelung naturgemäß am -stärksten, und der praktische Sinn überdies am schnellsten bereit, -die Errungenschaften der Technik nutzbar zu machen. Aber auch Europa -rührte sich. England, Frankreich und Deutschland vermochten sich -der Bedeutung nicht zu entziehen, die der Telegraph für das ganze -wirtschaftliche, soziale und politische Leben gewinnen mußte. Die -Welt war damals bereits aus dem handwerklichen in das maschinelle -Zeitalter getreten, und sie rückte auch immer entschiedener in das -Zeichen des Verkehrs. Im Jahre 1838 war die erste Eisenbahn in -Deutschland fertiggestellt worden, nun folgten allenthalben<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> neue -Schienenwege, und die Eisenbahnverwaltungen erkannten bald die -Vorteile, die es ihnen bot, ihre Linien von telegraphischen Leitungen -begleiten zu lassen. So trafen sich die Bedürfnisse der maschinellen -Verkehrstechnik mit denen der elektrischen. Der erste Anstoß für -die Einführung des Telegraphen kam in Preußen allerdings nicht von -der verkehrspolitischen, sondern von der militärischen Seite her. -Die Kommission des preußischen Generalstabes für die Einführung der -elektrischen Telegraphen übertrug im Jahre 1847 dem Artillerieleutnant -<em class="gesperrt">Werner Siemens</em> die Herstellung einer unterirdischen -Telegraphenlinie von Berlin nach Großbeeren zu Versuchszwecken. Eine -glücklichere Wahl hätte die Militärbehörde nicht treffen können. -Damit wurde zum ersten Male der Mann mit der Lösung einer bedeutsamen -Aufgabe betraut, der zu den größten technischen Konstrukteuren aller -Zeiten gehörend, die Entwicklung der elektrotechnischen Industrie in -ihrer ersten, grundlegenden Periode anregen, führen und verkörpern -sollte wie kein zweiter in Deutschland, wie nur wenige andere in -der ganzen Welt. In der Mitte zwischen technischer Wissenschaft und -Praxis stehend, war es Werner Siemens in einer Zeit, in der eine -tiefe Kluft zwischen der Theorie und der ausübenden Technik gähnte, -vergönnt, sich beide Gebiete ganz zu eigen zu machen, auf beiden -Gebieten Gedanken aus erster Hand, von primärem Wert und schöpferischer -Auswirkung zu prägen und miteinander zu verschmelzen. Die eiserne -Folgerichtigkeit seines technischen Denkens, und die nie ermüdende -und nie abschweifende Konstanz seiner Arbeit ermöglichten es ihm, -die fruchtbaren Gedanken zur industriellen Reife zu entwickeln. -Kein schnelles Blitzlicht, das hier und dorthin springend dunkle -Gebiete der Forschung einen Augenblick erhellt und es dann anderen -oder auch dem Zufall überläßt, sie dauernd aufzuklären, sondern eine -ruhig brennende Flamme, die sich von dem zu erforschenden Gegenstand -nicht früher abkehrt, bis sie ihn von allen Seiten abgeleuchtet hat. -Nicht so geniefunkelnd, experimentell-geistreich und vielseitig wie -der amerikanische „Zauberer“ Thomas Alva Edison, aber nicht weniger -finderisch als dieser. Der ernste Kopf, das tiefe Auge, die feste -Hand des Niederdeutschen, eine Natur, die mit einer Sache ringt und -sie nicht läßt, bevor sie sich ihm ergeben hat. Gewiß, auch Werner -Siemens fehlte manches, wovon später noch zu reden sein wird. Aber -es war vielleicht gut, daß ihm dieses fehlte, wofür in<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> seiner Zeit -die Bedingungen wenigstens in Deutschland noch nicht vorhanden waren, -was ihn möglicherweise in der Sicherheit seines Wesens und Wollens -nur beirrt, in der Gradlinigkeit seines Schaffens zersplittert hätte. -Gerade dadurch, daß Werner Siemens die Möglichkeiten und Forderungen -<em class="gesperrt">seiner</em> Zeit so völlig erschöpfte, erschöpfte er sich in ihnen, -ging die Entwicklung schließlich über ihn hinweg, vermochte er sich -einer anderen Zeit nicht mehr so recht anzupassen.</p> - -<p>Werner Siemens wurde im Jahre 1816 in Lenthe in Hannover als Sohn -eines Gutspächters geboren. Schon den jungen Gymnasiasten drängten -Begabung und Neigung zur Technik. Da das Studium auf der Bauakademie, -dem damals einzigen technischen Lehrfach, dem Vater zu kostspielig -war, wurde auf Anraten eines Freundes der Familie ein Kompromißweg -gefunden. Werner Siemens sollte preußischer Pionieroffizier werden, -wo er Gelegenheit haben würde, dasselbe zu lernen wie auf der -Bauakademie. Wie so viele strebsame Jünglinge aus den deutschen Mittel- -und Kleinstaaten wandte sich Siemens nach Preußen. „Der einzige -feste Punkt in Deutschland ist jetzt der Staat Friedrichs des Großen -und die preußische Armee,“ sagte ihm zustimmend der Vater, als er -seinen Entschluß zu erkennen gab. Werner Siemens wurde aber nicht -Pionier-, sondern Artillerieoffizier, da ihm gesagt wurde, daß er -als solcher bedeutend bessere militärische Aussichten und dieselbe -technische Vorbildung haben würde. Die Zeit auf der Artillerie- und -Ingenieurschule nutzte der junge Mann in ernster Weise aus, auch als -Offizier in verschiedenen preußischen Garnisonstädten befaßte er -sich mit wissenschaftlichen Studien und Experimenten. Die Erfindung -Jacobis, Kupfer in metallischer Form durch den galvanischen Strom aus -reiner Lösung von Kupfervitriol niederzuschlagen, veranlaßte ihn, -sich im Jahre 1840 mit der Galvanisierung zu beschäftigen. In der -Zitadelle von Magdeburg, in der er eine ihm wegen Sekundierens beim -Duell auferlegte Festungshaft absolvieren sollte, richtete er sich, -ganz zufrieden mit der ihm ermöglichten Muße, ein Laboratorium ein, -und es glückte ihm, ein neues Verfahren galvanischer Versilberung und -Vergoldung zu entdecken. Der praktische Sinn des jungen Offiziers -äußerte sich darin, daß er, obwohl als Militär in der Wahl der Mittel -zur Einleitung von Geschäften sehr beschränkt, darauf bedacht war, -aus seiner Erfindung Kapital zu<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> schlagen. Es gelang ihm, mit der -Neusilberfabrik J. Heninger einen Vertrag abzuschließen, auf Grund -dessen er dieser eine Anstalt für Vergoldung und Versilberung nach -seinen Patenten gegen Gewinnbeteiligung einrichtete. Seinen Bruder -Wilhelm schickte er nach England, damit er dort den Versuch mache, -die elektrolytischen Patente und das später erfundene Verfahren der -Vernickelung zu verwerten. Diesem glückte es auch, die Patente für -1500 Pfd. Sterl. an eine englische Firma zu verkaufen. Bald lenkten -größere Aufgaben das Interesse Werner Siemens auf sich. Er beteiligte -sich an den Versuchen, die Leonhardt im Auftrage des Generalstabes -der preußischen Armee über die Frage der Ersetzbarkeit der optischen -Telegraphie durch elektrische anstellte. Siemens konstruierte einen -Zeigertelegraphen mit Selbstunterbrechung, dessen Herstellung er -einem jungen Mechaniker namens <em class="gesperrt">Halske</em> anvertraute. Kurze -Zeit später fand er in dem damals neu auf dem englischen Markte -erschienenen Guttapercha ein ausgezeichnetes Isolationsmaterial für -unterirdische elektrische Drahtleitungen, wie sie damals angesichts -der herrschenden Meinung, daß oberirdische Leitungen zu leicht der -Zerstörung ausgesetzt seien, für allein anwendbar gehalten wurden. Er -stellte ferner auch eine Schraubenpresse her, durch die der erwärmte -Guttapercha unter Anwendung hohen Drucks nahtlos um den Kupferdraht -gepreßt wurde. Siemens Entschluß, sich ganz der Entwicklung des -Telegraphenwesens zu widmen, stand nun fest. Er veranlaßte im Jahre -1847 den Mechaniker G. Halske, mit dem die gemeinsame Arbeit ihn näher -verbunden hatte, eine Telegraphenbauanstalt zu begründen, in die er -nach seiner Verabschiedung aus dem Heeresdienste selbst eintreten -wollte. Das Betriebskapital von 6000 Talern lieh ihm ein Vetter, der -Justizrat Siemens, der Vater des später so berühmt gewordenen ersten -Direktors der Deutschen Bank Georg von Siemens. Die Werkstatt wurde -in einem Hinterhaus der Schönebergerstraße in der Nähe des Anhalter -Bahnhofs eröffnet. Siemens selbst wollte seine ganze Kraft dem neuen -Unternehmen erst widmen, wenn die Generalstabskommission zur Einführung -des elektrischen Telegraphen ihre Aufgabe voll erfüllt hatte. So sehr -er auch die ihm offenstehende Laufbahn, sich dank seiner beherrschenden -Stellung in der Telegraphenkommission allmählich zum Schöpfer und -Leiter des preußischen Staatstelegraphen aufzuschwingen, als zu eng, -zu wenig selbständig, zu bureaukratisch ablehnte, hier lag<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> doch in -der damaligen Zeit noch das Feld, auf dem er am entscheidendsten -an der Verwirklichung seiner Pläne mitarbeiten konnte. Bald darauf -wurde auch die bereits erwähnte erste unterirdische Telegraphenlinie -Berlin-Großbeeren und die oberirdische Linie Berlin-Potsdam -fertiggestellt, und von dem freien Blick dieses kaufmännischen -Soldaten zeugt es, daß er — im Gegensatz zu den Heeresbehörden — -dafür eintrat, daß die neuen Linien nicht nur dem Militär, sondern -auch dem Publikum zur Verfügung stehen mußten. Die März-Revolution -und der dänische Krieg von 1848 unterbrachen die systematische Arbeit -am Telegraphen. Wir sehen Siemens als Kriegstechniker in Kiel, -Friedrichsort und Eckernförde, wo er die Verteidigung dieser Seehäfen -durch Minensperren — die ersten, die jemals gelegt wurden — und -durch Hafenbatterien durchführte. Nach Berlin zurückgekehrt, nahm -Siemens die telegraphischen Projekte mit Hochdruck wieder auf. Der -brave Halske hatte, unbeirrt durch Revolution und Kriegsgeschrei, seine -Telegraphenapparate auch ohne Bestellung weiter fabriziert und dadurch -das junge Unternehmen vor dem Zusammenbruch bewahrt. Die Zuversicht -sollte sich lohnen. Es gab bald Arbeit in Hülle und Fülle. Eine große -unterirdische Telegraphenlinie von Berlin nach Eisenach und eine -oberirdische von dort nach Frankfurt, wo damals das erste deutsche -Parlament tagte, waren im Auftrage des preußischen Handelsministeriums -zu bauen. Die Loslösung des Telegraphen vom rein militärischen -Interesse, seine Verwendung im Dienste des Verkehrs war eine Tatsache. -Siemens zog nun endgültig den Soldatenrock aus und trat als offener -Teilhaber in die Firma Siemens & Halske ein. Die Periode der Versuche, -der tastenden Anfänge und kleinen Dimensionen ist überwunden. Die -Entwicklung verstärkt, verbreitert, vervielfältigt sich, geht ins -Große und trägt die Firma Siemens & Halske zur Bedeutung nicht nur des -ersten elektrotechnischen Unternehmens in Deutschland, sondern eines -Welthauses empor.</p> - -<p>Neben Telegraphenanlagen wurden bald Läutewerke für Bahnanlagen, -Meßinstrumente hergestellt. Der im Jahre 1850 nach Europa gekommene -Morse-Apparat wurde von der Firma mit vielen Verbesserungen versehen -und zu einer Vollendung gebracht, die ihn über alle früheren Systeme -weit hinaushob. Das Absatzgebiet wurde über Deutschland hinaus -erweitert. Insbesondere in Rußland verstand es die junge Firma, -die im Jahre 1849 immer noch mit 32 Arbeitern<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span> auskam, festen Fuß -zu fassen; neben kleineren Telegraphenlinien wurden die großen -Strecken Petersburg-Warschau, Moskau-Kiew-Odessa, Petersburg-Reval -und Petersburg-Helsingfors fertiggestellt. Werner Siemens hatte -das Glück, energische und tüchtige Brüder zu besitzen, denen er -die Geschäfte im Auslande anvertrauen konnte, was dazu beitrug, -den Familiencharakter der Siemensschen Unternehmungen zu wahren, -und trotz der notwendig gewordenen Dezentralisation aufrecht zu -erhalten. Wie Karl Siemens das russische Geschäft, den technischen -Weisungen des genialen Werner folgend, aber kaufmännisch mit einem -hohen Grade von Selbständigkeit und Geschick entwickeln konnte, so -vermochte Wilhelm Siemens, der früh nach England gegangen war, trotz -der starken Konkurrenz in diesem technisch dem damaligen Deutschland -überlegenen Lande, eine starke Stellung zu erkämpfen. Er lieferte -für den indischen Telegraphen Materialien und Apparate und eröffnete -einen lohnenden Fabrikationszweig durch die Konstruktion des nach -ihm benannten Wassermessers. Entscheidend wurde die Betätigung in -England für die Bedeutung, die sich die Firma Siemens & Halske in -der <em class="gesperrt">Kabelfabrikation</em> und in der Kabellegung erwerben sollte. -Zunächst beschränkte man sich auf die Herstellung von Kabeln und -elektrischen Apparaten für die Unterwassertelegraphie, und entwickelte -grundlegende Methoden für Kabelprüfung und Fehlerbestimmung. Die -erste selbständige Kabellegung für die Linie Kartagena-Oran, die -von der französischen Regierung in Auftrag gegeben worden war, aber -infolge ungünstiger Formation des Meeresbodens dreimal mißglückte, -forderte schwere Opfer, die die Brüder Siemens nicht entmutigten, -aber den vorsichtigen, jeder Großzügigkeit baren Halske veranlaßten, -die Trennung des Londoner Geschäfts von dem Berliner zu beantragen. -Diese erfolgte und das Londoner Geschäft ging unter der Firma Siemens -Brothers in den Besitz der Brüder Wilhelm, Werner und Karl über. Das -Vertrauen in die Leistungsfähigkeit dieser Firma für den Bau von -Überseekabeln hat nicht getrogen. Im Laufe der Jahre gelang es Siemens -Brothers mit einem direkten Kabel von Irland nach Amerika das Monopol -eines damals unter den Auspizien Sir William Penders gebildeten -Kabelringes zu durchbrechen und andere große Überseekabel in Auftrag -zu bekommen. Kein Geringerer als der große Gelehrte Sir William -Thomson hatte das erste Siemenskabel geprüft und für fehlerfrei und<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> -außerordentlich sprechfähig erklärt. Vorangegangen war die Errichtung -einer eigenen Guttaperchafabrik in England, die notwendig wurde, da -die einzige englische Fabrik, die bis dahin nahtlos mit Guttapercha -umpreßte Drähte nach dem Siemensschen System herstellte, offenbar -im Interesse jenes Kabelringes bei der Lieferung von gereinigter -Guttapercha an Siemens Brothers Schwierigkeiten gemacht hatte. Die -Gesellschaft, die von den Brüdern Werner, Wilhelm und Karl Siemens -für den Bau der Kabellinie Irland-Amerika gegründet wurde, mußte ihr -Kapital auf dem Kontinent aufbringen, da der englische Markt durch -die übermächtige Konkurrenz verschlossen war. Schon vorher hatte -der ständig nach neuen Projekten ausschauende Geist Werner Siemens -ein anderes gewaltiges Werk ersonnen und ausgeführt. Es handelte -sich um nichts geringeres, als um den Bau einer Indo-Europäischen -Überland-Telegraphen-Linie, die England über Preußen, Rußland und -Persien mit seiner Kolonie Indien verband. Zu diesem Zwecke wurde -eine englische Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 425000 Pfd. -Sterl. gegründet, die sämtliche Konzessionen von den beteiligten -Regierungen erwarb und die Linie bis zum Jahre 1869 fertigstellte. -Der Bau, die Lieferungen an Materialien und Apparaten und die -Unterhaltung der ganzen Linie wurde der Firma Siemens & Halske -übertragen, die sich ihrerseits mit einem Fünftel des Aktienkapitals -an dem Unternehmen beteiligte. Die Indo-Europäische Überland-Linie -und die Kabelgesellschaft Irland-Amerika bilden die ersten Fälle von -sogenannten Betriebsunternehmungen, die nicht im fremden Auftrag, -sondern auf eigene Initiative von einer Fabrikationsgesellschaft in -der elektrischen Industrie gegründet worden sind. Für Werner Siemens -sind es Ausnahmefälle geblieben, die nicht einem geschäftlichen -System entsprangen, sondern der Verwirklichung technischer und -verkehrspolitischer Lieblings-Gedanken dienen sollten, weil diese -Verwirklichung auf anderem Wege nicht hätte erfolgen können. Zu -den Prinzipien der Firma Siemens & Halske gehörten derartige -Eigen-Gründungen durchaus nicht, und wir werden später sehen, daß -hier gerade ein Ansatzpunkt für das kaufmännisch anders geartete und -modernere System Emil Rathenaus lag.</p> - -<p>Schon der unternehmerische Wagemut, den damals die Firma Siemens & -Halske an den Tag legte und der die Grenzen der Firma immer weiter ins -Weltwirtschaftliche und Großbetriebliche hinaus<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span>schob, sagte Halske, -dem ersten Sozius Werner Siemens und Mitbegründer der Firma nicht zu. -Sein ehrlicher, gediegener, aber immerhin begrenzter und ängstlicher -Geist liebte nur Geschäfte, die er überblicken konnte. Wohl fühlte er -sich nur in kleineren Dimensionen, das andere schien ihm ein Wagen, -das dem Hazardieren verwandt war. Darum schied er im Jahre 1868 aus -der Firma, der er in den ersten Jahren ihres Bestehens als geschickter -und tüchtiger Feinmechaniker hatte treffliche Dienste leisten können, -die ihm aber entwachsen war, seitdem sich die Firma handwerkliche -Talente, wie er eins war, zu Dutzenden gegen mäßige Bezahlung halten -konnte. An Bedeutung für das Geschäft war Halske schon lange hinter -Siemens Jugendfreund William Meyer, der jahrelang die Stellung eines -Oberingenieurs und Prokuristen bekleidet hatte, zurückgeblieben. Meyers -Nachfolger, der frühere Leiter des Hannoverschen Telegraphenwesens Karl -Frischen, überragte als Persönlichkeit Halske noch beträchtlicher. -Endlich wuchs in der Person des Herrn v. Hefner-Alteneck, der aus -dem jüngeren Schülerstabe Werner Siemens stammend, als Chef des -Konstruktionsbureaus tätig war, eine Kraft heran, der als technischer -Erfinder in der Folgezeit Bedeutendes leisten sollte und als -Konstrukteur neben Werner Siemens wohl bestehen konnte. Damit war -Halskes Platz als erster Mitarbeiter Werner Siemens in einer dem neuen -Charakter des Geschäfts entsprechenden Weise schon lange besetzt -worden, ehe er ihn noch verlassen hatte.</p> - -<p>Alles was die Firma Siemens & Halske, was die Elektrizitätsindustrie -in der vergangenen Periode geleistet hatte, was auch noch -den Hauptinhalt des nächsten Jahrzehnts bildete, gehörte der -<em class="gesperrt">Schwachstromindustrie</em>, das heißt der Erzeugung von Elektrizität -auf <em class="gesperrt">chemischem Wege</em> an. In Deutschland waren in dieser ersten -Blüteperiode der Elektrizitätsindustrie nur verhältnismäßig wenige -größere Firmen neben Siemens & Halske tätig. Bedeutung erwarben -außerdem eigentlich nur die Firmen Felten & Guilleaume in Mülheim a. -Rh., Gebr. Naglo und H. Poege in Chemnitz. Im übrigen gab es wohl -eine ganze Anzahl von kleinen Betriebswerkstätten, die mit wenigen -Arbeitern auskamen, und sich auf die Anfertigung von Apparaten, -kleineren Telegraphenanlagen, Instrumenten usw. beschränkten. Über -eine nationale, kaum lokale Bedeutung gingen aber diese Betriebe -nicht hinaus. Wie wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> auch Siemens & Halske damals noch trotz -ihres internationalen, weit ausgesponnenen Geschäfts dem entsprachen, -was wir heute unter einem Großunternehmen verstehen, geht daraus -hervor, daß diese Firma im Jahre 1869 nur 250, im Jahre 1875 nur -600 Arbeiter beschäftigte, eine Anzahl, die ungefähr die Hälfte der -damals in der ganzen deutschen Elektrizitätsindustrie verwandten -Arbeiter darstellte. Die überragende Bedeutung der Firma Siemens & -Halske in dieser Periode hatte insofern ihr gutes, als der deutschen -Elektrizitätsindustrie dadurch die konjunkturellen Ausschreitungen und -die darauf folgende Krise erspart blieben, die in den anderen damals -industriell weiter entwickelten Ländern infolge der Übergründungen -elektrotechnischer Unternehmungen unausbleiblich gewesen waren. Die -erste der großen elektrotechnischen Krisen berührte infolgedessen -Deutschland nur verhältnismäßig wenig. Am stärksten hatte sie England -betroffen, wo die industrielle Elektrotechnik namentlich nach den -ersten großen Erfolgen des Kabelbaus mit einer Hochflut von Gründungen -und Projekten eingesetzt hatte. Die hohen Dividenden der ersten -Kabelunternehmungen hatten zur Nachahmung angestachelt, und das -Publikum riß sich förmlich um die Papiere von Aktiengesellschaften, die -irgend etwas mit Elektrizität zu tun hatten. Da die Aktien nach dem -englischen Gesetz auf den kleinen Betrag von 1 Pfd. Sterl. ausgegeben -werden konnten, ergriff das elektrische Spekulationsfieber auch die -kleinsten Kapitalistenschichten. Ein Börsenkrach fegte diese ungesunden -Auswüchse schließlich fort und die englische Regierung hielt es -für richtig, als im Jahre 1880 mit der Lichtelektrizität ein neues -Feld für Gründungen auf elektrotechnischem Gebiete sich zu eröffnen -schien, mit einem beschränkenden Gesetz, der Electric Lighting Act, -einzugreifen. Durch dieses Gesetz, das elektrische Beleuchtungsanlagen -für die Dauer von 20 Jahren als ein Monopol der Regierung erklärte, -wurde aber nicht nur die Entwicklung der Gründerei und Spekulation, -sondern auch die der elektrotechnischen Industrie behindert, was sich -in den kommenden Zeiten der zweiten elektrotechnischen Blüteperiode, -in der die <em class="gesperrt">Starkstrom-Industrie</em> zur Geltung kam, als ein -schwerer Nachteil für England erwies. Die großen Erfolge der deutschen -Starkstromindustrie, die dieser die unbestrittene Führung in Europa -sicherten, sind einmal dadurch ermöglicht worden, daß in Deutschland -dank der soliden Vorherrschaft der Firma Siemens & Halske kein -kapitalistischer<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> Zusammenbruch den Enthusiasmus für elektrische -Gründungen abgekühlt hatte; dann aber auch dadurch, daß England, das -gegebene Hauptwettbewerbsland, schon unangenehme Erfahrungen mit der -industriellen Elektrotechnik hinter sich hatte, von denen sich weder -die Regierung, noch das Publikum im richtigen Augenblick befreien -konnten.</p> - -<p>Das große historische Verdienst Werner v. Siemens lag nicht nur -in der hervorragenden Mitwirkung, die er der Entwicklung der -Schwachstromtechnik hatte angedeihen lassen, sondern in der -<em class="gesperrt">schöpferischen Wendung</em>, die er der <em class="gesperrt">Starkstromtechnik</em> -durch seine grundlegende Erfindung des sogenannten -<em class="gesperrt">dynamo-elektrischen</em> Prinzips im Jahre 1866 gegeben hatte. Dieses -Prinzip besteht darin, daß Elektrizität nicht wie beim Schwachstrom -auf chemischem Wege (durch Elemente oder Batterien), sondern auf -physikalischem Wege durch die elektromagnetische Induktionsmaschine -erzeugt wird. Werner v. Siemens schildert seine Versuche auf diesem -Gebiete und die Ergebnisse, zu denen er durch sie gelangte, in seinen -Lebenserinnerungen folgendermaßen:</p> - -<p>„Bereits im Herbst des Jahres 1866, als ich bemüht war, die -elektrischen Zündvorrichtungen mit Hilfe meines Zylinderinduktors -zu vervollkommnen, beschäftigte mich die Frage, ob man nicht durch -geschickte Benutzung des sogenannten Extrastromes eine wesentliche -Verstärkung des Induktionsstromes hervorbringen könnte. Es wurde mir -klar, daß eine elektromagnetische Maschine, deren Arbeitsleistung durch -die in ihren Windungen entstehenden Gegenströme so außerordentlich -geschwächt wird, weil diese Gegenströme die Kraft der wirksamen -Batterie beträchtlich vermindern, umgekehrt eine Verstärkung der -Kraft dieser Batterie hervorrufen müßte, wenn sie durch eine äußere -Arbeitskraft in der entgegengesetzten Richtung gewaltsam gedreht -würde. Dies mußte der Fall sein, weil durch die umgekehrte Bewegung -gleichzeitig die Richtung der induzierten Ströme umgekehrt wurde. In -der Tat bestätigte der Versuch diese Theorie, und es stellte sich -dabei heraus, daß in den feststehenden Elektromagneten einer passend -eingerichteten elektromagnetischen Maschine immer Magnetismus genug -zurückbleibt, um durch allmähliche Verstärkung des durch ihn erzeugten -Stromes bei umgekehrter Drehung die überraschendsten Wirkungen -hervorzubringen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span></p> - -<p>Es war dies die Entdeckung und erste Anwendung des allen -dynamo-elektrischen Maschinen zu Grunde liegenden dynamo-elektrischen -Prinzips. Die erste Aufgabe, welche dadurch praktisch gelöst wurde, -war die Konstruktion eines wirksamen elektrischen Zündapparates ohne -Stahlmagnete, und noch heute werden Zündapparate dieser Art allgemein -verwendet. Die Berliner Physiker, unter ihnen Magnus, Dove, Rieß, du -Bois-Reymond, waren äußerst überrascht, als ich ihnen im Dezember -1866 einen solchen Zünderinduktor vorführte und an ihm zeigte, daß -eine kleine elektromagnetische Maschine ohne Batterie und permanente -Magnete, die sich in einer Richtung ohne allen Kraftaufwand und in -jeder Geschwindigkeit drehen ließ, der entgegengesetzten Drehung einen -kaum zu überwindenden Widerstand darbot und dabei einen so starken -elektrischen Strom erzeugte, daß ihre Drahtwindungen sich schnell -erhitzten.“</p> - -<p>Die Priorität der Siemensschen Erfindung ist bald nach ihrer -Bekanntgabe von verschiedenen Seiten bestritten worden. Die Engländer -Wheatstone und Varley nahmen für sich die Gleichzeitigkeit der Idee -in Anspruch. Immerhin hat Werner v. Siemens das dynamo-elektrische -Prinzip zuerst literarisch dargestellt, konstruktiv mit Hilfe des -sogenannten Doppel-T-Ankers ausgeführt, und ihm den Namen gegeben. -Sein Verdienst wird nicht geschmälert, wenn man selbst annimmt, daß er -etwas erfunden habe, was damals in dem Gang der wissenschaftlichen und -technischen Entwicklung logisch begründet und sozusagen in der Luft -lag. Dies zeigt im Gegenteil, daß seine Erfindung systematischer Arbeit -und folgerichtigem Denken, nicht einem Zufall ihr Dasein verdankt. -Richtig ist hingegen, daß Werner v. Siemens weder die Dynamomaschine -zu voller praktischer Brauchbarkeit entwickelt, noch den ganzen -Umfang ihrer industriellen Nutzungsmöglichkeit erkannt und mit der -sonst bei ihm gewohnten Energie zu verwirklichen gesucht hat. Sein -Gedanken- und Arbeitskreis war doch wohl zu sehr von den Problemen der -Schwachstromtechnik erfüllt, seine Kraft zu sehr von der lebenslangen -Beschäftigung mit ihr absorbiert, als daß er sich dem Neuland der -Starkstromtechnik hätte mit unverminderter Schaffensfähigkeit zuwenden -können. Dazu gehörte eine unverbrauchte Frische, eine Jugend mit -Zukunftsaugen, nicht der Rest eines mit Arbeit und Gedanken überfüllten -Lebens.</p> - -<p>Die praktische Verwertbarkeit der Dynamomaschine wurde<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> gefördert -durch die Einführung des sogenannten Pacinottischen Ringankers und des -Hefnerschen Wickelungssystems (Trommelanker), aber erst Gramme baute -im Jahre 1869 die erste wirklich gut funktionierende und industriell -brauchbare Dynamomaschine, die kontinuierlichen Gleichstrom erzeugte. -Werner v. Siemens hat selbstverständlich als der bedeutende Techniker -und der klare Kopf, der er war, erkannt, daß die neue Erfindung -eine große Tragweite besitze. An seinen Bruder Wilhelm schrieb er -schon im Jahre 1866: „Die Effekte der dynamo-elektrischen Maschine -müssen bei geeigneter Konstruktion kolossale werden. Die Sache ist -sehr ausbildungsfähig und kann eine neue Ära des Elektromagnetismus -anbahnen. Magnet-Elektrizität wird billig werden und kann nun zur -Lichterzeugung, für elektrochemische Zwecke, ja selbst wieder zum -Betriebe von kleinen elektromagnetischen Maschinen zum Vorteil -verwandt werden.“ — Man sieht, das sind Worte, in denen die höchsten -Erwartungen und Hoffnungen sich widerspiegeln, aber es ist merkwürdig, -die Hand Werner v. Siemens war bei den Ausführungsmaßnahmen auf dem -neuen, als gewaltig erkannten Gebiet nicht mehr so sicher, fest -und glücklich wie früher, die Phantasie arbeitete nicht mehr so -hoffnungsfreudig und kühn, und die Durchführung wirkt sozusagen kleiner -als der Gedanke. Wenn Werner v. Siemens auch recht wohl erkannte, daß -die Erzeugung starker Gleichströme und großer Strommengen für die -Lichterzeugung von großer Bedeutung sein werde, so sah er doch auf -diesem Gebiete hauptsächlich nur die äußerlich pompöse Bogenlampe, die -in den 70er Jahren erfunden worden war, und für die Siemens & Halske in -der Hefner-Alteneckschen Differential-Lampe ein besonders gutes Modell -besaßen. Die unscheinbarere, aber für die elektrische Beleuchtung viel -wichtiger gewordene Glühlampe lehnte Siemens nicht gerade ab. Er ließ -sich, als Emil Rathenau mit genialem Blick die großartige Zukunft -dieser Lampe erkannt hatte und zu ihrer Einführung in Deutschland die -Unterstützung der damals maßgebenden deutschen elektrotechnischen Firma -nachsuchte, sogar ziemlich leicht von ihrem Wert überzeugen, aber seine -ganze Stellung zur Glühlampe war doch mehr passiv. Sie mußte ihm erst -plausibel gemacht, fast aufgedrängt werden. Er riß sie nicht an sich, -wie er vor 30 Jahren den Telegraphen an sich gerissen hatte. Auch von -der<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> gewaltigen quantitativen Ausdehnungsfähigkeit der Dynamomaschine -machte er sich nicht das richtige Bild. Als Emil Rathenau, der in -den ersten Jahren seiner Tätigkeit für die Edison-Gesellschaft die -Maschinen vertragsgemäß bei Siemens & Halske bauen lassen mußte, von -Siemens bis dahin unerhört große Maschinentypen verlangte, sah ihn -der große Konstrukteur verwundert, und fast geringschätzig wie einen -überspannten Dilettanten an, und sagte ihm: „Gewiß, bauen kann ich -Ihnen solche Maschinen, aber gehen werden sie nicht.“ Emil Rathenau -ließ die Maschinen schließlich aber doch bauen, und sie gingen nicht -nur, sondern es gingen auch noch solche, neben denen sich seine ersten -heute als Zwerge ausnehmen würden. Emil Rathenau reichte als positiver -Techniker auch nicht entfernt an Werner v. Siemens heran, aber in -diesen Dingen und zu diesen Zeiten hatte er den größeren technischen -Weitblick.</p> - -<p>Auch im Kaufmännischen ging Werner v. Siemens nicht ganz mit der -aufkommenden neuen Zeit mit, wenngleich ein Unternehmen, wie das von -Siemens & Halske naturgemäß genug innere Triebkraft und Elastizität -besaß, um seine Stellung — allerdings hier und da nach einigem Zaudern -— allen Methoden der Konkurrenz gegenüber zu verteidigen, und wo -es nottat, sich ihnen anzupassen. Einrosten ließ diese Firma ihren -Betrieb auch auf der Höhe der Entwicklung nicht, lebendig blieb ihr -Geschäft auch in der Folgezeit, aber das <em class="gesperrt">Bahnbrechende</em> ging doch -in mancher Hinsicht verloren. Das Kämpfen wurde nicht verlernt, aber -doch das Angreifen und Erobern. Die Zeiten, in denen Werner Siemens -nacheinander sechs Außenseiterlinien gegen den englischen Kabelring -aufbot, und immer eine neue Linie begann, wenn sich der Ring mit der -früheren verglichen hatte, wichen ruhigeren Perioden, in denen nicht -das Erringen des Besitzes, sondern seine Wahrung dem Ganzen den Stempel -aufdrückte. Das lag sozusagen an der zunehmenden „Klassizität“, in die -sich Werner v. Siemens hineinwuchs. Der Grundzug seines Wesens war -ja nie loderndes Temperament, heiße Flamme gewesen, wie sie manchmal -auch Grauköpfe noch zu Ausbrüchen, Überraschungen, Neuerungen bringen -mögen. Die ruhige Wärme, die gleichmäßige Kraft, die seiner ganzen -Natur eigen war, gaben seinem reifen Alter etwas Zurückhaltendes, -in sich Geschlossenes, manchmal Abweisendes. Eine gewisse — -wenigstens äußere — Abkühlung war bei Menschen seines<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span> Schlages -mit den zunehmenden Jahren nicht zu vermeiden. Wir haben bereits -früher einmal gesagt, daß Werner v. Siemens in der Mitte zwischen -Wissenschaft und Technik stand und durch die eine die andere zu erobern -trachtete. In seinen späteren Jahren suchte er immer tiefer von dem -Technischen in das Wissenschaftliche vorzudringen, und wie ernst seine -Wissenschaftlichkeit nicht nur war, sondern auch von der Zunft und -ihren Königen genommen wurde, zeigt sich darin, daß Männer wie Magnus, -Dove, du Bois und Helmholtz ihm eng befreundet waren und ihn durchaus -als ihresgleichen betrachteten. Du Bois-Reymond sagte von ihm, daß er -nach Beanlagung und Neigung in weit höherem Maße der Wissenschaft als -der Technik angehöre und Werner Siemens war mit dieser Charakteristik -durchaus zufrieden. Er wurde philosophischer Ehrendoktor, Mitglied -der Akademie der Wissenschaften, und war als solches nicht nur -genötigt, sondern auch gern bereit, sich über Probleme der angewandten -technischen Wissenschaft hinaus, auch mit rein naturwissenschaftlichen -Untersuchungen und Arbeiten allgemeiner Art zu beschäftigen. Diese -Beschäftigung und dieser Umgang mußten auch auf die kaufmännische Seite -seiner Tätigkeit zurückwirken. Er wurde als Kaufmann sehr vornehm, und -als der alte Kaiser Wilhelm ihm durch die Ernennung zum Kommerzienrat -eine Ehre erweisen wollte, bemerkte er ablehnend zu dem Beauftragten -des Monarchen: „Premierleutnant, Dr. phil. honoris causa und -Kommerzienrat vertrügen sich nicht, das mache ja Leibschmerzen.“ — Es -wäre indes völlig falsch, wenn man Werner Siemens, wie dies hier und da -geschehen ist, kaufmännische Talente und Neigungen absprechen wollte. -Er besaß sie in hohem Maße, wie sich schon in seiner ersten Periode der -technischen Erfindungen, für die er mit großer Geschäftsgewandtheit -noch als Offizier sofort die richtige kaufmännische Ausnutzung -zu finden wußte, hinlänglich gezeigt hat; wie noch stärker die -spätere meisterhafte Ausnutzung aller nationalen und internationalen -Kaufmannschancen bewies. Man vergleiche damit z. B. die Weltfremdheit, -mit der ein Gauß auf jede kommerzielle Verwertung seines Telegraphen -verzichtet hatte, man vergleiche damit auch moderne Erfinder, wie -Nernst, Röntgen, Ehrlich usw., die zwar — im Zeitalter der technischen -Ausnutzung — sehr wohl verstanden, Industrielle für ihre Entdeckungen -zu interessieren und Kapital aus ihnen zu schlagen, aber trotzdem -Gelehrte<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> gewesen und geblieben sind. Werner Siemens war — das kann -man auch seiner eigenen anders lautenden Ansicht gegenüber aufrecht -erhalten — im Kerne seines Wesens vor allem nicht nur praktischer -Techniker, sondern auch praktischer Kaufmann. Er beherrschte nicht nur -die großen, sondern auch die kleinen kaufmännischen Mittel und konnte -nicht nur klug, sondern auch gerissen sein. Erst nachdem er sich in -diesen Richtungen so weit ausgelebt hatte, als es die Bedingungen -seiner Zeit und seine Veranlagung erlaubten, gab er der <em class="gesperrt">dritten -Fähigkeit</em> seiner reichen Natur freie Bahn, die vielleicht nicht -die innerste, aber doch die innerlichste seines Wesens war, in der -er am reinsten und klarsten zu einer Vertiefung und Sammlung seiner -Gedankenarbeit, zu einem einheitlichen, geschlossenen Wissensbild, zu -einer Klarheit über sich, die Wurzeln und Kräfte seiner Welt gelangen -konnte. Diese Verinnerlichung und Veredelung seines Wesens, die -gewiß nur wenig mit Akademikerstolz, mit geschmeichelter Eitelkeit -des wissenschaftlich Anerkannten zu tun hatte, ehrt den Menschen -Siemens gewiß; diese schließliche seelische Intensivierung ist -keine geringe ethische Leistung für einen von Hause aus praktisch -veranlagten Menschen, dessen Leben lange Zeit im Zeichen der äußersten, -vielgestaltigsten Expansion gestanden hatte. Dem industriellen Kaufmann -und seinem Unternehmen hat sie naturgemäß nicht in gleicher Weise zum -Vorteil gereicht.</p> - -<p>Die Starkstromtechnik brachte bald das zu Wege, was in den Zeiten der -Schwachstromtechnik — wenigstens in Deutschland — nicht gelungen war. -Es entstand neben Siemens & Halske eine ganze Reihe von Unternehmungen, -die sich im industriellen Großbetrieb der Elektrotechnik zuwandten. -Auf dem Gebiete des Telegraphen und des Kabels hatten die Verhältnisse -so gelegen, daß zur Gründung von Betrieben, die den Bau von großen -Telegraphenlinien und Kabelverbindungen für fremde oder auch für -eigene Rechnung unternehmen wollten, umfangreiche Kapitalien und -eingehende Erfahrungen nötig waren. An solche Aufgaben traute man -sich in Deutschland, besonders angesichts des Vorsprungs, den Siemens -& Halske darin erworben hatten, nicht heran. Für die Herstellung von -Apparaten, Instrumenten und Materialien der Schwachstromindustrie -genügten aber kleinere Mechanikerbetriebe, die der großgewerblichen -Methoden entraten konnten, da es auf die feinmechanische Arbeit, nicht -auf die Maschinentechnik ankam.<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> Dies wurde mit einem Schlage anders, -als die Starkstromtechnik auf dem Plane erschien. Dynamomaschinen, -elektrische Lampen usw. ließen sich nur in fabrikmäßigen Betrieben -herstellen. Hierzu waren aber weder — wenigstens in der ersten Zeit -— besonders große Kapitalien nötig, noch war die weit überlegene -Konkurrenz älterer Fabriken zu überwinden. Die Firma Siemens & Halske -mußte hier genau so von vorn anfangen, wie alle anderen Fabriken, und -es gab eine ganze Menge von Fachleuten, die in der Maschinentechnik -ebenso große, vielleicht noch größere Vorkenntnisse besaßen, als die -Ingenieure dieser Firma. Gegen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre -entstanden infolgedessen mehrere elektrotechnische Fabriken, die sich -vornehmlich der Starkstromindustrie zuwandten. Von ihnen sind besonders -zu erwähnen die Elektrizitätsgesellschaft vorm. Schuckert und die -Deutschen Elektrizitätswerke Garbe, Lahmeyer & Co., die später in die -Kommanditges. und schließlich in die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft -W. Lahmeyer & Co. überführt wurde. Ihre Entstehung hat mit der -Lichtelektrizität, die — ihrerseits vorbereitet durch die Konstruktion -der Dynamomaschine — wiederum eine Reihe weiterer Unternehmungen wie -die Deutsche Edison-Ges. (A. E. G.), die Helios-Elektrizitäts-Ges., die -Elektrizitäts-Akt.-Ges. Kummer ins Leben rief, noch nicht viel zu tun. -Jene Gründungen — Schuckert und Lahmeyer — beruhten hauptsächlich -auf der Fabrikation von Dynamomaschinen. Besonders die Entwicklung -der Schuckertschen Fabrik illustriert deutlich die Bedeutung, die die -praktische Ausgestaltung der Dynamomaschine für die geschäftlichen -Aussichten neuer Unternehmungen in der Elektrizitätsindustrie gehabt -hat.</p> - -<p>Johann Sigmund Schuckert gehört zu den interessanteren Persönlichkeiten -der deutschen Elektrizitätsindustrie, und darum seien seinem -ungewöhnlichen Lebens- und Entwicklungsgang einige Worte gewidmet. -Schuckert hat keine Ingenieurbildung erhalten, sondern er stammte aus -ganz einfacher Mechanikerlaufbahn, und ist in dieser Hinsicht von allen -bekannten Persönlichkeiten der deutschen Elektrizitätsindustrie am -meisten Halske ähnlich. Während dieser aber alles, was er geworden ist, -seinem Sozius Siemens verdankte, dessen fortreißende Persönlichkeit den -für bescheidene Verhältnisse Geschaffenen über die ihm sonst gesetzten -Grenzen hinaushob, ohne ihn<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> doch auf der erreichten Höhe heimisch -machen zu können, besaß Schuckert die <em class="gesperrt">Energien des Auftriebs</em> -in sich selbst. In einer mechanischen Werkstätte seiner Vaterstadt -Nürnberg duldete es ihn nur gerade die drei Lehrjahre. Dann ging er -auf die Wanderschaft durch eine Reihe von größeren deutschen Städten. -In Berlin arbeitete er eine Zeitlang im Betriebe von Siemens & Halske. -Allmählich brachte er es bis zum Werkmeister, die Mußestunden, die ihm -seine Berufsarbeit ließ, zu seiner technischen Fortbildung benutzend. -Sein Wandertrieb führte ihn schließlich nach Amerika, wo er auch -bei Edison tätig war. Im Jahre 1873 kehrte er nach Nürnberg zurück, -wo er eine kleine Werkstätte errichtete und sich mit der Reparatur -von Nähmaschinen und der Herstellung von Instrumenten und Apparaten -beschäftigte, die er zum Teil selbst konstruierte oder verbesserte. -Seine Fabrikate verleugneten nicht den Fachmann, der die Elemente -der Feinmechanik nicht nur technisch, sondern auch handwerklich bis -ins Kleinste studiert hatte. Im Jahre 1875 baute er seine erste -Dynamomaschine, und die vorzüglichen Eigenschaften, die sie besaß, -schufen seinen Erzeugnissen Ruf, seinem Geschäft die Grundlage für den -Aufschwung. Auch die Bogenlampe und später die Glühlampe traten hinzu, -wodurch sich das Unternehmen allmählich zum größeren elektrotechnischen -Etablissement auswuchs, das in Alexander Wacker einen tüchtigen -Kaufmann fand, der die technische Arbeit Schuckerts so lange glücklich -ergänzte, als er sich nicht zu unbeherrschten Experimenten hinreißen -ließ.</p> - -<p>In technischer und kaufmännischer Hinsicht richteten sich die -meisten der damals neugegründeten Firmen bis zum Beginn der 90er -Jahre noch immer nach dem <em class="gesperrt">Vorbild</em> von Siemens & Halske, die -damals ihren Vorrang noch unbestritten behaupteten. Sie begannen als -offene Handelsgesellschaften und sobald es galt, ihnen eine straffere -handelsrechtliche Form zu geben, bedienten sie sich der Rechtsnatur -der <em class="gesperrt">Kommanditgesellschaft</em>, die auch Siemens & Halske (Inhaber -Werners Bruder Karl und Werners Söhne Arnold und Wilhelm) nach dem -im Jahre 1890 erfolgten Austritt Werner v. Siemens aus der Firma -gewählt hatten. Erst später, als die A. E. G. sich immer stärker mit -ihren neuen Geschäftsmethoden an die Seite von Siemens & Halske und -an dieser vorbei in den Vordergrund schob, wurde auch für die anderen -Unternehmungen der Elektrizitätsindustrie die <em class="gesperrt">Aktiengesellschaft</em> -die gegebene<span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span> Form, für die sich Emil Rathenau schon bei der Gründung -seiner Gesellschaft im Jahre 1883 ohne Zögern, und ohne an irgend -welche Vorbilder zu denken, entschieden hatte. Selbst Siemens & -Halske konnten schließlich nicht umhin, ihr Unternehmen auch in -dieser Hinsicht ihrer jüngeren Konkurrenz anzupassen und wandelten -im Jahre 1897 ihre Kommanditgesellschaft als letzte der großen -Elektrizitätsfirmen in eine Aktiengesellschaft um. Der Typ Rathenau -hatte endgültig gesiegt. Werner v. Siemens, der im Jahre 1892 gestorben -war, hatte diesen Umschwung allerdings nicht mehr erlebt. Ob er ihn -gebilligt hätte, ist schwer zu sagen. Noch im Jahre 1889, als er -seine Lebenserinnerungen schrieb, äußerte er sich über die Frage der -rechtlichen Form von gewerblichen Unternehmungen folgendermaßen:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Es führt mich dies auf die Frage, ob es überhaupt dem allgemeinen -Interesse dienlich ist, daß sich in einem Staate große Geschäftshäuser -bilden, die sich dauernd im Besitze der Familie des Begründers -erhalten. Man könnte sagen, daß solche großen Häuser dem Emporkommen -vieler kleineren Unternehmungen hinderlich sind und deshalb schädlich -wirken. Es ist das gewiß in vielen Fällen auch zutreffend. Überall, -wo der Handwerksbetrieb ausreicht, die Fabrikation exportfähig zu -erhalten, wirken große konkurrierende Fabriken nachteilig. Überall -dagegen, wo es sich um die Entwicklung neuer Industriezweige und um -die Eröffnung des Weltmarktes für schon bestehende handelt, sind große -zentralisierte Geschäftsorgane mit reichlicher Kapitalansammlung -unentbehrlich. Solche Kapitalansammlungen lassen sich heutigen -Tages für bestimmte Zwecke allerdings am leichtesten in der Form -von Aktiengesellschaften herbeiführen, doch können diese fast immer -nur reine Erwerbsgesellschaften sein, die schon statutenmäßig nur -die Erzielung möglichst hohen Gewinnes im Auge haben dürfen. Sie -eignen sich daher nur zur Ausbeutung von bereits vorhandenen, -erprobten Arbeitsmethoden und Einrichtungen. Die Eröffnung neuer Wege -ist dagegen fast immer mühevoll und mit großem Risiko verknüpft, -erfordert auch einen größeren Schatz von Spezialkenntnissen und -Erfahrungen, als er in den meist kurzlebigen und ihre Leitung -oft wechselnden Aktiengesellschaften zu finden ist. Eine solche -Ansammlung von Kapital, Kenntnissen und Erfahrungen kann sich nur -in lange bestehenden, durch Erbschaft in der Familie bleibenden -Geschäftshäusern bilden<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> und erhalten. So wie die großen Handelshäuser -des Mittelalters nicht nur Geldgewinnungsanstalten waren, sondern -sich für berufen und verpflichtet hielten, durch Aufsuchung neuer -Verkehrsobjekte und neuer Handelswege ihren Mitbürgern und ihrem Staate -zu dienen, und wie dies Pflichtgefühl sich als Familientradition -durch viele Generationen fortpflanzte, so sind heutigen Tages im -angebrochenen naturwissenschaftlichen Zeitalter die großen technischen -Geschäftshäuser berufen, ihre ganze Kraft dafür einzusetzen, daß die -Industrie ihres Landes im großen Wettkampfe der zivilisierten Welt die -leitende Spitze, oder wenigstens den ihr nach Natur und Lage ihres -Landes zustehenden Platz einnimmt.“</p> - -</div> - -<p>Man sieht also, Werner v. Siemens fühlt das Bedürfnis, sich und -seinen Typus des großindustriellen Geschäftshauses noch nach zwei -Seiten hin zu verteidigen, einmal gegenüber dem von ihm überwundenen -<em class="gesperrt">Handwerksbetrieb</em>, den er zur Zeit seiner Anfänge in Deutschland -noch als den herrschenden vorgefunden hatte, ferner gegenüber dem -Aktienbetrieb, der damals schon im Begriff war, seinen Typus zu -überwinden. Inzwischen hat sich gezeigt, daß die Nachteile, die er -den Aktiengesellschaften zuschreibt, nämlich die Notwendigkeit, hohe -Gewinne zu erzielen und <em class="gesperrt">auszuschütten</em>, dieser Rechtsform -zwar anhaften können, aber nicht anzuhaften brauchen. Es gibt -Aktiengesellschaften, die Gewinne ebenso zurückzuhalten und im -Betriebe weiterarbeiten zu lassen verstehen, wie Privathäuser. -Man braucht gar nicht einmal an die Friedrich Krupp Akt.-Ges., an -die Thyssenschen, Hanielschen Unternehmungen und an viele andere -zu denken, deren Aktien sich in einer Hand oder in den Händen -einer geschlossenen Gruppe befinden. Wir wissen jetzt, daß auch -die eigentlichen Aktiengesellschaften, die nicht Privathäuser -in Aktiengesellschaftsform, sondern republikanische Gebilde mit -zersplittertem Aktienbesitz sind, die Nachteile, die ihnen Werner -v. Siemens zuschreibt, sehr wohl vermeiden und über das jeweilige -Aktionärinteresse hinaus bei zweckentsprechender Verwaltung eine solide -<em class="gesperrt">Innenkultur</em> treiben können. Diesen Beweis hat kein anderer -so glänzend erbracht, wie der zweite große technische Kaufmann der -deutschen Elektrizitätsindustrie: Emil Rathenau.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Fuenftes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Fünftes Kapitel</em><br /> - -Licht</h2> - -</div> - -<p>Emil Rathenau benutzte, wie wir schon gehört haben, die Zeit -zwischen seinen beiden Arbeitsperioden viel zu Reisen, die teils -der Unterrichtung, teils der Erholung dienten. Auch der schwankende -Gesundheitszustand seines zweiten Sohnes Erich, der seit einer -schweren Erkältung, die er sich auf dem Eise zugezogen hatte, an einer -Herzkrankheit litt, veranlaßte die Familie, häufig Kurorte und Bäder -aufzusuchen. Es mag vielleicht nur ein eigenartiger <em class="gesperrt">Zufall</em> sein, -daß Emil Rathenau, ebenso wie er sich die entscheidenden Anregungen -für neue Phasen seiner beruflichen Tätigkeit auf Reisen holte — in -England, von den Weltausstellungen in Philadelphia und Paris —, -auch die wichtigsten persönlichen Beziehungen auf Reisen anknüpfte. -Die Ausnutzung solcher Zufälle, in mancher Hinsicht möglicherweise -auch die geeignete Prädisposition für ihre Herbeiführung, ist aber -doch zweifellos von der „Reisestimmung“ begünstigt worden. Die -größere Freiheit und Leichtigkeit der veränderten Atmosphäre, die -Losgebundenheit von der latenten Trägheit, in die auch dieser Arbeiter -trotz aller in ihm wirkenden Energien des Gedankens und der Tat -ebenso wie andere Mitglieder seiner Familie gelegentlich verfallen -konnte, wenn sein Leben sich in gewohnten Gleisen ohne zwingende -Arbeitsnötigung hinspann, erfrischten und verjüngten ihn, hoben seine -Entschlußkraft und sein Selbstvertrauen. „Geistige Luftveränderung“ -ist ihm stets sehr gut bekommen, so wenig auch für ihn ein dauernder -Ortswechsel denkbar war. Wir werden später sehen, daß Emil Rathenau -die finanzielle Beihilfe zur Gründung seiner Deutschen Edison -Gesellschaft einer zufälligen Begegnung in Bad Langenschwalbach -verdankte. Auch die Anknüpfung näherer Beziehungen zu Werner v. -Siemens, die so wichtig für<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> ihn werden sollten, vollzog sich auf -einer Schweizer Reise. Kennen gelernt hatte Rathenau den Altmeister -der deutschen Elektrizität, wie wir schon berichteten, bereits lange -vorher, als er noch Besitzer der Maschinenfabrik Webers war. Am -Anfang der 70er Jahre hatte Emil Rathenau mit Siemens, Schwartzkopff -und anderen der kleinen Vereinigung Berliner Fabrikanten angehört, -die durch patriarchalische Wohlfahrtseinrichtungen, wie den Bau von -Arbeiterhäusern gehofft hatten, der jungen sozialdemokratischen -Bewegung den Wind aus den Segeln nehmen zu können. Die Bekanntschaft -war damals aber nur ziemlich oberflächlicher Art gewesen. Zwischen -dem berühmten technischen Industriellen und dem bescheidenen jungen -Fabrikbesitzer war es zu einem näheren Verkehr nicht gekommen. -Immerhin war die frühere Beziehung dazu hinreichend, daß sich Werner -v. Siemens des damaligen Vereinsgenossen erinnerte, als dieser auf der -Rückreise vom Engadin in Bad Alveneu mit ihm zusammentraf. Nach dem -Mittagessen entspann sich eine zunächst wohl konventionell einsetzende, -dann allmählich wärmer werdende Unterhaltung. Man erörterte die -Möglichkeiten des damals aufkommenden elektrischen Lichts. Rathenau, -der gerade über Zukunftsprobleme zündend zu sprechen wußte, beklagte -die Rückständigkeit Berlins in der elektrischen Beleuchtung gegenüber -Paris, wo die Avenue de l’opéra und die Place de la Concorde jeden -Abend im Glanz von Jablochkoff-Kerzen erstrahlten. Emil Rathenau, -der sich — wie wir wissen — vorübergehend selbst mit dem Plan, die -Jablochkoff-Patente für Deutschland zu erwerben, beschäftigt, die Idee -aber bald wieder fallen gelassen hatte, warf die Bemerkung hin, daß die -Leipziger Straße mit Hefner-Altenecks Differential-Lampen beleuchtet, -die französische Hauptstadt in Schatten stellen würde. Werner v. -Siemens gefiel die Anregung, vielleicht schmeichelte sie ihm auch nur, -und er lud Rathenau ein, in Berlin weiter darüber zu sprechen. Bei -seinem Besuch begleitete er Rathenau zur Tür des Chefkonstrukteurs, -mit dem Rathenau persönlich bekannt war, seitdem er für die erste -von Siemens & Halske konstruierte elektrische Scheinwerferanlage die -Dampfmaschine geliefert hatte. Hefner-Alteneck, der merkwürdigerweise -seiner eigenen Erfindung nur eine beschränkte praktische Entwickelung -zuzutrauen schien, fragte Rathenau skeptisch, ob ihm der Alte gesagt -hätte, wie er die Aufgabe zu lösen denke oder ob er selbst es wisse. -Ihm sei das Problem schleierhaft.<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span> Hefner-Alteneck dachte bei diesem -Ausspruch vielleicht noch mehr als an die technische Schwierigkeit der -Anlage an die schwer zu überwindende Konkurrenz der Gasbeleuchtung, -die bereits im Jahre 1880, bei einem Versuch, den Pariser Platz -mit Bogenlampen zu beleuchten, hervorgetreten war. Die probeweise -hergestellte Anlage war damals nicht zur Ausführung gekommen, weil -die Gasfachleute das neue elektrische Licht wirksam zu übertrumpfen -in der Lage gewesen waren. Mit etwas bitterer Selbstironie hatte -Hefner-Alteneck damals bemerkt, daß es zu den guten Eigenschaften des -elektrischen Lichtes gehörte, überall da, wo es sich auch nur von ferne -blicken lasse, zu einer mächtigen Gasbeleuchtung die Veranlassung -zu bieten. Daß der Gedanke Rathenaus, die Leipziger Straße mit -Differentiallampen zu beleuchten, übrigens doch nicht so ganz aus der -Welt lag, zeigte sich etwa 1½ Jahre später. Damals — im Herbst -1882 — führten Siemens & Halske nach einem kurzen Versuche mit einer -Glühlichtbeleuchtung in der Kochstraße eine Bogenlampenbeleuchtung -in der Leipziger Straße durch. Beide fanden aber keinen so rechten -Anklang beim Publikum. Das Glühlicht in der Kochstraße imponierte -infolge der noch unentwickelten Lampen, die sich mit ihrem roten Licht -kaum vom Gas unterschieden, nur wenig, das Bogenlicht in der Leipziger -Straße, das von 4 Deutzer Gasmaschinen zu je 12½ PS erzeugt wurde, -stellte sich, trotzdem mit der verwendeten Gasmenge die zehnfache -Lichtwirkung wie beim reinen Gaslicht erzielt wurde, sehr teuer, denn -die Lampenbrennstunde kam auf 38 Pfennige zu stehen. Rathenau, der die -Unvollkommenheit der Siemensschen Versuche nicht verkannte, sprach -damals die Überzeugung aus, daß trotz alledem der Sieg des elektrischen -Lichts in der Straßenbeleuchtung nicht ausbleiben werde.</p> - -<p>Die Möglichkeit, mit Siemens & Halske an der elektrischen Beleuchtung -Berlins zu arbeiten, war jedenfalls nach jenem Besuch bei Werner -Siemens, der sich nur halbinteressiert gezeigt hatte, und bei -Hefner-Alteneck, der Rathenau — zum Teil vielleicht aus einem -Konkurrenzgefühl heraus — völlig abgewiesen hatte, vorerst erledigt. -Sie stellte für ihn aber nicht den einzigen oder auch nur den besten -Weg dar, auf dem er sich dem Gebiet der elektrischen Beleuchtung -nähern konnte. Dazu war er — die große Zukunft der Lichtelektrizität -erkennend — fest entschlossen. War es nicht die Differentiallampe,<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span> -die er Siemens gegenüber wohl nur vorgeschlagen hatte, weil er so am -schnellsten dessen mächtige Unterstützung zu finden hoffte, so war es -ein anderer Typus. Diesen fand er mit divinatorischer Sicherheit auf -der Pariser Elektrizitäts-Ausstellung im Jahre 1881, wo Thomas Alva -<em class="gesperrt">Edison</em> sich eben anschickte, sein neues Beleuchtungssystem, in -dessen Mittelpunkt als Hauptstück die <em class="gesperrt">Kohlenfadenlampe</em> stand, -der europäischen Öffentlichkeit vorzuführen.</p> - -<p>Bevor wir uns der Edisonschen Erfindung und ihrer umwälzenden -Bedeutung für die Lichtelektrizität zuwenden, wollen wir einen kurzen -Rückblick auf die früheren Versuche auf dem Gebiete des elektrischen -Lichts werfen. Die erste — allerdings nicht praktisch gewordene — -Verwendung der Elektrizität zur Erzeugung von Licht ist sehr früh -erfolgt, lange bevor der elektrische Telegraph, der doch mehr als ein -Menschenalter vor dem elektrischen Licht die Welt eroberte, entdeckt -worden war. Der berühmte englische Chemiker Humphry <em class="gesperrt">Davy</em> -stellte im Jahre 1808, also nur 18 Jahre nach der Entdeckung Galvanis, -den fundamentalen, für seine eigene wissenschaftliche Leistung -allerdings nur nebensächlichen Versuch an, der unter dem Namen des -elektrischen Lichtbogens berühmt geworden ist und die Grundlage -für das Verfahren der Bogenlichterzeugung bildet. Davy hatte zwei -zugespitzte Kohlenstäbchen mit den Polen einer galvanischen Kette -verbunden, und beobachtete, daß zwischen den Spitzen eine leicht -gebogene Flamme entstand, wenn man die vorher in Berührung gebrachten -Kohlenspitzen vorsichtig auseinanderzog. Von da bis zur Anwendung der -Bogenlampe in der Praxis war aber ein weiter Weg. Solange man auf -Schwachstrom angewiesen war, kam man über vereinzelte Versuche nicht -hinaus, als gebräuchliches Beleuchtungssystem wollte die Bogenlampe -nicht Fuß fassen. Im Jahre 1846 wurde die Lampe, der „potenzierte -Mondschein“, wie man sie damals nannte, bei der Erstaufführung der -Meyerbeerschen Oper „Der Prophet“ in Paris als Bühnenbeleuchtung -benutzt. Als Straßenbeleuchtung erschien das neue Licht zu grell und -„augenschädlich“. Diese ungünstigen Eigenschaften verbunden mit einer -noch ziemlich starken Unzuverlässigkeit des Lichtes, ließen den Versuch -einer Straßenbeleuchtung, den Jacobi im Jahre 1850 in Petersburg -machte, scheitern. Dagegen erwies es sich gerade der genannten -Eigenschaften wegen als besonders geeignet für Leuchtturmlicht. -Und besonders nachdem der berühmte englische Elektro-<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span>Physiker -<em class="gesperrt">Faraday</em> zum wissenschaftlichen Berater der Korporation, die -die Instandhaltung des gesamten englischen Leuchtturmwesens zur -Aufgabe hatte, ernannt worden war, fand das Bogenlicht ausgedehnte -Anwendung bei Leuchttürmen. Dabei bediente sich Faraday aber als -Kraftquellen nicht mehr großer galvanischer Batterien, wie das bei -den früheren Versuchen (auch in St. Petersburg) geschehen war, -sondern von ihm hergestellter magnetelektrischer Maschinen, die nach -dem von Faraday entdeckten Prinzip der Induktion hergestellt worden -waren. Diese Maschinen, bei denen die induzierende Wirkung durch -die Kraft permanenter Stahlmagnete hervorgerufen wurde, arbeiteten -indes trotz ihrer Größe und im Verhältnis zu ihrer Größe wie ihren -Kosten sehr unökonomisch, so daß sich ihre Verwendung für Zwecke, -in denen andere, billigere Beleuchtungsarten zur Verfügung standen -und nicht besonders starke Einzellichter benötigt wurden, verbot. -Erst die Erfindung des dynamoelektrischen Prinzips, bei dem sich die -induzierenden Magnete und der erzeugte Strom gegenseitig verstärkten, -und die hieraus folgende schnelle Entwickelung immer vollkommenerer -Dynamomaschinen schufen hierin Wandel. Es schoß bald eine große -Anzahl von Bogenlampen-Konstruktionen aus dem Boden. Das ganze System -krankte aber noch an dem Nachteil, daß für jede Lampe eine besondere -Dynamomaschine als Kraftquelle benötigt wurde, was das Bogenlicht als -Beleuchtung dem aus zentralen Kraftquellen gespeisten Gas unterlegen -machte. Die erste Erfindung, nach der aus <em class="gesperrt">einer</em> Maschine mehrere -Stromkreise gespeist werden konnten, ging von Jablochkoff aus, von -dessen Lampen wir bereits mehrfach, unter anderem zum Beginn dieses -Kapitels gesprochen haben. Das Pariser Warenhaus „Louvre“ wurde zuerst -mit Jablochkoff-Kerzen erleuchtet, es folgten mehrere öffentliche -Plätze und Straßen in Paris, darunter die Avenue de l’opéra, deren -strahlendes Licht Emil Rathenau als Berliner Lokalpatriot in Gegensatz -zu der rückständigen Beleuchtung seiner Vaterstadt gestellt hatte. -Zur Krafterzeugung für diese eine kurze Straße waren damals noch -drei Zentralstationen notwendig. Kurze Zeit später, im Jahre 1878, -konstruierte Hefner-Alteneck die nach ihm benannte Differentiallampe, -deren Prinzip von Werner Siemens herrührt. Hier wurde derselbe Erfolg -der Speisung mehrerer Lampen aus einer Kraftquelle solider und -vollkommener erreicht als bei Jablochkoff, wobei die Differentiallampe -auch durch andere Verbesse<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span>rungen, wie die Verwendung der sogenannten -Dochtkohlen, reineres Licht usw. ausgestaltet worden war. Dennoch -war man, wie wir gesehen haben, im Hause Siemens & Halske nicht so -wagemutig und unternehmend wie in Paris, was die Beleuchtung von -öffentlichen Straßen mit Bogenlampen anlangt. Werner Siemens stand -derartigen neuen Problemen passiver gegenüber als den Erfindungen -seiner Jugendzeit, und dem Konstrukteur Hefner-Alteneck fehlte -bei aller Tiefe und Gründlichkeit der technischen Anschauung doch -der Feuergeist und die Einbildungskraft des großen Erfinders. Man -beschränkte sich zunächst auf die Beleuchtung von Hallen, Innenräumen -usw. und der Gedanke der zentralen Kraftstation auch in der -primitivsten Form war den vorsichtigen Technikern der Firma Siemens & -Halske noch „schleierhaft“.</p> - -<p>Die große Belebung sollte der Industrie des elektrischen Lichtes aber -nicht von der Bogenlampe, sondern von der <em class="gesperrt">Glühlampe</em> kommen. -Die Bogenlampe war bei ihrer großen Intensität und Lichtstärke nur -für die Beleuchtung von Straßen und großen Innenräumen zu verwenden, -nicht für die Erhellung von Wohnräumen. Ihr Licht brannte — namentlich -in der ersten Zeit — flackerig und unregelmäßig und sie sonderte -verhältnismäßig viel Kohlenruß ab.</p> - -<p>Experimentelle Versuche mit der Glühlampe sind gleichfalls schon sehr -früh angestellt worden. Das Prinzip bestand darin, Kohlen oder Metalle -in luftleer gemachtem Raume so zu erhitzen, daß sie leuchteten, ohne -zu verbrennen. Als im Jahre 1859 C. G. Farmer in Newport sein Haus -mit 42 Platinfaden-Lampen beleuchtete, war dies nicht der erste, wohl -aber der erste größere Versuch dieser Art. Eine weitere Ausdehnung -der Erfindung scheiterte auch hier daran, daß große galvanische -Batterien, auf die man vorläufig als Kraftquellen angewiesen blieb, -sehr teuer herzustellen waren und trotzdem eine für praktische Zwecke -nur beschränkte Kraftmenge lieferten. Im Großen gelang erst Thomas Alva -<em class="gesperrt">Edison</em>, dem Verbesserer des Mikrophons — unter Benutzung von -Dynamomaschinen — die Herstellung und Verwendung von Glühlampen. In -seinem Laboratorium zu Menlo-Park, einem Vorort von New York, begann -Edison im Jahre 1878, angeregt durch den Anblick der ersten Bogenlampe, -die er sah, und deren Mängel er bei aller Bewunderung sofort erkannte, -mit Hilfe eines Kreises von Assistenten und Schülern die systema<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span>tische -Arbeit an der Glühlampe, die er trotz aller anfänglichen Fehlschläge -mit großer Zähigkeit fortsetzte. Es ist eigentümlich, daß Edison -seine ersten Versuche nicht mit Kohlenfäden, sondern mit Metallfäden -machte, zu denen ja die Glühlampenindustrie in neuerer Zeit schließlich -nach dem Umwege über die Kohlenfadenlampe wieder zurückgekehrt ist. -Damals mißglückten die 13 Monate lang fortgeführten Versuche mit -Platindrähten, mit Platin-Iridiumdrähten und anderen Metallen, weil es -nicht gelingen wollte, die Drähte bei genügender Erhitzung unschmelzbar -zu machen. Versuche, die Drähte mit Oxyden zu umwickeln, ließen eine -Lampe mit hoher Widerstandsfähigkeit entstehen, aber solche Lampen -erlitten bald Kurzschluß. Durch einen Zufall kam Edison auf die -Idee, Kohlenfäden zu benutzen. Das Experiment glückte mit verkohlten -Baumwollfäden, aber die Brenndauer der Lampe war noch nicht lang -genug. Es dauerte noch einige Zeit, ehe er den geeigneten Stoff zur -Herstellung der Kohlenfäden in den Bambusfasern gefunden hatte. Mit der -Erzeugung der Lampe, auf die Edison bald in Amerika und Europa Patente -nahm, war aber nur der Keim der neuen Beleuchtungsart gefunden. Für das -ihm im Januar 1880 erteilte amerikanische Patent auf die Glühlampe hat -Edison folgende Beschreibung seiner Erfindung geliefert:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Ich, Thomas Alva Edison, von Menlo Park, New-Jersey, Vereinigte -Staaten von Amerika, habe eine Verbesserung an elektrischen Lampen -und in der Methode der Fabrikation dieser Lampen erfunden, die ich im -Folgenden einzeln beschreibe:</p> - -<p>Das Objekt dieser Erfindung ist die Herstellung elektrischer -Lampen mit weißglühendem Licht, die einen so starken Widerstand -leisten, daß sie die praktische Verteilung des elektrischen Lichtes -gestatten. Die Erfindung beruht auf einem Licht spendenden Körper von -verkohltem Draht, der dergestalt gedreht ist, daß er dem Durchgang -des elektrischen Stromes hohen Widerstand leistet und gleichzeitig -nur eine geringe Oberfläche für die Ausstrahlung darbietet. Die -Erfindung besteht ferner in der Verwendung von Brennern von großer -Widerstandskraft in einem nahezu vollkommenen Vakuum, die das Oxydieren -und eine Beschädigung des Konduktors durch die Luft verhindern. Der so -durch Platindrähte in die evakuierte Birne geleitete Strom wird im Glas -verschlossen. Die Erfindung umfaßt<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> ferner die Methode der Herstellung -von Konduktoren aus Kohlenstoff von hoher Widerstandskraft, damit sie -imstande sind, ein weißes Glühlicht zu liefern.</p> - -<p>Vordem hat man weißes Glühlicht von Kohlenstiften mit ein bis vier Ohm -Widerstand erhalten und in verschlossenen Gefäßen gehabt, worin die -Luft durch Gase ersetzt war, die sich chemisch nicht verbinden. Die -Leitungsdrähte sind immer stark gewesen, so daß ihre Widerstandskraft -manchmal geringer als jene des Brenners ist. Überhaupt waren die -Versuche früherer Arbeiter darauf gerichtet, den Widerstand des -Kohlenstifts zu vermindern. Die aus dieser Praxis erwachsenden -Nachteile sind, daß eine Lampe mit nur ein bis vier Ohm Widerstand -in großer Anzahl zu vielfachem Bogenlicht nicht ohne Verwendung von -Konduktoren von enormen Dimensionen zu benutzen ist, sowie daß wegen -des geringen Widerstands der Lampe, die Leitungsdrähte stark und die -Konduktoren gut sein müssen, und eine Glaskugel nicht dicht gehalten -werden kann, wo die Drähte eingeleitet und fest verbunden sind. Deshalb -verzehrt sich der Kohlenstift, weil stets ein vollkommenes Vakuum -vorhanden sein muß, um den Kohlenstift dauerhaft zu erhalten, besonders -wenn dieser nur klein ist und hohen elektrischen Widerstand leistet.</p> - -<p>Die Verwendung von Gas in dem Empfänger führt bei dem Luftdruck, -wiewohl dieser die Kohle nicht angreift, in kurzer Zeit zur Zerstörung, -entweder durch das Ausfegen durch die Luft, oder durch die von dem -rapiden Durchströmen des Gases über die nur lose verbundene, noch -erhitzte Oberfläche der Kohle erzeugte Reibung. Die Methode habe -ich umgestaltet. Ich habe gefunden, wie selbst ein gut verkohlter -Baumwollfaden in einer verschlossenen Glasbirne, woraus die Luft bis -auf ein Millionstel gepumpt ist, dem Durchgang des Stromes 100–500 Ohm -Widerstand leistet, und daß er auch bei sehr hoher Temperatur durchaus -aushält. Ferner, daß, wenn der Faden als Spirale gedreht und verkohlt -ist, oder wenn die Fasern gewisser Pflanzen, die einen Rückstand von -Kohle aufweisen, nach Erhitzung in einem geschlossenen Raum gedreht -werden, sie bis zu 2000 Ohm Widerstand leisten, ohne zur Ausstrahlung -einer größeren Oberfläche als drei Sechzehntel eines Zolls zu bedürfen. -Baumwoll- und Leinenfaden habe ich verkohlt probiert, Holzsplitter, auf -verschiedene Weise gedrehte Papiere, auch Lampenruß, Graphit und<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span> Kohle -in der verschiedensten Weise mit Teer gemischt und daraus Drähte von -verschiedener Länge und Stärke gedreht.“</p> - -</div> - -<p>Mit der bloßen Konstruktion der Glühlampe begnügte sich indes ein -Mann der praktischen Ausnutzung wie Edison nicht. Er glaubte seine -Arbeit nicht eher beendigen zu können, als bis er ein bis ins Kleinste -durchkonstruiertes, alle Erfordernisse der praktischen Nutzbarkeit -berücksichtigendes Beleuchtungssystem fertiggestellt hatte. Die -Hauptstücke waren die Glühlampe und die nach damaligen Begriffen -riesige Stromerzeugungsmaschine (im Volksmund Jumbo genannt), ein -sogenannter „Schnelläufer“ von 150 PS. Die Verbindung zwischen beiden -hatte ein mit allen Finessen feinmechanischer Inspiration ausgedachtes -und ausgeführtes Netz von Apparaten zu schaffen. Emil Rathenau, der -das Ganze auf der Pariser Ausstellung sah, schilderte den Eindruck -folgendermaßen: „Edisons Beleuchtungssystem war bis in die Einzelheiten -so genial erdacht und sachkundig durchgearbeitet, daß man meinte, -es sei in unzähligen Städten jahrzehntelang erprobt gewesen. Weder -Fassungen, Umschalter, Schmelzsicherungen, Lampenträger noch andere -zur Installation gehörige Gegenstände fehlten, und die Stromerzeugung, -die Regulierung, die Leitungen mit ihren Abzweigen, Hausanschlüssen, -Elektrizitätsmessern usw. waren mit staunenswertem Verständnis und -unvergleichlichem Genie durchgebildet.“</p> - -<p>Dem Eindruck, wie ihn Rathenau hier 27 Jahre nach dem auslösenden -Erlebnis schilderte, ist wohl, wie wir das schon in einem anderen Falle -feststellen zu können glaubten, ein gewisser Schuß retrospektiver -Phantasie beigemischt. So urteilte nicht der unmittelbar Erlebende, -sondern der Zurückschauende, der inzwischen eine lange Periode der -Entwickelung, Durchbildung und Vervollkommnung mit angesehen und -sein ganzes Leben und Tun mit ihr so identifiziert hatte, daß er die -Fähigkeit zur historischen Kritik vielleicht nicht mehr in vollem Maße -besaß. Gewiß, Rathenau, dem die Gabe in seltenem Maße zu eigen war, -eine Erfindung — auch wenn sie nur in ihrer Urzelle vorlag — mit -blitzschneller Prophetie bis zu ihrer höchsten Vollendung zu Ende zu -denken, hat in Paris in dem Edisonlicht mehr gesehen als alle anderen, -vielleicht sogar mehr als der Erfinder selbst. Er war überhaupt wohl -der einzige, der die <em class="gesperrt">ganze</em> Zukunftskraft der Erfindung erfaßte, -wie er denn auch derjenige gewesen<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> ist, der am meisten zu ihrer -Ausbildung getan hat. Seine Tat war vom technischen Standpunkt aus -betrachtet keine primäre, sondern eine „zweithändige“, aber technisch -doch keine Epigonenleistung und praktisch direkt von schöpferischer -Prägung. Um dies zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß -der <em class="gesperrt">allgemeine</em> Eindruck des Edisonlichts in Paris durchaus -nicht einhellig und mit dem Rathenaus identisch war. Es gab gewiß -genug Leute, die von der neuen Erfindung fasziniert waren, ohne doch -ihren ganzen Zukunftswert zu erfassen. Es gab auch wieder andere, -die kühl blieben und das Glühlicht — ohne seinen praktischen Wert -ganz zu verneinen — weit hinter das Bogenlicht stellten. Es fehlte -aber auch schließlich nicht an Fachleuten, die die ganze Geschichte -für Humbug, für eine Spielerei erklärten. So hielt ein namhafter -Techniker im Saal der Ausstellung einen wissenschaftlichen Vortrag, -in dem er die Edisonsche Erfindung mit Ironie abtat und am Schluß die -Behauptung aufstellte, daß in Paris eine Edisonsche Glühlichtanlage -zum ersten, aber wohl auch zum letzten Male im Betrieb gewesen sei. -Derartige Aussprüche können heute nur noch komisch wirken. Immerhin -war die Edison-Beleuchtung — das sollte gerade Rathenau in den ersten -Jahren, als er sich praktisch mit Installationen befaßte, erfahren -— keineswegs so vollkommen, wie er sie rückschauend geschildert -hat. Sie litt vielleicht nicht in der Anlage, wohl aber in der -Durchführung an großen Mängeln und Unvollkommenheiten. Edison ist -stets mehr ein genialer Experimentierer, ein origineller Erfinder, -als ein systematischer Forscher, ein exakter Konstrukteur gewesen. -Diesen Stempel trug auch seine Pariser Glühlichtanlage, und alles -was er in derselben Art bereits in Amerika gemacht hatte, deutlich -an der Stirn. Besonders die Maschinen waren nicht gut konstruiert, -und noch schlechter ausgeführt. Es war alles mehr empfunden, als -genau errechnet; die Maße der Spannungen und Belastungen usw. -waren in ziemlich primitiver empirischer Weise gewählt, sozusagen -nach dem Gefühl. Man hielt sich an eine Schablone, die man bei den -ersten Versuchen gefunden hatte und war zufrieden, wenn sie halbwegs -stimmte. Den Grundsatz „Probieren geht über Studieren“ hat auch die -Arbeit des Autodidakten Edison trotz ihrer genialen Faktur nicht -verleugnet. Gewiß leidet jede große Erfindung unter derartigen -anfänglichen Unvollkommenheiten der Ausführung und des Details, aber -es ist sehr fraglich, ob die damalige<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span> amerikanische Elektrotechnik -imstande gewesen wäre, sie so schnell zu beseitigen, wie dies Rathenau -später tat. Jedenfalls waren derartige Mängel in Paris vorhanden, -und während ein technisch-kritisches Genie wie Rathenau über diese -leicht zu beseitigenden Nebensächlichkeiten hinwegblickte und nur den -genialen Kern der Idee und den guten Grundzusammenhang der ganzen -Anlage sah, blieben kleinere Geister, weniger scharfe Augen an den -mangelhaften Äußerlichkeiten haften und erschöpften ihre Kritik an -ihnen. — Trotzdem aber die Wirkung der Edisonschen Ausstellung -gerade in Fachkreisen keine einhellige war, ist selten der Eindruck -einer technischen Demonstration so nachhaltig gewesen, wie der des -Edison-Lichts in Paris.</p> - -<p>Die Pariser Elektrizitätsausstellung vom Jahre 1881 erlangte für -das elektrische Glühlicht dieselbe epochemachende Bedeutung wie -die Pariser Weltausstellung von 1878 für das Bogenlicht. Die -französische Hauptstadt war damals das unbestrittene Zentrum der -modernen Elektrizitätsentwickelung, die gerade in ihr effektvollstes, -brillantestes Stadium, das der „Lichtwunder“ getreten war. Während -Frankreich in der früheren Geschichte der angewandten Elektrizität -keine besonders ausschlaggebende Rolle gespielt, in der Technik der -elektrischen Telegraphen, Kabel und Maschinen den Pionierländern -Amerika, England und Deutschland nur eben gefolgt war, riß es in der -Beleuchtungsfrage oder wenigstens in ihrer ersten praktischen Anwendung -(denn von den grundlegenden Erfindungen der Lichtelektrizität war -in Frankreich keine gemacht worden) die Führung an sich. Für diese -Erscheinung können zwei Gründe angeführt werden. Einmal war gerade der -französische Volkscharakter und der ihm anhaftende Ehrgeiz, in seiner -Hauptstadt Paris die erste Welt- und Fremdenstadt der Erde zu sehen, -besonders empfänglich für Wirkungen, wie sie das elektrische Licht als -großstädtischer Faktor ausüben mußte. Ferner war besonders die damalige -Zeit, in der sich die französische Republik von dem militärischen -und politischen Schlage des Krieges von 1870/71 zu erheben begann, -angefüllt mit leidenschaftlichen Bemühungen, das an Prestige auf -jenen Gebieten Verlorene durch wirtschaftliche und kulturelle Werke, -oder vielleicht besser durch wirtschaftliche und kulturelle Effekte -wettzumachen. Die Republik warb mit solchen Mitteln aufs neue um die -Bewunderung der Welt, die den Diplomaten und Soldaten des Kaiserreichs<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> -durch den unglücklichen Krieg zu einem großen Teile verloren gegangen -war. Die Weltausstellung wurde hier in die moderne internationale -Form gegossen, in der sie die nächsten Jahrzehnte beherrschen sollte, -als ein Mittelding zwischen einer wissenschaftlichen, technischen -und gewerblichen Demonstrationsstätte und einem den Fremdenverkehr -anziehenden Sensations- und Amüsierbetrieb. Sie war hier nicht -so sehr der Ausdruck einer großen gewerblichen und technischen -Leistungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit, deren überquellende innere -Kräfte nach äußerer Darstellung drängten, als die Bekundung eines -ehrgeizigen Glänzenwollens. Nicht die Befriedigung des Schaffens, -sondern der Drang nach Wirkung beherrschte diese Ausstellungen, und -gerade der Umstand, daß das eigene Schaffen der französischen Nation -damals nicht auf einer Höhe stand, die es gestattete, großartige -Ausstellungswirkungen hervorzurufen, ließ es notwendig erscheinen, -den <em class="gesperrt">Welt</em>charakter der Ausstellungen in bisher nicht üblich -gewesener starker und wie man zugeben muß national vorurteilsloser -Weise zu betonen. Dieses Weltausstellungssystem ist im Laufe der -Jahre, als es jede mittlere Nation, jede mäßig interessante Stadt -nachzuahmen versuchte, allmählich zu Tode gehetzt worden und es verlor -an Zugkraft, je häufiger sich derartige Ausstellungen wiederholten. -Das Ungewöhnliche wird gewöhnlich, wenn es regelmäßig wiederkehrt und -dabei noch verkleinlicht wird. Die Welt stumpft gegen Sensationen ab, -die einander zu ähnlich sehen. Trotz dieser späteren Entwickelung und -trotz der zweifelhaften Motive, die den ersten Pariser Ausstellungen -zu Grunde lagen, darf ihr gewaltiger Wert für die Verbreitung und -Popularisierung technischer Fortschritte nicht verkannt werden. Gerade -auf dem Gebiete der elektrischen Lichtindustrie haben sie durch die -überzeugende, wirkungsvolle Darstellung, die sie einem ungewöhnlich -großen internationalen Kreis von den damaligen Errungenschaften -der Technik gaben, eine sehr beträchtliche Beschleunigung in der -praktischen Anwendung herbeigeführt. Die Vorführung des Edisonschen -Beleuchtungssystems wirkte an dieser Stelle mit ganz anderer -internationaler Anregungskraft, als wenn die Erfindung in irgend einer -amerikanischen Stadt mit nüchternem Nutzungszweck durchgeführt und ihre -internationale Propaganda in Europa nur durch Beschreibungen in Büchern -und Zeitungen vermittelt worden wäre.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span></p> - -<p>Auf Naturen wie Emil Rathenau, deren Energien der Anregung durch -eine überzeugende Demonstration bedurften (ebenso wie er später -die Demonstration am gut gewählten Beispiel als das nachhaltigste -Wirkungsmittel auf andere erkannte und benutzte), waren die Eindrücke -in Paris derartig überwältigend, daß sie alles innere Schwanken, alle -Wahlnöte und Entschlußhemmungen mit einem Schlage beseitigten. Aus -dem reflektierenden Zauderer, der auf Enttäuschungen ebenso stark und -schnell reagiert hatte wie auf Hoffnungen, war mit einem Male der -sehnige, bestimmte Tatmensch geworden, der Rathenau, einmal in die -richtige Bahn gestellt, bis an sein Lebensende geblieben ist. Die -Fülle der Gesichte und Möglichkeiten war durch den Anblick des „Ziels“ -gebändigt und vereinheitlicht. Das verwirrende Durcheinander der -gangbaren Wege war zur Straße geworden, deren Lauf mit Notwendigkeit -vorgeschrieben war. Rathenau glaubte, als er Edisons Beleuchtungssystem -zuerst sah, sich seiner ganzen Art nach im Sturm der neuen Aufgabe -bemächtigen zu können. Als nicht sofort festzustellen war, von -wem man die Patente und Nutzungsrechte erwerben könne, kabelte er -kurzentschlossen an Edison nach New York, er möge sich sofort auf das -Schiff setzen und in einer dringenden, für beide Teile außerordentlich -wichtigen Angelegenheit nach Europa kommen. Edison erklärte dies zur -Zeit für unmöglich und riet dem ihm unbekannten deutschen Ingenieur, -sich an seine Pariser Vertreter zu wenden. Wäre Rathenau der leicht -zu entflammende, aber von Schwierigkeiten schnell wieder abgekühlte -Stimmungsmensch gewesen, für den er damals vielfach gehalten wurde, -so hätte er bald die Büchse ins Korn geworfen. Aber es bildete die -erste große Probe auf den inneren Stahl, der in dem Charakter des -Mannes enthalten war, mit welcher Energie und Zähigkeit er aus dem -Labyrinth der Edisonschen Patent- und Rechtsverwirrnis die Verträge -herauszuzwingen verstand, die er für eine gesicherte Anwendung des -Edisonlichts in Deutschland haben zu müssen meinte.</p> - -<p>Edison hatte zur Verwertung seiner Patente zunächst zwei Gesellschaften -gegründet. Die Edison Electric Light Company mit dem Sitz in New York -sollte die Patente für Amerika verwerten, eine Tochtergesellschaft -gleichen Namens in London sollte Europa bearbeiten. Sie veranstaltete -die erste elektrische Ausstellung im Crystal Palace und baute die -erste elektrische Zentralstation — oder was man damals so bezeichnete -— in Europa. Von ihr abgezweigt wurde<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> wieder die <em class="gesperrt">Compagnie -Continentale Edison</em>, der die Verwertung aller Edisonschen Patente -auf dem europäischen Kontinent übertragen wurde. Sie errichtete -wieder zwei Untergesellschaften, die Société électrique Edison, die -sich mit der Ausführung privater Beleuchtungsanlagen beschäftigte, -und als Fabrikationsunternehmen die Société industrielle commerciale -Edison, die in Ivry bei Paris Maschinen und Apparate herstellte. Die -Rechtsverhältnisse waren also reichlich kompliziert, was nicht so sehr -an der Vielheit der Gesellschaften, als an der unklaren Organisation -und Kompetenzverteilung zwischen ihnen lag. Auch Rathenau hat später -in seiner industriellen und finanztechnischen Praxis das System der -Dezentralisation und Verschachtelung mit Vorliebe angewandt, aber er -beherrschte doch dieses System derart, daß er jederzeit die Zügel in -der Hand behielt. Zwischen den von ihm gegründeten Unternehmungen -waren die rechtlichen Beziehungen und Aufgaben so klar geordnet und -verteilt, daß Zweifel niemals entstehen konnten, wie dies bei den -Edisonschen Gesellschaften damals und auch weiterhin noch der Fall war. -„Edison hatte,“ so erzählt Rathenau, „seine europäischen Interessen in -die Hände von Gesellschaften gelegt, deren Ideal zum wenigsten darin -bestand, die Welt mit einem Kulturwerk zu beglücken; und so gelang -es erst nach unsäglichen Schwierigkeiten, Verträge zu vereinbaren, -die das Fundament solider deutscher Gesellschaften bilden konnten.“ -Nachdem die unberechtigten Ansprüche verschiedener Gesellschaften -abgewiesen bzw. abgefunden worden waren, wurde der grundlegende -Vertrag schließlich mit der <em class="gesperrt">Compagnie Continentale Edison in -Paris</em> abgeschlossen. Ähnlich wie in Frankreich sollte danach auch -für Deutschland eine Fabrikationsgesellschaft und eine zweite zur -Herstellung von Zentralstationen gegründet werden. So großzügig wie -die Sache geplant war, ließ sie sich allerdings zunächst noch nicht -verwirklichen. Während der Verhandlungen hatte sich der finanzielle -Himmel infolge einer von Paris ausgehenden Krisis umwölkt. Der etwas -gewaltsame Industrialismus, mit dem Frankreich über die Schlappe von -1870/71 hinwegzukommen hoffte, hatte zu einem Rückschlag geführt, -und die englische Elektrizitätskrise, die aus einer Überspannung im -Gründerwesen auf dem Gebiete der Kabeltelegraphie entstanden war, -trug dazu bei, daß man gerade Neugründungen auf dem Gebiete der -Elektrizitätsindustrie<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> damals mit Zurückhaltung begegnete. Rathenau -ließ sich von dem einmal gewählten Wege auch durch dieses Hemmnis -nicht abbringen. Er suchte in Berlin in den maßgebenden Bankkreisen -Unterstützung für sein Projekt zu finden. Er besuchte Bleichröder -und andere führende Finanzgrößen. Ohne Erfolg. Die „Großen“ auf dem -Gebiete des Kapitals hielten sich kühl zurück. Schließlich lernte -Rathenau bei einem Besuch seiner Mutter in Bad Langenschwalbach -<em class="gesperrt">Ludwig von Kaufmann</em>, den Schwiegersohn Jacob Landaus und -Mitinhaber des Bankhauses <em class="gesperrt">Jacob Landau</em> kennen. Es gelang ihm, -diesen für die Idee zu interessieren. Es war in verschiedenen Berliner -Unterredungen, die sich an dieses Langenschwalbacher Zusammentreffen -knüpften, vereinbart worden, ein Bankenkonsortium zu bilden, das die -neue Gesellschaft errichten und mit Geld ausstatten sollte. Infolge der -finanziellen Krise kamen die Verhandlungen zunächst ins Stocken. Das -Bankenkonsortium hatte die Geldmittel natürlich nur <em class="gesperrt">vorstrecken</em> -wollen, und zwar angesichts seiner nicht sehr starken eigenen -Kapitalskraft, nur für kurze Zeit. Jahrelange Vorschüsse, wie sie -die finanziellen Trustunternehmungen gewährten, die Rathenau später -für derartige Zwecke gegründet hatte, konnten und wollten Rathenaus -Geldgeber dem Ingenieur, dessen Enthusiasmus die einzige Garantie -war, die er bieten konnte, nicht anvertrauen. Man hatte daher von -vornherein geplant, das zur Gründung erforderliche Geld sofort durch -Ausgabe der Aktien an das Publikum aufzubringen. Als dies unmöglich -wurde, verzichtete man auf die sofortige Ausführung des Planes. -Rathenau sorgte indessen dafür, daß die einmal angeknüpften Beziehungen -zwischen ihm und der Bankengruppe nicht völlig abgebrochen wurden. Er -komplizierte die Situation, schon damals sein leidenschaftlich vorwärts -drängendes Temperament durch realpolitische Erwägungen zügelnd, -nicht dadurch, daß er die Bedingung „Alles oder nichts“ stellte. Er -schlug ein Kompromiß vor, das den Mittelweg zwischen völliger Aufgabe -und unbestimmter Vertagung des Projekts darstellte. Es sollte eine -<em class="gesperrt">Studiengesellschaft</em> mit dem geringen Kapital von 250000 Mark -gegründet werden. Diese sollte die Arbeit unverzüglich aufnehmen -und Rathenau war überzeugt, daß sie den praktischen Wert der neuen -Beleuchtung einwandfrei dartun würde. Geschah dies aber, so war die -Gründung eines größeren Unternehmens später wesentlich leichter, als -wenn wiederum ganz neue Verhandlungen hätten<span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span> angeknüpft und neue -Vorbedingungen hätten geschaffen werden müssen. Es war also auf diesem -Wege manches zu gewinnen, und wenig zu verlieren.</p> - -<p>Die Studiengesellschaft trat denn auch bald auf Grund der deutschen -Edisonpatente ins Leben. Die drei Patentansprüche des ersten und -grundlegenden Patentes lauteten folgendermaßen:</p> - -<p>1. Eine elektrische Lampe, die durch Weißglühen Licht gibt, und in der -Hauptsache aus Kohlefasern von großem Widerstand besteht, hergestellt -und mit den metallischen Drähten verbunden, wie beschrieben.</p> - -<p>2. Ein Faden oder Streifen aus Kohlefasern, welche in solcher Weise -in Spiralform gewunden ist, daß nur ein Teil der Oberfläche dieses -Kohlenleiters (ca. 5 mm) Licht ausstrahlt.</p> - -<p>3. Die Platindrähte wie beschrieben an dem Kohlenfaden zu befestigen -und das Ganze in einem geschlossenen Gefäß zu karbonisieren.</p> - -<p>(Der Widerstand ist je nach der Menge des abgelagerten Lampenrusses -klein oder groß herstellbar.)</p> - -<p>Die Studiengesellschaft verfolgte den doppelten Zweck, praktische -Erfahrungen für die Glühlampentechnik zu sammeln, und das Publikum -mit dem neuen Licht bekannt zu machen. Ein paar kleinere Anlagen -wurden für den Berliner Börsencourier und das Böhmische Brauhaus -geschaffen. Dann wandte man sich etwas größeren Aufgaben zu. Der -Unionklub in der Schadowstraße und die benachbarte Ressource von -1794 erteilten den Auftrag zur Ausführung von Musteranlagen. Die -Ressource veranstaltete zur Feier der gelungenen Beleuchtung ein -Bankett, das so etwas wie ein gesellschaftliches Ereignis für Berlin -darstellte. Gerade während Hugo Pringsheim in einer schwungvollen Rede -das neue Licht und den Schöpfer der Anlage, Emil Rathenau, feierte, -verdüsterte sich allmählich, wie Rathenau später ausplauderte, das -Licht und der diensthabende Ingenieur meldete mit schreckensbleichem -Gesicht, daß er die Anlage nicht halten könne. In der gehobenen -Festesstimmung bemerkte niemand das Verschwinden des Ehrengastes, der -im Gesellschaftsanzuge die persönliche Führung der Anlage bis zum -Morgen übernahm, und mit zwei Ingenieuren durch eifriges Kühlen der -Lager mit dem für<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> die Sektkühler bestimmten Eis den Betrieb aufrecht -erhielt. Ein Verlöschen des Lichts an dieser sichtbaren Stelle wäre -ein harter Schlag für das Schicksal der elektrischen Beleuchtung -geworden und noch ein stärkerer für das Schicksal des in der Gründung -befindlichen Unternehmens, dessen Aktien in kurzer Zeit herausgebracht -werden sollten. Das Gelingen wirkte dagegen wie eine besonders wirksame -Propaganda. Weitere Privatanlagen entstanden bald in Berlin. Auch -eine Straßenbeleuchtung wurde versucht und zwar in der Wilhelmstraße -zwischen den Linden und der Leipzigerstraße. Die Wirkung war zumal bei -dem am Eröffnungstage herrschenden Schneefall eindrucksvoll. Trotzdem -ist das intimere Glühlicht in der Folgezeit bei Straßenbeleuchtungen -hinter dem lichtstarken Bogenlicht stets zurückgetreten. In München, -wo der Ingenieur Oscar von <em class="gesperrt">Miller</em> im Jahre 1882 die erste -deutsche Elektrizitätsausstellung veranstaltet hatte, von dem größten -Teil der Aussteller aber im Stich gelassen worden war, sprang die -Studiengesellschaft entschlossen ein. Sie übernahm fast die ganze -Versorgung des als Ausstellungsgebäude dienenden Kristallpalastes -mit Elektrizität. Unter ihren Vorführungen erregte besonders die -Beleuchtung eines zu diesem Zwecke errichteten kleinen Theaters, in -dem Balletts aufgeführt wurden, Bewunderung nicht nur beim Publikum, -sondern auch bei Fachleuten. Namentlich faszinierte sie den Intendanten -der Kgl. Schauspiele in München so, daß er sogleich einen Vertrag über -die Einrichtung der elektrischen Beleuchtung des Residenztheaters, der -kleineren der beiden Königlichen Bühnen Münchens, die zur Aufführung -von Schauspielen und Spielopern diente, abschloß. Die Grundlage dieses -Vertrages war, daß die Deutsche Edison Gesellschaft das ganze Risiko -des Gelingens oder Mißlingens auf sich nehmen mußte.</p> - -<p>Oscar v. Miller hatte Rathenau die tatkräftige Hilfe bei der Rettung -der gefährdeten Ausstellung nicht vergessen. Rathenau hinwiederum -hatte in dem Münchener Ingenieur einen für die Sache der Elektrizität -begeisterten, durch Tatkraft und Wagemut ausgezeichneten Mann -gefunden, der ihm als Mitarbeiter bei seinem Unternehmen wie kein -anderer geeignet erschien. Er bewog ihn daher, in die Deutsche -Edison Gesellschaft als Mitdirektor einzutreten, als diese — durch -die bisherigen technischen und propagandistischen Erfolge der -Studiengesellschaft gut vorbereitet — am 19. April 1883 mit einem -Aktienkapital von 5 Millionen Mark gegründet und am 5. Mai<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> desselben -Jahres in das Handelsregister eingetragen wurde. Das Bankenkonsortium, -das Emil Rathenau zwei Jahre vorher zusammengebracht hatte, hielt -ihm trotz mancher Zweifel und Meinungsverschiedenheiten, die sich -inzwischen eingestellt hatten, die Treue. Es war ihm sogar, als es an -die endgültige Konstituierung des Unternehmens ging, gelungen, eine -Erweiterung dieses Konsortiums herbeizuführen, das ursprünglich aus -den Firmen Jacob Landau in Berlin, Gebr. Sulzbach in Frankfurt a. -M. und der Nationalbank für Deutschland in Berlin bestanden hatte. -Einen Überblick über seine Mitglieder gibt der erste Aufsichtsrat der -Neuen Edison Gesellschaft, der sich aus folgenden Persönlichkeiten -zusammensetzte:</p> - -<div class="edison"> - -<p>Bankier Rudolph Sulzbach in Firma Gebrüder Sulzbach in Frankfurt a. -M., Vorsitzender.</p> - -<p>Ludwig von Kaufmann, in Firma Jacob Landau in Berlin, -Stellvertretender Vorsitzender.</p> - -<p>J. F. Bailey, Administrateur délegué der Compagnie Continentale -Edison in Paris.</p> - -<p>Bankier Edmund Becker, in Firma Becker & Co. in Leipzig.</p> - -<p>Rechtsanwalt Robert Esser II in Köln.</p> - -<p>Kommerzienrat Paul Gaspard Friedenthal in Breslau, in Firma -Breslauer Discontobank Friedenthal & Co.</p> - -<p>Stadtrichter Julius Friedenthal in Breslau, Direktor der Breslauer -Wechslerbank.</p> - -<p>Bankier Moritz Guggenheimer, in Firma Guggenheimer & Co. in München.</p> - -<p>Bankier Hermann Köhler, Disponent der Firma Gebrüder Sulzbach in -Frankfurt a. M.</p> - -<p>Konsul Dr. Kunheim, in Firma Kunheim & Co. in Berlin.</p> - -<p>Bankier Hugo Landau, in Firma Jacob Landau in Berlin.</p> - -<p>Assessor a. D. Dr. Hermann Löwenfeld, Direktor der Nationalbank für -Deutschland in Berlin.</p> - -<p>Bankier Carl Schlesinger-Trier, in Firma C. Schlesinger, Trier & -Co. in Berlin.</p> - -<p>Kommerzienrat Wilhelm Wolf in Berlin.</p> - -</div> - -<p>Es war also für ein Unternehmen von mäßigem Umfang ein ziemlich -mitgliederreiches Kollegium, das im ganzen 14 Köpfe umfaßte. Darin lag -insofern eine gewisse Absicht, als man einmal<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> durch einen stattlichen -Aufsichtsrat mit Namen von gutem Klang eine gewisse werbende Wirkung -auf die Öffentlichkeit und die für eine Aktienbeteiligung in Betracht -kommende Kapitalistenwelt erzielen wollte. Ferner hielten es aber -auch die hauptsächlich beteiligten Bankfirmen Jacob Landau und Gebr. -Sulzbach für notwendig, sich im Aufsichtsrat doppelt vertreten zu -lassen, einmal um sich bei den Abstimmungen des Kollegiums den ihnen -gebührenden Einfluß zu sichern, andererseits aber auch, um eine -möglichst weitgehende Kontrolltätigkeit ausüben zu können. Da der große -Aufsichtsrat für eine intensive Beteiligung an den innergeschäftlichen -Dingen nicht geeignet war, zweigte man von ihm einen aus 5 Mitgliedern -bestehenden <em class="gesperrt">Arbeitsausschuß</em> ab, der die Aufgabe hatte, der -Direktion bei der Führung der Geschäfte zur Seite zu stehen und wohl -auch auf die Finger zu sehen. Man war wohl von der Lebenskräftigkeit -der Rathenauschen Idee durchaus überzeugt, man schätzte die Energie und -die Tüchtigkeit des Direktors auch sehr hoch ein, aber man hielt ihn -für zu schlau und zu eigenwillig, um sich ihm rückhaltlos anvertrauen -zu können. Es zeigte sich schon hier, und es hat sich in den ersten -Jahren der Edison Gesellschaft wiederholt gezeigt, daß das Genie Emil -Rathenaus mit dem Kritizismus und dem gelegentlichen Mißtrauen einer -kleingeistigen Umgebung manchmal recht schwer zu kämpfen hatte. Von -einem großzügigen Verständnis für seine aufs Ganze gerichtete Art und -seine hochfliegenden Pläne, das ihm später sein Aufsichtsrat stets -entgegenbrachte, war anfänglich noch wenig zu spüren. Man glaubte -ihn, in dem man noch immer etwas vom Projektemacher witterte, fest an -der Kandare halten zu müssen, und wenn er seinen Willen schließlich -auch stets zur Geltung zu bringen wußte, so genügte in den Zeiten, -in denen seine Autorität noch nicht über allen Zweifel gefestigt -war, doch häufig nicht sein einfaches Wort, um überall Vertrauen zu -finden, sondern es waren manchmal laute und stille Kämpfe nötig, zu -deren Durchführung es seiner ganzen Zähigkeit bedurfte. Zur Erledigung -der kaufmännischen Geschäfte, zum Teil wohl auch zur Überwachung -seiner Geschäftsleitung im inneren Betriebe war ihm als Helfer -Felix <em class="gesperrt">Deutsch</em>, der bis dahin in dem der Firma Jacob Landau -nahestehenden Strontianitkonsortium und in deren Zuckerinteressen sich -bewährt hatte, beigegeben worden. Deutsch hat, ohne daß er darum je -nötig hatte,<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> das Vertrauen seiner Auftraggeber zu enttäuschen, doch -vom ersten Augenblick an seine Aufgabe so aufgefaßt, daß er mit ihr -vornehmlich dem Unternehmen, in dessen Dienste er trat, förderlich -war und förderlich sein wollte. Er hat die überragende Bedeutung Emil -Rathenaus wie seine moralische Zuverlässigkeit keinen Augenblick -verkannt, hat sich redlich Mühe gegeben, einen Standpunkt zu gewinnen, -der dem des genialen Mannes ebenbürtig war und es ist ihm sowohl als -Helfer und Mitarbeiter Rathenaus, wie später auch schöpferisch in dem -ihm ziemlich selbständig überlassenen Kreis der Absatz-Organisation -gelungen, eine des Meisters würdige Arbeit zu leisten.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Sechstes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Sechstes Kapitel</em><br /> - -Die Deutsche Edison Gesellschaft</h2> - -</div> - -<p>Als die Deutsche Edison Gesellschaft gegründet wurde, verfügte sie -keineswegs über eine starke und gefestigte Position. Was ihr an -Kapitalmacht zur Seite stand, um ihr über die schwierigen Anfänge -hinwegzuhelfen, war trotz mancher gut angesehener Namen, die im -Bankenkonsortium vertreten waren, nicht eben hervorragend und geeignet, -die junge Gesellschaft gegen die Fährnisse der Konjunkturen und die -Bedrohungen durch eine übermächtige Konkurrenz sicherzustellen. -Von den damals führenden Großbanken war keine an der Gesellschaft -beteiligt. Die Nationalbank für Deutschland, die selbst erst im -Jahre 1881 gegründet worden war, verfügte über ein Kapital von 40 -Millionen Mark, das aber nur zur Hälfte eingezahlt war, und hatte in -den folgenden Jahren mit eigenen Schwierigkeiten genug zu tun. Sie wie -auch die Breslauer Diskontobank, die gleichfalls in der Bankengruppe -vertreten war, stand unter Landauschem Einfluß. Diese Aktienbanken -waren also höchstens als Ableger des Bankierkonsortiums, nicht als -weitere unabhängige Finanzquellen zu betrachten und konnten einem -jungen industriellen Unternehmen jedenfalls keinen sonderlichen -Rückhalt geben. Viel Spielraum zum Experimentieren stand Emil Rathenau -also nicht zur Verfügung. Er mußte schnell vorwärtskommen und die -Tragfähigkeit seiner Schöpfung beweisen. In der II. Etage des Hauses -Leipziger Str. 94, in der Rathenau und Deutsch mit einem Buchhalter und -einer Schreibmaschine ihr Heim aufgeschlagen hatten, wurde denn auch -mit Hochdruck gearbeitet. Aber nicht nur zu arbeiten galt es, sondern -auch zu paktieren und zu diplomatisieren. Zuerst mußten die Verträge -mit der Pariser Edison Gruppe einer Revision unterzogen werden, denn -es hatte sich erwiesen, daß sie in der Form, wie sie im<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> Jahre 1881 -vereinbart worden waren, nicht aufrechterhalten werden konnten. Der -Plan, neben der Fabrikationsgesellschaft eine besondere Gesellschaft -für den Bau von Zentralen zu gründen, wurde fallen gelassen, da -Zweifel bestanden, ob eine solche in nächster Zeit auf genügende -Aufträge würde rechnen können. Man wollte nicht Kapital in einer -besonderen Gesellschaft festlegen, um es etwa nachher brach liegen -zu lassen. Es wurde vielmehr der Fabrikationsgesellschaft auch das -Baugeschäft übertragen; dafür wurde sie mit einem erhöhten Kapital von -5 Millionen Mark statt dem ursprünglich in Aussicht genommenen von 2 -Millionen Mark ausgestattet. Durch diese Art der Finanzierung war ein -freieres Disponieren über die zur Verfügung stehenden Gesamtkapitalien -ermöglicht. Die französische Edison-Gesellschaft beteiligte sich mit -Aktienkapital nicht an dem deutschen Unternehmen. Dagegen erhielt -sie 1500 Genußscheine. Weitere 1000 Genußscheine wurden den ersten -Zeichnern des Aktienkapitals ausgefolgt. Die Inhaber der 2500 -Genußscheine hatten Anspruch auf 35% des nach Zahlung einer Dividende -von 6% verbleibenden Gewinnüberschusses. Der mit der französischen -Gesellschaft abgeschlossene Vertrag, der in das Statut der Deutschen -Edison Gesellschaft aufgenommen wurde, hatte folgenden Wortlaut:</p> - -<div class="vertrag_edison"> - -<div class="vertrag_edison"> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Rechtsverhältnisse zu der Compagnie -Edison in Paris, sowie zu Herrn -Thomas Alva Edison und der Edison -Electric Light Company of Europe -Lim. zu New York.</em></p> - -</div> - -<p class="center">§ 35.</p> - -<p>Die Deutsche Edison Gesellschaft für angewandte Electricität erwirbt -von der Compagnie Continentale zu Paris mit Genehmigung des Herrn -Thomas Alva Edison und der Edison Electric Light Company of Europe lim. -zu New York, unter Anwendung des Art. 209 b des Allgemeinen Deutschen -Handelsgesetzbuches das Recht der gewerblichen Ausnützung der in § 3 -bezeichneten Erfindungen des Herrn Edison und der vorgedachten Electric -Light Company und zwar für das gesamte deutsche Reichsgebiet als -ausschließliches Recht, insbesondere nachbezeichnete Befugnisse:</p> - -<p>1. Das Recht, sämtliche zu den im § 3 dieses Statuts spezialisierten -(gleichviel ob patentierten oder nicht patentierten) Edisonschen<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> -Verfahren gehörigen Maschinen zu fabrizieren oder auch in den -Werkstätten ausländischer Edisonscher Gesellschaften fabrizieren zu -lassen, während die Herstellung in sonstigen Fabriken, so lange die -Compagnie Continentale besteht, nur mit deren Genehmigung statthaft -ist; ferner die gedachten Objekte zu beziehen und zu verkaufen;</p> - -<p>2. das Recht, Installationen für Beleuchtungs- und -Kraftübertragungszwecke einzurichten oder die hierauf bezüglichen -Befugnisse anderen einzuräumen;</p> - -<p>3. das Recht, die ad I und II gedachten Gegenstände selbst zu benutzen, -sowie deren Benutzung Dritten zu gestatten.</p> - -<p>Eine andere Gewähr, als die für die gegenwärtige Existenz der Patente -wird bezüglich derselben von Herrn Edison, der Edison Electric Light -Company und der Compagnie Continentale nicht übernommen.</p> - -<p>Das Recht der Fabrikation (ad I) erstreckt sich auch auf die bei den -elektrischen Bahnen zur Verwendung kommenden Maschinen, Apparate, -Utensilien und Materialien, nicht aber auf die Anwendung derselben.</p> - -<p>Die Gesellschaft ist hinsichtlich ihrer gewerblichen Tätigkeit (§ 3) -und hinsichtlich der ihr vorstehend eingeräumten Rechte nur beschränkt -durch diejenigen Rechte, welche der Firma Siemens & Halske in Berlin -laut der am 13. März 1883 zwischen dieser Firma einerseits und dem -Herrn Edison und der Edison Electric Light Company, der Compagnie -Continentale sowie sonstigen Konsorten andererseits abgeschlossenen -beiden Verträge eingeräumt sind, wogegen aber auch die Rechte, welche -in den gedachten Verträgen dem Herrn Edison, der Electric Light Company -und deren Rechtsnachfolgern zugestanden sind, auf die Deutsche Edison -Gesellschaft von selbst übergehen, sofern dieselbe spätestens innerhalb -4 Wochen nach ihrer Eintragung in das Handelsregister eine schriftliche -Annahmeerklärung zu Händen der Herren Siemens & Halske abgiebt.</p> - -<p>Als Erwerbspreis für die vorstehend beschriebenen Rechte wird an die -Compagnie Continentale zu Paris die Summe von Dreihundertfünfzigtausend -Reichsmark bar aus dem Vermögen der Gesellschaft bezahlt. Es findet -aber eine Amortisierung dieser Summe in der Weise statt, daß die -Compagnie Continentale auf die ihr im folgenden § 41 zugebilligten -Prästationen so lange verzichtet, bis dieselben den Betrag von 350000 -Reichsmark erreicht haben. In dem<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> Maße, in welchem dieser Betrag aus -dem Geschäftsbetriebe der Gesellschaft aufkommt, fließt er den Aktivis -der letzteren zu, während der Erwerbspreis der dafür gemäß Vorstehendem -erworbenen Rechte immer nur mit dem entsprechenden Minderbetrage in die -Bilanz eingestellt werden darf, bis er spätestens bei Erreichung der -vollen Summe aus den Aktivis gänzlich verschwindet.</p> - -<p>Neben den vorstehend gedachten 350000 Reichsmark gelten auch diejenigen -Vermögensvorteile, welche der Compagnie Continentale sonst in dem -gegenwärtigen Statut eingeräumt worden sind (vergl. §§ 12 und 41), als -Äquivalente für die gemäß dem Vorstehendem und § 36 erworbenen Rechte.</p> - -<p>Der Wert der von Herrn Edison, der Edison Electric Light Company und -der Compagnie Continentale gemäß diesem Statut (§§ 35, 36) eingeräumten -Rechte wird hiermit auf den mehrgedachten Betrag von 350000 Reichsmark -und die in vorstehendem Alinea bezeichneten Äquivalente festgesetzt.</p> - -<p class="center mtop1">§ 36.</p> - -<p>Die Compagnie Continentale in Paris verpflichtet sich, der Gesellschaft -und zwar dieser ausschließlich alle einschlägigen patentierten und -nicht patentierten Erfindungen, Verbesserungen und Erfahrungen, -welche dem Herrn Edison, der Edison Electric Light Company, oder ihr -selbst für elektrische Beleuchtungen und Kraftübertragung bereits zu -Gebote stehen oder in deren Besitz Herr Edison, die Electric Light -Company oder sie selbst bis zum 15. November 1886 noch gelangen wird, -für Deutschland im ganzen Umfange der im § 35 erwähnten Verfahren -mitzuteilen, und sie in ihrem Geschäftsbetriebe für Deutschland auf -jede Art dergestalt zu unterstützen, daß sie in der Lage ist, die -Fabrikation in dem nämlichen Grade der technischen Vollkommenheit -auszuführen wie die Compagnie Continentale selbst.</p> - -<p>Insbesondere soll die Pariser Gesellschaft verpflichtet sein, der -Gesellschaft auf deren Kosten geeignete Instrukteure zu stellen. Die -Deutsche Edison Gesellschaft ist in allen diesen Beziehungen zur -Reziprozität verpflichtet.</p> - -<p class="center mtop1">§ 37.</p> - -<p>Sobald die Gesellschaft in das Gesellschaftsregister eingetragen ist, -erhält dieselbe von der Compagnie Continentale diejenigen Voll<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span>machten -des Herrn Edison und der Light Company zu New York ausgehändigt, deren -dieselbe zur Führung etwaiger, wegen Verletzung der durch diesen -Vertrag auf sie zu übertragenden Rechte erforderlichen gerichtlichen -und außergerichtlichen Maßnahmen bedürfen wird.</p> - -<p>Dem Herrn Edison und der Light Company wird hiermit das ihnen laut -ihres Vertrages mit der Compagnie Continentale vom 15. November 1881 -gewährleistete Recht, sich an allen wegen unbefugter Nachahmung -der von ihnen patentierten Erfindungen zu führenden Prozessen -akzessorisch zu beteiligen, sowie an jedem anderen Rechtsstreit und -Verwaltungsverfahren, welcher auf Antrag der Lizenzberechtigten in Gang -gebracht werden sollte, ausdrücklich reserviert.</p> - -<p class="center mtop1">§ 38.</p> - -<p>Die Deutsche Edison Gesellschaft übernimmt ihrerseits die -Verpflichtung, für den Schutz der in Rede stehenden Edison-Patente -auf ihre Kosten Sorge zu tragen, und von jeder zu ihrer Kenntnis -gelangenden Verletzung der einschlägigen Patentrechte der Compagnie -Continentale in Paris unverzüglich Mitteilung zu machen. Ist zur -Inschutznahme der gedachten Patente ein prozessualisches Einschreiten -erforderlich, so dürfen Vergleiche hierüber nur mit Genehmigung der -Compagnie Continentale abgeschlossen werden.</p> - -<p class="center mtop1">§ 39.</p> - -<p>Die Compagnie Continentale ist verpflichtet, der Gesellschaft an -deren Sitz unter der Bedingung der Gegenseitigkeit das erforderliche -Aktenmaterial zu dem im § 37 gedachten Zweck jederzeit zur Verfügung zu -stellen.</p> - -<p class="center mtop1">§ 40.</p> - -<p>Für den Fall der Auflösung der Gesellschaft, insbesondere für den Fall -der Liquidation fallen die derselben übertragenen Patentrechte, soweit -sie sich zu jener Zeit noch in Kraft befinden sollten, an die Compagnie -Continentale zu Paris unentgeltlich zurück.</p> - -<p class="center mtop1">§ 41.</p> - -<p>Außer den in dem § 12 bestimmten Vorteilen, welche die Gesellschaft -der Compagnie Continentale eingeräumt hat, ist dieselbe verpflichtet, -an die Compagnie Continentale in Paris halbjährlich nach Abschluß der -Gesellschafts-Rechnungen folgende Prästationen, zahlbar an die Kasse -der letzteren, zu entrichten:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span></p> - -<p>a) für jede durch die Deutsche Edison Gesellschaft oder deren -Lizenzberechtigte oder durch die Firma Siemens & Halske auf Grund des -im § 35 erwähnten Vertrages in Benutzung genommene oder verkaufte -Lampe, unabhängig von der Lichtstärke derselben 16⅔% des jeweiligen -Selbstkostenpreises, zu welchem die Deutsche Edison Gesellschaft ihre -Lampen fabriziert oder bei einer auswärtigen Edison Gesellschaft -entnehmen wird, keinesfalls aber mehr als 25 Pfennige pro Stück; von -dieser Abgabe sind jedoch diejenigen Lampen befreit, welche die Firma -Siemens & Halske gemäß dem vorgedachten Vertrage, sowie die Deutsche -Edison Gesellschaft selbst im Bereiche ihrer eigenen Geschäfts- und -Fabrikationsräume verwenden wird;</p> - -<p>b) eine Abgabe für jede von der Deutschen Edison Gesellschaft oder -von der Firma Siemens & Halske auf Grund des mehrgedachten Vertrages -innerhalb des Deutschen Reiches ausgeführte Glühlampenbeleuchtung; -diese Abgabe wird entrichtet für jede in solchen Glühlampen tatsächlich -verbrauchte Maschinen-Pferdekraft gleich 75 Kilogrammeter per Sekunde. -Die Feststellung dieser in Lampen verbrauchten Pferdekraft hat nach -dem elektrischen Maßsystem zu erfolgen; für die ersten 50 hiernach bei -einer Anlage in Rechnung kommenden Pferdekräfte beläuft sich die Abgabe -auf 12½ Mark pro Pferdekraft, für jede weitere Pferdekraft auf 16 -Mark; für außerordentliche Anlagen, die vorübergehend eingerichtet -werden, wird diese Abgabe nicht entrichtet. Bei Anlagen gemischter -(Glüh- und Bogenlicht-)Beleuchtung wird diese Abgabe nur für die in -den Glühlichtlampen verbrauchten Pferdekräfte bezahlt. Die Abgaben -werden fällig für die von der Gesellschaft selbst in Benutzung -genommenen resp. verkauften Lampen und Dynamomaschinen mit Ende des -jeweilig laufenden Semesters, für die von der Firma Siemens & Halske -auf Grund des mehrgedachten Vertrages, sowie von etwaigen Lizentiaten -der Gesellschaft benutzten oder verkauften Lampen und Maschinen -jedesmal alsbald nach Eingang. Die Deutsche Edison Gesellschaft wird -der Compagnie Continentale zu Paris allmonatlich eine Liste der -ihrerseits sowie seitens ihrer Lizentiaten oder der Herren Siemens & -Halske in Deutschland veräußerten zur Glühlichtbeleuchtung verwendbaren -Stromerzeugungs-Maschinen unter Angabe der näheren Details zufertigen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span></p> - -<p>Von jeder in Glühlicht verbrauchten Maschinen-Pferdekraft und von jeder -Lampe ist jedoch diese Angabe nur einmal zu leisten.</p> - -<p class="center mtop1">§ 42.</p> - -<p>Solange und in so weit die Gesellschaft nicht in der Lage sein wird, -die zur Anwendung des Edisonschen Glühlichtsystems nötigen Maschinen, -Apparate, Utensilien und Materialien bezw. Teile derselben selbst -zu fabrizieren oder durch die Firma Siemens & Halske fabrizieren zu -lassen, jedoch nicht länger als auf die Dauer eines Jahres, hat die -Compagnie Continentale in Paris die zur Anwendung der einschlägigen -Edisonschen Verfahren nötigen Maschinen, Apparate, Utensilien und -Materialien zum Selbstkostenpreise an die Gesellschaft zu liefern.</p> - -<p>Eine Ausnahme hiervon bilden die Lampen, welche der Deutschen -Gesellschaft zu demselben Preise wie der Compagnie Continentale und -der Société électrique zu Paris frei an Bord des Dampfers in New York -geliefert werden.</p> - -<p class="center mtop1">§ 43.</p> - -<p>Die Compagnie Continentale verpflichtet sich, der Deutsches Edison -Gesellschaft die zur Errichtung von Installationen oder auch -Zentralstationen erforderlichen Hilfskräfte, insbesondere das -technische Personal, auf Kosten der letzteren zur Verfügung zu stellen.</p> - -<p class="center mtop1">§ 44.</p> - -<p>Die Compagnie Continentale wird die Gebühren für die in §§ 3 und 36 -erwähnten Patente jedesmal rechtzeitig vor Verfall an das Deutsche -Reichs-Patentamt entrichten und die Belege darüber der Deutschen Edison -Gesellschaft spätestens einen Monat vor Ablauf der letzten Frist -zustellen.</p> - -<p class="center mtop1">§ 45.</p> - -<p>Die Compagnie Continentale in Paris hat das Recht, zwei ständige -Kommissarien zur Wahrnehmung ihrer Befugnisse und Interessen der -Gesellschaft gegenüber zu bestellen.