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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Schilderungen des Treibens im Leben und Handel in den Vereinigten Staaten und Havana. - Gezeichnet auf Reisen in den Jahren 1838 und 1839 - -Author: Julius Ries - -Release Date: March 19, 2017 [EBook #54391] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHILDERUNGEN DES TREIBENS *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1840 erschienenen Buchausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung - und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend - korrigiert. Ungewöhnliche Ausdrücke, Groß- und Kleinschreibung, - usw. wurden nicht verändert, wenn die Verständlichkeit der Passage - dadurch nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere auch - für ins Deutsche übertragene fremdsprachliche Ausdrücke, die - teilweise lediglich phonetische Übertragungen darstellen. Die - ‚Verbesserungen‘ am Ende des Buches wurden vom Bearbeiter bereits - in den Text eingearbeitet. - - Die Ergebnisse der Additionen in den Tabellen sind möglicherweise - nicht in allen Fällen korrekt; da die Angaben aber nicht - nachvollzogen werden können, wurden alle Zahlen aus dem Original - ohne Korrektur übernommen. - - Von der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden in der - vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: - - kursiv: _Unterstriche_ - gesperrt: +Pluszeichen+ - Fraktur: ~Tilden~ - - Kapitälchen werden in GROSSBUCHSTABEN wiedergegeben. - - Die Verwendung von Frakturschrift in den Überschriften erscheint - rein willkürlich und dient augenscheinlich ausschließlich - dekorativen Zwecken. - - #################################################################### - - - - - SCHILDERUNGEN - - DES - - TREIBENS IM LEBEN UND HANDEL - - IN DEN - - VEREINIGTEN STAATEN UND HAVANA. - - [Illustration] - - GEZEICHNET - - AUF REISEN IN DEN JAHREN 1838 ~UND~ 1839 - - VON - - JULIUS RIES. - - BERLIN, 1840. - - Auf Kosten und im Selbstverlage des Verfassers. - - Burg-Straße No. 17. - - - Aufgeschnittene und beschmutzte Exemplare werden nicht zurückgenommen. - - - - - ~Vorrede.~ - - -Vorreden werden gewöhnlich geschrieben, um böse Nachreden von Seiten -der Leser zu verhüten. Indeß wird dieser Zweck hierdurch selten, -oder auch nie erreicht; und wozu auch? Werden ja doch des allgütigen -Schöpfers Werke auf das allerheftigste getadelt, wie soll also ein -menschliches Werk dem Tadel entgehen. Der Verfasser unterfängt sich -nicht, dem Publikum etwas Untadelhaftes bieten zu wollen, deshalb -wollte er auch alles Vorreden unterlassen, da er ohnedies im Buche -selbst hinreichend auf Zweck und Endziel desselben aufmerksam gemacht -hat. Nicht also um Kritiker sanfter zu stimmen, sondern zur vorläufigen -Orientirung der Leser, und um sich gegen Mißdeutungen zu schützen, -erlaubt er sich einige Bemerkungen. - -Die erste ist die, daß er hier nichts mittheilt, als was er selbst -erfahren, oder was er durch einiges Nachdenken gefunden hat; das -Büchermachen aus andern Büchern, wie es auch bei Reisebeschreibungen -gebräuchlich ist, will er Andern überlassen. Als Kaufmann hat er -vorzugsweise für praktische Kaufleute geschrieben, hofft jedoch, -daß Manches in seinem Buche auch von Andern nicht uninteressant -dürfte gefunden werden. Systematische Ordnung hielt er in solchen -Mittheilungen für überflüssig, er hat die Beobachtungen und -Betrachtungen, wie sie sich ihm theils auf der Reise, theils von selbst -darboten, dem Leser vorgelegt; wenn er daher im Verlauf der Erzählung -auf einen Gegenstand zurückkommt, so geschieht es nur dann, wenn die -frühere Bekanntschaft mit dem Gegenstande durch die spätere bedeutend -vermehrt und wirklich ergänzt wird. - -Die zweite Bemerkung betrifft die Betrügerei der Commissionaire, mit -deren Enthüllung ein ziemlicher Theil dieses Buches sich beschäftigt. -Möchte es dem Verfasser gelungen sein, einen tüchtigen Stich in -dieses Wespennest zu thun, denn eine böse Gattung von Wespen sind die -von demselben bezeichneten, die schon manchen Bienenstock um ihren -Honig gebracht haben. Daß der Verfasser nicht +alle+ Commissionaire -zu jenem Wespengeschlecht zählt, wird wohl jedem Vernünftigen von -selbst einleuchten. Auch die Johann und Cosmus von Medici, so wie die -Fuggers in Augsburg, waren einst Commissionaire, aber zugleich was -für treffliche, hochgesinnte Männer! Auch die Rothschild’s sind durch -den höchsten Grad der Rechtlichkeit zu der hohen Stellung gelangt, -die sie jetzt einnehmen. Daß der Verfasser ähnliche Commissionaire, -wenn sie auch nicht so angesehen und reich sind, nicht in seinen Tadel -einschließt, versteht sich von selbst. Daß er aber die Mysterien jenes -Wespengeschlechts schonungslos zur Publicität bringt, so jedoch, daß er -alles Gesagte mit schriftlichen Documenten belegen kann, dafür wird der -Verfasser wohl keinerlei Entschuldigung bedürfen, er glaubt vielmehr, -auf den Dank einsichtiger Geschäftsleute rechnen zu dürfen, und dies um -so mehr, da er hauptsächlich, um diesen zu nützen, seine Erfahrungen -mittheilte. - -Selten erscheinen praktische Kaufleute in der Reihe der Autoren, denn -haben sie gute Geschäfte gemacht, so haben sie Gründe, dies nicht der -Welt bekannt zu machen, im umgekehrten Falle schämen oder scheuen sie -sich wohl gar. Der Verfasser hat sich von jenen zwei Ursachen der -Verheimlichung nie beherrschen lassen, und da er als Kaufmann nicht -länger zu praktiziren gesonnen ist, weil kaufmännische Geschäfte jetzt -nichts Erfreuendes darbieten, so wünscht er, daß die zum Nutzen für -angehende Kaufleute gestreute Saat gesegnet aufgehen möge. - - _Julius Ries._ - - - - - ~Inhalts-Verzeichniß.~ - - - Einleitung. Seite 1 - - Ursache und Zweck der Reise. -- Die Hamburger Pavillons. -- - Das Huller Dampfschiff und der Redacteur der Huller Times. -- - Die Seekrankheit als Schönheitsmittel. -- Eine Flüchtige aus - London und der Konstabler. -- Die Reisegesellschaft. -- Der - Schauspiel-Director W. -- Ein derber Italiener als Nebenbuhler von - Lablache. -- Die Reise auf Paquet- und Dampfschiffen. -- Sturz des - Verf. von der Cajütentreppe. -- Ueble Lage desselben als Kranker in - einem Schiff. -- Ankunft in New-York. -- Quarantaine-Revision. - - New-York. S. 15 - - Beverley-House. -- Fortdauernde Krankheit des Verfassers. -- - Englands Handel und Fabrikation im Verfall. -- Wucher beim - Pfandleihen. -- Boarding- oder Kosthäuser. -- Lebensweise in - diesen. -- Wein und Weinpreise in Amerika. -- Gutsbesitzer und - deren Hornvieh. -- Beschreibung von Broad-Way. -- Oeffentliche - Anständigkeit und Sittlichkeit der Amerikaner. -- Caffé de mille - Colonnes. -- Das Stadt-Hospital. -- Chatham. -- Waaren-Auktionen. - -- Nothwendigkeit einer baldigen Handelskrisis. -- Musquitos. -- - Theater, und List, um volle Häuser zu gewinnen. -- Militairische - Ordre. -- Einrichtung des Packhofs. -- Glück des New-Yorker - Brandunglücks für die Fabrikwelt. -- Tabelle über die Fabrikation - in den V. S. -- Industrie-Ausstellung. -- Prächtige Feuerspritzen. - -- Deutsche Kirchen und Prediger. -- Behr, der mecklenburger - Wollhändler. - - - Zweite Abtheilung. - - Havana. - - Reise nach Havana, Oertlichkeit und Einrichtung - daselbst. S. 45 - - Abreise nach Havana auf dem Paquet Norma. -- Paßverlegenheit. -- - Champagner. -- Permitts, oder Erlaubnißscheine zum Anlanden. -- - Logis. -- Der Verfasser miethet eine Kammer, welche wegen der - vielen, in derselben sich aufhaltenden Thierarten mit Noah’s Arche - zu vergleichen wäre. -- Place des Armes. -- Oeffentliche Promenade - der Havaneserinnen. -- Havana’s Straßen, Volanten, Gefahr auf den - Straßen durch diese. -- Ladendiener für Damen, und deren Art beim - Einkaufen. -- Häusliche Einrichtung und Sclaven-Einkauf hierzu. - -- Havanesische Kochkunst. -- Mahlzeiten und Sclaven-Bedienung - hierbei. -- Vergnügungen der Sclaven am Weihnachts-Feste. - - Ueber die Handels- und Geschäfts-Verhältnisse in Havana. S. 59 - - Der deutsche Commissionair M. -- Waarenunkunde der Commissionaire; - ihre Lebensweise. -- Die Mercadere. -- Importation auf Cuba. -- - Europäische Facturen sind für die Commissionaire überflüssig. - -- Detailleurs, Hausirer und Lotterie in Havana. -- Geldmangel, - hoher Zinsfuß und Waaren-Ueberfluß. -- Vorschlag, um dies - Uebel für den europäischen Handel nach Westindien zu heben. -- - Ein Beispiel von der Verfahrungsweise der Commissionaire beim - Abrechnen mit Europäern. -- Merkwürdig wohlfeiler Waarenverkauf. - -- Der übermäßige Gewinn beim Sclavengeschäft. -- Import des - Mehls auf Cuba. -- Procedur des Verfassers gegen die schlauen - Commissionaire. -- Advokaten, Prokuratoren, Stempelpapier, lange - und theure Prozesse. -- Der Verfasser muß Sclavenhändler werden. - -- Unverschämtheit der Commissionaire in Anrechnung der Kosten. - -- Der Commissionair M. will, daß der Verfasser einen um das - doppelte erhöhten Zoll bezahle. -- Des Verfassers Prozeß. -- - Edles Betragen der Spanier und des englischen Consuls hierbei. - -- Wuth und Schlauheit der Gegner. -- Bemühungen des Verfassers, - die Zoll-Defraudationen von Seiten seines Commissionairs zu - ermitteln. -- Humanität und Gefälligkeit des Gouverneurs hierbei. - -- Hinhaltendes Verfahren der Zollbeamten gegen dieses Unternehmen. - -- Der Betrug kömmt endlich bestimmt zu Tage. -- Revenuen der - Insel Cuba. -- Ueber die Veruntreuung, und Straflosigkeit solches - Betrugs. -- Der Verfasser überreicht dem Gouverneur einen Aufsatz - über Verbesserung der Douanen. -- Specificirte Rechnungen und - Nachweisungen über die von Moyer und Dakin erpreßten Summen. -- - Unkosten von Waarensendungen nach Vera-Cruz. -- Forellen und - französische grüne Erbsen in Havana aufgewärmt, à 1½ Piaster - eine Portion. -- Contrast der Franzosen und Deutschen in Havana. - -- Ueber Meta-Geschäfte nach- und von Westindien. -- Ueber die - niedrigen Preise der Colonial-Waaren in Europa. -- Verkehr in - Havana mit den V. S. -- Wechselgeschäfte. -- Einfuhr von Mehl, - Rindfleisch, Fettwaaren etc. etc. - - Ueber die Feste und Vergnügungen der Havaneser. S. 107 - - Der Carneval. -- Fortuna. -- Austern und Backenbärte. -- - Rekrutirung der Weinflaschen in den Restaurationen. -- Sonderbare - Anwendung der Suppenlöffel in Havana. -- Was verstehen die - Havaneser unter gutes Essen? -- Chirurgische? Operation einer - Negerköchin. -- Das Stiergefecht. -- Die Stadt Redler, das - Wachs-, Honig- und Melasse-Geschäft daselbst. -- Prozessionen. - -- Der Havanesische Kaiser Napoleon. -- Die italienische Oper, - des Verfassers Wirthin im Zorn, wegen dessen Gleichgültigkeit - dafür. -- Redouten. -- Bal-masque romantique und Redoute - romantique. -- Der Redouten-Saal, die Masquen-Ordnung und die - Masquerade in der Orangen-Allee. -- Der Sclaven-Carneval. -- Ueber - die Sittlichkeit der Spanier. -- Der nach Havana verpflanzte - Appellations-Gerichtshof und das Reichspettschaft hierzu. -- - Abendgesellschaften in Havana und die Priesterinnen der Venus. -- - Illumination nach der Form europäischer Straßenbeleuchtung. -- - Satirischer Aufzug. -- Das Osterfest. -- Sehr schöne spanische - Sünderinnen. -- Der Charfreitag und die Prozessionen an diesem - Tage. -- Deutsche und englische Commissionaire wetteifern im - richtigen Abtragen der Zollgefälle. -- Etwas über die Behandlung - der Tabacksblätter. -- Die Hökerläden in Havana. -- Des Verfassers - Abreise nach New-Orleans. -- Dessen Betrachtungen über die - Reisegesellschaft, und über die Entfernung vom mexikanischen Golf - bis zum Obi in Asien. - - - Dritte Abtheilung. - - Ueber die Vereinigten Staaten. - - New-Orleans. S. 138 - - Kauf eines Bull-dogs für einen Bologneser. -- Hotels. -- Gebäude - in New-Orleans. -- Börse. -- Abreise nach Louisville. -- Das - Tabacks-Kauen. -- Fahrt auf dem Mississippi, Schönheit dieses - Flusses. -- Die Feuersgefahr bei Dampfschifffahrten. -- Die - Live-presserver-Uebersicht der Quantität Holz, die auf den Fahrten - verbraucht wird. -- Die Urwälder in den V. S. -- Vergleiche - der Bewohner am Mississippi und Obi in Asien. -- Tabelle über - die Production der Baumwolle in den V. S. -- Einrichtung auf - amerikanischen Dampfschiffen, Lebensweise, Uebelstände beim - Schlafengehen, beim Ankleiden des Morgens, beim Waschen u. s. w. -- - Fruchtbare Kraft des Mississippi-Wassers. -- Ankunft in Louisville. - -- Lage der Städte. -- Cincinnati, die deutschen Waarenhändler und - das Speditions-Geschäft daselbst. -- Die deutschen Auswanderer - und deren Commissionaire. -- Pittsburg. -- Besuch der Glasfabrik. - -- Das Gefängniß, Schiffe, snag-boats, Baumwollspinnerei, - Brücken, Tuchfabrikation, Canalböte, Treckschuten und Gefahr - bei den Brücken. -- Inzwischen-Reise über sehr hohe Gebirge auf - Eisenbahnen. -- Der Fluß Susquehannah. -- Eisenbahnfahrt von - Harrisburg bis Philadelphia. -- Einrichtung dieser Dampfwagen. -- - Fleiß der Deutschen bei Philadelphia. -- Ankunft in dieser Stadt. - -- Gebäude, Wasserwerk etc. -- Reise nach New-York. -- Rückblick - auf die Neger. - - - Vierte Abtheilung. - - Ueber das Treiben im englischen und amerikanischen Handel. S. 174 - - Fest der Gründung der Unabhängigkeit. -- Parade und Festzug. -- - Amerikanische Bankgebäude. -- Englands Lage in der merkantilischen - Welt. -- Ursachen, warum England für reich gehalten wird. -- - Entstehung der Banken in England. -- Englands Welthandel. -- Ein - Tagelöhner als Theilnehmer am Welthandel durch Hülfe der Banken. - -- Zustand des Waarengeschäfts in New-York. -- Ueber Amerika’s - Handelsbilanz. -- Tabelle über Ein- und Ausfuhr und Revenuen. - -- Wozu werden diese verwendet? -- Arbeit des Congresses in - dieser Hinsicht. -- Rußland und Preußens Verfahren als Vergleiche - hierbei. -- Rußlands Fabriken. -- Der Zollverband, und Preußens - Cassen-Anweisungen. -- Czar Wassilrewitsch, Peter der Große, und - der Kaiserin Catharine Verfahren beim Bankwesen. -- Was sind - amerikanische Banken? - - Oertlichkeiten von New-York, Volkscharakter, Abreise und Ankunft in - Hamburg. S. 203 - - Besuch des Criminal-Gerichtshofs. -- Der Uhrenhändler. -- Die - Lage der deutschen Auswanderer -- deren Commissionair Wolff. -- - Nothwendigkeit des Praktischen in Amerika. -- Das Praktische im - Müßiggange. -- Spazierfahrt nach Staten-Island. -- Der sanfte - Polizeibeamte. -- Die Loafer. -- Der Prediger Försch. -- Die - Bierkneipe Shadow. -- Der Castle-Garden. -- Die Badeanstalt. -- - Theaterbesuch. -- Ueber die Fortschritte der Seiltänzerkunst. - -- Vergnügen in New-York. -- Anzahl und Macht der Journale. -- - Charakter der Amerikaner. -- Ueber die Geldbegierde derselben. -- - Nothwendigkeit einer Unterscheidung der verschiedenen Nationen. - -- Licht und Schatten des Reisens in Amerika. -- Besuch des - Redakteurs. -- The Morning Herald. -- Sonderbarer Irrthum in Bezug - auf des Verfassers Person. -- Festliche Abreise auf der Brittish - Queen. -- Herrliche Einrichtung und Bewirthung. -- Beschwerlichkeit - der Zoll-Revision in London. -- Reise nach Hamburg auf der - Caledonia. -- Ankunft daselbst. -- Ueber die Dampfschifffahrt - zwischen London und Hamburg. -- Hannover zum Zollverbande. - - - - -Einleitung. - - -Reisen ist, wie Viele sagen, eine angenehme Sache, weshalb sehr Viele -darnach streben. Was man gern thut, dazu findet man denn auch bald -Gründe. Demnach wird sich der Leser auch nicht wundern, wenn der -Entschluß, eine Reise nach den Vereinigten Staaten und West-Indien -zu unternehmen, mir eben keine große Mühe kostete. Ich hatte zwar -keinen Spleen zu vertreiben, wie die Engländer, wenn sie auf Reisen -gehen; auch waren es gerade nicht Geschäfts-Angelegenheiten, die meine -Anwesenheit dort nothwendig machten; und noch weniger verdiene ich -es, zu den unruhigen Köpfen gezählt zu werden, denen überall die Welt -zu enge ist. Indeß das kaufmännische Geschäftsleben hat ohne Ausnahme -etwas Einförmiges, und langweilet am Ende. Waarenhändler (wozu ich -nun leider bestimmt war) entdecken jene Mängel weit geschwinder, als -Banquiers, Fabrikanten etc. etc. Wie! dachte ich eines Abends, als ich -mich in meiner wohleingerichteten Wohnung in mein sehr comfortables -Bett niederlegte, sollst du hier sauer werden? Kannst du nicht auf -Reisen das Leben besser genießen? Nicht auch dich besser belehren, -und Andern nützlicher seyn, als wenn du hier den alten Schlendrian -immer von Neuem durcharbeitest? Mußt du denn stehen bleiben auf der -Stelle, wohin der Zufall dich geworfen hat? -- -- Diese und andere -Gedanken, die mich oft aufgeregt hatten, gingen mir jetzt so sehr im -Kopfe herum, daß ich noch vor dem Einschlafen den Entschluß faßte, -baldmöglichst nach dem neuen Welttheil abzureisen. - -Mit demselben Gedanken erwachte ich den andern Morgen, und sogleich -hätte ich in den Wagen springen mögen. Ich gratulirte mir selbst zu -meinem glücklichen Entschluß, und um mir alle Bedenklichkeiten und -Rückwege abzuschneiden, theilte ich sofort mehreren Bekannten meinen -Entschluß als unumstößlich mit. Nachdem ich mich auf diese Weise selbst -gebunden hatte, fühlte ich mich leichter, und heiterer, und eilte -jetzt mit raschen Schritten zur Beendigung meiner Angelegenheiten in -Berlin. Es währte gar nicht lange und ich saß in der Schnellpost, bot -der Königsstraße, der Schloßfreiheit, Berlin und Charlottenburg ein -fröhliches Lebewohl, und näherte mich meinem guten altbefreundeten -Hamburg. Meine zahlreichen Freunde daselbst wunderten sich nicht wenig, -als sie meinen festen Entschluß vernahmen, und meinten, sie würden mich -wohl in einigen Monaten von London zurückkommen sehen. Ungefähr acht -Tage blieb ich bei denselben, und fand die alten bekannten Müßiggänger -(deren Anzahl hier nicht geringer als in Berlin ist) noch in ihrer -alten Arbeit (die Zeit todtschlagen) begriffen, d. h. in Hamburg vom -Frühstück bis zum Mittagsessen in den Pavillons, vom Mittagsessen bis -zum Theater in den Pavillons, und nach dem Theater bis um Mitternacht -in den Pavillons zubringen. Nachdem ich sie hinlänglich angestaunt, und -mich über ihre Virtuosität im Müßiggang mehr als jemals zuvor gewundert -hatte, befiel mich dennoch die Furcht, davon angesteckt zu werden, und -beschloß daher, zur Vermeidung dieser Krankheit, mich dem ersten besten -Dampfschiff zur Ueberfahrt nach England zu übergeben. - -Durch Güte der hamburger Bootsknechte, und unter Mitwirkung einer -hinreichenden Anzahl holsteinischer Zweidrittelstücke (Gulden) befand -ich mich bald in der Cajüte des Huller-Dampfschiffs +Rob-Roy+, ein -„höchst bequemes, elegantes, auch überaus rasches Schiff,“ wie die -Huller Times meint. Allein mir kommt es so vor, als sei der Redacteur -dieses Blattes sehr oft verhältnißmäßig rascher in seinen Urtheilen, -wie jenes Dampfschiff auf seinen Fahrten, denn es bewegte sich so -langsam fort, daß ich über alle Erwartung spät, und in England viel -zu spät ankam, um meine Reise, wie ich berechnet hatte, in der Great -Western nach New-York fortsetzen zu können. Sollten die Maschinen -vielleicht irrthümlicher Weise den Herrn Redacteur der Times im Schiff -vermuthet haben, und, um demselben Zeit zum Nachdenken zu geben, in -mäßiger Bewegung geblieben sein? In diesem Falle wäre es für die -Passagiere höchst wünschenswerth, daß der Herr Redacteur die Maschinen -jenes Schiffs kaufen und sie in seinem Arbeitszimmer aufstellen möchte. --- Mir blieb jetzt nichts Anderes übrig, als mit einem noch weit -langsameren Dampfschiff von Hull nach London zu reisen, um von dort -meine Reise in einem Paquetboot fortzusetzen. - -Die Reise nach London bot wenig Bemerkenswerthes dar, die Gesellschaft --- inclusive der vielen Schafe die von Hull nach London zur -Schlachtbank geführt wurden, -- bot auch keinen Stoff zur Unterhaltung -dar, und ich behielt Zeit, über die Ausführung meines Reisezweckes -nachzudenken, welcher hauptsächlich darauf hinausging, mich der -europäischen merkantilischen Welt durch mein Wirken in der neuen Welt -eben so nützlich zu machen, als ich, meinen geringen Kräften nach, -durch Anordnung beim Expediren ausländischer Waaren an ausländische -Kaufleute auf den Meßplätzen für die deutschen Zollverband-Staaten -geworden war. Die Zeit verstrich rasch; bald sah ich Londons Zollhaus -vor mir, und bald darauf fand ich mich in London wegen der Fortsetzung -meiner Reise beschäftigt. - -„Für 43 L. Sterl.“ sagte Jemand, „können Sie auf dem Königlichen -Post-Paquet die Ueberfahrt nach Havanna mitmachen, wobei Sie jedoch -für Bett und Proviant selbst sorgen müssen.“ Für die Planke erschien -mir der Preis zu hoch; ich ging deshalb nach den West-Indischen -Docks, woselbst ich das Paquetschiff +Quebeck+ segelfertig antraf. -Der dienstfertige Capitain forderte 36 L. 15 Sh. inclusive der -Lebensmittel, und gab mir nur eine Stunde Bedenkzeit, wenn ich das -letzte vorräthige Bett haben wollte. Sofort schloß ich den Handel, -und zahlte 16 L. Sterl. à Conto. Die Abreise erfolgte zur bestimmten -Stunde, und ein Dampfschiff stand bereit, unser Schiff in’s Schlepptau -zu nehmen und es nach Gravesand hinüber zu bringen. Das Wetter war -ausgezeichnet schön, was nicht wenig dazu beitrug, mich zu erheitern, -denn meine Gemüthsstimmung war durch Verhältnisse, die ich bald an -einem andern Ort zu erzählen Gelegenheit haben werde, fürchterlich, -jedoch, wie schon bemerkt, keineswegs durch den Spleen. Außer der -Cajüten-Gesellschaft waren noch etwa 130 bis 150 Auswanderer meine -Reisegefährten. Um den vom Capitain mir zugetheilten Schlaf-Cameraden -kennen zu lernen, ging ich jetzt die steile Cajüten-Treppe hinunter. -Wie erstaunte ich, als ich das bedungene Bett anderweitig vermiethet, -und mich in ein weit kleineres Gemach, nahe der Treppe, verwiesen fand. -Der mir zugetheilte Schlaf-Camerad war ein schmutziger Schottländer, -der auf eine nicht sehr ergötzliche Weise ein Falset und durch die Nase -sprach; er hatte schon acht Tage vor der Abreise am Bord logirt, und -das bessere Bett eingenommen. Ich wollte mich beim Capitain beschweren, -allein -- er war in London, und mir blieb daher nichts übrig, als den -Schottländer im Diskant als meinen Schlaf-Cameraden aufzunehmen. Er war -in jeder Hinsicht schmutzig, ja der schmutzigste aller Schmutzigen, -welche ich auf meinen vielen Reisen kennen gelernt habe. - -Bis nach Gravesand begleiteten uns viele Spekulanten mit Proviant -allerlei Art; sie fanden, wie es mir schien, ihre Rechnung, indem sie -Vieles an die Auswanderer absetzten. Von Gravesand kamen wir nach -einer Fahrt von drei Tagen vor Portsmouth an. Der Capitain, der sich -einfand, lud sämmtliche Passagiere ein, mit ihm Portsmouth zu besuchen, -da wir vor unserer Abfahrt erst bessern Wind abwarten müßten. Nur eine -Dame verließ das Schiff, eine Dame, die aus keinem andern Grunde nach -Portsmouth mitgereist war, als um durch eine Seekrankheit -- der Leser -rathe -- ihre Schönheit zu restauriren. O Schönheit! Welche Macht übt -nur der Gedanke an dich über das schöne Geschlecht aus! Wenn dieses -seltsame Schönheitsmittel die erwartete Wirkung nicht verfehlt, so kann -die Dame Londons Venus geworden sein, und es dürfte in Folge dessen -vielleicht sehr bald an Schiffen für Geschäftsreisende fehlen, denn sie -bekam in der That von der Seekrankheit eine gute Dosis, und befand sich -während der ganzen Reise in einem beklagenswerthen Zustande. - -Schon warten wir bereits vier Tage auf bessern Wind; der Capitain -versorgt sein Schiff mit Proviant jeder Art. Unter und mit den -vielen Schafen, die derselbe an Bord schickte, erschien auch ein -- -Constabler, mit dem Auftrage, eine aus London entflohene Ehegattin, -welche aus des Gemahls Geldkiste 40 L. Sterl. mitgenommen hatte, in -dessen Arme zurückzuführen. Der Capitain stellte es dem Polizeidiener -frei, jeden der Passagiere nach Belieben zu arretiren. Eine herrliche -Finanz-Operation für den Paquetboots-Verein, indem die Passagiere sammt -und sonders ihre Passage bezahlt hatten. Der Beamte kann die gesuchte -Person, ungeachtet er von derselben bis zum Kutter begleitet wird, -nicht vorfinden; sie sagt ihm ein herzliches Lebewohl und vielleicht -noch im Stillen mit Don Juan: „Sagen Sie Ihrer Behörde, daß sie in -Zukunft nicht solchen Esel schicke.“ - -Noch ein kleines Abenteuer will ich erzählen, um den Lesern, die in -einen ähnlichen Fall kommen, Vorsicht zu empfehlen. Es war bereits der -zehnte Tag, daß wir London verlassen hatten; meine Geduld war bald -erschöpft, ich nahm daher jetzt die Einladung des Capitains an, mit ihm -und noch einigen anderen Passagieren nach Portsmouth zu fahren. Ich -kaufte daselbst mehreres ein, da ich aber Portsmouth langweilig finde, -und in keinem von allen Wirthshäusern ein Bett für mich finden kann, so -beschließe ich, auf das Schiff, welches etwa vier Seemeilen entfernt -lag, zurückzukehren. Es ist sehr finster, das Meer tobt, und bald bin -ich von den Wellen durchnäßt. - -Wir fahren in der Dunkelheit immer fort, können jedoch das Schiff -nicht finden; über eine Stunde müssen die braven Bootsleute suchen, -ehe wir es finden. Und nun wieder eine neue Verlegenheit! Das kleine -Boot wird dermaßen von den Wellen geworfen, daß mir das Erklimmen der -Strickleiter unmöglich wird. Wir rufen, wir schreien um Beistand, -Niemand hört uns. Erst nach einer großen gemeinschaftlichen Anstrengung -gelang es mir, hinauf zu kommen. Die Passagiere waren nicht wenig -überrascht, als sie mich in dieser Dunkelheit ankommen sahen. Der -mitreisende Dr. +Morgan+ besonders machte mich auf die bei dieser Fahrt -stattgefundene dreifache Gefahr aufmerksam, der ich mich ausgesetzt -hatte: 1. Bei diesen tobenden Wellen in einem kleinen Boot zu fahren; -2. hinsichtlich der Mordlust von Seiten der Bootsknechte, welche -schon, um zehn Schilling Sterling zu erbeuten, Reisende ins Meer -gestürzt haben; 3. die Gefahr beim Ersteigen des Schiffs. Ich dankte -nach dieser Auseinandersetzung meinem Schöpfer im Stillen, der Gefahr -entwischt zu sein, kleidete mich um, und ließ mir vom Steward ein Glas -heißen Punsch zubereiten, ein bei solchen Gelegenheiten willkommener -nützlicher Freund. - -Am folgenden Morgen, nachdem wir noch mehreres frisches Wasser -eingenommen hatten, gingen wir unter Segel. Jetzt nun, da wir -endlich mit günstigem Winde auf dem Meere sind, wird es Zeit sein, -die Reisegesellschaft etwas näher zu betrachten. Wenn ich sage, daß -sämmtliche Mitreisende, mit Ausnahme eines Italieners, Engländer waren, -so werden die geehrten Leser schon den Mangel an Unterhaltungs-Stoff -begreiflich finden. - -Die Krone der Gesellschaft war der Director des National-Theaters in -New-York, der eben mit neuangeworbenen Subjekten (zu welchen auch -der Italiener gehörte) zurückkehrte. Es war ein sehr unterrichteter -Mann und höchst angenehmer Gesellschafter -- jedoch nur dann, wenn er -nicht an sein Unternehmen dachte. Er klagte sehr häufig über unruhige -Nächte, und zeigte mir sogar eines Morgens eine Masse von Contracten, -die er mit den engagirten Mitgliedern abgeschlossen hatte, mit den -Worten: „solcher Packen kann wohl zu unruhigen Nächten beitragen.“ -Seine beiden Söhne (die er bei sich hatte) waren so eben aus der -Schule entlassen worden; der älteste, obgleich ohne Stimme, zeigte -viel Neigung für Gesang, und suchte mit einem verstimmten Instrumente -die Mängel seiner eigenen Stimme zu bemänteln; er gefiel daher sich -selbst weit mehr, wie den mitreisenden Frauen. Beide, der ältere und -der jüngere Sohn, waren Günstlinge eines jungen Mädchens, der Tochter -eines Malers. In pecuniärer Beziehung wurde von den Schauspielern -und den übrigen ein Zucker-Fabrikant verehrt, der früher in Amerika -gewohnt hatte, jenes Land aber vor etwa 30 Jahren, um der Strafe -wegen einer begangenen Schmuggelei zu entgehen, bei Nacht und Nebel -verlassen mußte. Sein in Amerika wohnender Sohn hatte Gnade für ihn -ausgewirkt, und er kehrte jetzt mit seinem Hab und Gut zurück; auch -hatte er mehrere deutsche Arbeiter, denen er in der Fabrik Arbeit zu -geben versprach, auf ihre eigenen Kosten zum Mitreisen bewogen. Dieser -Mann dünkte sich ein Krösus zu sein, wofür ich ihn jedoch, auch in -Hinsicht seines Verstandes, nicht passiren lassen konnte. Um sich bei -der Gesellschaft in Respect zu setzen, mußte der Thee oder Caffee in -aller Frühe für ihn in seinem silbernen Geräthe aufgetragen werden, -und er lud auch wohl den einen oder andern aus der Gesellschaft zum -Frühstück ein, welches die großen Kosten für ihn verursachte, daß die -Getränke aus +seinen+ silbernen Geschirren, jedoch in die dem Schiff -Quebeck zugehörigen Tassen, auf Unkosten des Capitains -- flossen. Er -war angewiesen, seinen eigenen Wein zu trinken und hatte eine Sorte -Teneriffa-Wein, dem Grüneberger an Säure gleich. Unter dem Namen -weißer Madeira offerirte er hin und wieder ein Glas einem aus der -Gesellschaft. Auch mir wurde diese Ehre zu Theil, und als er mein -Urtheil über die Qualität forderte, worauf ich freimüthig erwiederte, -daß ich diesen nicht für die beste Sorte von Teneriffa-Weinen halte, -so soll er, wie der Director mir erzählte, mich für wahnsinnig erklärt -haben. Einer von seinen Arbeitern mußte als Aufwärter für die besten -Bissen aus den Schüsseln sorgen. Fiel diese Auswahl nicht aus, wie -der Herr Zucker-Fabrikant es erwartet hatte, so war der Aufwärter -angewiesen, die Schüssel dem Vorschneider wegzunehmen, und sie seinem -Herrn vorzusetzen. - -Der bereits erwähnte Maler war zu der Zeit der Krönung der Königin -nach London gereist, um ein treffendes Bild derselben für Amerika zu -gewinnen, und hatte, wie er behauptete, seinen Zweck über Erwarten -erreicht. Die Königin, versicherte er, habe die Gnade gehabt, seiner -Tochter den Purpur zum Anlegen herzugeben. Die Königin sei stets -zugegen gewesen, um die sitzende Tochter auf ihre (der Königin) -eigenthümlichen Attitüden aufmerksam zu machen -- wodurch er denn -das korrekteste Bild zu erzeugen im Stande war. Der Herr Maler leerte -übrigens, wie alle Genies und Künstler, sein Gläschen, so oft er es -gefüllt vor sich stehen sah; daß es unter diesen Umständen wenig volle -Flaschen gab, ist leicht zu ermessen. - -Der Italiener B... war seit dem Jahre 1811 erster Buffo bei der -italienischen Oper in London gewesen, er verläßt die alte Welt aus -Verzweiflung, weil sein Talent durch +Lablache+ in Schatten gestellt -war. „Meine Superiorität“ sprach er „ist anerkannt; durch Madame -+Catalani+ anerkannt; sagte doch die große Sängerin im Jahre 1816 -zu mir: Herr B... Sie sind der erste Figaro, und werden es stets -sein!“ Seiner Ungestalt ungeachtet, (denn seine Figur war die eines -Schlächters, oder Brauerknechts) wollte er, dem Ausspruch jener -gefeierten Künstlerin zufolge, ein niedlicher Figaro sein. In allem -dünkte er sich vollkommen: wenn er Whist spielte und, seines schlechten -Spiels wegen, verlor, so offerirte er seinen Gegnern eine Parthie -um eine sehr hohe Summe, und triumphirte, wenn es nicht acceptirt -wurde, mit den Worten: „Sie fürchten mich, weil sie meine Superiorität -kennen.“ Standen mehrere des Abends in Mäntel gehüllt auf dem Verdeck, -so warf er auch rasch den seinigen über, stellte sich jenen gegenüber, -und sagte leise zu mir: „Nun sehen Sie meine Stellung im Mantel, im -Vergleich zu den gegenüberstehenden Philistern!“ Die See fürchtete -er dermaßen, daß er jede Nacht auf dem Verdeck zubrachte, um bei -entstehender Gefahr der Erste im Rettungsboot sein zu können. Sehr -spaßhaft war er in den Morgenstunden gekleidet. Man denke sich eine -ungeheure Figur in einem sehr langen und weiten, vielfarbig-türkischen -Schlafrock, durch einen sehr breiten Gürtel am Unterleibe befestiget; -ferner drei von den grellfarbigsten seidenen Tüchern, nachlässig als -Halsbinden mit den langen Zipfeln auf der Brust hängend, den Kopf -mit einem schwarz-seidenen Baret bedeckt; ferner an jedem seiner -dicken Finger zwei oder drei Ringe von Edelstein, Granaten etc., -deren Glanz jedoch durch den Glanz des Fetts, welches gewöhnlich an -seinen Fingern klebte, sehr verdunkelt wurde. Er bediente sich nie des -Messers und der Gabel, und da es keine Servietten gab, so folgte er dem -Beispiel der Bären und säuberte seine Finger im Munde. Es war nichts -Seltenes, daß er sich eine ovale Schüssel mit 8 bis 10 Cotelettes -vorsetzen ließ, und zum Frühstück allein verzehrte. Nach beendigtem -Frühstück ging er sogleich zu Bett. Im Trinken dagegen suchte mein -Schlaf-Camerad, der schmutzige Schottländer, alles Mögliche zu leisten, -wahrscheinlich, weil er früher in den Vereinigten Staaten, woselbst er -ein Detail-Geschäft führte, hierin nicht viel gethan haben mochte. Da -der Wein im Passagiergelde mit einbegriffen ist, so war er zu jeder -Tageszeit zum Trinken bereit, und schien, wo möglich, für einige Jahre -voraus trinken zu wollen. - -Ein ähnliches Subjekt, wie jener Schottländer, war ein Mützenhändler, -der mit einem Lager seiner Waaren nach Canada eilte; weil die Bewohner -jener Kolonie sich auf die Köpfe stellten, glaubte er, ein bedeutendes -Geschäft dort machen zu können; wenn er indeß im Handel eben so dumm -war, als in der Conversation, so dürfte er wohl ohne Mützen, aber auch -ohne Schuhe nach Europa zurückkehren. - -Ein junger Amerikaner, Sohn eines Gutsbesitzers, kehrte von seinen -Reisen in Europa zurück. Er hatte, wie er versicherte, in Zeit von -drei Monaten einen großen Theil Frankreichs, die Niederlande und den -Rhein bereist; er brachte als Documente dafür Französische Handschuhe, -Brüsseler Kanten und ein Faß Laubenheimer mit, und schlief fast den -ganzen Tag auf seinen Lorbeeren. - -Ein für das National-Theater engagirter Violinspieler reiste mit -seiner unpäßlichen, starken brannt- und portweinsüchtigen Frau und -einem allerliebsten muntern Knaben, der sich so an mich attachirt -hatte, daß er fast nicht von meiner Seite kam. -- Ein Staatsbeamter -aus Canada kehrte mit Depeschen für +Lord Durham+ zurück. Mit Ausnahme -der recht liebenswürdigen Tochter des Malers, bestand das weibliche -Personal aus Frauen von Schiffs-Capitainen, die, in jüngern Jahren von -England entführt, jetzt nach 20 Jahren einmal ihre Verwandten besucht -hatten; der Zahn der Zeit, welcher Alles erreicht, hatte auch an ihnen -bedeutend genagt. - -Von dem Dr. und dessen Bruder, einem Schiffs-Capitain, ist nicht -viel zu sagen, als daß der Letztere von seinem heftigen Wein- und -Branntwein-Durst nur dadurch geheilt werden konnte, daß unser -Schiffs-Capitain Geld dafür forderte. Dieser selbst war ein nicht sehr -gebildeter, aber erträglicher Mensch, äußerst lustig, so daß es oft -Scenen gab, und so lachlustig, daß er wohl dreißigmal lachte, ehe er -+einmal+ sprach. - -Dieses waren die Häupter und Matadore unserer Gesellschaft, die ich dem -geneigten, nicht auf der See gereisten Leser nur darum so ausführlich -beschrieben habe, damit er wisse, was er auf einem Schiffe zu erwarten -habe. Wer gern a son aise, und comfortable lebt, muß an keine Seereise -denken. Hiervon sind freilich die Dampfschiffe Brittish Queen und -Great Western ausgenommen, allein hier ist die Feuersgefahr, welche -durch das beständige Heizen, und die dadurch verursachte Gluth in -den Schornsteinen entstehet, für jeden Beobachter abschreckend, und -realisirt sich weit häufiger, als das Zerspringen des Kessels oder -andere Unglücksfälle auf der See. - -Die Unterhaltung war, wie man sich leicht denken kann, sehr -mittelmäßig. Das Haupt-Thema der Unterhaltung war, wie immer, -die Vorzüge, der Reichthum, das Vielwissen der Engländer. Nur der -Schauspiel-Director und ich banden wohl miteinander an, und da setzte -es von beiden Seiten Hiebe; ohne ihn und den Staatsbeamten aus Canada -wäre mir die Reise noch viel langweiliger gewesen. Der Wind war uns -ganz entgegen, so daß wir mehrere hundert Meilen außer den Cours -geriethen, und näher bei New-Foundland ankamen, als bei New-York. Wir -erreichten jetzt die Bank, etwa 1100 Seemeilen von New-York. - -Da die Vorräthe unsres Proviants sich ihrem Ende näherten, und die -Portionen kleiner wurden, so war es uns sehr erwünscht, daß wir -auf eine von den vielen hier stationirten Fischer-Briggs trafen, -von welcher unser Capitain sechzig sehr große Fische für 2½ Dollar -erhandelte. Nach der Erzählung der Schiffer, die sie abholten, -hatte jene Brigg in einer Zeit von 6 Wochen, von New-York hierher -segelnd, gegen 10,000 von den großen Fischen gefangen. Uebrigens -hatte ich wenig Genuß von diesem Einkauf, da ich durch folgendes -unglückliche Ereigniß auf das Krankenlager geworfen wurde. Der kleine, -liebe Knabe des Musikers, den ich auf seinen dringenden Wunsch auf -das Bett im Rauchzimmer gebracht hatte, war dort eingeschlafen; -denn die portweinkranke Mutter desselben bat mich, ihr Söhnchen -herabzutragen, da sie selbst nicht dazu im Stande sei. Nun sind -aber diese Cajüten-Treppen äußerst steil, und schon im trockenen -Zustande zum Herabsteigen gefährlich; jetzt war sie durch den Nebel -noch schlüpfriger geworden; mit Einem Worte, ich stürzte trotz aller -Vorsicht die Treppe hinunter, wendete mich aber im Fallen so, daß der -Knabe keinen Schaden litt, ich selbst hatte eine Rippe gebrochen. -- - -Der Dr. +Morgan+ wollte mich mit einem Glas heißen Brandy und Water -kuriren, welches ich nicht annahm; ich ersuchte ihn öfters und -dringend, mir zur Ader zu lassen, welches er seinerseits abschlug. Man -denke sich meinen Zustand! Der Steward hatte, um einem Anderen gefällig -zu sein, mein Kopfkissen, und eine meiner Matratzen jenem überliefert -und ich mußte nun, einem Sträfling gleich, auf Latten liegen, was der -gebrochenen Rippe nicht besonders behagte. Die Schmerzen wurden immer -heftiger; -- der schmutzige Schottländer schlief ruhig unter mir auf -seinem guten Bette. Erst beim Frühstück kam meine Lage zur Sprache; -der Arzt überzeugte sich jetzt von meinem bedenklichen Zustande, er -berathschlagte mit den Andern, und es wurde beschlossen, daß der Diener -des Zucker-Fabrikanten sein Zimmer, das er für sich allein hatte, für -mich räumen, und dafür mein Bett nehmen sollte -- welcher Beschluß dann -am Abend endlich durchgesetzt wurde. - -Liegen konnte und durfte ich nicht, es wurden daher alle Reisebeutel -zu einer -- freilich harten -- Rückenlehne angewendet, an welche ich, -da das Schiff auf längere Zeit auf eine ungestüme Weise von den Wellen -geworfen wurde, fortdauernd sehr aufrecht anstieß. Mein Zustand wurde -immer schlimmer; Fieber, Kopfweh, und Husten, mit dem stärksten Auswurf -begleitet, nahmen stündlich zu. Die sonderbarste Theilnahme hierbei -zeigte der Mützenhändler, um Abbitte zu thun, wegen einer ungerechten -Behauptung, er wolle das Wissen und Vermögen aller Deutschen in den -zwei Taschen seiner Pantalons forttragen; er verlangte, daß ich ihm -die Hand reiche und zugleich verspreche, ich wolle keinen Haß gegen -ihn mit ins Grab nehmen -- was ich denn auch that und ihn beruhigte. --- Der kleine Knabe saß fast immer bei mir, und erkundigte sich stets -nach meinem Befinden. -- Das Krankenlager ist freilich unter allen -Umständen eine -- unangenehme Gegend, wie der Berliner Trinkkünstler, -Herr +Drucker+, sagt; doppelt und zehnfach wird es dies, wenn der -Schlaf, der doch sonst von Zeit zu Zeit die Schmerzen etwas weniger -fühlbar macht, durch Sing- und Musik-Proben ganz verscheucht wird, wie -es hier der Fall war, so daß ich mich keine Viertelstunde der Ruhe -erfreuen durfte. - -Am neunten Tage trat für meine Krankheit eine glückliche Krisis durch -einen heftigen Schweiß ein. Am folgenden Tage kamen wir bei New-York -an; ein Dampfschiff hörte ich, soll von der Stadt kommen, um die -Passagiere abzuholen. Welch einen erfreulichen Eindruck dies auf mich -machte, vermag ich nicht zu beschreiben. Ich hörte das Hinauf- und auch -Hinabsteigen der Passagiere (indem die Treppe über meinem Lager sich -befand) sehr deutlich, und jetzt auf einmal einen Fall und allgemeines -Wehklagen. Mit großer Mühe erhob ich mich von meinem Lager, und siehe -da! der jüngste Sohn des Schauspiel-Directors war es, dem ein ähnliches -Schicksal, wie mich, getroffen zu haben schien. Der Vater raufte sich -die Haare, die Frauen wurden ohnmächtig; der Gefallene indessen trank -aufs zierlichste ein Glas Brandy mit Wasser aus. Unterdessen war das -Dampfschiff herangekommen und bald -- waren die Meisten fort. Der Knabe -befand sich noch an demselben Abend wieder gesund. - -Das Schiff Quebeck wurde nach der Abfahrt des Capitains wie gewöhnlich -von Lootsen geführt und zwar glücklicher Weise mit großer Vorsicht; -fast alle anderen Schiffe wurden in jener Nacht entmastet, und gegen -30 große Schiffe fanden wir am folgenden Morgen auf den Strand -getrieben. Der Capitain, der um Mittag mit einem Steuer-Beamten zur -Revision unserer Effecten auf einem Dampfschiffe ankam, erzählte, daß -er die letzte Nacht in den größten Sorgen, fast schlaflos zugebracht -habe. Ehe wir nach New-York abfahren, muß ich noch die Revision durch -den Quarantaine-Arzt erwähnen, die auf folgende Weise geschieht. -Sämmtliche Personen auf einem Haufen versammelt, werden mit einer -Barriere von Tauen umgeben; einzeln werden sie jetzt von dem Doctor und -seinem Gehülfen aus dem Haufen gelassen, der Arzt sieht jeden genau an, -und im Fall, daß Jemand den Kopf hängen läßt, wird kommandirt: Kopf -in die Höhe! Und eben so muß Jeder die Stirn beim Gehülfen passiren. -Die Quarantaine-Anstalt ist in den V. S. ganz vortrefflich, aber -freilich für das Land von großer Bedeutung. Der Steuerbeamte revidirte -alle Gegenstände mit großer Loyalität und fand nichts Verdächtiges, -als einige blecherne Kochgeschirre bei dem schmutzigen Schottländer, -worüber man sich jedoch verständigte. - - -New-York. - -Das Wetter war herrlich, so schön, wie es in Deutschland nur im Monat -Juni sein mag. Nach Verlauf von etwa einer Stunde langten wir in -New-York an. Hier findet man nicht wie in England, oder Hamburg am -Ufer eine Menge dienstbarer Geister zum Fortschaffen der Sachen. Zwar -standen mehrere einspännige Karren am Ufer des Stroms, aber Niemand -meldete sich; keiner von diesen freien Menschen will sich gern zum -Diener hergeben, sie wollen besonders aufgefordert sein zu einer -Dienstleistung. - -Auf Anrathen einer der Frauen der Schiffs-Capitaine kehrte ich in -Beverley-House (broadway) ein; ein Zimmer konnte mir vorläufig nicht -angewiesen werden, weil alle besetzt waren. Das Erste, was mir -auffiel, war das Signal zum Mittagsessen, welches auf einer rauhen -Metall-Platte mit einem solchen Getöse gegeben wurde, daß alle meine -Nerven erzitterten. Bald war auch denn auf dem Hausflur ein Publicum -versammelt, welches man für eine Börsenversammlung hätte ansehen -können. Die Speise-Charte war brillant, obgleich nicht für mich, denn -etwas Suppe war Alles, was ich genießen konnte, wofür jedoch der -Wirth 1½ Piaster einstrich. (Ein Piaster beträgt in unserm Gelde 43 -Silbergroschen.) Sogleich nach Tische suchte ich meinen Correspondenten -Herrn P... auf, der bereits ein Zimmer für mich gemiethet hatte, und -der auch so gefällig war, mir bald einen Arzt zuzuschicken. Dieser -Arzt, ein Deutscher, ein theilnehmender junger Mann, fand mich, was ich -freilich selbst am besten fühlte, ernsthaft krank. Ein Aderlaß gleich -nach dem Fall, behauptete er, würde von den meisten Leiden mich befreit -haben. Jetzt aber nahm Husten und Auswurf mit jedem Tage zu, so daß ich -die Gestalt einer Mumie bekam, und mit jedem Tage meinem Grabe näher -zu rücken schien. Ich gebrauchte Medicamente auf Medicamente, ohne -sonderliche Besserung. Ein sehr warmes Bad, welches ich eines Tages auf -mein eigenes Risico nahm, that mir wesentliche Dienste, ich wurde durch -fortgesetztes Baden mit jedem Tage besser, konnte jedoch den Husten -nicht los werden. „Sie müssen das Klima verändern“ sagte zuletzt der -Arzt zu mir, „sonst fürchte ich das Schlimmste für Sie; in Havana, das -glauben Sie mir, werden Sie bald von Ihrem Uebel befreit sein.“ Gern -hätte ich seinen Rath sogleich befolgt, allein das Wetter und andere -zufällige Umstände verzögerten die Abreise. Mit regem Geist sah ich -meine gewohnte Thätigkeit gefesselt, indessen war mir mein einsames -Zimmer doch tausend Mal lieber, als die Schiffs-Cajüte auf dem Quebeck, -wo ich zudem beständig die Lobpreisungen der Engländer von Engländern -anhören mußte. Ich hatte jetzt Zeit, meine Betrachtungen über diesen -Gegenstand zusammenzufassen, und das Resultat war folgendes: - -Die Engländer sind das reichste Volk -- an Eigendünkel sowohl, wie an -Geld; sie halten sich wegen des letztern für das klügste, vornehmste, -erste Volk auf dem Erdball. Es ist wahr, sie sind im Technischen am -weitesten, aber warum? weil Frankreich und Deutschland, mit andern -Dingen beschäftigt, sich wenig um die praktische Technik bekümmert -haben. Lasset diese, wie es jetzt geschieht, auch allmählig hieran -Theil nehmen, und wir wollen sehen, wie lange sie die ersten bleiben. -Die von Napoleon den Engländern beigebrachte Wunde ist nach meiner -Ueberzeugung unheilbar. Wie sehr sie auch prahlen, so büßen sie doch -jeden Tag mehr von ihrem Handel ein; ihr Gewicht in der politischen, -so wie in der Fabrikwelt, wird immer geringer, und wird, wenn wir -30 - 40 Jahre Frieden behalten, immer mehr sinken, indem Preußen, -vermöge Dinte, Feder und Papier zerstörender für das englische Volk -gewirkt hat, als Napoleon mit allem Geschütz zu wirken vermochte. -Großbrittanien, und alle englischen Colonieen zusammengenommen erfreuen -sich einer nicht viel geringern Bevölkerung als die des großen -russischen Reichs; dieses bestehet aber durch sich selbst, in Hinsicht -auf Ackerbau, Fabrikation, und Handel; England aber will für sämmtliche -Bewohner der Welt (wovon dessen eigene Bevölkerung noch nicht den 1/50 -Theil ausmacht) fabriciren und Handel treiben, obgleich die andern -Völker dazu doch meistens eben so fähig sind, welches die Engländer -nicht begreifen können. Ist das nicht absurd? Wird das nicht immer mehr -aufhören? England kann eben so wohl wie Rußland durch Ackerbau und -Fabrikation für sich bestehen. Man versetze Leute von den Spinn- und -Webestühlen an den Pflug und die Egge, damit für die enorme Anzahl des -englischen Volkes das allernöthigste Product, Korn -- in hinreichender -Menge erzeugt wird; und die Wunde, welche (wie jetzt Handel und Gewerbe -sich gestellt haben) unheilbar scheint, weniger fühlbar werde für die -Armen und Hungrigen in den vereinigten drei Königreichen. So gut wie -die vielen Joint Stock-Banks, und Banking Compagnieen zur Ausdehnung -des Fabrikgeschäfts in England dienten, in demselben Grad müssen sie -jetzt den Untergang vieler Fabriken (nachdem in allen Ländern fabricirt -wird) herbeiführen, wenn die Bank von England fortfahren sollte, jeden -von jenen Banken gerirten Wechsel für 3½ Procent Zinsen zu discontiren. -Denn die Fabrikanten fertigen, ohne die Consumtion zu berechnen, -ungeheure Massen von Waaren an, und die Amerikanischen Waarenhändler -kaufen sie mit demselben Leichtsinn, ohne zuvor über die Möglichkeit -des Absatzes nachzudenken. Die Bank von England mußte daher unbedingt -zu denselben Maßregeln schreiten, welche der Präsident der V. S., um -das Land gegen eine Ueberschwemmung von englischen Manufactur-Waaren -zu schützen, adoptirte, d. h. den Credit für Fabrikanten einschränken. -Für welches von beiden Ländern diese Maßregeln schädlicher sich zeigen -werden, davon wird später die Rede sein, wenn wir mehrere Thatsachen -genau kennen gelernt haben. - -Von England nur will ich noch bemerken, daß seine Reßourcen, die -hauptsächlich in Fabriken und Maschinen liegen, immer mehr versiegen. -In den frühern Zeiten lieferte für England eine Tonne Kohlen, wenn sie -zur Fabrikation verbraucht wurde, einen Klumpen Goldes; es war daher -nicht fühlbar, wenn damals (wie jetzt) Bedürfnisse an Holz, Flachs, -Hanf, Wolle, Talg, Pottasche, Häute, Taback, Korn, Weine, Borsten, -Wachs, Oele, Lumpen etc. mit baarem Gelde bezahlt wurden, indem die -ausgegangenen Summen unbedingt wieder eingehen mußten. Allein jetzt, da -jedes Land mehr und mehr für seine Manufactur- und Fabrik-Bedürfnisse -selbst sorgt, England dagegen alle oben angeführten Artikel einführen -und baar bezahlen muß, jetzt muß wohl die Regierung, welche die ganze -Baarschaft der vereinigten Königreiche auf nicht mehr als höchstens -drei und zwanzig Millionen Pfund berechnen kann, dem Abfluß des baaren -Geldes aus dem Lande entgegenarbeiten, wenn die Nation nicht das -Schicksal aller früheren Handelsnationen -- d. h. baldigen Untergang -theilen soll. Daher ist die von der englischen Bank (Bank of England) -ergriffene Maßregel zu loben, der übermäßigen Fabrikation wird -hierdurch Einhalt gethan, und alle Fabrikanten in allen Ländern werden -sich bei dieser Maßregel besser befinden, weil der Waarenüberfluß -dadurch aufhören wird, und Verkäufe zu bessern Preisen gemacht werden -können. - -Diese und andere Bemerkungen schrieb ich während der kalten und -nassen Tage nieder, da ich das Zimmer hüten mußte. Meine Abreise nach -Westindien wurde verzögert, indem das Schiff +Norma+, womit ich fahren -wollte, noch nicht geladen hatte. Während dieser Zeit hatte ich eine -Angelegenheit mit Amerikanischen Advokaten, die der Leser bei dieser -Gelegenheit genau kennen lernen wird. Ich suchte auf Empfehlung meines -Freundes P... einen Advokaten, Herrn J...... auf, damit er mir in den -Besitz von 180 L. St. verhelfen möchte, welche mir ein New-Yorker -Handlungshaus M.... und H..... bei einer Abrechnung gekürzt hatte. -Der Advokat findet nach Durchsicht meiner Papiere meine Forderung -rechtmäßig, lehnt es jedoch ab, etwas gegen diese Leute, deren Anwalt -er sei, zu unternehmen, verspricht dagegen, die Zahlung in Güte für -mich auszuwirken, und mir binnen zwei Tagen darüber zu berichten. -Indessen der Bericht erfolgt nicht, und ich muß mich nach einem andern -Advokaten umsehen. In den Zeitungen finde ich, daß ein gewisser -L.... bei einer Prozeßsache gegen eine Versicherungs-Gesellschaft -sich tüchtig und trefflich gezeigt hat; ich begebe mich sogleich -zu ihm. Der Doctor, dessen Aeusseres einen gewandten und denkenden -Rechtsgelehrten verrieth, gab mir sogleich nach meiner Eröffnung die -Papiere zurück, da er der Anwalt meiner Opponenten sei. Nachdem ich -meine Verwunderung bezeigt hatte, daß mich das Schicksal treffe, nur zu -Anwalten meiner Gegner zu kommen, und ihm das Ergebniß der Conferenz -mit dem Advokaten J...... mitgetheilt hatte, fand er sich bereit, -sich meiner Sache anzunehmen, nur mußte ich zuvor die Correspondenz, -und alle Documente, welche in deutscher Sprache geschrieben waren, -ins Englische übersetzen. Da meine physischen Kräfte zu dieser Arbeit -nicht hinreichten, so ersuchte ich meinen Arzt, mir einen jungen -Menschen zu recommandiren. Dieser war denn auch so gütig, mir einen -solchen zuzuschicken, der die Arbeit in kurzer Zeit beendete. Bei -dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß man in New-York mit Regenschirmen -sehr vorsichtig sein müsse, denn der junge Mann, dem ich den meinigen -ganz neuen von 1 L. St. -- Werth geborgt hatte, brachte mir denselben -nicht wieder, und als ich hierüber dem Arzt mein Befremden äußerte, -entgegnete derselbe: „Regenschirme haben in diesem Lande keine -Eigenthümer, jeder hilft sich mit diesem Artikel so gut wie er kann, -aus der Verlegenheit, Sie werden ihn ohne Zweifel nie wieder bekommen.“ - -Die Deutschen stehen hier in keiner Achtung, und so weit meine -Erfahrung reicht, glaube ich auch nicht, daß der größere Theil dieselbe -besonders verdiene; ich wenigstens bin von dreien, mit denen ich in -Berührung kam, betrogen worden. -- - -Noch muß ich der Artigkeit des Theater-Directors erwähnen, der -mich zum Mittags-Essen einlud und mir einen bequemen Sitz in der -Directions-Loge, auch bei außerordentlichen Vorstellungen, anbot -- -was ich jedoch ablehnte. - -Meine Gesundheit stellt sich allmählig wieder ein, ich kann an der -Gesellschaft im Hause Theil nehmen, fand mich aber bewogen, aus meinem -bisherigen Logis auszuziehen, da ich für vieles Geld erbärmlich und -ohne Bequemlichkeit logirte. Bald finde ich auch eine weit wohlfeilere -und comfortable Wohnung bei der Frau eines französischen Buchhändlers. -Hier finde ich eine Gesellschaft von 15 Personen, bestehend aus -Deutschen, Franzosen und Schweizern. - -Beim Abziehen aus dem frühern Logis wurde ich noch recht tüchtig -geprellt, und konnte nicht einmal alle Stücke meiner Wäsche -zurückerhalten, diese Schuld war nur der Dienerschaft beizumessen, -welche in diesem Lande miserable ist. Die weiße Dienerschaft besteht -größtentheils aus Vagabonden die aus Europa herüber gekommen sind, -weshalb die meisten hier Ansässigen sich der schwarzen bedienen. Die -Deutschen der untern Stände, welche herüber kommen, werden entweder -Ackerbauer oder Lumpen- und Knochen-Einsammler; zum Dienen will sich -kein Einziger verstehen, weshalb sie verachtet sind und zur Ehre -Deutschlands nicht Deutsche, sondern Holländer genannt werden. - -So viele Gebrechen es in diesem Lande in Hinsicht der Dienerschaft -giebt, eben so groß sind die des Logirens. Die Miethen sind enorm -theuer, nach dem Zinsfuße reguliren sich natürlich dieselben. Es -ist gar nichts Seltenes, daß die Pfandleiher hier 12-15 Procent pro -Monat nehmen. In einem der hiesigen Blätter las ich eine Verhandlung -vor einem Gerichtshofe, die neulich hier statt gefunden hatte. Ein -Ausländer hatte einen Diamant-Ring und eine Uhr mit Perlen zu 15 -Procent monatlich versetzt und reklamirte solche, weil sie ein theures -Erbgut von einem Verwandten seien, von dem Pfandleiher, welcher -die Rückgabe verweigerte, weil der stipulirte Termin der Auslösung -verstrichen war. Der Kläger wurde abgewiesen. Nach unsern Gesetzen -würde ein solcher unerhörter Wucher bestraft, allein in diesem Lande -heißt es: Jeder kann den Werth seines Geldes selbst feststellen, und -wenn sich ein Narr findet, der für einen Solitair ein Stück Silber im -Werth eines Piasters kaufen will, so kann er es immerhin thun, die -Gesetze können nichts dagegen einwenden. - -Jeder Hauseigenthümer ist daher Wucherer, und schlägt nach dem -Maaßstabe des Zinsfußes die Miethe an; so bezahlt jeder enorme Miethen, -und aus diesem Grunde giebt es hier sehr wenige Haushaltungen. Die -meisten Familien leben in Boarding Houses (Pensions), die eigentlich -nichts mehr und nichts weniger sind als Gasthöfe; es giebt deren -ungemein viele. Die Deutschen nennen sie Kosthäuser, auch findet man -in den Straßen, an vielen Häusern Aushängeschilder mit der Aufschrift: -+deutsche Kosthäuser+; vorzüglich findet man diese in den Straßen, wo -sich die ärmere Klasse der Deutschen aufhält. Mit Ausnahme sehr weniger -Kaufleute und Banquiers ersten Ranges wohnt jeder Geschäftsmann hier -in einem solchen Boarding-Haus. Der Preis wird pro Woche bestimmt, -die Mahlzeiten sind folgende: ein Frühstück, bestehend aus Thee, -Caffee, Fisch-, Fleisch-, Eier- und Mehlspeisen; ein Mittags-Essen -nach englischer, französischer, oder deutscher Weise, am Abend kalte -Küche (Ueberreste von Mittag) und Desert, Thee; der Preis regulirt sich -nach dem Zimmer, fängt von sieben Piaster pro Woche an, und steigt bis -20 pro Kopf. Um 7 Uhr des Morgens giebt eine Glocke das Signal zum -Aufstehen, um 8 Uhr verkündet dieselbe, daß das Frühstück aufgetragen -ist; um 4 Uhr hört man sie das Mittags-Essen, um 7 Uhr Abends die -Theezeit verkünden. Von dieser Zeit an bleiben die Herren und Damen -in dem gut decorirten und beleuchteten Saal zusammen. Unter den -Damen findet man hier sehr gute Schachspielerinnen, die mit ihren in -französischen Glacé-Handschuhen verschleierten Fingern so geschickt zu -manövriren verstehen, daß ihre männlichen Gegner bald matt sind. - -Zwei oder dreimal wöchentlich wird nach der Musik eines Piano getanzt. -Man findet verschiedene Klassen von Boarding-Häusern, sehr lustige, und -auch sehr solide. - -Die jährliche Miethe für solche Häuser ist von 6 bis 10,000 Piaster; -bringt man nun noch Silberzeug, Mobilien, Domestiken, und die höchst -brillante Beleuchtung in Anschlag, so muß man sich wundern, daß sie -bestehen können. Hinsichtlich der Weinpreise sind diese Häuser (ersten -Ranges) alle übereinstimmend; weniger als 1 Piaster verdient Niemand an -einer Flasche, wohl aber mehr, weshalb Jeder, der sich hier einmiethet, -in Kenntniß gesetzt wird, daß er sich gegen Bezahlung von funfzig Cens -(etwa 18 Ggr.) pro Flasche seinen eigenen Wein halten könne (hierbei -ist indeß Gefahr). - -Der Amerikaner ist kein Weinkenner, Madeira ist sein Lieblingswein -und von dieser Sorte giebt es denn hin und wieder einen Kenner. Der -theuerste Wein ist der beliebteste, und es würde kein Gastwirth eine -Flasche unter 1½ Piaster anbringen können. Aster-House, das erste -Hotel in New-York, verkauft den besten Madeira für 12 Piaster. Der -Eigenthümer dieses Hauses ist als armer Kürschner-Geselle eingewandert, -und soll jetzt über ein Vermögen von 10 Millionen Piaster commandiren -(?) - -New-York ist in den Monaten August, September und October am -besuchtesten, denn die Reichen aus dem südlichen Amerika kommen um -diese Zeit hierher, um sich gegen die Fieber zu schützen, und kehren -erst im November nach Hause; es ist daher in diesen Monaten sehr -schwierig, ein Unterkommen zu finden. Hinsichtlich des Bodens ist -Amerika ein Land von ungeheuern Ressourcen (wovon später mehr), die -Gutsbesitzer sind diejenigen, welche so zu sagen, das Geld zum Fenster -hinaus werfen. Der Boden ist ergiebig, die Erzeugnisse finden stets -Abnehmer; wer etwas Vermögen hat, kauft sich Land, und befindet sich -alsdann wohl. Das Arbeitslohn wird hier stets hoch sein, weil jeder -Arbeitsmann, sobald er sich ein kleines Vermögen erspart hat, sofort -Gutsbesitzer wird. Ich fand in einem öffentlichen Blatte folgenden -Artikel: - -„Als Beweis, wie hoch man den Werth des Hornviehs von Durham in diesem -Bezirk schätzt, sei nur dieses angeführt. Samuel Smith verkaufte in -dieser Woche mehrere seiner Kühe: eine säugende Kuh nebst dem Kalbe -würde mit 2000 Piaster (etwa 3000 Rthlr) eine zweite mit 1350, andere -für 1200 und 1000 Piaster verkauft; er verkaufte von seinen Kühen -für den Werth von 20 bis 30,000 Piaster.“ Welcher Preis für einen -Gutsbesitzer, selbst wenn man auch den geringen Werth des Geldes in -den V. S. in Anschlag bringt! In demselben Grade, als die Umstände -der Gutsbesitzer brillant sind, eben so morsch scheinen mir die des -Handelsstandes zu sein. Als es noch wenige Commissionaire hier gab, und -die Europäer es beinahe für unmöglich hielten, jene zu kontrolliren, -da erwarben sie viel Geld, denn sie ließen ihren Freunden etwa die -Hälfte des Ertrags von den an sie consignirten Waaren zukommen, und -jene mußten mit dem, was ihnen zuerkannt wurde, zufrieden sein. Wie -haben aber die Verhältnisse sich jetzt gestaltet! Man denke sich einen -Bezirk von der Größe der Stadt Leipzig, welcher nichts als 4-5 Etagen -hohe Speicher enthält, die mit englischen, französischen und deutschen -Fabrikwaaren jeder Art überfüllt sind. Viele Tausende stehen hier stets -zum Ein- und Verkaufe bereit; zu dem ersteren findet sich jede Minute -Gelegenheit, denn jeden Tag langen doch mit Manufacturen beladene -Schiffe an, welche theils von europäischen Kaufleuten auf Speculation, -zum Theil aber auch von New-Yorker Kaufleuten bestellt worden sind, -und daher so rasch wie möglich verborgt werden müssen, um von den -Borgern schriftliche Versprechungen dafür zu erhalten, welche die -Banken gegen gedruckte Bank-Versprechungen discontiren. - -Obgleich ich hinsichtlich des Betriebs solcher Art bereits viele -Erfahrungen gesammelt habe, so will ich doch noch näher in das -Specielle eindringen, um später für unsere europäischen Kaufleute desto -belehrender sein und erweislich machen zu können, daß jedes Geschäft -von Europa in der neuen Welt durch Commissionaire besorgt, nur allein -für Letztere von Nutzen sein muß. - -Vier Wochen hatte ich jetzt (den 30sten September) größtentheils auf -dem Krankenlager zugebracht. Ein freundlicher Sommerabend, wie wir ihn -wohl in Deutschland im Juni haben, zog mich aus meiner Wohnung; kein -Wölkchen trübte den Horizont, der Mond verbreitete ein herrliches Licht -über Broad-Way, die Hauptstraße New-Yorks; ich war so entzückt, als -ich auf die Straße heraustrat und dies alles empfand, daß ich hätte -weinen mögen. Ich muß zuvor bemerken, daß diese Straße, vielleicht nur -um ⅓ länger und ¼ breiter als die Leipziger Straße in Berlin, etwas -sehr Eigenthümliches und Anziehendes hat. In dieser Straße befinden -sich alle Hotels, Boarding- und Caffee-Häuser, alle Kaufmanns- und -Conditor-Läden von ungeheurer Tiefe, welche sämmtlich sehr brillante -Gasbeleuchtung haben. Wer ein Geschäft von Bedeutung machen will, muß -einen Laden in Broad-Way haben. Die Miethen sind daher in dieser Straße -enorm hoch, ein Chemist (Droguist) unter der Firma Rushton et Aspiewald -soll, wie mir versichert worden ist, 7000 Piaster jährlich bezahlen; -allein in Soda-Wasser (welches ein Lieblings-Getränk der Amerikaner und -Amerikanerinnen ist) 20,000 verdienen. (?) - -Bemerkenswerth ist es, daß, obgleich es in den Wochentagen 500 Omnibus -und einige 100 andere Miethswagen giebt, am Sonntag doch kein einziger -in den Straßen anzutreffen ist; Alles, die beau monde und die ganze -Stadt ist in Bewegung -- aber zu Fuße; ich möchte behaupten, daß die -Anzahl der an jenem Abend sich in Broad-Way bewegenden Personen sehr -wenig der beim Einzug der Kaiserin von Rußland in Berlin versammelten -Menge nachgab. Weder Polizei noch Constabler wurden bemerkt, und doch -war die Sittlichkeit, wie ich sie in keiner Stadt angetroffen habe. -Frauenzimmer ohne männliche Begleitung, gehen, ohne die Aufmerksamkeit -des Mannes rege zu machen, mit der größten Sicherheit -- ein großer -Contrast gegen die Ungeschliffenheit der Europäer, besonders der -Engländer, welche sans façons die Frauen, den Hunden gleich, in den -Straßen herumzausen (hierbei ist jedoch nur von den untern Ständen -die Rede, denen der Sonntag allein zu einer ungestümen Erholung -angewiesen ist). Auch der Amerikaner der untern Klasse unterfängt -sich nicht, den Anstand gegen Frauenzimmer zu verletzen; selbst das -verworfenste behandelt er mit Schonung, weshalb denn auch dieser Theil -der weiblichen Bevölkerung sehr zurückgezogen und unbemerkbar ist. Man -sieht hier in den Straßen eben so wenig öffentliche Dirnen als einen -Betrunkenen. Wohlgekleidet in sehr reiner Wäsche ziehet Jung und Alt -mit brennender Cigarr ruhig durch die Straße und man glaubt sich eher -in einer Kirche als auf der Straße zu befinden. Während ich durch -Broad-Way schlendere, lese ich auf einem Schilde: Rochés Café de mille -colonnes, mit großer Schrift; das ist eine französische Windbeutelei -dachte ich, und so fand ich es auch. Ich trete ein und befinde mich -in einem Zimmer von 20 Fuß Länge, und 15 Fuß Breite; die beiden -Wände haben an jeder Seite 15 Säulen, und zwischen jedem Paar von -Säulen finden sich Spiegelgläser, welche denn freilich in brillanter -Gasbeleuchtung die Säulen vervielfachen. Weiterhin finde ich in -New-York-Garden ein ziemlich enges, von Oel-Lampen und altmodischen -Laternen erleuchtetes, nicht besonders comfortables Local. - -Die Franzosen deren es in New-York 12-15000 giebt, beschäftigen sich -mit Allem, und verdienen viel Geld. Die Wirthe der Restaurationen, -Conditoreien und Caffee-Häuser sind größtentheils aus Frankreich, und -werden vorzugsweise besucht. Die Preise, welche sie festgesetzt haben, -übersteigen die bei uns um das Dreifache. Eine kleine Tasse Caffee, der -in der Regel sauer schmeckt, kostet ⅛ Piaster, und eben so viel kostet -die geringste Kleinigkeit. Eine meiner nächsten Wanderungen führte mich -nach Chatham-Street, das Judenviertel, ungefähr so wie die Elb-Straße -in Hamburg und die Reetzen-Gasse in Berlin, jedoch im großartigsten -Stil, etwa ¼ deutsche Meile lang, von beiden Seiten mit Kleiderläden, -Kram-, Galanterie- und aller Arten Waaren-Läden angefüllt. Juden -von allen Nationen sind in dieser Straße anzutreffen. Alle Waaren, -welche im Lande gestohlen oder aufgeschwindelt sind, werden in -Chatham abgesetzt, und wer wohlfeil kaufen will, gehet hieher. Die -Ladenherren, obgleich sie von Posen oder Schermeisel abstammen, haben -Namen angenommen, wodurch ihre Geburts-Länder nicht verrathen werden, -z. B. King, Christalli, etc. etc. etc. Hierbei muß ich ein Verhör -im Polizei-Amte, welches heute statt fand, anführen. Seit mehreren -Wochen war die Polizei bemüht gewesen, Diebstählen, die seit einiger -Zeit durch Einbrüche in Waarenläger verübt worden waren, auf die -Spur zu kommen. Dies gelang endlich und der Dieb wurde eingezogen. -Als er gefragt wurde, für wie viel Werth er die Zeit hindurch aus -jenem Laden entwendet habe, erwiederte er: für circa 15,000 Piaster, -von welchen jedoch noch für etwa 1500 Piaster unverkauft da lägen, -weil der gewöhnliche Abnehmer, Mr. King in Chatham, sie zu kaufen -verweigert und ihm eröffnet habe, er besitze von dergleichen Waaren -jetzt zu viel Vorrath, er werde jetzt nur wollene oder seidene Waaren -für baares Geld kaufen, worauf denn, wie natürlich, Mr. Kings Locale -unter polizeiliche Aufsicht gestellt und er selbst eingezogen worden -ist. Diebereien werden hier sehr hart bestraft, Mordthaten hingegen -mit weniger Strenge als in Europa instruirt, weshalb sehr viele Mörder -der verdienten Strafe entgehen. Das Treiben in Chatham ist großartig; -jüdische Actionaire halten ihre Verkäufe auf einem Karren, worauf sich -die zu verkaufenden Gegenstände befinden (über diese Straße später ein -Mehreres). - -Als ich von Chatham zurückkehrte, fand ich in meinem Logis ein -Schreiben von einem jungen Berliner vor, für welchen ich von seinen -dortigen Verwandten einen Brief mitgebracht hatte. In jenem Schreiben -wurde ich ersucht, ihn doch im Stadt-Hospitale, wohin er wegen eines -Armbruchs gebracht worden sei, zu besuchen. Ich war um so begieriger, -diese Anstalt kennen zu lernen, da sie mir früher, bei meinem -Kranksein, von unserm Schiffs-Capitain empfohlen worden war. Nach -dessen Schilderung erwartete ich etwas dem Hamburger Krankenhause -oder der Berliner Charité Aehnliches; die Fonds, erzählte er, müßten -beträchtlich sein, da jeder Capitain der in New-York ankommenden -Schiffe für jeden Reisenden 1½ Piaster und für jeden Matrosen 1 Piaster -zu diesem Fonds einliefern müsse, und die Einkünfte dieser Art werden -nur zur Bequemlichkeit der Kranken verwendet; es sei in ganz New-York -kein Haus, was in Betreff der Pflege, Reinlichkeit und Aufwartung etwas -Aehnliches zu leisten im Stande sei. Ob ich Recht oder Unrecht gehabt, -den Rath des Capitains unbefolgt zu lassen, war mir sehr interessant zu -erfahren. - -Die Apotheke dieser Anstalt, welche ich passirte, fand ich geregelter -als die sogenannten Droguist-Shops, da sich in derselben nicht, wie -in den letztern, Spielkarten, Wachslichte, Zahnbürsten, Cigarren -etc. sondern nichts als Medicamente befanden. Das Zimmer Nro. 10, in -welchem der Kranke lag, wurde mir geöffnet. Es war von ziemlicher -Breite; an jeder Seite befanden sich 5-6 Lager, aber keins derselben -war eine Bettstelle, es waren Bretter, auf welchen sich ein mit wenigem -Stroh gefüllter Sack, ein sehr dünnes Kopfkissen, und eine sehr dünne -wollene Decke befand. Da indessen der Brodherr dieses jungen Mannes -für die meisten Chirurgen New-Yorks die Instrumente verfertigt, so -hatte man dem Patienten vorzugsweise ein kleines Kissen, auf welchem -der gebrochene Arm ruhte, hergegeben. In den klinischen Anstalten zu -Berlin, und Deutschland überhaupt, liegen doch die Patienten auf Betten -und nicht auf Stroh. Am meisten wunderte ich mich, diese Jämmerlichkeit -in einem Lande anzutreffen, in welchem man das Geld sonst wegwirft für -lumpige Kleinigkeiten. Wie pries ich mich glücklich, daß ich nicht -hierher gerathen war! Unterdessen wurde während meiner Anwesenheit -das Essen aufgetragen, und zwar auf einen in der Mitte des Zimmers -befindlichen langen Tisch, an dessen beiden Seiten sich Bänke ohne -Rückenlehne befanden; jeder der Patienten erhielt eine Schale voll -Suppe, und eine Portion gekochtes Rindfleisch mit einem Stück Brod. -Dem kranken Landsmanne wurde seine Portion auf den Fensterkopf neben -seinem Lager mit einer ungewöhnlichen Gefühllosigkeit hingesetzt. -Mittlerweile kam der Oberarzt, gefolgt von 8-9 sehr jungen Unterärzten, -oder vielleicht Studenten, welche ihm die Krankheit der Patienten -vortrugen; zuletzt sagte er: „nun will ich das deutsche Gesicht sehen!