</p> - -<p>Diese Kommissarien partizipieren als solche, wenn sie nicht schon -Mitglieder des Aufsichtsrats sind, an der Tantieme des letzteren und -es stehen ihnen, soweit es sich um die Wahrung der Vertragsrechte -der Compagnie Continentale handelt, sämtliche den Mitgliedern -des Aufsichtsrats in diesem Statut eingeräumten Revisions- und -Kontroll-Befugnisse zu.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span></p> - -<p class="center mtop1">§ 46.</p> - -<p>Die Bestimmungen dieses Titels können ohne Genehmigung der Compagnie -Continentale in Paris nicht geändert werden.</p> - -</div> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>Ein Vertreter der Compagnie Continentale Edison in Paris trat in den -Aufsichtsrat der Deutschen Edison Gesellschaft ein. Daneben wurden -noch zwei Kommissare der französischen Gesellschaft bestellt, die die -Geschäftstätigkeit des neuen Unternehmens unter dem Gesichtspunkte der -Interessenwahrnehmung der Compagnie Continentale zu überwachen hatten. -Es waren Herr Louis Rau, administrateur délégué de C. C. E. in Paris -und der deutsche Rechtsanwalt und Notar A. Simson in Berlin.</p> - -<p>Abgesehen von der juristischen Auseinandersetzung mit Edison und den -von ihm gegründeten Gesellschaften war aber noch eine schwierigere mit -der deutschen Konkurrenz zu bewerkstelligen. Insbesondere erschien es -nicht als ratsam, die Tätigkeit ohne Übereinkommen mit der stärksten -Konkurrenzfirma <em class="gesperrt">Siemens & Halske</em> zu beginnen, umsomehr, als -die Edisonpatente nicht mehr als unerschütterlich gelten konnten. -Es hätten Versuche gemacht werden können, Glühlampen von ähnlicher -Beschaffenheit und Güte unter Umgehung der Edisonschen Patente -herzustellen und solche Versuche sind auch, je erfolgreicher das neue -Licht sich bewährte, und je mehr es sich beim Publikum einführte, -in großer Zahl unternommen worden. Wenigstens die leistungsfähigste -Elektrizitätsfirma Deutschlands galt es von einem derartigen Vorgehen -zurückzuhalten. In einem der ersten Geschäftsberichte der Deutschen -Edison Gesellschaft wird von der illegitimen Konkurrenz gesprochen -und ihre Erzeugnisse werden als „billig und schlecht“ bezeichnet. -Infolge dieser Eigenschaften waren sie vielleicht nicht allzusehr zu -fürchten. Etwas ganz anderes wäre es aber gewesen, wenn die Firma -Siemens & Halske mit ihren reichen technischen Mitteln und ihren -großen Erfahrungen in der elektrischen Feinmechanik an die Aufgabe, -eine Konkurrenzlampe herzustellen, herangegangen wäre. Dies galt es zu -verhindern, und so wurde, noch bevor die Deutsche Edison Gesellschaft -sich endgültig konstituierte, gleichsam als eine der Vorbe<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span>dingungen -für ihre rechtliche und wirtschaftliche Lebensfähigkeit ein umfassender -Vertrag mit der Firma Siemens & Halske abgeschlossen, an dem Edison, -die europäischen Edisongesellschaften, das Gründungskonsortium der -Deutschen Edison Gesellschaft und die Rechtsnachfolger Edisons, unter -denen insbesondere die zu gründende Deutsche Edison Gesellschaft -namhaft gemacht wurde, als Vertragsgenossen teilnahmen. Nach dem -Vertrage verpflichteten sich Siemens & Halske, die Edison-Patente -nicht anzufechten und zu stören, sondern im Gegenteil alles zu -tun, um ihre Aufrechterhaltung zu fördern. Ein damals schwebender -Prozeß zwischen Edison und Siemens & Halske, bei dem es sich um eine -angebliche Verletzung der Siemensschen Dynamomaschinen-Patente durch -Edison handelte, wurde bei dieser Gelegenheit durch Vergleich aus der -Welt geschafft. Rathenau entschloß sich nicht leicht zu dem Pakt mit -der älteren Konkurrenzfirma, zumal er damals wie auch später noch die -Empfindung hatte, daß trotz der geschriebenen Verträge eine wirkliche -Harmonie, ein ehrliches Vertrauensverhältnis schwer herzustellen sein -würde. Aber es blieb ihm tatsächlich kein anderer Ausweg und das -Bankenkonsortium forderte wenigstens nach dieser Seite hin gesicherte -Verhältnisse. Ein Streit mit der Firma Siemens & Halske hätte für -das junge Unternehmen, gleich wie er auch juristisch und tatsächlich -schließlich ausgelaufen wäre, doch sicher jahrelange Kämpfe und -Unruhen mit sich gebracht und wäre jedenfalls die denkbar schlechteste -Beigabe für die zielbewußte Arbeit der ersten entscheidenden Jahre -gewesen. So kam denn der rechtlich durch die eigenartige Stellung der -vielen Kontrahenten zueinander sehr verwickelte Vertrag zustande, -der 10 Jahre lang in Geltung bleiben sollte. Die Deutsche Edison -Gesellschaft übernahm von Siemens & Halske mit der Edison Gruppe -geschlossene Patentausnutzungs-Verträge in der Weise, daß Siemens & -Halske ihre Abgaben nicht an die ausländischen Edison Gesellschaften, -sondern an die Deutsche Edison Gesellschaft abzuführen hatten, -während diese die Hälfte der ihr so zugeflossenen Beträge ebenso wie -ihre eigenen Abgaben an die Pariser Gesellschaft weitergeben mußte. -Wirtschaftlich erhielt also die Firma Siemens & Halske die Stellung -einer Unter-Lizenznehmerin der Deutschen Edison Gesellschaft, wenn sie -auch rechtlich direkte Lizenznehmerin der ausländischen Edisongruppe -blieb. — Natürlich war für Rathenau<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> diese „Einrangierung“ der Firma -Siemens & Halske in sein deutsches Glühlampenmonopol nicht ohne -Zugeständnisse an das alte Elektrizitätshaus zu erreichen gewesen. -Die Übertragung der Siemensschen Verträge mit der Pariser Gruppe auf -die Deutsche Edison Gesellschaft war nur die <em class="gesperrt">eine</em> Seite des -Vertragskomplexes zwischen den beiden Gruppen. Ein zweiter Teil bestand -darin, daß Siemens & Halske im Verhältnis der Vertragsgenossen das -alleinige Recht erhielten, Maschinen, Apparate und Materialien für -Beleuchtungsanlagen nach dem System Edison herzustellen, die sie zu -Meistbegünstigungspreisen an die Deutsche Edison Gesellschaft liefern -und die diese von Siemens & Halske beziehen mußte. Glühlampen und -Zubehör durften beide Gesellschaften selbst herstellen. Hinsichtlich -ihres Bezuges von Dampf- und Hilfsmaschinen war die Deutsche Edison -Gesellschaft nicht auf den Bezug von S. & H. angewiesen. Was -Bogenlampen anlangt, so sollte die Deutsche Edison Gesellschaft -die nach dem System von S. & H. gebauten verwenden müssen, sofern -nicht Edison eine eigene Lampe erfinden und exploitieren würde. -Als Gegenleistung für diese Zugeständnisse verpflichtete sich die -Firma Siemens & Halske, keine elektrischen Anlagen zu gewerblichen -Zwecken (sogenannte Zentralstationen) zu betreiben. Die vertraglichen -Abmachungen, die einer <em class="gesperrt">Teilung</em> der <em class="gesperrt">Fabrikations- und -Interessengebiete</em> auf dem Gebiete der elektrischen Beleuchtung -zwischen beiden Unternehmungen gleichkamen, wurden dadurch bekräftigt, -daß die Firma Siemens & Halske der jüngeren Gesellschaft, die für die -Propagierung des Edisonlichts eine weitverzweigte und leistungsfähige -Absatzorganisation benötigte, ihre eigenen Vertreter in allen Teilen -des Deutschen Reiches für diese Zwecke zur Verfügung stellte. — -Der für die Entwickelung der Deutschen Edison Gesellschaft so -wichtig gewordene Hauptvertrag mit Siemens & Halske soll nachstehend -gleichfalls in seinen wesentlichsten Bestimmungen wörtlich -wiedergegeben werden.</p> - -<div class="vertrag_edison"> - -<p class="center">§ 3.</p> - -<p>Die Firma Siemens & Halske verpflichtet sich für die Dauer des -gegenwärtigen Vertrages, die dem Herrn Edison bezw. der Light-Company -für das Deutsche Reich erteilten, die elektrische Glühlicht-Beleuchtung -betreffenden Patente weder mit dem Antrag auf Nichtigkeits-Erklärung -noch sonst anzufechten; sie ist im Gegenteil ge<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span>halten, tunlichst -dahin mitzuwirken, daß diese Patente in ihren wesentlichen Teilen -aufrechterhalten und hinsichtlich ihrer gesetzlichen Wirkung allseitig -beachtet bleiben.</p> - -<p>Dagegen räumen Herr Edison, die Light-Company, die Continentale und das -Konsortium hierdurch der Firma Siemens & Halske für das Deutsche Reich -auf die Dauer des gegenwärtigen Vertrages das Recht ein, den Gegenstand -der durch die vorbezeichneten Glühlicht-Patente geschützten Erfindungen -uneingeschränkt gewerbsmäßig herzustellen, herstellen zu lassen, in -Verkehr zu bringen und feilzuhalten. Die Kontrahenten zu 2. bis 7. -entsagen demgemäß für sich und ihre Rechtsnachfolger dem Recht, selbst -oder durch ihre Agenten oder sonstigen Vertreter der vorbeschriebenen -Ausnutzung der Glühlicht-Patente von Seiten der Herren Siemens & -Halske, sei es im Rechtswege, sei es in irgend einer anderen Weise ein -Hindernis entgegenzusetzen, während die letzteren als Entgelt hierfür, -sowie für die weiteren ihnen in diesem Vertrage von dem anderen Teile -eingeräumten Vorteile die Verbindlichkeit übernehmen, nach näherer -Maßgabe der §§ 4 und 6 eine Abgabe</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>a) für die Verwendung der Glühlicht-Lampen und ihrer akzessorischen -Teile zur Beleuchtung,</p> - -<p>b) für die Veräußerung solcher Lampen</p></div> - -<p class="p0">zu entrichten.</p> - -<p class="center mtop1">§ 4.</p> - -<p>..... Diese Abgabe wird entrichtet für jede in den Glühlampen -tatsächlich verbrauchte Pferdekraft (= 75 Kilogrammeter per 1 Sekunde). -Die Feststellung dieser in den Lampen verbrauchten Pferdekraft hat nach -dem elektrischen Maß-System zu erfolgen. Es wird vorbehalten, künftig -eine möglichst einfache und sichere Art der Erhebung dieser Abgabe zu -vereinbaren. Für die ersten fünfzig hiernach bei einer Anlage überhaupt -in Rechnung kommenden Pferdekräfte beläuft sich die Abgabe auf 25.— -Mark pro Pferdekraft, für jede weitere Pferdekraft auf 32.— Mark. Für -außerordentliche Anlagen, die vorübergehend eingerichtet werden, wird -diese Abgabe nicht entrichtet.</p> - -<p>..... Von Stromerzeugungsmaschinen, welche die Herren Siemens & Halske -veräußern, ohne selbst oder durch ihre Agenten oder Monteure die -Installation auszuführen, haben sie eine Abgabe nicht zu entrichten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span></p> - -<p class="center mtop1">§ 5.</p> - -<p>Die Herren Siemens & Halske entsagen für die Dauer des gegenwärtigen -Vertrages dem Recht, permanente Anlagen mit dem gewerblichen -Zweck der Abgabe von Licht gegen Bezahlung des Licht-Verbrauchs -zu betreiben. Dieser Verzicht umfaßt unbedingt jede Anlage, aus -welcher jedermann Licht beziehen kann, betrifft indessen nicht -den Betrieb solcher Anlagen, bei welchen das Eigentum der Anlagen -innerhalb eines Zeitraumes von längstens 6 Jahren auf den resp. die -Licht-Konsumenten übergeht, auch wenn solche bis zum Eigentumsübergang -als Lichtlieferungsanstalten angesehen werden könnten, und ferner nicht -den Betrieb solcher Anlagen, welche nur dem Zweck der in § 4 erwähnten -vorübergehenden Beleuchtungen dienen.</p> - -<p class="center mtop1">§ 6.</p> - -<p>Auf jede Glühlampe, welche die Herren Siemens & Halske im Deutschen -Reich anwenden oder zum Zweck der Anwendung im Deutschen Reich -veräußern, ausschließlich jedoch aller derjenigen Lampen, welche -sie von Herrn Edison oder dessen Rechtsnachfolgern beziehen, und -ausschließlich derjenigen, welche sie im Bereich ihrer eigenen -Fabrikations- und Geschäftsräume verwenden, werden die Herren Siemens -& Halske — in besonderer Anerkennung der Verdienste des Herrn Edison -in der Erfindung und Durchführung der Glühlicht-Lampe — an diesen -beziehungsweise an den von ihm jeweilig als empfangsberechtigt -bezeichneten Rechtsnachfolger eine Abgabe entrichten. Die dieser -Abgabe unterliegenden Lampen werden von den Herren Siemens & Halske -bei der Fabrikation durch ein besonderes Merkmal kenntlich gemacht -werden. Ein ähnliches Merkmal wird auch seitens der künftigen Deutschen -Edison Gesellschaft bei den von ihr in Deutschland in Verkehr -gebrachten Lampen angewendet werden. Die Abgabe wird unabhängig von -der Lichtstärke der Lampen festgesetzt auf 33⅓% (dreiunddreißig ein -Drittel Prozent) des jeweiligen Selbstkostenpreises, zu welchem die -Lampen in der Fabrik der Light-Company zu New York resp. in derjenigen -Fabrik, der die künftige Deutsche Edison Gesellschaft die Mehrzahl -ihrer Lampen entnimmt, hergestellt werden und welchen Herr Edison bezw. -seine Rechtsnachfolger halbjährig nach Semestral-Abschluß der Bücher -den Herren Siemens & Halske mitteilen werden. Die<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> Abgabe pro Lampe -darf indessen in keinem Falle den Betrag von 50 Pf. (fünfzig Pfennig) -übersteigen.</p> - -<p>Das Minimum des Preises, zu welchem Herr Edison und seine -Rechtsnachfolger die Glühlampen in Deutschland verkaufen dürfen, -soll der jeweilige Selbstkostenpreis der Fabrik der Light-Company -zu New York oder derjenigen Fabrik, der die künftige Deutsche -Edison-Gesellschaft die Mehrzahl ihrer Lampen entnimmt, unter -Zurechnung eines Gewinnaufschlages von 33⅓% sein, auch wenn und wo -ein Rabatt gewährt wird. Die so festgesetzte untere Preisgrenze ist für -die Herren Siemens & Halske gleichfalls verbindlich.</p> - -<p class="center mtop1">§ 7.</p> - -<p>Die Abgabe (§ 6) wird nicht gezahlt für alle Glühlampen, welche die -Herren Siemens & Halske von Herrn Edison beziehungsweise der ins Leben -zu rufenden Deutschen Aktien-Gesellschaft (§ 1) oder seinen sonstigen -Rechtsnachfolgern erwerben.</p> - -<p>Im Geschäftsverkehr zwischen diesen und den Herren Siemens & Halske -werden den letzteren vielmehr, unbeschadet etwaiger künftiger -Verständigung über weitergehende Vergünstigungen, mit Rücksicht auf die -vertragsmäßigen Gegenleistungen der Herren Siemens & Halske folgende -Vorzugs-Verkaufspreise zugesichert:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>a) Auf Glühlampen bis zu 16 Kerzenstärken erhalten die Herren -Siemens & Halske einen Rabatt von 25% (fünfundzwanzig Prozent) des -Preiskourant-Satzes, mindestens aber einen Rabatt, der den irgend -einem anderen Abnehmer in Deutschland gewährten um wenigstens 10% -des Preiskourant-Satzes übersteigt.</p> - -<p>b) Wird der Preiskourant-Satz der vorbezeichneten Lampen für -Deutschland loko Berlin unter 4 Mark herabgesetzt, so erhalten -die Herren Siemens & Halske die Lampe zu einem Preise, der um -mindestens 5% niedriger ist, als der irgend einem anderen Abnehmer -in Deutschland bewilligte. Stellt sich der so normierte Preis -höher als der nach Litt. a) von einem Preis von 4 Mark oder mehr -berechnete, so sind die Herren Siemens & Halske berechtigt, die -Lieferung zu diesem letzteren Preise zu fordern.</p> - -<p>c) Auf Glühlampen von mehr als 16 Kerzenstärken erhalten die Herren -Siemens & Halske auf den Preiskourant-Satz einen<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> Rabatt, welcher -den irgend einem anderen deutschen Abnehmer gewährten um wenigstens -5% des Preiskourant-Satzes übersteigt.</p></div> - -<p>Die Herren Siemens & Halske sind befugt, selbstverfertigte oder -von Dritten bezogene Lampen — unter Einhaltung der in § 6 am -Ende gezogenen unteren Preisgrenze — zu einem ihnen beliebigen -Preise zu verkaufen, während sie die von Herrn Edison bezw. dessen -Rechtsnachfolgern, das heißt ohne Leistung einer Abgabe bezogenen -Lampen nicht unter dem Edisonschen Preiskourant-Satz und nicht mit -einem höheren, als dem auf diesen Edisonschen Preiskourantsatz Dritten -gewährten Rabatt weiter veräußern dürfen.</p> - -<p class="center mtop1">§ 8.</p> - -<p>Herr Edison und die Kontrahenten zu 3. bis 7. entsagen mit Rücksicht -auf die vertragsmäßigen Gegenleistungen der Herren Siemens & Halske -für sich und alle ihre Rechtsnachfolger in der Ausnutzung der -Edison-Patente, zu Gunsten der Herren Siemens & Halske, dem Rechte, -Maschinen, Apparate und Materialien anzufertigen, welche bei ihren -Anlagen in Deutschland für elektrische Beleuchtung zur Verwendung -kommen.</p> - -<p>Ausgenommen von vorstehender Entsagung bleiben:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>a) Glühlampen,</p> -<p>b) sockets (Lampenhalter),</p> -<p>c) safety-catches (Sicherheitsausschalter),</p> -<p>d) commutators (Umschalter),</p> -<p>e) alle solche Gegenstände, welche die Herren Siemens & Halske selbst, -nachdem sie solche eingekauft, ohne Bearbeitung weiter verkaufen -würden, als blanke Drähte, Porzellan-Isolatoren und dergl.,</p> -<p>f) Dampfmaschinen oder sonstige Motoren, Dampfkessel und Hilfsmittel -für Betriebskraft,</p> -<p>g) Kandelaber und Befestigungsteile für die -Anbringung der Lampen.</p> - -</div> - -<p>In der Anschaffung und Anfertigung ihres Bedarfs an Gegenständen der -Kategorien zu a) bis g) sind Herr Edison und seine Rechtsnachfolger -nicht beschränkt. Dagegen verpflichten sie sich,<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> gleichfalls aus der -oben gedachten Rücksicht, alle sonstigen nachstehend unter 1. bis 4. -einschließlich aufgeführten Gegenstände unter folgenden Modalitäten -ausschließlich von den Herren Siemens & Halske fabrizieren zu lassen -und zu beziehen, und zwar:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>1. Stromerzeugungs-Maschinen nach Edisonschen Modellen, welche -die Herren Siemens & Halske zu fabrizieren und zu Preisen -zu liefern haben, die für innerhalb Berlin zur Installation -gelangende Maschinen unverpackt franko Ausstellungsort in Berlin, -für andere Maschinen einschließlich der Verpackung und franko -Bahnhof Berlin die Ausgangspreise nicht übersteigen, zu denen die -Société industrielle et commerciale Edison in Paris die gleichen -Typen jeweilig franko Bahnhof Paris einschließlich der Verpackung -abgibt. Für die innerhalb des ersten Fabrikationsjahres, von -dem Zeitpunkte ab gerechnet, mit welchem die Verpflichtung der -Herren Siemens & Halske zur Fabrikation beginnt oder zu welchem -tatsächlich Bestellungen erfolgt und akzeptiert sind, ausgeführten -Lieferungen darf jedoch der Preis der Herren Siemens & Halske den -vorbeschriebenen Pariser Preis um 5% übersteigen;</p> - -<p>2. Conductoren Edisonscher Spezialkonstruktion, boites de jonction -und T-Stücke, sowie alle übrigen hier nicht besonders aufgeführten, -zu dem Edisonschen Leitungssysteme gehörenden Gegenstände, welche -die Herren Siemens & Halske verpackt loko Berlin Bahnhof bezw. -unverpackt loko Berlin franko Aufstellungsort zu Preisen zu -liefern haben, die denjenigen Preis nicht übersteigen, zu welchem -die Société industrielle et commerciale Edison in Paris diese -Gegenstände inklusive Verpackung franko Pariser Bahnhof abgibt.</p> - -<p>3. Kabel zur Glühlicht-Beleuchtung und Bogenlicht-Beleuchtung, die -Spezial-Konstruktionen der Firma Siemens & Halske sind, welche die -Herren Siemens & Halske zu liefern und loko Fabrik ausschließlich -der Verpackung mit einem Rabatt zu berechnen haben, der den irgend -einem anderen deutschen Abnehmer in derselben Rechnungsperiode -gewährten Rabatt um 5% des Lieferungspreises übersteigt.</p> - -<p>4. Leitungsdrähte für die Installation im Innern der Gebäude, -welche Herr Edison und seine Rechtsnachfolger gleichfalls<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> -vorzugsweise von den Herren Siemens & Halske beziehen sollen, -sofern und solange diese Firma jene Gegenstände unter den -gleichen Bedingungen, insbesondere in gleicher Qualität, zu dem -nämlichen oder einem geringeren Preise und innerhalb der gleichen -Lieferungszeiten liefert, als zu welchen dieselben loko Berlin von -einem anderen Lieferanten bezogen werden können.</p></div> - -<p>..... Die Verpflichtung der Herren Siemens & Halske, Maschinen etc. -unter obigen Bedingungen zu liefern, beginnt sechs Monate nach -Vollziehung dieser Vertrages.</p> - -<p>..... Im Fall die Herren Siemens & Halske eine Kündigung des Vertrages -ausgesprochen haben, werden Herr Edison und seine Rechtsnachfolger — -in besonderer Anerkennung der Verdienste des Herrn Dr. Werner Siemens -und der von ihm geleiteten Firma in der Erfindung und Durchführung der -Dynamo-Maschine — für die Dauer des gegenwärtigen Vertrages von jeder -solchergestalt in ihren eigenen Werkstätten angefertigten Maschine -an die Herren Siemens & Halske eine Abgabe entrichten. Diese Abgabe -wird festgesetzt auf 5% (fünf Prozent) desjenigen Preises, welcher -den Herren Siemens & Halske für eine stromerzeugende Maschine der -betreffenden Type zuletzt tatsächlich gezahlt ist, bezw. — bei neuen -Typen — nach dem Obigen (siehe Nr. 1 etc.) zu zahlen sein würde.</p> - -<p class="center mtop1">§ 11.</p> - -<p>Herr Edison und seine Rechtsnachfolger entsagen mit Rücksicht auf -die vertragsmäßigen Gegenleistungen der Herren Siemens & Halske -für Deutschland dem Recht, bei Bogenlicht-Beleuchtungen irgend -ein anderes System als dasjenige der Herren Siemens & Halske oder -ein von Herrn Edison selbst erfundenes zu exploitieren und den zu -Bogenlicht-Beleuchtungen gebrauchten Zubehör aus einer anderen -Bezugsquelle als von den Herren Siemens & Halske zu entnehmen, -unbeschadet der im § 8 bestimmten Ausnahmen. Nur Kohlenstäbe fallen -nicht unter diese Vereinbarung (§ 9 in fin.).</p> - -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span></p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>Das Abkommen zwischen der Deutschen Edison Gesellschaft und Siemens -& Halske hatte für beide Teile seine Vorteile und Nachteile. Für -die ältere Firma, deren weitverzweigter Geschäftskreis dadurch nur -in einem, überdies ziemlich weit an der Peripherie gelegenen Teile -berührt wurde, hatte es zunächst mehr die Bedeutung eines Ausgleichs -über ein neues, den alten Geschäftsstamm ergänzendes Zukunftsgebiet, -keineswegs die Tragweite einer Teilung bisherigen Alleinbesitzes -mit einem neu hinzukommenden Konkurrenten. So wurde es wenigstens -damals von den Leitern der Firma S. & H. aufgefaßt. Auf diesem neuen -Gebiete, dem der Lichtelektrizität, sicherte man sich das Recht, die -beste damals vorhandene Glühlampe zu produzieren. Die der Deutschen -Edison Gesellschaft gegenüber höhere Lizenzgebühr nahm man in den -Kauf, glaubte diesen Nachteil aber dadurch hinlänglich ausgeglichen zu -haben, daß man das ausschließliche Recht, Maschinen und Materialien -für Beleuchtungszwecke nach dem Edisonschen System herzustellen und -dazu einen bedeutenden Pflichtabnehmer für diese Fabrikate sowie -für die eigene Bogenlampenkonstruktion gewann. Der Verzicht auf die -sogenannten „Konzessionen“, das heißt das Recht, Zentralstationen zur -Erzeugung und gewerblichen Abgabe von Lichtstrom für eigene Rechnung -zu errichten, fiel der Firma Siemens & Halske damals nicht schwer. -Sie hielt diesen Zentralenbau in eigener Regie für etwas Unsolides, -mit dem Odium der Gründerei Behaftetes und hätte — wenigstens zu -jener Zeit — wohl auch ohne diese Bindung nicht an die Errichtung -solcher Stationen gedacht. Der ganze Vertrag war für die Firma insofern -wertvoll, als er ihr die Möglichkeit bot, die neue Konkurrenz, deren -Kapitals- und Industriekraft ihr gewiß nicht ebenbürtig war, deren -Unternehmungslust aber sehr groß und lebhaft zu sein schien, auf ein -Sondergebiet, das der Glühlampenbeleuchtung, zu beschränken. Für -die Deutsche Edison Gesellschaft waren manche der einschränkenden -Bedingungen — darüber war sich Emil Rathenau schon damals nicht im -Unklaren — hemmend, wenngleich nicht so sehr für die nächste Zeit, die -auf dem gewählten Sondergebiet vorerst mehr als genug Arbeit bot, als -für die weitere Entwickelung. Dafür erwarb die junge Gesellschaft aber -ein Rechtsmonopol für Glühlampen Edisonschen Systems in Deutschland, -schaltete die stärkste Konkurrenz auf dem wichtigen Zentralenbaugebiet -aus und hatte die Gewähr, diejenigen Hilfsanlagen, die sie selbst<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> -nicht herstellen durfte, von der leistungsfähigsten Fabrikationsfirma -zu günstigen Preisen geliefert zu erhalten. Schließlich war die enge -Geschäftsverbindung mit dem großen Hause Siemens & Halske für den -geschäftlichen Ruf eines neu gegründeten Unternehmens an sich, ganz -unabhängig von dem Inhalt der Verträge, wertvoll genug. Sie hob es über -die Fährnisse und Unsicherheiten der Vertrauensfrage Abnehmern und -Aktionären gegenüber mit einem Schlage soweit hinaus, wie dies sonst -nur durch jahrelange gute Leistungen und Erträgnisse möglich gewesen -wäre, und gab ihm von vornherein den Rahmen der Ernsthaftigkeit und -industriellen Bedeutung. Eine Gesellschaft, die Siemens & Halske eines -Interessenteilungs-Vertrages für würdig hielten, mußte — so wird man -sich damals gesagt haben — doch eine ernsthafte Grundlage besitzen, -und der „Vertrag mit Siemens, der Rathenau an Händen und Füßen -fesselte“ — so drückte sich ein bekannter Finanzmann aus — „war für -das junge Unternehmen nichtsdestoweniger ein Glück, weil es eben ein -Vertrag mit Siemens war.“</p> - -<p class="mtop2">Nach Erledigung dieser rechtlichen und vertraglichen -Grundkonstruktionen konnte sich die neue Verwaltung mit Intensität -ihrer industriellen Arbeit widmen. Dabei war sie sich durchaus der -Tatsache bewußt, daß das neue Beleuchtungssystem in seiner praktischen -Anwendung und Handhabung noch nicht völlig über die Periode der -Versuche und Kinderkrankheiten hinausgewachsen war. Rückschläge und -Mißerfolge — namentlich in der Hand von ungeübten Unternehmern — -waren leicht möglich, und hätten der Volkstümlichkeit der jungen -Beleuchtung schweren Schaden bringen können. In der ersten eigenen -Blockstation, Friedrichstraße 85, von der aus man die umliegenden -Häuser und Etablissements mit elektrischem Licht speiste, mußten die -Ingenieure der Gesellschaft, darunter Rathenau und Oscar v. Miller, -noch immer persönlich scharfen Überwachungsdienst leisten, damit -die Maschinen in richtigem Gang blieben, und wenn doch einmal, was -gar nicht so selten vorkam, die elektrische Beleuchtung plötzlich -erlosch, mußten die Gäste im Café Bauer, das zu den Abnehmern -jener ersten Station gehörte, mit guter Laune über die unangenehme -Situation hinweggebracht werden, eine Aufgabe, die allerdings — wie -Oscar v. Miller humorvoll zu erzählen pflegte — bei den Kollegen -am wenigsten begehrt war. Hatte die<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> Deutsche Edison Gesellschaft -schon selbst trotz ihrer besonderen Erfahrungen auf dem Gebiete des -Glühlampen-Lichts mit derartigen Schwierigkeiten zu kämpfen, so mußte -sie sich die Lizenzanträge, die ihr in großer Zahl zugingen, doppelt -und dreifach daraufhin ansehen, ob die Firmen, von denen sie ausgingen, -die erforderliche technische Gewähr für zuverlässige Ausführung -boten. In ihrem ersten Geschäftsbericht hebt die Edisongesellschaft -ausdrücklich hervor, daß sie unter Verzicht auf den durch unbeschränkte -Lizenzerteilung zu erzielenden Nutzen unter dem Schutz der deutschen -Edison-Patente nur Firmen vereinigen dürfe, die durch ihre bisherigen -Leistungen und durch ihre bevorzugte Stellung in der Industrie dem -Publikum genügende Sicherheit für sorgfältige Installation und -Garantien dafür boten, daß sie nicht auf Kosten der Qualität eine -Preiskonkurrenz herbeiführen würden. Infolge dieser vorsichtigen -Verkaufspolitik wurden im ersten Geschäftsjahre nur mit der Firma J. -Schuckert in Nürnberg und der Firma Heilmann, Ducommun & Steinlen -in Mülhausen Lizenzverträge abgeschlossen, nach denen sie gegen -Erstattung gewisser Abgaben und gegen die Verpflichtung, die Lampen -ausschließlich von der Deutschen Edison Gesellschaft zu beziehen, -zur Benutzung der Edisonschen Patente berechtigt waren. Trotz dieser -selbstgewählten Beschränkung waren bei Ablauf des ersten im ganzen -noch nicht 8 Monate umfassenden Geschäftsjahres der Gesellschaft in -Deutschland bereits 138 Dynamomaschinen mit mehr als 12000 Lampen unter -dem Schutze der Edisonschen Patente in Tätigkeit. Die ersten Maschinen, -Apparate usw. mußten noch von ausländischen Edison-Gesellschaften -bezogen werden, da die Firma Siemens & Halske nicht sofort mit -der Lieferung von Edison-Maschinen beginnen konnte, sondern erst -umfassende Vorbereitungen für die Produktion treffen mußte. Hierbei -trat denn die Mangelhaftigkeit der Edisonschen Original-Maschinen -klar zutage. Eisenteile zerbrachen häufig, die Widerstände waren -falsch berechnet. Kurz, die Deutsche Edison Gesellschaft hatte mit -diesen Maschinen viel Ärger. Schon in kurzer Zeit gelang es der Firma -Siemens & Halske aber dank ihrer ausgezeichneten und geschulten -Kräfte und der reichen Mittel, die ihr zur Verfügung standen, sich -der übernommenen Aufgabe in so vollendeter Weise zu entledigen, daß -die Deutsche Edison Gesellschaft ihren Bedarf ausschließlich in ihren -Werkstätten decken konnte. Für die Herstellung von Antriebsmotoren<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> -zum Betriebe der Dynamomaschinen, bei deren Bezug die Gesellschaft -nicht an S. & H. gebunden war, entwarf die Edison-Gesellschaft, nachdem -es sich herausgestellt hatte, daß die zu verwendenden Motoren die -bisherigen Ansprüche überstiegen, Spezialkonstruktionen, die nach ihren -Anweisungen von einer Berliner Maschinenfabrik hergestellt wurden. -Auch hier ging es nicht ohne Fehlschläge ab. Für die Herstellung -von Glühlampen, die den wesentlichsten Teil der neuen Beleuchtung -bildeten, richtete die Gesellschaft dagegen eigene Fabrikationsanlagen -auf Grund der in Amerika und Frankreich gemachten Erfahrungen -ein; die Erzeugungsfähigkeit der Fabrik wurde auf zunächst 150000 -Lampen jährlich bemessen und im ersten Geschäftsjahre — in einer -Verkaufszeit von 6 Monaten — wurden 25000 Stück abgesetzt. An größeren -Installationsaufträgen waren u. a. auszuführen: Die endgültigen -Beleuchtungsanlagen in den beiden Münchener Königlichen Theatern, -dem Residenztheater und dem Opernhaus, und eine Anlage in dem neuen -Königlichen Residenztheater zu Stuttgart. Im ganzen wurden 27 Anlagen -mit 33 Maschinen hergestellt, unter deren Bestellern sich Maschinen-, -Zucker- und Papierfabriken, Spinnereien, Webereien, Geschäftshäuser und -Restaurants befanden. Dabei leisteten Felix Deutsch seine Beziehungen -namentlich zur Zuckerindustrie gute Dienste. Auch hier waren die -Ergebnisse aber zunächst keineswegs so befriedigend, wie man das -erhofft hatte. Abgesehen von den Störungen, die durch die anfänglich -gelieferten schlechten amerikanischen Maschinen hervorgerufen -wurden, konnten sich die Kunden auch nur schwer an die sogenannten -„Schnelläufer“ gewöhnen, die mit den 300 Touren, die sie in jener Zeit -liefen, für damalige Begriffe ein Höllengeräusch machten. In eigenem -Betrieb wurde die kleine von der Versuchsgesellschaft übernommene -Zentralstation ausgebaut, die von dem Grundstück des Unionklubs in der -Schadowstraße diesen sowie die Ressource von 1794 mit elektrischer -Energie versorgte. Eine Erweiterung mit dem Zwecke, auch das in der -Nähe gelegene Aquarium so wie einige andere Nachbarbetriebe mit Licht -zu versorgen, wurde in die Wege geleitet. Die im Jahre 1883 in Berlin -abgehaltene Hygiene-Ausstellung wurde dazu benutzt, das Glühlicht in -großem Maßstabe dem Publikum der Reichshauptstadt vorzuführen.</p> - -<p>Für das Jahr 1883, das erste Geschäftsjahr des neuen Unternehmens, -wurde folgende Bilanz aufgestellt:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span></p> - -<p class="center mtop2"><b>Bilance für das erste Geschäftsjahr,</b><br /> -abgeschlossen per 31. Dezember 1883.</p> - -<table class="bilanz" summary="Bilanz für 1883"> - <tr> - <td colspan="2"> - <i>Aktiva.</i> - </td> - <td> - - </td> - <td> -  M.   Pf. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> -  An  - </td> - <td class="vat"> - Kasse-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -    7.720.07 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Effekten-Conto 3½ pCt. Pr. St. Schld. (Kaution) nom. M. 150.— - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -      150.05 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Waaren-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -  204.248.01 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Conto-Corrent-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> -  a) Guthaben bei diversen Banken - </td> - <td class="vab"> - 4.103.672.— - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> -  b) Guthaben auf Forderungen in lfd. Rechnung - </td> - <td class="vab"> - <span class="bb">  548.298.27</span> - </td> - <td class="vab"> - 4.651.970.27 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Inventarien-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - I. Mobilien - </td> - <td class="vab"> -  11.727.97 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - II. Comptoir- und Bureau-Utensilien - </td> - <td class="vab"> -   4.219.95 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - III. Technische Instrumente, Apparate und Chemikalien - </td> - <td class="vab"> -   5.929.55 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - IV. Bücher und Pläne - </td> - <td class="vab"> -   2.387.60 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - V. Werkzeuge - </td> - <td class="vab"> - <span class="bb">  1.233.85</span> - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - - </td> - <td class="vab"> -  25.498.92 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> -   ab 10% Abschreibung - </td> - <td class="vab"> - <span class="bb">  2.550.—</span> - </td> - <td class="vab"> -    22.948.92 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Immobilien-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - Grundstück Friedrichstrasse 85 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -   227.211.38 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Vorschuss-Conto Compagnie Continentale Paris, Rest der an dieselbe, - für Ausnutzung der Edison-Patente gezahlten Erwerbspreise von M. - 350.000 per 31. Dezember 1883 (§ 35 der Statuten) - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -   336.133.45 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Centralstation Schadowstrasse 9 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - Union-Club und Ressource 1794 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -    54.739.05 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Patent-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - <span class="bb">    2.000.—</span> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - 5.507.121.20 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop1" colspan="2"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> - <i>Passiva.</i> - </td> - <td class="padtop1"> - - </td> - <td class="padtop1"> -  M.   Pf. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> - Per - </td> - <td class="vat"> - Actien-Capital-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - 5.000.000.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -  „ - </td> - <td class="vat hang"> - Conto-Corrent-Conto Creditoren in laufender Rechnung - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -   303.137.03 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -  „ - </td> - <td class="vat hang"> - Hypotheken-Conto auf Friedrichstrasse 85 haftende Hypothek - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -    30.000.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -  „ - </td> - <td class="vat hang"> - Gewinn- und Verlust-Conto Reingewinn - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -   173.984.17 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -  „ - </td> - <td class="vat hang"> - Dividenden-Conto per 1883 4% v. M. 5.000.000 resp. - 10.000 Act. à M. 13.35 - </td> - <td class="vab"> - M.  133.500 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -  „ - </td> - <td class="vat hang"> - Rückstellungs-Conto für unternommene Anlagen - </td> - <td class="vab"> - M.   40.000 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat bb"> -  „  - </td> - <td class="vat hang"> - Gewinn-Uebertrag pro 1884 - </td> - <td class="vab"> - M.      484.17 - </td> - <td class="vab bb"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   - </td> - <td class="vat hang"> -   - </td> - <td class="vab"> -   - </td> - <td class="vab"> - 5.507.121.20 - </td> - </tr> -</table> - -<p class="center mtop2"><b>Gewinn- und Verlust-Conto</b><br /> -per 31. Dezember 1883.</p> - -<table class="bilanz" summary="Bilanz für 1883"> - <tr> - <td colspan="2"> - <i>Debet.</i> - </td> - <td> - - </td> - <td class="nowrap"> -  M.  Pf. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> -  An  - </td> - <td class="vat hang"> - Handlungs-Unkosten-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - I. Gehälter - </td> - <td class="vab"> - 56.563.70 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - II. Reisekosten - </td> - <td class="vab"> -  4.203.75 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - III. Schreib- und Zeichen-Material, Druckkosten, Formulare - und Bureaubedürfnisse - </td> - <td class="vab"> -  6.529.48 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - IV. Porti, Depeschen, Insertionen und öffentliche Blätter - </td> - <td class="vab"> -  5.926.68 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - V. Miethe und Instandhaltung der Dienstlokale - </td> - <td class="vab"> -  6.641.50 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - VI. Feuer-Versicherung - </td> - <td class="vab"> -    861.48 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - VII. Stempel, Steuern, Einkommen- und Mieths-Steuer - </td> - <td class="vab"> -  4.993.70 - </td> - <td class="vab bb"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -  85.720.29 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> -  An  - </td> - <td class="vat hang"> - Organisations-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - Druck der Actien und Statuten, Prospekte, Eintragungskosten, - Fertigstellung und Controllzeichnung der Actien und Publikationen - durch die Presse - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -  12.323.33 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> -   „ - </td> - <td class="vat hang"> - Inventarien-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - 10 pCt. Abschreibung von 25.498.92 - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> -   2.550.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - Reiner Gewinn - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab bb"> - 173.984.17 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="vat hang"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - 274.577.79 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop1" colspan="2"> - <i>Credit.</i> - </td> - <td> - - </td> - <td class="nowrap padtop1"> -  M.  Pf. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat" colspan="2"> - Per Waaren-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - 160.151.23 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat" colspan="2"> - Per Zinsen-Conto - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab bb"> - 114.426.56 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat" colspan="2"> - - </td> - <td class="vab"> - - </td> - <td class="vab"> - 274.577.79 - </td> - </tr> -</table> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>Wir sehen aus dieser Bilanz, daß nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres -das eingezahlte Kapital der Gesellschaft von 5 Millionen Mark erst zu -einem kleinen Teil in Anspruch genommen und in den Betrieb überführt -worden war. Ein Betrag von 4.103.672 Mark war noch bar vorhanden und -als Guthaben der Gesellschaft bei verschiedenen Banken niedergelegt. -Trotzdem konnte auf das Aktienkapital von 5 Millionen Mark eine -Dividende von 4% für die Zeit von der Gründung der Gesellschaft bis -zum Bilanzabschluß zur Ausschüttung gebracht werden, was aber zum Teil -dadurch ermöglicht wurde, daß neben dem Warengewinn von 160.151 Mark -ein Zinsgewinn von 114.426 Mark aus dem Bankguthaben der Gesellschaft -zufloß.</p> - -<p>In den folgenden Jahren schritt die technische Entwickelung rüstig -fort. Trotz mancher Rück- und Fehlschläge war der Siegeszug des -Edison-Lichts nicht mehr aufzuhalten, besonders nachdem es der -Gesellschaft gelungen war, eine Bogenlampenkonstruktion zu erwerben, -bei der es möglich wurde, Bogenlicht und Glühlicht rationell in -demselben Stromkreise zu brennen. Diese Lampe füllte auch die -Lücke aus, die bisher zwischen der sechzehnkerzigen Glühlampe -und der Bogenlampe von 1000 Normalkerzen bestanden hatte, da man -ihre Lichtstärke durch Regulierung des Stromverbrauchs in<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> weiten -Grenzen bis zu 100 Kerzen Leuchtkraft herab vermindern konnte. -Damit wurde eine der Hauptvorbedingungen für die Einrichtung von -Zentralstationen, die Straßen und Innenräume gleichzeitig versorgen -konnten, gegeben. Die neue Bogenlampe bewährte sich gleich gut in -Wohnungen wie in Werkstätten, in Theatern wie auf Straßen und gewann -schon in wenigen Monaten unter der großen Zahl von Bogenlampen, die -allenthalben angeboten wurden, solchen Ruf, daß die Deutsche Edison -Gesellschaft nur selten Glühlichtbeleuchtungen ausführte, bei denen -nicht einige oder mehrere Bogenlampen mit verwendet wurden. Mit dem -neuen System hatte die Deutsche Edison Gesellschaft zwar, bei der -damals herrschenden Praxis des Patentamts, neue Erfindungen nur in -begrenztem Umfange zu schützen, kein Monopol für gemischtes Licht -erworben, aber trotz der Intensität, mit der sich fast die gesamte -Konkurrenz sofort dem neuen Gebiete zuwandte, einen Vorsprung erlangt, -der so schnell nicht einzuholen war. Auf Grund ihrer Erfahrungen -hatte sie eine Spezialfabrikation der neuen Lampe eingerichtet, die -es ihr ermöglichte, diese in einer Vollendung herzustellen, wie -sie die Konkurrenz damals noch nicht erreichen konnte. Derartige -Vorsprünge lassen sich gerade in der Elektrotechnik allerdings nur -verhältnismäßig kurze Zeit hindurch aufrechterhalten, und, selbst -wenn unablässig weiter gearbeitet und der Zwischenraum durch neue -Verbesserungen aufrecht zu halten versucht wird, gelingt es meist -nach einiger Zeit der Konkurrenz, den Anschluß wieder zu finden. So -schnell war dies damals bei dem gemischten Licht der Deutschen Edison -Gesellschaft aber nicht möglich, und infolgedessen wurde gerade von -der stärksten Konkurrenzfirma, Siemens & Halske, die sich in ihrer -bisherigen fast monopolistischen Beherrschung des Bogenlampengeschäfts -durch die neue Erfindung ernstlich bedroht sah, eine Einwirkung auf -nichttechnischem Gebiete versucht. Siemens & Halske bestritten der -Deutschen Edison Gesellschaft auf Grund des zwischen beiden Firmen -geschlossenen Vertrages das Recht, Bogenlampen anderer Konstruktion als -der von Siemens & Halske verwendeten herzustellen oder zu beziehen. -Der Vermittlungs-Vorschlag der Deutschen Edison Gesellschaft, Siemens -& Halske die Anfertigung der neuen Lampen vorzugsweise zu bestimmten -Preisen zu übertragen, wurde nicht angenommen, und es kam zwischen den -beiden Firmen zu ihrem<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span> ersten Prozeß. Auch sonst hatte die Edison -Gesellschaft ihre Patente und Konstruktionen gegen Einsprüche und -Verletzungen zu verteidigen. Insbesondere die Swan United Electric -Light Co. in London, die Besitzerin der englischen Edisonpatente, -hatte einerseits eine Klage auf Nichtigkeit der Edison-Patente in -Deutschland angestrengt, und andererseits behauptet, daß die von ihr -hergestellten und in Deutschland vertriebenen sogenannten Swanlampen -die Edison-Patente nicht berührten. Es entwickelte sich ein Rattenkönig -von Prozessen, da umgekehrt auch die Deutsche Edison Gesellschaft gegen -Agenten und Abnehmer der Swan Electric Co. Klagen bei verschiedenen -Landgerichten wegen Patentverletzung eingereicht hatte. Solange die -Prozesse schwebten, konnten, wie es in solchen Fällen zu geschehen -pflegt, wirksame Mittel gegen eine Herstellung und Vertreibung der -„rechtswidrig hergestellten“ Lampen nicht ergriffen werden. Selbst als -die Hauptklagen vom Reichsgericht zu Gunsten der Edison Gesellschaft -entschieden waren, gelang es nicht mehr, eine völlige Aufrechterhaltung -der Edison-Patente zu erreichen, da die Gegner in gewissen rechtlich -als Nebenpunkte figurierenden Teilen ihrer Klage durchdringen konnten, -womit aber bei der Lage der damaligen Technik die Edison-Patente -tatsächlich gefallen waren. Streng genommen sind sie niemals derart in -Kraft gewesen, daß sie ein tatsächliches Monopol für die Herstellung -der Glühlampen gewährten. Es gab stets Konkurrenzfirmen, sowohl in -Deutschland als auch anderswo, die sich außerhalb der Patente zu -stellen wußten, und so wäre es auch Rathenau an sich möglich gewesen, -seine Glühlampenfabrikation ohne die belastenden Verträge mit Edison -aufzunehmen. Er hätte vielleicht als „Patent-Freibeuter“ nicht viel -mehr Prozesse führen müssen, wie er in seiner Eigenschaft als Wahrer -der legitimen Edisonschen Rechte gegen die Freibeuter zu führen -gezwungen war. Aber er wählte zum Teil aus Redlichkeit, zum Teil, -um die große Zugkraft des berühmten Erfindernamens und die damals -beste und fertigste Glühlampe sowie die von Edison bereits gemachten -Erfahrungen sich nutzbar machen zu können, den geraden Weg. Bitter -hat er es gelegentlich beklagt, daß „dem großen Meister der Tribut -seiner Erfindung vorenthalten worden sei und daß selbst die technische -Autorität eines Slaby nicht ausgereicht hätte, um den Richtern seine -wissenschaftliche Überzeugung, mit der er für die Erhaltung der -deutschen<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> Patente eingetreten war, glaubhaft zu machen.“ Wieviel -Intriguenspiel und inneres Unrecht bei diesen „rechtlich“ zu Gunsten -der Gegner entschiedenen Prozessen mit im Spiel war, zeigt allein -die Tatsache, daß dieselbe Swan Electric Co., die in Deutschland -die Edison-Patente bekämpfte und zu Fall brachte, in England selbst -Inhaberin dieser Patente war und daß es ihr dort gelang, sie noch etwa -10 Jahre lang gegen alle Einsprüche aufrecht zu erhalten. Angesichts -solcher Widersprüche wird die Bitterkeit, mit der Rathenau häufig genug -von den Patententtäuschungen jener Zeit sprach, wohl verständlich.</p> - -<p>Die geschilderten Umstände dürften gezeigt haben, daß es nicht die -bequemen Monopolrechte waren, denen es zuzuschreiben war, daß die -Deutsche Edison Gesellschaft vorwärts kam, sich Namen und Erfolge -errang. Kaufmännische Zähigkeit und technische Tüchtigkeit errangen -diese Erfolge und bewirkten, daß die junge Gesellschaft die von -ihr rechtmäßig erworbenen Monopole auch tatsächlich verdiente. Sie -mußte sie sozusagen täglich erwerben, um sie zu besitzen. Überall -da, wo die Einführung der Lichtelektrizität am schwersten war, -da war die Deutsche Edison Gesellschaft zu finden. Die kleineren -isolierten Einrichtungen, die mit Hilfe von Agenten und selbständigen -Installateuren verhältnismäßig leicht ausgeführt werden konnten, -überließ sie ihren Lizenzträgern. Sie selbst befaßte sich fast -ausschließlich mit dem Bau umfangreicherer Anlagen wie Blockstationen, -Beleuchtungen von Theatern, Kauf- und Warenhäusern, ausgedehnten -gewerblichen Etablissements. Den bereits geschilderten Anlagen -im Jahre 1883 folgten im nächsten Jahre die Blockstation in der -Friedrichstraße 85, die das Café Bauer, die Gebäude Unter den Linden -26 und 27 mit Strom versorgte und eine Lichtkapazität von 2000 -Lampen erhielt. Der Schnelldampfer „Werra“ des Norddeutschen Lloyd -und das chinesische Panzerschiff „Chen Yuen“ erhielten durch die -Gesellschaft Edison-Anlagen. Den Theaterbeleuchtungen in München und -Stuttgart folgten solche in Schwerin, Dessau und Halle. Das Bayerische -Landtagsgebäude, das Preußische Kultusministerium und die Friedrich -Wilhelmsuniversität in Berlin erteilten Aufträge. In Spinnereien, -Webereien, Druckereien, Mühlen, Brauereien fand das neue Licht -wegen seiner Annehmlichkeit und Sicherheit immer größeren Eingang, -besonders nachdem die Maschinen zuverlässiger ausgeführt wurden -und regelmäßiger funk<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span>tionierten. Derartige größere Anlagen waren -durch selbständige Abnehmer, Agenten oder Installationsingenieure -nicht einzurichten, sie erforderten eine so eingehende Kenntnis der -neuen Methoden, eine so umfangreiche Bauorganisation, daß sie nur -von der Edison-Gesellschaft selbst vorgenommen werden konnten und -nicht nur eine Projektierung durch diese Firma, sondern auch eine -sorgfältige Überwachung der Installationen durch alle Stadien von -der Zentralstelle aus erforderten. Sollte das Werk wirksam seinen -Meister loben, und dem neuen Licht die Anhängerschaft immer weiterer -Kreise werben, so mußten alle wichtigen und schwierigen Anlagen unter -eigener Verantwortlichkeit ausgeführt werden. Besonders Deutsch, der -von Anfang an die Licht- und Kraftanlagen sowie das Installations- -und Absatzgeschäft unter sich hatte, erkannte, gewitzigt durch die -Klagen, die ihm in seinen Abnehmerkreisen fehlerhaft ausgeführte -Anlagen eingetragen hatten, die Notwendigkeit, die bisherigen -Absatzmethoden, wie sie in der Elektrizitätsindustrie, namentlich -auch bei Siemens & Halske, üblich gewesen waren, einer gründlichen -Reform zu unterziehen. An die Stelle des Agenten, Installateurs und -Händlers, der Maschinen, Apparate, Lampen und Materialien bezog, -setzte er das <em class="gesperrt">eigene Installationsbureau</em>, das allmählich in -allen wichtigeren Städten des In- und Auslands entstehen, die dort -vorkommenden Aufträge ausführen und durch lebendige, individuelle -Propaganda, solide Arbeit und wirksame Beispiele die in Betracht -kommenden Betriebe zur Einführung der elektrischen Beleuchtung anregen -sollte. Bereits im Jahre 1885 wurde das erste Installationsbureau -in München errichtet, zum Teil um den partikularischen Interessen -und Eigenheiten entgegenzukommen, zum Teil weil man in der Stadt -der Elektrizitätsausstellung von 1883 und der ersten elektrischen -Theaterbeleuchtung einen besonders gut vorbereiteten Boden zu finden -hoffte. Leipzig, Breslau, Köln, Hamburg und Straßburg i. E. folgten -bereits in den nächsten Jahren. Die Entwickelung des Geschäfts in der -ersten Periode der Gesellschaft, die mit dem Jahre 1886 abschließt, -wird dadurch am besten gekennzeichnet, daß im Jahre 1883 27 Anlagen mit -33 Maschinen und 4729 Lampen hergestellt wurden, während am Schlusse -des Jahres 1886 durch die Gesellschaft bereits 260 Anlagen mit 70000 -Glühlampen und 1000 Bogenlampen in Betrieb gesetzt waren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span></p> - -<p>Dieser Entwickelung des Absatzes und der Geschäftsorganisation -entspricht auch das Wachstum der Fabrikations- und -Geschäftseinrichtungen. Bereits nach wenigen Monaten hatte die -Gesellschaft ihre Bureauräume im Hause Leipzigerstraße 94 aufgegeben, -zum Teil weil sie zu eng wurden, zum Teil weil die Nähe eines in die -Parterre-Räume eingezogenen Caféetablissements mit wenig vornehmem -Konzert- und Nachtbetrieb unangenehm fühlbar wurde. Die Gesellschaft -hatte alsdann auf Veranlassung des rührigen Deutsch das Grundstück -Friedrichstraße 85 erworben. Deutsch hatte einen Erwerb der ganzen -damals verkäuflichen 400 Quadratruten vorgeschlagen. Rathenau, der -bei Neuerwerbungen immer sehr vorsichtig zu Werke ging, hatte von -diesen 400 Quadratruten 200 abgestrichen. Er huldigte überhaupt dem -Grundsatz „Eher zu klein, als zu groß“ und diesem Grundsatz hat es -seine Gesellschaft zu verdanken gehabt, daß ihre Betriebe stets -überbeschäftigt waren, und jene Halbleere, die die Produktionskosten -und Zinsen so abnorm steigert, auch in Zeiten schlechter Konjunktur -vermieden wurde. Auf die Chancen, gute Konjunkturen ganz auszunutzen, -besonders wenn sie überraschend auftraten, mußte allerdings bei einem -solchen System verzichtet werden. In dem Gebäude Friedrichstraße -85, in dessen Kellerräumen die schon mehrfach erwähnte Blockstation -untergebracht war, befanden sich die Bureauräume, indes auch nur -kurze Zeit. Als das erste Fabrikgebäude in der Schlegelstraße, -die Lampenfabrik, auf dem einstmals von Strousberg für einen -Schlachthof, später für eine Markthalle in Aussicht genommenen -Gelände fertiggestellt war, wurden die Bureauräume im Interesse -einheitlicher Verwaltung bereits Mitte März 1884 in die Fabrik verlegt. -Die Parterre-Räumlichkeiten des Hauses Friedrichstraße wurden an -Laden-Geschäfte vermietet, in den oberen Räumen wurde eine permanente -Ausstellung von Erzeugnissen der Gesellschaft eingerichtet. Die -neue Fabrik hatte einen Umfang und Einrichtungen erhalten, in denen -jährlich 300000 Glühlampen hergestellt werden konnten. Man glaubte -damals, mit solchen Dimensionen einen gewaltigen Spielraum für weitere -Ausdehnungsmöglichkeiten der Zukunft erschlossen zu haben. Mit welchen -Riesenschritten die Ansprüche wachsen würden und wie bald und wie -oft neue Erweiterungen dieser Grundfabrik notwendig werden würden, -hat selbst ein Elektrizitäts-Optimist wie Emil Rathenau damals nicht -vorhergesehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span></p> - -<p>Die Bilanz von Ende 1886 gewährte schon ein ganz anderes Bild als -die erste von 1883. Das Anfangskapital von 5 Millionen Mark, mit dem -die Gesellschaft bei ihrer Gründung ziemlich reichlich ausgestattet -worden war, ist auch jetzt noch nicht aufgezehrt. 1.724.886 Mark -werden noch als Bankguthaben flüssig gehalten. Daneben aber sind die -Immobilien (Friedrichstraße und Schlegelstraße) bereits auf 829.502 -Mark angewachsen, die Blockstation in der Friedrichstraße erscheint -mit 132.843 Mark, die in der Schadowstraße mit 50.102 Mark; Aktien der -Städtischen Elektrizitätswerke werden mit 557.200 Mark aufgeführt, -Maschinen und Apparate mit 162.756 Mark, Waren mit 491.938 und -Forderungen in laufender Rechnung mit 1.724.886 Mark. Die Geldmittel -sind also zum großen Teil in den Betrieb geflossen und in werbende -Anlagen überführt worden. Die offenen Schulden der Gesellschaft sind -nur gering und betragen 392.912 Mk., und es hätte aus dem Reingewinn -von 324.870 Mk. bequem eine Dividendensteigerung auf 6%, nachdem in den -ersten beiden Jahren 4% und im dritten Jahre 5% gezahlt worden waren, -vorgenommen werden können. Um zu verstehen, warum dies nicht geschah, -warum die Gesellschaft sogar 1886 und Anfang 1887 in eine Krise — die -einzige wirklich bedrohliche in ihrer ganzen Geschichte — geriet, muß -noch von anderen Dingen gesprochen, eine andere Entwickelungsreihe -verfolgt werden, die uns zeigen wird, daß der unternehmerische Geist -Rathenaus sich in den bereits geschilderten Dingen nicht erschöpft -hatte, andererseits aber auch, daß er sich trotz seiner unleugbaren -Erfolge noch nicht zum <em class="gesperrt">entscheidenden</em> Erfolg durchgerungen -hatte.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Siebentes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Siebentes Kapitel</em><br /> - -Zentralstationen</h2> - -</div> - -<p>Der Name Zentralstation ist uns in den früheren Kapiteln schon öfter -begegnet. Bereits in den Verträgen mit Edison und Siemens wird von -Zentralstationen gesprochen. In dem ersten Vertrage mit Edison im -Jahre 1881 hieß es, daß abgesehen von der Fabrikationsgesellschaft -eine zweite für den Bau von Zentralstationen errichtet werden sollte, -in dem zweiten endgültigen Vertrage von 1883, der die Gründung nur -<em class="gesperrt">einer</em> Gesellschaft vorsieht, ist von Zentralstationen in -diesem Zusammenhange nicht mehr die Rede. Es heißt darin schlechthin, -daß die Deutsche Edison Gesellschaft das Recht, Installationen für -Beleuchtungs- und Kraftübertragungswerke einzurichten, von Edison -erwirbt. Im Vertrage mit Siemens & Halske wird der Edison Gesellschaft -bekanntlich das Recht vorbehalten, allein Zentralstationen für eigene -Rechnung zu bauen. Daß der Begriff Zentralstation überhaupt so früh -auftaucht, ist nicht darauf zurückzuführen, daß er in der damaligen -Zeit bereits in großem Maßstabe und in vielen Beispielen verwirklicht -war. Er lebte — wenigstens in einer Form, die diesen Namen wirklich -verdiente — eigentlich erst allein in der Idee Emil Rathenaus, der -sich dafür keineswegs auf Vorbilder, sondern höchstens auf gewisse -Ansätze in den damals in der Lichtelektrizität am meisten entwickelten -Ländern Amerika und Frankreich berufen konnte. Was zu jener Zeit -die Regel, den Typus bildete, waren isolierte Lichtanlagen, die ein -Haus, eine Fabrik, einen Park, eine Straße oder mehrere benachbarte -Häuser in einem beschränkten Radius versorgen konnten. Edison war dem -Gedanken des Zentralwerks allerdings bereits früh nachgegangen und -hatte auch eine Zentrale, die einen Stadtteil südlich von Wallstreet -mit Licht versehen sollte, errichtet. Aber diesem genialen Techniker -war<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> doch nur bis zu einem gewissen Grade die Fähigkeit gegeben, ein -technisches Verfahren industriell auszubauen. Seine Anschauungen von -finanziellen Dingen waren naiv, und an betrieblicher Methodik fehlte -es ihm so gut wie ganz. Edison hat denn auch aus seinen großartigen -Erfindungen nur verhältnismäßig geringen und fast niemals dauernden -Nutzen wirtschaftlicher Art gezogen. Wie wenig die Edisonsche Zentrale, -obwohl für einen ersten Versuch sinnreich erdacht, doch dem entsprach, -was wir später unter einer Großstation verstanden, geht daraus hervor, -daß die Herstellung von Maschinen mit 150 PS als ganz besonders -großartiger Fortschritt bezeichnet wurde. Bei der Broadway-Zentrale -wurden die Dynamos nach Edisons eigener Aussage auf bloße Vermutung -hin gebaut. Die gewählte Spannung von 110 Volt reichte denn auch -nicht aus. Auch sonst wurde rein empirisch, ohne jede Systematik -vorgegangen, wenig berechnet und viel probiert. Die Folge war, daß von -den parallel geschalteten Maschinen die eine stille stand, während die -andere bis auf 1000 Umdrehungen lief und dabei wippte. Zur Messung -bediente die „Edison Beleuchtungsgesellschaft“ sich alter chemischer -Geräte, die bald zufroren, bald rotglühend wurden, bald in Brand -gerieten. „Voltometer“, so hat Edison in der „Electrical Review“ -erzählt, „besaßen wir schon gar nicht. Wir benutzten Glühlampen. Mit -Mathematikern ließ ich mich erst recht nicht ein, da ich bald fand, -wie ich es ein gut Teil besser treffen konnte als sie mit ihren -Ziffern, und so fuhr ich im Vermuten fort.“ Gewiß hat ein so glänzender -Experimentator wie Edison alle Anstände, die aus solchem Vorgehen -entstehen mußten, immer, wenn sie sich zeigten, durch seine genialen -Kombinationen zu beseitigen verstanden, aber schließlich kam dabei -doch nur ein Werk zustande, das in seinem empirisch-primitiven Aufbau -auf die Persönlichkeit eines so erfinderischen Kopfes wie Edison -gestellt blieb, und überall dort keine Nachahmung finden konnte, wo -eine ähnlich überlegene Persönlichkeit als Leiter fehlte. 8 Jahre -lang arbeitete das Edisonsche Werk auf diese Weise. Schule konnte es -natürlich nicht machen, da ihm die systematische Durchbildung, die -sichere wissenschaftliche Grundlage fehlte. Emil Rathenau erkannte -die Mängel eines solchen gefühlsmäßigen Vorgehens auf den ersten -Blick. Er war sich klar darüber, daß eine wirklich epochemachende -Zentral-Station nicht auf dem Versuch und dem Zufall,<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> sondern nur auf -dem festen Boden der wissenschaftlichen Methodik aufgebaut sein mußte. -Seine Einbildungskraft lebte nicht von dem Experiment, sondern von der -Konstruktion. Auch <em class="gesperrt">er</em> war voller Phantasie und rechnete mit -neuartigen Antriebsmaschinen, kunstvoll durchgearbeiteten Kabelsystemen -und wenn er vor den Grenzen der Gegenwart nicht halt machte, so -ließ er doch die Wege in die Zukunft, ehe er sie betrat, stets von -dem Mathematiker genau durchforschen. Er fragte sich, warum eine -Vergrößerung und Vervielfältigung, eine Sammlung und Verteilung der -in kleinem Rahmen geschaffenen Anlagen nicht möglich sein sollte. Er -suchte nach den Gründen, die einer Übertragung ins Große hätten im Wege -stehen können und fand, daß es keine gab, die unüberwindlich gewesen -wären. Denn die Hemmnisse lagen alle nur noch in der Durchführung, -nicht mehr im Prinzip. Gerade aber die Probleme der Durchführung ließen -sich, das wußte er, nur auf wissenschaftliche Weise lösen. Wenn er -daher mit dem damals der übrigen Welt noch nicht geläufigen oder nur -in unvollkommener Form bekannten Begriff der Zentralstation wie mit -etwas Selbstverständlichem operierte, so hatte er seine bestimmten -Gründe dafür. Er erreichte damit, daß dieser anscheinend harmlose -Begriff — und zwar in einem ihm günstigen Sinne — in seine Verträge -aufgenommen wurde, was ihm deswegen nicht besonders schwer fiel, weil -die Vertragsgegner diesem Begriff teils zweifelnd, teils sogar direkt -mißtrauisch gegenüberstanden und das mit ihm gekennzeichnete Gebiet -der Wagnisse und Fährnisse gern dem „Phantasten“ überlassen wollten. -Selbst ein Mann wie Werner v. Siemens lächelte über die Idee der -Zentralstation, und erklärte es für eine Utopie, daß man den Leuten -jemals aus einer Zentrale elektrisches Licht in die Häuser würde leiten -können, wie man es mit dem Gaslicht machte. Die Gasfachleute stellten -sich gleichfalls ungläubig, aber durch ihre Ironie klang doch ein -Unterton von Furcht vor der neuen Konkurrenz, die ihnen vielleicht -auch noch die Hausbeleuchtung streitig machen könnte, nachdem sie -ihnen bereits in der Straßen-, Fabrik- und Theaterbeleuchtung Boden -abgerungen hatte. Daß Rathenau eigentlich als einziger die Idee erfaßte -und trotz aller Anfeindungen von wissenschaftlich-autoritativer und -technisch-praktischer Seite an ihr festhielt, ist ein Beweis seines -originellen, unabhängigen und im Grunde schöpferischen technischen -Denkens.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span></p> - -<p>Trotzdem aber der Gedanke absolut klar, folgerichtig und fertig -entwickelt vor dem Geiste Rathenaus stand, sah es zunächst noch nicht -so aus, als ob er bald verwirklicht werden würde. In den Jahren der -Versuchsgesellschaft konnte an die Schaffung einer Zentralstation -natürlich nicht herangegangen werden. Es fehlte an dem technischen -Apparat, es fehlte auch an den geldlichen Mitteln. Das erste Jahr der -Deutschen Edison Gesellschaft sah lediglich die Verwirklichung einer -Reihe von Einzelanlagen und die Vollendung einer <em class="gesperrt">Blockstation</em> -(in der Schadowstraße) sowie die Inangriffnahme einer zweiten größeren -(in der Friedrichstraße). Sie wurden in den ersten Geschäftsberichten -und Bilanzen der Gesellschaft als Zentralstationen bezeichnet. Mit -Unrecht. Sie waren im technischen Sinne keine Zentralen, sondern -isolierte Anlagen, die — über den Umfang einer größeren Einzelanlage -kaum hinausgehend — mehrere Verbraucher versorgten, weil jeder -dieser Verbraucher einen zu geringen Bedarf für eine eigene Anlage -hatte. Weder die Technik war zentral, noch die Verteilung. Denn die -Krafterzeugung erfolgte nicht durch Großmaschinen, sondern durch -eine große Zahl kleiner „Schnellläufer“, von denen jeder nur eine -beschränkte Anzahl von Lampen speiste. Die Verteilung erfolgte -nicht unter Benutzung der öffentlichen Straßen und Verkehrswege -für die Kabellegung, sondern auf dem weit kostspieligeren Wege der -Kabelführung durch privates Gelände. Nur unter besonders günstigen -Bedingungen, nämlich dann, wenn genügend gut zueinander gelegene -Abnehmerbetriebe da waren, die die Leistung der Anlage voll ausnutzen -konnten, waren die Voraussetzungen für die Rentabilität solcher -Blockstationen gegeben. Aber selbst in der Schadowstraße, und in der -Friedrichstraße, also in besonders gut gelegenen Stadtteilen, waren -diese Voraussetzungen nicht vorhanden, denn es konnte nur ein Teil -des erzeugten Stromes abgesetzt werden, und die Erträgnisse reichten -kaum für die notwendigen Abschreibungen, geschweige denn für eine -Verzinsung der Kapitalien aus. Emil Rathenau, für den derartige -Blockstationen nur ein Kompromiß, eine Abschlagszahlung auf die -vollkommenere Idee der Zentralstation darstellten, gelangte sehr -bald zu der Ansicht, daß ein ähnliches Schicksal der Unrentabilität -sehr bald auch die übrigen Stationen erreichen werde, die die -Lieferung elektrischer Ströme mit Umgehung der öffentlichen Straßen -ins Werk setzten. Er war der<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> Ansicht, daß diese Blockstationen nur -Übergangsgebilde darstellen, die verschwinden müßten, nachdem sie -ihren eigentlichen Zweck, als Demonstrationsunternehmungen zu dienen, -erfüllt hätten, und die nächste große Etappe in der Entwickelung, -nämlich die öffentliche Zentralstation, erreicht war. Die spätere -Gestaltung der Dinge hat ihm auch durchaus recht gegeben. Es haben -sich in der Licht- und Krafterzeugung nur <em class="gesperrt">die</em> Einzelanlage, -die genau auf die Bedürfnisse des Verbrauchers berechnet war, sich -seinem Betriebe in Produktion und Bedarf anpassen konnte, also im -wesentlichen die industrielle Einzelanlage und ferner die öffentliche -Zentralstation erhalten. Die Blockstation ist völlig verschwunden, wenn -man nicht Einzelanlagen mehrerer Verbraucher oder solche, bei denen -ein Hauptverbraucher nach vorher ungefähr festgelegtem Bedarfsplan an -Nachbarbetriebe Energie abgibt, als Blockstationen bezeichnen will.</p> - -<p>Die Entwickelung von der Blockstation bis zur Zentrale, die zunächst -noch im weiten Felde zu liegen schien, ging aber schließlich wider -Erwarten schnell vor sich. Die Praxis folgte in diesem glücklichen -Falle — einem der wenigen, in dem Rathenaus fast immer richtige -Diagnostik <em class="gesperrt">schneller</em> als er erwartet hatte, durch die Tatsachen -bestätigt wurde — nicht dem behutsamen Gang der allgemeinen -Anschauungen, sondern dem Siebenmeilenstiefelschritt der Rathenauschen -Phantasie. Professor <em class="gesperrt">Slaby</em>, dem doch niemand langsames Denken -und mangelndes Einbildungsvermögen in elektrischen Dingen wird -nachsagen können, erzählte später, daß er beim Anblick der ersten -Rathenauschen Blockstation, die aus zahlreichen winzigen Maschinen, -von sogenannten Schnellläufern betrieben, mit bewunderungswerten -Regulierungsmethoden die elektrische Kraft sammelte, um sie in -einige umliegende Häuser zu verteilen, begeistert ausgerufen habe: -„Die Lichtzentrale des kommenden Jahrhunderts.“ — „O nein,“ -erwiderte Rathenau lächelnd, „wie verkennen Sie den unersättlichen -Elektrizitätshunger der Menschheit, der in wenigen Jahren sich -einstellen wird. Statt dieser Kellerräume mit ihrem ohrenbetäubenden -Lärm sehe ich hohe, luftige Riesenhallen mit vieltausendpferdigen -Maschinen, die automatisch und geräuschlos Millionenstädte mit Licht -und Kraft versorgen. Zuvor haben wir den Maschinenbau für diese -Leistungen zu erziehen.“ Slaby und wohl auch Rathenau selbst haben -damals kaum gedacht, daß schon ein<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> Jahr nach diesem Zwiegespräch die -erste Zentralstation projektiert und kaum ein halbes Jahr später im -Betrieb sein würde.</p> - -<p>Der demonstrative Erfolg der Einzel-Installationen, der Blockstationen -und der Anlage in der Hygieneausstellung war groß gewesen. Es hatten -sich daraufhin in verschiedenen Stadtgemeinden Vereinigungen von -Haus- und Ladenbesitzern gebildet, die mit Anträgen zur Beleuchtung -ihrer Lokale von abgeschlossenen Stationen aus an die Gesellschaft -herantraten. Die Schwierigkeit bestand darin, die Genehmigung der -Stadt Berlin wegen Überlassung städtischen Grund und Bodens zur -Legung von Leitungen zu erhalten, und man bezweifelte, daß die -Stadtverwaltung, als Eigentümerin des Konkurrenzbetriebes der -städtischen Gaswerke, diese Genehmigung in absehbarer Zeit erteilen -würde. Die Kommunalbehörde war aber in diesem Falle besser als -ihr Ruf. Im Roten Hause erinnerte man sich daran, daß man bereits -einmal, als Rathenau vor einer Reihe von Jahren mit dem Plan einer -städtischen Telephonzentrale an die Stadtverwaltung herangetreten -war, die Vorschläge dieses Mannes kurzsichtig abgelehnt hatte. Man -entschloß sich also, trotz der städtischen Gasinteressen, der Idee -der elektrischen Lichtzentrale näherzutreten, und erwog sogar, ob man -das Werk in städtischer Regie errichten solle. Dafür war aber weder -die Mehrheit der Stadtverordneten, noch der vorsichtig abwägende -Oberbürgermeister <em class="gesperrt">Forkenbeck</em>, der damals an der Spitze der -hauptstädtischen Verwaltung stand, zu haben. Es setzte sich die zu -jener Zeit zweifellos richtige Überzeugung durch, daß ein erstes -Experiment auf so schwierigem Gebiete nicht mit bureaukratischen -Kräften gelöst werden könnte, daß in einer noch so sehr der technischen -Ausgestaltung und Erprobung bedürfenden Unternehmung nicht städtische -Mittel größeren Umfanges investiert werden dürften. Am 24. Januar -1884 wurde von der Stadtverordnetenversammlung nach langen erregten -Debatten, in denen besonders der Bürgermeister <em class="gesperrt">Duncker</em> die -Vorlage mit den Worten verteidigte: „Alles Risiko entfällt auf die -Gesellschaft, alle finanziellen Vorteile fallen auf die Stadt,“ -ein Vertrag genehmigt. Das Monopol der <em class="gesperrt">ausschließlichen</em> -Straßenbenutzung, das bei einem Teil der Stadtverordneten besonderen -Widerspruch hervorgerufen hatte, fiel allerdings, wenigstens de -jure. De facto ist es nicht durchbrochen worden, da die Stadt Berlin -anderweitige Konzessionen nicht mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> erteilt hat. Die Zersplitterung, -die in manchen anderen, besonders ausländischen Großstädten, wie New -York, Paris usw., die Entwickelung der Zentralen sehr gehemmt hat, -wurde dadurch in der Berliner Elektrizitätsversorgung glücklicherweise -vermieden. Durch den Konzessionsvertrag wurde der Deutschen Edison -Gesellschaft das Recht eingeräumt, in den Straßen eines beträchtlichen -im Stadtinnern gelegenen Teils von Berlin, begrenzt durch einen um -den Werderschen Markt gezogenen Kreis mit einem Halbmesser von 800 m, -Leitungen zur Fortführung elektrischer Ströme von einer oder mehreren -Zentral-Stationen aus zu legen und zur Anlage dieser Leitungen die -Straßendämme und Bürgersteige zu benutzen. Die Stadt Berlin bedang sich -natürlich Gegenleistungen aus, die u. a. in einer jährlichen Abgabe von -der Bruttoeinnahme wie vom Reingewinn bestanden. Gewonnen war mit dem -neuen Vertrage viel. Die Gesellschaft war durch das Recht, die Straßen -für ihre Leitungen zu benutzen, der Notwendigkeit enthoben, kleine -Sonderstationen für die zu beleuchtenden Häuserblocks zu beschaffen, -sich zu diesem Zwecke in jedem Einzelfall teure Lokalitäten zu mieten -und kostspielige Kabelführungsverträge abzuschließen.</p> - -<p>Mit dem technischen Gedanken der Zentralstation war auch in Rathenaus -Kopfe sofort schon die <em class="gesperrt">finanzielle</em> und <em class="gesperrt">rechtliche</em> Form -da, in der er am besten verwirklicht werden konnte. Es sollte eine -besondere Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 3 Millionen Mark -gegründet werden, an der die Deutsche Edison Gesellschaft bezw. ihre -Aktionäre beteiligt werden konnten. „Um im Interesse unserer Aktionäre -die Aktien der neuen Gesellschaft diesen zu einem angemessenen Kurse -reservieren zu können, haben wir von einer festen Begebung der Aktien -an ein Bankierkonsortium Abstand genommen, mit einem solchen jedoch -die Verabredung getroffen, daß es gegen eine mäßige Gewinnbeteiligung -uns die Abnahme von 80% des gesamten Kapitals garantiert. Wir zweifeln -nicht, daß uns aus dem Verkauf dieser Aktien schon in diesem Jahre -ein entsprechender Nutzen erwachsen wird.“ — Dies sind die Worte, -mit denen die Gründung der Städtischen Elektrizitätswerke, der -ersten Tochtergesellschaft der Deutschen Edison Gesellschaft, im -Geschäftsbericht von 1883 angekündigt wird. In dem gleichen Bericht -findet sich schon ein <em class="gesperrt">programmatischer Satz</em> über die Behandlung -von Zentralstationen und Tochterunternehmungen im allgemeinen,<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span> der -einige der wichtigsten Richtlinien, die die Gesellschaft später beim -Ausbau ihres Beteiligungssystems befolgt hat, wenn auch noch in -ziemlich einfacher Form, enthält. Er lautet: „Im übrigen liegt es nicht -in unserer Absicht, den liquiden Vermögensstand dauernd durch eigene -Übernahmen großer Zentralstationen zu alterieren. Vielmehr verfolgen -wir das System, solche Stationen mit Hilfe unserer Geldmittel zwar -einzurichten, dieselben aber spätestens nach erfolgter Inbetriebsetzung -selbständigen Gesellschaften zu überlassen, um so unser Kapital immer -wieder für neue Unternehmungen flüssig zu machen.“ — Hier ist das -Ideal gekennzeichnet, dem Emil Rathenau von Anfang an zugestrebt hat, -das er allerdings gerade in den ersten Zeiten und gerade bei der -ersten Tochtergründung, wie wir später sehen werden, nicht sofort -verwirklichen konnte. Es bedurfte erst eines elastischen und fein -ausgebildeten Finanz- und Beteiligungssystems, mit sinnreich angelegten -Kapitalsammlungs-, Aufsparungs- und Verteilungsvorrichtungen, um -stets die Freiheit der Verfügung über die eigenen Betriebsmittel -und die in Gründungsbauten anzulegenden Kapitalien zu behalten und -das finanzielle Gleichgewicht unabhängig von den Zufälligkeiten der -Geld- und Industriekonjunkturen, unbeeinflußt von unvorhergesehenen -Entwickelungen in den Finanzbedürfnissen der Tochterunternehmungen, -sicherzustellen.</p> - -<p>An einer anderen Stelle des Geschäftsberichtes für 1883, in der -von eingeleiteten Verhandlungen mit anderen Städten über die -Einrichtung elektrischer Zentralen gesprochen wird, findet sich -gleichfalls ein Satz, der wert ist, hier wiedergegeben zu werden. Er -lautet: „Wir sind indessen weit entfernt, die Organisation solcher -Lokal-Beleuchtungs-Gesellschaften mit Ausschluß jeder Konkurrenz -nur aus eigenen Mitteln zu bewirken, sondern werden vielmehr die -Kooperation solcher Kräfte, welche naturgemäß zur Einführung des -neuen Lichts berufen scheinen, mit Dank begrüßen; insbesondere -hoffen wir, auch auf dem Wege der <em class="gesperrt">Genossenschafts-Assoziation</em> -die Wohltaten des elektrischen Lichtes selbst kleineren Städten -und Industriebezirken zugänglich zu machen, welche entweder eine -Beleuchtung von Zentralstellen überhaupt noch nicht besitzen, oder -vermöge ihrer natürlichen Hilfsmittel imstande sind, das elektrische -Licht billiger als andere Beleuchtungen zu erzeugen.“ Diese Stelle ist -in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Einmal zeigt sie das Bestreben, -Aktionäre, Geldgeber und Finanzkonsortium, denen vielleicht<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> damals -noch vor den Risiken des gänzlich unerprobten Zentralenbaus in eigener -Regie etwas bange war, die Beruhigung zu geben, daß man nicht mit -vollen Segeln auf das noch von der Gründerkrisis her gefürchtete Meer -der Unternehmertätigkeit hinausfahren werde. Ferner aber klingen -hier auch schon Ideen über verteiltes Risiko und verteilten Einfluß -zwischen Privatunternehmung und Lokal-Verwaltungen an, die zwar in -der dort geschilderten Form der genossenschaftlichen Assoziation nie -verwirklicht worden sind, aber doch später in der ähnlichen Form der -gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung zur Durchführung gelangten. -Es dauerte allerdings Jahrzehnte, bis dieses Zusammenarbeiten von -privatem und öffentlichem Kapital sich durchsetzte. Es ist aber ein -Beweis für den durchdringenden Blick Rathenaus, daß er damals schon das -unzweifelhaft vorliegende Bedürfnis erkannte. Bevor der Zentralenbau -zu dieser Zusammenarbeit gelangte, mußte erst die Privatunternehmung -allein eine ausgedehnte erfolg-, aber auch zum Teil verlustreiche -Arbeit leisten, und die kommunale Verwaltung mußte gleichfalls die -Methoden der öffentlichen Unternehmung ausbilden. Erst dann gelang es, -die Kräfte und Mittel beider organisatorisch zusammenzufassen.</p> - -<p>Der von der Stadtverordnetenversammlung genehmigte Vertrag mit der -Stadt Berlin wurde am 6. Februar 1884 vom Magistrat, und am 19. Februar -desselben Jahres von der Deutschen Edison Gesellschaft vollzogen. Das -ganze Jahr 1884 und ein Teil des Jahres 1885 gingen mit den Bauarbeiten -hin.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">Städtischen Elektrizitätswerke</em>, eine neu gegründete -Aktiengesellschaft, der die Deutsche Edison Gesellschaft die ihr von -der Stadt gewährte Konzession zur Einführung des elektrischen Lichts -in einem zentralen Berliner Stadtteil überließ, hatten dafür die -Verpflichtung übernommen, alle Maschinen, Apparate und Utensilien zur -Erzeugung und Verwendung des elektrischen Stroms zu meistbegünstigten -Preisen ausschließlich von der Edison Gesellschaft zu beziehen. Die -Lieferungen hielten sich im Jahre 1884 noch in engen Grenzen, die -Gewinne bei dem Bau der beiden geplanten Zentralen wurden, um den -zukünftigen Nutzen aus den Lieferungen ungeschmälert zu erhalten, -über Handlungsunkosten abgeschrieben. Von den Aktien der Städtischen -Elektrizitätswerke behielt die Edison Gesellschaft nur 560000 Mark -für sich zurück, die übrigen wurden<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> teilweise von den Aktionären -der Edison Gesellschaft bezogen, teilweise zum Parikurse dem -Bankenkonsortium überlassen. Es mag wohl die Aktionäre enttäuscht -haben, daß der „entsprechende Nutzen“, der im vorjährigen Bericht aus -diesen Transaktionen schon für 1884 in Aussicht gestellt worden war, -ausblieb. Auch sonst wickelten sich die Bau- und Installationsarbeiten -bei der Zentralstation nicht ganz glatt ab. Zwar funktionierte der -elektrische Teil der Anlage von Anfang an ohne Tadel, die Durchführung -der Installationen wird als völlig gelungen und als mustergiltig -bezeichnet. Aber die Dampfmaschinen, die die Gesellschaft auf den -Wunsch der Stadtverwaltung, die heimische Industrie bei ihren Aufträgen -zu berücksichtigen, bei der Firma Borsig bestellte, hatten sich bei -Ablauf der kontraktlichen Liefertermine „noch nicht so bewährt, wie das -der Ruf der mit der Konstruktion beauftragten Firma erwarten ließ.“ -Die Städtischen Elektrizitätswerke leiteten aus der Verzögerung der -Termine Schadenersatzansprüche gegen die Deutsche Edison Gesellschaft -als Generalunternehmerin der gesamten Anlage her, gegen die diese -Gesellschaft allerdings durch Garantien der Maschinenfabrik gedeckt -war. Nach einiger Zeit wurden die bestehenden Differenzpunkte durch -beiderseitiges Entgegenkommen aus der Welt geschafft. Der mißglückte -Teil der motorischen Anlage mußte unter der direkten Aufsicht der -Edison Gesellschaft einer Remontierung unterzogen werden, die von der -Firma Kuhn in Stuttgart zur Zufriedenheit durchgeführt wurde. Die erste -Zentrale in der Mauerstraße war somit erst in der zweiten Hälfte des -Jahres 1886 in Betrieb gekommen, der sich nach Angabe der Gesellschaft -nunmehr tadellos und regelmäßig abwickelte. Eine der ersten größeren -Aufgaben, die den Städtischen Elektrizitätswerken gestellt wurde, war -die Beleuchtung der beiden königlichen Theater, des Opernhauses und -des Schauspielhauses. Sie wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten mit -gutem Gelingen durchgeführt. Es folgten die Reichsbank, das Hotel -Kaiserhof und eine Anzahl von Bankgeschäften im Zentrum der Stadt. -Die elektrische Straßenbeleuchtung machte nur langsame Fortschritte. -Eigentlich wurden in den ersten Jahren nur die von Siemens & Halske -früher angelegten, und bis dahin mit besonderen Antriebsmaschinen -versorgten Straßenbeleuchtungen, also im wesentlichen die in der -Leipziger Straße übernommen, deren Kosten sich durch den Strombezug -aus der Zentralstation in der Mauerstraße<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> erheblich verbilligten, -nämlich von 36 auf 4 Pfennige für die Lampenbrennstunde. Aber auch -dieser Preis war im Vergleich mit dem des Gaslichts noch hoch, und -erst später, als mit der zunehmenden Vergrößerung und der wachsenden -Spannung der elektrischen Maschinen die Ausnutzung der Kohlen beim -elektrischen Licht sich erhöhte, konnten die Preise, die später nicht -mehr nach Lampenstunden, sondern nach Kilowattstunden berechnet wurden, -wesentlich herabgesetzt werden.</p> - -<p>Die Stadtverwaltung, die die anfänglichen Hemmnisse vielleicht etwas -stutzig gemacht hatten, die vielleicht auch die Zeit gekommen glaubte, -die Werke zu günstigen Bedingungen an sich zu bringen, verlangte -die Errichtung zweier weiterer Zentralen, abgesehen von den beiden -schon erbauten, und finanzielle Garantien für die Fähigkeit der -Gesellschaft, diese Aufgabe durchzuführen. Insbesondere wurde die -Erhöhung des Grundkapitals von 3 auf 6 Millionen Mark gefordert. -Da in den ersten Jahren die Werke mangels jeglicher Erfahrungen -im Zentralenbetrieb mit Verlust arbeiteten, und die ersten beiden -Zentralen in der Markgrafenstraße mit 6 Dampfmaschinen und in der -Mauerstraße mit 3 Dampfmaschinen, jede nach Edisonschem Vorbild mit -nur 150 PS ausgestattet, über die Voranschläge hinausgehende Summen -verschlangen, war die Situation für die Städtischen Elektrizitätswerke -und die hinter ihr stehende Edison Gesellschaft eine sehr heikle. Der -damalige Direktor Geh. Postrat Ludewig wurde damit beauftragt, ein -Gutachten abzufassen, ob die Gesellschaft die neue Finanzbelastung -ertragen könnte und wie sich bei Erfüllung der von der Stadt -geforderten Garantien die Lage der Werke gestalten würde. Ludewig kam -zu einem niederschmetternden Ergebnis. „Erfüllen wir die Forderungen -der Stadt, so sind wir bankerott.“ Dieses Gutachten rief unter den -Aktionären und den Geldleuten eine wahre Panik hervor, und es mußte -unbedingt etwas geschehen, wenn der Zusammenbruch, der nicht nur für -die Städtischen Werke, sondern auch für die gesamte Zentralen-Idee -von den verhängnisvollsten Folgen begleitet gewesen wäre, verhütet -werden sollte. Rathenau, der die Gefahr erkannte, innerlich aber in -dem festen Glauben an seine Sache keinen Augenblick wankend geworden -war, bewies zum ersten Male die Unbeirrbarkeit, die ihn in kritischen -Lagen stets auszeichnete. Er, der in weniger zugespitzten Situationen -die Vorsicht<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> selbst war, setzte alles auf eine Karte. Es blieb ihm -allerdings wohl auch keine andere Wahl, da eine weniger entschlossene -Haltung wahrscheinlich den Zusammenbruch nicht nur der Städtischen -Werke, sondern auch der Deutschen Edison Gesellschaft, jedenfalls aber -seine Ausschaltung aus beiden Unternehmungen herbeigeführt hätte. Als -Aufsichtsrat und Aktionäre ihn mit Vorwürfen bestürmten, erklärte er -sich bereit, 1.500.000 Mark Aktien der Städtischen Elektrizitätswerke -zum Kurse von 95% zurückzuerwerben. Man ging gern auf sein Angebot ein. -Was damals als tollkühnes Wagnis erschien, hat sich später als ein sehr -gutes Geschäft erwiesen, ja es ist der A. E. G. später noch häufig zum -Vorwurf gemacht worden, daß sie zuviel an den B. E. W. verdiene und -daß sie sich bei der Aktienübernahme zuviel Vorteile in vertraglicher -und verwaltungstechnischer Hinsicht habe zusichern lassen. Zu -diesen späterhin besonders scharf bekämpften Vorteilen gehörte die -Einführung der sogenannten Verwaltungsgemeinschaft zwischen der Edison -Gesellschaft und ihrem Tochterunternehmen, ferner die Einräumung von -Gründerrechten in der Art, daß die Gesellschaft bei Kapitalserhöhungen -die Hälfte der neuen Aktien zum Parikurse beziehen durfte. Man kann -es Rathenau indes nicht verdenken, daß er sich das Risiko, das er -ganz allein zu tragen bereit war, gehörig bezahlen lassen wollte. Der -Geh. Oberpostrat Ludewig, der sich der Situation so wenig gewachsen -gezeigt hatte, wurde mit einer angemessenen Abfindung aus seinem Amt -entfernt, und Emil Rathenau, Oscar v. Miller sowie der inzwischen zum -Vorstandsmitglied der Edison Gesellschaft aufgerückte Felix Deutsch -übernahmen die Leitung der Gesellschaft, die dem Mutterunternehmen -aus ihren Einnahmen einen bestimmten Betrag als Beisteuer zu den -Verwaltungskosten zahlte, wogegen die Verwaltung von der Edison -Gesellschaft geführt und bestritten wurde.</p> - -<p>Bei Gelegenheit der finanziellen Stärkung der Städtischen -Elektrizitätswerke, die vielleicht keine offene, wohl aber eine -heimliche Reorganisation bedeutete, wurden die Beziehungen zur -Stadt — dieses Äquivalent wußte Rathenau immerhin herauszuschlagen -— gefestigt und für die Gesellschaft im großen und ganzen -verbessert. Die Abgaben vom Reingewinn wurden eingeschränkt, die -vom Installationsgeschäft völlig aufgehoben, wogegen für die -Installationen aber die freie Konkurrenz ausdrücklich zugelassen -werden mußte. Die Straßenbeleuchtung<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> sollte erweitert werden und -zwar besonders durch die Einbeziehung der Straße „Unter den Linden“ -(1888). Das Konzessionsgebiet wurde ausgedehnt und umfaßte jetzt einen -Stadtteil, der von der Besselstraße bis zum Oranienburger Tor, von -der Wallner-Theater-Straße bis zum Ende der Bellevue-Straße reichte. -Dieser ganze Stadtteil mußte mit Kabeln ausgerüstet werden. Zwei -neue Zentralstationen, in der Spandauerstraße und am Schiffbauerdamm -waren anzulegen und mit je 2000 Pferdekräften zunächst für je 6000 -Lampen, die bis zum Jahre 1892 auf 24000 bezw. 12000 gesteigert werden -sollten, auszustatten. Die Zentrale in der Mauerstraße war erheblich zu -erweitern. Die Maschinen für diese Anlagen wurden bei der belgischen -Fabrik van der Kerkhoven in Gent bestellt. Emil Rathenau benutzte die -Gelegenheit, um von den kleineren Schnellläufermaschinen von nicht -mehr als 150 PS, mit denen die erste Zentrale in der Markgrafenstraße -gegen seinen Willen auf Verlangen des zur Vorsicht mahnenden -Bankenkonsortiums ausgestattet worden war, zu großen „Langsamläufern“ -überzugehen, die schnell bis auf 1000 PS gesteigert wurden. Er -stand dabei im Gegensatz zur ganzen Fachwelt, selbst zu Edison, der -die Meinung vertrat, daß die Kraft mehrerer Kleinmaschinen besser -ausgenutzt und den jeweiligen Strombedürfnissen richtiger angepaßt -werden könnte als die einer Großmaschine. Auch die Sachverständigen der -früheren Bankengruppe der Städtischen Elektrizitätswerke hatten sich -von dieser durch die Autorität des Erfinders Edison gestützten Ansicht -nicht abbringen lassen und das war ein weiterer Grund für die Banken -gewesen, Rathenau das Geld für die Erweiterung der Elektrizitätswerke -zu verweigern. Wenn er schon mit den kleinen Maschinen keine -Rentabilität erzielte, so würde er sie — dies war ihr Argument — mit -großen sicherlich nicht erreichen. Rathenau war damals der einzige, der -von großen Maschinen das Heil erwartete, nicht nur aus technischen, -sondern auch aus ökonomischen Gründen, denn er hielt es für wichtig, -daß ihre Aufstellung viel weniger Platz in Anspruch nahm als die vieler -Kleinmaschinen, was bei den hohen städtischen Bodenpreisen immerhin -ins Gewicht fiel. Als er bei den Städtischen Werken nun unabhängig -von fremdem Einfluß geworden war, konnte er seine Pläne hinsichtlich -des Großmaschinenbaus unbehindert zur Durchführung bringen und hatte -die Genugtuung, daß sich selbst Edison nach einer Besichtigung der -neuen Zentralen von der Überlegenheit<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> der Neuerung überzeugen ließ. -Erst durch das von Rathenau gegen die ganze damalige übrige Fachwelt -durchgesetzte Prinzip der Großmaschinen ist die Grundlage für die -gewaltige Entwickelung des Zentralenbaus gelegt worden.</p> - -<p>Die Kosten des Bauprogramms wurden auf 9 Millionen Mark berechnet, -die zur Hälfte in Aktien, zur Hälfte in Obligationen aufzubringen -waren. Die Firma der Gesellschaft wurde umgewandelt in <em class="gesperrt">Berliner -Elektrizitätswerke</em>. Durch die Forderungen der Stadt war die -Tragfähigkeit der ersten großen Elektrizitätszentrale auf eine harte -Probe gestellt worden. Nachdem diese aber bestanden war, schlug die -Belastungsprobe zum Segen für das Unternehmen aus, das dadurch in -seinem Wachstum und seiner Stärke in einer Weise gefördert wurde, die -es wahrscheinlich, sich selbst überlassen, nicht so schnell erreicht -haben würde.</p> - -<p>An den Schluß dieses Kapitels sei der Wortlaut der Rede gesetzt, -die Emil Rathenau am Vorabend der Einführung des elektrischen -Lichtbetriebes in der Straße „Unter den Linden“ hielt:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Es ist uns ein Bedürfnis, im Namen der Berliner Elektrizitätswerke den -Spitzen der Städtischen Verwaltung unseren Dank dafür auszusprechen, -daß Sie uns gestattet haben, an einer Schöpfung mitzuwirken, deren -epochemachende Bedeutung weit über die Grenzen dieser Stadt hinaus -greift und deren Vollendung überall mit Freuden begrüßt werden wird. -Diese Schöpfung beweist aufs neue, mit welchem Verständnis die Stadt -Berlin jede neue Errungenschaft der Wissenschaft und Technik dem Wohle -der Bürgerschaft dienstbar zu machen weiß. Das „lichtvolle“ Werk, -dessen Generalprobe Sie soeben beigewohnt haben, tritt würdig in -die Reihe der schon bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen, welche der -Erleichterung des Verkehrs, der Befriedigung der Lebensbedürfnisse -und der immer weiteren Ausgestaltung des täglichen Komforts zu dienen -berufen sind. Die Naturkraft des neunzehnten Jahrhunderts, welche -im Telegraphen und im Telephon sich bereits überall das Bürgerrecht -erworben hat, soll in Zukunft der gesamten Bevölkerung zugängig gemacht -werden, dem Wohlhabenden in der Form strahlenden Lichts, dem Handwerker -als Werkzeug des täglichen Gebrauches.</p> - -<p>Unsere Stadt tritt mit dem heutigen Tage in eine neue -Entwickelungsphase ihres Beleuchtungswesens ein; neben das Gaslicht,<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> -das bisher die Alleinherrschaft behauptete, tritt heute gleichzeitig -das elektrische Licht, und die Zukunft wird lehren, welchem von beiden -der Sieg gehört.</p> - -<p>80 Jahre sind es her, daß in dieser selben Straße „Unter den Linden“ -das bescheidene Öllämpchen von der ersten Gasflamme verdrängt wurde und -es wird vielleicht nicht weiterer 80 Jahre bedürfen, um, wie damals die -erste, so dereinst die letzte Gasflamme als staunenswerte Kuriosität -betrachtet zu wissen.</p> - -<p>Nicht leicht war die Entscheidung, auf welchem Wege am raschesten und -sichersten das erstrebte Ziel zu erreichen sei, zumal da städtische -Interessen hinzuweisen schienen, welche schon in Gasanstalten, den -Wasserwerken und last not least, der unübertroffenen Kanalisation -zu unbestrittenem Erfolge verholfen hatten. Die Erkenntnis aber, -daß die junge Industrie sich frei entfalten müsse, bevor sie völlig -in den Dienst des städtischen Ärars treten durfte, hat Früchte -gezeitigt, welche die Bewunderung aller Nationen erregen. Und in dieser -Entwicklung betätigt sich gleichzeitig das Walten ausgleichender -Gerechtigkeit, denn an seiner Geburtsstätte hat der elektrische Strom -seine größte Verbreitung gefunden, obgleich es eine Zeitlang schien, -als ob die neue Welt uns diesen Ruhm streitig machen wolle.</p> - -<p>Weit hinter dieser zurück steht das übrige Europa; in England -erschwert der Wille des Parlaments die Errichtung elektrischer -Zentralstationen und Frankreich konnte, trotz des hohen Fluges, den -es in der Ausstellung des Jahres 1881 zu nehmen schien, weder in der -Städtebeleuchtung noch in der elektrotechnischen Industrie mit uns -Schritt halten. So können wir mit Stolz behaupten, daß wir an der -Spitze aller Kulturvölker marschieren, die in erster Linie berufen -waren, das Prinzip der elektrischen Beleuchtung zu fördern und sich -nutzbar zu machen.</p> - -<p>Diese Erfolge verdanken wir nicht zum wenigsten der Weisheit und -Einsicht unserer Behörden, welche der Privatindustrie freien Spielraum -ließen, und sie vor allen schädlichen Hemmnissen und Beschränkungen -bewahrten. So konnten wir in freier Entfaltung aller unserer Kräfte -das große Werk fördern helfen, das, noch früher als gehofft und -beabsichtigt war, als fertiges und vollendetes Ganzes vor<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> Ihnen stehen -wird. Ein hoher Wille, dem wir uns in Ehrfurcht beugen, hat uns diese -Beschleunigung unserer Arbeiten nahe gelegt, und wir sind stolz darauf, -daß wir diesem Willen trotz mancher entgegenstehender Hindernisse -gerecht werden konnten.</p> - -<p>So wird denn die elektrische Beleuchtung der prächtigsten Straße der -Reichshauptstadt schon mit dem morgigen Abend definitiv beginnen.</p> - -<p>Freilich konnten wir, die wir an der Lösung dieser gewaltigen Aufgabe -mitzuwirken das Glück hatten, nicht immer gleich allen Wünschen in dem -Umfange Rechnung tragen, wie es das Publikum, das nach elektrischem -Licht sich sehnt, in seiner leicht erklärlichen Ungeduld beanspruchte, -und auch dem Maß des zunächst Erreichbaren entsprach. Vielleicht nicht -immer den weitgehenden Erwartungen, die gerade auf diesem Gebiet der -Technik mehr als auf jedem anderen sich geltend zu machen pflegen. -Das Publikum steht eben unserer Aufgabe im allgemeinen zu fern, um -deren ganze Schwierigkeit voll ermessen zu können, und es vergißt -leicht, wie neu die Sache eigentlich noch ist, deren Ausbildung und -Realisierung wir uns gewidmet haben. Es vergißt dies um so eher, als -die Elektrizität, trotz der ihr noch anhaftenden Jugendfehler uns schon -jetzt ganz unvergleichliche Dienste leistet. So mag man denn das immer -noch unvermeidliche Mißverhältnis zwischen unserem Wollen und unserem -Vollbringen in der Überzeugung entschuldigen, daß die Naturkraft, die -schon in ihren Kinderjahren so Gewaltiges zu leisten vermochte, zu noch -Größerem berufen ist, wenn Sie derselben Ihren Schutz mit wohlwollender -Nachsicht so lange angedeihen lassen, bis sie völlig erstarkt ist und -in freiem Fluge ihre Schwingen zu regen vermag. Wir aber, die wir den -Berliner Elektrizitätswerken vorstehen, werden, wie bisher, so auch -in Zukunft mit redlichem Eifer bemüht bleiben, die neue Schöpfung zu -einer der Reichshauptstadt würdigen Stellung emporzuheben und dafür -zu sorgen, daß die führende Stellung in der Elektrotechnik, die -Deutschland in beiden Hemisphären einnimmt, ihm dauernd erhalten werde.</p> - -<p>Das Verdienst für diese Führerschaft gebührt, wie nochmals betont -sei, in erster Reihe den Leitern unserer Stadt, die mit weitsichtigem -Blick, trotz der Bedenken vieler, daß die Elektrizität andere<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span> -städtische Unternehmen beeinträchtigen werde, den Mut besaßen, für die -Verwirklichung jener Ideen einzutreten, welche die Bürgerschaft von -Berlin schon jetzt als weise und wohltätig erkannt hat.</p> - -<p>Darum bitte ich Sie, Ihr Glas mit mir zu erheben, und einzustimmen in -den Ruf: Berlin, die Stadt der Intelligenz, die darum auch die Stadt -des Lichtes werden müßte, sowie die Verwaltung derselben, sie lebe -hoch!“</p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Achtes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Achtes Kapitel</em><br /> - -A. E. G.</h2> - -</div> - -<p>Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, daß die Idee und Ausführung -einer Berliner Zentralstation die Deutsche Edison Gesellschaft in -ernste Gefahr gebracht hatte, nicht weil die Lösung des technischen -Problems — abgesehen von gewissen anfänglichen Hemmnissen — -Schwierigkeiten oder Enttäuschungen verursachte, sondern weil das -finanzielle Gleichgewicht zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft -verloren zu gehen drohte. Die geldlichen Erfordernisse für die -Zentralstation, die mit einem Kapital von 3 Millionen Mark gegründet -worden war und nach 3 Jahren 9 Millionen Mark neues Geld brauchte, -waren zu groß, als daß sie im richtigen Verhältnis zu den Finanzen der -Muttergesellschaft gestanden hätten, die noch immer mit einem Kapital -von 5 Millionen Mark arbeitete. Ein derartiges Über-den-Kopf-Wachsen -der Tochtergesellschaft würde dann möglich und unbedenklich gewesen -sein, wenn die Zentralstation in der öffentlichen Meinung gesichert -und bewährt genug gewesen wäre, um ein eigenes kapitalistisches -Leben führen, und ihre geldlichen Erfordernisse selbständig auf dem -Anlagemarkt befriedigen zu können. Das war aber, wie wir gesehen -haben, nicht der Fall. Im Gegenteil, nicht nur die Öffentlichkeit und -die Stadt Berlin als Konzessionsgeberin, sondern auch die Aktionäre, -der eigene Aufsichtsrat und die Banken standen der Gesellschaft -skeptisch gegenüber, und waren froh, als Emil Rathenau ihnen ihren -riskanten Aktienbesitz, wenn auch mit Verlust, abnahm. Mit dieser -Transaktion war nun zwar die Tochtergesellschaft gerettet, aber die -Muttergesellschaft war mit einer finanziellen Last beschwert, die -sie in ihrem bisherigen Zustande und mit ihren bisherigen Kräften -nicht tragen konnte, selbst wenn sie ihre ganzen flüssigen Mittel -— besonders<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> die ihr verbliebenen 1,7 Millionen Mark Bankguthaben -— für die Berliner Elektrizitätswerke verwendet hätte, was sie -aber, ohne ihre eigene Entwickelung als Fabrikationsgesellschaft zu -beeinträchtigen, eigentlich gar nicht tun durfte. Dennoch schien -Emil Rathenau eine Zeitlang wohl oder übel entschlossen gewesen zu -sein, seine letzte Geldreserve zu opfern und das Problem der B. E. -W. auf Kosten seiner Deutschen Edison Gesellschaft zu lösen, die zu -diesem Behufe ihre Kräfte aufs äußerste hätte anspannen und sich -wahrscheinlich hätte überlasten müssen. Da die flüssigen Mittel -dieser Gesellschaft aber allein zu jenem Zwecke nicht ausgereicht -hätten, wurde der außerordentlichen Generalversammlung vom 10. Februar -1887 eine Kapitalserhöhung um 2 Millionen Mark vorgeschlagen. Eine -stärkere Inanspruchnahme des Kapitalmarktes verbot sich deswegen, -weil am politischen Horizont schwere Wolken aufgezogen waren und ein -Krieg mit Rußland im Bereiche der Möglichkeit zu liegen schien. Wäre -diese Kapitalstransaktion damals zur Ausführung gelangt, so hätte -durch sie nur eine isolierte Lösung der <em class="gesperrt">einen</em> brennenden -Frage, nämlich derjenigen der Städtischen Elektrizitätswerke, -herbeigeführt werden können. Die Dinge lagen aber bei der Deutschen -Edison Gesellschaft schon seit geraumer Zeit so, daß abgesehen von dem -Problem der Elektrizitätswerke noch mehrere andere zur Entscheidung -drängten, weil die Grenzverhältnisse der Gesellschaft gegenüber ihren -wichtigsten Geschäftsfreunden unerfreulich, ja unhaltbar geworden -waren. Es handelte sich um die Pariser Edison Gesellschaft und um -die Firma Siemens & Halske, die aus Interessen-Freunden immer mehr -zu Interessen-Gegnern geworden waren oder zu werden drohten. Mit -Siemens & Halske hatte dieser Zustand schon zu mehreren Prozessen -geführt, von denen wir den wichtigsten über die Frage, ob die Edison -Gesellschaft nur Bogenlampen nach dem Siemensschen System verwenden -dürfte, bereits erwähnt hatten. Auch die fabrikatorische Einengung -der Edison Gesellschaft, die in der Verpflichtung bestand, Maschinen -und Materialien mit Ausnahme von Glühlampen unter Verzicht auf die -Selbstherstellung nur von S. & H. zu beziehen, machte sich mit jedem -Schritte mehr fühlbar, den die Gesellschaft in ihrer Entwickelung -vorwärts tun wollte. Das Gleiche galt von den Beschränkungen -und Auflagen, mit denen das Vertragsverhältnis zu der Compagnie -Continentale die Edison Gesellschaft belastet hatte. Die Zeit, in der -die<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span> Abgaben an die Pariser Edison Gesellschaft und der Verzicht auf -Gewinne aus wichtigen Absatzartikeln, die die Gesellschaft von Siemens -& Halske beziehen mußte, die Lebensfähigkeit des Unternehmens nicht -beeinträchtigten, war sehr bald vorübergegangen. Als die Deutsche -Edison Gesellschaft ihr Geschäft auf die Glühlampenfabrikation -beschränkte und diese noch dazu mit hohen Abgaben an den Erfinder -belastete, glaubte sie ein Monopol erworben zu haben. Ein Monopol, -geschützt rechtlich durch Patente und tatsächlich durch Einrichtungen -und Erfahrungen, die anderen Fabrikationsfirmen nicht zu Gebote -standen. Technische Vorsprünge können aber erfahrungsgemäß in einer -Zeit starken technischen Wettbewerbs nur eine Zeitlang gegenüber der -Konkurrenz aufrecht gehalten werden. Nach einigen Jahren war es dieser -sogar gelungen, so wesentliche Verbesserungen an der Lampe anzubringen, -daß es zeitweilig starker Anstrengungen der Ingenieure der Gesellschaft -bedurfte, um sich die Spitze nicht nehmen zu lassen. Der Monopolschutz -versagte in der Praxis so gut wie vollständig. 5 richterliche -Erkenntnisse hatten bis zum Jahre 1887 die Monopolrechte der -Gesellschaft im wesentlichen bestätigt, eine definitive Entscheidung -war noch immer nicht ergangen. Inzwischen war fast die Hälfte der -Patentdauer verstrichen, und die Gesellschaft besaß keine hinreichenden -Handhaben, um gegen die angeblichen Patentbrecher vorzugehen, die zwar -riskierten, bei einem späteren obsiegenden Endurteil der Deutschen -Edison Gesellschaft zum Schadensersatz verurteilt zu werden, inzwischen -aber an der Herstellung von Glühlampen nicht verhindert werden konnten. -Das Warten auf diesen Endsieg und die sich etwa daran schließende -retrospektive Verfolgung der früher erfolgten Patentverletzungen war -für eine Erwerbsgesellschaft eine unlohnende und unsichere Sache, -selbst wenn die Patentrechte schließlich durchgesetzt worden wären. -Im entgegengesetzten Falle aber — der ja bei der Deutschen Edison -Gesellschaft schließlich praktisch eintrat — würde die Gesellschaft -ihre ganze Existenzberechtigung verloren haben, wenn sie sich bis zur -Entscheidung der Patentfrage nur auf ihr beanspruchtes Monopolrecht -und nicht auf Leistungen gestützt hätte, die auch unabhängig von -diesem Monopolrecht ihr eine starke Stellung im Wettbewerb sicherten. -Dieser Wettbewerb war, angelockt durch die glänzenden und, wie man -glaubte, leicht zu erringenden Erfolge der<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> Lichtelektrizität, -immer größer geworden. Die Errichtung einer Glühlampenfabrik schien -eine leichte, mit verhältnismäßig kleinem Kapital durchzuführende -Unternehmung zu sein. Fast alle elektrotechnischen und verwandten -Betriebe, daneben noch andere Unternehmer, errichteten Lampenfabriken. -Auf dem Gebiete des Dynamo-Baus lagen die Verhältnisse nicht anders. -Hier waren Patentrechte, die das Prinzip des Dynamos erfaßten, -überhaupt nicht vorhanden, und höchstens spezielle Typen patentierbar. -Jeder konnte sich eine eigene Dynamo-Type konstruieren, und neben -den elektrotechnischen Fabriken gingen auch Maschinenfabriken -vielfach dazu über, zur Unterstützung des Absatzes ihrer Motoren -die eigene Herstellung von Dynamomaschinen aufzunehmen. Auch das -Gebiet der Installation wurde stark umworben. Unternehmer für Gas- -und Wasseranlagen dehnten ihre Betriebe auf elektrische Anlagen -ähnlicher Art aus. In einer solchen Zeit verstärkten und ungehemmten -Wettbewerbs konnte die Deutsche Edison Gesellschaft nicht ohne dauernde -Beeinträchtigung ihrer Position und Entwickelungsmöglichkeit so weiter -existieren, wie sie gegründet worden war: gebunden durch Beschränkungen -nach verschiedenen Richtungen, belastet durch Abgaben, die bei einem -Monopol gerechtfertigt gewesen wären, bei einem nahezu unbegrenzt -freien Wettbewerb aber ihren Sinn verloren hatten. Das Ideal für -Rathenau wäre schon damals die Befreiung von <em class="gesperrt">allen</em> hemmenden -Verträgen gewesen, sowohl denen mit der Compagnie Continentale als -auch mit Siemens & Halske. Das erstere ließ sich erreichen, aber nur -dadurch, daß die Bindung an Siemens & Halske enger gestaltet wurde. Die -völlige Selbständigmachung nach allen Richtungen — besonders zu einem -Zeitpunkte, in dem die auf 10 Jahre geschlossenen Verträge noch nicht -abgelaufen waren und ihre vorzeitige Ablösung auf dem Vergleichswege -nur unter Aufwendung großer Abfindungssummen möglich gewesen wäre — -hätte finanzielle Ansprüche an die Gesellschaft gestellt, denen sie in -einer Zeit, in der die Stützung der Berliner Elektrizitätswerke ihre -ganzen Mittel und ihren ganzen Kredit schon über Gebühr in Anspruch -nahm, auch nicht entfernt gewachsen war. Eine Lösung ließ sich damals -also nur durch engere Anlehnung der Edison Gesellschaft an Siemens & -Halske, und die Bankkräfte, die ihr diese Anlehnung zuführen konnte, -erreichen. Bereits im September 1886 wurden Verhandlungen eingeleitet, -die sich<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> über volle 8 Monate hinzogen. Sie kamen ins Stocken, wurden -wieder aufgenommen, aufs neue abgebrochen und führten schließlich -zu einem komplizierten Vertrags- und Vertragslösungskomplex, der -der Generalversammlung vom 23. Mai 1887 zugleich mit dem verspätet -veröffentlichten Geschäftsbericht und der Bilanz für das Jahr 1886 -vorgelegt wurde. Die Vorbedingung für die Lösung vom Edison-Konzern -bildete, wie schon gesagt, die Änderung des Vertragsverhältnisses mit -Siemens & Halske, durch die — wie es in der Vorlage an die Aktionäre -hieß — die „Gleichberechtigung beider Firmen in technischer und -kommerzieller Beziehung auf dem von ihnen gemeinschaftlich vertretenen -Arbeitsfelde anerkannt wurde.“ Die Grundlage des Neuabkommens mit S. & -H. war die folgende:</p> - -<p>I. Der Bau und Betrieb von Zentralstationen, die beträchtliche -Geldmittel, reiche Erfahrungen und wohlgeschulte Kräfte erfordern, -wird durch Kooperation beider Firmen im In- und Auslande bewirkt. -Der Grundsatz, daß die Edison Gesellschaft die Konzessionen nehmen -sollte, wurde dabei nicht fallen gelassen, dagegen hatte die -Bauausführung in Gemeinschaft mit Siemens & Halske zu erfolgen. Alle -Stromlieferungsunternehmungen von mehr als 100 PS, deren Konzession -Siemens & Halske erwarben, hatten sie der Edison Gesellschaft gegen -Erstattung der Unkosten anzubieten, die die Finanzierung, den -Bau und die Einrichtung der Zentralen zu besorgen hatte, während -Siemens & Halske Maschinen und Kabel lieferten. Verzichtete die -Edison-Gesellschaft auf den Bau, so blieb ihr doch das Recht, gegen -eine Entschädigung die Hausinstallationen auszuführen. Auch dieses -Recht konnte sie gegen eine bestimmte Abgabe an S. & H. abtreten. -Konzessionen auf elektrolytische Einzelanlagen und elektrische Anlagen -für den Betrieb von Eisenbahnen brauchten S. & H. nicht an die Edison -Gesellschaft abzutreten.</p> - -<p>II. Auf dem Gebiete der isolierten Anlagen wurden die der Ausdehnung -der eigenen Fabrikationsfähigkeit der Edison Gesellschaft -entgegenstehenden Schranken beseitigt. Zu diesem Zwecke wurde es der -Gesellschaft erlaubt, Kraftmaschinen bis zu 100 PS selbst herzustellen.</p> - -<p>III. Die Glühlampenfabrikation wurde durch eine Konvention vor einer -gegenseitig ruinösen Preiskonkurrenz geschützt.</p> - -<p>Das Hauptzugeständnis, das der Deutschen Edison Gesellschaft hier -gemacht wurde, lag in der Erlaubnis, Maschinen bis zu 100 PS<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> selbst -bauen zu dürfen. Es war dürftig genug und mußte mit der Aufteilung -des bisher der Edison Gesellschaft allein zustehenden Zentralenbaus -unter beide Firmen bezahlt werden, zu der sich Rathenau gerade in -dem damaligen Zeitpunkte etwas leichter verstand, weil das Berliner -Musterbeispiel eines solchen Zentralenbaus die großen finanziellen -Ansprüche, die dieser Geschäftszweig stellte, deutlich dargetan hatte. -Überdies bedeutete diese Teilung des Zentralengebietes insofern keine -allzugroße Änderung im Vertrage, als ja auch schon vorher die Deutsche -Edison Gesellschaft bei Zentralenbauten einen erheblichen Teil der -Anlage, nämlich die elektrischen Maschinen, Kabel und sonstigen -Materialien von S. & H. hatte beziehen müssen. Allerdings war das -in Aussicht genommene Zusammenwirken beider Firmen im Zentralenbau -insofern ein wunder Punkt in dem gegenseitigen Verhältnis beider -Firmen, als die Fassung dieser Vertragsbestimmung ziemlich dehnbar -war, und nur bei beiderseitigem guten Willen ein ersprießliches -Zusammenwirken versprach. Böswilligkeit oder passive Resistenz auf -einer Seite konnten das Zusammenwirken im Zentralengeschäft sehr -erschweren.