“ -Die jungen Chirurgen zeigten ihm flüchtig die Stellen des doppelten -Armbruchs, „schon gut!“ sagte er, und hiermit zogen sie ab. „Ach Gott!“ -rief der Kranke aus, „wie gleichgültig wird ein Ausländer in diesem -Lande behandelt: so ist es vom ersten Augenblick an gewesen, als ich -hierher gebracht wurde, und drei volle Stunden ohne Hülfe blieb, und -so bleibt es immer.“ Welcher Deutsche im Auslande auch sonst wenig -an sein theures Vaterland denkt, der vermißt es sicherlich, wenn er -krank wird; diese Erfahrung habe ich auch oft an mir selbst gemacht; -nirgends, in keinem Lande, in keiner Stadt habe ich die deutsche -Herzlichkeit gefunden. Wir wollen sehen, junger Mann, dachte ich, als -ich den Kranken verließ, ob du sechs Jahre, wie du dir vorgenommen, -hier aushalten wirst! - -Ich ging jetzt nach dem Platze Wall (nach der Straße dieses Namens), -um mehreren Wein-, Colonial- und andern Waaren-Auctionen beizuwohnen. -Da stehen die Auctions-Commissarien auf den Fässern, Säcken u. s. w. -und jeder derselben hat seine Anzahl von Kauflustigen um sich; sie -rufen die gebotenen Preise wohl funfzig Mal mit einer erstaunlichen -Schnelligkeit und Unverständlichkeit aus, so daß ihre Mäuler in einer -wirbelnden Bewegung bleiben; nur dann weiß man, daß der Zuschlag nicht -mehr fern ist, wenn sie +going+ rufen; beim zweiten +going+ ist der -gebotene Preis vernehmbar, jedoch nur für die in der englischen Sprache -sehr geübten. Täglich giebt es in New-York hunderte von Auctionen; -rothe Flaggen, an welchen Cataloge baumeln, sind die Zeichen, daß im -Hause, oder auf dem Platze, wo sie wehen, Auctionen statt finden. Es -soll, so ist mir versichert worden, hier Auctions-Commissarien geben, -die ein jährliches Einkommen von 200,000 Piaster haben. - -Es giebt in New-York Importeurs, welche ihre Waaren nur per Auction -absetzen, indem die Commissarien gegen Abzug von sieben Procent Zinsen -pro Anno und 2½ Procent Provision, sofort den Belauf auszahlen. -Da das Creditgeben in diesem Lande sehr riskant ist, so ist diese -Verkaufsweise die sicherste. Der Gewinn ist natürlich sehr gering, ja -häufig ist sogar Verlust damit verbunden. Jedoch gegen den letztern -kann man sich einigermaßen dadurch sichern, daß man die Auctionen -nur in der Frühjahrs- oder Herbst-Season, wenn sich alle Käufer aus -dem Innern in New-York eingefunden haben, statt finden läßt. Der -solide Handel wird freilich dadurch zu Grabe gebracht; denn in der -Voraussetzung, daß die Land-Krämer, von den Zwischenhändlern kaufen -werden, haben diese ihre Waaren-Läger gepfropft voll, und sind den -Importeurs dafür alles schuldig; ist nun auch der eine oder der andere -von den Land-Krämern wirklich gesonnen, seinen Bedarf von einem -Zwischenhändler zu erstehen, so wird er durch die rothen Fahnen, die in -den Gewölben der Commissarien, zwischen denen der Kaufleute aushängen, -abgezogen. Er geräth in ein den Commissarien zugehöriges Lokal, und -wird gesättigt. Die Folge ist, daß die Zwischenhändler ihre Vorräthe -per Auction zu verkaufen gezwungen sind. - -Siehet man die Waarenmassen, die in den Stadttheilen liegen, in welchen -das Waarengeschäft betrieben wird (welche Massen unstreitig bedeutender -sind, als die auf allen Meßplätzen Deutschlands zusammengenommen) -sieht man die hohen Häuser von den Böden bis zu den Kellern hinab -vollgepfropft von Waaren jeder Art, so muß man erstaunen und kann die -Frage nicht unterdrücken: Wie, wann und wo soll dieses Alles verbraucht -werden? Man kann sich keine Idee von der Größe des Fabrications-Wesens -in Europa machen, wenn man nicht in New-York gewesen ist, und die -Waaren-Vorräthe daselbst gesehen hat; ich gestehe, daß ich von Furcht -und Schrecken ergriffen wurde, als ich mich orientirt hatte. Der -Gedanke, mich von meinen Waaren sobald und so gut wie möglich los zu -machen, gelangte nach jenem Augenblick bei mir zur völligen Reife. -Meines Erachtens geht man im Waarenfache einer fürchterlichen Zeit -entgegen; es dürfte in einigen Jahren eine weit gefährlichere Krisis -eintreten, als diejenige war, die wir vor zwei Jahren erlebten. -Amerika hat zu viel Ressourcen, um nicht fortwährend groß zu bleiben; -wenn selbst die große Hälfte der Waaren-Händler untergehen müßte, -wird Amerika nichts von seiner Größe eingebüßt haben. Die Regierung -ist sehr vernünftig, sie hält den Waaren-Händlern die Zügel kurz; -durch die hohen Preise, welche der europäische Fabrikant für die -prima Materie hergiebt, verliert er oft das ganze Arbeitslohn, und -vielleicht noch mehr. Dieses war vor zwei Jahren der Fall, und dieser -Fall wird wiederum, noch ehe zwei Jahre vergangen sind, eintreten. Daß -es der americanischen Regierung nur darum zu thun ist, den Ackerbau, -und nicht die Fabriken zu begünstigen, beweist sie dadurch klar und -deutlich, daß sie jedem Kaufmann den Zoll für seine eingehenden Waaren -auf sechs Monate creditirt; thäte sie dieses nicht, so würden weit -weniger Waaren eingeführt werden, indem die Summen für Zollgefälle von -vielen Importeurs nicht ohne Mühe würden angeschafft werden können, -und ein großer Theil derselben vom Importiren würde abstehen müssen, -wodurch die in Amerika fabricirten Waaren bessern Absatz finden würden. -Allein die Regierung denkt, Ackerbau ist einträglicher als Fabriken, -und denkt, so lange europäische Fabrikanten das Arbeitslohn verlieren -wollen, sehr richtig (hierüber weiterhin ein Mehreres). - -Nach dem, was ich hier im Geschäft wahrgenommen habe, muß jede zwei, -spätestens drei Jahre eine allgemeine Stockung im Zahlen eintreten, -und die nächste dürfte die furchtbarste von allen bisherigen -werden, da England jetzt nicht im Stande ist, wie vor zwei Jahren, -eine Baarsendung von 2 Millionen L. Sterl. zum Stützen der für die -englischen Fabrikanten unentbehrlichen americanischen Banken zu -machen. Am deutlichsten kann der Schwindel bemerkt werden, wenn man -sich während der Börsenzeit unter den Stock-Jobbers und Broakers -umsieht. Unter den letztern findet man Subjecte, welche 60,000 Piaster -Courtage jährlich verdienen; sie arbeiten darauf hin, einen Wirrwarr -zu Stande zu bringen. Der Handelsstand hier ist das größte Kunstwerk -der menschlichen Gesellschaft. Jeder handelt, und wie handelt er? Im -Großen. Man sieht Kram-Läden von der Länge, oder besser Tiefe eines -kleinen Exerzier-Platzes; in solchen Läden liegen vielleicht für 60,000 -Piaster Waaren, von denen nicht ein einziger Cens (der hundertste -Theil eines Dollars) bezahlt ist. Ist der Mann durch gute Lösung in -Stand gesetzt, einem Theil seiner Verpflichtungen nachzukommen, nun, -so geschieht es; ist dies aber nicht der Fall, so stellt er für sich -den größten Theil in Sicherheit, läßt seine Creditoren zu sich kommen, -und ersucht diese, das Nachgebliebene für ihre Schuld zu empfangen. Die -Handlungsbücher sind vielleicht schon einige Tage vorher den Flammen -überliefert worden, und kömmt einer von den Creditoren auf den Einfall, -nach den Büchern zu fragen, so kann der sich auf die Antwort gefaßt -machen: „das ist mein Geheimniß, deshalb werde ich sie Ihnen nicht -zeigen.“ - -Das Wetter fand ich hier im Anfang October noch den Sommertagen in -Deutschland gleich; es war sehr heiß und man wird von den Musquitos, -welche unsere Mücken auch hier an Bosheit weit übertreffen, ungemein -geplagt. Dieses Ungeziefer findet sich hier erst im September mit aller -Kraft ein, und man darf sich vor Eintritt eines Frostes, im November, -keine Ruhe versprechen. Es ist jedoch ein Leichtes, sich von ihnen im -Schlafzimmer zu befreien: man schließt nämlich vor dem Anzünden der -Lichter die Fenster, und macht mit dem brennenden Lichte Jagd auf sie. -Bevor ich dies that, hatte ich in der Nacht wenig Ruhe, und mehrere -meiner Tischgenossen adoptirten meine Kriegsweise. - -Noch muß ich einiges von den Straßen New-Yorks bemerken; ich fand, daß -die Straße Broad-Way viele Aehnlichkeit mit dem Newski Perspective in -St. Petersburg hat; jedoch hat die erstere, außer dem ihr zugehörigen -freien Platze (Park-place) viel Eigenthümliches; der freie Platz -gewährt des Abends bei der Gasbeleuchtung einen herrlichen Anblick, da -sich auf demselben mehrere öffentliche Gebäude, nämlich das Rathhaus, -Theater, Museum etc. befinden. Die Nebenstraßen von Broad-Way laufen -parallel und in grader Linie, wie die der großen Friedrichsstraße -in Berlin, jedoch sind die Häuser in derselben nicht so schön. Das -Eigenthümliche besteht besonders darin, daß man, da New-York eine -Insel ist, an jedem Ende der Straße die Masten von großen Schiffen -wahrnimmt, was einen höchst angenehmen Eindruck macht -- besonders -nach Untergang der Sonne, wenn so viele Masten der großen Schiffe mit -den vielen Tauen, durch welche man die herrliche Abendröthe erblickt, -einem Walde gleich, sich dem Auge darbieten. An Vergnügungen kann es -in einer so reichen Stadt nicht fehlen. Der Yankee (Amerikaner der -V. S.) ist, was den Lebensgenuß betrifft, mit dem Wiener zu -vergleichen; er ist für das Materielle; kein Preis ist ihm zu hoch, -wenn der Gegenstand reellen Genuß verspricht. Ein Hauptvergnügen -ist ihm das Kegelspiel, wobei die Damen mit den Herrn wetteifern; -man findet viele Keller (den Hamburgischen ähnlich), woselbst -Restaurationen und Kegelbahnen eingerichtet sind, und Erfrischungen -aller Art gereicht werden. Die Austern sind hier, obgleich um -sehr vieles größer als die holsteinischen, die allerfeinsten und -schmackhaftesten, die ich genossen habe; sie werden in allen -Kegelbahn-Kellern zubereitet, und für einen nicht übertriebenen -Preis gereicht: ½ Dutzend kostet etwa 4 Ggr., wozu man noch eine -ziemliche Quantität Kohl-Sallat, Butter, Brod, und Zwiebacke bekommt. -Schäferstunden sind nach der Versicherung eines meiner Freunde, die -theuersten Genüsse in dieser Stadt, die Schäferinnen, entweder aus -England, oder Töchter der aus Irland als Arbeitsleute Eingewanderten, -sind die einzigen von allen englischen Erzeugnissen, wie mein Freund -meint, die sich im Preise halten; 10-15 Piaster ist der fixe Preis für -eine Schäferstunde. Für wenig bemittelte aber kräftige Männer sollen -die couleurten Frauen ein vortreffliches Surrogat sein, man sieht -diese in heller Kleidung mit seidenen Schnupftüchern in der Hand, -sehr anständig umherziehen. Damen von Stande bedienen sich der weißen -Tücher, die sie stets in den Händen tragen. - -Die Theater werden hier sehr besucht, und mein Reisegefährte, -der Director W....., machte gute Geschäfte. Das Personal ist von -London (woselbst jeder amerikanische Schauspiel-Director eine -Anwerbungs-Anstalt erhält), und die angeworbenen Mitglieder finden -gute Rechnung, so lange die Direction Rechnung dabei findet. Das -Entrée ist 1 Piaster, fürs Parterre ½ Piaster. Von Ausländern, die in -New-York sonst den dritten Theil der Bevölkerung ausmachen, werden die -Theater im Allgemeinen wenig besucht. Der Yankee ist nicht Kunstkenner -genug, um über die Poesie und mimische Darstellung des Dramas richtig -zu urtheilen, daher denn die Directoren, um ein großes Publikum von -Yankees für sich zu gewinnen, ein leichtes Spiel haben. Die für -Gastrollen engagirten Subjecte langen von England successive an, denn -jeder derselben ist für 8, 10 bis 12 Rollen, d. h. Vorstellungen, und -zwar, je nachdem er unter den Künstlern einen Rang einnimmt, für die -Hälfte oder ⅔ der Einnahme engagirt, und tritt daher nur in zwei, -höchstens drei seiner vorzüglichsten Rollen auf. Jetzt liest man auf -den Theaterzetteln von 2 Yard (2 Ellen) Länge, die am Eingange in den -Straßen an den Häusern und großen Hotels auf Bretter geklebt sind, die -Londoner Theater-Kritiken der Times, des Examiner, Courier etc. etc. -wörtlich abgedruckt, in Beziehung auf die Rolle des Gastes; das Haus -wird demnach am ersten Abend gefüllt und nun liest man am folgenden -Morgen in allen Morgenblättern, wie gedrückt voll das Haus gewesen, -mit welchem Applaus der berühmte Gast empfangen und begleitet worden -sei. Die natürlichste Folge ist, daß Alles sich beeilt, das Wunderkind -in der Kunst zu sehen, und somit sind denn auch die Schauspielhäuser -in den übrigen Städten der V. S., wohin die Wunderkinder reisen, jeden -Abend gefüllt. - -Es herrscht über die Geringfügigkeit der Militairmacht der V. S. -ein bedeutender Irrthum, den ich vorläufig bloß durch die Copie, -oder vielmehr Uebersetzung einer Ordre, die mir irrthümlicherweise -zugestellt wurde, widerlegen will. Sie ist folgende: - - 125stes Regiment, 45ste Brigade, 28ste Division N. G. S. Infanterie. - - Unter dem Adler liest man in einem Bande: - Ex pluribus unum. - - Zweite Compagnie. - - +Ordre.+ - - Hauptstadt New-York den 1. Octbr. 1838. - - Hiermit wird Ihnen angezeigt, daß Sie in Person auf dem - Compagnie-Paradeplatz Broad-Way- und Biberstraße, equipirt und - armirt, wie es die Gesetze vorschreiben, um 2 Uhr am Montag den 8. - d. M. zur Compagnie-Parade, und zur Regiments-Parade am Freitag den - 12. um 9 Uhr Vormittags, so wie auch zur Inspection der Revue am - Montag den 15. Vormittags um 8 Uhr erscheinen sollen. - - In Ordre. +Wellstood+, Capitain. - +Welsh+, Sergeant. - - NB. Es ist erforderlich, daß Sie in weißen Pantalons erscheinen. - Kein Stellvertreter wird gestattet. - -Es sei mir erlaubt, wieder zu merkantilischen Dingen überzugehen, womit -ich mich am liebsten beschäftige. Die Einrichtung des hiesigen Packhofs -fand ich in jeder Beziehung tadelhaft, und gar nicht zu vergleichen -mit den europäischen Einrichtungen, besonders denen des deutschen -Zollverbandes. Die Importation ist in New-York enorm. Es giebt Tage, -an welchen 15 und mehr mit Stückgütern beladene Schiffe ankommen, und -zwar Kasten von 6-800, oder wohl gar tausend Tonnen Größe. Die Procedur -hierbei ist nun folgende. - -Einen Packhof, auf welchem die vom Schiffe gebrachten Güter aufbewahrt -werden, giebt es nicht; im Mittelpunkt der Geschäftswelt ist ein -interimistisches Packhofs-Gebäude, denn das durch den Brand zerstörte -ist noch nicht wieder aufgebaut, und dasjenige, was jetzt gebaut und -bald fertig sein wird, wird zwar, da das Material aus Italienischem -Marmor besteht, ein Prachtgebäude geben, ist jedoch nur für das bei -diesem Institut angestellte Personal bestimmt. Für die Güter, welche -zur Revision gestellt, oder auch zur Niederlage declarirt werden, -sind in verschiedenen Straßen Separat-Gebäude, von keinem besondern -Umfange, durch Schilder mit der Aufschrift: Public-Store bezeichnet. -Sobald die mit Güter beladenen Schiffe einen günstigen Platz zum -Ausladen gefunden haben, was oft sehr schwer hält, so melden sich die -Interessenten beim Ober-Inspector (hier zu Lande Collecter genannt), -und produziren deren Connecemente und eine Factura, auf welcher der -Inhalt und Werth jedes Ballens genau aufgeführt sein muß. Von diesem -werden nun diejenigen Colly’s, welche zur Revision gestellt werden -sollen, bestimmt. Der Eigentümer erhält jetzt vom Collecter ein Permitt -(Erlaubnißschein), die zur Revision bestimmten Colly’s nach dem -Public-Store zu bringen, damit sie revidirt werden können. Mit diesem -Permitt begiebt er sich nach dem Schiff mit der Hoffnung, die Colly’s -jetzt zu erhalten. Allein der Schiffer versichert ihm, daß dieselben -in der Mitte, oder wohl gar auf dem Boden liegen, und da sich noch -Niemand mit einem Permitt über die obersten Güter gemeldet habe, wohl -noch 8-10 Tage verstreichen dürften, ehe er die geforderten Colly’s -werde haben können. Unter diesen Umständen muß man so lange warten; -ich selbst hatte dieses Schicksal und erlitt hierdurch einen Verlust -von 3-400 Piaster, denn die Waaren gingen im Preise um 20 Procent -herunter, wie es häufig der Fall ist, wenn viele Schiffe zugleich -ankommen. Die Zollerhebung ist von derselben Art wie in England; die -Revisoren verfahren jedoch sehr oft eigenmächtig, indem sie nicht -Waarenkenner genug sind. Früher ist viel geschmuggelt worden, bei -dem jetzigen Collecter aber ist dies, wie man sagt, ganz unmöglich, -weshalb man jetzt (im Jahre 1838) der Meinung ist, daß an den mehrsten -englischen Waaren, besonders an den Tüchern (welche unter dem Namen -+Flanell+ eingeführt wurden), das halbe Capital verloren geht. -Man hört allgemein Klagen über die Strenge des Collecters, und die -Engländer klagen am meisten, da es ihnen früher ein Leichtes war, 50 -oder wohl hundert Ballen feiner Tuche für Flanelle hereinzuschmuggeln. -Im Einverständniß mit dem alten Inspector wurden früher nur die Ballen, -welche Flanelle in sich begriffen, aber keinesweges diejenigen, welche -Tuche enthielten, revidirt, und hiermit soll sich, wie man sagt, der -alte Inspector, welcher von seinem Dienst in Gnaden entlassen worden -ist, ein Vermögen von 100,000 Piastern gesammelt haben. - -Bei den gegenwärtig (in der letzten Hälfte des Octobers 1838) statt -findenden Wahlen für den im December zusammenkommenden Congreß in -Washington ergiebt es sich deutlich, wie sehr der größere Theil -der Handelswelt darauf hinarbeitet, den frühern Schwindel wieder -einzuführen, der durch die Vorsicht des Präsidenten so ziemlich -beseitigt wurde. Das Manufactur-Waarengeschäft, welches, wie schon -früher bemerkt, die Hauptbranche ist, und mit welchem sich mehrere -Millionen beschäftigen, weiter auszudehnen, ist der Wunsch Vieler. -Obgleich die Handels-Bilanz Manchem brillant scheint, so könnte diese -in der Wirklichkeit brillant sein, wenn es genug Fabrikanten gäbe, um -den Bedarf für die Bewohner des Landes zu erzeugen; indessen es fehlt -noch immer an Arbeitern jeder Art, und da die Regierung vernünftiger -Weise dem Ackerbau mehr Aufmerksamkeit schenkt, als dem Fabrikwesen, -so ist es natürlich, daß der größere Theil der Einwanderer zum ersten -Zweck verwendet wird. Die Regierung sieht wohl ein, daß der Werth nicht -in der Prima-Materie, sondern zum großen Theil im Arbeitslohn steckt, -und überläßt es lediglich den Waarenhändlern, die Handels-Bilanz -zurecht zu setzen. -- „Wir müssen eine National-Bank haben!“ ist das -Geschrei der Waarenhändler, „denn nur diese kann uns in Stand setzen, -unser Geschäft auszudehnen; haben wir eine solche Bank, so sind wir -im Stande, die doppelte, drei- oder vierfache Quantität Waaren von -Europa einzuführen.“ Die Regierung muß vernünftiger Weise einem solchen -Etablissement entgegen sein, weil die Actionaire sammt und sonders -nicht im Stande sind, eine Bank auf solchen soliden Fuß, wie die -Hamburger oder Bank of England, zu errichten. Wer Grundstücke besitzt, -will Actionair werden, ohne daran zu denken, daß die Grundstücke um -das Zehnfache über den Werth bezahlt worden sind, und demzufolge dem -etwanigen Inhaber der Noten (von der zu errichtenden National-Bank) -nicht die mindeste Sicherheit gewähren würden. So lange mithin nicht -so viel nobles Metall vorhanden ist, den Inhabern von Banknoten -damit zu begegnen, so ist jedes Etablissement gefährlich, und aus -diesem Grunde widersetzt sich die Regierung dem Etablissement einer -National-Bank, welche zu nichts Anderem führen würde, als das Land mit -den Fabrik-Erzeugnissen Europa’s dermaßen zu überschwemmen, daß schon -in Zeit von +Einem+ Jahre das ganze Gebäude zusammenfallen würde, -welches ohne National-Bank vielleicht noch zwei Jahre stehen kann. - -Daß der im Jahre 1835 hier stattgefundene Brand zum großen Glück der -Fabrikwelt war, bin ich jetzt überzeugt. Ohne diesen würden jetzt alle -Waaren, statt daß sie seitdem nur etwa um 25 bis 30 Procent im Preise -gesunken sind, um das Doppelte herunter gegangen sein. Feuersbrünste, -wie der hiesige war, sind bei dem jetzigen Fabrikations-System, ähnlich -wie der Krieg in andern Verhältnissen, ein nothwendiges Uebel, und alle -zwei Jahre erforderlich. Die Assekuranz-Compagnieen würden hierbei -freilich die Leidenden sein; sie würden indessen nur immer einen -geringen Theil von dem viele Jahre hindurch Gewonnenen zurückgeben. -Viele der hiesigen Compagnieen haben, trotz des ungeheuern Brandes, -von welchem nur derjenige einen Begriff haben kann, der den Platz -kennt, das Volle des versicherten Quantums, und einige unbedeutende -Compagnieen 75 Procent desselben bezahlt. - -Sieht man die Waaren-Massen in allen Städten der V. S., so gelangt man -zur Ueberzeugung, daß die Art und Weise, wie jetzt fabricirt wird, -den Wohlstand sehr Weniger befördern, aber den Untergang sehr Vieler -herbeiführen muß, indem 31/32 aller Geschäfte Creditgeschäfte sind, und -dennoch mit einem sehr unbedeutenden Gewinn abgeschlossen werden. Jeder -drängt sich zum Verkauf, und Jedem werden ohne Bedenken Waaren verkauft -und abgeliefert. Sieht man des Commissionairs Verkaufrechnungen -über die an diesen zum Verkauf überschickte Waaren, so findet man, -daß er sie auf 8 Monate Zeit verkauft hat, wobei er 2½ Procent für -die Garantie aufführt, und mehrere, oder wohl gar die meisten der -Commissionaire befinden sich in der Lage, die garantirte Summe nicht -bezahlen zu können, wenn sie dieselbe nicht bezahlt erhalten, wie -dies im Jahre 1837 der Fall war. Die übermäßige Production, die -immerwährenden Modenveränderungen, dazu der immerwährende Geldmangel -in den V. S., dies alles muß nachtheilig auf die Waaren-Vorräthe -einwirken, Bankerotte herbeiführen, und zerstörende Resultate für -Commissionaire erzeugen. - -Kein Land ist in dieser Hinsicht gefährlicher als Amerika, weil die -handelnde Welt kein reelles Vermögen besitzt, und Jeder sich nur so -lange halten kann, als sich Alle halten; stockt ein kleiner Theil in -der Gesellschaft, so stockt nicht lange darauf ein größerer, und bald -das Ganze. - -Besucht man die Ausstellung der Industrie-Erzeugnisse, so wird man -bemerken, daß, wenn die Regierung es wollte, die V. S. vielleicht -in einem Zeitraum von etwa 15-20 Jahren Manufactur-Waaren jeder -Art exportiren, und mit jeder Nation zu koncurriren im Stande sein -würden. Folgende Tabelle enthält über die Fabrikation der V. S. die -interessantesten Data. - - ------------------------+---------------+------------------- - Manufactur-Fabriken. | Capitalien. | Arbeiter-Anzahl. - ------------------------+---------------+------------------- - Baumwollen-Waaren | 60,000,000 | 80,000 - Wollene Waaren | 30,000,000 | 104,000 - Seidene Waaren | 4,000,000 | 12,000 - Pelz-Waaren | 6,000,000 | 15,000 - Kämme | 1,000,000 | 2,000 - Säge-Mühlen | 12,000,000 | 20,000 - Sägen | 230,000 | 300 - Taschenbücher | 1,000,000 | 250 - Oefen von Gußeisen | 1,500,000 | 600 - Parfümerieen | 500,000 | 500 - Bürsten | 1,000,000 | 900 - Neu-Silber | 20,000 | 15 - Geschwind-Wagschale | 1,090,000 | 600 - Reise-Mützen aller Art | 1,500,000 | 1,200 - Lampen | 300,000 | 220 - Eiserne Geldkasten | 170,000 | 89 - Dampfmaschinen | 2,000,000 | 3,000 - Leinwand | 2,490,000 | 2,500 - Porzellan | 30,000 | 60 - Bronze | 10,000 | 8 - Bijouterieen | 1,000,000 | 500 - Glaswaaren | 2,360,000 | 2,400 - Tapeten | 50,000 | 140 - Holzschneiden | 11,000 | 20 - Compositionen zum Bau | 20,000 | 60 - Halsbinden | 4,000,000 | 2,500 - Feuerspritzen | 160,000 | 200 - Wagenbauer | 2,000,000 | 1,200 - Baumwoll-Pressen | 1,000,000 | 550 - Kunstblumen | 500,000 | 600 - Sattler und Zäumer | 1,000,000 | 400 - Siegellack | 20,000 | 30 - Piano’s | 200,000 | 300 - Orgel | 150,000 | 60 - Buchbinder | 1,850,000 | 2,000 - Schrauben | 400,000 | 208 - Kofferfabriken | 600,000 | 850 - -Wenn mithin bis jetzt nur etwa 200,000 Menschen in den Fabriken -beschäftigt sind, und etwa 140 Millionen Piaster Capital dazu verwendet -wird, so kann es doch nicht fehlen, daß im Verlauf von 10 Jahren die -Fabriken um das Doppelte und vielleicht Dreifache anwachsen würden, -wenn die Regierung hülfreiche Hand leisten wollte. (Hierüber später ein -Mehreres.) - -Die Ausstellung (Mechanical Fair) kann für den Deutschen nicht -viel Interesse haben, denn es zeigt sich offenbar, daß das ganze -Fabrik-System sich noch in der Entwickelung befindet, wie dies auch -aus der mitgetheilten Tabelle zu ersehen ist. Das Auffallendste unter -allen aufgestellten Gegenständen, waren mehrere Feuerspritzen, mit -einer Eleganz gearbeitet wie man sie selten an Staatswagen findet. -Die Lackirung, die Malerei, die Broncen an jeder derselben müssen, -meines Erachtens, wenigstens 1000 Rthlr. gekostet haben. Als ich einen -anwesenden Freund fragte, ob diese Spritzen wirklich zum Löschen -dienen sollten, oder nur als Kunstwerke zur Schau aufgestellt waren, -erwiederte er mir, man habe hier noch elegantere als diese und erklärte -mir die Ursache hiervon auf folgende Weise: „Wir Bürger,“ fing er -an, „sind sammt und sonders dienstpflichtig: wer nicht Militair sein -will, muß Feuermann sein. Bei Feuersbrünsten hat er den Dienst bei -der Spritze zu versehen. Diese Feuerleute sind, wie das Militair, -in Compagnieen eingetheilt, und so wie sich die Soldaten armiren -und montiren müssen, so haben die Feuermänner für die Anschaffung -ihrer Spritze Sorge zu tragen, und diese wetteifern nun, eben so die -elegantesten Spritzen zu besitzen, wie Jene, die schönste Uniform zu -haben.“ Auffallend ist es, daß die Deutschen, deren es hier 45,000 -giebt, zu den vorzüglichsten bei den Feuerlöschungs-Anstalten gezählt -werden. - -Am Sonntage, vor meiner Abreise nach Havana, besuchte ich die deutsche -Kirche, deren Prediger von allen anwesenden Deutschen vergöttert wurde; -ich ging mit der gespanntesten Erwartung ungefähr eine halbe deutsche -Meile weit und finde in demselben -- einen Demagogen, der an der -Gottheit zweifelt; die Predigt war durchaus verworren, so daß mir der -Prediger selbst nicht bei gesunder Vernunft zu sein schien. Nichts -destoweniger hatten sich zwei Partheien, eine für, die andere gegen ihn -gebildet, die beim Ausgang der Kirche über den Werth und Unwerth des -Predigers in Streit geriethen. Sehr oft tritt hierbei der Fall ein, -daß, wenn gewöhnliche Beweise nicht fruchten wollen, mit den Fäusten -gegeneinander argumentirt wird. Dieser Fall soll erst kürzlich bei -der Predigt eines Predigers E.., angeblich der Sohn eines deutschen -Bischofs, vorgekommen sein, welcher allen Hader damit geendet hat, daß -er sich bald nachher auf- und davon gemacht und zugleich zum Ueberfluß -einiges Silbergeschirr aus der Kirche auf die Reise nach Ostindien -mitgenommen hat. - -Heute vor meiner Abreise hatte ich auch noch Gelegenheit, in dem -Kaffeehause eines Italieners den vormaligen Wüthrich des deutschen -Wollgeschäfts, den famösen Behr aus Mecklenburg zu sprechen. Obgleich -seine Kleidung reinlich war, so verrieth sie doch, daß er nicht mehr -so recht in der Wolle saß. Er kannte mich nicht, erinnerte sich jedoch -bald meiner, als ich ihm meine Karte gab. - - - - - ~Zweite Abtheilung.~ - - - Havana. - - ~Reise nach Havana, Oertlichkeit und Einrichtung daselbst.~ - -Am 8ten November trat ich meine Reise nach Havana an; es war jetzt hier -so kalt, daß das Eis in den Straßen wohl 1 Zoll stark gefroren war, -und wir auf der Norma, einem beliebten Paquetboot zwischen New-York -und Havana, worauf keine Oefen sind, tüchtig froren. Die Gesellschaft -bestand aus etwa 25 Personen, worunter einige sehr häßliche Nichten -des frühern Präsidenten der V. S., die Frau eines Generals, der -Secretair des französischen Consuls, ein deutscher Arzt, ein in -Matanzas etablirter, aus Hamburg stammender Kaufmann, Trunkenbold -erster Klasse, der Sohn eines der ersten Geld-Aristokraten in Hamburg; -ein in kaufmännischen Geschäften ohne die geringsten Kenntnisse in -Havana etablirtes junges Bürschchen u. A. waren. Ich rathe jedem -geehrten Leser, der diese Reise macht, sich mit einem besondern Passe -zu versehen, welches ich unglücklicher Weise vergessen hatte; auch -hatte ich meinen preußischen Gouvernements-Paß nicht von dem spanischen -Consul in New-York visiren lassen. Als der Capitain und die andern -Reisegefährten dies erfuhren, meinte man, dies sei sehr schlimm, um so -mehr, da das preußische Cabinet mit der Königin von Spanien nicht in -freundschaftlichen Verhältnissen stehe. Der Secretair des französischen -Consuls erzählte, daß 21 Franzosen, welche ohne Pässe angekommen wären, -nach Frankreich zurückgewiesen worden seien, und auch wirklich hätten -zurückreisen müssen, wenn der Consul nicht sich für die Herbeischaffung -der Pässe verbürgt hätte; -- ich indeß -- behielt guten Muth, im -Vertrauen, daß ich mich durch meinen Paß sowohl als durch angesehene -Häuser in Havana würde legitimiren können; Einige glaubten sogar, ich -würde als Arrestant behandelt werden. Nur ein junger Mensch, der Bruder -eines Advokaten in Havana, sagte mir heimlich, daß er den Beamten -kenne und für Alles sorgen wolle, was ich zunächst mit Dank annahm. -Einmal, in einer Nacht, war die Gesellschaft sehr allarmirt, wir fuhren -nämlich zwischen Felsen, an einer Stelle, welche von den Schiffern -The hole in the Wall (das Loch in der Wand) genannt wird und waren in -großer Gefahr, auf einen Felsen zu gerathen; allein der Capitain fand -in der tiefsten Dunkelheit die Passage und am nächsten Morgen hatten -wir das Fort von Havana vor Augen. Noch muß ich eines Zuges des jungen -deutschen Arztes erwähnen; er war der Sohn eines Leipziger Professors, -hatte aber wegen zu großer Gedankenfreiheit sein Vaterland verlassen -müssen, und kam jetzt von New-Orleans, wo er gewesen war, um sich mit -der Heilung des gelben Fiebers vertraut zu machen. Nur das muß ich -an dem jungen Manne tadeln, daß er sich keines Patienten anders, als -nachdem er nachdrücklich von demselben ersucht worden war, annahm. -Er konnte, wie er selbst sagte, keinen Betrug leiden; dies zeigte -sich hier bei unserer Fahrt ebenfalls bei einer eigenen Gelegenheit. -Es ist auf allen für Reisende eingerichteten Paquetschiffen die -Anordnung getroffen, daß an den Sonn- und Donnerstagen Champagner -gratis zum Mittagsessen gereicht wird. Der Schiffs-Eigenthümer denkt -auf wohlfeilen Proviant, und rechnet auf unkundige Trinker, und zwar -auf solche, welche, wie es größtentheils der Fall ist, den Werth des -Champagners nach dem Mußiren beurtheilen, und kein Wunder, daß unser -Schiff mit dergleichen mußirendem Stoff versehen war. Meister in der -Zubereitung solcher Getränke sind die Amerikaner; besonders verstehen -sie, aus den Aepfeln einen mußirenden Cyder zu bereiten, der von -Nichtkennern für Champagner getrunken werden muß -- er wird jedoch -vom Fabrikanten unter dem Namen Champagner-Cyder verkauft. Solcher -Champagner-Cyder wurde an den erwähnten Tagen reichlich aufgetischt, -und wurde denn auch allgemein mit Wohlgefallen für Champagner genossen; -ich meinerseits schmeckte denselben beim ersten Glase heraus, und ließ -es bei demselben bewenden. An einem der letzten Tage machte ich meinen -Landsmann darauf aufmerksam, und ersuchte ihn, das Geheimniß bis zum -Landungstage zu bewahren. „Stören wir die Illusion nicht,“ sagte ich -zu ihm, „bis wir landen; dann wollen wir mit den Hamburgern, welche -sich die ersten Champagnerkenner zu sein dünken, und die letzten -Flaschen den ersteren stets vorzogen, unsern rechten Spaß haben, und -dieselbe necken.“ Er versprach, meiner Bitte Gehör zu geben; allein -als am andern Mittage sämmtliche Tischgenossen wieder den Champagner -priesen, versicherte der Doctor, das, was sie tränken, sei nichts als -Aepfel-Cyder; Keiner wollte weiter trinken, man ging unzufrieden von -Tisch und meine so wie des Capitains Freude war verdorben. Als ich ihm -darüber Vorwürfe machte, erwiederte er: ich hasse jeden Betrug, und es -ist ein wahrer Betrug, Cyder für Champagner aufgesetzt zu bekommen. - -Das Schiff lag vor Anker. Der Platz-Major, unter Begleitung eines -Militair-Commando’s, langte auf einer Galeere zum Empfang der Pässe -an. Mir ging es hierbei ganz glücklich; als der Dolmetscher den -Inhalt meines Passes vortragen wollte, legte der Capitain denselben -zusammen und sagte „schon gut!“ Es durfte indeß noch keiner von den -Passagieren das Schiff verlassen; selbst der hohe Staatsbeamte mußte -die schriftliche Erlaubniß von Seiten des Gouverneurs abwarten. Nur -erst, nachdem sich ein in Havana Etablirter für den Ankommenden -verbürgt hat, wird demselben die schriftliche Erlaubniß zum Landen -gegeben. Der Gouverneur hat die Stunde von 12-1 Uhr zum Unterzeichnen -dieser sogenannten Permitts festgestellt, weshalb Schiffe, welche des -Nachmittags ankommen, bis zum folgenden Tage warten müssen. - -Diese Maßregel soll dazu dienen, das Land von Vagabonden frei zu -halten. Die Meisten und Unterrichteten zeigen ihre Ankunft in früher -absegelnden Schiffen an, und finden das Permitt beim Einlaufen vor. -Auch ich hatte zwei Briefe nach der Stadt befördert, hatte aber durch -die Schuld meines Correspondenten M... noch einige Weitläuftigkeiten, -indem ich nämlich kein Permitt fand, und auch der Capitain, der -sogleich nach Havana hinübergefahren war, mir keins mitbrachte, weil, -wie er sagte, mein Paß in Unordnung sei. Ich faßte jetzt den Entschluß, -selbst an’s Land zu fahren, und die Kraft des goldenen Spruches von -Wieland: „Ein goldener Schlüssel öffnet jedes Schloß“ zu versuchen. -Rasch griff ich in die Tasche und zeigte dem spanischen Don-Soldat, -der auf Posten stand, einige Silberlinge, ohne etwas zu sagen; der -Don verstand meine Silbertöne, und sagte in spanischer Sprache, wie -mir gedolmetscht wurde: fahren Sie in Gottes Namen, kommen Sie jedoch -nicht später als 8 Uhr morgen früh zurück, denn um 8 Uhr ist die -Ablösung und meinem Nachfolger muß ich Sie überliefern. Mit andern -Personen fuhr ich jetzt nach Havana über, und wir langten vor einem -Boarding-Hause ohne Namen an. Eine eben so bejahrte, als beredsame -Wirthin kam sofort herbei und gab mir sowohl auf Englisch, wie auf -Französisch zu verstehen, daß ich dasjenige Zimmer, welches mir -angewiesen wurde, in welchem sich eine Feldbettstelle, in der Form -eines deutschen Stickrahmens mit einer dünnen Kattundecke, ferner -ein ganz ordinairer Waschtisch und zwei hölzerne Schemel befanden -- -für nicht mehr, aber auch nicht weniger als 17 Piaster inclusive des -Mittagessens und des Frühstücks pro Woche haben könnte. Nachdem ich -diese erfreulichen Bedingungen mit philosophischer Ruhe vernommen und -meine Sachen abgelegt hatte, eilte ich, meinen Correspondenten, den -Consulvertreter M..., an den ich mich bereits früher wegen des Permitts -gewendet hatte, aufzusuchen. Ihn und seine sämmtlichen Commis fand ich, -wie es hier bei der Hitze üblich ist, im tiefsten Negligé bei Tische. -Entrée und Speisesaal bilden ein mit Zugwind versehenes Ganze. Beim -Caffee sagte M... zu mir, ich würde wohl daran gethan haben, meine -Ankunft einige Wochen vorher anzuzeigen, damit ich alles Nöthige, Logis -u. s. w. in Ordnung angetroffen hätte. Da ich dieses gethan zu haben -mir bewußt war, so wußte ich, woran ich mit diesem Helden war. Wegen -des Permitts versprach er, das Nöthige zu besorgen, und am andern Tage -um die Mittagszeit, nachdem ich vorher meinem Versprechen gemäß, zu -dem Don-Soldat zurückgekehrt war, erhielt ich denn auch endlich die -schriftliche Erlaubnis Sr. Exzellenz, versehen mit 7 Unterschriften. -Meine Sachen ließ ich am andern Tage Vormittags abholen, weil das -Steueramt nur bis 12 Uhr expedirt; die Revision war nach preußischer -Weise, d. h. sehr liberal; mein geringes Gepäck passirte ohne viele -Umstände. Zum Fortschaffen desselben muß man hier drei Neger bezahlen, -wo man in Europa nur eine Person gebraucht. Als ich nach meinem Logis -zurückkam, trat mir ein Don-Soldat entgegen mit der Aufforderung, -ihm sofort zum Capitain de Place zu folgen. Nachdem ich rasch meine -Toilette gemacht, wobei der Soldat sich vor der Thür meines Zimmers -befand, führte mich dieser zum Capitain, einem überaus artigen Manne, -welcher, nachdem er mein Permitt gesehen hatte, mich um Verzeihung -bat, und meinte, es müsse hier ein Irrthum in der Person stattgefunden -haben; allein ich habe Ursache zu glauben, daß einer von meinen -Reisegefährten eine Anzeige gegen mich gemacht hat. - -Vor allem Uebrigen, dachte ich, als die Paß-Verlegenheit beseitigt -war, ein Logis für mich zu miethen, weil die Ausgabe von 100 Piaster -pro Monat für ein schlechtes Zimmer und eben so schlechte Kost mir zu -theuer schien, und 100 Piaster kann man vollkommen die Ausgaben in -einem solchen Boarding-Hause anschlagen. Es wurden mir von mehreren -Bekannten Logis in Vorschlag gebracht, die ich sofort besah, und -mit Pferdeställen zu vergleichen nicht umhin konnte; für Möbel und -Bedienung sollte ich überall noch besonders sorgen. Zuletzt miethete -ich eins was mir besonders empfohlen wurde, bei einer sehr braven Frau, -die von Geburt eine Französin war, worin sich, wie in jedem Hause in -Havana, Ratten, Mäuse, Scorpione, Cucerachas (große Würmer) aufhalten, -und war dies Gemach in Hinsicht der vielen Thierarten mit Noah’s Arche -zu vergleichen. In meiner Wirthin sowohl, als in ihren beiden Söhnen -fand ich treffliche Leute, bei denen ich mich ungemein wohl befand, -und mich von meinen körperlichen Leiden und den Widerwärtigkeiten der -Handelskrisis merklich erholte. - -Es ist so manches über Havana, seine Sitten und Verhältnisse -geschrieben worden, auch der Herr von Humboldt berührt dieses Capitel -in seinen berühmten Werken; allein was den Handel betrifft, so hätte -in keinem Falle dieser ausgezeichnete Mann, dem übrigens auch wohl -die praktische Erfahrung in Handelssachen abging, hierüber etwas sagen -können, was jetzt noch genügte, da jetzt die Handelsverhältnisse sich -ganz anders gestaltet haben, und wenn es noch um das Jahr 1802 etwa -drei Häuser gab, die sich mit dem Handel nach Europa beschäftigten, so -giebt es deren jetzt vielleicht 300. Es wird nicht ohne allgemeines -Interesse sein, nachzuweisen, in wie fern die jetzt stattfindende -überaus große Concurrenz vortheilhaft oder nachtheilig für diese Insel -und die europäischen Kaufleute ist. Meine gesammelten Erfahrungen -werde ich ohne Scheu niederschreiben, meine Behauptungen klar und -bestimmt aufstellen und beweisen, und endlich auch solche Vorschläge -zur Verbesserung des Handels zu machen mich bemühen, welche mir, als -praktischem Kaufmann, ausführbar scheinen. Zuvor werde ich jedoch -Einiges über den Ort, über die Lebensweise der Bewohner etc. bemerken. - -Havana ist an und für sich klein, obgleich es gegen 120,000 Einwohner -zählt. Für die Passagiere ist der Place des Armes, welchen Platz er -gleich nach der Landung am Werft betritt, höchst überraschend und -anziehend; ein Viereck, auf welchem sich drei prächtige Gebäude, -das Haus der Gouverneurs, der Intendantur, das Palais eines Großen -und eine Kaserne im großartigsten Stil gebaut, präsentiren. In der -Mitte ist ein Platz von der Größe des Lustgartens zu Berlin, und -ähnlich wie dieser arrangirt. Vier kleine Fontainen und das Monnument -Ferdinand’s befinden sich in den kleinern mit Gußeisen eingefaßten -Quarrées, in welchen blühende oder fruchttragende Orangen-, Cedern- und -Palmbäume majestätisch prangen. Zur Bequemlichkeit der Spaziergänger -sind die Wege mit Quadratsteinen von Granit belegt. Die Promenade -auf diesem Platz ist jeden Abend von 8-9 Uhr, wenn das Musik-Corps -der Garnison, welches ausgezeichnet brav ist, die Retraite bläst, -und zugleich die gewähltesten Stücke spielt. Die Damen erscheinen -alsdann in Ballkleidern, jedoch ohne Kopfbekleidung und Handschuhe, -die hier nicht Gang und gebe sind; Blumen, Perlen und dergl. dient den -hiesigen Damen zum Kopfputz; die ältesten Frauen tragen nichts auf dem -Kopfe, nur bei großer Kälte wird ein chinesischer Shawl über den Kopf -genommen. Damen ersten Ranges verbleiben in den Volanten. Von diesem -schönen Platz, durch welchen jeder Ankommende eine sehr vortheilhafte -Meinung von Havana bekommt, gehe ich zu den vier Hauptstraßen über, -sie heißen: Orili, Obispo, Lamperillia und Obra Pia, haben 16-18 Fuß -Breite und sind mit schmalen, etwa 20 Zoll breiten, sehr fehlerhaften, -zum Beinbrechen eingerichteten Trottoirs versehen. Man muß sich -daher sehr vorsehen, auf diesen Trottoirs nicht auszugleiten, oder -von einer vorübergehenden Volante gerädert zu werden. Die Volante -ist ein zweirädriges Cabriolet mit einem Pferde, oder auch Maulthier -bespannt, die gewöhnlich von einem Neger geleitet werden. Man muß -daher mit sehr großer Vorsicht in den Straßen gehen, indem die Achsen -dieser Cabriolets 6 Fuß in der Breite messen, und die Räder eine Höhe -desselben Maßes erreichen, welche des Umwerfens wegen in der Art -angebracht sind, daß der Raum an den obern Theilen auf 7 Fuß anzunehmen -ist. Begegnen sich daher zwei solcher Volanten in den 16 Fuß breiten -Straßen, so bleibt für den Fußgänger äußerst wenig Raum übrig; ein -Rad muß nothwendig über das Trottoir gehen, wobei es nicht selten an -den Röcken der Vorübergehenden gereinigt wird. Dazu kommt, daß die -Neger darauf los fahren, ohne die Fußgänger anzurufen und Vorsicht zu -empfehlen. - -Die Straßen sind ungepflastert und daher oft, besonders nach starkem -Regen, nicht zu passiren, indem das Wasser 6-8 Zoll hoch steht: -welcher Umstand den Wäscherinnen nicht minder als den Volanten eine -gute Erndte verschafft, denn es ist in Havana allgemein Sitte, in -weißen Pantalons, feinen weißen Strümpfen, und Schuhen mit umgewendeten -Sohlen umherzugehen. Bei großem Schmutz müssen diese 3-4 Mal täglich -gewechselt werden. Es ist nichts Seltenes, daß Commis von Comptoiren -15 Piaster Waschgeld pro Monat bezahlen; ein junger Mann versicherte -mir, daß er im Sommer täglich dreimal die Wäsche wechsele, und wohl -7 Dutzend Pantalons besitze. Die Kutscher der Volanten sind oft so -mechant, daß sie im Vorbeifahren vorsätzlich den Vorübergehenden die -weißen Pantalons beschmutzen, damit diese einsteigen und nach Hause -fahren müssen, um auf’s neue Toilette zu machen. Man bezahlt für eine -Tour etwa acht Groschen Courant, bei schlechtem Wetter oft das Doppelte. - -Für die ankommenden Schiffer ist hier die Art und Weise des Abladens -weit angenehmer als in New-York; es wird ihnen hier sogleich nach ihrer -Ankunft ein bestimmter Platz dazu angewiesen, wogegen sie in New-York -vielleicht 10 Tage warten müssen. Da indessen die Räume für die Waaren, -die zur Niederlage gebracht werden, zu klein für die Importation sind, -die Zollbeamten aber auch nur bis 12 Uhr Vormittags arbeiten, so ist es -gar nichts Seltenes, daß die Empfänger von Gütern vier Wochen und noch -länger warten müssen. - -Das Weihnachtsfest begann hier ohne besondere Zurüstungen und -Festlichkeiten; am sogenannten heiligen Abend sah ich nichts -Ungewöhnliches in der Stadt vorgehen. Nur die Schiffer kündigten das -Fest dadurch an, daß sie alle vom Werft in den Strom hinauslegten. -Die bedeutenden spanischen Handlungshäuser schließen ihr Geschäft bis -zum zweiten Januar und besuchen ihre Freunde auf dem Lande. (Es giebt -hier nichts als Sommertage.) Man fährt von einer Plantage zur andern, -und findet überall Schmausereien und Bälle. Die Commis machen es eben -so; sie fahren auf der Eisenbahn, oder auch auf Dampfschiffen zu ihren -Bekannten. Die Gastfreundschaft ist hier größer, als ich sie irgendwo -gefunden habe, indeß sind auch solche Parthieen in der Regel sehr -kostspielig, indem man an dem National Hazardspiele Theil nehmen muß, -welches, wie alle dergleichen Spiele, für Pointeurs nachtheilig ist, -man jedoch Theil daran zu nehmen nicht gut verweigern kann, weil jeder -Spanier gern spielt, und als Wirth es einigermaßen erwartet, daß die -Geladenen sich nicht davon ausschließen werden. Ein junger Deutscher -versicherte mir, bei einem sehr gemäßigten Spiele 8 Unzen (à 17 Piaster -die Unze) verloren zu haben. Mit dem 24. December hören alle Geschäfte -auf, selbst der Packhof bleibt von diesem Tage an bis zum 2. Februar -geschlossen -- sehr hart für Geschäftsleute. - -Das Weihnachtsfest wurde von Mitternacht an aus allen Kräften mit -allen Glocken verkündet. Es regnete in Strömen, und dennoch zogen die -Menschen zu jener Zeit in Massen nach der Kirche. Junge Leute von allen -Religionen verfehlten nicht, den Messen und -- noch etwas Anderem --- beizuwohnen. Da ich indeß in meinem Leben von den Leipziger und -Frankfurter Messen zu viel Genuß gehabt habe, so blieb ich von diesen -Messen zurück, und legte mich in meiner Arche zu Bette. - -Am Nachmittage des Weihnachtstages begab ich mich nach dem sogenannten -Passeo de Tacon, einer von dem vorigen Gouverneur in großem Stil -angelegten Promenade, welche, wenn die darauf gepflanzten Orangen-, -Ceder-, Cocus-, Palm- und Brodbäume in Zeit von 50 Jahren etwa einmal -Schatten für die Spaziergänger darbieten werden, zu den ersten -Promenaden auf der Erde gerechnet werden dürfte. In derselben fand -ich mehrere 100 Volanten, die, wie in St. Petersburg bei großen -Schlittenfahrten in der Butterwoche, in der größten Ordnung fahren. -Lanciers bilden eine Barriere zwischen den Hin- und Zurückfahrenden. -Die Damen sitzen en deux oder auch en trois in Ball-Anzügen in den -Volanten, wo sie ihre sehr schönen Füße, welche in den allerschönsten -seidenen Strümpfen und Atlas-Schuhen ihr Obdach haben, so vortheilhaft -präsentiren, daß die Vorübergehenden über diesen reizenden Theil des -weiblichen Körpers ein vortheilhaftes Urtheil auszudrücken sich nicht -enthalten können. Ich muß gestehen, daß ich die schönsten Füße, und die -geschmackvollste Chaussirung hier antraf, denn was man in Paris und -London nur hin und wieder sieht, das findet man hier im Allgemeinen. -Dies ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, daß die hiesigen Damen wenig -oder gar nicht stehen oder gehen; in ihren Wohnungen sitzen sie stets -und wenn sie durch Geschäfte aus dem Hause gerufen werden, so fahren -sie in ihren eigenen Volanten, die jede Frau zu ihrer Disposition hat. -Alle Einkäufe werden in den Volanten gemacht; die Laden-Diener müssen -die Artikel, nach welchen die Käuferinnen fragen, an den Wagen bringen, -man beordert, das Nöthige zu schicken, und fährt dann nach einem -Conditor-Laden, um Gefrornes zu genießen (ebenfalls im Wagen). Aus -diesem Grunde hat Jeder, der einen offenen Laden besitzt, eine Masse -von Dienern nöthig, welche, wenn das Wetter die Damen vom Ausfahren -abhält, den Orgelpfeifen gleich, hinter den Ladentischen stehen. Da die -Damen hier zu Lande das Abdingen nicht so verstehen, wie die Berliner -Damen, so weiß der Verkäufer es so einzurichten, daß dieselben den Lohn -für jene Masse von Dienern mit bezahlen müssen. -- Als ich gegen 8 -Uhr von meinem Spaziergang durch die herrliche Allee von Orangen etc. -zurückkehrte, dachte ich an meine guten Berliner, und wünschte, daß -sie meinen Genuß auf diesem Spaziergange mit mir theilen könnten, ohne -daß sie nöthig hätten, sich, wie ich, diesen Winter hier aufzuhalten, -denn ein immerwährender Sommer muß dem Menschen, welcher den Wechsel in -allen Dingen fordert, am Ende lästig werden, und dieses war mit mir der -Fall. - -Obgleich ich schon einiges von den häuslichen Einrichtungen in Havana -berührt habe, so erscheint mir doch dieser Gegenstand wichtig und -interessant genug, um etwas ausführlicher darüber zu sein. Das Erste, -woran Jemand denkt, der sich hier etablirt, ist der Ankauf von Sclaven. -Viele Leser werden hierin etwas Widriges, und Ungerechtes erblicken, -daß man einen Menschen als Sache behandelt und ihm die Freiheit nimmt, -zu der er geboren ist. Allein, da hier keine Dienstboten zu miethen -sind, und man dienende Leute nicht gut entbehren kann, so muß man schon -zum Ankauf von Sclaven, d. h. der Neger schreiten, die hier wie ein -Bündel Schwefelhölzer d. h. mit derselben Gleichgültigkeit gekauft und -verkauft werden. Sie sind zu jeder Zeit zu haben, da es sehr viele -Kaufleute giebt, die auf diesen Artikel spekuliren und immerwährend ein -wohlassortirtes Lager von 6-800 besitzen. Der Preis eines Sclaven ist -400 bis 450 Piaster en detail und etwa 360, wenn man en gros kauft. -Ueber den Handel en gros werde ich weiter unten ausführlicher sprechen. - -Hat man Sclaven, so sieht man sich nach einem Hause um, welches -monatsweise vermiethet wird und zwar zu 100 bis 500 Piaster; ein Haus -von dem erstern Preise ist sehr unbedeutend, und eins von dem letztern -nicht das ausgezeichnetste. Das Ameublement ist im Durchschnitt höchst -mittelmäßig und mit dem in Europa in gar keinen Vergleich zu stellen. - -Die Hauptrolle in demselben spielen die Armstühle, statt der vier -Füße mit zwei Untergestellen, wie in Europa die Wiegen, versehen, -wovon sechs bis acht vor den großen nur mit eisernen Gittern, ohne -Glas, umgebenen Fenstern zum Empfang der Gäste bereit stehen. Die -Damen sitzen Abends auf denselben und schaukeln sich, um von den -Vorübergehenden bewundert werden zu können. Die Zimmer sind entweder -durch hängende Lampen erleuchtet, oder dieselben stehen auf einem -Tische in der Mitte des Zimmers. Ein oder zwei Volanten müssen in den -Vorhäusern zum Zeichen der Wohlhabenheit des Eigenthümers, und zur -Unbequemlichkeit der Eintretenden dastehen; hin und wieder bemerkt -man auch eine Volante im Gesellschaftszimmer in der Nähe des Piano. -An der Thür muß ein Portier im weißen recht feinen Hemde sitzen, und -seinen Cigarr rauchen, wenn das Haus einen vollkommenen Anstrich -von Anständigkeit haben soll; die Portiers sind gewöhnlich Spanier. -Oft sieht man im Vorbeigehen die ganze Damengesellschaft auf ihren -Schaukelstühlen oder am Fortepiano mit brennenden Cigarren. Die Köche -sind in der Regel freie Menschen und werden für ihr Metier sehr gut -besoldet. Hier ist, wie es sich von selbst versteht, nur von Häusern -erster Klasse die Rede. In der Mittelklasse sucht man gewöhnlich einen -Sclaven zum Koch abzurichten, was sehr leicht ist, denn die Hauptkunst -besteht hier darin, die Fricassées in Oel schwimmend auf den Tisch zu -schicken, die Fleischspeisen zu Brei zu kochen oder zu braten, und -mit tüchtig viel Knoblauch und Zwiebeln zu würzen. Die Bedienung bei -Tische geschieht durch Sclaven, welche wie die Hunde dressirt sind, -und beständig auf die Gäste aufmerken. Da steht Einer mit der vollen -Flasche in der Hand, um das leere Glas sofort zu füllen; dort steht -ein Zweiter, die Hände über die Brust gefaltet, er sieht den Gast -scharf an, um seine Befehle entgegen zu nehmen; ein Dritter paßt mit -reinen Tellern, Gabeln und Messern auf den Dienst. Bei Leuten untern -Ranges ist es eben so, nur unterscheiden sich die Sclaven im Anzuge -und es gilt von diesen, was der große Kant in seiner Anthropologie von -den Polen bemerkt, daß nämlich bei den Großen in Polen man von Silber -speise, und die Bedienung ohne Schuhe und Strümpfe aufwarte, wozu in -Havana oft noch zerrissene Kleider kommen. Dem Eingebornen ist solche -Schwäche nachzusehen, aber die Ausländer, die Deutschen sollten hier -dasselbe thun, was sie in den V. S. thun müssen, d. h. sich ihre Diener -von Europa mitbringen. Doch was giebt es in Westindien für Deutsche? -daß sich Gott erbarmen möge! Größtentheils solche, welche sich in -Bremen mit Tabacks-Krämerei beschäftigt haben. - -Haushaltungen kosten hier sehr viel; die Frauen in denselben bekümmern -sich um nichts, jeder einzelne Sclave um das, was ihm übergeben ist; -der Einkäufer von Proviant sorgt hauptsächlich für Knoblauch, das -Lieblings-Gewürz der Spanier. Die Anzahl der Gerichte ist hier sehr -bedeutend, aber die Schüsseln von geringem Umfange, und der Inhalt -derselben ist wegen der ungeheuern Oeldecke schwer zu ermitteln. Es -wird sehr rasch gegessen, Caffee getrunken, ein Cigarr geraucht, wenig -gesprochen und man entfernt sich. Hinsichtlich des Essens befinden sich -die Sclaven hier außerordentlich wohl, da sie Alles in Ueberfluß haben -und daher mit ihrem Schicksal in Havana nicht selten zufriedener sind, -als mit dem vorigen in Afrika. Die Neger, welche in gallonirten Jacken -und Schuhen ohne Strümpfe, an deren Stelle sie große Cürassier-Schäfte -von gebranntem Leder, auf deren Stülpen sich Silberstifte in -Unzahl befinden, mit Schnüren über den Beinen befestigen, dünken -sich Groß-Moguls zu sein, wenn sie mit großen silbernen Sporen und -Schnallen, durch welche letztere jene Schäfte unter den Knieen -befestigt sind, ihren Gebieter vom Pferde herab kutschiren. Alles, -was man in Europa an den Wagen und Geschirren in Gürtlerarbeit von -Bronce bemerkt, wird hier meistens vom besten Silber verfertigt, und -alles dies ist für Leute ersten Ranges, an welche sich die deutschen -Commissionaire auf Unkosten der europäischen Geschäfts-Freunde -anreihen, unbedingt nothwendig. - -Den zweiten Festtag wendete ich dazu an, mich mit den Vergnügungen der -Sclaven bekannt zu machen; ich durchstrich die entlegensten Theile -der Stadt, um die Belustigungs-Oerter dieser unsern Gefühlen nach -unglücklichen Menschen aufzufinden. Indeß giebt es freilich nur wenige -Herren, die nicht ihre Sclaven, einige Stunden der Ruhe abgerechnet, -ununterbrochen im Joche halten. Ich folgte dem Zuge einer Masse -von jungen Negern und langte in ihrer Mitte unter den Wällen der -Festungswerke an. Mehrere Trommeln und verworrenes Geschrei, welches -die Unglücklichen Gesang nennen, zogen mich zu den Häusern, wo die -Belustigung stattfand, und ich sah eine junge Negerin die Königin -des Balles machen und tanzen, nach der Trommel und dem Geschrei der -zuschauenden Neger; Arme und Körper bewegten sich nach dem Takte, -und sie gefiel ungemein; diesen Ball hatte, wie ich hörte, ein -Cigarren-Fabrikant veranstaltet, der seine Arbeit wegen Mangel an -Taback auf 14 Tage einstellte. - -Die Erfahrung, welche ich in Hinsicht des Handels hier machte, war für -mich höchst traurig; ich werde Alles ziemlich ausführlich erzählen, -damit der kaufmännische Leser auf seiner Hut sei und nicht ein -ähnliches Schicksal erleide. - - - ~Ueber die - Handels- und Geschäfts-Verhältnisse - in~ - Havana. - -Mein Correspondent, der Herr M... aus Bremen, war gleich bei meiner -Ankunft sehr gesprächig und zuvorkommend. Da es hier üblich ist, -den ankommenden Geschäftsfreunden seinen Tisch zu offeriren, so -verfehlte auch Hr. M... nicht, mir zu eröffnen, daß ich an seinem Tisch -ein Couvert für mich bereit finden würde. Ich habe indessen nie da -gefrühstückt, und ging höchstens ein paar mal die Woche zum Mittagessen -hin und zwar lediglich, weil mir das Essen in der ersten Restauration -la belle Europe zuwider war. Die Bedienung der Restauration nämlich -erscheint mit brennenden Cigarren im Munde und Pantoffeln über den -nackten Füßen. Wenn etwas von der Asche des Cigarrs auf den Teller -fällt, so wissen die Aufwärter dieselbe sehr gewandt fortzunehmen, -und dies möchte noch hingehen; aber nichts Seltenes ist es auch, daß -sie, wenn sie Bratfische oder Pudding bringen, vor dem Ueberreichen -sich von der Wärme dieser Speisen überzeugen, und mit dem Tabackssaft -an den Fingern dieselben betasten. Daher nahm ich zuweilen, obgleich -mit einem innerlichen Widerwillen, den Platz ein, den M... an seinem -Tische für mich bestimmt hatte. Die ganze Gesellschaft war gewöhnlich -im Negligé, was auf mich einen höchst unangenehmen Eindruck machte. Die -Unterhaltung war eben so trocken und kraftlos wie die Braten, beides -nicht für einen deutschen Geist und Magen. Ich merkte bald, daß M... -sich für mich intressirte, in der Hoffnung, große Geschäfte mit mir -zu machen; daß dies von keiner großen Dauer sein würde, war leicht -vorauszusehen, und zeigte sich bald aufs Deutlichste. - -Als er eines Nachmittages über Zucker-Spekulationen zu sprechen -anfing, und mir zuredete, daß ich eine im Belauf von 40,000 Piaster -zu unternehmen nicht säumen möchte, und gute Rechnung finden würde, -erwiederte ich ihm: In meinen Jahren ist der Kaufmann, der etwas -Vernunft besitzt, nie so ambitiöse, sich über seine eigene Kräfte -erheben zu wollen; wenigstens denke ich so, und werde mich daher nie -in unabsehbare und unberechenbare Spekulationen einlassen. Meine -Antwort mißfiel ihm sichtlich, und er entgegnete: „freilich wird man -bedenklich, wenn man alt wird.“ Er brach jetzt ab, indessen bemerkte -ich von nun an eine Gleichgültigkeit und Kälte, die sich in der Folge -noch vermehrte, als er sah, daß ich mich selbst um den Verkauf meiner -Waaren zu bekümmern anfing. Ich zeigte nämlich die Proben von einigen -meiner Artikel in einem Handlungshause, und der Chef desselben, ein -gewandter Geschäftsmann (Pole), sagte zu mir: „diese Waaren verkaufe -ich Ihnen, sobald wir etwas von Mexico erfahren; ich habe einen Mann, -der für 150,000 Piaster kaufen wird, er will jedoch zuvor das Paquet -von Vera-Cruz abwarten.“ Auf sein Anrathen ließ ich die Proben bei ihm -liegen. Mit Proben von einem andern Artikel begab ich mich nach dem -Comptoir eines Amerikanischen Hauses, und erfuhr, daß diese Waare knapp -(rar) und folglich gesucht sei; ich acceptirte den vorgeschlagenen -Preis und verkaufte diese Waare sogleich. Als ich nun dem M... sagte, -daß ich die Waare, von welcher er mir gesagt hätte, daß sie gar nichts -werth sei, weil es keine Käufer dafür gebe, verkauft hätte, und ihm -auftrug, sie dorthin zu expediren, so ergrimmte er gänzlich; auf alle -meine Fragen wurde mir wenig oder gar keine Antwort ertheilt, kurz -er wollte mir jetzt über Nichts Rede stehen. Aufgebracht über dies -Verfahren, stellte ich ihn endlich förmlich über sein Betragen gegen -mich zur Rede und erhielt zur Antwort, daß ihm meine Geschäfte nicht -conveniren könnten, indem er nicht gewohnt sei, daß Leute, welche -Waaren bei ihm in Commission hätten, sich selbst um den Verkauf -bemühten, und Proben herumzeigten. „Wir wollen das jetzige Geschäft -abwickeln,“ setzte er hinzu, „und an kein neues denken; überdies -sind Sie mir fremd, da Sie kein Empfehlungsschreiben aus Europa an -mein Haus mitgebracht haben.“ Ich entgegnete: „fremd kann ich Ihnen -unmöglich sein, da ich eine bedeutende Parthie Waare bei Ihnen liegen -und schon mehrere Jahre mit Ihrem Hause in Verbindung gestanden habe. -Daß ich dieses Geschäft mit Ihnen abwickele, ist freilich nothwendig.“ --- Hier muß ich eine Bemerkung einschalten. Es scheint nämlich in -dieser Stadt eine Convention unter den Commissionairen zu sein, daß -sie keine Geschäfte, welche bereits einem andern Hause übertragen -gewesen sind, übernehmen. Es verhält sich also mit diesen, wie mit den -Karrenschiebern in Holland. Diesen durfte man nichts zum Fortschaffen -übergeben, ohne vorher aufs bestimmteste mit ihnen accordirt zu haben, -denn hatte derselbe die Sachen eine kurze Strecke gekarrt, so forderte -er +seinen+ Preis, und verweigerte man ihm diesen, so warf er das -sämmtliche Gepäck von der Karre herunter, und man mußte sich dann der -Willkühr eines andern Karrenschiebers unterwerfen. „Da ich also das -Geschäft mit Ihnen abwickeln muß,“ fuhr ich fort: „so bin ich Ihnen -für Ihr gefälliges Anerbieten sehr verbunden; daß ich übrigens die -Proben selbst vorgezeigt, können Sie mir um so weniger übel nehmen, da -Sie mir den Artikel als unverkäuflich schilderten, welchen ich selbst -sofort verkaufte; da mir ferner Ihr Verkäufer, wenn ich ihm Käufer für -einen oder den andern Artikel nenne, erwiedert: Sie wollen doch wohl -nicht, daß ich zum Käufer hingehen soll, um die Waaren anzubieten? Wird -er hieher kommen, um die Waaren zu kaufen, so werde ich mich bemühen, -etc.