</p> - -<p>Die Voraussetzung für dieses Abkommen zwischen der Edison Gesellschaft -und Siemens & Halske bildete eine Regelung der Vertragsbeziehungen -zu der Compagnie Continentale. Beide deutschen Firmen besaßen das -Ausnutzungsrecht für die Edison-Patente, beide waren dafür mit einer -Abgabenpflicht belastet. Die Deutsche Edison Gesellschaft war ferner -durch satzungsmäßige Bestimmungen zu Gunsten der Compagnie beschränkt -und schließlich an sie durch die der französischen Gesellschaft -übergebenen Genußscheine gebunden. Die satzungsmäßigen Beschränkungen -bestanden hauptsächlich darin, daß die Deutsche Edison Gesellschaft -für die Glühlicht-Beleuchtung sich ausschließlich des Edisonschen -Systems bedienen und daß sie Patente, Patentausnutzungsrechte -sowie alle hierher gehörigen Rechte aller Art, betreffend die -Anwendung technischer Prozeduren, Erfindungen und Geheimnisse nur -mit Genehmigung der Compagnie Continentale erwerben durfte. Die -Verhandlungen mit der französischen Edison Gruppe wurden nicht von -der Deutschen Edison Gesellschaft, sondern von der Firma Siemens & -Halske geführt, die sich durch ihren Unterhändler, den Bürgermeister -a. D. Rosenthal, zum Befremden Rathenaus und hinter seinem Rücken in -das Eigentum der deutschen Edisonpatente gesetzt hatten. Rathe<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span>nau -war dadurch noch mehr auf die Mitwirkung von S. & H. bei der von ihm -geplanten Loslösung von der Compagnie Continentale angewiesen. S. & -H. schlossen ein Abkommen, das die Beseitigung aller Beschränkungen -und Abgaben, die Rück-Übertragung der 1500 Genußscheine der Compagnie -Continentale und den <em class="gesperrt">gemeinsamen Erwerb</em> der Patente durch S. & -H. sowie die Deutsche Edison Gesellschaft (nicht nur wie bisher das -Ausnutzungsrecht) ermöglichte. Der Firma S. & H. waren aus diesem -Abkommen Kosten von 809000 Mark erwachsen, von denen sie selbst -ein Drittel, nämlich 269666 Mark, die Deutsche Edison Gesellschaft -75000 Mark für den Rückerwerb von 1500 im Besitz der französischen -Gesellschaft befindlichen Genußscheinen übernahm und ferner auf die -noch etwa 170000 Mark betragende Restsumme verzichtete, die von dem der -Compagnie Continentale seinerzeit als Vorschuß auf die Patentabgaben -gezahlten Betrage von 350000 noch verblieben und in der obigen Summe -von 809000 Mark verrechnet war. Der Rest von 294334 Mark wurde von -einem durch Siemens & Halske gebildeten Bankenkonsortium unter Führung -der Deutschen Bank übernommen, das ebenso wie die Firma Siemens & -Halske einen Teil der 7 Millionen Mark neuen von der Deutschen Edison -Gesellschaft auszugebenden Aktien zeichnen sollte.</p> - -<p>Die Deutsche Edison Gesellschaft hatte im ganzen einschließlich -50000 Mark, die zum Rückerwerb der restlichen 1000 seinerzeit an die -Gründer begebenen Genußscheine dienten, 295000 Mark bereitzustellen. -Die Aufbringung dieser Summe fiel der Gesellschaft, die damals -stille Reserven kaum aufgesammelt hatte, nicht leicht. 195000 Mark -sollten den außerordentlichen (offenen) Reserven entnommen werden, -von denen damals ein Rückstellungskonto in Höhe von 145743 Mark und -eine außerordentliche Reserve von 95000 Mark bestand. Diese wurden -demnach durch die Entnahme bis auf 45000 Mark verzehrt. Ferner -bestand noch ein gesetzlicher Reservefonds von 47674 Mark. Das -war alles, was der Gesellschaft an Reserven verblieb. Die innere -Verfassung des Unternehmens war damals also eine ziemlich schwache, -und wenn im Geschäftsbericht für 1886, wohl um die Aktionäre über -die unbehagliche Situation hinwegzutrösten, mit Genugtuung darauf -hingewiesen wurde, daß in den bisherigen 4 Geschäftsjahren Reserven -von 284667 Mark aufgesammelt, buchmäßige Abschreibungen von 239912 -Mark vorgenommen<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> und 883500 Mark an Dividenden gezahlt worden seien, -so bedeutete diese Zusammenstellung vom Standpunkt der späteren -Rathenauschen Reserven- und Bilanzpolitik betrachtet, eine ziemlich -herbe Kritik, was das Verhältnis der gezahlten Dividenden zu den -zurückgehaltenen Beträgen anlangt. Es waren Dividenden ausgeschüttet -worden, die — wenn sie auch an sich niedrig waren, — Emil Rathenau -in späteren Jahren im Verhältnis zu dem erzielten Gewinn entschieden -als viel zu hoch betrachtet haben würde. Das war vielleicht nötig -gewesen, um die Aktionäre des jungen Unternehmens nicht sofort vor -den Kopf zu stoßen, den technischen und finanziellen Kredit nicht zu -gefährden und das Bankenkonsortium zufriedenzustellen, das zu großen -Entsagungen nicht bereit war. Die Folge davon war die mangelhafte -Fundierung der Gesellschaft bei Gelegenheit der Vertragsrevision -mit der Edison-Gruppe. Nicht nur die Reserven mußten geplündert -werden, sondern auch die Aktionäre mußten auf einen Teil ihrer Rente -verzichten. Von dem 308626 Mark betragenden Überschuß mußten 100000 -Mark abgezweigt werden, um den Restbetrag der aus Anlaß des Ausgleichs -mit der Edison-Gruppe aufzubringenden Summe herbeizuschaffen. Statt -6%, wie erwartet worden war, konnten die Aktionäre nur 4% erhalten. -In der Generalversammlung vom 23. Mai 1887 herrschte darum eine -recht ungemütliche Stimmung, und zum ersten Male trat eine kräftige -Opposition hervor, die sich gegen nicht eingelöste Versprechungen -usw. richtete. Die Aktionäre Michelet und Jacob kritisierten die -Verwaltung mit scharfen Worten und gaben Protest gegen die Beschlüsse -der Versammlung zu Protokoll. Hugo Landau, der stellvertretende -Vorsitzende des Aufsichtsrats und Vertreter der Bankengruppe, erklärte -demgegenüber, daß nur durch die Verkürzung der Dividende die fehlenden -100000 Mark aufgebracht werden könnten. Werde das abgelehnt, so sei -die Transaktion nicht durchzuführen. Der Vertrag mit S. & H. und die -Kapitalserhöhung kämen nicht zustande. Statt eine gesunde und große -Zukunft zu gewärtigen, müßte die Gesellschaft mit ihren jetzigen -unzureichenden Mitteln in eine Periode verschärfter Konkurrenz -eintreten. Der Kampf könnte ohne wesentliche Herabschreibung der -Aktiva dann nicht mit Aussicht auf Erfolg aufgenommen werden. Die -<em class="gesperrt">Sanierung</em> wurde also als drohendes Gespenst an die Wand gemalt. -Sie wurde vermieden, denn die Generalversammlung genehmigte die Anträge -der Verwaltung<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> schließlich mit großer Mehrheit, und sie tat gut -daran. Schon im nächsten Geschäftsjahr 1887/88, das infolge Verlegung -des Bilanztermins auf den 30. Juni 1½ Jahre umfaßte, konnte eine -Dividende von 7% für das Jahr und 10½% auf 1½ Jahre bei sehr -vorsichtiger Bilanzierung ausgeschüttet werden, und die Aktionäre haben -sich über schlechte Abschlüsse, und nicht eingehaltene Versprechungen -nie wieder zu beklagen gehabt.</p> - -<p>Die 7 Millionen Mark neuen Aktien, von denen Siemens & Halske 1 -Million Mark übernahmen, erhielten für 1887/88 nur 4% Bauzinsen. In -den Aufsichtsrat traten als Vertreter von Siemens & Halske, Arnold -von Siemens, der Sohn Werners, und Bürgermeister a. D. Rosenthal, -ferner als Vertreter des neuen Bankenkonsortiums Dr. Georg Siemens -(Deutsche Bank), August Klönne (Schaaffhausenscher Bankverein), -Geh. Kommerzienrat A. Delbrück (Delbrück, Leo & Co.) sowie -Eisenbahnpräsident A. Jonas (Discontogesellschaft) ein. Trotzdem wurde -der Mitgliederbestand des Aufsichtsrats nicht erhöht. Er betrug wie -zuletzt 11 Köpfe, eine Reihe von bisherigen Aufsichtsratsmitgliedern -mußte den Bankenvertretern ihren Platz räumen. Bereits früher waren -verschiedene Mitglieder, darunter der Vertreter der Nationalbank für -Deutschland, Assessor Löwenfeld ausgeschieden. Im Jahre 1888 wurde der -Geschäftsinhaber der Berliner Handelsgesellschaft Carl Fürstenberg -in den Aufsichtsrat gewählt, der späterhin — besonders nach dem -Ausscheiden Georg Siemens — der eigentliche finanzielle Berater Emil -Rathenaus geworden ist und ihm in enger Freundschaft bis an sein -Lebensende verbunden blieb.</p> - -<p>Die Gesellschaft legte nach ihrer Lösung vom Edison-Konzern den Namen -„Deutsche Edison Gesellschaft“ ab und nahm den Namen „<em class="gesperrt">Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft</em>“ an, unter dem sie groß und berühmt -geworden ist.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Neuntes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Neuntes Kapitel</em><br /> - -Ausdehnung und Befreiung</h2> - -</div> - -<p>Die folgenden Jahre der Gesellschaft, die ersten unter der Firma -Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, standen im Zeichen einer -<em class="gesperrt">Expansion</em> nach allen Richtungen. Die neuen Mittel im Betrage von -7 Millionen Mark jungen Aktien, deren Ausgabe die Generalversammlung -vom 23. Mai 1887 beschlossen hatte, sollten in erster Linie zu dem -Ausbau der Berliner Elektrizitätswerke verwendet werden, aber dieser -Ausbau erfolgte nur allmählich, und wenn er schließlich auch wesentlich -höhere Kapitalien verschlang, als damals vorgesehen war, so konnte -ein Teil des Aktienerlöses aus der Emission von 1887 zunächst flüssig -gehalten und zu anderen Zwecken verwendet werden. Schon zu dieser Zeit -verfolgte Emil Rathenau das Prinzip, in finanzieller Hinsicht über den -augenblicklichen und im Augenblick übersehbaren Bedarf ausgestattet, -in der Einleitung jedes neuen Geschäfts nicht von der Geldbewilligung -durch Banken und Aktionäre abhängig zu sein, und eine „Von der Hand -in den Mund-Politik“, wie sie ihm einmal beinahe verhängnisvoll -gewesen wäre, zu vermeiden. Die Bilanz vom 30. Juni 1888 wies noch -ein Bankguthaben von 6401740 Mark auf, was allerdings zum Teil damit -zusammenhing, daß die Verhandlungen mit der Stadt Berlin über den neuen -Vertrag sich länger als erwartet hinzogen, und erst im August 1888 -zum Abschluß gelangten, so daß im Geschäftsjahr 1887/88 nur 400.000 -Mark zu der Erweiterung der schon bestehenden Zentralen verwendet -wurden. Umso stärker und über die Voranschläge weit hinausgehend -gestaltete sich das Geldbedürfnis der Berliner Elektrizitäts-Werke in -den nächsten Jahren, da die Nachfrage nach Licht- und Kraftanschlüssen -sich im Zusammenhang mit dem Bau neuer Zentralen über Erwarten -steigerte. Die<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> gesamten Investitionen sollten nach dem Bauentwurf -von 1887 9 Millionen Mark betragen, sie schwollen schon im nächsten -Jahre auf 18 Millionen Mark an. Die A. E. G., die abgesehen von der -Erhöhung ihrer Aktienbeteiligung ein Darlehen von 3 Millionen Mark -zugesagt hatte, mußte dieses auf 6 Millionen Mark erhöhen. Abgesehen -davon bezog sie die Hälfte der neuausgegebenen 3 Millionen Mark B. -E. W.-Aktien in Ausnutzung ihrer Gründerrechte zu pari, und an der -Übernahme der anderen Hälfte beteiligte sie sich nach Maßgabe ihres -Aktienbesitzes mit 549000 Mark. Einen Teil der Mittel für die Zeichnung -der neuen Aktien beschaffte sie sich dadurch, daß sie mit ansehnlichem -Nutzen 1044000 Mark von ihrem im ganzen 2.044.000 Mark betragenden -Aktienbesitz erster Emission verkaufte, die sie erst im Jahre vorher -zum Kurse von 95% von den Banken übernommen hatte. Zwar hatten die B. -E. W. ihre Dividendenzahlung noch nicht aufgenommen, aber es stand -doch schon fest, daß bereits im Jahre 1889/90 die erste Dividende -in ansehnlicher Höhe würde ausgezahlt werden können. Diese Aussicht -schuf den Aktien der B. E. W. eine ganz andere Bewertung als noch vor -kurzer Zeit, und erleichterte infolgedessen die Abstossungstransaktion -der A. E. G. Die Gesellschaft verfolgte auch späterhin bei den B. -E. W. wie bei anderen Aktienbeteiligungen das Prinzip, bei Ausübung -des Bezugsrechtes auf junge Aktien einen entsprechenden Teil der -alten Aktien zu realisieren, sofern dies mit Gewinn ermöglicht werden -konnte. In solchen Austauschtransaktionen lag jedesmal ein sicherer -Zwischengewinn, denn die alten Aktien konnten stets zu höheren Kursen -abgestoßen werden, als die jungen Aktien erworben wurden, während diese -für die A. E. G. denselben Beteiligungs- und Kapitalswert besaßen. -Ganz besonders groß und glatt zu erzielen waren die Zwischengewinne -bei den Transaktionen mit den B. E. W.-Aktien, da die A. E. G. bei -dieser Gesellschaft ja infolge ihrer Gründerrechte die Hälfte der neuen -Aktien zu pari beziehen konnte, während infolge der hohen Dividenden -der Gesellschaft ihr Kurs und damit auch ihre Verwertungsmöglichkeit -für die A. E. G. wesentlich über dem Parikurse lag. Emil Rathenau -hat einmal in einer Generalversammlung erklärt, daß er — auch als -das Kapital der B. E. W. auf viele Zehnmillionen stieg — den Besitz -der A. E. G. dauernd nie über 2 Millionen Mark hinaus zu steigern -brauchte. Mit einem solchen Kapital konnte er die Tochtergesell<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span>schaft -völlig beherrschen. Dieses Prinzip der Kontrollausübung mit sparsamen -Geldmitteln, fußend auf guter Verwaltung und Autorität, war überhaupt -charakteristisch für das Rathenausche Beteiligungssystem, doch konnte -es nicht überall so schnell und wirksam zur Geltung gebracht werden -wie bei den B. E. W. Manche Beteiligungen kosteten viel mehr Geduld -und viel größere und länger festliegende Investierungen. Übrigens hat -sich Emil Rathenau durch den Gesichtspunkt der hohen Zwischengewinne, -die ihm das Pari-Bezugsrecht für die Hälfte der Neuemissionen der B. -E. W. ermöglichte, nicht dazu verleiten lassen, die Finanzpolitik der -B. E. W. auch dort unter diesen Gesichtspunkt zu stellen, wo deren -eigene Kapitalinteressen andere Rücksichten erheischten. Wäre das der -Fall gewesen, so hätte er überhaupt nur Stammaktien, bei denen die -Differenz zwischen dem Paribezugsrecht und dem Börsenkurse allein in -größerem Umfange zu realisieren war, ausgegeben. In Wirklichkeit sind -aber durch die B. E. W. neben Stammaktien im Betrag von 44100000 Mark -auch 4½%ige Vorzugsaktien von 20 Millionen Mark (deren Börsenpreis -nie erheblich über den Paristand gehen konnte), und fast 60 Millionen -Mark Obligationen ausgegeben worden, bei denen ein Bezugs- und -Verwertungsrecht der A. E. G. überhaupt nicht in Frage kam.</p> - -<p>Neben der kräftigen Weiterentwickelung der B. E. W., die nach kaum -10jährigem Bestehen etwa 30 Millionen Mark in ihren Betrieben angelegt -hatten, und nur in den ersten Jahren die Festlegung erheblicher Mittel -seitens der A. E. G. verlangten, während sie sich später mit ihrer -zunehmenden Rentabilität selbständig mit Kapital versorgen konnten, -erforderte das Fabrikations- wie das sonstige Beteiligungsgeschäft -der A. E. G. beträchtliche neue Mittel. Die Glühlampenfabrik erfuhr -eine gewaltige Ausdehnung. Gegen 90000 Stück Lampen im Jahre 1886 -wurden im nächsten, 18 Monate umfassenden Geschäftsjahr 1887/88 -bereits 300000 Stück abgesetzt. Ein paar Jahre später zählte der -Absatz nach Millionen. Die zunehmende Konkurrenz zwang allerdings zu -Preisherabsetzungen und zu Verbesserungen in der Ökonomie der Lampen, -die nur durch Verbilligungen des Herstellungsprozesses ausgeglichen -werden konnten. Die Aufnahme der Dynamomaschinenfabrikation, die für -Maschinen bis zu 100 PS durch den neuen Vertrag mit Siemens & Halske -der Gesellschaft ermöglicht worden war,<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> und für die erst noch das -Edisonsche, dann später ein eigenes System verwendet wurde, erforderte -die Errichtung einer besonderen Fabrik. Es wurde bereits im Jahre 1887 -die Weddingsche Maschinenfabrik samt dem zugehörigen von der Acker-, -Hermsdorfer-, Feld- und Hussitenstraße begrenzten Gelände erworben und -ausgebaut. Auch eine neue Fabrik für Leitungsmaterial wurde errichtet, -desgleichen eine Akkumulatorenfabrik, nachdem die Gesellschaft mit -Rücksicht auf die zukünftige Bedeutung, die sie den Apparaten zur -Aufspeicherung des elektrischen Stromes beimaß, die Patentrechte der -Electrical Power Storage Company für das Deutsche Reich erworben -hatte. Im Jahre 1888/89 wandte sich die Gesellschaft ferner der -Herstellung <em class="gesperrt">elektrischer Straßenbahnen</em> zu. Um sogleich mit -einem fertigen und in allen Teilen erprobten System hervortreten zu -können, erwarb Rathenau — der sich nie gern mit Vorarbeiten abgab, -wo fertige Resultate bereits vorlagen — die Erfindungen und Patente -des im amerikanischen Eisenbahnwesen bekannten Konstrukteurs J. Frank -Sprague und sicherte sich dadurch vertragsgemäß weitgehende Erfahrungen -auf dem Gebiete der elektrischen Straßenbahnen. Auch elektrische -Grubenbahnen wurden in den Tätigkeitskreis der Gesellschaft gezogen. -Die Zahl der inländischen und ausländischen Installationsbureaus wurde -fernerhin vermehrt. Die Herstellung isolierter Anlagen, für die die -Gesellschaft nach dem neuen Vertrage mit Siemens & Halske nun auch -die <em class="gesperrt">Maschinen</em> selbst herstellen durfte, nahm beträchtlich -zu, insbesondere erhielt die Gesellschaft wieder eine Reihe von -Aufträgen für Theaterbeleuchtungen sowie industrielle Stationen, und -mit Genugtuung wurde im Jahre 1892 festgestellt, daß die Gesellschaft -nunmehr den ganzen Bedarf derartiger Anlagen von der Dampfmaschine -bis zur Glühlampe selbst herstelle. Inzwischen war nämlich neben der -Dynamomaschine auch der Elektromotor, ferner die Herstellung von Gummi- -und anderem Isolationsmaterial in den Produktionskreis der Gesellschaft -gezogen worden. Elektrische Pumpen, Winden, Aufzüge und Krähne wurden -gleichfalls fabriziert und außer dem ersten großen Anwendungsgebiet -des elektrischen Starkstroms, der Beleuchtungselektrizität, begann -das zweite, das im Laufe der Entwickelung ungleich wichtiger werden -sollte, das Gebiet des <em class="gesperrt">Kraftstroms</em> an Bedeutung zu gewinnen. -Die elektrische Kraftübertragung, die Emil Rathenau schon früh an -Stelle<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> der Dampfkraft setzen wollte, weil er sie als ökonomischer -und leistungsfähiger ansah, faßte allmählich Fuß, wenngleich sich -die Industrie nur schwer von ihrer Überlegenheit beim Betrieb von -Fabriken, Bergwerken usw. überzeugen ließ, und die demonstrative -Vorführung am Muster-Beispiel, die Rathenau sonst gern eindrucksvoll -zur Wirkung kommen ließ, hier viel schwieriger wie auf anderen Gebieten -durchzuführen war. Denn Blockstationen, Beleuchtungszentralen, -elektrische Bahnen, konnte die A. E. G. selbst erbauen und betreiben, -um an ihnen den Wert der Elektrizität zu beweisen. Der überzeugende -Nachweis der elektrischen Ökonomie im Fabrikbetriebe war viel -schwieriger zu erbringen. Rathenau konnte nicht eigene Bergwerke, -Hütten, Hochöfen erwerben, um vergleichende Tabellen über die Kosten -des Dampf- und des elektrischen Betriebes aufzustellen. Die Industrie -ihrerseits, noch immer gegen die unbedingte Zuverlässigkeit des -elektrischen Betriebes mißtrauisch, fürchtete Störungen, und gab sich -zu gefährlichen Experimenten nicht leicht her. Dampfkrafttechniker -und Elektrotechniker bekämpften sich mit Ökonomie-Statistiken, und -jeder wollte nachweisen, daß seine Methode die billigere sei und den -Vorzug verdiene. Emil Rathenau hat die Heranziehung der Elektrizität -als Kraftquelle mit den von Jahr zu Jahr steigenden Kohlenpreisen -einerseits und andererseits mit der Notwendigkeit begründet, die -allmählich sich aufbrauchenden Kohlenvorräte der Erde dadurch zu -„strecken“, daß nur der Kraftantrieb durch Kohle zu erfolgen habe, -während die eigentliche Krafterzeugung durch die mit Kohle in -Bewegung gesetzte Elektrizität erfolgen müsse, eine Anschauung, die -vom Standpunkte einer weitsichtigen Entwickelung aus betrachtet, -zweifellos Berechtigung besitzt. Einen großen Schritt auf dem Wege der -Kraftübertragung tat im Jahre 1890 die A. E. G. durch die Ausbildung -eines von ihrem Ingenieur <em class="gesperrt">Dolivo Dobrolowsky</em> ausgebildeten -neuen Stromsystems, das als Drehstrom- oder Mehrphasensystem für -die Kraftübertragung eine fundamentale Bedeutung erlangt hat. Die -Kraftübertragung, die bis dahin technischer Behandlung nur in engen -räumlichen Grenzen fähig war, wurde damit auch auf weitere Entfernungen -hin möglich. Noch wichtiger für die damalige Zeit war es wohl, daß -durch das Drehstromsystem der <em class="gesperrt">Wechselstrom</em> mit seinen hohen -Spannungen und größeren Leistungen sich endgültig gegenüber dem bis -dahin vorherrschenden<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> Gleichstrom durchzusetzen vermochte, nachdem -er bis dahin mehrere Jahre lang einen nicht gerade erfolgreichen -Kampf gegen den Gleichstrom geführt hatte. Die technische Welt -war längere Zeit in zwei Lager gespalten gewesen, und gerade die -größten Autoritäten, wie Siemens und Edison, bis zu einem gewissen -Grade auch Rathenau, hatten sich durch die bis dahin eingeführten -unvollkommenen Systeme des Wechselstroms meist einphasiger Natur -nicht für die neue Stromart gewinnen lassen. In Amerika kämpften -Georg Westinghouse, in England Ferranti, in Deutschland besonders die -Helios-Elektrizitäts-Gesellschaft für den Wechselstrom. Es wurden von -diesen auch große Krafterzeugungswerke errichtet, die aber weder in -technischer, noch in wirtschaftlicher Beziehung die Überlegenheit des -Wechselstromsystems zu erweisen vermochten, trotzdem manche von ihnen, -besonders das Ferrantische Werk in Deptford bei London mit großzügigen -Baugedanken, namentlich auf dem Gebiete der Großmotorentechnik -errichtet worden waren. Erst das mehrphasige Drehstromsystem, das nach -einem von dem italienischen Physiker Ferraris entwickelten Prinzip -von verschiedenen Konstrukteuren, mit besonderem Erfolg von Dolivo -Dobrolowsky ausgeführt worden war, brachte die endgültige Entscheidung.</p> - -<p>Die A. E. G. fand Gelegenheit, die starke Wirkung ihres -Drehstromsystems und der dadurch ermöglichten Kraftübertragung in -die Ferne auf der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in -Frankfurt a. M. im Jahre 1891 vorzuführen, unter deren hervorragenden, -von der Leistungsfähigkeit der Starkstromtechnik zum ersten Male -ein zusammenfassendes Bild gebenden Veranstaltungen die Fernleitung -Lauffen-Frankfurt a. M. im Mittelpunkt des Interesses stand. Die -Idee, mit Hilfe des neuerfundenen Drehstroms die Wasserkräfte des -Neckarfalles bei Lauffen 175 km weit auf elektrischem Wege nach -Frankfurt a. M. zu überführen, ging von dem Ingenieur Oscar v. Miller -aus, der ebenso wie in München vor 9 Jahren auch der leitende Geist -der Frankfurter Elektrizitätsausstellung war. Miller, dieser nicht -nur geschickte, sondern auch geistvolle Organisator und Herold der -Elektrizitäts-Propaganda, der es wie kaum ein anderer verstand, das -repräsentative Bild einer modernen technischen Kultur aus ihren -historischen Fundamenten aufzubauen, in ihrem Gegenwartswert greifbar -lebendig zu machen und zugleich ihre Zukunftsperspektiven<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> aufzurollen, -Oscar v. Miller, der später in der Schöpfung des Deutschen Museums -einen klassischen Ausdruck für seine „gehobene Ausstellungskunst“ -fand, suchte nach einem „Schlager“ für die Frankfurter Ausstellung, -der über die bereits anderweitig gezeigten „Errungenschaften“ der -Elektrizität nicht nur dem Grade nach hinausging, sondern etwas ganz -Neues bieten sollte. Die modernsten Lampen, die damals gerade in voller -Entwickelung stehenden Techniken des Zentralen- und Bahnenbaus, alles -das wurde selbstverständlich in Frankfurt gezeigt, das waren doch -aber nur Verbesserungen von technischen Prozessen, die anderswo auf -Ausstellungen oder im praktischen Betriebe bereits vorgeführt worden -waren, Feinheiten des Details und des Fortschritts, die eigentlich -nur den Techniker voll interessierten. Das ganz Neue, das er suchte, -fand Oscar v. Miller nun bei der A. E. G., deren Mit-Direktor er -bis vor wenigen Jahren gewesen war, bevor er dem an ihn ergangenen -Rufe folgte, die Frankfurter Ausstellung zu organisieren. Miller, -der übrigens bereits 1882 in München den allerdings damals mehr -spielerischen Versuch gemacht hatte, eine Fernleitung vermittelst -Gleichstroms nach dem System von Deprez vorzuführen, kannte von der -A. E. G. her das Dobrolowskysche Drehstrom-Verfahren. Er wußte auch, -daß Emil Rathenau entgegen den Zweifeln und Einwänden, mit denen -ein großer Teil der Elektriker der Fernübertragung des elektrischen -Stroms noch immer begegnete, die kühnsten und höchsten Erwartungen in -dieses Verfahren setzte. Es galt diesen latenten Kräften und Ideen die -Vorbedingungen der Verwirklichung zu geben, da sonst damals auf anderem -Wege die Mittel zur praktischen Nutzanwendung der Erfindung noch nicht -geschaffen werden konnten. Die Fernübertragung war gewissermaßen -nur die sensationelle Einkleidung für das weniger wirkungsvolle, -aber für die damalige Entwickelungsstufe der Elektrizität weit -wichtigere Drehstromsystem. Hinter dem <em class="gesperrt">Schlager</em> verbarg sich -das vielumstrittene <em class="gesperrt">Problem</em>, und Oscar v. Miller leistete -weit mehr als ausstellungstechnische Arbeit, indem er einer der -zukunftskräftigsten, aber auch am schwersten zu verwirklichenden Ideen -der angewandten Elektrizität durch Dornengestrüpp die Wege bahnte. -Denn die zu überwindenden Hindernisse waren groß. Sie bestanden -nicht so sehr in den maschinellen Vorbedingungen der Anlage, die -auf eine so hohe Spannung eingerichtet werden mußte, wie sie damals -noch unerhört<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span> war. Daß man Maschinen von genügender Größe und -Stärke herstellen konnte, ist Emil Rathenau und Oscar v. Miller nie -zweifelhaft gewesen. Die Maschinenfabrik Oerlikon bei Zürich in der -Schweiz lieferte auch eine tadellos funktionierende Maschine von -mehr als 200 Pferdestärken, mit der es möglich war, eine Spannung -von 16000 Volt — eine für jene Zeit außerordentliche Leistung — zu -erzeugen. Die Anwendung einer derartigen Hochspannung gestattete es -auch, Kupferleitungen zu verwenden, die einen verhältnismäßig geringen -Durchmesser aufwiesen, während bei starkem Gleichstrom wesentlich -größere und direkt unwirtschaftliche Kupferdurchschnitte notwendig -gewesen waren. Auch genügend widerstandsfähige Isolatoren konnten -gebaut werden. An der Erzeugungsstelle, und an der Verbrauchsstelle -des Stroms wurden Transformatoren eingebaut, die die Heraufsetzung und -Wiederherabsetzung des dreiphasigen Stroms tadellos bewirkten. Schwerer -waren die Hemmungen zu überwinden, die der Durchleitung des damals -als sehr gefährlich geltenden Hochspannungsstroms durch die zwischen -der Erzeugungs- und der Verbrauchsstelle liegenden Landstrecken im -Wege standen. Württemberg, Baden, Hessen und Preußen hatten die -Genehmigung zur Durchführung der Leitungen über ihr Gebiet zu erteilen. -Nach großen Schwierigkeiten und Widerständen namentlich seitens der -Postverwaltung, die eine Störung ihrer Schwachstromleitungen durch -die Hochspannungsanlagen befürchtete, gelang auch dies, aber erst -längere Zeit nach Eröffnung der Ausstellung in Frankfurt konnte die -Fernleitung in Betrieb gesetzt werden. Dann aber brannten in Frankfurt -a. M. eines Abends 1000 Glühlampen, die mit Wasserkraftstrom aus -dem 175 km entfernten Kraftwerk gespeist waren. Um die trotz der -Übertragung nicht verminderte Stärke des Fernstroms zu zeigen, wurde in -Frankfurt ein Wasserfall betrieben, der vermittelst einer durch einen -Drehstrommotor in Bewegung gesetzten Kreiselpumpe in Tätigkeit gesetzt -wurde. Charakteristisch für den reifen und klaren Blick, mit dem Emil -Rathenau das Fernleitungsproblem schon im Jahre 1891 sah, ist die Rede, -die er bei der Besichtigung der Frankfurter Anlage vor den Festgästen -gehalten hat. Sie ist interessant genug und gibt außerdem ein so -bezeichnendes Bild von der Art, mit der Rathenaus reale Phantasie -Zukunftsentwickelungen schon aus Erfindungen, die erst sozusagen in -den Anfangsgründen vor<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span>lagen, gedanklich vorwegnahm, daß sie hier im -Wortlaut wiedergegeben werden soll:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p class="center">„Meine Hochgeehrten Herren!</p> - -<p>Wenn wir auch das Verdienst in keiner Weise für uns in Anspruch nehmen, -daß Sie, meine hochgeehrten Herren, von weit hergekommen sind, um -sich durch den Augenschein zu überzeugen, auf welche Entfernung der -elektrische Strom zur Übertragung der Kraft des Neckars mit Erfolg -verwendet werden kann, so können wir doch nicht umhin, Ihnen unseren -ehrerbietigen und verbindlichsten Dank auszusprechen, daß Sie uns -gestattet haben, die Anregung dazu zu geben und in diesem Sinne heiße -ich Sie willkommen.</p> - -<p>Es möchte als Selbstverherrlichung erscheinen, wenn die, welche an -dem eben vollendeten Werke mitgewirkt haben, sich in Betrachtungen -verlören, über etwaige Umwälzungen, die das Gelingen dieser Aufgabe -herbeiführen kann, und ich überlasse es deshalb der begeisterten -Phantasie Fernstehender, Zukunftsbilder auszumalen; aber vom rein -technischen Standpunkte aus wollen Sie mir gestatten, einige Worte über -die Kraftübertragung hier auszusprechen.</p> - -<p>Wenn wir, uns des wohlgelungenen Werkes freuend, Rückblicke in die -Vergangenheit werfen und sinnend in die Zukunft schauen, so geschieht -dies nicht in dem selbstgenügenden Sinne, in welchem Goethe seinen -alternden Faust zum Augenblicke sagen läßt: „Verweile doch, du bist -so schön.“ Wir glauben nicht einen Idealzustand, ein endgültiges Ziel -erreicht zu haben. Wir möchten uns dem kühnen Bergsteiger vergleichen, -welcher, nachdem wieder ein großer Teil des Weges zurückgelegt ist, -stehen bleibt und auf die überwundenen Schwierigkeiten zurückblickt, -dabei aber doch das Endziel nicht aus den Augen verliert.</p> - -<p>Die Kultur unserer Erde ist den Jugendjahren entwachsen, sie tritt in -das ernste Alter der Männlichkeit, wo die volle Kraft zur Verfügung -steht, wo es aber zu Ende sein muß mit dem übermütigen Brausen und -Vergeuden der Jugend, und was hier im Bilde von der Kraft gesagt -ist, müssen wir auf die Kraft im wissenschaftlichen Sinne, auf das -eigentliche Lebensprinzip unserer Erde mit bedeutungsvollem Ernst -anwenden. Die Zunahme der Bevölkerung und ihre dichtere Verbreitung -auf dem besser gelegenen Teil unserer Erde zwingen uns, mit dem -Vorhandenen haushälterisch umzugehen.<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> Die Not hat uns suchen gelehrt, -und wir lernen, die Entfernungen aufzuheben und auszugleichen. Ein -Baum, ein Rind, ein Getreidefeld ist an der einen Stelle kaum des -Aneignens wert und wird weit entfernt von dort so hoch geschätzt, -daß einer großen Mehrzahl der Bevölkerung nur unter schwerer Arbeit -es möglich ist, diese zur Erhaltung notwendigen Erzeugnisse unserer -Erde, unser Aller Mutter, sich zu verschaffen. Nicht anders ergeht -es uns mit jener belebenden Naturkraft, der Sonnenwärme, welche wir -in den mannigfachsten und wunderbar erscheinenden Formen auf unserer -Erde aufgespeichert finden. Die Quelle, der Wassersturz, die Ebbe und -Flut des Ozeans, sie alle sind Kräfte, welche der menschliche Geist -sich dienstbar machen kann und muß, soll er anders die Herrschaft über -die Erde behaupten, und doch gestatten ihm sehr oft oder vielleicht -zumeist die scheinbar zufällig sich entwickelnden Lebensbedingungen -der Individuen nicht, diese Kräfte am günstigsten auszunutzen. Als der -Mensch überhaupt darauf kam, die elementaren Naturkräfte sich dienstbar -zu machen, waren es nur Wind und Wasser, die er sich gefügig zu machen -vermochte, und Jahrhunderte, Jahrtausende vergingen, ohne daß ein -Fortschritt verzeichnet werden konnte. Erst unserem Jahrhunderte, dem -des Dampfes, blieb es vorbehalten, die Kräfte der Erde dem Menschen -zu erschließen und die in der Kohle angehäufte Sonnenwärme in ihren -Urzustand wieder zurückzubringen, sie zu zwingen, sich wieder als -Kraft und so als Arbeit dem Menschen zu betätigen. Der Dampf wiederum -war es, der es ermöglichte, die Kraft zu verteilen, einerseits durch -Verbesserung der Transportmittel, andererseits, indem man es bald -lernte, seine Wirkung direkt auf Entfernungen, die man für große hielt, -zu übertragen; ja man lernte es auch, die Dampfkraft zu teilen und -mehreren den Nutzen einer großen Einrichtung gemeinschaftlich und zu -gleicher Zeit zuzuführen.</p> - -<p>Bei weitem überflügelt hat aber der, wie man ihn bisher nannte, -elektrische Funke den Dampf. Wir haben es heute gezeigt, daß auf eine -Entfernung von über 170 km mit mathematischer Gewißheit Elektrizität -die ihr von einem Wasserfall zugeführte Kraft überträgt, und was heute -auf 175 km und mit 16000 Volt Spannung gelingt, wird gewiß in <em class="gesperrt">wenig -Jahren mit 100000 Volt auf weit riesigere Entfernungen ein Leichtes -sein</em>.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span></p> - -<p>Aber nicht allein dieser fast märchenhafte Erfolg, der Überwindung -von Zeit und Raum ist uns klargelegt; Sie werden, meine hochgeehrte -Versammlung, bei Ihrer Rückkehr nach der Ausstellung dort gewahren -können, wie die auf nur 4 Millimeter starke Drähte eingezwängte -und über weite Strecken fortgeleitete Kraft von mehr als 200 -Pferdestärken an der Ankunftsstelle den verschiedenartigsten Zwecken -dienstbar gemacht wird, wie sie nicht nur mit einem Aufwand von etwa -80 Pferdestärken eine Wassermenge 10 Meter in die Höhe drückt, um -dieselbe als Wasserfall hinabsprudeln zu lassen, wie sie dann noch an -verschiedenen Stellen dem Gebote eines geringen Drucks auf einen Hebel -folgend, eine große Anzahl von Lampen aufglühen läßt, wie sie endlich -ohne jede Schwierigkeit geringe Teile ihrer Kraft, <span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">10</span> Pferdekraft, -abgibt, um mittels einer kleinen, fast spielzeugartigen und doch -dauerhaften und betriebsfähigen Maschine, einen Luftfächer zu bedienen.</p> - -<p>Die großartige Verteilungsfähigkeit der Elektrizität ist es, welche -den Versuch der Übertragung auf große, sehr große Entfernungen erst so -recht zu einem bedeutungs- und wertvollen gemacht hat. Wenn wir daran -denken, daß es das ungewußte Sinnen der Menschheit, das zielbewußte -Streben der Forscher, Erfinder, der Leute der Zukunft, wie ich den -Ingenieur bezeichnen möchte, ist, menschlicher Arbeit das Gebiet des -Nachdenkens, das Gebiet der individuellen Tätigkeit vorzubehalten -und immer weiter zu erschließen, alle rein mechanische, gedankenlose -Tätigkeit aber durch Unterjochen der Naturkraft durch Maschinen zu -vollbringen, so darf ich den jetzt eingeschlagenen Weg kühn als -denjenigen bezeichnen, auf dem Jahrhunderte mit Erfolg weiter wandeln -können. Wir dürfen uns auch weiter der Überzeugung nicht verschließen, -daß die Unterstützung unserer Tätigkeit durch die Arbeitsleistung -der Tierwelt längst nicht mehr ausreicht, und das Zugpferd und der -Zugochse von rechtswegen schon längst der Vergangenheit angehören -müßten. Das Zeitalter des Dampfes hat hierin großes getan, aber wie -jeder rapide und bedeutende Fortschritt auch Nachteile gezeitigt; -so haben wir besonders auf dem Gebiete des Handwerkers mit Bedauern -sehen müssen, daß dem Individualismus die Maschinenarbeit den Garaus -gemacht hat, so daß wir bis vor kurzem uns gewöhnt hatten, mit dem -Ausdruck „Handwerksarbeit“ eine gedankenlose mechanische Nachahmung zu -bezeichnen. Es liegt aber in der Natur des Dampfes, als<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> Betriebskraft, -für große Betriebe mit Erfolg verwendet werden zu können. Wir haben -kein Mittel, um mit materiellem und technischem Vorteil den Dampf -direkt in die Wohnung des Kleinmeisters zu führen, ebenso wenig können -wir die Wirkungen des Dampfes, sei es durch Transmissionen oder durch -andere Art, gut auf erhebliche Entfernungen übertragen. Ganz anders -die Elektrizität! Die neuesten Fortschritte werden uns gestatten, -<em class="gesperrt">großartige Krafterzeugungszentren an beliebigen Stellen</em>, im -Bergwerk, an der Meeresküste, um die Ebbe und Flut zu benutzen, an den -großen Katarakten anzulegen, die dort vorhandenen, bisher zwecklos -vergeudeten Kräfte in nutzbringende Elektrizität umzusetzen, diese in, -wir können fast sagen, <em class="gesperrt">beliebige Entfernungen</em> zu versenden und -dort in beliebiger Art zu verteilen und zu verbrauchen. Wir können dem -Handwerkmeister seine Nähmaschine elektrisch betreiben, wir heizen ihm -sein Bügeleisen, wir rüsten dem Vergolder die chemischen Bäder für -seine Erzeugnisse. Wir geben noch dazu einem jeden die Beleuchtung in -der Stärke und an dem Orte und zu der Zeit, wo sie am vorteilhaftesten -ist. Und wenn wir schließlich den Elektromotor mit anderen ähnlichen -Maschinen vergleichen, so finden wir, daß er den geringsten Raum -einnimmt, daß seine Einrichtung die einfachste ist, daß er keine -Wartung braucht und keine Gefahr des Explodierens vorhanden ist, vor -allem aber, daß er ökonomisch deshalb am vorteilhaftesten arbeitet, -weil sein Kraftverbrauch sich mit seiner Belastung selbsttätig regelt. -Und wie wir so an der Verbrauchsstelle sehen, daß die Elektrizität -sich bemüht, eine sparsame Betriebskraft zu sein, so auch an der -Erzeugungsstelle. Das schlechteste Feuerungsmaterial, das bisher den -Transport nicht lohnte, weil zu viel tote Last mit ihm davon geschleppt -werden mußte, wird am Orte, wo es gefunden wird, immer noch mit -Vorteil zum Betriebe von Erregermaschinen Verwendung finden können, -und so sehen wir vor uns, daß die Fortleitung und Verteilung der Kraft -als Elektrizität von der schönsten ausgleichenden Wirkung ist. Wir -können dadurch den Vorteil großartiger Zentralisation erreichen und -ersparen daher viel nutzlose Betriebskraft und Arbeit, und wir können -andererseits in vollkommenster Weise die dezentralisierte Kraft dem -Einzelnen in dem kleinsten Teilchen zugängig machen und beleben dadurch -das Schaffensvermögen und die Schaffensfreudigkeit der Einzelnen zum -Wohle Aller und des Ganzen. Es ist auch nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span> zu unterschätzen, daß -die Elektrizität als Verteiler von Kraft die natürlichen Wasserkräfte -wieder zu Ehren gebracht hat, welche durch den Dampf in die Ecke -gedrückt, ein im Verhältnis zu ihrem hohen ökonomischen Werte zu -bescheidenes Dasein fristeten.</p> - -<p>In diesem Sinne bitte ich Sie, meine hochgeehrte Versammlung, diesen, -unseren ersten, in den Einzelheiten gewiß noch der Ausarbeitung -bedürftigen Versuch als einen neuen Schritt auf der Bahn der -menschenbeglückenden Zivilisation wohlwollend zu betrachten. Ich -möchte aber meine herzliche Begrüßung und den Ausdruck meiner hohen -Freude über Ihre Anwesenheit, welche ich zugleich im Namen aller -mitbeteiligten ausführenden Firmen und Männer der Wissenschaft und -Praxis auszusprechen die Ehre habe, nicht schließen, ohne der überaus -nutzbringenden Fürsorge der hohen Reichs- und Staatsbehörden unseren -tiefgefühlten Dank ehrerbietigst abzustatten, ohne welche dieser -Versuch nicht hätte unternommen werden können. Ich bitte die anwesenden -hohen und geehrten Herren Vertreter der Regierungen diesen, unseren -ehrfurchtsvollen Dank auch an dieser Stelle entgegennehmen zu wollen.“</p> - -</div> - -<p>Die Frankfurter Anlage wurde bei aller epochemachender Wirkung, die -nach Schluß der Ausstellung noch zu experimentellen Zwecken auf -eine Spannung von 30000 Volt gesteigert wurde, nur als ein Versuch -aufgefaßt, der nicht als dauernde Einrichtung, sondern als eine -lediglich für die Zeit der Ausstellung berechnete Demonstration -in Geltung bleiben sollte. Trotz des großen Aufsehens, das dieses -Probebeispiel in wissenschaftlichen, technischen und Laienkreisen -machte, hat es ziemlich lange gedauert, bis sich die Kraftübertragung -und erst gar die Fernübertragung elektrischer Kraft praktisch in -vollem Umfange durchgesetzt hat. Die großen Verwirklichungen auf -diesem Gebiete gehören erst einer viel späteren Zeit an. Die ersten -Zweckanwendungen, die dem Frankfurt-Lauffener Experiment folgten, -wurden in der Schweiz vorgenommen, wo Wasserkräfte in großer -Zahl zur Verfügung standen und die zu überwindenden Entfernungen -verhältnismäßig gering waren. Die A. E. G. selbst hat mit den -<em class="gesperrt">Kraftübertragungswerken Rheinfelden</em> bereits in den nächsten -Jahren eine praktische Durchführung der Fernübertragung größeren -Umfanges in Angriff genommen. Mit Maschinenleistungen von 15000 PS -sollten elektrische Ströme bei diesem Werk 50 km weit an große und -kleine Abnehmer<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span> geliefert werden. Dieser erste Dauer-Anwendungsversuch -hat noch manche schwierige, nur durch langwierige geduldige Arbeit zu -lösende Probleme theoretischer und praktischer Natur aufgeworfen, zumal -da er mit den ersten Versuchen, die Turbine statt der Kolbenmaschine -als Antrieb für Dynamomaschinen zu verwenden, zusammenfiel. Er hat -aber gerade durch die zu überwindenden Schwierigkeiten außerordentlich -lehrreich und klärend gewirkt und über die durch das Lauffener -Experiment bereits festgelegten und im großen ganzen bis heute -unverändert gebliebenen Grundgedanken der Fernübertragung hinaus -viele wichtige Erfahrungen eingetragen. Ist die Lauffen-Frankfurter -Fernübertragung als die erste experimentell-theoretische Lösung des -Problems zu bezeichnen, so stellt die Rheinfeldener Unternehmung -das Schulbeispiel der praktischen systematischen Durchbildung -der Fernübertragung dar. Neben der technischen Bedeutung hat die -Inangriffnahme des Kraft- und Fernübertragungs-Problems für die A. -E. G. noch eine wichtige geschäftliche Folge gehabt. Durch sie sind -die Beziehungen der Gesellschaft zu der schweizerischen Industrie und -Finanz mitangebahnt bezw. es sind diese Beziehungen, die noch von einer -anderen Seite her, nämlich von der Aufnahme der Aluminium-Erzeugung auf -elektrischem Wege in Neuhausen, eingeleitet wurden, derart erweitert -worden, daß sie für die fabrikatorische, besonders aber für die -finanztechnische Entwickelung der Gesellschaft eine große Bedeutung -erhielten.</p> - -<p>Das Drehstromsystem, dieses Rückgrat der modernen Kraftübertragung, -hatte übrigens auch mit dem Lauffen-Frankfurter Erfolge die starke -Opposition, die der Wechselstrom in einem Teile der Fachwelt gefunden -hatte, noch keineswegs völlig überwunden. Der Streit der technischen -Sachverständigen verstummte erst einige Jahre später, und sogar -für die Stadt Frankfurt a. M., die doch gerade in ihren Mauern die -Elektrizitätsausstellung veranstaltet hatte, um für den damals -geplanten Bau eines städtischen Elektrizitätswerkes das beste und -modernste System ausfindig zu machen, war es trotz des großen Erfolges -der Lauffener Fernübertragung nicht ohne weiteres ausgemacht, daß für -ihr Werk das Drehstromsystem zur Anwendung kommen müßte. Als dies -doch schließlich geschah, wurde die Ausführung einer ausländischen -Gesellschaft übertragen. Gleichstrom- und Wechselstrom-Anhänger -kämpften noch bei dieser Gelegenheit scharf gegeneinander. Von den -letzteren wurde auf die<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> Vorteile der Unabhängigkeit vom Verbrauchsort, -des kleineren Querschnitts der Kupferleitungen und der billigeren -Erzeugungskosten, die besonders für Kraftzwecke in die Wagschale -fielen, von den ersteren auf die Mängel, die dem Wechselstrom damals -noch für die Lichtelektrizität anhafteten, sowie auf die angeblichen -Gefahren der Hochspannung hingewiesen. Rathenau nahm auch nach dem -Frankfurt-Lauffener Erfolge noch einen vermittelnden Standpunkt -ein, und wollte die Frage „Gleichstrom oder Wechselstrom“ von den -Bedürfnissen des jeweiligen Anwendungsfalles abhängig machen. Durch die -Verbesserung des Drehstromlichtes wurde schließlich diese Streitfrage -endgültig zugunsten des moderneren Systems gelöst.</p> - -<p>Aber nicht nur die fabrikationstechnische Entwickelung der A. E. G. -kam nach Überwindung der Krise von 1887 in Schwung, auch auf einem -anderen Gebiete begann sie eine weitreichende und bis zu einem gewissen -Grade neuartige Tätigkeit auszuüben. Wir haben gehört, daß schon bei -der Gründung der Gesellschaft nicht nur die Fabrikationstätigkeit, -sondern der Erwerb von Konzessionen zum Zwecke der Errichtung von -Zentralstationen in ihr Programm aufgenommen worden war. Auf dieses -Feld der Gründung und Finanzierung von Tochterunternehmungen, von denen -elektrotechnische Lösungen zunächst beispielmäßig zu Anwendungszwecken -in der Praxis durchgeführt wurden, war die Gesellschaft umsomehr -angewiesen, als ihre fabrikatorische Tätigkeit durch die Verträge mit -der ersten deutschen Fabrikationsgesellschaft Siemens & Halske nach -vielen Seiten hin eingeengt war. Es trafen also sozusagen Neigung und -Zwang zusammen, um einen guten Teil der Kräfte der Gesellschaft auf das -Gebiet des Unternehmergeschäfts zu leiten. In der ersten Periode des -Unternehmens von 1883–1887, als die Kraftquellen noch spärlich flossen, -wurde ihre Gründungstätigkeit voll und sogar übermäßig beansprucht -durch das große Werk der Berliner Elektrizitätswerke. In der zweiten -Periode konnte sich das Unternehmer- und Beteiligungsgeschäft der -Gesellschaft freier und vielfältiger betätigen dank dem größeren -Reichtum der Mittel und dem stärkeren finanziellen Rückhalt, den der -A. E. G. die Erweiterung ihrer Bankengruppe und die erfolgreiche -Entwickelung ihrer ersten großen Tochtergesellschaft verliehen -hatten. Der Umstand, daß die Schranken der Fabrikationstätigkeit in -dieser zweiten Periode zum Teil niedergelegt worden waren, zog die -Gesellschaft von dem Unternehmergeschäft<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> aber nicht ab, sondern -verstärkte in mancher Hinsicht sogar ihre Neigung zu Geschäften auf -diesem Gebiet. Denn um in den neu aufgenommenen Fabrikationszweigen -nicht erst selbst die Anfangsgründe mühsam auf empirischem Wege sich -aneignen zu müssen und der bereits vorher in ihnen tätig gewesenen -Konkurrenz sofort gewachsen zu sein, erwarb die Gesellschaft fertige -Verfahren, in die sie dann sofort mit entwickelter Produktion eintrat. -Das konnte aber am besten dadurch geschehen, daß sie Gesellschaften, -die diese Verfahren bisher betrieben hatten, in sich aufnahm, oder -daß sie für diese Verfahren besondere Gesellschaften bildete, um sie -von ihrem bisherigen Arbeitsgebiete zu trennen, ihr eigenes Risiko -zu begrenzen und der neuen Fabrikation Spielraum zu Experimenten, -Fehlschlägen und Investitionen zu lassen, durch die sie nicht so direkt -berührt wurde wie beim Eigenbetrieb. Über die verschiedenen Arten -und Zwecke der Untergesellschaften soll später eine systematische -Darstellung versucht werden, hier soll nur rein historisch über die -Gründungen und Beteiligungen der Gesellschaft in der eben behandelten -Periode berichtet werden. Zu den ersten Beteiligungsinteressen der -A. E. G. gehörten die an der <em class="gesperrt">General Electric Co.</em> in New York -und an der <em class="gesperrt">Compagnie Internationale d’Electricité</em> in Lüttich. -Beide Verbindungen standen hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt: -„Austausch von Erfahrungen — Gegenseitige Absatzunterstützung in den -beiderseitigen Arbeitsgebieten“. — Die General Electric Co. in New -York vereinigte die verschiedenen amerikanischen Edison-Gesellschaften -zu einem großen Unternehmen, dem größten, das damals in der -elektrotechnischen Industrie Amerikas bestand. Die Finanzierung -erfolgte durch ein Konsortium erster deutscher und amerikanischer -Firmen, in das die A. E. G. mit einem Anteil von 250000 Doll. eintrat, -der später auf 400000 Doll. erhöht wurde. Es ist bezeichnend für -die Fortschritte, die in dem kurzen Zeitraum von 8 Jahren in der -Durchbildung der deutschen Starkstrom- und Beleuchtungstechnik wie -in den Methoden ihrer Bewirtschaftung gemacht worden waren, daß ihre -Hilfe bei der erst jetzt einsetzenden Organisation der zwar technisch -bahnbrechenden, aber lange unsystematisch arbeitenden Unternehmungen -in Amerika nachgesucht wurde und gewährt werden konnte. Emil Rathenau -überzeugte sich durch einen persönlichen Besuch in Amerika, der ihm wie -stets solche Besichtigungsreisen große Anregungen brachte, von<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> „den -vortrefflichen Einrichtungen und den ausnahmsweise günstigen Aussichten -dieses größten elektrotechnischen Unternehmens der neuen Welt.“ Weder -der aufgefrischte Enthusiasmus für die technische Welt Amerikas noch -die alte Liebe zu dem großen Edison verhinderten aber, daß die A. E. G. -einige Jahre später den Besitz an General Electric-Aktien veräußerte, -als dies mit Nutzen (der Gewinn betrug allerdings nur 85459 Mark) -geschehen konnte und naheliegendere Aufgaben wichtiger wurden als die -amerikanische Freundschaftsbeteiligung, die ihren eigentlichen Zweck -bereits erfüllt hatte. So wurde dieser Faden verloren und erst nach -Jahren wieder aufgenommen, als die A. E. G. durch ihre Fusion mit -der Union Elektrizitäts-Ges. in neue Beziehungen zu dem Konzern der -General Electric trat. Eine ähnliche technisch-kontrollierende und -geschäftlich-ausdehnende Bedeutung wie die Beteiligung an der General -Electric hatte auch der Erwerb von 500000 Frcs. Aktien der Compagnie -Internationale d’Electricité in Lüttich. Diese Gesellschaft war aus -einer Firma hervorgegangen, deren Erzeugnissen die A. E. G. seit -Jahren mit Erfolg den deutschen Markt erschlossen hatte. Bei dieser -Anknüpfung war zum Teil der Gedanke maßgebend, daß die Compagnie -Internationale umgekehrt neben ihren Fabrikaten auch denen der A. E. -G. in den westlichen Ländern Europas, die deutschen Gesellschaften aus -nationalen Gründen damals schwer zugänglich waren (gemeint war wohl in -erster Linie Frankreich), Eingang verschaffen sollte. Der Gesellschaft -wurde die Generalvertretung der A. E. G. für Belgien und Frankreich -übertragen. Auch verschaffte sich diese durch die Aktienbeteiligung -an dem belgischen Unternehmen den deutschen Vertrieb einer von der -Compagnie Internationale exploitierten neuen Lampe, die in der -Beleuchtungstechnik eine gewisse Rolle zu spielen versprach, da sie die -Vorzüge des Glühlichts mit denen des Bogenlichts zu vereinigen schien. -Auch hier war die Interessennahme nur eine vorübergehende. Bereits im -Jahre 1891 wurden die Aktien zum Nennwerte wieder verkauft, nachdem -die A. E. G. durch eigene Konstruktionen in den Stand gesetzt worden -war, die Fabrikate, die den Hauptgegenstand der Lütticher Fabrikation -bildeten, selbst herzustellen. — Wenig ersprießlich gestaltete -sich zunächst auch die Beteiligung der in London von der A. E. G. -mitbegründeten <em class="gesperrt">Key’s Electric Co.</em>, die an Stelle einer Filiale -für den Verkauf der Erzeugnisse der A. E. G. in England tätig sein -sollte. Von dem 15000 Pfd. Strl. betragenden<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> Kapital erwarb die A. E. -G. zuerst die Hälfte, schließlich 13500 Pfd. Strl. Die Gesellschaft -zeigte sich in dieser Form ihrer Aufgabe nicht gewachsen, zumal auch -in England die Einführung und der Vertrieb deutscher Produkte auf -nationalistischen Widerstand stieß. Die A. E. G. glaubte trotzdem für -die Erschließung des englischen Absatzgebietes noch weitere Opfer -bringen zu sollen. Sie formte das genannte Unternehmen unter Änderung -der Firma in „The Electrical Company Ltd.“ zur Vertretung ihrer -alleinigen Interessen um, erwarb die in fremdem Besitz befindlichen -Aktien und Gründeranteile und beseitigte die vorhandene Unterbilanz, -nachdem sie die ihr dadurch verursachten Verluste in ihrer eigenen -Bilanz bereits vorher abgeschrieben hatte. Auch in dieser Form -vermochte sich die Gesellschaft aber nicht auf die Dauer zu halten.</p> - -<p>Sehr früh wurde der Grund zu einer neuen elektrischen Technik -gelegt, die in nicht langer Zeit zu einer großen industriellen -Bedeutung gelangen und der Gesellschaft ansehnliche Erträge bringen -sollte. Es handelt sich um die Gewinnung von <em class="gesperrt">Aluminium</em> auf -elektrischem Wege. In der Generalversammlung vom 22. November 1888 -äußerte sich Emil Rathenau auf Anfragen aus Aktionärkreisen zum -ersten Male ausführlich über seine Anschauungen und Pläne auf diesem -elektrolytischen Gebiete. Auch hier fehlte es nicht an Fachleuten, die -von Utopien und Phantastereien sprachen, auch hier hat die Entwicklung -bewiesen, daß Emil Rathenaus in die Zukunft dringender Blick die -technischen Möglichkeiten durchaus sicher und zutreffend abgeschätzt -hat und daß seine „phantastisch klingenden“ Worte vom Standpunkt der -späteren Verwirklichungen aus betrachtet eher noch zu vorsichtig -gewählt waren. Die Bedeutung der elektrischen Legierungs-Verfahren, -so bemerkte Rathenau in jener Generalversammlung, der ersten, in -der er mit einer größeren Rede hervortrat, sei durchaus nicht zu -unterschätzen. Es sei anzunehmen, daß die Verbindungen des Aluminiums -mit Eisen als Ferro-Mangan und mit Kupfer als Aluminium-Bronze der -Metallindustrie sogleich neue Bahnen eröffnen würden. Das Problem -der Aluminiumgewinnung bestehe darin, das Metall mittels des -elektrischen Stromes aus seinen häufig in der Natur vorkommenden -Verbindungen (hauptsächlich der Tonerde) auszuscheiden und ohne jede -Zutat zu gewinnen. Die bisherige kleine Fabrik habe gute Erfahrungen -für den Großbetrieb geschaffen. — In Zürich war unterdessen eine -„Metallurgische Gesell<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span>schaft“ mit gleichen Zielen ins Leben getreten. -Rathenau hielt es seiner Gewohnheit nach als kluger Taktiker für -zweckmäßig, statt eines Konkurrenzkampfes, eines Wettrennens beider -Unternehmungen um das beste und billigste Verfahren, eine Vereinigung -der zwei Gruppen und Techniken herbeizuführen. Eine solche empfahl -sich für die A. E. G. besonders, weil der Züricher Gesellschaft die -Wasserkräfte des Rheinfalls bei Schaffhausen zur Verfügung standen, -die ihr bei gleicher technischer Leistungsfähigkeit jedenfalls eine -billigere Produktion ermöglicht hätten als der auf Kohlenfeuerung -angewiesenen Fabrik der A. E. G. Der Schweizerischen Gruppe hinwiederum -erschien eine Anlehnung an die stärkere Finanzmacht und an die -größere Absatzorganisation der A. E. G. zweckmäßig. Da schon auf -anderen geschäftlichen Gebieten gute Beziehungen zwischen der A. E. -G. und den maßgebenden Schweizer Persönlichkeiten bestanden, gelang -es rasch, eine Grundlage zur Verständigung zu finden, nachdem eine -gegenseitige Prüfung der beiden Verfahren befriedigt hatte. Es wurde -eine Gesellschaft mit 10 Mill. Frcs. Kapital gegründet, von dem die -A. E. G. 1½ Mill. Frcs. übernahm. Der Besitz der Wasserkräfte -des Rheins, die Vereinigung der beherrschenden europäischen Patente -und Verfahren stellten der Gesellschaft auf die Dauer einen Schutz -gegen jede Konkurrenz in Aussicht. Den Alleinverkauf der Produkte -des Neuhausener Werks übernahm die A. E. G. für Deutschland und -Rußland. Die Erwartungen der Industrie für Verwendung des leichten -Metalls wurden allerdings nicht so rasch erfüllt, als man bei -fabrikmäßiger Herstellung des bis dahin kostbaren Erzeugnisses -vorausgesetzt hatte. Zu den Schwierigkeiten des Großbetriebs gesellte -sich neben mangelnder Erfahrung in der Behandlung, Unkenntnis der -Verwendungszwecke. Ferner warf durch den zollfreien Import begünstigt, -die ausländische Konkurrenz ihre Überproduktion zu Schleuderpreisen -auf den deutschen Markt. Erst allmählich gelang es der Neuhausener -Gesellschaft, die Schwierigkeiten des Gewinnungsprozesses vollkommen -zu beseitigen und das Produkt zu einem den Vorausberechnungen -entsprechenden, konkurrenzfähigen Preise herzustellen. In der Folge -hat sich das Aluminium, das erst nur als Kuriosität betrachtet und -in etwas spielerischer Weise zu allen möglichen und unmöglichen -Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs, wie Federhaltern, Büchsen -etc. verwendet wurde, in der Industrie und im Militärbedarf immer -mehr eingebürgert. Der Absatz<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> stieg förmlich von Tag zu Tag, die -Selbstkosten wurden immer weiter herabgedrückt und die vorhandene -Anlage konnte auf die volle Leistung ausgebaut werden, die die -Gesellschaft dem Rheinfall zu entnehmen berechtigt war. Bereits nach -wenigen Jahren stellte sich die Produktion der Gesellschaft auf 1 -Million Kilo, für 1892 wurde zum ersten Mal die Dividendenzahlung -mit 8% aufgenommen, die im nächsten Jahre auf 10% stieg. Die -Gesellschaft vermochte die Kosten für ihre Erweiterung bereits aus -verfügbaren Mitteln zu decken und die ursprünglichen Aktienzeichner -waren, nachdem die Gesellschaft zur Rentabilität und damit zur -kapitalistischen Selbständigkeit gelangt war, nicht mehr genötigt, -neue Investitionsmittel in dem Unternehmen festzulegen, sie konnten -sogar einen Teil der von ihnen ursprünglich übernommenen Aktien -auf den Markt bringen und dort mit Gewinn abstoßen. Nachdem die in -Neuhausen gemachten Erfahrungen die fabrikatorische Lage hinreichend -geklärt hatten, konnte auch das Konsortium für die Verwertung der -Aluminium-Patente in <em class="gesperrt">Österreich</em>, dem die A. E. G. gleichfalls -angehörte, zu dem Bau einer Fabrik in Lend-Gastein und zur Ausnutzung -der ihr daselbst gehörigen Wasserkraft mit einem Gefälle von über 100 m -schreiten.</p> - -<p>Die eigene Betätigung, die die A. E. G. auf dem Gebiete der -<em class="gesperrt">Akkumulatoren-Herstellung</em> nach Erwerb der Electrical Power -Storage Company für Deutschland geplant, und, um zunächst die -notwendigen Erfahrungen unter geringem Kostenaufwand gewinnen -zu können, in mäßigem Umfange aufgenommen hatte, fand bald ihr -Ende, nachdem die Gesellschaft im Verein mit Siemens & Halske die -bewährte Akkumulatorenfabrik Müller & Einbeck erworben und in eine -Aktiengesellschaft unter der Firma Akkumulatorenfabrik Akt.-Ges. -Hagen umgewandelt hatte. Dieser Akkumulatorenfabrik, die nach dem -System Tudor arbeitete und die von der A. E. G. erst zu machenden -Erfahrungen bereits in erheblichem Grade gesammelt hatte, überließen -sowohl die A. E. G. als auch Siemens & Halske ihre Patente. Von den -Aktien wurde der überwiegende Teil von Siemens & Halske, der A. E. -G. und den Vorbesitzern, der kleinere Teil von den Finanzgruppen der -beiden Gesellschaften übernommen. Der Vorsprung, den diese Gesellschaft -damals an sich schon besaß, die technischen Ergänzungen, die ihr durch -die Akkumulatorenabteilungen der beiden Elektrizitätsgesellschaften -zugeführt<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> wurden, und die Stärke, die ihr die Finanzbeteiligung -sowie die Kundschaft dieser Gesellschaften gewährten, haben -die Stellung der Akkumulatorenfabrik Hagen, die später auch in -Berlin Fabriken errichtete, so gefestigt, daß sie nicht nur eine -glänzende Rentabilität, sondern auch eine marktbeherrschende, fast -monopolistische Stellung in Deutschland erringen konnte. — Im Jahre -1890 erwarb die A. E. G. schließlich den größten Teil der Aktien der -Akt.-Ges. für Bronze- und Zinkgußwaren vorm. <em class="gesperrt">J. C. Spinn & Sohn</em> -im Umtausch gegen Aktien der Berliner Elektrizitätswerke. Damit -gliederte sich die Gesellschaft ein Unternehmen an, das die Herstellung -von Beleuchtungskörpern als Spezialität betrieb und ergänzte damit ihr -Glühlampengeschäft in wirksamer Weise.</p> - -<p>Neben dieser Gruppe von Beteiligungs-Unternehmungen, die im -wesentlichen dazu dienten, entweder bestimmte elektrische -Produktionsprozesse von dem Hauptunternehmen abzusondern bezw. -einen Einfluß auf derartige der Gesellschaft bis dahin fernstehende -Fabrikationen zu gewinnen, oder die auch den Zweck verfolgten, -Hilfsorganisationen für den Absatz in bestimmten Produkten und Ländern -zu schaffen, wurde eine andere Gruppe von Beteiligungsunternehmungen -ausgebildet, mit der Aufgabe, Muster- und Anwendungsbeispiele für -<em class="gesperrt">stromverbrauchende</em> Werke zu schaffen. Nachdem man in Amerika -bereits seit einiger Zeit mit der Umwandlung von Pferdebahnen -in elektrischen Betrieb günstige technische wie wirtschaftliche -Erfahrungen gemacht hatte, entschloß sich die A. E. G. zur Anlage einer -elektrischen <em class="gesperrt">Straßenbahn in Halle</em>. Sie tat dies, indem sie sich -unter maßgebender Beteiligung an einem zur Übernahme der dortigen -Stadtbahn und zu ihrem elektrischen Ausbau gegründeten Finanzsyndikat -die Betriebführung der neuen Bahn für 10 Jahre sicherte. Das Projekt -wurde mit bestem Gelingen durchgeführt und bildete ein so wirksames, -von staatlichen und kommunalen Kommissären, Vertretern von vielen -europäischen Straßenbahngesellschaften studiertes Demonstrationsobjekt, -daß nicht nur die elektrische Straßenbahnführung in Halle auch auf -den bisher noch im Pferdebetrieb verbliebenen Linien eingeführt -wurde, sondern sofort eine Anzahl neuer Elektrisierungspläne in -anderen Städten zur Verwirklichung gelangte. Allerdings führte die -A. E. G. diese Betriebe nicht mehr ausschließlich in eigener Regie -durch, sondern baute sie zum Teil für Rechnung von Kommunen oder -Straßenbahngesellschaften, an<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> denen sie sich allerdings vielfach -durch kleinere Aktienübernahmen beteiligte. Zu erwähnen sind aus -diesen Jahren die Bahnen in Breslau, Gera, Kiew, Chemnitz, Essen, -Dortmund, Christiania, Lübeck und Plauen. Charakteristisch für die -kleinlichen Bedenken, die zu jener Zeit der Einführung der elektrischen -Straßenbahnen entgegengehalten wurden, ist die, auch in der Presse -damals vielfach erörterte, Furcht gewesen, daß die Starkstromleitungen -der Straßenbahnen die Schwachstromleitungen, die die Post für ihre -Telegraphen- und Telephonnetze unterhielt, stören könnte. Es war der -Technik ein Leichtes, diese Gefahr durch geeignete Vorrichtungen zu -bannen. Auch der ästhetische Gesichtspunkt in Form einer Opposition -gegen die „unschöne Oberleitung“ wurde damals von manchen Kreisen nur -zu wirksam gegen die elektrischen Bahnen ins Feld geführt. Er hat zum -Beispiel die Elektrisierung der Berliner Straßenbahn solange verzögert, -daß die Reichshauptstadt erst wesentlich später als viele andere -deutsche Städte elektrische Bahnen erhielt.</p> - -<p>Gleichzeitig mit dem Erwerb der Spragueschen Patente für den -elektrischen Straßenbahnbau und der Inangriffnahme der Elektrifizierung -der Stadtbahn in Halle hatte sich die A. E. G. im Jahre 1890 -durch Aktienübernahme Einfluß auf die <em class="gesperrt">Allgemeine Lokal- und -Straßenbahn</em> gesichert, die eine Reihe von Beteiligungen an damals -noch mit Pferden betriebenen Straßenbahnen besaß. Bei dem Erwerb -leitete die Gesellschaft einmal der Gesichtspunkt, daß die betreffenden -Aktien aus dem Konsortialbestande einer nach Entlastung strebenden -Bank billig zu haben waren, andererseits das Bestreben, eine Reihe von -Objekten für die Anwendung ihres elektrischen Straßenbahnsystems sich -fest zu sichern. Der Nutzen, den der Erwerb dieses Aktienpostens für -die Gesellschaft im Gefolge haben konnte, erwies sich erst später. -In der Generalversammlung vom 26. November 1891 kritisierte ein -Aktionär sowohl diesen Ankauf wie auch den der Spinn & Sohn-Aktien. -Die Allgemeine Lokal- und Straßenbahn-Gesellschaft zahle nur 5% -Dividende. Großen Ertrag verspreche eine derartige Kapitalsanlage -nicht, und was die technischen Umgestaltungspläne der Gesellschaft -anlange, so solle man in dem Bestreben, alles selber machen zu wollen, -nicht die finanzielle Übersicht verlieren und die Rücksicht auf die -Geldbeschaffung außer acht lassen. Man möge den Nebenindustrien -auch etwas zukommen lassen, und nicht die ganze Welt aufkaufen. -Die günstigen<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> Erträgnisse, die die Aktien der Allgemeinen Lokal- -und Straßenbahn-Gesellschaft später aufwiesen, die vorteilhaften -Bauaufträge, die sie der Gesellschaft zuführten, haben indes die -Berechtigung auch dieser Transaktion erwiesen.</p> - -<p>Auch mit dem Problem der <em class="gesperrt">elektrischen Untergrundbahnen</em> -befaßte sich die A. E. G. frühzeitig, und es ist nicht ihre -Schuld, wenn andere Weltstädte, insbesondere London, Paris und New -York, früher ihre „Subways“ und „Metropolitains“ erhalten haben -als die deutsche Hauptstadt. Im Geschäftsbericht für das Jahr -1890/91 schreibt die Gesellschaft: „Ein Projekt von ungewöhnlicher -Bedeutung für die Verkehrsinteressen der Stadt Berlin haben wir -den Behörden zur Konzessionserteilung eingereicht. Es betrifft den -Bau einer elektrischen Untergrundbahn, die in zwei sich kreuzenden -Achsen nord-südlich und ost-westlich und zwei konzentrischen -Ringen in beträchtlicher Tiefe unter dem Niveau der Straßen den -Hauptverkehrsadern folgen wird. Wir hoffen zuversichtlich, daß dieses -Unternehmen, dem vom Publikum und der Presse eine sympathische -Beurteilung zuteil wird, auch bei den Behörden die Unterstützung finde, -deren es zu seiner Verwirklichung bedarf.“ — Diese Hoffnung sollte -indes nicht erfüllt werden. Die Gesellschaft bereitete technisch -alles aufs Beste für dies — wie man zugeben muß — großzügige -Untergrundbahn-Projekt vor, sie ließ sich Verfahren für neuartige -Tunnelvortriebsapparate patentieren, und rief eine Gesellschaft mit -beschränkter Haftung für den Bau von Untergrundbahnen ins Leben. -Das Projekt scheiterte indes sowohl an den Hemmnissen, die ihm -die Aufsichtsbehörden entgegensetzten, wie auch an dem geringen -Entgegenkommen, das die Stadt Berlin bewies. Mehr Erfolg hatte -bekanntlich das von der Firma Siemens & Halske sowie der Deutschen Bank -geplante und durchgeführte Projekt einer Hoch- und Untergrundbahn, die -zunächst von Osten nach Westen unter Einbeziehung des Verkehrs mit -dem Potsdamer Platz führte. In der Generalversammlung interpelliert, -warum die A. E. G. nicht dem Siemens & Halskeschen Projekt Konkurrenz -gemacht habe, erklärte Rathenau, daß man es für besser erachte, nicht -in einen zu scharfen Wettbewerb zu dieser Firma zu treten, durch den -man nur die Preise verderben würde. Man erwarte, daß Siemens & Halske -in einem anderen, ähnlich gelagerten Falle der A. E. G. gegenüber -ebensolche Zurückhaltung zeigen würden. Abgesehen von diesen nach -außen hin zugegebenen Gründen<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> war man wohl damals schon darauf -bedacht, die Konkurrenzfirma, mit der man noch in dem bekannten -Interessengemeinschaftsverhältnis stand, schonend zu behandeln, da -Rathenau zu jener Zeit schon die Lösung des im Jahre 1887 auf 10 Jahre -geschlossenen Vertrages anstrebte, diese aber nur bei gutem Willen der -Firma S. & H. erreichen zu können Aussicht hatte.</p> - -<p>Am wenigsten entwickelte sich bei der A. E. G. eigentlich <em class="gesperrt">der</em> -Geschäftszweig, den man ursprünglich am sorgfältigsten zu pflegen -beabsichtigt hatte: <em class="gesperrt">der Zentralenbau</em>. Die A. E. G. hatte -das erste große Musterbeispiel für eine Elektrizitätszentrale in -den Berliner Elektrizitätswerken geschaffen und war nach diesen -Erfolgen und Erfahrungen die nächste dazu, für ähnliche Werke, -die anderswo errichtet werden sollten, als Baufirma herangezogen -zu werden. Dennoch war ihre Tätigkeit auf diesem Gebiete sowohl -für eigene Rechnung auf Grund erteilter Konzessionen als auch im -fremden Auftrag verhältnismäßig gering. Konzessionsbauten wurden in -Eisenach und im Berliner Villenvorort Wannsee errichtet, es handelte -sich aber hierbei nur um kleinere Unternehmungen, denen keine große -Bedeutung zukam. Eine weit wichtigere Schöpfung war die <em class="gesperrt">Compania -Generale Madrilena de Electricidad in Madrid</em>, eine Zentrale, die -im Zusammenwirken mit der Besitzerin der Madrider Gasanstalten, der -Compagnie Madrilene d’Eclairage et de Chauffage par le Gaz in Paris, -unter erheblicher Aktienbeteiligung der A. E. G. errichtet wurde. -Infolge der ausnahmsweise günstigen Verhältnisse in Madrid war diese -Zentrale, die sich eng an das Vorbild der Berliner Elektrizitätswerke -anlehnte, in technischer wie in finanzieller Hinsicht ein voller und -schneller Erfolg; umsomehr als diese Unternehmung sich weit günstiger -entwickelte, als eine andere gleichfalls in Madrid arbeitende englische -Konkurrenzgesellschaft. Die Gesellschaft begann bereits nach 2 Jahren -mit der Dividendenzahlung, schüttete in der Folge hohe Erträgnisse -aus, und mußte andauernd erweitert werden. Bereits nach wenigen Jahren -konnte die A. E. G. ihr Aktieninteresse mit einem Buchgewinn von etwa 1 -Mill. Mark abstoßen, und dieses gute und glatte Geschäft, das aber auch -für die A. E. G. eine Ausnahme bildete, während die meisten übrigen -Gründungen eine geduldigere Behandlung erforderten, trug in erster -Linie dazu bei, in der deutschen Elektrizitätsindustrie den Glauben -an die leichten und großen Gewinnchancen des Unternehmergeschäfts<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> zu -erwecken, ein Glauben, der für viele Elektrizitäts-Firmen späterhin -verhängnisvoll werden sollte.</p> - -<p>Dieser „Treffer“ in Madrid war aber, solange der Vertrag mit Siemens & -Halske in Geltung war, der einzige Lichtblick in dem sonst unergiebigen -Zentralenbau-Geschäft. Der Vertrag hemmte an allen Ecken und Enden. -Die Bedingung, große Maschinen und Kabel von Siemens & Halske zu -beziehen, erschwerte die Kalkulation, gestattete keine ökonomischen -Projektierungen und verringerte die Wettbewerbsfähigkeit <em class="gesperrt">beider</em> -Vertragsgesellschaften gegenüber der ungebundenen Konkurrenz, die sich -auf dem ureigenen Gebiet Rathenauscher Initiative die Unfreiheit der -beiden stärksten Gesellschaften zunutze machte. Besonders die Firma -Schuckert in München, die sich fabrikatorisch damals auf der Höhe -ihrer Leistungsfähigkeit befand, sehr gute Maschinen herstellte und -in allem Technischen der Konkurrenz nicht nachstand, warf sich auf -den Zentralenbau und stellte zeitweilig allein mehr Werke her, als -Siemens & Halske und die A. E. G. zusammen. Dabei wurde man sich in -der A. E. G. bald darüber klar, daß die Firma Siemens & Halske oder -wenigstens manche ihrer Beamten in der Zentralenfrage nicht den guten -Willen hatten, den Vertrag seinen Absichten gemäß loyal zu erfüllen. -Kamen zum Beispiel eine Gemeinde oder ein Unternehmer zu Siemens, der -damals namentlich bei Behörden noch immer als die höchste Autorität -in elektrischen Dingen galt, mit der Frage, ob und wie sie ein -Elektrizitätswerk bauen könnten, so empfahl ihnen der Altmeister Werner -v. Siemens zwar in durchaus korrekter Weise, wegen Konzession und -Projektierung sich mit der A. E. G. in Verbindung zu setzen. Darüber -hinaus kümmerte sich aber der alte Herr um Einzelheiten des Geschäfts -nicht mehr wie in den früheren Zeiten seiner industriellen Vollkraft. -Er hörte die an ihn Empfohlenen oder ihm Bekannten zwar höflich an, zur -Besprechung der Einzelfragen verwies er sie aber an seine Prokuristen, -Oberingenieure usw. Und wenn die Frager in diese Regionen kamen, wehte -meist ein ganz anderer Wind. Die „Halbgötter“ der Firma Siemens waren -eifersüchtig auf den jungen Ruhm, die kräftige Unternehmungslust und -die wachsende Bedeutung der Berliner Konkurrenzfirma. „Was brauchen Sie -dazu die Juden?“ fragten sie diejenigen, die mit Projektierungswünschen -an sie gewiesen wurden. Sie wollten der A. E. G. weder Konzessionen -zuweisen, noch selbst welche übernehmen,<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span> denn sie hätten sie ja -an die A. E. G. vertragsgemäß weitergeben müssen. So empfahlen sie -meistens den Anfragern, die Anlagen in eigener Regie zu errichten. -Die Kapitalien würden sie sich ja auch ohne die A. E. G. beschaffen -können, und den Bau, die Maschinenlieferung usw. würden ihnen Siemens -& Halske ebensogut direkt liefern können als indirekt durch die A. -E. G. Derartige Fälle kamen wiederholt zur Kenntnis Rathenaus und -seiner Mitdirektoren. Man war empört, beschwerte sich, aber die -Tatbestände waren so geschickt verschleiert, daß Vertragsverletzungen -nicht nachgewiesen werden konnten. Sogar im eigenen Aufsichtsrat, -in dem verschiedene Vertreter des Siemens-Konsortiums saßen, konnte -die Direktion mit ihren Beschwerden nicht hinreichend durchdringen. -Es fehlte nicht an Intriguen und Kabalen, und es gab Zeiten, in -denen an jedem Tage ein anderer A. E. G.-Direktor seine Demission -einreichte. Die Situation war in dieser Weise nicht länger haltbar. -Diese Überzeugung kam schließlich nicht nur bei der A. E. G., sondern -auch bei Siemens & Halske zum Durchbruch. Die A. E. G. war allmählich, -das merkte man jetzt auch bei Siemens, eine solche Macht, eine solche -Lebenskraft geworden, daß man sie — durch den besten Vertrag — -nicht mehr niederhalten konnte, umsomehr wenn dieser Vertrag nicht -nur die Freiheit der A. E. G., sondern auch die eigene zu Gunsten -lachender Dritter hemmte. Georg von Siemens, der Direktor der Deutschen -Bank, der Zeit seines Lebens ein Verehrer und Freund Emil Rathenaus -gewesen ist, auch Objektivität und volkswirtschaftlichen Sinn genug -besaß, um die engherzige Knebelung einer Gesellschaft, die das Zeug -hatte, Mehrerin der deutschen Industriekraft zu werden, zu Gunsten -seiner Bankinteressen nicht mitzumachen, erbot und bemühte sich als -Vermittler, eine vorzeitige Lösung des Vertrages auf gütlichem Wege -herbeizuführen. Nach schwierigen Verhandlungen gelang am 20. Juni 1894 -die endgültige Auseinandersetzung. Die A. E. G. verpflichtete sich, an -Siemens & Halske eine Entschädigungssumme von 696742 Mark zu zahlen. -Darauf waren aber Bestellungen auf Maschinen und Kabel in Anrechnung -zu bringen, die die A. E. G. noch bis zum 1. Januar 1900 von Siemens -& Halske beziehen sollte und die zum Meistbegünstigungspreise mit 13% -Rabatt geliefert werden mußten.</p> - -<p>So wichtig die endgültige Trennung der A. E. G. von Siemens & Halske -auch war, weder im Geschäftsbericht für das Jahr 1893/94<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span> noch in der -Generalversammlung wurde dieser Vorgang eingehender behandelt. — Bald -nach Lösung des Vertrages wurde der Bau des <em class="gesperrt">Kabelwerks</em> an der -Oberspree begonnen und damit der Fabrikation der A. E. G. das letzte -ihr noch fehlende Hauptglied eingefügt. Auch die Maschinenfabrikation -wurde erweitert. Die Befreiung von den Vertragsfesseln äußerte -sich sofort in einer sichtbaren Zunahme des Zentralenbaus. Der -Geschäftsbericht für 1893/94 verzeichnet bereits Bauaufträge für -Barcelona, Sevilla, Craiova, Freihafengebiet Kopenhagen und Straßburg. -Außerdem wurde für die B. E. W. eine neue Zentralanlage an der -Oberspree errichtet, die die Vorstädte Berlins und die umliegenden -Ortschaften mit elektrischem Strom versorgen sollte. Hier wie in -Straßburg gelangte das Drehstromsystem in großem Maßstabe zur Anwendung.</p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>Überblicken wir den zuletzt behandelten Abschnitt, der von der -Überwindung der Krisis von 1886/87 und dem zweiten Vertragsabschluß -mit Siemens & Halske bis zur vollständigen Vertrags- und -Betätigungsfreiheit Mitte 1894 reicht, so finden wir, daß diese -Periode, vielleicht die entscheidende und grundlegende für die -Fundierung und Richtungsentwickelung der Gesellschaft —, im Inneren -voll von drängender, vielgestaltiger und doch deswegen nicht -unbeherrschter Gestaltung, auch das <em class="gesperrt">äußere Bild</em> der Gesellschaft -wesentlich verändert hat. Zunächst in den Kapitalverhältnissen. Der -Erhöhung des Aktienkapitals von 5 auf 12 Millionen Mark im Jahre 1887 -folgte im April 1889 eine weitere Erhöhung auf 16 Millionen Mark. -Dabei konnten die Aktien der Gesellschaft zum ersten Male mit einem -äußerlich sichtbaren Agio begeben werden. Sie wurden zum Kurse von -150% herausgebracht und 2 Millionen Mark flossen in den Reservefonds, -der dadurch die statutenmäßige und gesetzliche Höhe bereits um -501364 Mark überschritt. Im nächsten Jahre 1890/91 erfolgte eine -dritte Kapitalserhöhung um wieder 4 Millionen Mark auf 20 Millionen -Mark, wobei die neuen Aktien zu dem weiter erhöhten Kurse von 165% -ausgegeben wurden und nach Abzug sämtlicher Provisionen, Spesen, -Stempelkosten usw. 2378115 Mark in<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span> den Reservefonds flossen. Von -der Generalversammlung (29. November 1890) hatte sich ferner die -Verwaltung die Ermächtigung erteilen lassen, Obligationen in Höhe -des Aktienkapitals auszugeben, nicht ohne daß aus Aktionärkreisen -— der Oppositionsredner war der angesehene Inhaber des Bankhauses -N. Helfft & Co. — die Warnung ergangen wäre, den Geschäftsbetrieb -zu weit auszudehnen und die Aktion durch eine uferlose Expansion -zu beunruhigen. Emil Rathenau belächelte innerlich diese Warnungen -kleingeistiger Aktionärvorsicht, die von seiner pflichtgemäßen -Verwaltungsvorsicht so sehr verschieden war. — In jener Zeit konnte -er allerdings noch nicht auf die Erfolge seiner Finanzwirtschaft -verweisen, mit denen er später alle ähnlichen Einwendungen leicht -zu schlagen vermochte. Georg v. Siemens und Rathenau entschuldigten -die immer neuen Geldforderungen gewissermaßen mit den großen -Geldbedürfnissen der B. E. W., in denen man bald 30 Millionen Mark -investiert haben werde. Man tröstete die Aktionäre damit, daß die -Stadt Berlin die Berliner Werke sicher später einmal übernehmen würde, -vielleicht schon im Jahre 1895, wobei man dann das ausgelegte Geld auf -Heller und Pfennig, dazu mit einem ansehnlichen Gewinn, zurückerhalten -müßte.</p> - -<p>Trotz der großen Agiogewinne, mit denen die Reserven stattlich -aufgefüllt werden konnten, sah Emil Rathenau aber bald ein, daß es -nicht zweckmäßig sein würde, den Emissionskredit der Gesellschaft -allzusehr anzuspannen und den Marktwert der Aktien durch eine -Überproduktion an Aktienkapital zu entwerten. „Wir verkennen den -Vorteil nicht, der bei dem gegenwärtigen Kursstande unserer Papiere -der Gesellschaft durch Ausgabe neuer Aktien erwachsen würde, -glauben aber mit Rücksicht auf eine möglichst gleichbleibende Rente -von derselben für jetzt Abstand nehmen zu sollen, nachdem wir — -allerdings bei progressiver Steigerung der Gewinnziffern — in rascher -Folge Kapitalserhöhungen durchgeführt haben, die das ursprüngliche -Gesellschaftsvermögen von 5 auf 20 Millionen Mark vermehrten.“ -— Der Finanzpolitiker, der stets eine feine Witterung für die -Imponderabilien des Geld- und Kapitalmarktes bekundet hat, erkannte in -einem Augenblick, in dem der Aktienkurs seinen höchsten Stand erreicht -hatte, und mancher andere vielleicht dem Agio noch seine letzten -Möglichkeiten abgepreßt haben würde, daß der Aktienemissionskredit nun -zunächst einmal einer längeren Schonung bedürfe und das Gefäß, das -jetzt vielleicht noch nicht ganz angefüllt<span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span> sei, durch einen neuen -Aufguß zum Überlaufen gebracht werden könne. Also entschloß sich -Rathenau, zunächst einmal ein anderes Mittel der Geldbeschaffung zu -wählen und Obligationen auszugeben. Auch hier nahm er jedoch bei weitem -nicht den ganzen Spielraum, den er sich von der Generalversammlung -hatte geben lassen, in Anspruch. Im Jahre 1890/91 wurden 5 Millionen -Mark Obligationen ausgegeben, mit deren Auslosung sofort begonnen -wurde. Eine meisterhafte Hand in der Verteilung und Niedrighaltung -der Kapitalien für das Gründungsgeschäft tritt schon hier zu Tage. Im -Geschäftsbericht für 1893/94 wird bemerkt: „Da wir die Finanzierung -fast aller größeren Unternehmungen potenten Bankkonsortien überlassen -haben, in denen wir uns angemessene Beteiligungen vorbehielten, so -wird unser Geldbedarf im Verhältnis zu dem Kapitalsaufwand, den -diese Anlagen erfordern, in mäßigen Grenzen sich bewegen.“ Schon -damals gelang es Rathenau, mit einem kleinen eigenen Kapital große -Unternehmergeschäfte in Bewegung zu setzen. Verschiedene glückliche -Geschäfte, die er zum Teil im Gegensatz zur herrschenden Auffassung -und zu den Ansichten der Banken mit großem Erfolge durchgeführt -und durchgehalten hatte, schufen ihm den Ruf eines glücklichen -und scharfsinnigen Finanziers. So drängten sich die Konsorten zu -seinen Geschäften, und er, dem es letzten Endes immer nur auf die -industriepolitische Seite ankam, überließ ihnen gerne einen Teil der -finanziellen Chance, wenn sie ihm halfen, einen entsprechenden Teil der -finanziellen Last und des finanziellen Risikos zu tragen.</p> - -<p>Trotzdem innerhalb des von uns behandelten Zeitabschnittes eine -gewerbliche Krise, die der A. E. G. zwar nichts anhaben konnte, der -aber Rathenau durch die vorsichtige Behandlung des Emissionsmarktes -Rechnung trug, die Verhältnisse unsicher machte, brauchte die -Dividende der Gesellschaft nur vorübergehend und nicht erheblich -gesenkt zu werden. Sie zeigt von 1887–1893 folgende Kurve: 7, 9, -10, 9, 7½, 8¼, 9%. Sehr interessant ist das Bild, das die -Bilanz der Gesellschaft im Vergleich mit denen an früheren markanten -Abschnittspunkten gewährt. Immobilien sind bis Ende 1894 auf 2807455 -Mark, Maschinen und Apparate auf 1220000 Mark, Werkzeuge auf 263000 -Mark, Fabrikutensilien auf 60000 Mark, Waren auf 4108925 Mark, Guthaben -in laufender Rechnung einschließlich der bei Zweigniederlassungen -auf 6613742<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> Mark, Forderungen für Installationen auf 535848 Mark, -Wechsel auf 247128 Mark und Kautionen auf 579712 Mark gestiegen. Es -ergibt sich danach eine Summe des Fabrikationsgeschäfts von 16435810 -Mark. Das Finanzgeschäft wird dargestellt durch Effekten von 5976266, -Konsortialien von 2963348 Mark und 1913253 Mark Guthaben bei den -B. E. W., also zusammen durch 10852867 Mark. Daneben erscheint als -gleitender Faktor in der Bilanz das Bankguthaben von 7933463 Mark, -wohlgemerkt in einem Zeitpunkte, in dem seit mehreren Jahren weder -neues Aktien-, noch Obligationenkapital der Gesellschaft zugeflossen -war. Die Kreditoren von 2575873 Mark sind gegenüber den festliegenden -und flüssigen Aktivwerten bescheiden und stellen keine Verschuldung, -sondern laufende, durch den Stand des regulären Geschäfts bedingte -Verbindlichkeiten dar, die durch die Aktiva — und zwar schon durch -die sofort greifbaren — weit überdeckt sind. Die äußere Finanzlage -der Gesellschaft muß also als glänzend bezeichnet werden. Zum Teil -hing das damit zusammen, daß die B. E. W. durch Obligationenausgabe -in der Lage gewesen waren, einen großen Teil der ihnen geleisteten -Vorschüsse zurückzuzahlen. Auch war vom Effektenbestande einiges -verkauft worden. Die <em class="gesperrt">innere</em> Fundierung der Gesellschaft, nicht -zu verwechseln mit der äußeren Finanzlage, ist befriedigend, aber nicht -mehr als dies, wenn man sie in Vergleich stellt zu der Reservenfülle, -die in späteren Jahren erreicht wurde. Der ordentliche Reservefonds, -der bei einem Kapital von 20 Millionen Mark 4479479 Mark enthielt, -ist fast ausschließlich aus den Agiogewinnen der Kapitalserhöhungen -zusammengesetzt. Eine solche Reserve kann wertvoll sein, wenn der -innere Wert der mit hohem Agio begebenen Aktien dem äußeren Kurse -entspricht, er kann aber auch ein Truggebilde darstellen, wenn die -Emissionskurse und die Dividenden künstlich und ungesund in die Höhe -getrieben worden sind. Eine außerordentliche Reserve von 500000 Mark -und ein Rückstellungskonto von 550000 Mark sind zweifellos als echte -Reserven zu bezeichnen, denn sie stammen aus den erzielten Gewinnen. -Stille Reserven enthielt die Bilanz der Gesellschaft im Jahre 1894 wohl -erst in bescheidenem Umfange; sie ruhten zumeist in dem Effektenbesitz, -wenngleich dieser damals über alle Schwankungen noch keineswegs -hinaus war und deshalb eigene Vorsichtsreserven brauchte, die auf ihm -ruhenden Reserven also erst zum Teil für das<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> Gesamtunternehmen in -Rechnung gestellt werden konnten. Die Abschreibungen auf Anlagekonten, -die damals noch sichtbar gemacht wurden, waren angemessen, zum Teil -sogar reichlich, sie betrugen bei Maschinen etwa 10%, bei Werkzeugen, -Modellen usw. etwa 20%. Hier und da wurden Extraabschreibungen -vorgenommen. Auch hier kann man von Überschuß-Reserven, die über die -Sicherung der einzelnen Anlagekonten wesentlich hinausgingen, auf die -sie vorgenommen worden waren, kaum schon sprechen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zehntes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Zehntes Kapitel</em><br /> - -Das Finanz- und Trust-System</h2> - -</div> - -<p>In einem kurzen Jahrzehnt war es dem bauenden Genie Rathenaus gelungen, -aus einer eng begrenzten Spezialfabrikation trotz aller technischen -und vertraglichen Fesseln, ein großes, universelles Fabrik- und -Geschäftsunternehmen zu machen. Die kleine Glühlampe hatte den Weg zu -großen industriellen Neuschöpfungen erhellt. Sie hatte auch in dem -ringenden Chaos des Rathenauschen Hirns den schöpferischen Funken, die -klärende Flamme entzündet.</p> - -<p>Im vorigen Kapitel haben wir die äußere Expansion der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft in dem ersten Abschnitt ihrer veränderten -Gestalt geschildert, die Verbreiterung der Fabrikation und die ersten, -aber schon kräftigen und vielfältigen Anfänge des Beteiligungs- -und Unternehmergeschäfts. Der jetzt zu behandelnde Zeitraum, der -ungefähr die Jahre 1895–1901 umfaßt, und von der Gewinnung der -vollständigen Handlungsfreiheit der A. E. G. bis zum Ausbruch der -großen Elektro-Krise um die Jahrhundertwende reicht, ist erfüllt von -den starken Fortschritten dieser doppelten Expansion, die sich ins -Große und Reiche auslebt. Daneben aber und im Gleichschritt mit dieser -ständigen Mehrung der <em class="gesperrt">Quantität</em> des Besitzes und Einflusses -entwickelt sich — mehr unterirdisch und zunächst nur dem eingeweihten -Auge sichtbar — ein Prozeß der Konsolidierung und Organisierung der -zunächst nach außen bewegten Kräfte, der zu einer stärkeren Festigung -der Fundamente, zu einer Dichtung des Gebälks, zu einer inneren -Auspolsterung mit freien, beliebig hin- und herschiebbaren Reserven -führt. Dadurch wird für das Ganze eine Elastizität erreicht, die in der -Lage ist, Verschiebungen, Erschütterungen und Verluste, die von außen -an das Unternehmen oder einzelne Teile herantreten, im wachsenden Maße -innerlich auszugleichen und somit auf den Weg der Rentenstabilisierung, -der Sicherstellung und Festigung der Aktiendividende führt. Die -Fabrikation wird nicht nur ausgedehnt, sondern auch teils durch -technische, teils durch<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span> finanzielle Ökonomie verbilligt, und somit in -die Lage gesetzt, wettbewerbsfähiger liefern und Konjunkturabschläge -ausgleichen zu können. In das Unternehmergeschäft, das bisher -unorganisiert, sozusagen von Augenblickserwägungen geleitet war, wird -System gebracht. — Mit wenigen Strichen soll zunächst das Bild der -<em class="gesperrt">äußeren Fortentwickelung</em> der Gesellschaft in dieser Periode -gezeichnet werden.</p> - -<p>In den Geschäftsberichten der Jahre 1894 und 1895 war bereits -auf die zunehmende Bedeutung der <em class="gesperrt">Kraftübertragung</em> für die -elektrische Industrie hingewiesen worden, nachdem die Bestrebungen, die -Elektrotechnik der Kraftübertragung und Kraftverteilung zuzuführen, -infolge des Beharrungsvermögens der Verbraucher lange erfolglos -geblieben waren. Zwei Entwickelungen waren es, die dann in der Frage -des elektrischen Antriebes der Arbeitsmaschinen den Bann brachen: -Die — nach kurzem Zögern — rapide Entwickelung des Drehstroms, die -Möglichkeit der Verwendung, Umformung und Verteilung hochgespannter -Ströme, die technisch wie ökonomisch dem bisher verwendeten Gleichstrom -und Wechselstrom weit überlegen waren, und ferner das Beispiel -der ersten <em class="gesperrt">Straßenbahnen</em>, die sofort und schlagend die -Betriebsbilligkeit der Elektrizität als Antriebs- und Arbeitsfaktor -erwiesen. „Die Elektrotechnik vertieft sich zur Maschinenindustrie.“ -Im Straßenbahnbau war die A. E. G. von Anfang an ebenso frei gewesen -wie Siemens & Halske, in der Entwickelung der Kraftübertragung hemmte -das vertragliche Verbot der Herstellung großer Maschinen und hierdurch -wurde die Ausnutzung des starken Vorsprungs, den der Gesellschaft das -von ihr zuerst und besonders wirkungsvoll dargestellte Drehstromsystem -ermöglicht hätte, verhindert, zumal eine Monopolisierung dieses bald -allenthalben von der Konkurrenz adoptierten Systems — wie das bei -großen elektrischen Erfindungen üblich ist — nicht gelang. Die erste -technische Aufgabe nach der Erlangung der völligen Fabrikationsfreiheit -war die Erweiterung der Maschinenfabrikation. 84541 qm wurden zu -diesem Zwecke längs des Humboldthains zwischen der Brunnen- bis zur -Hussitenstraße von der Berliner Lagerhof-Ges. in Liqu. erworben und -mit der alten Maschinenfabrik durch eine Tunnelbahn verbunden. 2 -Millionen Mark neue A. E. G.-Aktien, die bei dem damaligen Kurse -einen Wert von mehr als 5 Millionen Mark repräsentierten und 341667 -Mark in bar mußten für die Grundstücke<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> allein bezahlt werden. Für -den Ausbau wurden die Mittel der Gesellschaft um weitere 5 Millionen -Mark Obligationen und 3 Millionen Mark neue Aktien vermehrt, von -denen allerdings 1 Million Mark zum Erwerb von 2 Millionen Mark -Anteilen der <em class="gesperrt">Elektrochemischen Werke Bitterfeld G. m. b. H.</em> -dienten und der Rest zum Kurse von 175% den Aktionären angeboten -wurde. Die zweite große Ergänzung des fabrikatorischen Prozesses der -Gesellschaft, das <em class="gesperrt">Kabelwerk</em>, das Material für unterirdische -Leitungen erzeugen sollte, nachdem die Gesellschaft schon seit längerer -Zeit oberirdisches Leitungsmaterial herstellte, wurde im Jahre 1896 -begonnen. Dafür wurde ein Gelände von 102,120 qm an der Oberspree, -unmittelbar neben der neuen Kraftstation der B. E. W. erworben; dahin -wurde die gesamte Leitungsmaterialfabrikation verlegt, so daß der -bisher durch die Fabrik für oberirdisches Leitungsmaterial belegte -Werkstattraum in der Ackerstraße für andere Zwecke frei wurde. -Zugleich gewann die Gesellschaft durch den neuen Grundstückskauf einen -wertvollen Wasserstraßenanschluß. Von den bestehenden Fabrikanlagen -wurde die Glühlampenfabrikation durch Hinzunahme neuer Räume auf dem -Grundstück Schlegelstraße so beträchtlich erweitert, daß sie im Jahre -1895/96 600000 Lampen mehr erzeugen konnte als im Vorjahre und daß -die Erhöhung der gesamten Produktion auf das Doppelte im Bedarfsfalle -mit den geschaffenen Betriebseinrichtungen vorgenommen werden konnte. -Eine Anzahl von neuen Modellen, besonders Lampen hoher Spannung, die -eine wesentliche Ausdehnung der Netze von Beleuchtungsstationen ohne -starke Kosten ermöglichten, wurde in den nächsten Jahren geschaffen. -Im Jahre 1897/98 stieg der Absatz weiter um 900000 Lampen gegenüber -der gleichfalls wesentlich erhöhten Zahl des Vorjahres; in den Jahren -1898/99 und 1899/1900 um je 1 Million. Damit war die Leistungsfähigkeit -der erweiterten Fabrik erschöpft und es mußte zu einer neuen Ausdehnung -geschritten werden. Dabei wurde auch Vorsorge für die Haltung eines -größeren Lagerbestandes getroffen. Die Preise für Glühlampen waren -infolge der starken Konkurrenz in dieser Zeit ständig unter Druck, und -in den Kreisen der Fabrikanten wurde vielfach über unauskömmliche, zum -Teil ruinöse Preise geklagt. Im Geschäftsbericht für das Jahr 1895/96 -trat die A. E. G. diesen Anschauungen mit folgenden Worten entgegen: -„Trotzdem der Marktpreis der Glühlampen sich über das frühere<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span> Niveau -nicht erhoben hat, müssen wir der, auch von Fabrikanten vielfach -ausgesprochenen Ansicht entgegentreten, daß derselbe die Lieferung -eines sorgfältig sortierten und geprüften Fabrikates nicht gestatte. -Bei zweckmäßigen Einrichtungen und entsprechendem Umsatz ist der Preis -dieses nach Millionen zählenden Massenartikels auskömmlich.“ — In -den nächsten Jahren bis zur Krise kam die rückläufige Preisbewegung -auf dem Kohlenfadenlampen-Markte nicht zum Stillstand. Erst nachdem -eine Reihe schwacher und nicht konkurrenzfähiger Betriebe zum Erliegen -gekommen war, gelang ein Zusammenschluß der verbliebenen Fabriken im -<em class="gesperrt">Kohlenfadenlampensyndikat</em>. Im Jahre 1898 erwarb die A. E. G. die -Nernstlampe, die nach dem Erfinder Prof. Dr. Nernst in Göttingen diesen -Namen erhalten hat, und suchte, zunächst durch Laboratoriumsarbeit die -praktische Verwertbarkeit dieser Lampe zu erreichen und sie für die -Fabrikation vorzubereiten. Darüber wurde im Geschäftsbericht dieses -Jahres geschrieben:</p> - -<p>„Im Laboratorium beschäftigen wir uns seit Mitte März mit der -Erfindung des Herrn Professors Dr. Nernst in Göttingen. Das Prinzip -derselben läßt sich kurz dahin charakterisieren, daß, ähnlich wie beim -Gasglühlicht anstatt leuchtender Kohlenpartikelchen Substanzen von -besserer Lichtemission durch die Flammgase zum Glühen gelangen, so auch -in der neuen Lampe anstatt Kohlenkörper, die sowohl beim elektrischen -Bogen- wie Glühlicht bisher praktisch ausschließlich zur Verwendung -kamen, unverbrennliche Substanzen von hohem Lichtvermögen durch -den galvanischen Strom zur blendenden Weißglut erhitzt werden. Die -Hauptschwierigkeiten, die der Übertragung der Erfindung in die Praxis -anfänglich entgegenstanden, und welche einerseits die Anregung der im -kalten Zustande isolierenden Glühkörper, andererseits die Erzielung -genügender Haltbarkeit und Konstanz der Glühkörper bot, können jetzt -als bis zum gewissen Grade überwunden angesehen werden. Der Nutzeffekt -der Lampen ist z. Zt. etwa derjenige kleinerer Bogenlampen, also -erheblich besser als derjenige der bisherigen Glühlampen. Es steht zu -hoffen, daß sich der Nutzeffekt noch merklich steigern wird, und daß -sich Glühkörper bis zu fast beliebigen Kerzenstärken werden herstellen -lassen. In der Bequemlichkeit oder Handhabung sind die neuen Lampen -den Bogenlampen offenbar überlegen, stehen aber darin den gewöhnlichen -Glühlampen erheblich nach. Wir glauben nicht, daß die neue Lampe die<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> -bisherigen Systeme elektrischer Beleuchtung verdrängen wird, vielmehr -scheint uns sicher, daß sie neben jenen ihr Anwendungsgebiet sich -erobern wird.“</p> - -<p>Die Exploitation der Lampe nahm indes unerwartet viel Zeit in Anspruch, -trotzdem unermüdlich unter tätiger und ratender Mitarbeit Emil -Rathenaus an ihr gearbeitet und experimentiert wurde. 1899 hieß es: -„Die technische und wirtschaftliche Bedeutung der Nernstlampe werden -wir zu erproben Gelegenheit haben, sobald die im Bau begriffenen -Werkstätten uns in den Stand setzen, die der regen Nachfrage -entsprechenden Mengen herzustellen. Das Hauptpatent ist in Deutschland -nach Erledigung verschiedener Einsprüche erteilt worden. Die Option auf -die übrigen Patente mit Ausnahme derer für Österreich-Ungarn, Italien -und der Balkanländer haben wir ausgeübt.“ — Die Hauptschwierigkeit lag -danach nicht mehr in der Konstruktion, sondern in der Produktion, deren -Überführung ins Große sich Hindernisse in den Weg stellten. Sie waren -auch im folgenden Jahre noch nicht behoben. Endlich im Jahre 1900/01 -war das Stadium der Versuche und Enttäuschungen überwunden, worüber die -Gesellschaft mit folgenden Sätzen im Geschäftsbericht quittierte:</p> - -<p>„Ein voller Erfolg ist nach jahrelanger, mühsamer Arbeit die Einführung -der Nernstlampe geworden. Die schöne und zugleich sparsame Lichtquelle -befindet sich in Hunderttausenden von Exemplaren bereits im Gebrauch -und gewinnt infolge sehr günstiger Betriebserfahrungen und der äußerst -befriedigenden Meßresultate der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt -täglich weitere Kreise.“</p> - -<p>Vermochte die A. E. G. auf dem Gebiete der Beleuchtungstechnik -ihre dominierende Stellung (wenn auch unter ständiger, gewaltiger -Steigerung der Absatzquantität) nur gerade zu behaupten, während -ihren Plänen, neue Vorsprünge vor der Konkurrenz zu gewinnen, -— wie die Folgezeit lehren sollte — trotz der Nernstlampe ein -durchschlagender und dauernder Erfolg nicht beschieden war, so wurden -auf anderen Gebieten Leistungen vollbracht, die durchaus den Stempel -des Neuartigen, Schöpferischen trugen. Hierher gehört vor allem -die klassische Durchbildung und praktisch-großartige Nutzanwendung -der Kraftübertragung in Stromerzeugungswerken, die das Höchstmaß -der damals möglichen Leistungsfähigkeit zu erreichen und ständig -zu erweitern suchten. Gerade dadurch, daß Rathenau auf dem Gebiete -des Wechselstroms nichts überstürzte und andere<span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span> Unternehmungen, -so die Helios-Gesellschaft in Köln, englische und schweizerische -Gesellschaften den Wettlauf um die halbfertigen, halbgelungenen -Verwirklichungen ausfechten ließ, erwies er die Geduld und die -Kunst des Meisters. Er hatte sehr richtig erkannt, daß die Motoren -und auch die Lampen erst einer gründlichen Durchbildung für das -Hochspannungssystem bedurften, die nicht im Handumdrehen zu erreichen -war. Seine ersten nach dem Drehstromsystem erbauten Zentralen waren, -nachdem diese Schwierigkeiten überwunden waren, von überzeugender -Schlagkraft und Reife. Die Zentrale in Straßburg i. E. wurde im -Jahre 1895 rechtzeitig eröffnet, um die Stromlieferung für die -elsaß-lothringische Landesausstellung übernehmen zu können. Die neue -Zentrale an der Oberspree trat im Jahre 1896 in Tätigkeit mit einer -Anlage, die auf 50000 Pferdekräfte zugeschnitten war und einen Teil der -Vororte Berlins mit billiger Energie nach einem besonders vorteilhaften -Tarif versorgen sollte. Die Werke der Berliner Elektrizitätswerke -wurden dadurch ergänzt und die B. E. W. übernahmen das fertiggestellte -Werk, nachdem sein Funktionieren zweifelsfrei erwiesen war. Die -moderne Außenanlage wurde bei der nächsten Vertragserneuerung dem -Vertrage mit der Stadt Berlin eingegliedert, und man sorgte dafür, -daß der in Oberschöneweide erzeugte Hochspannungsstrom auch in -das innere Weichbild Berlins eingeführt werden konnte, wo er in 5 -Unterstationen umgeformt wurde. Die Riesenmaschinen der neuen Zentrale -erregten die Bewunderung der ganzen Fachwelt, deren Vertreter wie -seinerzeit bei der Straßenbahn in Halle aus aller Herren Länder zur -Besichtigung herbeieilten. Es folgten die Anfänge der Versorgung -des oberschlesischen Industriebezirks mit Licht- und Kraftstrom, -verbunden mit der Elektrifizierung oberschlesischer Straßenbahnen. -In Zaborze und Chorzow wurden zunächst Zentralstationen errichtet, -die das Fundament für die <em class="gesperrt">Oberschlesischen Elektrizitätswerke</em> -abgaben, und im Laufe der Zeit unter der Firma Schlesische -Elektrizitäts- und Gas-Aktiengesellschaft sich zu einem der wenigen -ganz großen Überlandzentralen-Werke Deutschlands auswuchsen. Die -Kraftübertragungswerke Rheinfelden, deren schwierige Wasserbauten -infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse und des dadurch -herbeigeführten hohen Wasserstandes des Rheins nicht mit der -planmäßigen Schnelligkeit gefordert werden konnten, reiften ihrer -Vollendung entgegen. Hier wie in anderen<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span> modernen Zentralstationen -wurden <em class="gesperrt">Turbinen</em> großer Maßstäbe als Antriebsmaschinen -verwendet. Auch auf diesem Gebiete trat das echt Rathenausche Prinzip -deutlich hervor, nicht zu warten, bis der Absatz allmählich den -Erzeugungsstätten zufloß, sondern sich für besonders rationell zu -erzeugende Kraft Groß-Abnehmer zu schaffen. Die Kraftübertragungswerke -Rheinfelden überließen die Hälfte ihrer verfügbaren Kraft auf die -Dauer der Konzession großen elektrochemischen Fabriken, die von der A. -E. G. und ihrem Konzern zu diesem Behufe gegründet oder unterstützt -worden waren und deren Produktionsnutzen auf dem Prinzip des billigen -Kraftbezuges beruhte. Der Standort der billigen Betriebskraft fing -auch in der elektrotechnischen Industrie an, eine maßgebende Bedeutung -neben dem Standort der günstigen Produktions- und Absatzverhältnisse -zu erlangen. Die Elektrochemie, der sich die A. E. G. besonders -durch Errichtung der Elektrochemischen Werke in Bitterfeld mit ihren -Zweigunternehmungen in Rheinfelden zugewendet hatte, betätigte sich -in der ersten Zeit besonders durch Erzeugung von Kalziumkarbid, um -später durch die elektrochemische Herstellung von Luftstickstoff eine -gewaltige Bedeutung zu erlangen. — Lizenzen der elektrochemischen -Verfahren wurden an ausländische Gesellschaften, in Polen, in -Frankreich, in der Schweiz usw. übertragen, an denen sich das -Stammunternehmen beteiligte.</p> - -<p>In dieser Zeit beginnt auch das <em class="gesperrt">ausländische</em> Gründungs- und -Beteiligungsgeschäft, das schon vorher in kleineren und mittleren -Unternehmen betätigt worden war, große Formen anzunehmen. Die Werke in -Madrid, Barcelona, Bilbao, Craiova, Kopenhagen hatten die A. E. G. im -Auslandsgeschäft heimisch gemacht. Im Jahre 1894 wird durch Übernahme -der Aktien der von der Stadtgemeinde Genua und der italienischen -Regierung konzessionierten Società di Ferrovie Elettriche e Funicolare -(Elektrische Tram- und Drahtseilbahnen) die Zusammenfassung und -Elektrifizierung des gesamten Straßenbahn- und Krafterzeugungswesens -der lebendigsten italienischen Hafenstadt eingeleitet. Schon im -nächsten Jahre wird diese Gesellschaft zum Erwerb sämtlicher -Aktien der Società dei Tramways Orientali veranlaßt, die mit den -Konzessionsrechten zum Bau und zum Betrieb elektrischer Trambahnen für -den Osten von Genua und für die Vororte bis Nervi ausgerüstet war. -Die Netze beider Verkehrsunternehmen sollten zusammen ausgebaut und -in einheitlichem Betriebe geführt<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> werden. Nahezu gleichzeitig mit -dem Erwerb der Società dei Tramways Orientali wird der A. E. G. von -der Stadt Genua die Konzession für den Bau und Betrieb eines Werkes -zur Erzeugung von Licht und Kraft erteilt, die einer neugegründeten -italienischen Aktiengesellschaft „Officine Elettriche Genovesi“ -übertragen wird. Die Interessen der drei Gesellschaften wiesen auf -enges Zusammengehen hin, damit alle Vorteile ausgenutzt würden, die -sich aus der Zusammenlegung der Betriebe ergeben konnten. Die schon -an sich starke Position der A. E. G. in der Elektrizitätsversorgung -Genuas wird noch dadurch verstärkt und ergänzt, daß die seit Jahren -bestehende große Pferdebahn der Compania Generale Francese, die Genua -mit Sampierdarena, Pegli, Voltri und Pontedecimo verband, in den -Besitz einer neugegründeten italienischen Aktiengesellschaft, der -Unione Italiana, übergeführt und dem Netz der A. E. G. — wenn auch -nicht durch direkte finanzielle Beteiligung, so doch durch Bau- und -Betriebseinfluß — angegliedert wird. Alle drei Trambahnunternehmen, -die eine Gleislänge von 90 km besitzen, werden in elektrischen Betrieb -überführt und mit dem Strom der Offizine Elettriche Genovesi, des neuen -Kraftwerks, gespeist. Diese mustergültige Konzentration des gesamten -Elektrizitätswesens einer großen Stadt bietet eine Fülle finanzieller, -organisatorischer und technischer Arbeit, zu deren Bewältigung ebenso -wie für andere gegenwärtige und zukünftige Aufgaben ähnlicher Art -eine besondere Finanzgesellschaft, die „<em class="gesperrt">Bank für elektrische -Unternehmungen in Zürich</em>“ mit einem Kapital von 30 Mill. Fr. -gegründet wird. Sie übernimmt zunächst den Hauptaktienbesitz der A. -E. G. an den italienischen Gesellschaften, zu denen im Laufe der Zeit -Betriebe in Mailand, Venedig und Neapel treten.</p> - -<p>Noch breitere Dimensionen, weitere Perspektiven weist ein zweites -Auslandsunternehmen auf, das zum ersten Mal die Pioniere der A. E. G. -nach <em class="gesperrt">Übersee</em> führt. In Buenos Aires und in Santiago de Chile -werden im Jahre 1897 Konzessionen zur Errichtung von Zentralstationen -für die Erzeugung von Kraft und Licht erworben. Straßenbahnprojekte -ergänzen diese Konzessionen. An der chilenischen Unternehmung -beteiligen sich neben der A. E. G. und ihren Finanzfreunden, die dem -Löwe-Konzern nahestehende Gesellschaft für Elektrische Unternehmungen -und das Haus Wernher, Beit & Co. in London. Die südamerikanischen -Werke, zu denen später noch<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span> Gründungen in Montevideo und Rosario -treten, werden in einer <em class="gesperrt">Deutsch-Überseeischen Elektrizitäts-Ges.</em> -zusammengefaßt. Diese Gesellschaft entwickelt sich so gewaltig, daß zu -ihrer Finanzierung später fast alle deutschen Banken, unter der Führung -der Deutschen Bank hinzugezogen werden, und daß ihr technischer Ausbau -ein Zusammenarbeiten der A. E. G. mit Siemens & Halske wünschenswert -erscheinen läßt. Es entsteht und wächst ein Unternehmen, dessen Kapital -schließlich 150 Millionen Mark an Aktien und über 100 Millionen -Mark an Obligationen erreichte, das größte Kulturwerk deutscher -Auslandswirtschaft.</p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>Neben der <em class="gesperrt">zentralistischen</em> Tätigkeit der A. E. G. in den eigenen -Fabriken war seit der Schaffung der B. E. W. in immer stärkerem -Umfange die <em class="gesperrt">dezentralisierende</em> getreten, die sich in der -Gründung von Zweigunternehmungen, Tochter- und Enkelgesellschaften -aller Art ausdrückte. Es wurde ein Weg beschritten, zunächst scheinbar -unabsichtlich oder doch ohne feste programmatische Absicht, der von -Fall zu Fall, wie es jeweilig die einzel-geschäftliche Erwägung -zweckmäßig erscheinen ließ, zu Außenansiedelungen führte, die dem -Stammunternehmen in irgend einer Hinsicht von Nutzen sein und als -Stützpunkte dienen konnten. Die Methode der Dezentralisation, der -Abzweigung exzentrischer Unternehmergebiete vom Hauptunternehmen -durch Schaffung juristisch selbstständiger Gesellschaften oder -auch der Zusammenfassung einer Reihe von verwandten, miteinander -in Beziehung stehenden oder einander ergänzenden Unternehmungen in -einer Gruppe, sei es durch eine übergeordnete Mantelunternehmung -oder durch gegenseitige Aktienbeteiligung, ist nicht von Rathenau -erfunden worden. In dem Zeitalter, das durch Konzentration groß wurde, -lag sie sozusagen in der Luft. Die dezentralisierenden Seiten des -sogenannten Verschachtelungssystems entlasteten die Leiter der großen -Gruppenunternehmungen von einer Kleinarbeit und einer aktienrechtlichen -Verantwortlichkeit für Einzelheiten ihrer weitverzweigten Geschäfte, -die sie bei einer streng zentralistischen Verwaltung in der -Entfaltung ihrer Kräfte behindert, vielleicht erdrückt hätten. Die -zusammenfassenden Seiten dieses Systems boten ihnen trotzdem die -Möglichkeit, jederzeit alle Ausstrahlungen<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span> ihrer Unternehmungen zu -überblicken und zu überwachen. Vor Rathenau und gleichzeitig mit ihm -waren in der heimischen und der ausländischen Industrie trustartige -Gebilde entstanden, so besonders in den Vereinigten Staaten von -Amerika, wo sie sich als eine Folge des dort üblichen Finanz- und -Kapitalsystems herausbildeten. Zusammenballung unter ständigem Kampf -mit Konkurrenten war die Tendenz, in der unter der rein plutokratischen -Ordnung in Amerika Vermögen und Unternehmungen in die Breite strebten. -Die Häufung der <em class="gesperrt">Quantität</em> gab hier oft den Ausschlag, und -die großen Trustherren des Landes erweiterten ihren Aktienbesitz -durch Zusammenschweißung vielfach heterogener Wirtschaftsgebilde, -getrieben häufig nur von dem Willen zur Macht und zum Reichtum. -Rivalitätsneid, Agiotage, Plusmacherei, Spekulationssucht und andere -unsachliche Nebenerscheinungen des kapitalistischen Unternehmertums -nahmen im Transaktionswesen einen ungebührlich breiten Raum ein -und durchseuchten auch das Wurzelreich der Trustkombinationen. Die -Operationen am Aktienmarkte, nicht die wirtschaftlichen Interessen -der Industrie bildeten häufig die Triebfeder für Effektengeschäfte. -Nicht die Wertebildung, sondern die Wertebemessung war ihr Ziel. Es -konnte durch rasche Manöver besser erreicht werden als durch geduldige -Arbeit, und der Kurs ließ sich schneller beeinflussen als die Rente. -Da der Gewinn am Kurse schon an sich den Gewinn an der Rente um ein -Vielfaches übertrifft, indem er sozusagen die Kapitalisierung des -letzteren darstellt, da überdies Schwankungen des Kurses sich ungleich -häufiger ins Werk setzen lassen als Schwankungen der Rente, findet -derjenige, der auf eine schnelle Häufung großer Kapitalien ausgeht, in -dem Manipulieren, das heißt dem Hin- und Herschieben von industriellen -Wertpapieren eine Potenzierung <em class="gesperrt">der</em> Gewinnmöglichkeiten, die -ihm die Entwickelung von industriellen Werten bietet. Nur durch -die skrupellose Schaffung und Ausnutzung von künstlichen oder gar -fiktiven Werteverschiebungen und Wertevergrößerungen, für die -industrielle Vorgänge geschickt als Vorwand benutzt oder konstruiert -wurden, erklärt sich die schnelle Bildung mancher amerikanischen -Riesenvermögen. Ebensowenig wie behauptet werden kann, daß unsere -deutschen Verhältnisse von derartigen Erscheinungen und Auswüchsen -ganz frei gewesen sind — wir werden später noch sehen, daß gerade -das Rathenausche Unternehmergeschäft, falsch nachgeahmt, zu ganz<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> -ähnlichen Mißbräuchen des Effekteninstruments, allerdings in den -kleineren Maßen unseres Landes geführt hat —, ebensowenig soll dem -amerikanischen Trustsystem jeder sachlich-wertvolle Inhalt, jeder -industriell-zweckvolle Gesichtspunkt abgesprochen werden. Neben der -rein kapitalistischen Macht wurde vielfach auch industrielle Macht -angestrebt, und im Entwurf, wenn auch nicht in der Ausführung, hatten -die Spekulationen der Trustkönige fast stets einen wirtschaftlich -wertvollen Kern, weshalb manchen dieser Männer auch — im Anfange ihrer -Tätigkeit wenigstens — der gute Glaube nicht unbedingt abgesprochen -werden kann. An wirtschaftlicher Phantasie fehlte es ihnen häufig -nicht, wohl aber an wirtschaftlicher Solidität, und sie zogen es -bald — nachdem sie die großen Schwierigkeiten zäher Industriearbeit -kennen gelernt hatten — vor, Effektenpolitik zu treiben, statt -Wirtschaftspolitik. Viele der großen Trusts haben infolgedessen -Jahrzehnte gebraucht, ehe sie das ihnen bei ihrer Taufe mitgegebene -reichliche „Wasser“ aus ihren Eingeweiden aussondern konnten, und die -unorganische Anlage mancher der amerikanischen Bahnsysteme hat sich -bis in die heutige Zeit als unheilbar erwiesen. Auch die elektrischen -Konzerne der Vereinigten Staaten litten jahrzehntelang unter den -Schäden zu leichter Zimmerung.