“ -- Hierauf erwiederte M... „Nun gut! Wir wollen es abwickeln,“ -und ich verließ ihn. Ich mußte ihm alle Proben zustellen, die jetzt -ruhig liegen blieben. Wären meine Waaren in den Händen eines andern -Commissionairs gewesen, so würden sie sicherlich nach der Einnahme des -Forts von Vera-Cruz verkauft worden sein, aber so blieben sie leider -unverkauft; nachdem die Nachricht von der Niederlage der Republikaner -von Vera-Cruz eintraf, war an das Verkaufen derselben nicht mehr zu -denken. - -Das Waarengeschäft ist in ganz Westindien das schlechteste von allen -Geschäften, besonders für die Europäer, welche es durch Commissionaire -betreiben zu lassen für gut erachten, die entweder Tabacks- und -Käse-Verkäufer in Hamburg und Bremen, oder auch Händler fertiger Wäsche -gewesen sind, denen es daher an Waarenkenntniß gänzlich mangelt. Junge -Leute, die zum Schreiben in Comptoirs, oder bei Lotterie-Collecten -in Hamburg 5 Jahre als Lehrbursche gearbeitet haben, werden als -Verkäufer engagirt, bekommen, da sie sich der Gefahr des gelben Fiebers -aussetzen, große, ja enorme Salaire, und die Vollmacht, über das im -Schweiße des Angesichts erworbene Eigenthum der in Europa wohnenden -Kaufleute oder Fabrikanten frei zu schalten und zu walten. Der -Commissionair will verkaufen, um seine großen Ausgaben für den Lohn der -Leute, Miethen und luxuriöse Lebensweise zu decken. Zehn Procent wird -für die Verkäufe, Garantie und das Remittiren in Rechnung gestellt; -rechnet man aber das Angehängte hinzu (worüber ich später ausführlicher -abhandeln werde), so sind es wohl 15 Procent, die in Rechnung -gebracht werden. In den Comptoirs und demzufolge in den Caffeehäusern -wimmelt es stets von jungen Comptoir-Bedienten, diesen Blutegeln für -die europäischen Kaufleute, die nach Westindien Handel treiben. Es -wird mit dem Gelde geworfen, die feinsten Weine werden getrunken, -Landparthieen, die 50-80 Piaster kosten, werden unternommen, und wer -bezahlt Alles dies? Antwort: wir armen Europäer. Wir erhalten nicht nur -die Equipagen, die Sclaven, die Maitressen der Principale, sondern wir -müssen auch Sorge dafür tragen, daß die Handlungsdiener sich Reitpferde -halten, jeden Abend die italienische Oper oder das Theater de Tacon à -1½ Piaster Entrée etc. und nach Beendigung derselben ihre Mädchen -mit fünf Piastern in der Hand besuchen können. Wer dies Alles gesehen -und die Art und Weise der Verkäufe beobachtet hat, dem vergeht ohne -Zweifel die Lust, Geschäfte hieher zu machen. Man hat nur nöthig, -mit den Käufern, Mercader genannt, in Berührung zu kommen und deren -Schlauheit in Benutzung der schwachen Seiten der braven Commissionaire -zu bemerken; wer dieses vermag, in dem wird der letzte Funken zu -Geschäften aufs Gerathewohl erlöschen. Ich halte es für Pflicht und -Schuldigkeit, die Handelswelt auf das Risico beim westindischen Handel -aufmerksam zu machen, und werde deshalb (wie schon früher bemerkt) frei -und ohne Furcht niederschreiben, was ich erlebt habe; kann Jemand meine -Urtheile widerlegen, so werde ich es mit Dank annehmen, jedoch hierzu -dürfte schwerlich Einer gefunden werden. - -Die Insel Cuba, mit einer Bevölkerung von 800,000 Menschen,[A] -unter denen 620,000 Neger und 180,000 Weiße, importirt jährlich -für 20,000,000 Piaster, mithin im Durchschnitt für 25 Piaster auf -jeden Kopf. Da indessen mit Gewißheit anzunehmen ist, daß die -Durchschnitts-Consumtion sich nicht höher als auf 12 Piaster beläuft, -so ist der Import auf Cuba noch einmal so hoch, als er sein sollte und -wirkt nachtheilig auf die Preise. (Die V. S., mit einer Bevölkerung -von 13 Millionen Weißen und 3,000,000 Schwarzen, importiren nur für -140 Millionen Piaster, von welchen noch etwa für 10 Millionen nach -andern Staaten, Texas u. s. w. ausgeführt wird). Sämmtliche Waaren -werden hingegen in Havana eingeführt und auch daselbst gelöscht, den -Waaren-Einkäufern ist mithin hierdurch eine genaue Uebersicht von den -Beständen gereicht, und können demnach beurtheilen, ob sie theuer, oder -zu wohlfeilen Preisen einzukaufen haben, welches in den V. S. nicht der -Fall ist, da es außer dem New-Yorker Hafen viele andere Städte giebt, -in welchen Waaren direct importirt und nach dem Innern weiter versendet -werden. - -Die hiesigen eigentlichen Kaufleute und Waarenhändler en gros, -Mercadere genannt, werden es, wie mir scheint, noch einmal dahin -bringen, daß Commissionaire für Rechnung ihrer auswärtigen Freunde, -deren Waaren sie kaufen, und gewöhnlich erst nach 6-8 Monaten, wenn -sie zahlungsfähig sind, bezahlen, daß die Commissionaire, sage -ich, für jedes Colly beim Empfang eine gewisse Summe baar ihnen -einhändigen müssen, damit sie ihre Miethen und ihren Lohn bezahlen -können. Es hat wirklich etwas Komisches, wenn man die Verkäufe in den -hiesigen Commissionshäusern mit ansieht, wie diese Mercadere von den -Verkäufern schmeichelnd und tändelnd tractirt werden; obgleich Jeder -der Hereintretenden gesonnen ist, nicht mehr als höchstens die Hälfte -des Fabrikpreises zu offeriren und die Zahlung innerhalb 8 Monaten -zu versprechen, so wird er dennoch von den Verkäufern behandelt, -als wisse dieser, der Mercader sei gesonnen, für die vorgezeigten -Waaren einen ansehnlichen Gewinn und baare Zahlung zu gestatten; -und nun die Procedur beim Verkauf! sie ist folgende. In kleinen -Handschreiben berichtet der Commissionair den Mercaderen, daß er an -diesen bestimmten Tagen im Auftrag eines auswärtigen Hauses eine -Parthie Manufactur-Waaren verkaufen müsse, und ersucht diese, sich am -Vormittag einzufinden, um die Waaren anzusehen und ein Gebot darauf zu -machen. Die Eingeladenen erscheinen, und nehmen eins der geschriebenen -Verzeichnisse, worauf diese deutlich specificirt sind, zur Hand, -bemerken, nachdem sie die Waaren durchgesehen, auf denselben den Preis, -den sie in Bausch und Bogen für seidene-, wollene-, baumwollene-, kurz -alle Waarensorten durcheinander geben wollen, fügen ihre Unterschrift -bei, legen dies auf den Tisch nieder und gehen weg. Daß die Käufer -meistens unter sich einverstanden sind, versteht sich von selbst. -Dem, der das größte Gebot gethan hat, schickt nun der Commissionair -die Waaren zu; die Hälfte des Factura-Preises muß wenigstens geboten -worden sein, wenn der Commissionair sich zum Verkauf geneigt fühlen -soll; ist nur 45 Procent geboten, so wird weiter nicht Rücksicht -auf ihn genommen. Bei Leinwand findet die Ausnahme statt, daß der -Commissionair nur auf 15, höchstens 20 Procent unter den Fabrikpreisen -eingeht. Die Käufer sind in der Regel nicht dringend mit ihrem Einkauf, -da sie in derselben Woche vielleicht zehn dergleichen Einladungen von -andern Commissionairs zu erwarten haben. Sie kennen die Bestände, den -Bedarf, und wissen, daß für die ankommenden Waaren, durch Fortschaffung -der alten, Platz werden muß, eben so gut, als daß der Commissionair -rasch verkaufen muß und möchte, um die Waaren, worauf er 10 Procent -für Provision verdient, selbst zu verkaufen und nicht durch Andere -verkauft zu wissen, denn wie leicht könnte die Ordre zur Auslieferung -von Europa eintreffen! Alles dies trägt dazu bei, daß die Käufer nie -auf den selbstbestimmten Preis etwas zulegen und sich des Zuschlags für -gewärtig halten. Die letztere Furcht aber wirkt am meisten. Es kommt -daher nicht selten vor, daß hiesige Commissionaire, wenn sie sich im -Auftrage eines Europäers zum Empfang der Waaren melden, die Antwort -erhalten: die Waare ist schon verkauft, und die Abrechnung, welche -bereits ausgefertigt ist, geht mit erster Gelegenheit ab. - -Wie die Verkäufe hier betrieben werden, ist mithin eine Factura -überflüssig, und man kann sich in Europa der Mühe überheben, -dergleichen, anzufertigen, da sich kein Commissionair daran hält, es -vielmehr den Käufern überläßt, die Preise festzustellen. - -Detailleurs giebt es hier in Unzahl, d. h. unbedeutende Krämer-Läden, -welche hier Magazin genannt werden, nicht aber bedeutende, wie in den -V. S. und in Europa. So klein indeß wie sie sind, so vielfältig sind -die Artikel, die man in denselben antrifft; von Allen liegen einige -Stücke da, aber Leinwand spielt die Hauptrolle. Deshalb müssen auch -viele Diener gehalten werden; vier ist die geringste Anzahl. Die -Detailleurs kaufen nichts von den importirenden Kaufleuten, aus dem -Grunde, weil sie ganz von den Mercaders abhängig sind, und alle Waaren -von ihnen entnehmen müssen -- bei Gefahr, ihres Credits verlustig zu -gehen. Sie stehen unter starker Controlle, und die Preise sind in allen -Läden so ziemlich gleich. - -Hausirer giebt es in Masse; man sieht sie hier beim größten Schmutz -in den entlegensten Straßen der Stadt, Männer und Weiber von allen -Nationen, vorzüglich aber Neger; sie sind eben so zudringlich wie die -Collecteurs der hiesigen Lotterie, welche jede drei Wochen gezogen wird -und 144 Gewinne und 23,856 Nieten enthält. In Lumpen gehüllt, ohne -Strümpfe und Schuhe, sieht man diese Collecteurs umherlaufen, wobei -sie ihre Viertel-Loose à 1 Piaster ausschreien, wie Gemüseweiber bei -uns. Sie sichern der Regierung eine Revenue von 25,000 Piaster pro -Monat; sie kaufen eine Anzahl Loose auf Speculation, und bestimmen die -Preise, je nachdem sie Liebhaber dafür finden. Viele Abnehmer finden -sie unter den Sclaven, welche nach ihrer Freiheit streben, die sie nur -gegen Erlegung der für sie bezahlten Summe erlangen können. Jedoch -auch der Spanier, so wie jeder Ausländer spielt mit Leidenschaft; oft -wird der doppelte Werth für ein Loos bezahlt, wenn die Ziehung ihren -Anfang nimmt. Hat der Collecteur sein Loos verkauft, so bekümmert -er sich nicht mehr um dasselbe. Sobald die Ziehung, welche nur ¼ -Stunde dauert, vorüber ist, werden gleich wieder Loose zur folgenden -ausgeboten, und wirklich verkauft. Einmal im Jahre, am Geburtstage der -Regentin, kostet das Loos acht Piaster, und dann ist der größte Gewinn -40,000, der zweite 8000 Piaster; alle übrigen sind unbedeutend; der -Monarch erhält zum Geburtstag aus der Lotterie-Casse 50,000 Piaster. - -Zu allen bemerkten Uebelständen im Handel der Commissionaire -kömmt nun noch, daß sowohl der größte Theil der Mercadere als die -Commissionaire keine Kenntnisse im Waarenfach haben. Um sich gegen -Verlust zu schützen, bieten daher die ersteren ungeheuer wenig; oft -bietet Jemand 100 Piaster für eine Parthie Waaren; die ein Anderer -für 700 Piaster kauft, dennoch haben die Mercadere mehr Kenntnisse -als die Commissionaire, und diese glauben den Versicherungen der -Käufer Alles. Sind diese daher einig, so wird ihnen ein Artikel, der -jenem neu ist, für so viel wie nichts nachgeworfen. Ein Beispiel aus -eigener Erfahrung. Ich hatte einen Stoff, für Mäntel passend, an einen -Commissionair geschickt und ausdrücklich bemerkt, daß ich wenigstens -den Factura-Preis haben müsse. Als ich die Verkaufs-Nota über diese -Waaren erhielt, sah ich sie für den halben Factura-Werth verkauft. Um -mich zu überzeugen, ob ich selbst die Waare nicht besser verkaufen -könnte, schickte ich an ein anderes Haus eine ähnliche Parthie, mit -der Ordre, bis zu meiner Ankunft mit dem Verkauf zu warten. Als ich -angekommen war, erzählte mir dieser Commissionair, daß derselbe Käufer, -der im vorigen Jahre von einem andern Hause dieselbe Waare gekauft -habe, auch diese Parthie, jedoch nur zu demselben Preise kaufen wolle, -weil er diesen Artikel nur zu Kartuschen an das Gouvernement verkaufen -könne. Um diesen unkundigen Commissionair einigermassen vom Holzwege -abzuführen, entschloß ich mich die Läden von fertigen Kleidern zu -durchstreichen, und überzeugte mich bald, daß derselbe Stoff auch hier -zu Mänteln verbraucht werde. Als ich dies dem Commissionair erzählte, -wollte er es nicht glauben, behauptete vielmehr, daß dieser Stoff nur -zu Kartuschen zu gebrauchen sei. Auf solche Weise verlieren wir armen -Europäer durch Unkunde der Commissionaire unser Vermögen, während die -Mercadere mit diesem (indem dieselbe den langen Credit genießen) 300 -Procent verdienen. - -„Macht keine Geschäfte nach andern Welttheilen, besonders nach -Westindien!“ so möchte ich meinen handelnden Landsleuten zurufen. Aber -die Königliche Seehandlung, höre ich Viele sagen, macht überseeische -Geschäfte, warum sollten wir, als gelernte Kaufleute, dieselben nicht -mit eben so viel Nutzen, wie jenes Institut treiben können? Hierauf -entgegne ich: ist es denn so gewiß, daß jenes Institut bei diesen -Geschäften Gewinn hat? Antwort: Nein! Hierbei fällt mir ein, was einst -der denkwürdige Minister +Maaßen+ bei einer Unterredung mir sagte: -Der Staat muß zuweilen, ohne eine Miene zu verzucken, eine Million -Thaler verlieren; obgleich dies sehr viel für unsern Staat ist, so -ist es dennoch nicht viel, wenn eine hohe Nothwendigkeit es gebietet. -Wir wollen ein Beispiel anführen. Die Seehandlung hat Schiffe, Eins -derselben liegt in Havana, S.... et Comp. sind die Agenten; sie -können dieses Schiff nicht mit Ballast zurückschicken, um so mehr, -da die Zucker-Erndte vor der Thür ist. Beladen Sie es mit Zucker! -Schreibt die Deputation der Königl. Seehandlung an ihren Agenten -in Havana; sie denkt, unsere Raffinerieen brauchen rohes Material -und werden sicher vorzugsweise von dem Institut kaufen. Man kauft, -man trassirt, der Zucker wird verschifft. Die Havanesischen Häuser -bemerken es und sprechen: die S... et Comp. kaufen 4000 Kisten; es -muß in Deutschland etwas Bedeutendes vorgehen; wir müssen für unsere -Freunde in Europa sorgen! Und warum sollten sie nicht für diese sorgen, -da sie sich doch zugleich selbst dabei versorgen? Somit kaufen auch -alle diese für Rechnung der Europäer Zucker, welcher nun in Havana im -Preise steigt, schicken diesen so rasch als möglich ab, damit ihre -Ladungen vor denen der Seehandlung in Hamburg eintreffen mögen; sie -trassiren 2 Monat Sicht für den Belauf und melden den Verkauf der in -Commission gehabten Leinwand etc., wodurch zwar Verlust entstanden sei, -welcher jedoch durch den höchst vortheilhaften Einkauf des Zuckers -bald um das Doppelte ersetzt werden müsse. Ihre Zucker-Sendungen -langen nun wirklich vor denen der Königl. Seehandlung an; um jene -Entnehmungen zu decken, werden sie jetzt per Auction verkauft, +weil -sie verkauft werden müssen+, und siehe da! das Provenue ist 3 -Piaster pro Kiste unter dem Einkaufspreis. Hat die Deputation der -Seehandlung dieses voraussehen können? Oder wird diese den Nachtheil -der Spekulation fühlen? Nein! Wohl aber fühlen den Nachtheil und -Schaden die europäischen Kaufleute, und zwar doppelt, weil sie auf zwei -Seiten verlieren, wogegen die Havaneser Commissionaire die zweifach -Gewinnenden sind. - -Aehnlich wie die Havaneser in Zucker-Spekulationen mit der Seehandlung -wetteifern, ähnlich machen es die Bremer und Hamburger, wenn sie jenes -Institut auf Fabrik-Erzeugnisse eingehen sehen. Allein dieses hat sehr -viele und gute Mittel, und außerdem, wie mir der Herr Minister Rother -schriftlich versicherte, +lauter erprobte+ Commissionaire; den -spekulirenden Kaufleuten fehlt es aber an beiden. -- Daher, sollte -jedes Geschäft nach und von Westindien von Niemanden, als von ganz -Reichen unternommen werden. - -In Westindien können die kaufmännischen Geschäfte schon deswegen nicht -gedeihen, weil, das Geld zu viel Werth hat, d. h. weil es im Verhältniß -der Erzeugnisse und der Importation in zu geringer Quantität vorhanden -ist. Wo der Zinsfuß auf 21-24 Procent steht, wie es in dem allergrößten -Theil Westindiens der Fall ist, da muß der Spekulationsgeist dem -Wucher unterliegen. Der beste, stets begehrte Artikel ist baares -Geld, Fabrikwaaren der Allerschlechteste. Es klingt sehr lächerlich, -wenn man die hiesigen Commissionaire von dem überaus großen Bedarf -der Waaren in Havana erzählen hört; daß dies nur Kunstgriffe zur -Aufmunterung europäischer Kaufleute sind, liegt am Tage, denn für -800,000 Menschen, unter welchen ⅔ stets im Hemde und leinenen Patalons -umherlaufen, langen jährlich über 100 Schiffe, vielleicht gar 150 mit -Manufactur-Waaren an. Man sehe die im Königl. Packhofe zur Niederlage -gebrachten Waaren-Vorräthe an, und man wird die Hände über’m Kopf -zusammenschlagen und fragen: „was sollen diese Vorräthe in einem Lande, -was kaum die Hälfte der Bevölkerung Londons hat?“ Anderwärts ausgeführt -wird hiervon nichts, denn das Wenige, was zuweilen nach Mexico verkauft -wird, ist so gering, daß es nicht in Betracht kommt. Die Commissionaire -aber antworten: Unsere Vorräthe, die der Mercadere, und die im Königl. -Packhofe (Depot) werden bald verbraucht sein, wenn die Havaneser und -Havaneserinnen nur Ernst gebrauchen, jeden Tag ein neues Kleid anziehen -und am Abend diese neue Robe fortwerfen zu wollen, wie es oft der Fall -ist. Dieses ist das Lied, welches die Herren mit ihren Commis täglich -im Chor singen, wenn ein Europäer angelangt ist. Indeß es sind der im -Jahre 1838 übrig und unverbraucht gebliebenen Waaren so viele, daß -sicherlich für jeden Bewohner der Insel Cuba täglich zwei Kleider -gemacht werden müßten, wenn sie in zwei Jahren verkauft werden sollten. - -Um eine Krankheit zu heilen, die zwar schon tief Wurzel geschlagen -hat, jedoch keinesweges unheilbar ist, wäre Folgendes zu thun -nöthig. Für Krankheiten, die aus Ueppigkeit entstehen, werden -nicht selten Hunger-Kuren angewendet; so auch müßten die Havaneser -Mercadere ausgehungert werden, damit sie nicht ganz das Vermögen -der europäischen Kaufleute verschlingen. Mein Vorschlag wäre daher -dieser. Kaufleute und Fabrikanten, welche nach Westindien Geschäfte -treiben, errichten auf Actien eine Westindische Compagnie, d. h. -sie etabliren Depots in Hamburg und Bremen, in welchen sie für den -Actien-Belauf Waaren niederlegen und nur zu den festgestellten -Preisen, durch die dabei angestellten Verkäufer verkaufen lassen; -diese Compagnie muß zugleich mit einem baaren Fonds versehen sein, -um Fabrikanten nöthigenfalls gegen das übliche Disconto die Hälfte -des Werths ihrer Waaren vorzuschießen. So wie es jetzt in Westindien -einige Commissionaire giebt, welche für ihre eigene Rechnung Leinwand -aus Europa committiren, so würden sie durch diese Maßregel, wenn sie -keine Consignationen erhielten, um nicht stille zu sitzen, für eigene -Rechnung Waaren committiren müssen. Der Verkauf für eigene Rechnung -würde ihnen besonders dadurch erleichtert werden, daß sie 12½ -Procent für Provision, Del credere, Miethen etc. allein verdienen, -die der Europäer bezahlen muß, und welche im Durchschnitt den Verlust -auf Consignationen ausmachen und welcher im Ganzen genommen nicht -übermäßig ist. Waarenbegehr in Westindien würde den Absatz in den -Depots befördern, und es würden nicht nur bessere Preise behauptet -werden, der Eigenthümer würde durch diese Maßregel auch zu jeder Zeit -über sein Eigenthum disponiren können, wogegen er jetzt sehr oft zwei -Jahre hindurch, wegen des Schicksals seines Eigenthums in Zweifel ist, -und nach Ablauf dieser Frist wohl gar noch Abrechnungen empfängt, nach -welchen ihm für 2000 Rthlr. 25,000 Cigarren zukommen. - -Indem ich mir vorbehalte, auf die Art und Weise des Verfahrens der -hiesigen deutschen Commissionaire zurückzukommen, will ich, ehe ich zu -andern Gegenständen übergehe, Einiges über die Grundsätze vieler unter -denselben bei Anfertigung von Abrechnungen mit Europäern berichten, was -mir von einem nach Europa zurückkehrenden glaubwürdigen jungen Manne -mitgetheilt worden ist. - - -+Eine Unterredung des Herrn G. mit dessen Diener+. - -+Herr G+. Machen Sie die Verkaufsrechnungen für die Herren B. und -L. - -+Diener+. Es ist bereits geschehen, Abrechnungen für Beide sind -fertig. - -+Herr G+. Wie ist die für B? - -+Diener+. Es bleiben 25 Procent reiner Gewinn. - -+Herr G+. (Mit Erstaunen) 25 Procent? Aendern Sie dieselbe; 25 -Procent ist zu viel, der Mann kann sich mit 8 Procent begnügen; -- und -des Ls. Rechnung? - -+Diener+. Der arme Teufel verliert 11 Procent. - -+Herr G+. Aendern Sie auch diese; lassen Sie ihn 18 Procent -verlieren, denn 7 Procent mehr oder weniger kann für den Mann keinen -wesentlichen Unterschied machen. - - * * * * * - -Mein Commissionair M... macht es indessen keinesweges wie Herr G.; -er steht im Ruf eines reichen, daher großen Mannes, der dergleichen -Abrechnungen nicht +selbst+ macht, es vielmehr seinen Commis -überläßt; sein Hauptgeschäft ist das mit -- Fleisch! Die Leser würden -ihn jedoch unrichtig beurtheilen, wenn sie ihn für einen Shylok -halten wollten. Keinesweges! Mit Kleinigkeiten giebt sich derselbe -nicht ab; er erhält von Montevideo Ladungen des benannten Artikels, -den er centnerweise abzusetzen versteht. Genug! Er ist Einer von den -Commissionairen, von denen man sagen könnte: Man kann sein Fleisch -durch ihn los werden! er ist ein vortrefflicher Mann, der nicht, -wie Shylok selbst tranchirt, sondern tranchiren läßt. Er ist von -seinen Abnehmern geschätzt, weil er nicht wie die meisten, die das -animalische Geschäft treiben, es mit den Käufern verdirbt. Waaren, -welche verkauft sind, werden, wenn sogar der Verkauf schriftlich -abgeschlossen wäre, als unverkauft angesehen, wenn es dem Käufer -einfällt, einen Abzug zu fordern. Besteht der Europäer auf Erfüllung -des schriftlichen Contracts, so erwiedert der Herr Fleisch-Inhaber: -Hier ist der Contract, prozessiren Sie mit dem Käufer, ich tranchire, -wie Sie wissen, nie selbst etc. Ergo! ich wiederhole, für Europäer -können überseeische Geschäfte nie vortheilhaft ausfallen, weil die -Commissionaire im glücklichsten Fall 12½ Procent haben müssen, und -bei der starken Concurrenz nicht zu erwarten ist, daß zwei Procent -verdient werden können. In früheren Zeiten, als es nur wenige Häuser -hier gab, welche hin und wieder eine Consignation erhielten, traf -es sich zuweilen, daß an einem Artikel 25 Procent verdient wurden, -wovon der Commissionair großmüthigerweise seinem europäischen Freund -den ⅛ Theil zufließen ließ. Aber solche Fälle können jetzt nicht -wieder vorkommen. Die Waarensendungen müssen wenigstens um die Hälfte -vermindert werden. Die europäischen Kaufleute würden sehr wohl daran -thun, ihre Waaren, wenn sie auf diese zu sehen überdrüssig sind, in -einen abgelegenen Raum eine Zeitlang zu verschließen. Besser diese in -Europa unter eigenem Schloß und Riegel, als in Havana, oder sonst wo in -den Räumen der Bremer zu haben, wodurch der ganze Belauf aufgerieben -wird. Der Denkwürdigkeit wegen will ich aufzählen, was ich selbst von -europäischen Waaren für den Betrag von 98 Piaster einem Mercader habe -verkaufen und überliefern sehen; es waren folgende: 6½ Dutzend -Toiletten und Arbeitskästchen für Damen; 300 Dutzend Mund-Harmonika’s -mit Elfenbein-Fourniren; 200 Dutzend Blumen-Guirlanden, für Negerinnen -berechnet; viele Dutzend Rosen, Windsor-Seife und Seifenpuder, nebst -mehreren Dutzend von wohlriechenden Oelen und Wassern in geschliffenen -Gläsern. - -Auf die letztern Artikel setzte der Käufer gar keinen Werth, und -schenkte Mehrern der Anwesenden 1 Dutzend Seifen, und mehrere -Flaschen von den wohlriechenden Oelen und Wassern, auch ich wurde auf -diese Weise beschenkt, und dürfte vielleicht ein größeres Capital -erlangt haben, als der Eigenthümer obiger Waaren, nach Abzug der -Steuer-Provision, Del credere etc. erhalten wird. - -So lange der Sclavenhandel in Westindien mit so gutem Erfolg, wie -bisher wird betrieben werden, darf sich Niemand von allen Spekulanten -ein besseres Schicksal versprechen, als derjenige hatte, dessen -Waaren, wie vorhergehend gezeigt, für 98 Piaster verkauft worden -sind. Wer denkt wohl daran, sein baares Geld auszuthun, um Waaren, -welche der Mode und Conjunctur unterworfen sind, anzukaufen, wenn -er sein Capital, im Handel mit Menschen ausgethan, in einem Jahr -doubliren kann? In diesem Artikel giebt es zu viele Spekulanten. Ich -sah 720 Sclaven im Total-Werth von 275,400 Piaster in einem Zeitraum -von 2 Stunden verkaufen, und einen großen Theil davon wiederum en -Detail mit einem Gewinne von 8-10 Unzen absetzen. Dem Rindvieh -gleich, werden diese Unglücklichen alsdann vom Marktplatz nach der -Käufer-Wohnung gebracht. So lange also der Handel mit Menschen solchen -bedeutenden Gewinn abwirft, wird der hohe Zinsfuß stattfinden, und -das Fabrikwaaren-Geschäft kein Gedeihen finden, weil stündlich zum -Discontiren solcher Wechsel, welche aus den Geschäften mit Menschen -entsprungen sind, bedeutende Summen gesucht werden. wofür sehr -hohe Zinsen gestattet werden können, da 8-10 Unzen Gold pro Kopf -gewonnen werden. Die meisten Sclaven werden jetzt zur Anlegung von -Zucker-Plantagen benutzt, indem diese gegen jede Executions-Gewalt -geschützt und unantastbar sind. Man hat Beispiele, daß Caffee-Plantagen -in dem Augenblick, als sie subhastirt werden sollten, in -Zucker-Plantagen umgeschaffen wurden und ihrem Umsturz entgingen. -Epidemische Krankheiten machen, wie es damals bei der Cholera war, die -reichsten Sclavenbesitzer zu Bettlern. - -Der Getraidebau ist von der Regierung untersagt. Alles für Cuba -erforderliche Mehl wird von den V. S. in Fässern von 165 Pfund Gewicht -jedes Faß eingeführt. Der Einfuhrzoll war stets 9½ Piaster pro -Fäßchen, seit dem Kriege in Spanien ist er 10½, der aber erst 6-8 -Monate nach Empfang des Mehls erlegt wird. Für den Belauf des Zolles -sind die Empfänger verbunden, Pagarées (Wechsel) auszustellen. Man kann -mit Gewißheit sagen, daß im Durchschnitt an jedem Faß Mehl zwei Piaster -verloren werden. Indeß verstehen es die Verkäufer, sich, da das Mehl -pro Cassa verkauft wird, beim Placiren dieser Gelder durch hohe Zinsen -und durch Schmuggelei für jenen erlittenen Verlust zu erholen! indem -sie 2-3 Procent Zinsen pro Monat nehmen, welches, wenn die Hälfte des -Mehls geschmuggelt ist, und dies ist gewöhnlich der Fall, einen guten -Gewinn erzeugt. - -Nach dem bisher Erzählten und Dargestellten, wird sich der geneigte -Leser nicht wundern, wenn ich mein Vorhaben, mehrere westindische -Inseln zu besuchen, um Geschäfte und Gewerbe daselbst zu prüfen, wieder -aufgab. Mit großen Erwartungen war ich hierher gereist und wiederholt -war ich zum Reisen aufgefordert worden, „um den Geschmack des Landes -kennen zu lernen.“ Doch worin besteht hier der Geschmack? In nichts -Anderem, als die Waaren für die Hälfte des Fabrikpreises zu bekommen: -wird doch von den Negerinnen nur buntes Zeug verbraucht; die Damen -aber sitzen stets in weißen und knieen in schwarzen Kleidern. Die -Mercaders sind, wie schon angeführt, ganz einig und bieten für die -allerneuesten Gegenstände nie mehr, als die Hälfte des Fabrikpreises, -in der Ueberzeugung, daß sie, wenn nicht jetzt, doch später den Artikel -erhalten. Ob derselbe alt oder neu ist, darum kümmern sie sich nicht -sehr, denn dem Publikum erscheint jeder Artikel in ihren Läden neu; -wenn er auch wirklich ganz veraltet ist. Europäische Spekulanten irren -daher bedeutend, wenn sie ihre in Commission geschickten Waaren als -veraltet betrachten und für die Hälfte des Werthes verkaufen lassen; -sie würden besser daran thun, dieselbe nach Europa zurückgehen zu -lassen, wie es in der letzten Zeit auch Mehrere wirklich gethan haben; -sie würden hierdurch den kenntnißlosen Commissionair des Urtheils -überheben; „diese Waaren sind über den doppelten Werth facturirt -gewesen!“ denn dies glaubt derselbe, wenn der Europäer, aus Furcht, daß -seine Waare veraltet und werthlos sei, die Ordre giebt, sie mit Verlust -des halben Werthes zu verkaufen. - -Meine Verhältnisse hierselbst waren von der Art, daß ich mir -wenig Erfreuliches versprechen durfte; ich beabsichtigte ja, mein -Eigenthum zu vertheidigen, d. h., die Commissionaire, mit denen ich -nun einmal in Verbindung war und bleiben mußte, zu kontrolliren. -Daß diese meine Absicht nicht lange verborgen bleiben konnte, ist -leicht zu erachten und daß sie die Laune derselben verderben und sie -gegen mich aufbringen mußte, ist eben so einleuchtend. Herren und -Diener, Neger und Trabanten, Alle, ausgenommen die Spanier, welche -meistens brav sind, wurden meine Feinde und begegneten mir mit einer -Gleichgültigkeit, die mir freilich auch sehr gleichgültig war. Einer -meiner Commissionaire, der Sohn eines sehr reichen Mannes, welchen sein -Vater in der Absicht in Havana etablirt hatte, um aus anderer Leute -Leder Riemen zu schneiden, ohne Zweifel aber besser gethan hätte, ihn -zu Hause zu behalten, um ihn zum Riemenschneider für sich und seine -ledernen Geldsäcke auszubilden, war mein größter Feind, weil ich ihm -in einem Schreiben erklärte, daß ich nicht mit 25,000 Cigarren für -eine mir schuldige Summe von 2000 Rthlr. zufrieden sei und daß ich, -trotz seiner schriftlichen Anzeige, über diesen Gegenstand nicht mehr -correspondiren zu wollen, -- „weil sonst seine Geduld ausrisse“ -- mich -der Correspondenz durch die Behörde nicht enthalten würde. - -Ein sehr achtungswerther Spanier, dem ich meine Lage im Verhältniß -zu den hiesigen Deutschen mittheilte, schlug mir vor, mich einem -einflußreichen Advokaten, Namens A.s zu empfehlen, was ich mit Freuden -annahm. Der Advokat bezeigte viel Theilnahme, erklärte sich bereit, mir -zu dienen und fand das Benehmen des Commissionairs „abscheulich.“ - -Hierbei ist zu bemerken, daß die Advokaten hierselbst nichts -thun als instruiren; die Geschäfte in den Gerichtshöfen besorgen -die Prokuratoren, die sich deshalb in den Morgenstunden bei den -einflußreichen Advokaten einfinden und um Beschäftigung nachsuchen. -Dieser Umstand trägt sehr dazu bei, die Prozesse in die Länge zu -ziehen, denn die Prokuratoren verständigen sich oft sehr bald mit den -Beklagten, wovon der beste gerechteste Advokat nichts wissen kann. Aus -demselben Grunde und weil jedes Blatt Papier in Prozeß-Angelegenheiten -gestempelt sein muß, werden die Prozeßkosten sehr hoch; es giebt -Prozesse, zu welchen für 10,000 Piaster Papier verbraucht wird. - -Die Vollmacht, welche ich mir zunächst von einem Notar mußte anfertigen -lassen, kostete mir 17 Piaster, das Uebersetzen der Briefe u. s. w. ins -Spanische 1 Unze; Herr A.s übernahm sie mit Freuden und meinte, in -Zeit von 4 Wochen sollte ich meinem Ziel recht nahe sein. - -Meine Prozedur wurde bald stadtkundig und der Haß der Deutschen nahm -so zu, daß Wenige nur noch mit mir zu sprechen wagten. Obgleich ich -mir hieraus wenig machte, so konnte ich doch nicht umhin, meine Lage -unangenehm zu finden. Da stand ich ganz allein in einem fremden Lande, -der Sprache unkundig, mit einer Parthie Waaren, die ich verkaufen -wollte und keiner von allen Commissionairen wollte etwas mit denselben -zu thun haben. Ich suchte Käufer und fand solche, jedoch wiederholt -zerschlugen sich die Verkäufe, wenn die Waaren abgeliefert werden -sollten. Welcher böse Dämon hierbei sein Wesen trieb, war mir zu -ermitteln stets unmöglich. Einst hatte ich einen Handel mit einem -Mexikaner und zwar mit einem sehr fühlbaren Verlust abgeschlossen. Als -er mit mir nach dem Depot zum Empfang gekommen war und die Kattune -in den Kisten, die geöffnet werden mußten, von gewöhnlicher Breite -erblickte, trat er vom Handel zurück, weil er (vorgeblich) dieselbe -Waare von doppelter Breite für 14 Sgr. pro Staab gekauft hätte. - -Jetzt suchte ich einen Sclavenhändler auf, welche gewöhnlich viel -Waare kaufen und offerirte ihm Artikel, indem ich ihm die Proben -vorwies, aber er bot so wenig darauf, daß ich die Hoffnung aufgab, -mit ihm einen Handel abschließen zu können; Ein spanischer Don-Mäkler -M...m, der, wie Viele, dies Metier unerlaubter Weise treibt, weil -er die Summe von 2000 Piastern, die hierfür zu bezahlen sind, nicht -anschaffen kann, hatte mir auf den Dienst gepaßt. Er meldet sich bei -mir, fordert Proben -- und versichert mir, daß ein großer Theil meines -Vorraths bald durch ihn abgesetzt sein solle. Proben aus den im Depot -befindlichen Kisten zu nehmen, ist eine schwere Aufgabe, indessen es -war mir daran gelegen, die Kosten dieser Prozedur kennen zu lernen -und siehe da! ich mache dasselbe für etwa 15 Sgr., wofür die braven -Commissionaire 6 Piaster in Rechnung zu stellen sich nicht schämten. -Dieser Vorfall bringt mich zum Entschluß, eine Parthie Cigarren selbst -zu verschiffen und was ergiebt sich? Daß ich diese Verschiffung -mit einem Kosten-Aufwand von 2 Piastern besorge, während daß der -Fleisch-Inhaber M... dafür 24 Piaster und 4 Realen berechnet hatte. -Zwei große Geister wurden hierbei durch meinen Heroismus in Erstaunen -gesetzt: 1stens der Don-Mäkler, weil ich mich nach dem Depot auf meinen -eigenen und nicht auf Esels- oder Maulthier-Füßen hinschaffte und die -Proben unterm Arm tragend mitbrachte -- was in Havana, wie der Mäkler -meint, noch nicht vorgekommen ist. Der Fleisch-Inhaber war wegen der -in Rechnung gestellten 24 Piaster mit sich selbst in Uneinigkeit und -meinte, da er nicht selbst tranchire, daß ich mich mit diesem kleinen -Anliegen an seinen Commis wenden müsse. Dies geschah und ein vom -Fleisch-Inhaber wohlgenährter korpulenter Commis ertheilte mir die -Antwort, daß jener, in Berücksichtigung meiner Gegenwart, die mit -vielen Strapazen verbunden sei, die Hälfte der 24 Piaster erlassen -wolle -- als besondere Gnadenbezeugung, wobei keine Umänderung der -Rechnung stattfinden könne. - -Unterdessen hatte der Don-Mäkler, ungeachtet meines Verbots, die Proben -dem Sclavenhändler gezeigt und mit ihm einen Handel abgeschlossen, ohne -mir den Namen des Käufers zu nennen. Ich erfuhr ihn erst, als ich von -ihm in einem Schreiben die Baarzahlung ausdrücklich bemerkt zu wissen -wünschte. Da erfuhr ich denn, daß ich für den Werth von 2000 Piastern -auf verschiedenen Sclaven-Schiffen Actien an Zahlungsstatt annehmen -müsse; ich sollte also Sclavenhändler werden. Ich hatte ungemein vielen -Verdruß, sowohl mit dem Käufer als dem Mäkler, willigte indeß zuletzt -ein, nachdem ich jene Actien mit einem Verlust von 10 Procent verkauft -hatte; -- unmittelbar nachdem ich das Geld empfangen hatte, nahm ein -englisches Kriegsschiff Besitz von einem der Schiffe, woran ich eine -Actie hatte. - -Kaum war dies Ungewitter vorübergezogen, als sich ein zweites über mir -zusammenzog. Ich erhalte nämlich von M... die Anzeige, daß der Käufer, -der auf die früher erwähnten Mantel-Stoffe reflektirte, jetzt gänzlich -renoncire und daß überdies der Handel sehr nachtheilig für mich -ausfallen würde, indem die Douane jetzt nicht wie sonst, einen Realen, -sondern zwei Realen Zoll pro Vara dafür fordere. Diese Nachricht -erzeugte in mir den Gedanken, daß der Fleisch-Inhaber mich tranchiren -wolle; ich schnitt sofort eine Probe von einem der Stücke jenes Stoffs, -ließ für den Collecter der Douane durch den Advokaten A.. eine Supplik -anfertigen, in welcher vorgestellt war, wie durch ein Versehen meines -vorigen Commissionairs für wollene Waaren ein Zoll von seidenen bezahlt -worden sei -- welcher Zoll von den letztern beinahe noch einmal so hoch -ist, als der von den ersteren; -- ich hoffe, der Herr Intendant werde -den Befehl ertheilen, für diese Waaren, welche im Tarif aufzuführen man -vergessen habe, den Zoll von Filleilas und nicht den für seidene Waaren -zu erheben. - -Der Collecter zeigte sich zur Abänderung geneigt und forderte, daß ich -an die Intendantur, unter Beifügung dieser Probe, eine schriftliche -Auseinandersetzung einreichen solle, bemerkte jedoch sofort, daß ich -den Zoll für die erste Parthie, die durch den Commissionair als seidene -Waaren versteuert worden seien, nicht zurück erhalten könne. - -Wie aus den Wolken gefallen, stand ich beim Eintritt in das nächste -Zimmer, als ich des M.. Expedienten dort fand und zwar, als sei er der -Ober-Inspector, meinem Gesuche entgegentretend. „Diese Waare ist für -dasjenige eingegangen, wofür Sie den Zoll bezahlen müssen und bezahlen -werden; abgeändert kann hierbei nichts werden.“ Entrüstet über diese -Bosheit, begab ich mich sogleich nach dem Comptoir des Herrn M.., um -durch den Waaren-Aufseher, der mir versichert hatte, diese Parthie -sei für Filleilas eingegangen und koste nur einen Realen Zoll, die -Wahrheit zu erhärten. Aber welche Antwort erhielt ich? „Nun! wenn sie -als etwas anderes als Filleilas eingegangen ist, so werden Sie sich dem -unterwerfen müssen!“ -- Ich ließ die Supplik dem Intendanten übergeben -und nach einigen Tagen erhielt ich durch einen der Estimateurs den -Bescheid: „Sie haben zwei Realen als Zoll für diese Waaren zu erlegen, -indessen soll es Ihnen freistehen, dieselbe zollfrei auszuführen.“ - -Aufgebracht hierüber und über vieles Andere, beschloß ich, unverzüglich -meine Rechnung mit Herrn M... zu schließen und sah mich zu diesem -Zwecke nach einem Vermittler um. Ein Schottländer, Namens Dakin, -schien mir die geeignetste Person hierzu, da er, wie ich erfahren -hatte, früher mit jenem in ähnlichen Verhältnissen, wie ich, gewesen -war. Allein hier kam ich aus dem Regen in die Traufe; er versprach -mir -- ein Zug von Redlichkeit! -- das Beste für mich bei dieser -Auseinandersetzung zu thun. Er that auch wirklich so viel, daß ich in -Folge +seines+ Vielthuns über meine Kräfte viel für M... thun und -viel Geld einbüßen mußte. Ich mußte ihm nämlich eine Bescheinigung -ausstellen, mit seiner Abrechnung vollkommen zufrieden zu sein, -ungeachtet daß ich in einer Abrechnung etwa 50 Procent für mein -Capital und in den andern mehr oder weniger zurückerhielt, um meine -Waaren und Gelder, welche er (M...) nicht unter andern Bedingungen -ausliefern wollte, zur freien Disposition zu haben. Außerdem fand ich -in seiner Rechnung Summen für Provision von 5 Procent, für Waaren, die -ich selbst verkauft und wobei er gar nichts zu thun gehabt hatte, so -wie auch Summen für Negerlohn, die mir eine volle Ladung Neger hätten -zugesichert. Allein -- ich mußte mich fügen. Einen Prozeß in Havana, -dachte ich, magst du der Erfahrung wegen haben, Einer ist aber auch -genug. - -Die Bescheinigung wurde also, wie M... verlangte, ausgefertigt und ich -hatte einen funkelnagelneuen Commissionair, der, wie ich mich bald -überzeugte, in den Mysterien des Commissions-Geschäfts aufs genaueste -eingeweiht war. Wie ist dies möglich in so kurzer Zeit? werden die -geehrten Leser fragen. Ein gewisser, für Westindien unentbehrlicher -Herr K.. verfertigte in der Art des sogenannten faulen Rechenknechts -ein Hülfsbüchlein für Commissionaire, so wie auch Preis-Courante für -Europäer; dieser höchst brauch- und unbrauchbare Mann sorgt also dafür, -daß selbst die jüngsten und in Geschäften unerfahrensten nicht dermaßen -zu Grunde gehen, wie er wiederholt zu Grunde gegangen ist. - -Mit meinem Dakin hatte ich es mithin jetzt zu thun. Zunächst erhielt -er von M... die schriftliche Ordre, die Waaren, welche für meine -Rechnung im Packhofe lagerten, in Empfang zu nehmen. Bald bemerkte -ich jetzt, daß die Mantelstoffe zum Theil als Filleilas zum Theil als -Ginghams einpassirt waren, benachrichtigte Dakin hiervon und sagte: -„nun dürfen Sie nur einen Realen als Zoll bezahlen;“ er indeß hatte -die Sache anders geleitet. Am folgenden Morgen begegnete er mir und -sprach: ich muß Ihnen eine gute Nachricht mittheilen, der Douanier hat -Ihre Mantelstoffe für das passiren lassen, was sie sind, nämlich für -Filleilas à einen Realen Zoll; ich habe demselben jedoch 102 Piaster (6 -Unzen) versprochen, weil er sie der falschen Declaration des M... wegen -hätte confisciren können. -- Geben Sie, erwiederte ich, dem Douanier -für Ihre Rechnung so viele Unzen, wie Sie wollen, aber nichts für die -meinige, denn die Waaren sind für Filleilas eingegangen und müssen -auch dafür passiren. -- Ich werde ihm geben, so viel ich versprach, -sagte er im Fortgehen, weil ich den Mann in meinem Geschäfte brauchen -muß, und somit fand ich auch wirklich in der Rechnung: Allowance to -guard for reduction of duty and excuse of fines 102 Piaster (d. h. -Geschenk dem Zollbeamten für Nachlaß auf Steuer und Niederschlagung der -Strafe.) In Europa würde sich wohl schwerlich Jemand diese Frechheit -erlauben. - -Glücklicherweise sah ich mich bald in Stand gesetzt, mich des Dakins -zu debarrassiren. Zufällig traf ich nämlich den Mercader, der auf die -Mantelzeuge reflektirte. Wie erstaunte ich, als er mir erzählte, daß -er stets darauf reflektirt hätte, von M... aber nie etwas bestimmtes -habe erfahren können. Ich verkaufte die Parthie und befreite mich -von Dakins. Die Rechnung, die ich jetzt von diesem Dilettanten in -der commissionärischen Kunst erhielt, wich um kein Haar breit von -denjenigen der frühern Commissionaire ab; sogar drei Piaster für -Volanten-Lohn seiner Diener fanden sich darin. Als ich denselben wegen -aller Prellereien zur Rede stellte, da ergriff er ein Federmesser und -drohte, mich damit zu durchbohren. - -Nachdem ich mehrere von meinen unverkauft gebliebenen Waaren nach -New-York expedirt hatte, -- worauf ich später zurückkommen werde, hätte -ich unterdessen von Havana abreisen können, wäre nicht -- mein Prozeß -gewesen. Schon waren drei volle Monate verstrichen und noch immer kam -es mir so vor, als sei gar nichts geschehen, obgleich der Herr Advokat -mich immer so vertröstete, als ob ich innerhalb acht Tagen am Ziele -sein würde. Endlich entschloß ich mich, einen andern Weg einzuschlagen, -auf welchem der geübte Forscher nicht ganz unbefriedigt abzieht und -siehe da! es gelang mir; ich erfuhr, daß in der Sache noch gar nichts -geschehen, daß noch nicht einmal mein und meines Gegners Name genannt -worden sei. Im Zorn lief ich sogleich, als ich dies gewiß wußte, -zu Herrn A.., überhäufte ihn mit Vorwürfen und er überzeugte sich -sehr bald, daß sein Herr Procurator mit dem meines Gegners in gutem -Einverständnisse sein müsse. - -Hierbei kann ich zu bemerken nicht unterlassen, daß ich unterdessen -mehrere edle Spanier zu meinen Freunden gewonnen hatte, die sich meiner -annahmen. Auch des englischen Consul muß ich rühmlichst erwähnen; -von meiner ersten Ankunft an behandelte er mich mit der größten -Aufmerksamkeit und Auszeichnung und lud mich sogar zu sich ein, -obgleich ich keine weitere Empfehlung hatte, als seinen Namen von einem -seiner Jugendfreunde in Hamburg auf einem Zettelchen geschrieben, zu -präsentiren. Von Spaniern also wurde ich jetzt in Allem unterstützt. -Ueberhaupt ist mein Rath, daß Jeder, der Geschäfte auf Havana treiben -will oder muß, sich nur an Spanier wendet, man gewahrt in ihren -Comptoirs zwar nicht Legionen von Commis in Pantoffeln und Negligée, -allein man bemerkt bald, daß die wenigen Arbeiter viel und gut arbeiten. - -Nach der Weisung eines Kaufmannes und Beisitzers im Gerichte verfuhr -ich jetzt. Ich ließ mir sofort von meinem Advokaten eine Klage -niederschreiben, trug sie auf die Gerichtsstube des Friedensrichters -und erlegte die Sporteln. Einige Tage darauf erhielt ich die Vorladung, -vor dem Friedensrichter zu erscheinen. Am bestimmten Tage fand ich -mich ein; allein, da ich nicht hinreichend Spanisch verstand, so -wurde mir bedeutet, daß ich meinen Anwalt zur Seite haben müsse. Ich -ging zu demselben, aber er wollte sich bei der großen Hitze nicht -dazu verstehen, mich zu begleiten und expedirte einige Zeilen an den -Friedensrichter. Dieser indeß wollte nichts von diesen schriftlichen -Vorschlägen wissen und bestand auf dessen persönlicher Erscheinung. -Durch viele Vorstellungen und Bitten, mir von der süßen Insel durch -seinen Beistand los zu helfen, gelang es mir endlich, ihn zum Mitgehen -zu bewegen -- ein hierselbst nie in der Advokatenwelt vorgekommener -Fall, da diese, wie schon bemerkt, nie selbst in den Gerichtshöfen -auftreten. Beim Hingehen eröffnete mir der brave Advokat, daß er -sich auf die Entscheidung von guten oder Schiedsmännern nur unter -+einer+ Bedingung einlassen würde und zwar der folgenden: daß -die Schiedsmänner aus den Assessoren des Gerichts erwählt würden. Er -änderte jedoch nach einer langen Unterredung mit dem Friedensrichter -seine Ansicht, wendete sich zu mir und sagte: „ich habe genehmigt, daß -hiesige Kaufleute, Einer für jede der Partheien den Streit schlichten -sollen; Sie haben mithin ohne Weiteres zu bestimmen, wem Sie die -Sache übertragen wollen.“ Ich wählte den englischen Consul und mein -Gegner auch. Es ward sogleich ein Protokoll von dieser Verhandlung -ausgefertigt und beigefügt, daß die Partheien sich gutwillig dem -Ausspruche, wie er auch ausfallen möge, unterwerfen müßten und nur -alsdann die Hülfe des Gerichtshofs, gegen Bezahlung von 500 Piaster an -die andere Parthei, in Anspruch nehmen dürften. Mein Gegner und ich -unterzeichneten dies Protokoll, welches einige Piaster kostete und -es wurde zugleich festgestellt, daß die Entscheidung von Seiten des -Richters in spätestens 14 Tagen erfolgen müsse. - -Nach Ablauf dieser Frist wurde mir das vom Consul abgefaßte Urtheil -zugeschickt. Es verrieth einen feinen kaufmännischen Takt und bewies, -daß der Consul über die Sache nachgedacht hatte, was in diesem Lande, -der großen Hitze wegen, etwas Seltenes ist. Das Urtheil fiel so aus, -wie sie in der Regel ausfallen, d. h. die Forderung wird compensirt, -da jeder Schiedsrichter in ähnliche Verhältnisse gerathen kann und -gern das Vergeltungs-Recht auf keine schlimme Art für sich ausgeübt -wissen mag. Mir also wurde die Hälfte meiner Forderung aus den darin -angeführten Gründen zuerkannt und ich wurde verurtheilt, eine Parthie -Cigarren, woran mein Gegner ohne Zweifel tüchtig verdiente, zu nehmen, -wobei mir freigestellt wurde, daß ich dieselben, wenn ich sie des -hohen Preises wegen nicht sollte verkaufen können, für meinen eigenen -Gebrauch verwenden dürfte -- und der Consul war der Meinung, daß diese -mir munden würden, weil das Theure in der Regel gut schmeckt. - -Meine Gegner fragten mich zu wiederholten Malen, ob ich mit dem Urtheil -zufrieden sei, wahrscheinlich auf ein verfängliches Wort lauernd. -Vorsichtiger Weise aber bezeigte ich nicht allein meine Zufriedenheit -mit demselben, sondern pries auch die Gerechtigkeitsliebe des Consuls. -Ich wurde auf den folgenden Morgen zu meinen Gegnern beschieden, um -die Sache zu ordnen. Dort versprachen sie mir denn auch, sofort die -mir zuerkannte Summe zu zahlen. Als sie mir die englisch abgefaßten -Quittungen zur Unterschrift vorlegten, verstand ich mich hierzu, wenn -ich die auf meine Waaren für Zölle bezahlte Summen durch Quittung -würde bewiesen sehen haben, -- was zu fordern mir zufolge des -schiedsrichterlichen Urtheils frei stand. Gleich einem Leoparden sprang -der eine Chef, der übrigens eher einem Burschen als einem Kaufmann -ähnlich sieht, auf mich zu und schrie: „Sie sind mit dem Urtheil nicht -zufrieden?“ Im Gegentheil, erwiederte ich mit der größten Ruhe, ich -bin ganz zufrieden. „Nein!“ erwiederte jener, „machen Sie, daß Sie von -hier fortkommen,“ und ruft Portier, Neger und eine Menge dienstbarer -Geister herbei. Allein, wie ich war, mußte ich mich schon zur Retraite -entschließen. Nach einigen Tagen erfuhr ich, daß meine Gegner beim -Gericht auf die Auszahlung der 500 Piaster von meiner Seite angetragen -hätten, weil ich, wie es ihr Commis bezeugen wolle, mit dem Urtheil -nicht zufrieden sei. -- Indeß Herr A.. fertigte mir ein Schreiben aus, -welches ich auf der Gerichtsstube abgab und der Erfolg war, daß ich -nach einigen Tagen die mir zuerkannte Summe durch einen braven Spanier -Franzisco Guyri et Comp. ausbezahlt erhielt und daß meine Gegner die -durch ihren Starrsinn entstandenen Kosten allein tragen mußten. - -Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, daß es noch honette, brave -Advokaten in den Welt giebt. Als ich nach Beendigung der Angelegenheit -bei dem Advokaten Herrn A.. für seine Arbeit und Mühe liquidiren -wollte, weigerte er sich, etwas anzunehmen. „Sie,“ sagte er, „haben -genug verloren, ich darf nach meinem Gefühle Nichts nehmen. Schicken -Sie mir, nachdem Sie wieder in Berlin angekommen sind, das allgemeine -Landrecht und ich werde mich für die geringe Mühe belohnt wissen.“ --- Auch einige Silbergeschirre, die ich ihm überreichen wollte, -verweigerte er anzunehmen. - -Die verweigerte Vorlegung der Quittung von Seiten der verurtheilten -Gegner und der Vorfall mit den Mantelstoffen, mit dem Fleisch-Inhaber -und dem Schottländer Dakins brachten einen Gedanken in mir zur Reife, -mit welchem ich lange schwanger gegangen war, nämlich diese Herren -durch eine genaue Nachsuchung in den Douanen-Büchern zu kontrolliren. -Ich theilte meinen Vorsatz einem jungen Spanier mit und dieser meinte, -daß ich dasselbe jetzt, da der Intendant zufolge eines Befehls von -Madrid verabschiedet sei und der Gouverneur selbst dessen Geschäft -vorstehe, vielleicht werde auszuführen im Stande sein, obgleich ich -viele Schwierigkeiten dabei finden dürfte. „Mein Rath,“ setzte der -junge Mann hinzu, „wäre dieser: daß Sie, im Falle Sie ihren Endzweck -bei diesem Unternehmen erreichten und, woran ich nach dem, was sich -zugetragen hat, nicht zweifle, Sie die Diebereien gegen die Krone -und Sie selbst entdeckten, daß Sie alsdann für sich selbst Nutzen -davon zögen, ohne das Gouvernement darauf aufmerksam zu machen. Denn -sehen Sie, die Krone wird bestohlen, sie weiß dieses, weiß aber auch -zugleich, daß das nicht zu ändern ist. Der Regierung ist es sehr wohl -bekannt, daß diese Insel eine jährliche Revenue von 100 Millionen -Francs abwirft, wovon ein guter Theil für die Armee und Salaire an die -Beamten verbraucht, und vielleicht 11-12 Millionen veruntreut werden. -Nimmt man indeß an, daß etwa 5 Millionen Piaster in Golde von diesen -jährlichen Einkünften nach dem Mutterlande ausgeschifft werden, so -bleibt es für uns Alle nicht wünschenswerth, daß jene 11-12 Millionen -ebenfalls dahin geschickt werden, weil wir unter diesen Umständen bald -ohne Geld wären. -- Wenden Sie daher den Erfolg Ihrer Nachsuchung für -sich an, da ohnedies jede etwanige Publicität Sie verhaßt machen würde.“ - -Noch an demselben Tage nach dieser Unterredung begab ich mich des -Abends um 7 Uhr zum Gouverneur, der Jedem ohne Ausnahme, mit oder -ohne Fußbekleidung, Gehör giebt, um ihm eine, jene Sache betreffendes -schriftliches Gesuch zu überreichen. Der Gouverneur erschien sehr -bald in Civilkleidern und so anspruchslos, daß ich beim Vorbeigehen -nicht den hohen Staatsbeamten in ihm erkannte, bis mir der Adjutant -sagte: „c’est le Gouverneur.“ Ich näherte mich jetzt der Thür des -Gemachs, in welchem er die Supplikanten sprach und mußte die Ruhe und -Gelassenheit bewundern, mit welcher er wohl eine halbe Stunde einem -alten geschwätzigen Weibe, die für ihren Sohn ein Gesuch anbrachte, -sein Ohr lieh. Mit vieler Artigkeit bat er sie endlich, zu enden, indem -er, auf uns übrige zeigend, noch mehrere hören müsse. Nachdem sie -und noch eine zweite Dame abgezogen war, kam ich heran, überreichte -mein bescheidenes schriftliches Gesuch mit der ergebenen Bitte, wegen -dieser Behelligung mich zu entschuldigen. Der Gouverneur las das -Schreiben durch, versicherte mir, daß er sich nicht im Geringsten -dadurch behelligt fühle; es sei seine Schuldigkeit, einen Jeden und -insbesondere Ausländer zu hören und zugleich erlaubte er mir, wann und -zu welcher Zeit ich wolle, wiederzukommen. „Gehen Sie in etwa 3-4 Tagen -zum General-Secretair der Intendantur; ich werde die angemessenen -Befehle ertheilen, daß Sie Alles, was Sie wünschen, in der kürzesten -Zeitfrist erhalten sollen.“ Hierauf verabschiedete ich mich. Welcher -Contrast im Betragen dieses Cubaschen Königs und jenes von Bremen -stammenden Commissionairs! - -Nach vier Tagen ging ich zum Secretair R...; des Gouverneurs Befehl an -den Collecter der hiesigen Douane wurde mir vorgelegt und angedeutet, -daß ich in zwei Tagen in diesem Bureau um nähern Bescheid nachfragen -könne. Ich ging hin, aber vergebens, und so 10 Tage lang. Ich -beschwerte mich stark, lehnte aber ab, selbst zum Collecter zu gehen, -weil ich es nur mit dem Gouverneur zu thun haben wollte. Endlich wurde -von der Intendantur aus hingeschickt und ich erhielt den Bescheid, des -Gouverneurs Befehlen in Betreff meines Gesuchs könne nicht so bald -nachgekommen werden, da der zu dieser Arbeit unbedingt erforderliche -Beamte sich auf dem Krankenlager befinde. Jetzt blieb mir nichts -anderes übrig, als den Gouverneur wiederum anzugehen. Es geschah; der -Gouverneur empfing mich höchst artig. „Wie weit sind Sie mit Ihren -Nachforschungen gekommen?“ -- Ich befinde mich noch am Anfange; -- man -giebt vor, daß der Beamte, welcher Ihrem Willen gemäß die Papiere für -mich ausfertigen soll, krank sei. -- „Sonderbar! kommen Sie morgen -Vormittag um 11 Uhr hierher.“ Als ich am andern Morgen wiederkam, sagte -er zu mir: „der Secretair R. hat die bestimmteste Ordre von mir, was -er thun soll; melden Sie sich bei ihm, damit er das Weitere für Sie -besorgt.“ Dies that ich sofort. Sämmtliche Expedienten standen bald als -sie mich kommen sahen, am Tische des ersten Secretairs R. und dieser -sagte zu den übrigen: „Ich kann mir das Benehmen des Collecters gar -nicht erklären und weiß fürwahr nicht, was ich thun soll. Geben Sie -dem Herrn Ries,“ meinte einer der Secretaire, „einen offenen Befehl im -Namen des Gouverneurs, daß ihm das nachgesuchte Papier unverzüglich -ausgefertigt werde.“ Ohne Zögern folgte der Secretair diesem Rathe. -Ich empfing den Befehl und lief, wie eine Katze vom Taubenschlag, zum -Collecter, den ich an seinem Arbeitstische sehr beschäftigt fand. -Eingedenk des Gebotes: Du sollst das Alter ehren, wartete ich, bis Alle -sich entfernt hatten, weil ich voraussetzte, daß ein solcher offener -ernsthafter Befehl, aus der Feder eines jungen Secretairs geflossen, -dem ergrauten Staatsdiener nicht erfreulich sein würde. - -Ich überreichte demselben jetzt meine unversiegelte Depesche; er las -sie und las sie wieder wohl zehnmal, beguckte sie von allen Seiten, -obgleich auf dem winzigen Blättchen nur wenige Worte geschrieben -standen. „Ich weiß nichts von Ihrer Eingabe,“ fing er endlich an. Sie -ist hier, entgegnete ich, denn ich weiß, daß sie von der Intendantur -schon vor 14 Tagen hierher geschickt worden ist. Der Collecter rief -jetzt einem seiner, am nächsten Tische stehenden Secretaire zu: „wissen -Sie etwas von des Herrn J. Ri--es (so wird mein Name im Spanischen -ausgesprochen) Eingabe?“ Der Secretair mußte unsere kurze Unterredung, -da er so ganz in der Nähe stand, mit angehört haben, fragte aber ganz -fremd: „Ri--es? -- Kommen Sie, ich will mich erkundigen.“ Er führte -mich in das Nebenzimmer und nach eingezogener Erkundigung wurde mir -gesagt, daß der Expedient, dem die Anfertigung übertragen worden, -krank sei, indessen das Papier solle bis zum andern Vormittage um 11 -Uhr in dem Bureau der Intendantur ausgeliefert sein. Ich ging jetzt -nach der Intendantur zurück, um dem Secretair R. Bericht abzustatten, -der mich dann auch auf den folgenden Morgen beschied und hoffte, daß -der Bescheid eingehen werde. Am andern Morgen erfuhr ich nun, daß der -Bescheid da sei, aber nicht der erwartete. Der Herr Collecter berichtet -nämlich, daß, da die Bücher nach dem Archive geschafft wären, nur -der Archivist über das Geforderte Bericht erstatten könne. Meinem -Verlangen gemäß, wurde mir dies auf einem Billet niedergeschrieben, mit -welchem ich mich sofort zum Gouverneur begab. - -„So muß ich also dem Archivisten den Befehl ertheilen, Ihnen den Auszug -anzufertigen,“ sagte der gutmüthige Gouverneur; „gehen Sie morgen -früh, aber nicht vor 12 Uhr zum Secretair R., Sie werden dort meinen -Befehl für den Archivisten finden.“ -- Ich fand denselben in der That -zur festgesetzten Zeit und der Secretair R. war so gefällig, denselben -durch einen Beamten aus seinem Bureau nach dem Archiv zu befördern und -ich folgte nach. Der Chef des Archivs sprach sehr geläufig französisch -und englisch und bemerkte lächelnd, er könne mir im Voraus sagen, -daß ich mehr bezahlt haben werde, als die Commissionaire nach den im -Archiv befindlichen Büchern bezahlt hätten; er, der früher einmal auch -Kaufmann gewesen, wisse, wie es zugehe. Er versprach, das Papier am -folgenden Morgen in Ordnung zu haben. Er forderte zugleich von mir, -daß ich ihm einen genauen Auszug von den Monaten und Tagen, an welchen -die Schiffe, die ich in meinem Verzeichnisse namhaft gemacht hatte, -in Havana eingelaufen seien, welches er aus den Büchern nicht ersehen -zu können vorgab. Obgleich ich dieses nach der Art und Weise, wie -die Bücher in Havana auf der Douane geführt werden, für eine leere -Entschuldigung anzusehen berechtigt war, so versprach ich ihm doch, -mich der Besorgung unterziehen zu wollen. Anfänglich schien mir die -Aufgabe sehr schwer, indeß fand ich bald einen sichern und leichten -Weg hierzu. Ich ging nämlich nach der Lonja (Börse) und machte aus -den daselbst liegenden Büchern, welche über die Ankunft aller Schiffe -sprechen, einen genauen Auszug, den ich schon nach Verlauf von einer -halben Stunde nach dem Archiv bringen konnte, worauf der Archivist -wiederholt mir den Auszug am folgenden Morgen für ganz gewiß versprach. - -Es vergingen indeß wohl 14 Tage und jeden Tag erzählte mir der -Archivist etwas Anderes, warum er es nicht möglich machen könne. -Als ich zuletzt sehr dringend ward und mit Beschwerdeführung beim -Gouverneur drohte, sagte er mir: „Ich kann wenige von den durch M... -für Sie eingeführten Waaren weder in den Büchern noch in den Manifesten -finden.“ So wurde ich noch länger als acht Tage hingezogen, bis endlich -der Archivist, da er meine Geduld erschöpft glaubte, mir eröffnete: -„Sie finden die geforderten Papiere beim Gouverneur, ich habe sie -heute dorthin befördert.“ Ich wendete mich jetzt an diesen, aber er -wußte von nichts. Nach einigen Tagen nun endlich wurden sie mir in der -Intendantur überreicht. Das Resultat war komisch, für mich freilich -traurig, weil Herr M... beinahe Alles, was er mir für Zölle angesetzt -hat, worüber dessen mir übergebene Rechnungen sprechen, nicht bezahlt -hat, und ist das Original dieses Instruments beim Verfasser einzusehen. - -Jedes Forschen, welches nicht aus Neugierde, sondern aus Wißbegierde -entspringt, ist ein eben so mühseliges als undankbares Geschäft; es -erfordert immer einige Selbst-Aufopferung, wird jedoch selten, obgleich -es das Beste der menschlichen Gesellschaft zum Gegenstand hat, nach -seiner löblichen Absicht gewürdigt. -- Was die Leser auch von meinen -Nachforschungen denken mögen, so habe ich selbst doch das ruhige -Bewußtsein, daß ich die kaufmännische Gesellschaft gegen Diebereien in -Westindien zu schützen beabsichtigte. - -Aus dem Bericht des Ober-Tribunals, der eigenhändig vom Gouverneur -unterzeichnet wurde, ergab sich also aufs bestimmteste, daß der mit -dem Buchstaben M... bis jetzt von mir bezeichnete Commissionair Moyer -in Havana sehr viele von meinen Waaren eingeschmuggelt hat, „indem die -Collys,“ wie der Bericht lautet, „weder in den Schiffer-Manifesten, -noch in den Büchern zu finden seien.“ Erwäge nur der Leser, was den -höchsten Staatsbeamten Cuba’s bewog, diesen offenbaren Betrug ganz zu -übersehen! Ist er vielleicht in Hinsicht der Zollbeamten mit Friedrich -dem Großen einverstanden, der bei einem ähnlichen Gesuch äußerte: -„ein schlechtes Pferd ist dasjenige, welches an einer mit Hafer -gefüllten Krippe steht und nicht frißt!“ Wir wollen dem Leser die oben -angeführten Bemerkungen des jungen Spaniers ins Gedächtniß zurückrufen, -denn von den veruntreuten 11-12 Millionen Francs bleibt doch ohne -Zweifel ein großer Theil an den Händen der Douaniers kleben. - -Wie sollte der Gouverneur und wie durfte er handeln, wenn er nicht die -ganze Maschine ins Stocken bringen wollte? Den Moyer zur Verantwortung -ziehen, hieß nichts anderes als das ganze Personal des Packhofs in -Anklage-Zustand versetzen, und was dann? Wo Leute hernehmen zum Betrieb -des Packhofs-Geschäfts. Ich zweifle nicht, daß der Gouverneur, dem die -ganze Regierung in Cuba obliegt, dem von Madrid aus die strengsten -Instructionen zur Abschaffung von Mißbräuchen ertheilt worden sind, -nach Lesung jenes Berichts den Nutzen für die Regierung daraus gezogen -hat und gewiß sehr bald etwas thun wird. Dies darf ich wohl aus seinem -Benehmen folgern. Nachdem er nämlich einen schriftlichen Aufsatz über -Vereinfachung und Verbesserung der Douanen von mir verlangt und ich -seinen Wunsch erfüllt hatte, fand dieser Aufsatz in seinem Hute Platz, -wohin, wie mir gesagt wurde, alle schriftlichen Eingaben kommen, welche -seine besondere Aufmerksamkeit rege machen. - -Eilf bis zwölf Millionen, sagte der junge Spanier, werden jährlich -veruntreut. Sehr viel! Unglaublich! dürfte mancher Leser denken. -Wogegen ich behaupte: nicht viel! wenn man hiermit die Diebereien -vergleicht, welche sich die dortigen Commissionaire gegen ihre -europäischen Handelsverbündeten erlauben. Zur nähern Beleuchtung -dieser Behauptung will ich die Mantelstoffe zum Thema nehmen und klar -beweisen, wie viel die beiden Commissionaire Moyer und Dakin dabei -geschluckt haben. - - Piaster Realen - - Moyer nimmt von mir eine Summe von 50 2 - wofür er angeblich 2 Procent vom Werth - Strafzoll erlegen mußte, weil die darüber - sprechende Factura zu spät eintraf.[B] - - Dakin nimmt für dieselbe Waare an - Kriegssteuer 34 - - - Für Geschenk an den Douanier wegen - Erlassung der Strafe, wie früher erwähnt 102 - - - Für Steuer à 1 Real pro Vara 138 1 - - Für die Provision 42 1 - - Für andere Packhofsgebühren (wie billig!) 19 3½ - ---------------- - Ich zahlte mithin für eine Parthie Waaren, - wofür ich 1241 Piaster ausgezahlt erhielt, - wie nebenstehend 485 7½ - -obgleich die Commissionaire gemäß der Bescheinigung des Ober-Tribunals -gar nichts bezahlt hatten, und somit floß diese ganze Summe in -die Tasche der Commissionaire. Dies beweist mithin meine frühere -Behauptung, daß man mit Zurechnung der Spesen von Europa bei Sendungen -nach Westindien stets auf 50 Procent Unkosten gefaßt sein muß. - -Jetzt bleibt mir noch zu beweisen übrig, wie hoch sich die von Moyer -in Rechnung gestellten Zölle belaufen und wie viel er nach der -Bescheinigung des Tribunals davon für sich erbeutet hat. - - Piaster Realen - Was er mir berechnete, beläuft sich - auf nicht mehr und nicht weniger, gemäß - dessen eigenhändig unterzeichneten Rechnungen 291 3½ - - Und wie viel hat er nach der Bescheinigung - des Tribunals für jene benannte - Summe bezahlt? Auch nicht mehr und - nicht weniger als 58 4½ - -------------- - Er kürzte mithin die Revenuen der Regierung - um 232 8 - -Es ist jetzt noch meine Schuldigkeit, zu beweisen, daß es nicht allein -in Havana, nein! daß es, wie ich behauptet habe, in ganz Westindien -in dieser Hinsicht nicht besser ist. Zu diesem Endzweck und zur -Einsicht für jeden nach der neuen Welt Handelslustigen will ich eine -Verkaufs-Rechnung über 450 Stück Kattun nach Mexico über Vera-Cruz im -Belauf von 4500 Piaster des wirklichen Verkauf-Preises liefern. Sie ist -wie folgt: - - +¾ Vara breite Kattune.+ - - 10 Ballen à 45 Stück in jedem Ballen, à 10 Piaster jedes - Stück 4500 - - +Unkosten in Vera-Cruz.+ - - Seefracht 28 - - Seezoll 12,600 Yd. oder 13,608 Vara - mit 8 Proc. 1701 - Internation à 10¾ - 283 4 - Vermehrung à 3½ - 56 5 - Introduction etc. 35 - - H. M. Gebühren 2 4 - ---------- - 2106 5 - Prämie 4 Procent 84 2 - ---------- - 2190 7 - - Transport 4500 - - Transport 2140 7 - Landfracht 110 - - Alkials 16⅔ Procent 283 4 - Kleine Kosten und Porto’s 6 4 - Courtage ½ - } - Del credere 2½ - } 180 - - Lagermiethe 1½ - } - Provision 7½ - 337 4 - 3108 3 - ----------- - Verbliebe mithin für den Versender ein - reines Provenue wie zeigt von Piaster 1391 5 - -Nach diesen klaren Aufstellungen werden es die geehrten Leser natürlich -finden, daß mein Haß gegen die hiesigen Commissionaire einen guten -Grund hatte und nach dieser Erfahrung noch stärker wurde, so daß ich -ihnen ohne Rückhalt sagte: „ihr seid Diebe!“ Hierüber wurde ich von -Mehreren zur Rede gestellt, besonders aber von einem in Bordeaux -geborenen Deutschen, dem Compagnon eines angesehenen Spaniers und einem -Schottländer N.. Der Erstere meinte, der Europäische Kaufmann könne -nichts dagegen haben, wenn sich die hiesigen beim Zollamte Vortheile -zu verschaffen wissen und Jener sei nicht berechtigt, Ansprüche auf -einen Theil der ersparten Summe zu machen, weil das hiesige Haus das -Risico des Verlustes habe und den Werth der Waaren nöthigenfalls dem -Europäer ersetzen müßte. Meine Erwiederung war, daß der Europäer unter -den jetzigen Umständen, d. h. wenn Alles glücklich geht, nie mehr als -die Hälfte vom Werth seiner Güter zurückerhält, daß er aber, wenn die -Waaren fortgenommen würden, ganz gewiß gar nichts erhalten würde. - -Der Schottländer N.. meinte, daß ich diese Behauptung in Hinsicht -der Deutschen, aber nicht der Engländer hätte aufstellen sollen, -weil die Deutschen ohne Ausnahme mehr Neigung für das Metier der -Schmuggelei hätten, als irgend eine andere Nation. Er drohte, auf -meinen Reisepaß Beschlag zu legen, versicherte mir, daß ich in den -ersten 12 Jahren nicht von der Insel fortkommen würde, er habe bereits -die Unterschriften mehrerer Kaufleute gesammelt, um ein Gesuch zu -diesem Endzweck einzureichen. Ich nannte ihm Mehrere, an die er sich -hauptsächlich mit gutem Erfolge wenden könnte und blieb ganz ruhig -dabei, da der Gouverneur meine Meinung theilte und auf meiner Seite -war. Sehr bald erhielt ich denn auch meinen preußischen Cabinets-Paß -aus den Händen des Gouverneurs, von ihm selbst visirt und gratis (er -kostet sonst 6-8 Piaster). -- Meine Bekanntschaft mit dem Gouverneur -war bald stadtkundig geworden; die Deutschen zogen jetzt andere Saiten -auf und fingen an, mich mit mehr Artigkeit zu behandeln, woran mir -eigentlich wenig gelegen war. - -Früher aber hatten sich die Commis in der Restauration belle Europe -zurückgezogen, wobei der Wirth natürlich sehr viel verlor, denn alle -seine theuren Sächelchen, als da war: saurer Moselwein, welcher von -den deutschen Commis als Schloß-Johannisberger getrunken und bezahlt -wurde, seine von Frankreich eingegangenen Forellen und grünen Erbsen, -welche letztere in Havana nur aufgewärmt wurden und wovon die kleinste -Portion, so wie auch von den Forellen 1½ bis 2 Piaster kostete: alle -diese schönen Dinge sahen jetzt nach dem Ausbleiben der Deutschen -ihrem Untergang entgegen. Mit diesen Erbsen wird nicht selten Jemand -angeführt, was auch mir passirte, -- ein Vorfall, den ich des Scherzes -halber erzählen will. - -Als ich nämlich eines Tages in der genannten Restauration zum -Mittagsessen kam, fand ich keinen Platz und war schon im Begriff, -fortzugehen, als mich ein Commis einer meiner Commissionaire zum -Bleiben aufforderte; sie rückten zusammen und ich setzte mich. Er -beorderte eben grüne Erbsen als Gemüse für sich und fragte mich, ob -er auch für mich dieses vortreffliche Gericht bestellen solle. Ich -ersuchte ihn darum, in der Meinung, daß es eingeborene Havaneser wären, -da die gewöhnlichen Gemüse hier stets auf den Märkten angetroffen -werden. Wie erstaunte ich, als mir die Rechnung gereicht wurde und ich -diese in Frankreich vor vielleicht vier Jahren zubereiteten Erbsen -mit 1½ Piaster aufgeführt fand. Anfänglich glaubte ich, daß die -jungen Leute, die sich, wie alle Deutsche, wegen meiner eingezogenen -ökonomischen Lebensweise moquirten, den Aufwärter zu einem Scherz -bewogen hätten. „Nein, nein!“ fiel einer der Leckermäuler ein, als -ich dies äußerte, „kein Scherz! diese in Frankreich zubereitete -Délices kostet so viel, und wir finden es so billig, daß wir sie jeden -Abend als Souper genießen“ -- wobei er einen langen Sermon über die -chemische Processe beim Einkochen u. s. w. anknüpfte. Ich erwiederte -ihm kurz, daß Commis, deren Herren 25,000 Cigarren für 2000 Thlr. an -Zahlungsstatt geben, freilich 1½ Piaster für drei Löffel voll grüner -Erbsen auszugeben im Stande seien, ein ehrlichdenkender Deutscher aber -könne dies nicht. Er erwiederte, diese Behauptung sollte ich auf der -Gerichtsstube verantworten; ich aber bezahlte 1½ Piaster für ein -aufgewärmtes Gemüse, welches ich frisch für ein Real hätte genießen -können und ging weg. - -Auf solche Weise werfen die Deutschen mit dem Gelde um sich, was wir -europäische Deutsche verlieren, weshalb man mit Recht sagen kann: hier -ist des Deutschen Feind der Deutsche. Sie sind in keiner Hinsicht -mit andern Nationen, am wenigsten aber mit den dortigen Franzosen zu -vergleichen, welche ihre Landsleute ohne Ausnahme mit Herzlichkeit -empfangen, bei jeder Gelegenheit ihnen thätig zur Hand gehen und die -bedrängten unterstützen. Man hat Beispiele, daß Franzosen, welche sich -auf Waarenspekulationen nach Westindien eingelassen hatten und dadurch -fast ruinirt wurden, sich durch Hülfe ihrer dort etablirten Landsleute -wieder erholten, indem diese Artikel von ihnen kauften, wobei sie -bedeutend verloren, um jene aus der Noth zu befreien, oder um ihnen -zur Rückkehr nach dem Vaterlande behülflich zu sein. In Legionen sieht -man die Franzosen in Westindien herumziehen, die Alle in der Absicht -hinkommen, ihr Glück zu machen. Niemand will dort weniger als 40,000 -Piaster ärndten. - -Welch ein Contrast bildet dies Benehmen mit dem der Deutschen daselbst; -da ist nichts von Herzlichkeit und Patriotismus zu finden; Geld! ist -das Losungswort und die Parole bei ihren Manövern und bei allem ihrem -Thun und Treiben. Deshalb werden denn auch alle Artikel, in welchen -die deutschen Fabrikanten Meister sind, den dort umherschwärmenden -englischen Reisenden zum Copiren gegeben. „Mischen Sie die Waare -mit Baumwolle,“ sprechen sie, „machen Sie dieselbe schmäler, auch -allenfalls von kürzerem Maaße, nur copiren Sie treu die Appretur und -das Zeichen; für das Uebrige werden wir sorgen.“ Der Reisende kennt -seine Pappenheimer; er weiß, daß die Commissionaire in Havana weniger -Kenntnisse im Waarenfache besitzen, als die Leipziger oder Berliner -Dienstmädchen, und versichert ihnen daher, wenn sein Prinzipal die -bestellte Quantität doppelt schickt, diese Parthie sei das Non plus -Ultra! „Sehen Sie,“ sagt er, „Alles dieses hier, was Sie in dem Zeuge -sehen, ist von leinenem Garn gemacht“ und der Commissionair -- was kann -er auch bei seiner Unwissenheit anders thun? -- schenkt ihm Glauben. -Das Höchste, was er noch thut, ist, daß er seine Legion bepantoffelter -Commis und cigarrenrauchender Portiers, Neger und Trabanten herbeiruft, -damit sie sich von der Vortrefflichkeit der englischen Copieen -überzeugen und den herrlichen Einfall ihres Herrn und Meisters -bewundern. Indeß, was ist der Erfolg? Die Havaneser kaufen diese -Creasse, Platillien etc., die aus einem durch Maschinen zerstampften -Flachse, mit Baumwolle vermischt, verfertigt sind, natürlicher Weise -zu einem viel geringern Preise, als die deutschen Waaren derselben -Art verkauft werden können, und die letztern bleiben liegen. Erst im -Gebrauch bemerkt der Käufer, daß er hintergangen worden ist, indem die -gepriesenen wohlfeilen englischen Stoffe über alles Erwarten rasch -zerrissen sind. Unterdeß haben die Commissionaire ihren Endzweck -erreicht: sie haben eine doppelte Quantität Waaren in Commission -erhalten, sie verdienen die doppelte Summe von Provision und können -demzufolge doppelte Portionen von den in Frankreich präparirten grünen -Erbsen und von den theuern Forellen u. s. w. essen. - -Einst hatte ich Gelegenheit, einem Commissionair, und zwar einem sehr -erprobten, zu widerlegen, da er sich wegen der Nachlässigkeit der -deutschen Fabrikanten beschwerte, welche, wie er meinte, nicht mit der -Zeit fortgingen und von Engländern sich vordrängen ließen; ich bewies -ihm, daß alle deutschen Leinen den englischen vorzuziehen seien, weil -der von der Natur im Flachs erzeugte Faden nicht zerstampft, sondern -unversehrt in den Stoff eingewebt wird u. s. w. - -Wenn ich den geneigten Leser mit der weitläuftigen Erzählung meiner -eigenen Angelegenheiten so lange hingehalten und vielleicht ermüdet -habe, so bitte ich um Verzeihung und glaube, einige Ansprüche auf -dieselbe zu haben. Da Behauptungen Beweise erfordern und diese nur dann -als triftig gelten können, wenn sie sich auf bestimmte Erfahrungen -stützen, so mußte ich diese ausführlich mittheilen. Es wird mich nicht -gereuen, dieselben auf meine Unkosten theuer erworben und bezahlt zu -haben, wenn die Saat, die ich hier zum Nutzen des europäischen Handels -ausstreue, auch wirklich aufgeht und Früchte trägt. Zum Beschluß -will ich, ehe ich zu Gegenständen anderer Art übergehe, Einiges über -Meta-Geschäfte von dort auf Europa anführen, ein Gegenstand, der -besondere Berücksichtigung verdient. - -Meta-Geschäfte nenne ich solche, bei welchen gewöhnlich drei -Unternehmer interessirt sind, nämlich: ein Schiffseigenthümer, ein -hamburger, bremer etc. Kaufmann, und endlich ein havanesischer -Commissionair. Diese contrahirenden Personen verbinden sich mit der -Ueberzeugung, daß Einer über den Andern so viel Vortheile als möglich -erringen wird. Der Schiffseigenthümer liegt in Havana und kann für sein -Schiff nur Fracht à 2 L. Sterl. pro Tonne finden, und doch möchte er 3 -L. Sterl. 10 Sh. bis 3 L. Sterl. 15 Sh. bedingen. Wie wäre es, spricht -er jetzt, wenn ich mein Schiff mit Caffee oder Zucker für den letztern -Frachtpreis belüde? Ein Commissionair findet sich hierzu bereit, wenn -der Rheder den dritten Theil der Ladung für seine Rechnung auf Gewinn -oder Verlust übernehmen will, was dieser annimmt. -- Der Commissionair -schafft die Quantität zum Beladen an und findet vielleicht unterdessen -Einige, die zu dieser enorm hohen Fracht beiladen, wodurch denn -natürlich schon ein Gewinn für die drei Interessenten entsteht. Für -den Commissionair, der unter der Firma Spanische Regierung Europäer -et Comp. dieses Geschäft entrirt, muß unbedingt ein gewisser Gewinn -bei solchen Geschäften erzeugt werden, denn er hat Provision für den -Einkauf, den Rabatt, welchen die mit Maulthieren zum Anfahren der Güter -beschäftigten Fuhrleute ihm erlauben (indem er nämlich das Fuhrlohn -ganz in Rechnung stellt); er hat ferner die Sporteln, welche er sich -beim Ausgangs-Zoll zu verschaffen weiß, so wie auch die Provision und -anderen Sporteln auf die Waaren, die er für die europäischen verkauften -Waaren, welche durch den Antheil dieser Ladung bezahlt werden, sich -zu machen verstand, und endlich die Provision auf die Waaren, welche -nach dem Verkauf des Zuckers an Zahlungsstatt nach Havana befördert -werden. Der Europäer hingegen entschädigt sich durch Provisionen für -die eingegangenen Colonial- und ausgehenden Manufactur-Waaren. Somit -muß sich Einer auf Unkosten des Andern zufriedenstellen. Gern möchte -ich einmal die Abrechnung von einem solchen Geschäft sehen, um die -Erfahrung zu machen, wie viel den deutschen Fabrikanten von ihrem -Capital, welches sie den Bremern oder Hamburgern in Waaren gegen -Vorschuß zum Versenden nach Havana übergeben haben, übrig bleibt! - -Manche sind der irrigen Meinung, Waaren von Westindien seien Retouren, -und deshalb müsse man daran verlieren. Wenn es jeder Europäer dem -westindischen Commissionair zur Pflicht machte, keine anderen Retouren -als Wechsel auf London oder Paris zu überschicken, so würden keine -Colonial-Waaren zu einem so niedrigen Preise herabsinken, als man -täglich erfährt. Tauschhandel findet in ganz Westindien nicht statt; -es können demzufolge keine anderen Retouren als baares Geld existiren. -Colonial-Waaren müssen stets für baares Geld eingekauft werden und -selbst, wenn sie Jemand mit Salomonischer Weisheit einkaufte, so -müßte er, glaube ich, daran verlieren: ich habe in diesem Punkte eine -Erfahrung an einer Parthie Caffee gemacht, auf welche ich in Havana -verdienen konnte, in Europa hingegen verlieren soll. - -Die Nordamerikaner sind, meiner Ueberzeugung nach, die einzigen, welche -Geschäfte von Westindien nach ihren Staaten mit Nutzen betreiben -können, weil beide so nahe Nachbarn sind und jene häufig ihre Einkäufe -mit einem hübschen Gewinn realisirt haben, während ähnliche, zu -derselben Zeit auf Europa unternommene Spekulationen noch erst am -Anfange stehen und die Schiffs-Capitaine dorthin noch kaum zur Hälfte -mit dem Einladen fertig sind. - -Sieht man hierselbst die Anzahl von Geschäftsleuten, insbesondere von -Einkäufern aus den V. S., die tagtäglich in Massen ankommen, so muß es -jedem Unbefangenen bald klar werden, daß die Preise von allen hiesigen -Erzeugnissen sehr hoch sein müssen, und auf Europa nicht Rechnung geben -können. Der amerikanische Einkäufer bedient sich wohlweislich der -amerikanischen oder spanischen Commissionaire, mit denen er jedoch vor -dem Abschluß hinsichtlich der Provision eine Uebereinkunft trifft und -sehr selten mehr als 1¼ Procent accordirt. Fragt man den Deutschen, -warum er nicht auch so billig arbeite, so erhält man zur Antwort: „weil -wir nicht, den Creolen gleich, Hülsenfrüchte essen und Catalonische -Weine trinken wollen.“ Der Verkehr mit den V. S. ist in Havana so -bedeutend, daß jede Woche aus jedem Hafen derselben ein bis zwei, ein- -und eben so viele von Havana auslaufen. - -Für Havana allein brachten diese Schiffe im abgewichenen Jahre -125-130,000 Fässer Mehl, d. h. so viele erlegten den Zoll; man kann -eine bedeutende Anzahl geschmuggelter hinzunehmen; die Einfuhr auf -Matanzes und St. Jago ist mir unbekannt. Dessenungeachtet fehlte es -einmal während meiner Anwesenheit in Havana wegen der widrigen Winde, -welche die Schiffe am Einlaufen verhinderten, dermaßen an Mehl, daß -keiner von den Bäckern mehrere Tage hindurch Brod zum Verkauf hatte -und man zu den Schiffs-Zwiebacken seine Zuflucht nehmen mußte. Ein -Schiff, welches in dieser bedrängten Zeit einlief, machte einen Preis -von 32 Piaster pro Faß, der sich jedoch nur einige Tage behauptete, -denn unmittelbar darauf kam so vieles Mehl an, daß die Preise in -wenigen Tagen von 32 Piaster auf 18 herabsanken. Rindfleisch wird auf -Cuba nur von Montevideo, in Friedenszeiten aber auch von Buenos-Ayres -eingeführt; es langen etwa 100 Ladungen an. Es wird dort gesalzen und -in der Sonne getrocknet, riecht nicht angenehm und ist nicht allein für -den Neger bestimmt, sondern auch für den Ausländer; ist mir selbst doch -sehr oft in den Restaurationen ein daraus zubereitetes Steak gereicht -worden, allein mir kam es stets ungenießbar vor. - -Bei dieser Gelegenheit will ich dem geneigten Leser zur Uebersicht -eine kleine Tabelle von den wichtigsten, aus den V. S. in Havana -eingeführten Lebensmitteln vorlegen; merkwürdig ist hierbei die -Quantität flüssiger Fettwaaren. - - 389796 Arrobas Reis, die Arroba à 25 Pfund 9,744900 - 12498 - Butter - 25 - 312450 - 261097 - Schweineschmalz oder 6,527425 - 101842 Pfund Oel in Fässern 101842 - 248392 Flaschen dito à 2 Pfund 496784 - -Diese Quantitäten sind es, die den gesetzlichen Zoll erlegt haben; -außerdem kommt noch in Betracht die Quantität Butter, welche -Capitaine für ihre eigene Rechnung mitbringen, womit sie den Zoll zu -umgehen wissen, so wie auch die Quantität Rindsfett von den auf Cuba -geschlachteten Thieren, welche den Fettwaaren angereiht zu werden -verdienen. - -Geht schon aus diesem kleinen Verzeichniß die Wichtigkeit Cubas für -die V. S. hervor, so stellt sich dieselbe doch noch mehr heraus, wenn -man auch folgende Artikel hinzurechnet, die auf Cuba, wegen Mangel an -Menschen nicht verfertigt werden, nämlich: das Holz, aus welchem die -750,000 Kisten zum Verpacken des auf Cuba erzeugten Zuckers gemacht -werden, wofür der Producent dieses Artikels 3½ Piaster für jede vom -Käufer wieder erhält; ferner die Masse Schweinefleisch, Lichter, -Aepfel-Champagner, Knoblauch und Zwiebeln, von welchen ganze Ladungen -anlangen; Stühle, Bänke, Tische, kurz Alles, was in den Häusern nöthig -ist. Für alles dieses fließen den Amerikanern von Cuba ungeheure -Summen zu, welche jedoch sehr oft nicht zureichen, den Belauf der von -den Amerikanern aus Cuba bezogenen Artikel, als: Tabacke, Cigarren, -Caffee, Melasse, Branntweine, Zucker, Früchte etc. zu decken. Es giebt -sehr oft in Havana so viele Wechsel auf alle Handelsplätze in den -V. S., daß den Käufern oder Abnehmern freiwillig eine Prämie von 3, -zuweilen gar 4½ Procent angeboten wird. Bei diesen Umständen und bei -solchen Gelegenheiten könnten die deutschen Commissionaire freilich -sehr zum Nutzen ihrer Freunde in Europa agiren, wenn sie nämlich statt -Colonial-Waaren Wechsel auf New-York für dieselben kaufen wollten und -von dort auf London Wechsel anschaffen ließen. Allein dies geschieht -nie; jeder deutsche Commissionair, welchem Credit in London zu Gebote -steht, schickt seinem europäischen Freunde seine von ihm selbst auf -London gezogenen Wechsel als Rimessen und berechnet die in Havana -statt findende Prämie, welche gewöhnlich mehrere Procente höher, wie -die in New-York ist. Es ist demnach mit Gewißheit anzunehmen, daß der -deutsche Commissionair in Havana neben den 2½ Procent, welche er für -die Anschaffung von Rimessen dem Europäer in Rechnung stellt, durch -jene Operation noch 3-4 Procent verdient. - - - ~Ueber die - Feste und Vergnügungen~ - der - Havaneser. - -„Heute nimmt der Carneval seinen Anfang!“ sagte meine Wirthin, als -ich eines Morgens aus meiner Arche in ihr Zimmer trat, um mich zu -einem Spaziergange an der Seeküste wegzubegeben; „heute,“ fuhr sie -fort, indem sie eben Caffee schlürfte,[C] „müssen Sie sich einmal -ganz dem Vergnügen hingeben, denn bis jetzt haben Sie wenig oder -gar nicht gelebt.“ Während dessen vernimmt sie das Ausschreien von -Lotterie-Loosen durch einen hausirenden Collecteur. Wie der Blitz war -sie zur Hausthür hin, welche zugleich die Thüre ihres Visiten-Zimmers -ausmachte, mit der einen Hand dieselbe öffnend, mit der andern -die Tasse Caffee haltend, „vielleicht -- ja“ aussprechend, um ihr -Schärflein zu diesen Regierungs-Revenuen beizusteuern. Die Nummern -der Loose wurden sorgfältig durchgesehen und gemustert und ein -Viertel-Loos in Gemeinschaft mit einem zufällig anwesenden jungen -Franzosen gekauft. Von derselben Nummer hatte der Collecteur noch ein -anderes Viertel, welches zu nehmen sie mich persuadiren wollte; da -ich indessen diese Lotterie, wegen der unverhältnißmäßigen Anzahl der -Nieten zu den Gewinnen haßte, so schlug ich es ab. Zufällig kaufte es -der zum Frühstück nach Hause gehende Sohn meiner Wirthin und sonderbar -genug, daß dieselbe Nummer in wenigen Tagen die höchste Prämie von -25,000 Piaster erhielt. Es wäre freilich ein erfreuender Carneval für -meine Finanzen gewesen, sagte ich, als mir die Liste und das Loos beim -Frühstück gezeigt wurde, allein sein Sie überzeugt, daß, wäre ich -Inhaber dieses Looses gewesen, Sie nichts gewonnen hätten, weil Fortuna -die einzige im Frauengeschlecht ist, welche mir, da mein eiserner Fleiß -ihren Gnadenbezeugungen stets getrotzt hat, stets entgegen trat und -mich zum Hasser des schönen Geschlechts hätte machen können, wenn ich -es nicht wegen der so vielen guten Eigenschaften so tief verehrte. Und -dennoch ein Hagestolz? fragt vielleicht eine geehrte Leserin. Ja, meine -Schöne, würde ich antworten, Hagestolz und zwar aus dem Grunde, weil -ich täglich neue Bekanntschaften unter Ihrem Geschlecht und täglich -bessere Eigenschaften zu entdecken Glück und Gelegenheit hatte, so daß -ich die vollkommenste Frau aufzufinden mich entschloß und bei diesem -Suchen ergraut bin, wodurch mir denn nur Ansprüche auf Ihren Geist, -aber keine auf Ihre Herzen übrig geblieben sind. - -Als ich beim Fortgehen vom Hause über die Worte der Wirthin -reflektirte, daß ich mich dem Vergnügen hingeben müsse, dachte ich bei -mir selbst: worin kann und soll denn ein Mann in deinem Alter Vergnügen -finden? Sollst du noch mehr thun, als anständig leben und dich kleiden? -was allein schon in Havana Einem schwer wird. -- Aber es ist ja -Carneval, dachte ich; du mußt also versuchen, auf die in diesem Lande -übliche Weise das Geld todtzuschlagen. - -Zuerst also beschloß ich, von meiner Gewohnheit abzuweichen und ein -großes Frühstück einzunehmen. Du mußt deinem Gaumen den Carneval -durch Austern kund thun, dachte ich und ging demzufolge nach einem -mit Zugwinde versehenen Lokale. Durch die Dienstfertigkeit der -cigarrenrauchenden Marqueurs stand bald eine Portion Austern auf meinem -Tisch, an welchem sich mehrere junge Herren in derselben Absicht -befanden. Ich beguckte diese so wie die mir vorgesetzten Austern und, -sonderbar genug! es erging mir mit den Austern nicht besser, wie mit -den Herren; eben so wenig als ich wegen der großen Backenbärte die -Gesichter der letztern zu beurtheilen im Stande war, eben so wenig -wollte es mir gelingen, die wirklichen Austern aus dem Bart und aus den -Schalen herauszufinden. -- Ich bezahlte ¾ Piaster für dieses frugale -große en miniature aufgetragene Frühstück und dies war gut -- für? -- -den Wirth. - -Durch den vermeinten Austernschmaus war mein Appetit rege geworden, -allein er verging mir bald wieder, als ich mich gegen Mittag der -belle Europe näherte, als ich im Entree die verschiedenen Gerüche von -Lampenöl, Knoblauch u. s. w., womit die Speisen zubereitet worden, -einathmete, als ich das Reinigen der Messer und Gabeln von Seiten eines -Negers sah. Der Oberkellner war damit beschäftigt, aus den Neigen der -in verschiedenen Flaschen vom Abend zuvor übrig gebliebenen Weine, -durch Zusammenschütten volle Flaschen zu erzeugen. In Havana nämlich -ist es gebräuchlich, daß vor jedem der Couverte eine volle Flasche, -d. h. ¾ Flasche steht; es wird jedoch nur so viel dafür bezahlt als -daraus getrunken ist und mit den Neigen wird dann der erwähnte Prozeß -vorgenommen, denn von ihnen gilt das, was in Wallensteins Lager der -Rekrut mit zerrissenen Kleidern spricht: - - Stellt mich morgen in Reih’ und Glied dar, - Wer sieht mir’s an, was ich gestern war! - -Ich nun bekam auch ein solches Mixtum-Compositum von Catalonischen und -Französischen Weinen, ein Steak aus dem Fleisch von Montevideo und -gesäuertes,[D] mit Schweineschmalz gebackenes Brod und eine Flasche des -allerbesten, vor vielleicht vier Wochen eingesammelten Regenwassers, -unfiltrirt: wofür ich etwa 1 Thlr. bezahlte; wieder gut für die belle -Europe, von deren Schönheit ich kein Anbeter war. - -Nach dem Mittagsessen entschloß ich mich, einen Spanier, der mich -zum Caffee eingeladen hatte, aufzusuchen, welches hier, da es keine -Wohnungs-Anzeiger giebt, die Namen der Hausbesitzer auch nicht an -den Thüren gefunden werden, eine sehr schwierige Aufgabe ist; die -Kaufleute haben sogar keine Firma; die Läden haben wie in den deutschen -Badeörtern ihre eigene Benennung als: der Hirsch, die blaue Kuh, -Columbus etc. Erst nach langem Suchen fand ich meinen Spanier, der -mich mit seinen beiden funfzehn- und eilfjährigen Töchtern, die mit -ihren brennenden Cigaro’s da saßen, erwarteten. -- Als der Caffee -servirt wurde, fand ich in den kleinen Unterschalen zu meinem Erstaunen -statt der Theelöffel sehr große und schwere Suppenlöffel die mich -einigermaßen genirten. Indeß sah ich denn doch, daß die Suppenlöffel, -die hier in großen Vorräthen bei den Silberschmieden aufgehäuft liegen, -eine Bestimmung haben, denn die Suppen sind in Havana so kompakt, -daß sie mit dem Messer verzehrt werden können. -- Es wurde viel -Caffee getrunken und eben so viel von allen Seiten Cigarren geraucht, -wobei ich mich an der Virtuosität der jungen höchst liebenswürdigen -Spanierinnen ergötzte, während ich mich, wie jene, in einem von den -Schaukelstühlen wiegte. -- So wurde der erste Carnevalstag auf eine -comfortable Weise todtgeschlagen, bis ich um neun Uhr in meine Arche -zurückkehrte. - -Um dem Willen meiner Wirthin nach Vermögen nachzukommen, wandte ich am -andern Morgen zunächst meine Aufmerksamkeit einem bessern Essen zu, was -doch auch mit zu einer vergnüglichen Existenz gehört. Was wir Europäer -unter: Gut essen verstehen, das konnte, wie ich aus meinen bisherigen -Erfahrungen wußte, nicht gut in Havana möglich gemacht werden. Durften -doch selbst bei meinem Commissionair, dem Fleisch-Inhaber, unter den -vielen Schüsseln die besten nicht angetastet werden, weil sie für -seine außer dem Hause wohnende Maitresse bestimmt waren; den Gästen -wurden sie nur gezeigt und dann fortgetragen, wobei es sich glücklich -ereignete, daß keine neugierigen Eva’s-Töchter zugegen waren. Ich indeß -wünschte nur einen Tisch zu finden, auf welchen genießbare Speisen -aufgetragen würden und berieth mich deshalb mit einem Franzosen. Dieser -wies mir das Haus einer Französin an, woselbst ich für 30 Piaster pro -Monat recht gut und zugleich in angenehmer Gesellschaft diniren und -frühstücken könnte. - -Ich begab mich nach diesem Hause. Eine der Hauptzierden des -Tisches war ein Bocksbraten, incognito, unter dem Namen Mouton in -Knoblauchs-Uniform, um nicht verrathen zu werden. Das Dessert bestand -aus vielen Kuchenarten und eingemachten Früchten; aus den erstern blies -Jeder, bevor er sie genoß, die Ameisen und andere artige Insekten;[E] -die Gesellschaft war angenehm, die Dienerschaft zeigte viel Gehorsam -und besondere Aufmerksamkeit für die Gäste; man hatte sogar für -einige Knaben und Mädchen gesorgt, die, da es gerade sehr heiß war, -durch Eventails die Hitze der Mitspeisenden weniger fühlbar zu machen -suchten; nur hätte man auch auf reinliche Wäsche und Kleider derselben -sehen sollen. Am folgenden Morgen sollte ich erklären, ob ich, wie mein -Freund, für die Dauer Abonnent sein wollte. Ich wollte jedoch zuvor zu -einer ähnlichen Maßregel schreiten, als wenn ich mit Hauderern reisen -wollte; wie ich dann zuerst die Pferde und Wagen mir besah, so wollte -ich jetzt die Küche etwas ansehen. - -Ueber dieselbe etwas Näheres zu berichten, würde überflüssig sein, -wenn die Leser mit der chirurgischen Operation bekannt geworden -sind, die ich hier wahrnahm. Ich fand nämlich eine Negerköchin in -einer solchen begriffen, indem sie einen etwa dreijährigen Knaben -von einer hartnäckigen Obstruction befreien wollte. Da sie jedoch -während dieses wichtigen Geschäftes durch das Ueberkochen eines -Fricassés zur Kastrolle abgerufen wurde, so legte sie rasch das -chirurgische Instrument nieder und lief ohne Weiteres zur Kastrolle, -um dort die nöthigen Operationen vorzunehmen. Nachdem ich diese -saubere Carnevals-Scene gesehen, beschloß ich sofort, eine für mich -befriedigendere Carnevals-Speise aufzusuchen und dies gelang mir denn -auch bald in einem Gasthof ohne Zeichen, dessen Wirthin, Madame Henry, -eine gefällige Amerikanerin ist. Sie giebt für einen Piaster ein gutes -Mittagessen und ausnahmsweise auch von dem für sich ohne Sauerteig und -Schweinefett gebackenen Brode. Der Wein nur hatte hier, wie überall in -der neuen Welt, chemische Processe zu ertragen gehabt. Hinsichtlich -der Küchen-Revisionen dachte ich aber jetzt, wie Gellert in seinen -Briefen von den Landkutschen: „Einmal in der Landkutsche gefahren und -nie wieder.“ - -Nachdem ich meinen Magen so ziemlich versorgt wußte, fing ich an, -Nahrungsstoffe für den Geist aufzusuchen. Das Erste für die Havaneser -in dieser Beziehung ist das Stiergefecht. Das Lokal zum Martern dieser -Thiere befindet sich auf der andern Seite des Flusses in einem kleinen -Orte, Redler genannt, dessen wohlhabende Bewohner viele Geschäfte -mit Wachs und Honig treiben. Um dieses schauderhafte Vergnügen zu -genießen, bezahlt man 6 Realen (etwas mehr als 1 Rthlr). Es befanden -sich an jenem Tage gegen 2-3000 Zuschauer im Circus, der in Betreff -der Baukunst nichts Angenehmes darbietet. Die Stiere befinden sich in -den Händen des Gouverneurs, weshalb das Schauspiel erst nach dessen -oder seines Deputirten Ankunft seinen Anfang nimmt. Sobald diese hohe -Person erschienen ist, tritt der Direktor in alt-spanischem Costüme -unter die Loge, aus welcher ihm die Schlüssel des Ankleide-Zimmers der -stierkämpfenden Schauspieler herabgeworfen werden; er nimmt dieselben -mit einer tiefen Verneigung in Empfang und öffnet sogleich die Thür, -um eine der Bestien herauszutreiben. Muthig zeigt sich nun der erste -dem in Leinen gekleideten Publikum, (denn unter allen Anwesenden -waren nicht 100 in Tuchröcken); dort stehen die Marterer mit den -Spießen, die sie den Thieren in die Ohren werfen müssen, damit sie -wüthend werden. Im Uebrigen ist die dabei statthabende Musik, welche -durch eine ungeheure Trommel, mehrere Posaunen, Trompeten und Becken -hervorgebracht und durch Neger geleitet wird, ganz geeignet, die Ochsen -zur Wuth zu reizen. - -Wird der agirende Ochs nicht in den ersten fünf Minuten rasend, -so zischt ein großer Theil des Publikums und drückt sogar sein -Mißfallen durch Worte aus, um die hetzenden Diener, welche zu Pferde -oder auch zu Fuße mit Spießen, couleurten Fahnen, Tüchern etc. umher -rennen, anzutreiben. Diese aber haben ihre Schlupfwinkel und werden -oft, wenn sie in dieselben nicht rasch genug zu retiriren wissen, -getödtet. Das Pferd eines dieser reitenden Diener wurde an diesem -Tage so zugerichtet, daß die Eingeweide desselben wohl ¼ Elle -lang heraustraten und es sogleich niederfiel. Die Thiere werden bis -zum Niederstürzen gemartert; fallen sie, so tritt ein privilegirter -Henkersknecht mit einem langen Spieß heran und beendet das große Werk. -Als dies geschehen war, erschien ein Postzug von drei Pferden (in die -Länge gespannt) und der getödtete Stier wurde in vollem Trabe, unter -Jubelgeschrei und Beifallsklatschen der Anwesenden hinausgezogen. Und -sofort wird ein anderes Thier hinausgetrieben, um das Schicksal des -erstern zu haben. -- Die allermuthigsten werden gewöhnlich erst am -Ende auf den Kampfplatz gebracht. Der letzte war auch der glücklichste -von allen; trotz aller Mühe, welche man sich gab, ihn zum Stürzen zu -bringen, bestand er jede Probe, ja selbst die Feuerprobe; er wurde -nämlich in eine mit Feuerwerk gefüllte weibliche Figur hineingetrieben -und entkam der Gefahr, und unter Klatschen und Beifallrufen kehrte er -in seinen Stall zurück. - -Nicht weit von Redler liegt ein kleiner Flecken, wo ein bedeutendes -Geschäft mit Melassen, einem Syrup, den man nicht wie in Europa beim -Raffiniren, sondern aus dem rohen Zucker gewinnt, getrieben wird. -Ueber die Art und Weise, wie das Produkt erzeugt wird, will ich -nichts anführen, indem ich voraussetze, daß Herr von Humboldt und -andere Gelehrte in ihren Abhandlungen über den Zuckerbau hierüber das -Wissenswertheste gesagt haben. Ich langte gerade in jenem Flecken an, -als der Inhalt eines Fasses, nach Freiheit strebend, den Boden des -Fasses zum Nachgeben gezwungen hatte und frei herauslief. Zwei Neger -waren sogleich bei der Hand, die Melasse zu sclavischem Gehorsam -zurückzuführen und beschäftigten sich damit, diesen flüssigen Stoff mit -ihren schwarzen Händen (weshalb es für das Urtheil des Profanen ungewiß -blieb, ob sie schmutzig waren oder nicht) vom Boden aufzuschöpfen und -einzugießen. Welch ein erfreuender Anblick, dachte ich, müßte diese -Operation für einen Nord-Amerikaner sein, welche beim Caffee oder Thee -zum Frühstück einen Pfannkuchen, in solchem Syrup getränkt, zu genießen -pflegen. - -Von den Prozessionen, die ich hier gesehen, verdient zunächst die am -Carneval übliche angeführt zu werden, weil schon die Tendenz derselben -sehr lobenswerth ist, nämlich den Kranken und Schwachen, welche an -den Carnevals-Freuden Theil zu nehmen verhindert sind, Kunde davon zu -geben. Jeder Conditor und Bäcker nämlich hat Brod- und Kuchen-Arten -für den Zustand des Kranken, aber auch der Gesunden zubereitet, -welche aus ihren Wohnungen der vorüberziehenden Prozession auf großen -Präsentir-Tellern gereicht werden und Träger finden sich bald bereit, -um sich ihren Magen und den Hospitälern nützlich zu erzeigen. Auch wird -von den Spanierinnen Charpie in großen Quantitäten auf eben solchen -großen Präsentir-Tellern den bereitwilligen Trägern übergeben. - -An demselben Tage bemerkte ich auch das Leichenbegängniß eines -Staatsdieners; ganz in prozessionsartigem Zuschnitte lag die Leiche -im offenen Sarge in vollem Ornate, mit den dieser Person gewordenen -Ehrenzeichen. Eine schlechte Anordnung in solchem heißen Lande! Gern -hätte ich auch den Leichenzug eines Havanesischen Kaiser Napoleon -mit beigewohnt, ein Kirchendiener nämlich, der wegen der täuschenden -Aehnlichkeit mit diesem großen Manne, sich eben so zu kleiden pflegte, -wie dieser. In jüngern Jahren soll er auch nach Europa gereist sein, -um die feinen Nuancen im Benehmen des Kaisers beobachten und copiren -zu können. Ich wurde aber durch Geschäfte abgehalten, der Beerdigung -desselben beizuwohnen und kann deshalb darüber nichts Näheres berichten. - -Mit großen Lettern prangte heute auf den Theater-Zetteln, die im -allergrößten Formate an allen Straßenecken angeklebt waren, Rossini’s -beliebte Oper: der Barbier von Sevilla, im Opernhause, nur von -italienischen Künstlern ersten Ranges dargestellt, und präcise um -sechs Uhr befand ich mich zum ersten Male auf dem Wege nach dem -Opernhause. Da aber der liebe Gott die Tabacks-Produzenten unterdessen -mit einem lang erflehten Regen erfreut hatte, so war diese Reise -nicht ohne bedeutende Schwierigkeiten auszuführen, indem selbst die -Volanten nur mit Mühe durch den Lehm sich durcharbeiteten. Als ich -endlich unversehrt anlangte, zeigte mir das Gedränge an der Kasse -bald die Unmöglichkeit, eine Einlaßkarte lösen zu können, und schon -war ich im Begriff fortzugehen, als mir Jemand eine anbot zu sechs -Realen (1 Thlr.). Mein Erstaunen war nicht gering, als ich erfuhr, daß -diese sechs Realen bloß für die Erlaubniß ins Haus zu treten bezahlt -seien, daß ich, wenn ich einen Sitz haben wolle, noch 1½ Piaster -hinzuzulegen hätte, weil jeder einzelne Platz für 51 Piaster auf 24 -Vorstellungen abonnirt sei. Da die Logenthüren stets offen bleiben, -fiel ein in kurzer Entfernung stehender Deutscher ein, würden Sie wohl -daran thun, sich an einer von den Logenthüren aufzuhalten, wenn Ihnen -das Stehen nicht zu lästig ist. Diesen Rath befolgte ich und er fand -sich auch als der erste vernünftige, der mir während meines Hierseins -von einem Deutschen ertheilt wurde. - -Die Logen-Abonnenten langten successive an; an jeder Loge befand sich -ein gallonirter Neger als Begleiter und Beschützer der Frauen. Dieses -letztern Ausdruckes darf ich mich eigentlich nicht bedienen, weil -alle Damen ohne Kopfbedeckung erschienen und ich mithin nicht wissen -konnte, welche von ihnen unter die Haube gekommen war. Die Sänger waren -größtentheils +Invaliden+, wenn ich sie mit denen der großen -Londoner und Berliner Oper vergleiche. Es war kein +Rosinchen+ -von französischem oder italienischem Weinstock, nein! es war eine -derbe von Malagaschen Trauben erzeugte Rosine, welche dessenungeachtet -derb gefiel; ein Nasen-Tenorist; ein mit hölzernem Spiel und ditto -Stimme begabter Figaro und alle übrigen Mitwirkenden ließen ihre Arme -und Beine für die Hauptsache sorgen. Die Chöre bemühten sich, einen -Galamathias zu schreien; der Musik-Direktor, ein Holtér von Geburt, -klopfte derb auf und machte es „holter“ recht. Das Orchester war brav, -indem es aus Musikern der dortigen Regimenter zusammengesetzt war. - -Der Vorstellung und besonders des Stehens überdrüssig, sehnte ich -mich jetzt nach einem Sitz, wobei ich gestehen muß, daß, wäre ich -vielleicht 20 Jahre jünger gewesen, ich mich wegen der beiden höchst -liebenswürdigen Spanierinnen, hinter deren Sitz ich stand, zum ewigen -Stehen (NB. diesen Theater-Abend) würde bereit gefunden haben. Ich -bemerkte bald, daß der Inhaber des Erfrischungs-Saales vor dem in -demselben angebrachten Fenster mit Gittern stand und seinen Cigarr -schmauchte; von dort aus aber konnte man durch eine offen stehende -Logenthür die Bühne übersehen und jeden Ton deutlich vernehmen. Rasch -ließ ich meine schönen Spanierinnen im Stich, eilte nach diesem Saal -und bestellte ein Glas Aqua de Panaly[F] und schaute und hörte bis zu -Ende des ersten Aktes. Jetzt aber füllte der Saal sich so übermäßig -mit Cigarrenrauchern, daß ich mich zum Abzuge entschloß. Ich machte -jetzt die Ronde hinter den Logen und stieß jede zwei Schritte auf einen -mit blankem Seitengewehr in der Hand postirten Militair. Ich hörte, -daß die Mannschaft, die hier den Dienst verrichtet, sich auf eine -complette Compagnie belaufe und alle Gewehre scharf geladen seien. Es -geschieht dies wegen der Masse von Negern, die hier beisammen sind. -Im Parquet bemerkte ich jetzt Niemand, denn Damen gehen nicht hinein -und die Herren rauchten alle einen Cigarr im Caffeehause; ich machte -während der Pausen eine Promenade auf das italienische Dach. Die -mondhelle Nacht bot mir etwas dar, was jeden mit Gefühl für Natur und -Kunst begabten Europäer überraschen mußte. Ich war tief ergriffen, als -ich auf die im Strome vor Anker liegenden Schiffe (in allen Größen, ja -sogar Kriegsschiffe) herabsah und auf der ans Opernhaus angränzenden -Promenade die spazierlustige Welt, um sich von der Tageshitze zu -erholen, mit brennenden Cigarren umherwandernd, erblickte. -- Als ich -aus den höhern Regionen dieses schönen Musentempels in die untern Räume -zurückkehrte, wo die Diener des Mars walteten, rollte eben der Vorhang -zum zweiten Akt herauf. Eingedenk der Gefahr, die ich bei meiner -Hieherkunft in Beziehung auf die Volanten zu bekämpfen hatte, welche -nach Beendigung der Vorstellung noch größer zu werden versprach, trat -ich die Wanderschaft nach meiner Arche an. - -Meine Wirthin war, als sie sich durch die mitgebrachte Contre-Marque -von meiner Gleichgültigkeit gegen die gepriesene italienische Oper -überzeugt hatte, sehr aufgebracht und meinte es sei nun bald Zeit für -mich, in mein deutsches Sibirien, Berlin genannt, zurückzukehren. -- -Auch die Ratten feierten in meiner Arche ihren Carneval, sie ließen -mir wenig Ruhe und mußten während der Nacht sehr ausgelassen (trotz -unseren deutschen Rheinländern, den Cölnern) gewesen sein, denn als ich -mich am andern Morgen von meinem Stickrahmen erhob, waren zwei Fuß aus -der Wand zunächst meinem Lager zusammengearbeitet. Dies erzeugte in -mir den Gedanken, die Redoute im Theater de Tacon an diesem Abend zu -besuchen, um mich ermüdet und des Schlafens gewiß niederzulegen. - -Es werden hier stets zwei aufeinander folgende Redouten gegeben; -da der Spanier sich in Masken-Anzügen am besten gefällt, so ist es -nichts Seltenes, daß an demselben Abend 3-4 statt haben. Also nach -der Redoute! dachte ich. Aber ist es nicht eine Sünde gegen das achte -Gebot für einen Mann, wie ich, auf die Redoute zu gehen? -- Wird -doch, tröstete ich mich, die edle Zeit ohne Furcht und fortdauernd -von so Vielen getödtet; so tödte denn auch du einmal dieselbe aufs -+beste+. Schon um acht Uhr des Morgens verkündigten die sehr -langen und breiten Anschlagezettel, daß an diesem Abend die größte -aller Redouten statt finden solle, indem 10,000 Personen sich einfinden -würden. Mit Sehnsucht wartete ich auf den Abend, dies Wunder zu sehen, -aber meine Freude wurde zu Wasser, denn es fing plötzlich an zu regnen, -als sollte eine Sündfluth statt finden. Die Straßen werden unpassirbar -und ich entschließe mich, zu Hause zu bleiben. Indeß zur Freude des -Unternehmers dachten nur wenige so wie ich; es wimmelte trotz des -Morastes in den Straßen von Masken in weißen und farbigen Anzügen; die -Wirthe beeilten sich, den zu Fuß wandernden Masken hülfreiche Hand zu -leisten; in den unpassirbaren Straßen werden Nothbrücken und Trottoirs -von Brettern gelegt und siehe da! der Saal ist noch, wie mir versichert -wurde, gepfropft voll gewesen. - -Meine Wirthin nahm selbst zwar an keinem Vergnügen mehr Theil, -bekümmerte sich aber nichts destoweniger um alle; sie wußte jede -Neuigkeit, wußte, wo es Schmausereien und Bälle gegeben hatte und geben -würde. Sehr glücklich für Sie, fing sie eines Morgens an, daß der Regen -vor einigen Tagen Sie von der Redoute zurückgehalten hat; Sie bekommen -übermorgen für Ihr Geld eine weit hübschere zu sehen, eine Redoute -romantique nach der Form eines bal masqué romantique, der vor einigen -Tagen von einem reichen Spanier zum ersten Male gegeben wurde. Ich -wußte in der That nicht, was es mit dieser Romantik des Balles für eine -Bedeutung haben solle, und die gute Wirthin fuhr erklärend fort: Sehen -Sie! ein reicher Spanier hatte die Absicht, sich zu verheirathen. Nun -hatte er die Bekanntschaft sehr vieler Damen; unter diesen aber waren -10-12 gleich schön und liebenswürdig, so daß er unter diesen zu wählen -sich nicht entschließen konnte, da er keinen Grund hatte, der einen -oder der andern den Vorzug zu geben. Um nun aber nicht, wie jener Esel, -der sich nicht zu einer Wahl zwischen mehreren Heuhaufen entschließen -konnte, ewig auf derselben Stelle stehen zu bleiben und zu hungern, -gerieth er auf folgendes Manöver. Er gesteht frank und frei jeder der -Damen sein Unvermögen zur Wahl und eröffnet ihnen dabei seinen Plan: -er werde die Damen alle gemeinschaftlich zu einem Balle einladen und -die Einladungskarte mit einer Nummer versehen; alle 12 Nummern sollten -in ein Glücksrad geworfen und unter Cupido’s und Hymens Schutz tüchtig -durchgemischt werden, und Fortuna solle dann beim Herausziehen einer -der 12 Nummern für ihn entscheiden, welche von den 10-12 Auserkornen -die auserkorenste sein soll. -- Da die Spanierinnen hinsichtlich des -Verheirathens wie alle Europäerinnen denken, d. h. mit dem Wunsch, -sich zu verheirathen, zu Bette gehen und wieder aufstehen, so fand -ein solches Unternehmen keine Schwierigkeit und -- der junge Mann hat -eine recht niedliche und zugleich gute Frau bekommen. Und sehen Sie, -fuhr sie fort: auf ähnliche Weise wird die nächste Redoute romantique -statt finden, nur mit dem Unterschiede, daß hier eine Frau von Ihnen -erhascht werden kann und zwar eine sehr ruhige, friedliebende, nämlich -eine leblose mit einer goldenen Kette, (im Werth von vier Dublonen) -geschmückte, -- Figur. Sehr gut! erwiederte ich, bei einer solchen -Heirath riskirt man doch nicht seine häusliche Ruhe; ich werde mich -um sie bewerben. -- Mit dem Glockenschlage 10 stand ich an der -Kasse, legte bescheidener Weise einen Piaster nieder und erhielt mit -einem Billet Hoffnung zum Besitz einer der anspruchlosesten Frauen --- indessen Fortuna gestattete mir auch hier nicht, Hymens Fessel -anzulegen. - -Der Saal entsprach übrigens nicht meiner Erwartung, indem man mir oft -gesagt hatte, das Carlo-Theater in Neapel sei ein Miniatur-Gebäude -gegen dieses de Tacon; ich fand diesen Saal nicht größer als den -des neuen Hamburger Schauspielhauses bei Redouten. Das Haus ist -durch und durch von Holz, die Beleuchtung sehr schwach, welches -wohl dem bedeutenden Verbrauch des Oels bei Zubereitung der Speisen -zuzuschreiben ist; man konnte, obgleich die Logen des ersten Ranges -in keiner zu großen Entfernung sind, nichts von den in denselben -herumschweifenden Masken unterscheiden. - -Die Masken-Ordnung ist eine sogenannte zwanglose, d. h. Unordnung. -Die Neger ausgenommen, ist Jedem der Zutritt gestattet, mag er in -schmutzigen oder reinlichen Hauskleidern erscheinen. Im Saale ist das -Cigarrenrauchen erlaubt, weshalb beinahe Alle rauchen. Da der Spanier -für Hazard-Spiele und das schöne Geschlecht mehr Neigung hat, als -irgend eine andere Nation, so konnte der Unternehmer wohl die Anzahl -seiner Besucher vorausbestimmen und auf 12,000 angeben, und so groß -war auch wirklich die Anzahl der vertheilten Entréekarten, obgleich -höchstens für 3000-3500 Personen Platz im Saale ist. Die, welche keinen -Platz im Saale fanden, spazirten in den blühenden Orangen-Alleen und -athmeten bessere Düfte als die im Saale. - -Die Alleen glichen einem Lustlager; man fand hier Reihen erleuchteter -Buden mit Erfrischungen aller Art: da standen in Oel gesottene -Ziegenfüße, dort eben so zubereitete kleine Fischchen, die wegen ihrer -kleinen niedlichen Gestalt ihren Namen Petit-nets verdienen. Dort -bemerkt man Buden mit eingemachten Früchten und Confituren, auf welchen -sich Blumenstücke von den vorzüglichsten Ameisen und andern dort -einheimischen Insekten, nicht nach dem Leben, sondern nach dem Ableben -derselben gebildet hatten. In manchen Buden wurden Milch- und andere -Punsch-Sorten geschenkt. Zwischen den Buden lagen die respektiven Köche -auf dem durch die Hitze seit einigen Tagen ausgetrockneten Lehmboden -hinter dem Feuer von Holzkohlen, und die reich gekleideten Masken sah -man lüstern auf die in Oel siedenden Gerichte hinblicken. Ich glaube -nicht zu übertreiben, wenn ich die Anzahl der Menschen, die sich -herumtrieben, auf 10 bis 12,000 angebe. Es war ein herrlicher Anblick, -in der mondhellen Nacht eine solche Masse lebenslustiger Menschen unter -Gesang und Spiel umherschwärmen zu sehen und nicht einen einzigen -Betrunkenen zu bemerken. Aecht Spanisch! Jeder und beinahe Jede mit -einem brennenden Cigarr im Munde, aber alle nüchtern. - -Auch die Negersclaven begehen acht aufeinander folgende Stunden den -Carneval. Am heiligen Drei-Königs-Tage, des Vormittags um 10 Uhr, hört -man überall Trommelschläge, die Signale, daß der Carneval seinen Anfang -nehmen wird. Es gruppiren sich jetzt in allen den Straßen, in welchen -jene Signale gegeben worden sind, diejenigen, welche an der aus jener -Straße abziehenden Gesellschaft Theil zu nehmen versprochen haben. -In jeder dieser Gruppen befindet sich nur ein wohlgestalteter Neger -en masque; da sieht man dieselben in Häuten wilder Thiere Ungeheuer -vorstellend in der einen Gruppe, oder auf Stelzen; in der andern -sieht man Neger, deren Körper bis zum Unterleibe förmlich lackirt -sind, auf dem Leibe Tigerflecken und Zebrastreifen nach dem Leben -gezeichnet, die Wangen weiß oder roth lackirt, welches einen höchst -komischen Effect macht; Andere wiederum erscheinen mit dem Kopfputz -eines indianischen Fürsten, indem sie statt der Bekleidung ihren Körper -mit den verschiedenartigsten Lumpen englischer Baumwollen-Waaren -behängt haben. Jeder solche maskirte Neger wird von einem großen Trupp -begleitet, dessen Geschrei und Lärmen mit der Trommel wetteifert; sie -ziehen durch alle Straßen und werden von allen Vorübergehenden oder -Fahrenden beschenkt. Bei den Spaniern finden an diesem Tage Feten -statt: es werden Freunde geladen, welche, sobald sich eine Trommel -vernehmen läßt, den Gitterfenstern zueilen, um die vorbeiziehende -Gruppe zu sehen. Um sechs Uhr Abends darf sich keiner derselben mehr -in den Straßen zeigen, jetzt kehren sie in die Schenken ein, um die -empfangenen milden Gaben ihren Gurgeln mildthätig zukommen zu lassen. -Vor jeder solcher Schenke befindet sich eine militärische Patrouille -mit scharf geladenen Gewehren. - -Der Spanier ist in der That ein ganz vortrefflicher, liebenswürdiger -Mensch; er besitzt alle geselligen Tugenden, um in dieser Rücksicht -als Vorbild für die menschliche Gesellschaft zu dienen. Dies gilt -hauptsächlich von dem Gebildeten: er ist artig, zuvorkommend, -gastfreundschaftlich und im höchsten Grade genügsam. Man beleidige -und reize ihn nicht und man wird in ihm einen Freund und Rathgeber -finden. Seine Feinheit im Umgang steht weit über der des Franzosen und -dabei ist er inniger und flößt mehr Vertrauen ein; was der Franzose -oft aus Politik und Politesse thut, das kommt bei dem Spanier aus -dem wirklichen Antriebe seines guten Herzens. -- Unter diesen und -ähnlichen Reflexionen trat ich die Rückkehr nach meiner Arche an. Ohne -Zweifel, dachte ich, als ich durch diese tapfer essenden munteren Leute -durchpassirte, werden diese ihre Speisen besser verdauen, als ich meine -hiesigen Geschäfte, und im schlimmsten Falle ist für diese Glücklichen -eine Hungerkur anwendbarer als für verdorbene Finanzen. - -Mit dem Carneval und den Redouten ist’s jetzt vorüber, sagte ich zu -meiner Wirthin am folgenden Morgen, als ich die Redoute verdaut hatte. -Keineswegs, entgegnete sie, ist dies die letzte Redoute gewesen; in -einigen Wochen haben wir zwei ungewöhnliche Festtage und demzufolge -noch zwei Redouten zu erwarten. Diese Festtage waren, wie sie mir -erklärte, folgende: Bis jetzt befand sich der Appellations-Gerichtshof -für alle auf der Insel Cuba vorkommenden Prozeßsachen in Principi, -was für Havana, wo es die meisten Prozesse giebt, eben so lästig -als kostspielig war und dies um so mehr, da die dortigen Advokaten -die Sachen, so lange wie sie nur immer wollten, in die Länge -ziehen konnten. In Madrid war jetzt beschlossen worden, daß dieser -Appellations-Gerichtshof von jenem Orte hierher verpflanzt werden -solle. Zu diesem Endzweck wurde aus jener Residenz ein für dieses neue -Gericht bestimmtes, dort angefertigtes neues Reichs-Petschaft hieher -geschickt? Dieses sollte nun mit großer Ceremonie nach der Kirche -zur Einweihung geschafft, alsdann aber in großer Prozession durch -alle Straßen der Stadt getragen werden. Dazu sagte meine Wirthin, -sollen Illuminationen, Redouten und vielerlei Vergnügungen zwei Tage -ununterbrochen statt finden, und es wird während dieser Zeit keine -Arbeit verrichtet, indem diese Anordnung zum Glück der Einwohner -Havana’s, von welchen Viele durch jenen Gerichtshof an den Bettelstab -gebracht worden sind, gereicht. -- - -Das Thema der Unterhaltung wurde jetzt das neue, noch nie statt gehabte -Fest. Endlich erschien der ersehnte Tag. Um fünf Uhr eines Nachmittags -wurde das von Madrid angelangte Reichs-Petschaft in einem mit -Edelsteinen verzierten Kasten durch vier hohe Staatsbeamte in Volanten -und eine starke militairische Bedeckung nach der Cathedral-Kirche -gebracht, und hierauf durch den Donner der Kanonen vom Fort die Ankunft -desselben den Einwohnern Havanas kund gethan. -- Auch ich besah das -lang erwartete und vielbesprochene Kleinod. Der Kasten, in welchem -sich das Petschaft befand, stand auf dem Altare und neben demselben -lag eine Medaille mit dem Bildniß der kleinen Königin, welches -Jedem, der dem Altare sich näherte, durch einen in langer schwarzer -Robe als Wache dabeistehenden Staatsbeamten gezeigt wurde. Andere -desgleichen saßen und standen in der Nähe, so wie auch Militair zur -Bedeckung, und dies ganze Personale mußte die ganze Nacht auf dem -Posten bleiben. Die Kirche war höchst brillant erleuchtet, dagegen -fand ich die Illumination in der Stadt keinesweges so erheblich, als -ich nach dem vielen Gerede davon erwartet hatte. Sie bestand nämlich -in nichts anderem, als daß an der Außenseite der Häuser bemittelter -Leute eine Glas-Laterne mit einem brennenden Lichte, bei den Vornehmern -und Reichern zwei oder vier hingen. Um der Sache einen Anstrich zu -geben, hing in der Nähe der Laternen ein Flick von ponceau oder einem -gelben seidenen Zeuge, welches gewöhnlich als Zeichen der kirchlichen -Procession bei Reichen über den Armlehnen des Balcons baumelte; diesmal -aber baumelten dergleichen Flicke, jedoch im verjüngten Maßstabe, neben -jeder Laterne. - -Die Damen hatten sich an jenem Abend sehr geschmackvoll gekleidet, und -saßen wohl eine Stunde früher als gewöhnlich in ihren Schaukelstühlen. -In der Regel sind die sechs Fuß hohen Gitterfenster bis 6 Uhr Abends -mit einer etwa zwei Ellen langen wollenen Decke bedeckt; diesen -Abend wurden sie zur Freude aller Vorübergehenden schon um fünf -Uhr weggenommen, damit die schönste der Damen des Hauses sich in -Lebensgröße präsentiren und, wo möglich, den Einen und den Andern -zur Unterhaltung hineinziehen könne. Dieses ist die Art, wie die -Havaneser in der Regel ihre Abendgesellschaften bilden, denn die Herren -machen gleich den Damen, um fünf Uhr Toilette, kleiden sich von Kopf -bis zu den Füßen ganz um, als ginge es zum Ball und suchen von den -Fenstern her ihre Abend-Parthieen auf. Bei diesen ist das Rauchen die -Hauptsache; man conversirt über die gleichgültigsten Gegenstände; mit -dem Glockenschlag der neunten Stunde zieht man ab, ohne etwas Anderes, -als Cigarren genossen zu haben. - -Der Priesterinnen der Venus giebt es in Havana eine Unzahl; es ist -ihnen unbenommen, in jeder beliebigen Straße zu wohnen, weshalb -sie sich denn auch meistens in den Hauptstrassen, und zwar vis à -vis oder neben den ersten Männern der Stadt paarweise oder auch -en trois einmiethen. Sie sind aufs brillanteste eingerichtet und -beobachten dieselben Gebräuche bei den Abendparthieen, wie alle -übrigen Damen. Auch sie präsentiren sich, da sie niemals ausgehen, bei -eintretender Nacht mit einem brennenden Cigarr im Munde vor ihren hohen -Gitterfenstern, wobei jedoch die Ausnahme statt findet, daß sie hier -niemals verdeckt sind; auch sie sitzen auf ihren Schaukelstühlen, um -schaukellustige Herren anzulocken. Der Spanier genirt sich nicht und -die Deutschen ahmen ihm hierin nach; man conversirt erst eine Weile an -den Gitter-Fenstern -- und dies fällt Niemandem auf. Sehr oft habe ich -mich darüber gewundert, noch während der Tageszeit die anständigsten -Herren vor den Fenstern solcher Dirnen oder wohl in den Zimmern in -Conversation begriffen zu bemerken. - -Gegen die zehnte Stunde fing man an, die Laternen einzuziehen und -Alles kehrte nach Hause zurück, weil am Morgen früh um sechs Uhr die -Procession beginnen sollte. -- Am folgenden Morgen schon sehr früh -waren alle Straßen dermaßen mit Menschen und Volanten überfüllt, -daß ich beinahe nicht durchkommen und zu dem Hause eines Bekannten -gelangen konnte. Als ich dort mit vieler Mühe angelangt war, fand ich -den sehr geräumigen Balcon, auf welchem mir ein Platz zugesichert war, -bereits überfüllt, jedoch erhielt ich noch ein Plätzchen. Erst um etwa -neun Uhr wurde durch einige Lanciers in der gedrängten Menschenmasse -auf die bescheidenste Weise Platz für die heranziehende Procession -gebeten. Den Zug eröffnete der Gouverneur mit einer starken Suite -aller Staatsbeamten Cuba’s, sowohl der Militairs als der Civilisten; -diesen schlossen sich die Consuln aller Mächte in ihren verschiedenen -Uniformen an; dann kam ein höchst brillanter Triumph-Wagen in -alt-römischem Stile, bespannt mit sechs arabischen Schimmeln, deren -Führer in Ponceau-Sammt und Gold-Stickereien gekleidet waren und ihre -Hüte mit Federbüschen geziert hatten und eben so Wagen und Geschirre. -Auf diesem Wagen stand der Kasten mit dem Petschafte und daneben -lagen die Symbole der Gerechtigkeit, die Waage und das Schwerdt von -nobelm Metall. Jetzt folgte die Geistlichkeit sämmtlicher Kirchen -auf Cuba in ihren prächtigsten Kirchenkleidern. Sie gewährten einen -höchst imponirenden Anblick, der noch dadurch vermehrt wurde, daß die -Baldachine, unter welchen sich die aus massivem Silber verfertigten, -mit Edelsteinen verzierten Bilder der Mutter Gottes und des Heilandes -befanden, von höchst brillant gekleideten Männern getragen und von -einer Anzahl reich gekleideter Sänger aus den vielen Kirchen begleitet -wurde. Die vielen Infanterie-Regimenter in Havana, ein ausgezeichnetes -Militair, bildeten Spaliere in den schmalen Straßen, durch welche -der Zug ging, und die Musik-Chöre derselben waren stets in voller -Beschäftigung; nur die Cavallerie schloß sich der Procession an. -Diese währte beinahe bis zum Mittage, weil keine der Hauptstraßen -unberücksichtigt blieb. - -Am Abend war es in den Straßen lebhafter als am Abend zuvor, da der -Gouverneur an der Außenseite seines Pallastes, der auf einem freien -Platze steht, von allen Seiten mit vielfarbigen Glas-Lampen hatte -illuminiren lassen, welche letztere an den vielen kleinen Balcons der -Fenster angebracht waren; auch war das Bild der jungen Königin in -einem roth sammtnen Rahmen, zwischen einem der Fenster angebracht. -Alles drängte sich nach dieser Gegend hin, um das Bild der jungen, -unschuldigen Königin zu sehen. Das Gedränge war um so größer, da auch -für den Gehörsinn durch die treffliche Militair-Musik gesorgt war. - -Indeß wurde die Aufmerksamkeit sehr bald von diesem Bilde auf einen -andern Gegenstand hingeleitet. An der entgegengesetzten Seite des -Pallastes nämlich hatte sich ein Aufzug hingestellt, wie es mir vorkam, -eine Satire auf den von diesem Morgen. Auf demselben Wagen befand sich -jetzt eine maskirte Dame, die Gerechtigkeit vorstellend und Gedichte -ausstreuend. Die Gerechtigkeit wurde diesmal nicht von vier Pferden, -vielmehr nur durch zwei kraftlos scheinende Klepper transportirt. Das -Gefolge dieses Zuges bestand in etwa hundert Personen, welche ihre -ordinair schwarze Roben über die Schultern geworfen und dreieckige, mit -Nummern versehene Hüte trugen; die Herolde waren beritten u. trugen -spanische National-Kleidung. Die Gerechtigkeit sprach, und versprach, -wie mir gesagt wurde, sehr viel; es war, sagte man, die Schülerin eines -gewandten dortigen Advokaten. Als der Spaß beendet war, zog dieser Zug -nach dem Redouten-Saal; auf der Promenade fanden sich unterdeß viele -andere Masken ein. Der Abend war ausgezeichnet schön, dessenungeachtet -war um zehn Uhr, als die Musik-Chöre abgingen, Alles vorüber und -in einer Viertel-Stunde die ungeheure Menschenmasse verschwunden; -jedoch fand ich auf dem Rückwege die Maskenverleiher-Buden in voller -Thätigkeit; sie machten, was selten vorkommen mag, eine gute Aerndte -- -unter Beistand eines Gerichtshofes. - -Die Zeit meiner Abreise von hier nähert sich jetzt; indeß will ich -doch, ehe ich von Havana mich trenne, noch Einiges bemerken über die -Art und Weise, wie das Osterfest hier begangen wird, was für den -Charakter eines Volkes etwas Bemerkenswerthes hat. - -Am grünen Donnerstage wird durch das Geläute sämmtlicher Glocken die -Gefangenschaft des Heilandes angekündigt. Sobald dieses geschehen -ist, darf sich kein Pferd oder Maulthier mehr in den Straßen blicken -lassen. In Betreff der Esel scheint indeß nichts bestimmt zu sein, da -ich während des Festes sehr viele sah, aber keine Pferde, Maulthiere, -Volanten, Karren. Man konnte jetzt ruhig und ohne Furcht in den Straßen -umherwandern; Ruhe und Stille herrschten in der ganzen Stadt; man -athmete Luft und keinen Kalkstaub ein. - -Mit Eintritt der Dunkelheit an diesem Donnerstage öffnen sich die -Thüren sämmtlicher Kirchen (etwa 17), fast möchte ich behaupten in -derselben Minute. Noch nie habe ich eine so brillante Beleuchtung -wahrgenommen, als die der Havaneser Kirchen an diesem Abend. - -Die Wachslichter brannten in solcher unendlichen Anzahl, daß wohl, -wie ich glaube, über 1000 in jeder Kirche verbrannt worden sind; man -konnte hier von einer neuen Seite den Fleiß der Bienen bewundern, -deren Zucht auf Cuba so sehr im Flore ist. Indeß sah ich mich bald -genöthigt, meine Aufmerksamkeit von der schönen Beleuchtung nach einer -andern Seite hinzulenken; eine mächtige Anzahl schöner, sehr schöner -spanischer Sünderinnen lagen auf den Knieen und baten um Abnehmung -der alten Sünden wegen Mangel an Raum zu neuen; hinter ihnen rutschten -ihre gallonirten Neger sehr andächtig auf den Knieen. Nachdem jene wohl -eine gute Stunde in dieser peinlichen Lage zugebracht hatten, erhoben -sie sich insgesammt und gingen nach dem Place des Armes; hier und in -den benachbarten Straßen waren eine Menge von Bänken aufgestellt, damit -sich die Sünderinnen von ihren Strapazen erholen könnten und bald -waren auch alle besetzt. Zur Aussöhnung mit dem Allmächtigen wegen des -Vergehens gegen die Neger, welche nach der Meinung jedes Spaniers frei -sein müßten, es aber wegen Willkühr derselben nicht sind und auch so -bald noch nicht sein werden, wenn es von der Willkühr der Einzelnen -abhängt -- also zur Ausgleichung dieser Schuld halten die Spanier es -für Pflicht, ihre Sclaven während des Osterfestes in den allerfeinsten -Kleidungsstücken, mit Diamanten und Perlen geschmückt, auftreten zu -lassen, so wie auch mit Confituren und den allerbesten Speisen zu -füttern. Besonders sah man viele Negerinnen besser gekleidet und -schöner geschmückt, als ihre Gebieterinnen selbst. Bis um 10 Uhr blieb -man zusammen und ergötzte sich bei trefflicher Musik. - -Am Charfreitage strömte Jung und Alt in schwarzen Anzügen nach -den Kirchen, die alle gefüllt waren. Ziegenfüße sowohl als andere -Fleischspeisen blieben an diesem Tage unangetastet; nichts als -Fastenspeisen! Am Nachmittage war eine sehr große Prozession; die -Mutter Gottes und der Heiland wurden mit Trauermusik und einer starken -militärischen Escorte durch alle Straßen getragen, jedoch war diesen -Abend in keiner von allen Kirchen, die ich besuchte, Gottesdienst. Die -Billards waren mit weißen Decken versehen, auf welcher Maschine und -Queues ein Kreuz bildeten; sie waren beleuchtet, es durfte aber nicht -gespielt werden. Auf dem Place des Armes ging es wie am vorigen Abend -zu. - -Am Sonnabend sollten die Kirchenglocken und das Abfeuern der Kanonen um -10 Uhr die Auferstehung Christi ankündigen, aber diesmal geschah es zur -Bequemlichkeit der Christenheit ½ Stunde früher. Bald wurden auch die -zur Hälfte von den Wunden geheilte Maulthiere aus den Ställen gezogen -und ihrem alten Joche überliefert; das Getöse der Karren und Volanten -begann und die Neger waren wieder um nicht viel besser als in puris -naturalibus zu sehen, nur die mit Fleisch hausirenden erschienen in -sehr hübsch gestickten schottischen Roben. - -Die Thätigkeit beim Steueramte war wieder eingetreten und die -segelfertigen Schiffe wurden noch bis zum Mittag expedirt und die -deutschen Commissionaire wetteiferten schon wieder mit den Engländern -in richtiger Abtragung der Zollgefälle. - -Schon lange war es meine Absicht, hierselbst etwas Näheres über die -Behandlung der Tabacksblätter zu erfahren, um, wo möglich, manchen -meiner Landsleute, die sich mit diesem Artikel beschäftigen, nützlich -zu sein. Der Zufall war mir hierbei günstiger, als ich vermuthete; ich -lernte einen Tabacksbauer kennen, der, da er mich offen und freimüthig -fand, auch seinerseits mir mehrere schätzbare Mittheilungen machte, von -welchen ich hier nur diejenige anführen will, welche sich am meisten -auf ein abweichendes Verfahren bei der Bereitung bezieht. - -„In Betreff des auf allen Tabacksblättern befindlichen Syrups, welcher -den eigentlich aromatischen Geruch erzeugt, aber durch viele und -anhaltende Regengüsse oft von den Blättern abgeschwemmt wird, bedienen -wir uns, wenn dieser Fall eintritt, zur Wiederherstellung desselben -folgenden Mittels. Wir nehmen, eine Quantität Tabacks-Stengel von einem -vorzüglichen Jahrgange, legen diese in ein wasserdichtes Gefäß und -füllen dasselbe alsdann mit Regenwasser, welches so lange darin stehen -bleibt, bis sich Würmer darin zeigen. Sobald wir diese sehen, nehmen -wir die sehr trockenen, dem Pulver an Trockenheit ähnlichen Blätter, -legen sie behutsam auf die Diele, tränken einen großen Schwamm in jenem -mit Würmern versehenen Regenwasser und besprengen damit die Blätter; -diese nassen Blätter legen wir behutsam über einander, verpacken -dieselben, gleich einem Ballen, in Palmblättern.“ - -Die Zeit meiner Abreise war jetzt herangerückt; ich wollte von hier -zunächst nach New-Orleans übersetzen; da ich indeß auf die Abfahrt des -Paquet Douglas, mit welchem ich fahren wollte, noch etwas warten mußte, -so behielt ich noch Zeit zu manchen Erkundigungen, wovon ich Einiges -anführen will. Nichts ist häufiger in Havana als die Hökerläden. -Einmal habe ich deren 463 gezählt und hatte nur einen geringen Theil -der Stadt durchstrichen; ich schätze die Anzahl derselben auf 3000. -Die Höker beschäftigen sich aber auch mit Allem, was zum gewöhnlichen -und luxuriösen Leben erforderlich ist: es sind Italiener in optima -forma; sie haben Marasquino, aber auch Kartoffeln, Champagner und alle -anderen Weine, Schweinefett, Rüben, eingemachte Früchte, Talglichter, -Nägel, Bürsten, seidene Tücher, bedeutende Vorräthe von Holzkohlen[G] -und französische Delicatessen jeder Art. Als ich mich bei einem -derselben genauer nach dem Geschäft erkundigte, sagte er: „wir kaufen -Alles, was uns vorkommt, weil wir Alles wieder verkaufen können. Jede -Wirthschaft läßt, was sie im Hause braucht, den täglichen Bedarf und -nichts weiter, von uns holen: wird ein Licht gebraucht am Abend, so -wird es kurz vor Abend geholt. Besonders auch wird dies Verfahren -bei Kohlen und fließenden Fettwaaren angewendet, weil die Köche und -Köchinnen zu lüstern auf Schweinefett und Oel sind und anderseits zu -verschwenderisch mit Kohlen umgehen.“ - -Also doch auch eine Oekonomie! dachte ich. - -Als ich meine Abschieds-Visite beim Gouverneur machte und er sich wie -immer sehr gütig gegen mich bewies, erlaubte ich mir, seine Meinung -über die spanische Schuld zu erbitten. Der Gouverneur versicherte, er -sei überzeugt, daß, sobald der Bürgerkrieg in Spanien beendigt sei, -Alles bei Heller und Pfennig bezahlt werden würde. -- Beim Abschiede -versicherte er mir wohlwollend, daß ihm mein Wohlergehen Freude machen -werde. - -Endlich befand ich mich auf dem Douglas, um meine langersehnte -Rückreise nach Europa über New-Orleans etc. anzutreten. -- Mit einem -wohlfeilen Reisepaß in der Hand, wartete ich jetzt muthig den Beamten -ab, der darauf Acht haben soll, daß nur Wohlhabende hineinkommen und -von den dortigen Commissionairen Gebrandschatzte abreisen. Allein -Niemand kam und als ich wahrnahm, daß unser Capitain einer in einer -Galeere in kurzer Entfernung vorbeipassirenden Person ein Paquet -Scripturen zeigte, erkundigte ich mich, was diese Formel zu bedeuten -habe, worauf er erwiederte, daß die Pässe der Passagiere sich in diesem -Paquet befänden; -- nicht immer jedoch gehe die Revision so ab, wie -diesesmal und schon mehreremal seien Reisende ohne Pässe von ihm aus -dem Schiffe in seiner Galeere mitgenommen worden. - -Unterdessen waren wir bei dem Fort von Havana vorbeigefahren und -ich freute mich, wie ein Kind, dem Marcipan gereicht wird, diese -so zuckerreiche, aber in anderer Hinsicht höchst gepfefferte Stadt -im Rücken zu haben -- eine Stadt, deren Bewohner hauptsächlich aus -Commissionairen, Sclavenhändlern, Wucherern, Spielern, Advokaten und -Scribenten besteht. Voller Freude richtete ich meine Blicke nach -dem Mexikanischen Golf, der sich bald in unermeßlicher Weite vor uns -ausbreitete. Bei diesem Umherschweifen in weiter Entfernung von der -Heimath gedachte ich einer früheren Reise nach der entgegengesetzten -Richtung hin, wie ich in den verhängnißvollen Jahren 1812-16 den Oby -in Sibirien durchschiffte. In welcher enormen Entfernung liegt dies -von hier! Wie viele Meilen sind dies wohl? Es fehlte mir an Papier und -Feder, um dies zu berechnen, mag’s der Leser selbst in einer müßigen -Stunde thun. - -Es fahren wohl noch beliebtere Pakete zwischen Havana und New-Orleans, -als der Douglas; ich wählte dieses, eingedenk der Unbequemlichkeiten, -die ich früher auf der Norma erduldet hatte. Hier konnte man weder -ächten noch copirten Champagner erwarten, da das Passagiergeld 10 -Piaster weniger kostete; allein in Betreff des Schlafens und Ankleidens -versprach ich mir, viel besser daran zu sein, und war es auch in der -That, denn ich hatte ein kleines Gemach für mich, und mit der Speisung -konnte ebenfalls ein nicht Verwöhnter zufrieden sein. - -Die Gesellschaft war nicht sehr geeignet zu einer angenehmen -Unterhaltung, denn sie bestand, außer einem Amerikanischen Kaufmann -mit seiner Frau, aus lauter nach New-Orleans auf Spekulation reisenden -Creolen, französischen und englischen Maschinenbauern und einigen nach -der letzten Revolution verwiesenen herumirrenden Polen. Das Paquetboot -glich meinem Zimmer in Havana, einer Arche, weil fast jeder Passagier -ein Männchen und ein Weibchen von den merkwürdigsten Thierarten -Westindiens auf Spekulation nach New-Orleans führte; auch an Ratten -fehlte es nicht, die jedoch an dem Bull-dog eines englischen Mechanikus -einen erbitterten Verfolger fanden. Ueberdies war das Paquet mit allen -Arten Westindischer überreifer oder auch unreifer Früchte beladen, -welche, da wir nicht die geschwindeste Ueberfahrt machten, ihrem -Verderben immer näher kamen. - -Alle diese Spekulanten schienen mehr auf den Einkauf als Verkauf in -den V. S. bedacht zu sein und mit Spekulanten solcher Art sind jene -Staaten reichlich versehen, indem dieselben dort stündlich Gelegenheit -haben, ihre mitgebrachten Comptanten gut anzulegen, weil es daselbst -sehr viele Gegenstände giebt, welche rasch geräumt und eben so rasch -aus dem Lande fortgeschafft werden müssen und bei Verkäufen nach -Westindien die Ermittelung in den V. S. unmöglich bleibt. Spekulanten -dieser Art sieht man in Havana häufig, man weiß, daß sie reich sind, -aber wodurch sie ihr Vermögen erworben haben, weiß man meistens nicht. -Bedenkt man indeß, daß öftere Reisen an einen und denselben Ort zu -Bekanntschaften führen, daß es auf der ganzen Welt nicht sehr schwer -hält, mit Zollbeamten in freundschaftliche Verhältnisse zu kommen; -wirft man ferner einen Blick auf die europäischen Auswanderer nach den -V. S., erinnert man sich ihrer frühern Geldgier, die in den V. S., -wo es zur Befriedigung der Leidenschaften so viel Gelegenheit giebt, -eher sich vermehrt als vermindert: so ist jenes Räthsel auf der Stelle -gelöst. Daß aber solche Spekulanten als Ungeziefer und Gift für das -solide Geschäft zu betrachten sind, ist keinem Zweifel unterworfen, -indem sie auf der einen Seite mit wenigem Gelde Märkte räumen, auf der -andern Seite die Verdauungswerkzeuge gesunder Märkte zerstören und für -die soliden Kaufleute Verluste herbeiführen. - -Ich glaube, behaupten zu dürfen, daß ich viele Erfahrungen in der -merkantilischen Welt durchgemacht und dieselben sorgfältig beachtet -habe. Das Resultat derselben ist kein anderes als dieses: der größere -Theil der in derselben groß titulirten Kaufleute hat sich nur auf -Unkosten anderer Kaufleute auf diese Höhe geschwungen. Komisch klingt -es für mich, wenn ich so häufig behaupten höre, in Amerika könne man -als Kaufmann sehr bald reich werden; die Leute, die dies sagen, wissen -nicht, was sie sprechen. Nur der direkte oder indirekte Fußkünstler, -d. h. die Ballettänzer und die Schuster können hier viel Geld verdienen, -die letztern noch mehr als die erstern, denn die Yankees wissen das -Schuhwerk noch besser, als das Fuß- und Bein-Werk zu beurtheilen, -weshalb sie auch, mit Ausnahme der Banquiers, sehr gut gestiefelt sind. --- Der rechtlich- und ehrlichdenkende Kaufmann kommt nie so rasch zu -Vermögen, als der entgegengesetzt denkende. Es verhält sich hiermit, -wie mit dem Hazard-Spiele: man bemerkt an den Banken nur entweder sehr -Reiche oder arme Teufel, die gern „viel gewinnen“ wollen. Auf diesen -Gegenstand werde ich später zurückkommen und sage nur noch dieses: -wer als Aventurier nach der neuen Welt gegangen ist und, wie man oft -hört, als ein sehr reicher Mann nach Europa zurückkehrt, der hat sich -bei seinem Erwerb nicht sehr mit dem Gewissen berathen. Gäbe es in -der neuen Welt weniger Advokaten und bessere wohlfeilere Justiz, so -würde mancher von diesen zurückgekehrten Reichen noch in der Reihe der -Bettler stehen. - -Nach einer Fahrt von sieben Tagen erreichten wir gegen 12 Uhr -Mitternachts die Barr, d. h. den Hafen von New-Orleans; es war daher -kein Dampfschiff bereit, um uns im Schlepptau nach New-Orleans hinauf -zu führen. Der Capitain ließ eine Lampe am Vordertheil des Schiffs -aufstecken, um dadurch den Dampfschiffen seine Ankunft anzuzeigen und -nach Verlauf einer guten Stunde kam auch eins heran. Wir wurden ins -Schlepptau genommen und etwa fünf Meilen weiter gebracht, wo wir ankern -mußten, weil das Dampfschiff noch Arbeit an drei andern angekommenen -Schiffen hatte. -- Als es uns am andern Morgen um neun Uhr mit jenen -zusammen weiter schleppte, war es auf halbem Wege so unglücklich, beide -Schäfte zu zerbrechen, wodurch es außer Thätigkeit gesetzt wurde. Was -nun machen? Die sämmtlichen Passagiere wollten, wegen ihrer Früchte, -so rasch als möglich, in New-Orleans ankommen und so erboten sie sich -denn selbst, den schweren Dienst des Dampfschiffes zu übernehmen. -Eine lange und starke Leine wurde jetzt dieser nicht unbedeutenden -Passagiers-Masse gegeben; sie begannen mit gutem Muth und Singen -diese harte Arbeit. Die Hitze war drückend, allein die Angst vor dem -gänzlichen Faulen der Früchte besiegte die Hitze und machte sie nicht -fühlbar. Sie arbeiteten wacker darauf los und nach einer sechsstündigen -ununterbrochenen Arbeit erreichten wir ein Dampfschiff derselben -Compagnie, welcher dasjenige gehörte, was uns früher gezogen hatte, und -dies brachte uns noch an demselben Abend glücklich nach New-Orleans. - - - - - ~Dritte Abtheilung.