</p> - -<p>Wenn nun im Laufe der Jahre, nachdem die Expansionsmöglichkeiten selbst -in Amerika eine gewisse Einengung erfahren haben, die Entwickelung -auch in diesem Lande zu einer gewissen Intensität der Wirtschaft -hinlenkte, wenn auch hier die Effektenfluktuationen allmählich -ruhiger wurden, das Land des Trustsystems hat es bisher eigentlich -nur zu Unternehmungsgruppen gebracht, die man <em class="gesperrt">Flächentrusts</em> -nennen kann. Es wird eine Anzahl von Unternehmungen, die denselben -Zweck verfolgen und einander ungefähr ähnlich organisiert sind, -zusammengebracht, um die Konkurrenz zwischen ihnen auszuschließen und -den Markt in den von ihnen hergestellten Waren oder den von ihnen -geleisteten Arbeiten zu monopolisieren. Die amerikanischen Trusts sind -im allgemeinen Gegenstücke zu unseren deutschen <em class="gesperrt">Kartellen</em>. -Sie verfolgen denselben Zweck wie diese, wenngleich sie ihn nie so -voll erreicht haben, weil in Amerika die größeren industriellen -Neubildungsmöglichkeiten ein Außenseitertum mehr begünstigten als -unsere extensiv ziemlich erschöpfte und nur im wesentlichen noch -intensiv zu entwickelnde Industrie. Der wirtschaftliche Vorteil -der amerikanischen Trusts besteht nun<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> fast lediglich darin, ihre -Beteiligten davor zu bewahren, die Waren ohne den von ihnen für -notwendig gehaltenen Produktionsnutzen abgeben zu müssen. Die -Politik, die sie betreiben, ist daher nicht nur in der Absicht, -sondern auch in der Wirkung reine Produzentenpolitik. Sie stärkt die -Erzeugerschicht und leistet der Volkswirtschaft damit einen — wenn -auch einseitigen — Dienst, indem sie die Rente des in der Industrie -arbeitenden Kapitals schützt und mehrt, und das Gesamtkapital des -Landes, allerdings vielleicht unter Schädigung anderer Schichten, -nach einer bestimmten Richtung hinlenkt. Wird ihre Politik maßvoll -gehandhabt, so braucht sie, und dasselbe gilt von der Politik der -deutschen Kartelle, auch den Interessen der Konsumenten nicht zuwider -zu laufen. Ist ihre Preisdiktatur aber rücksichtslos, so kann die damit -verbundene Schädigung der Konsumenten oder Weiterverarbeiter so groß -sein, daß sie der gesamten volkswirtschaftlichen Ökonomie des Landes -abträglich wird. In der Praxis haben die amerikanischen Trustherren, -die „reichen Räuber“, begünstigt durch eine auf ihre industriellen -Interessen zugeschnittene Hochschutzzollpolitik, tatsächlich die -Kapitalbildung des Landes in eine industrieplutokratische Richtung -gezwungen, wie sie sich in keinem anderen Lande auch nur annähernd -so scharf ausgeprägt hat. Den amerikanischen Flächentrusts sind aber -die ökonomischen Vorteile, wenn auch nicht gänzlich fremd, so doch -verhältnismäßig wenig vertraut, die sich aus der <em class="gesperrt">Vertiefung</em> -des Produktionsprozesses durch Selbstbedarfsherstellung und -Selbstabsatzdeckung ergeben können. Derartige <em class="gesperrt">Tiefentrusts</em>, wie -sie besonders die deutsche Industrie herausgebildet hat, verfolgen -an sich nicht die Tendenz der Marktbeherrschung. Sie wollen nicht -so sehr an dem teuren Absatz einer Ware verdienen, als an der -billigen Produktion. Sie wollen diese Ware so billig wie möglich -<em class="gesperrt">herstellen</em>, um sie — trotz Erzielung ihres angemessenen -Unternehmer-Nutzens — so wettbewerbsfähig, das heißt so wohlfeil wie -möglich <em class="gesperrt">verkaufen</em> zu können. Sie erreichen dies dadurch, daß -sie die Ware in einem möglichst lückenlosen Produktionsprozeß in allen -Stadien der Rohstoffbeschaffung, Weiterverarbeitung und Endproduktion -selbst erzeugen und sie so — unbelastet mit den Produktionsnutzen der -Vor-Unternehmer (Roh- und Halbstofflieferanten) — lediglich unter -Einkalkulierung ihres Schlußgewinnes in den Verkehr bringen können. Die -volkswirtschaftlichen Vorteile dieses Systems<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> liegen auf der Hand. -Sie sind produzenten-fördernd und zugleich konsumenten-dienlich und -selbst wenn der Tiefentrust zugleich ein Monopol besitzt oder — wie -dies in der deutschen Montanindustrie der Fall ist — sich mit anderen -Unternehmungen ähnlicher Art durch Kartelle usw. zu einem Monopol -zusammenschließt, sind die Gefahren der Monopolisierung nicht so groß -wie bei dem Flächentrust, weil selbst ein hoher Preisaufschlag beim -Verkauf durch die Ersparnis an den Produktionskosten kompensiert oder -doch verringert wird. Ähnliche Ersparnisse kann der Flächentrust — -wie dies ja in Amerika teilweise der Fall ist — nur durch äußerste -Spezialisierung, also auf dem ganz entgegengesetzten Wege, machen, -zum Beispiel dadurch, daß eine Fabrik oder eine Fabrikengruppe nicht -Werkzeugmaschinen verschiedener Art, sondern nur eine ganz bestimmte -Werkzeugmaschinentype, daß eine andere Gruppe nur Automobilreifen, eine -dritte nur Fahrradreifen usw. herstellt. Eine solche Spezialisierung -läßt sich aber nur in der Verfeinerungsindustrie, nicht in den unteren -gewerblichen Stufen erreichen, sie entzieht dem Unternehmer auch den -Überblick über die Gesamtheit seiner Industrie, hindert manchmal darum -sein technisches Fortschreiten und setzt jedenfalls seinen, lediglich -auf einen bestimmten Produktionsprozeß zugeschnittenen Betrieb der -Gefahr aus, konkurrenz- und damit lebensunfähig zu werden, sobald von -irgend einer anderen Seite ein besseres Verfahren gefunden wird oder -die Konjunktur seinem Erzeugnisse ungünstig wird.</p> - -<p>Schon aus der Gegenüberstellung von Tiefen- und Flächentrust werden wir -erkannt haben, daß die trustartigen Erscheinungen, die Emil Rathenau -in Amerika vorgefunden haben mochte, als er sich anschickte, sein -Beteiligungs- und Unternehmungssystem zu schaffen, von ihm keineswegs -nur kopiert zu werden brauchten, um die ihm vorgeschriebenen Probleme -lösen zu können. Was er dort sah und von dort übernehmen konnte, -war eigentlich nur die Form der Effektenverschachtelung. Diese -konnte ihm an sich naturgemäß nichts bedeuten, sondern er bediente -sich ihrer nur, um die ganz eigenartigen und neuartigen Aufgaben -durchzuführen, vor die ihn seine Arbeit — erst von Fall zu Fall, -dann allmählich systematisch aus- und um sich greifend — stellte. -Das von ihm geschaffene Trustsystem läßt sich weder als Flächen- noch -als Tiefentrust bezeichnen, es hat Merkmale von beiden und daneben -Eigenschaften, die jenen beiden Systemen<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> ganz fremd sind. Es ist auch -nicht ausschließlich auf die Bildung von industriellen Werten bedacht, -wenngleich diese stets ausschlaggebend im Vordergrunde stehen. Es trägt -auch manche Bestandteile des Effektengeschäfts in sich, die zuerst -vielleicht unbewußt und unbeabsichtigt als Folgen der industriellen -Bildungen in Erscheinung treten, dann aber, als sie in ihrem Wert -und Nutzen erkannt sind, gern ausgebeutet und zur Gewinnung von -Geldmitteln benutzt werden, die später als erwünschtes Subsidienkapital -dem industriellen Prozeß wieder zugeführt werden. Als Selbstzweck, -das heißt als Mittel lediglich zum Zwecke der Geldansammlung werden -derartige Effektengeschäfte aber niemals betrachtet, und weil dies -nicht der Fall ist, können sich Effekten-Gesichtspunkte niemals zu -Herren der industriellen Gesichtspunkte machen. Die Effektengewinne -fallen sozusagen als reife Früchte vom Baume der industriellen -Entwickelung, und dürfen sich nie hervordrängen, wenn die industrielle -Frucht noch nicht gereift ist.</p> - -<p>Das Rathenausche Trustsystem wurde ganz von innen heraus aufgebaut. -Es waren Geschäfte da, die gemacht werden sollten, und zwar mit dem -geringsten Aufwand von Mitteln, Abhängigkeiten und Reibungen. Beispiele -sollten gegeben, Versuche unternommen werden. Alle diese Unternehmungen -suchten sich die Formen, die ihnen paßten, Formen, die nicht durch -ein Übermaß von Organisationsschwere, technischem Apparat den Inhalt -bedrückten, die aber genug Organisationskraft und Tragfähigkeit -besaßen, um nicht durch eine mangelhafte Durchführung die Sache zu -gefährden. Elastisch in seiner Beweglichkeit, fest in seiner Konstanz, -vielfältig in der Fülle und Verschiedenheit seiner Erscheinungen war -das Trustsystem Emil Rathenaus; es fanden sich Formen in ihm vor, die -nur <em class="gesperrt">einmal</em> angewendet wurden, es gab aber auch Typen, die in -verwandten Fällen mit mehr oder weniger großen Abweichungen wiederholt -wurden. Wenn es auch empirisch aufgebaut wurde, so mußte es doch -in einem gewissen Stadium seiner Entwickelung das Feuer logischer -Durchschmelzung und Gliederung, die Kontrolle der Idee durchschreiten. -Dieses Stadium war in dem Zeitraum von 1895–1900 gekommen, dessen -äußeren Entwickelungsgang wir oben geschildert haben. Deshalb dürfte -sich an dieser Stelle zweckmäßig der Versuch anschließen, das -Trustsystem Emil Rathenaus als ein Gebilde sui generis in seinen -Grundrissen und Grundzwecken zu untersuchen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span></p> - -<p>Die erste große Gruppe der Tochterunternehmungen der A. E. G. -verfolgte Zwecke der Demonstration. Werke dieser Art waren die -Berliner Elektrizitätswerke, die Stadtbahn in Halle, zu einem Teil -auch die Kraftübertragungswerke Rheinfelden und die Elektrochemischen -Werke in Bitterfeld. Durch sie sollten wichtige Anwendungsgebiete -der Elektrizitätsindustrie in der Methode geklärt und der Praxis -erschlossen werden. Ein Schulbeispiel wurde aufgestellt, an dem der -Produzent, wie der Konsument lernen sollte. Die A. E. G. lernte die -Methodik der praktischen Ausführung eines theoretisch bereits gelösten -Problems, der Konsum wurde durch die Vorteile, die ihm vor Augen -geführt wurden, zur Nachahmung und Benutzung angefeuert. War eine Idee -für die Ausführung im Großen, für die dauernde praktische Nutzanwendung -noch nicht reif, waren vor allem noch Zweifel vorhanden, ob sich diese -Idee in der Praxis ebenso bewähren würde wie in der Theorie, oder -war das technische Rüstzeug für die Ausführung eines Problems noch -nicht durchgebildet genug, so wurden der Kostenersparnis halber nur -Studiengesellschaften mit kleinem Kapital gegründet, sofern die bloße -Laboratoriumsarbeit in den eigenen Fabriken nicht die Sicherheit der -praktischen Bewährung zu bieten vermochte. Dies war zum Beispiel bei -der ersten Einführung des Edisonlichtes selbst, beim Akkumulatorenbau, -bei den elektrischen Vollbahnen, beim Untergrundbahnenbau, bei -der drahtlosen Telegraphie usw. der Fall. Waren anderswo bereits -reifere Stadien der Erfahrung erreicht, so suchte Rathenau — um -sich zeitraubende Umwege zu ersparen und nicht hinter der Konkurrenz -zurückzubleiben — sich ihre Benutzung zu sichern, entweder indem er -die Unternehmungen, die im Besitze brauchbarer Erfahrungen waren, -erwarb, oder indem er seine Verfahren ihnen überwies, und sich an dem -so geschaffenen Gemeinschaftsbetriebe beteiligte. Auf solche Weise kam -zum Beispiel die Beteiligung an der Akkumulatorenfabrik Berlin-Hagen -zustande, die gemeinsam mit Siemens & Halske erfolgte, indem die -A. E. G. in diese Gesellschaft ihre eigenen Akkumulatorenpatente -einbrachte und mit den von den Vorbesitzern des Hagener Werkes -benutzten Tudor-Patenten vereinigte. In solchen Fällen handelte es -sich meist um Produktionsprozesse, die die Gesellschaft für sich nicht -als hauptsächlich betrachtete und vornehmlich deswegen pflegte, um -Ergänzungen ihrer Hauptproduktionen herbeizuführen. Betriebszweige -ersten Ranges entwickelte sie meist selbständig, und<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> die oben -erwähnten Demonstrationsunternehmungen hatten den Zweck, sie populär -zu machen, wenn der Konsum sich ihnen nur zögernd zuzuwenden schien. -Das geschah hauptsächlich bei den Werken, die als Groß-Produzenten -oder Groß-Verwender elektrischen Stroms in Betracht kamen. Ihre -Produktions- und Absatzverhältnisse mußten erst sinnfällig geklärt, -ihre Rentabilitäts- und Wettbewerbsbedingungen praktisch erprobt -werden, ehe fremde Unternehmer sich ihnen zuwendeten. Der Einfluß der -Berliner Elektrizitätswerke auf den Zentralenbau war, wie wir schon -gesehen haben, außerordentlich stark, nachdem erst das Unternehmen -den Kinderschuhen entwachsen war. Sehr schnell wirkte das Beispiel -der Stadtbahn in Halle, zu dessen Besichtigung sofort Interessenten -aus ganz Deutschland und Europa zusammenströmten. Frühere Erfahrungen -aus amerikanischen Städten hatten hier den Bauproblemen wie der -Aufnahmefähigkeit des Publikums vorgearbeitet. Ziemlich langsam, aber -dann umso intensiver wirkte das Beispiel der Kraftübertragung.</p> - -<p>Das Demonstrations-Motiv blieb aber nicht lange das einzige oder -hauptsächlich ausschlaggebende beim Unternehmergeschäft. Auch nachdem -das gelungene Beispiel aufgestellt war, kamen die Interessenten nun -nicht in genügender Zahl sofort herbei, um es für ihre Rechnung -nachahmen zu lassen, und außerdem kamen die, welche es nachahmen -lassen wollten, nicht alle mit ihren Aufträgen zu der A. E. G. Auch -die Konkurrenz tat sich um und machte sich die werbende Kraft der -gelungenen Probestücke zunutze. Bei Interessenten, die noch nicht -ganz von der industriellen Lebensfähigkeit der Anlagen überzeugt -oder auch nicht allein in der Lage waren, ihre Kosten und Risiken zu -tragen, mußte nachgeholfen werden, indem sich die A. E. G. an der -Kapitalaufbringung oder sogar an der Betriebsführung beteiligte. Bei -Objekten, die von der Konkurrenz umworben wurden, mußten gleichfalls -finanzielle und betriebliche Beihilfen zugesagt werden. Neben das -Motiv der Anregung traten bald das Motiv der Nachhülfe sowie das -Motiv des Wettbewerbs. Hier erscheint die Unternehmer-Beteiligung -aber immerhin noch als ein Mittel zum Zweck der Alimentierung des -<em class="gesperrt">Fabrikationsgeschäfts</em> mit Aufträgen, immer wieder von der -Tendenz begleitet, für die allgemeine Ausdehnung der angewandten -Elektrizität Propaganda zu machen. Die guten Erfahrungen, die -mit diesen Beteiligungsgeschäften gemacht wurden (und zwar nicht -nur<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span> in ihrer Rückwirkung auf die Fabrikation, sondern in rein -effekten-technischer Hinsicht) ließen aber neben die sekundären -Motive der Effektenbeteiligungen ebenso stark schließlich ihren -<em class="gesperrt">Selbstzweck</em> treten. Der Effektenbesitz rentierte sich so -gut, daß das Bestreben der A. E. G. ganz von selbst darauf hinging, -ihn in geeigneter Weise zu mehren. Die Unternehmungen, an denen sie -beteiligt war, wurden nicht nur durch ihre Bauaufträge, sondern -die in ihrem Betriebe fortlaufend hervortretenden Betriebs- und -Erweiterungsbedürfnisse zu einer ständigen Abnehmerschicht für die -A. E. G., ihre alljährlichen Dividendenerträgnisse führten der -Gesellschaft auch regelmäßig namhafte Summen zu. Daneben gab der -Effektenbesitz auch Gelegenheit zu vorteilhaften Transaktionen mit -der Wertpapier<em class="gesperrt">substanz</em>. Günstige Bezugsrechte auf neue Aktien -konnten ausgeübt, billig erworbene Effekten nach Eintritt oder nach -Besserung der Rentabilität abgestoßen werden. Häufig wurden beide -Transaktionen vereinigt und aus dem alten Besitz Aktien mit Buchgewinn -abgestoßen, während das Beteiligungsinteresse durch Übernahme -billigerer junger Aktien wieder aufgefüllt wurde. Je mehr sich der -betriebstechnische, verwaltungstechnische und finanzielle Umkreis -derartiger Geschäfte mehrte, desto nötiger wurde seine Gruppierung -und Organisierung in besonderen zusammenfassenden Verwaltungs- und -Aktionsunternehmungen, die die Hauptgesellschaft von einem verwirrenden -Zuviel an Belastung und Arbeit befreiten, wie es bei einem im -Grunde die Fabrikation pflegenden Unternehmen den eigentlichen Kern -nicht überwuchern durfte. Es wurden Neben-Zentralen, sogenannte -Mantel-Gesellschaften gegründet, die nicht Unternehmungen besonderer -Art <em class="gesperrt">schaffen</em>, sondern diese verwalten, überwachen und ihre -Bedürfnisse befriedigen sollten. Sie nahmen dem Konzern-Mittelpunkt -Funktionen ab, sie fügten ihm aber auch andererseits Kräfte und -Hilfsquellen zu, über die er ohne sie wahrscheinlich nicht hätte -verfügen können. Bei derartigen Mantelgesellschaften sind solche, -die als bankähnliche Institute die finanziellen Aufgaben der -Unternehmungen zu übernehmen hatten, zu unterscheiden von anderen, -die eine technische und betriebliche Überwachung durchführen sollten. -Zu den letzteren Unternehmungen gehörten die <em class="gesperrt">Allgemeine Lokal- -und Straßenbahn-Akt.-Ges.</em> für den Geschäftszweig „Elektrische -Bahnen“ und die <em class="gesperrt">Elektrizitätslieferungsgesellschaft</em> für<span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span> -die Abteilung „Elektrizitätswerke“. Die Allgemeine Lokal- und -Straßenbahn-Gesellschaft war ein bereits vorher bestehendes -Unternehmen, dessen Aktien die A. E. G. im Jahre 1890 aus dem damals -entlastungsbedürftigen Portefeuille der Nationalbank für Deutschland -erworben hatte. Der Geschäftsbericht der A. E. G. verzeichnet über -den Erwerb nur eine kurze Begründung: „Wir haben uns damit bei -einem in solider Entwickelung befindlichen Unternehmen beteiligt -und eine bleibende Unterlage für ein aussichtsvolles Vorgehen auf -Einführung des elektrischen Betriebes gewonnen.“ Der zunächst in den -Vordergrund tretende Zweck der Angliederung war nicht die Schaffung -eines „Mantels“ für neu zu errichtende oder zu erwerbende elektrische -Bahnen, sondern die Gewinnung eines Stammes eigener Pferdebahnen, -die als Objekte für die Überführung in den elektrischen Betrieb -benutzt werden konnten. Das Versuchs- und Demonstrationsmotiv -spielt also hier noch stark hinein, und das Unternehmerbaumotiv -steht zunächst im Mittelpunkt der Erwerbung. Später verschiebt -sich die Aufgabe der Allgem. Lokal- und Straßenbahn immer stärker -nach der Richtung einer Holding- und Verwaltungsorganisation für -alte und neuzuerwerbende Straßenbahninteressen. Sie wird eine -echte Mantelgesellschaft großen Stils. Daneben werden im Laufe der -Jahre noch kleinere Konzernunternehmungen für den Bahnenbetrieb, -so z. B. die Schlesische Kleinbahn-Akt.-Ges. erworben. — Die -<em class="gesperrt">Elektrizitätslieferungsgesellschaft</em>, die von vornherein als -Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft errichtet ist, wurde im Jahre -1897 ins Leben gerufen. Im Geschäftsbericht desselben Jahres wird ihr -Zweck folgendermaßen geschildert: „Nach dem Muster der Allgem. Lokal- -und Straßenbahn-Gesellschaft haben wir eine Stromlieferungsgesellschaft -unter der Firma „Elektrizitätslieferungsgesellschaft“ gegründet. Wie -jene eine Anzahl von elektrischen Bahnen in sich vereinigt und nach -einheitlichem Prinzip und mit wirtschaftlichem Erfolge verwaltet, -wird diese den Betrieb auch von Elektrizitätswerken übernehmen, die -den kostspieligen Apparat einer selbständigen Organisation nicht zu -tragen vermögen oder einer längeren Entwickelungszeit bedürfen, bevor -sie eine angemessene Rente gewähren. Wir haben das gesamte 5 Mill. M. -betragende Aktienkapital unserem Effektenbestande zu dauerndem Besitz -einverleibt und einen maßgebenden Einfluß auf die Geschäftsführung -der Gesellschaft uns gesichert.“ Weiterhin<span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span> wird dann bemerkt, daß -die Preise und Bedingungen für den Bau von Zentralen mit Rücksicht -auf die engen Beziehungen der Elektrizitätslieferungsgesellschaft -zur A. E. G. in billiger Weise durch Verträge festgelegt sind. Ein -Teil der Aktien der Elektrizitätslieferungsgesellschaft wurde später -übrigens den Berliner Elektrizitätswerken übereignet, als bei diesen -die Wahrscheinlichkeit eintrat, daß die Verträge mit der Stadt Berlin, -die ihren Hauptinhalt bildeten, nicht erneuert werden würden. Die B. -E. W. haben sich schon in den letzten Jahren vor dem Vertragsablauf, -und später noch entschiedener, zu einer Mantelgesellschaft für -Stromerzeugungswerke ausgebildet, da der bei ihnen nach der Übernahme -der Werke durch die Stadt Berlin eintretende Rückfluß freigewordener -Anlagekapitalien mit dem gerade um diese Zeit akut werdenden -Geldbedürfnis anderer in der Entwickelung befindlicher Unternehmungen -des Konzerns zusammentraf. Ihren Hauptbesitz bildeten einige Zeit -die „Elektrowerke“ in Bitterfeld, die auf Braunkohlengrundlage die -Stromerzeugung in großem Maßstabe mit der Tendenz der Fernübertragung -aufnahmen. Als die Entwickelung der Elektrowerke nicht die gewünschten -schnellen Fortschritte machte, wurde diese Beteiligung indes von den -B. E. W. der A. E. G. selbst übertragen und später das ganze Werk von -den Reichsstickstoffwerken übernommen. Durch den früher erfolgten -Erwerb von Aktien der Elektrizitätslieferungsgesellschaft seitens -der B. E. W. wurde eine doppelte Verschachtelung herbeigeführt, die -nicht das einzige Beispiel für die indirekten Beteiligungs-Methoden -des Systems Rathenau ist. Die Mantelgesellschaft erwarb — und -zwar lediglich aus finanztechnischen Gründen — die Aktien einer -anderen Mantelgesellschaft, der Weg von dem äußersten Mantel -bis zu den direkten Produktionsgesellschaften führte hier über -zwei Stufen. Ähnliche Mehrstufigkeiten traten z. B. dadurch in -Erscheinung, daß die Elektrizitätslieferungsgesellschaft territoriale -Unter-Elektrizitätslieferungsgesellschaften in Bayern, Sachsen, -Thüringen und so weiter gründete, in denen die bayerischen, sächsischen -und thüringischen Stromwerke zusammengefaßt waren. Den größten Teil der -Aktien dieser territorialen Elektrizitätslieferungsgesellschaften nahm -die Berliner Elektrizitätslieferungsgesellschaft in ihr Portefeuille. -Stellt man folgende Stammtafel auf:</p> - -<div class="stammtafel"> - -<p class="p0">Aktien des <em class="gesperrt">Elektrizitätswerkes Plauen</em> besitzt die -<em class="gesperrt">Sächsische Elektrizitätslieferungs-<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span>Ges.</em>, Aktien der Sächs. -E. L. G. besitzt die <em class="gesperrt">Elektrizitätslieferungsgesellschaft -Berlin</em>, Aktien der E. L. G. Berlin besitzen die B. E. W. — -Aktien der B. E. W. besitzt die A. E. G.,</p> - -</div> - -<p class="p0">so erhält man das System der Verschachtelung bis zum vierten Gliede -fortgeführt. — Übrigens wird bei den sogenannten Mantelgesellschaften -das Prinzip, Aktien von Werken einer bestimmten Gattung nur jeweilig -der dafür geschaffenen Trust-Gesellschaft zu übergeben, nicht -immer ganz konsequent durchgeführt. So besitzt zum Beispiel die -Elektrizitätslieferungsgesellschaft Anteile der Brenner Werke G. m. -b. H. und der Elektromotor G. m. b. H. Hier handelt es sich aber -immerhin um Gesellschaften, die als Hilfswerke für Stromunternehmungen -bezw. als Erzeugungsstätten für Produkte, die bei der Stromverwendung -gebraucht werden, in Betracht kommen. Eine solche Verwandtschaft -ist aber — wenigstens äußerlich — nicht vorhanden, wenn zum -Beispiel die Elektrizitätslieferungsgesellschaft Aktien der Lahrer -Straßenbahn-Akt.-Ges. erwirbt. Erklären wird sich diese Anomalie -wahrscheinlich dadurch, daß irgend ein Werk der E. L. G. den Strom -für die Lahrer Straßenbahnen liefert und sich diese Beziehung durch -Aktienbesitz zu festigen wünscht. In manchen Fällen werden auch -finanzielle Gründe für derartige Systemlosigkeiten maßgebend sein, -manchmal vielleicht auch nur Zufälligkeiten. An Prinzipienreiterei hat -das System Rathenau nie gekrankt, und es hat sich manche sozusagen -künstlerische Regellosigkeit leisten können, weil es in den großen -Grundgedanken so ganz logisch aufgebaut war.</p> - -<p>Neben den industrie- und verwaltungstechnischen Mantelgesellschaften -stehen die vielleicht noch wichtigeren <em class="gesperrt">finanztechnischen</em>. -Die bedeutendste und erste von ihnen ist die „Bank für elektrische -Unternehmungen in Zürich“. Dieses Unternehmen ist im Jahre 1896 -mit einem zunächst zu 50% eingezahlten Aktienkapital von 30 Mill. -Frcs. und einem autorisierten, aber erst allmählich ausgegebenen -Obligationenkapital in derselben Höhe begründet worden. Es wurde im -Laufe der Zeit auf 75 Mill. Frcs. Aktien und mehr als 75 Mill. Frcs. -Obligationen erhöht. Als Zweck der Gesellschaft wurde im Statut -angegeben: „Übernahme und Durchführung von Finanzgeschäften, insoweit -dieselben Bezug haben auf die Vorbereitung, den Bau, den Erwerb, den -Betrieb, die Umwandlung oder die Veräußerung<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span> von Unternehmungen im -Gebiet der angewandten Elektrotechnik, insbesondere der Beleuchtung, -Kraftübertragung, des Transportwesens und der Elektrochemie.“ — -Der erste Inhalt, der dieser großen, von vornherein mit bewußter -Absicht ihrer weitausgreifenden Ziele und Grenzen geschaffenen Form -gegeben wurde, bestand — wie wir schon gesehen haben — in den -wichtigen italienischen Elektrounternehmungen (in Genua), denen -sich die A. E. G. in der damaligen Zeit eben zugewandt hatte. Neben -der Erkenntnis, daß das Beteiligungsgeschäft des Konzerns ganz -allgemein bis zu einem Umfang und einer Verzweigung gediehen sei, -die die Schaffung einer besonderen Finanzgesellschaft erforderlich -machten, war schon damals für die Wahl eines in der neutralen Schweiz -liegenden Gesellschaftssitzes der Gedanke maßgebend, daß es zweckmäßig -sei, große Auslandsbeteiligungen nicht in Deutschland, sondern im -neutralen Ausland zu verankern; ein Gedanke, der sich gerade in den -im Weltkriege eingetretenen chauvinistischen Irrungen und Wirrungen -als psychologisch durchaus richtig erwiesen hat, wenn er auch die -deutschen Interessen im feindlichen Auslande — neben dem italienischen -Besitz verwaltete die Bank für elektrische Unternehmungen (kurz -Elektrobank genannt) insbesondere auch den großen Besitz an Aktien der -St. Petersburger Gesellschaft für elektrische Beleuchtung vom Jahre -1886 — nicht so wirksam zu schützen vermochte, wie dies erwünscht -gewesen wäre. Außer dieser Dislozierung deutscher Auslandsinteressen -verfolgte die Errichtung der Finanzgesellschaft der A. E. G. in der -Schweiz noch verschiedene andere Zwecke. Zunächst einmal bot die -freiere Aktiengesetzgebung der Schweiz einen größeren Spielraum für -Aktien-Transaktionen, wie sie den Haupttätigkeitskreis der neuen -Gesellschaft bildeten. Ferner wurde damit die Einbeziehung der Schweiz -in den Aktions-Radius der A. E. G. in zweifacher Richtung angestrebt. -Einmal sollte die Produktions- und Absatzsphäre der Gesellschaft auf -das elektrischen Unternehmungen von jeher besonders günstige Gebiet -der Schweiz ausgedehnt werden, das mit seinen reichen Wasserkräften -für die Erzeugung billiger Elektrizität und besonders für die damals -aufkommende Kraftübertragung einen besonders guten Entwickelungsboden -abgab, das in der Fernübertragung, im Vollbahnenwesen späterhin -bahnbrechende Leistungen sah. Zweitens sollte der Kapitalmarkt der -Schweiz und vielleicht auch indirekt derjenige anderer ausländischer -Staaten, die<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span> vielleicht einer direkten Bearbeitung durch deutsche -industrielle und finanzielle Kräfte nicht so leicht zugänglich gewesen -wären, dem Emissionskredit der A. E. G. erschlossen werden. Alle -diese Zwecke sind in mehr oder weniger starkem Grade auch erreicht -worden. Die Elektrobank wurde, so eng sie stets auch an die A. E. G. -angeschlossen blieb, ein Unternehmen, das sehr stark in der Schweiz -verwurzelte, in dem Schweizer Einfluß sich zur Geltung zu bringen -verstand, und durch das Schweizer Kapitalien dem A. E. G.-Konzern und -umgekehrt deutsche Kapitalien der Schweiz zuflossen. Als die russische -Regierung während des Weltkrieges die schon erwähnten Petersburger -Elektrizitätswerke als „deutsche Unternehmungen“ mit Zwangsmaßnahmen -aller Art bedrohte, konnte von der schweizerischen Regierung mit Recht -darauf hingewiesen werden, daß die Bank für elektrische Unternehmungen, -die Hauptbesitzerin der Aktien der Gesellschaft für elektrische -Beleuchtung, durchaus kein überwiegend deutsches Unternehmen sei -und daß von den 75 Millionen Francs Aktien der Gesellschaft sich -nur 14512000 Francs im Besitze der A. E. G. befänden. Wenngleich -der gesamte Besitz des A. E. G.-Konzerns einschließlich dem ihrer -Bankengruppe und ihrer Tochtergesellschaften größer ist und sich auch -im deutschen Publikum namhafte Beträge von Elektrobank-Aktien befinden -mögen, so ist doch auch der Schweizer Eigenbesitz an Aktien und -namentlich an Obligationen der Elektrobank sehr erheblich.</p> - -<p>Der Zweck dieser Elektrobank ist in ihrem Statut bereits in gedrungener -Kürze, aber eigentlich mit allen wichtigen Merkmalen umgrenzt worden. -In späteren Geschäftsberichten wurden die Finanzmethoden, die die -Gesellschaft zur Anwendung brachte, eingehender unterschieden. Sie -benutzte folgende juristische Formen der Beteiligung:</p> - -<ol class="beteiligungen"> - -<li>Dauernde Aktienbeteiligungen,</li> - -<li>Stille Beteiligungen (als „Partecipacioni“ besonders in Italien -üblich),</li> - -<li>Vorschüsse im Kontokorrent,</li> - -<li>Vorschüsse gegen Hinterlegung von Aktien und Obligationen,</li> - -<li>Syndikatsbeteiligungen und vorübergehende Anlagen.</li> - -</ol> - -<p>Diese Formen sind so gewählt, daß sie allen Bedürfnissen der -Unternehmer- und Industrietätigkeit gerecht werden können. Um<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> dies -zu verstehen, müssen wir diesen Bedürfnissen etwas näher nachzugehen -versuchen. Die Methoden der Finanzierung neuer Unternehmungen, die -Rathenau vorfand, waren ziemlich primitiv. Wenn man Bauprojekte -nicht von irgend einem geldkräftigen Unternehmer, einer Kommune, -einer fremden Aktiengesellschaft usw. im festen risikolosen Auftrag -erhielt (was aber namentlich in den ersten Zeiten der angewandten -Elektrotechnik nur selten der Fall war), mußte man die Geldmittel -für zunächst in eigener Regie auszuführende Werke entweder selbst -bereitstellen, von Banken borgen oder am Kapitalmarkt beschaffen. -Alle derartige Methoden waren aber sozusagen nur von kurzem Atem. -Sie schafften zinsloses Geld nur für verhältnismäßig kurze Zeit, und -hinter dem Industriellen stand der Kapitalist, stets nach schneller -Rente, kurzfristiger Rückgewährung des Kapitals und eventuell noch nach -möglichst hohen Zwischengewinnen drängend. Baldigen und hohen Nutzen -erwartete er von einer neuen Industrie, der er noch nicht so recht -traute und deren Risikoprämie er also verhältnismäßig hoch bemaß und -kurz begrenzte. Die Solidität der Bauarbeiten mußte darunter leiden, -und den Unternehmungen war nicht genügend Zeit und Raum zum Ausreifen -gegönnt. Wir haben gesehen, daß durch solche Verhältnisse selbst ein -so aussichtsreiches und gutfundiertes Unternehmen wie die Berliner -Elektrizitätswerke an den Rand der Krise geführt wurde, daß nicht -nur die Aktionäre, sondern auch die Banken bei dieser Gesellschaft -vorzeitig das Vertrauen verloren. Schon damals wurde es Rathenau, -der von der Notwendigkeit der eigenen Unternehmertätigkeit stets -fest durchdrungen war, vollkommen klar, daß er mit den bisherigen -Finanzierungsmethoden diese Unternehmertätigkeit und damit die -Entwickelung der Elektrizitätsindustrie nicht in dem gewünschten Tempo -vorwärts bringen könnte. Zwar wuchs mit den Erfolgen der ersten Werke -— mit den technischen wie finanziellen — auch der Emissionskredit -und die Emissionsgeduld beim Kapitalistenpublikum und bei den Banken. -Immerhin war die Hebelkraft, die man auf diese Weise gewinnen -konnte, noch zu gering, und von zu vielen Zufälligkeiten abhängig. -Man konnte dem Publikum vielleicht zu gleicher Zeit zwei oder drei -Papiere werdender, aber noch nicht werbender Unternehmungen derselben -Art anbieten, überall hätte man subsidiär wohl noch den Kredit der -A. E. G. einsetzen müssen. Außerdem war man von den Banken, als -Emissionsvermittlern, Garanten<span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span> und Vorschußgebern abhängig, und was -das zu bedeuten hatte, wußte Rathenau aus der Praxis ziemlich genau. -Eine derartige Abhängigkeit war ihm unsympathisch und sie paßte auch -nicht in seine planmäßig festen Baukalkulationen. Schließlich mußte -man sich auch nach Industrie- und Börsenkonjunkturen richten. Man lief -somit Gefahr, daß in einem Augenblicke, in dem irgend ein Bauprogramm -dringend fortgeführt werden mußte, die Erweiterung einer Anlage sich -als zweckmäßig und gar notwendig erwies, kein Geld aufzutreiben war, -weil die Verhältnisse auf dem Emissionsmarkte gerade ungünstig lagen. -Hier nun sollte das Finanzierungssystem sichernd, ergänzend, helfend, -vermittelnd und vorsorgend eingreifen. Es war nicht lediglich eine -Vermittelungsorganisation, die den geldbedürftigen Unternehmungen am -Anlagemarkte mit ihrem eigenen gefestigteren Kredit Kapital besorgte, -es war selbst ein Kapitalmarkt im Kleinen, ein Sammel- und Staubecken, -das in günstigen Zeiten der Geldkonjunktur sich mit Kapital vollsog -— gleichgültig ob es zunächst eine bestimmte Verwendung dafür -hatte —, um es zu geeigneten Zeiten an die Bauunternehmungen des -Konzerns weiterzugeben. Ähnlich wie der unregelmäßige Wasserzufluß -eines Gebirgsbaches zu Zeiten des Wasserreichtums in einer Talsperre -aufgesammelt wird, um die konstanten Ansprüche eines Kraftwerkes -auch in Perioden der Wasserarmut befriedigen zu können, war auch das -Stauwerk des Finanzsystems organisiert. „In den nächsten Jahren wird -eine Reihe von neuen Aufgaben an uns herantreten, zu deren Lösung wir -uns jetzt schon rüsten müssen.“ Mit solchen oder ähnlichen Worten -sind von der A. E. G. selbst und ihren Finanzgesellschaften häufig -genug Kapitalserhöhungen begründet worden, für die im Augenblick -ihrer Durchführung bestimmte Anlässe noch nicht vorlagen oder doch -noch nicht klar hervorgetreten waren. Emil Rathenau hielt darauf, daß -in seinen Kassen nie der Boden sichtbar wurde und sorgte dafür, daß -stets mehr Geld darin war, als er für alle im Augenblick übersehbaren -Ausgaben brauchte. Es mußten stets beträchtliche Kapitalreserven für -unvorhergesehene Mehrausgaben oder für neue, plötzlich hervortretende -Projekte verfügbar gehalten werden. Nur dadurch konnte er stets die -<em class="gesperrt">besten</em> Geschäfte machen, daß er allen anderen Mitbewerbern in -geldlicher Bereitschaft und geldlicher Leistungsfähigkeit überlegen -war. Er war stets Gläubiger, nie Schuldner der Banken, und blieb durch -die beträchtlichen Bankguthaben, die er so unterhielt,<span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span> nicht nur -von den großen Geldinstituten unabhängig, sondern er schuf sich eine -solche Position, daß sie um ihn werben mußten und sich zur Teilnahme -an seinen Finanzierungen, an seinen Konsortial- und Kreditgeschäften -drängten. Denn das ist gerade das Geniale an seinem System der -Finanzgesellschaften: Sie waren wohl stets in der Lage und gerüstet, -ihm das Höchstmaß der etwa verlangten finanziellen Kraftanspannung zu -leisten, er nutzte diese theoretische Höchstbelastung aber praktisch -nie aus, sondern verteilte die Ansprüche auf einen möglichst weiten -Kreis ihm zur Verfügung stehender Geldquellen. Nachdem er die feineren -und zuverlässigen Methoden der Finanzierung ausgebildet hatte, -verzichtete er durchaus nicht auf die älteren und primitiven. Neben -dem neuen Trustsystem wendete er das alte Konsortialsystem weiter an, -und die Banken, die ihm zuerst nur vorsichtig Kredit gegeben hatten, -beteiligten sich später gern an seinen neuen, wenn auch zunächst noch -nicht rententragenden Unternehmungen, weil sie bald aus Erfahrung -wußten, daß die mageren Jahre bei ihnen durch darauffolgende fette -mehr als reichlich ausgeglichen würden. So legten sie gewissermaßen -die Bankguthaben, die Rathenau bei ihnen unterhielt, wieder in seinen -industriellen Unternehmungen an und zogen aus der Zinsdifferenz -zwischen beiden Konsortialgewinne. Rathenau selbst hinwiederum -brauchte nicht die ganzen ihm zur Verfügung stehenden Kapitalien in -industriellem Risiko festzulegen, sondern war in der Lage, einen -Teil davon, wenngleich auch dieser letzten Endes indirekt seinem -Unternehmergeschäft wieder zugute kam, als Bankgeld flüssig zu halten.</p> - -<p>Die reichlichen Mittel, die ihm jederzeit für Unternehmungen zur -Verfügung standen, wurden nun in der verschiedensten Form den jungen -Bauwerken zur Verfügung gestellt, teils als einfache Vorschüsse mit -längerer oder kürzerer Rückzahlungsfrist, teils als fundierte Darlehen -(Obligationen oder Hypotheken), teils als aktives Beteiligungskapital, -je nachdem die Bedürfnisse der jungen Werke dies erforderten und -ihre Baureife es zuließ. Mit fortschreitender Entwickelung wurde -vielfach die formlosere Art der Kapitalhergabe in die gebundenere -umgewandelt. Während der Anlaufszeit, die junge Unternehmungen bis zu -dem Zeitpunkt erforderten, in dem sie sich „freigebaut“ hatten und -zinstragend geworden waren, betätigten sich die Finanzgesellschaften, -das Beteiligungskonto der Hauptgesellschaft und die Bankenkonsortien -als kapitalische „Vorwärmer“ für sie, indem<span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span> sie ihren Geldbedarf -sicherstellten, das Risiko und entsprechend auch die kapitalistische -Gewinnchance übernahmen. Der Emissionskredit der alten bewährten -Unternehmungen trat gewissermaßen solange für die Finanzbedürfnisse -der jungen werdenden Betriebe ein, bis deren eigener Emissionskredit -gereift war und selbständig auf dem Kapitalmarkt tätig sein konnte. -Sobald dieses Stadium erreicht war, erledigten die flügge gewordenen -Gesellschaften nicht nur ihre zukünftige Geldbeschaffung selbständig -(wobei die Finanzgruppen des Konzerns häufig Teilbeträge der neuen -Emissionen noch weiter übernahmen, aber nicht um den geldsuchenden -Tochtergesellschaften die Geldbeschaffung zu erleichtern, sondern -um selbst an den durch sie gebotenen günstigen Anlagemöglichkeiten -teilzunehmen); sondern die Vorwärmer-Gesellschaften konnten dazu -schreiten, die früher von ihnen übernommenen Kapitalbeteiligungen -unter Ausnutzung der inzwischen eingetretenen Wertsteigerungen -soweit abzustoßen, als es ihnen zweckmäßig erschien. Derartige -„Realisierungen“ rententragend gewordener Beteiligungen sorgten -dafür, daß die Finanz- und Konsortialkonten aus dem Wechsel ihrer -Bestände selbst einen Teil der Mittel gewinnen konnten, die sie für -neue Aufgaben brauchten. Der Effektenbesitz alimentierte und ergänzte -sich aus sich selbst. Da der Umfang dieser Aufgaben aber ständig -anwuchs, reichten die Realisations- und Abbaufonds meist nicht aus, -um die Anlage- und Aufbaufonds vollständig zu speisen. Es wurden -Kapitalserhöhungen der Finanzstammunternehmungen, Verstärkungen der -zentralen Geldquellen selbst, von Zeit zu Zeit nötig. Gelegentlich -fügte es sich auch so, daß neugegründete Unternehmungen die ihnen -mitgegebenen Kapitalien nicht sofort vollständig verwenden konnten. -Sie stellten sie dann zeitweilig den Finanzgesellschaften zur -Verfügung, die sie ihrerseits teils wieder zur Deckung akuter -Geldbedürfnisse anderer Betriebswerke verwandten, um sie ihren -Eigentümern im gegebenen Augenblicke zurückzustellen. Neben die -Disposition über dauernde Anlagekapitalien trat dann die Disposition -über vorübergehend verfügbare Mittel, die Finanzgesellschaften wurden -zu Ausgleichsstellen, die sich von den wirklichen Banken nur noch durch -die Begrenzung ihrer Geschäftsgebiete, nicht durch das Wesen ihrer -Geschäfte unterschieden.</p> - -<p>Im allgemeinen wurde bei dem Rathenauschen Finanzsystem nicht der -Nachdruck auf dauernde, unlösliche Aktien-Verkapselung<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> gelegt. Je -selbständiger die Tochtergesellschaften in ihrer Finanzgebarung -gestellt werden konnten, umso mehr ihrer Wertpapiere wurden aus den -Portefeuilles der Konzerngesellschaften an den freien Markt gegeben. -An dem Besitz von Dreiviertel-Majoritäten oder auch nur einfachen -Majoritäten wurde nicht pedantisch festgehalten, sondern das Streben -darauf gerichtet, daß der Konzernzusammenhang bei verhältnismäßig -kleinen Aktienbeteiligungen durch innere Bande, durch den Magnetismus -des wechselseitigen Interesses und der Gewohnheit erhalten blieb. -Nicht die Majoritätskontrolle, sondern die Hingezogenheit der freien -Aktionäre zum Konzern der A. E. G. sollte und konnte fast stets die -Verbindung wahren. Die Besetzung der Aufsichtsratskollegien mit -Konzernmitgliedern, und auch der Herdentrieb der freien Aktionäre, -die die Vertretung ihrer Aktien in den Generalversammlungen meist der -Konzerngesellschaft oder ihren Banken überließen, unterstützte die -Aufrechterhaltung der Herrschaft auch in solchen Fällen, in denen -der Konzern an sich in der Minderheit war. So zum Beispiel besaß die -A. E. G. zeitweilig nicht mehr als 1 Million Aktien der B. E. W. und -vermochte doch das mit einem Aktienkapital von 60 Millionen Mark -arbeitende Unternehmen in allen Einzelheiten zu leiten, trotzdem ihr -die Bestimmung darüber zeitweilig durch eine aus Kreisen der freien -Aktionäre gebildete Opposition streitig zu machen versucht wurde. Eine -solche Herrschaft mit geringem Eigenbesitz konnte nur durch einen -Konzern ausgeübt werden, der ein hohes Maß von immanenter Macht und -Autorität besaß, und der das ihm entgegengebrachte Vertrauen trotz -mancher gegen ihn vorgebrachten Einzel-Kritiken nie getäuscht hat.</p> - -<p>Ein Trustsystem der geschilderten Art war aber nicht nur imstande, -die Emissionskraft der ihm angehörenden Unternehmungen sozusagen zu -„eskomptieren“, auf indirektem Wege früher zur Geltung zu bringen, -als es auf direktem Wege möglich gewesen wäre; es hat sie auch in -außerordentlicher Weise erweitert und verbreitert, und zwar dadurch, -daß es die Emissionen durch Teilung und Abwechslung reizvoller und -verdaulicher für den Kapitalmarkt zu gestalten vermochte. Hätte die -A. E. G. ihr Finanzsystem streng zentralistisch ausgebaut, hätte -sie die Kosten ihrer Unternehmertätigkeit nur durch ihre eigenen -Aktien und Obligationen bestritten, oder auch nur in vorbereitender -Weise aufgebracht, so würde das an dem<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> <em class="gesperrt">industriellen</em> -und <em class="gesperrt">technischen</em> Wert des Gesamtanlagenkomplexes und der -Sicherheit der ihn repräsentierenden Kapitalanlage eigentlich nichts -geändert haben. Ob ein Betriebsunternehmen direkt von der A. E. G. -oder von einer ihrer Finanzgesellschaften finanziert wurde, wäre -für die industrielle Entwickelung dieses Unternehmens und seiner -Rente gleichgültig gewesen, nicht aber für die Geldaufbringung am -Kapitalmarkt. Hätte die A. E. G. 500 oder 1000 Millionen eigener -Aktien und einen ähnlichen Betrag eigener Obligationen am Geldmarkt -aufnehmen müssen, statt nur 200 Millionen Mark, so würde der Marktwert -der A. E. G.-Aktien zweifellos unter einem Überangebot gelitten haben, -ihre Emissionskraft wäre vermindert worden, da sich der Kapitalmarkt -gesträubt und schließlich ganz geweigert hätte, immer dasselbe Papier -aufzunehmen. Viel günstiger gestaltete sich die Situation dadurch, -daß der Emissionskredit des Gesamtkonzerns auf eine ganze Reihe von -A. E. G.-Unternehmungen verteilt wurde. Er wurde vor Überanstrengung -bewahrt, denn die Tochtergesellschaften behielten ebenso wie die -Hauptgesellschaft jede ihren Einzel-Kredit für sich, und empfingen von -ihrer Zugehörigkeit zum Gesamtkonzern noch eine Beigabe moralischer -Art, die ihren eigenen Kredit festigte und steigerte.</p> - -<p>Dem rückschauenden Blick wird es vielleicht scheinen, daß dieses -Rathenausche Finanz- und Trustsystem, das — so kompliziert es in -der Darstellung sich auch ausnehmen mag, — doch wie jede einem -wirtschaftlichen Bedürfnis organisch angepaßte Methode im Kerne -und Aufbau ganz einfach ist, die Zeitgenossen sofort gewonnen und -überzeugt haben muß. In dieser Ansicht wird man noch bestärkt, -wenn man sich vergegenwärtigt, daß bereits ein paar Jahre später -die ganze Konkurrenz in der Elektrizitätsindustrie das Bestreben -zeigte, dieses System nachzuahmen und die mit ihm — anscheinend -so mühelos — erzielten Erfolge auch ihrerseits zu erreichen. -Aber es war nicht der gesunde, innere, nur in geduldiger Arbeit -zu entwickelnde Kern, der diese Mitläufer <em class="gesperrt">überzeugt</em> hatte, -sondern meist die von ihnen mißverstandenen und für die Hauptsache -gehaltenen äußeren Oberflächenwirkungen, die sie <em class="gesperrt">blendeten</em>. -In den damals mit Rathenau liierten Bankkreisen war man von den -fachlichen Finanzierungsbanken innerlich durchaus nicht begeistert. -Einmal fürchtete man von ihnen einen Übergriff auf ihr eigenes -Geschäftsgebiet, sah in ihnen das Instrument, durch das sich -Rathenau<span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span> von den Emissionsbanken unabhängig machen, diese jedenfalls -ihrer finanziellen Vorherrschaft — soweit die Finanzierung seiner -Unternehmungen in Frage kam — entkleiden wollte. Die Banken ahnten -wohl, daß hier ein Industrieller den Versuch machte, ihnen die -herrschende Stellung im Industrieleben allmählich zu nehmen und -ihnen die Rolle von dienenden Gliedern in seinem Bereich anzuweisen. -Außerdem war der letzte, vielleicht unbewußte Rest von Mißtrauen in -die Neuerungen des Mannes noch immer nicht geschwunden, von dem erst -endgültig zu erweisen war, ob er ein schöpferischer Umwälzer aller -Werte, oder nur ein glänzend begabter, doch unruhiger Experimentierer -war, dessen kühnes, vielstöckiges Architekturwerk doch eines Tages -— in sich selbst überbaut — zusammenbrechen konnte. Es gibt ja -Brücken- und Gebäudekonstruktionen, deren Tragfähigkeit die technische -Wissenschaft als sicher, ja übersicher errechnet hat und die doch auf -den Laien einen gefährlichen Eindruck machen. Man hatte sich an der -Gründung der Elektrobank — fasziniert von der Neuartigkeit der Idee, -und unter dem Einfluß der Rathenauschen Erfolge — kapitalistisch -beteiligt. Aber es kam hier, — ähnlich wie seinerzeit bei den -Berliner Elektrizitätswerken, wenn auch in weit weniger krisenhafter -Weise — bald dahin, daß die Banken an der Ertragfähigkeit des neuen -Unternehmens zweifelten und sich von den ihnen zu groß erscheinenden -Aktienbeteiligungen, die das Publikum ihnen nicht bereitwillig genug -abnehmen wollte, zu entlasten wünschten. In der Tat war in diesen -ersten Jahren ihres Bestehens die Elektrobank, wie das nicht anders -zu erwarten war, mit jungen, meist noch halbfertigen Unternehmungen -— besonders den ausländischen Werken in Genua, Barcelona, Bilbao, -Buenos Aires, Santiago — angefüllt, die sich nur langsam zur -Rentabilität entwickelten und von Rathenau bewußtermaßen nicht zur -schnellen Einträglichkeit getrieben wurden. Mit Mühe und Not zahlte die -Elektrobank Dividenden von 5%. Darin lag keine Emissionschance für ihre -Aktien und was aus den „exotischen“ Werten ihres Portefeuilles werden -würde, war noch eine ganz offene Frage. Die Banken hatten vielleicht -gewünscht, daß um ihrer Beteiligung an der Mantelgesellschaft willen, -die in deren Besitz befindlichen Betriebswerke etwas gewaltsam -gefördert worden wären. Aber Rathenau war viel zu sehr Industrieller, -als daß er finanztechnische Momente den bautechnischen hätte, -auch nur vor<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span>übergehend, voranstellen können. Er, der inzwischen -so erstarkt war, daß er Konzessionen — wie manchmal am Anfang — -nicht mehr zu machen brauchte, hätte aber gerade in diesem Punkte -zuallerletzt Bankwünschen nachgegeben. Das entscheidende Interesse -legte er stets den produzierenden Unternehmungen und niemals den -finanzierenden Hilfsgesellschaften bei. Das Mittel, mit dem er die -latenten Schwierigkeiten in dem Falle der Elektrobank beseitigte, -war genau dasselbe wie das im Falle der Berliner Elektrizitätswerke -— vor einem Jahrzehnt — angewandte. Er übernahm kurz entschlossen -die gesamten Elektrobank-Aktien der Bankgruppe zu vorteilhaftem Kurse -und gewann die Mittel dazu durch Erhöhung des Kapitals der A. E. G. -um 12 Millionen Mark, die allerdings nicht sämtlich zum Umtausch der -Elektrobank-Aktien benötigt wurden. Dieser erfolgte in der Weise, daß -für je 5 vollgezahlte Elektrobank-Aktien zu 1000 Frcs. nom. 2000 M. -junge A. E. G.-Aktien angeboten wurden. Hierbei gelangte die A. E. -G. zu dem lächerlich geringen Buchpreise von 400 Mark für das Stück -in den Besitz von 28640000 Frcs. Elektrobank-Aktien, sie erwarb also -fast das ganze damals 30 Mill. Frcs. betragende Aktienkapital. Im -Geschäftsbericht des Jahres 1897/98 wird der Erwerb nur kurz begründet: -„Die Angliederung einer Trust-Gesellschaft war ratsam, und das uns -nahestehende Institut in Zürich wegen der in Angriff genommenen -internationalen Geschäfte hierfür vorzüglich geeignet.“ — Für einen -Schritt, der vielleicht in den Augen Emil Rathenaus den Keim für ein -sehr gutes Geschäft darstellte, in den Augen der Aktionäre aber als ein -großes Wagnis erscheinen mußte, waren diese paar Zeilen der Begründung -ziemlich dürftig. Allerdings wurde den Aktionären der A. E. G. auf -Wunsch ein ausführlicher Bericht über die Situation der Elektrobank -zur Verfügung gestellt, aber bei der statistischen Ungeklärtheit der -die ausländischen Unternehmungen betreffenden Fragen, enthielt er -natürlich auch nur Konjekturen, keine unumstößlichen Tatsachen. In -der General-Versammlung sah sich Emil Rathenau denn auch veranlaßt, -den Erwerb der Elektrobank-Aktien näher zu motivieren. In seinen -Ausführungen klingen die Unstimmigkeiten mit der Bankengruppe, die -den Entschluß der Fusion mit der Elektrobank letzten Endes ausgelöst -hatten, nur leise an. In ihrem wesentlichen Teile bedeuten sie eine -Rechtfertigung des Systems der Trustgesellschaften im allgemeinen. Sie -sind gerade darum interessant genug, um nachstehend<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span> in ihrem Wortlaut -wiedergegeben zu werden, Rathenau sagte:</p> - -<p>„Zur Durchführung der von uns ins Leben gerufenen Unternehmungen -hatten wir uns bisher mit einem aus potenten Finanzkräften bestehenden -Konsortium verbunden, und diese Vereinigung wird vielleicht auch in -Zukunft aufrecht erhalten werden. Aber wir verhehlen uns nicht, daß -die Banken als Vermittler des Kapitals zwischen dem Publikum und dem -Unternehmer der jeweiligen Stimmung des ersteren Rechnung tragen und -in Perioden wirtschaftlichen Niederganges und politischer Wirren ihre -Mitwirkung leicht versagen könnten. Gerade in solchen Zeitläuften, -deren baldige Wiederkehr freilich vorläufig nicht zu befürchten ist, -am wenigstens für uns, die wir mit lohnenden Aufträgen versorgt sind, -bedarf der Fabrikant ihrer Unterstützung zur Erlangung von Arbeiten, -mit denen er seine Werkstätten beschäftigen und den Stamm geschulter -Arbeiter erhalten kann. Schon aus diesem Grunde erachten wir es als -eine Pflicht, Geldquellen für den steigenden Kapitalbedarf, den die -ausgedehnten Unternehmungen fortdauernd hervorrufen, rechtzeitig uns zu -sichern. Diese Vorsicht scheint uns umsomehr geboten, als wir in einer -Industrie stehen, von der wir nicht wissen, wie lange ihr die Gunst -des Publikums erhalten bleibt. Denn es sind durch die Leichtigkeit der -Geldbeschaffung in den vergangenen Jahren zahlreiche Unternehmungen -gegründet worden, die ihre Lebensfähigkeit noch zu erweisen haben; -Enttäuschungen irgend welcher Art können aber ein Mißtrauen -verursachen, das sich auch auf gesunde Unternehmungen erstreckt. -Unter solchen Umständen werden gut organisierte und kapitalkräftige -Trustgesellschaften, welche den inneren Wert von Unternehmen -erkennen, die sich noch in der Vorbereitung befinden, den Mangel an -Unternehmungslust ersetzen können. Für die großen ausländischen und -überseeischen Unternehmungen, welche eine um so größere Bedeutung -für uns erlangen, je mehr die Geschäfte im Mutterlande abnehmen, -tritt aber das unabweisbare Bedürfnis einer Trustgesellschaft hervor, -welche ein internationales Gepräge besitzt und kapitalkräftig genug -ist, um die Führung in solchen Unternehmungen zu übernehmen. Eine -solche Organisation besteht bereits in der unter dem Patronat der -Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich wirkenden Bank für elektrische -Unternehmungen, die auf einem politisch neutralen Gebiet, unter dem -Schutz einer für Trustgesellschaften<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> günstigen Gesetzgebung im Juli -1895 gegründet wurde. Ein solches großes, bereits in voller Tätigkeit -befindliches internationales Organ für unsere Zwecke in noch höherem -Maße als bisher nutzbar zu machen, halten wir für zweckentsprechend.“</p> - -<p>Die Aktionäre der A. E. G. haben, wie sich bald zeigte, die Transaktion -nie zu beklagen gehabt. Die Dividende der Elektrobank erhöhte sich -sehr bald auf 6½% und dann nach einem zweijährigen Rückschlag, der -sie in den Jahren der Elektrokrise auf 6% zurückführte, weiter auf -10 und 12%. Die A. E. G. wurde dadurch in die Lage versetzt, jeden -beliebigen Teil ihrer Elektrobank-Aktien mit ansehnlichem Kursgewinn -wieder zu veräußern, eine Möglichkeit, von der sie auch in den ihr -zweckmäßig erscheinenden Grenzen Gebrauch machte. Wieder einmal hatte -Emil Rathenau recht behalten und eine zunächst unerfreulich scheinende -Situation zum Vorteil gewandt. Späterhin wurde der Versuch gemacht, die -Organisation der Elektrobank auf eine grundsätzlich breitere Grundlage -zu stellen und ihren Wirkungskreis über den Bezirk der A. E. G. hinaus -zu erweitern. In ihrem Geschäftsbericht für 1903/04 finden sich -folgende Programmsätze:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Nachdem wir uns früher hauptsächlich mit der Finanzierung solcher -neuen Unternehmungen abgegeben haben, deren technische Ausführung durch -die uns nahestehende Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft besorgt -wurde, haben wir im Laufe des letzten Berichtsjahres den ausdrücklichen -Beschluß gefaßt, unsere geschäftliche Tätigkeit insbesondere auch -auszudehnen auf die Beschaffung der nötigen Geldmittel für bereits -bestehende Unternehmungen und die Bevorschussung von Werten solcher, -beides eventuell in Verbindung mit technischer und administrativer -Reorganisation des Betriebes und mit dadurch zu erzielender -Höherbewertung der eigentümlich erworbenen oder mit Ausbedingung von -Optionsrechten bevorschusster Werte solcher Unternehmungen. Unsere Bank -soll mit anderen Worten <em class="gesperrt">ein allgemeines Finanzierungsinstitut</em> -der Elektrizitätsindustrie sein.“</p> - -</div> - -<p>Zur besseren Durchführbarkeit dieser Ziele wurde in Berlin -ein Zweigbureau geschaffen, das von Dr. Walther Rathenau, dem -Administrateur und eigentlichen Kopf der Elektrobank geleitet wurde. -In dieser Zeit war die fast völlige Union zwischen der A. E. G. und -der Elektrobank einer Lockerung insofern gewichen, als die<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span> A. E. G. -langsam größere Posten ihres Aktienbesitzes der Elektrobank abstieß. -Ferner hatte die Annäherung der Union-Elektrizitäts-Gesellschaft an -die A. E. G. zwar eine erhebliche Anzahl von Beteiligungen dieser -Gesellschaft dem Portefeuille der A. E. G. zugeführt, andere wiederum -einer selbständig bleibenden Trustgesellschaft der „Gesellschaft für -elektrische Unternehmungen“ überlassen. Auch neue schweizerische -Interessentenkreise traten der Elektrobank nahe, und gerade an -Finanzierungen aus der von der A. E. G. unabhängigen Schweizer -Elektrizitätsindustrie war wohl gedacht, wenn die Grenzen der Tätigkeit -der Elektrobank etwas weitergerückt wurden. Überdies wuchs auch -die Deutsch-Überseeische Elektrizitätsgesellschaft, die in ihren -Anfängen vorwiegend von der Elektrobank entwickelt worden war, immer -mehr über das Wurzelreich des A. E. G.-Konzerns hinaus. Sie brauchte -zur Speisung ihres gewaltigen Kapitalbedarfs stärkerer Quellen, als -die A. E. G. und ihr engeres Bankenkonsortium zu bieten vermochten. -Die Gruppe der Deutschen Bank, die an der D. Ü. E. G. schon seit -der Gründung beteiligt gewesen war, wurde schließlich die führende -Bankverbindung der großen südamerikanischen Elektrizitätsunternehmung -und als solche gelangte auch ihre Stellung in der Elektrobank, die -ja noch immer einen beträchtlichen Teil der Deutsch-Überseeischen -Aktien besaß, zu ausgeprägterer Bedeutung. Aus allen diesen Gründen -erschien eine allzugroße Isolierung der Elektrobank auf den A. E. -G.-Konzern nicht mehr erwünscht, und wenn die A. E. G.-Note bei der -Züricher Finanzgesellschaft auch stets die vorherrschende blieb, so -sollte sie doch nicht mehr die einzige sein. In späteren Jahren ist der -Elektrobank durch die Fusion mit der <em class="gesperrt">Elektrizitäts-Akt.-Ges. vorm. -Lahmeyer</em>, der Finanzgesellschaft des von der A. E. G. aufgenommenen -Felten-Guilleaume-Lahmeyerkonzerns, ein neues großes Einflußgebiet -zugeführt worden. Sie übernahm von dem 25 Millionen Mark betragenden -Kapital der Lahmeyergesellschaft 21720000 Mark gegen Hingabe von -16290000 Frcs. neuer Elektrobank-Aktien. Es fand also eine Verkapselung -zweier Finanzgesellschaften ineinander statt, die beide ohne förmliche -Fusion juristisch selbständig nebeneinander bestehen blieben.</p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span></p> - -<p>Werfen wir zum Schluß auch dieses Kapitels unserer Gewohnheit nach -noch einen Blick auf die Entwickelung der Erträgnisse und der -Bilanzaufstellungen der A. E. G. in dem soeben behandelten Abschnitt, -den die Jahre 1894 und 1900 umrahmen. Die Entwickelung der Kapitalien -ist folgende: Im Jahre 1895/96 wurde das Stammkapital von 20 auf 25 -Millionen Mark erhöht, im Jahre 1896/97 auf 35 Millionen Mark, im -Jahre 1897/98 auf 47 Millionen Mark, im Jahre 1898/99 auf 60 Millionen -Mark, eine Höhe, die es auch im Jahre 1899/1900 nicht überschritt. -Das Obligationenkapital wurde in dieser Zeit von 4844000 auf 14046500 -Mark gesteigert. Der ordentliche Reservefonds stieg von 4479479 auf -22027621 Mark, wie früher ausschließlich durch Agiobeträge, die ihm -bei den verschiedenen Kapitalerhöhungen zuflossen. Daneben wurde -die freie oder außerordentliche Reserve von 500000 auf 5 Mill. -M. vermehrt. Neben diesen offenen Reserven sind aber die stillen -Rücklagen in ganz anderer Weise gestärkt worden als in den früheren -Perioden. Die Gesellschaft hat die dazwischen liegende große Expansion -nicht nur zur Erzielung hoher Agiogewinne, sondern auch zur inneren -Festigung des Unternehmens durch Zurückhaltung beträchtlicher Teile -der erzielten Gewinne benutzt, und sich so aufs beste gerüstet und -gewappnet, die folgenden Jahre des Rückschlages und der Krisis nicht -nur unerschüttert zu überstehen, sondern auch ausnutzen zu können. -In dem von der A. E. G. gewählten System waren die stillen Reserven -darum die echten Reserven, die offenen — wenigstens soweit der -gesetzliche Reservefonds in Frage kam — nur der Ausfluß des hohen -Markt- und Emissionswertes der A. E. G.-Aktie. Offene Reserven -brauchen durchaus nicht immer wirkliche Schutzwälle zu sein, die um -das Aktienkapital gelegt sind, um es gegen Stöße und Erschütterungen -zu sichern und zu verhindern, daß Verluste sofort die Kapitalsubstanz, -den inneren Fundus einer Gesellschaft treffen können. Sie brauchen -es besonders dann nicht zu sein, wenn sie aus Agiogewinnen stammen. -Denn Agiomöglichkeiten können künstlich durch hochgetriebene oder -leichtfertige Gewinnausschüttungen herbeigeführt werden, da sich ja -der Kurs einer Aktie und damit das Aufgeld bei Kapitalerhöhungen nach -der Höhe der gezahlten Dividenden zu richten pflegen. Gerade wenn ein -zu großer Teil der verdienten Gewinne auf Kosten der Abschreibungen -und Rückstellungen als Dividende ausgeschüttet wird, läßt sich der -Aktienkurs<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> steigern, und in der Zeit, von der wir sprechen, war -die Bilanzkritik bei der Presse und bei den Aktionären noch nicht -ausgebildet genug, als daß nicht derartige Versuche auf dem Gebiet der -künstlichen Agiotage möglich gewesen wären und die Wirtschaftswelt -hätten irre führen können. In der Elektrizitätsindustrie insbesondere, -die in den von uns behandelten Jahren unter einem Überschwange der -Tendenzbeurteilung bei den Produzierenden sowohl wie auch beim Publikum -stand, war ein besonders geeigneter Nährboden für eine derartige -Ausnutzung des Aktienagios vorhanden. Es wurde überreichlich von ihm -Gebrauch gemacht, und wir werden später sehen, daß die auf diese Weise -geschaffenen großen offenen Reserven mancher Unternehmungen dem Anprall -der Krise durchaus nicht standhielten und sozusagen auf den ersten -Anhieb zusammenstürzten, das innere Leben der Gesellschaften, die sie -decken sollten, sofort dem Ansturm preisgebend. In der Rathenauschen -Bilanz war die Expansion, die zur Bildung der großen offenen Reserven -geführt hatte, Hand in Hand mit einer Konsolidierung der inneren -Werte gegangen, und die Echtheit der inneren Reserven wirkte auch auf -den Bestand der äußeren Reserven zurück. Worin bestanden nun diese -inneren Reserven? — Ein Vergleich der Bilanzen von 1894 und von -1900 zeigt es deutlich. Während im Jahre 1894 noch die sämtlichen -Anlagekonten der A. E. G. in der Bilanz mit sichtbaren Wertansätzen -erschienen, die einen vielleicht <em class="gesperrt">verhältnismäßig</em> niedrigen, -aber doch absolut betrachtet, noch einen recht hohen Bewertungsgrad -darstellten, werden im Jahre 1900 nur noch Grundstücke, Gebäude und -Vorräte mit Effektivansätzen bewertet. Maschinen, die 1894 noch mit -1220000 Mark ausgewiesen worden waren, erscheinen jetzt lediglich mit -pro-Memoria-Beträgen von je 1 Mark. Sie sind also ganz abgeschrieben -worden, trotzdem ihr wirklicher Wert in dieser Zeit nicht verringert, -sondern um viele Millionen Mark — entsprechend dem gewaltigen -Anwachsen der A. E. G.-Unternehmungen — vergrößert worden ist. In -diesen Konten liegen also sehr beträchtliche innere Reserven, die -sich von Jahr zu Jahr steigerten, denn alles, was in einem Jahre -an neuen Maschinen, Werkzeugen, Utensilien usw. angeschafft wurde, -gelangte sofort wieder voll zur Abschreibung. Während im Jahre 1894 -auf Werkzeuge 20%, auf Maschinen 10% abgesetzt worden waren, betrugen -im Jahre 1899/1900 die Abschreibungssätze auf diesen Konten volle -100%. Emil Rathenau<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span> hatte, um diese Bilanzierungsmethode möglichst -unkontrolliert von der Öffentlichkeit und den Aktionären durchführen -zu können, seit einigen Jahren die Gewohnheit angenommen, nur die -Ergebnisse der Fabrikation, des Produktionsgeschäftes — und auch -diese nur soweit es ihm paßte — in der Gewinn- und Verlustrechnung -auszuweisen. Die gesamten Erträge des Finanzgeschäftes, und zwar -sowohl die Rentenerträgnisse der im Besitz der A. E. G. befindlichen -— auf Effekten- und Konsortialkonto verbuchten — Wertpapiere und -Beteiligungen wie auch die Gewinne aus Effektentransaktionen wurden -überhaupt nicht eingestellt, sondern zu Abschreibungen entweder auf -Effekten oder auf Anlagen benutzt. Dabei richtete sich das Ausmaß der -vorzunehmenden Abschreibungen nicht nach den wirklichen jeweiligen -<em class="gesperrt">Ergebnissen</em> der Effektenkonten, die ja immerhin einen zufälligen -Faktor darstellten, und somit auch ein Moment der Zufälligkeit in die -Abschreibungspolitik der Gesellschaft gebracht hätten. Sie wurden -vielmehr nach dem Abschreibungsbedürfnis reguliert, das durch die Höhe -der Zugänge auf den regelmäßig bis auf 1 Mark herunterzubuchenden -Anlagekonten und durch den Stand der übrigen Konten (Gebäude, -Grundstücke, Vorräte usw.) bestimmt wurde. Reichten also die aus dem -Effektengeschäft stammenden Beträge nicht aus, so mußten noch Teile -aus dem Fabrikationsgewinn abgezweigt und zu Abschreibungen mit -herangezogen werden. Je gewaltiger die so heruntergeschriebenen Anlagen -der Gesellschaft anwuchsen, desto größer mußten naturgemäß auch die -hinter den Eine-Mark-Posten stehenden inneren Reserven sich erhöhen. -Über die Bedeutung dieses später nur noch quantitativ, nicht mehr -grundsätzlich geänderten Abschreibungssystems für die innere und äußere -Entwickelung der Gesellschaft, für ihre Finanzen und die Stellung der -Aktionäre zu ihr, wird noch später zusammenfassend zu sprechen sein. -Hier soll nur im historischen Entwickelungsgange auf den Zeitpunkt -hingewiesen werden, in dem diese Methode in das Finanzsystem der -Gesellschaft eintritt und auf den Kontrast, in dem sie zu den früheren -Bilanzierungsgewohnheiten steht. In dieser Hinsicht ist sie als Symptom -für den fortschreitenden Konsolidierungsprozeß der Gesellschaft zu -bewerten.</p> - -<p>Abgesehen von diesem Zeichen der Konsolidierung weist die Bilanz von -1899/1900 aber auch noch andere interessante Merkmale auf. Auch bei -den übrigen Anlagekonten ist eine stärkere Abschrei<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span>bungspolitik -sichtbar. Während zum Beispiel früher auf Gebäude nur 2% abgeschrieben -wurden, werden jetzt neben den ordentlichen Abschreibungen in derselben -Höhe noch außerordentliche Abschreibungen vorgenommen, die dreimal -so hoch sind wie die Pflichtabschreibungen. Es gelangen also auf -Gebäude jetzt 8% gegen 2% früher zur Abschreibung, das sind für solche -Anlagen ungewöhnlich hohe Prozentsätze. Das Effektenkonto wird mit -20984364 Mark gegen 5976266 Mark ausgewiesen, das Konsortialkonto -mit 4837794 gegen 2963348 Mark. Daneben werden noch die Aktien der -Bank für elektrische Unternehmungen mit 11395290 Mark aufgeführt. -Die Effektenbestände sind also in sehr erheblichem Umfang gestiegen. -Vergleicht man aber die Buchwerte mit dem Nominalbesitz an -Wertpapieren, so zeigt sich, daß die Effektenbestände durchschnittlich -viel niedriger zu Buche stehen als im Jahre 1894. In der Bilanz -erscheint ferner — und dies ist für die Flüssigkeit des Status, -nicht so sehr für die Solidität der Bewertung charakteristisch — ein -Bankguthaben von 15620344 Mark gegen ein solches von 7933463 Mark in -der Vergleichsbilanz. Die Gesamtdebitoren betragen 47037896 Mark gegen -16996308 Mark, die Gesamtkreditoren 19301579 Mark gegen 2575873 Mark. -Bei einem Kapital von 60 Millionen Mark weist jede Seite der Bilanz -jetzt einen Saldo von 133420023 Mark gegen einen solchen von 35542941 -Mark bei einem Kapital von 20 Millionen Mark in der Vergleichsperiode -auf. Trotzdem die Werte im Jahre 1900 viel niedriger bemessen sind als -im Jahre 1894, trotzdem also ein großer Teil dieser Werte nur durch -innere Reserven, nicht durch sichtbare Bilanzwerte belegt ist, stellt -sich sogar der Gesamtbetrag der sichtbaren Aktiva im Verhältnis zum -Aktienkapital ganz unvergleichlich höher als im Jahre 1894. D. h. mit -einer Kapitalverdreifachung ist eine Expansion ausgeführt worden, die -die Werte des Unternehmens weit mehr als verdreifacht hat.</p> - -<p>Trotz dieser starken inneren Konsolidierung und der Zurückbehaltung -großer Gewinnteile ist die Rente der Aktionäre in diesem Abschnitt -ständig gestiegen. Die Dividende betrug im Jahre 1893/94 9%, sie ging -dann in den folgenden Jahren bis 1895/96 auf 11% und 13%. In den Jahren -1896/97–1899/1900 betrug sie 15%.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Elftes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Elftes Kapitel</em><br /> - -Krisis</h2> - -</div> - -<p>Die bisherige Schilderung des Entwickelungsganges der A. E. G. seit -der Überwindung der Krisis des Jahres 1887 wird bei dem Leser den -Eindruck einer unaufhaltsamen, im Innern von mächtiger, manchmal -ungestümer Triebkraft bewegten, von den äußeren Verhältnissen im -großen und ganzen begünstigten Vorwärts- und Aufwärtsbewegung gemacht -haben. Dieser Eindruck war auch vom Verfasser gewollt, denn er gibt -ein richtiges Spiegelbild von dem inneren Schwung und dem Tempo, die -Rathenaus Persönlichkeit wie das von seinem Geist geschaffene und -erfüllte Werk stets, doch vielleicht nie so feurig beflügelten wie in -jenem Zeitraum. Es waren die Jahre, in denen die Persönlichkeit sich -am reichsten und freiesten entfaltete, in denen die Schöpfung den -Ausdruck der Persönlichkeit und der Eigenart des Schöpfers annahm, in -denen sie die bestimmenden Formen ihres Charakters, ihrer äußeren und -inneren Gestalt, kurz ihres Entwickelungsgesetzes fand. Der Besitz -der A. E. G. ist in späteren Perioden vielleicht noch stärker gemehrt -worden, die Expansion noch vielgestaltiger fortgeschritten. Das -geschah aber dann zum Teil infolge der automatisch nach Erweiterung -drängenden Schwerkraft des kernhaft gewordenen Unternehmens, nicht -mehr so sehr durch höchstpersönliche Leistung am werdenden Werk. Die -Entwickelung <em class="gesperrt">nach 1902</em> hätte man sich zur Not auch ohne Emil -Rathenau vorstellen können, die <em class="gesperrt">vor 1900</em> aber keinesfalls. Alle -Keime begannen in dieser schöpferischen Periode bereits aufzugehen, -alle Möglichkeiten traten bereits in den Kreis des Unternehmens, -alle Fundamente wurden gefestigt und alle Grenzen fingen an, sich -abzuzeichnen. Die Ideen traten hervor, ohne sich allerdings bereits -ganz zu erfüllen, oder gar zu erschöpfen. Aber das Werk ließ -bereits die Umrisse er<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span>kennen, das Wesenhafte an Rathenaus Art und -Leistung hatte sich ausgeprägt. Seine Art der Industriepolitik, -der Unternehmerpolitik, der Finanzpolitik und der Sozialpolitik -ist grundsätzlich hier bereits festgelegt. Was dann noch kam, war -gewiß keineswegs bloße Wiederholung oder nur Anwendung und Ausbau im -Quantitativen, keineswegs nur das Abrollen und Anschwellen einer im -Lauf befindlichen Lawine, aber es war doch das Fortschreiten auf dem -bereits gebahnten und gerichteten Wege. Die Verfeinerungsarbeit, die -nun folgte, die eine naturgemäß im Expansionsgange liegende Häufung -der Mengen und Mittel vor einer Ausartung ins Nichts-als-Kolossale -bewahren, und darum einer ganz besonders eindringlichen inneren -Verarbeitung unterziehen mußte, warf tagtäglich neue Probleme auf, -erforderte ständig eine Verjüngung und Erneuerung der Methoden. Sie -stellte an die Individualität immer frische geistige Anforderungen, -damit die Gefahr der Schematisierung und Mechanisierung vermieden -wurde, die eine unbeherrscht so stark anschwellende Masse schließlich -starr und unproduktiv gemacht hätte. Eine Organisation, die nur -vergrößert, nicht stets kontrolliert und erneuert wird, muß schließlich -zur Bürokratie werden und leidet unter ihrem eigenen Gewicht. Dies im -zunehmenden Tagesdrang der kleinen und großen Geschäfte vermieden, -daneben jedoch neuen Problemen frisches Augenmaß gegeben zu haben, -bleibt die geistige Leistung der nachfolgenden Schaffensperiode -Rathenaus.</p> - -<p>Das große Bild jener Grundlegung in den Entwickelungsjahren bis -1900 durfte nicht durch zu starkes Betonen der Retardations- und -Rückschlagsmomente, der Nebenwirkungen, Auswüchse, der richtigen -und falschen Nachahmungen beschwert und beunruhigt werden, wenn -es voll wirken sollte. An solchen Zügen hat es natürlich auch in -jenen Zeiten des Aufschwungs nicht gefehlt, weder innerhalb, noch -außerhalb des A. E. G.-Kreises. Auf sie ist gelegentlich auch bereits -hingewiesen worden, so besonders auf die langsame, kühle Verwirklichung -mancher heiß und kühn konzipierten technischen und wirtschaftlichen -Erkenntnisse, auf den Überschwang mancher Projekte und die falsche -Abschätzung mancher Dimensionen, schließlich auch auf die falsche, -mißverstandene Anwendung mancher Methoden durch dritte. Wir haben -gesehen, daß in der vergangenen Epoche die Führung und Tonangabe, -wenn auch nicht in der elektrischen Industrie,<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> so doch in ihrer -Fortentwickelungstendenz von der Firma Siemens & Halske auf die A. -E. G. übergegangen war. Ihre Schwungkraft, ihr Expansionswille und -die Art seiner Betätigung gaben der ganzen Industrie die bestimmende -Note. Auf ihrem Fluge war sie bald von einem ganzen Schwarm von -Mitläufern umringt, die ihr Tempo mitzuhalten, wenn gar noch zu -übertreffen versuchten. Überspannung, heftiger Konkurrenzkampf, -der noch durch die Energie und Eifersucht, mit der sich die früher -allein herrschende Firma Siemens & Halske aus ihrem bereits etwas -satt gewordenen Entwickelungstemperament heraus zur Wehr setzte, -gesteigert und vertieft wurde, gaben schon in den letzten Jahren des -zu Ende gehenden neunzehnten Jahrhunderts den Verhältnissen in der -Elektrizitätsindustrie immer stärker das Gepräge. Überproduktion -und Preisrückgänge waren die Folgen. Sie traten umso schärfer in -Erscheinung, als die großen Anregungen der Elektrizitätsbewegung, die -von der Konstruktion der Dynamomaschine, der Erfindung des Bogen- -und Glühlichts ihren Ausgang genommen und ihre Kraft zwei Jahrzehnte -hindurch in ständig anschwellendem Strom betätigt hatten, ihren -Höhepunkt überschritten zu haben und in die Periode des Auslaufs zu -kommen schienen, ohne daß zunächst neue motorische Kräfte an ihre -Stelle traten. Die Krise kündigte sich durch mehr als ein Zeichen -an, und es kam jetzt darauf an, ob alle Unternehmungen der Industrie -ebenso wie die A. E. G. trotz des Sturmschritts des letzten Jahrzehnts -ausreichende Sicherheitsventile gegen die Wucht plötzlichen Überdrucks, -innere Kraftausgleichsquellen gegen Rückschläge geschaffen hatten.</p> - -<p>Von Emil Rathenau war mit der Wahrscheinlichkeit, ja Notwendigkeit -eines Rückschlages immer gerechnet worden. Trotz allem Optimismus für -die große Zukunft und die unverwüstliche Lebenskraft der elektrischen -Idee überließ sich seine praktische Arbeit nie unbeherrscht diesem -felsenfesten Vertrauen in den Enderfolg, sondern sie wurde auf Schritt -und Tritt von dem latenten Pessimismus überwacht, der die Durchführung -dieser Idee gegen alle nur denkbare Zufälle und Mißhelligkeiten nicht -genug versichern konnte. „Ich traue auf meinen Stern, also brauche -ich mich nicht vorzusehen,“ diese beliebte Devise der Optimisten war -Rathenau ganz und gar fremd. Bereits in den letzten Jahren des zu -Ende gehenden Jahrhunderts hat Rathenau die Krisis nahen gefühlt, -während die Konkurrenz sich noch mit ungeminderter Leidenschaft dem -Gründungstaumel hingab.<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> Ganz besonders auf dem scharf umstrittenen -Gebiete des elektrischen Straßenbahnbaus legte sich die A. E. G. -sichtbare Zurückhaltung auf. Dem Handelsredakteur eines großen -süddeutschen Blattes vertraute Emil Rathenau bereits längere Zeit -vor Ausbruch der Krisis seine Befürchtungen an. „Flaumacherei, -Baissemanöver, Neid gegenüber der ihn überflügelnden Konkurrenz“ wurden -Rathenau damals von anderen Elektrizitätsfachleuten in der Presse -vorgeworfen, als seine Äußerungen an die Öffentlichkeit gelangten. -In den offiziellen Kundgebungen der A. E. G. wird zum ersten Male im -Geschäftsbericht für das Jahr 1898/99 das Nahen der Krisis angedeutet, -nachdem bereits in der oben wiedergegebenen Generalversammlungsrede -im Jahre 1898 gelegentlich des Erwerbes der Elektrobank-Aktien auf -die ungesunden Gründungen in der Elektrizitätsindustrie, und auf die -Wahrscheinlichkeit eines früher oder später eintretenden Rückschlags -hingewiesen worden war. Die Gesellschaft spricht im Jahre 1898/99 -von eventuell bevorstehenden schlechteren Zeiten und einer für die -Elektrizitätsindustrie drohenden Überproduktion. Im Bericht für das -Jahr 1899/1900 wird schon ein deutlicheres Warnungssignal gegeben. -Nachdem konstatiert worden ist, daß die Geschäftslage noch günstig -sei, daß die Summe der auf das laufende Jahr übertragenen Aufträge -den Umsatz des abgelaufenen Jahres wesentlich übersteige und die -Gesellschaft auch im neuen Jahre mit lohnenden Arbeiten bisher -reichlich versehen worden sei, heißt es: „Ungeachtet dessen mahnt -die schwindende Zuversicht in den Fortbestand der industriellen -Hochkonjunktur zu verstärkter Vorsicht bei Aufnahme neuer Geschäfte, -die zu ihrer Entwickelung erfahrungsgemäß einer Reihe von Jahren -bedürfen.“ — Weiter unten wird aber schon die tröstliche Versicherung -gegeben: „Gegen die Nachteile einer etwaigen Überproduktion im Lande -hoffen wir, durch die Einrichtungen unserer Fabriken und deren -Bewertung uns wirksam schützen zu können.“ In der Generalversammlung -vom 6. Dezember des Jahres 1900 unterstrich Rathenau diese Mitteilungen -noch, indem er ausführte, es könne niemand leugnen, daß die Konjunktur -ihren Höhepunkt überschritten habe. Vorläufig sei allerdings der -Rückgang noch mäßig. Als einer der Gründe für den Rückschlag wurde -angegeben, daß zu viele neue Unternehmungen gegründet seien. Am -frühesten zeigten sich Spuren der beginnenden Stauung denn auch -im <em class="gesperrt">Unternehmergeschäft</em>. Der Geschäftsbericht der Bank für -elektrische<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span> Unternehmungen für das Jahr 1899/1900 geht diesen -Spuren nach und schildert sie folgendermaßen, zugleich zeigend, daß -die Trustorganisation für das Unternehmergeschäft nach Versagen des -Kapitalmarktes genau so funktioniere und wirke, wie das von Emil -Rathenau gedacht worden war:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die nicht unerhebliche Steigerung der Preise fast sämtlicher, -für die elektrische Industrie in Betracht fallender Rohprodukte -und die daraus sich ergebende Preiserhöhung der Fabrikate, hat -glücklicherweise den Umfang der geschäftlichen Tätigkeit der -großen Elektrizitätsgesellschaften bisher nicht beeinträchtigt. Im -Gegenteil wird von vielen Seiten während des ganzen Berichtsjahres -eine erfreuliche Andauer der Beschäftigung und eine Steigerung der -Umsätze gemeldet, welche häufig sogar den Gewinn-Ausfall auszugleichen -vermocht hat, der dadurch entstand, daß die Preise der Fabrikate -nicht im gleichen Verhältnis hinaufgesetzt werden konnten, wie die -Preise der Rohstoffe und Hilfsmaterialien für die Konstruktion der -elektrotechnischen Produkte sich steigerten.</p> - -<p>Diese Preissteigerung der Rohstoffe und Hilfsmaterialien hat sich -aber, mehr noch als beim Bau, beim Betrieb der elektrotechnischen -Maschinen und Anlagen fühlbar gemacht. Man denke nur an die sehr -erhebliche Erhöhung der Selbstkosten des elektrischen Stromes, wie sie -sich für diejenigen Zentralen, die auf Dampfkraft angewiesen sind, aus -der Preissteigerung der Kohle um rund 50% ergeben mußten. Eine Reihe -von diesen Anlagen ist dadurch in ihrer finanziellen Entwickelung im -abgelaufenen Jahr gehemmt worden, und da infolgedessen den großen -Elektrizitätsgesellschaften die definitive Abstoßung ihrer finanziellen -Beteiligungen an von ihnen ins Leben gerufenen Unternehmungen nicht -erleichtert worden ist, so hat sich in neuester Zeit eine gewisse -Zurückhaltung in der Übernahme von Aufträgen, mit welchen finanzielle -Leistungen seitens der Unternehmerfirmen verknüpft sind, geltend -gemacht. Daß die großen Gesellschaften diesen Standpunkt, jedenfalls -nicht zum Nachteil des eigentlichen legitimen Unternehmer- und -Fabrikations-Geschäftes, einnehmen können, erleichtert und ermöglicht -ihnen gerade der erfreuliche Umstand, daß sie bis jetzt auch ohnedies -auf allen Gebieten vollauf und zu lohnenden Preisen beschäftigt zu sein -scheinen.</p> - -<p>Unter solchen Umständen finden Banken, welche, wie die unsrige, sich -speziell mit der Übernahme und Durchführung von Finanz<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span>geschäften -auf elektrotechnischem Gebiet abgeben, Gelegenheit genug, sich zu -betätigen, und es hat der Umfang unserer Geschäftsverbindungen und -die Anlage unserer Betriebsmittel in Beteiligungen aller Art bei -elektrotechnischen Unternehmungen auch im abgelaufenen Jahr wieder -zugenommen. Immerhin genügten hierfür die von uns schon früher -beschafften Mittel, während wir von der Begebung weiterer Obligationen -unserer Bank bei der im ganzen ungünstigen Disposition des Geldmarktes -glaubten absehen zu sollen.“</p> - -</div> - -<p>Nichtsdestoweniger wird für das Jahr 1899/1900 bei der A. E. G. noch -die unverminderte Dividende von 15% ausgeschüttet. Das folgende Jahr -bringt einen Rückgang auf 12%, wobei allerdings zu berücksichtigen -ist, daß diesmal 13 Millionen Mark junge Aktien, die im Vorjahre -nur die Hälfte der Dividende erhielten, voll daran teilnehmen. So -wird noch immer eine Dividendensumme von 7,2 Millionen Mark gegen -8025000 Mark im Vorjahre herausgewirtschaftet. Der Niedergang kann -nun von niemandem mehr geleugnet werden. Die starken wohlfundierten -Unternehmungen halten den Stoß bewunderungswürdig gut aus, aber in -dem leichten Gebälk der schwächer gezimmerten Gesellschaften kracht -und knirscht es bereits. Der Geschäftsbericht des Jahres 1900/1901 -setzt sofort mit Krisenstimmung ein. „Fast zwei Jahrzehnte lang hat -die elektrotechnische Industrie immer neue lohnende Aufgaben gefunden -und sich einer stetigen Entwickelung erfreut; die bekannten Vorgänge -in unserem Wirtschaftsleben mußten eine vorläufige Unterbrechung -dieser Bewegung mit Notwendigkeit herbeiführen. Auf die Anzeichen -drohender Überproduktion und ungesunder Übertreibung haben wir in den -letzten Jahren oftmals hingewiesen. Wie schmerzlich auch der scharfe -Rückgang in der Konjunktur empfunden wird und wie berechtigt die -Klagen über Schäden und Einbußen sind: der auf Vervollkommnung der -Arbeitsmethoden bedachte Fabrikant und Techniker wird zugeben, daß nur -normal beschäftigte Werkstätten Zeit und Muße zu Verbesserungen und -Verbilligungen finden, während die zwei- und dreifachen Schichten, wie -sie jahrelang zur Notwendigkeit geworden waren, Ausgestaltungen und -Neuerungen der Fabrikationsmethoden erschwerten.“ — Von Resignation -oder Waffenstreckung also trotz der Enttäuschungen und Rückschläge -keine Spur. Auch hier der feste Wille, sich von Mißhelligkeiten nicht -unterkriegen zu lassen und sogar aus ihnen noch Vorteil für die Zukunft -zu ziehen. Zur<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span> Verzweiflung lag allerdings bei der A. E. G. auch -noch kein Anlaß vor: „Wir konnten annähernd den gleichen Umsatz wie -im Vorjahre abrechnen und waren in den meisten Abteilungen unseres -Geschäftsbetriebes und der Fabrikation befriedigend beschäftigt; neuen -Unternehmungen gegenüber legen wir uns aber große Beschränkungen auf.“ -— Auch die Aussichten werden nicht als direkt ungünstig geschildert, -wenigstens was die Arbeits<em class="gesperrt">quantität</em> anlangt: „Nach den ultimo -September gemachten Aufstellungen erreichen die fakturierten Umsätze -nahezu die der gleichen Periode des Vorjahres, ebenso die vorliegenden -Aufträge, soweit Bahnunternehmungen und Bestellungen für die Berliner -Elektrizitätswerke, deren Bautätigkeit einstweilen zum Abschluß gelangt -ist, nicht in Betracht kommen.“ Nun aber kommt der wunde Punkt:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Diese Ziffern wären unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen -befriedigend, wenn die Akquisitionstätigkeit der Konkurrenz, welche -ohne Rücksicht auf Herstellungskosten um jeden Auftrag kämpft, nicht -zu andauerndem Rückgang der Preise führte. Da unter diesen Umständen -ein Urteil über die zukünftige Gestaltung des wirtschaftlichen -Lebens schwer zu gewinnen ist, müssen wir damit rechnen, daß ein -Aufschwung gleich dem der letzten Jahre, dem die Elektrotechnik ihre -Größe verdankt, sich nicht sogleich erneuern werde. Vielfach haben -Unternehmungen, welche in der Hochflut der Konjunktur ohne innere -Notwendigkeit entstanden und mit ungenügender Sachkenntnis geleitet -waren, das Vertrauen in die Ergiebigkeit unserer Industrie erschüttert. -Es wird die Aufgabe der auf solider Grundlage errichteten und mit -Umsicht und Verständnis geleiteten Werke sein, dieses Vertrauen wieder -herzustellen. Aber hierdurch allein wird die Schwierigkeit der Lage, -die teilweise auf notorischer Überproduktion der Fabriken beruht, -nicht beseitigt. Die mißlichen Verhältnisse werden schwinden, und -die deutsche Elektrotechnik wird ihre Macht und Bedeutung, welche -sie im Wettbewerbe der Nationen in Chicago und Paris gezeigt hat, -erfolgreich auf dem Weltmarkt betätigen, wenn neue Handelsverträge, -wie wir hoffen, unseren Waren die Märkte befreundeter Nationen offen -halten, und wenn die kräftigeren Unternehmungen durch zweckmäßige -Organisation und rationelle Arbeitsteilung die Versuchs-, Fabrikations- -und Verkaufsspesen auf das geringste Maß herabmindern. Im eigenen -Interesse, wie in dem der elektrotechnischen Industrie ist deshalb -unser Bestreben darauf ge<span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span>richtet, in dem angedeuteten Sinne zu wirken, -und wir halten uns die Initiative hierfür zu ergreifen für berechtigt, -weil die innere und äußere Lage unserer Gesellschaft die Vermutung -ausschließen sollte, daß sie auf das Zustandekommen derartiger Projekte -angewiesen ist.“</p> - -</div> - -<p>Noch weiter werden die hier angedeuteten Gesichtspunkte betreffend die -ruinöse Konkurrenz und das Mißtrauen des Kapitals, von dem gerade die -Elektrizitätsindustrie in den letzten Jahren außerordentlich verwöhnt -worden war, ausgesponnen und daneben noch andere negative Momente, -so die langsame Verwirklichung der von der Elektrizitätsindustrie -mit Ungeduld erwarteten Elektrisierung der Vollbahnstrecken, in dem -Geschäftsbericht der Elektrobank für das Jahr 1900/01 geschildert:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die von kompetenten Fachleuten schon vor geraumer Zeit gemachte und -geäußerte, anfänglich aber vielfach bestrittene Wahrnehmung, daß die -Konjunktur in der elektrischen Industrie für einmal ihren Höhepunkt -erreicht habe, hat durch den Geschäftsgang in dem Zeitraum, über -welchen wir Bericht und Rechnung zu erstatten haben, eine Bestätigung -gefunden, welche an der Richtigkeit dieser Tatsache heute wohl -niemanden mehr zweifeln läßt. Zwar sind wenigstens die größeren -Etablissements der elektrischen Industrie noch immer befriedigend -beschäftigt. Aber der Bau neuer elektrischer Anlagen, sowohl für -Beleuchtung, als für Straßenbahnen und für Kraftübertragung, hat -doch insofern eine fühlbare Einschränkung erfahren, als es den -Unternehmerfirmen nicht mehr so leicht gemacht ist, durch gleichzeitige -Finanzierung der zu erstellenden Werke sich vorteilhafte Bestellungen -zu sichern: Das Kapital drängt sich zu Anlagen in elektrischen Werten -nicht mehr so heran, wie vor einigen Jahren. Das hat zur Folge, -daß die Konstruktionsfirmen diejenigen Aufträge bevorzugen, welche -für sie keine finanziellen Leistungen involvieren, selbst wenn die -dabei zu erzielenden Preise weniger günstig sind. Daneben kommt das -eigentliche Fabrikationsgeschäft, welches sich die Erzeugung der -vielfältigen Verbrauchsgegenstände für die bereits bestehenden Anlagen -zur Aufgabe stellt, immer mehr zur Geltung. Die Zeit muß lehren, ob -alle die großen Konstruktionsunternehmungen, welche die elektrische -Industrie namentlich in Deutschland und der Schweiz zu so hoher Blüte -gebracht haben, auch auf dieser reduzierten Basis genügende und -lohnende Beschäftigung finden, namentlich wenn neben der gegenseitigen -inländischen auch<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> die ausländische, speziell amerikanische Konkurrenz -in der Folge sich noch intensiver geltend machen sollte. Jedenfalls -ist die heutige Situation ein Ansporn, allen Bestrebungen, welche neue -Arten der Verwendung der elektrischen Energie zu finden bezwecken, -die größte Aufmerksamkeit zu widmen. Angesichts der unbestrittenen -Höhe, welche die Leistungsfähigkeit unserer elektrischen Industrie, -wissenschaftlich und praktisch, erreicht hat, darf man zuversichtlich -hoffen, daß es ihr gelingen wird, die Aufgabe zu lösen, der -Elektrizität Anwendung auf immer weiteren Gebieten zu sichern und -sich damit die Möglichkeit ausreichender Tätigkeit auch in Zukunft -zu wahren. So dürfte eine neue, der frühern nahekommende Blütezeit -für die elektrische Industrie namentlich dann zu erwarten sein, -wenn es gelingen sollte, das Problem eines rationellen elektrischen -Vollbahn-Betriebes endgültig zu lösen, ein Problem, welches namentlich -für kohlenarme, aber wasserkraftreiche Länder, wie die Schweiz, von -sehr großer Bedeutung ist und bleiben wird.</p> - -<p>Für unsere Bank ist der eingetretene Unterbruch in der mehrjährigen -glänzenden Entwicklung der Elektrizitätsbranche bis jetzt nur insofern -von Einfluß gewesen, als auch wir uns mehr mit unseren bisherigen -Geschäften und deren weiteren Forderung, als mit neuen Unternehmungen -abgegeben haben.“</p> - -</div> - -<p>Das Jahr 1901/1902 bringt noch eine Vertiefung der Krisis. Die -Dividende der A. E. G. sinkt bis auf 8% und neben der Kritik -der äußeren Dinge wird auch die Selbstkritik schärfer, wird die -Notwendigkeit anerkannt, aus den begangenen Fehlern und Irrtümern zu -lernen, aber doch zugleich eingestanden, daß ein Ende des Niederganges -noch nicht abzusehen und eine volle Erkenntnis der Heilmittel noch -nicht möglich ist. Lassen wir wieder den Geschäftsbericht in Rathenaus -diesmal besonders scharf geprägten Worten sprechen:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Wie der wirtschaftliche Aufschwung des letzten Jahrzehntes sich um -die aufblühende elektrotechnische Industrie konzentrierte, so steht -diese in der gegenwärtigen Periode im Mittelpunkte des allgemeinen -Niederganges; ja es darf heute kaum mehr geleugnet werden, daß -die elektrische Krisis eher eine der Ursachen als eine Folge der -wirtschaftlichen Gesamterkrankung darstellt.</p> - -<p>Die Ursachen der Krisis waren übermäßige Investitionen bei -Betriebsunternehmungen, die weder mit der Kapitalskraft des -Landes<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> noch mit den landesüblichen Ansprüchen an Verzinsung im -Einklang standen, mangelhafte Prüfung und Überkapitalisation -dieser Unternehmungen; ungerechtfertigte <em class="gesperrt">Erweiterung der -Fabrikationsstätten</em> auf Grund der <em class="gesperrt">Aufträge</em>, die aus -<em class="gesperrt">Lieferung für eigene Unternehmungen stammten</em> und daher nur -einmalige waren, Ausbreitung der Geschäfts- und Verkaufsorganisationen -über dasjenige Maß hinaus, das durch die Basis der Fabrikation gegeben -war.</p> - -<p>Die Bedeutung und Zukunft der Elektrotechnik als Faktor des modernen -Lebens wird durch die Kalamität der Industrie nicht verringert; -im Gegenteil ist zu erwarten, daß die durch Besorgnis gesteigerte -Emsigkeit neue Gebiete und neue Anwendungen erschließen und die -Kenntnis und Beherrschung der vorhandenen erweitern wird. Wenn auch -diese Rückwirkung der elektrotechnischen Industrie zugute kommen wird, -eine Gesundung wird schwerlich sofort erfolgen. Fürs erste handelt -es sich darum, dem vorhandenen Zustand ins Auge zu sehen und das -Mißverhältnis zwischen Produktionsfähigkeit und Konsum rückhaltlos zu -konstatieren. Dies wird dem Kapitalisten heute leichter sein als vor -einem Jahre, nachdem inzwischen vielfach Ergebnisse und Bewertungen -in scharfen Kontrast zu mannigfachen hoffnungsvollen Erklärungen und -Voraussagen getreten sind. Welche Mittel zu ergreifen sein werden, um -unsere Industrie zu konsolidieren, haben wir wiederholt ausgesprochen. -Ein engeres Zusammenschließen der großen Firmen wird sich kaum -vermeiden lassen, wenn die Verkaufspreise der Erzeugnisse wieder auf -ein der Fabrikation lohnendes Niveau gebracht werden sollen. Daß aber -eine Beschleunigung des Zusammenschlusses leicht zu Übereilungen führen -könnte, scheint uns durch die Tatsache erwiesen, daß noch im <em class="gesperrt">Verlauf -des letzten Jahres</em> erhebliche <em class="gesperrt">Verschiebungen in der relativen -Bewertung der einzelnen Unternehmungen</em> stattgefunden haben und -anscheinend dauernd sich vollziehen. Schon aus diesem Grunde scheint -uns ein klares Erfassen der Situation die nächstliegende Vorbedingung -für spätere Sanierung.“</p> - -</div> - -<p>Noch pessimistischer klingt’s im Geschäftsbericht der Elektrobank:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Der Rückschlag auf dem Gebiete der Elektrizitätsindustrie, der sich -schon im Vorjahre als recht intensiv erwies, hat im Berichts<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span>jahre -leider weitere Fortschritte gemacht, und es ist noch nicht abzusehen, -wann die rückläufige Bewegung einem wiederkehrenden Aufschwunge weichen -wird. Speziell das Unternehmergeschäft, das für Institute, wie das -unsrige, in erster Linie in Betracht fällt, hat an Umfang noch mehr -eingebüßt. Zweifelsohne trägt daran die allgemeine Depression der -wirtschaftlichen Lage in Europa, welche durch den ungewissen Ausgang -der Verhandlungen über den Abschluß neuer Zoll- und Handelsverträge -noch verstärkt wird, eine Hauptschuld. Daneben wirkt aber mit, daß -die Anlagen auf dem Gebiete der elektrischen Zentralstationen und -Straßenbahnen, soweit es sich wenigstens um hinsichtlich ihrer -Ertragsfähigkeit gerechtfertigte Projekte handelt, in den hierfür -einstweilen in Betracht fallenden Ländern zum guten Teil bereits -ausgeführt sein dürften. Eine weitere Betätigung nach dieser Richtung -wird sich also entweder auf entferntere, politisch und wirtschaftlich -weniger entwickelte Länder erstrecken oder durch eine Verbilligung -der Anlagekosten und des Betriebes die Vorteile der elektrischen -Beleuchtung und Traktion auch solchen Gemeinwesen zugänglich zu machen -suchen müssen, die man für derartige Einrichtungen bis anhin nicht als -genügend lohnende Objekte betrachten konnte. Wohl hat sich die deutsche -und schweizerische Elektrizitätsindustrie auch schon wiederholt -an große ausländische Beleuchtungs- und Transport-Unternehmungen -herangemacht, und wir selbst haben uns finanziell an solchen -interessiert; die Frage bleibt aber noch offen, ob namentlich die -daherige überseeische Tätigkeit überall eine mit den vermehrten -Risiken aller Art im Einklang stehende Entlohnung dabei findet. Und -was die Ausdehnung elektrischer Einrichtungen im Beleuchtungs- und -Traktionswesen auf wirtschaftlich minder entwickelte Gemeinwesen -anbetrifft, so scheint man auch da schon jetzt oft bis an die äußerste -Grenze des Berechtigten gegangen zu sein.</p> - -<p>Solange die Elektrizitäts- und deren Hilfsgesellschaften über, wie es -damals schien, unerschöpfliche Geldmittel verfügten, wurden die ihnen -sich bietenden Unternehmungen häufig mit einem, den tatsächlichen -Verhältnissen widersprechenden Optimismus eingeschätzt, und die an -der Erteilung von Konzessionen interessierten Organe nahmen nicht -selten zum eigenen Nachteil keinen Anstand, Bewerber nur deshalb zu -bevorzugen, weil sie glänzende Zugeständnisse machten und hohe Erträge -in Aussicht stellten. Nach dieser Richtung<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span> wird die jetzt zuweilen -beklagte Zurückhaltung des Kapitals Wandel schaffen, indem es die -Bedingungen des Zustandekommens und die Chancen neu zu schaffender -Elektrizitätsunternehmungen sorgfältiger prüft als bisher. Andererseits -werden aber auch die Kreise, welche die Hebung der Gemeinden und die -Förderung des Verkehrs durch Einführung von elektrischem Licht und -elektrischen Bahnen mit fremden Mitteln anstreben, im eigenen Interesse -auf die zukünftige Prosperität dieser Schöpfungen bedacht sein und den -privaten Unternehmungen durch Gewährung günstiger Bedingungen das mit -Übernahme derselben verbundene Risiko erleichtern müssen.</p> - -<p>Unter den gegenwärtigen Verhältnissen liegt einstweilen nach -wie vor das Schwergewicht der Tätigkeit der großen elektrischen -Konstruktionsfirmen in der Fabrikation aller Einrichtungen für -den täglichen, laufenden Gebrauch und Verbrauch der elektrischen -Bedarfsgegenstände aller Art. Hier aber zeigt sich immer mehr, daß -die vorhandenen Fabrikationseinrichtungen für die gegenwärtigen -Bedürfnisse mehr als genügend sind. Daraus resultiert ein ungemein -intensiver Wettbetrieb und ein Preisniveau für die Erzeugnisse, -das kaum mehr den richtigen industriellen Nutzen läßt. Daß dabei -diejenigen Gesellschaften, welche in den guten Zeiten auf möglichst -hohe Rücklagen und Abschreibungen Bedacht genommen und vor allem für -die höchste technische Vervollkommnung ihrer Fabrikationseinrichtungen -Sorge getragen haben, im Konkurrenzkampf am günstigsten dastehen, -ja vielleicht diesen allein zu überdauern vermögen, ist -selbstverständlich. Vielleicht wird auch für unsere europäischen -Elektrizitäts-Gesellschaften ein engerer Zusammenschluß nach -amerikanischem Vorbild zur Notwendigkeit, bei dem die weniger günstig -produzierenden Anlagen einstweilen zum Stillstand verurteilt werden -könnten, bis die Verhältnisse sich wieder gebessert haben werden. Aber -wenn auch verschiedene Gruppen ihre Interessen vereinigen, so wird eine -durchgreifende Besserung erst allmählich und in dem Maße eintreten, -wie die heutigen Anwendungsarten der elektrischen Industrie auf neue -Gebiete sich erweitern. Wird auch in dieser Richtung unablässig -gearbeitet, und dürfen wir auch in die Fähigkeit, Intelligenz und -Energie der Vertreter unserer elektrischen Wissenschaft und Praxis für -die Zukunft alles Zutrauen haben, so müssen wir doch zugestehen, daß -speziell im abgelaufenen Jahr neue, epochemachende Erfindungen auf -elektrischem Gebiete nicht gemacht,<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> auch längst anhängige wichtige -Probleme, wie insbesondere der elektrische Vollbahnbetrieb, sehr weit -nicht gefördert worden sind.“</p> - -</div> - -<p>Doch gerade hier werden die Interessenten nicht ohne Hoffnungsschimmer -entlassen:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„So düster das vorstehend entworfene Bild sein mag, so fehlen -doch auch gewisse Lichtblicke nicht, die leicht eine Wendung zum -Besseren einleiten könnten: Die starke Verbilligung vieler für die -Elektrotechnik wichtiger Rohmaterialien, insbesondere von Kupfer -und Eisen, hat bereits mit zur Herabsetzung der Preise elektrischer -Maschinen, Kabel usw. beigetragen und wird die Erstellung neuer -elektrischer Einrichtungen, sowie die Ausdehnung des Anwendungsgebietes -der elektrischen Energie zweifelsohne fördern. Auch die ganz -außerordentliche Geldflüssigkeit, die sich seit längerer Zeit geltend -macht, muß früher oder später das Kapital veranlassen, sich wieder -eine höhere Verzinsung bei der Industrie zu suchen. Das kann auch der -Elektrizitätsbranche zugute kommen. Wie bald, das ist freilich schwer -vorauszusagen.“</p> - -</div> - -<p>Das Jahr 1902/03 bringt endlich den ersten Schritt zur Lösung und -Überwindung der Krise. Die Dividende der A. E. G. kann zwar noch nicht -wieder über 8% hinaus erhöht werden, aber bei der Elektrobank und -der Elektrizitäts-Lieferungsgesellschaft werden Steigerungen von 6 -auf 6½ und 7 auf 7½% vorgenommen. Das Wesentlichste aber ist, -daß das Mittel nicht nur gefunden, sondern auch zum erstenmal in -durchgreifender Weise zur Anwendung gebracht wird, das den schlimmsten -und am bösesten verwucherten Keim der Krisis, die Überproduktion und -den ruinösen Konkurrenzkampf, zu ertöten geeignet ist. Dieses Mittel -heißt <em class="gesperrt">Konzentration</em>. Bis dahin in der Elektrizitätsindustrie -mit ihren völlig dezentralisierenden, durch keinerlei -Kontrollvereinbarungen abgedämpften Absatzmethoden völlig unbekannt, -ergriff der Gedanke der Konzentration diese Industrie, geboren aus der -Not des Zusammenbruches und der Kraft des Kontrastes, nun stärker als -jedes andere Gewerbe, die Macht der Schwachen völlig erschütternd, -die der Starken aus der Erbschaft jener außerordentlich mehrend. Er -hat die ganze Entwickelung des folgenden Jahrzehntes beherrscht, aber -auch diesen ganzen Zeitraum gebraucht, um die Reste der früheren -individualistischen Entwicklungsära völlig aufzusaugen und zu verdauen. -Bevor wir diesen Weg wei<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span>terverfolgen, wird es notwendig sein, zu -untersuchen, wie sich die Situation der <em class="gesperrt">gesamten Industrie</em> -in dem Hexenkessel der Krisis gestaltet und verändert hat. Was wir -bisher von ihr gesehen haben, war aus dem Spiegel der A. E. G. -zurückgeworfen und gab — abgesehen von subjektiv gefärbten, übrigens -immerhin zurückhaltenden Darstellungen der Lage des Allgemeingewerbes -— nur die Wirkungen auf das A. E. G.-Unternehmen selbst wieder. -Dieses Bild muß durch die Schicksale der anderen in der Industrie -tätigen Unternehmungen, ihre Ursachen und ihre Folgen, ergänzt werden. -Erst dann wird das Verständnis der Krise und das Verständnis ihrer -Überwindung ganz erschlossen werden können.</p> - -<p>Wie wirkte nun der Niedergang auf die übrigen Unternehmungen der -Elektrizitätsindustrie? — Wenden wir uns zunächst zu der Firma -<em class="gesperrt">Siemens & Halske</em>, die erst im Jahre 1897 — nach dem Tode Werner -Siemens — in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war. Das -Kapital dieser Gesellschaft hatte bei der Gründung 35 Millionen Mark -betragen, hatte also genau dieselbe Höhe wie das damalige Aktienkapital -der A. E. G., auf das allerdings zu jener Zeit nur 32586000 Mark -eingezahlt waren. In den Jahren 1898 und 1899 trug die Gesellschaft -dem stürmischen Expansionstempo in der Elektrizitätsindustrie durch -Erhöhungen von je 5 Millionen Mark Rechnung, und im April 1900, also -in einer Zeit, in der der kluge und vorsichtige Emil Rathenau bereits -warnend von der schwindenden Zuversicht in die Konjunktur sprach und -sich wohlweislich hütete, den Kapitalmarkt noch in Anspruch zu nehmen -(nachdem er sich allerdings vorher zu geeigneter Zeit reichlich mit -Mitteln versehen hatte), erfolgte bei Siemens & Halske noch eine -dritte größere Kapitalvermehrung um 9500000 Mark. Die Aktien wurden -allerdings nur teilweise — in Höhe von 4,5 Millionen Mark — auf dem -Kapitalmarkt untergebracht, 5 Millionen Mark übernahm die Familie -Siemens, die der Aktiengesellschaft dafür Aktien der Siemens Brothers -& Co. in London und der russischen elektrotechnischen Werke Siemens & -Halske überließ. Damit war das Kapitalbedürfnis der Siemens & Halske -Akt.-Ges. in jener Zeit der Hochspannung aber noch keineswegs gedeckt. -Im Jahre 1898 wurde eine Obligationenanleihe von 20 Millionen Mark, im -Jahre 1900 eine weitere von 10 Millionen Mark aufgenommen. Auch auf dem -Gebiete des Obligationenkredits hatte Emil Rathenau seine Bedürfnisse -in jener vor-kritischen Periode<span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span> niedriger zu halten verstanden und -im Jahre 1900 eine Anleihe von 15 Millionen Mark, also nur die Hälfte -der von Siemens & Halske beanspruchten Obligationen-Mittel ausgegeben. -— Die Folge der von Siemens & Halske gerade in der kritischen Zeit -auf sich genommenen neuen Zinslasten war, daß dieses alte, historisch -und technisch viel tiefer als die A. E. G. verwurzelte Unternehmen -dennoch von der Krisis schärfer angefaßt wurde als die jüngere -Konkurrenzgesellschaft. Die Aktiengesellschaft Siemens & Halske, -die in den ersten beiden Jahren ihres Bestehens Dividenden von 10% -ausgeschüttet hatte, mußte im Jahre 1900/01 auf 6%, im Jahre 1901/02 -sogar auf 4% heruntergehen, zum Teil auch deswegen, weil sie das -Unternehmer- und Beteiligungsgeschäft, das bei der A. E. G. schon durch -jahrelangen Ausbau gefestigt worden war, erst in den letzten Jahren -vor der Krisis eingerichtet, und infolgedessen noch nicht hinlänglich -geschützt hatte.</p> - -<p>Immerhin hielt sich die Siemens & Halske Akt.-Ges. naturgemäß doch ganz -anders als die übrigen Elektrizitätsunternehmungen, die der zweiten -und dritten Kategorie angehörten. Sie blieb nicht nur lebenskräftig -und unerschüttert, sondern auch aufnahmefähig zur Übernahme -schwachgewordener Elemente der Elektrizitätsindustrie und konnte, -gestützt auf ihren unverwüstlichen Fundus, trotz einer nicht gerade -elastischen, sondern eine freie Bewegung erschwerenden Organisation -an der gewaltigen Konzentrationsbewegung, die nach Überwindung -der Krisis einsetzte, mit erstaunlicher Aktivität teilnehmen. Für -alle anderen Unternehmungen, — mit Ausnahme der A. E. G. und der -Siemens & Halske-Akt.-Ges. — waren die destruktiven Einwirkungen -der Krisis aber derart schwer, daß sie nicht nur von dem akuten -Rückschlag in ihren Grundfesten erschüttert wurden, sondern auch die -Reorganisationskraft für alle Dauer einbüßten. Bei ihnen wurden — -ob nun die volle Schwere der Krisis sogleich, oder erst später nach -außenhin hervortrat — nicht nur die Bezirke an der Peripherie, sondern -der Lebensnerv von der Krisis getroffen. Zum offenen Zusammenbruch -kam es sofort bei der <em class="gesperrt">Elektrizitätsgesellschaft vormals Schuckert -in Nürnberg</em>, bei der <em class="gesperrt">Akt.-Ges. Elektrizitätswerk (vorm. O. -L. Kummer)</em> in <em class="gesperrt">Dresden</em> und bei der <em class="gesperrt">Helios-Akt.-Ges. -für Elektrizität</em> in <em class="gesperrt">Köln</em>. Die Schuckert-Gesellschaft in -Nürnberg war — wie wir schon gesehen haben — ein Unternehmen, -das<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> eine ausgezeichnete technische Leistungsfähigkeit und einen -vorzüglichen Ruf in der Fachwelt besaß und sich diese auch -trotz aller späteren Fehlschläge und Mißerfolge, die sie auf -organisatorisch-finanziellem Gebiet erlitt, bewahren konnte. Ihre -Anfänge und die Persönlichkeit ihres grundtüchtigen Gründers haben -wir bereits an früherer Stelle geschildert, und späterhin auch -gesehen, wie sich die Firma in den achtziger und am Anfang der -neunziger Jahre die vertragliche Gebundenheit der A. E. G. und der -Siemens & Halske-Ges. im Zentralenbau derart zunutze zu machen -verstand, daß sie zeitweilig mehr Elektrizitätswerke bauen konnte, -als die beiden Berliner Unternehmungen zusammen. Ihre Dynamomaschinen -besaßen vorzügliche technische Eigenschaften, auf dem Gebiete der -kombinierten Bogen- und Glühlichtbeleuchtung gelangen ihr treffliche -Konstruktionen. Bereits in den Jahren 1883–1886 baute die Gesellschaft -elektrische Straßenbahnen (zwischen Schwabing bei München und -Ungarbad) und Industriebahnen (bei Rosenheim). 1887, also wenige -Jahre nach der Errichtung der Berliner Elektrizitätswerke, wurde in -Lübeck die erste Elektrizitätszentrale von Schuckert gebaut, seine -Scheinwerferkonstruktionen (mit parabolischen Spiegeln) wurden -zeitweilig in der deutschen Marine ausschließlich verwendet. Kurzum -eine Zeitlang hatte es den Anschein, als ob die Gesellschaft sich als -drittes großes Gestirn neben der A. E. G. und Siemens & Halske am -Elektrizitätshimmel dauernd behaupten würde. Der gesellschaftliche -Entwickelungsgang des Unternehmens führte im Jahre 1888 zur Bildung -einer Kommanditgesellschaft mit einem Kapital von 2 Millionen Mark, -an der neben Johann Siegismund Schuckert auch Hugo Ritter von Maffei -von der Maschinenfabrik Maffei in München, die Maschinenfabrik -Augsburg-Nürnberg und der A. Schaaffhausensche Bankverein beteiligt -waren. In demselben Jahre wurde die Elektrotechnische Fabrik -Spieker & Co. in Köln aufgenommen. Im Jahre 1893, also in demselben -Jahre, in dem sich die A. E. G. endgültig von Siemens & Halske frei -machte, erfolgte die Umwandlung des Schuckert-Unternehmens in eine -Aktiengesellschaft, an der auch die Firma Felten & Guilleaume, die -in Mülheim am Rhein ein Kabelwerk betrieb, Anteil nahm. Das Kapital -betrug 12 Mill. M., es wurde im Jahre 1896 bereits auf 18 Mill. -M., im Jahre 1897 weiter auf 22,5 Mill. M. erhöht, wobei ein Teil -der jungen Aktien zu dem hohen Kurse von 265% an die Firma<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> Gebr. -Naglo als Kaufpreis für deren Fabrikunternehmen gegeben wurde; im -Jahre 1898 stieg das Kapital weiter auf 28 Millionen Mark und im -Jahre 1899 auf 42 Millionen Mark, bei welcher Gelegenheit das noch -im Umlauf befindliche Kapital der <em class="gesperrt">Continentalen Gesellschaft für -elektrische Unternehmungen</em>, der Trust- und Beteiligungsgesellschaft -des Schuckert-Konzerns, erworben wurde. Anleihen von 10, 10 und 15 -Millionen Mark wurden in den Jahren 1898, 1899 und 1901 aufgenommen -und standen in schlechtem Verhältnis zu der Höhe des Aktienkapitals. -Die bald nach der Aktiengründung einsetzende Periode der schnellen -Expansion hatte der ruhige und solide, allen phantastischen Plänen -abholde Joh. Siegismund Schuckert, der, solange er lebte, die -technische Seele und das Gewissen des Unternehmens gewesen war, nicht -mehr miterlebt. An seine Stelle trat Alexander Wacker, der zuerst die -Generalvertretung der Firma Schuckert für Mittel- und Norddeutschland -innegehabt, dann mit der zunehmenden Ausdehnung des Geschäfts die -kaufmännische Leitung in Nürnberg übernommen hatte. Alexander Wacker -schloß sich der Hochkonjunktur in der Elektrizitätsindustrie mit vollen -Segeln an. Er nahm das Unternehmergeschäft nach Rathenauschem System -auf und betrieb die fabrikatorische Expansion in großem Stile. Die -Dividenden der Gesellschaft steigerten sich schnell von 9 auf 15%, -bei den Kapitaltransaktionen wurde das sich aus den hohen Dividenden -ergebende Agio des Aktienkurses bis zur letzten Neige ausgenutzt, ohne -daß dabei aber auf die innere Stärkung des Unternehmens Rücksicht -genommen worden wäre. Die hohen offenen Agio-Reserven vermochten das -Unternehmen nicht vor dem Niederbruch zu bewahren. Für das Jahr 1900/01 -war im Geschäftsbericht noch eine Dividende von 10% vorgeschlagen. -Weil aber als Folge des Krachs der Leipziger Bank 4,2 Millionen Mark -für den Erwerb von Aktien der Bosnischen Elektrizitätswerke seitens -der Gesellschaft sofort zu zahlen waren, die nach den ursprünglichen -Abmachungen erst in 2 Jahren hätten fällig sein sollen, wurde die -Dividendenzahlung von der Generalversammlung sistiert. 714602 Mark -Unkosten und Disagio aus der Begebung der letzten noch im Krisisjahre -1901 aufgenommenen Anleihe von 15 Millionen Mark belasteten überdies -den Abschluß, die Erträgnislosigkeit der Continentalen Gesellschaft -für elektrische Unternehmungen beeinträchtigte ihn weiterhin. Die -Vorgänge bei der Gesellschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span> wurden im Bayerischen Abgeordnetenhause -einer abfälligen Kritik unterzogen, was die geschäftliche Entwickelung -natürlich keineswegs förderte. Im Jahre 1901/02 fiel der Umsatz von -72 auf 49 Millionen Mark und das Resultat dieses Jahres gipfelte nach -Aufzehrung des Gewinnvortrages von 5549689 Mark in einem Verlust von -nicht weniger als 15399317 Mark, durch den auch der Reservefonds in -Anspruch genommen wurde. Die Gesellschaft war in ihren Grundlagen -erschüttert und „fusionsreif“ geworden.</p> - -<p>Ganz ähnlich entwickelten sich die Verhältnisse bei der -<em class="gesperrt">Kummer-Gesellschaft</em>. Sie war als Aktiengesellschaft im -Jahre 1894 errichtet worden und aus der Firma O. L. Kummer, die -in den achtziger Jahren durch den Marineingenieur gleichen Namens -gegründet worden war, hervorgegangen. Auch hier eine stürmische -Kapitalssteigerung von 1,5 Millionen Mark auf 2,5 Millionen Mark im -Jahre 1896, auf 4,5 Millionen Mark im Jahre 1897, auf 7,5 Millionen -Mark im Jahre 1898, auf 10 Millionen Mark im Jahre 1899, hohe -Dividenden bis zu 10%, Ausnutzung des Aktienkurses zur Agiotage -und eine über den engen Rahmen des Unternehmens weit hinausgehende -Beteiligung am Unternehmergeschäft. Am 31. Dezember 1900 waren die -offenen Schulden einschließlich der Bankschulden infolge des in den -letzten Jahren schon verringerten Emissionskredites bis auf 9150239 -Mark angewachsen, erreichten also fast die Höhe des Aktienkapitals. -Die von den Gesellschaftern beabsichtigte Geldbeschaffung zur -Finanzierung schwebender Projekte auf dem Gebiet des Bahnen- und -Zentralenwesens konnte nicht mehr durchgeführt werden, nachdem -die Begebung einer Obligationenanleihe von 2,5 Millionen Mark nur -teilweise geglückt war. Zuerst glaubte die Verwaltung mit einer -Sistierung der Dividendenzahlungen über die Krisis hinwegzukommen. -Der Geschäftsbericht für das Jahr 1900 berichtet sogar noch über -die Schaffung von Ingenieurbureaus in Hannover, Bielefeld, München, -Breslau und von mehreren in Japan und China errichteten Vertretungen. -Bald aber wurde es klar, daß die Verhältnisse des Unternehmens nicht -ohne Sanierung zu ordnen waren, doch auch dieser Ausweg war nach -kurzer Zeit nicht mehr gangbar. Die Situation verschlimmerte sich -rapide. Das Finanzinstitut, auf das sich die Gesellschaft seit ihrer -Gründung gestützt hatte, die Creditanstalt für Industrie und Handel, -geriet selbst in Schwierigkeiten, und es schwand die Möglichkeit, mit -seiner Hilfe<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span> die Sanierung durchzuführen. Anderweitig eingeleitete -Verhandlungen zerschlugen sich und am 15. Juni 1901 mußte wegen -Zahlungsunfähigkeit der <em class="gesperrt">Konkurs</em> über die Gesellschaft eröffnet -werden. Aus ihren Trümmern entstand späterhin auf gänzlich neuer -Grundlage die Sachsenwerk-Akt.-Ges., ein Elektrizitätsunternehmen, das -sich sehr langsam zu einer mäßigen Rentabilität entwickelte, bis ihm -die Kriegskonjunktur zu außerordentlich günstigen Verhältnissen verhalf.</p> - -<p>Ein ähnliches Schicksal erlebte die <em class="gesperrt">Helios -Elektrizitäts-Akt.-Ges.</em> Ihr Ursprung geht zurück auf die im Jahre -1882 mit 200000 Mark Aktienkapital gegründete Kommanditgesellschaft -für elektrisches Licht und Telegraphenbau P. Berghausen in Köln. Im -Jahre 1884 wurde diese Firma mit einem Kapital von 1 Million Mark in -eine Aktiengesellschaft umgewandelt; 1886 erfolgte eine Erhöhung auf -2 Millionen Mark, 1890 eine zweite auf 3,1 Millionen Mark. Das Jahr -1894 führte zu einer Sanierung des Unternehmens durch Herabsetzung -des Kapitals auf 2056000 Mark, das Jahr 1895 bereits wieder zu -einer Erhöhung auf 3 Millionen Mark. Nunmehr geht es wie bei allen -übrigen Gesellschaften im stürmischen Tempo weiter. Das Jahr 1897 -sieht sogar zwei Kapitalerhöhungen, um 1 und 4 Millionen Mark, das -Jahr 1898 eine Erhöhung um 2 Mill. M. und das Jahr 1899 schließlich -eine solche um 6 Millionen Mark, so daß das Kapital der Gesellschaft -beim Ausbruch der Krisis auf 16 Millionen Mark angewachsen war. -Daneben wurden in den Jahren 1896 und 1898 Obligationsanleihen von -1 und 3 Millionen Mark, im Jahre 1900 eine solche von 10 Millionen -Mark und im Jahre 1901 noch eine von 6 Millionen Mark aufgenommen. -Dividenden von 11 und 12% stützten das auf so schmaler Grundlage -hochgetürmte Kapitalgebäude eine Zeitlang. Die Gesellschaft war in ganz -besonders starkem Maße bestrebt, das Rathenausche Unternehmergeschäft -nachzuahmen und sie schuf sich zu seiner Unterstützung eine ganze -Reihe von Finanz- und Beteiligungsgesellschaften, so die Akt.-Ges. für -Elektrizitätsanlagen in Köln, die Bayerische Elektrizitäts-Ges. Helios, -die Elektrizitätsgesellschaft Felix Singer in Berlin, die Bank für -elektrische Industrie in Wien. Aber die Krisis warf alle diese Gebilde -über den Haufen. Die Betriebe und Tochterunternehmungen vermochten den -Anprall des Konjunkturrückschlages nicht auszuhalten, das Jahr 1900/01 -schloß mit einer Unterbilanz von<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span> 4906417 Mark, die im folgenden Jahre -auf 8853094 Mark stieg. Eine im Jahre 1902 beschlossene Sanierung -konnte das Unternehmen nicht lebensfähig machen, das Jahr 1903/04 ergab -eine neue Unterbilanz von 5283953 Mark und die Gesellschaft mußte in -Liquidation treten, nachdem mit den Obligationären und Bankengläubigern -ein kompliziertes Abkommen zur Rettung der Masse getroffen worden war -und die großen Elektrizitätskonzerne eine Anzahl von Beteiligungen -übernommen hatten.</p> - -<p class="mtop2">Nicht ganz so scharf wie die vorstehend geschilderten Unternehmungen -wurden einige andere von der Krisis gefaßt, wenigstens gelang -es ihnen, den offenen Zusammenbruch zu vermeiden. Die <em class="gesperrt">Union -Elektrizitäts-Akt.-Ges.</em> in Berlin, die im Jahre 1892 -gegründet worden war, verdankt ihre Existenz starken Kapital- und -Industriekräften, die allerdings damals noch bei weitem nicht die -Bedeutung und Macht erlangt hatten, die sie heute besitzen. An -ihrer Gründung waren beteiligt die Akt.-Ges. Ludw. Loewe & Co. in -Berlin, die damals noch außer ihrer Werkzeugmaschinenfabrik die -später auf die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken übergegangene -Waffenfabrik Martinikenfelde besaß, ferner die Dresdner Bank, die -Firma Thyssen & Co. in Mülheim, deren Industriemacht zu jener Zeit -gleichfalls noch nicht so entwickelt war wie jetzt, schließlich die -Thomson Houston Electric Co. in Boston, die im Jahre 1892 aus einer -Fusion zwischen der Thomson Houston Co. mit der — uns schon aus den -Rathenauschen, allerdings nur vorübergehend geknüpften Beziehungen -bekannt gewordenen — General Edison Electric Co. hervorgegangen war. -Die beiden Hauptgründer, die Firma Ludw. Löwe und die Thomson Houston -Electric Co. hatten mit der Errichtung der „Union“ ganz bestimmte -Zwecke verfolgt und daher das junge Unternehmen durch langfristige -Verträge an sich gefesselt. Löwe sicherte sich — ähnlich wie dies in -dem Vertrage zwischen Siemens & Halske und der Deutschen Edison-Ges. -der Fall gewesen war — bei der neuen Gesellschaft auf 25 Jahre ein -Monopolrecht für den Bau und die Lieferung aller von ihr benötigten -elektrischen Maschinen, die Firma Thomson Houston Electric Co. übertrug -der Union ihre bekannten und ausgezeichneten Straßenbahnbau-Patente, -nach denen bis zum Jahre 1897 etwa 70% aller elektrischen Straßenbahnen -in Amerika und 50% aller europäischen Straßenbahnen gebaut waren.<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span> Dem -Straßenbahnbau widmete sich die junge Gesellschaft auch vornehmlich -und auf diesem Gebiete übertraf sie bald die anderen, auch die größten -deutschen Elektrizitätsgesellschaften in dem Umfang ihrer Tätigkeit. -Ihr eigenes Anfangskapital war nur klein, es betrug 1,5 Millionen -Mark. Da ihre Fabrikation nur gering war und der Straßenbahnbau, ihr -Spezialfach, sie hauptsächlich auf das Unternehmergeschäft hinwies, -gliederte sie sich schon im Jahre 1894 in der „Gesellschaft für -elektrische Unternehmungen“ ein Finanzunternehmen an, das mit dem -Zehnfachen ihres Kapitals, nämlich 15 Millionen Mark, arbeitete. -Bald aber wurde auch die Union E. G. von dem Expansionstaumel in der -Elektrizitätsindustrie erfaßt. Ihr Aktienkapital wurde im Jahre 1896 -auf 3 Millionen Mark, und bis zum Jahre 1900 in schnellen Sprüngen -auf 24 Millionen Mark gesteigert. Daneben wurden noch 10 Millionen -Mark Obligationen aufgenommen. Auch diese Gesellschaft vermochte es -in der kurzen Zeit ihrer Schnellentwickelung nicht zu einer soliden -inneren Durchbildung zu bringen. Ihre Dividenden von 12% gingen im -Jahre 1899/1900 auf 10%, im nächsten Jahre auf 6% und in 1901/02 -auf 4% zurück. Immerhin schien es, als ob diese Gesellschaft die -Krisis besser überwinden würde als manche anderen Unternehmungen der -Industrie, ja sie benutzte sogar die Zeit stillerer Beschäftigung, -um die maschinellen Einrichtungen ihrer Fabrik durch Einführung -besonders trefflicher Werkzeugmaschinen und vorteilhafte Anordnung und -Anwendung „in einer Weise zu vervollkommnen, wie sie ihresgleichen kaum -finden.“ (Geschäftsbericht für 1900/01.) Aber gerade die Kosten dieser -inneren Umwälzung und die drückende Bürde des schlechtrentierenden -Effektenbesitzes, den die Gesellschaft im Gegensatz zur A. E. G. nicht -durch Vornahme innerer Abschreibungen auf einen gefahrlos niedrigen -Stand herabgeschrieben hatte, und der daher in der Krisis immer -weitere Kursabbuchungen verlangte, führte auch bei dieser Gesellschaft -einen Schwächezustand herbei. Dieser veranlaßte sie, nachdem das -Bilanzgleichgewicht bis in das Jahr 1901/02 künstlich aufrecht erhalten -worden war, in dem Anschluß an die A. E. G. Hilfe zu suchen. Dem -kritischen Prüferauge Emil Rathenaus hielt das notdürftig gezimmerte -Bilanzgerüst nicht stand, und bevor die endgültige Übernahme der -Union durch die A. E. G. erfolgte, mußte die Bilanz noch im Juni 1903 -in einer Zwischenaufstellung einer gründlichen Säuberung unterzogen -werden. Ein<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span> buchmäßiger Verlust von 2549933 Mark war das äußere -Zeichen dieser verspäteten Krisen-Reaktion.</p> - -<p>Noch länger konnte die <em class="gesperrt">Elektrizitätsgesellschaft vorm. Lahmeyer -in Frankfurt a. M.</em> den vollen Umfang der Schäden verschleiern, -den ihr die Krisis verursacht hatte. Diese Gesellschaft führte ihren -Ursprung zurück auf die im Jahre 1896 als offene Handelsgesellschaft -gegründeten Deutschen Elektrizitätswerke Garbe, Lahmeyer & Co. Von -dieser bezw. von dem Ingenieur W. Lahmeyer wurde im Jahre 1890 mit -1,2 Millionen Mark Kapital die Kommanditgesellschaft W. Lahmeyer -gegründet, die hauptsächlich große Dynamos bauen sollte. Diese Firma -wieder errichtete im Jahre 1893 die „Elektrizitätsgesellschaft vorm. -W. Lahmeyer in Frankfurt a. M.“ mit einem Kapital von 500000 Mark -sowie die „Aktiengesellschaft für den Bau und Betrieb elektrischer -Anlagen“, die eine für die Fabrikation, die andere für die Ausführung -von Elektrizitätsanlagen. Später wurden beide Unternehmungen, da -sich der getrennte Betrieb organisatorisch nicht bewährte, wieder -miteinander fusioniert. Das Kapital der Gesellschaft, das im Jahre 1893 -1,7 Millionen Mark betrug, wurde 1896 auf 3 Millionen Mark, 1897 auf -4 Millionen Mark, 1899 auf 6 Millionen Mark und 1900 auf 10 Millionen -Mark erhöht. Im Jahre 1901 wurde das Aktienkapital gelegentlich -der Angliederung der „Deutschen Gesellschaft für elektrische -Unternehmungen“, der Finanzgesellschaft des Lahmeyer-Konzerns, auf -rund 20 Millionen Mark erhöht, daneben wurden im Jahre 1898, 1901 und -1902 Anleihen von 2, 4 und 10 Millionen Mark aufgenommen. Bei dieser -Gesellschaft liegt also das Schwergewicht der Kapitalsvermehrung -schon direkt in der Krisenzeit. Die Gesellschaft zahlte auch ihre -Höchstdividende von 11% noch im Jahre 1899/1900, im Jahre 1900/01 ging -sie auf 10% herab, und erst die beiden folgenden Jahre brachten die -völlige Einstellung der Dividendenzahlungen. Das Jahr 1901/02 ergab -einen Verlust von 2493871 Mark, das Jahr 1902/03 einen solchen von -371698 Mark, wodurch der Reservefonds so gut wie vollständig aufgezehrt -wurde. Wenn es dieser Gesellschaft gelang, die Bilanzreinigung -länger als andere Unternehmungen hinauszuschieben, so war dies auf -den Umstand zurückzuführen, daß eine verhältnismäßig gute, aber auf -Kosten zu niedriger Konkurrenzpreise erreichte Beschäftigung und ein -relativ befriedigender Geldbestand die latente Schwäche zeitweilig -zu übertünchen gestatteten und<span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span> die akute Gefahr hinausschoben. -Auf die Dauer war eine derartige Bilanzierung aber natürlich nicht -aufrechtzuerhalten. Auch die Verlustjahre 1901/02 und 1902/03 brachten -keine wirkliche Gesundung. Eine im Jahre 1905 vorgenommene Vereinigung -des Fabrikationsgeschäfts der Gesellschaft mit dem Kabelwerk Felten -& Guilleaume in Mülheim am Rhein, einem in sich durchaus kräftigen -und lebensfähigen Unternehmen, gestattete eine Aufrechterhaltung der -Scheingesundheit für ein paar weitere Jahre. Erst im Jahre 1910 ließ -sich die innere Schwäche der Gesellschaft nicht länger verbergen und -die Gesellschaft fiel als Fusionsobjekt der A. E. G. anheim.</p> - -<p>Günstiger als diese Unternehmungen, die den großen führenden -Konzernen nach zur Universalität in der elektrischen Fabrikation -strebten und sich von Emil Rathenau auf das gefährliche Gebiet -der Unternehmergeschäfte locken ließen, überstanden die -guten elektrotechnischen Spezialfabriken die Krise der Jahre -1900–1903. Kabel- und Drahtwerke, Apparatefabriken, Dynamowerke, -Instrumentenfabriken, die ihre Spezialität sorgfältig ohne -Großmannssucht und ohne Übergriffe auf andere Gebiete ausbildeten, -konnten sich auch späterhin gegen die erdrückende und aufsaugende -Übermacht der großen Konzerne behaupten, der sich die „gemischten -Unternehmungen“ zweiten und dritten Ranges ohne Ausnahme nicht -gewachsen zeigten.</p> - -<p>Es bleibt noch zu untersuchen, weswegen die <em class="gesperrt">Krisis</em> des Jahres -1900/01 die Elektrizitätsindustrie <em class="gesperrt">stärker mitnahm als jede andere -gewerbliche Depression</em> vorher und nachher, wenigstens soweit die -von uns vornehmlich behandelte Periode von der Gründung der A. E. -G. bis zur Gegenwart in Betracht kommt. Wohl stand der Anfang der -achtziger Jahre in der Elektrizitätsindustrie, namentlich in der -englischen, unter dem Zeichen einer Kabelkrisis, die durch die vielen -Gründungen von Telegraphen- und Kabelgesellschaften entstanden war. -Gerade aber die beginnende Epoche der Starkstromindustrie und die -Erfindung des elektrischen Bogen- und Glühlichts trugen dazu bei, -diese Krisis verhältnismäßig schnell zu überwinden. Indem man sich -in England unter dem Eindruck der Schäden und Verluste, die eine -übermäßige Gründungstätigkeit auf dem Gebiete der Schwachstromtechnik -dort verursacht hatte, vor ähnlichen Gefahren und Auswüchsen auf dem -Gebiete der Lichtelektrizität in Zukunft durch gesetzliche Hemmungen -und Kontrollen<span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span> schützen zu müssen meinte, trug man dazu bei, das -Schwergewicht der Starkstromtechnik nach anderen Ländern zu verlegen, -von denen besonders Deutschland, dank der Voraussicht und der Energie -Emil Rathenaus, die Führung auf dem neuen Gebiete übernahm. Die kurze -Krisis von 1891/92 berührte natürlich auch die Elektrizitätsindustrie, -aber sie hinterließ keine tieferen Spuren. Die Entwickelungskräfte, -von denen die Industrie damals getrieben wurde, der Zentralenbau, -der Straßenbahnbau und die Anfänge der Kraftübertragung, waren -noch frisch, und zeigten bislang keine Spuren von Erschöpfung. Das -Unternehmergeschäft war noch nicht allzusehr umstritten, und überhaupt -die Konkurrenz in der Elektrizitätsindustrie noch verhältnismäßig -gering, die Expansionsfreiheit bei großen Unternehmungen wie bei -Siemens & Halske und der A. E. G. beschränkt und durch Verträge -gehindert. Diese Verhältnisse hatten sich in dem folgenden Jahrzehnt -gründlich verändert. Die großen Erfindungen und Entwickelungsprobleme -der achtziger Jahre hatten einen starken und zahlreichen Wettbewerb -auf den Plan gelockt, der sich fast ganz frei betätigen und -ausbreiten konnte, denn die Dynamomaschine und die Glühlampe, die -technischen Träger dieser Entwickelung, hatten sich durch Patente -nicht monopolisieren lassen. Dadurch wurden diese Erfindungen und die -ihnen innewohnenden industriellen Möglichkeiten sehr schnell aus- und -abgenützt, alle der Anwendung zugänglichen Objekte in kurzer Zeit -herausgesucht und bearbeitet und zwar unter Bedingungen, die mit dem -zunehmenden Wettbewerb sich für die Industrie verschlechterten. Die -Zeit von 1890 bis 1900 war eine Periode der schnellen, umfassenden -und gründlichen Durchführung, Verbesserung und Ausbildung früherer -Erfindungen, keine Periode neuer schöpferischer und befruchtender -Gedanken, eine Periode der Industrialisierung, keine der technischen -Grundlegung. Der Zentralenbau hatte noch nicht den großen Schritt zur -Überlandzentrale und erst recht noch nicht den größeren zu der Montan- -oder Wasserkraftzentrale mit weiterem Fernübertragungsradius getan. Der -Lichtelektrizität erstand in der scheinbar schon stark zurückgedrängten -<em class="gesperrt">Gastechnik</em> ein alter, aber verjüngter Wettbewerber wieder, der -mit Zähigkeit, Geschick und Glück dem elektrischen Eindringling die -Spitze zu bieten, ja ihn zurückzuschlagen suchte. Das Gasglühlicht, -die geniale Erfindung Auer v. Welsbachs, mit seinem großen technischen -und ökonomischen Fortschritt<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span> gegenüber der alten Gaslampe nahm -den Kampf gegen die stagnierende Technik der Kohlenfadenlampe auf. -In der Mitte der neunziger Jahre war es, als die damals gegründete -<em class="gesperrt">Deutsche Gasglühlicht-Akt.-Ges.</em> (<em class="gesperrt">Auer-Gesellschaft</em>) -Dividenden von 100 und 130% ausschüttete und das märchenhafte Phantom -am deutschen Börsenhimmel wurde, bis die Krisis auch diesen Kometen -vorerst wieder verdunkelte. Jene Konstruktion hatte gleichfalls dem -Versuch, sie in die Fesseln des Patentes zu schlagen, gespottet. Die -Patentfreiheit hatte das Monopol der Auer-Gesellschaft zwar vernichtet, -die Konkurrenz des Gasglühlichts gegenüber dem elektrischen Glühlicht -aber wesentlich gesteigert. Später bedeutete das hängende Gasglühlicht -einen weiteren bedeutenden Fortschritt an Lichthelle, Lichtschönheit -und Gasersparnis. Selbst das an die elektrische Bogenlampe verlorene -Terrain suchte die Gaslampe durch neue gelungene Konstruktionen -wiederzuerobern. Demgegenüber gelang der Lichtelektrizität in dieser -Zeit kein ganz großer Wurf. Die elektrische Metallfadenlampe, mit der -Auer v. Welsbach seiner Deutschen Gasglühlicht-Ges. die durch die -Überproduktion im Gasglühlichtgebiete erschütterte Sonderstellung -wiederzugeben versuchte, war noch nicht auf dem Plan erschienen; die -Nernstlampe, so ingeniös ihre Idee auch war und so enormen Aufwand an -Kapital und Arbeit in der Konstruktion und Propaganda die A. E. G. -ihr auch widmete, blieb eine Sonderlichtquelle von schönem, reichem -und stromsparendem Licht. Sie bedeutete für gewisse Zwecke einen -beachtenswerten Fortschritt, es fehlte ihr aber doch das Zündende und -Einfache, das sie zu einem Massenbeleuchtungsartikel hätte machen -können. Der Optimismus Emil Rathenaus sollte sich diesmal nicht ganz -als gerechtfertigt erweisen. „Wiederum stehen wir,“ so hatte Rathenau -in der Generalversammlung der A. E. G. vom November 1899 prophezeit, -„wie damals in Paris an der Wiege einer neuen Beleuchtungsart.“ -Gerade aber das, was Rathenau von der Erfindung der elektrolytischen -Beleuchtungskörper erwartet hatte, daß „das elektrische Licht mit -ihr nicht länger seinen Triumphzug auf Paläste und vornehme Häuser -beschränken würde, sondern vielmehr in die Hütten und Werkstätten -Minderbemittelter eindringen und den Wettbewerb mit untergeordneten -Beleuchtungsmitteln auch ökonomisch bestehen würde,“ hat sich mit -der Nernstlampe noch nicht erfüllt. Diese Aufgabe wurde erst mit der -Metallfadenlampe gelöst. — Auch auf dem Gebiet der<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span> elektrischen -Bahnen schien ein Stillstand einzutreten. Im <em class="gesperrt">Strassenbahnbau</em> -mußte sich der Kreis der <em class="gesperrt">möglichen</em> Aufträge mit ihrer Erledigung -allmählich erschöpfen, und je stürmischer die Elektrifizierung der -Straßenbahnen in der vorangegangenen Periode vor sich gegangen war, -desto stärker war der Abfall in der Beschäftigung, nachdem der größte -Teil der lokalen Pferdebahnen in den elektrischen Betrieb überführt -war. Dieser Geschäftszweig schrumpfte zusammen und stellte bald kein -ergiebiges Tätigkeitsfeld mehr für eine so umfangreich gewordene -Industrie wie die elektrische dar. Was jetzt noch an Aufträgen -einging, setzte sich aus der Nachlese der Straßenbahnbau-Tätigkeit -und dem im Verhältnis zu den großen Fabrikationsanlagen der Werke -geringen Reparatur- und Ergänzungsgeschäft zusammen. Der Bau von -<em class="gesperrt">Untergrundbahnen</em> wollte noch nicht so recht vorwärts schreiten, -und die Unternehmung im Reiche hielt es für richtig, fürs erste einmal -die Erfahrungen abzuwarten, die man mit der Elektrischen Hoch- und -Untergrundbahn in Berlin machen würde. Vollends die <em class="gesperrt">Elektrifizierung -der Vollbahnen</em>, die von den Elektrizitätsfachleuten, voran Emil -Rathenau, als das große, ertragreiche Zukunftsgebiet bezeichnet wurde, -stieß auf schwer zu überwindende Hemmungen. Die Staatsbahnverwaltungen, -die über die ökonomische Frage, und die militärischen Behörden, -die über die Betriebssicherheit im Kriege recht skeptisch dachten, -standen den großen, stürmisch geäußerten Plänen der Industrie sehr -zurückhaltend gegenüber, und waren nur für eine langsame, vorbereitende -Versuchsarbeit auf kurzen Strecken zu gewinnen. Alles, was in dieser -Epoche auf elektrischem Gebiet geleistet wurde, war somit — oft sehr -wertvolle und verdienstliche — Kleinarbeit, bot aber keine großen, -in die Zukunft weisenden, die Phantasie und das Kapital anregenden -Ausblicke. Der bisher stürmisch dahinsausende Wagen der Entwickelung -verlangsamte seinen Lauf, es traten Reibungen und Hemmungen auf und der -Schwung drohte verloren zu gehen.</p> - -<p>Als letztes, die Krisis auslösendes und verschärfendes Moment traten -die <em class="gesperrt">Auswüchse des Unternehmergeschäfts</em> hinzu, das von einer -Rathenauschen Spezialität zu einer allgemeinen Übung der Industrie -geworden war, ohne aber in dieser allgemeinen Anwendung die Solidität, -Sicherheit und Rückendeckung zu besitzen, die ihr der Erfinder und -Meister für seinen Sonderfall gegeben hatte.<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> Eine Zeitlang hatte -dieses Unternehmergeschäft der Industrie verstärktes Leben einhauchen -können, gerade diese künstliche Belebung des Pulsschlages mußte aber -umso früher zu einer Erschöpfung und Erschlaffung führen. Die Fabriken -waren, wie die A. E. G. es in ihrem Geschäftsbericht ausgedrückt hatte, -auf Grund von Aufträgen, die aus Lieferungen für eigene Unternehmungen -stammten, und darum nur einmalige waren, ungerechtfertigt erweitert -worden. Von dieser falschen Einschätzung des Verhältnisses zwischen -Unternehmer- und Fabrikationsgeschäft hatte sich sogar die A. E. G. -nicht ganz freihalten können; die meisten übrigen Gesellschaften der -elektrotechnischen Industrie hatten ihre ganze Schwerkraft darauf -eingestellt.</p> - -<p>Rathenaus System war zwar in seinen Äußerlichkeiten nachgeahmt, aber -nicht in seinem organischen Wesen begriffen und übernommen worden. -Was Emil Rathenau in jahrelanger geduldiger Arbeit Stein auf Stein -setzend, vom Kleineren zum Größeren schreitend, keinen Schritt tuend, -ohne den vorigen gesichert und gefestigt zu haben, aufgebaut hatte, -sollte von den anderen in der raschen Arbeit weniger Jahre zu gleicher -Höhe geführt werden. Der industrielle Baugedanke, der bei Rathenau -die Hauptsache gebildet hatte, aus dessen Durchführung erst alle -anderen gefolgt, die Auftragsgewinne, die Effektengewinne usw. als -Früchte langsam gereift waren, trat bei den anderen mehr und mehr in -den Hintergrund. Sie bauten ihre Unternehmungen nicht so selbstlos -wie möglich, damit sie als dauernde Rentenquellen ihren späteren, -dann aber endgültigen Wert erhielten, sondern sie suchten sich schon -an der Ausführung zu bereichern. Sie hielten die Effekten nicht -vorsichtig zurück, bis sie wirklich emissionsreif geworden waren, -sondern wollten den Emissions- und Finanzgewinn schnell pflücken. Die -Banken, die ihnen nahestanden, drängten zu häufigen und schnellen -Transaktionen, bei denen auch die Finanzinstitute umsetzen und -verdienen konnten. Sie machten sich so zu den Herren der Finanzpolitik, -während sie bei Rathenau stets die Diener geblieben waren. Das -Mißverhältnis der Finanzkapitalien zu den Industriekapitalien, -das wir bei einigen der jüngeren Gesellschaften oben festgestellt -haben, ist charakteristisch für die falsche Anwendung der Methode -Rathenau. So gelangen den Nachahmern zwar vielleicht am Anfang einige -Transaktionen — wenigstens scheinbar. Die schlechten Erfahrungen, -die das Kapitalistenpublikum<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> aber schließlich mit der Mehrzahl der -erworbenen Werte machte, diskreditierte bald ihren Emissionskredit und -den der Elektrizitätsindustrie überhaupt. Denn es ist verständlich, -daß für die zu Tage getretenen Enttäuschungen und Auswüchse nicht -die falsche Anwendung des Systems Rathenau, sondern das System -an sich verantwortlich gemacht wurde. Gerade in Hausseperioden -wie in Krisenzeiten unterscheidet und sichtet das Publikum nicht -ruhig und unbefangen, sondern es ist geneigt, zu verallgemeinern, -statt zu unterscheiden. Der Rausch wie der Katzenjammer führen zu -stimmungsmäßigem, nicht zu kritischem Urteil.</p> - -<p>Auch hier wieder machte die Firma Siemens & Halske eine rühmliche -Ausnahme. Das Finanzierungssystem, das auch sie schließlich gezwungen -war anzunehmen, hat sie nicht leichtfertig gehandhabt. Daran hinderte -sie die anerzogene Gründlichkeit und Ehrlichkeit ihrer industriellen -Methoden. Aber die Tatsache, daß sie sich erst verhältnismäßig -spät entschloß, Rathenau auf den von ihm eingeschlagenen Wegen zu -folgen, hat es ihr nicht gestattet, den Vorsprung des Rivalen, wenn -er auch vielleicht nur 3–4 Jahre alt war, einzuholen. Das zeigt die -Rentabilität ihrer Finanzgesellschaften deutlich. Die „Schweizerische -Gesellschaft für elektrische Industrie“, die das Siemens & Halskesche -Gegenstück zu der Rathenauschen Bank für elektrische Unternehmungen -bildete, hat nur eine Rente von durchschnittlich 6% erreicht gegenüber -einer solchen von 12% der Elektrobank. — Die „Elektrische Licht- -und Kraftanlagen-Gesellschaft“, die denselben Zwecken diente wie die -Elektrizitätslieferungsgesellschaft der A. E. G., zahlte, nachdem -sie lange Zeit nur eine bescheidene Rente von durchschnittlich -5% erbracht hatte, in den letzten Friedensjahren 7% gegen 10 -und 12% der Elektrizitätslieferungsgesellschaft. Ein ähnliches -bescheidenes Erträgnis haben auch die Siemenssche „Akt.-Ges. für -Elektrizitätsanlagen“ und die „Siemens Elektrische Betriebe Akt. Ges.“ -bisher nicht überschritten.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zwoelftes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Zwölftes Kapitel</em><br /> - -Konzentration</h2> - -</div> - -<p>Jede große Krisis in der Wirtschaftsgeschichte hat neben dem -allgemeinen Gesetz der Ebbe und Flut, des aus der Überspannung -geborenen Rückschlages, noch irgendeinen bestimmten Sondercharakter -und somit besondere Ursachen und Folgen, die sie von ihren Schwestern -unterscheiden. D. h. nicht im innersten, wesenhaften Kern und -auch nicht so sehr in der Art und Zahl der äußeren Merkmale oder -Ausstrahlungen sind die Krisen voneinander verschieden, sondern -in dem größeren oder geringeren Nachdruck, mit dem sie gewisse -wirtschaftliche Adern und Schichten treffen, in der Stärke, mit -der sie aus ihnen gespeist werden und in der Intensität, mit der -solche Schichten von ihnen umgelagert werden. Fast alle Krisen -weisen ungefähr dieselben Symptome auf, aber in der einen ist dieses -Hauptsymptom stärker ausgeprägt, in der anderen jenes, während die -Symptome zweiten Ranges nur eine mitschwingende, schwächer nuancierte -Bedeutung haben. Diese Differenzierung und Unterscheidung äußert sich -in den Ursachen, Ausdruckserscheinungen und Folgen der einzelnen -Krisen. Gewisse Krisen entstehen hauptsächlich durch die Erfindung -neuer revolutionierender Techniken oder durch die Schaffung neuer -wirtschaftsverändernder Wettbewerbs- und Transportmittel. Andere -haben ihren Grund in geldlichen Bewegungen, in monetären Umwälzungen, -Häufungen oder Verknappungen von Zahlmitteln, sei es aus Metall -oder Papier, die die Kaufkraft des Geldes nach oben oder nach unten -von ihrem normalen Stande entfernen. Manche Krisen wieder entstehen -durch den Wechsel wirtschaftspolitischer Systeme (Freihandel oder -Schutzzoll), die gewisse Wirtschaftsformen in ihren Bedingungen -begünstigen, andere wiederum benachteiligen. Auch<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span> soziale und -politische Veränderungen können Revolutionen wirtschaftlicher Art -zur Folge haben. Den verschiedenen Ursachen entsprechen auch stets -die verschiedenen Äußerungs- und Wirkungserscheinungen der einzelnen -Krisen, und jede von ihnen weist sozusagen die Gegenbilder des -vorausgegangenen Aufschwungs und namentlich des ihm fast stets auf -dem Fuße folgenden Überschwangs auf. Frühere Krisen hatten ihre -Ursachen in der Entdeckung neuer großer Gold- oder Silberläger, in -der Verdrängung von Manufakturen durch Maschinentechniken, in der -Ausweitung der lokalen Absatzkreise zu nationalen oder internationalen -durch die Entwickelung der Eisenbahnen und Dampfschiffe. In diesem -Sinne war ferner die Krisis von 1873 vornehmlich eine durch politische -und damit auch wirtschaftliche Maßstabsvergrößerung hervorgerufene, -sowie durch geldliche Hyperthrophie begünstigte Wertveränderungskrise. -Die von 1881, aus Frankreich stammend, hatte ihre Ursache im Gegenteil -in einer Verkleinerung der Maßstäbe, gegen die sich der französische -Wirtschaftsgeist, dazu bestimmt von der unternehmerischen zur -rentnerischen Hauptfunktion überzugehen, in einer krampfhaften, doch -vergeblichen Aufwallung zu wehren strebte. Die Krise von 1907 hatte -ihren Ursprung in einer wirtschaftspolitischen Umwälzung der Ver. -Staaten von Amerika, die zu einer Hochkonjunktur im dortigen Trustwesen -und zu einer Übergründung innerlich schwach konstruierter Trustgebilde -geführt hatte. Der internationale Güteraustausch und das überseeische -Transportwesen waren denn auch von dieser Krise am schärfsten betroffen -worden. Die Krise von 1913 war hinwiederum wenigstens für Deutschland -eine typische Großstadtkrise, von der die gut konsolidierte Industrie -und die gleichfalls gesunde Landwirtschaft nur oberflächlich berührt -wurden, während der städtische Grundbesitz und seine künstlich -hochgezüchteten Blüten, das Terrain-, Kaufhaus-, Theater- und -Etablissementswesen ihre bis dahin schärfste Erschütterung erlebten.</p> - -<p>Die Krisis von 1901 war dagegen die ausgesprochene <em class="gesperrt">Krise der -Großindustrie</em>, hervorgerufen durch die starken Wucherungen, -die mit der Expansion der zur Großwirtschaft strebenden Gewerbe -naturnotwendig verbunden waren. Die allenthalben ins Breite dringenden, -in individueller Geschäftspolitik bis dahin ungehemmt entwickelten -Großunternehmungen „stießen sich hart im Raume“, rieben sich aneinander -und verstanden noch nicht, Fühlung<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span> miteinander zu nehmen, sich -miteinander zu organisieren, in die Absatzgebiete zu teilen und -gewisse Absatzfunktionen gemeinsam auszuüben. Die <em class="gesperrt">Krisis</em> des -<em class="gesperrt">freien, ungezügelten Wettbewerbs</em> war gekommen, nachdem die -ihr vorangegangene Epoche zu unerhört raschem Wachstum, aber auch zu -starken Energieverlusten geführt hatte. Die Krisis, die nun folgte, war -das deutlichste Negativ jener Entwickelungsperiode. Sie trug aber auch -bereits das Gegengift in sich, die Keime zur Gesundung und Überwindung, -und diese ergaben sich logisch aus der Natur und der Art der Krankheit. -Überproduktion der zu schnell ausgedehnten Wirtschaftskräfte und -Überflutung der beschränkten heimischen Märkte: das war die Krankheit -gewesen. Planmäßige Eroberung der Auslandsmärkte einerseits, -Konzentration und gegenseitiger Ausgleich der zersplitterten -Industriekräfte andererseits, das waren die angewandten Heilmittel.</p> - -<p>Die Konzentration erfolgte in den verschiedensten Formen, je nachdem -der Charakter, das Entwicklungsstadium und die Vorgeschichte der -verschiedenen Industrien sie forderten oder begünstigten. In den -Gewerben, die Massenfabrikate herstellten, also in der Kohlenindustrie, -in den roheren Stadien der Eisenindustrie, erfolgte der Zusammenschluß -auf dem Wege der <em class="gesperrt">Kartellierung</em>, d. h. der Vereinigung der -Produzenten zur Regelung und gemeinsamen Erledigung gewisser Teile -ihres Geschäftes unter Aufrechterhaltung der bisherigen freien -Besitzverhältnisse. Die Not der Krisenjahre von 1901/02 war es, die -nach dem bekannten Worte die Kartelle der Montanindustrie teils erst -schuf, teils festigte und dauerhaft ausbaute. Daneben trat aber auch -bereits das <em class="gesperrt">Konzentrationsprinzip</em> der <em class="gesperrt">Verschmelzung</em>, -der Zusammenfassung mehrerer sich ergänzender Betriebe sowohl der -Breite als auch der Tiefe nach als generelle Tendenz oder auch -als Mode stärker hervor. Das große und gemischte Montanwerk, das -vorher in einer Reihe von Unternehmungen, so bei Krupp, dem Bochumer -Verein usw. als Einzelerscheinung schon verwirklicht worden war, -begann sich zum Typus in der Montanindustrie auszugestalten. Wo -Zusammenballungstendenzen verwirklicht wurden, drängten sie zum großen -und gemischten Werk, das alle Stufen der Produktion vom untersten -Rohstoff bis zum verfeinertsten Fertigfabrikat umfaßte und in dieser -Vertiefung des Produktionsprozesses und in der Unabhängigmachung<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span> von -allen Märkten außer dem letzten Markte der fertigen Verbrauchsartikel -das Ideal des für den Produzenten höchsten und für den Konsumenten -geringsten Unternehmergewinns suchte. Das kleine und reine Werk, -das sich außerhalb dieser Produktionsordnung zu halten versuchte, -wurde konkurrenzunfähig. Einmal, weil die gemischten Werke sich -ihre Rohstoffe billiger zu beschaffen, ihre Selbstkosten durch -Großfabrikation zu ermäßigen und darum die Verkaufspreise niedriger zu -stellen vermochten, zweitens weil die großen gemischten Werke bald die -Verbände in den Stufenfabrikaten beherrschten, denen sie gemeinsam mit -den reinen Werken, — zum Teil ihren eigenen Abnehmern — angehörten -und deren Preisbildung sie zu ungunsten der reinen Werke regeln -konnten. Das Trustsystem benutzten sie also dazu, um sich die eigenen -Rohstoffe zu verbilligen, das Kartellsystem u. a. dazu, um sie ihrer -Konkurrenz zu verteuern.</p> - -<p>In anderen Industrien hatten sich die Vertrustungs- und -Verschmelzungstendenzen noch reiner ausgeprägt als in der -Montanindustrie, die sowohl Massenartikel als auch individuelle -Produkte umfaßte und in deren Konzentration sich infolgedessen -das System der Kartellierung mit dem der Vertrustung vermengte. -Reine Vertrustungs-Konzentration fand in der großen chemischen -Farbenindustrie statt, <em class="gesperrt">reine Vertrustungs-Konzentration</em> war -auch der <em class="gesperrt">Weg der Elektrizitäts-Industrie</em>. Umfassende und -vielfältige Gestaltung der Produktion, weitgehende Selbstbedarfsdeckung -und Selbstabsatzwirtschaft waren hier unter Führung der Großkonzerne -schon lange vor der Krisis wenigstens von einem Teil der Industrie -angestrebt und erreicht worden. Die Krisis führte alsdann eine -Ergänzung und Verstärkung dieser Vertrustungsbewegung dadurch herbei, -daß eine Reihe der vorher selbständig entwickelten Konzerne miteinander -verschmolzen wurde. Vor der Krise war das Konzentrationsprinzip in -einer Zusammenfassung von Spezialbetrieben zu Gemischtbetrieben zum -Ausdruck gekommen, nachher wirkte es sich in der Zusammenfassung -mehrerer Gemischtbetriebe zu Kolossalbetrieben aus. Wir haben -bei der Schilderung der Einwirkungen, die die Krisis auf die -einzelnen Unternehmungen ausübte, bereits gesehen, daß eine Reihe -von Unternehmungen der Elektrizitätsindustrie schwach, unfähig zur -selbständigen, wettbewerbsfähigen Weiterexistenz, — wie man zu sagen -pflegt — fusionsreif wurde. Sie hatten aber — wenn auch nicht -mehr mit eigener<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> Zentrilfugalkraft ausgestattet — zum Teil genug -an technischen Werten, Kundschaft und Beteiligungsbesitz in sich, -daß ihre Angliederung einem oder dem anderen der großen Konzerne -verlockend erscheinen mußte. Konnten diese doch so ihr Machtgebiet -erweitern und — was vielleicht manchmal noch entscheidender für -sie war — eine Erweiterung des Machtgebietes der Konkurrenz -verhindern. Der Faktor des <em class="gesperrt">Dualismus</em>, der seit jener Krisis -die Entwickelung der Elektrizitätsindustrie zu beherrschen begann, -also die Existenz und der Gegensatz von zwei stark, ausdehnungs- -und kristallisationsfähig gebliebenen Gruppen, der A. E. G. und der -Siemens & Halske-Ges., hat die Konzentrationsbewegung wenn auch -nicht veranlaßt, so doch sehr gefördert und beschleunigt. Es ist -seither für die Verschmelzungsbewegung in der Elektrizitätsindustrie -charakteristisch geworden, daß immer, wenn der eine der beiden Konzerne -eine größere Angliederung vornahm, bald auch der andere zu einer -ähnlichen Erweiterung schritt, um das Gleichgewicht in der Machtlage -und der Marktbeherrschung wieder herzustellen. Der Übernahme der -„Union“-Elektrizitätsgesellschaft durch die A. E. G. folgte sofort die -Aufnahme der Schuckert-Ges. durch Siemens & Halske. Die Angliederung -der Lahmeyer-Gesellschaft durch die A. E. G. zog den Anschluß der -Bergmann Elektrizitätswerke an Siemens & Halske nach sich.</p> - -<p>Die Tatsache, daß die Konzentration in der Elektrizitätsindustrie fast -ausschließlich auf dem Wege der Verschmelzung und nicht auf dem der -Kartellierung erfolgte, war aber nicht auf den zufällig oder doch nur -historisch begründeten Umstand zurückzuführen, daß in der Krisis von -1901/02 eine Reihe von Unternehmungen fusionsreif wurde und von den -starkgebliebenen Werken zu niedrigen Preisen und günstigen Bedingungen -(unter geschickter Ausnutzung des eigenen Aktienagios) erworben -werden konnte. Sie beruhte vielmehr auch auf dem natürlichen Umstand, -daß die Elektrizitätsindustrie als Erzeugerin meist komplizierter, -individueller Produkte sich für die Gleichmacherei einer Kartellierung -im allgemeinen nicht eignete. Für die Spezialgebiete, auf denen die -Elektrizitätsindustrie Massenartikel erzeugte, also hauptsächlich -auf dem Gebiete der Glühlampen- und Kabelerzeugung sind sehr wohl -Preis- und Kontingentierungssyndikate zustande gekommen, die nicht nur -die gemischten Konzerne, sondern auch Spezialfabriken umfaßten. Im -Geschäftsbericht des Jahres<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> 1902/03 der A. E. G. werden die Gründe -für den Vertrustungscharakter der Elektrizitätskonzentration in ganz -ähnlicher Weise geschildert. Es heißt da:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die bisher zumeist bekannten und betretenen Wege industrieller -Konsolidierung, Bildung von Kartellen, Syndikaten und -Verkaufsvereinigungen, sind für die Elektrotechniker aus zwei -Gründen schwerer gangbar: Einmal, weil die Fabrikation in zahllose -Gattungen von Erzeugnissen verschiedenster Konstruktion und Bewertung -sich spaltet, sodann, weil nicht Zwischenprodukte, sondern für den -Einzelkonsum bestimmte Endprodukte hergestellt werden, und nicht der -weiterverarbeitende Fabrikant, sondern der Verbraucher selbst in der -Hauptsache die Kundschaft unserer Industrie bildet. Das kaufende -Publikum aber wünscht nicht auf die Auswahl konkurrierender Produkte -zu verzichten und entschließt sich ungern, von einer monopolisierenden -Organisation seinen Bedarf zu beziehen.</p> - -<p>Unsere Unternehmungen sind daher darauf angewiesen, organisatorische -Ersparnis durch gruppenweise Zusammenfassung anzustreben, und die -bisher dutzendfach geleistete Projektierungsarbeit, Propaganda und -Verkaufstätigkeit auf eine drei- oder vierfache zu beschränken. -Daß daneben allgemeine Verständigungen über Auswahl der Typen, -Auslandsgeschäfte, allgemein geschäftliches Vorgehen und mannigfache -Einzelgebiete durch Zusammenschlüsse dieser Art erleichtert werden, -liegt auf der Hand.</p> - -<p>Auch sind Syndizierungen solcher Produkte keineswegs ausgeschlossen, -bei denen die individuelle Nüanzierung wenig bedeutet, und bei denen -geringe Korrekturen der Verkaufspreise über Gewinn und Verlust bei -der Fabrikation entscheiden. Dies zeigt das Zustandekommen der -Verkaufsstelle Vereinigter Glühlampenfabriken.“</p> - -</div> - -<p>Anfangs hatte es den Anschein, als ob die A. E. G. schnell und -energisch die Führung bei der Konzentrationsbewegung in die Hand -nehmen würde, die sie theoretisch bereits in verschiedenen offiziellen -Auslassungen als notwendig bezeichnet hatte. Doch stellten sich der -Verwirklichung dieser Theorie manche inneren und äußeren Hindernisse -entgegen. Bereits im Jahre 1897 wurde zwischen der A. E. G. und -der Löweschen „Union-Elektrizitäts-Gesellschaft“ über eine Fusion -verhandelt. Das Projekt zerschlug sich an dem hohen Preise, den die -Union damals noch fordern zu können glaubte und Rathenau schritt -unter Verzicht auf die Angliederung zu einer Erweiterung<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span> seiner -eigenen Werke unter Erhöhung des Aktienkapitals. Auch mit Schuckert -in Nürnberg wurden im Jahre 1901, also bereits nach Ausbruch der -Krisis Verhandlungen eingeleitet, die damals noch in dem Bestreben -gipfelten, die allmählich unhaltbar gewordenen Wettbewerbsverhältnisse -in der Industrie zu erleichtern und sozusagen sanierend zu wirken. -Diese Verhandlungen wurden aber zu jener Zeit mehr grundsätzlich -und dilatorisch als auf konkret-geschäftlicher Grundlage geführt. -Schuckert war damals schon wankend geworden, aber der Tag seines -Zusammenbruchs war noch nicht gekommen. In der Generalversammlung vom -5. Dezember 1901 interpellierte ein Aktionär die Verwaltung der A. -E. G. über die bekanntgewordenen Gerüchte hinsichtlich einer Fusion -mit der Nürnberger Gesellschaft. Emil Rathenau gab die Tatsache -der Verhandlungen zu, stellte aber eine nahe Entscheidung nicht in -Aussicht. Es sei erklärlich, so legte er dar, daß sich Verwaltungen -zweier Konkurrenzunternehmungen in Zeiten der Krisis miteinander -über die Marktlage aussprachen und Erwägungen anstellten, in welcher -Weise sie sich durch engeren Anschluß ergänzen könnten. Ein festes -Programm oder andere Ergebnisse als eine persönliche Annäherung -der Verwaltungen hätten die jüngsten Verhandlungen, die von beiden -Seiten ohne Leidenschaft (und wohl auch ohne sonderlichen Eifer) -geführt wurden, bisher nicht gezeigt. Es ließe sich auch nicht -übersehen, ob ein Resultat erzielt werden würde. Unmöglich könne -man eine derartige Transaktion in wenigen Tagen zu Ende bringen. — -Wer die Naturgeschichte wirklich aussichtsreicher und ernsthafter -Transaktionen kennt, sieht sofort, daß hier nicht der Boden und -die Atmosphäre vorhanden waren, in denen Entschlüsse wachsen. Die -öffentliche Behandlung so heikeler Verhandlungen ertötet ihre -Entwickelungsfähigkeit und die Realität ihrer Aussichten, zumal wenn -ein kalter akademischer Hauch durch derartige Erörterungen geht. -Rathenau, der kühne und unabhängige Rechengeist, dem das Urteil -der kompakten Majoritäten sonst immer so gleichgültig gewesen ist, -scheint mitten in der Krisis, aus der er den Ausweg noch nicht -sieht, etwas unschlüssig und unsicher. Seine eigene Schöpfung ist -gut konsolidiert, durch jahrzehntelange Auspolsterung mit inneren -und äußeren Reserven so geschützt, wie Vorsicht und Voraussicht nur -schützen können, und dennoch leidet sie unter den schlechten Zeiten, -muß sie sich vor neuen<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span> Geschäften hüten. Soll sie sich mit einer -so großen und mangelhaft organisierten Masse belasten, wie es die -Schuckertgesellschaft ist? — Rathenau tut auch jetzt noch, als wenn -er Aktionäre und Kapitalistenpublikum verachte und Außenstimmen keinen -Einfluß auf das innere Rädergetriebe seiner Gesellschaft einräume: -„Weder Anfeuerungen, noch Furcht, Enttäuschungen hervorzurufen, -werden uns bestimmen, auf einen voreiligen Abschluß der Verhandlungen -hinzuwirken,“ ruft er trotzig aus, der Spekulation zugewandt, die -offenbar die Ungewißheit über den Ausgang der Verhandlungen ausgenutzt -hat und nunmehr ungeduldig und unsicher hinsichtlich der Früchte ihrer -Manipulationen geworden ist. Aber trotz dieser zur Schau getragenen -Gleichgültigkeit gibt es damals doch anscheinend für Rathenau einen -außenstehenden Faktor, von dem er sich abhängig fühlt, von dem er -nicht genau weiß, ob er sich günstig oder ungünstig zu der Transaktion -stellen wird: den Kapitalmarkt, der — wie er instinktiv fühlt — -Anlagen in Elektrizitätsunternehmungen nach den gemachten schlechten -Erfahrungen noch mißtrauisch gegenübersteht. „Das Publikum ist mit -Recht weittragenden Kombinationen gegenüber skeptisch geworden -und wir teilen diese Skepsis.“ Daß es nicht innerste industrielle -Überzeugung ist, die ihn hemmt, sondern augenblickliche finanzielle -Unsicherheit, geht wieder aus dem prinzipiellen Bekenntnis zur -Konzentrationspolitik hervor, das er den negativen Sätzen sofort folgen -läßt: „Daß die materiellen Voraussetzungen für lohnende Geschäfte auf -dem Gebiet der Verständigung liegen, ist nicht zweifelhaft.“ — Er -schildert die Ersparnisse im Laboratorium, bei den Arbeiten auf dem -Erfindungsgebiete, bei den Versuchsarbeiten, bei der Propaganda, die -auf dem Wege der Konzentration zu finden waren. „Eine solche Teilung -der Arbeit könnte auch eine Mehrheit von Fabrikationsunternehmungen -umfassen,“ sagt er, und deutet damit an, daß nicht nur an -Interessengemeinschaft, sondern an völlige Fusion gedacht wird. Den -in der Öffentlichkeit im Anschluß an die Konzentrationstendenzen in -der Elektrizitätsindustrie schon damals von Theoretikern geäußerten -Befürchtungen, daß diese Tendenzen zu einem Elektrizitätsmonopol -führen könnten, tritt er beruhigend entgegen. „Die Grenzen werden -uns gezogen durch die Notwendigkeit, den Wettbewerb zu erhalten, der -für den technischen Fortschritt ebenso unentbehrlich ist, wie für -die Verhinderung einer Monopolwirtschaft.“ — Die Aktionäre werden -aus alledem nicht recht klug<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span> geworden sein. Ein halbes Ja, dem ein -halbes Nein folgt. Das Resumée ist mehr auf Nein gestimmt. „Weder -Expansionslust noch Waghalsigkeit werden bestimmend sein. — Es ist -nicht beabsichtigt, für irgendwelche Kombinationen jetzt neue Mittel -zu investieren, noch die Liquidität und die Kreditfähigkeit der A. E. -G. zu beeinflussen.“ Der tiefblickende Bilanzkenner Rathenau witterte -wohl, daß bei Schuckert der Boden des Fasses mit dem schlechten -Abschluß für das Jahr 1900/01 noch nicht erreicht sei und er sollte -recht behalten. In der nächsten Generalversammlung am 2. Dezember 1902, -als sich das Schicksal von Schuckert bereits erfüllt hat, erlebte er -die Genugtuung, daß ein Aktionär — anscheinend derselbe, der ihn -in der vorigen Generalversammlung wegen des langsamen Fortgangs der -Verhandlungen mit der Nürnberger Gesellschaft befragte — seiner -Freude darüber Ausdruck gab, daß aus der Fusion nichts geworden sei. -Die Freude teilten nicht alle Kenner und nicht alle Getreuen im Hause -der A. E. G. In einer dreiwöchentlichen eingehenden Prüfung, die -Vertrauensmänner der A. E. G., besonders Walther Rathenau und Deutsch -an Ort und Stelle in Nürnberg vorgenommen hatten, waren einige zu der -Überzeugung gelangt, daß diese Fusion trotz alledem zweckmäßig und -erstrebenswert sei. Sie meinten, daß die Schuckertschen Fabrikbetriebe -und auch die Beteiligungen soviel Wertvolles enthielten, daß ihre -Erwerbung in jedem Falle eine außerordentliche Bereicherung des A. -E. G.-Konzerns, nicht nur einen Zuwachs an Umfang, sondern auch -an Qualität darstellen würde. Es käme nur auf die Bedingungen der -Übernahme an. Ließen sie sich annehmbar gestalten, so sei das Geschäft -zu machen, schon wegen der Gewinnung der wichtigen Stützpunkte in -Süddeutschland, über die Schuckert verfügte. Man müßte 25 Millionen -Mark in die Nürnberger Unternehmungen stecken, um sie auf die Höhe -zu bringen. Allerdings könnte man eine solche Summe den bisherigen -Leuten der Schuckert-Ges. nicht ohne weiteres anvertrauen, sondern es -müßten erste A. E. G.-Leute für die Dauer nach Nürnberg gesetzt werden. -Emil Rathenau scheint in jenen Zeiten unter einer Art Depression, -einer Erschlaffung der Willens- und Entschlußkräfte gestanden zu -haben, die ihm nicht gestattete, selbst das entscheidende Wort zu -sprechen, wie er es in früheren Fällen, so beim Rückerwerb der B. E. -W. und bei der Übernahme der Elektrobank ohne Zaudern, mit durchaus -sicherem inneren Gefühl<span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span> getan hatte, unbekümmert um die Bedenklichkeit -und Gefährlichkeit der Lage, die auch bei jenen Transaktionen in -den äußeren Verhältnissen vorhanden gewesen war. Die Kraft der -Initiative war ihm zeitweilig verloren gegangen, wie schon in der -bereits erwähnten Generalversammlung vom 5. Dezember 1901 zu erkennen -gewesen war, in der er auf einen Angriff aus Aktionärkreisen, der -sich gelegentlich der Einstellung seiner beiden Söhne in den Vorstand -gegen die Aufrichtung einer „Dynastie Rathenau“ gerichtet hatte, die -Erklärung abgab: Er müsse seine Nachfolge vorbereiten, denn er selbst -gedenke sich in absehbarer Zeit von der Leitung der Gesellschaft -zurückzuziehen, allerdings gehe es gegen sein Gefühl, der A. E. G. -in der Zeit der Krisis den Rücken zu kehren. Das werde er erst tun, -wenn für das Unternehmen wieder eine Zeit des Aufschwungs gekommen -sei. Und was er sonst nie getan hatte, weder vorher noch nachher, -tat er im Falle der Schuckert-Fusion. Er überließ, in einem Anfall -von Unentschlossenheit, der seinem Charakter — wie wir ja wissen — -gelegentlich nicht fremd war, die Entscheidung dem Direktorium. Er -beschloß, sich der Majorität seiner Kollegen zu fügen. Gründe und -Gegengründe drangen damals bis in die Öffentlichkeit. In einem offenbar -von <em class="gesperrt">einer</em> Verwaltungsseite inspirierten Artikel, der Anfang 1902 -seinen Weg in die Presse fand, wurden die Vorteile der Angliederung -breit ausgemalt. Es hieß darin:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die Herstellungskosten des fertigen Fabrikates werden erfahrungsgemäß -durch die Preise für die Rohmaterialien und durch die Arbeitslöhne -wenig beeinflußt, (?) es kommt außerdem hinzu, daß, wenn diese beiden -Summanden fallen, alle Fabrikanten ziemlich denselben Nutzen davon -haben. Die Preise der fertigen Fabrikate geben dann ganz allgemein -nach und für eine einzelne Fabrik kann beim Verkauf ein ins Gewicht -fallender Nutzen hierdurch nicht erzielt werden. Es bleiben somit -allein die <em class="gesperrt">Generalunkosten</em> übrig, durch deren Reduzierung -Ersparnisse erzielt werden können, und der Zweck der Fusion A. E. -G.-Schuckert ist in der Tat der, die beiderseitige Fabrikation -durch ein Zusammenarbeiten zu verbilligen, dadurch, daß sich die -Generalunkosten beider Gesellschaften, welche teils durch die -eigentliche Fabrikation, teils durch den Verkauf der fertigen Fabrikate -entstehen, sich ermäßigen.</p> - -<p>Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Zweck durch die Fu<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span>sion -erreicht werden würde, und es ist auch leicht einzusehen, daß damit -ein <em class="gesperrt">Vorsprung</em> erreicht wird, welcher von anderen Firmen nicht -leicht hinfällig gemacht werden kann. Augenblicklich, so kann man -sagen, halten sich die Unkosten aller großen Fabriken so ziemlich -das Gleichgewicht, der Nutzen, den die Fabrikation abwirft, ist -gleich schlecht. — Wenn nun zwei Gesellschaften imstande sind, den -wesentlichsten Faktor, der im Selbstkostenpreis seinen Ausdruck findet, -herabzumindern, so müssen die anderen Fabriken erst Mittel und Wege -finden und suchen, um das Gleiche zu erreichen, bevor das Gleichgewicht -wieder hergestellt wird. Früher oder später tritt das natürlich ein, -und von dann an wird ein weiteres Fallen der Preise wieder allmählich -beginnen, bis wieder weitere Ersparnisse, um die Fabrikation rentabel -zu machen, nötig werden.“</p> - -</div> - -<p>Ferner enthielt dieser Artikel einen genauen Plan über die Organisation -der Unkostenersparnis und der Arbeitseinteilung, die zwischen den -beiden Fabrikationsstätten in Berlin und Nürnberg vorgenommen werden -sollte. — Trotz aller Propaganda für den Plan überwog im Kollegium -schließlich die Abneigung. — Es wurde zwar noch ein Versuch gemacht, -wenigstens den Beteiligungsbesitz der Schuckert-Gesellschaft, an -dem der A. E. G. anscheinend am meisten gelegen war, unter deren -Einfluß zu bringen. Nachdem die umfassende Interessenvereinigung -nicht zustande gekommen war, wurden zwischen dem Finanzkonsortium -der A. E. G. und der Schuckert-Gesellschaft bezw. der Continentalen -Gesellschaft für elektrische Unternehmungen, der Finanzgesellschaft -Schuckerts, Verhandlungen eingeleitet mit dem Ziele, daß das genannte -Konsortium der Schuckert-Gruppe einen Vorschuß von 7½ Millionen Mark -gewähren solle. Als Unterpfand für das Darlehen sollten die im Besitz -der „Continentalen“ befindlichen Effekten dienen, die das Berliner -Konsortium möglichst günstig verwerten und aus denen das Darlehen -allmählich abgetragen werden sollte. — Auch diese Verhandlungen, -die wochenlang hin und her gingen, wurden schließlich ohne Resultat -abgebrochen; damit war die Annäherung zwischen der A. E. G. und -Schuckert endgültig gescheitert. — Später kam bekanntlich zwischen -der Siemens & Halske-Gesellschaft und Schuckert ein Abkommen zustande, -wonach die beiderseitigen Starkstrombetriebe in eine Gesellschaft -mit beschränkter Haftung, die <em class="gesperrt">Siemens-Schuckert-Werke</em>, -eingebracht wurden. Von deren 90 Millionen Mark<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> betragenden -Stammanteilen übernahmen Siemens & Halske 45050000 Mark, die -Elektrizitätsgesellschaft Schuckert 44950000 Mark. Die Gründung dieser -Gesellschaft erfolgte im März 1903, also ein Jahr nach dem Scheitern -der Verhandlungen mit der A. E. G. Sie richtete die zusammengebrochene -Schuckert-Gesellschaft wieder empor, indem sie ihr die meisten -Fabrikbetriebe abnahm. Das Schwachstromgeschäft, die Beteiligungen, auf -die doch bei den Verhandlungen mit der A. E. G. von dieser gerade der -Hauptwert gelegt worden war, und die Finanzierungsaufgaben verblieben -bei den unabhängig erhaltenen Stammgesellschaften. In dieser Form, die -vielleicht etwas umständlich war, aber die Parität sorgfältig wahrte, -haben sich die Siemens-Schuckert-Werke gekräftigt und bald nach der -Überwindung der Krisis eine aufsteigende Entwickelung genommen.</p> - -<p>Ob unter den Gründen, die die Fusionspläne bei der A. E. G. aus -dem Stadium der Grundsätzlichkeit in den Bereich der Aktualität -rückten, das Beispiel eine Rolle gespielt hat, das die Erweiterung -des Machtgebiets der Siemens & Halske-Gesellschaft durch die -Angliederung der Schuckertschen Fabriken gab, oder ob umgekehrt die -A. E. G.-Pläne Siemens & Halske anregten, kann nicht zweifelsfrei -festgestellt werden. Die Transaktion zwischen der A. E. G. und der -Union-Elektrizitätsgesellschaft schwebte zur gleichen Zeit, wie die -zwischen Siemens und Schuckert und sie wurde sogar einige Tage früher -veröffentlicht. Wo die Priorität des ersten inneren Gedankens lag, läßt -sich nicht feststellen; zweifellos waren beiden Parteien die geführten -Fusionsverhandlungen der anderen Gruppe nicht verborgen geblieben, -und sie hatten damit einander beeinflußt und angespornt. Was in jenem -obenerwähnten Zeitungsartikel als ein Vorsprung bezeichnet worden -war, der erst allmählich von der Konkurrenz eingeholt werden müßte, -hatte sich blitzschnell in der Taktik der beiden führenden Konzerne -paralysiert. Keine von ihnen wartete ab, daß ein solcher Vorsprung -zugunsten der anderen eintrat. Das Machtverhältnis sollte sich -nicht verschieben, es mußte sofort wieder das frühere Gleichgewicht -hergestellt werden. Das Gesetz des Dualismus begann zu wirken.</p> - -<p>Die A. E. G. konnte aber den Weg der Konzentration nicht nur aus -konkurrenztaktischen, sondern aus sachlichen Gründen betreten, -umsomehr, als er ihr schon seit langem als der zweckmäßigste, ja der<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> -einzig gangbare erschienen war. Dazu kam, daß die Krisis den Tiefpunkt -überschritten hatte und sich bereits wieder hellere Ausblicke zu -zeigen begannen. Die Furcht, bei einer Transaktion neue große Mittel -zu investieren, war zwar noch nicht geschwunden. Aber immerhin war -doch in den Wertverhältnissen der einzelnen Unternehmungen zueinander -jetzt etwas mehr von jener Klarheit geschaffen, die Rathenau noch im -Jahre vorher vermißt hatte, als er im Geschäftsbericht für 1901/02 -schrieb: „Daß aber eine Beschleunigung des Zusammenschlusses leicht zu -Übereilungen führen könnte, scheint uns durch die Tatsache erwiesen, -daß noch im Verlauf des letzten Jahres erhebliche Verschiebungen in -der relativen Bewertung der einzelnen Unternehmungen stattgefunden -haben und anscheinend dauernd sich vollziehen.“ Das hieß auf -deutsch: Die Dividenden- und Kursverhältnisse, die doch bei Fusionen -den Maßstab für den Aktienumtausch oder die Bewertung der Aktiva -anderer Unternehmungen abgeben mußten, boten nicht nur vor, sondern -noch <em class="gesperrt">in</em> der Krisis ein falsches Bild. Man hätte auf ihrer -Grundlage die zu erwerbenden Objekte zu teuer bezahlt und mußte erst -warten, bis die Krisis, dieser untrügliche Prüfstein der Werte und -Potenzen, die Fusionsobjekte genügend verbilligt haben würde. In der -Generalversammlung vom Dezember 1902 war Emil Rathenau sogar noch -deutlicher geworden und hatte, nachdem doch schon empfindliche Schäden -bei manchen Gesellschaften zu Tage getreten waren, mit dem untrüglichen -Scharfblick des Kritikers seine Zweifel darüber ausgesprochen, „ob -einige Gesellschaften, die einer Sanierung unterzogen worden und sich -damit genügend organisiert glaubten, nun auch wirklich gesundet wären.“ -Die Prognose war richtig, denn schon die nächstjährigen Bilanzen -brachten neue, noch viel schwerere Verluste bei den halbsanierten -Unternehmungen zu Tage. Das Jahr 1902/03 erst konnte als Tiefpunkt -der Krisis bezeichnet werden; und erst jetzt ließ sich mit Sicherheit -erkennen, was bei den erschütterten Elektro-Unternehmungen seinen -Wert behalten hatte und was abgestorben war. Nicht vor dem Frühjahr -1903 entschlossen sich darum sowohl die A. E. G. wie Siemens & -Halske zu ihren ersten großen Konzentrationsgeschäften. Fast -gleichzeitig mit der Transaktion Siemens-Schuckert wurde der erste -Vertrag mit der „Union-Elektrizitätsgesellschaft“ den Aktionären -der A. E. G. vorgelegt. Er enthielt lediglich den Vorschlag einer -Interessengemeinschaft zwischen beiden<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span> Unternehmungen, und sollte — -wie in der beschlußfassenden Generalversammlung erklärt wurde — den -Beweis liefern, daß eine Verständigung der sich zusammenschließenden -Firmen auch ohne Verzicht auf ihre Individualität erreicht werden -könne. Diese Selbstbeschränkung, die in Wirklichkeit aber nur -eine Halbheit war und als solche auch wohl von Rathenau innerlich -erkannt wurde, hatte ihren Grund weniger in Zweckmäßigkeitsfragen, -als in persönlichen Rücksichten und Vorbehalten auf beiden Seiten. -Bei der A. E. G. wollte man anscheinend noch immer nicht an die -große Kapitalstransaktion herangehen, die mit einer vollständigen -Fusion unumgänglich verbunden gewesen wäre, auch hielt man die -Bilanz-Verhältnisse bei der Union wohl noch immer nicht für geklärt -genug, als daß man auf der damaligen Bewertungsbasis die Objekte der -Union dauernd und unwiderruflich hätte aufnehmen wollen. Bei der -Union hinwiederum konnte man sich zu dem Opfer der völligen Aufgabe -der Selbständigkeit noch nicht recht entschließen. Endlich schien -sich auch eine vorherige Auseinandersetzung mit den amerikanischen -Verbindungen der Union als zweckmäßig zu erweisen. Man machte also aus -der Not eine Tugend und rühmte bei der unvollkommenen Transaktion die -Erhaltung der Individualität beider Unternehmungen. Der geschlossene -Vertrag hatte nach den damals den Aktionären beider Gesellschaften -gemachten ausführlichen Mitteilungen den Zweck, eine Zusammenfassung -und möglichste Vereinigung der technischen und kommerziellen Kräfte und -Leistungen beider Gesellschaften herbeizuführen. Für ihn sollten die -folgenden Bestimmungen und Grundsätze gelten.</p> - -<p>1. <em class="gesperrt">Identität der Geschäftsführung</em> und Verwaltung, soweit dies -gesetzlich zulässig ist;</p> - -<p>2. <em class="gesperrt">Arbeitseinteilung</em>, entsprechend der Eigenart der -beiderseitigen Fabrikationseinrichtungen, unter Austausch der -kommerziellen und technischen Erfahrungen;</p> - -<p>3. Möglichste <em class="gesperrt">Erhaltung</em> des gegenwärtigen -<em class="gesperrt">Beschäftigungsverhältnisses</em> beider Gesellschaften;</p> - -<p>4. Tunliche <em class="gesperrt">Verschmelzung</em> der <em class="gesperrt">auswärtigen Organisationen</em>.</p> - -<p>Im einzelnen wurde bestimmt, daß die beiderseitigen Direktoren -gemeinschaftlich die Geschäfte beider Gesellschaften als -Gesamtdirektoren leiten. Die Zahl der Direktoren wurde auf zehn -festgesetzt,<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> wovon sieben der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft -und drei der Union angehören sollten. Die Mitglieder der -<em class="gesperrt">Aufsichtsräte</em> beider Gesellschaften bildeten zusammen den -gemeinsamen <em class="gesperrt">Delegationsrat</em> der Gesellschaften. In dem -Delegationsrate führten die Mitglieder jedes Aufsichtsrates zusammen -zwölf Stimmen, ohne Rücksicht auf die Zahl der Abstimmenden. Die -Aufsichtsräte beider Gesellschaften waren bei der Beschlußfassung über -folgende Gegenstände an die Beschlüsse des Delegationsrates gebunden:</p> - -<p>1. Erweiterung oder Abtretung von Fabrikationseinrichtungen, im Falle -es sich um mehr als 1% des Aktienkapitals der betreffenden Gesellschaft -handelte.</p> - -<p>2. Dauernde Investitionen im Betrage von mehr als 2% des Aktienkapitals -der betreffenden Gesellschaft.</p> - -<p>3. Abänderungen des Interessengemeinschaftsvertrages.</p> - -<p>4. Ausgabe von Obligationen.</p> - -<p>Über folgende Gegenstände sollten die Aufsichtsräte beider -Gesellschaften nur in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des -Delegationsrates beschließen: Vorschläge an die Generalversammlungen, -betreffend Statutenänderung, Fusion mit anderen Unternehmungen, -Kapitalserhöhung und -herabsetzung, Auflösung einer Gesellschaft, -Anstellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern. — Abgesehen -von den obigen Einschränkungen, behielten die Aufsichtsräte ihre -bisherigen Funktionen bei. Die Aufsichtsratsmitglieder der A. E. G. -wurden zu den Aufsichtsratssitzungen der Union E. G. eingeladen und -nahmen daran mit beratender Stimme teil und umgekehrt. Jede der beiden -Gesellschaften sollte zunächst in der bisher bei ihr üblichen Weise -eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung aufmachen. Von dem -Gewinn- oder Verlustsaldo dieser Vorbilanz der A. E. G. sollten von -dieser der Union E. G. <span class="zaehler">4</span>⁄<span class="nenner">19</span> gutgebracht bzw. belastet werden, während -die Union E. G. von dem Gewinn- oder Verlustsaldo ihrer Vorbilanz an -die A. E. G. <span class="zaehler">15</span>⁄<span class="nenner">19</span> gutzubringen bzw. zu belasten hatte. Auf Grund der -ermittelten Gewinn- oder Verlustziffer stellte dann jede Gesellschaft -für sich ihre gesetzlich und statutarisch vorgeschriebene Bilanz auf. -Der Vertrag sollte vom 1. Juli 1903 ab auf eine Dauer von 35 Jahren -in Kraft treten. Über alle die Auslegung des Vertrages betreffenden -oder sonst sich aus ihm ergebenden Streitigkeiten sollte ein -Schiedsgericht entscheiden. Zur Begründung dieses Vertrages, der eine -aktienrechtlich außerordentlich<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> seltene und interessante Verquickung -der Verwaltungsorgane zweier Gesellschaften darstellte, verlas -Generaldirektor Rathenau in der Generalversammlung eine Erklärung, aus -der wir folgendes hervorheben:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Mit dem Vertrag, den wir mit der Union Elektrizitätsgesellschaft -getätigt haben, tritt die deutsche elektrotechnische Industrie in die -Phase der Associationen, die seit Jahren zur Heilung ihrer Schäden -von uns empfohlen werden. Daß der Zusammenschluß der Gesellschaften -neben anderen Zwecken die Hebung der durch gegenseitige Unterbietungen -unlohnend, zuweilen verlustbringend gewordenen Geschäfte auf eine dem -Fabrikationsgewinn entsprechende, angemessene Höhe verfolgt, wird nicht -in Abrede gestellt. Aber dieser Zweck soll weder durch willkürliche -Preisfestsetzungen, noch durch Syndikatsbildungen erreicht werden, für -welche die Elektrotechnik ihrer Natur nach sich weniger als andere -Industrien eignet.....</p> - -<p>... Unser Vertrag mit der Union zeigt, daß eine Verständigung der -sich zusammenschließenden Firmen <em class="gesperrt">auch ohne Verzicht auf ihre -Individualität</em> erzielt werden kann. Der nach dem Vorgang der A. E. -G. erfolgte Zusammenschluß anderer Firmen der Elektrizitätsindustrie -beweist ferner, daß auch an anderen maßgebenden Stellen Befürchtungen -vor den ungünstigen Folgen der Vertrustung zu weichen beginnen. -Auch in Amerika hat die Trustbildung technische Fortschritte nicht -ausgeschlossen, sondern gefördert, und nicht mit Unrecht wird darauf -hingewiesen, daß in diesem Lande noch immer mehr erfunden und versucht -wird wie in Europa.... Von keiner Seite ist bisher behauptet worden, -daß die Interessengemeinschaft unserer Gesellschaft mit der Union -inkongruente Elemente zusammengeführt habe; es werden vielmehr von -allen Seiten Gründe angeführt, die gerade für diese Kombination -sprechen. Bei unserer umfangreichen Tätigkeit, welche über die -gesamte Starkstromtechnik sich erstreckt, <em class="gesperrt">hatten wir dem Bau -elektrischer Eisenbahnen weniger Bedeutung</em> geschenkt als die sich -hauptsächlich auf dieses Gebiet konzentrierende Union, der noch dazu -die Versuche und Erfahrungen befreundeter Gesellschaften in Amerika -zur Verfügung stehen. Von jeher hat dieses Land gerade im elektrischen -Transportwesen einen Vorsprung erlangt, den es bei der Eigenart der -dortigen Verhältnisse voraussichtlich noch länger zu bewahren imstande -sein wird. Die Fabriken<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> der A. E. G. und der Union ergänzen sich so -glücklich, daß nur verhältnismäßig wenige, in beiden Unternehmungen -gleichzeitig ausgeübte Betriebe im Interesse der Einheitlichkeit -verschmolzen zu werden brauchen. Außerdem können Aufträge, welche -die Union bisher anderweitig vergeben mußte, den Werkstätten der A. -E. G. im Interesse beider zufallen. Im Besitze der Union befinden -sich keine Aktien ihrer Trustgesellschaft. Die <em class="gesperrt">Finanzgesellschaft -bleibt außerhalb des Vertrages</em>; ebenso sind die selbständigen, -ausländischen Geschäfte in die jetzige Kombination nicht einbezogen -worden. Immerhin sichert die gewählte Form des Abschlusses die -Möglichkeit weiterer Angliederungen solcher Unternehmungen, die den -geschaffenen Konzern zu ergänzen oder zu stärken geeignet sind.</p> - -<p>Die von uns gewählte Art des Zusammengehens steht der formellen -Fusion vielleicht insofern nach, als diese einen scheinbar weniger -umständlichen Verwaltungsapparat erfordert und der <em class="gesperrt">Gedanke einer -Verschmelzung, von dem man ursprünglich ausgegangen war, braucht auch -deshalb nicht aus dem Auge verloren zu werden</em>. Für jetzt wird -man sich begnügen, den Zusammenschluß einer tatsächlichen Fusion so -zu nähern, daß materielle Nachteile aus dem <em class="gesperrt">etwas künstlicheren -Aufbau</em> weder für die Gesellschaften noch für die Aktionäre -entstehen. Die verschiedenen Momente kann man ihrem wesentlichen -Inhalte nach dahin zusammenfassen: Die gegenwärtige Lage der Industrie -macht den Zusammenschluß der elektrotechnischen Firmen zu einer -Notwendigkeit. Die wirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses sind -so erheblich, daß ihnen gegenüber die Bedenken verschwinden. Interessen -dritter werden nicht verletzt, weder Einzelner noch der Allgemeinheit. -Dem Lande aber wird das Fortbestehen einer seiner schönsten und -stärksten Industrien gesichert.“</p> - -</div> - -<p>Wenngleich in den die Interessengemeinschaft begründenden Ausführungen -auf die verbleibende Selbständigkeit der beiden Unternehmungen ein -gewisser Nachdruck gelegt worden war, so betonte doch dasselbe -Verwaltungsdokument, in einem gewissen Widerspruch zu diesem -Individualitätsprinzip bereits, „daß der Gedanke einer Verschmelzung, -von dem man ursprünglich ausgegangen war, deshalb nicht aus dem Auge -verloren zu werden brauchte.“ Daß man bei der A. E. G. die gefundene -Form von vornherein nur für eine vorläufige<span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span> hielt und sobald als -möglich in eine endgiltige umzuwandeln bestrebt war, geht aus allen -nachprüfbaren Umständen hervor. Auch weiterhin blieb man in jener -Zeit der Konzentrationsbewegung, die man während der Krisis aus -praktischen Gründen hatte zurückdämmen müssen, mit Entschlossenheit -zugewandt und hielt sie mit dem vorstehend geschilderten Abkommen -noch nicht für erledigt. Der Geschäftsbericht für 1902/03 stellte -fest: „der <em class="gesperrt">erste Schritt</em> in der Richtung, die wir stets als die -wünschenswerte bezeichneten, ist geschehen: die vier bedeutendsten -Unternehmungen unserer Industrie sind heute zu zwei Gruppen vereinigt, -die mehr als dreiviertel der Gesamtproduktion repräsentieren.“ -— An einer weiteren Stelle hieß es: „In gemeinsamem Interesse -wünschen und hoffen wir, daß die zentralisierende Bewegung in der -Elektrotechnik andauert und unterstützt vom guten Einvernehmen der -leitenden Persönlichkeiten die Erfolge zeitigt, deren, wenn auch -nicht alleinige, Voraussetzung sie bildet.“ — In demselben Bericht -konnte schon auf ein paar weitere Ergebnisse der Transaktionspolitik -hingewiesen werden, die sich allerdings — vom Standpunkte der großen -Entwickelung aus betrachtet — als Nebengeschäfte darstellen. Die A. -E. G. beteiligte sich an der Umwandlung der bekannten Maschinenfabrik -<em class="gesperrt">Gebr. Körting</em> in Hannover in eine Aktiengesellschaft, von -deren 16 Millionen Mark betragendem Kapital sie 1,1 Millionen Mark -übernahm. Die elektrische Abteilung des Unternehmens wurde von der -A. E. G. ganz erworben und als G. m. b. H. insbesondere zum Zweck -der Herstellung von Generator-Gasanlagen für elektrische und andere -Betriebe organisiert. — Auch zwischen den beiden Großkonzernen, -der A. E. G. und Siemens & Halske, die sich bereits früher einmal -bei der Gründung der Akkumulatorenwerke Berlin-Hagen zu gemeinsamer -Betätigung zusammengefunden hatten, spannen sich unter dem Einfluß -der Konzentrationsbewegung weitere Fäden. Die beiderseitigen -funkentelegraphischen Systeme Arco-Slaby und Braun wurden in der -Gesellschaft für drahtlose Telegraphie (System Telefunken) vereinigt. -Nur in gemeinsamer technischer und kommerzieller Ausgestaltung der -zu entwickelnden Anfänge konnte man hoffen, dem mächtigen englischen -Marconi-System, das auf ein Weltmonopol namentlich in der drahtlosen -Schiffstelegraphie hinsteuerte, die Spitze zu bieten. Auch an dem -Bau eines großen Unternehmens in Valparaiso für Licht-, Kraft- und -Bahnbetrieb beteiligten sich die beiden<span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span> Konzerne. Fertiggestellt -sollte das Werk der Deutsch-Überseeischen Elektrizitätsgesellschaft, -jenem gewaltigen südamerikanischen Sammelunternehmen, zugeführt werden, -in das neben der A. E. G. und der Deutschen Bank damit auch Siemens -& Halske eintraten. Derartige gelegentliche Gemeinschaftsgeschäfte -führten aber letzten Endes keineswegs zu einer engeren Zusammenfassung -der beiden Gesamtgruppen. Die Hauptstrome liefen weiter getrennt -nebeneinander und vielfach sogar auseinander.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">konzentrative Hauptrichtung</em> der A. E. G. blieb in dieser -Zeit aber auf den Ausbau der Verbindung mit der „Union“ und den -Anschluß an das amerikanische Interessengebiet dieser Gesellschaft -gerichtet. Diese Angelegenheit erschien Emil Rathenau so wichtig, -daß er sich im Herbst 1903 zu einer Reise nach Amerika entschloß. -Wie in früheren Fällen schon war ihm auch diesmal die Auffrischung -nach den niederdrückenden Zeiten der Krisis ein körperliches und -geistiges Bedürfnis, wie früher schon war die amerikanische Reise -ein Jungbrunnen für seine Energien, eine Quelle neuer bezwingender -Eindrücke, die den auch auf der Höhe des Erfolges und des Ruhmes -frisch und naiv gebliebenen, genau so wie den jungen, unbekannten -Ingenieur enthusiasmierten. Diesmal erschien er aber in der Neuen -Welt nicht als einer, der einen kleinen Teil des drüben angehäuften -Geistesreichtums in sich aufnehmen und zur Errichtung einer -bescheidenen Existenz im Heimatlande mit sich forttragen wollte, -sondern als ein Geistesherrscher, ein Industriekönig, der den -führenden Männern drüben als Gleichberechtigter entgegenzutreten -und mit ihnen über die <em class="gesperrt">Verteilung der elektrischen Welt</em> zu -verhandeln beabsichtigte. Er kam nicht nur, um zu nehmen, sondern -auch um zu geben, um auszutauschen. Gewiß hatte die amerikanische -Elektrizitätsindustrie, der die Welt und der Rathenau das elektrische -Glühlicht verdankte, inzwischen erfolgreich weiter gearbeitet und -Erstaunliches geleistet. Aber auch die deutsche Elektrizitätsindustrie -sah auf eine Periode glänzender Vollbringungen, systematischer -Durcharbeitungen zurück und konnte namentlich im Zentralenwesen, auf -dem Gebiete der Kraftübertragung, der Metallurgie und Elektrochemie -wertvolle Kompensationen anbieten.</p> - -<p>Der ordentlichen Generalversammlung vom 12. Dezember 1903 wohnte -Rathenau nicht bei. Es war kein Wunder, daß aus Kreisen<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span> der -Aktionäre Interesse und Neugierde laut wurden, welche Zwecke die -Reise des Generaldirektors verfolge, mit der sich auch schon -die Presse angelegentlich beschäftigt hatte. Den Fragern wurde -eingehende Auskunft. Die Union-Elektrizitäts-Ges., so hieß es, war -eine Tochtergesellschaft der amerikanischen Thomson Houston Co., -von der sie als Wirkungsgebiet Mittel- und Nordeuropa zugewiesen -erhalten und mit der sie einen Austausch von Erfindungen, Patenten -und Konstruktionen vereinbart hatte. Später wurde die Thomson Houston -Co. — wie wir schon wissen — mit der Edison Electric zu der General -Electric Co. verschmolzen, deren Aktienkapital den stattlichen -Betrag von 42 Millionen Dollar erreichte. Die amerikanischen -Interessenten sahen nun eine Beeinträchtigung für sich darin, daß die -A. E. G., die territorial unbeschränkt war, in Wettbewerb mit den -Tochtergesellschaften der General Electric auf <em class="gesperrt">den</em> Gebieten des -Weltmarkts treten konnte, die der Union verschlossen waren. Bei der -engen Interessenverbindung, die zwischen der A. E. G. und der Union -neuerdings bestand, war damit die Beschränkung auch für die Union -praktisch hinfällig geworden. Der Präsident der General Electric war -persönlich nach Europa gekommen, um mit der A. E. G.-Union-Gruppe -auf vorbereiteter Basis ein neues Übereinkommen zu treffen, dessen -Voraussetzung sein sollte, daß die Tochtergesellschaften der General -Electric, die britische und die französische Thomson Houston Co., -denen die Mittelmeergebiete zugewiesen waren, sich der Abgrenzung der -Organisationsgebiete anschlossen. Neben diesen Absatzfragen gab es auch -technische Angelegenheiten zu regeln. Diese bezogen sich insbesondere -auf die <em class="gesperrt">Turbinenfrage</em>. Die A. E. G. hatte den Turbinenbau -aufgenommen, aus dem Bestreben heraus, sich neue Geschäftszweige zu -schaffen, nachdem manche der alten unter dem starken Wettbewerb in -ihrer Ergiebigkeit gelitten hatten. „Die Konstruktion von Dampfturbinen -haben wir mit dem ihrer Bedeutung entsprechenden Nachdruck entwickelt -und die hierbei erzielten günstigen Ergebnisse haben uns bestimmt, -die Fabrikation dieses für stationäre Betriebe und die Seeschiffahrt -gleich wichtigen Motors, welcher ein hervorragendes Organ auch der -elektrischen Stromerzeugung zu werden verspricht, in großem Umfange -zu betreiben. Zur Erfüllung dieser Aufgabe genügen unsere für andere -Zwecke der Technik geschaffenen Einrichtungen nicht, aber wir sind bis -zur Vollendung der neuen Projekte in der Lage, die noch zu<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span> schaffenden -Typen, sowie die Hilfsmittel und Werkzeuge zu ihrer Herstellung im -praktischen Gebrauche zu erproben.“ So hieß es im Geschäftsbericht für -das Jahr 1902/03. Die A. E. G. stützte sich bei ihren Plänen auf die -<em class="gesperrt">Riedler-Stumpf</em>schen Patente. Die General Electric besaß die -wertvolle und bereits weiter entwickelte <em class="gesperrt">Curtis Turbine</em>. Während -die General Electric große Typen herstellte, versuchte die A. E. G., -der für diese Zwecke damals unbeschränkte Mittel nicht zur Verfügung -standen, die Konstruktion kleinerer Typen. Eine Vereinigung beider -Systeme und eine damit zu erreichende Vervollkommnung des Turbinenbaus -wurde von den Gruppen angestrebt. In der Zeit der Anwesenheit des -Präsidenten der General Electric in Europa waren die Schwierigkeiten -mit den Mittelmeergesellschaften noch nicht gelöst. Dagegen war es -gelungen, mit der <em class="gesperrt">Brown Boveri-Ges.</em>, die zur Ausnutzung ihrer -Parsons Patente die Turbinia Parsons Marine-Akt.-Ges. gegründet und -auch einige Aufträge für die deutsche Marine erhalten hatte, ein -Abkommen zu treffen. Die A. E. G. übernahm im Anschluß daran 5625000 -Frcs. Aktien der Brown Boveri & Cie.-Ges. in Baden (Schweiz). Auch -hier war ein Erfolg auf dem Konzentrationswege erreicht worden, der -zwar keine Verbindung erster Größe, doch immerhin eine solche von -Wichtigkeit auf einem Spezialgebiet darstellte.</p> - -<p>Die Reise Emil Rathenaus nach den Ver. Staaten löste alle noch offenen -Probleme und überwand alle Schwierigkeiten. Am 27. Februar 1904 konnte -eine außerordentliche Generalversammlung einberufen werden, von der die -Anträge auf <em class="gesperrt">völlige Verschmelzung</em> der A. E. G. mit der Union -E. G. genehmigt wurden. Aus der ausführlichen Denkschrift, die den -Aktionären in der Generalversammlung vorgelegt wurde, sei das Folgende -wiedergegeben:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die Schranken, welche die Verschmelzung unserer Gesellschaften -hinderten, sind beseitigt, und, nachdem die Beziehungen zu den -amerikanischen Gesellschaften eine den neu zu schaffenden Verhältnissen -entsprechende Gestaltung gefunden haben, erscheint die Fusion jetzt -als letzte Konsequenz der Interessengemeinschaft, die eine Etappe auf -diesem Wege war und sein sollte.</p> - -<p>In der Generalversammlung vom 12. Dezember 1903 sind Andeutungen über -den Zweck der Reise des Generaldirektors der Gesellschaft nach den -Vereinigten Staaten gemacht worden. Im Vordergrunde<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span> des Interesses -stand die Regelung der zukünftigen Beziehungen der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft zur General Electric Co., der mächtigsten -Trägerin der elektrischen Industrie in der Neuen Welt. Die Werke dieser -Gesellschaft sind von gewaltigem Umfang; sie verfügt über einen großen -Stab fähiger Männer aus der Wissenschaft und Praxis und fördert mit -reichen Mitteln und seltener Freigebigkeit die Ziele der elektrischen -Industrie in Laboratorien und Versuchswerkstätten.</p> - -<p>Eine innige Annäherung an diese Organisation erschien umso -erstrebenswerter, als schon das Bündnis der Union E. G. mit der -inzwischen von der General Electric Co. aufgesaugten Thomson Houston -Co. die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft in hervorragendem Maße -für die Interessengemeinschaft bestimmt hatte.</p> - -<p>Es bestehen europäische Tochtergesellschaften der General Electric -Co. für England, Frankreich und die Mittelmeerländer; sie haben den -Namen Thomson Houston beibehalten. In den Vereinigten Staaten von -Nord-Amerika werden von der General Electric Co. kontrolliert: Edison -General Electric Co., Thomson Houston Electric Co., Fort Wayne Electric -Works, Stanley Electric Manufacturing Co., Eddy Electric Corporation, -General Incandescent Arc Light Co., Sprague Electric Co. und Northern -Electric Co.</p> - -<p>Das Gebiet der Union E. G. war Deutschland, Mittel- und Nord-Europa und -die Balkanstaaten. In Österreich, Rußland und Belgien hat sie unter -Beteiligung einheimischer Finanzinstitute die österreichische bezw. -russische Union E. G. und die Union Electrique in Brüssel errichtet.</p> - -<p>Die einzelnen Gesellschaften sind durch Verträge untereinander -und mit der Muttergesellschaft auf den ihr zugewiesenen Bezirk -geographisch beschränkt, aber frei, die Gebiete durch Separatabkommen -zu erweitern; so hat die Union Electrique durch eine Vereinbarung mit -der Mittelmeergesellschaft, kurz Meditomson genannt, das Recht erlangt, -unter gewissen Bedingungen auch in Italien Geschäfte abzuschließen.</p> - -<p>Das alle Gesellschaften gemeinsam verbindende Element ist der -wechselseitige Austausch von Patenten und Erfahrungen.</p> - -<p>Auf den Beitritt zu diesem Konzern und die Anbahnung freundschaftlicher -Beziehungen auch zu den europäischen Unternehmungen waren unsere -Bemühungen nicht weniger gerichtet, als auf die Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span>allgemeinerung -der wichtigen technischen und kommerziellen Interessen, welche wir in -unseren Dampfturbinen-Patenten und denen von Riedler-Stumpf besaßen. -Die Vereinigung der letzteren mit den Patenten der Curtisgruppe, die -die General Electric Co. zur eigenen Ausübung in den Vereinigten -Staaten erworben hatte und für andere Länder zu verwerten im Begriff -stand, erschien uns nützlich.</p> - -<p>Unsere zahlreichen Verträge mit den amerikanischen und europäischen -Gesellschaften enthalten folgende Hauptpunkte:</p> - -<p>1. Eine Vereinbarung, nach welcher die Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft und die General Electric Co. ihre Gebiete -für sich und ihre Tochtergesellschaften gegenseitig abgrenzen und jede -Partei der anderen Patente und Erfahrungen für die betreffenden Gebiete -überläßt.</p> - -<p>Das ausschließliche Gebiet der General Electric Co. umfaßt im -wesentlichen die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika und Kanada, das -der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft Deutschland mit Luxemburg, -Österreich-Ungarn, europäisches und asiatisches Rußland, Finnland, -Holland, Belgien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Türkei und die -Balkanstaaten.</p> - -<p>Für die Gebiete der europäischen Tochtergesellschaften sind -langsichtige Separatabkommen geschlossen, für die anderen Weltteile -einschließlich Süd-Amerika ist ein gemeinsames Arbeiten der beiden -großen Elektrizitätsgesellschaften in Aussicht genommen, Abmachungen, -welche ein langjähriges und ersprießliches Zusammenwirken erwarten -lassen.</p> - -<p>Auf die Vereinbarungen über Italien werden wir später noch -zurückkommen; in Spanien und Griechenland bleiben die bisherigen -Verhältnisse einstweilen unverändert.</p> - -<p>2. Die General Electric Co. und die Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft gründen eine Gesellschaft mit 3 Millionen -Mark zur Verwertung der Riedler-Stumpf- und Curtis-Patente im Gebiete -der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft. Hierbei sind die Patente -von Curtis mit 1,8 Millionen Mark, die von Riedler-Stumpf mit 1,2 -Millionen Mark bewertet. Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft -hat sich eine Lizenz gesichert. Sie erlangt hiermit auch das -Lieferungsrecht nach allen außereuropäischen Ländern mit Ausnahme der -Vereinigten Staaten und Kanada, für welche die General Electric Co. die -Riedler-Stumpf-Rechte erwirbt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span></p> - -<p>3. Das Recht der Benutzung von Curtis-Patenten für Betriebsmaschinen -von Schiffen war der International Curtis Marine Turbine Co. -vorbehalten. Diese hat der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft -Lizenz für deren europäisches Gebiet erteilt, wogegen die letztere -der Marine Turbine Co. die Verfügung über Riedler-Stumpf-Patente für -Schiffsbewegungszwecke gestattet.</p> - -<p>4. Mit den Professoren Riedler und Stumpf besitzt und bearbeitet die -Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft deren Dampfturbinen-Patente -in der Gesellschaft zur Einführung von Erfindungen m. b. H. Die -Patente sind nunmehr an die Vereinigte Dampf-Turbinen-Gesellschaft -und für Nord-Amerika an die General Electric Co. übergegangen, die -Marine-Rechte an die Marine-Turbinen-Gesellschaften, während die -genannten Erfinder an den der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft -gewährten Gegenleistungen beteiligt werden.</p> - -<p>5. Mit der British Thomson Houston Co. ist ein analoger Vertrag, wie -der mit der General Electric Co. über das Exportgeschäft geschlossen -worden. Es sind der englischen Gesellschaft aber außerdem im Interesse -der Geschäftsbetriebe noch gewisse Befugnisse eingeräumt worden, u. a. -die finanzielle Beteiligung an der englischen Tochtergesellschaft der -Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und an einer in England etwa -zu gründenden Gesellschaft für Herstellung von Nernstlampen. Dagegen -bleibt der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft das Recht, außer -anderen Fabrikaten auch Turbinen nach England zu liefern, vorbehalten.</p> - -<p>6. Wie mit der britischen Gesellschaft findet auch mit -der französischen Thomson Houston Co. ein gegenseitiger -Austausch der Patente und Erfahrungen statt. Die Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft wird ihre französische Organisation auf den -Verkauf ihrer Erzeugnisse in Frankreich beschränken und Maschinen, -sowie Dampfturbinen nur an die französische Gesellschaft liefern, -welcher eine Option auf den Bezug von Aktien der Société Française -d’Electricité A. E. G. bis zu einem gewissen Betrage zugesichert ist. -Dagegen garantiert die französische Thomson Houston Co. der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft einen dem bisherigen Umsatz an Maschinen in -Frankreich entsprechenden Bezug von Dynamos.</p> - -<p>Aus den Verträgen ergibt sich für uns das Recht und die Pflicht, -folgende Gesellschaften zu gründen:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span></p> - -<p>I. eine Gesellschaft für den Bau von Dampfturbinen, Turbodynamos -und deren Zubehör. Die „Allgemeine Dampfturbinen-Gesellschaft“ soll -mit einem nach Bedarf einzuzahlenden Aktienkapital von 5 Millionen -Mark ausgerüstet werden. Die Aktien zeichnet die Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft. Als Fabrikanlage werden Grundstücke, -Gebäude und Maschinen der Union E. G., deren Fabrikbetrieb mit dem -der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft verschmolzen worden ist, -voraussichtlich dienen. Die vorgenannten Immobilien würden der -Allgemeinen Dampfturbinen-Gesellschaft auf eine Reihe von Jahren mit -dem Rechte des Erwerbes verpachtet werden. Die technische Leitung wird -Herrn Direktor Lasche, in dessen Hände der Turbinenbau der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft sich gegenwärtig bereits befindet, -übertragen.</p> - -<p>II. Die oben erwähnte Turbinen-Licenz-Gesellschaft; diese ist unter -der Firma „Vereinigte Dampfturbinen-Gesellschaft m. b. H.“ bereits -errichtet.</p> - -<p>III. Eine italienische Gesellschaft mit einem Kapital von 6 Millionen -Lire, auf die die bisherigen Organisationen der Allgemeinen -Elektrizitäts-Gesellschaft und der Thomson Houston-Gesellschaft, sowie -die italienischen Turbinen-Patente sämtlicher Gruppen übergehen.</p> - -<p>IV. Zwischen der Union Electrique in Brüssel und der Société -Belge d’Electricité A. E. G. ist ein analoges Abkommen, wie es -zwischen der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft und Union -Elektrizitäts-Gesellschaft besteht, einstweilen getroffen; eine -förmliche Fusion dieser Gesellschaften dürfte vielleicht später sich -vollziehen.</p> - -<p>Sind schon die Aufwendungen für die genannten Gesellschaften, den -Erwerb von Patenten und die Gewährung von Vorschüssen und aus den -erwähnten Transaktionen von beträchtlichem Belang, so erfahren sie noch -eine Vermehrung durch Übernahme von Aktien der Österreichischen Union -E. G., an der die hiesige Union E. G. hervorragend beteiligt ist, und -die wir sowohl aus diesem Interesse, als auch zur Schaffung geeigneter -Fabrikationsstätten in Österreich, einer durchgreifenden Rekonstruktion -zu unterziehen beabsichtigen.</p> - -<p>Endlich wird die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft die häufig im -Wege des Kredits beschafften <em class="gesperrt">Betriebsmittel der Union E. G.</em>, -falls sie ihre durch zwei Jahrzehnte bewährte Finanzgebarung<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span> auch auf -diese Geschäfte übertragen will, <em class="gesperrt">ergänzen und verstärken müssen</em>.</p> - -<p>Zur <em class="gesperrt">Beschaffung</em> der für die Durchführung des vorgezeichneten -Programms erforderlichen <em class="gesperrt">Kapitalien</em> unterbreiten wir folgende -Vorschläge Ihrer geneigten Erwägung:</p> - -<p>Die Union E. G. verfügte nach der Bilanz vom 30. Juni 1903 über -Effekten und Anlagen im eigenen Betriebe zum Buchwerte von ca. 13 -Millionen Mark, aber die Objekte befinden sich größtenteils in der -Entwicklung, haben keinen Börsenkurs und würden deshalb schwer flüssig -gemacht werden können. Zur Verwertung dieser Vermögensobjekte wird -die Union E. G. unter Gewährleistung angemessener Erträgnisse den -größten Teil dieses Besitzes der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft -überlassen und dafür von ihr 6,5 Millionen Mark nominal neu -auszugebender Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschafts-Aktien mit -Gewinnberechnung vom 1. Juli 1903 empfangen. Diese 6,5 Millionen Mark -neuer Aktien hat sich der Union E. G. gegenüber ein Konsortium zu einem -Kurse von 210% tel quel netto ohne Stückzinsenberechnung abzunehmen -bereit erklärt.</p> - -<p>Vermöge dieser Transaktion würde die Union in den Besitz von -Barmitteln in Höhe von ca. 13650000 Mark gelangen, und die Allgemeine -Elektrizitäts-Gesellschaft die erworbenen Effekten unter Abzug der -aus dieser Transaktion entstehenden Spesen und Zinsen weit unter dem -Buchwerte bei der Union E. G. inventarisieren dürfen.</p> - -<p>Sollte dieses Anerbieten Ihre Zustimmung finden, so -würden wir gleichzeitig den Antrag stellen, die bisherige -<em class="gesperrt">Interessen-Gemeinschaft</em> der beiden Gesellschaften -<em class="gesperrt">aufzuheben</em> und den Umtausch der Aktien der Union E. G. gegen -solche der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft im Verhältnis der -durch die Interessengemeinschaft festgesetzten Relationen von 3:2 -zum Zwecke einer späteren Fusion bezw. Liquidation der Union E. G. -zu vollziehen. Diese Verschmelzung würde wesentlich noch dadurch -erleichtert werden, daß Immobilien, Betriebsinventarien, Waren und -Materialien teils auf die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft -übergehen, welche zugleich Kasse, Wechsel, Kautionen, Vorräte, -Debitoren, Versicherungsprämien und Patente zu übernehmen hätte. Da die -Reserven der Union E. G. den aus der Bilanz sich ergebenden Verlust des -letzten Jahres reichlich decken, so wäre das teils in bar, teils in -sofort<span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span> realisierbaren Werten vorhandene Gesellschaftskapital der Union -E. G. zur Durchführung sämtlicher Transaktionen vorhanden.</p> - -<p>Aktionäre der Union E. G., welche über die Hälfte des Aktienkapitals -verfügen, haben den eventuellen Umtausch ihrer Aktien unter diesen -Bedingungen zugesagt, und wir zweifeln nicht, daß die übrigen ihrem -Beispiel folgen werden.</p> - -<p>Aber auch die Aktionäre der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft -hätten Grund zur Zufriedenheit, denn ihre Gesellschaft würde gegen -Hergabe von 22½ Millionen neuer Aktien und Übernahme von 10 -Millionen Obligationen erstens 34 Millionen liquider Mittel, zweitens -Effekten, Zentralen und Bahnen, welche bei der Union E. G. mit -mehr als 13 Millionen Mark zu Buche stehen, und drittens Rechte, -Erfahrungen, Patente, die gesamten Grundstücke und Fabrikanlagen und -die Organisation dieser Gesellschaft erlangen, sowie in den alleinigen -und ausschließlichen Besitz der Rechte und Verträge treten, die namens -der deutschen Gruppe mit den oben erwähnten Parteien geschlossen sind.“</p> - -</div> - -<p>Das äußere Resultat, sozusagen der Mantel, mit dem die Fülle der neuen -Lebens- und Schaffensformen umkleidet wurde, ist die Kapitalserhöhung -der A. E. G. um 26 auf 86 Millionen Mark. Die vielen kleineren und -größeren Kräfte, die mit den Transaktionen des 27. Februar 1904 dem -Fundus der A. E. G. zugefügt wurden, setzten ihr Wirken fort, aber -ihr Pulsschlag, ihre Richtung und ihr Taktschritt wird dem größeren -Leben der A. E. G. angepaßt, ihren Gesichtspunkten und Interessen -eingeordnet, — gewiß nicht im ersten Wurfe, sondern in langsamer, -zusammenschweißender und abschließender Organisationsarbeit. Allmählich -gingen sie auf in dem regelmäßig und einheitlich arbeitenden -Räderwerk, das der Betrieb eines Riesenunternehmens wie der A. -E. G. darstellte, darstellen mußte, wenn nicht Reibungsverluste, -Desorganisation, Absterben von Trieben den Organismus verfallen lassen -sollten. Nur wer die ungeheuren Schwierigkeiten und die gewaltige -Menge an Kleinarbeit, Disharmonik und Unstimmigkeit kennt, die mit -einer Eingliederung und Abstimmung oft heterogener Fusionselemente -verbunden sind, wer es einmal gesehen hat, wie neben den durch die -Fusion erhaltenen und belebten Kräften auch andere der Verpflanzung -sich widersetzen und verkümmern, ja wie manchmal der ganze theoretisch -fein ausgeklügelte Fusionsgedanke sich bei der Verwirklichung -als irrtümlich und<span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span> verfehlt erweist, der kann ermessen, welche -kaufmännische Leistung die <em class="gesperrt">Durchführung</em> einer so umfangreichen -und vielgestaltigen Transaktion wie der vorstehend geschilderten -bildet. Für den Außenstehenden ist die Angelegenheit damit erledigt, -daß der Plan der Transaktionsarchitektur im großen festgelegt ist, -die Personalveränderungen in den höchsten Stufen, bei Aufsichtsrat -und Vorstand, erfolgt und die Generalversammlungsformalitäten erfüllt -sind. Die neuen Aktien sind da und verbergen dem Außenstehenden das -Chaos, das noch besteht, das Durcheinander der Meinungen, Gewohnheiten -und Methoden, das nun erst zu ordnen, in Reih und Glied zu bringen -ist. Welche ungeheure Menge an Fehlschlägen, an Verstimmungen, -an Vergewaltigungen nach der papierenen Beschlußfassung über die -Verschmelzung noch zu entstehen vermag, ahnt der Aktionär nicht, dessen -Wertpapiere nur eine andere Uniform angezogen haben. Oder er bekommt -es manchmal erst später zu erfahren, wenn sich herausstellt, daß das -Mißlingen der Fusionsdurchführung die Rente und die Aktie entkräftet -hat. Auch solche Fälle von unheilbarer Fusionskrankheit gibt es, -und gerade in der Elektrizitätsindustrie ist ein sehr lehrreiches -Beispiel dieser Art in der Fusion des Felten Guilleaume Carlswerks -mit der Elektrizitäts-Ges. Lahmeyer zu finden, die kurze Zeit nach -der Verschmelzung der A. E. G. mit der Union E. G. aus derselben -Konzentrationstendenz heraus und mit ähnlichen Absichten erfolgte. -Hier war nicht Kräftigung, sondern Schwächung die Folge der in der -Durchführung mißlungenen Fusion, und bei der später wieder erforderlich -werdenden Trennung war es gerade die Reorganisationskraft der A. E. -G., die das Übel heilen mußte und heilen konnte. Nicht nur in der -Anlage von Fusionsplänen, sondern auch in ihrer Durchführung haben -Rathenau und seine Mitarbeiter stets eine überragende Meisterschaft -bekundet. Gewiß gab es auch bei ihnen im einzelnen Rückstände -im Einschmelzungsprozeß, aber die große Reservekapazität ihrer -Unternehmungen gestattete es diesen, derartige Verluste bei Fusionen -leicht zu verwinden, ja von vornherein mit in die Rechnung einzustellen.</p> - -<p>Das Gesetz der Rivalität und des <em class="gesperrt">Dualismus</em> wurde durch die -Ausdehnung der A. E. G. auf das amerikanische Interessengebiet -augenblicklich in Tätigkeit gesetzt. Siemens & Halske leiteten bald -nach Bekanntwerden der Reise Rathenaus nach Amerika und der damit -verbundenen Pläne Verhandlungen mit dem <em class="gesperrt">Westinghouse<span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span>-Konzern</em> -ein, der zeitweilig seinen mit großer Kühnheit und Vielseitigkeit -entworfenen Unternehmungen größere Ausdehnung zu geben verstanden -hatte als selbst die General Electric. Georg Westinghouse, ein Geist -von hohen technischen und kaufmännischen Fähigkeiten, hatte ähnliche -Bahnen beschritten wie Rathenau, aber gerade bei ihm machte sich -verhältnismäßig früh das Fehlen einer soliden Fundierung, einer inneren -Festigung und Sicherung der durch die Expansion eroberten großen und -mit verschwenderischer Fülle ausgestatteten Gebiete geltend. Die -amerikanische Krisis des Jahres 1907 erschütterte die Fundamente seiner -Gründungen und stellte sie vor die Notwendigkeit einer Reorganisation. -Die Westinghouse-Gesellschaft mußte sich damals unter Receiverschaft -(Zwangsverwaltung) begeben, während Emil Rathenau die Genugtuung hatte, -daß die von ihm beratene General Electric den Sturm überstehen konnte. -So waren es letzten Endes hüben und drüben nur wenige der aus der -großen Schwungkraft der Elektrizitätsbewegung geborenen Unternehmungen, -die aus der Feuerprobe der Krisis ungeschwächt hervorgingen. Die -wenigen allerdings, die stark blieben, wurden durch den Verlust und -den Fall der anderen noch stärker und konnten einen Teil der Werte -aufraffen, die von den anderen hatten aufgegeben werden müssen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Dreizehntes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Dreizehntes Kapitel</em><br /> - -Weltwirtschaft</h2> - -</div> - -<p>Es kamen die Jahre der Reife und der Ernte. Nachdem die Krisis -überwunden, der Besitz durch sie gemehrt, die früher mit unzulänglichen -Mitteln unternommene Einflußausdehnung auf die verwandte Industrie der -Neuen Welt mit gesammelter Kraft wiederholt, die überseeische Tätigkeit -durch mächtige Stützpunkte und gewaltige Kulturbauten fest gegründet -worden war, brauchte eine Erschütterung der Position nicht mehr -befürchtet zu werden. Eines der größten Unternehmungen Deutschlands -nicht nur, sondern auch eines der bekanntesten im Auslande war die -A. E. G. geworden. Der Weltruf war geschaffen. Nur wenige deutsche -Industrie-Unternehmungen standen ihr darin gleich. Vielleicht Krupp, -Siemens, die Hamburg-Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd. Die -Riesenhüttenwerke Rheinland-Westfalens konnten es an internationaler -Popularität mit ihr nicht aufnehmen, weil sie für breite Teile ihres -Absatzes nicht unmittelbar, sondern durch die großen Montanverbände, -Kohlensyndikat, Stahlwerksverband, Walzdrahtverband usw. mit der -Auslandskundschaft in Berührung traten.</p> - -<p>Nach der stilleren Laboratoriumsarbeit, der inneren Ausgestaltung -der Betriebe und Methoden, die in der Zeit der Krisis und Nachkrisis -zu Ersparnissen und Verbilligungen in der Arbeit führen sollten, -kam wieder die Zeit des kühnen Planens, der neuen Entwürfe und -Geschäfte. Es wurde nicht mehr gespart, sondern gewagt, um zu -gewinnen. Millionen wurden wieder auf eine Karte gesetzt, und -die Zurückhaltung gegenüber neuen Projekten, die Rathenau in den -Generalversammlungen der vergangenen Jahre gepredigt hatte, drückte -nicht mehr auf die Schaffensfreudigkeit. Die Fenster wurden weit -wie nie zuvor geöffnet, und frische Luft drang von allen Seiten in<span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span> -Bureauräume und Fabrikhallen. Auch in äußeren Dingen wurde mehr auf -Repräsentation und würdige Aufmachung gegeben als vorher. Man mußte -auch dadurch erweisen, daß man an der Spitze der deutschen Industrie -marschierte und Welthaus geworden war. Statt des engen und veralteten -Verwaltungsgebäudes, das die A. E. G. von den B. E. W. gemietet und -mit ihnen geteilt hatte, entstand der in seiner Schlichtheit schöne -und monumentale <em class="gesperrt">Messelbau</em> am Friedrich Karl-Ufer. Statt der -roten Backsteinfabriken, wie sie die 80er und 90er Jahre in einer -unschönen Mischung von Kasernen- und Trutzburgenstil geschaffen hatten, -— Bauwerke, die den Fabrikcharakter mehr verdecken, als zum Ausdruck -bringen sollten — entstanden die Maschinen- und Turbinenhallen Peter -<em class="gesperrt">Behrens</em>, massige, dabei doch leichte und lichte Zweckbauten -aus Stein, Beton und Eisen, die mit selbstbewußter Sachlichkeit, doch -ohne Aufdringlichkeit den Verwendungszweck der Gebäude betonten. Das -Großgewerbe fand seinen künstlerischen Stil und die Kunst begann das -Großgewerbe zu verstehen.</p> - -<p>Neue große Fabrikbauten entstanden an allen Betriebsstätten des -Unternehmens. Die Grundstücke der Union E. G. in der Sickingen- -und Huttenstraße wurden zur Verlegung ganzer gesonderter -Produktionsabteilungen benutzt. Neben dem Kabelwerk Oberspree wurden -neue Betriebe, so ein Messingwalzwerk, eine eigene Eisen- und -Stahldrahtfabrik, eine Automobilfabrik errichtet. Schließlich als -die in der Stadt und nahe der Stadt liegenden Grundstückskomplexe -der Gesellschaft nicht mehr ausreichten, wurde in Hennigsdorf am -neuen Großschiffahrtsweg Berlin-Stettin im Jahre 1909 ein weites -zusammenhängendes Gelände erworben, auf dem neue Betriebe entstanden -und der Expansionsdrang sich frei ausleben konnte.</p> - -<p>Die Selbstbedarfsdeckung und die Vielseitigkeit im Produktionsprozeß -wurden weiter ausgedehnt, und gingen soweit, daß eigene Porzellan-, -Gummi- und Papierfabriken als Hilfsbetriebe entstanden. Dabei hat -sich die A. E. G. allerdings nicht eigensinnig auf die Durchführung -eines lückenlosen Selbstbedarfsdeckungsprinzips versteift, wo es -nicht rationell in den herrschenden Marktverhältnissen begründet -war. Als zum Beispiel die französische Gummireifen-Firma Michelin -plötzlich dazu überging, die Verkaufspreise ihrer Fabrikate um 50% -herabzusetzen, stellte Rathenau kurzentschlossen die Eigenproduktion in -diesem Artikel ein, denn er konnte seinen Bedarf<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span> am Markte billiger -eindecken. Das System der Selbstbedarfsdeckung wurde von der A. E. G. -auch nicht soweit ausgedehnt, daß das Gleichgewicht des Aufbaus durch -die Angliederung „schwerer“ Nebenbetriebe beeinträchtigt worden wäre. -Insbesondere hielt sich Rathenau davon zurück, die Hauptrohstoffe -seiner Produktion in eigenen Betrieben zu erzeugen. Ein Strousberg -hätte vielleicht den jährlichen Kupferverbrauch von zuletzt mehr als -30000 t zum Anlaß genommen, sich eine eigene Kupfermine in Amerika -zu kaufen. Emil Rathenau war ein zu vorsichtiger Rechner, um in -derartige Nebenbetriebe, die ihm möglicherweise eine etwas günstigere -Materialbeschaffung gestattet hätten, ein Kapital zu investieren, -das im Mißverhältnis zu den Anlagen seiner Hauptwerke stand und mit -dem er in seinen Verfeinerungsbetrieben weit mehr verdienen konnte. -Bei aller Großzügigkeit in der Fabrikationspolitik war er doch frei -von jeder Großmannssucht. Er suchte Wirkungen, nicht Effekte. Auch -der Versuchung, eine Kohlenzeche zu erwerben, widerstand er, denn -er hätte deren Produkte nur zum Teil ausnutzen können, zum anderen -Teil verkaufen und damit Geschäftszweige aufnehmen müssen, die -seinem Gebiet ganz fern lagen. Die Feldererwerbungen im Bitterfelder -Braunkohlenrevier dienten nicht der Brennstoffversorgung der A. -E. G., sondern der Stromerzeugung besonderer Kraftwerke. Eine -eigene Stahlanlage in Steinfort schuf sich der A. E. G.-Konzern nur -indirekt durch das Felten-Guilleaume-Carlswerk in Mülheim, dessen -Aktienmajorität er im Jahre 1910 erwarb. Im allgemeinen verfolgte -Rathenau das Prinzip, über den Kreis der Elektrizitätsindustrie nicht -hinauszugehen, und von Erwerbungen, die nur teilweise in diesen -Kreis hineingehörten, mit beträchtlichen Abschnitten aber in andere -Industrien hineinragten, wollte er nicht viel wissen. Dafür war er aber -darauf bedacht, sein eigenes Gebiet, das der Elektrizitätsindustrie, so -weit als möglich auszubauen, innerhalb dieses Gebietes alle möglichen -Techniken und Betriebszweige zu entwickeln, alle Absatzmöglichkeiten -durch Sonderorganisationen zu pflegen und alle Hilfsindustrien, soweit -dies mit angemessenen Kosten möglich war, sich anzugliedern.</p> - -<p>Eine eigenartige Entwickelung nahm im neuen Jahrhundert die -<em class="gesperrt">Beleuchtungs-Industrie</em>. Die A. E. G. hatte durch Übernahme und -Entwickelung der <em class="gesperrt">Nernstlampe</em> die Führung auf diesem Urgebiete -der Starkstromtechnik, die sie bei ihrer Gründung<span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span> durch den Erwerb der -Edisonpatente für Deutschland inne gehabt hatte, sich von neuem sichern -und festigen wollen. Große Mittel waren in diese Lampe investiert -worden, der Erfolg hatte sich allmählich eingestellt, überwältigend -wäre er nie geworden, — auch wenn die <em class="gesperrt">bessere</em> Metallfadenlampe -nicht gekommen wäre, und sofort über die gute Nernstlampe den Sieg -davon getragen hätte.