~ - - Ueber - die Vereinigten Staaten. - - - ~New-Orleans und die Reise bis New-York.~ - -Ehe ich die Stadt betrat, amüsirte ich mich noch erst an dem Treiben -der Käufer und Verkäufer auf unserm Schiffe, denn viele Einwohner aus -New-Orleans waren an Bord gekommen, aber unsere Spekulanten waren -so überrascht, daß Anfangs keiner von ihnen verkaufen wollte: weder -Früchte noch Vögel oder Hunde waren feil. Nur der englische Mechanikus -machte hiervon eine Ausnahme: es hatte sich ein Hunde-Liebhaber aus -New-Orleans eingefunden, um einen Bologneser zu kaufen, diesen suchte -er zum Kaufen seines Rattenfängers zu überreden und hierzu schien ihm -jetzt der Augenblick günstig zu sein, da keiner von den Creolen einen -Preis fordern wollte. Er bot das schwerste Geschütz seiner Beredsamkeit -dazu auf, den Käufer von der Vortrefflichkeit seines großen Bull-dogs -zu überzeugen, und siehe da! es gelang ihm in der That und der Käufer, -der ein kleines Schoßhündchen für seine Gemahlin hatte erstehen wollen, -überbrachte derselben jetzt einen 12jährigen großen Bull-dog. - -In der Stadt quartierte ich mich sofort in einem an der Wasserseite -gelegenen Hotel, -- es gehörte nicht zu denen der ersten Klasse, welche -mehr in die Stadt hinein liegen; ich aber zog dieses vor, weil auf dem -Schilde: „öffentliche Bäder“ bemerkt war. Die Rechnung, die mir bei -meiner Abreise überreicht wurde, war eben so schwer als der Schmutz, -den ich in den Zimmern dieses Hotels antraf. - -Eins meiner ersten Geschäfte hierselbst war, zwei Briefe nach Havana -zu schreiben, einen an Moyer, den andern an Dakin, in welchen ich die -mir abgenommenen Summen reklamirte, und am Schluß erklärte: „Ich habe -den Königlich preußischen Consul beordert, die mir von Ihnen zukommende -Summe von 1014 Piaster in Empfang zu nehmen. Sollten Sie sich weigern, -meinem gerechten Verlangen Genüge zu leisten, so werden Ihnen die -Folgen von meinen Demarchen mehr Furcht einflößen, als des Herrn Dakins -Drohung mit dem Federmesser und das Herbeirufen der Neger von Ihrer -Seite in mir erregt haben u. s. w.“ Auf diesen und noch zwei andere -Briefe erhielt ich natürlich keine Antwort. - -Auf dem grünen Markt, den ich sogleich am andern Morgen besuchte, -fand ich trotz der noch so frühen Jahreszeit (im Mai) Kartoffeln, -Artischocken etc. in solchem Ueberfluß und von solcher Größe, wie man -sie in Europa oft noch nicht im Monat August antrifft. Sodann begab ich -mich nach dem Packhofe, um einen Erlaubnißschein zum Empfang meiner -Sachen vom Schiffe zu erlangen. Ich mußte, nachdem ich die rechte -Bude im Zollhause erreicht hatte, zuerst die Anzahl der Stücke meines -Gepäcks angeben -- was auf einen halben Bogen niedergeschrieben wurde; -sodann wurde ich zum Collecter geschickt und mußte endlich für die -Erlaubniß, als Reisender mein Gepäck nach Hause nehmen zu dürfen, in -Summa Summarum 75 Cents (1 Thlr. Courant) bezahlen, wovon der Advokat -als Anfertiger der Supplik ⅔; und der Collecter ⅓ erhält. Die Revision -durch die auf dem Schiffe stationirten Zollbeamten war nicht nach -französischer oder englischer, sondern nach preußischer Weise, d. h. -liberal. - -Eine schwere Aufgabe war es jetzt, die Sachen vom Schiffe nach dem -etwa 60 Schritte entfernten Hotel zu bekommen; ich verweilte wohl eine -volle Stunde am Bollwerke, aber von den vorübergehenden Arbeitsleuten -hatte keiner zu einer solchen Bagatelle Zeit. Auf dem Bollwerke sah -ich Knaben und Mädchen aus der ärmern Klasse beschäftigt, um die beim -Ausladen umhergestreuten einzelnen Caffeekörner und Zuckerstückchen -aufzulesen, wovon, wie mir ein ebenfalls zusehender Herr bemerkte, -morgen ein tüchtiger, gesüßter Caffee mit Wohlgefallen werde verzehrt -werden. Sehr viele Familien hierselbst existiren hierdurch und durch -das Einsammeln der Baumwolle, welche im Zupfen der Proben niederfällt -und liegen bleibt. Glücklicherweise gelang es mir, während dieser -Unterredung, einen vorübergehenden Mulatten für den Transport meiner -Sachen für etwa 12 Gr. Courant zu dingen. - -Unterdessen war die Börsenzeit herangekommen. Ich passirte sehr viele -reinliche Straßen, welche den Namen der Hauptstraßen von Paris führen --- da New-Orleans ja eine französische Colonie war. Alles sprach hier -französisch, auch die Leute aus der niedern Klasse, wie denn z. B. -Jemand, den ich um den Weg fragte, mir sagte, daß er das Englische -nicht verstehe. Auf meinem Wege nach der sogenannten französischen -Börse, welche indeß von der ganzen Kaufmannschaft errichtet worden ist, -zog am meisten meine Aufmerksamkeit auf sich ein freier, mit Bäumen -besetzter Platz, auf welchem sich das Rathhaus und die katholische -Kirche befinden, zwei Gebäude, die, obgleich unbedeutend, von Außen -keinen unangenehmen Anblick gewähren. Außerdem berührte ich auf meiner -Tour nach der Börse den Baumwoll-Markt und die sehr bemerkenswerthen -Canäle, ferner die Bank-Gebäude, welche eben so leer an Metall sind, -als die Taschen vieler Amerikaner überfüllt mit ihren unbezahlt -gebliebenen Noten. Die Börse ist ein wahres Pracht-Gebäude, mit einer -Kuppel gleich der St. Pauls-Kirche in London. Im Eingang, der von -großem Umfang ist, befindet sich ein Buffet, in welchem durch einen -französischen Restaurateur alle Erfrischungen von der allerbesten -Qualität für einen mäßigen Preis verkauft werden. Tritt man aus diesem -Entrée in den zirkelförmigen Saal hinein, so wird man durch die -schöne Bauart und die höchst geschmackvolle Einrichtung überrascht. -Man bemerkt eine Tribüne für jeden Wechselplatz der alten und neuen -Welt, in jeder derselben befindet sich ein Wechsel-Mäkler, um die für -diesen Tag durch sie bestimmten Course zu proklamiren, und die ganze -Börsenversammlung harrt auf diese Aussprüche, um sie ehrfurchtsvoll -entgegenzunehmen. Der ganze obere Theil des Börsen-Gebäudes ist zum -Empfang der Reisenden höchst brillant eingerichtet. - -Als ich die Börse verlassen hatte, schlenderte ich ohne weitem Plan am -Ufer hinunter, um die Schiffe zu mustern und bemerkte, daß sehr Viele -mit dem Hinausholen beschäftigt waren. Auf meine Frage, ob alle diese -Schiffe in See gingen, wurde erwiedert, daß sie alle diese Schiffe -außerhalb der Stadt hinauslegen, woselbst sie beinahe vier volle Monate -verbleiben würden. „Die Comptoire“, fuhr der Berichterstatter fort, „so -wie überhaupt alle kaufmännischen Geschäfte, werden von dem 16ten Juni -ab geschlossen und Jeder, der Geld aufbringen kann, reiset während der -Fieber- und Cholera-Zeit nach den nördlichen Staaten und Badeörtern.“ --- Auch ich hielt es, nachdem ich alle meine Angelegenheiten und -alle Rücksichten erwogen hatte, für gerathener, aufs baldigste von -hier abzureisen; sogleich nach Tische erkundigte ich mich nach einem -Dampfschiff. - -Ich fand, als ich an das Ufer trat, sogleich eins; „Albany nach -Louisville“; 35 Piaster ist der Preis, für welchen der Capitain -mich mitzunehmen verspricht. In nicht geringer Entfernung lag ein -anderes Schiff, Namens Diana, welches ebenfalls an demselben Tage -nach Louisville abgehen sollte, jedoch für 40 P. Passagier-Geld. Mein -Correspondent empfahl mir das letztere, weil es das rascheste sei. -Noch unentschlossen, mit welchem von beiden ich reisen solle, ließ -ich meine Sachen auf einem Karren durch einen Mulatten nach dem Ufer -bringen; es war ein überaus heißer Morgen; der Mulatte, obwohl ohne -Hemd, schwitzte, als wäre er aus dem Wasser gezogen und wird beinahe -ohnmächtig, als er eben mit seinem Karren dicht am Schiffe Diana steht. --- „So bringe die Sachen nach diesem Schiffe, ich will fünf Piaster -mehr bezahlen, um Dich nicht länger zu quälen.“ Er thut es und will -mir aus Dankbarkeit die Hand küssen, allein nach dem, was später sich -ereignete, habe ich beinahe Ursache, dankbar zu sein, denn dieser -Ohnmacht verdanke ich vielleicht mein Leben. Bei meiner Ankunft in -Pittsburg las ich in der Zeitung, daß der Kessel der Albany auf dieser -Tour zersprungen sei und viele Passagiere hierdurch ihr Leben eingebüßt -hätten. - -Unsere Reisegesellschaft bestand nur aus etwa vierzig Personen. -Anfänglich hielt ich sie für deutsche Wandersmänner; indeß mein -Wahn schwand sehr bald, denn ich bemerkte, daß sie sich dem sehr -unschuldigen Vergnügen des Tabackkauens hingaben. Nach einigen Stunden -war ich mit ihnen so bekannt, dass ich es wagen konnte, meine Glossen -darüber zu machen. Niemand von allen war darüber aufgebracht; von -Einigen wurde ich sogar wegen dieser Freimüthigkeit gepriesen. Einer -von ihnen meinte: „Sie müssen Nachsicht mit uns Amerikanern haben, wir -haben Fehler und diese hat die Jugend stets. Wir sehen es gerne, wenn -Deutsche zu uns kommen, weil die Deutschen die bravsten und zugleich -ehrlichsten Lehrer für uns sind.“ -- „Sie sind sicher und gewiß aus -keinem englischen, und wenn dieses wäre, aus keinem Yorkshire-Blut -entsprungen?“ entgegnete ich. „Ich freue mich“, war die Antwort, „daß -mein Urgroßvater ein Deutscher gewesen ist.“ - -Die Fahrt auf dem Mississippi gewährte mir viel Vergnügen, seine Ufer -sind die schönsten, die ich je gesehen habe, sie nehmen die einzelnen -Schönheiten der Main-, Elbe-, Themse- und selbst der Rhein-Ufer -- -abgerechnet die Weinberge und die steilen Anhöhen mit den Ruinen der -Ritterburgen -- in sich auf. Erwägt man jedoch die Gefahr, der man sich -bei einer solchen Reise auf dem Dampfschiff Preis giebt, so muß man -halb wahnsinnig sein, um sie bloß des Vergnügens halber zu unternehmen. -Kann nicht jede Stunde, jede Minute das Dampfschiff ein Raub der -Flammen werden? Wer über die fortdauernde ungeheure Gluth, welche -zur Fortschaffung des Schiffs erforderlich ist, nachdenkt und diese -selbst beobachtet und controllirt, wird die Gefahr bald auffinden. -Erwiesen ist es, daß von der Zeit an, da es in jeder großen Stadt -Schauspielhäuser giebt, in jedem Jahre eins durch Feuer zerstört worden -ist. Die Anzahl aller Schauspielhäuser aber verhält sich zu der aller -Schiffe etwa wie 1 zu 1000. Nichts destoweniger fürchtet man gewöhnlich -beim Antritt einer Seereise mehr die Wellen als die Feuersgefahr. -Allein die letztere steht zu der ersteren in keinem Verhältniß, da ein -Schiff mit nichts als brennbarem Material ausgerüstet, und folglich -durch Feuer weit leichter zerstört werden kann, als alle anderen -massiven Häuser, die man doch stündlich in Schutthaufen verwandelt -sieht oder hört. Ich verweise den geneigten Leser zur Begründung -meiner Behauptung auf Lloyds Liste, in welcher jede Woche durch -Feuer zerstörte Segel-Schiffe angezeigt sind. Die Zahl der durch -Feuer verunglückten oder durch raschen Beistand noch vom Untergange -geretteten Dampfschiffe ist freilich nicht bedeutend, aber wie viele -Dampfschiffe existiren auch! und doch kann ich mehrere anführen: ein -nahe an der Stadt Lübeck verbranntes russisches; der ganz neuerlich in -den V. St., im Werthe von 100,000 Piaster verbrannte Great-Western und -zwei durch rasche Hülfe gerettete englische Dampfschiffe, die London, -das von Hull nach London fahrende und die Great-Western vor der ersten -Abfahrt nach den V. S. - -Von der Feuersgefahr überzeugte ich mich auf dieser Reise nach -Louisville mehr als je zuvor, indem hier noch einige Umstände dazu -kamen. Bei der Nacht ist sie noch größer als am Tage, weil die in dem -breiartigen Flußwasser schwimmenden Bäume (snags genannt) während -der Nachtzeit von den auf der obersten Decke des Schiffs stehenden -Steuermännern nicht gesehen werden können; wenn diese aber durch den -starken Strom gegen die Schiffe geworfen werden, so besitzen sie -die Kraft, die Maschinerie in Unordnung zu bringen und dadurch das -Auffliegen des Schiffs zu verursachen. Es werden nicht nur täglich -60 Klafter von sechs Fuß langem Brennholze verbraucht und dadurch -eine ungeheure Gluth in den Oefen fortdauernd erhalten, sondern -nebenbei wird durch das Verbrennen von zwei großen Fässern Pech die -erforderliche Quantität von Dämpfen zum Durchbringen des Schiffs in -dem breiartigen Wasser verbraucht. Wenn nun Jemand die feurigen Funken -und Kohlen, gleich einem Feuerregen aus dem Schornstein hervorfliegen -sieht, so muß er, und wäre er auch der Muthigste, besonders bei den -dunkeln Nächten, in Grübeleien gerathen, und wird sich der Furcht nicht -ganz erwehren können. - -Jeder der Reisenden hatte daher auch einen Live-preserver bei sich; -es sind dies wasserdichte Gürtel, von demselben Stoffe, der zu -den Mänteln dieser Art verwendet wird. Auf mehreren der dortigen -Dampfschiffe findet sich in jedem der Betten ein solcher. Jeder meiner -Reisegefährten hatte seinen Gürtel zur Tages- und Nachtzeit in der Hand -und war beschäftigt, Luft hineinzublasen und ihn zu füllen. Nur ich -hatte keinen solchen Lebens-Retter mit und ward deshalb von Allen wegen -großer Nachlässigkeit getadelt. - -Um mir eine Uebersicht von der Quantität Holz zu verschaffen, die -jährlich in den Dampfschiffen auf dem Mississippi und Ohio verbraucht -wird, erkundigte ich mich genau beim Capitain und den Steuermännern, -wie groß die Anzahl der zwischen New-Orleans und den andern Städten -fahrender Dampfschiffe sei. Von beiden Theilen wurde dieselbe auf -640-650, und die Anzahl der Reisen auf 15-16 hin und eben so viel -zurück bestimmt. Ich beschloß, die Rechnung auf die mäßigste Weise -anzulegen und auszuführen. Ich ließ demnach die gesammte Anzahl Schiffe -nicht mehr als zehn mal hin und zurück fahren, und gab den Schiffern -die unmögliche Hinfahrt von 6½ Tagen Dauer und zur Rückfahrt (mit dem -Strome) 3½ Tage. Nach dieser Berechnung wäre für ein jedes der Schiffe -6000 Klafter und für die gesammten auf jenen Strömen fahrenden Schiffe -ein Quantum von nicht weniger als 3,900,000 Klafter Brennholz nöthig. -Es läßt sich mithin folgern, daß inclusive der übrigen Dampfschifffahrt -und Wagen wenigstens 4½-5 Millionen Klafter Holz in den V. S. -verbraucht werden. Diesen Verbrauch des Brennmaterials kann nur -derjenige, der das Land kennt, wie enorm und gefährlich derselbe auch -scheint, als wohlthätig erkennen. Ohne Dampfschiffe wären die V. S. -unglücklich, sie sind zur Cultivirung des Landes unbedingt nothwendig, -indem die Urwälder vielleicht noch nach einem Jahrhundert in solcher -Fülle da stehen werden, als wäre noch kein einziger Stamm aus denselben -genommen werden; ich habe die Urwälder im russischen Asien und sonst -gesehen, aber sie sind gar nicht mit diesen zu vergleichen. - -Der Ertrag des Holzes, welches von den Schiffern für 2½-3 Piaster -gekauft wird, sichert den Grundeigenthümern sehr häufig den fürs Land -bezahlten Preis, welcher 1¼ höchstens 1½ P. pro Acker beträgt, und -oft auch die Unkosten für Urbarmachung desselben. Die Uferbewohner -harren stets auf das Signal eines vorbeifahrenden Schiffs und stellen -sogar eine Wache ans Ufer, um, sobald mit der großen Schiffs-Glocke -das Signal gegeben wird, bereit zu sein; das Holz steht bereits -abgemessen da, der Holz-Inspector steigt vom Schiffe, mit dem -Maaß-Stocke in seiner Hand und empfängt die 30 Klafter, welche für -die ersten 12 Stunden erforderlich sind. Das Herbeibringen dauert -nicht lange, aber doch wohl eine volle Stunde. Zu dieser Arbeit -werden die Deck-Passagiere gebraucht, denen diese Arbeit bei der -Entrichtung des Passagiergeldes zur Bedingung gemacht worden ist. -Arbeitslustige bezahlen 5 P. für die Fahrt, Andere 8-10. An Arbeitern -kann es daher den Dampfschiffen nie fehlen. Die Arbeiter, welche auf -Ruder-Fahrzeugen (mit dem Strom) Baumwolle und Getraide von Natches, -St. Denis, New-Madrid, Rom, Louisville und mehreren andern Städten nach -New-Orleans geschifft haben, können auf ihren Fahrzeugen nicht gegen -den Strom zurückreisen; sie müssen dieselben in New-Orleans verkaufen -und begeben sich dann auf die Dampfschiffe. - -Die Städte auf der ganzen Tour von New-Orleans bis Pittsburg sind, mit -Ausnahme von Cincinnati, höchst unbedeutend; außer den oben bereits -angeführten sind noch zu nennen: Point-pleasant, Portsmouth, Warsaw -(Warschau), Hannibal und Hamburg, die aber alle nichts besonderes -zeigen. - -Auf dem Ohio wird es für jene Arbeiter noch leichter, weil die -Holz-Eigenthümer die erforderliche Quantität Holz bereits in Barken -eingepackt haben, welche, sobald das Signal gegeben worden ist, -aufpassen, um das Tau, welches vom Dampfschiff herabgeworfen wird, zu -befestigen, worauf sie während der Fahrt das Holz hineinwerfen; die -Arbeiter haben also dasselbe nur zu ordnen. - -Diese meine Reise auf dem bedeutendsten Flusse Nord-Amerika’s rief mir -diejenige Gedächtniß zurück, welche ich vor vielen Jahren auf einem -der größten Ströme Asiens, auf dem Obi machte. Der Vergleich, wozu ich -unwillkührlich getrieben wurde, fiel, was die Landschaft betrifft, -nicht zum Vortheil Asiens aus, was aber die Menschen betrifft, die an -den Ufern beider Flüsse leben, so erinnerte ich mich mit Vergnügen der -an letzterm Flusse wohnenden Nomaden, der vom Fisch- und Zobelfang -lebenden Ostiacken und Tungusen, bei welchen ich einkehrte. Sie wohnen -nur in Jurrten, allein dieselbe haben eine bessere Form, ein besseres -Aeußere und ein reinlicheres Innere als ich an den Hütten entdeckte, -welche von Republikanern, von Besitzern von Baumwoll-Plantagen, -Kornfeldern, Heerden und vieler Neger-Sclaven bewohnt werden. Erstaunt -war ich, als ich die häusliche Einrichtung und die Lebensweise -vieler am Mississippi wohnenden Republikaner sah. In einer kleinen -erbärmlichen Hütte residirt eine Familie bedeutenden Umfangs. An der -Außenseite derselben befinden sich Hängematten, in welchen man nicht -selten 3-4 Kinder in puris naturalibus zusammengepackt liegen sieht, -wahrscheinlich damit die hierselbst in den Wäldern einheimischen -Insekten an den kleinen Schlafenden ohne große Mühe Durst löschen -können. Schon hier überzeugte ich mich, nachdem ich die Cultur dieser -Waldbewohner am Mississippi genauer kennen gelernt, daß das gepriesene -Glück der Bewohner der V. S. einen großen Theil derselben wenigstens -nicht erreicht, da sie sich noch im rohen Natur-Zustande befinden. - -Nach diesem überzeugte mich von dem übermäßigen Wachsthum der -Baumwolle. Ich hielt immer auch früher die Production der Baumwolle -für übermäßig, und die Aeußerungen, die ich mir in dieser Beziehung -als kaltblütiger Kaufmann, besonders in Manchester erlaubte, fanden -nichts als Widerspruch, es wurde mir der Vorwurf gemacht, daß ich weiße -Baumwolle mit zu schwarzen Augen ansehe. Ich suchte jetzt Facta zu -sammeln, wonach man diese Sache bestimmt beurtheilen könnte und der -Leser mag sich selbst aus denselben überzeugen, ob ich Recht hatte. -Wie außerordentlich hat sich die Production der Baumwolle seit den -letzten 50 Jahren, als ich in meiner väterlichen Handlung zuerst als -Lehrbursche eintrat, vermehrt! - - Im Jahre 1791 erzeugten die V. S. an Pfund. - Baumwolle 188,316 - Im Jahre 1798 um 7 Jahre später schon 19,000,000 - -- 1802 um 4 Jahre später 27,500,075 - -- 1819 nach 17 Jahren 87,997,045 - -- 1820 nur um 1 Jahr später 127,860,152 - -- 1830 10 Jahre hierauf 298,459,102 - -- 1838 nach 8 Jahren 639,001,000 - -+Von dieser letztern Quantität wurden in demselben Jahre in den -Fabriken der V. S. circa 98,000,000 Pfund verarbeitet und das Uebrige -nach Europa verführt.+ Es ist unbedingt zu erwarten, daß die -Produktion in dem nächsten halben Jahrhundert noch einem weit größern -Maßstabe zunehmen wird; wenigstens giebt die Menge von deutschen -Auswanderern, welche alle zur Cultivirung der Ländereien in den V. S. -gebraucht werden, Raum zu dieser Vermuthung; rechnet man nun noch die -in Egypten, Ostindien und Texas produzirte Baumwolle hinzu, was soll -dann am Ende mit dieser ungeheuren Quantität von Baumwolle angefangen, -wozu soll sie verwendet werden? und wird der daraus erzeugte Stoff -wohl so viel Ertrag geben, daß die Produzenten auch nur zur Hälfte -für ihre Mühe und Arbeit belohnt werden? Gewiß nicht! Laboriren doch -beide Theile schon jetzt an der Schwindsucht! Zwar ist England mit -seinen vielen Spinnereien im Stande, für die ganze Welt den Garn-Bedarf -anzufertigen und verdient deshalb wohl das große Welt-Spinnhaus genannt -zu werden, aber wird und kann das Volk und Land dabei blühen? Da ich -später auf diesen Gegenstand zurückkomme, so bemerke ich vorläufig nur: -England muß zu Grunde gehen, wenn es nicht von dem Vorsatz, alle auf -der ganzen Welt erzeugte Baumwolle aufzuspinnen, zurücktritt. - -Für den etwa reiselustigen Leser wird es nicht unangenehm sein, etwas -über die Einrichtung auf den Dampfschiffen zu erfahren. Die Diana -gehört, da sie den Brief-Beutel führt, zu denen der ersten Klasse. -Untersucht man sein Bett, so erschrickt man und legt man sich hinein, -so wird man von Ekel ergriffen; man empfindet einen Schweißgeruch, -welcher andeutet, daß seit vielleicht 12 Monaten keine Wäscherin etwas -mit den Bett-Ueberzügen zu schaffen hatte. Passagiere werden, so viele -sich nur melden mögen, aufgenommen. Bei der Ankunft in Louisville ist -die Anzahl derselben um das dreifache gewachsen, weil in jedem Ort, -den das Schiff passirt, mehrere hinzukommen. Hat der Capitain seine -Summe vom Passagier erhalten, so beauftragt er seinen Mulatten, dafür -zu sorgen, daß der Reisende um 10 Uhr Abends ein Lager zum Ausstrecken -bekommt. Da aber in der Regel die Anzahl der Passagiere die der Betten -um das dreifache übersteigt, so errichtet der Mulatte eine Art von -Hängematte, die vier Etagen hoch und einem Gerüste ähnlicher als -einer Schlafstelle ist, so daß es für den oben auf Nr. 4. liegenden -fast lebensgefährlich ist, hinaufzuklettern. -- Gehen wir zum Essen. -Der Tisch für 50 Personen (für mehrere ist nicht Raum) ist gedeckt. -Das Brod ist schon am frühen Morgen in Portionen geschnitten worden -und wird daher, bei der übermäßigen Hitze den Zwiebacken ähnlich. -Die Mulatten und Neger, die keineswegs ihre Lehrjahre als Kellner in -Frankfurt a. M. durchgemacht haben, sind emsig mit dem Tranchiren der -Braten beschäftigt. Sobald sie dies Geschäft im Schweiß des verdächtig -couleurten Angesichts beendet haben, setzen sie die Stühle hinter jedes -der Couverte und der Capitain wird jetzt benachrichtigt, daß ihre -Meisterwerke beendigt seien. Dieser verfügt sich jetzt zu den Damen, -um sie zum Mittagsessen einzuladen. Während der ganzen Procedur vom -Beginn des Tranchirens an stehen diejenigen Herren, welche so glücklich -waren, einen Stuhl zu erhaschen und durch Festhalten zu behaupten -verstanden, unbeweglich hinter demselben und kauen zum Zeitvertreib -dabei ihren Kentucky-Taback. Diejenigen, welche bei der Besitznahme -der Stühle nicht rasch genug waren, befinden sich schon wieder draußen -auf dem Deck. -- Jetzt tritt der Bellman (Glockenläuter) mit einer -sehr großen Metall-Handglocke in die Saal-Thüre und giebt das Signal -zum Sitzen. Die Spucknäpfe, deren einige Dutzend hinter den Stühlen -der Herren in gerader Linie aufgestellt sind, sind so gefällig ihre -Reste von dem edlen Tabackskraute entgegen zu nehmen. Kaum sitzen die -Herren fünf Minuten, so sieht man sie schon aufstehen und im Fortgehen -ihren letzten Bissen verzehren, um ihren Kentucky-Freund aufs Neue im -Munde zu empfangen. Mulatten und Neger eilen jetzt herbei, säubern den -Tisch so rasch und gut wie möglich, indem von Außen die ungesättigten -100 sich mit Eifer nach dem Saale hin drängen. Es wird wieder viel und -geschwind von den Ueberbleibseln geschmaust und zwar wegen Mangel an -Tellern mehrere Gerichte von einem und demselben; worauf die zweite -Abtheilung der dritten Platz macht. Diese muß sich dann mit den kalten -Ueberresten begnügen. Die beiden letzten Abtheilungen sind nicht nur -die weniger Verzehrenden, sie werden auch überhaupt etwas vernachläßigt -und sind dem Verzehrtwerden ausgesetzt, denn die beiden Mulatten, die -zum Verscheuchen des Ungeziefers angestellt sind, legen ihre von Federn -angefertigten Scheuchen nieder und setzen also die Essenden diesen -Bestien aus. - -Bis um sieben Uhr Abends promenirt Jeder auf dem Verdeck des -Schiffes, ergötzt sich an den schönen Ufer-Gegenden oder steigt, wenn -Brenn-Material eingenommen wird, ans Land um sich in den herrlichen -Wäldern unter den merkwürdigen Pflanzen und Thieren umzusehen. Wir -hatten einen trefflichen Schützen bei uns, der die Tour stets mit der -Pistole in der Hand mitmachte und besonders manche Schlange (jedoch -kleine und unschuldige) schoß. Um sieben Uhr wird das Signal zum -Thee d. h. Abendessen gegeben, wobei es eben so tumultuarisch wie am -Mittage zugeht. Eine Stunde nach dem Souper, etwa um neun Uhr finden -sich die resp. Bett-Architecten, die Mulatten, zum Aufbauen der -vier Etagen hohen Bettgerüste ein. Während diese mit großem Fleiße -bauen, schwärmen ihre Collegen umher, um für die unerwarteten vielen -Passagiere einzelne Bettstücke als Kopfkissen u. s. w. aus den Betten -der von New-Orleans Mitgekommenen zu kapern; so fand ich auch einmal -einen bei meinem Bette in voller Arbeit. Da die Betten jedoch nicht -für die Hälfte der Reisenden zureichen, so ist es kein Wunder, daß -man dieselben sehr eifrig und pfiffig spekuliren sieht, um eins zu -erhaschen. Es geht hierbei nicht minder bunt zu, wie beim Mittagsessen. -Die Kleider werden abgeworfen und liegen in einem so beklagenswerthen -Zustande auf dem Boden, wie ihre Eigenthümer auf den Lagern. Jetzt -ist der Saal mit Schlaf-Pavillons und mit Schlafkünstlern gefüllt, -allein da stehen noch 20-25 bettlose stattliche Yankees, mit kläglicher -Stimme den Capitain um Beistand anflehend. Dieser kann nichts anderes -thun als ihnen freundschaftlich rathen, die herrliche Nacht auf dem -Deck zuzubringen und den folgenden Tag sich auszuschlafen. -- Hierbei -ist zu bemerken, daß hier überhaupt nicht das in Europa übliche Recht -gilt, nach welchem man von der Abfahrt an bis zum Bestimmungs-Orte der -Reise, als Eigenthümer eines Platzes angesehen und behandelt wird. Hier -nimmt Jeder den ihm besser scheinenden Platz ein, wie lange auch sein -Vorgänger schon den Platz behauptet haben mag. Deshalb hat das Reisen -in den Kutschen schon in dieser Hinsicht viel Unangenehmes, allein -es ist auch wegen der bösen Wege, wegen des hierdurch entstehenden -langsamen Fahrens, wegen der schlechten und theuern Gasthöfe an den -Fahr-Straßen -- nicht zu empfehlen. - -Den Rath des Capitains, die Tageszeit zum Ausschlafen zu wählen, -befolgen diejenigen am liebsten, welche, wie die meisten Amerikaner, -Hang zum Hazard-Spiele haben; für diese Leute ist dann der Bettmangel -eine Goldangel, allein Mancher opfert außer der nächtlichen Ruhe -auch sein Geld. Mit dem Glockenschlage: fünf! wird die Zeit zum -Aufstehen signalisirt, damit der Saal zum Frühstücken, welches von -6-8 Uhr dauert, geräumt werden könne. Jetzt nun beim Ankleiden erhebt -sich die größte Confusion: Alle und ein Jeder sucht einen Theil -seiner Garderobe, die schon durch Nachlässigkeit beim Auskleiden -ein wenig sich vermischte, jetzt aber durch den Diensteifer der -Mulatten, welche um den Saal rasch zu räumen, alle Kleidungsstücke -auf einander werfen, in der größten Unordnung durcheinander liegt. -Ist diese Verlegenheit beseitigt, so eilt man dem Wasch-Loch auf dem -Verdeck zu. Hier findet man einen Raum, in welchem für drei Personen -Platz ist: auf einem an der Wand befestigten, sehr schmalen Brette -befinden sich drei Waschbecken von weißem Blech in Fesseln, worin -man das schmutzige Wasser der Vorgänger findet; auf dem Tische liegt -zum allgemeinen Gebrauch ein butterweiches Stück Seife. Auf einer an -der andern Wand angebrachten Rolle hängt ein etwa fünf Ellen langes -Handtuch von der Art wie man sie in unsern Fuhrmanns-Herbergen findet, -an welchem sich schon am frühen Morgen die sämmtlichen Mulatten und -zarten Neger Gesicht und Hände getrocknet hatten und welches für 150 -Personen bestimmt war. Am Eingange des Waschlochs endlich befindet -sich ein Eimer, mit dem lehmigten Mississippi-Wasser gefüllt, zur -beliebigen Selbstbedienung. Da ich glücklicher Weise Handtücher und -Seife mitführte, so sagte eines Morgens ein Yankee zu mir: „Die -Amerikaner sind durchgängig gesunde Menschen; Ihre Vorsicht ist -daher überflüssig.“ -- Solche Reisen, wie die gegenwärtige auf dem -Mississippi und die frühern auf dem Obi sind also im Ganzen betrachtet, -interessant, aber sie sind auch, was die Lebensweise betrifft, mit so -viel Unannehmlichkeiten verknüpft, daß man an Einemmale genug hat. - -Schon am sechsten Tage hatten wir uns zum Aerger der mit unserer Göttin -Diana rivalisirenden Dampfschiffe: Sultan und Monarch, welche ihrer -Kühnheit wegen auf der Liste der Todeskandidaten zu stehen verdienen, -so weit durchgearbeitet, daß der Capitain uns die Ankunft auf den -folgenden Abend mit Gewißheit verkündigte. Der Mississippi soll, wie -unser Capitain meinte, und wie man auch im Allgemeinen glaubt, die -Kraft haben, die Zahl der darauf Umkommenden reichlich zu ersetzen, -durch die Eigenschaft nämlich, welche der Emser Brunnen besitzt, -wodurch die Neger-Bevölkerung mit jedem Jahre zunimmt. Es sei etwas -sehr gewöhnliches, setzte er hinzu, daß die Negerinnen Zwillinge und -Drillinge gebähren, ja man höre oft von 4-5 Exemplaren. - -Während der letzten Nacht war die Fahrt von der Art, daß alle -Passagiere in Unruhe geriethen, weil sie glaubten, daß in Verhältniß -zu dem sehr schmalen Raum im Kessel, welcher ohnedies durch den vielen -Sand aus dem Mississippi-Wasser noch um Vieles kleiner geworden war, -viele Dämpfe angewendet würden. Es war freilich ein ungewöhnliches -Getöse, ein Klappern der Gläser, Tische etc. vernehmbar, aber um -stromaufwärts in einem so reißenden Fluß, wie dem Mississippi zu -fahren, ist viele, sehr viele Dampfkraft erforderlich. - -Am folgenden Abend um neun Uhr langten wir am Kanale von Louisville -an, woselbst der Capitain zur Ersparniß von 50 Piastern, die das -Hinauffahren kostet, zu bleiben beschloß. Unsere göttliche Diana wurde -neben den Ruinen eines Dampfschiffes befestigt, worüber ich nach -näherer Erkundigung erfuhr, daß es Bugann geheißen und vor ungefähr -10 Tagen durch Zersprengen des Kessels gegen 40 seiner Passagiere den -Kirchhöfen überwiesen habe. Mit mehrern Reisegefährten beschloß ich, -das Wrak näher zu besichtigen und wir bestiegen dasselbe mit brennenden -Lichtern in den Händen; hierbei fand ich, daß derjenige Theil des -Schiffes, worin sich mein Bett befand, im Bugann ganz und gar zerstört -und aufgelöst war. Wir plauderten noch lange über unsere ausgestandene -Gefahr, von welcher wir uns jetzt um so lebhafter überzeugt hatten und -legten uns nachher ruhiger als die vorige Nacht zu Bette. - -Am folgenden Morgen hatten sich viele spekulirende Fiaker von -Louisville eingefunden. Es wurden jetzt Parthieen zu vier Personen -arrangirt, die von jenen Fiakern nach der Stadt gebracht wurden. Unser -Führer, war ein wahrhafter Riese, ein junger Mann von 22 Jahren und wie -er sagte, 7¾ Fuß Höhe. Als er uns nach Louisville gebracht hatte, -forderte er auch einen riesenmäßigen Lohn, nämlich einen Piaster von -einem Jeden, der den gewöhnlichen um mehr als das Doppelte überstieg. -Da er indeß versicherte, daß er gewöhnlich mehr als andere Fuhrleute -bekomme, weil die Meisten Gefallen an seiner Figur fänden, so sträubten -auch wir uns nicht dagegen. - -In Louisville bemerkte ich bald, daß es nicht der Mühe werth sein -würde, hier längere Zeit zu verweilen. Alle am Mississippi und Ohio -gelegenen Städte haben denselben Anstrich von Unvollendung; sie liegen -alle auf Bergen und erscheinen daher vom Ufer aus sehr hoch. An der -Wasserseite wohnen die meisten Geschäftsleute, welche Läden haben, um -sogleich bei der Hand zu sein, wenn geldbedürftige Handelsleute mit -geldwerthen Gegenständen von New-Orleans oder New-York ankommen. Diese -Ladenherren sind meistens alle Deutsche oder französische Ausreißer, -die, wenn die Umstände darnach sind, auch von dort wieder ausreißen und -anderswo wieder unter anderer Firma auftreten. - -Meine Wißbegierde in Betreff von Louisville’s Neuigkeiten war bald -gesättigt, weshalb ich meine Reise ohne Zögern fortzusetzen beschloß -und den steilen Berg hinunter, dem Ufer zu schlenderte. Da traten -mehrere Deutsche an mich heran, mit denen ich nichts zu schaffen -haben wollte und um solchen Leuten zu entgehe, beschleunigte ich um -so mehr meine Abreise. Da lagen drei Dampfschiffe, welche um ein Uhr -nach Cincinnati absegeln wollten: das Postschiff Pick (Hecht) mit den -Briefen, ein überaus geschwindes Schiff. Auf diesem Raubfische wollte -ich meine Reise fortsetzen, allein ich gab bald dies Vorhaben auf, als -ich kaum so viel Platz fand, um bis zum Bureau gelangen zu können. Fort -also zu dem zweiten Dampfschiffe, zum Robert Fulton, dachte ich, dem du -doch wegen Erfindung der Dampfschifffahrt Dankbarkeit schuldig bist, -allein wider Erwarten und zu meinem großen Erstaunen fand ich hier so -viele Dankbare, -- er war noch mehr überladen als der Pick, so daß ich -auch von hier mich zurückzuziehen veranlaßt sah. - -In einer sehr kurzen Entfernung vom Fulton lag die loyal Anna. Kaum -hatte ich sie erblickt, als ich auch mit guter Hoffnung mich ihr -näherte, da Hagestolze, zu denen ich doch nun einmal gezählt werden -muß, gern mit loyalen Frauen Umgang haben. Noch nie habe ich eine -solche Propretät auf einem Schiffe wahrgenommen, wie auf diesem, man -bemerkte hier außer der Reinlichkeit noch ein gewisses Etwas, was nur -von den Frauen herrühren kann. Erst später erfuhr ich, daß dieses -Schiff ein Spielzeug, eine Puppe des sehr reichen Capitains sei, -welcher auf dessen Verschönerung mehr als auf die seines Wohnhauses -verwendet. -- Sieben Männer hatten sich bei der loyal Anna gemeldet -und keine einzige Dame -- eine geringe Anzahl Bewerber für eine so -schöne Miß, indeß trat ich sofort zu diesen über. Wir fuhren zwar um -Vieles langsamer, als der Pick und Fulton, aber dafür auch bequemer und -sicherer. Unsere Reise sollte nach Cincinnati und von da nach Pittsburg -gehen. - -In Cincinnati sagte mir der Capitain, daß Frau Anna sich erklärt -hätte, sie könne, als eine Frau von so vortrefflichem Baue, nicht mit -sieben Männern zufrieden sein; alle Frauen würden von Launen regiert, -in welche man sich fügen müsse; sie werde wohl ein bis zwei Tage hier -verweilen, um noch einige Männer mehr zu acquiriren, und siehe da! als -die Glocke zur Abfahrt ertönte, da schwärmten um diese Liebenswürdige -so viele neue Verehrer, daß es den alten, wie vielen Männern nach der -Verheirathung ging -- es waren keine Plätze mehr, weder zum Stehen noch -zum Niedersetzen, zu finden. - -Der Aufenthalt in Cincinnati kam mir nicht so sehr unangenehm; dieser -Ort wird in den V. S. City (große Stadt) genannt, allein sie ist nichts -weniger als das; jedoch verdient sie ihrer Anlage nach, nach dem, was -sie einmal werden kann, allerdings diesen Namen. Cincinnati ist, wie -die anderen Städte an diesem Flusse, in einer Höhe von etwa 200 Fuß vom -Ufer gebaut. Alle Buden befinden sich an der Wasserseite und sind nicht -zum dritten Theil für die Schacherwelt hinreichend. Die Miethen sind -daher so enorm, daß sie im Allgemeinen wohl das doppelte von denen in -New-York und Philadelphia betragen. Die Baulust ist aus diesem Grunde -sehr groß und nimmt mit jedem Tage zu. Jedoch fehlt es an Grund für -solche Gebäude, in welchen die einträglichsten Geschäfte betrieben -werden könnten, nämlich am Ufer. - -Cincinnati’s Bevölkerung beläuft sich auf etwa 40,000 Einw., unter -denen Deutsche, wenn nicht die Hälfte, doch wenigstens den dritten -Theil ausmachen; von diesen sind wohl 8000 Juden, welche vor einiger -Zeit eine in schönem Stil erbaute Synagoge einweihten. Ich lernte -mehrere Deutsche dort kennen, auch wurde ich von Mehreren angeredet, -die vorgaben, mich zu kennen und mich auch wirklich bei meinem Namen -anredeten. Alle versicherten, zufrieden zu sein, verriethen jedoch in -der Conversation Unzufriedenheit; sie redeten stets von Millionen und -konnten von Menschenkennern ihrer Kleidung und ihrem Aeußern nach, -für nichts anders als Tagelöhner gehalten werden. Der Ort an und für -sich bietet nichts Merkwürdiges dar; die Umgegend ist nicht besonders -reizend. Er eignet sich zum Speditions-Geschäft und treibt dieses auch -in der That, aber auf eine sehr unvollkommene Weise, und zwar aus -dem Grunde, weil es an Arbeitsleuten fehlt, die bei einem Geschäft -solcher Art nicht zu entbehren sind. Die Güter, welche zur Spedition -dort ankommen, werden deshalb oft -- zu Wasser, wie ich während meines -Aufenthalts selbst Augenzeuge eines solchen Vorfalls war. Es langte -nämlich ein Dampfschiff an, welches 15 große Fässer Zucker für jenen -Ort geladen hatte, die der Capitain am Ufer abladen und hinwerfen -ließ, um sofort weiter zu fahren. Während der darauf folgenden Nacht -schwoll aber der Fluß dermaßen an, daß der Herr Spediteur, als er -am andern Morgen mit seinen Arbeitern hinzukam, statt des Zuckers -Zuckerwasser in den Fässern fand. Ganz amerikanisch-kaltblütig -fragte er die Umherstehenden: what can I do? Uebrigens spricht jeder -Amerikaner mit Respekt von diesem Orte, so daß es mir lieb war, ihn -kennen gelernt zu haben. - -Desto lästiger dagegen wurde mir der Aufenthalt auf der Anna, da es, -wie schon bemerkt, nicht nur an Raum fehlte, sondern unter den neuen -Passagieren hatte sich auch eine große Anzahl von Spielern eingefunden, -die den Raum durch einen großen Tisch, an welchem sie Stoßen, das -alte und beliebte deutsche Hazard-Spiel, spielten, unter Beistand -einer Menge von Zuschauern dermaßen beengten, daß mir nichts zu thun -übrig blieb, als mich nach den untern Regionen des Schiffs zu den -Deck-Passagieren zu begeben. - -Daselbst bemerkte ich mehrere deutsche Familien; da saßen Einige -mit Bibeln vor sich, Andere in Kattun-Jacken, schmauchend nach -alt-deutscher Weise, aus kurzen deutschen Pfeifen von dem edeln -Kentucky-Taback, den die Amerikaner lieber auf nassem Wege auflösen. -Die Frauen derselben strickten zum Ärger der Chemnitzer Strumpfwirker -und zur Freude der Amerikanischen Produzenten Strümpfe aus der auf -Amerikanischem Boden gewachsenen Baumwolle. Da ich Bekanntschaft -mit diesen Leuten anknüpfen wollte, so näherte ich mich zuerst den -Bibellesern, in der Meinung, daß diese die weniger Glücklichen in der -Gesellschaft sein müßten, indem die Meisten im Unglück sich entweder -zur Religion oder zum Aberglauben wenden. Ich hatte mich darin auch -nicht geirrt, dann sie versicherten mir, in jeder Rücksicht sehr -unglücklich und, obgleich sie schon ein Viertel-Jahrhundert in Amerika -zugebracht hätten, noch immer sehr arm zu sein. - -Hierauf näherte ich mich den Taback rauchenden Männern und -Strümpfe strickenden Frauen. Von diesen erfuhr ich, wie die -amerikanisch-deutsche Auswanderungs-Commissionaire in New-York sie -schändlich betrogen und irre geleitet hätten. Sind doch Commissionaire -ein tödtendes Gift in allen Branchen, dachte ich, da mir schon in -Louisville ein pallastähnliches Haus gezeigt worden war, welches ein -Deutscher auf Unkosten der armen Einwanderer erbaut hat, indem, wie -sich der Amerikaner ausdrückte, der es mir zeigte, zum Fundament -desselben die Seufzer der Unglücklichen, zum Löschen des Kalks die -Thränen derselben verwendet wurden. Diese Unglücklichen müssen sich -wegen Mangel an Sprachkenntnissen gleichsam als Sclaven an den -Commissionair verkaufen und das sehr wohlfeil gekaufte Land für ihn -kultiviren. Einen aus der Gesellschaft, der mir am klügsten schien, -ersuchte ich, mich mit der Art und Weise, wie jene Commissionaire in -New-York mit ihnen verfahren hätten, bekannt zu machen. Vermuthlich -nicht so arg, wie die Havaneser uns armen Kaufleuten, dachte ich -hierbei. „Die verdammten Diebe,“ hob der Erzähler an, „haben uns vom -ersten Augenblick unserer Ankunft an konfuse gemacht; sie haben uns -zu Reisen verleitet, wodurch das Wenige, was uns nach Zahlung der -125 Francs Reisekosten noch übrig blieb, aufging; jetzt müssen wir -alle zurück, weil hier, wo uns die Diebe hingeschickt haben, Nichts -zu machen ist.“ Als ich hierauf bemerkte, sie hätten besser gethan, -Deutschland nicht zu verlassen, weil man, um hier etwas anfangen zu -können, wenigstens 1000 Piaster baares Geld mitbringen müßte, lachten -sowohl die Strickenden als die Rauchenden, und Einer meinte: „wenn wir -1000 Piaster gehabt hätten, so wären wir sicher noch zu Hause und -tränken Wein für sechs Kr., während wir hier Essig mit ½ Piaster -bezahlen müssen.“ -- Dies vorläufig als Warnung für den Auswanderer; -ich werde später genauer hierauf zurückkommen, da ich bei meinem -zweiten Aufenthalt in New-York diese Suche genauer kennen zu lernen -Gelegenheit hatte, und setze vorläufig meine Reise nach Pittsburg fort, -um baldigst in New-York einzutreffen, wonach ich mich um so mehr sehne, -da die loyal Miß Anna um Vieles zu liberal geworden war. - -Wir langten nach einer viertägigen Fahrt in Pittsburg, dem Birmingham -der V. S. an. Jeder Amerikaner spricht in tiefster Ehrfurcht von dieser -Stadt, von welcher es in den statistischen Berichten heißt, es würden -für 30 Millionen Piaster Waaren hier fabrizirt; einige Tage hier zu -verweilen, um die bedeutenden Fabriken in Augenschein zu nehmen und -ihre Erzeugnisse zu prüfen, war mein Vorsatz. - -Schon am Ufer gewahrte ich, daß Eisengießereien hier ein bedeutender -Erwerbszweig sein müssen, indem eine bedeutende Masse von Gußwaaren -zum Einladen bereit lag. Zunächst begab ich mich nach dem Innern der -Stadt, um das Exchange-Hotel (Börsenhaus), wohin sich viele meiner -Reisegefährten begeben hatten, aufzusuchen, was mir auch, da Pittsburg -sehr regelmäßig gebaut ist, ohne Mühe gelang. Wie ein hungriger -Jagdhund über seine Speise, so fiel ich über die seit vier Tagen -entbehrten Tagesblätter her und fand mit Schrecken und mit Freuden -zugleich die Verunglückung des Dampfschiffes Albany, mit dem ich -anfangs reisen wollte. -- Um die Fabriken aufzusuchen, begab ich mich -auf eine Anhöhe und richtete die Augen nach dem Himmel zu; ich bedurfte -nicht, wie die Astronomen, wenn sie Kometen suchen, eines Teleskops; -ich merkte auf die dichten Rauchwolken, die aus den hohen Schornsteinen -hervorströmen und konnte sicher sein, eine Fabrik zu finden. - -Zuerst gelangte ich zu einer Glasfabrik, in welche ich ungenöthigt -hineintrat. Nur der Aufseher war zugegen und so gefällig, mir vieles -Hübsche zu zeigen. Ich ersah, daß die Glaswaaren hier nicht, wie in -Böhmen oder Schlesien, geblasen, sondern gegossen werden, folglich -fällt hier das Schleifen weg, indem das Bunte auf diesen Gläsern in den -Formen erzeugt wird. Nach dieses Mannes Erzählung waren die Amerikaner, -als Erfinder dieser Fabrikation eine Zeitlang die Monopolisten darin, -jetzt aber, nachdem Engländer und Franzosen dieselbe Fabrikate -erzeugen, haben sie eine schwere Concurrenz zu bestehen. - -Durch den Anblick eines mächtigen Granit-Quarrées auf einem Berge -angezogen, näherte ich mich demselben. Unerklärlich war mir diese -Erscheinung, eine so mächtige viereckige Felsenburg ohne Fenster und -Thüren; was kann das sein? Da ich neben diesem Felsenklumpen ein von -eben solchen Steinen errichtetes, aber unbeendetes Gebäude mit einer -prächtigen Kuppel sah, so trat ich in dasselbe, um mir Auskunft zu -erbitten. Ich freute mich sogleich einen Mann zu treffen, dessen -Anblick sonst Niemand sehr erfreut; den Schließer des Gefängnisses, -welcher sich im Souterrain jenes mir räthselhaften Granit-Quarrées -befand. Dies war so eingerichtet, daß die Zugänge zu demselben durch -das Souterrain des unbeendeten Prachtgebäudes, den neuen Gerichtshof -führten, und folglich jeder Arrestant, ohne sich müßigen Zuschauern -exponirt zu sehen, vor die Richterstühle gelangen kann. - -Die benachbarte katholische Kirche ist auf ähnliche Weise gebaut. - -Am Ufer fand ich ein Schiff, welches zum Hausiren auf dem Ohio bestimmt -war, zur Abfahrt fertig. Um diese schwimmenden Hausirer kennen -zu lernen, bestieg ich das Schiff, in welchem ich ein komplettes -geordnetes Waarenlager antraf. Die Mannschaft darauf versieht zugleich -die Dienste der Handlungsdiener; bei allen Ortschaften werden Verkaufs- -und Ankaufsversuche gemacht. - -Den Mechanismus der sogenannten Snag-boats wollte ich jetzt kennen -lernen; diese Bote sind nämlich seit etwa zwei Jahren durch den -Washingtoner Congreß, auf dem Ohio und Mississippi eingeführt zum -Auffischen der in jenen Flüssen treibenden Bäume, welche den Untergang -so vieler Dampfschiffe herbeigeführt haben; es giebt derselben bis -jetzt nur sechs, obgleich für beide Ströme wohl 150 erforderlich sind; -ich freute mich, sie kennen gelernt zu haben, denn sie verdienen alle -Aufmerksamkeit. - -Auf dem Rückwege von dort gerieth ich in eine Baumwoll-Spinnerei. -Der Fabrikant war eben damit beschäftigt, eine verkaufte Quantität -dem Käufer zuzuschicken. Da ich auf den Fünf-Pfund-Paqueten No. 10 -bemerkte, so ersuchte ich den Fabrik-Inhaber mir eins von No. 40 zu -zeigen. „Hiermit beschäftigen wir uns nicht,“ erwiederte er, „die -Anfertigung solcher Nummern überlassen wir den Engländern, wir spinnen -nur bis zu No. 14, indem wir nicht so viel Capitalien haben, um mit -sechs Prozent, denn mehr liefern feine Garne nicht, zufrieden zu sein. -Auf Nummern wie diejenigen sind, welche wir spinnen, ist die Steuer -zu groß, und aus diesem Grunde verbietet sich die Einfuhr von selbst. -Besäße ich mehr Vermögen, so könnte ich mehr fertig schaffen und, -anstatt daß ich jetzt 3000 Pfund jeden Tag absetze, das dreifache -Quantum verkaufen.“ -- Es würde mich sehr freuen, wenn einer von den -geneigten Lesern so gefällig sein wollte, mir Aufschluß zu geben, warum -der Amerikaner, welcher die Baumwolle und Kohlen dicht an der Thüre -hat, mit den englischen Fabrikanten nicht soll concurriren können. Wäre -es nicht zweckmäßig, daß die Regierung einen Ausfuhrzoll von Baumwolle -erhöbe? - -Während ich mich auf der Pittsburger Brücke befand -- alle Brücken -in den V. S., muß ich nebenbei bemerken, sind den Häusern ähnlicher -als den Brücken, indem sie zur Abhaltung des Schnees mit Dächern und -Fenstern versehen sind -- und mich der großen Granitblöcke, worauf die -Brücke ruht, erfreute, traf ich einen frühern Reisegefährten, welcher -mich bat, mit nach seiner Tuchfabrik zu reisen. Er beklagte sich sehr -über die Schmuggelei von England aus über Canada; noch mehr aber wegen -des hohen Zolls auf roher Wolle, wodurch den Woll-Produzenten, zum -Nachtheil der Fabrikanten ein sehr lästiges Monopol eingeräumt sei. -Dürften wir, setzte er hinzu, unsern Wollbedarf gegen Erlegung eines -Zolls, wie der in England festgestellt ist, von Deutschland einführen, -so würden wir England sehr bald bei Tuchen entbehren können. - -Als die beste Reisegelegenheit, um von hier nach Philadelphia und -New-York zu kommen, wurde mir gerathen, auf einem Kanalboote bis nach -Harrisburg zu fahren. Diese Fahrt wäre mir indeß beinahe schlecht -bekommen, indem ich beim Durchfahren unter einer Brücke in die größte -Gefahr kam, erdrückt zu werden. Bis nach Harrisburg trafen wir wohl 100 -Brücken und bei den höchsten derselben konnte man, auf dem niedrigsten -Punkte des Bootes aufrechtstehend, kaum ohne Gefahr durchkommen. -Deshalb befindet sich Abends ein Mann auf dem Posten um „Herren, eine -Brücke!“ als Warnungszeichen zu rufen. Diesmal rief er, als es schon zu -spät war, um von den Koffern, auf welche ich mich zum Schutz vor Regen -gesetzt hatte, herabzukommen. Ich warf mich sogleich auf den Rücken und -erwartete das Schlimmste, aber die Vorsehung ließ auch diese Gefahr -glücklich für mich vorübergehen. Ich enthalte mich der Beschreibung -dieser Treckschuiten (die nach der alten sächsischen Lehrmethode wohl -eher mit einem D zu schreiben sind), weil sie desselben nicht werth -sind. Jeder, der dergleichen Schiffs-Gelegenheiten in Holland gesehen -hat, welche den Amerikanischen zum Muster gedient zu haben scheinen, -wird meine Versicherung, daß 43 Personen in der Cajüte schlafen mußten, -in Zweifel ziehen, und 5 Nächte mußten wir in dieser peinlichen Lage -zubringen; drei Hängematten über einander, in vier Alleen eingetheilt, -lieferten sämmtliche Ruhestellen. - -Uebrigens gewährte diese Reise sehr viel Abwechselung und Vergnügen in -mancher Hinsicht. Das Merkwürdigste hierbei war eine Fahrt von etwa -35 englischen Meilen über sehr hohe Gebirge auf Eisenbahnen, vermöge -des Mechanismus vieler Dampf-Maschinen, welche auf kurze Distancen die -mächtigsten Wagen mit dem allerschwersten Gepäck ohne Locomotive auf -die hohen Berge zogen -- so daß wir die 35 Meilen in sieben Stunden -zurücklegten. Es scheint, daß, zur Anlegung von Tunnels kein Fonds -vorhanden war, da man zur Beförderung der Güter auf den Canälen, zu -einer solchen Maaßregel hat schreiten müssen. Sobald wir von den sehr -hohen Bergen ohne Locomotive etwa 6 Minuten hindurch auf die Canäle -zu hinunterfuhren und bei denselben angelangt waren, stand ein Boot -und Pferde bereit; die Umpackung währte etwa sechs Minuten. -- Am -folgenden Abend passirten wir den herrlichen Fluß Susquehannah. Ueber -diesen führt eine herrliche Brücke, die ich in der Entfernung, da sich -an derselben zwei Gallerieen für die hin- und zurückziehenden Pferde -befinden, für ein Theater hielt. Die Gegend um diesen Fluß ist die -reitzendste von allen, die ich auf meinen vielfältigen Reisen gesehen -habe. Die Stadt Petersburg, welche an der entgegengesetzten Seite des -Flusses liegt, konnte ich bei der sich nähernden Abendzeit nicht gut -sehen. - -In Harrisburg hören die Canalfahrten auf und die nach Philadelphia -führende Eisenbahn beginnt. Da wir das Reisegeld für die Fahrt von -Pittburg bis Philadelphia entrichtet hatten, so war es des Capitains -Sache, für unsere Weiterschaffung zu sorgen, was denn auch bald -geschah. Für die aus Pittburg angekommenen Reisenden wurden sowohl für -Personen als Gepäck eigene Wagen angewiesen; aus Harrisburg fuhren -mehrere Hunderte. Die Wagen waren alle für funfzig Personen und so -arrangirt, daß sie mittelst großer Zugänge gleich einem Wohnhause in -Verbindung stehen; man kann während der Fahrt die sämmtlichen Wagen -durchstreichen und die an beiden Seiten paarweise Sitzenden mustern. -Am Eingange des ersten, dicht an der Locomotive befindlichen Wagens, -in welchem zwei Abtheilungen angebracht sind, las man am Eingange zur -zweiten Abtheilung „Damenzimmer“. In diesem befand sich ein großer -Spiegel, nächst dem Manne, das erste Bedürfniß für Damen, Sopha, -Arbeitstisch. Von Harrisburg bis Philadelphia, (welche Entfernung 96 -englische Meilen beträgt,) fährt man mit Einschluß der Zeit, welche -zum Frühstück und Mittagsessen zugestanden ist, sieben Stunden. Für -das letztere, welches verhältnißmäßig eben so rasch verzehrt werden -muß, als die Locomotive sich fortbewegt, wird ein eben so reissender -Preis, d. h. ½ Piaster oder 18 gGr. bezahlt. Beim Bezahlen bemerkt -man Viele, die bemüht waren, einige von den abgesetzten Bank-Noten, -womit ihre Brieftaschen sich in ungesegneten Umständen befanden und auf -Entbindung nicht hoffen dürfen, -- anzubringen, allein der Cassirer -hat das Textbuch vor sich liegen, bleibt im Text und besteht auf -werthvoller Bezahlung des werthlosen Mittagessens. - -Auf der Tour von Harrisburg bis Philadelphia hat der deutsche Reisende -Gelegenheit sich über den Fleiss und die Ordnungsliebe seiner -Landsleute zu freuen, da diese die Bewohner jenes Strichs ausmachen. -Man glaubt hier in Deutschland zu sein, überall erblickt man Feld- und -Baumfrüchte; auf jedem Hause in den Dörfern glaubt man die Worte: -„Wohlhabenheit und Zufriedenheit“ zu lesen. Gutgekleidete Kinder -beiderlei Geschlechts drängen sich mit Blumen und reifen Baumfrüchten -an den Wagen, um für die bereits gehaltene Aerndte etwas für sie -Brauchbareres zu ärndten. Genug, man empfindet auf dieser Reise keine -Langeweile, wenn man nicht etwa unwohl ist, wie ich es ein wenig war; -ich hatte bei der Passage über die Berge ein Erkältungsfieber erhascht -und kam ziemlich krank in Philadelphia an. - -Da saß ich in einem langen Omnibus, die alten kraftlos scheinenden -Rosse thaten Wunder, denn sie trabten von einem Gasthofe zum andern -und nirgends fand ich ein Plätzchen für mich. Obgleich vom heftigsten -Kopfweh gepeinigt, freute ich mich dennoch; war es doch ein Zeichen, -daß ich den Kopf nicht in Havana verloren hatte. „Fahre nach welchem -Gasthof du willst, nur nach keinem schmutzigen“, sagte ich zum -Omnibus-Kutscher und bald standen die Rosse vor Baltimore-house, -welches mir der Kutscher als ein gutes und sehr reines Haus anpries, in -dessen Nähe auch das Dampfschiff nach New-York abfahre. - -Ich wurde in diesem Hause mit etwas versehen, was mir seit einer -Reihe von Jahren entfremdet war und das war -- ein Federbette welches -gut war, weil es den Dienst eines russischen Dampfbades versah und -mich dermaßen auf die Beine brachte, daß ich am folgenden Morgen in -Philadelphia umherzustreichen mich mit hinlänglicher Kraft ausgerüstet -fühlte. Ich fand, daß Philadelphia ungefähr in demselben Verhältniß -zu New-York steht, wie Potsdam zu Berlin. Der Ort ist schön, weil -die Häuser durchgängig gut gebaut und die Straßen regelmäßig sind; -wenn man die vielen Canäle in denselben abrechnet, über die man aber -auch in New-York Beschwerde führen kann, aber nicht darf, weil die -Amerikaner leidenschaftlich am Canalbau hangen. -- Ich bestieg das -Rathhaus bis zu seinen höchsten Regionen, d. h. bis zur Glocke, -und war höchst überrascht, als ich die herrliche grosse Stadt mit -den vielen Kirchen und squares (Quarrées) nebst der herrlichen -Umgegend zu meinen Füßen liegen sah. Ich besuchte die Münze, das -Taubstummen-Institut, das Collegium und fuhr etwa drei Meilen weit nach -dem Wasserwerk, gelegen in einem Schweizerthal mit Bergen umgeben, -auf welchen sich die herrlichsten Anlagen befinden. Für diese Fahrt -hin und zurück bezahlte ich nur ¼ Piaster -- der wohlfeilste in den -V. S. mir erwiesene Dienst; muß man doch für das einmalige Putzen der -Stiefeln dasselbe bezahlen. Auch nach Vauxhall begab ich mich, in -welchem 1000 Chinesische Lampen brennen und eben so viele Orangenbäume -gezeigt werden sollten. Da aber nur einige Lampen brannten, so blieben -natürlich die blühenden Orangen unsichtbar. Ich kehrte nach der Kasse -zurück, um meinen halben Piaster Entree zu reklamiren, allein der -Kassirer versicherte mir, er sei an diesem Platze zum Geld-Einnehmen, -nicht Ausgeben; ich könne aber am folgenden Abend Gebrauch von der -Charte machen. -- Weise ist nach Lessing derjenige, welcher sich auf -seinen Vortheil versteht; ich erklärte daher diesen Mann für weise und -zog ab. - -Meine Rechnung in Baltimore-house belief sich auf eine artige Summe, -obgleich ich keine einzige Mahlzeit in demselben eingenommen hatte. Der -Wirth bewies mir, daß er bei den hohen Preisen aller Lebensmittel zu -Grunde gehen müßte, wenn es nicht so manchen gäbe, der nie ißt, aber -dennoch üblicher Weise bezahlt. Es wird in ganz Amerika 2½-5 Piaster -in jedem Gasthofe den Logirenden angeschrieben, wenn er auch gar nichts -genossen hat. - -Am folgenden Morgen fuhr ich mit dem ersten Dampf-Schiff nach -New-York. Auf diesem befanden sich etwa 300-350 Passagiere, ungeachtet -zu derselben Stunde die Dampfwagen dahin abfahren. Man giebt den -Dampfschiffen darum den Vorzug, weil von den Schornsteinen der -Locomotiven zu viel brennende Kohlen umher geworfen werden, und dadurch -viele Kleidungsstücke der Mitreisenden zu Grunde gehen. Man muß jedoch -auch auf der Fahrt mit dem Dampfschiff ungefähr 20 Meilen auf dem -Dampfwagen zurücklegen, um alsdann die Reise im Schiff zu beendigen. - -Um etwa 1 Uhr kamen wir in New-York an. Das Erste, was ich that, war, -mir ein Privat-Logis aufzusuchen, denn die Boarding-Häuser hasse ich -wegen des darin statt findenden Zwangs. In einem freien Lande darf -man auf Freiheit Anspruch machen, Thorheit ist es also, wenn man dem -Gastwirth seine Freiheit verkauft und noch dazu, wie hier in New-York -viel dafür bezahlt. - -Als ich so an Broadway hinschlenderte, fühlte ich mich in der -heitersten Stimmung. Als ich über den Grund derselben nachdachte, fand -ich ihn darin, daß ich hier nicht, wie in Havana, das menschliche Elend -d. h., mit Lumpen umhangene Neger auf jedem Schritte vor mir sah, -sondern nur freie wohlgekleidete Menschen. Noch immer konnte ich die -Erinnerung an die Behandlungsweise der Sclaven von Seiten der Herren -nicht aus meiner Seele verdrängen; ich sah, wie die Herren Negerfrauen -im Beisein ihres Mannes züchtigten, oder wie der Mann während der -Procedur hereintrat, um das Mittagsmahl mit seiner Familie zu -verzehren, den züchtigenden Herrn ehrerbietig grüßte und gleichgültig -that, als ob ihn das nichts angehe. Wie diese Unglücklichen von Afrika -aus transportirt werden, will ich nur kurz erwähnen. In den Räumen der -Sclavenschiffe sind innerlich Abscheidungen von Brettern, mit nicht -mehr Zwischenraum, als daß zwei Personen aufrecht darin stehen können, -errichtet. Die Neger werden paarweise mit ihrem Rücken gegeneinander -zusammengebunden und zwischen diesen Räumen an die Wände derselben -angeschlossen. Aus dieser peinlichen Stellung werden sie während der -Reise täglich nur einmal, jedoch nicht mehr als 8-10 Personen auf -einmal, und nur auf 5-6 Minuten erlöst. - -Ich fand ein Haus, an dessen Thüre ich auf einem Zettel: furnished -rooms (meublirte Zimmer) las. Die Wirthin, so wie Alles im Hause -deutete auf Reinlichkeit, nichts Archenähnliches war an dem mir -offerirten Zimmer zu bemerken. Meine vis a vis waren friedliebende, gar -nicht neugierige Menschen, die mich auf keine Weise geniren konnten, -ja um alle weltliche Dinge sich nicht mehr kümmerten, weil sie alle -auf dem mit Blumen und Bäumen geschmückten Kirchhofe wohnten. Sofort -miethete ich dieses Zimmer und befand mich sehr wohl in demselben. Dann -suchte ich wieder mein französisches Boarding-Haus zum Speisen, da ich -mir in Philadelphia wegen der Unpäßlichkeit die Hungerkur auferlegt -hatte. Auf die Frage der freundlichen Wirthin, wie mir ihre Küche -munde, erwiederte ich: nach einer mit Oel gesalbten Küche, deren ich in -Havana so viele Monate hindurch unterworfen war, fühlt sich mein Gaumen -höchst geschmeichelt. Ein Schweizer meinte, daß es in der That in -Havana höchst schlecht sein müsse, wenn es ein Berliner schlecht finde, -denn nach seiner Ueberzeugung lebe man in Berlin sehr schlecht; er -versicherte, er habe in den Gasthöfen erster Klasse daselbst für zwei -Thaler das Couvert auf seinem Zimmer servirt, abominable gegessen. Ich -vertheidigte meine Mitbürger aufs eifrigste, war aber nicht im Stande, -ihn zu einer bessern Ueberzeugung zu bringen. - -Uebrigens war ich gerade zur rechten Zeit hier angekommen, um dem Feste -der Gründung der Unabhängigkeit der V. S., welches am vierten July -gefeiert werden sollte, mit beizuwohnen. Die Nacht vor dem Geburtstage -der Republik wurde mit einer solchen allgemeinen Theilnahme durch -das Abbrennen von Feuerwerken, Schießgewehren in allen Straßen kund -gethan, daß mir kein anderer Wunsch übrig blieb als der, daß die -Lustigen auch an andere Leute denken möchten, die wegen dieses Getöses -beinahe die ganze Nacht nicht schlafen konnten. Es ging ununterbrochen -fort bis um acht Uhr des Morgens, zu welcher Zeit die verschiedenen -Armee-Abtheilungen, alle neu uniformirt, mit Feldmusik und Trommeln -sich dem Demokraten-Könige, der an diesem Tage eintreffen sollte, in -aller Pracht zeigen wollten. Es wimmelte in Broadway von Militair, -welches nach dem Paradeplatz an der Batterie marschirte. Da jedes -Revier eine eigene Compagnie bildet, und sich jede derselben nach ihrer -eigenen Bestimmung kleidet, weshalb nun alle mit einander wetteifern, -in prachtvoller Ausstattung, so kann der Leser leicht denken, daß diese -ganz glänzend sein mußte; -- besonders zeichnete sich der Generalstab -und die Spielleute, deren jede Compagnie ihre eigene hat, in dieser -Hinsicht aus. Hierbei konnte man bemerken, daß zur Verherrlichung jedes -Festes Militair Bedürfniß ist. Die Anzahl der Generäle und Adjutanten -in ihren prachtvollen Uniformen, welche größtentheils Schimmel, die -Lieblingsfarbe der Amerikaner an Pferden, ritten, war sehr beträchtlich -und kam mir weit größer vor, als die in den großen Armeen großer Mächte. - -Um etwa 12 Uhr verkündete der Kanonendonner die Landung des mit 40,000 -Piaster besoldeten Regenten; er wird die Truppen mustern, hieß es, -und dann seinen Einzug halten. Von meinem Zimmer aus beobachtete -ich ganz ruhig die Sache; ich zählte über 2000 Militairs, die in -einer Linie vor dem Präsidenten her zogen. Jetzt erschien derselbe -mit entblößtem Haupte, welches er bei dem jedesmaligen Hurrahruf -rechts und links neigte. An den Präsidenten schlossen sich sämmtliche -Magistrats-Personen in schwarzer Kleidung an, mit sehr langen -Pergamentrollen in der Rechten; hierauf folgten 100 berittene Bürger -und der Generalstab. Weder Constabler noch sonstige Polizei-Beamte -waren zur Aufrechthaltung der Ordnung bemerkbar; und dennoch sah man -unter einer Masse von 200,000 Menschen, die sich in dieser Straße -bewegten, eine exemplarische Ordnung. Als Militairs zeichneten sich -in dem Zuge die Deutsche und Irländische Compagnie, so wie auch ein -Veteran aus, der den Befreiungskrieg mitgemacht hatte. - -Da in keinem Lande dergleichen große Feste, ohne daß das Leben einiger -Individuen geopfert wird, ablaufen, so stand es nicht zu erwarten, daß -dies Fest in diesem Lande, woselbst die Menschen den gefährlichsten -Elementen, Feuer und Wasser mit einer gewissen Frechheit die Stirn -bieten, eine Ausnahme von der Regel machen würde. Die Decke eines -Dampfschiffes (die Dampfschiffe dieser Art zum Vergnügen haben außer -dem gewöhnlichen Verdeck noch ein höheres auf Säulen ruhendes, Decke -genannt) hatte wohl 1000 Menschen mehr aufgenommen, als die Stärke -derselben erlaubte; sie stürzte ein und 10 Personen kamen ums Leben. -Durch Zerspringen von einem der Kessel der Locomotiven, so wie auch -durch die Anwendung der Schießgewehre von Knaben, verunglückten mehrere -Menschenleben. Nur die Kinder sämmtlicher hiesigen Schulen, zwischen -15-20,000, welche, um dem Präsidenten ihr Compliment zu machen, nach -einer kleinen Stadt gebracht worden waren, kamen wohlbehalten nach -New-York zurück. - -An diesem Abend gab sich Jeder dem Vergnügen hin; es ward viel -Champagner in der That, und in der Idee getrunken und mit Bank-Noten -baar bezahlt. (?) Auf den Hauptplätzen (als: Park, Batterie-Platz) -u. s. w. waren, wie auf unsern Messen, Buden errichtet, in denen -viel Leben war; jene Plätze waren mit Feuerwerken und Schießlustigen -überfüllt, die sich gegenseitig neckten; es ging so weit, daß -die in den vis a vis gelegenen Gasthöfen Globe und Sans-Souci -Logirenden sich aus den Fenstern durch Zuwerfen von Feuerkugeln, -Fontainen und Schwärmern dermaßen belustigten, daß in einem Zimmer -die Fenstervorhänge schon brannten und beinah ein größeres Feuerwerk -entstanden wäre. Im Castle-Garden (Schloßgarten) wurde, wie man mir -sagte, ein glänzendes Feuerwerk bei etwa 10,000 Zuschauern abgebrannt. - -Nach der Beendigung dieses großen Festes besuchte ich den -Advokaten Dr. Lord, um Erkundigung einzuziehen, wie weit er in der -Prozeß-Angelegenheit gegen die M. und H. gediehen sei, und siehe -da! der gute Mann bedauerte, mir sagen zu müssen, daß er sich -noch nicht einmal beim Anfang befinde, indem meine Gegner stets -Gelegenheit gefunden hätten, die Sache in die Länge zu ziehen; -sie hätten die Gründe, weshalb sie die Sache ausgesetzt zu sehen -wünschten, beschworen; ihr Anwalt habe überdies, mit Genehmigung -des Gerichtshofes, eine Reise nach Europa unternommen, welches dazu -beitrage, diese Affaire in die Länge zu ziehen. Er empfahl mir Geduld, -die ihm freilich nicht so leicht abgeht, da ich 300 Piaster Vorschuß -geleistet habe. - -Jetzt begab ich mich zum Commissionair, an welchen ich, wie früher -bemerkt, verschiedene Waaren von Havana mit der Ordre geschickt hatte, -dieselbe bis zu meinem Dahinkommen liegen zu lassen. Allein die Geduld -hatte ihn verlassen, er hatte sie für die Hälfte des Werths verkauft -und händigte mir jetzt die Verkaufs-Rechnung ein. Einen zweiten Prozeß -mit einem abermaligen Vorschuß von 300 Piaster anzufangen, war schon -deshalb nicht räthlich, weil +Ein+ Prozeß, selbst unter dem -mildesten Prozeß-Himmelsstrich wenigstens für mich hinreichend ist; -ferner war wegen des heraufziehenden Ungewitters in der New-Yorker -Geldwelt ein zweiter Prozeß zu vermeiden. Ueberdies war ich nicht -gesonnen, das Ganze den Launen der Advokaten und des Zufalls Preis zu -geben, denn wie leicht kann durch eine Zahlungs-Unfähigkeit der Banken, -die mir unausbleiblich schien, Alles verloren werden, wenn auch die -Sache zu meinen Gunsten entschieden würde? Es blieb mir mithin nichts -Anderes übrig, als den Belauf für meine Güter zu nehmen und gegen -das Verfahren meines Commissionairs zu protestiren. -- Ergo ist in -der neuen Welt nur viel zu verlieren, und mit großem Risico wenig zu -verdienen. - - - - - ~Vierte Abtheilung.