</p> - -<p>Die sogenannten „ökonomischen“ Lampen waren nicht aus einer in sich -selbst begründeten Fortentwickelung der elektrischen Glühlampe -entstanden, sondern sie wurden gesucht und gefunden, weil das -Gasglühlicht in seinen modernen Formen die „stromfressende“, teure und -lichtschwache Kohlenfadenlampe völlig zu verdrängen drohte. Zuerst -hatte man es mit einer Verbesserung der Ökonomie des Kohlenfadens -versucht und durch die sogenannte Metallisierung dieses Fadens in -der Tat eine Stromersparnis von etwa 30% zu erreichen verstanden. -Das genügte aber nicht lange und höhere Glühtemperaturen ertrug der -Kohlenfaden nicht. Schon vorher war Nernst auf den Plan getreten. Er -nahm an, daß unter den metallisch leitenden Körpern (den sogenannten -Leitern I. Klasse) sich keine Substanz befinde, die für die Herstellung -einer wirklich ökonomischen Lampe geeignet sei. Er benutzte darum als -Glühkörper seltene Oxyde, bei denen die Leitfähigkeit elektrolytischer -Natur ist, die allerdings den Nachteil haben, den elektrischen Strom -erst in der Wärme zu leiten. Es dauerte darum stets einige Zeit, -ehe die Nernstlampe zu leuchten begann. Die Glühstäbchen mußten -erst glühend geworden sein. Die A. E. G. hat auf alle mögliche -Weise versucht, diesen Nachteil zu beheben oder doch abzumildern. -Sie stellte in der sogenannten Expreßlampe eine Kombination der -Heizspirale der Nernstlampe mit sofort leuchtenden Glühfäden her, -ein höchst kunstreiches Produkt, das aber naturgemäß nicht zur -Billigkeit eines Massenartikels zu bringen war. Auch die sogenannte -Mehrfach-Lampe, die eine Anordnung mehrerer Nernstlampen zur Verwendung -für die verschiedensten Zwecke darstellte, konnte den Hauptnachteil -nicht beheben. Es ist eine seltsame Ironie des Schicksals, daß es -gerade Auer von Welsbach, der Erfinder des Gasglühlichts war, dem -als zweiter großer Wurf seines Lebens die Konstruktion <em class="gesperrt">der</em> -elektrischen Lampe gelang, die einzig und allein imstande gewesen -ist, die Niederlage des elektrischen Glühlichts im Kampfe mit dem -Gasglühlicht zu verhindern. Auer von Welsbach<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> teilte die Ansicht -Nernsts nicht, daß unter den Metallen keine für die Herstellung -ökonomischer Lampen geeignete Substanz zu finden sei. Nach langen -und mühevollen Versuchen gelang es ihm, im Osmium der Platingruppe -(wer erinnert sich nicht der ersten Versuche Edisons vor Herstellung -des Kohlenfadens?) ein Metall zu finden, das nur im elektrischen -Lichtbogen geschmolzen werden konnte. Helles Licht, große Fortschritte -in der Stromökonomie und verhältnismäßig lange Lebensdauer waren -schon die Vorzüge dieser ersten Metallfadenlampe, die den Anstoß -zu neuen, immer vollkommeneren Konstruktionen gab. Emil Rathenau, -der die Nernstlampe doch gewiß außerordentlich hoch eingeschätzt -hatte, besaß wissenschaftliche Einsicht und kritische Objektivität -genug, um sofort zu erkennen, daß die Bahn Auer von Welsbachs die -erfolgversprechendere war und daß seine eigene Mühe und der gewaltige -Aufwand, den er an die Nernstlampe gewandt hatte, diese nicht zu retten -vermochten. Eine Spezialfabrik, die in eine solche grundsätzlich -„überwundene“ Konstruktion viele Millionen hineingesteckt haben -würde, ohne sie schließlich produktiv machen zu können, hätte den -Schlag wahrscheinlich überhaupt nicht verwunden. Auch ein gemischtes -Unternehmen, das aus großen Reserven die entstandenen Verluste -nicht hätte ausgleichen können, würde schwer unter dem Fehlschlag -gelitten haben. Die A. E. G., die alle für die Nernstlampe gemachten -Investitionen sofort abgeschrieben hatte, vermochte ihn angesichts -ihrer inneren Stärke ohne äußerlich erkennbare Schäden zu überwinden, -und konnte sich sofort mit erheblichen Geldkräften der neuen Industrie -der „seltenen Metalle“ zuwenden. Im Jahre 1909 wird der Nernstlampe -auch offiziell im Geschäftsbericht der Begräbnisschein ausgestellt. -„Nur noch Ersatzbrenner und Projektionslampen werden verkauft.“ Bis -die A. E. G. eine leistungsfähige Metallfadenlampe aus Wolfram-Erz -hergestellt hatte, verging natürlich einige Zeit. Neben ihr arbeiteten -noch andere Firmen, darunter Siemens & Halske, die in der Tantallampe -eine Erstkonstruktion von nicht so erheblicher Stromersparnis als -Stoßfestigkeit hergestellt hatten, unermüdlich an der Ausgestaltung -der Metallfadenlampe. Ein bedeutender Fortschritt gelang der General -Electric Co. durch die Erzeugung der <em class="gesperrt">Metalldrahtlampe</em>, bei -der der gespritzte Metallfaden durch den gezogenen Metalldraht -ersetzt worden war. Die A. E. G. hatte auf Grund ihres technischen -Austauschvertrages mit der General Electric Anspruch<span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span> auf die -Auslieferung der Erfahrungen dieser Gesellschaft. Schließlich kam -zwischen der A. E. G., der Siemens & Halske-Ges. und der Deutschen -Gasglühlicht-Gesellschaft (Auer) ein Gegenseitigkeitsvertrag zustande, -auf Grund dessen alle diese Gesellschaften zur Vermeidung von -Patentkonflikten ihre Konstruktionen austauschten. Auch andere Firmen -wandten sich dem neuen Gebiete zu, aber durch Reichsgerichtsurteil -wurde den obengenannten drei Gesellschaften, zu denen später -auch noch die Bergmann-Elektrizitätswerke als Lizenznehmer -traten, der Patentschutz für die Metalldrahtlampe gesichert. Eine -Metallfadenlampen-Konvention nach dem Muster der Verkaufsvereinigung -für Kohlenfadenlampen war von manchen Seiten zur Bekämpfung der bald -eintretenden scharfen Konkurrenz vorgeschlagen worden. Die A. E. G. -lehnte eine solche Konvention diesmal ab, mit der Begründung, daß die -technische und ökonomische Höchstleistung der Metallampe noch nicht -erreicht sei und eine Festlegung von Absatzkontingenten die freie -Entwickelung hemmen könnte. Einige Zeit später schritt die A. E. G. -sogar zu mehrmaligen beträchtlichen Herabsetzungen der Verkaufspreise -für die Metalldrahtlampen und zwar besonders für die größeren -Lampentypen, in denen sie damals leistungsfähigere Konstruktionen -besaß als in den kleinen Lampen. Ihre Absicht war es dabei offenbar, -die Verbraucher an die größeren Lampen zu gewöhnen, die sie ihnen zu -ungefähr denselben Preisen lieferte wie vorher die kleinen. Neben ihren -Fabrikationsinteressen mochten sie dabei auch die Interessen ihrer -Stromerzeugungswerke geleitet haben. Erst während des Krieges ist eine -lose Preiskonvention zwischen den größeren Metallfadenlampenfabriken -zustande gekommen. — Auch mit der Metalldrahtlampe war der -Höhepunkt der Entwickelung noch nicht erreicht. Es folgte die -<em class="gesperrt">Halbwattlampe</em>, bei der der Glühfaden nicht mehr im luftleeren, -sondern im gasgefüllten Raum eingespannt war. Zuerst wurde diese -Lampe nur für ganz große Formen hergestellt, in denen sie weniger -der Glühlampe, als der Bogenlampe Konkurrenz machte. In letzter -Zeit ist es aber auch gelungen, kleine Halbwattlampen herzustellen. -Die Ökonomie der elektrischen Lampe ist im Laufe der Entwickelung -seit Erfindung der Glühlampe außerordentlich verbessert worden. Die -Halbwattlampe verbraucht weniger als den zehnten Teil des Stromes, den -die Kohlenfadenlampe mit mehr als 5 Watt für die Normalkerze anfänglich -in Anspruch nahm.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span></p> - -<p>Auf dem Gebiete der <em class="gesperrt">Kraftübertragung</em> begann in den ersten -Jahren des neuen Jahrhunderts die vorher in mühseliger technischer -und propagandistischer Arbeit ausgestreute Saat ihre reichen Früchte -zu tragen, und zwar sowohl auf dem Gebiete der Einzelanlagen als -auch auf dem der Zentralen. Die Industrie ging in immer stärkerem -Umfange zur Benutzung des elektro-motorischen Antriebes über. Die -<em class="gesperrt">elektrische Fördermaschine</em> begann sich in den Bergwerken -einzubürgern. Die Dampfmaschine setzte sich zwar anfangs energisch -zur Wehr und ihre Techniker konstruierten eine Dampfförderanlage, -die die Vorzüge der elektrischen Förderung wettzumachen versuchte -und in wenigen Jahren Verbesserungen erreichte, wie sie vorher in -Jahrzehnten nicht hatten erzielt werden können. Hüben und drüben -wurde mit ökonomischen Tabellen in den industriellen Zeitschriften -für die Vorteile dieses oder jenes Systems gestritten. Es nützte der -Dampfförderanlage nicht viel. Der Kampf war scharf, aber nur kurz. -An Betriebssicherheit und Bequemlichkeit war die elektrische Anlage -namentlich für die Personenbeförderung der Dampfanlage überlegen. -Auch auf den <em class="gesperrt">Hochofen-</em> und <em class="gesperrt">Stahlwerksanlagen</em>, bei den -<em class="gesperrt">Reversierstraßen der Walzwerke</em> setzte sich die elektrische -Kraftübertragung rasch durch. Hier galt es einen Kampf mit dem Gasmotor -zu führen, der allerdings nicht so leicht gewonnen werden konnte, wie -der mit der Dampfförderanlage. Die Verwendung des Turbinenantriebes für -Dynamos brachte die Elektrizität auch auf diesem Gebiet in Vorteil, -zumal da es hierdurch möglich war, die Abfallgase mehr als bisher -nutzbar zu machen. Immerhin behauptete sich der Gasmotor für manche -Zwecke. Auch in anderen Industriezweigen, in der Braunkohlenindustrie, -in der Papierindustrie, in der Textilindustrie, die großer -Heißdampfmengen bedarf, drang die Kraftübertragung im Verein mit der -Turbine vor. „Die Zeit der Groß-Elektromotoren ist im Beginnen“ heißt -es im Geschäftsbericht der A. E. G. für 1903/04.</p> - -<p>Die Hochkonjunktur für <em class="gesperrt">Zentralstationen</em>, für die das letzte -Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts den Höhepunkt gebracht -hatte, war in den Jahren der Krisis und in der Folgezeit merklich -abgeflaut. Zwar wurden auch jetzt im Inlande, namentlich aber im -Auslande noch Zentralstationen errichtet, doch der Regiebetrieb -überwog den Unternehmer-Betrieb. Auch an Aufträgen für Ergän<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span>zungs- -und Ersatzlieferungen für alte Zentralen fehlte es nicht. Der -Geschäftszweig war aber im ganzen viel ruhiger geworden, und infolge -der scharfen Konkurrenzbedingungen nicht mehr so lohnend wie früher. -Schwung kam erst in ihn wieder hinein, als sich das Lokalwerk zur -<em class="gesperrt">Überlandzentrale</em> auswuchs, vermittelst des Hochspannungssystems -der Versorgungsradius der Kraftwerke sich ausdehnte und neben dem -städtischen Bedarf auch die Industrie und das platte Land in die -Versorgung von Zentralwerken einbezogen werden konnten. Erst jetzt — -wiederum begünstigt durch die Ausgestaltung des Turbodynamos — kam das -Drehstromsystem, das vorher etwas rohe und ökonomisch wie technisch -nicht ganz befriedigende Ergebnisse geliefert hatte, zu voller und -reifer Auswirkung. Aber die technische Leistungsfähigkeit war eher -erreicht als das Gleichgewicht der wirtschaftlichen Durchbildung. -Emil Rathenau warnte vor Überlandzentralen, die nur ländliche Bezirke -versorgten. Der ungleichmäßige, zeitweilig anschwellende, dann wieder -erheblich nachlassende Bedarf, die zu geringe Beanspruchung des Stroms -in den dünn besiedelten ländlichen Verbrauchsstätten machten die großen -Kosten des weit auseinandergezogenen Hochspannungsnetzes nicht bezahlt. -Erst der Anschluß von industriellen Verbrauchern, die Einbeziehung -lokaler Kraftwerke, die von den Überlandzentralen den Strom zu -niedrigeren als ihren eigenen Erzeugungskosten beziehen und ihn durch -ihre Anlagen umformen sowie verteilen konnten, ließen die Zentralen -rentabel arbeiten. An besonders geeigneten Stellen, im Kraftwerk an -der Oberspree, im oberschlesischen Industriebezirk schuf die A. E. G. -Musterbeispiele moderner und ökonomisch arbeitender Überlandzentralen. -Zu typischer Bedeutung gelangte das neue System erst in den Jahren -1907 bis 1909. Im englischen Kohlenrevier von Newcastle führte die -A. E. G. ein Kabelnetz von 130 km Länge mit 10000 bis teilweise -20000 Volt Spannung aus, im südafrikanischen Randminen-Gebiete -errichtete sie das gewaltige Elektrizitätswerk der <em class="gesperrt">Victoria -Falls und Transvaal Power Co.</em> mit Wasserkraftantrieb, das einen -beträchtlichen Teil der Goldminen Transvaals mit Energie versorgte, -während allerdings ein anderer Teil an seinen eigenen Kraftzentralen -festhielt. Als dieses Projekt in der Öffentlichkeit bekannt wurde, -warf man der unternehmenden Gesellschaft wie der bauausführenden -A. E. G. Phantasterei vor und hielt es technisch, besonders aber -wirtschaftlich für außerordentlich<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span> gewagt, eine oberirdische -Fernleitung 800 Kilometer weit von den Victoria-Fällen durch die Wüste -nach dem Rand zu legen. „Die deutsche Elektrizitätsindustrie ist an der -Ausführung des Planes durch ihr gewordene große Aufträge wesentlich -interessiert. Sie hat sich dadurch vielleicht ebenfalls etwas ins -Utopische hineinziehen lassen. Die Utopie ist aber eine Insel, die -schwer mit heilem Schiffe zu umsegeln ist,“ so hieß es in einer der -gelesensten Berliner Zeitungen. Nichtsdestoweniger gelang das kühne -Unternehmen. In Deutschland erstand durch die A. E. G. das <em class="gesperrt">Märkische -Elektrizitätswerk</em> bei Eberswalde, das eine Anzahl märkischer Kreise -versorgte und in neuester Zeit zu einem gemischt-wirtschaftlichen -Unternehmen unter Beteiligung der Provinz Brandenburg umgestaltet -wurde. Im westfälischen Bezirk wurde das <em class="gesperrt">Elektrizitätswerk -Westfalen</em> am Standorte der Kohle errichtet, im Saargebiet -gleichfalls ein großes Elektrizitätswerk unter denselben Bedingungen. -Zur Ausrüstung des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks, der -größten Montanzentrale Deutschlands, lieferte die A. E. G. Turbodynamos -von 21500 K. V. A. Ständig wurden diese Größenmaße überboten und im -Kriegsjahre 1915/16 erhielt dasselbe Werk von der A. E. G. Turbodynamos -von 60000 K. V. A. Auch in Braunkohlenrevieren entstanden große -Kraftwerke. Die Hochspannung wurde schließlich bis auf 100000 Volt und -mehr gesteigert. Über diese Werke, ihre rechtliche, wirtschaftliche -und technische Bedeutung soll in einem besonderen Kapitel gesprochen -werden. Hier seien sie nur als vorläufige Endpunkte einer mit der -Schaffung der Überlandzentralen eingeleiteten Entwickelung kurz erwähnt.</p> - -<p>Eine gleiche Entwickelung vom Kleinen zum Großen, vom Lokal- zum -Überland- und Fernbetrieb wie im Zentralenwesen vollzog sich auch -auf dem zweiten großen Ausdehnungsgebiete der Elektrizität, bei den -<em class="gesperrt">elektrischen Bahnen</em>. Allerdings kam hier die Entwickelung noch -schwerer in Fluß und der Ausbreitung stellten sich größere Widerstände -entgegen als dem Bau zentraler Kraftwerke. Insbesondere bekundeten die -Staatsbahnverwaltungen in der Frage der Elektrisierung der Vollbahnen -Zurückhaltung. Emil Rathenau schätzte die Widerstände anfänglich wohl -zu gering ein, seinem lediglich auf den Fortschritt eingestellten -Geist war die bureaukratische und fiskalische Bedächtigkeit, mit -der die Verwaltungsbehörden diese Dinge anfaßten oder vielmehr nach -Möglichkeit von<span class="pagenum"><a name="Seite_289" id="Seite_289">[S. 289]</a></span> sich fernhielten, unverständlich. Er hatte daher -nicht mit ihr gerechnet und das Problem der Vollbahnen für gelöst oder -doch für lösbar gehalten, nachdem die technische Seite und vielleicht -auch die ökonomische, wie sie für große privatwirtschaftliche -Betriebe sich dargestellt hätte, ihre grundsätzliche Klärung gefunden -hatten. Bereits um die Wende des 20. Jahrhunderts sprach Rathenau in -den Geschäftsberichten der A. E. G. viel davon, daß die Lösung des -elektrischen Vollbahnproblems zu den nächsten großen Aufgaben der -Zukunft gehöre. Er hatte aber dabei wohl nicht genügend berücksichtigt, -daß eine aktive Art der demonstrativen Propaganda, wie sie die -Elektrizitätsindustrie unter seiner Führung bei der Einführung der -früheren großen Unternehmungstypen entwickelt hatte, auf diesem Gebiete -unmöglich war. Für Eigenbetriebe war hier wenigstens in Deutschland -wegen des Eisenbahnmonopols kein Raum, in anderen Ländern verbot der -Umfang der notwendigen Kapitalinvestitionen große Unternehmergeschäfte -im Vollbahnbau.</p> - -<p>So entwickelte sich der Großbahnenbetrieb nur langsam, tastend und -versuchsweise. Die Staatsbahnverwaltung verlangte umfangreiche Vor- -und Probearbeiten. Auf der Militärbahnstrecke Berlin-Zossen wurde ein -elektrischer Versuchsbahnbetrieb eingerichtet, an dem neben der A. -E. G. auch Siemens & Halske sich beteiligten. Die zu diesem Behufe -bereits im Jahre 1902 gebildete Studiengesellschaft bekundete schnell -ihre elektrotechnische Leistungsfähigkeit, indes gestattete der -Oberbau der Strecke nur eine Schnelligkeit von 125 km in der Stunde. -Um größere Schnelligkeiten zu erreichen, war eine Verstärkung des -Oberbaus der Strecke erforderlich. Nachdem diese durchgeführt war, -gelangen mühelos Stundengeschwindigkeiten bis zu 200 km. Damit war -die Schnelligkeitshöchstgrenze, über die man vorerst praktisch nicht -hinausgehen wollte, erreicht und die Studiengesellschaft beendete -im Jahre 1905 vorläufig ihre Arbeiten, nachdem sie die technische -Seite des Problems hinlänglich klargestellt hatte. Das von der A. -E. G. und Siemens & Halske auf Grund der Erfahrungen ausgearbeitete -<em class="gesperrt">Projekt</em> einer <em class="gesperrt">elektrischen Schnellbahn Berlin-Hamburg</em>, -durch das die Elektrizitätsindustrie an einer Stelle der stärksten -Verkehrsakkumulation sozusagen in medias res springen wollte, erschien -der Regierung zu kühn. Es war dazu bestimmt, Schreibtischarbeit zu -bleiben. Dagegen entschloß sich die preußische Eisenbahnverwaltung in -schrittweisem<span class="pagenum"><a name="Seite_290" id="Seite_290">[S. 290]</a></span> Vorgehen zu einem zweiten Stadium der Versuchsarbeiten. -Es wurde — auch hier wieder ohne Überstürzung und Beschleunigung -— der Ausbau einer größeren für den praktischen Verkehr bestimmten -<em class="gesperrt">Vollbahnstrecke Magdeburg-Halle-Leipzig</em> begonnen und zunächst -der Streckenteil Dessau-Bitterfeld in Angriff genommen. An dieser -Strecke sollte die betriebliche und wirtschaftliche Seite der -elektrischen Fernbahn studiert werden. Gemäß dem Grundsatz, daß bei -der Ausprobierung des Problems möglichst vielseitige Konstruktionen -und Erfahrungen gesammelt und aus ihrem Zusammenarbeiten die beste -praktische Lösung gefunden werden sollte, wurden verschiedene -Elektrizitätsfirmen zur Beteiligung aufgefordert, neben der A. E. G. -auch Siemens & Halske, die Bergmann Elektrizitätswerke und andere -leistungsfähige Unternehmungen. Noch eine weitere — kleinere — -Strecke Lauban-Königszelt, die nicht ausschließlich durch Flachland -führte, sondern größere Steigungen zu überwinden hatte, wurde in -Angriff genommen.</p> - -<p>Schon vorher hatte die A. E. G. sich auf eigene Faust mit dem -Schnellbahnsystem in seinen verschiedensten Formen, wenn auch -in kleineren Ausmaßen beschäftigt. Dabei hatte sie sich auf -das Einphasen-Wechselstromsystem gestützt, das die „Union“ ihr -aus dem amerikanischen Patentkreis in die Fusion eingebracht -hatte. Zunächst wurde es bei der Elektrisierung der Anhalter -Vorortbahnstrecke Berlin-Groß-Lichterfelde-Ost, dann auf der Strecke -Spindlersfeld-Johannisthal, beidemal im Auftrage der Preußischen -Staatsbahnverwaltung, ausprobiert und bewährte sich schon in der -ersten Anlage. Auch der Stadt- und Vorortverkehr von Hamburg-Altona -wurde nach demselben System teilweise in den elektrischen Betrieb -überführt, daneben wurden mehrere Gebirgsstrecken, so die Linie -Berchtesgaden-Salzburg, die Stubaitalbahn erbaut. Auch im Auslande -konnte die A. E. G. ihr Einphasen-Wechselstromsystem zur Anwendung -bringen, auf einer schwedischen Linie und auf der Strecke Padua-Fusina. -Die London Brighton und South East Bahn (Victoria Station) bezog ihre -elektrische Ausrüstung ebenfalls von der A. E. G. Um die elektrische -Städtebahn Köln-Düsseldorf mußte ein langwieriger Konzessionsstreit -geführt werden. Um das Bild der Betätigung der A. E. G. auf dem Gebiete -der elektrischen Vollbahnen vollständig zu machen, soll noch auf die -<em class="gesperrt">Hamburger Hochbahn</em> hingewiesen werden, die von der A. E. G. -gemeinsam mit Siemens<span class="pagenum"><a name="Seite_291" id="Seite_291">[S. 291]</a></span> & Halske erbaut wurde, ferner auf die <em class="gesperrt">A. E. -G. Schnellbahn-Gesellschaft</em>, ein die Stadt Berlin in der Richtung -Gesundbrunnen-Neukölln durchquerendes Untergrundbahn-Unternehmen, das -in eigener Regie von der A. E. G. gebaut wird. Das Projekt wurde im -Jahre 1907 den Behörden unterbreitet, die Fertigstellung des Baus, -bei dem schwierige Wasseruntertunnelungen nach neuartigen Systemen -unternommen wurden, ist in einigen Jahren zu erwarten. Das Kapital -dieses Unternehmens, das ganz allein von der A. E. G. finanziert wird, -beträgt 42500000 M.</p> - -<p>Im Zusammenhang mit den Bestrebungen auf dem Gebiet des Fernbahnenbaus -wurde die <em class="gesperrt">Lokomotivfabrikation</em> aufgenommen, die sich bald -zu einem umfangreichen Geschäftszweig entwickelte. Bereits im -Jahre 1909/10 waren tausend Lokomotiven von den Fabriken der -Gesellschaft geliefert. Ergänzt wurden die Fabrikationen auf dem -Gebiet der motorischen Beförderungsmittel durch die Aufnahme -des <em class="gesperrt">Automobilbaus</em>. Zu diesem Zwecke wurde in den ersten -Jahren des neuen Jahrhunderts die Automobilfirma Kühlstein in -Charlottenburg übernommen und eine eigene Fabrik neben dem Kabelwerk -Oberspree errichtet, die sowohl Benzin-Automobile wie Elektromobile -herstellte. Gerade auf diesem Gebiet blieben der Gesellschaft aber -Anfangsschwierigkeiten und Kinderkrankheiten nicht erspart. Die -schwere Automobil-Krise der Jahre 1907/08 traf auch ihre Fabriken, -und die Neue Automobil-Gesellschaft, die den Vertrieb der A. E. -G.-Automobile besorgte, mußte erst einer durchgreifenden Reorganisation -unterworfen werden, ehe aus dem von ihr bearbeiteten Geschäftszweige -ein rentables Unternehmen werden konnte. Bei der Automobilindustrie -sind die Erfahrungen der Krisenjahre auf ganz besonders fruchtbaren -Boden gefallen, sie hat die Unsicherheitsfaktoren, die gerade -in ihrer Fabrikation liegen, ebenso wie die ungewöhnlich großen -Reklameaufwendungen richtig einschätzen gelernt, und ist seither eine -der bestfundierten und reichsten Industrien Deutschlands geworden.</p> - -<p>Die gewaltig steigenden Leistungen und Ausmaße der elektrischen -Großkraftwerke auf allen Gebieten wären nicht möglich gewesen ohne -die schnelle und glückliche Entwickelung der <em class="gesperrt">Turbinen</em> und der -Turbodynamos. Emil Rathenau hatte sich in richtiger Voraussicht dieser -Entwickelung, mit dem sicheren Instinkt des geborenen Maschinenbauers, -dem neuen Gebiete frühzeitig zugewandt,<span class="pagenum"><a name="Seite_292" id="Seite_292">[S. 292]</a></span> und den Turbinenbau noch in -den Krisenjahren 1901 und 1902 als einen der neuen Geschäftszweige -aufgenommen, die dazu dienen sollten, die infolge der starken -Konkurrenz geschmälerten Gewinne der alten Produktionen zu ergänzen -und zu ersetzen. Er hatte sich nicht lange mit der eigensinnigen -Beschränkung auf die eigenen Turbinensysteme aufgehalten, sondern diese -nur als Kompensationsobjekte benutzt, um die besten damaligen Patente -in seinen Bereich zu ziehen und durch Verschmelzung mit seinen eigenen -einen möglichst vollkommenen Typ zu gewinnen. Er bekannte sich zu dem -Standpunkte, lieber eine vollkommene Maschine in einem vertraglich -beschränkten Absatzgebiet zu verkaufen, als für eine schlechtere -Maschine die ganze Welt freizuhaben. Diese Grundsätze kamen in den -Verträgen mit der General Electric und der Brown Boveri-Gesellschaft -zum Ausdruck. Die Turbine errang sich auf verschiedenen Gebieten -bald eine beherrschende Stellung. Große Kraftleistung, regelmäßiger -Gang, Geräuschlosigkeit und geringe Raumbeanspruchung zeichneten sie -vor den Kolbenmaschinen aus, ihre Größen- und Leistungsmaße erwiesen -sich schlechthin als unbegrenzt. Mit Leistungen von 3000 bis 6000 PS -begann die Turbine ihre Entwickelung, bis zu Leistungen von 60000 PS -ist sie zurzeit schon gelangt. Als die beiden Hauptanwendungsgebiete -hatten — das wurde bald klar — der Kraftantrieb bei Schiffen und die -Verbindung mit dynamoelektrischen Maschinen im sogenannten Turbodynamo -zu gelten. Schon im Jahre 1905 wurde der Hapag-Dampfer „Kaiser“ mit -2 Turbinen von je 6000 PS ausgerüstet, die vom ersten Tage an ohne -Störung liefen. Schnell griff die Kriegsmarine die neue Errungenschaft -auf, die damit erreichbare größere Schnelligkeit der Schiffe gab -für sie den Ausschlag. Zuerst wurden ein paar Torpedobootdivisionen -mit Turbinen ausgerüstet, dann der kleine Kreuzer „Mainz“. Die -gemachten Erfahrungen führten dahin, daß schließlich auch die -größten Schiffsneubauten der Marine Turbinenantrieb erhielten. Die -Handelsmarine entschloß sich etwas langsamer zur allgemeinen Einführung -der Turbinen. Hier war das Problem der Wirtschaftlichkeit, das für -die Kriegsmarine gegenüber der offenkundig größeren Schnelligkeit an -Bedeutung zurücktrat, erst zu lösen. Ferner wirkte zuerst der Umstand -störend, daß der Turbinenantrieb nur in <em class="gesperrt">einer</em> Laufrichtung -des Schiffes wirksam war. Für die Rückwärtsbewegung mußte eine -zweite Turbine oder ein zweiter Turbinensatz eingebaut werden. Die<span class="pagenum"><a name="Seite_293" id="Seite_293">[S. 293]</a></span> -Umschaltung der Turbinen gelang erst eine Reihe von Jahren später -durch Transformatoren (Föttinger Transformator). Nachdem die englische -Cunard-Linie ihre beiden Rekordbrecher-Schiffe „Lusitania“ und -„Mauretania“ unter Subvention der englischen Regierung gebaut und -mit Turbinenantrieb versehen hatte, verschloß sich auch der deutsche -Handelschiffsbau bei seinen Großschiffen der Turbine nicht länger. Die -Hamburg-Amerika-Linie versah ihre gewaltigen Bauten der Imperatorklasse -mit Turbinen, der Norddeutsche Lloyd verhielt sich zunächst allerdings -noch abwartend. — Im Kraftantrieb wie im Schiffsbau hat allerdings -der Dieselmotor in den letzten Jahren sich einen Platz neben der -Turbine zu erringen verstanden, doch bewährte sich jener bislang nur -für kleinere Schiffseinheiten und für Privatzentralen, nicht so sehr -für Großkraftwerke und es ist ein Fall bekannt geworden, in dem eine -neue große Kraftzentrale die zuerst von ihr eingebauten Dieselmotoren -wieder stillgelegt und dafür Turbinen verwendet hat. Die A. E. G. hat -denn auch nur Dieselmotoren kleineren Typs in ihr Fabrikationsprogramm -aufgenommen.</p> - -<p>Der große Erfolg der Turbine führte naturgemäß bald dahin, auch -dieses Produktionsgebiet starker Konkurrenz auszusetzen, und zwar -umsomehr, als es von zwei verschiedenen Industriegruppen aus zu -erreichen und zu erobern war: von der <em class="gesperrt">Elektrizitätsindustrie</em> -und von der <em class="gesperrt">Maschinenindustrie</em> aus. Fast alle namhaften -Elektrizitätswerke und Maschinenfabriken bemächtigten sich der Turbine -und konnten, nachdem die Technik des Turbinenbaus die grundsätzlichen -Schwierigkeiten überwunden hatte und zu einer typischen Fabrikation -geworden war, unschwer brauchbare Konstruktionen herstellen: das -übliche Schicksal neuer Produktionszweige, in denen sich technische -Vorsprünge bei der systematischen Durchbildung und dem öffentlichen -Charakter der modernen Technik nicht lange aufrecht erhalten -lassen. Die Turbinenfabrikation wurde infolgedessen bald aus einem -privilegierten und einträglichen Geschäft zu einem landläufigen -und scharf umstrittenen. Überproduktion und Preisdruck waren die -Folge dieser Entwickelung, die sich höchstens durch eine allgemeine -Syndizierung, nicht durch Einzelverträge hätte beseitigen oder mildern -lassen. Ein allgemeines Syndikat kam bei der Verschiedenartigkeit der -Fabrikate und der Fabrikanten indes nicht zustande, die Sonderverträge -aus früherer Zeit<span class="pagenum"><a name="Seite_294" id="Seite_294">[S. 294]</a></span> hatten aber ihre Bedeutung verloren. Infolgedessen -löste die A. E. G. nach einiger Zeit auch ihr Turbinenabkommen mit der -Gesellschaft Brown Boveri & Cie. in Baden (Schweiz) und brachte den von -ihr früher erworbenen Besitz an Aktien dieser Gesellschaft wieder zur -Abstoßung.</p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>Die Krisis von 1907/08 hatte den starken und gefestigten Unternehmungen -der deutschen Elektrizitätsindustrie nicht viel anzuhaben vermocht. -Die A. E. G. hatte ihre Dividende von 12% unverkürzt aufrecht -erhalten können, und das Jahr 1908/09, das in der allgemeinen -Konjunktur bereits Ansätze zu einer Wiederbelebung aufwies, brachte -den Aktionären sogar eine vorsichtige Erhöhung auf 13%. Die großen -Arbeiten und schwebenden Probleme der A. E. G. waren während der -kritischen Zeit nicht unterbrochen, kaum verlangsamt worden. Von -einer Cäsur wie in 1901/02 war hier nichts zu spüren gewesen. Der -Umfang des Geschäftes, namentlich für Großmaschinen, und die Preise -hatten sich besonders gegen das Ende der Krisis wohl etwas gesenkt, -es setzten auch zeitweilig der Auftrieb und der jährliche Zuwachs -aus, auf die ein blühendes Unternehmen wie jeder lebendige Organismus -vielleicht vorübergehend, aber nicht dauernd verzichten kann, wenn -statt des Aufbaus nicht ein Abbau der Kräfte eintreten soll. — Im -Geschäftsbericht für 1907/09 wird mit knappen Strichen das Bild der -schwindenden Krisis gezeichnet:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die Krisis, die Handel und Gewerbe während der jüngsten Jahre -niederhielt, hatte ihren Ursprung in Amerika. Wie in mehreren früheren -Fällen, ist indes auch die Besserung des Wirtschaftslebens von dort -ausgegangen. Ihre Ausdehnung auf die heimische Konjunktur wurde -zunächst durch politische Besorgnisse und durch die Unsicherheit über -die deutsche Finanzreform verzögert. Erst in den letzten Monaten zeigen -sich erfreulicherweise auch in Deutschland wieder vertrauenerweckende -Ansätze zu einer Hebung der gewerblichen Tätigkeit. Wenngleich nun die -deutsche Elektrizitätsindustrie sich gegenüber der jüngsten Krisis -verhältnismäßig widerstandsfähig erwiesen hatte, so begrüßt sie doch -das Wiedererwachen des Unternehmungsgeistes mit lebhafter Befriedigung -und knüpft daran die zuversichtliche Erwartung auf kräftige Anregungen -und lohnende Beschäftigung.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_295" id="Seite_295">[S. 295]</a></span></p> - -<p>War eine der Ursachen der Krisis die Geldklemme gewesen, so wurde durch -deren Beseitigung die Erholung eingeleitet. Die A. E. G. war auch -während der kritischen Periode des Geldmarktes mit verfügbaren Mitteln -überaus reichlich versorgt. Die Geldflüssigkeit, die in vielen Fällen -als Folge darniederliegender Gewerbstätigkeit anzusehen ist, erklärte -sich, soweit unsere Gesellschaft in Betracht kommt, größtenteils aus -den niedrigen Preisen der Metalle, wie der sonstigen Rohstoffe und -damit unserer Lagerbestände. Bei Lieferungen und Bauausführungen hat -sich diese Liquidität schon als nutzbringend erwiesen.</p> - -<p>Die Gefahr einer Elektrizitätssteuer ist glücklich abgewendet worden, -nur Beleuchtungsmittel werden seit dem 1. Oktober d. J. besteuert. Für -die Verbraucher elektrischer Beleuchtungsmittel wird diese Belastung -insofern weniger empfindlich, als Leuchtkörper für das Gas ebenfalls -von der Steuer betroffen werden, und die elektrischen Lichtquellen -neuerdings so gebessert sind, daß sie trotz der Steuer beträchtliche -Ersparnisse gegen früher ermöglichen.“</p> - -</div> - -<p>Nicht so glimpflich war die neue Krisis an den wenigen gemischten -Fabriken vorübergegangen, die sich abseits von dem Dualismus der beiden -führenden Großkonzerne noch bis dahin eine volle Selbständigkeit -gewahrt hatten. Die Kräfte, die sie nach den Blutverlusten der Krise -von 1901–1903 in den folgenden Jahren des Aufschwungs langsam wieder -angesammelt hatten, waren ihnen durch den bald von frischem entbrannten -Wettbewerb und die Angriffe der neuen Krisenzeit wieder verloren -gegangen. Viel Hoffnung, es den führenden Gruppen noch gleichtun, -diese an Leistungsfähigkeit und Finanzkraft erreichen zu können, -besaßen sie nicht mehr. Immer breiter dehnte sich das Wurzelreich der -„Großen“ unter der Erde, das Geäst ihrer üppigen Baumkronen über der -Erde aus, immer stärker sog es die Kräfte des Bodens in sich hinein, -nahm Licht und Luft für sich in Anspruch. Die größten Kapitalmächte -des Landes waren ihnen dienstbar geworden, speisten ihren Geldhunger, -konnten und wollten anderen Wettbewerbern nicht die riesigen Mittel -zuführen, die zur Behauptung neben den führenden Gruppen, oder -gar zur Überwindung jener Konzerne notwendig gewesen wären. Und -neue Geldmächte, die vielleicht ein Interesse an der Stärkung und -Stützung mittlerer Unternehmungen gehabt hätten, konnten sich auf dem -aufgeteilten und größtenteils kultivierten Kapitalboden Deutschlands<span class="pagenum"><a name="Seite_296" id="Seite_296">[S. 296]</a></span> -nicht mehr bilden. Denn ebenso wie in der Elektrizitätsindustrie lagen -die Wettbewerbsverhältnisse auch im Bankgewerbe. Auch hier war die -Welt vergeben, Machtverschiebung nicht mehr durch Neubildung, sondern -nur noch durch Konzentration und Fusion möglich. So nahte denn für -die Elektrizitätsindustrie die <em class="gesperrt">zweite Fusionsära</em>, auch diese -wieder nach einer Krisis, die die Schwachen geschwächt und die Starken -gestärkt hatte.</p> - -<p>Zuerst wurde der Konzern <em class="gesperrt">Felten Guilleaume Lahmeyer</em> fusionsreif. -Die Felten Guilleaume Lahmeyerwerke in Mülheim und Frankfurt waren -1905 durch Zusammenschluß der Felten Guilleaume Carlswerk-Akt.-Ges. -mit der Fabrikationsabteilung der Elektrizitäts-Akt.-Ges. vorm. W. -Lahmeyer & Co. entstanden. Der Zusammenschluß war die Frucht jener -ersten Konzentrationsperiode in der Elektrizitätsindustrie gewesen und -die beiden stattlichen Provinzunternehmungen hatten versucht, sich -nach demselben Prinzip, nach dem die beiden großen Berliner Gruppen -vorgegangen waren, gegenseitig zu stützen und zu ergänzen. Der Versuch -mißlang, trotzdem das Mülheimer Carlswerk als ein altes, wohlsituiertes -und tragfähiges Unternehmen recht wohl den Kern hätte bilden können, -um den sich eine starke und leistungsfähige Elektrizitätsgesellschaft -gemischter Art kristallisieren konnte. Das Carlswerk war hervorgegangen -aus der schon im Jahre 1826 gegründeten offenen Handelsgesellschaft -Felten & Guilleaume, seine Ursprünge reichten also sogar weiter -zurück als die der Siemens & Halske-Ges. und gar der A. E. G. Das -Unternehmen war aber erst viel später der Elektrizitätsindustrie -nähergetreten und befaßte sich auch dann noch als Spezialfabrik fast -ausschließlich mit der Erzeugung von Draht, Kabeln und metallurgischen -Fabrikaten für die Zwecke der angewandten Elektrizität. So standen -die Dinge noch, als die offene Handelsgesellschaft nebst ihrer -Filiale in Nürnberg Ende 1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt -wurde. Damals war allerdings bei den Inhabern des Werkes — und -darin lag einer der Hauptzwecke der Aktiengründung — bereits der -Gedanke entstanden, der Zeitrichtung folgend, das Unternehmen zu -einem elektrischen Universalbetrieb auszubauen. Unter den Zwecken -der Aktiengesellschaft war auch die „Erlangung von Konzessionen -zur gewerblichen Ausnutzung der Elektrizität und deren Ausbeutung -im eigenen Betriebe oder mittels sonstiger Verwertung“ in<span class="pagenum"><a name="Seite_297" id="Seite_297">[S. 297]</a></span> den -Gesellschaftsvertrag aufgenommen. Es war vielleicht kein Schaden -für die Gesellschaft, daß die nahende Krisis eine umfangreichere -Betätigung der Gesellschaft auf neuen Gebieten, insbesondere im -Unternehmergeschäft, zunächst verhinderte. Erst nach Überwindung der -Krise tauchten die Ausdehnungspläne von neuem auf, und erhielten -durch die Konzentrationsbeispiele bei der Konkurrenz einen stärkeren -Nachdruck. Auch der Weg war vorgeschrieben. Er lag nicht in der -Errichtung eigener Fabriken mit neuen Geschäftszweigen, insbesondere -auf dem Gebiete der Maschinen- und Lampenherstellung, die eine zu lange -Anlaufszeit bis zur Produktionsreife gefordert und die Gesellschaft -gezwungen hätten, eine Menge von Betriebserfahrungen, neuen Techniken -aus dem Nichts zu schaffen und bis zur Wettbewerbsfähigkeit mit einer -hochentwickelten Konkurrenz zu vervollkommnen. Der Weg der Angliederung -schien schnelleren und leichteren Erfolg zu versprechen. Zeitweilig -hatte man sich mit dem naheliegenden Gedanken getragen, mit der -Kölner Helios-Gesellschaft, dem größten rheinischen Unternehmen auf -dem Gebiete der Licht- und Kraftelektrizität, zusammenzugehen, aber -ehe derartige Pläne sich verwirklichen konnten, kam der Zusammenbruch -des „Helios“, aus dem es, wie sich bald zeigte, auch mit Hilfe eines -stärkeren Werkes, keine Rettung mehr gab. So blieb eigentlich nur -Lahmeyer in Frankfurt übrig. In der Theorie ergänzten sich beide -Werke recht gut, vielleicht sogar besser als die Kontrahenten bei -den bisherigen Fusionen in der Elektrizitätsindustrie. Während -bei Siemens-Schuckert, bei der A. E. G. und der Union sich Werke -miteinander vereinigt hatten, die vielfach dieselben Erzeugnisse -herstellten und gleichartige Geschäftszweige betrieben, deckten sich -die Produktionen des Carlswerkes und der Lahmeyer-Gesellschaft nur zum -kleinen Teile. Dem „gemischten Starkstromwerk“ Lahmeyer fehlte die -Kabel- und Drahtindustrie vollständig, in der Schwachstrom-Technik, -die Felten und Guilleaume seit langem ganz besonders gründlich -ausgebildet und noch vor kurzem durch die Aufnahme des Baues von -Telephon- und Telegraphen-Apparaten ergänzt hatten, war Lahmeyer -nur ganz geringfügig tätig gewesen. Seine Hauptbedeutung lag in der -Fabrikation von elektrischen Maschinen, Motoren und Apparaten (in -denen im Jahre 1904/05 die Ablieferung 4783 Stück mit 164000 PS, gegen -25829 Stück mit 667773 PS bei der A. E. G. betragen hatte) und in -dem Bau von elektrischen Anlagen für eigene oder<span class="pagenum"><a name="Seite_298" id="Seite_298">[S. 298]</a></span> fremde Rechnung. -Ebenso wie Felten und Guilleaume eine Ergänzung ihres Betriebes durch -den Maschinenbau und das Anlagengeschäft schon seit längerer Zeit -anstrebten, hatte sich Lahmeyer bereits verschiedentlich mit der -Frage der Errichtung und des Erwerbs eines Kabelwerks beschäftigt. -Gut angelegt, litt und scheiterte der Plan des Zusammenschlusses an -der schlechten Durchführung. Was bei Siemens-Schuckert wenigstens -betrieblich, wenn auch nicht in gleicher Weise finanzpolitisch, was -bei der A. E. G.-Union in beiden Richtungen restlos gelungen war, -die <em class="gesperrt">organische</em> Verschmelzung und Vereinheitlichung, zwischen -Mülheim und Frankfurt kam sie nicht zustande. Gerade die „in die Augen -springenden Vorteile der Transaktion“, von denen der Geschäftsbericht -der Lahmeyer-Werke sprach, die Gunst der organisatorischen und -geschäftlichen Vorbedingungen, verleiteten offenbar zu einer zu -leichten Behandlung der Organisationsfrage. Da sich beide Betriebe -gut zu ergänzen schienen, glaubte man, die Zusammenarbeit und der -Zusammenschluß würden sich von selbst einstellen, brauchten nicht erst -durch sorgfältige Organisations- und Abtönungskunst herbeigeführt -zu werden. Die Folge war, daß beide Betriebe, in der Verwaltung -selbständig gelassen, nebeneinander und zu wenig miteinander arbeiteten.</p> - -<p>Die Selbständigkeit entwickelte sich mit der Zeit zu stark, das -Selbständigkeitsgefühl der örtlichen Direktionen verschärfte sich -allmählich zur Eifersucht, und die lokale Trennung, die zuerst -nur passive Hemmungen verursacht hatte, führte schließlich zu -lokalpatriotischen Absonderungen und Störungen. So kam es, daß am -Ende aus dem „Nebeneinander“, das nicht gleich von Anfang an zu einem -„Miteinander“ geworden war, in vielen Dingen ein „Gegeneinander“ -wurde. Beide Teile verfolgten zum mindesten im Kleinen, im -Betriebsdetail, eine eigene Geschäftspolitik, wenn es dem Aufsichtsrat -auch im allgemeinen gelingen mochte, die Gegensätze in der großen -Geschäftspolitik immer wieder auszugleichen oder wenigstens nicht -zum offenen Ausbruch kommen zu lassen. Eine solche Zwiespältigkeit -der Richtung, die das Gesamtunternehmen naturgemäß außerordentlich -schädigen, den Nutzen der Sammlung beeinträchtigen und die Kraft des -Auftriebs dämpfen mußte, hatte Emil Rathenau bei seinen Fusionen immer -klug zu verhindern gewußt und zwar gleich in den ersten Keimen. Auch er -nahm wohl geeignete Direktoren und Aufsichtsräte aus den angegliederten -Unternehmungen mit zu sich<span class="pagenum"><a name="Seite_299" id="Seite_299">[S. 299]</a></span> hinüber, aber sie durften keine -Nebenregierungen bilden, mußten sich anpassen und wurden, wenn sie dies -nicht konnten oder wollten, bald wieder ausgeschifft. Selbständige -Arbeit duldete auch er und wünschte sie sogar, aber sie mußte sich -streng sachlich äußern, sich dem Willensgesetze seiner Persönlichkeit -und dem Entwickelungsgesetze der A. E. G. unterordnen, dem er selbst -trotz aller scheinbaren Autokratie gehorchte. An Ungerechtigkeiten, -ja an Gewalttätigkeiten und sonstigen Zusammenstößen auf persönlichem -Gebiete hat es auch in seinem System nicht gefehlt, aber Rathenau hielt -es immer noch für besser, einmal einer einzelnen Persönlichkeit unrecht -zu tun, als die Ordnung des Gesamtunternehmens zu gefährden, dessen -streng zentralistische Leitung nicht angetastet werden durfte.</p> - -<p>Für die Konzentration Felten Guilleaume-Lahmeyer war es abgesehen -von der dualistischen Organisation nachteilig, daß die Frankfurter -Abteilung sozusagen unkonsolidiert in die Fusion hineingenommen worden -war. Die Union wie die Schuckertwerke waren bei ihrem Übergang auf -die Hauptwerke einer gründlichen Bilanzreinigung unterzogen worden, -ihre zu hohen Buchwerte waren auf einen Stand abgeschrieben worden, -der den Bilanzmaßstäben der aufnehmenden, durch und durch gesunden -Unternehmungen entsprach. Auch die Verfassung der Lahmeyerwerke hätte -einen derartigen Umwertungsprozeß erforderlich gemacht. Statt dessen -wurden die Buchwerte unverändert übernommen, da eine innere Sanierung -dem streng paritätischen Charakter dieser doch von „zwei gleichwertigen -und ebenbürtigen Gesellschaften“ beschlossenen Fusion nicht entsprochen -hätte. So krankte das Gesamtwerk weiter an der Krankheit des einen -der beiden Beteiligten, und die Gefahr lag nahe, daß auch das gesunde -Unternehmen schließlich angesteckt werden würde. Dieser in der -Gesamtanlage der Vereinigung anfänglich begangene Fehler mußte in der -weiteren Entwickelung umso nachteiliger hervortreten, als es nicht das -gesunde, tragfähige Kabelwerk, sondern das schwache Dynamowerk war, bei -dem sich die Hauptexpansion der folgenden Jahre abzuspielen hatte, bei -dem der Hauptwettbewerb mit der überlegenen Konkurrenz auszufechten und -auszuhalten war. Das Kabelwerk war in sich geschlossen und nur noch in -den unteren Stufen der Selbstbedarfsdeckung, also im Montanbetriebe, -auszubauen. Bei ihm war der Wettbewerb nicht — wie im Maschinen-, -Turbinen- und Lampenfach oder im Unternehmergeschäft des Frank<span class="pagenum"><a name="Seite_300" id="Seite_300">[S. 300]</a></span>furter -Werks — ungeregelt, sondern durch das Kabelkartell vor ruinösem -Preiskampf gesichert. Somit traf es sich unglücklich, daß gerade der -schlecht organisierte, schlecht fundierte und mangelhaft geleitete -Teil des zersplitterten Unternehmens den ungünstigen Zeitverhältnissen -besonders stark ausgesetzt war.</p> - -<p>In den ersten beiden Jahren nach der Fusion, 1905 und 1906, war, — -wohl auf Grund einer unbekümmerten, mit Zukunftshoffnungen rechnenden -Bilanzpolitik — der Versuch einer aufsteigenden Rentenentwickelung -gemacht und es waren Dividenden von 10 und 11% ausgeschüttet worden, -aber schon im Jahre 1907, das doch eigentlich ein Hochkonjunkturjahr -war, mußte die Gesellschaft auf 10% heruntergehen, dann ging es weiter -abwärts auf 8%, 6 und 4%. — In Frankfurt, namentlich aber auch in -Mülheim mußte man sich jetzt sagen, daß die Dinge so nicht weitergehen -konnten, sollten die guten Gewinne der Mülheimer Abteilung nicht durch -die Zuschüsse, die das Dynamowerk in den letzten Jahren gefordert -hatte, vollends aufgezehrt werden. Aussicht auf Besserung war nirgends -zu sehen, sofern das Dynamowerk weiter seine Selbständigkeit behaupten -wollte. So entschloß man sich zu Verhandlungen mit der A. E. G., die -von Dr. Walther Rathenau über die grundsätzlichen Punkte hinweg geführt -wurden, ehe der Vorstand der A. E. G. sich mit ihnen beschäftigte. -Der <em class="gesperrt">Abschluß</em> erfolgte in <em class="gesperrt">zwei Etappen</em>. Zunächst wurde -die Elektrizitäts-Gesellschaft vormals Lahmeyer in Frankfurt a. M., -die bei der Fusion des Dynamowerks mit Felten Guilleaume bestehen -geblieben war und das Beteiligungsgeschäft selbständig weitergeführt -hatte, mit der Bank für elektrische Unternehmungen in Zürich, der -Finanzgesellschaft der A. E. G., in Verbindung gebracht. Auch die -Elektrizitäts-Gesellschaft Lahmeyer, die für ihre an die Felten -Guilleaume-Lahmeyerwerke im Jahre 1905 abgetretenen Fabrikanlagen 15 -Millionen Mark Aktien der letzteren Gesellschaft erhalten und ins -Portefeuille genommen hatte, war durch den Dividendenrückgang des -Fabrikations-Unternehmens, der für ihren Haupteffektenposten eine -bedeutende Mindereinnahme mit sich brachte, in Mitleidenschaft gezogen -worden und hatte ihre eigene Dividende von 7 auf 4% ermäßigen müssen. -Als nunmehr von ihrem 25 Millionen Mark betragenden Aktienkapital -21720000 Mark auf die Züricher Elektrobank übergingen, wurden auf -je 4000 Mark Lahmeyer-Aktien<span class="pagenum"><a name="Seite_301" id="Seite_301">[S. 301]</a></span> 3000 Frcs. neue Elektrobank-Aktien -gegeben, so daß 16290000 Frcs. dieser Elektrobank-Aktien für die -Durchführung des den Lahmeyer-Aktionären anheimgegebenen Umtausches -erforderlich waren. Mit dieser ersten Transaktion aus der Gruppe -der A. E. G.-Lahmeyer-Geschäfte, die sich lediglich zwischen den -beiderseitigen Finanzgesellschaften abspielte, war aber doch schon eine -Brücke auch zwischen den Fabrikationsunternehmungen geschlagen. Denn -die 14 Millionen Mark Aktien der Felten & Guilleaume Lahmeyerwerke -(1 Million Mark war vorher abgestoßen worden), die sich im Besitze -der Elektrizitäts-Ges. Lahmeyer befunden hatten, waren damit nebst -2 weiteren Millionen Mark aus Konzernbesitz in den Machtbereich der -A. E. G. gelangt. Ein so kleiner Aktienbesitz erschien aber für die -Ausübung der Macht seitens der A. E. G. nicht ausreichend. Auf ihr -fußend konnte Rathenau eine Neuordnung der Verhältnisse bei dem Felten -Guilleaume-Lahmeyer-Konzern noch nicht durchführen. Der <em class="gesperrt">ersten -Transaktion</em>, die Ende August 1910 vor sich ging, folgte Mitte -Oktober nach weiteren eingehenden Verhandlungen die <em class="gesperrt">zweite</em> -entscheidende. Sie war von dem Gelingen des Aktienaustausches zwischen -der Bank für elektrische Unternehmungen und der Elektrizitäts-Ges. -vormals Lahmeyer abhängig gemacht worden und führte zu folgenden -Anträgen an die Generalversammlung der A. E. G. vom 15. Oktober 1910:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„1. Das Grundkapital der Gesellschaft wird um 30 Millionen Mark auf -130 Millionen Mark erhöht durch Ausgabe von 30000 auf den Inhaber -lautenden Aktien über je 1000 Mark, die für das mit dem 30. Juni 1911 -abschließende Geschäftsjahr den halben Gewinnanteil erhalten und sonst -den übrigen Aktien gleichstehen.</p> - -<p>Von diesen Aktien werden:</p> - -<div class="grundkapital"> - -<p>a) 8777 Stück den Herren Geheimer Kommerzienrat Theodor von -Guilleaume und Kommerzienrat Max von Guilleaume zu Mülheim am Rhein -zum Nennwert überlassen gegen Hergabe von nominal 16 Millionen Mark -Aktien der Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke-Aktien-Gesellschaft zu -Mülheim am Rhein nebst Gewinnanteilscheinen vom 1. Januar 1910 ab;</p> - -<p>b) 11223 Stück werden der Felten & -Guilleaume-Lahmeyerwerke-Aktien-Gesellschaft zu Mülheim am -Rhein zum Nennwert überlassen gegen Einbringung der sämtlichen -10 Millionen Mark nominal Aktien einer neu zu gründenden -Aktiengesellschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_302" id="Seite_302">[S. 302]</a></span> unter der Firma A. E. G.-Lahmeyer-Werke -Aktiengesellschaft oder unter einer anderen Firma, zu Frankfurt a. -M., die die gesamte Abteilung Frankfurt (Dynamowerk) der Felten & -Guilleaume-Lahmeyerwerke Aktiengesellschaft zu Mülheim am Rhein, -mit allen zugehörigen Immobilien, Maschinen, Beständen, Vorräten -und Aufträgen, jedoch ohne Übernahme von Schuldverbindlichkeiten -und Außenständen, besitzen soll.</p> - -<p>c) 10000 Stück der Berliner Handels-Gesellschaft und der -Direktion der Diskonto-Gesellschaft zu Berlin gemeinschaftlich -zum Kurse von 200% und einem Spesenbauschbetrag von je 100 Mark -für jede Aktie ohne Stückzinsenberechnung überlassen und mit der -Verpflichtung, die sämtlichen übernommenen 10000 Stück-Aktien -alsbald nach Eintragung des Kapitalserhöhungsbeschlusses in das -Handelsregister den Besitzern der 100 Millionen Mark alter Aktien -unter Offenhaltung einer mindestens zweiwöchentlichen Frist zum -Kurse von 200% und einem Spesenbauschbetrag von 100 Mark für jede -Aktie zum Bezuge derart anzubieten, daß auf je 10000 Mark Nennwert -alter Aktien eine neue Aktie bezogen werden kann.</p> - -</div> - -<p>Die Ausgabe dieser 10000 Stück Aktien erfolgt zur Verstärkung der -Betriebsmittel.“</p></div> - -<p>Den Anträgen wurde folgende Begründung gegeben:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Als die Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke Akt.-Ges. für das Jahr -1909 nur 6% Dividende verteilte, weil der in den letzten Jahren -bei ihrem Dynamowerk in Frankfurt a. M. eingetretene Rückgang die -früheren guten Dividenden der Felten & Guilleaume-Gesellschaft -beeinträchtigte, wurden Verhandlungen wegen Abstoßung des Frankfurter -Werkes veranlaßt. Diese haben zu einer Verständigung mit der A. E. G. -geführt, nach der die Felten & Guilleaume-Gesellschaft das Dynamowerk -an die A. E. G. gegen Hergabe von neuen A. E. G.-Aktien abstößt. Das -Werk wird der A. E. G. in Form einer mit einem Aktienkapital von 10 -Millionen Mark und mit Reserven von 3 Millionen Mark ausgestatteten -Aktiengesellschaft übergeben; diese neue Gesellschaft übernimmt die -Fabriken und Anlagen des Dynamowerks nebst Inventar und Vorräten, -jedoch ausschließlich Debitoren und Kreditoren. Das Werk geht -hiermit auf ein Unternehmen über,<span class="pagenum"><a name="Seite_303" id="Seite_303">[S. 303]</a></span> das die Kraft und Mittel zu -dessen vorteilhafter Ausgestaltung besitzt. Zugleich wird die A. -E. G. infolge der bei der Überlassung ihrer Aktien festgesetzten -Relation das Frankfurter Werk zu niedrigem Buchwert in ihre Bilanz -einstellen können. Für die Felten & Guilleaume-Gesellschaft ergibt -sich der nicht zu unterschätzende Vorteil, daß sie die von ihr für -das Frankfurter Werk bisher verwendeten erheblichen Kapitalien in -Zukunft nutzbringend in ihren Stammwerken anlegen wird. Hiermit bessert -sie ihre bisherige Situation wesentlich, indem sie an Stelle von -Verlusten aus dem Dynamowerk Gewinne aus den frei gewordenen Mitteln -ziehen kann. Zu der Übernahme des Dynamowerks hat sich die A. E. G. -indes nur unter der Voraussetzung entschlossen, daß ihr gleichzeitig -ein ausreichender Betrag Aktien der Felten & Guilleaume-Gesellschaft -zu günstigen Bedingungen überlassen wurde. Indem weit ausschauende -Großaktionäre der Felten & Guilleaume-Gesellschaft 16 Millionen M. -Aktien an die A. E. G. abtreten, erlangt diese in Gemeinschaft mit der -<em class="gesperrt">befreundeten Elektrobank in Zürich 32 Millionen Mark Aktien von -den im ganzen 55 Millionen betragenden Felten & Guilleaume-Aktien und -hiermit entscheidenden Einfluß</em> auf die in hohem Ansehen stehende -Gesellschaft, aus deren Firma der Name Lahmeyer in Zukunft ausscheidet. -Zudem erwachsen der A. E. G. Vorteile daraus, daß sie mit der Übernahme -des Frankfurter Dynamowerks eine lästige Konkurrenz beseitigt, mit -dem Dynamowerk materielle und ideelle Werte zu günstigen Bedingungen -erwirbt, einen <em class="gesperrt">neuen Stützpunkt in Süddeutschland</em> erlangt und -durch innige Verbindung ihres Kabelwerks mit dem alten Mülheimer -Carlswerk auch auf dem <em class="gesperrt">Gebiet des Seekabelwesens</em> die Führung -übernimmt. Indem die A. E. G. in dieser Weise ihre Stellung von neuem -um ein erhebliches stärkt, wird dieser Zusammenschluß auch der von dem -Dynamowerk befreiten Felten & Guilleaume-Gesellschaft die Bahn zu neuer -erfolgreicher Tätigkeit ebnen.</p> - -<p>Der Erwerb der 16 Millionen Mark Felten & Guilleaume-Aktien erfolgt -gegen Hergabe neuer A. E. G.-Aktien in einem Umtauschverhältnis, das -der A. E. G. die Einstellung in die Bilanz zu niedrigem Buchwert -gestattet. Während die vorstehenden Transaktionen 20 Millionen Mark -neue A. E. G.-Aktien erfordern, soll den Aktionären gleichzeitig -ein Bezugsrecht auf 10 Millionen Mark Aktien angeboten<span class="pagenum"><a name="Seite_304" id="Seite_304">[S. 304]</a></span> werden, um -die Mittel für den Betrieb und die Ausgestaltung des Dynamowerks zu -schaffen.“</p> - -</div> - -<p>Das Prinzip der Gesamttransaktion bestand also darin, daß die -mißlungene Verbindung zwischen der Frankfurter Lahmeyer-Fabrik und dem -Carlswerk durch einen resoluten Schnitt wieder beseitigt wurde. Der -Frankfurter Teil wurde mit der A. E. G. verschmolzen, der Mülheimer -Teil und die Finanzgesellschaft traten durch Aktienbeteiligung in den -Konzern der A. E. G. ein. Da der Kurs der A. E. G.-Aktien zur Zeit -jener Transaktion ungefähr 260% betrug, stellten die 11223000 Mark -jungen Aktien, die mit halber Dividendenberechtigung für 1910/11 bei -der Übernahme des Lahmeyer-Dynamowerks in Zahlung gegeben wurden, -einen rechnerischen Wert von etwa 28,4 Millionen Mark dar. In der -Bilanz der A. E. G. erschien das Werk allerdings nur mit einem Betrage -von 10 Millionen Mark, das heißt in Höhe des Nominalkapitals der A. -E. G.-Unternehmungen-Akt.-Ges., welchen Namen die zur Aufnahme der -Frankfurter Werke der Felten & Guilleaume-Lahmeyerges. neu gegründete -Aktiengesellschaft schließlich erhielt. Diese blieb in Zukunft nicht in -ihrer bisherigen Gestalt, das heißt als gemischtes Elektrizitätswerk, -bestehen. Die Hauptabteilungen, die als Produktionsstätten die -Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Berliner Betriebe nicht -erreichten, so die Maschinenfabrik, die Lampenfabrik wurden aufgegeben -bezw. mit den Berliner Betrieben zusammengelegt. Aufrechterhalten und -weiterentwickelt wurden in Frankfurt nur einige Sonderbetriebe, so -die Stellwerk-Abteilung, in der elektrische Signalapparate als neuer -Produktionszweig aufgenommen wurden, ferner die Scheinwerferabteilung, -die hauptsächlich für den Bedarf von Heer und Marine arbeitete. Die -Beschränkung der Frankfurter Abteilung hatte zur Folge, daß ein -beträchtlicher Teil des in Frankfurt benutzten Fabrikgeländes frei -wurde, der an die Adlerwerke vorm. Kleyer veräußert werden konnte und -somit einen Gegenwert für die Aufgabe der Frankfurter Betriebsstätten -und die damit verbundenen Substanzenverluste bildete.</p> - -<p>Die technische und industrielle Bereicherung, die die A. E. G. aus dem -Transaktionskomplex mit dem Felten & Guilleaume-Lahmeyerkonzern gewann, -war vielleicht nicht so groß wie jene, die ihr bei dem Zusammenschluß -mit der Union zugeflossen war. Die Bedeutung lag hier mehr auf dem -Gebiete der<span class="pagenum"><a name="Seite_305" id="Seite_305">[S. 305]</a></span> Verringerung des Wettbewerbs und der Absatzausdehnung, -die durch die neuen starken Stützpunkte in Süddeutschland und dem -industriereichen Westen gefördert werden konnte. Dem kräftigen, -wohl arrondierten und wohl proportionierten Wirtschaftskörper -der A. E. G. waren nicht so sehr neue Lebensquellen, neue -Befruchtungsmöglichkeiten nötig, sondern er schob die Grenzen seines -Wirtschafts- und Wirkungsgebiets, der Schwerkraft, dem drängenden -Wachstumsbedürfnis seiner industriellen Kraft Raum schaffend, weiter -vor. Der Wille zur Macht und zur Entwickelung der Macht, der jedem -blühenden Wirtschaftskörper unzertrennlich innewohnt, war hier die -Haupttriebfeder des Handelns. Rein wirtschaftlich betrachtet, gehörte -die Aufnahme der Lahmeyerwerke zu den Geschäften, die sich nicht sofort -und nicht unmittelbar völlig bezahlt machen, und es gehörte schon die -ganze strotzende Gesundheit der A. E. G. und die Fülle ihrer Säfte -dazu, um einen so schweren Bissen wie das Lahmeyerwerk zu verdauen und -zu verarbeiten. Erst allmählich begann diese Fusion sowie auch die -Verbindung mit dem Carlswerk ihre Früchte zu tragen.</p> - -<p>War Triebfeder und Ergebnis der Lahmeyer-Transaktion für die A. E. -G. in erster Linie Machterweiterung, so konnte es nicht ausbleiben, -daß das die Verhältnisse in der Elektrizitätsindustrie beherrschende -Gesetz des <em class="gesperrt">Dualismus</em> die Wurzel für einen <em class="gesperrt">Gegenzug</em> -des <em class="gesperrt">Siemens-Schuckert-Konzerns</em> bildete. Dieser erfolgte -nicht so stürmisch, so „Zug um Zug“ wie in der ersten großen -Konzentrationsperiode, in der die Machtverhältnisse noch nicht so -gefestigt, die Möglichkeiten der Ausdehnung noch zahlreicher, die -Auswahl unter den Fusionsobjekten noch größer, die ganze Entwickelung -noch mehr im Fluß gewesen war. Beide Konzerne waren inzwischen in -ihrem Besitz, in ihrer inneren Verfassung reicher, weiter und sicherer -geworden und konnten ihre Transaktionen langsam vorbereiten und -überlegen. Sie brauchten sich der neuen Objekte nicht ungeduldig zu -bemächtigen, sondern konnten die Dinge an sich herankommen lassen. -So dauerte es noch fast ein Jahr, bis die Siemens-Schuckert-Werke -auf die Machterweiterung der A. E. G. damit antworteten, daß sie -sich durch Aktienerwerb und Verwaltungseinfluß an dem letzten -bis dahin noch unabhängig gebliebenen „gemischten“ Großwerk der -Elektrizitätsindustrie, den <em class="gesperrt">Bergmann-Elektrizitätswerken</em>, -beteiligten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_306" id="Seite_306">[S. 306]</a></span></p> - -<p>Die Bergmann-Elektrizitätswerke in Berlin waren nicht als -gemischtes Werk gegründet worden, sondern hatten sich, -ursprünglich als Spezialfabrik für Isolier-Leitungsrohre und -Spezial-Installations-Artikel errichtet, erst später und in -allmählichem Ausbau zum elektrischen Universalunternehmen entwickelt. -Ihre Geschichte, ihr Kampf und ihr Schicksal ist in mehr als einer -Hinsicht charakteristisch für die Gestaltung der Verhältnisse in der -deutschen Elektrizitätsindustrie nach der Krise von 1901/03. Im Jahre -1893 wurde die Gesellschaft mit dem kleinen Kapital von 1 Million -Mark zur Herstellung der oben erwähnten Sonderartikel gegründet, sie -ging hervor aus der seit 1891 bestehenden offenen Handelsgesellschaft -S. Bergmann & Co. in Berlin. Sigmund Bergmann, ihr Gründer, stammte -aus der Schule des Amerikaners Edison, mit dem er jahrelang als -Associé zusammengearbeitet hatte und der ihm auch später stets in -enger Freundschaft verbunden blieb. Bergmann gründete im Jahre 1897, -während er seinen Wohnsitz noch in New York hatte, außerdem die -Bergmann-Elektromotoren- und Dynamo-Werke, die gleichfalls zuerst nur -mit einem Kapital von 1 Million Mark arbeiteten. Im Jahre 1900 wurden -beide Gesellschaften miteinander fusioniert und das Kapital des damit -den Weg der gemischten Werke beschreitenden Gesamtunternehmens erhielt -einen Umfang von 8,5 Millionen Mark. Die Gesellschaft, technisch aufs -beste und modernste ausgerüstet und mit den neuesten amerikanischen -Konstruktionen arbeitend, hatte bis zum Jahre 1900 ihre Dividenden -auf 23% gesteigert. Die Krisis brachte nur einen Rückgang auf den -immerhin noch sehr hohen, von keiner anderen Elektrizitätsgesellschaft -jemals gezahlten Satz von 17%. Nach der Krisis stellte sich die -Dividende jahrelang auf 18%. Die hohe Rente bot die Möglichkeit zur -Erzielung großer Agiogewinne bei den verschiedenen und häufigen -Kapitalerhöhungen. Die Aktienkurse bewegten sich zwischen 200 und 300%. -Bei Neuemissionen konnten Begebungskurse von durchschnittlich 200% -festgesetzt werden, und kein geringeres Institut als die Deutsche Bank -wurde für den Aufsichtsrat und als Bankverbindung für die Gesellschaft -gewonnen.</p> - -<p>Diese äußerlich glänzende Entwickelung hatte aber eine Schattenseite. -Sigmund Bergmann war ein ausgezeichneter Techniker, ein moderner, -tatkräftiger Industrieller, aber er, der Amerikaner unter den deutschen -Elektrikern, glaubte die amerikanischen Industrie- und<span class="pagenum"><a name="Seite_307" id="Seite_307">[S. 307]</a></span> Finanzmethoden -nach Deutschland übertragen zu können, wo doch Emil Rathenau längst -einen Typus und ein System entwickelt hatte, das dem amerikanischen -weit überlegen war und die nach diesem arbeitenden Unternehmungen -letzten Endes schlagen <em class="gesperrt">mußte</em>. Bergmann mangelte bei seinen -außerordentlichen technischen und industriellen Fähigkeiten eine -ebenbürtige kaufmännische Veranlagung. Er kopierte hier eigentlich -nur, was ihm die großen Konkurrenzwerke bereits erfolgreich vorgemacht -hatten. Ganz ging ihm aber die <em class="gesperrt">finanzielle Meisterschaft</em> eines -Emil Rathenau ab, er besaß nicht das eigene finanzielle Urteil, -geschweige denn die originale, schöpferische Finanzkunst des A. -E. G.-Gründers. So ließ er sich auf der Bahn, die ihm die ersten -großen technischen Erfolge seines Unternehmens mit ihren hohen -Dividendenresultaten eröffnet hatten, gern und kritiklos weitertreiben. -Er nutzte unbekümmert um die innere Konsolidierung, um die Sicherung -seiner Basis durch starke Reservestellungen, die Möglichkeiten aus, -die ihm die hohen äußeren Renten boten. Seine Finanztechnik bestand -in der Ausmünzung des <em class="gesperrt">Aktienagios</em>, und er glaubte genug -Rücklagen zu haben, wenn er die ihm aus seinen Kapitalserhöhungen -zufließenden stattlichen Aufgelder in den Reservefonds einstellte. -Seine Finanzpolitik war ein grundsätzliches Gegenbild zu der Emil -Rathenaus, der sich nie durch die Agiochancen dazu verführen ließ, -seine Dividenden höher zu bemessen, als ihm dies seine streng -sachliche, hypervorsichtige Bilanzierung gestattete. Sigmund Bergmann -war dabei zweifellos finanziell gutgläubig, seine Finanzpolitik kann -nicht etwa als <em class="gesperrt">leichtfertige</em> Agiotage bezeichnet werden, und in -einer anderen, nicht so sehr durch übermächtigen Wettbewerb älterer -Unternehmungen beengten Industrie hätte sie vielleicht sogar passieren -können. Bergmanns Tragik war, daß er 10 oder 15 Jahre zu spät kam, und -in seiner Fachtüchtigkeit einen Gegner wie Emil Rathenau vorfand, der -nicht nur fachtüchtig, sondern universal-tüchtig war und obendrein -im Besitz, im Vorsprung war. Bergmann fand die ungeheuer schwere -Aufgabe vor, nicht nur unter gleichen Bedingungen die stärksten Gegner -zu besiegen, sondern noch deren beträchtliche Vorgabe einzuholen. -Der Mut, mit dem der finanziell naive Techniker an die gewaltige -Aufgabe heranging, ist bewunderungswürdig, bewunderungswürdig auch, -was er unter so ungünstigen Bedingungen industriell erreicht hat. -Der Ausbau seiner kleinen<span class="pagenum"><a name="Seite_308" id="Seite_308">[S. 308]</a></span> Spezialbetriebe zu einem großen modernen -elektrotechnischen Universalwerk, das sich in technischer Beziehung -durchaus neben der A. E. G. und Siemens-Schuckert sehen lassen konnte, -ist eine hervorragende Leistung, die ohne bedeutende Organisationskraft -nicht zu bewältigen war. Da er große und zahlreiche Werke schnell -bauen mußte, auch in der kostspieligen Außenorganisation, die ihn zur -Errichtung vieler auswärtiger und ausländischer Installations- und -Konstruktionsbureaus zwang, und schließlich in der Fundierung des -Unternehmergeschäfts, die er durch die Gründung einer Trustgesellschaft -„der Bergmann Elektrische Unternehmungen-Akt.-Ges.“ zu stützen -versuchte, den großen Vorbildern nachstreben mußte, konnte er -allerdings wohl finanziell gar nicht so vorsichtig und bedächtig -vorgehen wie Emil Rathenau. Er konnte sich nicht den Luxus leisten, -das Geld auf die hohe Kante zu legen, sondern mußte häufige und -umfangreiche Kapitalerhöhungen vornehmen, und dabei so beträchtliche -Agiobeträge wie möglich hereinbringen. Er war spät gekommen und -mußte schnell vorwärts, wenn er noch mit an die Spitze wollte. Der -finanziell Einsichtige hätte wissen müssen, daß er so Gefahr lief, -sich letzten Endes in geldlichen Schwierigkeiten zu verfangen, der -industriell Wagemutige und Schaffensfreudige hat das Experiment doch -versucht, und ist daran gescheitert. Bergmanns Tragödie ist die -Tragödie des Nachgeborenen, der mit all seiner Schaffenskraft beendete -Entwickelungen, verschlossene Kanäle, gelöste Probleme vorfindet, wie -Rathenaus Glück das Glück des Schöpfers ist, der gerade im Augenblicke -zu schaffen beginnt, in dem die Zeit seinen Plänen entgegenreift, -in dem Baugrund und Baumaterial nur des Baumeisters warten. Den -einen haben die Verhältnisse niedergehalten, den anderen haben sie -emporgetragen.</p> - -<p>Sigmund Bergmann war es zwar in den Tagen des Glücks gelungen, die -erste deutsche Bank zur Unterstützung seiner Finanzgebarung zu -gewinnen. Aber gerade hier hat sich erwiesen, wie wenig auch die -beste Bank (wenn sie nicht gerade selbst industrielle Unternehmungen -entwickelt) in der Lage und gewillt ist, rein industrielle -Finanzpolitik zu treiben, die eigene, rein sachliche und nur den -Interessen des Unternehmens dienende Finanzpolitik des industriellen -Leiters zu ersetzen. Gerade dieses negative Ergebnis bei Bergmann -illustriert in scharfem Kontrast, wie sehr umgekehrt Emil Rathenau, -der sein eigener Finanzminister war, die Bankier-Begabung zustatten<span class="pagenum"><a name="Seite_309" id="Seite_309">[S. 309]</a></span> -gekommen sein muß. Die Deutsche Bank hat Sigmund Bergmanns falsche -Finanzpolitik, die ihr selbst bei den vielen Kapitalserhöhungen schöne -Provisions- und Emissionsgewinne einbrachte, bereitwillig und ohne -Kritik mitgemacht, so lange alles gut ging. Als aber die Zeit der -Dividendenrückgänge, des Schwachwerdens im Konkurrenzgeschäft, das -Versagen des Emissionsmarktes und die durch keine Kapitalserhöhungen -mehr zu behebenden Geldschwierigkeiten kamen, hat die Deutsche Bank -der Gesellschaft und ihrem Leiter nicht die starke finanzielle -Rückendeckung gewährt, die ihn vielleicht noch (oder vielleicht -auch nicht mehr) hätte retten können. Sie hat vielmehr die -Bergmann-Gesellschaft zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit, zum Anschluß -an einen der großen Konzerne gedrängt und die weitere Geldhergabe -von dieser Kapitulation abhängig gemacht. Mit diesen Worten soll -der Deutschen Bank gewiß nicht der Vorwurf einer illoyalen, -unzuverlässigen Handlungsweise gemacht, sondern nur gezeigt werden, -daß auch die größten Banken nicht gewillt und imstande sind, schon mit -Rücksicht auf ihre eigenen Aktionäre gar nicht imstande sein können, -junge Industrie-Unternehmungen im Kampf gegen große übermächtige -Konkurrenzkonzerne durchzuhalten und in ihrer Entwickelung zu stützen; -insbesondere dann nicht, wenn diese Kapitalmächte — wie das im -deutschen Wirtschaftsleben nicht selten der Fall ist — in Beziehungen -zu einem jener großen Konkurrenzkonzerne stehen und im Interesse der -wertvolleren Verbindung die minder wertvolle preiszugeben geneigt -sind. Die Unabhängigkeit eines Industrieunternehmens, besonders eines -mittleren, noch nicht zum ersten Range emporgestiegenen, kann nur auf -dem Wege erreicht werden, den Rathenau einschlug, nämlich dem der -finanziellen Selbständigkeit. Unbedingt Herr im eigenen Hause bleibt -nur <em class="gesperrt">der</em> Industrielle, der sich frei von Bankgeld und Bankenhilfe -hält, der genug eigene Geldmittel aufsammelt, um damit auch Krisen -überwinden, in Zeiten schlechten Emissionswetters seine Bedürfnisse -decken zu können. Beispiele für solche selbständige Finanzpolitik, -die zwar die Banken gelegentlich benutzt, darin aber nicht so weit -geht, daß sie von Banken beherrscht werden kann, bieten abgesehen von -der A. E. G., Siemens & Halske, Krupp, die Hamburg-Amerika-Linie, die -Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, der Bochumer Gußstahlverein, -die großen Anilinfarbengesellschaften und eine erhebliche Anzahl in -der letzten Zeit reich gewordener Unternehmungen<span class="pagenum"><a name="Seite_310" id="Seite_310">[S. 310]</a></span> kleineren Formats. -Gegenbeispiele der durch Banken in ihrer sachlichen Geschäftspolitik -zeitweilig beeinflußten Unternehmungen sind außer Bergmann u. a. die -Phönix-Akt.-Ges. in ihrer früheren Periode, in der sie durch die -Banken zum Eintritt in den Stahlwerksverband gezwungen wurde, die -Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-Ges., die Hohenlohewerke, -die Deutschen Erdölwerke. Nur <em class="gesperrt">ein</em> großes Beispiel, bei dem -sich industrielle Selbständigkeit mit starker Verschuldung bei Banken -vereinigt hat, kennt die Geschichte der deutschen Großindustrie: -den Fall <em class="gesperrt">August Thyssens</em>. Dieser Ausnahmefall weist aber -so viele seltene, einzigartige Vorbedingungen auf, daß er gerade -dadurch die Regel bestätigt. Eine große, kühne und ganz besonders -im Komplizierten sich erweisende Finanzkunst, die in ihrer Art der -ganz anders gerichteten Emil Rathenaus ebenbürtig war, die mit dem -persönlichen Kredit ebenso überlegen operierte, wie Rathenau mit dem -Aktienkredit, unterstützte hier die industrie-kaufmännische Begabung. -August Thyssen verstand es, so viele Kreditquellen zu benutzen, und die -Konkurrenzströmungen auf dem Kapitalmarkte so geschickt gegeneinander -auszuspielen, daß er stets Herr der Lage blieb und schließlich eine -Macht wurde, mit der es kein Bankgläubiger verderben durfte, — in -guten Zeiten, weil er den großen Kunden zu verlieren fürchtete, in -schlechten, weil er die Sicherheit des geliehenen Geldes besser durch -Nachgiebigkeit als durch Rücksichtslosigkeit gewährleistet glauben -mußte.</p> - -<p>Kehren wir zu den Verhältnissen der Elektrizitätsindustrie zurück. -Die Bergmann-Elektrizitätswerke mußten, durch den Konkurrenzkampf der -letzten Jahre geschwächt, mitten in großen Erweiterungsplänen und -Geldbedürfnissen, ihre Dividende im Jahre 1910 von 18 auf 12%, im -folgenden Jahre auf 5% herabsetzen. Der überanstrengte Emissionskredit -brach damit zusammen, die unvollendeten Pläne konnten nicht mehr weiter -geführt werden. In dieser Situation gab es keinen anderen Ausweg als -den Anschluß an einen der großen Konkurrenzkonzerne. Die Deutsche -Bank vermittelte die Anlehnung an den Siemens-Schuckert-Konzern, -dem sie ja selbst finanziell nahestand. Auch mit der A. E. G. war -verhandelt worden, aber diese konnte sich nicht dazu entschließen, -Bergmann die von ihm verlangte, wenigstens halbe Selbständigkeit -zu gewähren, war wohl auch durch die Angliederung des Felten -Guilleaume-Lahmeyer-<span class="pagenum"><a name="Seite_311" id="Seite_311">[S. 311]</a></span>Konzerns vorerst gesättigt und brauchte kein -Unternehmen mehr zu erwerben, das ihr nur Machterweiterung, aber -keine Ergänzung durch neue Betriebszweige bot. So kam die Anlehnung -der Bergmannwerke an Siemens-Schuckert zustande. Das Kapital der -Bergmann-Werke wurde von 29 auf 52 Millionen Mark erhöht, davon -übernahmen die Siemens-Schuckertwerke 8½ Millionen Mark. Aus ihrem -Konzern trat Theodor Berliner in die Generaldirektion der Bergmannwerke -neben Sigmund Bergmann ein, er übernahm die kaufmännische und -finanzielle Führung, während die technische bei Bergmann verblieb. -Die industriellen Baupläne wurden, mit <em class="gesperrt">dem</em> Teil des neuen -Geldes, der nicht zur Ablösung bereits verbauter, vorläufig durch -Bankkredit beschaffter Mittel erforderlich war, zu Ende geführt. Das -Unternehmergeschäft dagegen wurde liquidiert. Der früher hochrentablen -Bergmann-Aktie stand eine Reihe magerer Jahre bevor, bis der Krieg auch -diesem Unternehmen, wie so manchen anderen durch Betätigung auf dem -seiner eigentlichen Natur fremden Gebiet der Munitionsherstellung eine -unerwartet schnelle Erholung brachte.</p> - -<p>Die Geschichte der Bergmannwerke hat den Beweis erbracht, daß ein -aussichtsreicher Wettbewerb gegen die beiden herrschenden Groß-Konzerne -auf dem Gebiete der <em class="gesperrt">Neuerrichtung von Werken</em> ebensowenig -möglich war, wie er durch Fusion bereits bestehender Unternehmungen -mittlerer Größe im Falle Felten Guilleaume-Lahmeyer auf die Dauer -sich hatte behaupten können. Dies Aufgehen der beiden letzten -Konkurrenzbetriebe gemischter Natur in die Interessenkreise der beiden -„Großen“ hatte nunmehr die Situation in voller Reinheit und Klarheit -hervortreten lassen, auf die die ganze Entwickelung seit Beginn der -Konzentrationsperiode sichtlich hingedrängt hatte. Das Prinzip des -Dualismus hatte sich voll ausgewirkt. Nur zwei Gruppen, die A. E. -G. und Siemens-Schuckert, standen sich jetzt noch gegenüber. Es war -kein Wunder, daß die Monopolfurcht, die schon gelegentlich der ersten -großen Fusionen im Jahre 1903 in der Öffentlichkeit hervorgetreten -war, von neuem auftauchte. Vom konsequent durchgeführten Dualismus -bis zum Monopolismus war ja nur — so fürchtete ein Teil der -öffentlichen Meinung — ein Schritt. Ein offener oder ein geheimer -Vertrag zwischen den beiden Gruppen konnte den deutschen Konsum der -Herrschaft eines Elektrizitätsmonopols ausliefern. In der Mitteilung, -die<span class="pagenum"><a name="Seite_312" id="Seite_312">[S. 312]</a></span> der Siemens-Schuckertkonzern gelegentlich der Transaktion mit -Bergmann bekannt gab, verwahrte er sich allerdings mit Nachdruck gegen -Monopolbestrebungen. Man wolle kein Monopol, und man halte es nicht -einmal für nützlich im Interesse der Elektrizitätsindustrie. Darum -beabsichtige man auch nicht, die kaufmännische Selbständigkeit der -Bergmann-Elektrizitätswerke durch die Übernahme der Bergmann-Aktien -anzutasten. Diese Gesellschaft solle ihre Bewegungsfreiheit auch -weiter behalten. Eine <em class="gesperrt">nachhaltige</em> Beunruhigung über die -Monopolfrage kam denn auch infolge der letzten Fusionen in der -Elektrizitätsindustrie nicht auf oder sie verlor sich doch bald. Das -war zum Teil darauf zurückzuführen, daß man den Monopolen in manchen -Kreisen nicht mehr so streng ablehnend gegenüberstand, wie noch vor 10 -Jahren, nachdem man erkannt hatte, daß ihre Macht durch Staatskontrolle -zu beschränken sei, während die betriebliche Wirtschaftlichkeit -durch sie zweifellos gefördert werde. Auf der anderen Seite hatte -man aber gerade in der Zwischenzeit die Erfahrung gemacht, daß die -Vereinigungsidee in der Elektrizitätsindustrie über den Dualismus A. E. -G.—Siemens-Schuckert nur schwer hinwegschreiten würde. Zwischen beiden -Konzernen waren viele Berührungspunkte entstanden, sie saßen in manchen -Produktionsgesellschaften, wie den Akkumulatorenwerken Hagen, in der -Telefunkengesellschaft, in vielen Betriebsgesellschaften, wie der -Deutsch-Überseeischen Elektrizitätsgesellschaft, der St. Petersburger -Gesellschaft für elektrische Beleuchtung, der Hamburger Hochbahn -usw. zusammen, sie gehörten verschiedenen Kartellen an, hatten sogar -gelegentlich geheime Submissionsabmachungen getroffen, und doch waren -die Grundgegensätze zwischen ihnen dadurch keineswegs beseitigt, oder -auch nur gemildert worden. Wenn man mit Persönlichkeiten aus einem der -beiden Häuser von der Konkurrenz sprach, so waren es durchaus nicht -immer Worte des gegenseitigen Verständnisses, der Anerkennung, der -Würdigung, die man über den anderen zu hören bekam. Die Gefühle der -Rivalität, des Konkurrenzneides, waren mehr als je vorherrschend. Statt -eine Annäherung im großen herbeizuführen, hatten die gelegentlichen -geschäftlichen Verbindungen nur das heimliche Gegensatzgefühl, die -innere Kampfstellung verschärft. Und dieser Gegensatz blieb nicht auf -akademische Erörterungen beschränkt, er trat auch auf den Absatzmärkten -allenthalben in Er<span class="pagenum"><a name="Seite_313" id="Seite_313">[S. 313]</a></span>scheinung. Überall war das Bestreben fühlbar, den -Gegner zu verdrängen, an Leistung zu überbieten und im Preise zu -unterbieten, seine Produkte schlecht zu machen, seine Geschäftspraxis -zu bemängeln. Wenn auch bei großen Geschäften der eine manchmal -vornehm hinter dem anderen zurücktrat, er tat es nur mit innerlichem -Ingrimm, und in kleinen Geschäften wurde der Konkurrenzkampf oft -bis aufs Messer ausgefochten. Man hat gesagt, daß dieser Gegensatz -in Personenfragen begründet sei und mit dem Rücktritt der alten, im -gegenseitigen Kampf aufgewachsenen Personen verblassen und schließlich -ganz verschwinden werde. Das mag bis zu einem gewissen Grade richtig -sein, vorläufig ist aber mit einem Absterben dieser persönlichen -Stimmungen noch lange nicht zu rechnen. Der Patrizierstolz der Familie -Siemens hat sich nun bereits bis ins dritte Glied fortgeerbt, und ist -noch immer stark und unerschüttert. Der A. E. G.-Geist, der nicht -einmal so sehr in der weniger fruchtbaren Dynastie Rathenau verkörpert -ist, wie in den vielen noch lebenden Mitarbeitern Emil Rathenaus aus -seinen ersten Anfängen, will und braucht ebenfalls keine Kompromisse -zu schließen. Ob vielleicht die veränderte Weltlage, die nach -Beendigung des Krieges zweifellos in Erscheinung treten wird, einen -Zusammenschluß der Elektrizitätskonzerne aus Gründen der Verteidigung -des Weltmarktbesitzes herbeiführen wird — wie sie während des Krieges -schon zu einer Vereinigung der Anilinkonzerne geführt hat und wie ihre -Vorahnung vor dem Kriege bereits ein Bündnis zwischen Hapag und Lloyd -zu Wege brachte — läßt sich jetzt noch nicht beurteilen. Es ist aber -nicht ganz von der Hand zu weisen, daß auch hier vielleicht die Sachen -stärker sein werden als die Personen.</p> - -<p>Bei Beurteilung der Monopolfrage darf nicht außer acht gelassen -werden, daß die elektrischen Großkonzerne, die gemischten Betriebe, -nicht die einzigen Unternehmungen auf dem Gebiete der deutschen -Elektrizitätsindustrie sind. Es besteht sowohl auf dem Starkstrom- -wie auch auf dem Schwachstromgebiet noch eine erhebliche Anzahl -leistungsfähiger und unabhängiger Spezialbetriebe, die gewisse -Sonderprodukte herstellen und die darin eine beachtenswerte Konkurrenz -für die Großkonzerne bilden. Es gibt fast kein elektrotechnisches -Erzeugnis, angefangen von der kleinen Glühlampe und dem Telephonapparat -bis zu der größten Dynamomaschine, das nicht in Spezialfabriken -hergestellt wird. Man kann annehmen, daß die Produktion<span class="pagenum"><a name="Seite_314" id="Seite_314">[S. 314]</a></span> dieser -Spezialfabriken sich zu der der Großkonzerne etwa wie 1:3 verhält. -Eine Reihe der Spezialfabriken, wie zum Beispiel das Sachsenwerk, -die elektrotechnische Fabrik Rheydt, die Telephonfabrik Berliner, -die Mix & Genest-Gesellschaft, die Elektrizitätsgesellschaft Poege, -die Hackethal-Draht- und Kabelwerke, die Fabrik isolierter Drähte -Vogel, das Kabelwerk Cassierer, hat sich im Kriege finanziell sehr -günstig entwickelt und große Reserven aufgehäuft. Dadurch dürfte die -Konkurrenzfähigkeit dieser Gesellschaften nach dem Kriege gegenüber dem -früheren Stand wesentlich gesteigert worden sein. Solange der Dualismus -zwischen der A. E. G. und Siemens-Schuckert erhalten bleibt, werden -auch die Spezialfabriken ihre Stellung behaupten können.</p> - -<p>Etwas anders liegen die Verhältnisse auf dem Gebiete der -<em class="gesperrt">Betriebsunternehmungen</em>. Hier beherrschen die beiden Gruppen -ziemlich allein das Feld und sowohl im Unternehmergeschäft, -als auch bei den Auftragsbauten für Rechnung von besonderen -Betriebsgesellschaften, Kommunen und sonstigen Behörden findet sich -für sie kaum ein nennenswerter Wettbewerb. Das Prinzip des Dualismus, -der wechselseitigen Konkurrenz beider Konzerne, reicht aber auf diesem -Gebiet nur bis zur Projektionsgenehmigung und Auftragserteilung für den -Bau im ganzen, manchmal, wenn beide Gruppen zusammenarbeiten oder sich -über Projekte verständigen, scheidet es auch schon vorher aus. In der -Durchführung des Baus, meist auch in der späteren Materialversorgung, -werden die Gruppen kaum noch durch eine Einwirkung der Konkurrenz -gestört. Diese Gestaltung der Dinge hat in der Öffentlichkeit vielfach -die Furcht vor einem privaten Strommonopol hervorgerufen. Gerade aber -hier würde es auch einem solchen Monopol schwer sein, seine Macht zu -einer Vergewaltigung der Konsumenten, die doch hauptsächlich nur in -einer Heraufschraubung der Tarife bestehen könnte, zu mißbrauchen. -Besonders gilt das für den Kraftstrom. Sobald bei der Tarifbemessung -für elektrische Kraft nämlich die Elektrizitätswerke zu hohe Preise -forderten, würde die Anlage von Privatkraftzentralen für größere -Verbraucherbetriebe, die schon bisher den Strom vielfach vorteilhafter -liefern konnten als öffentliche Zentralen nicht ganz moderner Art und -Leistungsfähigkeit, eine solche Ausdehnung nehmen, daß die öffentliche -Stromversorgung jede Aussicht verlieren würde, an großindustrielle -Betriebe Strom überhaupt abzusetzen. Wurden doch von<span class="pagenum"><a name="Seite_315" id="Seite_315">[S. 315]</a></span> öffentlichen -Elektrizitätswerken im Jahre 1913 nur 2800 Millionen Kwstd. nutzbar -abgegeben gegen 10000 Millionen Kwstd. von Einzelanlagen<a name="FNAnker_1_1" id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a>. Was aber -den kommunalen Stromverbrauch für Licht- und Kraftzwecke anlangt, -so ist seine Abgabe von der Erteilung der Konzessionen seitens der -Kommunalbehörden abhängig, die sich vertraglich gegen eine Ausnutzung -der Strommonopole zur Erzielung unangemessener Preise schützen können, -wobei die Angemessenheit der Preise durch den sachverständigen -Vergleich mit anderen Werken und Verträgen der gleichen Art nicht -schwer festzustellen ist. Vielfach haben auch Städte, Kreise und -sonstige öffentliche Körperschaften die Stromwerke in eigenen -Betrieb genommen, um statt des privaten Monopols ein öffentliches zu -schaffen. Auch verschiedene <em class="gesperrt">Staaten</em> haben sich Einfluß auf die -Elektrizitätserzeugung innerhalb ihrer Grenzen durch Errichtung von -eigenen großen Kraftwerken, Beschlagnahme der Wasserkräfte, Kohlenläger -usw. gesichert.</p> - -<p>Das hindert allerdings nicht, daß die elektrischen Großkonzerne -durch geschickte „Strategie“ verschiedentlich kommunalpolitische -Elektrizitätsprojekte geschädigt haben. Ein Beispiel bildet -das Vorgehen des A. E. G.-Konzerns im Falle der Berliner -Elektrizitätswerke, nachdem diese auf die Stadt Berlin übergegangen -waren. Hier hat die A. E. G. mit ihrem Märkischen Elektrizitätswerk -die Berliner Elektrizitätserzeugung sozusagen „eingekreist“, indem sie -durch ihren die Bildung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens -vorsehenden Vertrag mit der Provinz Brandenburg der Stadt Berlin -jede Möglichkeit nahm, sich mit dem Stromabsatz ihrer Werke über -deren altes Versorgungsgebiet auszudehnen, wie es wohl im Rahmen -einer großzügigen und ökonomischen Berliner Elektrizitätspolitik -gelegen hätte. In ähnlicher Weise ist die Stadt Mülhausen i. E. an -der Errichtung eines leistungsfähigen kommunalen Werkes verhindert -worden, weil ringsherum große, mit Wasserkraft und Montankraft -arbeitende Privatwerke entstanden, die ihr an Wettbewerbsfähigkeit -überlegen waren. Aber auch in diesen Fällen kann man nicht sagen, -daß die eigentlichen Verbraucherinteressen durch das Vorgehen der -Großkonzerne gelitten haben, denn es ist ja gerade die aus höherer -Leistungsfähigkeit<span class="pagenum"><a name="Seite_316" id="Seite_316">[S. 316]</a></span> sich ergebende Möglichkeit der Unterbietung, -die das private Großwerk dem kommunalen Lokalwerk überlegen macht. -Beeinträchtigt werden vielmehr nur kommunale Interessen, wobei die -Frage, ob es überhaupt kommunalpolitisch gerechtfertigt ist, daß eine -Gemeinde über ihr eigenes Weichbild hinaus als Stromlieferant auftritt, -offenbleiben soll. — Im Falle der Berliner Elektrizitätswerke steht -übrigens nicht das kommunalpolitische Verwaltungs-Prinzip dem privaten -Unternehmerprinzip, sondern dem gemischt-wirtschaftlichen Prinzip -gegenüber, da ja die Märkischen Elektrizitätswerke durch Beteiligung -der Provinz Brandenburg zu einem halböffentlichen Unternehmen geworden -sind. Durch den Hinweis auf öffentliche Interessen wird man also diesen -Widerstreit — auch bei aller Sympathie für die Reichshauptstadt — -nicht in ihrem Sinne lösen können. Was der Stadt Berlin recht ist, muß -schließlich der Provinz Brandenburg billig sein. Es bleibt ein rein -wirtschaftlicher Kampf übrig, in dem letzten Endes wirtschaftliche -Leistungsfähigkeit und geschickte Geschäftstaktik den Ausschlag geben -müssen.</p> - -<p>Ein besonderes Wort sei noch den sogenannten -<em class="gesperrt">Installationsmonopolen</em> gewidmet. Darunter versteht man -den von manchen Stromlieferungswerken ausgeübten Zwang auf die -Stromabnehmer, die Hausinstallationen, die Anschlüsse an das -Kabelnetz des Stromwerkes usw. von ihnen selbst oder von den ihnen -nahestehenden Fabrikationsgesellschaften vornehmen zu lassen und -die dazu erforderlichen Apparate durch sie zu beziehen. Derartige -Installationsmonopole, die bei konsequenter Durchführung den -Handwerkerstand der unabhängigen Elektromechaniker bald völlig -beseitigen würden, sind neuerdings in fast allen Konzessionsverträgen -ausdrücklich verboten, die Zentral-Regierungen in den einzelnen -Bundesstaaten haben sie in Erlassen bekämpft, und auch die -großen Elektrizitätsgesellschaften haben erkannt, daß derartige -Installationsmonopole (nicht zu verwechseln mit den Einrichtungs- -und Materiallieferungsmonopolen oder den Lieferverträgen mit -Meistbegünstigung für den Bedarf der Stromwerke selbst) weder -durchzusetzen sind, noch den Fabrikationsgesellschaften selbst zum -Nutzen gereichen, da diese an der Vernichtung eines selbständigen und -leistungsfähigen Installateur-Standes keineswegs ein Interesse haben.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_317" id="Seite_317">[S. 317]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Vierzehntes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Vierzehntes Kapitel</em><br /> - -Großkraftversorgung</h2> - -</div> - -<p>Die Entwicklung der elektrischen Stromversorgung, die von -der Blockstation über die Zwischenetappen der <em class="gesperrt">Lokal-</em> -und <em class="gesperrt">Überlandzentrale</em> zum großen <em class="gesperrt">Zentral-</em> und -<em class="gesperrt">Fernkraftwerk</em> schritt, ist im letzten Jahrzehnt besonders -durch zwei Dinge vorbereitet und ermöglicht worden. Einmal durch -die Lösung des technischen Problems der <em class="gesperrt">Fernübertragung -hochgespannter</em> Ströme über beliebig weite Strecken und -ferner durch die juristisch-organisatorische „Erfindung“ der -<em class="gesperrt">gemischt-wirtschaftlichen</em> Unternehmung. Die letztere war -in Wirklichkeit allerdings nur das Verwaltungskleid, das der -ersteren gesucht und gefunden wurde. Die grundsätzliche Lösung des -Fernübertragungsproblems liegt schon Jahrzehnte zurück, sie war mit -der Einführung des Drehstromsystems gegeben, das wir an <em class="gesperrt">der</em> -Stelle unseres Buches, die ihm im historischen Gange der Untersuchung -zukam, bereits behandelt haben. Wenn es auch noch ziemlich lange -dauerte, bis die neue Erfindung trotz schon anfänglich verblüffender -Demonstrationswirkung in größerem Umfange angewendet wurde und -die Praxis der Theorie auf ihre damals dem vorausschauenden Genie -schon erkennbaren Wege folgte, so lag dies daran, daß man in der -Elektrizitätsindustrie erst die Verwendung hochgespannter Ströme -zu hinreichender Leistungsfähigkeit entwickeln und ebenso sicher -ihre Umwandlung in niedrige Spannungen beherrschen mußte. Ganz -besonders für die Fernübertragung kam es auf diese Ausbildung der -Transformatoren-Technik an. Denn in den Zentralwerken war, um deren -günstige Ökonomie auszunutzen, die Erzeugung höchster Spannungen -nötig, ebenso für die Übertragung nach den Verbrauchsstätten durch -die weiten dazwischen liegenden Strecken. An den letzteren mußte der -Strom, um für manche Verwandlungszwecke erst brauchbar zu werden, -auf niedrige Spannungen wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_318" id="Seite_318">[S. 318]</a></span> zurückgebracht werden. Besonders die -Lichtelektrizität verlangte eine solche Verringerung der Spannung. -Neben den Maschinen, Transformatoren und Generatoren, die für die -großen Ausmaße hergestellt und erprobt werden mußten, bedurfte auch -das Leitungsnetz einer Einrichtung für die erforderlichen hohen -Volt-Spannungen. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß die -Leitungsdrähte mit der Zunahme der Spannung nicht verstärkt zu werden -brauchten, sondern im Gegenteil eine Verringerung ihres Querschnittes -zuließen und daß gerade darin einer der Hauptvorteile der Hochspannung -lag. Auf der anderen Seite war aber für besonders gutes, zug- und -druckfestes Material und für eine minutiöse Isolierung Sorge zu tragen.</p> - -<p>Nachdem diese technischen Vorbedingungen gelöst waren, stand das -Problem großzügiger und billiger Stromerzeugung bald klar vor -Augen: die Elektrizität konnte in Zukunft viel vorteilhafter an -den <em class="gesperrt">Fundstätten</em> der <em class="gesperrt">Antriebsenergie</em>, also an Orten, -wo Wasserkräfte oder Kohle aus erster Hand zur Verfügung standen, -gewonnen werden, als an den <em class="gesperrt">Verbrauchsorten</em> des elektrischen -Stromes, wo sie bisher erzeugt worden war, nachdem man die zu ihrer -Gewinnung erforderliche Kohle mit der Bahn oder mit dem Schiff -dorthingeschafft hatte. Der Vorteil des neuen Systems lag einmal darin, -daß die Massenproduktion in großen Zentralwerken die Gewinnungskosten -verbilligte und ferner darin, daß durch die Herstellung größerer -Absatzgebiete ein besserer Ausgleich zwischen Stromproduktion und -Strombeanspruchung ermöglicht wurde. Je größer das Versorgungsgebiet -eines Elektrizitätswerkes ist, desto vielseitigere und vielzeitigere -Anwendungsmöglichkeiten bieten sich in ihm für den elektrischen -Strom. Kraftstrom und Lichtstrom, Industriebedarf, Hausbedarf und -Straßenbahnbedarf ergänzen einander. Wenn der eine Verbraucher feiert, -arbeitet der andere, alle Tages- und Nachtzeiten werden ausgenutzt, die -steil ansteigenden und wieder abfallenden Beanspruchungskurven, die zu -ungleichmäßiger Beschäftigung und schlechter Ausnutzung der Anlagen -führen, — werden gemildert, oder gar ganz aufgehoben. Eine geschickte -Produktionspolitik, die eine möglichst gleichmäßige Erzeugung in den -Hauptwerken herbeizuführen sucht, und den außergewöhnlichen Bedarf -durch kleinere Spitzenwerke deckt, eine großzügige Absatzpolitik, -die sich für die sogenannten Vacuen selbst Abnehmer schafft<span class="pagenum"><a name="Seite_319" id="Seite_319">[S. 319]</a></span> oder -erzieht, können den wirtschaftlichen Effekt wesentlich verbessern. -Ein neuer Standort für Industrien bildete sich im Anschluß an diese -Großkraftwerke heraus. Neben den Gewerben, die an den Gewinnungsstätten -für Kohle, Erze und sonstige industrielle Rohstoffe sich niedergelassen -hatten, neben den Verfeinerungsindustrien in und bei den Großstädten -wurden nunmehr auch in der Nähe der Großkraftwerke Betriebe, namentlich -chemischer Art (Stickstofferzeugung aus Luft) und metallurgischer Art -errichtet, mit dem Zwecke, die billige Kraft auszunutzen. Aber auch -dort, wo die Kraft nicht an Ort und Stelle verbraucht werden konnte, -sondern transportiert werden mußte — und hier tritt ja der Hauptzweck -der Fernkraftwerke in Erscheinung — bedeutete es eine sehr große -Ersparnis an Transportkosten, daß die körperlich schwere Kohle nicht -mehr auf Schienen- und Wasserwegen an die lokalen Erzeugungsstätten -der elektrischen Energie geschafft zu werden brauchte, sondern daß der -körperlose Strom in fertigem Zustande sozusagen an die Verbrauchsorte -„hinübertelegraphiert“ werden konnte. Ein besonderer Vorteil ergab -sich noch insofern, als auch ganz minderwertige Brennstoffe, die einen -Transport nicht lohnten, für die Krafterzeugung an ihrem Fundorte noch -mit Nutzen verwendet werden konnten.</p> - -<p>Derartige Kraftwerke auf Wasser- oder Kohlengrundlage, die nicht -immer allergrößten Umfanges waren und vielfach an Ausmaßen hinter -einem Unternehmen wie den Berliner Elektrizitätswerken zurückblieben, -wenn sie diese auch an technischer und wirtschaftlicher Ökonomie -übertrafen, wurden im vorletzten und besonders letzten Jahrzehnt -allenthalben in den großen Montanrevieren und an Wasserkraft-Standorten -(Niederdruckwerke) errichtet. In Rheinland-Westfalen erstand das -Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk Hugo Stinnes, das zum Teil -unter Ausnutzung der von den Hochöfen entweichenden Gichtgase zum -Motorenantrieb eine große Anzahl von Stadt- und Landgemeinden mit -Strom versorgte, ferner das Elektrizitätswerk Westfalen, an dessen -Gründung die A. E. G. mitwirkte, das aber später in ein rein kommunales -Verbandsunternehmen überführt wurde. Auch in Oberschlesien und im -Saarrevier wurden von der A. E. G. ähnliche Werke errichtet. In allen -deutschen Braunkohlenrevieren traten gleichfalls Montankraftwerke ins -Leben, namentlich im rheinischen Braunkohlenrevier, im mitteldeutschen, -niederlausitzer und bitterfelder Gebiet. Eines<span class="pagenum"><a name="Seite_320" id="Seite_320">[S. 320]</a></span> der größten und -modernsten waren die <em class="gesperrt">Elektrowerke</em> in Bitterfeld, die von der -A. E. G. erbaut und später auf die B. E. W., nach deren Abtretung der -Berliner Werke an die Stadt Berlin, überführt wurden. Sie wurden auf -eine Erzeugungsfähigkeit von mehreren Millionen Kilowattstunden im -Jahre eingerichtet. Vor dem Kriege waren zwischen den B. E. W. und -der Stadt Berlin Verhandlungen geführt worden, um eine Verlängerung -des Vertrages zwischen diesen beiden Parteien unter der Bedingung zu -erreichen, daß der Strom für die Berliner Werke aus Bitterfeld bezogen -werden sollte. Diese Verhandlungen wurden von den B. E. W. abgebrochen, -nachdem sie während des Krieges in den staatlichen Stickstoffwerken -in Bitterfeld an Ort und Stelle einen Abnehmer gefunden hatten, -der von ihnen 500 Mill. Kwstd. jährlich bezog, während ein anderes -Unternehmen, die Elektrosalpeterwerke, einen weiteren Lieferungsvertrag -von 250 Mill. Kwstd. jährlich abschloß. Diese Verträge, die einen -Stromverkaufspreis von nur 1 Pf. für die Kwstd. vorsahen gegen einen -durchschnittlichen Licht- und Kraftpreis der B. E. W. von zuletzt -13,32 Pf., erwiesen sich allerdings später infolge der unerwartet -ungünstigen Selbstkostenentwickelung des Braunkohlenbergbaus im Kriege -als recht unvorteilhaft für die Elektrowerke, und die Folge davon -war, daß die A. E. G. den B. E. W. das Interesse an den Elektrowerken -wieder abnahm, um es mit ihren reicheren Mitteln erst selbst zur -Reife zu bringen.<a name="FNAnker_2_2" id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a> Auch die preußische Regierung hat bereits -mehrere große Fernkraftwerke auf Kohlenbasis errichtet, so das Werk -Muldenstein für den Bedarf der Staatsbahnstrecke Dessau-Bitterfeld; -ferner ist ein noch größeres Kraftwerk bei Wittenberg im Bau -begriffen, das den Bedarf für die Elektrifizierung der Berliner -Stadt- und Ringbahn decken soll und daneben mit dem Märkischen -Elektrizitätswerk, dem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen des A. E. -G.-Konzerns, an dem sich neuerdings die Provinz Brandenburg führend -beteiligt hat, einen langjährigen Lieferungsvertrag abgeschlossen -hat. In den meisten dieser Dampfkraftwerke auf Montanbasis wird -der Brennstoff auf mechanischen Rosten verfeuert, wobei auch die -minderwertigsten Kohlen, die für Heiz- und Brikettierungszwecke -unbrauchbar sind, Verwendung finden können. Neuerdings hat man auch -mit dem System der <em class="gesperrt">Vergasung der<span class="pagenum"><a name="Seite_321" id="Seite_321">[S. 321]</a></span> Kohle</em> in Generatoren zum -Zwecke der Elektrizitätserzeugung gute Erfolge erzielt, ein Gebiet, -auf dem wieder die A. E. G. in Gemeinschaft mit einer Reihe anderer -Unternehmungen bahnbrechend vorging. Dieses noch der Ausbildung -bedürfende System ist deswegen besonders aussichtsreich, weil es -einmal die Möglichkeit gibt, den Brennwert der Kohle fast vollständig -auszunutzen und ferner eine Verwertung der meisten Nebenprodukte wie -Mineralöle, Ammoniak usw. gestattet. Sogar der in Mooren gewonnene -<em class="gesperrt">Torf</em> läßt sich für die Zwecke der Energieerzeugung mit -Nutzen verwenden, wie die vom Siemens-Schuckertkonzern errichtete -Überlandzentrale Wiesmoor, die allmählich ganz Ostfriesland, Oldenburg -und die anstoßenden Gebiete mit Strom versorgen soll, erwiesen -hat. Auf der Grundlage von Wasserkräften wurden namentlich in den -süddeutschen Staaten große Stromerzeugungswerke errichtet, so in -Bayern das staatliche Walchenseewerk, die Isarwerke, die Ampèrewerke, -die Lech-Elektrizitätswerke, in Baden das Murgtalwerk usw. An eine -Ausnutzung der großen Wasserkräfte des Oberrheins unter Mitwirkung des -Reiches wird demnächst herangegangen werden.</p> - -<p>Emil Rathenau hat den Problemen der Großkraftversorgung in den -letzten Jahren seines Lebens lebendige und fast jugendliche -Anteilnahme entgegengebracht. Greisenhafte Müdigkeit oder jene -Abgeklärtheit des Alters, die von Werner v. Siemens Besitz ergriff, -waren ihm gänzlich fremd. Er, der Zeit seines Lebens für die private -Elektrizitätswirtschaft eingetreten war, der er die Sphäre seiner -Leistung und den Erfolg seines Lebens verdankt, besaß Elastizität -genug, um umzulernen, als die Verhältnisse sich änderten und über die -Grenzen hinauswuchsen, die der privaten Erzeugung gezogen werden. -Die fachliche und sachliche Einsicht, daß die Tendenz, ganz große -Elektrizitätswerke zu errichten, nicht nur aus politischen, sondern -auch aus wirtschaftlichen Gründen zu stark geworden sei, als daß sie -mit der denkbar größten Leistungssteigerung privater Werke noch dauernd -hätte aufgehalten werden können, genügte, um diesen Realpolitiker -umzustimmen und ihm neue Gedankengänge zu eröffnen. Als ich Rathenau -im Mai 1914 aufsuchte, nachdem er von schwerer Krankheit scheinbar -genesen, seine Arbeit wieder aufgenommen hatte, sah er mich aus seinen -hellfragenden, klugen Augen ganz wie früher an. Er war durchaus mitten -im Strom lebendiger Probleme<span class="pagenum"><a name="Seite_322" id="Seite_322">[S. 322]</a></span> und als ich neben anderen Fragen, auch -die eines Elektrizitätsmonopols streifte, war ich erstaunt, von ihm -Ansichten zu hören, die ich dem alten Privatindustriellen am wenigsten -zugetraut hätte. Ich habe damals unter dem frischen Eindruck seiner -Darlegungen ihren Gedankengang folgendermaßen aufgezeichnet:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Der ganz billige Strom, wie wir ihn zu Kraftzwecken unbedingt -brauchen, kann nur in Betrieben hergestellt werden, die über das -Ausmaß auch unserer bisherigen größten Zentralen weit hinausgehen. Die -Stadt Berlin verbraucht im Jahre alles in allem zurzeit vielleicht -300 Millionen Kilowattstunden, der preußische Eisenbahnfiskus dagegen -dürfte auf seiner einzigen kleinen elektrischen Vollbahnstrecke -Dessau-Bitterfeld bei vollem Betriebe fast das Doppelte an Strom -verbrauchen. Es ist also durchaus natürlich, daß der preußische Staat, -zumal bei einer fortschreitenden Elektrifizierung der Vollbahnen, -Kraftwerke bauen muß, die in bezug auf die Leistungsfähigkeit selbst -die größten lokalen Werke und Überlandzentralen weit übertreffen -werden. Da nun die Herstellungskosten des Stromes sich mit der Größe -der Anlagen und der produzierten Menge progressiv verringern, da -andererseits aber die staatlichen Werke ihre Kapazität sowie die für -einen regelmäßigen Bahnbetrieb unumgänglich notwendige Reservekapazität -nicht und vor allem nicht zu jeder Zeit voll ausnutzen können, ist es -natürlich, daß sie dazu übergehen, und auch schon dazu übergegangen -sind, Strom an Private abzugeben. Bereits kürzlich hat eines der -staatlichen Werke auf dem Wege der Submission ein Stromkontingent -von ca. 30 Mill. Kilowattstunden ausgeboten. Wenn wir in unseren -lokalen Elektrizitätswerken den Strom uns dadurch billiger schaffen -können, daß wir ihn von einem staatlichen Riesenwerk beziehen, so -sehe ich gar keinen Grund, warum wir uns eigensinnig gegen einen -derartigen Verzicht auf eigene Erzeugung sperren sollen. Wir beziehen -dann einfach Strom statt Kohlen und benutzen die lokalen Anlagen -für Stromverteilungszwecke. Die technischen Möglichkeiten der -Stromherstellung im großen sind beinahe unbegrenzt. Es wäre durchaus -möglich, daß der ganze Bedarf Europas an elektrischer Energie an -einem Orte hergestellt würde und die elektrische Fernübertragung -wäre durchaus imstande, diesen zentral hergestellten Strom über -ganz Europa und noch weiterhin zu versenden. Natürlich wird es -in der Praxis zu einer derartigen intensiven Konzentrierung der -Stromherstellung<span class="pagenum"><a name="Seite_323" id="Seite_323">[S. 323]</a></span> nicht kommen. Immerhin aber wird man voraussichtlich -über die jetzige Dezentralisation und Verzettelung hinausstreben -müssen. Ein Reichsmonopol allerdings ist für Deutschland wohl kaum -noch durchführbar, nachdem Einzelstaaten wie Bayern und Baden bereits -mit Hilfe ihrer Wasserkräfte durch Errichtung riesiger Werke ihre -Stromproduktion auf dem Wege der einzelstaatlichen Gesetzgebung -geregelt haben. Wohl aber wäre es denkbar, daß man für Preußen zu -einer monopolistischen Gestaltung der Stromerzeugung unter staatlicher -Führung oder Mitwirkung gelangte. Das notwendige Korrelat für eine -derartige großzügige Regulierung der Stromproduktion müßte allerdings -ein Enteignungsgesetz für die Zwecke elektrischer Anlagen, besonders -für Kabelführungen durch private und öffentliche Grundstücke bilden. -Heute sind, um derartige Durchführungen zu ermöglichen, komplizierte -Privatverträge erforderlich, die oft durch kleinliche Motive erschwert -werden.“</p> - -</div> - -<p>Es waren keine Projekte und spekulativen Phantasien, wie sie Rathenau -manchmal aus irgend einer Stimmung heraus entwickelte, um sie ebenso -schnell wieder zu vergessen. Diese Darlegungen gaben wohldurchdachte -Anschauungen wieder, die sich bei ihm und seinem Kreise über die -Fortführung einer Hauptrichtung ihres Gewerbes gebildet hatten und -deren systematisch-theoretische Durcharbeitung auch bald danach von -Mitgliedern dieses Kreises in Angriff genommen wurde. Anfang 1915 -veröffentlichte Dr. ing. Gustav <em class="gesperrt">Siegel</em> in den Preußischen -Jahrbüchern unter dem Titel „Der Staat und die Elektrizitätsversorgung“ -eine Arbeit, in der er den von Rathenau entwickelten Plan mit einem -ausführlichen Zahlen- und Datenmaterial zu begründen und die Tatsache, -daß die Reichszuständigkeit für das vorgeschlagene Monopol durch -Präjudiz in verschiedenen Einzelstaaten behindert werde, durch den -Vorschlag der Bildung eines <em class="gesperrt">Reichselektrizitätsverbandes</em> zu -überwinden suchte. Rathenau selbst schrieb dem Aufsatz ein kurzes -Vorwort, in dem er sich zu dem Grundgedanken zustimmend äußerte. Drei -Gesichtspunkte stellte er darin in den Vordergrund: Einmal Befriedigung -des Verbrauchs zu niedrigen Strompreisen, zweitens die Schaffung neuer -Einnahmequellen für den Staat und drittens die wenigstens teilweise -Erhaltung des Tätigkeitsgebietes für die bisherigen Träger des -Elektrizitätsgebietes. Rathenau schrieb:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_324" id="Seite_324">[S. 324]</a></span></p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Die seit einer Reihe von Jahren gepflogenen Erörterungen über die -seitens des Staates gegenüber der Elektrizität einzunehmende Haltung -haben durch das starke Bedürfnis nach Erhöhung der Staatseinnahmen -einen neuen Anstoß erhalten. Wenn die auf diesem Gebiete gestellte -Aufgabe eine zweckmäßige Lösung finden soll, ist darauf Bedacht zu -nehmen, unter Befriedigung des Verbrauchs zu niedrigen Strompreisen -dem Staate in der Elektrizität eine Quelle zu neuen Einnahmen zu -schaffen, indem ihm nicht über das unvermeidliche Erfordernis hinaus -Aufgaben und Lasten auferlegt werden und den bisherigen Trägern der -Elektrizitätsunternehmungen die Tätigkeit vorbehalten bleibt, in der -sie sich Jahrzehnte hindurch bewährt haben. Einen zu diesem Ziele -führenden Weg scheint mir der Verfasser der Arbeit „Der Staat und die -Elektrizitätsversorgung“ zu weisen, indem er empfiehlt, die elektrische -Arbeit an den Energiequellen durch staatliche Großkraftwerke zu -erzeugen und den Strom mit einem durch die wirtschaftlichere Erzeugung -ermöglichten Gewinn den Stromverteilungsunternehmen zu überlassen, die -die für sie erforderlichen Leitungsnetze anschließen und betreiben. -Diesem Grundgedanken der mir vorliegenden Arbeit pflichte ich durchaus -bei. Ohne zu den Ausführungen im Einzelnen Stellung zu nehmen, -möchte ich die eine Bemerkung hinzufügen, daß der von dem Verfasser -empfohlene Reichs-Elektrizitätsverband, der die von den Einzelstaaten -zu betreibenden Großkraftwerke zusammenfassen soll, dahin ausgestaltet -werden könnte, daß er die gesamten Einnahmen aus dem Stromabsatz der -Elektrizitätswerke einzieht und nach Entschädigung der Einzelstaaten -für die von ihnen gemachten Aufwendungen und nach ihrer angemessenen -Beteiligung an den Überschüssen den verbleibenden Ertrag an das Reich -zur Befriedigung des hier am dringendsten fühlbaren Bedürfnisses nach -neuen Einnahmen abführt.“</p> - -</div> - -<p>Siegel selbst sucht in seiner Arbeit nachzuweisen, daß die für ein -Elektrizitätsmonopol zumeist vorgebrachten Gründe, soweit sie den -Schutz der Verbraucher vor einer Vergewaltigung und Ausnutzung durch -private Elektrizitätsmonopole wie den Schutz der Installateure -vor einer Ausschaltung durch den überlegenen Wettbewerb der -Fabrikationsgesellschaften betreffen oder im Interesse der politischen -und militärischen Macht des Staates über die Kraftquelle der Zukunft -vorgebracht werden, nicht zwingend genug seien. Wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_325" id="Seite_325">[S. 325]</a></span> er trotzdem -einer Zentralisation der Stromerzeugung und im gewissen Sinne auch der -Stromverteilung zustimmt, so tut er dies lediglich aus Gründen der -technischen und wirtschaftlichen Ökonomie.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Es handelt sich darum, unmittelbar an ergiebigen Kraftquellen, an den -Fundstätten der Brennstoffe, an den Wasserkräften, den Torfmooren, oder -wo sonst sich billige Betriebsstoffe in ausreichender Menge finden, -Elektrizitätserzeugungsstätten größten Umfangs zu errichten und <em class="gesperrt">sie -durch ein nach einem einheitlichen Plane ausgebautes Hochspannungsnetz -zu verbinden</em>, das sich über das ganze Reich erstrecken und den -Ausgleich aller verfügbaren und benötigten Elektrizitätsmengen bilden -soll. Diese Aufgabe stellt sowohl in finanzieller wie organisatorischer -Hinsicht schwierige Probleme, die zwar auch ohne Mithilfe des Staates -vielleicht im Laufe von Jahrzehnten überwunden werden könnten, die -aber durch sein Eingreifen <em class="gesperrt">schneller</em>, <em class="gesperrt">zuverlässiger</em> und -<em class="gesperrt">vollständiger</em> einer glücklichen Lösung entgegengeführt würden.“</p> - -</div> - -<p>Siegel untersucht die Möglichkeiten und Bedingungen der -einzelnen Vorschläge, auf Grund deren eine Vereinheitlichung der -Elektrizitätserzeugung unter Wahrung der Interessen des Staates, -der Verbraucher und der Erzeuger durchgeführt werden könnte. Ein -lediglich kontrollierendes Elektrizitätsschutzgesetz, das keine -wirtschaftliche oder technische Umgestaltung der Verhältnisse, -sondern nur eine Abwägung der Interessen aller beteiligten Kreise -durch Zuweisung der Kontrolle an den Staat, Festlegung günstiger -Bezugsbedingungen für den Konsum, und Beseitigung der Wege- und -Leitungsschwierigkeiten für die Stromerzeugung auf dem Wege staatlicher -Gesetze und Verwaltungsnormative herbeiführen würde, lehnt er aus -zwei Gründen ab. Es würde einen Hemmschuh für die freie Entwicklung -der immerhin von starken Konkurrenzen, wie dem Gas, dem Petroleum, -dem Treiböl bedrängten Elektrizitätserzeugung bedeuten und dem -Staate keine Erträgnisse zuführen. Auch ein derartiges Schutzgesetz, -verbunden mit einem finanziellen Nutzen für den Staat, wird als -unsachgemäß bezeichnet. Denn eine Regelung, die darin bestehen -würde, die Erzeugung des elektrischen Stromes in den bisherigen -Händen, also denen der Privatindustrie, der kommunalen und der -gemischt-wirtschaftlichen Werke zu belassen, um den Staat an ihr nur -durch das Recht der Konzessionserteilung sowie<span class="pagenum"><a name="Seite_326" id="Seite_326">[S. 326]</a></span> durch Anteile am -Umsatz, Gewinn oder sonstige Abgaben zu beteiligen, würde letzten Endes -auf eine <em class="gesperrt">Elektrizitätssteuer</em> hinauslaufen, wie sie gelegentlich -der Reichs-Finanzreform von 1909 bereits einmal vorgeschlagen, aber -abgelehnt worden war. Eine solche Steuer-Ordnung müßte, da sie die -betriebliche Ökonomie der Elektrizitätsindustrie nicht verbessern, -sondern die bisherigen Methoden der Erzeugung beibehalten würde, -infolge der den Werken aufgebürdeten neuen Lasten eine Erhöhung der -Selbstkosten und dadurch eine Steigerung der Strompreise im Gefolge -haben, während doch umgekehrt die Bedürfnisse der Konsumenten — -und zwar mit berechtigtem Nachdruck — gerade auf eine Ermäßigung -der Strompreise hindeuten. Eine solche fiskalische Methode würde -letzten Endes auch den Interessen des Staats zuwiderlaufen, da eine -Verteuerung der Strompreise oder auch nur eine Erhaltung des jetzigen, -den Möglichkeiten der neuzeitlichen Technik nicht mehr entsprechenden -Preisniveaus die Einnahmen, die der Staat aus der Elektrizitätsregelung -erwartet, schmälern oder doch jedenfalls den von der Zukunft erhofften -Zuwachs stark herabmindern würde.