~ - - ~Ueber das - Treiben im englischen und amerikanischen Handel.~ - - -Auf diese Weise hatte ich nun in New-York keine andere Geschäfte, als -mich mit den New-Yorkern zu amüsiren. Wohin also zuerst? fragte ich -mich selbst. Nach Wall-Street, war die Antwort. Diese Straße war ganz -mit großen Granit-Blöcken und Marmor-Säulen angefüllt, so daß man -dieselbe kaum mit Bequemlichkeit passiren konnte. Auf meine Frage, -was mit den vielen Steinen von so ungeheuerm Umfange gemacht werden -solle, hörte ich, daß sie zu Bank-Gebäuden bestimmt wären. Es dürfte -vielleicht einige Leser geben, die hierbei die Frage aufwerfen, warum -die Herren Rothschild in London, Hope in Amsterdam, Heyne in Hamburg, -Bethmann in Frankfurt a. M., Schickler in Berlin u. A. in kleinen -unansehnlichen Zimmern ihre sehr bedeutenden Geschäfte betreiben, und -warum diese nicht wie die New-Yorker, auf Marmor- und Granitsäulen -ruhende Banken errichten. Die Frage ist nicht schwer zu beantworten: -Die New-Yorker bedürfen zur Ausführung der Bauten nichts, was wie Geld -aussieht, während jene Banquiers nicht ohne Geld würden bauen können. - -An demselben Tage wurde das Dampfschiff Great-Western von London -erwartet. Alle warteten mit der größten Ungeduld auf die Ankunft -dieses Schiffes, oder vielmehr auf die Nachrichten, die es mitbringen -sollte, denn man hoffte durch Hülfe der Engländer sich bald vom Uebel -erlöst zu sehen. Von England also Hülfe! dachte ich. Hülfe von einem -Volk, welches sich selbst nicht zu helfen weiß. England ist in seinen -Finanzen stets überschätzt (overrated) worden. Wehe! und abermals -wehe! einem Jeden, welcher überschätzt wird, mag es eine Regierung -oder ein Privatmann sein. Die natürlichsten unmittelbarsten Folgen -solcher Ueberschätzungen sind Uebervortheilungen. Der Verfasser gehört -zu den Wenigen, welche gegen die Englands Reichthum gesungenen und -gesprochenen Loblieder stets protestirt haben, obgleich er demselben -in technischer Hinsicht alle Gerechtigkeit widerfahren ließ; er ist -oft scharf darüber getadelt worden, worum er sich aber wenig kümmerte. -Schon im Jahre 1830, als die Reformbill John Russell’s im Hause der -Gemeinen durchging und Graf +Grey+ Premier-Minister ward, sprach -der Verfasser in einem mit dem Buchstaben R. unterzeichneten, im Leeds -Intelligencer eingerückten Aufsatz: „the corn-laws, as the present -policy of the country“ („die Korngesetze, die gegenwärtige Politik des -Landes“) sich dahin aus, daß England den frühern Gedanken, für alle -Bewohner des Erdballs zu fabriziren schwinden lassen, und einen großen -Theil der Fabrik-Arbeiter zur Erzeugung des ersten und nothwendigsten -Bedürfnisses, Getraide, verwenden müsse, wenn es fortbestehen wolle. -Der Verfasser rieth in jenem Aufsatze zur Anlegung vieler Eisenbahnen, -damit so viele Ländereien, welche zum Anbau des Pferdefutters -jetzt dienen, zur Erzeugung von Lebensmitteln für die Bevölkerung -angewendet werden könnten. Der Verfasser führt die Hauptpunkte seines -damaligen Aufsatzes zum Beweis der Behauptung an, daß er Englands -Lage schon vor 10 Jahren richtig beurtheilt hat, wobei er jedoch hier -nur das Wichtigste hervorheben kann. Auch behauptete er, daß der von -Preußen für die deutschen Fabrikanten angeordnete Schutzzoll nie eine -Abänderung zu Gunsten der englischen Fabriken erfahren werde, und -sollten diese, durch Anschaffung wohlfeileren Brodes, wohlfeiler als -die deutschen Fabrikanten produziren, so werde, seines Erachtens, der -Schutzzoll um eben so viel von Seiten Preußens erhöht werden. Wer würde -wohl gern 3 L. St. hingeben, um 1 L. St. dafür wieder zu erhalten? -Deshalb wird sich Preußen stets gegen die Einfuhr von englischen -Fabrikwaaren sträuben, indem England, bei einem Getraide-Mangel sich -doch unbedingt nach Deutschland wenden muß. - -Englands Getraide-Noth (wie diese im vorigen Jahre sich zeigte), ist -lediglich der Vernachlässigung des Ackerbaues zuzuschreiben; es giebt -zu viel unkultivirtes Land in den vereinigten drei Königreichen. Hätte -die Regierung die Taxen vom kultivirten Lande vermindert und das -unkultivirte Land dagegen mit hohen Taxen belegt, so würde das Land, -auch bei einer schlechten Aerndte, nie in Verlegenheit kommen. Der -Mensch, welcher sein erworbenes Vermögen zu konserviren weiß, gehört -zu den Künstlern ersten Ranges. Von allen englischen Fabrikanten -gelangte keiner zur Meisterschaft in dieser Kunst; sie sind arm, weil -ihr Vermögen in Fabrik-Gebäuden und Maschinen steckt; diese aber haben, -da man jetzt dergleichen von der Seine bis zur Wolga in jedem Dörfchen -antrifft und in Bewegung sieht, nur ein Drittel des ursprünglichen -Werthes. - -Der Verfasser ist seit Kurzem von mehreren seiner Bekannten, unter -denen sich sogar ein Engländer befand, gefragt worden: „Wodurch wohl -ist Englands Reichthum sobald gesunken?“ Die Meisten hielten in der -That England stets für übermäßig reich, und dies hat, wenn man die -Sache genauer betrachtet, folgende Gründe. - -1.) Alle Mächte contrahiren enorme Anleihen bei dem Hause Rothschild -in London. Nun glaubte man die Engländer sind es, die diese viele -Millionen hergeben, allein sie sind größtentheils aus Rußland, -Deutschland und Holland dem Hause R. überwiesen worden. - -2.) Man erinnert sich der ungeheuern Summen, welche England in der -Napoleonischen Zeit den verbündeten Mächten als Subsidien gezahlt hat -und denkt: welches Volk in der Welt würde dies wohl leisten können? -Wollten die guten Leute doch nur erwägen, daß diese Subsidien-Gelder -nur ein sehr geringer Theil derjenigen Summen waren, welche von -Preußen, Oestreich und Rußland für Fabrikwaaren stets nach England -gingen. England konnte doch nicht immerfort nehmen wollen, weil ja -sonst Nichts übrig geblieben wäre. Jene Länder besaßen zu jener Zeit -gar keine Fabriken, erhielten vielmehr ihren ganzen Bedarf von England -und welchen Preis bezahlten sie dafür! 14-16 Thlr. für ein einziges -Stück von Baumwollen-Waaren, in welchem etwa fünf Pfund von der -Prima-Materie verbraucht worden waren. Von dem durch solche Preise -entstandenen enormen Gewinn zahlte England etwa 1/10 als Subsidien -zurück, damit die guten Deutschen wie Wahnsinnige auf die französischen -Kanonen losgehen möchten, um ja nicht an Fabrikation zu denken. Da -trat nun Napoleon den Engländern mit seinem Continental-System in den -Weg; er lenkte die Aufmerksamkeit der Deutschen auf Fabrikation. Man -fing an einzusehen, daß dies Geschäft keine Zauberei sei, daß es nur -der Geduld und Ausdauer mit Zuziehung guter Augen und tüchtiger Hände -bedürfe. Hierdurch wurde das englische Fabrikwesen verwundet; da indeß -diese Wunde anfangs den Engländern noch nicht fühlbar sein konnte, so -bekümmerte sich Niemand von allen Fabrikanten darum; sie erweiterten -ihre Geschäfte, statt dieselben vorsichtig einzuschränken. Jeder war -durch den in den letzten Jahren gehabten Profit wonnetrunken und in -der Ueberzeugung, bei einer um das Doppelte erweiterten Production den -doppelten Gewinn zu erzeugen, wurde der ganze Gewinn der letzten Jahre -und noch mehr zur Anschaffung größerer Gebäude und Maschinen verwendet. - -Für die Bauherren, welche, wie überall so auch hier, bei ihren -Anschlägen gewöhnlich irren, zeigten sich jetzt bald Verlegenheiten: es -fehlte an Geld, indem der Bau weit mehr kostete, als veranschlagt war. -Um diese Noth abzuhelfen, mußte Geld gemacht werden und wie geschah -dieses? Es wurden Banking-Compagnieen, Joint-Stock-Banks u. s. w. auf -Aktien errichtet. Jeder der Fabrik-Eigenthümer zeichnet auf eine Anzahl -dieser Aktien, jede derselben zu 100 L. St., auf welche er jedoch nur -5 L. St. baar erlegt, obgleich er an dem Gewinne von 100 L. St. Theil -hat; für die übrigen 95 L. St. verfertigen jene Surrogat-Banken ihre -eigene Bank-Noten, jede Note zu 5 L. St. Um aber jedem Geldempfänger -auf sein Verlangen mit Geld oder auch Noten von der Bank of England -begegnen können, war eine Hülfe von Seiten dieser Bank wichtig, ja -höchst nothwendig. Deshalb wurde also eine Convention zwischen den -beiderseitigen Banken abgeschlossen, daß alle von jenen Banken gerirten -Wechsel durch die Bank of England für das übliche Disconto von 3½ -Procent pro anno discontirt und sowohl Geld, als Noten dafür erlegt -werden sollten. - -Der momentane Nutzen, der durch diese Maßregel für die englischen -Fabrikanten entstand, war sehr groß und vielfältig; der Fabrikant -konnte sich bei Erweiterung seiner Fabriken nie in Geldverlegenheit -befinden. Er durfte sich auf Zeitverkäufe einlassen weil die Wechsel -die ihm bei diesen Verkäufen von den Käufern an Zahlungsstatt wurden, -sofort in den Banken, in welchen er als Aktionair interessirt war, -discontirt wurden, wodurch Er eigentlich der Gewinnende ward, weil die -Bank nur einen geringen Theil solcher Wechsel und zwar nur für 3½ -Procent pro Anno bei der Bank von England discontirte, wogegen die -Banken 5 Procent mehr und größtentheils mit ihren eigenen Bank-Noten, -welche zinsenfrei waren, ausbezahlten. Hierdurch ward für den -Fabrikanten als Aktionair eine Dividende von 12½-15 Procent jährlich -erreicht. - -Dies war Englands glänzendste Periode. Geschäfte wurden ins -Unendliche gemacht, da es nie an Geld fehlen konnte. Der Verfasser -kennt deutsche Häuser, die sich fünf dieser Banken bedienten. -Genug! wer einen ganzen Rock auf dem Leibe trug und die Wechsel zu -acceptiren verstand, der hatte bald ein Waarenlager. Es entstanden -Commissions-Geschäfte, weil nichts mehr dazu gehörte, als ein Local -(warehouse); alle fünf Schritte stieß man auf einen Commissionair. Zu -den Commissionairen und Bank-Gesellschaften gesellten sich auch bald -Dampfschifffahrts-Gesellschaften, aber wie es im menschlichen Leben oft -geschieht, daß Menschen durch häufiges Besuchen großer Gesellschaften -ihre physischen und moralischen Kräfte zerstören, so geschah es -jetzt mit dem englischen Waarenhandel nach Deutschland durch jene -Gesellschaften. - -Die Fabrikation nämlich nahm ungeheuer zu und dies führte den Handel -herbei, um welchen England so oft beneidet wird, aber eher bedauert zu -werden verdient -- +den Welthandel+. England war nun gezwungen, -sich um Plätze zu bekümmern, woselbst die übermäßigen Produkte der -Fabriken untergebracht werden könnten. Amerika und Indien schienen am -geeignetsten hierfür zu sein; allein wie sollte in jenen Welttheilen, -wo es noch mehr, wie in England, an Geld fehlt, ein der englischen -Fabrikation angemessener Absatz erreicht werden, wodurch die Engländer -einigermaßen auf baare Fonds sollten rechnen können? Das war eine -schwere Frage, die jedoch bald gelöst wurde. - -Es zeigten sich nämlich sehr bald in London drei Handlungshäuser -(mit dem Anfangsbuchstaben W..) zur Hülfe bereit für alle englische -Fabrikanten und amerikanische Handelslustige und Manufacturisten. -Diese drei Häuser rüsteten für eine Provision von fünf Procent (keine -Kleinigkeit!) einen Jeden mit Accreditiven an die Joint Stock-Banks -und Banking, Compagnieen aus, damit diese, die von den Amerikanern -auf jene Londoner Häuser gezogenen Wechsel, (welche die letztern zu -honoriren versprachen,) auszahlen möchten. Der Absatz wurde natürlicher -Weise höchst beträchtlich, allein dieser in England beförderte Absatz -bewirkte keinen Absatz in Amerika, wenigstens war derselbe nicht -zureichend für die angeschafften Vorräthe, und dieses um so weniger, -weil die englischen Fabrikanten jetzt neuerdings zur Erweiterung -ihrer Fabriken schritten. Die in England von den Amerikanern auf -Zeit gekaufte Waaren mußten mithin wiederum so geschwind als möglich -abgesetzt werden, allein für baares Geld abzusetzen, lag im Reiche der -Unmöglichkeit. Was thun? die Verlegenheit wurde in Amerika eben so -schnell, wie in England durch Einrichtung von Banken beseitigt; die -Zeitverkäufe konnten jetzt statt finden und die Geldverlegenheiten der -Importeurs waren hierdurch aufgehoben. - -Dem Präsidenten General Jakson schien bei seiner Einsicht in die -Bank-Geschäfte dies Treiben sehr gefährlich fürs Land; er sah klar, -daß das Land mit englischen Manufactur-Waaren bald überschwemmt -werden müßte, wenn diesem Uebel nicht gesteuert würde; er hemmte -das Discontiren aller dergleichen Wechsel in den Banken, welche -unter der Aufsicht seiner Regierung standen. Diese Maßregel erregte -die Aufmerksamkeit der Bank of England, die Direktoren warfen die -Blicke auf ihre Schubladen, in welchen die von den verschiedenen -Banken discontirte Wechsel lagen und, o weh! darunter befanden sich -so viele von den mit W. bezeichneten drei Häusern, daß die Nachwehen -unausbleiblich schienen. Die Bank of England ergriff jetzt ernsthafte -und ähnliche Maßregeln, wie die des amerikanischen Präsidenten und -dreimal o Weh! Jene Häuser und eine sehr bedeutende Bank in Leeds, -nämlich die Northern-central Bank wurde (um das Fallen der Actionaire -zu verhindern) von der Bank of England gestützt und hörte von dieser -Zeit an auf, Bank zu sein. - -Um dem Leser ein anschauliches Bild von diesen englischen -Bank-Geschäften zu geben, will ich das Beispiel von einem Tagelöhner -in Leeds anführen, welches ich selbst erlebt habe. Der Verfasser wurde -nämlich eines Tages von diesem Tagelöhner ersucht, ihn, da er sich -als Kaufmann etabliren wolle, mit einem Vorschuß von 10 L. St. zur -Anschaffung der erforderlichen Handels-Utensilien und einen kleinen -Unterricht im Waarenfache zu unterstützen. Dieser Mann erhob sich sehr -bald als Kaufmann, und stand auch eben so bald in der Londoner Gazette -als Fallit mit einer sehr bedeutenden Summe von vielen 1000 L. St. -Er hatte vermittelst Hülfe der Banken Theil am englischen Welthandel -genommen und man fand unter den in der Northern-central Bank unbezahlt -gebliebenen Wechseln auch mehrere der seinigen im Belaufe von einigen -Tausend L. St. Er war Grund-+Nicht+eigenthümer geworden, um -Actionair des letztgenannten Bank-Instituts werden zu können. Dies ist -ein sprechendes Bild des gepriesenen englischen Welthandels! - -Englands Banken hatten auch einen bedeutenden Einfluß auf den deutschen -Wollmarkt -- ein Gegenstand der genau genommen zwar nicht hierher -gehört, der jedoch zu interessant ist, um ihm nicht en passant einige -Aufmerksamkeit zu schenken. Die Wollproduction in Deutschland, behaupte -ich, mußte durch Englands viele Banken zunehmen, aber eine förmliche -Umwälzung ist auch hierin unausbleiblich. Die Sache nämlich verhält -sich also: Spekulationen jeder Art, wurden durch den Beistand jener -Banken unternommen. Dieser Beistand bestand darin, daß die Spekulanten -mit Accreditiven auf London versehen wurden, von dort mit solchen auf -Hamburg und von da endlich mit denselben Mitteln auf Berlin, Breslau, -Stettin u. s. w. als Woll-Einkäufer ausgerüstet wurden. Kein Wunder -daher, daß es deren jetzt in Hülle und Fülle gab, und daß es auf allen -Märkten davon wimmelte. Jeder derselben wollte, oder mußte kaufen; -die Preise erreichten hierdurch eine enorme Höhe ohne eigentliche -Ursache, d. h. ohne daß ein wirklicher Bedarf in dem Maße, wie Viele -und besonders die Produzenten glaubten, vorhanden gewesen wäre. Die -niederländischen Fabrikanten fürchteten, die besseren Sorten von den -Engländern aufgekauft zu sehen, und griffen also rasch zu; was blieb -denn da den Engländern anders übrig, als auch rasch zuzugreifen? Die -Produzenten griffen nun auch zu -- den vollen Champagnerflaschen; -lachten sich dabei ins Fäustchen, ließen beim Champagner die Einkäufer -hoch leben und versicherten diesen, (ungeachtet sie ihre Wollen wie -Seide bezahlt bekamen) daß sie bald zu Grunde gehen müßten, wenn die -Preise sich nicht höher stellen würden. Die englischen Einkäufer hatten -mithin jetzt deutsche Wollen mit deutschem Gelde gekauft, und brauchten -sich bei dem Verkauf in England nicht zu übereilen; hatten sie doch -durch die verschiedenartige Trassirungen Zeit genug und außerdem auch -in den Banken ein Schutzmittel gegen Verlegenheiten. - -In Folge dieses großartigen Wollhandels in England bildete sich jetzt -auch ein solcher in Deutschland. Leute ohne Kenntnisse und aus allen -Klassen wurden Wollhändler, und das Resultat war, daß es zuletzt an -diesem Product fehlte, ohne daß ein Bedarf in gleichem Maße dafür -existirte -- für die Produzenten ein steigender Vortheil. - -Daß ein Mißtrauen gegen die englischen Banken eine große Veränderung -im Woll-Geschäft herbeiführen müßte, war vorauszusehen. (Der Verfasser -machte sogar einen unserer ersten Wollhändler bei einem Zusammentreffen -in Hamburg hierauf aufmerksam.) Durch jenes Mißtrauen mußten die -Accreditive auf London und somtit auch die Anzahl der Einkäufer -abnehmen; man kauft jetzt nur noch rohes Material, wenn es für -Fabriken gebraucht wird, und englische Spekulanten sind deshalb in -Deutschland im verjüngten Maßstabe anzutreffen; sie schreiben indeß zur -Beruhigung der deutschen Wollhändler: +the money-market is bad+ -(der Geldmarkt ist schlecht) besser übersetzt: auf allen Märkten ist -kein Vertrauen zu kaufen. Bald wird es eintreten und wir werden wieder -spekuliren können. Sollte indeß auch der Spekulations-Geist, (wie es -von Vielen erwartet wird,) durch ein zurückkehrendes Vertrauen wieder -Raum gewinnen, so dürften doch die Wollpreise nicht zu ihrer vormaligen -Höhe zurückkehren, weil die Production, wie es scheint, bei Weitem die -Consumtion übersteigt. Obgleich über die erstere keine zuverlässige -statistische Uebersicht existirt, so glaubt der Verfasser dennoch, -daß dieselbe in den gesammten Vereinigten Staaten, van Diemens Land, -Australien und Europa auf drei Pfund für jeden Kopf anzuschlagen ist, -welches Quantum zu groß wäre, um in Einem Jahre verbraucht zu werden. -Wirft man einen Blick auf die nachgebliebenen Bestände des rohen -Materials und auf die Vorräthe der daraus verfertigten Stoffe mit der -Berücksichtigung, daß die neuen Wollmärkte nicht fern mehr sind, so -wird man eine Umwälzung in diesem Geschäft nicht für unwahrscheinlich -halten. Dies, wie bemerkt en passant und nun zur Hauptsache zurück! - -Durch jene Maßregeln der Bank of England mußte nun im Waarenverkaufe -(denn Absatz kann man denselben nicht nennen, da noch Alles ungebraucht -da lag) eine Stockung entstehen. Nichts desto weniger wurden in den, -für den Welthandel eingerichteten Fabriken täglich Massen fertig -- -was auf die Preise so nachtheilig wirkte, daß sie in Kurzem eine -Veränderung von 25-30 Procent erlitten; mit diesem Verlust hat der -Verfasser selbst bedeutende Parthieen verkauft. Den englischen -Fabrikanten kam diese Stockung unerwartet; sie waren nunmehr gezwungen, -andere Märkte für ihre Erzeugnisse zu suchen, denn fort mußten sie, da -mit jedem Tage neue fertig wurden. Wohin damit? Nach den westindischen -Colonieen, nach Havana, nach St. Thomas, Vera-Cruz etc. In allen -Fabrikstädten Englands wimmelte es damals von Reisenden der dortigen -erprobten Commissionaire; diese sind bereit, den Fabrikanten die -Hälfte des Werths auf die in Commission ihnen zuzuschickenden Waaren -vorzuschießen, und beauftragen ihre Freunde in London, hierin, so lange -es den Fabrikanten belieben sollte, gegen Empfang der Connecemente -fortzufahren. Die Fabrikanten gingen darauf ein, weil sie sich von -ihren Waaren befreien mußten; wie es den Einsendern bekommen sein kann, -läßt sich nach meinem Handelsbericht aus Havana folgern. - -Auf solche Weise erfreute sich England des sogenannten Welthandels --- eines ruinirenden Handels, der durch die vielen Banken, die -Krebsschäden der englischen Fabrikwelt, entstand. Daß unter diesen -Umständen die Amerikanische Waarenhändler nicht auf Geld-Unterstützung -von Seiten Englands rechnen dürfen, möchte aus dem Vorhergehenden -so ziemlich einleuchten; noch deutlicher aber zeigt sich dies durch -folgenden Umstand. - -In Englands Interesse liegt es allerdings, den Amerikanischen -Manufactur-Waaren-Handel nicht allein zu erhalten, nein! sogar -auszudehnen, weil hierdurch Englands Grundeigenthum an Werth gewinnt, -und durch letzteren wird überhaupt der Reichthum eines Landes -bestimmt. Daß Englands Grundeigenthum hauptsächlich in seinen zum -Theil unbeschäftigten Fabriken, und Maschinerieen besteht, hat sich -in diesem letzten Jahre mehr als je gezeigt. Durch den Abfluß der -coursirenden Münzen für die früher angeführten aus Deutschland, Rußland -u. s. w. importirte Waaren, wozu noch, wegen der Mißärndte und des -Getraidemangels in England das aus Deutschland einzuführende Getraide -kam, hierdurch also wurde der fünfte Theil der englischen Baarschaft, -(welche nach statistischen Berichten im Jahre 1824 sich auf etwa 24 -Millionen L. St. belief,[H]) den vereinigten Königreichen entzogen. -Da nun die englische Bank für ihre übermäßige Anzahl von Noten keine -andere Hypothek als die coursirende Münze darbieten kann, so wurden -hierdurch die Grundsäulen der englischen Bank dermaßen erschüttert, daß -sie zu einer Anleihe in Frankreich ihre Zuflucht nehmen mußte. - -England muß mithin durchaus den Wahn aufgeben, daß der Reichthum nur -aus den Fabriken hervorwachse, sonst dürfte vielleicht noch die Zeit -kommen, daß sich englische Fabrikanten zum Eintausch von Getraide mit -ihren Erzeugnissen auf den deutschen Kornmärkten zeigen müssen. - -Doch ich kehre von dieser Digression nach New-York, nach Wallstreet, -dem Sitze der weisen Geschäfts-Welt Amerika’s, dem großen Congreß -aller Bank-, Eisenbahn- und Canal-Gesellschaften zurück. Indem ich in -meinem Reise- und Notizen-Buche, aus welchem vorliegende Schilderungen -entstanden sind, blättere, finde ich eine Stelle aus der Johanna -von Montfaucon: „Es muß blitzen, es wird blitzen, es blitzt“. Ich -drückte hierdurch aufs kürzeste meine Ansicht von dem Zustande der -Geschäftswelt aus, als ich nach meiner Ankunft aus Europa mich in -Pearl-Ceder-street etc. um die Waarengeschäfte bekümmert hatte, gerade -zu einer Zeit, wo die ganze Geschäftswelt in New-York wonnetrunken mit -Aufträge-Ertheilungen nach Europa und mit dem Abfertigen von Agenten -dorthin zum Einkauf für das Frühjahr beschäftigt war. „Es muß blitzen, -bevor zwei Jahre verstreichen,“ sagte ich zu mehreren meiner Bekannten, -und wenn Ihr in Euren Unternehmungen auf diese Weise fortfahrt, so habt -Ihr jedes Jahr ein schweres Ungewitter zu bekämpfen. - -Wovon ich in jener Zeit voraussagte, daß es kommen würde, das ist -früher gekommen, als ich es erwartete. Philadelphia’s Banken sind nicht -mehr, bald dürften die von Baltimore und andern Städten nachfolgen; -aller Augen sind jetzt auf die von New-Orleans und New-York gerichtet. -Jeder wünscht das Fortbestehen derselben, allein zu untersuchen wäre -es doch, ob dasselbe in der Zukunft wohlthätig oder schädlich wirken -wird und der Verfasser behält sich vor, später darauf zurückzukommen. -Derselbe glaubt, daß die Einstellung der Baarzahlungen zu einer -und derselben Zeit von allen amerikanischen Banken im Ganzen, eher -vortheilhaft als nachtheilig für das dortige Waarengeschäft sein -müßte. Freilich würden hierdurch momentan auch die Europäischen -Fabriken leiden, allein sie würden sich nachher aus ihrem kranken -Zustande erheben und geheilt werden. Kaufmännische Geschäfte können -nicht durch Kunst erweitert werden, jedes solche Mittel wird unter -hundert vorkommenden Fällen vielleicht Einmal glücken. Da das Uebel -in den beiderseitigen Geschäften durch die vielen Banken, wie bereits -gezeigt, verursacht worden ist, so wird die Heilung desselben nur -durch Ausrotten mehrerer Banken möglich sein, wozu jedoch Zeit und -vernünftige Maßregeln von Seiten der Regierung nöthig sind. Papiergeld -muß als ein zur Bequemlichkeit dienliches Mittel, aber nicht als das -für Geschäfte wahrhaft Fruchttragende angesehen werden; es kann nur in -so fern wirksam für Handel und Gewerbe sein, als eine hypothekarische -Sicherheit dafür vorhanden ist. - -Schon vor meiner Abreise nach Havana, bei meinem ersten Aufenthalt in -New-York, warnte ich manchen jungen Deutschen; sagte ich doch zu dem -Einen und Andern: lassen Sie sich nicht tief in die hiesigen Geschäfte -ein, wenn Ihnen Ihr oder Ihres Vaters Vermögen lieb ist. Man lachte -wegen meiner Furcht, man versicherte mir, Amerika sei das Land, in -welchem es nichts als gediegene unternehmende Kaufleute gebe, welche -rascher 12 Colly’s Waaren kaufen, als der deutsche Kaufmann eben so -viele Stücke. Alle jene jungen Kaufleute, die freilich noch nicht lange -aus der Schule entlassen waren, träumten von Glück, in einem Lande mit -einer Bevölkerung von 13 Millionen, mit schmutzigem Papiergelde, ohne -irgend eine Sicherheit zu haben, d. h. sie glaubten hier reich werden -zu können, während sie es für unmöglich hielten in ihrem Vaterlande -mit einer mehr als doppelten und zugleich reichen Bevölkerung Brod zu -erwerben. Allein diese Leutchen sangen jetzt ein anderes Lied, als ich -von Havana zurückkehrte und Mancher fragte mich: „Wie haben Sie das vor -Ihrer Abreise wissen können?“ Die Antwort war: weil die erste Ihrer -Banken mir für ihre eigene Bank-Noten nicht 200 Piaster in Gold, wie -ich es forderte, geben konnte. - -Indeß, meine damals niedergeschriebenen Notizen sind jetzt in so fern -überflüssig, als jetzt bereits das geschehen ist, wovon ich damals -erwartete, daß es kommen würde; es ist schneller geschehen, als ich -es erwartete. Meine Warnungen, welche ich an die kaufmännische Welt -richten wollte, sind jetzt überflüssig, da dieselbe durch die neuern -Ereignisse selbst hinreichend gewarnt ist. Dies soll mich jedoch -nicht hindern, Mehreres von diesen Notizen mitzutheilen, was bei der -gegenwärtigen Lage zu wissen nicht unnütz sich beweisen wird. Zunächst -Einiges über die Handelsbilanz der V. S., worüber die Meisten so sehr -im Irrthum sind. Sie glauben, daß der Werth des Exports weit über dem -des Imports steht, allein das verhält sich auf entgegengesetzte Weise; -ich werde zum Beweise eine Tabelle von den Imports und Exports, so wie -von den zur Consumtion versteuerten Gütern in den Jahren 1829 bis 1839 -anfügen, woraus der Leser das für ihn Nützliche ziehen mag. Wenn selbst -der Export den Import im Werthe bei Weitem überstiege, so würde dies -keineswegs für die Solidität Bürgschaft gewähren, indem beide hierbei -wirkende Theile in ganz verschiedenen Verhältnissen sich befinden; -denn der Exporteur ist der Produzent, welcher für seine produzirte und -jetzt exportirte Güter den Betrag in Comptanten empfängt, die er seiner -Geldkiste in Sicherheit bringt, und nur vielleicht einen sehr geringen -Theil davon für Waaren, die importirt werden, verwendet; wogegen der -Importeur für den Belauf des Imports aus andern Mitteln Sorge zu tragen -hat. Folgendes ist die Liste hierüber, die nach den Washingtoner -Berichten (return) abgefaßt ist. - -Da es aber auch nicht ohne Interesse sein kann, zu wissen, aus und nach -welchen Ländern bestimmte Quanta importirt und exportirt worden sind, -so hat der Verfasser die Tabelle Nro. 2. beigefügt, welche über die In- -und Ausfuhr in den Jahren 1837 und 1838 Rechenschaft giebt. - -Nro. 1. - - Import Piaster Export Consumtion - 1829 74,492,527 62,258,671 57,834,649 - 1830 70,876,920 73,849,508 58,499,441 - 1831 163,191,133 81,310,533 83,157,593 - 1832 101,029,266 87,176,943 76,989,793 - 1833 108,118,311 90,130,433 88,295,576 - 1834 126,521,332 104,336,973 102,708,521 - 1835 149,896,742 121,603,077 129,391,247 - 1836 189,980,035 128,663,540 168,233,675 - 1837 140,989,217 117,419,376 119,134,255 - 1838 113,717,404 104,486,616 101,264,609 - 1839 170,600,000 96,351,450 140,000,000 - ------------ ------------ ------------ - 1207,772,888 1037,587,120 1123,561,359 - 1037,587,120 - ------------ - -Mehr importirt als exportirt für[I] 170,185,768 Piaster. - -Wenn mithin, gemäß dieser Liste, die - - Einfuhr Piaster 1,207,772,288 - betragen hat, wovon jedoch nur für 1,123,561,359 - -------------- - -versteuert wurden, so sind die Waaren nur - - für die Summe von Piaster 84,211,529 - -entweder noch im Depot, oder sie sind aus den Depots zollfrei -plombirt ausgegangen und verschifft worden. Jetzt entsteht die -Frage, aus welcher Quelle die 1207 Millionen Piaster zur Baarzahlung -für den Import geschöpft werden? Denn der Baumwolle-, Reis- und -Tabacks-Produzent consumirt doch nur etwa den zehnten Theil der -importirten Waaren und schließt die übrigen 9/10, der erhaltenen -Baarzahlung in seiner Kiste ein. Sind folglich die Amerikaner jene -Summe noch in diesem Augenblick den Europäern schuldig? Den größten -Theil derselben allerdings! erwiedert hierauf der Verfasser; es ist -ihnen jedoch Deckung dafür geworden; indem sie Eisenbahn-, Canal- -und andere Actien erhielten. Die Amerikaner haben mithin für den -Ertrag der Erzeugnisse ihres Bodens im Laufe aller 11 Jahre nichts -als Luxus-Artikel erhalten, welche zum Theil consumirt worden -sind, zum Theil aber auch noch bei den Jobbers in Pearl, Ceder- -und Chatham-Street in ihren Gewölben als veraltet und Ladenhüter -aufgestapelt liegen. Wollte man, wie ich bereits oben (P. 32.) bemerkt -habe, das Arbeitslohn darauf in Abrechnung bringen, so würde sich -dennoch ein bedeutender Verlust zeigen. - -So steht’s mithin mit der überall gepriesenen Handels-Bilanz der V. S.! -welchen Werth kann man auf Grund und Boden, selbst auf alle Gebäude in -den V. S. mit Sicherheit legen, wenn jener hauptsächlich zur Erzeugung -von Baumwolle; diese aber zum Verkauf der mit schwerem Arbeitslohn -belasteten daraus verfertigten Stoffe verwendet wird? Wodurch, wenn das -Jahr verstrichen ist, sich kein anderes Resultat ergiebt, als daß die -englischen Fabrikanten durch den ergiebigen Boden Amerika’s und durch -den eisernen Fleiß seiner Bewohner erhalten worden sind. Und womit -wollen diese wohl zuletzt die Imports bezahlen, wenn denselben nicht -Einhalt gethan wird? denn wenn die Preise der Baumwolle sinken, wie es -den Anschein hat, was könnte dann wohl den Amerikanern anders zu thun -übrig bleiben, (da schon jetzt bei den hohen Preisen der Belauf des -Exports nicht mehr hinreicht zur Deckung des Imports,) als Wall-Street -nebst allem Zubehör, wenn es möglich wäre, nach Europa zu befördern. -Das wäre denn gar nicht so übel, für die Broakers in jener Straße, denn -sie könnten mit den vielen für Manufactur-Waaren in London deponirten -Aktien daselbst ihr Wesen treiben, wie sie es in New-York zu treiben -gewohnt sind. - -Nro. 2. - -Tabelle vom Betrage der in dem Jahre 1837 importirten und exportirten -Waaren mit dem Verzeichnisse der verschiedenen Länder. - -1837. - - +Namen der Länder.+ +Import.+ +Export.+ - - England 44,886,943 54,582,943 - Rußland 2,816,166 1,306,732 - Schweden 1,399,901 420,404 - Niederlande 1,886,976 3,358,225 - Engl. Ostindien 3,041,842 203,558 - Nord-Amerikan. Colonieen 2,359,263 3,298,986 - Deutschland 5,642,221 3,754,949 - Frankreich 22,083,614 16,890,578 - Cuba 12,447,922 6,367,603 - Porto-Rico 2,481,082 569,916 - Italien 1,827,181 623,677 - Triest 629,465 1,611,591 - Mexico 5,654,002 3,880,323 - Brasilien 4,001,983 1,743,209 - China 8,965,336 630,591 - Aus verschiedenen Ländern 19,871,319 16,384,168 - ----------- ----------- - 140,989,217 117,419,376 - -Tabelle vom Betrage der in dem Jahre 1838 importirten und exportirten -Waaren mit dem Verzeichnisse der verschiedenen Länder. - - -1838. - - +Namen der Länder.+ +Import.+ +Export.+ - - England 44,861,718 52,179,590 - Rußland 1,898,396 84,944 - Schweden 854,771 277,431 - Niederlande 1,180,897 2,954,248 - Engl. Ostindien 675,581 578,907 - Nord-Amerikan. Colonieen 1,555,570 2,723,491 - Deutschland 2,847,358 3,291,645 - Frankreich 17,771,797 15,783,516 - Cuba 11,694,812 6,175,758 - Porto-Rico 2,636,152 723,052 - Italien 944,238 459,893 - Triest 372,378 768,963 - Mexico 3,500,769 2,164,097 - Brasilien 3,191,238 2,057,194 - China 4,764,536 1,516,692 - Aus verschiedenen Ländern 14,007,205 22,747,285 - ----------- ----------- - 113,717,406 108,496,615 - -Die Amerikaner müssen Baumwolle erzeugen, die Engländer müssen -dieselbe spinnen; beide Nationen gehören und passen daher zu -einander, aber dabei ist das Interesse beider zu beobachten. -Betrachten wir die herrlichen Mittel, welche die Natur den Amerikanern -zur Selbstständigkeit reichte; werfen wir einen Blick auf den -vortrefflichen Boden, wodurch alle menschlichen Bedürfnisse direct oder -indirect befriedigt werden können. Ein Land, geeignet zum Acker-, Wein- -und Seiden-Bau; ein Land, welches alle zur Fabrikation erforderlichen -Mittel im Ueberfluß hat, in dessen südlichen Provinzen Kaffee und -Zucker etc. wächst, welches bei Nachsuchung in den Bergen edle Metalle -liefern würde; ein Land, von dem man mit Recht sagen kann, daß darin -Milch und Honig fleußt, ein solches Land ist unglücklich, weil es nicht -mit der erforderlichen Umsicht administrirt wird. Wäre der edle große -Washington zugleich mit dem Geiste eines Peters des Großen begabt -gewesen: so wäre Amerika jetzt das erste und glücklichste Land auf dem -Erdball; es würde sich vielleicht einer Anzahl von Ausländern, die wir -Europäer nicht bedauern verloren zu haben, weniger erfreuen; allein -es würde statt dieser solche besitzen, wie diejenigen waren, welche -jener russische Monarch für sich zu gewinnen wußte, welche zum Heil der -russischen Nation gewirkt haben. - -Jedes Regenten erstes Bestreben muß auf Vertrauen gerichtet sein. -Volk und Regent fühlen sich nur glücklich, wenn sie mit Vertrauen auf -einander hinblicken, und gerade Vertrauen ist es, was der Regierung -der V. S. abgeht und bei der jetzigen Regierungsweise auch nicht -statt finden kann; denn die ungeheuern Revenüen werden vergeudet -(eines gelinderen Ausdrucks kann man sich nicht bedienen). Man kann -keinen andern Grund für den großen Geldaufwand angeben als den: -die amerikanische Regierung will die Aufmerksamkeit der ganzen Welt -auf sich ziehen; es soll gesagt werden: Nur die amerikanische Union -besitzt, gleich den Römern die Mittel, das Unmögliche möglich zu -machen, und zwar, weil sie Republik ist. Man werfe einen Blick auf -die Revenüen der V. S., die wir nachstehender Tabelle übersichtlich -dem Leser vorlegen, wobei wir die Einnahme für den Landverkauf, des -besonderen Interesses wegen, abgesondert anführen: - - Jahr. Revenüen für Landverkauf. Gesammte Revenüen. - Piaster. Piaster. - - 1829 1,517,175 24,199,140 - 1830 2,529,356 26,251,747 - 1831 3,210,815 28,435,256 - 1832 2,624,231 32,639,468 - 1833 3,059,682 33,092,190 - 1834 488,620 16,703,566 - 1835 18,751,600 98,142,710 - 1836 24,500,000 47,909,940 - 1837 6,776,236 23,499,981 - 1838 3,136,828 38,127,954 - 1839 5,000,000 28,780,000 - --------------------- - Summa 397,781,952 P. - -Wozu nun, dürfte mancher Leser fragen, wurden diese drei hundert und -sechs und funfzig Millionen Piaster verwendet? Das Verfahren hierbei -ist folgendes: Beim Zusammentreten des Kongresses in Washington -(welches, nebenbei gesagt, ziemlich überflüssig ist, indem jeder Staat -seinen eigenen Präsidenten hat, welcher nach den Landesgesetzen den -Staat regiert; auch ist es wohl wahrscheinlich, daß in dem Verlauf von -einem Jahrzehend mehrere Staaten von der Union sich lossagen), also -beim Zusammentreten des Kongresses befinden sich die oben angegebenen -jährlichen Revenüen in Washington und die Hauptgeschäfte desselben -bestehen jetzt darin, zu bestimmen, wozu sie verwendet werden sollen. -Es wird nächstdem auf das Bedächtigste in Erwägung gezogen, welche -Papiermühlen, bei einer etwa eintretenden Geldnoth, zur Abhülfe -derselben gewählt werden sollen. Nach einer anhaltenden und langen -Ueberlegung beschließt der Kongreß, den größeren Theil der Revenüen -zum Bau von Eisenbahnen zu verwenden. Die Wege von New-Orleans nach -New-York werden hierbei ausgeschlossen, um dem Mississippi nicht den -schuldigen Tribut von Menschenleben zu entziehen. Am wichtigsten -scheinen demselben die Wege, auf welchen zur Erbauung von Banken in -New-York die erforderlichen Granitblöcke herbeigeschafft werden können. -Höchst komisch! Banken und zu welchem Endzweck? Um den in denselben -arbeitenden Commis einen angenehmen Aufenthalt zu verschaffen. Da viele -unter den Lesern sein werden, welche die amerikanischen Banken für -das halten, was sie sein sollen und für ganz ähnlich den europäischen -Banken, so behält sich der Verf. vor, am Ende dieser Abtheilung -hierauf zurückzukommen. -- Nachdem nun dieser Beschluß, welcher -die Herbeischaffung der Granitblöcke zum Gegenstand hat, glücklich -zu Stande gekommen ist, schreitet man zu einem noch weit wichtiger -scheinenden, nämlich ein Zollhaus zu bauen.[J] Es wird dekretirt, daß -ein Klumpen Goldes nach Italien geschickt werden soll, um Marmor zu -diesem Zwecke einkaufen zu lassen, welcher denn auch mit vielen Kosten -in fertigen Säulen, Platten u. s. w. herbeigeschafft wird. Und welchen -Ort hat man für dies Prachtgebäude gewählt? Eine Ecke von Wall-Street -und einer anderen Straße, zu vergleichen mit der Ecke der Königs- und -Spandauer-Straße in Berlin. Der Leser würde sich indeß sehr irren, wenn -er dieses Zollgebäude als wirkliches Zollhaus ansähe. Keinesweges! -Dieses herrliche Gebäude, welches etwa eine Viertel-Stunde Weges von -den Bollwerken, dem Abladungs-Platze der Schiffe, entfernt liegt, soll -blos zum angenehmen Aufenthalt der Officianten dienen, und die Collys -sollen nach wie vor in die gemietheten public-stores kommen. Fragt man, -warum nicht zugleich ein großer Packhof an der Wasserseite erbaut und -mit jenem Prachtgebäude verbunden wird, so erhält man die Antwort: die -Eigenthümer des Grundes von der Wasserseite seien zu theuer damit, als -daß die Regierung darauf eingehen könnte. Ueber die Unbequemlichkeit, -welche hieraus für die Güter-Empfänger entsteht, habe ich bereits oben -gesprochen. - -Der Kongreß zu Washington ist mithin in voller Arbeit, die Revenüen -unterzubringen und vergißt hierbei die Hauptsache, nämlich für die -Erhaltung des öffentlichen Kredits Sorge zu tragen; Eisenbahnen, Kanäle -und Banken sind an der Tagesordnung. Sie halten es für überflüssig, -an die Erhaltung des Kredits zu denken, weil sie keinen haben; sie -begreifen nicht, wie die Revenüen besser zu placiren wären, als in -Eisenbahnen und italiänische Waaren. -- Warum, möchte der Verfasser -diesen Kongreßmännern zurufen, warum verschleudert ihr euer Geld -zu diesen nichtigen Dingen? verwendet eure Einkünfte zu nützlichen -Zwecken, zu Prämien für einwandernde Fabrikanten, Bergwerker und -Oekonomen; verschafft euern Banknoten hypothekarische Sicherheit, -welche nur bei einer vernünftigen Administration gefunden werden -kann. Laßt Euch, amerikanische Herren, Katherinens, der Kaiserin von -Rußland Verfahren bei Einführung der ersten Banknoten (Bomaschkis) als -Beispiel dienen; sie ließ zur Sicherheit der Inhaber solcher Papiere -Fünf-Kopeken-Stücke aus Kupfer und Rubel von 2½ Pfund Gewicht -ausprägen. Oder werft eure Blicke auf die Hamburger Bank. Bürget doch -hier der Keller-Inhalt (die Baarschaft) für die Zahlfähigkeit; sieht -man doch in Hamburg, obgleich die Geschäfte in dieser Stadt noch -bedeutender, wie die in New-York sind, weder Geld, noch Banknoten; es -genügt hier die Versicherung des Bank-Direktors, Paul habe an Peter -dessen Forderung von seinen in den Kellern vorräthigen nobeln Metallen -überwiesen. Laßt Euch Englands Bank hierbei zur Warnung dienen, welche -in der letzten Zeit dadurch in Verlegenheit kam, daß sie nicht die -hinlängliche Quantität Geld im Keller hatte, um den Banknoten damit -entgegenkommen zu können. - -Da indeß Niemand die Herren des Kongresses hierauf aufmerksam macht -und sie selbst ihren Blick nicht so weit erheben, so geht Alles -im alten Schlendrian fort; die Revenüen werden vergeudet, die -Geldverlegenheiten währen fort und werden so lange fortwähren, bis von -Seiten aller Banken zur Einstellung der Baarzahlungen geschritten wird. -Eine homöopathische Kur muß mit der Banknoten-Krankheit vorgenommen -werden: sie ist durch den Ueberfluß von Banknoten entstanden und -muß durch einen noch größeren Ueberfluß geheilt werden. Alle Münzen -müssen erst in den V. S. zu den höchsten Seltenheiten gehören, man -muß für ein Fünf-Piaster-Stück fünf Stücke englischer Waaren kaufen -können, wenn Amerika geheilt, d. h. wenn der übermäßigen Einfuhr -jenes Artikels Schranken gesetzt und die Handels-Bilanz für den -ausländischen erfahrenen Kaufmann beachtenswerth werden soll, denn -die jetzige beweist, daß wenigstens innerhalb jeder 2 Jahre immer -eine Handelskrisis eintreten muß, und befindet sie sich doch, wie -die vorhergehende Tabelle zeigt, im krampfhaftesten Zustande. Lasse -man doch die Jobbers und die Manufaktur-Waaren-Schwindler ihr Wesen -treiben, nur benehme man ihnen die Mittel, wodurch sie das Land in -noch größere Gefahr bringen. So wie man den unerfahrenen kleinen -Kindern keine verwundende Instrumente in die Hand giebt, so müssen -die am Waaren-Fieber Leidenden vor dem Besitz nobler Metalle bewahrt -werden. Man lasse sie für ihre Banknoten, wenn sie nämlich welche -haben, Amerikanische Erzeugnisse, wie Reis, Baumwolle, Taback, -Pelzwaaren u. s. w. kaufen, nach Europa befördern und für den Ertrag -Manufaktur-Waaren kommittiren, nur sorge man dafür, daß nicht noch -mehr Metall aus den V. S. als Rimessen und zwar blos für Manufakturen -wandert, indem die V. S. das Vierfache des von England für ihre -Baumwolle erhaltenen Preises zurückbezahlen. - -Die V. S. haben nicht solche Massen nobler Metalle, um das Arbeitslohn -für ihre Baumwolle in England mit Gold aufzuwiegen, und dieses gerade -ist’s, was den Hauptwerth der englischen Fabrikwaaren ausmacht. Man -bemerke die Lebensweise der Arbeiter in den englischen Fabrikörtern, -man sehe, wie sie 6, 8 und mehrere Stunden ununterbrochen in den -Schenken zechen, und zwar von solchen Getränken zechen, wovon ⅞ des -dafür bezahlten Geldwerthes zur Bezahlung der Zinsen der 850 Millionen -L. St. National-Schuld verwendet wird; erwägt man diese Umstände, so -wird man sehr bald zur Ueberzeugung kommen, daß die größere Hälfte -jener Zinsen durch Hülfe der Manufaktur-Waaren-Arbeiter herbei -geschafft wird. - -Rußland scheint anders zu denken, als die V. S., und das Fabriziren -zu Hause vor Allem als nöthig erachtet zu haben; deshalb die vielen -Fabriken, welche unbedingt zur Erhaltung der Gold- und Silber-Erträge -aus den Bergwerken am Caucasus, Nertschinsky und Ecatherinenburg -erforderlich sind; denn daß die letzteren nicht zugelangt haben würden, -um das Lohn für die Arbeiten an in Rußland einzuführenden Waaren zu -bezahlen, leidet keinen Zweifel. Nicht minder wohl als Rußland befindet -sich Deutschland beim Kontinental-System (Zollverband genannt), welches -Preußen, wie oben (p. 17.) bemerkt, ohne gleich Napoleons Kanonen -anzuwenden, mit Dinte, Feder und Papier, zur Freude Deutschlands, in -kürzerer Zeit als möglich schien, zu Stande gebracht hat. Durch diese -Maßregeln haben das Russische und Preußische Gouvernement ihr Gold -und Silber dem Lande erhalten und für die coursirenden Papiergelder -ein allgemeines Zutrauen herbeigeführt. Man richte in dieser Hinsicht -nur einen Blick auf Preußen! Sind doch seine Kassen-Anweisungen im -Lande selbst nicht anders als mit einem Agio zu haben; während dem der -Werth des Goldes mit jedem Jahre in Deutschland sinkt, werden seine -Kassen-Anweisungen in jedem Lande für den vollen Werth genommen. - -Wenn die Regierung der V. S. diese letzten Thatsachen aufmerksam -beachten und die Frage an sich selbst richten wollte, warum man in -unserer Zeit auf das Papiergeld eines so herrlichen Landes wie Amerika -weniger Werth setzt, als vor 300 Jahren auf die Pelzflicke des Czaars -Wassiliewwitsch: so würde jene Regierung diese Frage sich eben so -beantworten müssen, als jeder Leser nach dem Vorhergehenden sie mit dem -Verfasser beantwortet: daß man nämlich zu einer Regierung, welche, ohne -die Ausgaben für Militair-Macht und Civilliste, sich einer jährlichen -Revenüe von 60-80, ja 100 Millionen Piaster erfreut und dabei in steter -Geldverlegenheit ist, kein Vertrauen haben kann. - -Für beide Reiche, Amerika und England, wäre in dieser Hinsicht die -Anwendung der homöopathischen Heilmethode zu empfehlen. Das erstere -Land müßte sich zum Fabrik-Staat erheben, das letztere um mehrere Grade -in der Fabrikations-Skala heruntergehen. Für jenes würde alsdann eine -neue Sonne aufgehen und die Strahlen derselben dem letzteren minder -hell leuchten, aber dennoch fruchtbarer sich für dasselbe erweisen, -und was läge den Engländern hieran? da sie ja ohnehin wegen der vielen -Nebel sich an ein wenig Dunkelheit gewöhnt haben. - -So unausbleiblich es mir scheint, daß Amerika einst als mächtiger -Fabrik-Staat in der Welt glänzt, eben so wahrscheinlich ist es, daß die -Zinsenbezahlung von Seiten Englands für seine National-Schuld von 850 -Millionen Pfund in einigen Jahren eingestellt wird, da diese Maßregel -mit als ein Hauptmittel zur Rettung Englands betrachtet werden muß. - -In dem Falle, daß Amerika ein Fabrik-Staat wird, dürften die Folgen -davon für die Baumwoll-Producenten in demselben Maaße ersprießlich -sein, wie es in Deutschland der bedeutende Aufschwung der Fabrikation -der Wollen-Waaren (besonders Tuche) für die Producenten der -Schaafswolle geworden ist. Früher waren die letzteren beim Verkauf der -prima Materie, der Willkühr der englischen Fabrikanten Preis gegeben, -welche damals fast allein Tuche verfertigten; in der neuesten Zeit aber -werden die Preise auf den deutschen Wollmärkten hauptsächlich durch die -deutschen Fabrikanten bestimmt. Und warum sollte man nicht in Amerika -dasselbe in Beziehung auf die Baumwolle erwarten können? - -Indem der Verfasser ähnliche Gedanken, wie die hier dargelegten, in -New-York selbst äußerte, konnte es nicht ausbleiben, daß er scharfen -Tadel und Widerspruch fand; den allergrößten traf er bei seinen -eigenen Landsleuten, wenn er zu den Söhnen deutscher Fabrikanten, die -in Amerika Millionaire werden wollten, sagte: „Sie würden wohl daran -thun, Ihre Fabriken aus Deutschland hierher zu verpflanzen, weil Sie -hierdurch die Erlegung des hohen Eingangs-Zolles ersparen würden.“ -Haben wir nur, entgegneten Jene, erst eine National-Bank, wogegen sich -die Regierung sträubt, so fehlt uns nichts! Also eine National-Bank! -d. h. ein solidarischer Verein, wodurch die ganze Nation, wenn es Noth -thäte, auf einmal bankerott werden könnte. Was sind denn eigentlich -amerikanische Banken und welches sind ihre Zwecke? Das soll jetzt der -Leser aufs bestimmteste erfahren.[K] - -Wenn es Kaffeehäuser geben soll, so ist es nöthig, daß Cichorien -und Kaffee wächst: soll in den V. S. Handel sein, so muß es Banken -geben. Banquiers sind dort nichts als Hüter des amerikanischen -Papierschatzes und haben demzufolge nur den Schein von Banquiers; jeder -Handelsbeflissene in Amerika muß einen solchen Hüter haben, um seine -Dokumente 1stens gegen die Feuersgefahr, 2tens gegen die Diebe zu -schützen. Sie sorgen also, mit einem Worte, für feuer- und diebesfeste -Gebäude und Räume. Comptanten ist eine geringe Nebensache für den -amerikanischen Banquier, denn er kann dieselben vermittelst seiner -Holzschnitte auf dem, mit der gewöhnlichen Geduld begabten Papier in -sehr kurzer Zeit nach Belieben anfertigen. - -Alle Verkäufe sind hier Zeitverkäufe; niemals sind sie auf kürzere -Zeitfrist als auf 6 Monate gewesen, in dieser letzten Zeit aber wohl -auf 8-10 Monate. Für den Belauf der gekauften Waaren verfertigt der -Käufer promissory-notes, d. h. schriftliche Versprechungen, wobei er -denkt: ich verspreche Zahlung zu leisten, wenn es mir möglich sein -wird, im entgegengesetzten Fall bleibt’s beim Versprechen. Alle diese -Noten werden nun in den Banken niedergelegt. Man kann sich eine Idee -von den auf einmal in den Banken eingehenden Noten machen, wenn ich -anführe, daß die Verkäufe nur zweimal im Jahr geschehen, die fürs -Frühjahr im Februar und die für den Herbst im August. Jeder Kaufmann, -der auf solche Weise mit den Banken in Verbindung steht, hat auf -Accomodation, d. h. auf Unterstützung von Seiten der Bank von 20 bis -100,000 Piaster Ansprüche, welche die Bank auf Verlangen mit ihren -eigenen Papieren befriedigt. Die in Baumwolle auf England Speculirenden -stehen mit den Banken in eben demselben Verhältnisse; sie bringen -ihre Wechsel dorthin zum Verkauf. Da nun, wie aus der obigen Ein- und -Ausfuhr-Liste hervorgeht, Amerika im Auslande mehr zu bezahlen, als -zu empfangen hat, so ist es natürlich, daß es stets an Wechseln auf -London fehlt und daß daher dieselben mit einem Aufgelde von 10 bis -12 Procent und zuweilen noch mehr verkauft werden; weigert sich nun -Jemand, so viel Aufgeld zu bezahlen und fordert vom Banquier Metall, um -dieses nach Europa zu schicken, so wird dies verweigert, und zwar aus -dem sehr natürlichen Grunde, weil er keins besitzt, und es heißt: die -Bank hat ihre Baarzahlungen eingestellt, was sich in Folge dieser bösen -Nachrede verwirklicht, da für die Noten keine andere Sicherheit als -Noten vorhanden sind. Daß diese vom Anfang an jede Stunde auf solche -Nachreden gefaßt sind, wird dem Leser jetzt wohl klar sein. - - - ~Ueber die - Oertlichkeiten von New-York, Volks-Charakter, Abreise~ - und - Ankunft in Hamburg. - -Ueberdrüßig des Treibens in Wall-Street und der Jobbers in den -verschiedenen mit englischen Baumwollen-Lappen überfüllten Straßen, -freute ich mich doch herzlich, daß ich während meiner ununterbrochenen -Wanderung wie natürlich auf keinen einzigen Geld-Aristokraten gestoßen -war -- eine Race, die ich hasse, und welcher ich, gleich Nero, nur -Einen Kopf und Hals wünschen möchte, um sie mit Einem Streiche -auszurotten. In munterer Gemüthsstimmung beschloß ich, mich um andere -fröhlichere Dinge zu bekümmern; der Leser hat also von jetzt an keine -trockene kaufmännische Kost mehr zu fürchten. - -In einem Journal hatte ich den Tag zuvor gelesen, daß eine -Ehebruchs-Sache am Kriminalgerichts-Hofe verhandelt werden solle; -dorthin, dachte ich, mußt Du gehen, um Dich von der amerikanischen -Justiz zu unterrichten. Indem ich die Straße entlang schlendere, ohne -Bescheid zu wissen, und mich eben zurecht weisen lassen will, finde ich -in Middle-Street, an einem sehr schmalen Hause, die Firmen von 10-11 -Advokaten. Wo die Raben sich aufhalten, da müssen todte Körper oder -wenn es auch nur ein corpus delicti ist -- in der Nähe sich befinden, -der Gerichtshof kann nicht entfernt mehr sein. Ohne zu fragen ging -ich daher die Straße hinauf und plötzlich stand ich vor einem neuen, -mit egyptischen Säulen verzierten Gebäude; ich trat hinein und erfuhr -sogleich, daß ich am gewünschten Orte war, daß jedoch die Verhandlung -ausgesetzt sei, weil der Ehebrecher, ein im Schneiderlande Geborner, -gegen 30,000 Piaster (Bail) der Haft entlassen wäre und die Sache -wahrscheinlich auf dem Wege des Vergleichs abgemacht werden würde. -(Werden die 30,000 Piaster hierzu hinreichen?) - -Wozu wäre dieser prächtige Gerichtshof, dachte ich, erbaut, oder wozu -gäbe es Kriminal-Richter, wenn es keine Verbrecher gäbe; zudem kann -ich Liebe, besonders in den V. S., nicht für ein Verbrechen halten, -also, meinte ich, müssen außer dieser Schneider-Liebe noch andere -Dinge hier zum Vorschein kommen. In der Ueberzeugung, daß ich keinen -Ausländer hier antreffen würde, da die europäischen Ausreißer lauter -ehrliche Leute sein wollen, betrat ich das Innere des Hofes, dessen -innere Verzierung der äußeren nichts nachgab. Da saß der Richter -(Recorder) zwischen zwei Magistrats-Personen und ich drang so weit wie -möglich zu ihm heran, um die Neuigkeiten brühwarm aus der ersten Hand -zu erhalten. Es wurden während meiner Anwesenheit etwa 6 Verbrecher -abgefertigt, die Alle ihre Unschuld betheuerten und ich, der ich mich -zu den ersten Physiognomen nicht zähle, wollte sie schon für unschuldig -passiren lassen, allein der Recorder war anderer Meinung, da er sie -alle zu 6-12 monatlicher, harter Arbeit verurtheilte. Bei keiner von -allen Verhandlungen wurde geschrieben, vermuthlich, weil das Papier in -New-York zu bessern Zwecken (zu Banknoten) verbraucht wird. - -Den Rückweg machte ich durch Chatham, in der Hoffnung, vieles Neue -dort aufzufinden, um versprochener Weise darüber zu berichten, allein -ich fand Nichts von Erheblichkeit. Die noblen Ostpreußen, Polen, -Franzosen u. s. w., bewegten sich in ihrer gewöhnlichen Weise. Es -wurden viele Auctionen im Beisein von wenigen Käufern abgehalten; -Alle waren lüstern nach meinem Leibrock, Jeder wollte ihn kaufen. Da -jedoch dieser Rock der einzige auf meinen Reisen mir noch gebliebene -war, so lehnte ich alle Anträge in dieser Hinsicht ab und pries die -Havaneser-Commissionaire zum erstenmale im Stillen. Indeß sollte ich -denn doch nicht aus dieser interessanten und interessirten Straße -abziehen, ohne etwas erfahren zu haben. Als ich eben im Begriff war, -fortzugehen, begegnete ich einen Schweizer-Uhrenhändler aus Broad-way, -der in der Absicht dorthin gekommen war, eine goldene Uhr nebst Kette -zu finden, welche er Tages zuvor an einen jungen Mann für 87 Piaster -verkauft hatte, und die diesem während einer Conversation mit einem -Mädchen gestohlen worden war. Ich fand dieselbe in dem Auslege-Fenster -eines jüdischen Galanteriehändlers, der nicht mehr als 47 Piaster dafür -forderte. Auf meine Frage, ob er nicht vielleicht nach der Polizei -gehe, um diesen Vorfall zu melden, entgegnete er: „ich werde nicht so -thöricht sein, ich habe meine Zeit zu nützlichern Zwecken anzuwenden.“ -Sehr bald bekam ich Gelegenheit, mir die Gleichgültigkeit dieses -Uhrenhändlers bei diesem Diebstahl zu erklären. Unmittelbar nach dieser -Conversation traf ich bei diesem Uhrenhändler einen sehr verdächtig -aussehenden jungen Mann als Verkäufer einer goldenen Uhrkette, welche -der Ladenherr in seiner rechten Hand auf den Werth von 4 Piaster -abschätzte und dem Verkäufer diesen Preis dafür zahlen wollte. „Ist -es denn Ihr Ernst; diese Kette für ein solches Lumpengeld zu kaufen?“ -fragte ich, „sie ist sicher gestohlen und Sie sollten sie daher gar -nicht kaufen wollen“, fuhr ich fort. „Kaufe ich sie nicht, so wird -sie in Chatham gekauft“, entgegnete er; indeß der Handel kam nicht zu -Stande, weil der Verkäufer große Eile verrieth und nicht lange handeln -wollte. - -Ich führe dies aus keinem anderen Grunde an, als um den Leser von der -Denkweise der hiesigen Käufer, die als solche stets auf ihrem Platze -stehen, zu unterrichten. Diebstähle können nicht leicht entdeckt -werden, da die Gegenstände vermöge der lebhaften Dampfschifffahrt -jede Viertel-Stunde expedirt werden können und da überdies sich stets -Einkäufer aus Westindien, zum Einkauf gestohlener Gegenstände, in allen -Städten der V. S. befinden. - -Mit der gewöhnlichen Entschuldigung aller Müßiggänger (denn zu -diesen gehörte ich jetzt), schlenderte ich zum Zeitvertreibe die -lange William-Street hinauf, um wo möglich eingewanderte Deutsche -anzutreffen. Da sah ich denn auch bald einen Troß, mit rosafarbenen -Strümpfen chaussirt, auf mich zukommen. Aus welchem Lande her? -fragte ich den ersten. Von Buffalo, entgegnete er, von dem Ort, -wohin wir durch den teuflischen Colonisten-Commissionär Wolf, in -der Washington-Straße, gebracht worden sind. Wir mußten ihm das -Passagier-Geld auf Dampfschiff und Kanalböten bis dahin abtragen und -erhielten dafür Karten. Als wir aber dort ankamen, wurden diese von den -Schiffern nicht respectirt und wir mußten die schon an Wolf erlegten -Summen nochmals erlegen. Wir waren nicht so schlecht daran, als viele -unserer Landsleute, deren Kassen erschöpft waren, nachdem sie den -reißenden Geld-Wolf befriedigt hatten. Diesen armen Leuten blieb kein -anderes Mittel übrig, als sich den Seelenverkäufern dort in die Arme zu -werfen. Dort lauern diese seelendurstige Deutsche im Besitze ihrer, um -ein Weniges von der Regierung erstandenen Ländereien, auf einwandernde, -dürftige, in der englischen Sprache unkundige Menschen, denen unter -solchen Umständen zu ihrer Erhaltung nichts Anderes übrig bleibt, als -sich und die Ihrigen Jenen auf mehrere Jahre zu verpfänden. - -Ich hatte jetzt genug gehört und schreibe dies zur Warnung aller -unkundigen Auswanderer nieder, damit sie sich vor diesem Wolf -im Schaafsgewande hüten mögen. Er spricht mit Theilnahme zu den -ankommenden Colonisten, zeigt viel Herzlichkeit, giebt auch wohl, -nachdem er sich in Besitz der Gelder gesetzt hat, Empfehlungs-Briefe -an seinen Compagnon in Buffalo oder sonst irgendwo, aber ein solcher -Compagnon kann nicht gefunden werden, weil er keinen haben will, mit -dem er seinen Raub theilt. - -New-York eignet sich am wenigsten als Landungsplatz für die -Auswanderer, denn von hier aus muß eine weite Reise nach dem Innern, -woselbst Arbeiter nöthig sind, unternommen werden und diese ist mit -einem bedeutenden Kosten-Aufwande verbunden, welcher größtentheils -erspart wird, wenn man in Philadelphia, Boston, Baltimore oder -New-Orleans landet. Die beste Zeit zur Ankunft daselbst sind die Monate -October und November, weshalb die Monate Juli und August zur Abreise -zu empfehlen sind. Von Havre gehen wöchentlich Paquetboote ab. Ferner -möchte ich Jedem rathen, sich bei seiner Ankunft in Amerika an keinen -Commissionair zu wenden, sondern vielmehr irgend einen dort etablirten -deutschen Kaufmann aufzusuchen, welcher sich gewiß eher zur Hülfe, als -zum Berauben der Ankommenden bereit finden wird. - -Der berühmte Franklin empfahl es als Lebensregel, daß jeder Mann, -was er auch sonst treiben und unternehmen wolle, ein Gewerbe, ein -Handwerk lerne, weil Jeder in den Fall kommen könne, es gebrauchen zu -müssen. Ohne zu untersuchen, in wie fern dies auf Alle paßt, halte -ich es für gerathener, aus allen Fächern und Gewerben das Praktische, -was am häufigsten im Leben vorkömmt, sich anzueignen. Erlangt man -auch darin nur oberflächliche Kenntnisse und Fertigkeiten, so kann -man sich dadurch doch aus mancher Verlegenheit helfen, die für -Andere eben so empfindlich als schwer zu beseitigen ist. Der Leser -wird lächeln, wenn ich einige dieser Verlegenheiten näher bezeichne, -indessen -- er lache meinetwegen -- Strümpfe stopfen und Knöpfe an -Hemden oder Röcke anzusetzen und es gut zu verstehen, gehört zu den -Hauptkenntnissen für Jeden, welcher nach der neuen Welt reisen will, -denn von allen Wäscherinnen daselbst will sich keine zu dergleichen -Arbeiten verstehen. Hieraus geht denn die Alternative hervor: entweder -selbst Hand ans Werk zu legen, oder mit Löchern in den Strümpfen und -ohne Knöpfe am Rock umherzuwandern, oder, wenn es für den Gebrauch -nicht mehr tauglich ist, das alte Zeug durch neues zu ersetzen. Die -Leser, welche vielleicht von bedeutenden Sendungen von Leinen- und -Strumpf-Waaren nach der neuen Welt gehört haben, können aus meiner -Erzählung bald die Ursache dieser Sendungen auffinden. - -Nachdem ich den geneigten Leser von der Nothwendigkeit des Praktischen -in allen Fächern zu überzeugen gesucht habe, wird sich wohl Niemand -wundern, wenn ich versichere, daß ich mich in New-York auch des -Praktischen im Müßiggange befleißigte. Müßiggang praktisch ausgeübt, -kann erst zur Wissenschaft, hernach aber zur Kunst werden, allein -vielleicht giebt es auch hierin nur wenig wahrhafte Künstler, -obgleich die Zahl der Müßiggänger mit jedem Jahr zunimmt. Der -Müßiggangs-Künstler muß vor allen Dingen darauf achten, daß er keine -einzige Minute zur Disposition seiner Collegen übrig hat, er muß -vielmehr stets über Mangel an Zeit klagen. - -Da es indeß wenige praktische Müßiggänger giebt, so findet man viele -Hypochondristen unter ihnen. Um diesem Uebel entgegenzuarbeiten, sei -jeder Studiosus oder Candidat des Müßigganges vorsichtig in der -Wahl seines Umganges; er vermeide die Trägen, die Geizigen und die -Gourmands, und wähle lebenslustige, mit Kenntnissen ausgerüstete Männer -als Gesellschafter, so wird der Müßiggang selbst für den thätigen Mann -weniger fühlbar sein. In New-York, wohin so Viele aus Deutschland wegen -zu großer Gedankenfreiheit sich geflüchtet haben, kostet die Wahl in -dieser Beziehung nicht so viel Mühe, als etwa in Bremen. Deshalb fand -ich denn auch dort sehr bald Leute, die mit mir sympathisirten, unter -Anderen einen Doctor, welcher, ich weiß nicht mehr genau, aus Hessen, -oder aus Baiern flüchten mußte und als Oberlehrer bei einer Schule -in New-York angestellt ist; ich fand in demselben, was ich zu finden -wünschte. - -„Wie wäre es,“ sagte dieser eines Nachmittags zu mir, „wenn wir, da das -Wetter so schön ist, mit einem der Dampfschiffe nach Staten-Island (dem -Quarantaine-Platz des New-Yorker Hafens) hinüberführen?“ Mir war das -ganz recht, und wir gingen sogleich zum Samson, dasselbe Dampfschiff, -welches an jenem Festtage, trotz seiner Stärke, nicht stark genug -war, die Masse von Menschen zu halten, und zehn Menschen das Leben -kostete. Heute that seine Samson’sche Kraft besser ihre Schuldigkeit -und bald standen wir auf dem etwa 400 Fuß hohen Belvedere. Nicht mit -sehnsuchtsvollern Blicken kann der Prinz von Coburg nach der ihm -bestimmten Brittish Queen (Victoria) sich umsehen, als ich nach der von -mir erwarteten Brittish Queen, das ganz neue Dampfschiff, welches von -London erwartet wurde und worauf ich meine Rückreise nach Europa machen -wollte. Allein vergebens! dreißig Meilen weit konnte ich von hier aus -die schönen Ufer betrachten und mit einem Tubus jedes Schiffssegel -unterscheiden, allein von der angebeteten Brittish Queen ließ sich -Nichts sehen. - -Unterdessen war es sieben Uhr und Zeit zur Rückkehr geworden. Wir -langten sehr bald an der Batterie an, wo ich mich vom Doctor trennte, -um nach meiner Wohnung zu gehen. Während ich über den Batterie-Platz -schlenderte, fand ich einen Polizei-Diener in seiner Function -begriffen; er weckte nämlich einen auf dem Rasen eingeschlummerten -Bürger aus seinen vielleicht süßen Träumen, mit den Worten: „wenn Sie -nicht sofort gehen, so müssen Sie fünf Piaster erlegen, denn das ist -der Preis für eine Schlafstelle hier;“ er stand auf und ging fort. -Einen so gutmüthigen und sanften Polizei-Beamten wollte ich persönlich -näher kennen lernen; ich war eben im Begriff, ihn anzureden, als ich -wegen seines übermäßigen Diensteifers bei der folgenden Sache davon -abgehalten wurde. Er trat nämlich an einen jungen Herrn heran, der von -einem großen New-Foundland-Dog begleitet wurde, um ihn auf das Gesetz -aufmerksam zu machen, wonach es ihm freistehe, den Hund zu tödten. -Jener zog denn auch sogleich einen Strick aus der Tasche und führte -ihn fort. „Milde Gesetze, noch mildere Vollstrecker und dennoch ein -sehr großer Gehorsam,“ sagte ich zu diesem treuen Staats-Beamten, als -er weiter gehen wollte. „Dies müssen wir wohl gegen unsere Mitbürger -sein,“ entgegnete er; „es thut mir oft leid, die armen Loafers aus dem -Schlafe zu wecken;“ -- Loafers, muß ich bemerken, sind diejenigen, -welche keine Wohnungen haben, vielmehr stets auf dem Rasen, oder sonst -außer Betten schlafen; sie sind dessenungeachtet gewöhnlich sehr -anständig gekleidet. Eines Tages traf ich einen aus Berlin gebürtigen -Loafer in der Batterie, der mit Thränen in den Augen mich um ein -Almosen bat; er erzählte, daß er, mit allen erforderlichen Mitteln -ausgerüstet, hier angekommen sei, und, nachdem Alles aufgegangen, -sich zu den härtesten Arbeiten im Chaussee-Bau hergegeben habe; er -habe dieselben in physischer Rücksicht nicht aushalten können, da er -wochenlang im Hospital zugebracht habe. -- „Es thut mir leid,“ fuhr der -Polizei-Diener fort, „allein es ist meine Pflicht; hätte der Mann fünf -Piaster, so schliefe er sicher an einem bessern Ort; in einer halben -Stunde können Sie ihn an einem anderen öffentlichen Orte schlafend -finden.