</p> - -<p>Eine <em class="gesperrt">dritte</em> — die radikalste — <em class="gesperrt">Möglichkeit</em> bestünde -darin, halbe Maßnahmen jeder Art zu vermeiden, und sofort an die -gesamte Monopolisierung der Elektrizitätserzeugung und -Verteilung -heranzugehen. Diese Forderung besticht durch ihre staatssozialistische -Entschiedenheit und wird insbesondere von politischen Schriftstellern, -aber technischen Laien erhoben, die damit die Ausschaltung der -Privatindustrie am gründlichsten herbeiführen, die staatlichen -Einnahmen am stärksten steigern zu können meinen. Siegel geht davon -aus, daß der Staat nur die öffentlichen Elektrizitätswerke mit -einer nutzbaren Stromabgabe von 2,8 Milliarden Kilowattstunden, -nicht die viel umfangreicheren Einzelanlagen privater Erzeuger, mit -der viel größeren Stromabgabe von 10 Milliarden Kwstd. erwerben -würde und erwerben könnte. Der Erwerb der unzähligen, auf die -einzelnen Verbraucherbetriebe zugeschnittenen Privatanlagen käme -aus betrieblichen wie finanziellen Gründen nicht in Betracht. Er -würde dem Staat eine zersplitterte, statt einer zentralisierten -Elektrizitätswirtschaft aufhalsen und das Anlagekapital auf weit -über 6 Milliarden Mark steigern. Bereits bei der Übernahme der 4000 -öffentlichen Elektrizitätswerke müßte das aufzuwendende<span class="pagenum"><a name="Seite_327" id="Seite_327">[S. 327]</a></span> Kapital -2,9 Milliarden Mark betragen, und bei einem daraus zu erzielenden -Reinertrag von 167 Milliarden Mark würde für den Staat nach Abzug -der Zinsen von 4½% für das Anlagekapital ein frei verfügbarer -Überschuß von nur 37 Milliarden Mark verbleiben. Das sei bei einem -so riesigen Anlagekapital ein viel zu geringer Ertrag. Die ganze -Konstruktion eines solchen Monopols wäre aber weder vom Standpunkte -des Produzenten, noch von dem des Konsumenten, noch schließlich -auch von dem der Staatswirtschaft aus fortschrittlich, sondern -würde eher Keime zur Stagnation, oder gar zum Rückschritt in -sich tragen. Die Übernahme der vielen verschiedenartigen, teils -veralteten, teils halbmodernen, teils modernen Erzeugungsstätten zu -ihrem Gegenwarts- oder Vergangenheitswerte durch den Staat müßte -den Übergang zu einer wirklich zeitgemäßen Großerzeugung in wenigen -billig arbeitenden Zentralwerken erschweren, infolgedessen einer -Ermäßigung der Strompreise entgegenstehen, den Wettbewerb der privaten -Einzelanlagen und der übrigen konkurrierenden Kraftquellen stärken, -der Zukunftsentwicklung der Elektrizitätswirtschaft den Weg verlegen -und somit auch den — an sich schon geringen — staatlichen Ertrag -des Elektrizitätsmonopols gefährden. Siegel kommt infolgedessen auf -Grund seiner theoretischen Gründe und praktischen Berechnungen zu -der Empfehlung des oben erwähnten <em class="gesperrt">gemischten</em> Systems, bei -dem der Staat, ohne sich mit der Übernahme und Bezahlung alter und -veralteter Werke zu belasten, nur die zentralen Hauptkraftwerke an -den Standorten der Wasserkräfte, der Kohlenläger, der Torfmoore usw. -errichten, diese untereinander und mit den bestehenden öffentlichen -Privatwerken durch Hochspannungsanlagen verbinden und die letzteren -als Verteilungs- und Reserveanlagen in Privatbetrieb weiter bestehen -lassen würde, soweit er es nicht für zweckmäßig erachtete, einige -ganz besonders moderne Anlagen, die den Anforderungen zentraler -Erzeugung entsprechen, zur Beschleunigung und Erleichterung seiner -Produktionsaufnahme zu erwerben. Die Privatwerke sollen bei diesem -System durch die vorteilhafte Preisstellung der Zentralwerke veranlaßt -werden, von diesen den Strom zu besseren Bedingungen zu beziehen, als -sie ihn selbst in ihren eigenen Werken herstellen könnten. Besonders -leistungsfähige Privatwerke sollen aber auch berechtigt werden, an -staatliche Fernleitungen elektrische Kraft zu liefern, sofern sie dies -zu gleichen Preisen wie die<span class="pagenum"><a name="Seite_328" id="Seite_328">[S. 328]</a></span> Staatswerke zu tun vermöchten. Einen -gesetzlichen Zwang für die Privatwerke, Strom von den Staatszentralen -zu beziehen, will Siegel nicht schaffen, er erwartet die allmähliche -freiwillige Zentralisation vielmehr von den Vorteilen des billigeren -Bezuges. Die <em class="gesperrt">Verteilung</em> des Stroms soll wie bisher in den Händen -der privaten, kommunalen und gemischt-wirtschaftlichen Unternehmungen -verbleiben, die dadurch in die Lage versetzt würden, für ihre Anlagen -weitere Beschäftigung und für ihre Kapitalien weitere Verzinsung zu -finden, die auch besser als der Staat in der Lage seien, für die -Ausdehnung des Stromabsatzes werbend tätig zu sein. Die Träger der -staatlichen Unternehmung sollen die Bundesstaaten sein, die sich -ähnlich wie bei den Eisenbahnen zu einem „Reichs-Elektrizitätsverband“ -zusammenschließen müßten.</p> - -<p>Siegel errechnet bei einem Kapitalaufwand des Staates für den ersten -Ausbau der Fernleitungszentralen von 400 Millionen Mark, bei einem -durchschnittlichen Selbstkostenpreis von 1 Pfennig pro Kwstd. und einem -Verkaufspreis von durchschnittlich etwa 2,6 Pfennig auf Grund einer -jährlichen Verkaufsmenge von 6 Milliarden Kwstd., einen Reinüberschuß -des Staates von 60 Millionen Mark. Hinsichtlich der Zukunftsentwicklung -legt Siegel seiner Phantasie keine Zügel an. Er schreibt:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Nach einem weiteren Ausbau wird eine nutzbare Abgabe von etwa 12 -Milliarden Kilowattstunden in Frage kommen; die Zahl der Kraftwerke -dürfte sich dann auf etwa 35 erhöht haben. Die Gesamtkosten betragen -mit einem entsprechend erweiterten Ausbau der Hochspannungsleitungen -etwa 650 Millionen Mark. Unter ähnlichen Verhältnissen wie beim ersten -Ausbau läßt sich selbst unter Verringerung des Verkaufspreises noch -ein Reinüberschuß von etwa 90 Millionen Mark für den Staat erzielen. -Es dürfte auf diese Weise möglich sein, vielleicht im Laufe eines -Jahrzehnts einen großen Teil des gesamten Kraftbedarfs Deutschlands, -der einschließlich der Eisenbahnen weiter oben auf etwa 80 Milliarden -Kilowattstunden geschätzt wurde, aus den staatlichen Kraftwerken -zu liefern, selbstverständlich unter entsprechender Erhöhung der -Reineinnahme des Staates.“</p> - -</div> - -<p>Während sich Siegels Untersuchung auf eine Zusammenstellung der -<em class="gesperrt">wirtschaftlichen</em> Grundgedanken des Problems beschränkt und -die technischen wie statistischen Nachweise, sofern sie<span class="pagenum"><a name="Seite_329" id="Seite_329">[S. 329]</a></span> überhaupt -gegeben sind, in einer gewissen al fresco-Manier behandelt werden, -hat sich Professor Georg <em class="gesperrt">Klingenberg</em>, Direktor und Leiter der -Abteilung Elektrizitätswerke der A. E. G., mit einer statistisch -wie technisch sorgfältig durchgeführten Studie in einem Vortrag, -den er unter dem Titel „Elektrotechnische Großwirtschaft unter -staatlicher Mitwirkung“<a name="FNAnker_3_3" id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a> in Frankfurt a. M. hielt, mit derselben -Frage beschäftigt. Der Gedankengang seiner Ausführungen ist genau -derselbe wie bei Dr. Siegel, kleine Abweichungen brauchen hier nicht -hervorgehoben zu werden, auf technische und ökonomische Details, -so lehrreich sie auch sein mögen, kann ich im Rahmen dieses Buches -leider nicht eingehen. Interessant sind aber die Ergebnisse, zu denen -Klingenberg kommt. Er faßt sie in folgenden Leitsätzen zusammen:</p> - -<p>1. Die Zusammenfassung großer Gebiete zu einer einheitlichen und -großzügigen Elektrizitätswirtschaft läßt sich mit dem heutigen System -der Einzelanlagen nicht erreichen. Nur der Staat ist imstande, die -entgegenstehenden rechtlichen Schwierigkeiten zu beseitigen; hieraus -folgt die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs.</p> - -<p>2. Es empfiehlt sich nicht, den staatlichen Betrieb auch auf die -Verteilung elektrischer Arbeit zu erstrecken. Die Verteilung muß -vielmehr Sache derjenigen bleiben, die sie heute schon besorgen. Der -Staat muß sich auf die Erzeugung des Stromes und die Verkupplung der -Kraftwerke durch Hochspannungsleitungen beschränken.</p> - -<p>3. Das Übergewicht großer Werke gegenüber mittleren und kleinen -entsteht durch die geringeren Erzeugungskosten des Stromes, durch die -Ausnutzung billiger Brennstoffe und vor allem durch die Verkupplung der -Werke, die zur Verbesserung des Ausnutzungsfaktors und zur Verminderung -der Reserven führt. Diese Vorteile werden durch die erhöhten -Umformungs- und Fortleitungskosten zwar vermindert, als Endergebnis -bleibt jedoch eine ziffernmäßige Überlegenheit des staatlichen -Betriebes.</p> - -<p>4. Es werden Untersuchungen über die gegenseitigen Versorgungsgrenzen -mehrerer mit verschiedenen Brennstoffen arbeitender Großkraftwerke -angestellt.</p> - -<p>5. Ein staatlicher Wettbewerb mit den bestehenden großen und mittleren -Werken würde zu einem Mißerfolg führen. Der Staat kann deshalb nur -auf dem Wege vorgehen, daß er die bestehenden<span class="pagenum"><a name="Seite_330" id="Seite_330">[S. 330]</a></span> Werke als Abnehmer zu -gewinnen sucht. Für die bereits vorhandene Erzeugung ist dies nur -teilweise möglich, dagegen läßt sich der <em class="gesperrt">Zuwachs</em> fast restlos -für die staatlichen Werke sichern.</p> - -<p>6. Der Staat muß zu diesem Zwecke eine Anzahl von Großkraftwerken -an geeigneten Stellen errichten, sie mit 100000 Volt-Leitungen -untereinander verbinden, und an diese Umformerwerke anschließen, die -zur Versorgung der Verteilungsorganisation dienen. Die Einführung einer -Reihe von technischen Normalien ist hierbei wünschenswert.</p> - -<p>7. Es muß ferner eine einheitliche staatliche Organisation für diese -Aufgaben geschaffen werden.</p> - -<p>8. Unter Voraussetzung der zu erwartenden Entwicklung darf für das Jahr -1926 mit folgenden Zahlen für Preußen gerechnet werden:</p> - -<div class="grundkapital"> - -<p class="p0">Gesamte Erzeugung der staatlichen Werke 10 Milliarden Kwstd.<br /> -Anlagekapital 900 Millionen Mark.<br /> -Jährlicher Reingewinn 41 Millionen Mark.</p> - -</div> - -<p>9. Weitere Einnahmen lassen sich nur durch eine Besteuerung -erzielen. Von den vielen möglichen Steuerformen empfiehlt sich eine -unmittelbare <em class="gesperrt">Besteuerung der Beleuchtungselektrizität</em> und des -<em class="gesperrt">Beleuchtungsgases</em> in Höhe von 10 v. H. des Rechnungsbetrages und -eine mittelbare durch Besteuerung der <em class="gesperrt">Kohle</em>. Insgesamt wird ein -Erträgnis aus der Elektrizitätswirtschaft und den Steuern für 1926 von -320 Millionen Mark errechnet.</p> - -<p>Die Arbeit Klingenbergs hat in der Fachwelt manche Kritik -hervorgerufen. Insbesondere hat sich der Direktor des Städtischen -Elektrizitätswerkes in Kiel, <em class="gesperrt">Dr. Voigt</em>, in der Hauptversammlung -der Vereinigung der Elektrizitätswerke, die im wesentlichen -die kommunalen Werke umfaßt, gegen die Vorschläge Klingenbergs -gewandt, denen er das uneingestandene Motiv unterlegte, daß -die Elektrizitätsindustrie sich eine gute Geschäftskonjunktur -durch die Aufträge, die die Errichtung der neuen staatlichen -Elektrizitätszentralen mit sich bringen würde, schaffen wolle. Er -nannte im besten Falle die Erträgnisse des Monopols für den Staat sehr -bescheiden, erwartete sogar im Gegensatz zu Klingenberg Fehlbeträge -und fürchtete Nachteile für die Kommunen, deren Gasbetriebe durch -das Monopol nicht weniger beeinträchtigt werden würden als die -Elektrizitäts<span class="pagenum"><a name="Seite_331" id="Seite_331">[S. 331]</a></span>betriebe. „Die Aufgabe der staatlichen Großkraftwerke -sei letzten Endes auf die Stillsetzung der Ortskraftwerke gerichtet. -Damit werde eine große Zahl von Trägern selbständigen Lebens und -selbständiger Wirtschaft zugunsten einer Zentralisation ausgeschaltet, -deren technisch-wirtschaftliche Notwendigkeit nicht bewiesen sei.“ -Auf die Dauer werde neben der staatlichen Elektrizitätserzeugung eine -private oder gemeindliche Gaswirtschaft nicht bestehen können, deren -Verstaatlichung würde — wenn die Ergebnisse des Elektrizitätsmonopols -gut seien, aus dem Wunsch nach weiteren finanziellen Einnahmequellen -heraus, wenn sie schlecht seien, aus dem Wunsch nach ihrer Verbesserung -heraus — bald folgen und schließlich würde der Staat auch die Urquelle -beider Kräfte, die Kohle, mit Beschlag belegen. Die Klingenbergschen -Pläne zielten auf eine äußere und einseitige Zusammenfassung der im -Lande gebrauchten elektrischen Kräfte hin, während die natürliche -Entwicklung auf eine wirtschaftliche Sammlung aller an ein und -demselben Ort vorhandenen Energiemengen (offenbar durch die Kommunen. -Der Verf.) gerichtet sei.</p> - -<p>Klingenberg hat auf die Darlegungen Voigts geantwortet und die -Überzeugung ausgesprochen, daß die technisch mögliche Modernisierung -und Verbilligung der Stromerzeugung in zentralen Großkraftwerken, die -nach Voigts Ansicht ganz von selbst sich vollziehen werde, nur durch -staatliche Mitwirkung gelöst werden könne. Nur durch den Staat, der -allein die Macht hierfür besitze, würden sich die politischen Grenzen -zwischen den einzelnen Wegeberechtigten und deren partikularistische -Eigeninteressen soweit überwinden lassen, daß Großkraftwerke -geschaffen werden könnten. Von den bestehenden Werken weisen nur ganz -wenige befriedigende Ausnutzung auf. Das gelte insbesondere von den -städtischen Werken, die in ihrer bisherigen Entwickelung nur sehr -langsam auf die industrielle Versorgung eingegangen seien. Die Werke -— auch die meisten großstädtischen — seien viel zu klein, um größere -Industrien wirtschaftlich versorgen zu können. Aber nur durch die -Einbeziehung industriellen Anschlusses, nur durch die möglichst weit -getriebene Vermischung eines verschiedenartigen Verbrauches ließen -sich die höchstmöglichen wirtschaftlichen Vorteile erzielen, und -so gute Ergebnisse erreichen, wie sie durch die besten städtischen -Belastungen, nämlich die Straßenbahnen, erzielbar seien. Damit würden -die Erzeugungskosten auf einen Bruchteil der bisherigen heruntergehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_332" id="Seite_332">[S. 332]</a></span></p> - -<p>Zu dieser Kontroverse ist zu sagen, daß der rein technisch-ökonomische -Kern des Klingenbergschen Vorschlages zweifellos richtiger und -überzeugender ist als die von allen möglichen außerwirtschaftlichen, -kommunalpolitischen und partikularistischen Gesichtspunkten beeinflußte -Gegenargumentation Voigts, womit aber nicht gesagt werden soll, daß -in dieser Angelegenheit nur der technisch-ökonomische Gesichtspunkt -Beachtung verdient, wenn er zweifellos auch den wichtigsten Faktor des -Problems darstellt.</p> - -<p>Dennoch werden auch die Klingenbergschen Vorschläge oder vielmehr -Ergebnisse, an den hohen Erwartungen gemessen, mit denen man auf Grund -der großzügigen Perspektiven Rathenaus der Lösung der Monopolfrage -entgegensah, manch einen etwas enttäuscht haben. Klingenberg, der seine -Rechnung nur für Preußen aufgestellt, gelangt auf Grund eines von den -Staatswerken gedeckten Stromverbrauchs von 10 Milliarden Kwstd. und -bei einem Anlagekapital von 900 Millionen Mark für das Jahr 1926 zu -einem jährlichen Reingewinn von 41 Millionen Mark. Siegel berechnete -den in ganz Deutschland durch Staatswerke zu deckenden Stromverbrauch -nach Fertigstellung der von ihm vorgeschlagenen Anlagen auf 6 Milliard. -Kwstd. und kam bei einem Anlagekapital von 400 Mill. M. auf 60 Mill. -M. jährlichen Reingewinn. Sind Klingenbergs Berechnungen richtig, so -folgt daraus, daß jene Siegels — auf die Kilowattstunde berechnet — -viel zu optimistisch waren. Die Klingenbergschen Ergebnisse, die wohl -als besser fundiert gelten müssen, können aber vom Standpunkte der -Staatsfinanzwirtschaft betrachtet, nicht sehr befriedigen. Er will -im Jahre 1926 — also erst nach einem Jahrzehnt — dem Staate eine -Einnahme von 41 Millionen Mark zuführen, muß aber zu diesem Zwecke -in einer Zeit, in der Kapital sehr knapp sein wird, 900 Millionen -Mark investieren. Auch ihm selbst haben offenbar die finanziellen -Resultate, die sich allerdings nach Überwindung des Übergangsstadiums, -nach Amortisierung der alten, jetzt noch im lokalen Verteilungsprozeß -mitzuschleppenden Werke wesentlich erhöhen dürften, nicht genügt. -Darin liegt denn offenbar auch der Grund, daß er seinen Vorschlag -mit einer <em class="gesperrt">Besteuerung</em> der Beleuchtungselektrizität und des -Beleuchtungsgases — die ja vom Standpunkt der Konkurrenzfähigkeit der -deutschen Industrie auf dem Weltmarkte vielleicht nicht gefährlich, -aber vom Standpunkt der Verbraucherinteressen doch bedauerlich wäre -— verknüpft, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_333" id="Seite_333">[S. 333]</a></span> er auch die zweifellos auf einem ganz anderen -Blatte stehende Besteuerung der Kohle mit heranzieht, und ihr sogar -den Hauptanteil (200 Millionen Mark) an seiner mit 320 Millionen Mark -balanzierenden „Finanzreform“ aufbürdet.<a name="FNAnker_4_4" id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a></p> - -<p>Die Frage der Reichskonzentration, die recht schwierig geworden -ist, nachdem Bayern und Sachsen bereits selbständig Wege -beschritten haben, wie sie Klingenberg vorgeschlagen hat, wird -von diesem gar nicht behandelt, während sie von Siegel mit dem -Wort Reichs-Elektrizitätsverband leichthin abgetan worden ist. -Ganz so einfach dürfte es ja nicht sein, die Wasser-Elektrizität -Bayerns zum Beispiel mit der Kohlen-Elektrizität Preußens auf eine -gemeinsame Formel zu bringen, abgesehen davon, daß gerade die -größeren Bundesstaaten nicht ohne weiteres bereit sein werden, ihre -Elektrizitätskompetenzen auf das Reich übergehen zu lassen oder auch -nur Teile davon in eine Reichs-Elektrizitätsgemeinschaft einzubringen.</p> - -<p>Nach alledem kommen wir zu dem Ergebnis, daß der Gedanke der zentralen -Krafterzeugung der technischen und ökonomischen Folgerichtigkeit -nicht entbehrt, daß er aber starke Hemmnisse, die zum Teil aus der -Belastung der Gegenwart mit Rudimenten der Vergangenheitsentwickelung, -zum Teil aus dem bundesstaatlichen und kommunalen Partikularismus -stammen, überwinden muß, ehe er zu voller Wirkung und Reife erwachsen -kann. Die Ernte dieses fruchtbaren Gedankens wird erst in der -Zukunft gepflückt werden<a name="FNAnker_5_5" id="FNAnker_5_5"></a><a href="#Fussnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a>. Viel wird dabei auf die Frage ankommen, -welche Entwickelung in den nächsten Jahren das Vollbahnenproblem -nehmen wird. Geht der Staat nach dem Kriege in verstärktem Tempo -zur <em class="gesperrt">Elektrifizierung der Vollbahnen</em> über, wie das allerdings -nach den Erfahrungen des militärischen Verkehrs und bei der starken -Verschuldung aller kriegführenden Staaten nicht gerade erwartet -werden kann, so würden<span class="pagenum"><a name="Seite_334" id="Seite_334">[S. 334]</a></span> zur Deckung des Strombedarfs für die Bahnen -sowieso riesige Zentralstromwerke errichtet werden müssen, die -ganz natürlich zur Unterbringung ihrer überschüssigen Kapazitäten -versuchen würden, auch andere Großabnehmer an sich zu ziehen. Daß -auch der preußische Staat in solchem Falle danach streben würde, -diese Tendenz durch ein Strommonopol zu unterstützen, erscheint -naheliegend. Ebenso ist damit zu rechnen, daß sich bei einer solchen -Entwickelung, wenn nämlich die Anlageinvestitionen sowieso vorgenommen -werden müßten, und zur Deckung des zusätzlichen Absatzes an Private -nur vergrößert zu werden brauchten, die Erträgnisbedingungen für das -Staatsmonopol wesentlich verbessern würden. Je stärker nämlich in -der Zusammensetzung von neuem Bedarf (für die Bahnen) und von altem -Bedarf (für bestehende Verteilungsanlagen) der neue Bedarf, bei dem -eine Verzinsung und Amortisierung alter Anlagen nicht mehr in Betracht -kommt, dominieren würde, desto stärker und ungestörter würden sich -in der Monopolwirtschaft die technischen und ökonomischen Wirkungen -und Vorteile des Großkraftwerk-Betriebes ausprägen können. In jedem -Falle, ob nun die Elektrifizierung der Vollbahnen das Monopolproblem -begünstigen würde oder ob dieses sich ohne eine solche Stütze -durchzusetzen hätte, bleibt es fraglich, ob der Monopolgesetzgeber die -Frage des Anschlusses der bisherigen privaten Erzeuger — öffentlicher -Werke und Einzelanlagen — an das Monopolnetz so ganz von deren freiem -Willen abhängen lassen könnte, wie dies sowohl Siegel wie Klingenberg -voraussetzen. Das Riesenproblem der Kriegslastendeckung wird vielleicht -tiefere Eingriffe in das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht -der Privaten erforderlich machen und insbesondere dürfte ein -Elektrizitätsmonopol sich nicht damit begnügen, den viel geringeren -Teil der Elektrizitätserzeugung zu erfassen, der in den öffentlichen -Werken vereinigt ist, und den weit größeren Teil frei zu lassen, der in -den Einzelanlagen zum Ausdruck kommt. Gewiß ist für manche Unternehmer -die Versorgung durch Einzelanlagen, trotz der an sich höheren -Produktionskosten des Stroms in meist kleinen und oft unmodernen -Betrieben infolge der Ersparnis der Kosten des Leitungsnetzes -vorteilhafter als der Bezug aus einer öffentlichen, wenn auch ganz -modernen Zentrale. Es wird aber auch Fälle geben, in denen, namentlich -bei günstiger Lage der Zentralen, das Gegenteil zutrifft. Will man -aber<span class="pagenum"><a name="Seite_335" id="Seite_335">[S. 335]</a></span> schon den Besitzer einer bereits bestehenden Privatanlage um -der Kapitalien willen, die er in seine Zentrale gesteckt hat, nicht -zwingen, vom Staatsnetz teureren Strom zu beziehen, als er ihn sich in -seiner eigenen Anlage selbst herstellen könnte, so fällt doch diese -Rücksicht fort bei dem Unternehmer, der erst eine Privatanlage schaffen -oder eine schon bestehende erweitern will. Ihm schmälert man kein -wohlerworbenes Recht, wenn man ihn durch gesetzlichen Zwang oder durch -Prohibitiv-Steuer veranlaßt, seinen Strombedarf bei den Staatswerken -zu decken. Die Furcht Klingenbergs, daß dann ein Teil der Industrie -wieder von der elektrischen Kraftübertragung zur Dampftransmission -zurückkehren würde, erscheint mir kaum begründet. Der <em class="gesperrt">ganze</em> -Zusatzbedarf jedenfalls, gleichgültig ob er sonst durch öffentliche -Werke oder private Einzelanlagen gedeckt werden würde, gebührt -dem Monopol. Erst dann kann dieses auf die große und einträgliche -Neubeschäftigung rechnen, die ihm die Grundlage für eine sichere und -ergiebige Gewinn-Kalkulation bietet.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_336" id="Seite_336">[S. 336]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Fuenfzehntes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Fünfzehntes Kapitel</em><br /> - -Gemischt-wirtschaftliche Unternehmung</h2> - -</div> - -<p>Wenn man der Stellungnahme Rathenaus und seines Kreises für das -Elektrizitätsmonopol in der oben geschilderten Art neben den -objektiven, volkswirtschaftlichen Gründen auch so etwas wie ein -subjektives, sozusagen — im erlaubten Sinne — eigennütziges -Motiv unterlegen wollte, so könnte es im folgenden liegen: Der -kluge Realpolitiker, der sich bei allem Gedankenschwung nie an -Unmöglichkeiten klammerte, dessen Stärke darin bestand, immer nur -zu wollen, was er konnte, hatte wohl erkannt, daß die Tendenz zum -Staatsmonopol so stark sei, daß ihr auf die Dauer nicht Widerstand -zu leisten war. Gewisse Widerstände, denen Konzessionsanträge von -Privatgesellschaften für Großkraftwerke seit einiger Zeit bei der -Regierung begegneten, zeigten ihm, daß man dort die Zukunft nicht zu -„präjudizieren“, sondern sich die Freiheit des Handelns zu erhalten -wünschte. War sich die Privatunternehmung aber einmal klar darüber -geworden, daß sie die Zukunft auf dem Gebiete der Stromerzeugung -nicht mehr so würde beherrschen können wie die Vergangenheit und -zum Teil auch noch die Gegenwart, so war es für sie unklug, sich -gegen eine doch unvermeidliche Entwickelung zu sträuben, schließlich -besiegt zu werden und unter Bedingungen kapitulieren zu müssen, die -sie dann nicht mehr stellen, mit bestimmen oder auch nur beeinflussen -könnte. Bis zur Rolle des Expropriierten hat sich Emil Rathenau nie -drängen lassen. Er hielt es in solcher Lage für besser, mit den -Zukunftsmächten in einem Zeitpunkte zu paktieren, in dem er ihnen noch -als Gleichstarker, Ebenbürtiger, in freier Verhandlungs-, Forderungs- -und Konzessionsfähigkeit gegenübertreten konnte. Er wollte lieber -beizeiten einen Teil seiner Macht und seines Besitzes an Kräfte, -deren<span class="pagenum"><a name="Seite_337" id="Seite_337">[S. 337]</a></span> schließliche Überlegenheit er erkannt hatte, hergeben, um sich -durch dieses Opfer den anderen Teil zu erhalten, anstatt später einmal -alles zu verlieren. Auf unseren Fall übertragen: Rathenau hielt es -für richtiger und vorteilhafter, früh ein Strommonopol vorzuschlagen, -auf dessen Konstruktion und Beschaffenheit er bestimmend einwirken -konnte, statt schließlich eins nehmen zu müssen, bei dessen Formung und -Verwaltung er ausgeschaltet sein würde. Sein Elektrizitätsmonopol mit -der Zentralkraftherstellung durch den Staat und der Verteilung durch -die bisherigen Privatunternehmer läßt auch deutlich die Aufteilung der -Macht, des Besitzes, der produktiven und ertragsfähigen Arbeit zwischen -Staat und Privatindustrie erkennen.</p> - -<p>Genau nach diesem diplomatischen Rezept hatte sich Rathenau bereits -vorher mit einem anderen — kleineren, wenn auch für die Zeit seiner -Geltung sehr wichtigen — Problem abgefunden, nämlich dem Problem der -<em class="gesperrt">kommunalen</em> und sonstigen <em class="gesperrt">öffentlich-korporativen Einfluß- -und Besitzansprüche</em> auf dem Gebiete der Elektrizitätserzeugung. -Die Gefahr war auch hier die völlige Überführung der Stromversorgung -und Stromverteilung auf die Gemeinden, Kreise, Provinzen usw. und -damit die Expropriierung der Privatindustrie gewesen, die Lösung wurde -in der <em class="gesperrt">gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung</em> gefunden. Diese -ist im Verhältnis zum staatlichen Elektrizitätsmonopol, der Betriebs- -und Verwaltungsform der Größtkraftversorgung von morgen, das Gewand, -das die Großkraftversorgung der letzten Vergangenheit und zum Teil -auch noch der Gegenwart sich geschaffen hat. Eine Schöpfung, die im -<em class="gesperrt">Prinzip</em> bereits wieder überholt und überwunden ist, in der -Praxis aber die Verhältnisse gegenwärtig noch stark beherrscht. Ist das -Elektrizitätsmonopol die Rechts- und Betriebsform, der die zentrale -Fernkraftversorgung zudrängt, so ist die gemischt-wirtschaftliche -Unternehmung die typische Rechtsform der <em class="gesperrt">Überlandzentrale</em>.</p> - -<p>Um die ganze Atmosphäre, die historische Bedingtheit zu -verstehen, in der sich die gemischt-wirtschaftliche Unternehmung -entwickelte, muß man etwas weiter ausholen und sich kurz die -Entwicklung des <em class="gesperrt">Staatssozialismus</em> vergegenwärtigen, ehe -man sich dem für uns in Betracht kommenden damit verschwisterten -<em class="gesperrt">Kommunalsozialismus</em> zuwenden und neben dem technischen<span class="pagenum"><a name="Seite_338" id="Seite_338">[S. 338]</a></span> auch den -öffentlich-wirtschaftlichen Wurzelboden der gemischt-wirtschaftlichen -Unternehmung verstehen lernen kann.</p> - -<p>Eine Zeitlang hat es den Anschein gehabt, als ob der Staats- und -Kommunalsozialismus mit raschen Schritten das wirtschaftliche Gebiet -mit Beschlag belegen wolle, das den von ihm bereits beherrschten -Verwaltungsfeldern benachbart oder verwandt ist. Nachdem das Reich und -die Einzelstaaten mit bedeutendem Organisations- und Finanzerfolge die -großen Verkehrsmittel, wie Eisenbahnen, Post, Telegraph und Telephon, -verstaatlicht hatten, nachdem auch in den Kommunen vielfach mit Erfolg -versucht worden war, Anstalten lokaler Ausbreitung und öffentlichen -Charakters, wie Straßenbahnen, Schlachthäuser, Wasserwerke, Gas- -und Elektrizitätswerke, in eigenen Betrieb zu nehmen, schien die -Entwicklung darauf hinzuzielen, die privatwirtschaftlichen Reste -innerhalb dieses von der Theorie bereits mit Entschiedenheit für -die öffentliche Unternehmung in Anspruch genommenen Gebietes auch -praktisch zu verdrängen. Es gab eine Zeit — und sie liegt gar nicht -einmal weit zurück —, in der es zum Beispiel für die städtischen -Verwaltungsorgane, für die Presse und die Bürgerschaft von Berlin -außer Zweifel stand, daß alle Straßenbahnen und Elektrizitätswerke -beim Erlöschen der Privat-Konzessionen städtisch werden müßten; in der -es das Ziel jeder großzügigen Gemeindepolitik war, alle derartigen -Anstalten in kommunale Verwaltung zu bringen, einerseits um die -Anstalten den öffentlichen Gesichtspunkten besser und unabhängiger von -privaten Unternehmerinteressen dienstbar zu machen, andererseits auch, -um die aus den Anstalten erzielten Unternehmergewinne den Kommunen in -vollem Umfang zuzuführen.</p> - -<p>Der Kreis der für den öffentlichen Betrieb geeigneten Unternehmungen -erweiterte sich immer mehr. Die bereits öffentlich betriebenen -Gewerbe zogen andere nach sich, die als Hilfsgewerbe für sie wichtig -waren. Der preußische Staat errichtete in Westfalen staatliche -Kohlenbergwerke, um den Kohlenbezug für seine Bahnen sicherzustellen -und sich von der Preisdiktatur des Kohlensyndikats unabhängig zu -machen. Das war in einer Zeit, in der die Kartellbildungen noch neu -waren und, namentlich was die Roh- und Halbstoffindustrien anlangt, -nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch bei den Regierenden -Beklemmungen erweckten und Gegenwehr erheischten.<span class="pagenum"><a name="Seite_339" id="Seite_339">[S. 339]</a></span> Den schlüpfrigen -Boden eines Kartellgesetzes scheute man sich zu betreten, da man -nicht wußte, wie sich die neuen Organisationen entwickeln würden, da -man auch fürchtete, für die Gesamtwirtschaft vielleicht fruchtbare -(und tatsächlich außerordentlich fruchtbar gewordene) Möglichkeiten -durch Bureaukratismus und Polizeimaßregeln zu verbauen. So versuchte -man es mit einer indirekten Methode der Sicherung, indem man in -staatlichen Konkurrenzwerken Gegengewichte gegen die Überspannung -des Unternehmereigennutzes zu schaffen suchte. Aus dieser Stimmung -heraus motivierte man die neuen Unternehmungen nicht nur mit -den fiskal-wirtschaftlichen Beweggründen der Sicherstellung des -Kohlenbedarfs für die staatlichen Bahnen, sondern man stellte sie -auch unter die Gesichtspunkte der Wahrung allgemeiner Bürger- (das -heißt Verbraucher-)Interessen. Es mag dahingestellt sein, ob man -sich damals klar darüber war, wie weit man mit solchen immerhin nur -in beschränktem Umfange vorgenommenen Experimenten das angestrebte -Ziel überhaupt erreichen konnte, oder ob man mit der Möglichkeit -rechnete, diesen Experimenten im Erfolgsfalle eine breitere Basis -zu geben, oder ob man vielleicht nur aus einer Stimmung, nicht aus -einem durchdachten Plane heraus staatssozialistischen und auch -bodenreformerischen Bestrebungen, die sich damals zu einem System -gerundet hatten, eine Konzession machen wollte. Jedenfalls griff die -staatssozialistische Theorie die vereinzelten Eroberungszüge, die die -öffentliche Unternehmung aus dem Gebiet der Kommunikationsmittel in -das Gebiet der Produktionsmittel unternahm, sofort begeistert auf und -verallgemeinerte sie zu Forderungen, nach denen die Bodenschätze und -Bodenwerte eines Landes nicht von einzelnen Unternehmern nach Belieben -ausgenutzt werden dürften, sondern im Interesse der Allgemeinheit -verwendet werden müßten. Damit war eine Atmosphäre geschaffen, -in der es auch im kommunalen Leben als überaus rückständig galt, -Unternehmungen öffentlicher Art mit lokal umgrenztem Wirkungskreise -privaten Unternehmern zu überlassen.</p> - -<p>Es ist aber bald ein Rückschlag eingetreten. Er mußte eintreten, da -es sich zeigte, daß staatssozialistische Experimente, auf schmaler -Grundlage zaghaft und ohne volle Konsequenz ausgeführt, ohne -organische Umbildung des ganzen Wirtschaftslebens auf ungünstige -Betriebsbedingungen angewiesen, ohne Monopolrechte dem in vielen -Dingen freieren Wettbewerb der Privatunternehmer unter<span class="pagenum"><a name="Seite_340" id="Seite_340">[S. 340]</a></span>legen, keinen -überzeugenden und namentlich keinen schnellen Erfolg haben konnten. -Die Verstaatlichung der Eisenbahnen gelang, weil hier ein Monopol -geschaffen wurde, dessen ganze Organisation dem bureaukratischen -Apparat entgegenkam und dessen Betrieb mehr die verwaltende als die -propagandistische Seite der Kaufmannstätigkeit in Anspruch nahm. Die -Ordnung, die Sicherheit, die Einheitlichkeit bedeuteten hier mehr -als die bloße geschäftliche Nutzwirkung, die möglicherweise beim -Privatbetriebe größer gewesen wäre als beim Staatsbetriebe. Was aber -für die Kommunikationsmittel galt, das galt nicht in gleicher Weise -für die Produktionsmittel. Die teurere Betriebsweise des Staates, -die im bureaukratischen Betriebe wie in der staatssozialistischen -Idee begründeten Hemmungen des unternehmerischen Agens, würden auch -bei einer vollständigen Verstaatlichung vieler Produktionsmittel -(namentlich solcher, die in ihrem Absatzradius nicht auf die -Staatsgrenzen beschränkt, sondern auf den Ausfuhrmarkt angewiesen -sind) den volkswirtschaftlichen Nutzeffekt der Industrien -herabgedrückt haben, ohne daß diese Nachteile auf der anderen Seite -durch so große Vorteile wie bei den Eisenbahnen aufgewogen worden -wären. Ganz besonders augenfällig mußte diese Unterlegenheit des -staatlichen Betriebes in Erscheinung treten, als der Staat auf -privatkapitalistischem Boden mit der Privatindustrie in Wettbewerb -trat, als er sich nicht die monopolistische Form schuf, die seiner -Verwaltungsmethode entsprach. Hier mußte er den Kürzeren ziehen, nicht -nur weil seine Arbeits- und Verwaltungsweise weniger beweglich war, -sondern auch weil er in seiner Unternehmerpolitik naturgemäß sozialer -und rücksichtsvoller sein mußte als die Privatindustrie.</p> - -<p>Die Tatsache, daß die staatssozialistischen Eroberungszüge in das -Gebiet der Produktionsmittel, geführt mit dem Rüstzeug und auf dem -Boden der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, unergiebig ausgelaufen -sind und auslaufen mußten, schien vor dem Kriege fast festzustehen. -Was der Krieg an <em class="gesperrt">unfreiwilligen</em> und durch die Verhältnisse -erzwungenen staatssozialistischen Verwirklichungen umfassenderer Art -gebracht hat, welche Erfahrungen — sie schienen zuerst günstiger, dann -wieder ungünstiger zu sein, als man erwartet hatte — dabei gemacht -wurden, braucht uns hier ebenso wenig zu interessieren wie die Folgen, -die sich daraus ergeben werden. Denn wir sprechen von dem Zeitpunkt -und den Zeitverhältnissen, aus denen<span class="pagenum"><a name="Seite_341" id="Seite_341">[S. 341]</a></span> die gemischt-wirtschaftliche -Unternehmung historisch entstand und die wir in ihren Ursachen und -Anlässen zu erklären haben.</p> - -<p>In dieser Zeit war nun die Folge der wenig erfolgreichen -staatssozialistischen Experimente, daß die Stimmung in den Kreisen der -Regierenden unsicher wurde, und neues Feld für staatssozialistische -Versuche nicht mehr zu gewinnen war. Der Fiskus, der bei der ganzen -Sache viel riskiert und wenig gewonnen hatte, sträubte sich und -verlangte aus dem Spiel gelassen zu werden, und somit war der -Bildung von Unternehmungen, die eine rein staatliche Verwaltung -und beträchtliche staatliche Mittel erforderten, zunächst der Weg -erschwert. Dennoch war die Luft inzwischen mit staatssozialistischen -Ideen derart getränkt worden, daß ein völliger Rückzug nicht mehr gut -möglich war. So kam man denn schließlich zu dem <em class="gesperrt">Aushilfsgebilde</em> -der <em class="gesperrt">halböffentlichen Betriebs- und Verwaltungsform</em>. Verschiedene -brennende Probleme der Industriepolitik suchte man mit ihr zu -bewältigen. So stellte die Diamantenregie Dernburg-Fürstenbergs ein -gelungenes, für die Privatunternehmung und den Staat vorteilbringendes -Beispiel, die Regelung des Kaliabsatzes, die der Industrie als -solcher nur Unsegen und dem Staate keinerlei Vorteil brachte, ein -mißglücktes Beispiel dieser halbstaatlichen Verwaltungsform dar. -Alle diese Experimente liegen aber nicht mehr ausschließlich in der -Richtung des Staatssozialismus; sie laufen nicht lediglich auf eine -Regulierung, Machtbeschränkung und Erziehung der Produzenten im -staatlichen und Konsumenten-Interesse hinaus. Zu derselben Zeit, da -der Staat seine Bemühungen, den großen Unternehmerorganisationen mit -Staatssozialismus beizukommen, fast schon aufgeben wollte, hatten die -Unternehmer erkannt, welche Möglichkeiten ihnen der Staatssozialismus -für die Aufrechterhaltung ihrer künstlichen Marktregelungen zu -bieten vermochte. Das Argument, daß man die wirtschaftliche Lage, -wie sie durch die ehemals als Feinde bekämpften Kartelle seit Jahren -befestigt worden war, im volkswirtschaftlichen Interesse nicht -zusammenbrechen lassen dürfe, daß aus der Auflösung dieser oder jener -„bewährten Organisation“ unberechenbare Folgen sich ergeben würden, -wurde nicht selten als Vorspann für die Forderung oder Verwirklichung -halböffentlicher Regelungen von den privaten Unternehmern selbst -benutzt und die Verbraucher mußten noch froh sein, wenn bei derartigen -auf Anregung der Produzenten vorgenommenen Regelungen<span class="pagenum"><a name="Seite_342" id="Seite_342">[S. 342]</a></span> durch gewisse -Lieferungsvorschriften auch auf sie Rücksicht genommen wurde.</p> - -<p>Diese ganze Hemmung und Umbiegung einer in ihrer Art und Richtung -anfänglich recht entschiedenen Bewegung ist aber nicht lediglich auf -die obengeschilderte wirtschaftliche und betriebliche Überlegenheit -der Privatindustrie über die Staatsindustrie (wohlgemerkt, wenn sie -nach dem System und auf dem Boden der Privatindustrie arbeitet), -sondern auch auf die Überlegenheit der privatwirtschaftlichen -<em class="gesperrt">Finanztechnik</em> über die staatswirtschaftliche zurückzuführen. Es -ist durchaus kein Zufall, daß die Resignation des Staatssozialismus -mit dem damals vielleicht vorläufigen, aber doch recht entschiedenen -<em class="gesperrt">Siege der Industrieaktie</em>, ja sogar der Industrieobligation, -über die Staatsrente zeitlich zusammenfiel. Einstmals besaß die -staatliche Unternehmung vor der privaten den einen, manche Nachteile -ausgleichenden Vorteil der wesentlich billigeren Geldbeschaffung. -Hier hat die neuere Entwicklung abschwächend gewirkt. Als der Staat -noch sein Leihgeld mit nur 3 oder 3½% zu verzinsen brauchte, die -Privatindustrie aber für das ihrige 5 bis 6% oder noch mehr zahlen -mußte, bestand hinsichtlich der Sicherheit und Stabilität zwischen -Staats- und Privatpapieren eine scharfe Trennungslinie. Auch heute sind -Staatsanleihen theoretisch noch sicherer als die besten Privatpapiere, -aber je mehr die großgewerblichen Kartelle und Trustgebilde die -privatindustrielle Rente ausgeglichen und befestigt haben, um so -mehr ist die <em class="gesperrt">praktische</em> Sicherheitsgrenze verwischt worden. -Dazu kam, daß die zunehmende Industrialisierung unserer Wirtschaft -schon im Frieden eine andauernde Verteuerung der Lebenshaltung und -ein andauerndes Sinken des Geldwerts im Gefolge hatte, wodurch der -Rentner veranlaßt worden ist, auf eine höhere Verzinsung seines -Kapitals hinzuarbeiten. Es war eben die Rückwirkung der überwiegend im -Produzenteninteresse liegenden Wirtschaftspolitik, die der Staat in -den letzten Jahrzehnten getrieben hatte und vielleicht mit Rücksicht -auf die Gesamtwirtschaft und ihre Stellung im Wettbewerb auch treiben -mußte, daß der Staat nun diese Politik bei seiner Finanzgebarung am -eigenen Leibe nachteilig zu spüren bekam. Jedenfalls hatte diese -Entwicklung, welche die althergebrachte, in der Finanzwissenschaft -beinahe zum Dogma gewordene Lehre von dem Abstand zwischen Staatsrente -und Industriepapier zuungunsten der Staatsrente ver<span class="pagenum"><a name="Seite_343" id="Seite_343">[S. 343]</a></span>schob, für eine -Weiterbildung der staatssozialistischen Ansätze starke finanzpolitische -Hemmungen geschaffen.</p> - -<p>Die zurückflutende Welle der staatssozialistischen Bewegung hat -naturgemäß auch die Entwicklung des <em class="gesperrt">Kommunalsozialismus</em>, die -an sich schon durch allerlei Reibungen in ihrem zeitweilig kräftigen -Vorwärtsdrängen gehemmt worden war, nicht unberührt gelassen. Das -bureaukratische Betriebssystem ist mit seinen Nachteilen und Vorteilen -in der Kommune und der sonstigen öffentlichen Körperschaft ungefähr -dasselbe wie im Staate. Das schwerfällige Rechnungs- und Haushaltswesen -der öffentlichen Gemeinschaften, das ohnehin die Beweglichkeit und -Elastizität der privaten Unternehmertätigkeit nicht zuläßt, macht -sich vielleicht in den Kommunen noch störender bemerkbar, weil -bei ihnen nicht nur der eigene Instanzenzug, sondern auch der der -übergeordneten Staatsbehörde zu berücksichtigen ist. Selbst wenn eine -Kommune Unternehmungen in eigenen Betrieb übernehmen wollte, ist ihr -dies häufig (man denke an die Erfahrungen der Stadt Berlin in der -Straßenbahn-Verstadtlichungsfrage und bei dem Ankaufsgebot auf das -Tempelhofer Feld) durch die Staatsregierung erschwert, wenn nicht ganz -unmöglich gemacht worden.</p> - -<p>Ein weiterer und sehr wichtiger Grund, der einer allzustarken -Ausdehnung des Kommunalsozialismus — selbst wenn betriebliche -Gründe, von denen noch die Rede sein wird, ihm nicht von selbst -schon gewisse Schranken gezogen hätten — hinderlich werden mußte, -war wieder die Finanzierungsfrage, die sich für die Kommunen noch -schwieriger gestaltete als für den Staat. Der Kapitalmarkt, schon -an sich den festverzinslichen Rentenwerten nicht mehr so geneigt -wie früher, vermochte die sich von Jahr zu Jahr häufende Menge von -Stadt- und Kommunalanleihen nicht mehr aufzunehmen; das Wettrennen -zwischen den Staaten, Kommunen, Bodenkreditanstalten und industriellen -Unternehmungen um den günstigsten Platz auf dem Anleihemarkte -drohte diesen der Schonung dringend bedürftigen Markt völlig zu -desorganisieren. Die Städte hatten unter diesen Umständen Mühe, -ihren bei den erhöhten Anforderungen der modernen Kommunalpolitik -schon an und für sich stark angeschwollenen Geldbedarf für reine -Verwaltungszwecke recht und schlecht zu decken. Die Aufgaben des -Kommunalsozialismus mußten so nach Möglichkeit eingeschränkt oder -zurückgestellt werden, und sie ließen<span class="pagenum"><a name="Seite_344" id="Seite_344">[S. 344]</a></span> sich leichter zurückstellen -als die übrigen öffentlichen Aufgaben. Man kann der Regierung -infolgedessen nicht so unrecht geben, wenn sie die Kommunen mehrfach -zur Einschränkung ihrer Anleiheausgaben aufgefordert und so indirekt -auf eine Eindämmung des reinen Kommunalsozialismus hingewirkt hat. -Emil Rathenau, der diese Entwickelung frühzeitig erkannt hatte, -machte verschiedene Versuche, um aus ihr Nutzen zu ziehen oder doch -die sich daraus für die Elektrizitätsbewegung ergebenden Nachteile -zu beseitigen. Ein erster Versuch in dieser Richtung, der darin -bestand, <em class="gesperrt">Elektrotreuhandbanken</em> zu errichten, die den Kommunen -und Korporationen zur Errichtung von Elektrizitätsunternehmungen -Obligationenkredit einräumen sollten, führte zu keinem rechten -Ergebnis. Dagegen bürgerte sich die ähnlichen Zwecken dienende -gemischt-wirtschaftliche Unternehmung ziemlich schnell und umfassend -ein und die Kommunalpolitik nahm bereitwillig diese Form an, als das -Großgewerbe — den Zeichen der Zeit folgend — sie ihr sozusagen auf -halbem Wege entgegenbrachte. Man hat sie hier sogar in verhältnismäßig -kurzer Zeit praktisch wirkungsvoller auszugestalten vermocht, als dies -dem Staat gelungen ist. Allerdings gerade denjenigen Vorteil, den -der theoretische Befürworter und Ausgestalter dieser Form, Geheimrat -Freund, vielleicht als den ausschlaggebenden angesehen hat, konnte sie -nicht erbringen. Sie vermochte nicht mit der privatwirtschaftlichen -Initiative und Beweglichkeit die billigere Geldbeschaffung der Kommunen -zu vereinigen, eben weil eines der Hauptmotive zu ihrer Bildung und -zur Abkehr der Kommunen von eigenen Betrieben die Überspannung des -Kommunalkredits gewesen ist.</p> - -<p>Anwendung gefunden hat die Form der gemischt-wirtschaftlichen -Unternehmung bisher hauptsächlich bei Elektrizitätswerken (Kraft-, -Lichtwerken und elektrischen Bahnen), Kleinbahnbetrieben, und mit -schwächeren Ansätzen auf dem Gebiet der Grundstücksunternehmung. Im -nachfolgenden soll ausschließlich von dem uns im Rahmen unserer Arbeit -vornehmlich angehenden Anwendungsgebiet der Elektrizitätsbetriebe die -Rede sein.</p> - -<p>Will man verstehen, warum gerade das <em class="gesperrt">elektrische Lokal- -und Überlandunternehmen</em> die Hauptanwendungsform für die -gemischt-wirtschaftliche Unternehmung geworden ist, so muß -man notwendig auf die Entstehung und Geschichte der loka<span class="pagenum"><a name="Seite_345" id="Seite_345">[S. 345]</a></span>len -Elektrizitätsunternehmungen zurückgehen. Sie gehörten im Anfang nicht -zu jenen Betrieben, die mit städtischen Mitteln und in städtischer -Verwaltung errichtet wurden. Das hat seinen Grund vor allem darin, daß -vor der Elektrizitätszentrale die Gasanstalt da war. Die Errichtung der -ersten lokalen Zentralbeleuchtungsanstalt war naturgemäß eine wichtige -Angelegenheit jeder einigermaßen fortgeschrittenen Kommunalpolitik. -Es bildete eine fast unerläßliche Aufgabe jeder größeren Kommune, -eine zentrale Beleuchtung einzuführen, die nicht nur eine helle -Lichtwirkung, sondern auch eine bequeme Bedienung ermöglichte. Diese -Möglichkeit bot zuerst das Gas, und da die Privatunternehmung nicht -mit einer an der Gasherstellung interessierten Spezialindustrie -zusammenhing, und da sich überdies die Städte damals noch nicht damit -befreunden konnten, ihren Straßengrund der privaten Röhrenverlegung -preiszugeben, so mußten die Kommunen, wenn sie sich modernes Licht -schaffen wollten, die Gaszentralen und die verteilenden Röhrennetze in -vielen Fällen selbst errichten (wenngleich auch auf diesem Gebiete der -Privatunternehmung ein größeres Arbeitsfeld verblieb). Als dann geraume -Zeit später die elektrische Beleuchtung aufkam, zögerten die Kommunen, -die ja ihr Beleuchtungssystem in eine immerhin moderne Verfassung -gebracht hatten, neben ihren Gaswerken noch Elektrizitätswerke zu -bauen. Das Bedürfnis dafür schien nicht unbedingt vorhanden zu sein, -zumal da die Gasbeleuchtung den Kampf mit der Elektrizität tatkräftig -und lange Zeit erfolgreich führte. Das Elektrizitätswerk stellte zudem -eine technisch wesentlich kompliziertere, in ihrem Betriebe besonders -in der ersten Zeit schwerer zu übersehende Unternehmung dar als die -Gaszentrale. Auch beschränkte sich die Elektrizität nicht auf das -Beleuchtungsgebiet, vielmehr griff sie in der Form von Antriebsenergie -für alle Arten von Maschinen direkt auf das industrielle Leben über -und in den allgemeinen Produktionsprozeß hinein. Man scheute sich -daher in kommunalen Kreisen zunächst, eine so vielfältige und schwer -übersehbare Produktion in eigene Verwaltung zu übernehmen. Da griff -denn die Elektrizitätsindustrie — als Großinteressentin an der -Ausbreitung der elektrischen Energie — wie wir dies in unserem Buche -bereits ausführlich geschildert haben, mit privater Initiative ein. -Die privaten Elektrizitätswerke, an die zumeist auch elektrische -Straßenbahnnetze angeschlossen wurden, entwickelten sich trotz der -beträchtlichen Abgaben, die an die Kommunen<span class="pagenum"><a name="Seite_346" id="Seite_346">[S. 346]</a></span> zu entrichten waren, -so nutzbringend, daß die Privatindustrie gern die ganze kommunale -Elektrizitätsversorgung dauernd in ihrer Hand behalten hätte. Je mehr -aber die hohe Nutzwirkung der Stromerzeugung ersichtlich wurde, desto -mehr zeigte sich bei den Kommunen das Bestreben, diese Quelle reichlich -strömender Gewinne völlig für sich mit Beschlag zu belegen. Es kam -die Periode, in der allenthalben die Verstadtlichung der elektrischen -Kraftwerke und Straßenbahnen angestrebt und vielfach auch durchgesetzt -wurde.</p> - -<p>Zweifellos haben die Kommunen dabei keine schlechten Erfahrungen -gemacht. Die von ihnen geführten Betriebe wurden vielfach geschickt -verwaltet, ihre Erträgnisse befruchteten die kommunalen Finanzen, -und für die Verbraucher ergaben sich befriedigende Verhältnisse. -Dennoch ist die kommunalsoziale Strömung im Elektrizitätswesen schon -nach kurzer Zeit verlangsamt worden. Daran waren neben den oben -geschilderten finanziellen Gründen auch verwaltungspolitische und -betriebstechnische schuld. Die Übernahme von Elektrizitätswerken, -elektrischen Straßenbahnen usw. in städtische Regie erforderte -eine beträchtliche Verstärkung der kommunalen Beamten- und -Arbeiterschaft; sie schuf verwickelte Besoldungsprobleme und rapide -anschwellende Pensionsetats. Überdies erforderte die Eigenart -des elektrischen Betriebes die Anstellung besonders tüchtiger -und demgemäß auch teurer Kräfte, deren Bezahlung innerhalb der -kommunalen Beamtenschaft Schwierigkeiten bot. Alles dies in einer -Zeit, in der die Kommunalpolitik notgedrungen auf größtmöglichste -Sparsamkeit und auf Einschränkung der Ausgaben hinarbeiten mußte. Das -ausschlaggebende Moment war aber doch wohl das betriebstechnische. -Die <em class="gesperrt">Elektrizitätswerke</em> fingen an <em class="gesperrt">zu groß</em> zu werden, -als daß ihr Wirkungsgebiet sich hätte auf eine einzige mittlere oder -selbst große Kommune beschränken können. Elektrizitätszentralen, -die auf der Höhe der Technik und Wirtschaftlichkeit stehen -sollten, mußten neben der Zentralstadt nicht nur die Vororte und -benachbarten Landkreise, sondern auch weitere Zentralstädte in ihren -Versorgungsradius ziehen. Den einzelnen Kommunen wuchs mit anderen -Worten das Problem der wirtschaftlichen Elektrizitätsversorgung -aus den Händen. Sie machten zwar gelegentlich den Versuch, sich zu -Verbänden oder Verbands-Aktiengesellschaften zusammen zu schließen, -aber solche Versuche gelangen doch nur ausnahmsweise, zumal da sich -gleichzeitig die Elektrizitätserzeugung<span class="pagenum"><a name="Seite_347" id="Seite_347">[S. 347]</a></span> der großen Industriezentren -mit überzeugendem Nutzen an privatindustrielle Produktionsstätten -anzulehnen begann, die einen Teil ihrer überschüssigen oder billig -zu erzeugenden Kraft für die Elektrizitätserzeugung hergeben -konnten. Hier liegt die große produktive Leistung Hugo Stinnes, -der — ohne eigentlich Elektrizitätsfachmann zu sein — eine -derartige Elektrizitätserzeugung auf montanindustrieller Basis zum -ersten Mal in großem Stile aufnahm, die Gichtgase seiner Hochöfen -als Antriebskraft für riesige Dynamomaschinen benutzte und in -seinem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk eine technisch -wie kaufmännisch gleich hervorragende Organisation schuf. In diese -Organisation zog er eine große Reihe rheinisch-westfälischer Groß- und -Kleinstädte, Landgemeinden und Privatkonsumenten mit hinein. Was Emil -Rathenau vorschwebte, als er vor Jahrzehnten bereits aus den damaligen -Schwierigkeiten seiner privaten Kraftwerke heraus ein Zusammenwirken -zwischen Privatindustrie und Gemeinden auf genossenschaftlicher -Grundlage vorschlug, was er später beim Elektrizitätswerk Straßburg -i. E. durch Verbindung eines Konzessionsvertrages mit einer mäßigen -Aktienbeteiligung der Kommune vorbereitend anbahnte, ist beim -Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk aus den Unzulänglichkeiten -lokaler Elektrizitätsversorgung heraus voll verwirklicht und in reifer -Form angewendet worden.</p> - -<p>Hugo Stinnes hat nicht nur zuerst das technische Problem der -montanindustriellen Großzentrale bewältigt, er hat auch zugleich -die grundsätzliche wirtschaftliche Unternehmungsform gefunden, -die es gestattete, einen privaten Industriebetrieb mit einer oder -mehreren kommunalen Körperschaften zu einem Interessenverbande zu -vereinigen. Er wählte die Form der Privat-Aktiengesellschaft, an deren -Finanzierung sich sowohl das private Unternehmerkapital als auch die -Kommunen beteiligten, und in deren Verwaltungsrat sowohl Vertreter -der beteiligten Kommunen als auch der privaten Unternehmerkreise -saßen. Ging beim Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk die -Anregung zur Bildung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens -von der Rohstofflieferantin, der Montanindustrie, aus, so gab -bei anderen Bildungen dieser Art die Materiallieferantin, die -Elektrizitätsindustrie, den Anstoß. Diese Industrie, die seit -langem mit der Errichtung von Elektrizitätswerken in eigener Regie -oder in der Regie von Tochterunternehmungen günstige finanzielle -Erfolge<span class="pagenum"><a name="Seite_348" id="Seite_348">[S. 348]</a></span> erzielt hatte, indem sie sich nicht nur für den Absatz ihrer -Fabrikate Stützpunkte schuf, sondern auch noch die Quelle reichlich -und ziemlich gleichmäßig fließender Rentengewinne erschloß, diese -Industrie hat sehr schnell eingesehen, daß sie mit der neuen Form der -gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung, mit dieser Konzession an den -sozialen Zeitgedanken, der streng kommunalsozialistischen Bewegung den -Wind wenigstens teilweise würde aus den Segeln nehmen können. Was sie -praktisch aufgab, war nicht sehr viel. Das absolute privatindustrielle -Selbstbestimmungsrecht, das ihr übrigens vorher schon durch die -Konzessionsverträge mit den Kommunen beschnitten gewesen war, wurde -durch die Beteiligung der Kommunen am Stimmrecht und an der Verwaltung, -sowie durch gewisse kommunale Veto- und Forderungsrechte allerdings -bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt. Dafür bot ihr aber die -Kontrolle durch öffentliche Verwaltungsorgane einen wirksamen Schutz -gegen Angriffe, denen sie vorher ausgesetzt war. Ferner behielt die -Privatindustrie die besonders wertvolle Möglichkeit, die von ihr -in Gemeinschaft mit den Kommunen betriebenen Elektrizitätswerke -als Arbeitszubringer und Abnehmer für ihre Fabrikate zu benutzen, -fast unbeschränkt bei. Ebenso blieb ihr das Renteninteresse an den -Unternehmungen erhalten, wenn auch der Quantität nach durch die -Beteiligung der Kommunen etwas verringert; der Qualität nach wurde es -durch die moralische und manchmal auch rechtliche Garantieübernahme -seitens der Kommunen sogar noch erhöht.</p> - -<p>Ob die Interessen der Kommunen und der Verbraucher bei der -gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung ebenso gut aufgehoben gewesen -sind, wie die der Privatindustrie, ist eine Frage, die sich nicht -allgemein entscheiden und bejahen läßt. Ein gewisser Nachteil für -die Kommunen mag darin liegen, daß eine gemeinsame Beteiligung -und Tätigkeit in denselben Unternehmungen sie aus übergeordneten -Behörden zu Wirtschaftsgenossen und Geschäftsteilnehmern der -Unternehmer macht, ein Verhältnis, das gewiß Gefahren mit sich -bringt, deren Vermeidung besondere Klugheit und Charakterfestigkeit -der kommunalen Vertreter erfordert. Dabei war besonders anfänglich -der Kaufmann dem Verwaltungsbeamten in der geschäftlichen Praxis, -noch mehr in der industriellen Technik so sehr überlegen, daß die -theoretisch zugestandenen Aufsichts- und Mitbestimmungsrechte -nicht immer wirkungsvoll zur Geltung gebracht werden konnten. Das<span class="pagenum"><a name="Seite_349" id="Seite_349">[S. 349]</a></span> -lag aber oft nicht an der Formulierung dieser Rechte, die meist -ausreichend war und einer besonderen gesetzlichen Regelung, wie -sie zum Beispiel Freund gefordert hat, nicht bedurfte, sondern -eben an der mangelhaften Handhabung. Gerade in dieser Hinsicht -hat der Kommunalbeamte im Laufe der Entwickelung und durch diese -viel gelernt. Die Möglichkeiten der Erfahrung und der Vergleichung -haben ihn geschult. Eine Kontrolle durch fachmännische Revisoren -ist bei Elektrizitätswerken heute fast schematisch möglich. Es läßt -sich ziemlich genau bestimmen, welche Stromkosten ein Kraftwerk -je nach seiner Größe, seiner betriebstechnischen Grundlage (als -montanindustrielles, Fernleitungs- oder lokales Werk) haben, und welche -Strompreise es berechnen darf. Schwieriger schon ist die Kontrolle, -ob die von den privaten Unternehmergesellschaften berechneten Preise -für Maschinen- und Materiallieferungen angemessen sind, aber auch -in dieser Hinsicht sind die Kontrollaufgaben für eine tüchtige -Kommunalverwaltung schließlich recht wohl zu erfüllen. Prinzipiell -wird man das System der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmung in der -elektrischen Stromerzeugung schon deswegen billigen können, weil in dem -Entwicklungsprozeß der Stromerzeugung, der sich gegenwärtig vollzieht, -die gemischte Unternehmung eine nützliche Übergangsstufe zu den höheren -Betriebsformen darstellt, die wir im vorigen Kapitel geschildert haben.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_350" id="Seite_350">[S. 350]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Sechzehntes_Kapitel"><em class="gesperrt s6">Sechzehntes Kapitel</em><br /> - -Charakterbild</h2> - -</div> - -<h3 id="Kap_16_a">a)</h3> - -<p>Wenn man sich den großen Tatmenschen vorstellt, so sieht man -ihn gemeiniglich als absoluten Willensmenschen von unbeirrbarer -Geistesschärfe, unerschütterlicher Entschlußkraft und -Entschlußdurchführung, von immer gleichbleibender Energie des -Entwerfens und Arbeitens. Unentschlossenheit, Schwankungen des -Intellektes und des Willens traut man ihm und seiner ganzen Art nicht -zu. Hat er Nerven, so sind es stählerne, federnde, die ihn nicht in -der Entfaltung seiner Geisteskräfte hemmen, sondern ihn beschwingen, -ihn über körperliche Anfechtungen und Schwächen hinwegtragen, seinem -Geist, wenn er in zu einsame Höhen der Abstraktion fliegen will, die -Verbindung mit dem Körper, dem Humusboden der Realität erhalten. So -sieht vielleicht das Bild des Genies der Tat für den Fernstehenden aus, -wie es sich am Ende einer festliegenden und festlegenden Entwickelung -geformt hat. Mit so abgeschlossenen und verschlossenen Zügen tritt das -Genie vielleicht aus den Kämpfen seines Innenlebens, aus den Stürmen -seines Werdegangs der Öffentlichkeit entgegen, der es nur die fertigen -Tatsachen, nicht den schweren Weg, auf dem es zu ihnen gelangt ist, nur -die äußeren Ergebnisse, nicht den aufreibenden und oft verzweifelten -Kampf der Möglichkeiten, der ihnen voranging, zeigen will und zeigt. -So ist es auch erklärlich, daß zunächst nur das <em class="gesperrt">äußere</em> Bild des -großen Mannes in die Geschichte übergeht und erst die eindringende -Nachforschung des psychologischen Geschichtsschreibers notwendig -ist, um es zu verinnerlichen, um hinter der <em class="gesperrt">Maske</em> das Gesicht -hervortreten zu lassen. Man hat gesagt, daß niemand vor seinem -Kammerdiener der große Mann bleibt, und man kann mit der gleichen -Berechtigung sagen, daß niemand vor dem Spiegel seines eigenen -Inneren oder dem seiner nächsten Umgebung<span class="pagenum"><a name="Seite_351" id="Seite_351">[S. 351]</a></span> der eiserne Tatenmensch -bleibt, als den ihn die Fernstehenden nach seinen Taten ansehen. -Shakespeare hat seinem Hamlet, diesem genialischen Typus der Halbheit -und Unentschlossenheit, der ewigen einander lähmenden Schwankungen -und Streitereien des Gemüts und des Verstandes in Fortinbras einen -Tatmenschen, einen Typus des Positivismus gegenübergestellt. Jener -zergrübelt, dieser handelt. Hamlet ist ein bis ins Feinste ausgeführtes -Bildnis, Fortinbras eine nur den Zwecken des Kontrastes dienende -Skizze. Hätte Shakespeare diese Skizze weiter ausgeführt, so würde -er gefunden haben, daß auch Fortinbras nicht nur klares Wissen, -gradliniger Wille ist. Er, der tiefe Menschenkenner, würde sicherlich -zu dem Ergebnis gekommen sein, daß auch der Tatmensch nicht immer -sofort instinktiv das Richtige sieht und das Richtige tut, sondern -daß auch ihm die Fülle der Gesichte oft beängstigend entgegendrängt, -daß auch er sich in Streit und Widerstreit, in leidenschaftlichen -Diskussionen mit sich selbst und anderen erst aus dem verwirrenden -Zuviel der Möglichkeiten auf den klaren Weg der Notwendigkeit retten -muß. Das Entscheidende und Unterscheidende ist es eben, <em class="gesperrt">daß</em> -er sich rettet, daß er nicht in dem Strauchwerk der Reflexion hängen -bleibt wie der hamletische Charakter, der ihm an <em class="gesperrt">vielen</em> Gaben -nicht unterlegen zu sein braucht, dem aber die <em class="gesperrt">eine</em> Gabe -fehlt, in sich Ordnung zu schaffen, seiner Gedanken und Gefühle -doch schließlich Herr zu werden, nachdem er sie genug in sich hat -ringen und wühlen lassen. Gewiß tritt mancher schöpferische Gedanke -intuitiv, sozusagen blitzartig vor den Geist des Tatmenschen hin. Er -hat sich vielleicht nie oder nur obenhin mit dem Problem beschäftigt, -das dieser Gedanke löst. Er erhält Antwort, ohne gefragt zu haben, -findet Gold, ohne daß er danach zu graben brauchte. Die Überlieferung -berichtet von manchen großen Taten, die so entstanden sind, aber sie -verschweigt, wie viel öfter der sogenannte Instinkt den schöpferischen -wie den problematischen Menschen irregeführt hat. Die Bewunderung der -Masse vor dem genialen Instinkt würde vielleicht geringer werden, -wenn sie erfaßte, daß gerade zu dem psychischen Bild Hamlets schnelle -Gedankenblitze und Gedankensprünge gehören, die dem geistreichen -Menschen in gehobener Stimmung oft einen Goldwert der Idee vortäuschen, -der sich bei nüchterner Überlegung nur als blinder Glanz erweist.</p> - -<p>Wie nahe die Grenzen problematischen Wesens und tatkräftiger<span class="pagenum"><a name="Seite_352" id="Seite_352">[S. 352]</a></span> -Veranlagung beieinander liegen können, wie schmal manchmal die -Wasserscheide ist, von der der Lauf eines Lebens zu diesem oder jenem -Charakter führen kann, zeigt gerade die Geschichte Emil Rathenaus. Nach -einer frisch, doch keineswegs ungewöhnlich geführten Jugend drohte -sein Dasein — eine beklemmend lange Zeit — in Unentschlossenheit -zu zerfließen, und doch hat sich derselbe Mann später zu einem -Tatmenschen stärkster Prägung entwickelt. Es ist eben nicht nur -Charakter<em class="gesperrt">material</em> zur Bildung eines Charakters erforderlich, -sondern auch das taugliche Objekt, an dem sich dieses Material bewähren -kann. Sicherlich gibt es nicht nur Begabungen, sondern auch Charaktere, -die ihre beste Energie im Suchen um einen geeigneten Platz aufbrauchen, -ihn vielleicht nie finden oder, wenn sie ihn endlich gefunden haben, -nicht mehr Vollkraft genug besitzen, um auf ihm Großes zu wirken. Das -tägliche Leben kennt viele solcher halben Helden, die Geschichte weiß -nicht ebensoviel von ihnen zu erzählen, denn ihr Schicksal erfüllt -sich meistens nicht im Licht, sondern im Dunkel. Hätte Emil Rathenau -ganz mit denselben Geistes- und Charaktereigenschaften erst zehn Jahre -später seinen wahren Beruf, sein wahres Objekt gefunden, und dann nicht -mehr die Frische gehabt, um sich ganz darin auszuleben und auszuwirken, -oder wäre er über die Krise der Berliner Elektrizitätswerke -gestrauchelt und hätte nicht die Kraft besessen, um zum dritten -Male anzufangen, die Geschichte hätte kaum etwas von ihm gewußt und -in dem Gedächtnis seiner Bekannten hätte er höchstens als begabter -„Lebensverfehler“ fortgelebt.</p> - -<p>Emil Rathenaus Charakter rückte wohl deswegen eine Zeitlang scheinbar -so dicht in die Nähe der problematischen, weil er ganz ungewöhnlich -voll von Gegensätzen und Widersprüchen war, die sich mit dem -zunehmenden Alter nicht etwa verringerten oder abschliffen, sondern -im Gegenteil bis zur Wunderlichkeit und Skurrilität verschärften. -Hierin lag vielleicht letzten Endes der Grund für die Langsamkeit, -mit der er sich in die entscheidende Bahn fand, mit der er den Boden -erreichte, auf dem er endlich Wurzel fassen und den festen Punkt -für die Ausgleichung seiner starken Charakterschwankungen finden -konnte. Aber hierin lag auch der Grund für die Kraft, den Reichtum, -die Mannigfaltigkeit und die Elastizität seiner Natur, die sich -niemals länger in einer Richtung festhalten ließ, als dies ihrer -Entwickelung förderlich war und die bei aller sachlichen Kon<span class="pagenum"><a name="Seite_353" id="Seite_353">[S. 353]</a></span>sequenz -— wenn es von höherem Gesichts- oder Gefühlspunkte zweckmäßig war — -auch einmal inkonsequent sein konnte. Dem außenstehenden Beobachter -mochte vielleicht manchmal als Sprunghaftigkeit, als Impressionismus -erscheinen, was doch nur ein freies und souveränes Spiel mit den -äußeren Formen der Logik war, ein Spiel, das manchmal vielleicht -den Gesetzen der Umwelt, niemals aber den Gesetzen der eigenen -Natur zuwiderlief. Den Mitlebenden oft unverständlich, sich selbst -vielfach nicht bewußt, sprang Rathenaus schneller Instinkt manchmal -über Zwischenglieder der logischen Entwickelung hinweg, an denen -andere nicht vorüberkamen oder vor denen sie wenigstens stutzten. -Seine Entschlüsse und Maßnahmen, die aus einem derartigen geistigen -Telegrammstil entsprangen, erschienen anderen darum oft verkehrt und -nicht folgerichtig, zumal Rathenau sie häufig nicht bewußt begründen -konnte. Die rückschauende Beurteilung mußte sie fast stets als treffend -und zweckmäßig anerkennen, was Rathenau verschiedentlich den Ruf -prophetischer Gabe eingetragen hat. In der schönen Grabrede, die er -seinem Vater hielt, hat Walther Rathenau diese Gabe folgendermaßen -geschildert: „Wer ihm nahe gestanden hat, der weiß es, wie erschütternd -es war, wenn er in seiner einfachen Sprache von Dingen erzählte, -die ihm selbstverständlich erschienen; aber diese Dinge waren nicht -selbstverständlich, denn es waren keine Erinnerungen und es war -keine Gegenwart. Was er schilderte und was er erzählte, das war die -Zukunft, und in dieser Zukunft sah er so klar, wie wir sehen in unserer -Zeit und in dem, was wir von der Vergangenheit wissen. So kamen die -Menschen von weit her und fragten ihn: was wird aus dieser Technik, -was wird aus jenem Verkehr, was wird aus dieser Wirtschaftsform und -was wird aus jener Entwickelung? Und dann gab er ihnen stille Antwort -und wunderte sich nur über das Eine, daß der andere nicht als ein -Selbstverständliches schmählte, was er ihm aussprach.“</p> - -<p>Gegensätze und Widersprüche des Charakters können die Tatkraft einer -Intelligenz lähmen und zerreiben, wie wir das nur zu oft auch bei -klugen und scharfsinnigen Menschen zu beobachten vermögen. Aber sie -können einem Wirken auch jene Fruchtbarkeit geben, die der einfach -organisierten Natur nicht erreichbar ist, weil sie nicht die ganze -Tiefe, Fülle und Vielgestaltigkeit der Probleme ausschöpfen kann, die -der komplizierte Charakter — stets auf den<span class="pagenum"><a name="Seite_354" id="Seite_354">[S. 354]</a></span> Kampf und den Ausgleich -zwischen seinen verschiedenen Gegensätzen angewiesen — aufwerfen -und in glücklichen Fällen lösen wird. Jeder Mensch und besonders der -sanguinische hat Zeiten des Optimismus und Pessimismus, schwankt -zwischen verschiedenen Stimmungen auf und nieder. Hochgefühl, frische -Spannkraft auf der einen Seite, Depression, Unzufriedenheit und -Überdruß auf der anderen Seite wechseln miteinander ab. Wie sehr hier -eine der Triebkräfte jeder Leistung, jedes Fortschritts und jeder -Entwickelung liegt, zeigt die Übertragung dieser Schwankungen auf -die Geschichte allgemeiner Gestaltungen, die sozusagen von diesem -Auf und Nieder leben, aus dem Wechsel von Hausse und Baisse, von -Ebbe und Flut ihre immer neue motorische Lebenskraft ziehen. Fehlten -die Pendelschwingungen dieses geistigen „Perpetuum mobile“, so -würde die Uhr bald stille stehen, jede Fortentwickelung im Marasmus -ersticken. Bei Emil Rathenau war die Wellenlinie zwischen Optimismus -und Pessimismus außerordentlich stark ausgeprägt. Beide Pole standen -einander ganz schroff entgegen. Daher lebte der Organismus so stark, -wirkte der Ausgleich so fruchtbar, war der entladende Funke von so -zündender Durchschlagsgewalt. So kraß Wärme und Kälte in dem Wesen Emil -Rathenaus aber auch in Erscheinung treten konnten, so wenig ließ der -reale Tatsachensinn, der in der Mitte zwischen den beiden Polen stand, -zu, daß sie mit ihrem <em class="gesperrt">Übermaß</em> Einfluß auf die praktische Arbeit -gewinnen konnten. Sie hatten im richtigen Moment anzufeuern und im -richtigen Momente abzukühlen, hatten sich gegenseitig zu beobachten und -zu kontrollieren. War die rechte Mischung erreicht, so war damit die -Bahn und das Tempo der Arbeit festgelegt. Beide wurden dann unbeirrt -und unbeirrbar festgehalten bis zum Ende. Optimistische Voreiligkeit -und pessimistische Hemmung durften ihre Konstanz nicht mehr stören.</p> - -<p><em class="gesperrt">Optimist</em> war Rathenau stets im Entwerfen, und noch vielmehr -in der Absteckung des Feldes, auf dem entworfen oder verwirklicht -werden sollte. Die Ziele, die er seiner elektrischen Technik stellte, -wurden mit fast unbegrenzter Phantasie so weit als nur irgend denkbar -gestellt. Sein Ideal war, die Welt mit Elektrizität zu durchdringen. -Oft im Gespräch mit Fachgenossen, noch mehr mit Laien und Frauen -erging er sich in kühnen Zukunftskombinationen, die sich bis zu Jules -Verneschen Sphären versteigen konnten. Wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_355" id="Seite_355">[S. 355]</a></span> er in den bescheidenen -Anfängen der Lichtelektrizität von den Möglichkeiten sprach, zu -denen die neue Beleuchtungsart einmal führen könnte, mochte das den -Zeitgenossen phantastisch klingen. Für uns, die wir die Verwirklichung -seiner Pläne miterlebt haben, wirken diese Äußerungen als fast exakt -wissenschaftliche Voraussagung einer Entwickelung, die kommen mußte, -wie sie gekommen ist, und die doch nur dieser eine damals gerade so -vorhergesehen hat. Dasselbe war bei der elektrischen Kraftübertragung -der Fall, wenngleich hier noch einige andere an die große Zukunftskraft -der Erfindung vielleicht nicht weniger stark geglaubt haben als -Rathenau. Ihren optimistischen, phantasievollen Charakter auch jetzt -noch bis zu einem gewissen Grade behalten haben die Rathenauschen -Prophezeiungen über das elektrische Fernbahnsystem, dessen Durchführung -nur langsam fortschreitet, trotz alledem jedoch im Bereiche der -Wahrscheinlichkeit liegt. Aber, wenn Rathenau ins Schwärmen kam, konnte -er auch Ideen entwickeln, zu deren Verwirklichung heute noch nicht -die geringsten Ansätze vorliegen, die zu verwirklichen die Menschheit -vielleicht auch nie unternehmen wird, weil der erreichbare Erfolg -in keinem Verhältnis zu dem technischen Aufwand steht. Warum sollte -man, so meinte er, nicht dahin kommen, daß alle Wohnungen von großen -Elektrizitätszentralen aus geheizt werden, daß jede Wohnung mit einer -Anlage versehen ist, die sie von einer Zentrale her elektrisch mit -Kälte für die Eisherstellung versorgt? Fast stets waren derartige -Kombinationen — auch wenn sie Dinge nebensächlicher Art betrafen — -technisch richtig gesehen. Das verstand sich für einen so gewiegten -Fachmann von selbst. Rathenau war sich aber recht wohl bewußt, daß er -in solchen lässigen Gesprächen mehr beispielmäßig als ernst sprach und -er würde es sich verbeten haben, wenn ihn jemand beim Wort genommen -und seine praktische Mitwirkung bei der Ausführung derartiger Projekte -verlangt haben würde. Solche Phantasien im großen und im kleinen waren -aber doch kennzeichnend für den gewaltigen Glauben, mit dem Rathenau -seiner Wissenschaft anhing, für die stets beschwingte Vorstellungswelt, -in der dieser Praktiker lebte und aus der er sich Kraft und -Lebendigkeit für seine Arbeit immer wieder aufs neue holte, wenn ihn -die Kleinlichkeiten und Schwierigkeiten mancher Einzeltätigkeit zu -ermüden und niederzudrücken drohten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_356" id="Seite_356">[S. 356]</a></span></p> - -<p>Optimist war Rathenau nicht nur in seiner technischen Weltanschauung, -sondern auch im Entwerfen und Unternehmen, wenn es sich um die -Bewältigung einer neuen bestimmten Aufgabe oder eines Aufgabenkomplexes -handelte. Seine Initiative war frisch, sein Plan großzügig, seine -Stimmung hoffnungsfreudig angeregt, sein Einfluß auf die Tätigkeit -der Mitarbeiter anfeuernd. Kurzum der Rausch des Schaffens erfüllte -und bewegte ihn, wie nur je einen Künstler, der von der Inspiration -ergriffen ist. Sobald aber vom Entwerfen zum Ausführen geschritten -wurde, trat eine merkwürdige Erkältung ein. Ernüchterung, Mißtrauen -und Zweifel an der Arbeit und ihrer Lösung überkamen ihn, er quälte -sich und die Mitarbeiter mit Bedenken, Abänderungsplänen, immer neuen -Einwürfen und Fragen. Kein Ergebnis erschien ihm vollkommen genug, -keine Leistung genügte ihm. Dieser Abfall der Stimmung hatte aber nun -nicht wie bei optimistischen Plänemachern die Wirkung, daß er der -Sache schnell überdrüssig wurde und sie mißmutig und müde beiseite -legte, um sich neuen Projekten zuzuwenden. Im Gegenteil, nun, da der -Schwung, das Hochgefühl des Schaffens verloren gegangen war, trat -eine andere Eigenschaft seines Charakters in Erscheinung, die seine -Mitarbeiter und Untergebenen bewunderten, aber auch fürchteten. Es -war eine Zähigkeit ohne Gleichen, die allen das Leben schwer machte, -kein Ausruhen, keine Ablenkung für ihn und für die anderen zuließ. -Die spröde Materie mußte sozusagen bis ins Kleinste durchknetet, der -Arbeitsprozeß immer wieder von neuem wiederholt werden, bis das Höchste -an Inhalt und Form aus dem Stoffe herausgearbeitet war. Ein Abschweifen -zu anderen Plänen gab es dabei selten, wenigstens nicht, wenn es sich -um die Bewältigung einer großen Aufgabe handelte. Der Meister, der -sonst viele Zügel auf einmal in der Hand halten konnte, konzentrierte -sich dann ganz auf die eine Sache, Schwierigkeiten konnten ihn nie -schrecken, sie veranlaßten ihn höchstens, die bereits geleistete Arbeit -über den Haufen zu werfen und das Problem von einer ganz anderen Seite -anzupacken. Auch in finanziellen Dingen trat dieser Gegensatz zwischen -optimistischem Schwung und kritischer, ja übertriebener Vorsicht -oft auffallend in Erscheinung. Vor finanziellen Wagnissen, neuen -großen Unternehmungen und Gründungen schreckte er nie zurück, aber er -begann nie eine Sache zu verwirklichen, bis er sie nicht gründlich -nach allen Seiten hin fundiert hatte. Damit, daß er jemandem, der -ihm ein Projekt<span class="pagenum"><a name="Seite_357" id="Seite_357">[S. 357]</a></span> vortrug, in freudigen Worten seine erste Zustimmung -ausgedrückt hatte, war er — wie manche Erfinder und Unternehmer zu -ihrer Verblüffung inne wurden — noch keineswegs für die Durchführung -gewonnen. Solche Leute schickte er gewöhnlich zu dem Fachdirektor, -der das betreffende Gebiet bearbeitete, mit dem Auftrag, alles -einzelne zu besprechen und zu verabreden. Hier wurden nun häufig die -überschwänglichen Hoffnungen, denen sich die Besucher auf Grund ihrer -Unterredung mit Rathenau hingegeben hatten, wesentlich herabgemindert. -War aber einmal ein Projekt als reif und aussichtsvoll anerkannt, so -trug Rathenau kein Bedenken, seine Verwirklichung in freigebiger Weise -mit Geldmitteln zu unterstützen. Vor großen geldlichen Transaktionen -ist er nie zurückgescheut, das Kapital der A. E. G. war ihm stets zu -niedrig, und als es auf 60 Millionen Mark angelangt war, erklärte er -Aktionären, denen das Tempo der Expansion zu schnell gegangen war, -daß er sich freuen würde, wenn er es auf 100 Millionen bringen könne. -Dabei war ihm doch häufig sozusagen vor seiner eigenen „Courage“ -bange. Die Sorge vor Rückschlägen, vor unerwarteten Entwickelungen -raubte ihm den Schlaf mancher Nacht, und wenn er sein Unternehmen nie -genug mit Reserven auspolstern konnte, so tat er dies weniger, weil -er sich von dem großen Spartopf nicht trennen konnte, sondern weil -er, Zeit seines Lebens beherrscht von den schlimmen Erfahrungen, die -er mit seiner Maschinenfabrik in der Gründerzeit gemacht hatte, ein -überstarkes Gegengewicht gegen die großen Risiken und Gefahren, denen -er durch seine extensive Geschäftspolitik die Gesellschaft aussetzen -<em class="gesperrt">mußte</em>, für unbedingt nötig hielt. Als ich ihn einmal ein paar -Jahre vor seinem Tode besuchte, sagte er mir wörtlich: „Sie glauben gar -nicht, welch ein Stein mir vom Herzen gefallen ist, als ich die offenen -Reserven in diesem Jahre auf 50% des verantwortlichen Aktienkapitals -bringen konnte.“</p> - -<p>Höchst widerspruchsvoll war auch das Verhältnis Rathenaus <em class="gesperrt">zum -Gelde</em>. Bei den Geschäften seiner Unternehmungen schaltete er -damit in einer Weise, die an Großzügigkeit nichts zu wünschen übrig -ließ. Aussichtsreiche, gut begründete Geschäfte stattete er in -durchaus splendider Weise aus, knauserte nicht mit Einrichtungskosten, -Spesen, Versuchs- und Propagandaopfern. In technische Ideen, die -ihm zukunftsreich erschienen, konnte er Millionen hineinstecken, -ehe er noch Aussicht hatte, einen Pfennig wieder herauszu<span class="pagenum"><a name="Seite_358" id="Seite_358">[S. 358]</a></span>holen. So -legte er zum Beispiel die Netze neuer elektrischer Bahnen manchmal -in einem Umfange an, der die bisherigen Verkehrszahlen weit übertraf -und alle Vorkalkulationen außer acht ließ. Dabei ging er von der -optimistischen Ansicht aus, daß die modernere Verkehrsform die -Frequenz auf eine ganz andere als die bisherige Stufe stellen würde. -Nicht nur dem Inhalt seiner Unternehmungen gab er, was notwendig -war, sondern er hatte auch Sinn für die Form, die Ausstattung, -das Dekorum. Zwischen dieser Großzügigkeit bei Ausgaben, die er -sozusagen nur auf dem Papier übersah und nur auf ihrem Wege durch -Projekte, Rechnungsauszüge und Bilanzen verfolgen konnte, und dem -Ausgabeetat, der zu seiner unmittelbaren persönlichen Sphäre gehörte, -gewissermaßen unter seinen Augen verbraucht wurde, bestand aber ein -großer Unterschied. Hier war er kleinlich bis zum Geiz, weniger aus -System — denn ein System hätte zweifellos die geistig sichtbaren mit -den körperlich sichtbaren Ausgaben auf eine Stufe gestellt und die -nur scheinbare Verschiedenheit zwischen ihnen überwunden — sondern -aus Gewohnheit und Beharrungsträgheit. Wir können ja vielfach bei -selfmademen, die aus kleinen Anfängen sich zu großen Verhältnissen -hinaufgearbeitet haben, die Beobachtung machen, daß sie mit den Maßen -ihrer Geschäfte in allen Hauptdingen gewachsen sind, aber in gewissen -<em class="gesperrt">Äußerlichkeiten</em> und <em class="gesperrt">Nebensachen</em> sich von den alten -Befangenheiten und Beschränktheiten nicht zu befreien vermögen. Daß -eine den neuzeitlichen Anforderungen entsprechende Fabrik, ein modernes -Geschäftshaus gebaut werden muß, sieht ein solcher selfmademan stets -ein, zur Anschaffung einer neuen Kopiermaschine kann er sich dagegen -viel schwerer entschließen. In seiner Jugend ist man, so meint er, mit -dem alten Kontormaterial sehr gut ausgekommen. Warum muß man jetzt -neue und kostspieligere Moden einführen? Für jüngere Kaufleute, die -derartige Reminiszenzen aus ihrer bescheidenen Werdezeit nicht mit -sich herumschleppen und gleich in größere Verhältnisse hineingeboren -sind, ist ein derartiges Verhalten unverständlich, es erscheint ihnen -kleinlich, unlogisch, ja lächerlich. Von Emil Rathenau werden viele -Züge solcher Kleinlichkeit erzählt, und mit den Anekdoten, die über -seine Sparsamkeit in kleingeschäftlichen und privaten Dingen über -ihn im Umlauf sind, könnte man ein Kapitel füllen, das an Umfang -das längste dieses Buches übertreffen würde. Das würde zwar ganz -unterhaltend sein,<span class="pagenum"><a name="Seite_359" id="Seite_359">[S. 359]</a></span> aber doch die kleinen Schönheitsflecke, die auch -im Bilde dieses Großen nicht fehlen, über Gebühr betonen. Einiges, was -für dieses Bild charakteristisch ist, möge immerhin erzählt werden. So -konnte Rathenau es nicht über sich gewinnen, aus der Hausverwaltung des -unmittelbaren Geschäftsgebäudes der A. E. G. sich ganz auszuschalten. -Dabei begnügte er sich nicht mit gelegentlichen Stichproben. Er ließ -sich über alle Anschaffungen, die gemacht werden mußten, Bericht -erstatten. Jeder neue Linoleumläufer mußte von ihm genehmigt sein, -und er konnte recht ungemütlich werden, wenn er Botenjungen im Hause -unbeschäftigt herumlungern sah. Wenn bei den Generalversammlungen der -Gesellschaft drei Garderobiers den Aktionären die Mäntel und Hüte -abnahmen, konnte er den Hausverwalter heftig zur Rede stellen, und ihm -vorrechnen, daß für diesen Zweck auch zwei Beamte völlig ausreichend -seien. Auch in Personalangelegenheiten behielt er sich die letzte -Entscheidung vor bis zur Anstellung von Maschinenschreiberinnen hinab. -Alle nicht ganz geringfügigen Zulagen bedurften seiner Genehmigung. -Es war aber vielleicht nicht nur die alte Gewohnheit, von der er sich -nicht zu trennen vermochte, sondern einem derartigen Abschweifen und -Haftenbleiben an geschäftlichem Kleinkram, bei dem möglicherweise -wirklich erzielbare Ersparnisse den Zeitaufwand auch nicht im -entferntesten lohnten, den die Oberleitung und kostbarste Kraft des -Unternehmens an sie wendete, lagen wohl noch andere Ursachen zu Grunde. -Die eine von ihnen bestand vielleicht darin, daß Emil Rathenau, wie -viele praktische Kaufleute, die „von der Pike auf gedient haben,“ mit -der persönlichen „Kontrolle bis ins Kleinste“, wenn er sie auch nur -in einem ganz schmalen Ausschnitt des gewaltigen Gesamtbetriebes zur -Geltung bringen konnte, bei seinem Personal den Eindruck erwecken -wollte, als ob sein Auge und sein Interesse allgegenwärtig seien. -Möglicherweise wollte er dadurch einen erzieherischen Eindruck auf -Kontrollierte und Kontrolleure ausüben. Wahrscheinlicher ist es aber, -daß dieser bewußte Beweggrund, wenn er wirklich mitspielte, nur eine -Art Vorwand darstellte für ein unbewußtes Bedürfnis, das überlastete -Menschen, die aber doch nicht stillsitzen und sich einer völligen -Muße hingeben können, häufig dazu zwingt, sich ein Ventil gegen -Überspannung zu schaffen. Die ständige ununterbrochene Beschäftigung -mit großen und schwierigen geschäftlichen Problemen würde solche Männer -frühzeitig aufreiben und aufbrauchen, und es<span class="pagenum"><a name="Seite_360" id="Seite_360">[S. 360]</a></span> ist ja auch schon häufig -beobachtet worden, daß derart überanstrengte Persönlichkeiten, die -stets mit voller Kraft arbeiteten, plötzlich geistig oder körperlich -zusammenbrachen. Bei anderen wieder sucht sich die Natur selbsttätig -einen gewissen Ausgleich. Dieser kann in der Beschäftigung mit Sport, -Kunst, Spiel oder auch in der Geselligkeit bestehen. Er kann aber -auch sehr wohl darin liegen, daß sie sich für gewisse Zeiten mit -kleingeschäftlichen Dingen beschäftigen, zu deren Behandlung sie keine -eigentliche Geistesarbeit aufzuwenden brauchen und die sie gerade aus -diesem geistigen Ausruhebedürfnis heraus häufig ganz schablonenhaft -(wie sie es in ihrer Jugend gelernt haben), erledigen. Emil Rathenau -hatte außerhalb seines Geschäftes keine Interessen. Er besuchte zwar -regelmäßig — aber meist nur zu leichteren Stücken — das Theater, -im übrigen war er gänzlich kunstfremd. Musik, Malerei sagten ihm -nichts. Er konnte nicht einmal der Kunstsammlerei, die manche reichen -Leute auch ohne innere Beziehung zur Kunst betreiben, einen Geschmack -abgewinnen. Von Politik und von Fragen des Gemeinlebens hielt er -sich fast gänzlich fern. Spiel und gesellige Anregung reizten ihn -nicht. Auch die Fähigkeit auszuruhen, ohne irgend etwas äußerlich -Greifbares zu tun, besaß seine unruhige Natur nicht. So ruhte er in -der Beschäftigung mit geschäftlichem Kleinkram aus, wobei er sich -natürlich bemühte, die sachlich wenig ergiebige, für sein persönliches -Gleichgewicht aber nützliche und heilsame Tätigkeit durch logische -Erwägungen vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen. Auf einem -ganz ähnlichen Blatte stand es zum Beispiel auch, wenn er manchmal mit -der Stadtbahn nach Niederschöneweide ins Kabelwerk hinausfuhr, statt -— wie die übrigen Direktoren und höheren Beamten — Automobile dazu -zu benutzen. Er redete sich dann ein, daß die Fahrt mit der Stadtbahn -ökonomischer sei als die Automobilfahrt, bei der Benzin, Gummi usw. -verbraucht würden. Der folgerichtige Denkprozeß hätte ihn natürlich -dahin geführt, daß der Zeitverlust, den er bei der Stadtbahnfahrt -erleiden mußte, ökonomisch für ihn in keinem Verhältnis zu den -verhältnismäßig geringen Unkosten stand, die bei einer Automobilfahrt -entstanden. Aber trotzdem war in diesem Falle die unbewußte Halblogik -besser als die schärfste Konsequenz im abstrakten, unpersönlichen -Denkprozesse. Hätte Rathenau in der Struktur seiner Seele und seines -Körpers ganz klar lesen können, wie in den Blättern eines Buches, so -würde er den Vorwand der Materialersparnis erst<span class="pagenum"><a name="Seite_361" id="Seite_361">[S. 361]</a></span> gar nicht gebraucht -haben. Er hätte die Frage überhaupt nicht mit rechnenden, sondern mit -psychologischen oder wenn man will, mit ärztlichen Augen angesehen und -wäre zu dem Schluß gekommen, daß die Zeit, die er an unwichtige Dinge -preisgab, für ihn doch im ganzen betrachtet keine zur Arbeit nutzbare -gewesen wäre.</p> - -<p>Noch bescheidener und sparsamer als in kleingeschäftlichen Dingen -war Rathenau in seinem <em class="gesperrt">Privatleben</em>. Bedürfnisse hatte er -nicht, Wohlleben verstand er nicht zu würdigen. Wenn er auch ganz -und gar nicht frei von Ehrgeiz und dem Bedürfnis nach Anerkennung -war, im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben wollte er keine -repräsentative Rolle spielen. Er hätte sie auch schlecht gespielt, -da ihm das leichte Plaudertalent fehlte, und er nur im geistig -anregenden, ernsthaften Gespräch seine nicht gewöhnliche Fähigkeit -des Sprechens erweisen konnte. Überdies schätzte Rathenau das Geld, -seine wirtschaftliche Kraft und Macht zu hoch ein, um es für Dinge -hinzugeben, die er nicht würdigte, kaum verstand. Seine Sparsamkeit war -nicht das Hängen am persönlichen Besitz, der ihm niemals eine besondere -Freude oder auch bloß Interesse bereitete, da er nur arbeitete, um zu -schaffen, nicht um zu erwerben. Seine Sparsamkeit entsprang vielmehr -ganz einem sachlichen Wertgefühl gegenüber dem Gelde, das man nicht -vergeudete oder verschenkte, sondern verwertete, und zwar so, daß -keine Leistung überzahlt wurde. In großen Dingen des geschäftlichen -Lebens konnte Rathenau den Wert oder den Kurs einer Leistung nun sehr -wohl abschätzen, nicht aber in den kleinen Privatangelegenheiten des -täglichen Lebens. Hier war er, der vom Weltmann nichts, aber auch -gar nichts an sich hatte, gänzlich unerfahren und die Maße, die er -an solche Ausgaben anlegte, entstammten noch den kleinbürgerlichen -Verhältnissen und Zeiten, in denen er aufgewachsen war. Wenn seine -Mitdirektoren oder Geschäftsfreunde zum Beispiel mit ihm im Schlafwagen -reisten oder im Hotel wohnten, so gaben sie häufig dem Dienstpersonal -nach Rathenau noch einmal Trinkgeld, um dieses einigermaßen auf die in -ihren Kreisen übliche Höhe zu bringen. Rathenau selbst bekam, wenn er -allein reiste, oft mürrische Gesichter zu sehen, denn er betrachtete -den Hotelportier, „der ihm ja nichts geleistet hatte,“ mit 50 Pfennigen -als genügend entlohnt. Es konnte auch vorkommen, daß Rathenau zu -einer Geschäftsreise nach Zürich, die er mit einem Vorstands- oder -Aufsichtsratsmitgliede<span class="pagenum"><a name="Seite_362" id="Seite_362">[S. 362]</a></span> gemeinsam unternahm, in Lackstiefeln erschien -und auf die Frage, ob er gerade von einer Gesellschaft komme, -erwiderte: „Das nicht, aber man muß doch solche Stiefeln einmal -auftragen.“ „In großen Dingen ein Grandseigneur, in kleinen Dingen ein -Krämer,“ so hat ihn einmal einer seiner Freunde charakterisiert und -ein anderer, Karl Fürstenberg, hat den hübschen Ausspruch geprägt, daß -bei Rathenau das Geld bei 3 Mark aufhöre und erst bei 3 Millionen Mark -wieder anfange. Die Gegensätze in seiner Stellung zum Gelde waren so -groß, daß sie Emil Rathenau selbst nicht verborgen bleiben konnten. -Er zwang sich, weil er seine schwache Seite kannte, manchmal direkt, -seinem Naturell zuwider zu handeln, besonders in solchen Fällen, in -denen er sich vor anderen genierte, als geizig zu erscheinen. Wenn -er zum Beispiel mit Bekannten zusammen ein Restaurant besuchte, so -bezahlte er manchmal die ganze Zeche heimlich, lange vor dem geeigneten -Zeitpunkt, damit alle späteren Erörterungen über den Zahlungsmodus -von vornherein abgeschnitten wurden. Ebenso kam es vor, daß er bei -gemeinsamen Droschken- und Autofahrten den Kutscher vor der Fahrt -schon entlohnte. Gerade die Umständlichkeit, mit der er freihielt, -bildet aber die beste Bestätigung dafür, daß ihm das Freihalten und -Geldausgeben nicht leicht und selbstverständlich von der Hand ging.</p> - -<p>Diese kleinbürgerliche Einfachheit, ja Knickerigkeit des Privatlebens -bei sonst groß gewordenen Lebens- und Schaffensformen ist eine -Eigenschaft, die vielleicht als Erbteil der <em class="gesperrt">jüdischen</em> Rasse -bezeichnet werden kann. Sie ist ebenso jüdisch wie das entgegengesetzte -Extrem der üppigen Lebensführung, die sich gerade bei manchen jüdischen -Emporkömmlingen herauszubilden pflegt. Auch sonst ist der jüdische -Einfluß in Rathenaus Charakter deutlich zu spüren. Der rechnerische -Sinn im Schwärmen, der Realismus in der Phantasie, die Kühle im -Enthusiasmus, die Selbstkritik im Optimismus und schließlich die -Schärfe und Helle des Intellekts, die trotzdem nicht zur Gedankenblässe -wird, sondern der Fülle und Farbe fähig ist, alles das sind Zeichen -des einmal bodenständig gewesenen, aber dann entwurzelten und nun -wieder nach Verankerung strebenden, darum in seinen Empfindungen häufig -umschlagenden jüdischen Geistes. Eine Wesens- und Blutsverwandtschaft -zwischen Rathenau und seinem um 8 Jahre jüngeren Vetter, dem Maler Max -Liebermann, mit dem er sich allezeit gut verstand und dessen Berufswahl -er einst gegenüber<span class="pagenum"><a name="Seite_363" id="Seite_363">[S. 363]</a></span> der ganzen Familie verteidigt hatte, ist hier -schwer zu verkennen.</p> - -<p>Außer dem Unterschied zwischen dem problematischen und dem positiven -Charakter, von dem wir am Eingang dieses Kapitels ausgingen, ist -auch für die Beurteilung großer Männer noch ein anderer zu beachten, -nämlich jener, den Schiller durch den Gegensatz von <em class="gesperrt">naiv</em> und -<em class="gesperrt">sentimentalisch</em> gekennzeichnet hat. Ein Tatmensch kann sowohl -naiv wie auch sentimentalisch sein oder besser gesagt, sowohl der naive -wie der sentimentalische Mensch kann es zu starken Taten bringen. -Der ganze Unterschied liegt vielleicht, wenn man den seelischen -Vorgängen auf den Grund geht, nur im Graduellen. Beim naiven Menschen -ist die Ausbeute aus den intuitiven Einfällen größer als beim -sentimentalischen. Er denkt, schafft, ringt leichter, weil ihm mehr -zufliegt, d. h. weil sein schwingendes, schaffendes Unterbewußtsein -an den Problemen mitarbeitet, die es selbst seinem Bewußtsein als die -seinem Wesen adäquatesten sozusagen untergeschoben hat. Einfall und -bewußte Gedankenarbeit kommen sich bei ihm auf halbem Wege entgegen, -während sich beim sentimentalischen Menschen die Gedankenbildung fast -(aber nur <em class="gesperrt">fast</em>) vom Urgrund an in der quälend offenliegenden -Sphäre des Bewußtseins, d. h. im Bereiche der Kämpfe, Zweifel und -Widerstände abspielt und er auch Anlage und Form der Schöpfung, die -sich dem naiven Schöpfer meist unwillkürlich runden, erst mühsam -konstruieren muß. Aber man soll nur ja diesen graduellen Unterschied -nicht zu einem grundsätzlichen machen. Auch sentimentalische Schöpfer -gehen von Einfällen aus, wenn diese auch unfertiger, geringer -entwickelt, weniger original sind und mehr von Außendingen angeregt -zu werden pflegen. Auch sie haben Visionen, indes auf der anderen -Seite genialen Männern, die wir als Hauptvertreter des naiven Typus -zu bezeichnen pflegen, wie Luther, Goethe, Friedrich, Napoleon und -Bismarck problematische Kämpfe der schwersten Art gewiß nicht erspart -geblieben sind.</p> - -<p>Emil Rathenau ist, wenn man ihn von dieser Seite aus betrachtet, -nicht ganz leicht in eine der beiden Charakterklassen einzuordnen, -aber im ganzen ist er doch mehr den naiven als den sentimentalischen -Menschen- und Schöpfernaturen zuzurechnen. Dies zeigt sich einmal -in dem schon oben angeführten Merkmal, daß bei ihm die Zahl und -Qualität der „Einfälle“, der intuitiven Gedanken, verhältnis<span class="pagenum"><a name="Seite_364" id="Seite_364">[S. 364]</a></span>mäßig -groß war. Ferner aber in der echt naiven Art, wie er sich, so sehr -und vielseitig er auch die Möglichkeiten seiner Begabung auf den ihr -zugänglichen Gebieten auszubilden bestrebt war, gegen alles abschloß -und verschloß, was ihm nicht „lag“, was ihn von den Grundlagen seines -Wesens und seiner Kraft ablenken, zersplittern und unnötigerweise -mit wahrscheinlich doch zweckloser Arbeit belasten konnte. Der -sentimentalische Mensch weiß oder fühlt nicht so sicher, was ihm -nützen oder schaden, fördern oder hemmen wird. Weil er sich aus -unsicheren Grundlagen heraus seinen wesenhaften und charakteristischen -Besitz erringen muß, kommt er manchmal auch in die Versuchung, sich -etwas nutzbar machen zu wollen, was ihm nichts nützen, ihn nicht -bereichern kann. Er hat, um die gleiche Leistung zu vollbringen wie -der naive Schöpfer, meist einen größeren Material- und darum auch -Energieverbrauch aufzuwenden als jener. Seinem Ertrag an Weizen steht -eine größere Menge Spreu gegenüber. Darüber darf auch die Tatsache -nicht forttäuschen, daß er, als der selbstkritischere Intellekt, -gegenüber dem, was er als fertig betrachtet und an die Öffentlichkeit -gelangen läßt, meist schonungsloser urteilt und es sorgfältiger -sichtet, als der naive Genius.</p> - -<p>Emil Rathenau, der ein großer Fachmann war und den die kleinen -Künstler vielleicht mitleidig lächelnd als einen Fachmenschen abtun -werden, stand zum Beispiel jeder Kunst — mit Ausnahme vielleicht der -ihm naheliegenden Architektur — mit gänzlich naivem Unverständnis -gegenüber. Er hat sie und manches andere, dem näherzukommen er keinen -Sinn und keine Zeit hatte, aber durchaus nicht etwa geringgeschätzt. -Im Gegenteil, er hatte eine Art kindlich staunender, echt naiver -Bewunderung dafür, die er allerdings auch in derselben Weise den -halsbrecherischen Kunststücken irgendeines Akrobaten entgegenbringen -konnte. Vielleicht hat er manches, was ihm nicht zugänglich war, sogar -mit größerer Ehrfurcht betrachtet als die eigenen Leistungen und das -Gebiet, auf dem sie sich abspielten, und die schriftstellerischen -Arbeiten seines Sohnes Walther, die er wohl kaum ganz verstand, -haben ihn gerade darum etwas von jener Art bewundernden Stolzes auf -den gelehrten und in allen schöngeistigen Sätteln gerechten Sohn -abgenötigt, wie sie der reiche Kaufmann vor dem „studierten“ Erben -häufig genug empfindet. Trotz seiner Kunstfremdheit war Emil Rathenau, -der sich so ängstlich in sein Fachgebiet einschloß, aber im Grunde -seines Wesens<span class="pagenum"><a name="Seite_365" id="Seite_365">[S. 365]</a></span> und seines Schaffens eine durch und durch künstlerische -Natur. Den Fachmenschen charakterisiert Trockenheit, Pedanterie und -Erdenschwere. Rathenau besaß Schwung, visionäre Kraft und Leidenschaft. -Seine Geistesklarheit, seine Logik waren nicht von nüchterner -Abstraktion durchsetzt, sondern sozusagen bluterfüllt und darum auch -Widersprüchen zugänglich, die ja der Natur gleichfalls nicht so fremd -sind wie der Wissenschaft.</p> - -<p>Bei einer solchen Grundveranlagung war an Emil Rathenau und den -Eigenschaften seines Wesens nichts alltäglich, schablonenhaft, vielmehr -alles eigenartig, persönlich, eigenem Boden entwachsen und nach eigenen -Maßen gebildet. Nichts war eindruckslos, matt und trübe, alles farbig, -und zwar von starker, gleichzeitig aber subtil vermischter Farbe. Alles -rundete und gestaltete sich bei ihm zur charakteristischen, bedeutenden -Form. Nichts blieb ungebildetes, unbeherrschtes Material. Gerade -dieser unwillkürliche Drang zur Form offenbart die im tiefsten Wesen -künstlerische Natur dieses Geschäftsmannes.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="padtop1" id="Kap_16_b">b)</h3> - -</div> - -<p>Rudolf <em class="gesperrt">Sulzbach</em>, der dem Aufsichtsrat der A. E. G. seit -ihrer Gründung angehörte und mit ihrem Begründer mehr als nur -geschäftsfreundlich verkehrte, fragte einmal, als in einem Kreise -von den <em class="gesperrt">technischen Fähigkeiten</em> Rathenaus gesprochen wurde, -einigermaßen erstaunt: „Ist Rathenau denn Ingenieur?“ Herrschte schon -in dem engeren Kreise, der Emil Rathenau umgab, solche Unwissenheit -über seine technische Begabung und Leistung, so ist es nicht weiter -verwunderlich, wenn die weitere Öffentlichkeit von dem Techniker nicht -viel wußte und ihn so sehr ausschließlich als Kaufmann und Finanzmann -betrachtete, daß die Legende entstehen und sich jahrelang erhalten -konnte, die A. E. G. sei gar kein Fabrikationsunternehmen, sondern ein -rein industrielles Finanzinstitut. Gewiß, Emil Rathenaus einzigartige -Begabung, sein Genie und das Schöpferische seiner Leistung lagen auf -industrie-kaufmännischem und industrie-finanziellem Gebiete, aber alles -dies hätte sich doch nicht zu so geschlossener Wirkung, zu so sicherer -Schlagkraft und Ausgeglichenheit entwickeln können, wenn es nicht auf -dem Untergrunde einer zuverlässigen technischen Fähigkeit aufgebaut<span class="pagenum"><a name="Seite_366" id="Seite_366">[S. 366]</a></span> -gewesen wäre. Ein Kaufmann, der erst über die technische Grundlage und -Tragweite seiner wirtschaftlichen Projekte den Fachmann befragen muß, -wird seine Pläne nie so frei, so sicher, so souverän entwerfen und -überwachen können, als wenn er selbst der technische Fachmann ist. Er -ist von dem Urteil anderer abhängig und kann Glück haben, wenn diese -anderen ein richtiges Urteil besitzen und seinen Plänen kongeniales -Verständnis entgegenbringen. Er kann aber auch Unglück haben, wenn das -Urteil seiner Fachleute falsch ist oder sich ihr technischer Ideengang -nicht ganz harmonisch mit seinem wirtschaftlichen verschmelzen läßt. -Emil Rathenau war kein sogenannter produktiver Techniker, kein -Erfinder und Entwerfer, er hat nur selten eine technische Konstruktion -selbständig von Anfang bis zum Ende durchgeführt. Darin waren ihm -viele Ingenieure mittleren und kleineren Formats überlegen. Selbst -in der Maschinenfabrik Webers, wo er doch konstruieren sollte und -wollte, hat er es nur zu Verbesserungen der Maschinen gebracht. Das -Hauptresultat seiner Arbeit war ein ziemlich resigniertes Urteil über -die Unzulänglichkeit der ganzen damaligen Maschinentypen. Dennoch besaß -er auch auf dem Fachgebiet eine Begabung allerersten Ranges: Er war ein -technischer <em class="gesperrt">Kritiker</em> von ungewöhnlichem Scharf- und Weitblick, -ein Kritiker, der nicht nur tief in die Einzelheiten und Kleinheiten -einer Materie eindringen, sondern der neben dem Mikrokosmos auch den -Makrokosmos, die großen Zusammenhänge, Untergründe und Ausblicke sah. -Vielleicht ist diese Gabe der technischen Kritik sogar für den Leiter -eines so weit ausgesponnenen Unternehmens mit gemischter Fabrikation, -das sozusagen alle Erzeugnisse seines Faches herstellen und sich -nicht auf die hervorragende Durchführung irgend einer Spezialität -beschränken darf, wichtiger als die geniale Technikerveranlagung -positiver Art. Denn der positive Techniker, der ein großes Unternehmen -leitet, kann immer nur eine beschränkte Anzahl von Konstruktionen -selbst durchführen oder leiten. Es liegt bei ihm die Gefahr vor, daß -er gerade <em class="gesperrt">seine</em> Konstruktionen für die wichtigsten hält, sie -in der Gesamtökonomie seiner Fabrikation bevorzugt und darum den -objektiv richtig wertenden Überblick über den ganzen technischen -Komplex der Gesamt-Unternehmung aus subjektiven Gründen verliert. — -Ein technischer Kritiker ist dieser Gefahr nicht so sehr ausgesetzt. -Auch er kann natürlich, wie jeder Mensch, subjektiv sein, sich in den -Maßstäben seiner Kritik<span class="pagenum"><a name="Seite_367" id="Seite_367">[S. 367]</a></span> irren, gewisse Vorlieben und Vorurteile haben. -Während aber bei dem positiven Techniker der Subjektivismus mit der -Größe des Talents sehr wohl wachsen, der Eigensinn mit der Eigenart -sich steigern kann, wird der Kritiker, je klüger, scharfsinniger, -treffsicherer er denkt, auch umso objektiver in seinem Urteil werden -und man kann ruhig sagen, daß gerade der große Kritiker sich von -Willkürlichkeiten in der Wertbemessung im allgemeinen fern halten -wird. Er hat die Distanz zum Einzelnen und zum Gesamten, die dem -Erfinder häufig fehlt. Denn das Grundelement seiner Begabung ist -<em class="gesperrt">vergleichende</em> Logik, das des Erfinders <em class="gesperrt">temperamentvolle</em> -Logik. Worin tritt nun die Wirksamkeit eines solchen technischen -Kritikers, wie Emil Rathenau einer war, besonders in Erscheinung? — -Wenn man es kurz und prägnant zusammenfassen will, kann man vielleicht -sagen, daß er <em class="gesperrt">einmal</em> aus dem bisherigen Stande der Wirtschaft -und der Technik Bedürfnisse und die Möglichkeiten ihrer Befriedigung -für die weitere Entwickelung ablesen kann und <em class="gesperrt">zweitens</em>, -daß er bei technischen Erfindungen die Frage ihrer praktischen -Verwertbarkeit treffend zu beurteilen vermag. Die erstere Eigenschaft -macht den technischen Anreger, und tatsächlich ist Rathenau für seine -Konstrukteure ein außerordentlich fruchtbarer Anreger gewesen, er -hat sie auf Ideen gebracht, die nicht selten unter den Händen der -richtigen Fachleute zu glücklichen Verwirklichungen führten. Er sagte -zum Beispiel: Wir brauchen, um eine gewisse wirtschaftlich notwendig -erscheinende Wirkung zu erzielen, jetzt Maschinen oder Transformatoren -von einer gewissen Stärke und Beschaffenheit. Oder wir brauchen, um die -elektrische Kraftübertragung in den Fabriken einzuführen, Vorrichtungen -bestimmter Art und Wirkung, durch die gewisse ökonomische Vorteile -erreicht werden. Er gab das Ziel an, und manchmal auch den Weg oder -mehrere Wege, auf denen man zu dem erwünschten Ziel kommen könnte und -er hat sich in der richtigen Beurteilung des Zieles nur selten geirrt -und ziemlich häufig auch mit den von ihm vorgeschlagenen Wegen das -Richtige getroffen. Vielleicht noch erfolgreicher war Rathenau in der -treffsicheren Beurteilung der in einer Erfindung liegenden praktischen -Ausnutzungs-Möglichkeiten. Sein Blick dafür war direkt genial, und -es gibt vielleicht keinen zweiten, der ihm in dieser Hinsicht an -die Seite zu stellen ist. Seine praktische Vision beim Anblick der -Edisonlampe sah sofort Jahrzehnte der Entwickelung<span class="pagenum"><a name="Seite_368" id="Seite_368">[S. 368]</a></span> voraus, die dann -tatsächlich fast genau so eingetreten ist, wie er sie sich vorgestellt -hatte. Die Aussichten der Aluminiumherstellung auf elektrochemischem -Wege erkannte er gleichfalls auf der Stelle und hielt das Verfahren -und die praktische Arbeit mit diesem durch alle Schwierigkeiten und -Kosten hindurch aufrecht. Den Wert des Drehstromsystems, der Turbine -hat er mit schneller Sicherheit begriffen, und auch viele kleinere -Erfindungen verdanken ihm ihre Ausgestaltung und Nutzanwendung. -Erfindungen dagegen, die nicht so absolut schlagkräftig waren, wie den -Jablochkofflampen, dem ersten Wechselstromsystem usw. stand er mit -abwartender Vorsicht gegenüber. Den Akkumulator, der viele Techniker -und Gründer blendete, hat er niemals überschätzt, sondern bei aller -Würdigung seines Wertes doch stets als Stromquelle minderen Ranges -betrachtet.</p> - -<p>Der kritische Techniker dieser Art braucht zwar kein hervorragender -Könner im Positiven zu sein, aber ohne grundlegende technische -Vorbildung, ohne genaue Einsicht in die technischen Methoden, -Erfahrungen und Gesetze kann er seine fruchtbare Arbeit nicht -ausüben. Ein begabter Dilettant, der nur gewisse mehr oder weniger -phantasievolle, selbst geistreiche Vorstellungen von technischen -Dingen hätte — ein Jules Verne der Praxis — würde das sichere -Urteil, diese Grundlage des technischen Kritikers, nicht besitzen, -er würde vielleicht einmal einen Treffer erzielen, öfter jedoch -irren und Fehlschläge erleiden. Ein solcher Dilettant, dessen Wissen -Stückwerk ist, würde, an die Spitze eines großen Unternehmens -gestellt, mit seiner Autorität im Anregen und Entscheiden großes -Unheil über seine Gesellschaft bringen können, Geld und Arbeitskräfte -vergeuden und das Unternehmen zum finanziellen Ruin treiben können. -Emil Rathenau war ganz und gar kein solcher Dilettant. Er hatte die -Maschinentechnik in seiner Jugend gründlich gelernt und studiert, -und mit der Elektrotechnik, wenigstens dem für ihn ausschlaggebenden -Starkstromwesen, war er sozusagen aufgewachsen. Ihre Gesetze und ihre -Erscheinungsformen waren ihm nicht angelernter, sondern erworbener -Besitz.</p> - -<p>Neben seiner Fähigkeit der technischen Kritik oder sozusagen -verbunden mit ihr, besaß Rathenau noch eine andere Gabe, die seine -Mitarbeit an technischen Dingen für seine Ingenieure zwar manchmal -wenig angenehm, aber im Interesse eines gelungenen Ergeb<span class="pagenum"><a name="Seite_369" id="Seite_369">[S. 369]</a></span>nisses -außerordentlich wertvoll machte. Er besaß eine ausgesprochene, -direkt erfinderische Kunst, Hemmnisse, Fehler und Widerstände in der -technischen Konstruktion zu überwinden oder doch die Konstrukteure auf -die richtigen Wege zu ihrer Überwindung hinzuweisen. Diese Kunst, bei -der es sich um kein bloßes Herumraten, sondern um ernstes Durchdenken -handelte, wurzelte in zweien seiner grundlegenden Eigenschaften, -nämlich einmal in seiner intellektuellen Fähigkeit der technischen -Kritik und ferner in der Unerschütterlichkeit des Willens, mit der er, -von keinem Fehlschlage entmutigt, immer wieder von neuem durchdachte, -versuchte und aufstachelte, um schließlich dennoch — wenn nicht auf -der Hauptstraße, so doch auf Umwegen — zum Ziele zu gelangen. Dabei -begnügte er sich nicht mit einer unvollkommenen oder annehmbaren -Lösung, sondern er gab nicht eher Ruhe, als bis die höchstmöglichste -Vollendung erreicht war. Als einmal Felix Deutsch noch in der ersten -Zeit der A. E. G. von einer Geschäftsreise aus England zurückkehrte, -empfing ihn Rathenau zu seiner großen Bestürzung mit den Worten: -„Lieber Deutsch, Sie haben zwar sehr schöne Aufträge gebracht. Das -nützt aber nichts. Wir sind kaputt. Siemens hat eine neue Lampe, die -viel besser ist als die unsrige.“ Emil Rathenau setzte sich aber trotz -dieses Anfalls von Resignation 4 Wochen lang von morgens früh bis -tief in die Nacht hinein in die Lampenfabrik, und arbeitete mit den -Konstrukteuren so lange, bis er eine Lampe fertiggebracht hatte, die -dem Konkurrenzfabrikat mehr als ebenbürtig war. Unsäglich peinigte er -die armen Techniker, denen er die knifflige Aufgabe zugewiesen hatte, -die Nernstlampe, aus einer geistreich ersonnenen in eine praktisch -brauchbare Konstruktion umzuwandeln. Hier liegt vielleicht der einzige -Fall vor, bei dem sich Rathenau in eine falsche Richtung verrannt, oder -doch die noch richtigere Bahn verfehlt hatte. Bei dieser Arbeit war der -Verbrauch Rathenaus an Technikern ganz gewaltig gewesen, und einige von -ihnen mußten Sanatorien aufsuchen, um sich von der Arbeit und Mitarbeit -Emil Rathenaus zu erholen.</p> - -<p>Leicht gemacht wurden Emil Rathenau seine technischen Erfolge fast nie. -Er mußte überall ringen, und Lehrgeld bezahlen, viel Mühe und Zeit -aufwenden, ehe er den Erfolg sah. Dafür hat er aber auch diesen am -Ende fast stets für sich gehabt, und ein vollständiges Fiasko kaum je -erlitten.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_370" id="Seite_370">[S. 370]</a></span></p> - -<h3 class="padtop1" id="Kap_16_c">c)</h3> - -</div> - -<p>Als <em class="gesperrt">Kaufmann</em> wurzelte Emil Rathenau <em class="gesperrt">nicht</em> im -<em class="gesperrt">Händlerischen</em>, sondern im <em class="gesperrt">Industriellen</em>. Das heißt, ihn -interessierte nicht der Verkauf der Ware, und die Technik des Absatzes, -sondern sein Interesse und seine Arbeit gingen dahin, eine Ware so -herzustellen und auszustatten, daß sie sich gut verkaufen ließ, daß -ihre Eigenschaften dazu angetan waren, auf dem Absatzmarkte Nachfrage -zu erregen, wirkliche Bedürfnisse zu befriedigen oder auch zukünftige -Bedürfnisse zu wecken. Dabei wußte er sehr wohl, daß man dem Käufer -auf die Dauer keine Ware aufdrängen konnte, die ihm nicht wirklich -Vorteile bot. Nicht das Verblüffende, das Effektvolle einer Ware konnte -das dauernde Bedürfnis nach ihr schaffen, sondern nur das Zweckmäßige, -das irgendwelche Vorzüge vor der bisherigen Art der Bedarfsdeckung -bot, eine höhere Stufe der Wirtschaftlichkeit verhieß, neue produktive -Möglichkeiten eröffnete und neue Aussichten des Gewinnes oder der -Ersparnis bot. Das Telephon, die Glühlampe, die Kraftübertragung -führte er in Zeiten, in denen ein großer Bedarf nach ihnen sich noch -nicht feststellen ließ, vielleicht auch noch gar nicht vorhanden war, -keineswegs deswegen ein, weil die Einrichtungen technisch sinnreich -und praktisch effektvoll waren, sondern er sah voraus, welche neuen -Wirkungen, Leistungen und Vervielfältigungen im Wirtschafts- und -Verkehrsleben sich mit ihnen erreichen lassen würden. Hier, wo die -Statistik, die Erfahrung, die zahlenmäßige Kalkulation auf Grund des -vorhandenen Tatsachenmaterials versagen, wo aber auch die Phantasie -nicht theoretisch schweifen darf, sondern die realen Voraussetzungen, -die <em class="gesperrt">Tatsachen</em> einer zukünftigen Wirtschaftswelt sich sozusagen -im Irrealen voraus konstruieren muß, als ob bereits Erfahrungen -vorlagen, ist das schwierigste, aber auch das erfolgversprechendste -Gebiet des industriellen Kaufmanns.</p> - -<p>Emil Rathenau war ein Meister dieser <em class="gesperrt">realen</em>, dieser -<em class="gesperrt">statistischen</em> Phantasie. Naturgemäß genügte aber bei -der Befriedigung erst zu weckender Kaufbedürfnisse nicht die -einfache ökonomische Fertigstellung einer brauchbaren, ja selbst -konkurrenzüberlegenen Ware, so daß dann alles übrige der Verkaufs- -und Handelstechnik überlassen werden konnte. Es war auch notwendig, -die Ware oder die Leistung so zu zeigen, daß ihre Vorzüge für jeden -als<span class="pagenum"><a name="Seite_371" id="Seite_371">[S. 371]</a></span> Verbraucher in Betracht kommenden deutlich in Erscheinung -treten <em class="gesperrt">mußten</em>. Diese Propaganda für neuartige Dinge gehörte -infolgedessen mit zu der Sphäre des industriellen Kaufmanns, in -der Rathenau lebte und webte. Die Schaffung und Organisation der -sogenannten Demonstrationsunternehmungen war sogar eine seiner -ureigenen Aufgaben, zu deren Lösung er die Anregungen und die -bestimmenden Anweisungen gegeben hat. Anders war es mit dem Absatz -von sogenannten marktgängigen Waren, von Typen- und Massenartikeln, -worunter nicht nur solche zu verstehen sind, die in ihren Formen und -Eigenschaften endgültig oder für längere Zeitspannen festliegen, -sondern auch solche, die — wie es bei den meisten Fabrikaten -einer fortschrittlichen Technik der Fall ist — in einem ständigen -Entwickelungs- und Verbesserungsprozeß begriffen sind. Hier griff -die eigentliche Verkaufsorganisation ein, die für Rathenau aber nur -eine Sache zweiter Ordnung war. Wenn trotzdem die A. E. G. auch in -dieser Hinsicht nicht nur mustergültig versorgt war, sondern ganz -neuartige Wege beschritt, so ist dies dem Umstand zu danken, daß -ihr von Anfang an in Felix Deutsch, Rathenaus erstem Mitarbeiter, -eine Kraft zur Verfügung stand, die an händlerischer Begabung die -mehr aufs Industrielle gerichteten Fähigkeiten des Meisters wirksam -und glücklich ergänzte. Deutsch war auf seinem ureigenen Gebiete so -überragend und selbstsicher, daß Emil Rathenau ihm dieses Gebiet -fast ganz selbständig überließ und sogar zugab, daß die Organisation -des Verkaufsgeschäfts sich in einer Richtung entwickelte, die seinen -eigenen Anschauungen anfangs bis zu einem gewissen Grade zuwiderlief. -Rathenau hatte nämlich in allen Fragen, die er nicht aus erster -Hand, sozusagen in höchstpersönlicher Art löste (was bei dem ihn -nur mittelbar interessierenden Verkaufsgeschäft aber nicht der Fall -war), eine gewisse bewundernde Vorliebe für das Amerikanische. Das -amerikanische Verkaufssystem bestand nun wesentlich in der Abgabe -der typischen Artikel und Massenware an Vertreter, Kommissionäre, -Installateure und Händler, die ihrerseits den Absatz an die Verbraucher -besorgten. Ein solches System ist einfach für den Fabrikanten, und -entsprach aus diesem Grunde wohl der minder bedeutsamen Stellung, die -Rathenau dem Verkaufsgeschäft zuwies. Er wollte es ohne allzugroßen -Aufwand an Eigenarbeit, Apparatur und Kapital, die nach seiner Ansicht -besser anderen, ihm wichtiger erscheinenden Gebieten zugeführt werden<span class="pagenum"><a name="Seite_372" id="Seite_372">[S. 372]</a></span> -sollten, erledigen und konnte sich dabei immerhin darauf berufen, daß -die Amerikaner mit diesem System gute Geschäfte machten und einen -großen Umsatz erzielten. Nun lagen allerdings die Verhältnisse in -Amerika wohl etwas anders als in Europa. Die Absatzmöglichkeiten des -weiten und sich rasch auf jungem Kulturboden entwickelnden Landes -waren an sich größer, der Bedarf war weniger passiv und wandte sich -ganz von selbst den modernsten Methoden der Technik zu, denn es waren -dort absolut und relativ viel mehr Unternehmungen und Ausrüstungen -ganz neu zu schaffen, die sich naturgemäß dann sofort mit den -zeitgemäßesten Einrichtungen versahen. In der Zeit der Licht- und -Kraftelektrizität entstanden drüben zum Beispiel erst viele Städte -oder es wuchsen Ortschaften zu städtischem Umfang an, die, vor das -Problem der Beleuchtung und Beförderung gestellt, naturgemäß nicht -die älteren Systeme (Gas und Pferdebahn), sondern die modernsten -(elektrisches Licht und elektrische Straßenbahnen) wählten. Dasselbe -war mit neuerstehenden Fabriken, Hüttenwerken usw. der Fall. Sie -führten sofort die rationellste Art der Kraftübertragung ein. Ganz -anders lagen die Verhältnisse in den europäischen Ländern. Hier waren -die Städte und ein großer Teil der Fabrikationsbetriebe bereits, bevor -die Elektrotechnik ihre Leistungsfähigkeit bis zu voller Überlegenheit -entwickelt hatte, auf andere Weise eingerichtet gewesen, und es galt, -sie zur Auswechslung ihrer alten Einrichtungen und zur Ersetzung durch -neue elektrotechnische Anlagen zu veranlassen, eine Aufgabe, die -naturgemäß eine größere Aktivität der Elektrizitätsindustrie erforderte -als in Amerika. Für die Zentralunternehmungen (Elektrizitätswerke -und Bahnen) erkannte dies auch Rathenau als erster durchaus -richtig, und seine Gründungen auf jenen Gebieten dienten darum in -erster Linie dem Zwecke, den Konsum durch anregende Beispiele zur -Elektrizität hinzuführen, ja sogar hinzuzwingen. Sobald es sich aber -um Privatzentralen oder sonstige Einzelanlagen handelte, wollte Emil -Rathenau die Konsequenzen seiner eigenen Idee merkwürdigerweise nicht -ziehen. Er neigte dem amerikanischen System des Absatzes zu, trotzdem -man mit diesem doch nicht unmittelbar an den Konsum herankommen, und -offenbar manche Möglichkeiten des Geschäfts nicht tatkräftig genug -ausnutzen konnte. Anscheinend fürchtete Rathenau, die Schicht der -Zwischenhändler, Vertreter-Firmen und Installateure zu verstimmen, die -zur Zeit der Gründung der A. E. G.<span class="pagenum"><a name="Seite_373" id="Seite_373">[S. 373]</a></span> das Geschäft zum großen Teil noch -vermittelte und auf die er bis zu einem gewissen Grade sich stützen -zu müssen glaubte. Hier war nun Deutsch weitsichtiger als Rathenau -selbst, indem er die Aussichten der Zukunft über die Beschränktheiten -der damaligen Gegenwart stellte. Er machte die Inkonsequenz seines -Meisters nicht mit und bestand, gestützt auf seine Autorität als -Leiter des Verkaufsgeschäfts, darauf, auch in diesem Gebiete das -Rathenausche System zur Geltung zu bringen. Rathenau selbst ließ ihn -gewähren und mußte sich später überzeugen, daß Deutsch recht gehabt -hatte. Die 300 kaufmännisch-technischen Bureaus, die Deutsch an allen -größeren Plätzen des In- und Auslandes errichtete, bildeten immer mehr -die Tragpfeiler der Absatzorganisation und boten die Möglichkeit, -den Absatz in schneller Progression zu steigern, und alle neuen -Konstruktionen auf dem direktesten Wege in den Konsum zu bringen. Die -Bureaus waren nicht nur mit Kaufleuten besetzt, die propagandistisch -tätig waren und Geschäfte in ihrem Bezirk abschlossen, sondern auch mit -Technikern, die sich nicht darauf beschränkten, die von der A. E. G. -gelieferten Anlagen zu montieren, sondern sie auch ständig überwachten, -Anregungen zu ihrer Anlage, Ergänzung, Verbesserung usw. gaben, Fehler -beseitigten, Belehrungen über die Anwendung erteilten, Irrtümer in der -Anwendung korrigierten, kurzum den Kunden dieselben Berater-Dienste -erwiesen, die ihnen sonst von sogenannten „konsultierenden Technikern“ -geleistet wurden. Naturgemäß verschlang ein solcher Riesenapparat von -300 technischen Bureaus mit ihrem Beamtenstab, ihren Lagerbeständen, -ihren Räumlichkeiten gewaltige Summen. Er machte sich nur bei einem -wirklich großen Umsatz bezahlt, und gewann infolgedessen besonders -an Einträglichkeit durch die verschiedenartigen großen Fusionen, die -eine Zusammenlegung der Verkaufsorganisationen der verschmolzenen -Unternehmungen und eine wesentliche Vergrößerung ihres Umsatzes bei nur -geringfügig erhöhten Unkosten gestatteten. Gerade der gewaltige Apparat -der Verkaufsorganisation war ebenso wie das Unternehmergeschäft eine -der Klippen, an denen die schwächeren Konkurrenzunternehmungen in der -Elektrizitätsindustrie scheiterten. Sie vermochten den Umsatz nicht -hereinzubringen, der die großen Spesen dieses Apparates aufgewogen -hätte.</p> - -<p>Emil Rathenau hat sich um das Verkaufsgeschäft — wie schon gesagt -— nicht allzusehr gekümmert. Wenn er zum Beispiel auf<span class="pagenum"><a name="Seite_374" id="Seite_374">[S. 374]</a></span> Reisen war, -ließ er sich nur in gewissen Abständen eine kurze Aufstellung über die -Art und die Summe der erfolgten Verkäufe nachsenden. Die Namen der -Käufer interessierten ihn nicht. Das war Deutsch’s Ressort, der als -„Globetrotter der A. E. G.“ einen großen Teil des Jahres unterwegs war, -die Filialen und Bureaus kontrollierte, dort Anregungen geschäftlicher -und organisatorischer Art gab und dafür sorgte, daß die Einrichtungen -auf der Höhe blieben. Wenn Rathenau reiste, so geschah dies — sofern -nicht Aufsichtsratssitzungen oder Generalversammlungen befreundeter -Gesellschaften und Transaktionsverhandlungen die Veranlassung dazu -boten — fast stets nur, wenn technische oder fabrikatorische Fragen -zu lösen waren. Insbesondere hatten seine Reisen nach Amerika, -deren letzte noch im Jahre 1912 geplant war, aber nicht mehr zur -Ausführung kam, meist sozusagen eine vergleichende Generalrevision -der jeweiligen technischen Gesamtlage der elektrischen Welt zum -Zwecke. Er prüfte, wie die beiderseitigen Leistungen und Fortschritte -zueinander standen, brachte Eindrücke und Anregungen mit heim und -hielt drüben auch nicht mit den Errungenschaften zurück, die in der -alten Welt inzwischen gemacht worden waren. Natürlich genügten diese -gelegentlichen persönlichen Besuche in Amerika nicht, um einen wirklich -erschöpfenden Ausgleich zwischen kontinentaler und amerikanischer -Elektrizitätstechnik zu gewährleisten. Sie dienten sozusagen nur der -Superkontrolle für das von Rathenau bereits früh eingeführte System des -Austausches mit der General Electric-Gruppe.</p> - -<p>Nicht nur gegenüber dem Kaufmann wußte Rathenau das industrielle -Prinzip zur Geltung zu bringen, sondern auch gegenüber dem Techniker. -Der manchmal eigensinnige Ehrgeiz vieler, hauptsächlich konstruktiv -begabter Techniker, alles im eigenen Hause machen zu wollen, für -jeden Gegenstand eine eigene Konstruktion zu haben, war ihm fremd. Es -hat der A. E. G. unter der Leitung Rathenaus nie an hervorragenden -Eigenkonstruktionen gefehlt. Wenn aber durch den Erwerb fremder, -bereits erprobter Verfahren oder durch die Zusammenlegung eigener und -fremder Verfahren schneller und vorteilhafter zum Ziele zu kommen war -als durch die mühselige technische Innenarbeit, so wählte Rathenau, -dem es letzten Endes nicht nur auf den technischen, sondern auch -auf den wirtschaftlichen Erfolg ankam, unbedenklich statt des rein -technischen Weges den technisch-kommerziellen. Von einer bloßen -schematischen Nachahmung<span class="pagenum"><a name="Seite_375" id="Seite_375">[S. 375]</a></span> und Benutzung fremder Geistesarbeit war -die Rathenausche Methode aber auch in solchen Fällen weit entfernt. -Überall, wo er fremde Konstruktionen erwarb, so bei den Edisonlampen, -bei den Spragueschen Straßenbahnpatenten, beim Akkumulator und -der Curtis-Turbine, hat er die übernommenen Gegenstände in steter -Weiterentwickelung verbessert und durchgebildet, sie so recht -eigentlich erst zu der Reife gebracht, durch die sie ihre großen -Erfolge davontrugen.</p> - -<p>Für die industrielle Grundlage des kaufmännischen Charakters -Emil Rathenaus zeugt schließlich auch die innere Ausbildung des -Kalkulationswesens der A. E. G. Dieses war so organisiert, daß die -Fabrikationsabteilungen mit dem Verkauf und mit der Preisbemessung für -die von ihnen hergestellten Waren nicht das geringste zu tun hatten. -Für sie gab es nur Selbstkostentabellen. Diese übermittelten sie der -Verkaufsabteilung, der es vorbehalten war, auf der Grundlage jener -Tabellen die Preise festzusetzen. Damit wurde bezweckt, daß sich die -Fabrikation von dem Verkaufspreise weder nach oben noch nach unten in -ihrem Herstellungsprozess beeinflussen lassen sollte. Ihre Aufgabe war -es, nach rein sachlichen Gesichtspunkten zu produzieren und dabei die -Ware so gut und so billig wie möglich herzustellen, ohne sich in der -Qualität ihrer Arbeit durch die Kenntnis der Verkaufspreise beirren -zu lassen. Stellte die Verkaufsabteilung fest, daß die Selbstkosten -einer bestimmten Ware im Vergleich mit dem Preise einer gleichartigen -Ware der Konkurrenz zu hoch waren, so wurde auf ihre Veranlassung in -die Frage einer Untersuchung und Verbesserung des Produktionsprozesses -eingetreten. Im übrigen war es das Prinzip Rathenaus, aus den drei -Faktoren Grundrente, Produktionspreis und Vertriebskosten eine -Preisstellung zu ermöglichen, die der jedes Konkurrenten gewachsen, -möglichst aber überlegen war. Über die Faktoren Produktionspreis und -Vertriebskosten ist schon gesprochen worden. Über das Thema Grundrente -soll der nächste Abschnitt, der die Grundlage der Rathenauschen -Finanzpolitik noch einmal zusammenfassend schildern will, Aufschluß -geben.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="padtop1" id="Kap_16_d">d)</h3> - -</div> - -<p><em class="gesperrt">Industriefinanzier</em> — das ist das Wort, mit dem Rathenau am -häufigsten charakterisiert wird, womit man die Größe und Besonderheit -seiner Leistung am kräftigsten herausheben und umschreiben<span class="pagenum"><a name="Seite_376" id="Seite_376">[S. 376]</a></span> zu -können meint. Große Industriegebilde hätten auch andere geschaffen, -unterschiedlich und neu seien bei Rathenau aber hauptsächlich die -Finanzierungsmethoden, die in dieser Art und Ausprägung kein anderer -vor ihm und neben ihm ausgebildet habe, die für eine ganze Generation -vorbildlich und fruchtbar geworden seien. Drängt sich ein so starker -Eindruck von dem Wesen und Wirken eines Mannes der Öffentlichkeit -auf, so muß ihm naturgemäß irgend eine berechtigte Ursache zu Grunde -liegen. Das Urteil der öffentlichen Meinung braucht nicht umfassend zu -sein, es braucht das Bild des beurteilten Menschen oder Gegenstandes -nicht ganz in der Fläche zu decken und nicht ganz bis in die Tiefe -zu erfassen. Die Beurteilung kann schief und oberflächlich, aber -sie kann nicht völlig falsch sein. In der Tat war Emil Rathenau -ein Finanzkünstler ersten Ranges, und in der Tat gehen von hier -vielleicht die stärksten Einflüsse aus, die er über die Grenzen seiner -Sondertechnik und Sonderindustrie hinaus auf das Gesamtwirtschaftsleben -ausgeübt hat, sofern wir allerdings die umwälzenden Einwirkungen der -von Rathenau beschleunigten „Elektrisierung“ fast aller Verkehrs- -und Produktionsprozesse als zur elektrischen Sondertechnik gehörend -betrachten. Unter seinen Methoden, die einfach von anderen Gewerben -übernommen, zum Gemeingut der Gesamtwirtschaft werden konnten, -stehen die finanziellen weitaus im Vordergrunde. Das System der -Selbstbedarfsdeckung und Selbstabsatzwirtschaft, wie es Rathenau für -die elektrische Industrie erfunden hat, war doch im wesentlichen -auf diese oder wenige verwandt organisierte Industrien beschränkt, -in anderen Großgewerben, wie zum Beispiel im Montangewerbe, in der -chemischen Großindustrie usw. entstanden unabhängig davon ganz andere, -zum Teil sogar noch radikalere Methoden der „Gemischtwirtschaft“. Das -Finanz- und Reservensystem Emil Rathenaus dagegen ist weit über die -Grenzen der Elektrizitätsindustrie hinaus epochemachend geworden, und -mit Recht konnte Dr. Walther Rathenau in der ersten Generalversammlung, -die die A. E. G. während des Krieges abhielt, darauf hinweisen, daß -die großen Reserven der industriellen Unternehmungen, dieses „Mark im -Knochengerüst des deutschen Industriekörpers“ die schnelle Umstellung -und Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie im Kriege in erster -Linie ermöglicht hätten. Nun folgt allerdings daraus, daß Emil Rathenau -diese Reservenpolitik<span class="pagenum"><a name="Seite_377" id="Seite_377">[S. 377]</a></span> zuerst im großen Maßstabe angewandt hat, noch -nicht unbedingt, daß sie ohne ihn überhaupt nicht Eingang im deutschen -Wirtschaftsleben gefunden hätte. Vielleicht lag sie ohnedies in der -Richtung unserer Industrieentwickelung und Emil Rathenaus Verdienst -bestände alsdann nur darin, durch sein erfolgreiches Vorbild diese -Entwickelung bestärkt und beschleunigt zu haben. Daß sie nicht mit -<em class="gesperrt">jeder</em> großen und reichen Wirtschaftsentwickelung notwendig -verbunden zu sein braucht, zeigt das Beispiel Englands, wo eine -viel ältere wirtschaftliche Generation doch nicht annähernd so viel -Reservekraft der unpersönlichen Unternehmungen, dafür aber mehr -persönlichen Reichtum angesammelt hatte wie die deutsche, zeigt -ferner das Beispiel Amerikas, wo man trotz einer fast noch stärkeren -Industrialisierung im allgemeinen noch nicht die Kinderkrankheit -jeder Großwirtschaftsbewegung, das System der Agiotage und -Kapitalverwässerung, überwunden hat.</p> - -<p>Und doch — trotz der großen Ausbildung, Sichtbarkeit und Fernwirkung -der Rathenauschen Finanzkunst, kann sie nicht als seine grundlegende, -seine primäre Begabung bezeichnet werden. Rathenau hat niemals -reine Geschäfte mit dem Gelde und um des Geldes willen gemacht, er -finanzierte nie aus Freude am Finanzieren, sondern dies war ihm nur -das — virtuos angewandte — Mittel zum Zwecke des Industrialisierens. -Seine Finanzwirtschaft war sozusagen nur das der Industriewirtschaft -genau angepaßte Kleid, eine sekundäre Kunst, destilliert aus -seinen <em class="gesperrt">ursprünglichen</em> Begabungen und Eigenschaften, denen -sie dienen und die sie erst zu voller Wirkung bringen sollte. -Finanzgewinne wurden von Rathenau — wenigstens ursprünglich — nicht -<em class="gesperrt">angestrebt</em>, sondern sie fielen als reife Früchte von dem Baume -seiner Industriepolitik ab. Erst später, als er erkannt hatte, wie -reiche Geldfrüchte dieser Baum tragen könnte, ging er dazu über, sie zu -züchten, immer jedoch die Gesichtspunkte der Industriewirtschaft denen -der Finanzwirtschaft voranstellend, deren Gefahren er wohl kannte und -deren Verlockungen er darum nie Macht über sich gewinnen ließ.</p> - -<p>Entwickelte sich so Rathenaus Finanzkunst, die in der Hochzüchtung, -Festigung und späteren gewinnreichen Verwertung von Betriebsrenten, -nicht im Manipulieren mit dem Aktienkurse bestand, ganz aus dem -Bedürfnis des Industrialisierens, also aus der wirt<span class="pagenum"><a name="Seite_378" id="Seite_378">[S. 378]</a></span>schaftlichen -Grundeigenschaft des Mannes, so wurzelte seine finanzielle -Reservenpolitik vielleicht noch tiefer in einem der Grundgefühle des -Rathenauschen <em class="gesperrt">Charakters</em>: nämlich in dem <em class="gesperrt">Pessimismus</em>. -In der Kühnheit des Entwerfens industrieller und finanzieller -Transaktionen keinem der großen Kaufleute unserer Zeit nachstehend, -übertraf sie Rathenau doch alle in dem Gegengewicht der Vorsicht, -durch das er diese Kühnheit des Entwurfes bei der Ausführung gegen -alle möglichen Gefahren zu sichern bestrebt war. Dieses Gegengewicht -war aus Reserven gebildet, die zum Teil aus zurückgelegten Beträgen -der Jahresgewinne, zum Teil aus dem zurückhaltend angewandten -Aktienagio und zum Teil aus Buchvorteilen bei Transaktionen unter -Ausnutzung dieses Aktienagios stammten, das es der A. E. G. gestattete, -Fabrikationswerte und Beteiligungen zu außerordentlich niedrigen -Preisen zu erwerben oder doch so in ihre Bilanz einzustellen. -Dabei hat sich die Reservenpolitik nie so weit verstiegen, daß von -einer <em class="gesperrt">ungesunden</em> Thesaurierung gesprochen werden könnte, -wie sie sich in einem Teil der deutschen Verfeinerungsindustrie, -namentlich im Metallgewerbe, in der chemischen Großindustrie, in der -Rüstungsindustrie — unter übertriebener Nachahmung des Rathenauschen -Vorbildes — während des letzten Jahrzehnts ohne berechtigten -wirtschaftlichen Zweck herausgebildet hat. Ein so falsches Bild wie -bei den Unternehmungen dieser Art, so zum Beispiel den Daimlerwerken, -den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, den Köln-Rottweiler -Pulverfabriken, der Deutschen Gasglühlicht-Gesellschaft (Auer), -den Vereinigten Glanzstofffabriken und vielen anderen, die mit -verantwortlichen Aktienkapitalien von 10 bis 20 Millionen Mark, -Vermögenswerte von 50 und 100 Millionen Mark decken, hat die Bilanz -der A. E. G. niemals gezeigt. Bei ihr standen die Rücklagen immer noch -in einem ungefähr richtigen Verhältnis zu den Risiken, der Aktienkurs -war nicht so beschwert mit spekulationstreibenden Rätseln, wenn auch -das Bilanzbild keineswegs jene Durchsichtigkeit besaß, die der Sinn -und jedenfalls der Buchstabe des Aktienrechts vielleicht verlangen, -die der wirtschaftlichen Entwickelung des Aktienwesens aber nicht -immer zuträglich ist. Niemals hat die A. E. G. jene künstlichen -Kapitalserleichterungen und Kapitalsverwässerungen vornehmen müssen, -die das sicherste äußere Kennzeichen einer <em class="gesperrt">ungesunden</em> -Reservenanhäufung sind, eine spekulative Unsicherheit in den Besitz -der Aktien und bis zu einem<span class="pagenum"><a name="Seite_379" id="Seite_379">[S. 379]</a></span> gewissen Grade auch in die Verwaltung der -Aktiengesellschaften tragen. Emil Rathenau hat niemals unter Verzicht -auf das Aktienagio Pari-Aktien oder gar Gratis-Aktien ausgegeben, er -hat andererseits auch niemals das Agio bis zur letzten Grenze oder -gar noch darüber hinaus ausgenutzt. Er ging einen Mittelweg, der alle -Bedürfnisse des gesellschaftlichen Interesses, des Aktionärinteresses -und des Kapitalmarktes zu berücksichtigen suchte. Ebenso wie die Rente -und den Aktienkurs suchte er auch das Aktienagio stabil oder doch in -stabiler, das heißt stetiger Aufwärtsbewegung zu halten.</p> - -<p>Damit waren der Grundrente nicht nur günstige, sondern auch sichere -Verhältnisse geschaffen und das Verhältnis zwischen Kapital plus -inneren und äußeren Reserven auf der einen Seite und dem Umsatz, -dem Gewinn und dem Unternehmerrisiko auf der anderen Seite blieb in -den Formen des Ebenmaßes und Gleichgewichts, die auf Produktion und -Kalkulation vorteilhaft und festigend einwirkten und in guten Zeiten -angenehme Überraschungen nicht übermäßigen Umfanges, in schlechten -Zeiten niemals allzu unangenehme Enttäuschungen bringen konnten. -Das finanzielle Traggerüst war so gezimmert, daß es auf die denkbar -größte Belastung eingerichtet war. Dieses Ideal der Sicherheit, das -für Rathenau mit dem der <em class="gesperrt">allgemeinen und durchschnittlichen</em> -Wirtschaftlichkeit zusammenfiel, wurde soweit verfolgt, daß darüber -die Wirtschaftlichkeit in manchen Einzeldingen allerdings auch außer -acht gelassen wurde. Dies zeigt sich vornehmlich auch in der von -Jahr zu Jahr größeren <em class="gesperrt">Anhäufung von baren Mitteln</em>, die nicht -im Betriebe werbend angelegt, sondern in Form von Bankguthaben stets -greifbar gehalten wurden und fast immer die Hälfte des nominellen -Aktienkapitals, so gewaltig dieses auch zuletzt anwuchs, erreicht -haben. Der Zweck dieser Bankguthaben, in denen ja allerdings nicht -allein die Barmittel der A. E. G. selbst vereinigt waren, sondern -auch ein Teil der überschüssigen Gelder des ganzen Konzerns zum -Ausdruck kam, bestand in der jederzeitigen völligen Unabhängigkeit -von den Banken und vom Kapitalmarkte. Die Gesellschaft sollte stets -bereit und fähig sein, neue Projekte und Geschäfte, die sich ihr vom -technischen oder industriellen Standpunkte aus boten, durchzuführen, -gleichgültig, ob die Zeitverhältnisse oder die kapitalbeherrschenden -Geldmächte solche Unternehmungen gerade begünstigten oder nicht. Bis zu -einem gewissen<span class="pagenum"><a name="Seite_380" id="Seite_380">[S. 380]</a></span> Grade war die Geldbeschaffung des Konzerns durch die -Finanzgesellschaften sichergestellt. Ein Teil von deren Hilfskräften -aber gerade sowie die eigenen Barmittel der A. E. G. waren in den -Bankguthaben der A. E. G. (im Gegensatz zu den buchmäßigen Rücklagen, -die möglichst verborgen gehalten wurden) sichtbar zusammengefaßt und -mit einem gewissen Stolze zur Schau getragen, als deutliches Zeichen -der finanziellen Macht und Stärke der Gesellschaft. Industriell ist -diese Hauptreserve der Gesellschaft in den späteren Jahren selten in -vollem oder auch nur größerem Umfange in Anspruch genommen worden, -und das Beispiel anderer großer Industriekonzerne hat gezeigt, daß -ein wohlfundiertes, gut rentierendes Unternehmen auch von außenher -fast stets Investitionsmittel erhalten konnte, wenn es sie für -wichtige Zwecke gebrauchte. Gerade erstklassige Großunternehmungen -brauchen so riesige Barmittel nicht unbedingt, kleinere und weniger -gefestigte Gesellschaften können sie sich wiederum nicht leisten. -Eine rückschauende Kritik wird daher möglicherweise einmal zu dem -Ergebnis kommen, daß diese großen Flüssigkeitsreserven in stärkerem -Maße einen Luxus darstellten als die von den Aktionären viel -heftiger bekämpften Buchreserven. Bei der Struktur unseres Kapital- -und Bankenwesens, die immer mehr darauf zugeschnitten wurde, die -einträgliche Industrieanlage vor den sonstigen Kapitalanlagen, der -Staatsrente, dem Hypothekarkredit usw. zu bevorzugen, erscheint von -einem industriellen Nützlichkeitsstandpunkte aus betrachtet diese -übermäßige Anhäufung von Barmitteln für ein industrielles Unternehmen -vielleicht nicht mehr unbedingt nötig. Vom finanziellen Standpunkte -aus bedeutet die Barhaltung so großer Teile des Anlagekapitals, die -nicht im Betriebe gewinnbringende Anlage finden, sondern im günstigsten -Falle die Zinsen wieder einbringen, die sie kosten, bis zu einem -gewissen Grade eine unwirtschaftliche Last. Emil Rathenau, der doch -sonst moderne Entwickelungen so schnell begriffen, häufig sogar ihnen -vorangegangen ist, kam in dieser Hinsicht von den Verhältnissen in den -70er und 80er Jahren und den schlechten Erfahrungen, die er damals -mit der „Berliner Union“, der Deutschen Edison Gesellschaft und den -Städtischen Elektrizitätswerken gemacht hatte, niemals so recht los. Er -bedachte nicht, daß sich in der Zwischenzeit nicht nur sein Unternehmen -bis zu einer Größe und Kraft entwickelt hatte, die es den Banken unter -keinen<span class="pagenum"><a name="Seite_381" id="Seite_381">[S. 381]</a></span> Umständen hätte geraten erscheinen lassen, seine Bedürfnisse zu -ignorieren, sondern daß auch Bankwesen und Kapitalmarkt sich inzwischen -gewandelt und zu größerer Aufnahmefähigkeit und Aufnahmewilligkeit -für Industriefinanzierungen vertieft hatten. Wenn sich trotzdem auch -der Grundsatz der Unabhängigkeit von Banken und Kapitalmarkt für ein -großindustrielles Unternehmen sehr wohl billigen ließ, so ist doch -die Übertreibung dieses Grundsatzes, die durch Ansammlung übergroßer -Barmittel eher umgekehrt eine Beherrschung der Banken anstrebte, nicht -ebenso ganz zu rechtfertigen.</p> - -<p>Die <em class="gesperrt">Krisengefahr</em> konnte — wie sich wiederholt gezeigt hat — -die übermäßige Höhe der unwirtschaftlichen Barmittel nicht hinreichend -begründen, höchstens konnte man bis vor ein paar Jahren der Ansicht -sein, daß die <em class="gesperrt">Kriegsgefahr</em> sie fordere. Der gegenwärtige -Weltkrieg scheint aber — wohl entgegen der vorher überwiegend -herrschenden Meinung — gerade diese Ansicht bis zu einem gewissen -Grade widerlegt zu haben. Denn er hat — wenn man von wenigen -Gewerben, wie der Seeschiffahrt, absieht — nicht die Folge gehabt, -die Barmittel der industriellen Unternehmungen in Anspruch zu nehmen -oder gar aufzubrauchen, sondern er hat im Gegenteil allenthalben diese -Barmittel in ungeahntem Umfange vergrößert, und Verhältnisse, wie -sie in dieser Hinsicht vor dem Kriege nur bei einer Minderzahl von -Gesellschaften, besonders bei der A. E. G., bestanden, für die Mehrzahl -der Industrieunternehmungen geschaffen. Das Barreservensystem ist im -Kriege typisch für die deutsche Gesamtindustrie geworden, bei den -Kriegsmaterialunternehmungen infolge übernormaler Gewinnansammlungen, -bei vielen Friedensunternehmungen infolge einer immer weiter -fortschreitenden Liquidierung ihrer Betriebsmittel (Vorräte, -Außenstände usw.). Welche Wirkung allerdings in dieser Hinsicht ein -unglücklich verlaufender Krieg gehabt haben würde, der ja auch zu einer -Besetzung großer deutscher Industriegebiete durch den Feind hätte -führen können, ist eine andere Frage, die uns veranlassen muß, das -Urteil über das industrielle Barreservensystem immerhin mit einiger -Vorsicht abzugeben.</p> - -<p>Gerade wenn wir uns die Reserven- und Finanzpolitik Emil Rathenaus -ansehen, mit ihrer Fülle von verwickelten Erscheinungen und Formen, von -Mitteln und Zwecken, und ihren wenigen einfachen, manchmal vielleicht -übertrieben vereinfachten Resultaten, in die am<span class="pagenum"><a name="Seite_382" id="Seite_382">[S. 382]</a></span> Ende alle diese Ströme -münden, so finden wir einen der stärksten Grundzüge Rathenauschen -Wesens und Strebens bekräftigt, der sich auch auf allen anderen seiner -Wirkungsgebiete nachweisen läßt: <em class="gesperrt">den Drang vom Komplizierten zum -Einfachen</em>. Menschen kleineren und mittleren Wuchses beginnen häufig -mit dem Einfachen und gelangen im Laufe ihrer Tätigkeit immer mehr zum -Komplizierteren. Ganz anders Rathenau. Seine Anfänge waren kompliziert. -Er besaß eine erdrückende Fülle der Formen und Möglichkeiten in sich, -in ihm gärte, wie in vielen genialen Charakteren, ein Chaos, das nach -Ausdruck, nach Gestaltung rang. Jede Unfertigkeit, jede Unklarheit -und Ungelöstheit war ihm dabei eine Qual und so strebte er naturgemäß -nach ihrer Beseitigung. Den Mitlebenden mag die erste Schaffensperiode -Rathenaus wirr, unübersichtlich und sprunghaft erschienen sein. Sie -mußte Außenstehenden und in Sonderheit oberflächlich Urteilenden wohl -auch so erscheinen, wenngleich die mannigfaltigen Kräfte Rathenaus wohl -innerlich stets schon nach bestimmten Richtungen und Zielen gedrängt -haben. Erst die zweite Periode brachte — auch nach außenhin erkennbar -— die Vereinfachung, die Zusammenfassung der auf verschiedenen Wegen -vorwärts strebenden Tendenzen. Auch dieser kaufmännische Stratege -folgte — wenn auch bis zu einem gewissen Grade unbewußt — dem -Grundsatz: „Getrennt marschieren und vereint schlagen“. Und nun trat -das ein, was stets bei den Leistungen großer Männer zu geschehen -pflegt. Was während des mühevollen Arbeitens und Ringens solcher -Männer den Zuschauern unentwirrbar, fragwürdig, im Ziele unklar, im -Ausgang zweifelhaft erschien, wurde nach erreichten Resultaten allen -so einleuchtend, so selbstverständlich, daß es gar nicht anders hätte -kommen können, daß alle schon vorher gewußt und vorher gesagt haben -wollten, wie es kommen würde. Ein großes Beispiel aus der Geschichte: -Die Bismarcksche Reichsgründung, von der wir Nachgeborenen den -Eindruck haben, daß die ganze vorherige Entwickelung mit Notwendigkeit -darauf hindrängte, die aber doch von ihrem Schöpfer nicht mit wenigen -mächtigen Hammerschlägen gefügt, sondern aus vielen Möglichkeiten, -gegen hundert Widerstände und Mißhelligkeiten im erbitterten Ringen -mit sich selbst und der Umwelt, unter aufreibenden Kleinkämpfen -durchgesetzt wurde. Wenn man mit dem gewaltigen politischen Werk -Bismarcks die in ihrer Art gleichfalls imposante Leistung eines großen -Industrieschöpfers<span class="pagenum"><a name="Seite_383" id="Seite_383">[S. 383]</a></span> vergleichen darf, so hat sich das Urteil der Welt -ihr gegenüber mit dem Erfolge in ähnlicher Weise gewandelt. Aber erst -die lapidaren Linien der Resultate ließen auch die innere Arbeit -erkennen, die das Ringen um sie verursacht haben mußte.</p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p>In dem Bilde des finanziellen Charakters Emil Rathenaus ist einer der -Hauptzüge die Meisterschaft, mit der er die Aktie behandelte, und es -ist kaum glaublich, daß derselbe Mann, dessen ganzes öffentliches -Wirken auf der Grundlage des Aktienwesens aufgebaut ist, im Privatleben -eine unüberwindliche Scheu vor Aktienerwerb und Aktienbesitz hatte. -Das ist kaum glaublich und doch müssen wir, da es von Personen, -die ihm nahestanden, übereinstimmend versichert wird, wohl daran -glauben, ohne es allerdings hinreichend verstehen und erklären zu -können. Der kleinbürgerliche Privatcharakter, den wir ja auch schon -in anderem Zusammenhange in Gegensatz zu seinem geschäftlichen -Weltbürgertum stellen mußten, scheint sich hier von dem Netzwerke der -höchstpersönlichen Begebnisse nicht haben befreien zu können mit dem -Ergebnis, daß Rathenau für sich selbst, und auch für Freunde, die Rat -von ihm verlangten, alles das abschwor, was er öffentlich verkündet -hatte. Einem alten Freunde, der ihn einmal fragte, ob er denn jetzt -A. E. G.-Aktien hinzu kaufen, oder seinen alten Besitz verkaufen -solle, erwiderte er: „Sie können auch das Spekulieren nie lassen.“ Es -mag Leute geben, die Emil Rathenau nach solchen Feststellungen für -unehrlich halten werden und man könnte sich sogar denken, daß ein -findiger Staatsanwalt für den Fall, daß Rathenaus vielverschlungene -Aktiengründungen nicht zu einem großen Erfolg, sondern zu einem -finanziellen Zusammenbruch geführt hätten, aus dem Gegensatz zwischen -der öffentlichen und der privaten Stellung zur Aktie so etwas wie -den „bösen Glauben“ konstruiert haben würde. Als feiner Psychologe -hätte er sich dabei allerdings nicht erwiesen, denn man wird diesen -Widerspruch nicht klären, wenn man den öffentlichen Charakter Rathenaus -der Unehrlichkeit, sondern wenn man den privaten Charakter einer -schrullenhaften Schwäche zeiht. Zweifellos ist Emil Rathenau, dieser -größte Meisterer des Aktienwesens, die tiefinnerliche Abneigung gegen -die Aktie nie losgeworden, die ihn schon beherrschte, als er in<span class="pagenum"><a name="Seite_384" id="Seite_384">[S. 384]</a></span> der -Gründerzeit gegen die Umwandlung der Maschinenfabrik Webers in eine -Aktiengesellschaft längere Zeit Widerstand leistete. Da er aber ohne -sie seine industriellen Pläne nicht ausführen konnte, mußte er sie -wohl oder übel benutzen, denn sein Drang zum industriellen Schaffen -war schließlich doch noch größer als seine Abneigung gegen die Aktie. -Gewissermaßen um sein Gewissen zu beschwichtigen, hat er die Aktie in -seinem Machtbereich durch die Reservenpolitik immer mehr der Obligation -angenähert, sozusagen aus ihr ein Surrogat für das festverzinsliche -Papier gemacht, ohne daß er sich doch entschließen konnte, für seine -Person von diesem Surrogat Gebrauch zu machen. Als reicher und dabei -bedürfnisloser Mann war er auf die paar Prozent Mehrzinsen, die ihm die -Aktie vor der Staatsrente, der Hypothek brachte, nicht angewiesen.</p> - -<p>Doppelseitig wie die Stellung Rathenaus zur Aktie war auch die zu -den Aktionären. Er verachtete und ignorierte die Kapitalisten, die -ihr Geld ihm und seinen Gesellschaften anvertrauten, keineswegs, -wie das manche Selbstherrscher des Aktienwesens tun, von denen die -Aktionäre nur als Objekte, nicht als Subjekte der aktienrechtlichen -Gesetzgebung und der aktiengesellschaftlichen Interessen betrachtet -werden. Für Emil Rathenau stand das Interesse der Aktionäre sehr hoch -und wurde von ihm mit peinlicher Gewissenhaftigkeit wahrgenommen. Bei -allen Maßnahmen, die er traf, bei allen Vorschlägen, die er machte, -fragte er sich und seine Mitarbeiter stets: „Was werden die Aktionäre -dazu sagen, wie schneiden die Aktionäre dabei ab?“ Diese Frage -beschäftigte ihn unausgesetzt und spielte bei seinen Entschließungen -eine wichtige Rolle. Er fühlte sich durchaus als Sachwalter fremden -Vermögens, und in der Tat waren seine Maßnahmen, selbst wenn sie von -Generalversammlungs-Oppositionen heftig bekämpft wurden, auch vom -Standpunkte der Aktionäre aus betrachtet, fast immer wohlüberlegt. -Jedenfalls kann Emil Rathenau kein Fall nachgewiesen werden, in dem -er berechtigte Interessen der Aktionäre verletzt und Ansprüche, -die von einem höheren Gesichtspunkte aus begründet waren, nicht zu -erfüllen versucht hätte. Aber formell erkannte er den außenstehenden -Aktionären nicht das Recht zu, sich über wichtige gesellschaftliche -Fragen, die nur aus der Kenntnis der inneren Verhältnisse und Vorgänge -bei dem Unternehmen begriffen werden konnten, ein Urteil anzumaßen, -das an fachmännischem Gehalt dem der Verwaltung gleichwertig gewesen -wäre.<span class="pagenum"><a name="Seite_385" id="Seite_385">[S. 385]</a></span> Der Tag der Generalversammlung war für Rathenau durchaus -keine bloße Formalität, keine unbequeme Äußerlichkeit, der aus -gesetzlichen Gründen genügt werden und die man so schnell als möglich -erledigen mußte. Er schilderte den Aktionären seine Beweggründe so -ausführlich, wie er das mit den geschäftlichen Interessen der Firma -vereinbaren zu können glaubte, gab Auskunft, so weit er es für irgend -tunlich hielt und gewährte den Aktionären volle Rede-, Frage- und -Beschwerdefreiheit. In seinen Entschlüssen ließ er sich aber fast nie -durch sie umstimmen, zumal sie ihm selten etwas Neues vortrugen, einer -Frage eine Beleuchtung geben konnten, in der er sie nicht schon selbst -gesehen hatte. Er pflegte ja die ihm vorliegenden Probleme nach allen -Seiten hin zu durchdenken, sie immer wieder hin- und herzudrehen, ehe -er zu einem Ergebnis kam. Sein Sohn Walther hat nach dem Tode des -Vaters einmal Aktionären, die der Ansicht waren, neue Gesichtspunkte -zur Beurteilung einer Angelegenheit beigebracht zu haben, das Wort -zugerufen: „Glauben Sie denn nicht, daß wir Phantasie genug besitzen, -um uns ungefähr alle Einwände, die Sie hier in der Generalversammlung -vorbringen könnten, schon vorher vorzulegen und sie in Erwägung zu -ziehen?“ — Die Aktionäre antworteten auf diesen Ausspruch, — der ganz -und gar aus dem Geiste Rathenaus, des Vaters, gesprochen war, wenn -dieser ihm vielleicht auch nicht die schlagfertige, scharf pointierte -Fassung gefunden haben würde, — daß dann ja die Generalversammlung -nur eine Farce sei und es sich für die Aktionäre nicht lohne, sie zu -besuchen und in ihr das Wort zu ergreifen. In der Tat läßt sich mit -einer solchen Aktionärpolitik mancher Mißbrauch treiben, denn keine -Verwaltung ist unfehlbar und es gibt Fälle, in denen der Außenstehende -mehr und schärfer sieht, eine bessere Distanz zu den Dingen hat, als -die doch immerhin im Geschäftsgang befangene Verwaltung. Rathenau hat -sich solchen Mißbrauch aber eben nie zu schulden kommen lassen. Wenn -man heute zurückschauend die verschiedenen Kämpfe zwischen ihm und den -Aktionären betrachtet, so wird man finden, daß <em class="gesperrt">in der Sache</em> -fast stets Rathenau recht gehabt hat, und daß die Anträge und Wünsche -der Aktionäre, wenn ihnen Folge gegeben worden wäre, die A. E. G. von -der finanziellen Richtung, die sie mit so großer Konsequenz und mit -so glänzendem Erfolge innehielt, abgelenkt und vielleicht etwas ganz -anderes aus ihr gemacht hätten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_386" id="Seite_386">[S. 386]</a></span></p> - -<p>Niemals ist Emil Rathenau in den Generalversammlungen wegen Schäden, -fehlerhafter oder schlechter Führung der Geschäfte angegriffen worden, -sondern das in allen Versammlungen mit seltener Regelmäßigkeit -wiederkehrende Thema der Opposition waren die angeblich zu niedrigen -Dividenden. „Tun Sie doch nicht immer nur in den Spartopf hinein, -sondern nehmen Sie doch auch einmal etwas für die Aktionäre heraus.“ — -„In guten Zeiten sammeln Sie für die schlechten, in schlechten nehmen -Sie nichts von den Notreserven, sondern sammeln weiter im Hinblick -auf die ungeklärte Lage.“ — „Was nützen uns die Reserven, von denen -man versprochen hat, daß sie uns einmal zugute kommen werden, wenn -erst unsere Enkel den Vorteil davon haben sollen.“ — So und ähnlich -lauteten die manchmal ganz witzig und klug zugespitzten Wendungen, mit -denen man ihn — nicht selten mit Argumenten aus dem Arsenal seiner -eigenen Logik — zu schlagen und aus seiner Festung herauszulocken -suchte. Emil Rathenau blieb kühl bis ans Herz hinan. Er war nicht -so gewandt wie sein Sohn Walther, der als Aufsichtsratsvorsitzender -resigniert zu entgegnen pflegte: „Es hat keinen Zweck, der Opposition -entgegen zu kommen, denn gleichgültig, welche Dividende wir auch -vorschlagen, es wird stets eine Erhöhung um 2% beantragt werden.“ Wenn -die Opposition heftig oder gar in der Form verletzend wurde, so konnte -allerdings auch Emil Rathenau in Harnisch geraten und seine Worte waren -dann manchmal von einer Bitterkeit, einer persönlichen Gereiztheit, -die er ruhigen Blutes wohl selbst als zu weit gehend erkannt haben -würde. — Zu derart heftigen Kämpfen kam es aber nur in einigen wenigen -Versammlungen, so in der vom 12. Dezember 1905, als der Führer der -Opposition, Rechtsanwalt Elsbach, nachdem er die Bilanz undurchsichtig, -den Geschäftsbericht einen furchtbaren Blender genannt und dem -Generaldirektor vorgeworfen hatte, daß er seine Versprechungen nicht -gehalten habe, seine Rede mit den Worten schloß: „Wir bitten nicht -mehr, fordern wollen wir. Wir sind hier im eigenen Hause und stehen vor -den Verwaltern unseres Vermögens.“ — Rathenau entgegnete aufbrausend: -„Wenn wir in derartiger wenig taktvoller Weise angegriffen, ja -persönlich besudelt werden, so können wir nichts anderes tun, als Ihnen -unseren Platz zur Verfügung zu stellen.“ — Erst Fürstenberg, der kluge -Dialektiker, der die Verhandlungen gewöhnlich anstelle der dekorativen -Aufsichtsratsvorsitzenden mit dem Staatssekretärstitel leitete, konnte<span class="pagenum"><a name="Seite_387" id="Seite_387">[S. 387]</a></span> -durch seine schlagfertigen Bemerkungen die Situation in solchen Fällen -wieder einigermaßen herstellen. Derart scharfe Zusammenstöße bildeten -aber Ausnahmen. Im allgemeinen verliefen die Generalversammlungen ruhig -und sachlich, und wenn die Aktionäre auch durch sie keinen Einfluß auf -die Verwaltung zu gewinnen vermochten, so waren diese Tage doch für -die Besucher nicht selten recht interessant und lehrreich, und diese -konnten stets die Beruhigung mit davon tragen, daß die Verwaltung ihres -Vermögens in guten Händen sei.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="padtop1" id="Kap_16_e">e)</h3> - -</div> - -<p>Wenn in der Presse die Unergiebigkeit unseres politischen Lebens, das -angeblich niedrige Niveau unserer Parlamente und Parlamentsdebatten -beklagt wird, so empfiehlt man häufig als Abhilfe die Zuwahl unserer -geistigen und gewerblichen Führer in den Reichstag oder Landtag, -da man von ihnen glaubt und hofft, daß sie mit ihren anderwärts -bewährten überlegenen Persönlichkeitswerten auch das parlamentarische -Leben befruchten, neue und größere Gesichtspunkte in den Kleinkram -der geschäftspolitischen Verhandlungen bringen könnten. Die Stände -des Handels und der Industrie haben es auch oft genug beklagt, daß -ihre Vertreter in den Parlamenten weit spärlicher zu finden seien -als zum Beispiel Persönlichkeiten aus der Landwirtschaft. Ob die -so ausgesprochenen Gedanken und Wünsche allgemein betrachtet einen -berechtigten Kern haben, ist mir stets zweifelhaft gewesen. Die -Beschäftigung mit der Politik stellt ihre eigenen Ansprüche, fordert -ihre eigenen Maßstäbe. Nicht geistiges, industrielles oder agrarisches -Talent ist zu ihrer Ausübung erforderlich, sondern politisches, -daneben auch politische Leidenschaft. Sie fordert heute bei der Fülle -der Facharbeit, die im parlamentarischen Leben zu erledigen ist, den -ganzen Mann, und ist nicht mit den paar beschäftigungslosen oder der -eigentlichen Beschäftigung abgerungenen Stunden zufrieden, die ihr -ein auf anderem Gebiete voll in Anspruch genommener Mann etwa widmen -könnte. Beim Landwirt liegen die Verhältnisse meist etwas anders. -Die agrarischen Führer sind fast durchweg Berufspolitiker, die aus -landwirtschaftlichen Kreisen stammen und die Interessengesichtspunkte -ihrer Herkunft mit in das politische Leben hinüber<span class="pagenum"><a name="Seite_388" id="Seite_388">[S. 388]</a></span>nehmen. Üben -sie eine landwirtschaftliche Tätigkeit noch aus, so ist sie meist -nebensächlicher Natur. Es fehlt ihr auch fast stets der schöpferische -Inhalt, der den großen Industriellen so stark ausfüllt und beansprucht, -daß er kaum eine seiner Hauptkräfte für eine ganz anders geartete -politische Tätigkeit einsetzen kann. Für die Richtigkeit dieser -Ansicht sprechen die Erfahrungen, die wir mit bedeutenden Kaufleuten -in ihrer parlamentarischen Praxis gemacht haben. In ihrer besten -schaffenskräftigsten Zeit waren sie nur selten gute, vollgültige -Politiker. Man wird vielleicht auf Männer wie Hansemann und Camphausen -verweisen. Aber diese gehörten einer anderen Zeit an. Damals lag -das wirtschaftliche Leben ganz auf der Linie des politischen. Die -Wirtschaft wollte frei werden wie der Staatsbürger. Beide hatten -denselben Weg. Inzwischen ist die wirtschaftliche Freiheit schneller -zum Ziele gelangt als die politische. Statt nach Zielen orientierte -sich die Wirtschaft nunmehr nach Interessen. Das war auch auf die -Stellung der Industriellen nicht ohne Einfluß geblieben. Sie waren -nun meistens Interessenten, ähnlich wie die Agrarier, nur nicht -auf einem so geschlossenen und in sich einheitlichen Gebiet wie -der Landwirtschaft, sondern auf ihrem eigenen Sondergebiete, das -ja in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht durchaus nicht von -denselben Interessen beherrscht zu werden brauchte, wie irgend ein -anderes, nicht minder wichtiges, aber auch nicht minder beschränktes -Wirtschaftsgebiet. Es gibt Gewerbe, die schutzzöllnerisch sind, andere -die dem Freihandel zuneigen, es gibt Gewerbe, deren Vertreter politisch -rechts, andere, deren Vertreter politisch links stehen. Der Hansabund, -dessen unorganische Zusammensetzung im Gegensatz zu dem homogenen Bund -der Landwirte schnell zutage trat, ist ein sprechendes Beispiel für -diese politische Zerfallenheit der Handels- und Industriekreise. Die -höheren politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte, die früher -in unserem parlamentarischen Leben zur Geltung kamen, vermochte er -ebensowenig zurückzubringen, wie das die stärkere Zuwahl bedeutender -Gewerbetreibender in unsere Parlamente tun könnte, wenn diese nicht -zugleich einen entwickelten Sinn für Dinge des Gemeinwohls, für -staatsbürgerliche und staatsgesellschaftliche Interessen hätten.</p> - -<p>Emil Rathenau gingen diese Interessen so gut wie völlig ab. Auf seinem -Fachgebiete universell, in allem Können und Wissen, das<span class="pagenum"><a name="Seite_389" id="Seite_389">[S. 389]</a></span> diesem -Fachgebiete irgendwie nützen konnte, unbestrittener Meister, schloß -er sich von Gesichtspunkten und Fragen des Gesamtinteresses fast -ebenso entschieden ab, wie von den schönen Künsten, den theoretischen -Wissenschaften und ähnlichen für ihn abseits liegenden Dingen. Sein -Leben war so ganz von der Sphäre durchdrungen, in der es zur Vollendung -gelangte, daß er sicher keine Zeit, und ebensowenig Neigung zu Dingen -hatte, in denen er es höchstens zu halben Resultaten hätte bringen -können. Die Mehrzahl der <em class="gesperrt">intensiven</em> Schöpfer ist so organisiert, -ihre Kraft ist an den Boden gebannt, dem sie entwuchs, und nur ganz -frei und leicht schaffenden Naturen ist es manchmal gegeben, daß ihnen -ihre Genialität auch auf anders geartete Gebiete folgen darf. Emil -Rathenau war ein überwiegend naiver Schöpfer, aber darum wurde ihm -sein Werk nicht leicht. Sein Ringen mit ihm verzehrte alle Kräfte. -So blieb er denn auch ganz in seinem Werk und dessen Dunstkreise -befangen. Seine Tätigkeit für gemeinwirtschaftliche Fragen beschränkte -sich auf eine vorübergehende Gastrolle, die er im Ältestenkollegium -der Berliner Kaufmannschaft gab. Nach dem Tode seines Sohnes Erich -zog er sich auch von dieser Tätigkeit und der damit verbundenen -Geselligkeit zurück. Allgemeine wirtschaftspolitische Anschauungen -besaß er vielleicht, sie waren aber nach den Interessen seines -Faches orientiert, ein freies wirtschaftspolitisches Weltbild wurde -nicht daraus. Er war gegen Kartelle, weil sie der elektrotechnischen -Industrie nicht „lagen“, er war gegen die hohen Schutzzölle, weil seine -Industrie einen ausländischen Wettbewerb im Inlande nicht zu befürchten -brauchte und andererseits stark auf den Export angewiesen war. Er war -in diesen Dingen Interessent, besaß aber Takt und Selbsterkenntnis -genug, um seine privatwirtschaftlichen Interessen nicht im Gewande -des Volkswirts der Allgemeinheit aufzudrängen. Einmal hat er, befragt -von einer illustrierten Zeitschrift (Illustrierte Zeitung, 27. Januar -1910), sich über Zollfragen öffentlich ausgelassen. Die Äußerung ist so -interessant, daß sie hier wiedergegeben werden soll.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Als Nichtpolitiker möchte ich mich einer Antwort auf die erste Frage -enthalten, wie sehr ich auch die Bedeutung des darin angeregten -schiedsgerichtlichen Vertrages für die deutsch-französischen -Beziehungen und für das gesamte Kulturleben zu schätzen weiß.</p> - -<p>Mehr berechtigt halte ich mich zur Beantwortung der zweiten<span class="pagenum"><a name="Seite_390" id="Seite_390">[S. 390]</a></span> Frage, -die das wirtschaftliche Verhältnis der beiden Länder betrifft. Sie -bietet mir eine willkommene Gelegenheit, zunächst einige grundsätzliche -Bemerkungen zu machen. Das unter der Parole „Schutz der nationalen -Arbeit“ betriebene System hat nunmehr zwar schon eine langjährige -Geschichte, indes ist damit noch nicht ohne weiteres seine Berechtigung -erwiesen. Vorteilhafter ist es vielmehr, wenn eine Ware möglichst da -produziert wird, wo die dafür günstigsten Bedingungen gegeben sind. -Statt dessen hat es das Schlagwort vom Schutz der nationalen Arbeit mit -sich gebracht, daß heute nicht mehr bloß jedes Land, sondern auch die -verschiedenen Städte, ja selbst kleine Gemeinden allerlei herstellen -möchten, was geeigneter anderwärts und unter anderen Bedingungen -geschaffen werden kann. Um Produktion und Konsum steht es am besten, -wenn die denkbar höchste Qualität unter möglichst niedrigen Kosten -erreicht werden kann. Das läßt sich nur erzielen, wenn die Herstellung -an dem dafür zweckmäßigsten Orte erfolgt, da, wo sie sich am ehesten im -großen auf höchster Stufenleiter betreiben läßt. Statt dessen werden -die Produktionsstätten verengt, wenn die Länder sich gegeneinander -absperren, und wenn dem Vorbilde, das diese in ihrem Verhalten -zueinander geben, auch Städte und Gemeinden innerhalb der einzelnen -Länder folgen.</p> - -<p>Dieser Auffassung von den Nachteilen des Schutzzollsystems pflegen -die Vereinigten Staaten von Amerika als ein Beispiel entgegengehalten -zu werden, das für die Ersprießlichkeit der Schutzzölle spreche. -Indes nehmen die Vereinigten Staaten eine Ausnahmestellung ein. Ich -werde da an eine Begegnung mit Mac Kinley erinnert. Wir sprachen über -den teueren Lebensunterhalt in Amerika und ich bezeichnete ihn als -eine nachteilige Wirkung der von Mac Kinley so eifrig vertretenen -Hochschutzzölle. Er stimmte meiner Verurteilung dieses Systems und -meiner Befürwortung des freien Handels im Prinzip zu, nur wollte er -meinen Standpunkt nicht für die Vereinigten Staaten gelten lassen. Sie -bildeten ein Land für sich, das auf das Ausland nicht angewiesen wäre. -Amerika sei als eine Art Robinson Crusoe imstande, seine Bedürfnisse -vom Rohprodukt bis zum letzten Fabrikat selber herzustellen.</p> - -<p>Mindestens bis zu einem gewissen Grade ist dieses Urteil Mac Kinleys -in der Tat berechtigt. Die sich auf achtzig Millionen belaufende -Bevölkerung der Vereinigten Staaten stellt einen Konsumenten<span class="pagenum"><a name="Seite_391" id="Seite_391">[S. 391]</a></span> von -ungewöhnlicher Größe dar. Da sie zudem fast völlig einheitlich in ihrer -Sprache, ihren öffentlichen Einrichtungen und ihren Lebensgewohnheiten -ist, hat sie mehr als die Bevölkerung anderer Länder die Möglichkeit, -ihre Bedürfnisse durch Massenfabrikation zu befriedigen. Indem damit -der Arbeit der Maschine ein so viel größerer Spielraum gewährt ist, -wird die Produktion durch die Höhe der Löhne für menschliche Arbeit -nur verhältnismäßig wenig benachteiligt. Die übrigen Produktionsmittel -aber stehen dem Lande in der größten Mannigfaltigkeit und Fülle zur -Verfügung.</p> - -<p>Anders die europäischen Länder. Deutschland mit seinen sechzig, -Frankreich mit vierzig Millionen Einwohnern bleiben in der -Bevölkerungszahl hinter der amerikanischen stark zurück. Dazu ist die -Bevölkerung und damit auch die Befriedigung ihrer Bedürfnisse hier um -vieles differenzierter. Und weiter ist keines dieser Länder mit den -vielseitigen und reichen Naturschätzen bedacht, die den Vereinigten -Staaten beschieden sind. In Frankreich ist, da es über Kohle und -Erz nur in relativ unzureichenden Mengen verfügt, der Betrieb von -Gewerben, in denen es auf Massenfabrikation ankommt, erschwert. Er ist -vergleichsweise so viel mehr für Deutschland geeignet, dem jene Roh- -und Hilfsmaterialien in umfassender Menge zu Gebote stehen. Hinwiederum -sind Frankreich in manchen seiner Weine und in deren vorzüglicher -Kultur, sowie in dem durch jahrhundertlange Tradition überlegenen -Kunst- und Luxusgewerbe Produktionszweige gegeben, in denen es berufen -ist, die Bedürfnisse des Auslandes, unter anderm auch die Deutschlands, -zu befriedigen.</p> - -<p>Aus dieser meiner Auffassung ergibt es sich als selbstverständlich, -daß ich alle Schritte, die das bisherige handelspolitische Verhältnis -Deutschlands zu Frankreich bessern könnten, mit voller Sympathie -begrüße. Da die hier veranstaltete Umfrage die Anregung gibt, „in -einem bestimmten Punkte Vorschläge zu machen“, liegt es mir nahe, im -Hinblick auf etwaige Besprechungen zwischen den beiden Regierungen -Frankreich darauf hinzuweisen, von welcher Bedeutung es für die -französische Bevölkerung wäre, wenn ihr die Möglichkeit geboten würde, -elektrotechnische Fabrikate, für deren Herstellung in Deutschland die -günstigeren Voraussetzungen bestehen, billiger und leichter, als es -bisher möglich ist, zu beziehen.</p> - -<p>Die deutsche Elektrotechnik nimmt in Europa eine führende<span class="pagenum"><a name="Seite_392" id="Seite_392">[S. 392]</a></span> Stellung -ein. Der Vorsprung, den sie erreicht hat, läßt sich anderwärts in -absehbarer Zeit nicht einholen. Es wäre demnach natürlich, daß die -Nachbarländer sich die Leistungen der deutschen Elektrizitätsindustrie -zunutze machten, zumal es keinerlei Beschäftigung oder Beruf gibt, in -denen die Elektrizität nicht in irgend einer Weise Verbesserungen der -Arbeits- und Lebensbedingungen mit sich bringt. Für die Erzeugnisse -der elektrotechnischen Industrie besteht aber zwischen Frankreich und -Deutschland keine handelsvertragliche Verständigung. Die Zollschranke, -die Frankreich zwischen sich und der Schweiz aufgerichtet hat, und die -die elektrotechnische Industrie im besonderen Grade trifft, gilt laut -Vertrag vom Jahre 1871 unter der Bezeichnung einer „Meistbegünstigung“ -auch für die deutsche Einfuhr nach Frankreich. Wenn ein Handelsabkommen -zwischen Deutschland und Frankreich zustande käme, das den Erzeugnissen -der deutschen Elektrotechnik die französische Grenze öffnete, würde -Frankreich damit die Teilnahme an den Fortschritten der Industrie -erleichtert werden. Für den Vorteil, der sich daraus zugleich für -Deutschland ergäbe, könnten Frankreich Zugeständnisse bei der Einfuhr -seiner Weine und kunstgewerblichen Fabrikate gemacht werden. Das hätte -auch für Deutschland den Vorteil, daß die Lebensfreude hier durch die -Erzeugnisse Frankreichs gehoben würde.</p> - -<p>Statt daß die Lebenshaltung des einen Landes durch die Zollmauer, die -es von dem andern trennt, niedergehalten wird, schüfe ein auf der -Grundlage freieren Warenaustausches sich aufbauendes Handelsabkommen -eine Harmonie der Interessen, die hier und dort Arbeit und Genuß -mehrten und erleichterten.“</p> - -</div> - -<p>Wir sehen also: Am Anfang ganz gescheite, wenn auch nicht -übermäßig originelle Ausführungen prinzipieller Natur. Sobald -aber die Nutzanwendung kommt, steuern sie in das Fahrwasser -einer Interessenpolitik, die nur auf den Nutzen für die eigene -Industrie, nicht auf eine wirklich tief durchdachte und objektive -wissenschaftliche Begründung Wert legt. Hätte Emil Rathenau, als er zu -schaffen anfing, den Vorsprung, den sich damals Amerika und England in -der elektrotechnischen Industrie errungen hatten, als etwas gegebenes -hingenommen und auf eine eigene Betätigung in dieser Industrie -verzichtet, so würde er nie die A. E. G. geschaffen und zu der ersten -Elektrizitätsgesellschaft der Welt gemacht haben.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_393" id="Seite_393">[S. 393]</a></span></p> - -<h3 class="padtop1" id="Kap_16_f">f)</h3> - -</div> - -<p>Wie ist Emil Rathenau, der die <em class="gesperrt">Sachen</em> im allgemeinen so -trefflich zu behandeln verstand, nun mit <em class="gesperrt">Menschen</em> umgegangen? -— Man könnte vielleicht sagen: Wie mit den Sachen, — wenn dem Worte -nicht ein gewisser herabsetzender Beiklang von Gefühllosigkeit, -von Herzenskälte innewohnte, der in Rathenaus Art, mit Menschen zu -verkehren, vielleicht manchmal, aber durchaus nicht immer enthalten -war. Rathenau konnte kühl und uninteressiert, ja schroff und ablehnend -sein, aber er war durchaus keiner von den Menschen, die über Leichen -gehen. Er hatte darum für eine so ausgesprochene Eroberernatur -eigentlich wenig persönliche Konflikte. Er war Gefühlsregungen -keineswegs unzugänglich und Personen gegenüber, die ihm menschlich -nahe standen, sogar großer Zartheit fähig. Man konnte seine Art, -Menschen zu behandeln, eher „sachlich“ nennen, wenn diese Sachlichkeit -nicht gelegentlich durch persönliche Stimmungen, Gereiztheiten und -sogar Ungerechtigkeiten getrübt worden wäre. Am besten wird man sein -Verhältnis, seinen Umgang mit Menschen vielleicht mit dem Worte -„direkt“ kennzeichnen. Er kannte im Verkehr mit Menschen keine -Umschweife, keine Nebenwege, keine Umhülltheiten, mit einem Worte keine -Indirektheiten. Er hielt mit nichts zurück, und täuschte nichts vor. -Er sagte ehrlich, was er dachte, war in Lob und Tadel, in Anerkennung -und Kritik offen. Rücksichten auf Stand, Rang und Alter nahm er dabei -nicht, und er hat einmal — wie mir ein Augenzeuge berichtete — eine -hochgestellte Persönlichkeit seines Konzerns, einen Exzellenzherrn -in Gegenwart von dritten ziemlich brüsk zur Rede gestellt, weil -dieser eine von ihm übernommene Aufgabe nicht zu seiner Zufriedenheit -ausgeführt hatte. Aber so sehr sein Tadel verletzen konnte, so tief -konnte sein Lob beglücken. Für Mitarbeiter, die viel mit ihrem Chef in -Berührung kamen, gab es keine schönere Belohnung als eine Anerkennung -des Meisters, nicht nur deswegen, weil sie selten war, sondern weil -er ihr oft eine menschlich-warme, den Belobten innerlich berührende -Form zu geben verstand. Eine so direkte Art der Menschenbehandlung -war natürlich für das kaufmännische <em class="gesperrt">Verhandeln</em> nicht unter -allen Umständen geeignet. Delikate Besprechungen, in denen zunächst -sondiert werden mußte, in denen es darauf ankam, vorerst einmal nicht -das ganze Ziel, die letzte Absicht, das<span class="pagenum"><a name="Seite_394" id="Seite_394">[S. 394]</a></span> eigentliche Interesse zu -zeigen und aus dem Gegner, der sich ebenso vorsichtig, abwartend -und berechnend verhielt, trotzdem das Wissenswerte herauszuholen, -lagen ihm im allgemeinen nicht. Auch Verhandlungen, bei denen der -Kontrahent nicht durch sachliche Gründe, sondern durch politische -List, nicht durch den Inhalt, sondern durch die Form des Gesprächs -gewonnen werden sollte, verstand Emil Rathenau, trotzdem er am -Schreibtisch und im monologischen Denkprozeß nicht nur klug, sondern -auch schlau zu argumentieren vermochte, nicht übermäßig gut zu -führen. Der <em class="gesperrt">Mensch</em>, der ihm gegenüber saß, zwang ihn mehr oder -minder rasch zur Offenbarung seiner Karten. Die Ursprünglichkeit, die -Ungeduld, das Endziel zu erreichen, sprengten den zurückhaltenden -Gang umhüllter Unterredungen. Emil Rathenau vermochte im Gespräch -schlagend, aber nicht ebenso schlagfertig zu sein. Während er im -uninteressierten Fachgespräch gut zu plaudern verstand, waren für -Einleitungsverhandlungen zu konkreten Geschäften andere im Konzern -besser geeignet als er. Denn er sagte hier, wie auch in Zweckgesprächen -mit Konkurrenten, Vertretern von Behörden usw. zu schnell und zu -offen, alles was zu sagen und manchmal besser auch nicht zu sagen war, -wie er denn überhaupt der Ansicht war, daß gute Geschäfte nur solche -seien, die beiden Kontrahenten zum Vorteil gereichten. Vorsichtig -zu behandelnde Einleitungsbesprechungen ließ er denn auch meist von -seinen Direktoren oder von seinem Sohn Walther führen. Standen die -Dinge aber so, daß eine offene Aussprache am besten zum Ziele führen -konnte, das heißt handelte es sich um Geschäfte, die überhaupt ganz auf -diese Weise erledigt werden konnten, oder waren die Erörterungen bei -anderen Geschäften über das Stadium des Parlamentierens hinausgelangt, -so war Emil Rathenau der richtige Mann. Dann wurde er zum glänzenden -Verhändler. Kurz, sachlich, bestimmt formulierte er seinen Standpunkt, -machte die Konzessionen, die er machen konnte, feilschte nicht viel und -blieb unbeirrbar bei der Sache. Für Leute, die gleichfalls sachlich zu -diskutieren verstanden, war es ein Vergnügen mit ihm zu verhandeln, -eine Leichtigkeit, mit ihm ins Reine zu kommen. Aber auch Abschweifende -zwang er durch die Suggestion seiner Art und Persönlichkeit gleichfalls -bald zur Sache.</p> - -<p>Ein <em class="gesperrt">schneller</em> Menschenkenner war Emil Rathenau nicht. Dazu -war er zu vertrauensvoll und darum anfänglich stets geneigt,<span class="pagenum"><a name="Seite_395" id="Seite_395">[S. 395]</a></span> die -Menschen als das zu nehmen, was sie selbst darstellen und scheinen -wollten. Seine Naivität veranlaßte ihn, nicht nur die Menschen -direkt zu <em class="gesperrt">behandeln</em>, sondern sie auch direkt, das heißt ohne -Hintergedanken zu <em class="gesperrt">beurteilen</em>. So kam es, daß ihm auch ein -weniger wertvoller Mensch anfänglich zu interessieren, zu gefallen, ja -zu imponieren vermochte. Niemand konnte ihn aber auf die Dauer über -seinen Wert täuschen. Eine nähere Bekanntschaft offenbarte Rathenau -bald die wirkliche Natur und Fähigkeit eines Menschen, und wenn er -diese einmal als unzulänglich erkannt hatte, so war er für allezeit mit -ihrem Besitzer fertig. Auf eine nachträgliche Revision seines Urteils -ließ er sich nur höchst selten ein. Dies führte dazu, daß er — der -im allgemeinen die Menschen richtig und gerecht einschätzte — in -Ausnahmefällen auch einmal aus Vorurteil oder Eigensinn einem Menschen -unrecht tat. Las er meist auch nicht so schnell in Menschenseelen -wie andere sogenannte gute Psychologen, so las er doch häufig tiefer -und gründlicher als diese. Ungewöhnliche Menschen, auch wenn sie -ihre Eigenart noch nicht greifbar bekundet hatten, vielleicht selbst -nicht einmal kannten, hat er nicht selten entdeckt, gefördert und an -die richtige Stelle gesetzt. Als der Professor an der technischen -Hochschule <em class="gesperrt">Klingenberg</em> mit einem in der Konstruktion nicht -gerade gelungenen Automobilmotor zu Rathenau kam, erkannte dieser im -Gespräch, welche ungehobenen Schätze technischer Praxis in diesem -akademischen Professor schlummerten, und ohne langes Besinnen forderte -er ihn zum Eintritt in die Direktion der A. E. G. auf, in der sich -Klingenberg ganz so bewährte, wie es Rathenau vorausgesehen hatte. -Seine Mitarbeiter suchte und erzog er sich auf ganz individuelle Weise, -und zwar individuell für ihn wie für die anderen. Wenn irgend ein Platz -zu besetzen, irgend eine Aufgabe zu lösen war, so schaffte er sich -die Personen hierzu nicht nach dem System, das leider sonst vielfach -in der Industrie üblich ist, wo man bekannte Fachkräfte durch das -Angebot eines höheren Gehalts einfach aus ihrem früheren Wirkungskreis -fortengagiert. Ein derartiges System, bei dem schließlich nicht nur -Tenoristen-, sondern fast Bankdirektorengehälter für sogenannte erste -Fachkräfte üblich wurden, hat er seiner Konkurrenz oft vorgeworfen. -„Auf solche Weise ist es kein Kunststück, Leute zu bekommen,“ hat er -mir selbst einmal geklagt. Er selbst ging ganz anders zu Werke. Er nahm -nicht notwendigerweise für einen freigewordenen<span class="pagenum"><a name="Seite_396" id="Seite_396">[S. 396]</a></span> Posten oder eine zu -lösende Aufgabe — abgesehen von Ausnahmen, bei denen die Zeit drängte, -oder es eine besondere Spezialität unbedingt verlangte, — einen gerade -auf diesem Gebiete bewährten oder bekannten Fachmann, es sei denn, -daß er ihn ebenso leicht wie einen anderen bekommen und ihn ebensogut -brauchen konnte. Er suchte sich vielmehr unter seinen Leuten denjenigen -aus, der ihm für diese Sache die beste Eignung zu besitzen schien, auch -wenn er sich erst in das neue Gebiet einarbeiten mußte. Fähigkeiten, -nicht Vorkenntnisse waren für ihn ausschlaggebend und er wußte, daß -Frische, Unbefangenheit, die Gabe, sich eine Materie während der Arbeit -zu erobern, manchmal wertvoller sind als Wissen, das zur Routine -geworden ist. Er kannte seine Mitarbeiter genau, schematisierte nicht -mit Menschen und suchte jeden nach seiner Individualität, nach der Art, -nicht nur nach dem Maß seiner Leistung zu beschäftigen.</p> - -<p>Emil Rathenau hatte das Glück, schon bei der Gründung oder kurz nach -der Gründung seines Unternehmens Mitarbeiter zu finden, die ihm und -seiner Gesellschaft ihr ganzes Leben lang treu blieben und so eng mit -ihr verwuchsen wie er selbst. Daß Deutsch, Mamroth oder Jordan jemals -hätten aus der A. E. G. ausscheiden, eine andere Stellung suchen oder -annehmen können, ist ein Gedanke, der allen Beteiligten wohl absurd -vorgekommen wäre. Diese treue und gute Kameradschaft, die auf der -Arbeit an der gemeinsamen großen, unter ihren Händen aufblühenden -Sache, aber auch auf der gegenseitigen Achtung vor der Persönlichkeit -der anderen beruhte, spricht gleicherweise für den menschlichen Wert -Rathenaus wie seiner Mitarbeiter. Tüchtige, energische Charaktere von -eigener Prägung und starkem Wuchs gruppierten sich um den Mittelpunkt -des Genies, dessen Überlegenheit alle anerkannten, das aber auch -ihnen Spielraum und Entwickelungsfreiheit für ihre Kräfte gewährte. -Die Stärke des Vorstandes der A. E. G., sagte mir einmal eines seiner -Mitglieder, liegt in ihrer seltenen, nicht herbeigeführten, sondern -„gewordenen“ <em class="gesperrt">Homogenität</em>. Da war stets ein vollständiges -Gleichgewicht in dem Verwaltungskörper vorhanden, niemand drängte -sich vor, niemand blieb zurück, nichts verschob sich, nichts -mußte verschoben werden. Palastrevolutionen, innere Konflikte und -Auseinandersetzungen — abgesehen von Meinungsverschiedenheiten wegen -sachlicher Fragen — gab es nicht. Eifersucht, Neid, Intriguen, -persönliche Motive trugen<span class="pagenum"><a name="Seite_397" id="Seite_397">[S. 397]</a></span> keine Verwirrung in den Geschäftsgang. Die -geschäftliche Arbeit spielte sich auf dem Untergrund langjähriger -persönlicher Freundschaft ab. Viele Jahre hindurch wohnte Emil Rathenau -mit Deutsch und Mamroth zusammen in einem Hause am Schiffbauerdamm, -ganz nahe den alten und nicht fern den neuen Geschäftsräumen, Rathenau -im ersten, Deutsch und Mamroth im zweiten Stockwerk. Rathenau in -seiner Einfachheit hätte die alte Wohnung vielleicht nie aufgegeben. -Aber die Kollegen zogen fort, erbauten sich eigene Villenhäuser. -So entschloß sich denn auch Rathenau als Siebzigjähriger zum Bau -eines eigenen Hauses in der Viktoriastraße, auf dem Grundstück, -das seinen Eltern, zuletzt seiner Mutter, gehört hatte und das er -durch das danebenliegende erweiterte. Pietät gegen einen geliebten -Menschen erleichterte ihm den Bruch mit der Pietät gegen die gewohnte -Heimstätte. Um den Umständlichkeiten, den Gemütsbewegungen des Umzuges -zu entgehen, reiste er nach Wien, als schwerkranker Mann kehrte er -zurück und kurz, nachdem er sein neues Heim bezogen hatte, mußte er -sich zur Beinamputation entschließen.</p> - -<p>Die Organisation des Vorstandes der A. E. G. ist, wie ich schon sagte, -nicht geschaffen worden, sie hat sich historisch entwickelt und ist -gerade darum so innerlich organisch geworden. Es wird von Interesse -sein, sie nachstehend in der Form, zu der sie sich in den letzten -Jahren Rathenaus entwickelt hatte, zu schildern.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>1. <em class="gesperrt">Deutsch</em>:</p> - -<p class="p0 mleft3">System der inländischen und ausländischen Zweiganstalten. -Installation und Fabrikation im Auslande. Organisation -der 300 Filialen, Installations- und Ingenieurbureaus. — -Großinstallationsgeschäft, soweit es von Berlin aus geleitet wurde, -also Einrichtung von Stationen für Berg- und Hüttenwerke, Fabriken -usw. (Privatanlagen). Fertigstellung der Jahresbilanz (nicht -Buchwesen). Sozusagen Minister des Äußeren.</p> - -<p>2. <em class="gesperrt">Mamroth</em>:</p> - -<p class="p0 mleft3">Wiederverkaufsgeschäft, Warenhandelsgeschäft, Buchführung, -Kasse, Gelddispositionen (Anlage der flüssigen Gelder, -Bankguthaben), Überwachung der Betriebsgesellschaften (nicht der -Trustunternehmungen). — Sozusagen Minister des Inneren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_398" id="Seite_398">[S. 398]</a></span></p> - -<p>3. <em class="gesperrt">Jordan</em>:</p> - -<p class="p0 mleft3">(früher im Patentamt tätig, leitete zuerst das Patentbureau der A. -E. G.) Leitung der gesamten Fabriken der A. E. G. mit Ausnahme des -<em class="gesperrt">Kabelwerks</em>, und ausschließlich derjenigen Fabriken, die an -ausländische Zweiganstalten angegliedert waren. Arbeiterwesen.</p> - -<p>4. Prof. <em class="gesperrt">Klingenberg</em>:</p> - -<p class="p0 mleft3">Bau der Zentralstationen für eigene und fremde Rechnung.</p> - -<p>5. Baurat <em class="gesperrt">Pforr</em>:</p> - -<p class="p0 mleft3">Elektrische Bahnen.</p> - -<p>6. <em class="gesperrt">Emil Rathenau</em>:</p> - -<p class="p0 mleft3">Vereinheitlichung und Kontrolle der Geschäftspolitik, Kontrolle -der Finanzinvestitionen, technische Politik, wie Aufnahme -neuer Fabrikationszweige, ferner besondere Mitwirkung beim -Bahnengeschäft, beim juristischen, litterarischen und Patentbureau. -Das Kabelwerk, das Erich Rathenau geleitet hatte, übernahm -nach dessen Tode Emil Rathenau aus Pietät. — Vertretung der -Gesellschaft in ihren Ausstrahlungen, Finanzbeteiligungen -(Aufsichtsräten) in erster Linie E. <em class="gesperrt">Rathenau</em>, unterstützt -durch Dr. Walther Rathenau und daneben durch Deutsch, Mamroth -und Klingenberg. — Fusionsunternehmungen behandelte E. Rathenau -mit Dr. Walther Rathenau, Elektrobankunternehmungen Dr. Walther -Rathenau allein.</p> - -</div> - -<p>Diese Organisation des Vorstandes erwies sich als außerordentlich -glücklich und leistungsfähig.</p> - -<p>„Wir bewältigen damit einen Umsatz von 300 Millionen Mark, wir können -ebenso gut damit einen Umsatz von einer halben, ja einer ganzen -Milliarde kontrollieren,“ sagte einmal Deutsch zu einem Frager.</p> - -<p>Bei einem Vorstande, der aus so starken Persönlichkeiten -zusammengesetzt ist, bei einer Gesellschaft, die sich zudem geldlich -so unabhängig zu halten verstand wie die A. E. G., ist die bestimmende -geschäftliche Mitwirkung des <em class="gesperrt">Aufsichtsrats</em> natürlich nur -verhältnismäßig gering. Abgesehen von den gesetzlichen Funktionen, -die er zu erfüllen hat, sind seine Aufgaben im wesentlichen -dekorativer Natur, nicht in leer repräsentativer Bedeutung, sondern -in<span class="pagenum"><a name="Seite_399" id="Seite_399">[S. 399]</a></span> dem Sinne einer Zusammenfassung und Wiederspiegelung wichtiger -geschäftlicher Beziehungen, die das Unternehmen mit anderen Industrie- -und Kapitalmächten verbinden. Eine intensive Arbeitsleistung kann ein -Kollegium von 30 Mitgliedern, das fast schon ein kleines Parlament -ist und sich nur ein paar Mal im Jahr vollständig versammeln wird, -naturgemäß nicht vollbringen. Es waren wohl auch zu vielerlei -Interessen in ihm vertreten, als daß diesem Kollegium ein allzutiefer -Einblick in alle Geschäftsdetails gegeben werden konnte. Neben den -Vertretern fast aller Großbanken gehörten Repräsentanten solcher -Unternehmungen dem Aufsichtsrat der A. E. G. an, die in einer -hervorragenden Geschäftsverbindung mit ihr standen, so Albert Ballin -von der Hamburg-Amerika-Linie, Ministerialdirektor a. D. Micke und -später Dr. Wussow von der Großen Berliner Straßenbahn, ferner die -Vertreter der früher mit der A. E. G. fusionierten Konzerne der -„Union“, der Lahmeyerwerke, der Felten & Guilleaume-Gesellschaft. -Auch die beiden großen Berliner Kohlenhändler Eduard Arnhold in -Firma Caesar Wollheim und Fritz von Friedländer-Fuld waren in -ihm vertreten. Als Fachleute, die für eine industrie-technische -Kontrolle in Betracht kamen, konnten eigentlich nur die früheren, -inzwischen in den Aufsichtsrat gewählten Vorstandsmitglieder und -einige wissenschaftliche Praktiker oder Konstrukteure, wie Geheimrat -Dr. Kirchhoff und bis zu seinem Tode v. Hefner-Alteneck gelten. Den -Vorsitz im Aufsichtsrat führten nach Georg v. Siemens Ausscheiden zwei -Exzellenzen, zuerst der preußische Staatsminister a. D. Herrfurth, -dann der Staatssekretär a. D. Hollmann, Repräsentationsfiguren, die -offenbar Beziehungen zu Regierungskreisen herstellen sollten und in -dieser Hinsicht auch wertvolle Dienste leisten konnten, namentlich -in einer Zeit, in der die A. E. G. als jüngeres Unternehmen noch mit -dem alten Ruhm und Ruf, den die Konkurrenzfirma Siemens & Halske -namentlich bei Behörden sich erhalten hatte, ringen mußte. Der -eigentlich geschäftsführende Vorsitzende war in jenen Zeiten Carl -Fürstenberg, der finanzielle Vertrauensmann und Freund Emil Rathenaus, -der den Titel eines stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden -führte. Nach dem Ausscheiden Hollmanns wurde Dr. Walther Rathenau -Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft und erhielt nach dem Tode -Emil Rathenaus als solcher den Titel Präsident der A. E. G. Mit diesem -war eine ausgedehnte und<span class="pagenum"><a name="Seite_400" id="Seite_400">[S. 400]</a></span> dauernde Arbeitsstellung verbunden, in die -ein Teil der früher von Emil Rathenau erfüllten Obliegenheiten, u. a. -die Zusammenfassung der Gesamtpolitik der A. E. G., eingebracht wurde, -während den anderen Teil der Vorsitzende des Direktoriums Geheimrat -Felix Deutsch übernahm.</p> - -<p>Die ungewöhnliche und geistig leitende Stellung, die dem einzig -überlebenden Sohne Emil Rathenaus in der von diesem geschaffenen, -aber doch längst über die Grenzen eines persönlichen und privaten -Unternehmens hinausgewachsenen Gesellschaft von den bewährten -Mitarbeitern des Gesellschaftsgründers bereitwillig eingeräumt wurde, -findet ihre hinreichende Erklärung nicht in einem traditionellen -Erbgange, nicht in dem Streben nach einer Fortführung der „Dynastie -Rathenau“ aus dekorativen Gründen. Dem verständnisvollen Leser dieses -Buches braucht nicht gesagt zu werden, daß nur <em class="gesperrt">sachliche</em> Gründe -zu verantwortlichen Stellungen in der A. E. G. führen, daß solche -Stellungen nicht ererbt werden konnten, sondern erworben werden mußten. -Um den Nachweis für die Richtigkeit dieser Ansicht zu führen, aber auch -deswegen, weil es für das Charakterbild des Vaters nicht ohne Wert sein -kann, wenn dem Wesen und Wirken der Kinder — ebenso wie dem der Eltern -— nachgegangen wird —, wollen wir uns mit den Gestalten der Söhne -Emil Rathenaus an dieser Stelle kurz befassen. Der Anteil, den sie an -der Schöpfung des Vaters genommen haben, war nicht gering; er war auch -nicht äußerlich und zufällig, sondern innerlich und sozusagen organisch.</p> - -<p>Emil Rathenaus Söhne sind beide keine Epigonennaturen gewesen. Sie -haben ihr Licht nicht nur von dem väterlichen Gestirn erhalten, sondern -durch ausgeprägte Eigenleistungen gezeigt, daß die Kraft des Stammes, -die das Genie des Vaters formte, in ihnen nicht ermüdete, sondern -lebendig blieb. Der jüngere von ihnen, <em class="gesperrt">Erich</em> Rathenau ist an der -Schwelle der Mannesjahre einem tückischen Leiden erlegen, das ihn schon -in den Knabenjahren befiel. Wohl kein Ereignis seines Lebens hat den -Vater so schwer getroffen, wie dieses Leiden und dieser Tod, es hat ihn -jahrelang der Geselligkeit und eine Zeitlang fast dem Werke entfremdet. -Erich Rathenau wird von allen, die ihn kannten, als ein gradliniger, -schlichter und gütiger Mensch geschildert. Er hatte ohne Zweifel das -Zeug zu einem hervorragenden Techniker. Das Kabelwerk der A. E. G., -das<span class="pagenum"><a name="Seite_401" id="Seite_401">[S. 401]</a></span> er leitete, hat er zur Vollendung entwickelt. Es war keine Phrase, -wenn Emil Rathenau, als ihm in einer Generalversammlung vorgeworfen -wurde, daß er nun auch noch seinen zweiten Sohn in den Vorstand der A. -E. G. berufen lasse, sein Vorgehen in folgender Weise begründete: „Dem -tüchtigen Fachmann Erich Rathenau sind von der Konkurrenz so glänzende -Anerbietungen gemacht worden, daß es besonderer Gegenleistungen seitens -der A. E. G. bedarf, um ihn zu halten.“</p> - -<p><em class="gesperrt">Walther</em> Rathenau, sein älterer Bruder, ist eine kompliziertere -Natur. Auch er ging vom Technischen aus. Als Ingenieur war er -in schaffender Weise an der Ausbildung der elektrochemischen -Arbeitsgebiete der A. E. G. beteiligt, baute und leitete sieben -Jahre hindurch die drei Fabriken der Elektrochemischen Werke G. m. -b. H., deren Chlorverfahren er selbständig entwickelt hatte. Im -Jahre 1899 trat er in den Vorstand der A. E. G., übernahm dort die -Abteilung „Zentralenbau“ und führte insbesondere das Baugeschäft -für fremde Rechnung, das vorher etwas vernachlässigt worden war, -zu ansehnlichem Wachstum. Im Jahre 1901 wurde er mit Karl Frey -Administrateur der Elektrobank in Zürich, deren Geschäftskreis er ganz -selbständig verwaltete und deren Geschäftsmethoden er reformierte; -eine Tätigkeit, die ihn zu weitgehender Mitwirkung an dem Aufbau -des Trust- und Finanzsystems der A. E. G. berief und fähig zeigte. -Die Besserung der Beziehungen zu der Konkurrenzfirma Siemens & -Halske, die eine Verständigung über das Zentralengeschäft und die -Bildung des Kabelkartells ermöglichte, hat er durch ausgesprochenes -Verhandlungsgeschick angebahnt. Besonders war seine Hand bei den -großen Ausdehnungsgeschäften der A. E. G. zu spüren. Die Aufnahme -der Schuckert-Gesellschaft, für die er sich nach gründlicher -Untersuchung der Verhältnisse entschieden ins Zeug legte, konnte -er im Vorstandskollegium nicht durchsetzen. Dieses Schicksal eines -persönlichen Projektes, dessen Mißlingen er als einen großen und -dauernden Verlust für die A. E. G. ansah, veranlaßte ihn im Jahre 1902 -aus dem Vorstand der A. E. G. auszuscheiden und einer Aufforderung -Karl Fürstenbergs zu folgen, in die Berliner Handelsgesellschaft als -Geschäftsinhaber einzutreten. Aber auch nach seinem Austritt blieb -Walther Rathenau in enger Fühlung mit der A. E. G., zumal da er seine -Stellung als Administrateur der Elektrobank beibehielt. Bei der -Verschmelzung der<span class="pagenum"><a name="Seite_402" id="Seite_402">[S. 402]</a></span> A. E. G. mit der „Union“ wirkte er in weitgehender -Weise mit; den Zusammenschluß mit dem Lahmeyer-Konzern, der ja von der -Elektrobank seinen Ausgang nahm, hat er fast selbständig entworfen, -desgleichen die erst nach dem Tode Emil Rathenaus eingeleitete Serie -der B. E. W.- und Elektrowerke-Transaktionen, durch die die Berliner -Elektrizitätswerke Akt. Ges. nach der Verstadtlichung ihrer Berliner -Zentralen durch Überführung des größten Teils der Aktien mit der A. -E. G. nahe verbunden und dann von dem ihr zur Last gewordenen Besitz -an den Elektrowerken in Bitterfeld befreit wurde. Bei allen diesen -Entwürfen kamen ihm sein Sinn für die Architektur großer Transaktionen -und seine konstruktive Begabung zustatten, die er während des Krieges -in noch größerem Rahmen bei der Rohstoffsicherung für die Zwecke des -deutschen Heeresbedarfs erweisen konnte.</p> - -<p>Hatte sich in Erich Rathenau die naive Seite des väterlichen -Charakters fortentwickelt, so war Walthers Erbteil die Größe und -Schärfe des Denkens. Eine Erscheinung von ausgesprochener und sehr -bewußter Geistigkeit, die sich nicht auf das Fachgebiet des Vaters -oder das eigene beschränkte, sondern die allgemeinen Probleme des -wissenschaftlichen, künstlerischen und gesellschaftlichen Lebens ihrer -Zeit in den Brennspiegel ihrer Persönlichkeit zog. Die nicht nur in -den <em class="gesperrt">Schaffens-</em>, sondern auch in den <em class="gesperrt">Lebensformen</em>, mit -denen der Vater, wie wir gesehen haben, im Kleinbürgertum seiner -Herkunft haften geblieben war, frei zum Weltbürgertum emporwuchs -und darum ihrer Geistigkeit auch Kultur zu geben verstand. Daß eine -solche Entwickelung auch zu schriftstellerischer Betätigung drängen -mußte, ist verständlich. An dieser Stelle das Bild des Schriftstellers -Walther Rathenau und seines litterarischen Schaffens zu zeichnen, ist -unmöglich. Aber wenn wir feststellen, daß er Tiefe des Gedankens mit -einer ungewöhnlichen Plastik der Darstellungsweise, Originalität der -Anschauung mit einem sicheren Blick für das Praktische zu verbinden -weiß, sind wir uns der Zusammenhänge bewußt, die zwischen dem Geist des -Vaters und dem des Sohnes bestehen.</p> - -<p class="center mtop1 mbot2">*         *<br /> -*</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_403" id="Seite_403">[S. 403]</a></span></p> - -<p>Haben wir im Vorstehenden geschildert, wie Emil Rathenau die -Menschen als einzelne Persönlichkeiten behandelte, so bleibt noch -zu untersuchen, wie er zu den <em class="gesperrt">Menschengruppen</em>, zu den -Kollektivpersönlichkeiten stand, mit denen er in Berührung kam. -Rathenau hatte, wie fast alle bedeutenden Industriellen seiner Epoche, -keinen ausgesprochenen Sinn und kein unmittelbares Interesse für das -<em class="gesperrt">Soziale</em>. Er war nicht gerade antisozial, aber er war asozial. -Das Schicksal der Arbeiter- und Beamtenklasse interessierte ihn nicht -um dieser Menschenschichten oder um der Menschheit willen, sondern weil -er mit ihnen zu tun hatte, sie für seine industriellen Zwecke und Pläne -brauchte. Daß die meisten Industriepolitiker keine Sozialpolitiker -sind, ist erklärlich. Um ein bedeutender Industriepolitiker zu werden -und zu sein, braucht man die Arbeit eines ganzen Lebens und oft reicht -sie nicht einmal dazu hin. Auch die Sozialpolitik braucht ihren ganzen -Mann. Dazu kommt, daß der Industrielle, der verdienen, das Verhältnis -zwischen Einnahmen und Ausgaben ständig verbessern will, als größten -Widerstand auf diesem Wege die ständige Forderung des Arbeiters und -Beamten nach höherer Entlohnung, höherem Anteil am Produktionsertrag -findet. Der Fabrikant, dessen Streben in der Gegenrichtung fortdrängt, -hat es naturgemäß am schwersten, den Standpunkt der arbeitenden Klassen -zu begreifen. Denn er muß erst sich selbst ausschalten, seine stärksten -Ichgefühle neutralisieren, ehe er beginnen kann, sich in die Seele des -Arbeiters einzufühlen. So einfach, so primitiv und brutal darf man -den Gegensatz natürlich nicht darstellen, als ob die unersättliche -Geldgier des reichen Produzenten dem armen Arbeiter nicht von seinem -Überfluß ein Teilchen zur Verbesserung seiner Existenzbedingungen -abgeben will. Gewiß, auch das hat es häufig gegeben und gibt es wohl -auch noch. Aber gerade bei industriellen Schöpfernaturen spielt das -Geld nicht die ausschlaggebende Rolle, sondern die Kalkulation, -die Ökonomie des Produktionsprozesses, das Gedeihen des Werkes. -Gerade die tiefsten Verelendungen der Arbeiterklasse hatten ihren -Ursprung nicht in der Willkür zu reichlich verdienender Fabrikanten, -sondern in der Verschlechterung der Produktionsbedingungen für den -Industriellen, häufig sogar in dem Aufkommen neuer überlegener -Produktionseinrichtungen, die die Herstellung der nach den alten -Verfahren arbeitenden Unternehmer unrentabel machten und sie zum -Lohndruck zwangen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_404" id="Seite_404">[S. 404]</a></span></p> - -<p>Emil Rathenau hat sich mit der Sozialwissenschaft, die derartige -soziale Übergangskatastrophen zu verhindern oder doch zu mildern -suchte, nicht bewußt beschäftigt, ebenso wenig war er allerdings auch -konsequenter Antisozialist, wie zum Beispiel Kirdorf. Er war in dieser -Hinsicht, wie in mancher anderen, Unternehmer, Realist und Rationalist -und suchte mit dem Sozialismus, den er als eine wurzelstarke, -unausrottbare Bewegung erkannt hatte und mit dem er darum rechnen -mußte, so gut wie möglich fertig zu werden. Konflikte suchte er so -lange als möglich zu verhindern, denn er wußte, daß eine Niederlage für -den Arbeitgeber verhängnisvoll werden konnte, daß ein Sieg die Lage für -ihn nur auf eine verhältnismäßig kurze Zeit sicherte und den Keim zu -immer neuen Kämpfen bildete. Dabei war seine Art, der Arbeiterbewegung -Konzessionen zu machen, keineswegs die alte patriarchalische, die -sich vorzugsweise an das Gemüt wendet und die auch in ganz großen -Betrieben, wie zum Beispiel bei der Firma Fried. Krupp noch gepflegt -wird. Seine Methode war vielmehr eine ganz nüchtern rechnungsmäßige, -die an den Verstand appelliert und vom Verstande geleitet wird. -Während der Patriarchalismus manchen Forderungen des Sozialismus, -rein sachlich betrachtet, entgegenkommt, aber stets betont, daß er -diese Konzessionen freiwillig, gewissermaßen als Wohltat gewähre, dem -Arbeitenden jedoch keinen Anspruch auf sie einräumen will, war es -Rathenau ziemlich gleichgültig, in welcher Form er die Forderungen der -Arbeiter erfüllte. Wenn er sachlich etwas geben mußte, hielt er sich -nicht lange bei der Formfrage auf, ob er den Arbeitenden ein Recht -einräume, oder ob er ihnen ein Geschenk mache. Die Hauptfrage war für -ihn der rechnerische Effekt, die Einwirkung auf die Ökonomie. Erschien -diese ihm zu nachteilig, so ließ er es lieber auf den Kampf ankommen, -ehe er nachgab. Im anderen Falle war er zum Entgegenkommen bereit, -sofern er den Eindruck hatte, daß der Gegner stark genug war, um einen -Arbeitskampf wagen zu können. Im allgemeinen huldigte er der Ansicht, -daß es auch wirtschaftlich zweckmäßig sei, Störungen der industriellen -Arbeit möglichst zu vermeiden, da sie auch dem Unternehmer häufig mehr -schaden könnten als Zugeständnisse, die er den Arbeitern machte und die -vielleicht durch Verbesserung der Arbeitsmethoden wieder ausgeglichen -werden konnten. Von Arbeitskämpfen<span class="pagenum"><a name="Seite_405" id="Seite_405">[S. 405]</a></span> aus prinzipiellen Gründen wollte er -nicht viel wissen, und vermied sie, wenn es irgend angängig war.</p> - -<p>Naturgemäß haben sich seine Anschauungen und Methoden auch in der -Arbeiterfrage im Laufe der Zeit verändert und entwickelt. Vor einer -Reihe von Jahren hielt ihm einmal jemand vor, daß er in der Zeit der -Hochkonjunktur viele Arbeiter eingestellt habe, die er dann in der -Periode des Rückschlags nicht behalten konnte. Er erwiderte: „Habe -ich denn diese Arbeiter alle gezeugt, daß ich <em class="gesperrt">verpflichtet</em> -bin, sie zu beschäftigen? Wenn ich Arbeit für sie habe und sie zu -mir kommen, gebe ich ihnen Beschäftigung, habe ich keine Arbeit mehr -für sie, muß ich sie entlassen.“ — Von diesem Standpunkt kam er mit -den Jahren immer mehr ab, je klarer er erkannte, wie vorteilhaft es -vom geschäftlichen Standpunkt für ein Großunternehmen ist, einen -dauernden, treuen und geübten Arbeiterstamm zu besitzen. Natürlich -führte er diese Ansicht nicht bis zu der Konsequenz durch, nun -überhaupt keinen Arbeiter mehr zu entlassen, auch wenn es für ihn -an Beschäftigung fehlte. Aber er suchte die Entlassungen möglichst -einzuschränken, indem er für Arbeiter, deren Tätigkeit auf einem Gebiet -beendigt war, neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen bestrebt war und -zur Erreichung solcher Zwecke auch Opfer nicht scheute, von denen er -wußte, daß sie sich später wieder bezahlt machen würden. Übrigens trug -sein kaufmännisches System, die A. E. G. vor Beschäftigungskrisen -sicherzustellen und die Produktion auch in schlechten Zeiten konstant -zu erhalten, naturgemäß dazu bei, auch die Arbeiterverhältnisse in -ihren Betrieben zu festigen. Entlassungen fanden in späteren Jahren -weniger in Zeiten des Konjunkturrückganges als infolge der Einführung -neuer arbeitersparender Produktionsmethoden statt. Hier war aber der -Arbeiterrückgang meist nur ein ganz vorübergehender, denn solche neuen -Produktionsmethoden pflegten sehr schnell den Bedarf anzuregen und -damit auch die Nachfrage nach Arbeitern wieder zu heben.</p> - -<p>In der <em class="gesperrt">Angestelltenfrage</em> war der Standpunkt Rathenaus -grundsätzlich derselbe wie in der Arbeiterfrage. Er stellte sich auf -den Boden einer nüchternen Tatsachenpolitik, und wenn die Angestellten -bei ihm trotzdem nicht dasselbe erreichten wie die Arbeiter, so liegt -das daran, daß ihnen die Macht und Solidarität des Zusammenschlusses -nicht in demselben Maße zur Seite stand, die ihren<span class="pagenum"><a name="Seite_406" id="Seite_406">[S. 406]</a></span> Forderungen -denselben Nachdruck hätte geben können wie der Arbeiterschaft. Immerhin -versuchte er, soweit es bei einem so großen Betrieb möglich ist, den -tüchtigen Angestellten den Aufstieg aus den niedrigsten Regionen zu -ermöglichen. Die Verbesserung der sozialen Lage des Durchschnitts ging -nur schrittweise vor sich.</p> - -<p>Ein eigenartiges Kapitel im sozialen Leben Rathenaus betrifft die -<em class="gesperrt">Frauenarbeit</em>. Er schätzte an Frauen besonders die Weiblichkeit, -und infolgedessen entsprach seinem Gefühl die Frauenarbeit recht wenig. -Als ihm aber manche seiner Mitarbeiter rechnerisch überzeugend deren -Vorteile für das Unternehmen dargelegt hatten, gab er seinen Widerstand -auf und ließ sogar zu, daß Frauen von der A. E. G. in großem Umfange -eingestellt wurden. In seinem innersten Empfinden blieb er aber immer -ungläubig und als einmal in irgend einer Zeitung die Meldung zu lesen -war, daß die Baltimore- und Ohio-Bahn eine Statistik aufgemacht habe, -nach der die Bezahlung der Frauen bei dieser Gesellschaft um 30%, -die Leistung aber um 50% geringer sei als die der Männer, ließ er -überall nachforschen, um Näheres über diese Statistik zu ermitteln. -Die Ermittelungen fielen negativ aus und es erwies sich, daß die -Baltimore-Ohio-Bahn überhaupt keine Statistik dieser Art angefertigt -habe. — Die Beamten, die er mit dieser Nachforschung beauftragt -hatte, waren nicht wenig erstaunt, als Rathenau wenige Tage nachher -gelegentlich des Empfanges einer Studiengesellschaft eine Rede hielt, -in der er die Vorteile der Frauenarbeit begeistert pries und mit Stolz -darauf hinwies, daß bei der A. E. G. schon seit langem die Frauenarbeit -in großem Maßstabe gepflegt würde.</p> - -<p>Im Endeffekt hat natürlich Emil Rathenau, wie jeder andere große -Entwickeler industrieller Arbeit, auch sozial fördernd gewirkt. -Industrie schaffen, heißt Arbeit schaffen und die Bedingungen der -Industrie verbessern, heißt auch die Bedingungen der Arbeit verbessern, -wenngleich eine zu plötzliche, revolutionierende Verbesserung der -Industrietechnik vorübergehend auch auf die Arbeiterverhältnisse -drücken kann. Das von Adam Smith aufgestellte Lohngesetz, nach dem die -Industrie den Arbeiter stets nur so viel verdienen läßt, daß er gerade -sein Auskommen finden kann, hat doch heute nicht mehr volle Geltung. -Die soziale Bewegung, aber auch die großartige Industrieentwickelung -haben zweifellos in den letzten<span class="pagenum"><a name="Seite_407" id="Seite_407">[S. 407]</a></span> Jahrzehnten dahin gewirkt, die soziale -Lage zu mindestens des Standes der gelernten Arbeiter zu heben und sie -der des Kleinbürgertums anzunähern.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="padtop1" id="Kap_16_g">g)</h3> - -</div> - -<p>Wir sind am Ende. Wir haben versucht, ein Menschenleben in seinem -Sein und Wirken zu schildern, das ein Heldenleben gewesen ist, wie -nur irgend eines, wenn ihm auch vielleicht der Schimmer der Romantik -gefehlt hat. An Kämpfen war dieses Leben reich und reich an Erfolgen. -Mit dem Leben hatte Emil Rathenau zu ringen, und zuletzt auch mit -dem Tode. Wer den Invaliden sah, als er sich, von dem ersten Anfall -der tückischen Krankheit kaum erholt, im Rollstuhl nach seinem -Arbeitszimmer am Friedrich Karl-Ufer fahren ließ, diese zitternden -Hände, diesen totenblassen Kopf, diese müden Züge, die einst von -Energie und Lebenswillen durchglüht gewesen waren, gab diesem Mann -nur noch wenige Wochen. Immer neue Attacken der Krankheit schüttelten -ihn. Er überwand sie und gewann noch ein paar Jahre. Im Mai 1914, als -ich ihn zum letzten Male aufsuchte, war er äußerlich ganz der alte. -Seinen künstlichen Fuß, den ihm ein Meister-Orthopäde konstruiert -hatte, betrachtete er nur als technisches Problem. In stundenlanger -Unterhaltung entwickelte er mir damals alle brennenden Fragen der -Elektrizitätsindustrie, jugendlich, frisch, zukunftsfreudig wie nur je, -ganz ungebrochener Geist, der sich die Materie untertan gemacht hat. -Ein Jahr später hatte die Materie doch den Geist überwunden. Am Tage -der Wiedereroberung von Lemberg schloß Emil Rathenau die Augen.</p> - -<p>Können heute noch Männer seinesgleichen wachsen und werden? Die -Großen aus dem Reiche der Industrie sind gestorben oder sie altern. -Aus den Reihen der jungen Saat sehen wir noch keinen Halm, der über -die umstehenden Köpfe soweit hinausragt, wie Saul über die Propheten. -Unsere Industrieentwickelung ist voller aber auch ruhiger geworden. Es -sind nur Schritte vorwärts zu tun, langsame oder schnelle, aber keine -großen Distanzen mehr zu überspringen, im Sturmschritt zu durcheilen -wie zur Zeit, als Rathenau nicht nur selbst jung war, sondern das Glück -hatte, die Jugend einer Epoche zu erleben. Es fehlen die neuen, großen -jungfräulichen Probleme, an denen sich die Begabung zur Vollkraft -entwickeln, der<span class="pagenum"><a name="Seite_408" id="Seite_408">[S. 408]</a></span> Feuerfunke des Genius zum lodernden Brand entzünden -kann. — Fehlen sie? Oder werden sie aus der ungeheuren Umwälzung -entstehen, in die dieser lange, schwere und zerstörende Krieg Europa -gestürzt hat und aus der seine Weltherrschaft nur eine ungeheure Arbeit -der Geister und Hände erretten könnte? — Warten wir und hoffen, -daß uns Deutschen Männer wie Emil Rathenau wieder geschenkt werden, -die unsere Kraft der Organisation mit dem Blute der Persönlichkeit -durchtränken und zu noch höherem Werte emporheben können.</p> - -<hr class="full" /> - -<div class="reklame"> - -<p class="s4 center"><b>Wir machen bei dieser Gelegenheit noch besonders auf die -früher erschienenen Bände I–V der „Großen Männer“ aufmerksam.</b></p> - -<p class="center mtop2">Band I</p> - -<p class="s2 center sans"><b>Große Männer.</b></p> - -<p class="p0">Von <em class="gesperrt">Wilhelm Ostwald</em>, 3. u. 4. -Aufl. Broschiert M. 14.—.</p> - -<p class="s5">Die schnelle Folge der Auflagen ist ein Beweis dafür, wie dieses Werk -die öffentliche Meinung wachgerüttelt hat. Demgemäß haben denn auch -die vorliegenden Kritiken alle Stufen von glühendem Enthusiasmus bis -zu wütender Gegnerschaft durchmessen... Es sei wiederholt auf dieses -bedeutsame Buch hingewiesen, das die so wichtigen Gegenstände der -Erziehung und Bildung der Jugend in eine ganz neue Beleuchtung rückt -und aus deren Ergebnis einschneidende Verbesserungsvorschläge gewinnt.</p> - -<p class="s5 right mright1">Frankfurter Zeitung.</p> - -<p class="center mtop2">Band II</p> - -<p class="s2 center sans"><b>Zur Geschichte der Wissenschaften und der Gelehrten seit zwei -Jahrhunderten</b></p> - -<p class="p0">nebst anderen Studien über wissenschaftl. Gegenstände, insbesondere -Vererbung u. Selektion beim Menschen v. <em class="gesperrt">Alphonse de Candolle</em>. -Deutsch herausgeg. v. <em class="gesperrt">Wilh. Ostwald</em>. Brosch. M. 12.—, gebunden -M. 13.—.</p> - -<p class="s5">... Die Umsicht und die Gewissenhaftigkeit, mit der das Material -bearbeitet ist, erweckt ebenso unsere Bewunderung, wie die -Bescheidenheit, mit der die Ergebnisse vorgetragen werden, unsere -Sympathie erregt. Forscher und Lehrer sollten sich mit dem Inhalt des -schönen Werkes vertraut machen.</p> - -<p class="s5 right mright1">Prof. Schaum, Leipzig, in „Leipziger Neueste -Nachrichten.“</p> - -<p class="center mtop2">Band III</p> - -<p class="s2 center sans"><b>Jacobus Henricus van’t Hoff.</b></p> - -<p class="p0">Sein Leben und Wirken von <em class="gesperrt">Ernst Cohen</em>, Prof. an der -Reichs-Universität zu Utrecht. Mit 2 Gravuren u. 90 Abbildungen. -Broschiert M. 14.75, gebunden. M. 16.—.</p> - -<p class="s5">Das Aufsehen erregende Werk bildet einerseits einen wertvollen Beitrag -zur Geschichte der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der -Chemie und sucht andererseits die Schätze aufzudecken, die der heutige -Schulbetrieb für einseitig begabte Menschen, die das Zeug zum „großen -Mann“ hätten, im Gefolge habe.</p> - -<p class="s5 right mright1">„Jahresbericht für das höhere Schulwesen.“</p> - -<p class="s3 center sans mtop1 nowrap"><b>__________BESTELLSCHEIN__________</b></p> - -<p class="p0 s5">Unterzeichneter bestellt hiermit von den im Verlage der</p> - -<p class="center s5"><b>Akademischen Verlagsgesellschaft m. b. H. in Leipzig</b></p> - -<p class="p0 s5">erschienenen Bänden der <b>„Großen Männer“</b>:</p> - -<table class="s5" summary="Bestellschein"> - <tr> - <td class="vat nowrap"> - Bd. I: - </td> - <td class="vat"> - <b>Große Männer.</b> Von Wilh. Ostwald. Brosch. M. 14.—, - gebd. M. 15.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> - Bd. II: - </td> - <td class="vat"> - <b>Zur Geschichte der Wissenschaften u. der Gelehrten seit zwei - Jahrhunderten.</b> Von A. de Candolle–Wilh. Ostwald. - Brosch. M. 12.—, gebd. M. 13.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> - Bd. III: - </td> - <td class="vat"> - <b>Jac. Henr. van’t Hoff.</b> Von Ernst Cohen. Brosch. M. 14.75, - gebd. M. 16.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> - Bd. IV: - </td> - <td class="vat"> - <b>Victor Meyer.</b> Von Rich. Meyer. Brosch. M. 18.—, gebd. - M. 20.— - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat nowrap"> - Bd. V: - </td> - <td class="vat"> - <b>Ernst Abbe.</b> Von F. Auerbach. Brosch. M. 18.—, gebd. - M. 21.— - </td> - </tr> -</table> - -<p class="s5 center nowrap">Ort und Datum <span class="mleft20p">Unterschrift (bitte recht deutlich):</span></p> - -<hr class="unterschrift" /> - -<div class="section padtop3"> - -<p class="s1 center"><b>GROSSE MÄNNER</b></p> - -</div> - -<p class="s4 center"><b>Studien zur Biologie des Genies</b></p> - -<p class="s5 center">Herausgegeben von</p> - -<p class="s3 center"><b>WILHELM OSTWALD</b></p> - -<p class="s2 center"><b>................</b></p> - -<p class="s4 center mtop3">Band IV</p> - -<p class="s1 center sans"><b>VICTOR MEYER</b></p> - -<p class="s4 center sans"><b>Leben und Wirken eines deutschen Chemikers und -Naturforschers<br /> -1848–1897</b></p> - -<p class="s5 center mtop2 mbot2">von</p> - -<p class="s4 center sans"><b>RICHARD MEYER</b></p> - -<p class="s6 center">Geh. Rat, Professor an der Herzogl. Techn. Hochschule -zu Braunschweig.</p> - -<p class="center mtop2">Mit 1 Titelbilde, 79 Textabbildungen und der -Wiedergabe eines Originalbriefes.</p> - -<p class="center mtop2">Geheftet M. 18.—; gebunden M. 20.—.</p> - -<hr class="r15" /> - -<p class="center padtop1"><em class="gesperrt">Aus dem Vorwort:</em></p> - -<p class="s5">Das vorliegende Werk ist aus einem Nachruf hervorgegangen, den ich auf -Wunsch des Vorstandes der Deutschen Chemischen Gesellschaft verfaßt -habe und der in den Berichten der Gesellschaft (41, 4505) im Jahre -1909 erschienen ist. Wie ich damals ausführte, glaubte ich im ersten -Augenblick die Aufgabe, ein Lebensbild meines geliebten Bruders zu -entwerfen, nicht übernehmen zu können. Ich empfand nicht nur die -großen, allgemeinen Schwierigkeiten, sondern vor allem die besonderen -persönlichen Bedenken, welche sich aus meinem verwandtschaftlichen -Verhältnisse zu dem früh Geschiedenen ergaben. Sie wollten sich auch -durch die Erwägung nicht beschwichtigen lassen, daß die gemeinsam -verlebte Jugend und unsere durch ein ganzes Leben fortgesetzten -innigen Beziehungen mir eine Fülle von Erinnerungen und schriftlichen -Zeugnissen seiner Entwickelung hinterlassen haben, welche eine -wertvolle Grundlage für ein Lebensbild abgeben konnten. Die Bedenken -habe ich in eingehender Darlegung zum Ausdruck gebracht. Sie wurden -freundlich aber entschieden zurückgewiesen — und so glaubte ich -mich der verantwortungsvollen und zugleich mir teuren Pflicht nicht -entziehen zu dürfen.</p> - -<p class="s5">Als vier Jahre später die Akademische Verlagsgesellschaft mit der -Aufforderung an mich herantrat, eine ausführliche Biographie zu -verfassen, habe ich dem nach gründlicher Überlegung Folge gegeben. An -der Bearbeitung des Werkes hat meine Frau einen wesentlichen Anteil. -Von der Jugend her in inniger Freundschaft mit uns beiden verbunden, -stand sie meinem Bruder menschlich nahe und teilte seine künstlerischen -und literarischen Interessen. Manches hier Niedergeschriebene stammt -aus ihrer Feder, und vielfach ist die Grenze ihres und meines Anteils -verwischt.</p> - -<p class="s5">Dem Texte sind zahlreiche Bildnisse von Personen eingefügt, welche mit -meinem Bruder in näherer wissenschaftlicher oder freundschaftlicher -Beziehung gestanden haben. Daher war ich bestrebt, die Betreffenden in -dem Alter wiederzugeben, in dem sie hauptsächlich mit meinem Bruder -verkehrten, was in den meisten Fällen, wenn auch nicht immer gelungen -ist.</p> - -<p class="s5">Die Darstellung gliedert sich in zwei Abschnitte. Der erste enthält -die Schilderung des Lebensganges, im zweiten ist die wissenschaftliche -Lebensarbeit des Mannes im Zusammenhange dargestellt. Dabei konnte -es aber nicht fehlen, daß die Arbeiten auch schon im ersten Teile -berührt wurden, soweit sie das innere Leben beeinflußten, und -weil die Briefe vielfach ganz davon erfüllt sind. — Den Schluß -bildet ein Anhang, welcher kurze biographische Notizen über die im -Text erwähnten Persönlichkeiten enthält. Dabei ließ ich mich von -demselben Gedanken leiten, welcher <em class="gesperrt">G. W. A. Kahlbaum</em> bei der -Herausgabe von <em class="gesperrt">Liebigs</em> Briefwechsel mit <em class="gesperrt">Schönbein</em> und -<em class="gesperrt">Friedr. Mohr</em> zur Anfügung umfassender Anmerkungen veranlaßte, -und welchen er durch die Worte zum Ausdruck brachte: „Als Ideal hat -uns vorgeschwebt, den Leser so zu stellen, als sei er ein Mitglied -des Freundeskreises <em class="gesperrt">Liebig-Schönbein</em> gewesen, und daher -über Menschen und Dinge, über Vorgänge und Arbeiten einigermaßen -orientiert.“ — Dabei mußte ich auf einen Leserkreis Rücksicht nehmen, -der sich aus Chemikern und Nicht-Chemikern zusammensetzt.</p> - -<p class="s5">Die Arbeit wurde im Januar 1914 begonnen. Während ich damit beschäftigt -war, brach der Weltkrieg aus, der natürlich hemmend darauf einwirken -mußte. Gleichwohl konnte ich sie zu Ende führen, und wenn jetzt der -ersehnte Friede anscheinend noch in unbestimmter Ferne liegt, so wird -doch vielleicht nach mehr als zweijähriger Kriegsdauer der Leserwelt -die Darbietung eines friedlichen Stoffes nicht unerwünscht sein.</p> - -<p class="s5"><em class="gesperrt">Braunschweig</em>, im Oktober 1916.</p> - -<p class="right mright2"><em class="gesperrt">Richard Meyer.</em></p> - -<div class="section padtop3"> - -<p class="s4 center">Band V</p> - -</div> - -<p class="s1 center sans"><b>ERNST ABBE</b></p> - -<p class="s4 center sans"><b>Sein Leben, sein Wirken, seine Persönlichkeit</b></p> - -<p class="center mtop2">nach den Quellen und eigenen Erinnerungen dargestellt</p> - -<p class="s5 center mtop1 mbot1">von</p> - -<p class="s4 center sans"><b>FELIX AUERBACH</b></p> - -<p class="center mtop2">Mit 1 Gravüre, 115 Abbildungen im Text und der Wiedergabe zweier -Originalschriftstücke.</p> - -<p class="p0 mtop1">Geheftet M. 18.—</p> - -<p class="right">Gebunden M. 21.—.</p> - -<p class="s5">Hiermit wird den Lesern die Lebensbeschreibung eines Mannes geboten, -der wegen der völligen Originalität seiner Persönlichkeit wie seines -Wirkens, durch die Mannigfaltigkeit seiner Betätigung und doch auch -wieder durch die einheitliche Größe seines Wesens das Interesse -weiterer Kreise erwecken und erfüllen muß, als es sonst Biographien tun -können. Hat doch Ernst Abbe nicht bloß in der wissenschaftlichen Optik -Bahnbrechendes geleistet, hat er doch nicht bloß die optische Industrie -auf eine Höhe gebracht, von der aus Deutschland jetzt auf die andern -Länder mit berechtigtem Stolze herabschaut; sondern auch auf einem ganz -andern Gebiete, als sozialer Reformator, Unvergleichliches geschaffen -— auf einem Gebiete, auf dem es leicht ist zu reden und zu schreiben, -aber ebenso schwer zu handeln, schwer wegen der unumgänglichen -Voraussetzungen des Herzens, des Charakters und des Verstandes, an die -jenes Handeln geknüpft ist. Nur selten in Jahrhunderten finden sich -diese Voraussetzungen in einer und derselben Person vereinigt; bei -Abbe sind sie es gewesen, und so war diesem einfachen Arbeitersohn ein -innerer und äußerer Erfolg gleichen Maßes und größten Stils beschieden. -Im vorliegenden Buche wird, an der Hand des Quellenmaterials und -persönlichen Erlebnisses, unterstützt durch sorgfältig ausgewählte -Bildnisse und Illustrationen, der ganze Aufbau dieses Lebens -dargestellt, und das in einer Weise, die es auch dem Nichtfachmann -(und Abbe gegenüber sind wir das alle) ermöglicht, Schritt für Schritt -mitzugehen und die Entwickelung dieses wahrhaft großen Mannes zu -verfolgen — nicht nur dem Gelehrten, dem Techniker, dem Industriellen, -dem Volkswirt; nein, auch ganz einfach dem Menschen, zu dem der große -Mensch eindringlich spricht. Den Beschluß des Buches bilden Beigaben -für den, der durch seine Lektüre zu eingehender Beschäftigung mit -seinem Gegenstande angeregt worden ist.</p> - -</div> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<div class="footnotes"> - -<p class="s3 center" id="FOOTNOTES"><b>Fußnoten:</b></p> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_1_1" id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">[1]</span></a> Siehe „Der Staat und die Elektrizitätsversorgung“ von Dr. -ing. Gustav Siegel.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_2_2" id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">[2]</span></a> In letzter Zeit hat die A. E. G. die Elektrowerke an den -Reichsfiskus verkauft.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_3_3" id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">[3]</span></a> Abgedruckt in der „Elektrochemischen Zeitschrift“ 1916, S. -297 ff.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_4_4" id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Inzwischen ist die Besteuerung der Kohle ohne Zusammenhang -mit dem Elektrizitätsproblem bereits zur Durchführung gelangt, und zwar -in viel höherem Ausmaß, als es Klingenberg vorgeschlagen hatte.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_5_5" id="Fussnote_5_5"></a><a href="#FNAnker_5_5"><span class="label">[5]</span></a> Nach Fertigstellung dieser Ausführungen hat der -Verkehrsminister v. Breitenbach im Abgeordnetenhause eine -stärkere Betätigung des preußischen Staates auf dem Gebiete der -Großkrafterzeugung angekündigt und Pläne entwickelt, die ganz in -der Richtung der Rathenau’schen, Siegel’schen und Klingenberg’schen -liegen. Auch er mußte aber zugeben, daß die Vorteile eines solchen -Vorgehens zunächst nicht so sehr auf dem staatsfinanziellen, als auf -dem allgemeinwirtschaftlichen Gebiete liegen würden.</p></div> - -</div> - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Emil Rathenau und das elektrische -Zeitalter, by Felix Pinner - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK EMIL RATHENAU UND DAS ELEKTRISCHE ZEITALTER *** - -***** This file should be named 55188-h.htm or 55188-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/5/1/8/55188/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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