“ -- Ein schwerer Dienst für Sie, sagte ich; wie hoch beläuft -sich Ihr Gehalt dafür? Nur auf 600 Piaster das ganze Jahr, wobei ich -noch jeden Tag die Flagge aufziehen muß -- kein leichter Dienst! meinte -er. - -Nachdem ich in meinem Logis meine Sachen und Gelder revidirt hatte, -welche in New-York nicht selten in Abwesenheit des Eigenthümers -einen fremden Herrn finden, begab ich mich nach einer sehr beliebten -Bier-Kneipe, Shadow (Schatten) genannt, woselbst ich viele Deutsche, -Schweizer und Franzosen antraf, lauter Leute, die reich zu werden große -Lust hatten. Wir plauderten viel über Deutschland im Vergleich zu den -Vereinigten Staaten, besonders aber sprachen Jene über den Unwerth der -deutschen Goldmünzen, der Louisd’ore, welche den Leuten für 5⅔ Thlr. -aufgedrungen werden und dabei nur fünf Thlr. Werth haben, ferner von -den in Philadelphia gebrauten, giftartigen Bieren mit dem Zusatz von -Aloe und Taback -- ein Beweis, daß nicht aller Kentucky-Taback gebissen -und verbissen wird. Da sich mein deutscher Magen hiergegen sträubte, so -verließ ich bald diesen Bier-Tempel. - -Am folgenden Sonntags-Morgen wollte ich den früher erwähnten -Demagogen-Prediger Försch noch einmal hören, allein er war der Ketzerei -angeklagt und von der Synode zur Verantwortung gezogen worden. Er -hatte seine Gemeinde in New-York verlassen und ein belletristisches -Wochenblatt gegründet, worin er sich gegen die Synode vertheidigte. -Dabei hatte er zugleich eine neue Gemeinde, einige Meilen von New-York -erlangt, wo er nicht wenig Beifall fand und besonders viel mit -Trauungen und Taufen zu thun hatte. Bei einer der letztern, erzählte -mir der Doctor, soll jener Prediger die Eltern des Kindes gefragt -haben, ob er dasselbe in Dreiteufels- oder Gottes-Namens taufen -solle! Dazu führt die Glaubenslizenz! Ein Mann, der solchen Unsinn -begeht und die wichtigsten Wahrheiten des Christenthums öffentlich -verwarf, übt nach wie vor sein Predigtamt aus und wird noch sogar -stark besucht! Weniger Glück dagegen dürfte er mit seinem Blatte -machen, denn die Deutschen in New-York sind zu sehr mit dem Lesen in -Reiskörnern, Tabacksblättern, Schweinsborsten, besonders aber mit -ihrer promissory-notes beschäftigt, um Zeit zum Lesen der Journale -zu verwenden. Bücher wissenschaftlichen Inhalts finden in den V. S. -gar keinen Absatz; nur Schulbücher werden begehrt. Daß die New-Yorker -Jugend übrigens sehr gelehrig ist, ergiebt sich schon daraus, daß es so -viele gescheidte Männer in Wall-Street giebt. - -Unterdessen war von England die Nachricht eingegangen, daß die -Ausrüstung der Brittish-Queen mehr Zeit erfordere, als man geglaubt -habe, sie werde daher wohl um acht Tage später in New-York eintreffen. -Man muß den Damen Zeit zur Toilette lassen, dachte ich; auch hatte ich -so Manches noch in New-York zu sehen, daß mir die Verzögerung nicht so -unwillkommen war. Zunächst bekümmerte ich mich um das Praktische in der -wohlfeilsten Bekleidungsart in New-York. Alles ist hier enorm theuer, -sagten Viele; hat man 1500-2000 Piaster Jahrgehalt, und das Jahr ist -vorüber, so ist’s mit jener Summe geschehen. Ich habe indeß auf meinen -vielen Reisen gefunden, daß man auch in den für theuer ausgeschrieenen -Städten und Ländern bei einer gewissen Umsicht und Lokalkenntniß mit -Wenigem eben so gut und anständig leben kann, wie die Meisten, welche -vieles Geld aufwenden. Meines Erachtens sind die Berliner Meister in -dieser Kunst. Man trage ein Souper, bestehend in Nichts anderem, als -sogenannten Pell-Kartoffeln, in silbernen Schaalen auf und jeder der -Gäste wird von einer boshaften Kritik sich abgehalten sehen, indem der -Kontrast ihn zum Nachdenken und Zweifeln bringt, doch zur Sache zurück! -Man behauptet, in New-York kostet ein Paar Stiefeln 11 Piaster, ein -Paar Pantalons 14, ein Rock 38 etc.; freilich in Broad-Way! allein ein -ehrlicher Schneidermeister in Oliver- und William Street begnügt sich -mit einem Piaster Arbeitslohn für ein Paar Pantalons und sechs Piaster -für einen Rock; kauft man nun das Tuch mit Sachkenntniß, so hat man ein -Kleid um den halben Preis. Eben so bekommt Ihr dauerhafte Stiefeln in -Nassau-Street um den halben Preis, aber hütet Euch, es bekannt werden -zu lassen, daß Ihr Stiefeln aus Nassau-Street tragt, denn Mancher würde -sich bedenken, mit Euch auf Broad-Way zu promeniren. Es ist für solche -Handwerksleute und Gastwirthe in den V. S. ein Glück, daß Viele hier -zwischen den beiden Ausdrücken: - - Wir verdienen, was wir brauchen und - Wir brauchen,[L] was wir verdienen. - -keinen Unterschied finden können. Mit den Restaurateurs verhält es -sich eben so. Der Globe, Sans-Souci und die Gebrüder Dalmonico sind -diejenigen, welche nur von Leuten ersten Ranges besucht werden. Hier -findet man eine Speisecharte à la Paris in Form eines Buches. Obgleich -die Hälfte der darin angeführten Speisen gewöhnlich nicht zu haben ist, -so ist es doch eine außerordentliche Charte, und jede Speise, welche zu -haben und um das doppelte schlechter und theurer ist, als die Speisen -im Dawning’schen Keller in Wall-Street, gilt nichts destoweniger als -außenordentlich und jeden als Preis werth. Der Eingeborne indeß ist -nicht so thöricht. - -Von den Abend-Vergnügungen hatte ich bisher nur einen schattenreichen -über die Bierkneipe Shadow abgestattet; ich wende mich zu den ersten -und zwar zu dem mit Gas beleuchteten Castle-Garden, ein Schloß-Garten -ohne Bäume. Doch nein! eine Trauerweide befindet sich am Eingange. Der -Weg zu diesem Garten führt über den Batterie-Platz, den Sammelplatz -der schönen Welt nach Sonnenuntergang; er ist mit Gas beleuchtet, -hat einen Quai von Granitstein zur Promenade und daneben stehen -Bänke für die Ermüdeten; eine herrliche Aussicht bietet sich dar -nach den gegenüber liegenden Ufern des Staates Jersey; auch gewähren -die am Abend vorüberfahrenden Dampfschiffe viel Vergnügen. Raketten -und Trompetenschall ließen sich im Innern, von den Balcons des -unbedeutenden Gartens vernehmen. Also zur Casse hin! Sie befindet -sich auf derselben Brücke, wo an der entgegengesetzten Seite ein -recht elegantes reinliches Flußbad liegt, wo man für fünf Piaster -Abonnement den ganzen Sommer hindurch baden kann. Als Ersatz für -Handtücher erhält man zwei Flicke von grober, grauer Packleinwand, -etwa eine Elle lang, welche nie gerollt werden, damit die Haut nicht -verzärtelt werde. Die Importeurs der englischen Waaren werden hier auf -eine bequeme Art ihre Emballagen los, wie mir gesagt worden ist. -- -An der Casse erhielt ich zwei Carten für vier Schilling; für die eine -sollte ich, wie der Carten-Empfänger bemerkte, am Buffet Ice-cream -(Gefrornes) essen. In Erwägung, daß man Alles, ausgenommen Heirathen, -rasch betreiben muß, eilte ich schnell dem Schloß-Garten zu. Er ist -ganz wie die Pavillons auf der Aelster in Hamburg gebaut; in der Mitte -ist ein freier, mit Kieseln belegter Platz, worauf sich kleine Logen -mit Tischen und Bänken befinden. Drei von meinen Sinnen sollten also -für vier Schilling beschäftigt und befriedigt werden, allein ich sah -mich veranlaßt, den Garten zu verlassen, ehe das Concert begann und das -Feuerwerk abgebrannt wurde. Die beiden Sinne des Gefühls und Gehörs -gingen also leer aus, dafür aber wurde auf unerwartete Weise das Gefühl -sehr beschäftigt -- durch Rippenstöße. Von dem Eis ist nur noch zu -sagen, daß man den Kältegrad des letzten Winters in New-York und die -Entfernung der Zucker-Plantagen darnach hätte berechnen können, denn es -war ein sehr hart gefrorner Eisklumpen ohne Geruch und Geschmack. - -Um über das Theater berichten zu können, muß man unbedingt dasselbe -besucht haben. Obgleich ein verwöhnter Kostgänger (woraus in der -Regel Kostverächter entstehen), entschloß ich mich dennoch aus -Anhänglichkeit für meinen ehemaligen Reisegefährten, den Director W., -das National-Theater zu besuchen. - -Da Logenschließer, wie mir versichert worden ist, in New-York große -Jahrgehalte von 6-800 Piaster beziehen, so begnügt sich der Director -mit Einem für jeden Rang derselben. Diejenigen, welche ihre Billets am -Eingange lösen, müssen sich mit den (vom Billetverkauf im Bureau) übrig -gebliebenen Plätzen begnügen und von diesen hat der Logenschließer ein -Verzeichniß. Durch diese Anordnung mußte ich wohl eine halbe Stunde auf -ein Plätzchen warten. Es wurde zum 14ten male die große Oper: Amalie, -gegeben, vom ersten englischen Componisten -- doch nein! der erste ist -wohl der des Volksliedes: God save the king, also die vom allerletzten -englischen Componisten verfertigte Oper. Zwei Sänger und eine Sängerin -waren hierfür vom Covent-Garden-Theater engagirt worden. Die Yankees -waren entzückt und benahmen sich, als wären sämmtliche Sänger mit -Amphionsstimmen begabt und als käme das Orchester und die Composition -selbst aus der Schule des Orpheus: jedes einzelne Stück mußte -wiederholt werden. Orpheus der Erste, als Dirigent des Orchesters ließ -sein Instrument (die Geige) durch die Schreiereien der Chöre nicht in -Schatten stellen, er wies sie vielmehr mit seinem kräftigen Arm in die -Schranken der Anständigkeit zurück. Ueber die prachtvolle Ausstattung -des Theaters, über die blauen und rothen Feuer, die am Schluß der Oper -brannten, will ich nichts sagen, da dieses Theater seit dieser Zeit im -Monat October 1839 durch ein Feuer ganz anderer Art abgebrannt ist. - -Auch Seiltänzer sah ich hierselbst, die Familie Ravelé. Da ich -dergleichen Künstler in sehr langer Zeit nicht gesehen hatte, so kann -ich wohl eher, wie die Meisten, ein Urtheil über die Fortschritte -in dieser Kunst fällen, und da muß ich denn bekennen, daß ich vor -30 Jahren mehr Sehenswertheres hierin als jetzt gesehen habe. Hat -vielleicht diese Kunst bald das Schicksal der Glas-Malerei, daß sie als -eine verlorne zu betrachten ist? Dieser Verlust würde gewiß von Wenigen -betrauert werden! - -Nach meiner Schilderung der Vergnügungen in den V. S. wird mancher -Leser, welcher diese Vergnügungen denen der freien Natur, welche die -V. S. in reichem Maaße darbieten, vorzieht, keine Neigung fühlen, -dieses Land zum Vergnügen zu besuchen. Abstrahirt man indeß von den -Vergnügungen der ersten Art, so kann nicht leicht ein Land gefunden -werden, worin man sich, mit Anwendung des Praktischen beim Reisen, die -Zeit besser verkürzen könnte, wie hier. Erscheinen doch in diesem Lande -täglich 1553 Zeitungen und Journale (dieses ist die Anzahl nach Angabe -des Morning-Heralds) von eben so vielen Redacteuren, die Alle es auf -das Vergnügen des Publikums anlegen und worunter es sehr viele witzige -Köpfe giebt. Unter diesen will ich vorzugsweise nur den Redacteur des -Morning-Herald nennen, der täglich 17,000 Exemplare absetzt, ein Blatt, -auf welches Jeder mit noch weit größerer Begierde, als auf seinen -Caffee wartet und welches von Vielen mit größerem Appetit als dieser -verzehrt wird. - -Der Europäer überzeugt sich wenige Tage nach seiner Ankunft, daß das -von seiner Seite vermißte Militair, die Gensdarmerie und Polizei, durch -jene Blätter vertreten wird und daß für Republiken Preßfreiheit eine -unbedingte Nothwendigkeit ist, weil die Sittlichkeit, die öffentliche -Ordnung und Reinlichkeit in den Straßen lediglich durch die Presse -herbeigeführt wird. Der geringste Verstoß gegen Ruhe und Ordnung -wird sofort zur Publicität gebracht. Aber wie ist es den Redaktoren -möglich, so geschwind und unmittelbar ein solches Ereigniß rapportiren -zu können? Der Verfasser glaubt nicht zu irren, wenn er den früher -erwähnten Loafers, die in allen Straßen anzutreffen sind, einen -großen Antheil an der Berichterstattung zuschreibt. Ihr Honorar kann, -nach dem Preis der Blätter berechnet, freilich nicht von solcher Art -sein, daß sie ihre jetzigen Schlafstellen auf dem Rasen gegen solche -in Aster-House oder andern Hotels austauschen könnten, indeß wäre -letzteres der Fall, so würden alle nächtlichen Vorfälle in den Straßen -für die Redacteure verloren gehen. - -Was nun den allgemeinen Charakter der Amerikaner betrifft, so wird von -vielen Autoren, besonders auch von den neuesten Reisebeschreibern, -dem Amerikaner der V. S. Geldbegierde oder Habsucht zur Last gelegt. -Ehe ich das Resultat meiner Beobachtungen hierüber ausspreche, muß -ich Folgendes bemerken: Ist dieser Vorwurf, den die Europäer den -Amerikanern machen, gegründet, so fällt er auf die Europäer selbst -zurück; sind denn die Einwohner der V. S., mit Ausnahme weniger -eigentlicher Amerikaner, von indianischer Abkunft, nicht alle -Europäer?[M] Hört denn der in Amerika geborene Deutsche oder Franzose -auf, Deutscher und Franzose zu sein, und wird durch das Wohnen daselbst -zum Amerikaner? Wenn ein Edelmann im Kuhstalle geboren würde, wäre er -dann zum Bauer geworden? Also nicht der Ort bestimmt die Abstammung, -sondern das Volk, zu dem man ursprünglich gehört. Es wäre also zu -untersuchen, durch welche von den verschiedenen Abkömmlingen die -Geldbegierde hierher verpflanzt worden sei. Eine solche Untersuchung -aber führt uns auf die Engländer zurück, die, wenige Ausnahme -abgerechnet, überall den Hauptbestand der Bevölkerung in den nördlichen -Staaten bilden, und Sprache, Sitte und den Volkscharakter bestimmt -haben. Und der Apfel fällt, wie man weiß, nicht weit vom Stamme. - -Da die Bewohner der V. S. also von so verschiedener Abstammung sind, so -ist es unstatthaft, dieselben unter dem Namen von Amerikanern als ein -so oder solches Volk zu charakterisiren und Alles über einen Leisten -zu schustern, wie es gewöhnlich geschieht. Der Verfasser wird sich -daher bemühen, diese Amerikaner nach ihrer verschiedenen Abstammung -zu sondern und jeder einzelnen Abtheilung ihr Recht widerfahren zu -lassen. Und zunächst wollen wir, da doch nun einmal auch in Amerika die -Frauen den Männern vorangehen, auch hier den Amerikanischen Frauen den -Vortritt gestatten. - -Die Amerikanerinnen sind Freie, ohne frei zu sein und sehr schön. Wäre -ich Besitzer der Stobwasserschen Dosenfabrik, ich würde den Maler -zum Einsammeln von schönen Modellen weiblicher Köpfe nach den V. S. -schicken, denn besonders in letzterer Hinsicht sind die Amerikanerinnen -ausgezeichnet. - -Daß man unter allen in Amerika Geborenen keinen Einzigen mit den -Grundsätzen eines Diogenes findet, ist wahr, allein ein solcher -Sonderling von Enthaltsamkeit möchte heutiges Tages auch in Europa -schwer anzutreffen sein. In der Tonne will Keiner mehr residiren; Jeder -strebt nach bequemer Wohnung, nach Annehmlichkeiten im Leben u. s. w., -und da solche Dinge uns nicht von selbst besuchen und zu unserm -Gebrauche sich darbieten, sondern nur gegen Geld zu haben sind, so -ist Keinem zu verargen, daß er nach Geld strebt. Tritt man in Amerika -in Männergesellschaften, so bemerkt man keinen Diogenes darunter, man -sieht sogleich das Zusammengesetzte der Bevölkerung; sie ist mit einem -Vaudeville zu vergleichen, in welchem man hin und wieder Musikstücke -berühmter Meister auffindet, wodurch die Bilder angenehm verlebter -Zeiten in der Seele wieder auftauchen, und während man hierbei in der -Vergangenheit schwärmt, überhört man manche Stücke, die wenig oder -gar kein Interesse für uns haben. Wer nun aber nach einem oder zwei -Stücken, die ihm gerade auffallen, das ganze Vaudeville beurtheilt, -der ist ein schlechter Kritiker; eben so leichtsinnig und ungerecht -urtheilen die Autoren, welche, wie schon bemerkt, nur von einem -allgemeinen Amerikaner sprechen, der gar nicht existirt. - -Die Amerikaner sind, so weit meine Erfahrung reicht, in folgende vier -Klassen einzutheilen: - -1. Der eigentliche Amerikaner indianischer Abstammung. Betrachtet man -denselben genauer, so entdeckt man bald etwas Originelles, oder, besser -gesagt, etwas Wildes an ihm. Man könnte ihn mit einem wilden Vogel -vergleichen, der aus dem Nest genommen und wie ein Hausthier erzogen -worden ist, in welchem aber plötzlich sein natürlicher, in die Welt -mitgebrachter Instinkt zur Wildheit wieder auflebt, der ihn zur Flucht -aus dem friedlichen Erziehungsorte seines Wohlthäters antreibt. Ich sah -eines Tages einen im Rufe stehenden Amerikaner von Indianischem Stamme, -auf einem mit Sammet überzogenen Sopha ausgestreckt und die schmutzig -bestiefelten Füße auf dasselbe erheben, um sich durch Anstemmen gegen -die kostbar gemalte Seitenwand des Zimmers in eine bequemere Lage zu -bringen. - -2. Der Deutsche, den ich als Deutscher dem Eingebornen zunächst -anführe, ist, wie überall, auch in Amerika bald zu Hause, ja er scheint -fast in Amerika mehr einheimisch zu werden, als er es in Deutschland -sein würde. Die Kost kömmt ihm dort besser vor als zu Hause, der -amerikanische Essig hat nach seinem Geschmack mehr Weinartiges, -als der Rhein- und Moselwein; das Bier ist nach seiner Meinung das -allerbeste, welches in der Welt gebraut wird und die amerikanischen -Banknoten übersteigen in seinen Augen den Werth der Friedrichsd’ors; -mit Einem Worte, er bildet sich ein, Amerikaner zu sein. Ich meine hier -natürlich diejenigen Deutsche, welche sich in den letztern Jahren dort -angesiedelt haben, denn dort geborene Abkömmlinge früherer Einwanderer -sind freilich von ganz anderem Schlage. Die letztern freuen sich, wenn -sie einen deutschen Abkömmling erblicken; sie bemühen sich um seine -Bekanntschaft, um ihm erzählen zu können, daß seine Voreltern Deutsche -gewesen; man hört ihn mit Vergnügen die alten deutschen Sprüchwörter -aussprechen und befolgen; kurz das deutsche Gemüth ist in ihnen noch -nicht erstorben. - -3. Der Franzose weicht in jeder Beziehung von dem Amerikaner und -Deutschen ab. Er bleibt in Amerika, wie überall, Franzose in Sprache, -Kleidung und Lebensweise; er ist Franzose von Anfang bis zu Ende; er -fühlt sich glücklich, Republikaner zu sein, und noch glücklicher, -nicht zu den Yankees gezählt zu werden. Er politisirt noch mehr als -diese, flickt an Staat und Regierung, ist Staats-Oekonom, trinkt viel -Bordeaux-Wein (Essig), mit Wasser versetzt, ißt nach vaterländischer -Weise seine dreifache Portion Brod zu der Suppe und erblickt schon in -seiner Einbildung freudig die gefüllten Geldsäcke, welche zu gewinnen -er hierher gekommen ist. Am wenigsten wird man unter den Franzosen -einen Diogenes finden, denn Geld, recht viel Geld zu gewinnen, ist die -Tendenz ihres Treibens. - -4. Jetzt gehe ich zu den eigentlichen Yankees über, die bei Weitem den -größten Theil der Bevölkerung ausmachen. Auch hier müßte man wieder -das englische, das schottische und das irische Blut unterscheiden, -was jedoch mich hier zu weit führen würde; ich werde nur zwei Klassen -unterscheiden: die erste, der Abkömmlinge derjenigen, die sich seit -der Besitznahme Amerika’s dort niedergelassen haben, und die zweite -derer, welche nach und nach die Gewinnsucht dorthin geführt hat. Aber -sind denn die Engländer gewinnsüchtig? Der scharfblickende Napoleon -schilderte England als ein von Krämern bewohntes Land. Ein Krämer aber -muß, um als Krämer zu gelten, gewinnsüchtig sein: folglich wird man die -Gewinnsucht der englischen Nation nicht absprechen können. - -Die erste Klasse oder die von der früheren Generation sind allerdings -Sonderlinge, jedoch keinesweges, wie sie von so manchen Autoren -ausgeschrieen worden sind, Geldbegierige; sie sind lebenslustige -Menschen und streben daher nach Geld, um sich die Annehmlichkeiten des -Lebens, nach denen sie verlangen, zu verschaffen. Diesem Yankee ist -schon aus dem Grunde Nichts zu theuer, weil er sich durch splendide -Ausgaben von den alltäglichen Yankees zu unterscheiden wünscht; er -wirft daher mit dem Gelde um sich. Die Unterhaltung des Yankee ist -nicht eben sehr unterhaltend; denn er ist mit sich selbst uneinig, -ob er Engländer oder Nicht-Engländer sein soll und ist daher für die -Gesellschaft? -- ein Yankee, jedoch ist er klug genug, sich in dieser -Yankee-Rolle angenehm zu machen und verdient also nicht zu den Dummen -gezählt zu werden; denn derjenige, der seine Dummheit zu verbergen -weiß, kann wohl zu den Klugen gerechnet werden. Da wissenschaftliche -Bücher, wie schon bemerkt, keine Abnehmer bei ihnen finden, so ist es -wohl selten, daß man wissenschaftlich Gebildete unter ihnen findet; -die Wissenschaft des Reichwerdens ist die einzige, die sie mit Glück -cultiviren, ja sogar mit der leeren Hand sich anzueignen verstehen, -indem die Regierung den Acker Landes für 1¼ bis 1½ Piaster (der -im cultivirten Zustande den hundertfachen Werth hat) hingiebt; indeß -sind diese gerade die Geachtetsten in den V. S., und verdienen es auch! - -Die zweite Klasse der Yankees ist zusammengesetzt aus lauter Engländern -der letzten Generation und denen, welche unter dem Beistand Gottes, der -vielen Banken Englands und der V. S., auch nicht minder zur Freude der -Fabrikanten in England, ihr Geschäft in Amerika treiben. Sie denken -stets an ihr Mutterland, sie finden es zwar nicht schlecht in den -V. S., da sie ja hieselbst ihren Endzweck des Geldverdienens erreichen, -und dabei auch recht gut leben, allein dennoch denkt Jeder nach Lord -Byron’s Spruch: - - England! with all thy faults, I love thee still. - -Und sehr natürlich! der Engländer fühlt sich nur in England zu -Hause; fehlt ihm doch überall das englische Kohlenfeuer, sein Topf -Porter-Bier, sein beaf-steak und seine langen Parlaments-Reden, welche -selbst Lord Byron als die vier köstlichsten Dinge Englands schildert: -und hätte er dieses alles, so fehlen ihm noch seine heimathlichen -starken Herbstnebel. Diese letzte Klasse, welche den vierten Theil -der Bewohner in den V. S. ausmacht, trägt wenig zur geselligen -Unterhaltung bei, jedem diesen Leuten die Worte „money making“ (Geld -verdienen) stets in ihren Ohren klingen. Aus diesen Gründen also ist -die Unterhaltung dort sehr trocken. Dagegen findet man überall in allen -Städten, Flecken und Dörfern ein außerordentlich reges Treiben, da -Jeder verdienen will; das Wort „Genügsamkeit“ kennt Niemand, deshalb -verderben auch so Viele. - -So angenehm auch das Reisen überhaupt erscheinen mag, so wird doch -der Leser, der meiner Erzählung mit Aufmerksamkeit und wohlwollendem -Vertrauen gefolgt ist, mit mir der Meinung sein, daß Jemand, der, sei -es zum Vergnügen oder zur Ausdehnung von kaufmännischen Geschäften, -eine Reise unternehmen will, keine glückliche Wahl trifft, wenn er -sich die V. S. oder Westindien wählt. Mag auch Westindien für den -Naturforscher vieles Anziehende darbieten, so haben doch die dort -einheimischen epidemischen Krankheiten, das gelbe Fieber, das schwarze -Erbrechen, die Cholera, verbunden mit der erbärmlichen Lebensweise, so -viel Abschreckendes, daß die meisten Naturforscher wohl sich freuen, -wenn sie diesem Lande den Rücken kehren können. Eben so wenig aber -sind die V. S. dem Reiselustigen zu empfehlen. Schon die Fahrt dahin -ist theils höchst gefährlich, theils höchst langweilig, mag man sich -nun der Dampfschiffe bedienen, von deren Gefährlichkeit oben die Rede -gewesen ist, oder der Segelschiffe, die zum Wenigsten 6-8 Wochen Zeit -gebrauchen, um die Strecke von 3228 Meilen von Portsmouth bis nach -New-York zurückzulegen. Während man im cultivirten Europa überall -vernünftige oder interessante Unterhaltung und geistreiche Getränke -in geselligen Circeln findet, vermißt man beides im neuen Welttheil, -dessen Cultur noch in der Kindheit ist. Man muß sich also für das Opfer -der geselligen Freuden entweder am Spieltisch zu unterhalten suchen, -oder man muß höchst mittelmäßige Theater und Concerte für enorm hohe -Entrée-Preise besuchen, wird dabei noch im Genuß ganz gestört und fühlt -die Ohren zerrissen durch das ununterbrochene Beifallklatschen und -Dacaporufen der Yankees. Beim Reisen in Europa braucht der Reisende -nicht unbequem in Boarding-Häusern und von außen groß scheinenden -Hotels zu wohnen; er wird bei der Abreise keine Rechnungen bezahlen -müssen für Speisen und Getränke, die er hätte genießen können und nach -der Meinung des Gastwirths hätte genießen können, aber er logirt in -reinlichen Gasthöfen und wird von ehrlichen Aufwärtern bedient. Mit der -dienenden Klasse hat es in Amerika seine eigene Bewandniß: Niemand will -hier als Diener angesehen sein, da es nach dem Gesetz keine persönliche -Unterwürfigkeit geben kann, und da Hülfsleistung weit höher als -Dienstleistung abgeschätzt werden muß, auch nach der Meinung Vieler gar -nicht zu bezahlen ist, so will jeder Diener sich als Gehülfe behandelt -wissen. Zieht man alle diese Umstände in Erwägung, so wird man von dem -Entschluß, eine Reise nach den V. S. zum Vergnügen zu unternehmen, bald -zurückkommen. - -Die Kaufleute, welche Speculations-Reisen nach den V. S. zu machen -gedenken, mögen die von mir dargelegten Beobachtungen und Erfahrungen -wohl erwägen, ehe sie zur Ausführung schreiten; mögen sie um so -mehr dabei bedenklich sein, wenn sie die dortige Justizpflege -berücksichtigen, nach welcher Jahre verstreichen, ehe man Prozesse -durch Advocaten eingeleitet sieht. Ergo, ist die neue Welt wunderschön -und gut, so kann ich mich doch aus vielen angeführten und anderen -Gründen des Urtheils nicht enthalten, daß die alte Welt besser ist. Und -selbst auch, was das Geldverdienen betrifft: sollte es nicht leichter -sein, in dem mit so vielen physischen, moralischen und pecuniären -Mitteln ausgerüsteten Europa, welches eine Bevölkerung von 220 bis -230 Millionen zählt, sein Brod zu erwerben, als in den V. S. und -ganz Westindien, welche inclusive Neger, Mulatten u. s. w., kaum 35 -Millionen aufweisen können? Wer freilich Chatham und dergleichen Erwerb -aufzusuchen sich geneigt fühlt, der mag immerhin Europa verlassen! - -Endlich war der von mir ersehnte Tag da; die Brittish Queen war -angekommen und wollte nur einige Tage in New-York verweilen. Da ich so -ziemlich alles Sehenswerthe in Augenschein genommen hatte, so konnte -die Verkürzung der Frist mir nur angenehm sein. Etwas jedoch, was mir -sehr am Herzen lag und was ich bisher versäumt hatte, war noch zu thun -übrig, nämlich den berühmten Redacteur des Morning Herald zu besuchen. -Dieser Mann, dessen Blatt im ganzen Lande mit großer Begierde gelesen -wird, ist meines Erachtens eine der Hauptpersonen im Lande; sein Lob -und Tadel wird geliebt und gefürchtet, wie das eines Lehrers von seinen -Schülern. Ohne diesen Mann persönlich kennen gelernt zu haben, wollte -ich nicht gern von New-York abreisen. Ich theilte mein Vorhaben dem -obenerwähnten deutschen Doctor mit; dieser aber äußerte, es sei hierzu -wahrscheinlich zu spät, da jener Mann selten Jemand vor sich lasse; er -selbst habe in dieser Beziehung vergebliche Versuche gemacht. - -Als geübter Bekämpfer von Schwierigkeiten aller Art trat ich am Tage -vor meiner Abreise meine Wanderschaft nach seinem Bureau an. Zwar -wurde ich von seinen Untergebenen abgewiesen; da ich aber vernahm, daß -er in seinem Arbeitszimmer, 1 Treppe hoch, sich befinde, so ging ich -sofort hinauf. Er empfing mich sehr artig; zunächst gab ich ihm den -Endzweck meines Besuches zu erkennen, daß ich von seinem vielgelesenen -Blatte ein Exemplar in Berlin, wohin ich am folgenden Tage abreise, -jede Woche zu erhalten wünsche. Er freute sich, daß ihn ein Preuße mit -seinem Besuch beehre und sprach Vieles zum Lobe unserer Landsleute. -Hierauf richtete er mehrere Fragen an mich in Beziehung auf die V. S., -wahrscheinlich in der Erwartung, Amerika gepriesen zu hören. Da ich -indeß in meinem Urtheile stets meiner Ueberzeugung folge, so sah er -sich zuletzt zu der ausdrücklichen Frage getrieben, ob die Amerikaner -nicht erstaunende Fortschritte gemacht hätten, worauf ich entgegnete, -daß sie bei dem guten Willen, den wir Europäer für sie gezeigt, indem -wir ihnen die Quintessenz unserer lebenslustigen Genies zukommen -ließen, viel weiter sein müßten, als sie sind. Er lachte und meinte, -man müsse nicht außer Acht lassen, daß das Land noch sehr jung sei; -hierauf bemerkte ich, daß man mit der Jugend begangene Thorheiten nicht -immer beschönigen könne u. s. w. Er entließ mich beim Abschiede höchst -artig und ich verließ ihn ganz befriedigt, da ich nicht weniger, als -ich erwartete, in ihm gefunden hatte. - -Mit Sehnsucht erwartete ich den Tag meiner Abreise, der mit dem 1. -August erschien. Am Bollwerk wimmelte es von Neugierigen, so daß -ich nur mit Mühe zum Schiff gelangen konnte; Jeder wünschte, das -majestätische Schiff sich in der Nähe ansehen zu können, allein, daß -den Majestäten schwer zu nahen ist, bewährte sich auch hier, denn -die vom Capitain aufgestellten Mulatten-Wachen ließen das abweisende -Wort vernehmen: die freien Entreen sind ohne Ausnahme nicht gültig. -Es war für die Stadt ein Festtag, denn neben den 2 Dampfschiffen, -die heute abfahren sollten, nämlich außer der Brittish Queen und der -Great Western, segelten noch 4 andere Schiffe an diesem Tage ab, und -entführten der Stadt 6 bis 700 Seelen. Alle Schiffe, die Ufer und -die auf diesem befindlichen Häuser waren mit Menschen übersäet und -zu unserer Begleitung waren sechs Dampfschiffe mit allen nöthigen -Erfrischungen für 8-10,000 Personen ausgerüstet und mit Musik-Chören -versehen; man sah Flaggen in den vielfältigsten Farben wehen. Unter -den 6 Schiffen zeichnete sich das für Seereisen bestimmte Dampfschiff -Neptun in jeder Hinsicht aus. Seiner Pflicht eingedenk, benahm sich -der mächtige Gott nicht anders, denn als Begleiter; um den schuldigen -Respect nicht außer Acht zu lassen, folgte er der kraftvollen Königin -auf der Ferse und seine Hofkapelle mußte immerfort das „God save the -Queen“ executiren, worauf ein allgemeines Hurrah erschallte. Unser -Capitain zeigte sich jetzt, wie zu erwarten stand, dem Wassergotte -dankbar; er supplicirte nämlich bei der brittischen Majestät, daß sie -sich ihrer Macht und Schnelligkeit nicht überheben wolle. Wir bewegten -uns demnach sehr langsam vorwärts und hatten recht lange das Vergnügen, -den herrlichen Inhalt jener 6 Schiffe mit der Elite der New-Yorker -Frauen in unserer Nähe zu sehen. Es war ein herrlicher Anblick, die -liebenswürdigen Amerikanerinnen zu sehen, wie sie mit ihren weißen -Battist-Tüchern wehten und den Abschied zuwinkten; ich glaube, der -festeste Hagestolz hätte nicht ungerührt dabei bleiben können. Auch -in meiner Brust stiegen Wünsche auf und -- was wäre der Mensch ohne -Wünsche! - -Das Wetter war ausgezeichnet schön und die Zeit, welche zur Fahrt bis -zum Hafen erfordert wird, verstrich sehr bald. Jetzt erfolgte der -Abschiedsgruß und nachdem dieser mit großer Innigkeit ausgedrückt war, -wurde mit Trompetenschall zum Mittagessen eingeladen. Da jede Freude -um so stärker empfunden wird, wenn ihr ein Schmerz vorangeht, so mußte -jetzt der Anblick eines im prächtigen Salon in silbernen Gefäßen auf -den Tischen prangenden Mittagessens bei den Meisten wenigstens sehr -freudige Empfindungen erregen. Es war Alles so reich servirt, daß der -Werth der silbernen Geräthe vielleicht zur Erhaltung der Banken in -Philadelphia hätte zureichen dürfen. - -Vor Allem erhielt jeder der Passagiere die polizeilichen -Schiffsverordnungen auf einer Carte; hiernach durfte vom Anfang bis zu -Ende der Reise der Platz bei Tische nicht gewechselt werden, es war -bestimmt, auf wie viele Bettüberzüge und Handtücher man Anspruch machen -dürfe. Unstreitig gehörte die Bestimmung, daß nach 11 Uhr kein Licht in -irgend einem der Zimmer geduldet werden solle, zu den allerbesten, und -es wurde auch sehr strenge darauf gehalten. - -Die Gesellschaft in beiden Cajüten bestand aus etwa 110 bis 130 -Personen; daß daher die Rückreise bei dieser bessern und zahlreichern -Gesellschaft mir mehr Unterhaltung gewähren werde, als die Hinreise auf -dem Quebeck, war zu erwarten. Bald zeigte sich dies aber auch deutlich, -indem man sich allgemein mir näherte und ich bei meinem Namen angeredet -wurde. Die Ursache hiervon aufzufinden gelang mir mit allem Nachdenken -nicht, bis ich endlich, als wir uns zum Mittagessen niedersetzten, -Aufschluß darüber erhielt. Mein Platz am Tische wurde mir nämlich in -der Nähe des Capitain Roberts angewiesen; Capitaine aber präsidiren in -der Regel auf allen Schiffen beim Mittagessen. Dieser Capitain, welcher -früher im Dienste der Königlichen Marine gestanden hatte, und also ein -höchst gebildeter und charmanter Mann war, reichte mir ein Extra-Blatt -des Morning Herald, welches eine Stunde vor unserer Abfahrt erschienen -war, mit der Aufforderung, die durch seinen Finger bezeichnete Stelle -zu lesen. Wie erstaunte ich, als ich den Endzweck meiner Reise durch -den Redakteur dieses Blattes, zwar sehr schmeichelhaft für mich, -allein auf ganz entgegengesetzte Weise berichtet fand! Er ließ mich -nämlich in der Eigenschaft eines Schriftstellers und zwar auf Kosten -der Preußischen Regierung reisen. Ich bedauerte die Unwahrheit des -ganzen Aufsatzes, hätte aber wohl gewünscht, daß ein Theil davon, -daß ich nämlich auf Kosten der Regierung reise, wahr gewesen wäre. -Der Aufsatz schloß mit der Versicherung, daß mein, wie er hoffe, -bald herauskommendes Buch über die V. S. seiner Meinung nach zu den -besten bis jetzt erschienenen werde gezählt werden können. Sollte -der Redakteur zu dieser Meinung durch meine Urtheile über die V. S. -veranlaßt worden sein? In diesem Falle könnte ich mich seiner -Zustimmung zu meiner Ansicht versichert halten und die Zustimmung eines -solchen Mannes wäre mir in jeder Hinsicht angenehm. - -So unangenehm mir indeß jener Irrthum war, den ich nicht ermangelte, -dem Capitain zu bezeichnen, so war mir derselbe doch nach genauer -Erwägung nicht unwillkommen. Der Redakteur jenes Blattes hatte die -ganze Masse von 600 Personen, die an jenem Tage New-York verließen, -analisirt und nur sieben männliche Personen, unter welchen auch -ich mich befand, von der Vagabonden-Liste ausgeschlossen: außer -diesen sieben und 200 Matrosen, waren sämmtliche übrigen Passagiere -Spitzbuben, Taschendiebe, Spieler von Profession, Stock-Jobbers, -Menschen ohne Beschäftigung, Herumtreiber (Loafers). Darunter sind -jedoch nicht zu vergessen: 24 alte Jungfern, 36 tugendhafte Frauen und -5 Prediger, welche unnamhafter Weise unter jenen aufgeführt waren. - -Die ganze Reise war Jedem höchst angenehm, weil einer von den -Direktoren der Dampfschifffahrts-Gesellschaft (Namens Lare) sich auf -dem Schiffe befand und in Verbindung mit dem Captain Roberts Alles -aufbot zum Vergnügen der Gesellschaft, und Alles abzustellen suchte, -was nur den Schein von Kleinheit hatte. Hiervon will ich nur einen -geringen Beweis anführen. Das Signal zum Aufstehen, welches des Morgens -um acht Uhr auf einer Trompete gegeben wurde, stimmte ganz mit dem -überein, welches in deutschen Dörfern die Hirten beim Heraustreiben des -lieben Viehes vernehmen lassen. Als ich dies eines Morgens scherzhaft -berührt hatte, wurde dem Schiffs-Componisten (wie denn überhaupt -für jedes Geschäft besondere Officianten sich am Bord des Schiffes -befinden, z.B. zum Entpfropfen der Flaschen, zum Abfeuern der Kanonen -u. s. w.) der Befehl gegeben, ein für menschliche Ohren angenehmes -Thema zu wählen, worauf denn dieser, mit dem letzten Componisten der -großen Oper Amalie wetteifernd, ein Thema componirte, wie es die -Preußischen Extra-Post-Postillons blasen, -- es war klassisch! - -Da sich der Capitain das Interesse der Passagiere so sehr angelegen -sein ließ, so machte ich der Gesellschaft den Vorschlag, unsere -Erkenntlichkeit durch ein Geschenk an den Tag zu legen. Mein -Vorschlag fand Anklang und bald waren 50 L. St. zur Anschaffung eines -Silbergeschirres, worauf die Namen der Steuerer zu engraviren wären, -zusammen. Die sich hiervon ausschlossen, sollten, wie man mir sagte, -Banquiers aus Philadelphia sein; waren sie vielleicht schon mit ihrer -Baarzahlung, die hier in Gold entrichtet werden mußte, auf der Hut, so -hat ihnen ihre Vorsicht nichts geholfen, denn die Banken Philadelphias -sind gefallen. - -Die Zeit auf der Reise verstrich mir unglaublich rasch; selten habe ich -in meinem bereisten Leben 14 Tage mit solcher Ruhe und Zufriedenheit -erlebt. Befand man sich im Saale, welcher ganz in der Form des -Audienz-Saales der Königin Elisabeth erbaut und ganz im Geschmack -dieser Zeit und mit derselben Pracht decorirt war, beim Mittagessen, so -hätte man glauben können, sich bei einer Königin zu Tische zu befinden, -da Speisen sowohl als Getränke königlich waren. Zum Trinken feiner -Weine findet Jeder bekanntlich leicht einen Beweggrund; ich fand einen -solchen sehr häufig in der Aufforderung vieler Reisegefährten, welche, -nachdem sie von dem Preußischen Schriftsteller im Herald gelesen, gern -ein Gläschen Champagner mit mir leeren wollten, was ich denn auch -annahm. Dieser Aufsatz im Herald bewirkte demnach meine Versöhnung mit -einem Weine, den ich viele Jahre hindurch gehaßt hatte, wovon ich aber -hier, seiner Vortrefflichkeit wegen, manche Flasche leerte. - -Am Abend vertrieb man sich die Zeit durch Spielen Vingt-un, Ecarté, -Whist und Schach; die Vormittage wurden mit Wetten über die Meilenzahl, -welche das Schiff in den letzten 24 Stunden zurückgelegt haben würde, -hingebracht; nachdem die Observationen vollendet waren, wurde jene -Meilenzahl durch ein Bulletin bekannt gemacht. Auch befanden sich -Lotterie-Unternehmer am Bord, welche die Anzahl der während der letzten -12 Stunden gemachten Meilen, mit der vermuthlichen Steigerung, auf -Zetteln niederschrieben, zusammenrollten und aus einem Hut ziehen -ließen. Der Preis eines solchen Looses war 2-4 Schillinge; wer nun die -richtige Stunde gegriffen hatte, erhielt die ganze Summe. An den sehr -bedeutenden Wetten nahmen nur die Engländer Theil, sie wurden meistens -von 30 bis zu 50 L. St. abgeschlossen. Hierbei zeichnete sich vor Allen -ein, wie es schien, unschuldiger Jüngling aus, angeblich Sohn eines -englischen Lords. -- Keine Summe schien ihm zu hoch zu sein; er wettete -auf die unsinnigste Weise 50 L. St. gegen 20 L. St., was die Yankees -zur Verbesserung ihrer Finanzen sehr zu benutzen sich angelegen sein -ließen. Allein als wir in Portsmouth ankamen und die Comptanten zum -Vorschein kommen sollten, siehe da! da waren keine zu finden. Es kam -zu merkwürdigen Auftritten, die Gewinner drängten ohne alle Rücksicht -auf den jungen Mann ein. Ein pensionirter englischer Oberst erhob -sich zuletzt als Retter für ihn und bot seine Gehalts-Quittungen an -Zahlungsstatt für den unerfahrenen jungen Mann. Man griff zu, aber -da die Sicherheitspapiere nur für einen kleinen Theil des Verlorenen -ausreichten, so begnügten sich Viele mit dem Ehrenworte des Jünglings, -seine Schulden in London bezahlen zu wollen. Unter seinen Gläubigern -befand sich auch ein Franzose und dieser befand sich einmal, da -jener wieder eine Wette abschloß, in meiner Nähe. Er zeigte seine -Verwunderung über das unsinnige Wetten der Passagiere aus der ersten -Cajüte und sagte: „dieser Herr wettet bedeutende Summen mit den Herren -aus Ihrer Cajüte, während daß er uns allen, die mit ihm in der zweiten -Cajüte sich aufhalten, kleine Summen, die er im Whist u. s. w. verloren -hat, nicht bezahlt.“ - -Als ich am folgenden Morgen beim Abschließen einer Wette von Bedeutung -zwischen dem Lords-Sohn und einem Liverpooler Kaufmann hinzutrat, -warnte ich den letztern vor einer gefahrvollen Wette, wobei Nichts -zu gewinnen stehe; der Kaufmann hielt die Erzählung von Seiten des -Franzosen für eine Verleumdung und erbot sich, sogleich die schuldige -Summe dem Franzosen auszuzahlen, wenn er ihm eine schriftliche -Anweisung auf seinen Schuldner einhändige. Der Franzose nahm nur die -Hälfte des Belaufs und war sehr froh, so viel erwischt zu haben. Die -Anweisung wurde auch später acceptirt, aber gleich den übrigen nicht -ausbezahlt. Der Liverpooler Kaufmann, der in Portsmouth blieb, bat -mich, an seiner Stelle sie in London einzukassiren; da aber jener mit -dem Gelde sich nicht bei mir gemeldet hat, so wünsche ich, daß der -Liverpooler Kaufmann seine Anweisung von mir in Empfang nehmen mag. - -In Portsmouth verließen uns auch diejenigen, welche ihre Reise nach -Frankreich fortsetzen wollten und Alle nahmen einen recht innigen -Abschied von uns. Der Wahrheit gemäß muß ich bekennen, daß mir derselbe -mit wärmeren Ausdrücken als vielen Andern zu Theil wurde, indem man -mir die Ehre erwiesen hatte, mir den Titel: leading soul of the -company (leitende Seele der Gesellschaft) beizulegen -- eine Folge des -Champagner Geistes. Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß ich -mich zwar oft auf Paqueten in Gesellschaft vieler Passagiere befunden, -aber nirgends diese Eintracht und Herzlichkeit wie hier bemerkt habe. -Auch der Capitain äußerte sich auf dieselbe Weise gegen mich, dessen -Urtheil um so ehrenvoller ist, da er das erste Dampfschiff Syrius -nach Amerika geführt hat, weshalb man ihn auch in den sämmtlichen -Amerikanischen Staaten zum Ehrenbürger ernannte und seinen Namen in den -Annalen aufzeichnete. - -Von Gravesand aus mußten wir uns, wegen Mangel an Wasser, in der Themse -ein kleines Dampfschiff miethen, indem wir sonst wohl 24 Stunden -später in London angekommen wären. Der erste Steuerbeamte unseres -Dampfschiffes expedirte einen Untergebenen mit unsern Effecten nach -London ab; es wurde ihm ein Verzeichniß über Alles mitgegeben, welches -er in London zur Bescheinigung vorlegen und zurückbringen sollte. -Dieses schwerfällige Verfahren war für die Passagiere sehr unbequem. -Man denke sich, welche Zeit dazu erforderlich war, das Gepäck von einer -so großen Anzahl Reisender, wovon Niemand weniger als drei, Manche vier -bis fünf Stücke hatte, vom Ufer nach dem Revisions-Saale hinzuschaffen -und dies um so mehr, da nur vier Träger hierzu kommandirt waren, und -der Ueberbringer darf nicht eher zur Ueberlieferung schreiten, bevor -nicht jedes der mitgebrachten Stücke im Saale da liegt: mehrere Stunden -vergingen, ehe das Geschäft beendet war. Sämmtliche Herren warteten -im Nebenzimmer des Saales, aus welchem eine Thüre nach jenem führt -und eben so an der andern Seite die Damen. Nach dem Verzeichniß der -Angelangten, welches der Beamte von Gravesand mitgebracht hat, werden -jene nun, der Reihe nach, aufgerufen und in den Saal hineingelassen. -In den Gehirnen der sämmtlichen Revisoren befinden sich vermuthlich -brennende Cigarren, und da Cigarren als Monopol der Regierung zu -betrachten sind, indem für jedes Pfund neun Sch. (etwa drei Thlr.) -Steuer gezahlt wird, so sehen die Revisoren in den Koffern, Säcken -u. s. w. nichts als Cigarren. - -Da ich nur einige Tage in London zu verweilen mir vorgenommen hatte, -so nahm ich nur so viel Cigarren mit, als ich auf meiner Reise bis -nach Hamburg nöthig zu haben glaubte. Sie wurden gewogen und das -Gewicht auf 14 Unzen angegeben. Beim Fortgehen wurde ich vom Beamten -an Bezahlung der Steuergefälle für diese Cigarren erinnert, welche auf -10 Sch. (3½ Thlr.) bestimmt wurden. Vertraut mit der Landessprache -und den Gesetzen, erlaubte ich mir, gleich einem Eingebornen, den -Steuerbeamten auf seine gesetzwidrige Forderung aufmerksam zu machen -und die ihm gemäß der Constitution gebührenden Verweise zu geben. -Hierauf erwiederte derselbe mit großer Gelassenheit: „Wenn Sie sich als -Reisender zur Einführung einer Quantität Taback unter einem Pfund an -Gewicht berechtigt glauben, so bezahlen Sie nichts dafür.“ Dies geschah -denn natürlich. - -Sollte die englische Regierung nicht vielleicht noch einmal auf den -Einfall kommen, zum Wohl und zur Erleichterung der Reisenden eine -Revision wie die in Belgien einzuführen? Der Verfasser langte einst zu -Antwerpen in Gesellschaft von 140-150 Passagieren an und überzeugte -sich, daß sämmtliches Gepäck und Pässe in Zeit von einer ½ oder -höchstens ¾ Stunde durch zwei Beamte, welche sich sogleich nach Ankunft -des Dampfschiffes auf demselben eingefunden hatten, revidirt wurden. - -Mein Aufenthalt in London war, wie immer, nur von kurzer Dauer, da ich -diesem bewundernswürdigen Orte nie Geschmack abzugewinnen vermochte. Es -geht mir beinahe mit London, wie dem Philosophen Mendelssohn mit dem -Schachspiel; er urtheilte, daß es als Spiel zu viel, als ernsthafte -Sache zu wenig sei. Eben so ist mir London als Stadt zu groß, als -Königreich aber zu gering; die unendliche Anzahl der Wagen und Karren -in der City vom Mittag an bis um fünf Uhr Nachmittags muß Einem lästig -werden. - -Die Caledonia nach Hamburg! hieß es, ein überaus rasches, der general -steam-navigation-Company zugehöriges Schiff, in welchem sich mit jener -Eigenschaft Pracht und Herrlichkeit vereinigt haben. -- Allein was -fand ich, als ich mich Morgens früh in die untern Räume begab, in -welchen die Ausstreckplätze für Reisende sich befinden? Eine finstere -Höhle, in welcher sich bereits sämmtliche Mitreisende am vorigen -Abend eingefunden und auf das Lager ausgestreckt hatten, eine Höhle, -angefüllt mit pestilenzialischen Gerüchen von altem Maschinen-Fett, -von abgestandenem Seewasser u. s. w. Mir wurde beinahe übel davon und -ich mußte dem Decke zueilen, um zur Besinnung zu gelangen. Zwei Nächte -sollte ich hier zubringen? Nachdem ich eben die Brittish Queen und -eins von den ersten Hotels verlassen hatte, mußte ich mich mit einem -Orte begnügen, ähnlich dem, worauf die Arbeitsleute Londons für einen -Pence schlafen. Indeß die Vernunft gebietet, Alles zu nehmen, wie es -ist und davon zu abstrahiren, was es sein könnte; dieser Vernunftlehre -folgte ich und fühlte mich daher nicht so unglücklich, wie mehrere -meiner Reisegefährten, von welchen ich nur einige sehr hohe russische -Staatsbeamten, einen General und einen Kaiserlichen Leibarzt, anführen -will. Diese fühlten sich in der That sehr unglücklich und um nicht in -jener mit grauenvollen Gerüchen überfüllten Höhle zu schlafen, legten -sie sich unentkleidet auf die Sopha’s in der obern Cajüte. - -Am zweiten Tage zerbrach eine Maschine dieser prächtigen Caledonia, -dennoch kamen wir weit rascher vorwärts als auf der Hinreise nach Hull -mit den geschwinden zwei Maschinen der Rob Roy. Bald freute ich mich zu -sehen, daß die hamburgischen Bootsleute noch gesund waren, uns rasch -der Caledonia entführten, und bald überzeugte ich mich, daß sie den -Werth der holsteinischen Zwei-Drittelstücke noch kannten, dies auch -leider schwerlich bald verlernen werden. - -Da saß ich nun endlich wieder an der table d’hote bei dem freundlichen -Wirth des Hotels St. Petersburg in der Mitte von Hamburgern. -Wie ich schon früher wiederholt gethan; so nahm ich auch jetzt -Gelegenheit, gegen das Verfahren der hamburger Regierung bei der -Brief-Versendung nach England mich dahin auszusprechen: „daß es weit -sicherer und zugleich auch vortheilhafter für Deutschland sein müsse, -seine Correspondenz statt in einem für Reisende ganz ungeeigneten -Dampfschiffe, lieber in einem von Hamburg aus besser ausgerüsteten, -unter Aufsicht des Hamburger Postamts, befördert zu wissen. Dadurch -würde der englischen Regierung das Amt eines General-Postmeisters -für diesen Theil der deutschen Schifffahrt streitig gemacht und -auch der Willkühr der general steam-navigation-Company in Erhebung -des Passage-Geldes Schranken gesetzt.“ Obgleich die Zuhörer mir -beipflichteten, so bin ich doch überzeugt, daß es beim Alten bleiben -wird, weil in Hamburg in einem weit höhern Grade gemeiner Geist als -Gemeingeist herrscht, was wohl dem Umstande zuzuschreiben ist, daß -es auch daselbst zu viele Commissionaire giebt. Es wird Manchem -unglaublich scheinen, wenn ich versichere, daß die größere Hälfte der -Bevölkerung auf direktem oder indirektem Wege von Commissionsgeschäften -nicht allein leben, sondern auch groß leben und zwar nicht selten 3-4 -Familien von einem und demselben Geschäft. Da giebt es Quartiers-Leute, -Litzenbrüder, Mäkler u. s. w. in Legionen, welche Alle zur Erhaltung -der Commissionaire auf das kräftigste wirken. Wer diese Wirksamkeit -belohnen muß, ist sehr klar. Sollte indeß Hannover dem Zollverbande -einstens beitreten, welches für diesen höchst wünschenswerth sein muß, -weil er durch Embden einen Landungspunkt in der Nordsee erlangte, so -dürften für Hamburg nach so viel fetten Jahren die magern nicht fern -mehr sein. - - - - - Verbesserungen. - - - Seite Zeile - - 26 24 statt einem brennenden Cigarren, lies: brennender Cigarr - 33 3 „ Handelsstand bier, -- Handelsstand hier - 46 20 „ the hole in the wale, -- the hole in the Wall - 52 2 „ Gäng und Gäbe, -- Gang und gebe - 64 25 „ 40 Millionen, -- 140 Millionen - 66 19 „ Umstände, -- Bestände - 67 30 „ aus Spekulation, -- auf Spekulation - 74 33 „ aufgetrieben, -- aufgerieben - 75 19 „ 95 Piaster, -- 98 Piaster, wie S. 1. - - - - - Gedruckt bei +A. W. Hayn+. - - - - -Fußnoten: - -[A] Anmerkung. Es ist dem Verfasser nicht unbekannt, daß in den -geographischen Handbüchern die Einwohnerzahl Cuba’s weit größer -angegeben wird; allein bestimmt läßt sich dieselbe nicht angeben, -da eine Zählung fast unmöglich ist; und nehmen wir auch an, daß sie -früher über 900,000 Einw. betragen hätte, so sind doch an der Cholera -150-200,000 Menschen, besonders Neger auf Cuba, gestorben, die noch -nicht ersetzt sind, indem die erforderlichen Kapitalien dazu fehlen. - -[B] Anmerkung. Dies sind diejenigen Ballen, die, wie früher bemerkt, -für Ginghams, mithin für Baumwollen-Waaren einpassirten, ungeachtet es -wollene Waaren waren; -- eine Revision hat mithin nicht stattgefunden. - -[C] Anmerkung. Es ist in Havana üblich, vor der Promenade an der -Seeküste eine Tasse schwarzen Caffee zu trinken, um sie bis 9 Uhr, der -Zeit des Frühstücks fortsetzen zu können. Diese Stunden aber werden -allgemein als die passendsten zur Promenade angesehen, weil hier in -den Morgenstunden gewöhnlich ein kühler Nord- oder Nordostwind weht, -und man auch gewöhnlich an der Küste die Signale der sich annähernden -Schiffe vom Fort durch Flaggen angezeigt findet. - -[D] Anmerkung. Da es keine Bierbrauer in Havana giebt, so wird zum -Aufgehen des Brodes Sauerteig genommen und mit Schweineschmalz -vermischt. - -[E] Anmerkung. Um dies zu erklären, muß ich Folgendes bemerken: -hausirende Conditor-Neger tragen diese Delicen etwa eine Stunde vor -dem Mittagsessen in kleinen Portionen à 4-8 Sgr. auf einem langen -Brette auf dem Kopfe umher und da sich über den Confituren keine Decke -befindet, so sind dieselben mit Staub bedeckt und mit kleinen Insekten -überfüllt. - -[F] Anmerkung. Panaly ist Zucker in Gestalt einer Honigscheibe -aus rohem Zucker und Eiweiß, wodurch der Spanier seinen Sinnen -geschmeichelt glaubt. Zwei Panaly, eine halbe Citrone und ein Glas -Regenwasser wird mit 2 Gr. Cour. bezahlt und wird häufig und überall -zur Abkühlung getrunken. - -[G] Anmerkung. Kohlen ist einer der ersten Artikel in Havana, da Alles -bei Holzkohlen gekocht wird, Schornsteine findet man hier nur bei -Bäckern. - -[H] Anmerkung des Verfassers. Jetzt vielleicht nur noch 20 Millionen. - -[I] Anmerkung. Zieht man den bedeutenden Belauf der geschmuggelten -Waaren dabei noch in Erwägung, so zeigt sich der Ausfall in der -Handelsbilanz noch größer. - -[J] Anmerkung. Dieses Prachtgebäude kostet nicht mehr, aber auch nicht -weniger als 1,900,000 Piaster, nämlich 1,300,000 P. das Gebäude, und -600,000 der Boden auf welchem es steht. - -[K] Anmerkung. Der Gründer der ersten Landbank in Amerika war der -Oberst Schute im Jahre 1715; für die eingezahlte baare Summe von 50,000 -L. St. wurden Zettel ausgegeben. Durch eine scheinbare Unzulänglichkeit -des neuen Zahlmittels wurde eine zweite Zettel-Ausgabe von 100,000 L. -St. angeordnet. Man schrie bald über die Ueberschwemmung mit Papier, -und die Zettel sanken unter die Hälfte des Nominalwerthes. Shirley -(ein englischer Rechtsgelehrter) schenkte der Unordnung im Geldwesen -seine Aufmerksamkeit, entfernte den größeren Theil des Papiergeldes -allmählich aus der Circulation, und hob hierdurch den Cours desselben -auf das Pari mit baarer Münze. Nach dem Aachener Frieden war indeß der -Werth der Bankzettel dermaßen gesunken, daß man für 1200 L. St. Zettel -nur 100 L. St. baares Geld erhielt. Im Jahre 1750 wurde alles in den -nördlichen Brittisch-Amerikanischen Kolonieen befindliche Papiergeld -für werthlos erklärt. - -[L] Anmerkung. Wir brauchen, ist die gewöhnliche Redensart, obgleich -sie unrichtig ist, weil wir verbrauchen etc. gebraucht werden müßte. - -[M] Anmerkung. Nach der Geschichte Virginiens unter König Jacobs -Regierung, der Plymouth-Compagnie und der Puritaner (im Jahre 1650) -heißt jener Theil Amerika’s Neu England und die Bewohner desselben -heißen ein Jahrhundert hindurch Britten, Holländer und Franzosen. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Schilderungen des Treibens im Leben -und Handel in den Vereinigten Staat, by Julius Ries - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHILDERUNGEN DES TREIBENS *** - -***** This file should be named 54391-0.txt or 54391-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/4/3/9/54391/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Schilderungen des Treibens im Leben und Handel in den Vereinigten Staaten und Havana. - Gezeichnet auf Reisen in den Jahren 1838 und 1839 - -Author: Julius Ries - -Release Date: March 19, 2017 [EBook #54391] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHILDERUNGEN DES TREIBENS *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0"> Der vorliegende Text wurde anhand der 1840 erschienenen -Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden -stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche Ausdrücke, Groß- und -Kleinschreibung, usw. wurden nicht verändert, wenn die Verständlichkeit -der Passage dadurch nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere -auch für ins Deutsche übertragene fremdsprachliche Ausdrücke, die -teilweise lediglich phonetische Übertragungen darstellen. Die -‚<a href="#Verbesserungen">Verbesserungen</a>‘ am Ende des Buches wurden -vom Bearbeiter bereits in den Text eingearbeitet.</p> - -<p class="p0">Die Ergebnisse der Additionen in den Tabellen sind -möglicherweise nicht in allen Fällen korrekt; da die Angaben aber nicht -nachvollzogen werden können, wurden alle Zahlen aus dem Original ohne -Korrektur übernommen.</p> - -<p class="p0">Die Verwendung von Frakturschrift in den Überschriften -erscheint rein willkürlich und dient augenscheinlich ausschließlich -dekorativen Zwecken. Zur Darstellung von <span class="antiqua">Frakturschrift</span> -wurde die Schriftart ‚Old English Text MT‘ verwendet. Sollte diese auf -dem verwendeten Lesegerät nicht zur Verfügung stehen, wird ersatzweise -eine serifenlose Standardschrift angezeigt. <span class="htmlnoshow">Abhängig -von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die -im Original <span class="gesperrt">gesperrt</span> gedruckten Passagen -gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch -gesperrt erscheinen.</span></p> - -</div> - -<div class="titelei"> - -<h1><span class="s6">SCHILDERUNGEN</span><br /> - -<span class="s6"><span class="smaller">DES</span></span><br /> - -TREIBENS IM LEBEN UND HANDEL<br /> - -<span class="s7"><span class="smaller">IN DEN</span></span><br /> - -<span class="s6">VEREINIGTEN STAATEN UND HAVANA.</span></h1> - -<div class="figcenter"> - <a id="deko_titel" name="deko_titel"> - <img class="w9em mtop2 mbot3" src="images/deko_titel.jpg" - alt="Dekoration" /></a> -</div> - -<p class="s4 center">GEZEICHNET</p> - -<p class="s3 center">AUF REISEN IN DEN JAHREN 1838 -<span class="smaller">UND</span> 1839</p> - -<p class="s6 center">VON</p> - -<p class="s2 center"><b>JULIUS RIES.</b></p> - -<hr class="double" /> - -<p class="s3 center">BERLIN, 1840.</p> - -<p class="center">Auf Kosten und im Selbstverlage des Verfassers.</p> - -<hr class="r10" /> - -<p class="s5 center mbot3">Burg-Straße No. 17.</p> - -<p class="center">Aufgeschnittene und beschmutzte Exemplare werden nicht -zurückgenommen.</p> - -</div> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_iii" id="Seite_iii">[S. iii]</a></span></p> - -<h2 id="Vorrede"><span class="antiqua">Vorrede.</span></h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">V</span>orreden werden gewöhnlich geschrieben, um böse Nachreden von Seiten -der Leser zu verhüten. Indeß wird dieser Zweck hierdurch selten, -oder auch nie erreicht; und wozu auch? Werden ja doch des allgütigen -Schöpfers Werke auf das allerheftigste getadelt, wie soll also ein -menschliches Werk dem Tadel entgehen. Der Verfasser unterfängt sich -nicht, dem Publikum etwas Untadelhaftes bieten zu wollen, deshalb -wollte er auch alles Vorreden unterlassen, da er ohnedies im Buche -selbst hinreichend auf Zweck und Endziel desselben aufmerksam gemacht -hat. Nicht also um Kritiker sanfter zu stimmen, sondern zur vorläufigen -Orientirung der Leser, und um sich gegen Mißdeutungen zu schützen, -erlaubt er sich einige Bemerkungen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_iv" id="Seite_iv">[S. iv]</a></span></p> - -<p>Die erste ist die, daß er hier nichts mittheilt, als was er selbst -erfahren, oder was er durch einiges Nachdenken gefunden hat; das -Büchermachen aus andern Büchern, wie es auch bei Reisebeschreibungen -gebräuchlich ist, will er Andern überlassen. Als Kaufmann hat er -vorzugsweise für praktische Kaufleute geschrieben, hofft jedoch, -daß Manches in seinem Buche auch von Andern nicht uninteressant -dürfte gefunden werden. Systematische Ordnung hielt er in solchen -Mittheilungen für überflüssig, er hat die Beobachtungen und -Betrachtungen, wie sie sich ihm theils auf der Reise, theils von selbst -darboten, dem Leser vorgelegt; wenn er daher im Verlauf der Erzählung -auf einen Gegenstand zurückkommt, so geschieht es nur dann, wenn die -frühere Bekanntschaft mit dem Gegenstande durch die spätere bedeutend -vermehrt und wirklich ergänzt wird.</p> - -<p>Die zweite Bemerkung betrifft die Betrügerei der Commissionaire, mit -deren Enthüllung ein ziemlicher Theil dieses Buches sich beschäftigt. -Möchte es dem Verfasser gelungen sein, einen tüchtigen Stich in dieses -Wespennest zu thun, denn eine böse Gattung von Wespen sind die von -demselben bezeichneten, die schon manchen Bienenstock um ihren Honig -gebracht haben. Daß der Verfasser nicht <em class="gesperrt">alle</em> Commissio<span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">[S. v]</a></span>naire -zu jenem Wespengeschlecht zählt, wird wohl jedem Vernünftigen von -selbst einleuchten. Auch die Johann und Cosmus von Medici, so wie die -Fuggers in Augsburg, waren einst Commissionaire, aber zugleich was -für treffliche, hochgesinnte Männer! Auch die Rothschild’s sind durch -den höchsten Grad der Rechtlichkeit zu der hohen Stellung gelangt, -die sie jetzt einnehmen. Daß der Verfasser ähnliche Commissionaire, -wenn sie auch nicht so angesehen und reich sind, nicht in seinen Tadel -einschließt, versteht sich von selbst. Daß er aber die Mysterien jenes -Wespengeschlechts schonungslos zur Publicität bringt, so jedoch, daß er -alles Gesagte mit schriftlichen Documenten belegen kann, dafür wird der -Verfasser wohl keinerlei Entschuldigung bedürfen, er glaubt vielmehr, -auf den Dank einsichtiger Geschäftsleute rechnen zu dürfen, und dies um -so mehr, da er hauptsächlich, um diesen zu nützen, seine Erfahrungen -mittheilte.</p> - -<p>Selten erscheinen praktische Kaufleute in der Reihe der Autoren, denn -haben sie gute Geschäfte gemacht, so haben sie Gründe, dies nicht der -Welt bekannt zu machen, im umgekehrten Falle schämen oder scheuen sie -sich wohl gar. Der Verfasser hat sich von jenen zwei Ursachen der -Verheimlichung nie beherr<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">[S. vi]</a></span>schen lassen, und da er als Kaufmann nicht -länger zu praktiziren gesonnen ist, weil kaufmännische Geschäfte jetzt -nichts Erfreuendes darbieten, so wünscht er, daß die zum Nutzen für -angehende Kaufleute gestreute Saat gesegnet aufgehen möge.</p> - -<p class="right mright3"><i>Julius Ries.</i></p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_vii" id="Seite_vii">[S. vii]</a></span></p> - -<h2 id="Inhalts-Verzeichniss"><span class="antiqua">Inhalts-Verzeichniß.</span></h2> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Einleitung. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#Einleitung">Seite 1</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Ursache und Zweck der Reise. — Die Hamburger Pavillons. - — Das Huller Dampfschiff und der Redacteur der Huller - Times. — Die Seekrankheit als Schönheitsmittel. — - Eine Flüchtige aus London und der Konstabler. — Die - Reisegesellschaft. — Der Schauspiel-Director W. — Ein - derber Italiener als Nebenbuhler von Lablache. — Die Reise - auf Paquet- und Dampfschiffen. — Sturz des Verf. von der - Cajütentreppe. — Ueble Lage desselben als Kranker in einem - Schiff. — Ankunft in New-York. — Quarantaine-Revision. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - New-York. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#New_York">S. 15</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Beverley-House. — Fortdauernde Krankheit des Verfassers. - — Englands Handel und Fabrikation im Verfall. — Wucher - beim Pfandleihen. — Boarding- oder Kosthäuser. — - Lebensweise in diesen. — Wein und Weinpreise in Amerika. - — Gutsbesitzer und deren Hornvieh. — Beschreibung von - Broad-Way. — Oeffentliche Anständigkeit und Sittlichkeit - der Amerikaner. — Caffé de mille Colonnes. — Das - Stadt-Hospital. — Chatham. — Waaren-Auktionen. - — Nothwendigkeit einer baldigen Handelskrisis. — - Musquitos. — Theater, und List, um volle Häuser zu gewinnen. - — Militairische Ordre. — Einrichtung des Packhofs. - — Glück des New-Yorker Brandunglücks für die Fabrikwelt. - — Tabelle über die Fabrikation in den V. S. — - Industrie-Ausstellung. — Prächtige Feuerspritzen. — - Deutsche Kirchen und Prediger. — Behr, der mecklenburger - Wollhändler. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="abteilung" colspan="2"> - <span class="s4">Z<span class="g">w</span><span class="g">e</span><span class="g">i</span><span class="g">t</span><span class="g">e</span> - <span class="g">A</span><span class="g">b</span><span class="g">t</span><span class="g">h</span><span class="g">e</span><span class="g">i</span><span class="g">l</span><span class="g">u</span><span class="g">n</span><span class="g">g</span>.</span><br /> - <span class="s5">H<span class="g">a</span><span class="g">v</span><span class="g">a</span><span class="g">n</span><span class="g">a</span>.</span> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Reise nach Havana, Oertlichkeit und Einrichtung daselbst. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#Reise_nach_Havana">S. 45</a> -<span class="pagenum"><a name="Seite_viii" id="Seite_viii">[S. viii]</a></span> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Abreise nach Havana auf dem Paquet Norma. — Paßverlegenheit. - — Champagner. — Permitts, oder Erlaubnißscheine - zum Anlanden. — Logis. — Der Verfasser miethet eine - Kammer, welche wegen der vielen, in derselben sich aufhaltenden - Thierarten mit Noah’s Arche zu vergleichen wäre. — Place des - Armes. — Oeffentliche Promenade der Havaneserinnen. — - Havana’s Straßen, Volanten, Gefahr auf den Straßen durch diese. - — Ladendiener für Damen, und deren Art beim Einkaufen. - — Häusliche Einrichtung und Sclaven-Einkauf hierzu. — - Havanesische Kochkunst. — Mahlzeiten und Sclaven-Bedienung - hierbei. — Vergnügungen der Sclaven am Weihnachts-Feste. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Ueber die Handels- und Geschäfts-Verhältnisse in Havana. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#Geschaefts_Verhaeltnisse_in_Havana">S. 59</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Der deutsche Commissionair M. — Waarenunkunde der - Commissionaire; ihre Lebensweise. — Die Mercadere. — - Importation auf Cuba. — Europäische Facturen sind für - die Commissionaire überflüssig. — Detailleurs, Hausirer - und Lotterie in Havana. — Geldmangel, hoher Zinsfuß und - Waaren-Ueberfluß. — Vorschlag, um dies Uebel für den - europäischen Handel nach Westindien zu heben. — Ein Beispiel - von der Verfahrungsweise der Commissionaire beim Abrechnen - mit Europäern. — Merkwürdig wohlfeiler Waarenverkauf. - — Der übermäßige Gewinn beim Sclavengeschäft. — - Import des Mehls auf Cuba. — Procedur des Verfassers gegen - die schlauen Commissionaire. — Advokaten, Prokuratoren, - Stempelpapier, lange und theure Prozesse. — Der Verfasser muß - Sclavenhändler werden. — Unverschämtheit der Commissionaire - in Anrechnung der Kosten. — Der Commissionair M. will, - daß der Verfasser einen um das doppelte erhöhten Zoll bezahle. - — Des Verfassers Prozeß. — Edles Betragen der - Spanier und des englischen Consuls hierbei. — Wuth und - Schlauheit der Gegner. — Bemühungen des Verfassers, die - Zoll-Defraudationen von Seiten seines Commissionairs zu ermitteln. - — Humanität und Gefälligkeit des Gouverneurs hierbei. - — Hinhaltendes Verfahren der Zollbeamten gegen dieses - Unternehmen. — Der Betrug kömmt endlich bestimmt zu Tage. - — Revenuen der Insel Cuba. — Ueber die Veruntreuung, - und Straflosigkeit solches Betrugs. — Der Verfasser - überreicht dem Gouverneur einen Aufsatz über Verbesserung der - Douanen. — Specificirte Rechnungen und Nachweisungen über - die von Moyer und Dakin erpreßten Summen. — Unkosten von - Waarensendungen nach Vera-Cruz. — Forellen und französische - grüne Erbsen in Havana aufgewärmt, à 1½ Piaster eine Portion. - — Contrast der Franzosen und Deutschen in Havana. — - Ueber Meta-Geschäfte nach- und von Westindien. — Ueber die - niedrigen Preise der Colonial-Waaren in Europa. — Verkehr in - Havana mit den V. S. — Wechselgeschäfte. — Einfuhr von - Mehl, Rindfleisch, Fettwaaren etc. etc. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_ix" id="Seite_ix">[S.ix]</a></span> - Ueber die Feste und Vergnügungen der Havaneser. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#Feste_und_Vergnuegungen">S. 107</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Der Carneval. — Fortuna. — Austern und Backenbärte. - — Rekrutirung der Weinflaschen in den Restaurationen. — - Sonderbare Anwendung der Suppenlöffel in Havana. — Was - verstehen die Havaneser unter gutes Essen? — Chirurgische? - Operation einer Negerköchin. — Das Stiergefecht. — - Die Stadt Redler, das Wachs-, Honig- und Melasse-Geschäft - daselbst. — Prozessionen. — Der Havanesische Kaiser - Napoleon. — Die italienische Oper, des Verfassers Wirthin - im Zorn, wegen dessen Gleichgültigkeit dafür. — Redouten. - — Bal-masque romantique und Redoute romantique. — - Der Redouten-Saal, die Masquen-Ordnung und die Masquerade in der - Orangen-Allee. — Der Sclaven-Carneval. — Ueber die - Sittlichkeit der Spanier. — Der nach Havana verpflanzte - Appellations-Gerichtshof und das Reichspettschaft hierzu. — - Abendgesellschaften in Havana und die Priesterinnen der Venus. - — Illumination nach der Form europäischer Straßenbeleuchtung. - — Satirischer Aufzug. — Das Osterfest. — Sehr - schöne spanische Sünderinnen. — Der Charfreitag und die - Prozessionen an diesem Tage. — Deutsche und englische - Commissionaire wetteifern im richtigen Abtragen der Zollgefälle. - — Etwas über die Behandlung der Tabacksblätter. — - Die Hökerläden in Havana. — Des Verfassers Abreise - nach New-Orleans. — Dessen Betrachtungen über die - Reisegesellschaft, und über die Entfernung vom mexikanischen Golf - bis zum Obi in Asien. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="abteilung" colspan="2"> - <span class="s4">D<span class="g">r</span><span class="g">i</span><span class="g">t</span><span class="g">t</span><span class="g">e</span> - <span class="g">A</span><span class="g">b</span><span class="g">t</span><span class="g">h</span><span class="g">e</span><span class="g">i</span><span class="g">l</span><span class="g">u</span><span class="g">n</span><span class="g">g</span>.</span><br /> - <span class="s5">U</span><span class="g">e</span><span class="g">b</span><span class="g">e</span><span class="g">r</span> - <span class="g">d</span><span class="g">i</span><span class="g">e</span> - <span class="g">V</span><span class="g">e</span><span class="g">r</span><span class="g">e</span><span class="g">i</span><span class="g">n</span><span class="g">i</span><span class="g">g</span><span class="g">t</span><span class="g">e</span><span class="g">n</span> - <span class="g">S</span><span class="g">t</span><span class="g">a</span><span class="g">a</span><span class="g">t</span><span class="g">e</span><span class="g">n</span>. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - New-Orleans. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#New_Orleans">S. 138</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Kauf eines Bull-dogs für einen Bologneser. — Hotels. - — Gebäude in New-Orleans. — Börse. — Abreise - nach Louisville. — Das Tabacks-Kauen. — Fahrt auf dem - Mississippi, Schönheit dieses Flusses. — Die Feuersgefahr - bei Dampfschifffahrten. — Die Live-presserver-Uebersicht - der Quantität Holz, die auf den Fahrten verbraucht wird. — - Die Urwälder in den V. S. — Vergleiche der Bewohner am - Mississippi und Obi in Asien. — Tabelle über die Production - der Baumwolle in den V. S. — Einrichtung auf amerikanischen - Dampfschiffen, Lebensweise, Uebelstände beim Schlafengehen, beim - Ankleiden des Morgens, beim Waschen u. s. w. — Fruchtbare - Kraft des Mississippi-Wassers. — Ankunft in Louisville. - — Lage der Städte. — Cincinnati, die deutschen - Waarenhändler und das Speditions-Geschäft daselbst. — - Die deutschen Auswanderer und deren Commissionaire. — - Pittsburg. — Besuch der Glasfabrik. — Das Gefängniß, - Schiffe, snag-boats, Baumwollspinnerei, Brücken, Tuchfabrikation, - Canalböte, Treckschuten und Gefahr bei den Brücken. — - Inzwischen-Reise über sehr hohe Gebirge auf Eisenbahnen. — - Der Fluß Susquehannah. — Eisenbahnfahrt von Harrisburg bis - Philadelphia. — Einrichtung dieser Dampfwagen. — Fleiß - der Deutschen bei Philadelphia. — Ankunft in dieser Stadt. - — Gebäude, Wasserwerk etc. — Reise nach New-York. - — Rückblick auf die Neger. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="abteilung" colspan="2"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_x" id="Seite_x">[S. x]</a></span> - <span class="s4">V<span class="g">i</span><span class="g">e</span><span class="g">r</span><span class="g">t</span><span class="g">e</span> - <span class="g">A</span><span class="g">b</span><span class="g">t</span><span class="g">h</span><span class="g">e</span><span class="g">i</span><span class="g">l</span><span class="g">u</span><span class="g">n</span><span class="g">g</span>.</span><br /> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Ueber das Treiben im englischen und amerikanischen Handel. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#Treiben_im_Handel">S. 174</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Fest der Gründung der Unabhängigkeit. — Parade und Festzug. - — Amerikanische Bankgebäude. — Englands Lage in der - merkantilischen Welt. — Ursachen, warum England für reich - gehalten wird. — Entstehung der Banken in England. — - Englands Welthandel. — Ein Tagelöhner als Theilnehmer - am Welthandel durch Hülfe der Banken. — Zustand des - Waarengeschäfts in New-York. — Ueber Amerika’s Handelsbilanz. - — Tabelle über Ein- und Ausfuhr und Revenuen. — Wozu - werden diese verwendet? — Arbeit des Congresses in dieser - Hinsicht. — Rußland und Preußens Verfahren als Vergleiche - hierbei. — Rußlands Fabriken. — Der Zollverband, und - Preußens Cassen-Anweisungen. — Czar Wassilrewitsch, Peter der - Große, und der Kaiserin Catharine Verfahren beim Bankwesen. — - Was sind amerikanische Banken? - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Oertlichkeiten von New-York, Volkscharakter, Abreise und Ankunft - in Hamburg. - </td> - <td class="tdr vab"> - <a href="#Oertlichkeiten_von_New_York">S. 203</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="synopsis" colspan="2"> - Besuch des Criminal-Gerichtshofs. — Der Uhrenhändler. — - Die Lage der deutschen Auswanderer — deren Commissionair - Wolff. — Nothwendigkeit des Praktischen in Amerika. - — Das Praktische im Müßiggange. — Spazierfahrt nach - Staten-Island. — Der sanfte Polizeibeamte. — Die - Loafer. — Der Prediger Försch. — Die Bierkneipe Shadow. - — Der Castle-Garden. — Die Badeanstalt. — - Theaterbesuch. — Ueber die Fortschritte der Seiltänzerkunst. - — Vergnügen in New-York. — Anzahl und Macht der - Journale. — Charakter der Amerikaner. — Ueber die - Geldbegierde derselben. — Nothwendigkeit einer Unterscheidung - der verschiedenen Nationen. — Licht und Schatten des Reisens - in Amerika. — Besuch des Redakteurs. — The Morning - Herald. — Sonderbarer Irrthum in Bezug auf des Verfassers - Person. — Festliche Abreise auf der Brittish Queen. — - Herrliche Einrichtung und Bewirthung. — Beschwerlichkeit - der Zoll-Revision in London. — Reise nach Hamburg auf - der Caledonia. — Ankunft daselbst. — Ueber die - Dampfschifffahrt zwischen London und Hamburg. — Hannover zum - Zollverbande. - </td> - </tr> -</table> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_1" id="Seite_1">[S. 1]</a></span></p> - -<h3 id="Einleitung"><b>Einleitung.</b></h3> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">R</span>eisen ist, wie Viele sagen, eine angenehme Sache, weshalb sehr Viele -darnach streben. Was man gern thut, dazu findet man denn auch bald -Gründe. Demnach wird sich der Leser auch nicht wundern, wenn der -Entschluß, eine Reise nach den Vereinigten Staaten und West-Indien -zu unternehmen, mir eben keine große Mühe kostete. Ich hatte zwar -keinen Spleen zu vertreiben, wie die Engländer, wenn sie auf Reisen -gehen; auch waren es gerade nicht Geschäfts-Angelegenheiten, die meine -Anwesenheit dort nothwendig machten; und noch weniger verdiene ich -es, zu den unruhigen Köpfen gezählt zu werden, denen überall die Welt -zu enge ist. Indeß das kaufmännische Geschäftsleben hat ohne Ausnahme -etwas Einförmiges, und langweilet am Ende. Waarenhändler (wozu ich -nun leider bestimmt war) entdecken jene Mängel weit geschwinder, als -Banquiers, Fabrikanten etc. etc. Wie! dachte ich eines Abends, als ich -mich in meiner wohleingerichteten Wohnung in mein sehr comfortables -Bett niederlegte, sollst du hier sauer werden? Kannst du nicht auf -Reisen das Leben besser genießen? Nicht auch dich besser belehren, -und Andern nützlicher seyn, als wenn du hier den alten Schlendrian -immer von Neuem durcharbeitest? Mußt du denn stehen bleiben auf der -Stelle, wohin der Zufall dich geworfen hat? — — Diese und andere -Gedanken, die mich oft aufgeregt hatten,<span class="pagenum"><a name="Seite_2" id="Seite_2">[S. 2]</a></span> gingen mir jetzt so sehr im -Kopfe herum, daß ich noch vor dem Einschlafen den Entschluß faßte, -baldmöglichst nach dem neuen Welttheil abzureisen.</p> - -<p>Mit demselben Gedanken erwachte ich den andern Morgen, und sogleich -hätte ich in den Wagen springen mögen. Ich gratulirte mir selbst zu -meinem glücklichen Entschluß, und um mir alle Bedenklichkeiten und -Rückwege abzuschneiden, theilte ich sofort mehreren Bekannten meinen -Entschluß als unumstößlich mit. Nachdem ich mich auf diese Weise selbst -gebunden hatte, fühlte ich mich leichter, und heiterer, und eilte -jetzt mit raschen Schritten zur Beendigung meiner Angelegenheiten in -Berlin. Es währte gar nicht lange und ich saß in der Schnellpost, bot -der Königsstraße, der Schloßfreiheit, Berlin und Charlottenburg ein -fröhliches Lebewohl, und näherte mich meinem guten altbefreundeten -Hamburg. Meine zahlreichen Freunde daselbst wunderten sich nicht wenig, -als sie meinen festen Entschluß vernahmen, und meinten, sie würden mich -wohl in einigen Monaten von London zurückkommen sehen. Ungefähr acht -Tage blieb ich bei denselben, und fand die alten bekannten Müßiggänger -(deren Anzahl hier nicht geringer als in Berlin ist) noch in ihrer -alten Arbeit (die Zeit todtschlagen) begriffen, d. h. in Hamburg vom -Frühstück bis zum Mittagsessen in den Pavillons, vom Mittagsessen bis -zum Theater in den Pavillons, und nach dem Theater bis um Mitternacht -in den Pavillons zubringen. Nachdem ich sie hinlänglich angestaunt, und -mich über ihre Virtuosität im Müßiggang mehr als jemals zuvor gewundert -hatte, befiel mich dennoch die Furcht, davon angesteckt zu werden, und -beschloß daher, zur Vermeidung dieser Krankheit, mich dem ersten besten -Dampfschiff zur Ueberfahrt nach England zu übergeben.</p> - -<p>Durch Güte der hamburger Bootsknechte, und unter Mitwirkung einer -hinreichenden Anzahl holsteinischer<span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span> Zweidrittelstücke (Gulden) befand -ich mich bald in der Cajüte des Huller-Dampfschiffs <em class="gesperrt">Rob-Roy</em>, -ein „höchst bequemes, elegantes, auch überaus rasches Schiff,“ wie die -Huller Times meint. Allein mir kommt es so vor, als sei der Redacteur -dieses Blattes sehr oft verhältnißmäßig rascher in seinen Urtheilen, -wie jenes Dampfschiff auf seinen Fahrten, denn es bewegte sich so -langsam fort, daß ich über alle Erwartung spät, und in England viel -zu spät ankam, um meine Reise, wie ich berechnet hatte, in der Great -Western nach New-York fortsetzen zu können. Sollten die Maschinen -vielleicht irrthümlicher Weise den Herrn Redacteur der Times im Schiff -vermuthet haben, und, um demselben Zeit zum Nachdenken zu geben, in -mäßiger Bewegung geblieben sein? In diesem Falle wäre es für die -Passagiere höchst wünschenswerth, daß der Herr Redacteur die Maschinen -jenes Schiffs kaufen und sie in seinem Arbeitszimmer aufstellen möchte. -— Mir blieb jetzt nichts Anderes übrig, als mit einem noch weit -langsameren Dampfschiff von Hull nach London zu reisen, um von dort -meine Reise in einem Paquetboot fortzusetzen.</p> - -<p>Die Reise nach London bot wenig Bemerkenswerthes dar, die Gesellschaft -— inclusive der vielen Schafe die von Hull nach London zur -Schlachtbank geführt wurden, — bot auch keinen Stoff zur Unterhaltung -dar, und ich behielt Zeit, über die Ausführung meines Reisezweckes -nachzudenken, welcher hauptsächlich darauf hinausging, mich der -europäischen merkantilischen Welt durch mein Wirken in der neuen Welt -eben so nützlich zu machen, als ich, meinen geringen Kräften nach, -durch Anordnung beim Expediren ausländischer Waaren an ausländische -Kaufleute auf den Meßplätzen für die deutschen Zollverband-Staaten -geworden war. Die Zeit verstrich rasch; bald sah ich Londons Zollhaus -vor mir, und bald darauf fand ich mich in London wegen der Fortsetzung -meiner Reise beschäftigt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span></p> - -<p>„Für 43 L. Sterl.“ sagte Jemand, „können Sie auf dem Königlichen -Post-Paquet die Ueberfahrt nach Havanna mitmachen, wobei Sie jedoch -für Bett und Proviant selbst sorgen müssen.“ Für die Planke erschien -mir der Preis zu hoch; ich ging deshalb nach den West-Indischen -Docks, woselbst ich das Paquetschiff <em class="gesperrt">Quebeck</em> segelfertig -antraf. Der dienstfertige Capitain forderte 36 L. 15 Sh. inclusive der -Lebensmittel, und gab mir nur eine Stunde Bedenkzeit, wenn ich das -letzte vorräthige Bett haben wollte. Sofort schloß ich den Handel, -und zahlte 16 L. Sterl. à Conto. Die Abreise erfolgte zur bestimmten -Stunde, und ein Dampfschiff stand bereit, unser Schiff in’s Schlepptau -zu nehmen und es nach Gravesand hinüber zu bringen. Das Wetter war -ausgezeichnet schön, was nicht wenig dazu beitrug, mich zu erheitern, -denn meine Gemüthsstimmung war durch Verhältnisse, die ich bald an -einem andern Ort zu erzählen Gelegenheit haben werde, fürchterlich, -jedoch, wie schon bemerkt, keineswegs durch den Spleen. Außer der -Cajüten-Gesellschaft waren noch etwa 130 bis 150 Auswanderer meine -Reisegefährten. Um den vom Capitain mir zugetheilten Schlaf-Cameraden -kennen zu lernen, ging ich jetzt die steile Cajüten-Treppe hinunter. -Wie erstaunte ich, als ich das bedungene Bett anderweitig vermiethet, -und mich in ein weit kleineres Gemach, nahe der Treppe, verwiesen fand. -Der mir zugetheilte Schlaf-Camerad war ein schmutziger Schottländer, -der auf eine nicht sehr ergötzliche Weise ein Falset und durch die Nase -sprach; er hatte schon acht Tage vor der Abreise am Bord logirt, und -das bessere Bett eingenommen. Ich wollte mich beim Capitain beschweren, -allein — er war in London, und mir blieb daher nichts übrig, als den -Schottländer im Diskant als meinen Schlaf-Cameraden aufzunehmen. Er war -in jeder Hinsicht schmutzig, ja der schmutzigste aller Schmutzigen, -welche ich auf meinen vielen Reisen kennen gelernt habe.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span></p> - -<p>Bis nach Gravesand begleiteten uns viele Spekulanten mit Proviant -allerlei Art; sie fanden, wie es mir schien, ihre Rechnung, indem sie -Vieles an die Auswanderer absetzten. Von Gravesand kamen wir nach -einer Fahrt von drei Tagen vor Portsmouth an. Der Capitain, der sich -einfand, lud sämmtliche Passagiere ein, mit ihm Portsmouth zu besuchen, -da wir vor unserer Abfahrt erst bessern Wind abwarten müßten. Nur eine -Dame verließ das Schiff, eine Dame, die aus keinem andern Grunde nach -Portsmouth mitgereist war, als um durch eine Seekrankheit — der Leser -rathe — ihre Schönheit zu restauriren. O Schönheit! Welche Macht übt -nur der Gedanke an dich über das schöne Geschlecht aus! Wenn dieses -seltsame Schönheitsmittel die erwartete Wirkung nicht verfehlt, so kann -die Dame Londons Venus geworden sein, und es dürfte in Folge dessen -vielleicht sehr bald an Schiffen für Geschäftsreisende fehlen, denn sie -bekam in der That von der Seekrankheit eine gute Dosis, und befand sich -während der ganzen Reise in einem beklagenswerthen Zustande.</p> - -<p>Schon warten wir bereits vier Tage auf bessern Wind; der Capitain -versorgt sein Schiff mit Proviant jeder Art. Unter und mit den -vielen Schafen, die derselbe an Bord schickte, erschien auch ein — -Constabler, mit dem Auftrage, eine aus London entflohene Ehegattin, -welche aus des Gemahls Geldkiste 40 L. Sterl. mitgenommen hatte, in -dessen Arme zurückzuführen. Der Capitain stellte es dem Polizeidiener -frei, jeden der Passagiere nach Belieben zu arretiren. Eine herrliche -Finanz-Operation für den Paquetboots-Verein, indem die Passagiere sammt -und sonders ihre Passage bezahlt hatten. Der Beamte kann die gesuchte -Person, ungeachtet er von derselben bis zum Kutter begleitet wird, -nicht vorfinden; sie sagt ihm ein herzliches Lebewohl und vielleicht -noch im Stillen mit<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> Don Juan: „Sagen Sie Ihrer Behörde, daß sie in -Zukunft nicht solchen Esel schicke.“</p> - -<p>Noch ein kleines Abenteuer will ich erzählen, um den Lesern, die in -einen ähnlichen Fall kommen, Vorsicht zu empfehlen. Es war bereits der -zehnte Tag, daß wir London verlassen hatten; meine Geduld war bald -erschöpft, ich nahm daher jetzt die Einladung des Capitains an, mit ihm -und noch einigen anderen Passagieren nach Portsmouth zu fahren. Ich -kaufte daselbst mehreres ein, da ich aber Portsmouth langweilig finde, -und in keinem von allen Wirthshäusern ein Bett für mich finden kann, so -beschließe ich, auf das Schiff, welches etwa vier Seemeilen entfernt -lag, zurückzukehren. Es ist sehr finster, das Meer tobt, und bald bin -ich von den Wellen durchnäßt.</p> - -<p>Wir fahren in der Dunkelheit immer fort, können jedoch das Schiff -nicht finden; über eine Stunde müssen die braven Bootsleute suchen, -ehe wir es finden. Und nun wieder eine neue Verlegenheit! Das kleine -Boot wird dermaßen von den Wellen geworfen, daß mir das Erklimmen der -Strickleiter unmöglich wird. Wir rufen, wir schreien um Beistand, -Niemand hört uns. Erst nach einer großen gemeinschaftlichen Anstrengung -gelang es mir, hinauf zu kommen. Die Passagiere waren nicht wenig -überrascht, als sie mich in dieser Dunkelheit ankommen sahen. Der -mitreisende Dr. <em class="gesperrt">Morgan</em> besonders machte mich auf die bei -dieser Fahrt stattgefundene dreifache Gefahr aufmerksam, der ich mich -ausgesetzt hatte: 1. Bei diesen tobenden Wellen in einem kleinen Boot -zu fahren; 2. hinsichtlich der Mordlust von Seiten der Bootsknechte, -welche schon, um zehn Schilling Sterling zu erbeuten, Reisende ins Meer -gestürzt haben; 3. die Gefahr beim Ersteigen des Schiffs. Ich dankte -nach dieser Auseinandersetzung meinem Schöpfer im Stillen, der Gefahr -entwischt zu sein, kleidete mich um, und ließ mir vom<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span> Steward ein Glas -heißen Punsch zubereiten, ein bei solchen Gelegenheiten willkommener -nützlicher Freund.</p> - -<p>Am folgenden Morgen, nachdem wir noch mehreres frisches Wasser -eingenommen hatten, gingen wir unter Segel. Jetzt nun, da wir -endlich mit günstigem Winde auf dem Meere sind, wird es Zeit sein, -die Reisegesellschaft etwas näher zu betrachten. Wenn ich sage, daß -sämmtliche Mitreisende, mit Ausnahme eines Italieners, Engländer waren, -so werden die geehrten Leser schon den Mangel an Unterhaltungs-Stoff -begreiflich finden.</p> - -<p>Die Krone der Gesellschaft war der Director des National-Theaters in -New-York, der eben mit neuangeworbenen Subjekten (zu welchen auch -der Italiener gehörte) zurückkehrte. Es war ein sehr unterrichteter -Mann und höchst angenehmer Gesellschafter — jedoch nur dann, wenn er -nicht an sein Unternehmen dachte. Er klagte sehr häufig über unruhige -Nächte, und zeigte mir sogar eines Morgens eine Masse von Contracten, -die er mit den engagirten Mitgliedern abgeschlossen hatte, mit den -Worten: „solcher Packen kann wohl zu unruhigen Nächten beitragen.“ -Seine beiden Söhne (die er bei sich hatte) waren so eben aus der -Schule entlassen worden; der älteste, obgleich ohne Stimme, zeigte -viel Neigung für Gesang, und suchte mit einem verstimmten Instrumente -die Mängel seiner eigenen Stimme zu bemänteln; er gefiel daher sich -selbst weit mehr, wie den mitreisenden Frauen. Beide, der ältere und -der jüngere Sohn, waren Günstlinge eines jungen Mädchens, der Tochter -eines Malers. In pecuniärer Beziehung wurde von den Schauspielern -und den übrigen ein Zucker-Fabrikant verehrt, der früher in Amerika -gewohnt hatte, jenes Land aber vor etwa 30 Jahren, um der Strafe -wegen einer begangenen Schmuggelei zu entgehen, bei Nacht und Nebel -verlassen mußte. Sein in Amerika wohnender Sohn hatte Gnade für ihn -ausgewirkt, und er kehrte jetzt mit seinem Hab und Gut<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> zurück; auch -hatte er mehrere deutsche Arbeiter, denen er in der Fabrik Arbeit zu -geben versprach, auf ihre eigenen Kosten zum Mitreisen bewogen. Dieser -Mann dünkte sich ein Krösus zu sein, wofür ich ihn jedoch, auch in -Hinsicht seines Verstandes, nicht passiren lassen konnte. Um sich bei -der Gesellschaft in Respect zu setzen, mußte der Thee oder Caffee in -aller Frühe für ihn in seinem silbernen Geräthe aufgetragen werden, -und er lud auch wohl den einen oder andern aus der Gesellschaft zum -Frühstück ein, welches die großen Kosten für ihn verursachte, daß -die Getränke aus <em class="gesperrt">seinen</em> silbernen Geschirren, jedoch in die -dem Schiff Quebeck zugehörigen Tassen, auf Unkosten des Capitains — -flossen. Er war angewiesen, seinen eigenen Wein zu trinken und hatte -eine Sorte Teneriffa-Wein, dem Grüneberger an Säure gleich. Unter dem -Namen weißer Madeira offerirte er hin und wieder ein Glas einem aus -der Gesellschaft. Auch mir wurde diese Ehre zu Theil, und als er mein -Urtheil über die Qualität forderte, worauf ich freimüthig erwiederte, -daß ich diesen nicht für die beste Sorte von Teneriffa-Weinen halte, -so soll er, wie der Director mir erzählte, mich für wahnsinnig erklärt -haben. Einer von seinen Arbeitern mußte als Aufwärter für die besten -Bissen aus den Schüsseln sorgen. Fiel diese Auswahl nicht aus, wie -der Herr Zucker-Fabrikant es erwartet hatte, so war der Aufwärter -angewiesen, die Schüssel dem Vorschneider wegzunehmen, und sie seinem -Herrn vorzusetzen.</p> - -<p>Der bereits erwähnte Maler war zu der Zeit der Krönung der Königin -nach London gereist, um ein treffendes Bild derselben für Amerika zu -gewinnen, und hatte, wie er behauptete, seinen Zweck über Erwarten -erreicht. Die Königin, versicherte er, habe die Gnade gehabt, seiner -Tochter den Purpur zum Anlegen herzugeben. Die Königin sei stets -zugegen gewesen, um die sitzende Tochter auf ihre (der Königin) -eigenthümlichen Attitüden aufmerk<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span>sam zu machen — wodurch er denn -das korrekteste Bild zu erzeugen im Stande war. Der Herr Maler leerte -übrigens, wie alle Genies und Künstler, sein Gläschen, so oft er es -gefüllt vor sich stehen sah; daß es unter diesen Umständen wenig volle -Flaschen gab, ist leicht zu ermessen.</p> - -<p>Der Italiener B... war seit dem Jahre 1811 erster Buffo bei der -italienischen Oper in London gewesen, er verläßt die alte Welt aus -Verzweiflung, weil sein Talent durch <em class="gesperrt">Lablache</em> in Schatten -gestellt war. „Meine Superiorität“ sprach er „ist anerkannt; durch -Madame <em class="gesperrt">Catalani</em> anerkannt; sagte doch die große Sängerin im -Jahre 1816 zu mir: Herr B... Sie sind der erste Figaro, und werden -es stets sein!“ Seiner Ungestalt ungeachtet, (denn seine Figur war -die eines Schlächters, oder Brauerknechts) wollte er, dem Ausspruch -jener gefeierten Künstlerin zufolge, ein niedlicher Figaro sein. In -allem dünkte er sich vollkommen: wenn er Whist spielte und, seines -schlechten Spiels wegen, verlor, so offerirte er seinen Gegnern eine -Parthie um eine sehr hohe Summe, und triumphirte, wenn es nicht -acceptirt wurde, mit den Worten: „Sie fürchten mich, weil sie meine -Superiorität kennen.“ Standen mehrere des Abends in Mäntel gehüllt auf -dem Verdeck, so warf er auch rasch den seinigen über, stellte sich -jenen gegenüber, und sagte leise zu mir: „Nun sehen Sie meine Stellung -im Mantel, im Vergleich zu den gegenüberstehenden Philistern!“ Die See -fürchtete er dermaßen, daß er jede Nacht auf dem Verdeck zubrachte, um -bei entstehender Gefahr der Erste im Rettungsboot sein zu können. Sehr -spaßhaft war er in den Morgenstunden gekleidet. Man denke sich eine -ungeheure Figur in einem sehr langen und weiten, vielfarbig-türkischen -Schlafrock, durch einen sehr breiten Gürtel am Unterleibe befestiget; -ferner drei von den grellfarbigsten seidenen Tüchern, nachlässig als<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> -Halsbinden mit den langen Zipfeln auf der Brust hängend, den Kopf -mit einem schwarz-seidenen Baret bedeckt; ferner an jedem seiner -dicken Finger zwei oder drei Ringe von Edelstein, Granaten etc., -deren Glanz jedoch durch den Glanz des Fetts, welches gewöhnlich an -seinen Fingern klebte, sehr verdunkelt wurde. Er bediente sich nie des -Messers und der Gabel, und da es keine Servietten gab, so folgte er dem -Beispiel der Bären und säuberte seine Finger im Munde. Es war nichts -Seltenes, daß er sich eine ovale Schüssel mit 8 bis 10 Cotelettes -vorsetzen ließ, und zum Frühstück allein verzehrte. Nach beendigtem -Frühstück ging er sogleich zu Bett. Im Trinken dagegen suchte mein -Schlaf-Camerad, der schmutzige Schottländer, alles Mögliche zu leisten, -wahrscheinlich, weil er früher in den Vereinigten Staaten, woselbst er -ein Detail-Geschäft führte, hierin nicht viel gethan haben mochte. Da -der Wein im Passagiergelde mit einbegriffen ist, so war er zu jeder -Tageszeit zum Trinken bereit, und schien, wo möglich, für einige Jahre -voraus trinken zu wollen.</p> - -<p>Ein ähnliches Subjekt, wie jener Schottländer, war ein Mützenhändler, -der mit einem Lager seiner Waaren nach Canada eilte; weil die Bewohner -jener Kolonie sich auf die Köpfe stellten, glaubte er, ein bedeutendes -Geschäft dort machen zu können; wenn er indeß im Handel eben so dumm -war, als in der Conversation, so dürfte er wohl ohne Mützen, aber auch -ohne Schuhe nach Europa zurückkehren.</p> - -<p>Ein junger Amerikaner, Sohn eines Gutsbesitzers, kehrte von seinen -Reisen in Europa zurück. Er hatte, wie er versicherte, in Zeit von -drei Monaten einen großen Theil Frankreichs, die Niederlande und den -Rhein bereist; er brachte als Documente dafür Französische Handschuhe, -Brüsseler Kanten und ein Faß Laubenheimer mit, und schlief fast den -ganzen Tag auf seinen Lorbeeren.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span></p> - -<p>Ein für das National-Theater engagirter Violinspieler reiste mit seiner -unpäßlichen, starken brannt- und portweinsüchtigen Frau und einem -allerliebsten muntern Knaben, der sich so an mich attachirt hatte, daß -er fast nicht von meiner Seite kam. — Ein Staatsbeamter aus Canada -kehrte mit Depeschen für <em class="gesperrt">Lord Durham</em> zurück. Mit Ausnahme -der recht liebenswürdigen Tochter des Malers, bestand das weibliche -Personal aus Frauen von Schiffs-Capitainen, die, in jüngern Jahren von -England entführt, jetzt nach 20 Jahren einmal ihre Verwandten besucht -hatten; der Zahn der Zeit, welcher Alles erreicht, hatte auch an ihnen -bedeutend genagt.</p> - -<p>Von dem Dr. und dessen Bruder, einem Schiffs-Capitain, ist nicht -viel zu sagen, als daß der Letztere von seinem heftigen Wein- und -Branntwein-Durst nur dadurch geheilt werden konnte, daß unser -Schiffs-Capitain Geld dafür forderte. Dieser selbst war ein nicht sehr -gebildeter, aber erträglicher Mensch, äußerst lustig, so daß es oft -Scenen gab, und so lachlustig, daß er wohl dreißigmal lachte, ehe er -<em class="gesperrt">einmal</em> sprach.</p> - -<p>Dieses waren die Häupter und Matadore unserer Gesellschaft, die ich dem -geneigten, nicht auf der See gereisten Leser nur darum so ausführlich -beschrieben habe, damit er wisse, was er auf einem Schiffe zu erwarten -habe. Wer gern a son aise, und comfortable lebt, muß an keine Seereise -denken. Hiervon sind freilich die Dampfschiffe Brittish Queen und -Great Western ausgenommen, allein hier ist die Feuersgefahr, welche -durch das beständige Heizen, und die dadurch verursachte Gluth in -den Schornsteinen entstehet, für jeden Beobachter abschreckend, und -realisirt sich weit häufiger, als das Zerspringen des Kessels oder -andere Unglücksfälle auf der See.</p> - -<p>Die Unterhaltung war, wie man sich leicht denken kann, sehr -mittelmäßig. Das Haupt-Thema der Unter<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span>haltung war, wie immer, -die Vorzüge, der Reichthum, das Vielwissen der Engländer. Nur der -Schauspiel-Director und ich banden wohl miteinander an, und da setzte -es von beiden Seiten Hiebe; ohne ihn und den Staatsbeamten aus Canada -wäre mir die Reise noch viel langweiliger gewesen. Der Wind war uns -ganz entgegen, so daß wir mehrere hundert Meilen außer den Cours -geriethen, und näher bei New-Foundland ankamen, als bei New-York. Wir -erreichten jetzt die Bank, etwa 1100 Seemeilen von New-York.</p> - -<p>Da die Vorräthe unsres Proviants sich ihrem Ende näherten, und die -Portionen kleiner wurden, so war es uns sehr erwünscht, daß wir auf -eine von den vielen hier stationirten Fischer-Briggs trafen, von -welcher unser Capitain sechzig sehr große Fische für 2½ Dollar -erhandelte. Nach der Erzählung der Schiffer, die sie abholten, -hatte jene Brigg in einer Zeit von 6 Wochen, von New-York hierher -segelnd, gegen 10,000 von den großen Fischen gefangen. Uebrigens -hatte ich wenig Genuß von diesem Einkauf, da ich durch folgendes -unglückliche Ereigniß auf das Krankenlager geworfen wurde. Der kleine, -liebe Knabe des Musikers, den ich auf seinen dringenden Wunsch auf -das Bett im Rauchzimmer gebracht hatte, war dort eingeschlafen; -denn die portweinkranke Mutter desselben bat mich, ihr Söhnchen -herabzutragen, da sie selbst nicht dazu im Stande sei. Nun sind -aber diese Cajüten-Treppen äußerst steil, und schon im trockenen -Zustande zum Herabsteigen gefährlich; jetzt war sie durch den Nebel -noch schlüpfriger geworden; mit Einem Worte, ich stürzte trotz aller -Vorsicht die Treppe hinunter, wendete mich aber im Fallen so, daß der -Knabe keinen Schaden litt, ich selbst hatte eine Rippe gebrochen. —</p> - -<p>Der Dr. <em class="gesperrt">Morgan</em> wollte mich mit einem Glas heißen Brandy und -Water kuriren, welches ich nicht annahm;<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span> ich ersuchte ihn öfters und -dringend, mir zur Ader zu lassen, welches er seinerseits abschlug. Man -denke sich meinen Zustand! Der Steward hatte, um einem Anderen gefällig -zu sein, mein Kopfkissen, und eine meiner Matratzen jenem überliefert -und ich mußte nun, einem Sträfling gleich, auf Latten liegen, was der -gebrochenen Rippe nicht besonders behagte. Die Schmerzen wurden immer -heftiger; — der schmutzige Schottländer schlief ruhig unter mir auf -seinem guten Bette. Erst beim Frühstück kam meine Lage zur Sprache; -der Arzt überzeugte sich jetzt von meinem bedenklichen Zustande, er -berathschlagte mit den Andern, und es wurde beschlossen, daß der Diener -des Zucker-Fabrikanten sein Zimmer, das er für sich allein hatte, für -mich räumen, und dafür mein Bett nehmen sollte — welcher Beschluß dann -am Abend endlich durchgesetzt wurde.</p> - -<p>Liegen konnte und durfte ich nicht, es wurden daher alle Reisebeutel -zu einer — freilich harten — Rückenlehne angewendet, an welche ich, -da das Schiff auf längere Zeit auf eine ungestüme Weise von den Wellen -geworfen wurde, fortdauernd sehr aufrecht anstieß. Mein Zustand wurde -immer schlimmer; Fieber, Kopfweh, und Husten, mit dem stärksten Auswurf -begleitet, nahmen stündlich zu. Die sonderbarste Theilnahme hierbei -zeigte der Mützenhändler, um Abbitte zu thun, wegen einer ungerechten -Behauptung, er wolle das Wissen und Vermögen aller Deutschen in den -zwei Taschen seiner Pantalons forttragen; er verlangte, daß ich ihm -die Hand reiche und zugleich verspreche, ich wolle keinen Haß gegen -ihn mit ins Grab nehmen — was ich denn auch that und ihn beruhigte. -— Der kleine Knabe saß fast immer bei mir, und erkundigte sich stets -nach meinem Befinden. — Das Krankenlager ist freilich unter allen -Umständen eine — unangenehme Gegend, wie der Berliner Trinkkünstler, -Herr <em class="gesperrt">Drucker</em>, sagt; doppelt und zehnfach wird es dies,<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> wenn der -Schlaf, der doch sonst von Zeit zu Zeit die Schmerzen etwas weniger -fühlbar macht, durch Sing- und Musik-Proben ganz verscheucht wird, wie -es hier der Fall war, so daß ich mich keine Viertelstunde der Ruhe -erfreuen durfte.</p> - -<p>Am neunten Tage trat für meine Krankheit eine glückliche Krisis durch -einen heftigen Schweiß ein. Am folgenden Tage kamen wir bei New-York -an; ein Dampfschiff hörte ich, soll von der Stadt kommen, um die -Passagiere abzuholen. Welch einen erfreulichen Eindruck dies auf mich -machte, vermag ich nicht zu beschreiben. Ich hörte das Hinauf- und auch -Hinabsteigen der Passagiere (indem die Treppe über meinem Lager sich -befand) sehr deutlich, und jetzt auf einmal einen Fall und allgemeines -Wehklagen. Mit großer Mühe erhob ich mich von meinem Lager, und siehe -da! der jüngste Sohn des Schauspiel-Directors war es, dem ein ähnliches -Schicksal, wie mich, getroffen zu haben schien. Der Vater raufte sich -die Haare, die Frauen wurden ohnmächtig; der Gefallene indessen trank -aufs zierlichste ein Glas Brandy mit Wasser aus. Unterdessen war das -Dampfschiff herangekommen und bald — waren die Meisten fort. Der Knabe -befand sich noch an demselben Abend wieder gesund.</p> - -<p>Das Schiff Quebeck wurde nach der Abfahrt des Capitains wie gewöhnlich -von Lootsen geführt und zwar glücklicher Weise mit großer Vorsicht; -fast alle anderen Schiffe wurden in jener Nacht entmastet, und gegen -30 große Schiffe fanden wir am folgenden Morgen auf den Strand -getrieben. Der Capitain, der um Mittag mit einem Steuer-Beamten zur -Revision unserer Effecten auf einem Dampfschiffe ankam, erzählte, daß -er die letzte Nacht in den größten Sorgen, fast schlaflos zugebracht -habe. Ehe wir nach New-York abfahren, muß ich noch die Revision durch -den Quarantaine-Arzt erwähnen, die<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> auf folgende Weise geschieht. -Sämmtliche Personen auf einem Haufen versammelt, werden mit einer -Barriere von Tauen umgeben; einzeln werden sie jetzt von dem Doctor und -seinem Gehülfen aus dem Haufen gelassen, der Arzt sieht jeden genau an, -und im Fall, daß Jemand den Kopf hängen läßt, wird kommandirt: Kopf -in die Höhe! Und eben so muß Jeder die Stirn beim Gehülfen passiren. -Die Quarantaine-Anstalt ist in den V. S. ganz vortrefflich, aber -freilich für das Land von großer Bedeutung. Der Steuerbeamte revidirte -alle Gegenstände mit großer Loyalität und fand nichts Verdächtiges, -als einige blecherne Kochgeschirre bei dem schmutzigen Schottländer, -worüber man sich jedoch verständigte.</p> - -<h3 id="New_York"><b>New-York.</b></h3> - -<p>Das Wetter war herrlich, so schön, wie es in Deutschland nur im Monat -Juni sein mag. Nach Verlauf von etwa einer Stunde langten wir in -New-York an. Hier findet man nicht wie in England, oder Hamburg am -Ufer eine Menge dienstbarer Geister zum Fortschaffen der Sachen. Zwar -standen mehrere einspännige Karren am Ufer des Stroms, aber Niemand -meldete sich; keiner von diesen freien Menschen will sich gern zum -Diener hergeben, sie wollen besonders aufgefordert sein zu einer -Dienstleistung.</p> - -<p>Auf Anrathen einer der Frauen der Schiffs-Capitaine kehrte ich in -Beverley-House (broadway) ein; ein Zimmer konnte mir vorläufig nicht -angewiesen werden, weil<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> alle besetzt waren. Das Erste, was mir -auffiel, war das Signal zum Mittagsessen, welches auf einer rauhen -Metall-Platte mit einem solchen Getöse gegeben wurde, daß alle meine -Nerven erzitterten. Bald war auch denn auf dem Hausflur ein Publicum -versammelt, welches man für eine Börsenversammlung hätte ansehen -können. Die Speise-Charte war brillant, obgleich nicht für mich, denn -etwas Suppe war Alles, was ich genießen konnte, wofür jedoch der -Wirth 1½ Piaster einstrich. (Ein Piaster beträgt in unserm Gelde 43 -Silbergroschen.) Sogleich nach Tische suchte ich meinen Correspondenten -Herrn P... auf, der bereits ein Zimmer für mich gemiethet hatte, und -der auch so gefällig war, mir bald einen Arzt zuzuschicken. Dieser -Arzt, ein Deutscher, ein theilnehmender junger Mann, fand mich, was ich -freilich selbst am besten fühlte, ernsthaft krank. Ein Aderlaß gleich -nach dem Fall, behauptete er, würde von den meisten Leiden mich befreit -haben. Jetzt aber nahm Husten und Auswurf mit jedem Tage zu, so daß ich -die Gestalt einer Mumie bekam, und mit jedem Tage meinem Grabe näher -zu rücken schien. Ich gebrauchte Medicamente auf Medicamente, ohne -sonderliche Besserung. Ein sehr warmes Bad, welches ich eines Tages auf -mein eigenes Risico nahm, that mir wesentliche Dienste, ich wurde durch -fortgesetztes Baden mit jedem Tage besser, konnte jedoch den Husten -nicht los werden. „Sie müssen das Klima verändern“ sagte zuletzt der -Arzt zu mir, „sonst fürchte ich das Schlimmste für Sie; in Havana, das -glauben Sie mir, werden Sie bald von Ihrem Uebel befreit sein.“ Gern -hätte ich seinen Rath sogleich befolgt, allein das Wetter und andere -zufällige Umstände verzögerten die Abreise. Mit regem Geist sah ich -meine gewohnte Thätigkeit gefesselt, indessen war mir mein einsames -Zimmer doch tausend Mal lieber, als die Schiffs-Cajüte auf dem Quebeck, -wo ich zudem beständig die Lobpreisungen der Engländer von Engländern<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> -anhören mußte. Ich hatte jetzt Zeit, meine Betrachtungen über diesen -Gegenstand zusammenzufassen, und das Resultat war folgendes:</p> - -<p>Die Engländer sind das reichste Volk — an Eigendünkel sowohl, wie an -Geld; sie halten sich wegen des letztern für das klügste, vornehmste, -erste Volk auf dem Erdball. Es ist wahr, sie sind im Technischen am -weitesten, aber warum? weil Frankreich und Deutschland, mit andern -Dingen beschäftigt, sich wenig um die praktische Technik bekümmert -haben. Lasset diese, wie es jetzt geschieht, auch allmählig hieran -Theil nehmen, und wir wollen sehen, wie lange sie die ersten bleiben. -Die von Napoleon den Engländern beigebrachte Wunde ist nach meiner -Ueberzeugung unheilbar. Wie sehr sie auch prahlen, so büßen sie doch -jeden Tag mehr von ihrem Handel ein; ihr Gewicht in der politischen, -so wie in der Fabrikwelt, wird immer geringer, und wird, wenn wir -30 - 40 Jahre Frieden behalten, immer mehr sinken, indem Preußen, -vermöge Dinte, Feder und Papier zerstörender für das englische Volk -gewirkt hat, als Napoleon mit allem Geschütz zu wirken vermochte. -Großbrittanien, und alle englischen Colonieen zusammengenommen -erfreuen sich einer nicht viel geringern Bevölkerung als die des -großen russischen Reichs; dieses bestehet aber durch sich selbst, in -Hinsicht auf Ackerbau, Fabrikation, und Handel; England aber will für -sämmtliche Bewohner der Welt (wovon dessen eigene Bevölkerung noch -nicht den <span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">50</span> Theil ausmacht) fabriciren und Handel treiben, obgleich -die andern Völker dazu doch meistens eben so fähig sind, welches die -Engländer nicht begreifen können. Ist das nicht absurd? Wird das -nicht immer mehr aufhören? England kann eben so wohl wie Rußland -durch Ackerbau und Fabrikation für sich bestehen. Man versetze Leute -von den Spinn- und Webestühlen an den Pflug und die Egge, damit für -die enorme Anzahl des englischen<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span> Volkes das allernöthigste Product, -Korn — in hinreichender Menge erzeugt wird; und die Wunde, welche -(wie jetzt Handel und Gewerbe sich gestellt haben) unheilbar scheint, -weniger fühlbar werde für die Armen und Hungrigen in den vereinigten -drei Königreichen. So gut wie die vielen Joint Stock-Banks, und Banking -Compagnieen zur Ausdehnung des Fabrikgeschäfts in England dienten, in -demselben Grad müssen sie jetzt den Untergang vieler Fabriken (nachdem -in allen Ländern fabricirt wird) herbeiführen, wenn die Bank von -England fortfahren sollte, jeden von jenen Banken gerirten Wechsel für -3½ Procent Zinsen zu discontiren. Denn die Fabrikanten fertigen, -ohne die Consumtion zu berechnen, ungeheure Massen von Waaren an, und -die Amerikanischen Waarenhändler kaufen sie mit demselben Leichtsinn, -ohne zuvor über die Möglichkeit des Absatzes nachzudenken. Die Bank von -England mußte daher unbedingt zu denselben Maßregeln schreiten, welche -der Präsident der V. S., um das Land gegen eine Ueberschwemmung von -englischen Manufactur-Waaren zu schützen, adoptirte, d. h. den Credit -für Fabrikanten einschränken. Für welches von beiden Ländern diese -Maßregeln schädlicher sich zeigen werden, davon wird später die Rede -sein, wenn wir mehrere Thatsachen genau kennen gelernt haben.</p> - -<p>Von England nur will ich noch bemerken, daß seine Reßourcen, die -hauptsächlich in Fabriken und Maschinen liegen, immer mehr versiegen. -In den frühern Zeiten lieferte für England eine Tonne Kohlen, wenn sie -zur Fabrikation verbraucht wurde, einen Klumpen Goldes; es war daher -nicht fühlbar, wenn damals (wie jetzt) Bedürfnisse an Holz, Flachs, -Hanf, Wolle, Talg, Pottasche, Häute, Taback, Korn, Weine, Borsten, -Wachs, Oele, Lumpen etc. mit baarem Gelde bezahlt wurden, indem die -ausgegangenen Summen unbedingt wieder eingehen mußten. Allein jetzt, da -jedes Land mehr und mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> für seine Manufactur- und Fabrik-Bedürfnisse -selbst sorgt, England dagegen alle oben angeführten Artikel einführen -und baar bezahlen muß, jetzt muß wohl die Regierung, welche die ganze -Baarschaft der vereinigten Königreiche auf nicht mehr als höchstens -drei und zwanzig Millionen Pfund berechnen kann, dem Abfluß des baaren -Geldes aus dem Lande entgegenarbeiten, wenn die Nation nicht das -Schicksal aller früheren Handelsnationen — d. h. baldigen Untergang -theilen soll. Daher ist die von der englischen Bank (Bank of England) -ergriffene Maßregel zu loben, der übermäßigen Fabrikation wird -hierdurch Einhalt gethan, und alle Fabrikanten in allen Ländern werden -sich bei dieser Maßregel besser befinden, weil der Waarenüberfluß -dadurch aufhören wird, und Verkäufe zu bessern Preisen gemacht werden -können.</p> - -<p>Diese und andere Bemerkungen schrieb ich während der kalten und -nassen Tage nieder, da ich das Zimmer hüten mußte. Meine Abreise nach -Westindien wurde verzögert, indem das Schiff <em class="gesperrt">Norma</em>, womit -ich fahren wollte, noch nicht geladen hatte. Während dieser Zeit -hatte ich eine Angelegenheit mit Amerikanischen Advokaten, die der -Leser bei dieser Gelegenheit genau kennen lernen wird. Ich suchte -auf Empfehlung meines Freundes P... einen Advokaten, Herrn J...... -auf, damit er mir in den Besitz von 180 L. St. verhelfen möchte, -welche mir ein New-Yorker Handlungshaus M.... und H..... bei einer -Abrechnung gekürzt hatte. Der Advokat findet nach Durchsicht meiner -Papiere meine Forderung rechtmäßig, lehnt es jedoch ab, etwas gegen -diese Leute, deren Anwalt er sei, zu unternehmen, verspricht dagegen, -die Zahlung in Güte für mich auszuwirken, und mir binnen zwei Tagen -darüber zu berichten. Indessen der Bericht erfolgt nicht, und ich -muß mich nach einem andern Advokaten umsehen. In den Zeitungen -finde ich, daß ein gewisser L.... bei einer Prozeßsache gegen eine -Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span>sicherungs-Gesellschaft sich tüchtig und trefflich gezeigt hat; -ich begebe mich sogleich zu ihm. Der Doctor, dessen Aeusseres einen -gewandten und denkenden Rechtsgelehrten verrieth, gab mir sogleich -nach meiner Eröffnung die Papiere zurück, da er der Anwalt meiner -Opponenten sei. Nachdem ich meine Verwunderung bezeigt hatte, daß mich -das Schicksal treffe, nur zu Anwalten meiner Gegner zu kommen, und ihm -das Ergebniß der Conferenz mit dem Advokaten J...... mitgetheilt hatte, -fand er sich bereit, sich meiner Sache anzunehmen, nur mußte ich zuvor -die Correspondenz, und alle Documente, welche in deutscher Sprache -geschrieben waren, ins Englische übersetzen. Da meine physischen -Kräfte zu dieser Arbeit nicht hinreichten, so ersuchte ich meinen -Arzt, mir einen jungen Menschen zu recommandiren. Dieser war denn auch -so gütig, mir einen solchen zuzuschicken, der die Arbeit in kurzer -Zeit beendete. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß man in New-York -mit Regenschirmen sehr vorsichtig sein müsse, denn der junge Mann, -dem ich den meinigen ganz neuen von 1 L. St. — Werth geborgt hatte, -brachte mir denselben nicht wieder, und als ich hierüber dem Arzt mein -Befremden äußerte, entgegnete derselbe: „Regenschirme haben in diesem -Lande keine Eigenthümer, jeder hilft sich mit diesem Artikel so gut wie -er kann, aus der Verlegenheit, Sie werden ihn ohne Zweifel nie wieder -bekommen.“</p> - -<p>Die Deutschen stehen hier in keiner Achtung, und so weit meine -Erfahrung reicht, glaube ich auch nicht, daß der größere Theil dieselbe -besonders verdiene; ich wenigstens bin von dreien, mit denen ich in -Berührung kam, betrogen worden. —</p> - -<p>Noch muß ich der Artigkeit des Theater-Directors erwähnen, der -mich zum Mittags-Essen einlud und mir einen bequemen Sitz in der -Directions-Loge, auch bei<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span> außerordentlichen Vorstellungen, anbot — -was ich jedoch ablehnte.</p> - -<p>Meine Gesundheit stellt sich allmählig wieder ein, ich kann an der -Gesellschaft im Hause Theil nehmen, fand mich aber bewogen, aus meinem -bisherigen Logis auszuziehen, da ich für vieles Geld erbärmlich und -ohne Bequemlichkeit logirte. Bald finde ich auch eine weit wohlfeilere -und comfortable Wohnung bei der Frau eines französischen Buchhändlers. -Hier finde ich eine Gesellschaft von 15 Personen, bestehend aus -Deutschen, Franzosen und Schweizern.</p> - -<p>Beim Abziehen aus dem frühern Logis wurde ich noch recht tüchtig -geprellt, und konnte nicht einmal alle Stücke meiner Wäsche -zurückerhalten, diese Schuld war nur der Dienerschaft beizumessen, -welche in diesem Lande miserable ist. Die weiße Dienerschaft besteht -größtentheils aus Vagabonden die aus Europa herüber gekommen sind, -weshalb die meisten hier Ansässigen sich der schwarzen bedienen. Die -Deutschen der untern Stände, welche herüber kommen, werden entweder -Ackerbauer oder Lumpen- und Knochen-Einsammler; zum Dienen will sich -kein Einziger verstehen, weshalb sie verachtet sind und zur Ehre -Deutschlands nicht Deutsche, sondern Holländer genannt werden.</p> - -<p>So viele Gebrechen es in diesem Lande in Hinsicht der Dienerschaft -giebt, eben so groß sind die des Logirens. Die Miethen sind enorm -theuer, nach dem Zinsfuße reguliren sich natürlich dieselben. Es -ist gar nichts Seltenes, daß die Pfandleiher hier 12–15 Procent pro -Monat nehmen. In einem der hiesigen Blätter las ich eine Verhandlung -vor einem Gerichtshofe, die neulich hier statt gefunden hatte. Ein -Ausländer hatte einen Diamant-Ring und eine Uhr mit Perlen zu 15 -Procent monatlich versetzt und reklamirte solche, weil sie ein theures -Erbgut von einem Verwandten seien, von dem Pfandleiher,<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span> welcher -die Rückgabe verweigerte, weil der stipulirte Termin der Auslösung -verstrichen war. Der Kläger wurde abgewiesen. Nach unsern Gesetzen -würde ein solcher unerhörter Wucher bestraft, allein in diesem Lande -heißt es: Jeder kann den Werth seines Geldes selbst feststellen, und -wenn sich ein Narr findet, der für einen Solitair ein Stück Silber im -Werth eines Piasters kaufen will, so kann er es immerhin thun, die -Gesetze können nichts dagegen einwenden.</p> - -<p>Jeder Hauseigenthümer ist daher Wucherer, und schlägt nach dem -Maaßstabe des Zinsfußes die Miethe an; so bezahlt jeder enorme Miethen, -und aus diesem Grunde giebt es hier sehr wenige Haushaltungen. Die -meisten Familien leben in Boarding Houses (Pensions), die eigentlich -nichts mehr und nichts weniger sind als Gasthöfe; es giebt deren -ungemein viele. Die Deutschen nennen sie Kosthäuser, auch findet man -in den Straßen, an vielen Häusern Aushängeschilder mit der Aufschrift: -<em class="gesperrt">deutsche Kosthäuser</em>; vorzüglich findet man diese in den Straßen, -wo sich die ärmere Klasse der Deutschen aufhält. Mit Ausnahme sehr -weniger Kaufleute und Banquiers ersten Ranges wohnt jeder Geschäftsmann -hier in einem solchen Boarding-Haus. Der Preis wird pro Woche bestimmt, -die Mahlzeiten sind folgende: ein Frühstück, bestehend aus Thee, -Caffee, Fisch-, Fleisch-, Eier- und Mehlspeisen; ein Mittags-Essen -nach englischer, französischer, oder deutscher Weise, am Abend kalte -Küche (Ueberreste von Mittag) und Desert, Thee; der Preis regulirt sich -nach dem Zimmer, fängt von sieben Piaster pro Woche an, und steigt bis -20 pro Kopf. Um 7 Uhr des Morgens giebt eine Glocke das Signal zum -Aufstehen, um 8 Uhr verkündet dieselbe, daß das Frühstück aufgetragen -ist; um 4 Uhr hört man sie das Mittags-Essen, um 7 Uhr Abends die -Theezeit verkünden. Von dieser Zeit an bleiben die Herren und Damen -in dem gut decorirten und beleuchteten Saal zusammen. Unter den<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> -Damen findet man hier sehr gute Schachspielerinnen, die mit ihren in -französischen Glacé-Handschuhen verschleierten Fingern so geschickt zu -manövriren verstehen, daß ihre männlichen Gegner bald matt sind.</p> - -<p>Zwei oder dreimal wöchentlich wird nach der Musik eines Piano getanzt. -Man findet verschiedene Klassen von Boarding-Häusern, sehr lustige, und -auch sehr solide.</p> - -<p>Die jährliche Miethe für solche Häuser ist von 6 bis 10,000 Piaster; -bringt man nun noch Silberzeug, Mobilien, Domestiken, und die höchst -brillante Beleuchtung in Anschlag, so muß man sich wundern, daß sie -bestehen können. Hinsichtlich der Weinpreise sind diese Häuser (ersten -Ranges) alle übereinstimmend; weniger als 1 Piaster verdient Niemand an -einer Flasche, wohl aber mehr, weshalb Jeder, der sich hier einmiethet, -in Kenntniß gesetzt wird, daß er sich gegen Bezahlung von funfzig Cens -(etwa 18 Ggr.) pro Flasche seinen eigenen Wein halten könne (hierbei -ist indeß Gefahr).</p> - -<p>Der Amerikaner ist kein Weinkenner, Madeira ist sein Lieblingswein -und von dieser Sorte giebt es denn hin und wieder einen Kenner. Der -theuerste Wein ist der beliebteste, und es würde kein Gastwirth eine -Flasche unter 1½ Piaster anbringen können. Aster-House, das erste -Hotel in New-York, verkauft den besten Madeira für 12 Piaster. Der -Eigenthümer dieses Hauses ist als armer Kürschner-Geselle eingewandert, -und soll jetzt über ein Vermögen von 10 Millionen Piaster commandiren -(?)</p> - -<p>New-York ist in den Monaten August, September und October am -besuchtesten, denn die Reichen aus dem südlichen Amerika kommen um -diese Zeit hierher, um sich gegen die Fieber zu schützen, und kehren -erst im November nach Hause; es ist daher in diesen Monaten sehr -schwierig, ein Unterkommen zu finden. Hinsichtlich des Bodens ist -Amerika ein Land von ungeheuern Ressourcen (wovon später mehr), die -Gutsbesitzer sind die<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span>jenigen, welche so zu sagen, das Geld zum Fenster -hinaus werfen. Der Boden ist ergiebig, die Erzeugnisse finden stets -Abnehmer; wer etwas Vermögen hat, kauft sich Land, und befindet sich -alsdann wohl. Das Arbeitslohn wird hier stets hoch sein, weil jeder -Arbeitsmann, sobald er sich ein kleines Vermögen erspart hat, sofort -Gutsbesitzer wird. Ich fand in einem öffentlichen Blatte folgenden -Artikel:</p> - -<p>„Als Beweis, wie hoch man den Werth des Hornviehs von Durham in diesem -Bezirk schätzt, sei nur dieses angeführt. Samuel Smith verkaufte in -dieser Woche mehrere seiner Kühe: eine säugende Kuh nebst dem Kalbe -würde mit 2000 Piaster (etwa 3000 Rthlr) eine zweite mit 1350, andere -für 1200 und 1000 Piaster verkauft; er verkaufte von seinen Kühen -für den Werth von 20 bis 30,000 Piaster.“ Welcher Preis für einen -Gutsbesitzer, selbst wenn man auch den geringen Werth des Geldes in -den V. S. in Anschlag bringt! In demselben Grade, als die Umstände -der Gutsbesitzer brillant sind, eben so morsch scheinen mir die des -Handelsstandes zu sein. Als es noch wenige Commissionaire hier gab, und -die Europäer es beinahe für unmöglich hielten, jene zu kontrolliren, -da erwarben sie viel Geld, denn sie ließen ihren Freunden etwa die -Hälfte des Ertrags von den an sie consignirten Waaren zukommen, und -jene mußten mit dem, was ihnen zuerkannt wurde, zufrieden sein. Wie -haben aber die Verhältnisse sich jetzt gestaltet! Man denke sich einen -Bezirk von der Größe der Stadt Leipzig, welcher nichts als 4–5 Etagen -hohe Speicher enthält, die mit englischen, französischen und deutschen -Fabrikwaaren jeder Art überfüllt sind. Viele Tausende stehen hier stets -zum Ein- und Verkaufe bereit; zu dem ersteren findet sich jede Minute -Gelegenheit, denn jeden Tag langen doch mit Manufacturen beladene -Schiffe an, welche theils von europäischen Kaufleuten auf Speculation, -zum Theil aber auch von New-Yorker Kaufleuten bestellt wor<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span>den sind, -und daher so rasch wie möglich verborgt werden müssen, um von den -Borgern schriftliche Versprechungen dafür zu erhalten, welche die -Banken gegen gedruckte Bank-Versprechungen discontiren.</p> - -<p>Obgleich ich hinsichtlich des Betriebs solcher Art bereits viele -Erfahrungen gesammelt habe, so will ich doch noch näher in das -Specielle eindringen, um später für unsere europäischen Kaufleute desto -belehrender sein und erweislich machen zu können, daß jedes Geschäft -von Europa in der neuen Welt durch Commissionaire besorgt, nur allein -für Letztere von Nutzen sein muß.</p> - -<p>Vier Wochen hatte ich jetzt (den 30sten September) größtentheils auf -dem Krankenlager zugebracht. Ein freundlicher Sommerabend, wie wir ihn -wohl in Deutschland im Juni haben, zog mich aus meiner Wohnung; kein -Wölkchen trübte den Horizont, der Mond verbreitete ein herrliches Licht -über Broad-Way, die Hauptstraße New-Yorks; ich war so entzückt, als -ich auf die Straße heraustrat und dies alles empfand, daß ich hätte -weinen mögen. Ich muß zuvor bemerken, daß diese Straße, vielleicht nur -um ⅓ länger und ¼ breiter als die Leipziger Straße in Berlin, etwas -sehr Eigenthümliches und Anziehendes hat. In dieser Straße befinden -sich alle Hotels, Boarding- und Caffee-Häuser, alle Kaufmanns- und -Conditor-Läden von ungeheurer Tiefe, welche sämmtlich sehr brillante -Gasbeleuchtung haben. Wer ein Geschäft von Bedeutung machen will, muß -einen Laden in Broad-Way haben. Die Miethen sind daher in dieser Straße -enorm hoch, ein Chemist (Droguist) unter der Firma Rushton et Aspiewald -soll, wie mir versichert worden ist, 7000 Piaster jährlich bezahlen; -allein in Soda-Wasser (welches ein Lieblings-Getränk der Amerikaner und -Amerikanerinnen ist) 20,000 verdienen. (?)</p> - -<p>Bemerkenswerth ist es, daß, obgleich es in den Wochentagen 500 Omnibus -und einige 100 andere Mieths<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span>wagen giebt, am Sonntag doch kein einziger -in den Straßen anzutreffen ist; Alles, die beau monde und die ganze -Stadt ist in Bewegung — aber zu Fuße; ich möchte behaupten, daß die -Anzahl der an jenem Abend sich in Broad-Way bewegenden Personen sehr -wenig der beim Einzug der Kaiserin von Rußland in Berlin versammelten -Menge nachgab. Weder Polizei noch Constabler wurden bemerkt, und doch -war die Sittlichkeit, wie ich sie in keiner Stadt angetroffen habe. -Frauenzimmer ohne männliche Begleitung, gehen, ohne die Aufmerksamkeit -des Mannes rege zu machen, mit der größten Sicherheit — ein großer -Contrast gegen die Ungeschliffenheit der Europäer, besonders der -Engländer, welche sans façons die Frauen, den Hunden gleich, in den -Straßen herumzausen (hierbei ist jedoch nur von den untern Ständen -die Rede, denen der Sonntag allein zu einer ungestümen Erholung -angewiesen ist). Auch der Amerikaner der untern Klasse unterfängt -sich nicht, den Anstand gegen Frauenzimmer zu verletzen; selbst das -verworfenste behandelt er mit Schonung, weshalb denn auch dieser Theil -der weiblichen Bevölkerung sehr zurückgezogen und unbemerkbar ist. Man -sieht hier in den Straßen eben so wenig öffentliche Dirnen als einen -Betrunkenen. Wohlgekleidet in sehr reiner Wäsche ziehet Jung und Alt -mit brennender Cigarr ruhig durch die Straße und man glaubt sich eher -in einer Kirche als auf der Straße zu befinden. Während ich durch -Broad-Way schlendere, lese ich auf einem Schilde: Rochés Café de mille -colonnes, mit großer Schrift; das ist eine französische Windbeutelei -dachte ich, und so fand ich es auch. Ich trete ein und befinde mich -in einem Zimmer von 20 Fuß Länge, und 15 Fuß Breite; die beiden -Wände haben an jeder Seite 15 Säulen, und zwischen jedem Paar von -Säulen finden sich Spiegelgläser, welche denn freilich in brillanter -Gasbeleuchtung die Säulen vervielfachen.<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span> Weiterhin finde ich in -New-York-Garden ein ziemlich enges, von Oel-Lampen und altmodischen -Laternen erleuchtetes, nicht besonders comfortables Local.</p> - -<p>Die Franzosen deren es in New-York 12–15000 giebt, beschäftigen sich -mit Allem, und verdienen viel Geld. Die Wirthe der Restaurationen, -Conditoreien und Caffee-Häuser sind größtentheils aus Frankreich, und -werden vorzugsweise besucht. Die Preise, welche sie festgesetzt haben, -übersteigen die bei uns um das Dreifache. Eine kleine Tasse Caffee, -der in der Regel sauer schmeckt, kostet ⅛ Piaster, und eben so viel -kostet die geringste Kleinigkeit. Eine meiner nächsten Wanderungen -führte mich nach Chatham-Street, das Judenviertel, ungefähr so wie -die Elb-Straße in Hamburg und die Reetzen-Gasse in Berlin, jedoch im -großartigsten Stil, etwa ¼ deutsche Meile lang, von beiden Seiten -mit Kleiderläden, Kram-, Galanterie- und aller Arten Waaren-Läden -angefüllt. Juden von allen Nationen sind in dieser Straße anzutreffen. -Alle Waaren, welche im Lande gestohlen oder aufgeschwindelt sind, -werden in Chatham abgesetzt, und wer wohlfeil kaufen will, gehet -hieher. Die Ladenherren, obgleich sie von Posen oder Schermeisel -abstammen, haben Namen angenommen, wodurch ihre Geburts-Länder nicht -verrathen werden, z. B. King, Christalli, etc. etc. etc. Hierbei muß -ich ein Verhör im Polizei-Amte, welches heute statt fand, anführen. -Seit mehreren Wochen war die Polizei bemüht gewesen, Diebstählen, -die seit einiger Zeit durch Einbrüche in Waarenläger verübt worden -waren, auf die Spur zu kommen. Dies gelang endlich und der Dieb -wurde eingezogen. Als er gefragt wurde, für wie viel Werth er die -Zeit hindurch aus jenem Laden entwendet habe, erwiederte er: für -circa 15,000 Piaster, von welchen jedoch noch für etwa 1500 Piaster -unverkauft da lägen, weil der gewöhnliche Abnehmer, Mr. King in -Chatham, sie zu kaufen verweigert und ihm eröffnet habe, er besitze<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> -von dergleichen Waaren jetzt zu viel Vorrath, er werde jetzt nur -wollene oder seidene Waaren für baares Geld kaufen, worauf denn, wie -natürlich, Mr. Kings Locale unter polizeiliche Aufsicht gestellt -und er selbst eingezogen worden ist. Diebereien werden hier sehr -hart bestraft, Mordthaten hingegen mit weniger Strenge als in Europa -instruirt, weshalb sehr viele Mörder der verdienten Strafe entgehen. -Das Treiben in Chatham ist großartig; jüdische Actionaire halten ihre -Verkäufe auf einem Karren, worauf sich die zu verkaufenden Gegenstände -befinden (über diese Straße später ein Mehreres).</p> - -<p>Als ich von Chatham zurückkehrte, fand ich in meinem Logis ein -Schreiben von einem jungen Berliner vor, für welchen ich von seinen -dortigen Verwandten einen Brief mitgebracht hatte. In jenem Schreiben -wurde ich ersucht, ihn doch im Stadt-Hospitale, wohin er wegen eines -Armbruchs gebracht worden sei, zu besuchen. Ich war um so begieriger, -diese Anstalt kennen zu lernen, da sie mir früher, bei meinem -Kranksein, von unserm Schiffs-Capitain empfohlen worden war. Nach -dessen Schilderung erwartete ich etwas dem Hamburger Krankenhause -oder der Berliner Charité Aehnliches; die Fonds, erzählte er, müßten -beträchtlich sein, da jeder Capitain der in New-York ankommenden -Schiffe für jeden Reisenden 1½ Piaster und für jeden Matrosen 1 -Piaster zu diesem Fonds einliefern müsse, und die Einkünfte dieser -Art werden nur zur Bequemlichkeit der Kranken verwendet; es sei in -ganz New-York kein Haus, was in Betreff der Pflege, Reinlichkeit und -Aufwartung etwas Aehnliches zu leisten im Stande sei. Ob ich Recht oder -Unrecht gehabt, den Rath des Capitains unbefolgt zu lassen, war mir -sehr interessant zu erfahren.</p> - -<p>Die Apotheke dieser Anstalt, welche ich passirte, fand ich geregelter -als die sogenannten Droguist-Shops, da sich in derselben nicht, wie -in den letztern, Spielkar<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span>ten, Wachslichte, Zahnbürsten, Cigarren -etc. sondern nichts als Medicamente befanden. Das Zimmer Nro. 10, in -welchem der Kranke lag, wurde mir geöffnet. Es war von ziemlicher -Breite; an jeder Seite befanden sich 5–6 Lager, aber keins derselben -war eine Bettstelle, es waren Bretter, auf welchen sich ein mit wenigem -Stroh gefüllter Sack, ein sehr dünnes Kopfkissen, und eine sehr dünne -wollene Decke befand. Da indessen der Brodherr dieses jungen Mannes -für die meisten Chirurgen New-Yorks die Instrumente verfertigt, so -hatte man dem Patienten vorzugsweise ein kleines Kissen, auf welchem -der gebrochene Arm ruhte, hergegeben. In den klinischen Anstalten zu -Berlin, und Deutschland überhaupt, liegen doch die Patienten auf Betten -und nicht auf Stroh. Am meisten wunderte ich mich, diese Jämmerlichkeit -in einem Lande anzutreffen, in welchem man das Geld sonst wegwirft für -lumpige Kleinigkeiten. Wie pries ich mich glücklich, daß ich nicht -hierher gerathen war! Unterdessen wurde während meiner Anwesenheit -das Essen aufgetragen, und zwar auf einen in der Mitte des Zimmers -befindlichen langen Tisch, an dessen beiden Seiten sich Bänke ohne -Rückenlehne befanden; jeder der Patienten erhielt eine Schale voll -Suppe, und eine Portion gekochtes Rindfleisch mit einem Stück Brod. -Dem kranken Landsmanne wurde seine Portion auf den Fensterkopf neben -seinem Lager mit einer ungewöhnlichen Gefühllosigkeit hingesetzt. -Mittlerweile kam der Oberarzt, gefolgt von 8–9 sehr jungen Unterärzten, -oder vielleicht Studenten, welche ihm die Krankheit der Patienten -vortrugen; zuletzt sagte er: „nun will ich das deutsche Gesicht sehen!“ -Die jungen Chirurgen zeigten ihm flüchtig die Stellen des doppelten -Armbruchs, „schon gut!“ sagte er, und hiermit zogen sie ab. „Ach Gott!“ -rief der Kranke aus, „wie gleichgültig wird ein Ausländer in diesem -Lande behandelt: so ist es vom ersten Augenblick an gewesen, als ich -hierher gebracht<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span> wurde, und drei volle Stunden ohne Hülfe blieb, und -so bleibt es immer.“ Welcher Deutsche im Auslande auch sonst wenig -an sein theures Vaterland denkt, der vermißt es sicherlich, wenn er -krank wird; diese Erfahrung habe ich auch oft an mir selbst gemacht; -nirgends, in keinem Lande, in keiner Stadt habe ich die deutsche -Herzlichkeit gefunden. Wir wollen sehen, junger Mann, dachte ich, als -ich den Kranken verließ, ob du sechs Jahre, wie du dir vorgenommen, -hier aushalten wirst!</p> - -<p>Ich ging jetzt nach dem Platze Wall (nach der Straße dieses Namens), -um mehreren Wein-, Colonial- und andern Waaren-Auctionen beizuwohnen. -Da stehen die Auctions-Commissarien auf den Fässern, Säcken u. s. w. -und jeder derselben hat seine Anzahl von Kauflustigen um sich; sie -rufen die gebotenen Preise wohl funfzig Mal mit einer erstaunlichen -Schnelligkeit und Unverständlichkeit aus, so daß ihre Mäuler in einer -wirbelnden Bewegung bleiben; nur dann weiß man, daß der Zuschlag -nicht mehr fern ist, wenn sie <em class="gesperrt">going</em> rufen; beim zweiten -<em class="gesperrt">going</em> ist der gebotene Preis vernehmbar, jedoch nur für die -in der englischen Sprache sehr geübten. Täglich giebt es in New-York -hunderte von Auctionen; rothe Flaggen, an welchen Cataloge baumeln, -sind die Zeichen, daß im Hause, oder auf dem Platze, wo sie wehen, -Auctionen statt finden. Es soll, so ist mir versichert worden, hier -Auctions-Commissarien geben, die ein jährliches Einkommen von 200,000 -Piaster haben.</p> - -<p>Es giebt in New-York Importeurs, welche ihre Waaren nur per Auction -absetzen, indem die Commissarien gegen Abzug von sieben Procent Zinsen -pro Anno und 2½ Procent Provision, sofort den Belauf auszahlen. -Da das Creditgeben in diesem Lande sehr riskant ist, so ist diese -Verkaufsweise die sicherste. Der Gewinn ist natürlich sehr gering, ja -häufig ist sogar Verlust damit verbunden. Jedoch gegen den letztern -kann man sich eini<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span>germaßen dadurch sichern, daß man die Auctionen -nur in der Frühjahrs- oder Herbst-Season, wenn sich alle Käufer aus -dem Innern in New-York eingefunden haben, statt finden läßt. Der -solide Handel wird freilich dadurch zu Grabe gebracht; denn in der -Voraussetzung, daß die Land-Krämer, von den Zwischenhändlern kaufen -werden, haben diese ihre Waaren-Läger gepfropft voll, und sind den -Importeurs dafür alles schuldig; ist nun auch der eine oder der andere -von den Land-Krämern wirklich gesonnen, seinen Bedarf von einem -Zwischenhändler zu erstehen, so wird er durch die rothen Fahnen, die in -den Gewölben der Commissarien, zwischen denen der Kaufleute aushängen, -abgezogen. Er geräth in ein den Commissarien zugehöriges Lokal, und -wird gesättigt. Die Folge ist, daß die Zwischenhändler ihre Vorräthe -per Auction zu verkaufen gezwungen sind.</p> - -<p>Siehet man die Waarenmassen, die in den Stadttheilen liegen, in welchen -das Waarengeschäft betrieben wird (welche Massen unstreitig bedeutender -sind, als die auf allen Meßplätzen Deutschlands zusammengenommen) -sieht man die hohen Häuser von den Böden bis zu den Kellern hinab -vollgepfropft von Waaren jeder Art, so muß man erstaunen und kann die -Frage nicht unterdrücken: Wie, wann und wo soll dieses Alles verbraucht -werden? Man kann sich keine Idee von der Größe des Fabrications-Wesens -in Europa machen, wenn man nicht in New-York gewesen ist, und die -Waaren-Vorräthe daselbst gesehen hat; ich gestehe, daß ich von Furcht -und Schrecken ergriffen wurde, als ich mich orientirt hatte. Der -Gedanke, mich von meinen Waaren sobald und so gut wie möglich los zu -machen, gelangte nach jenem Augenblick bei mir zur völligen Reife. -Meines Erachtens geht man im Waarenfache einer fürchterlichen Zeit -entgegen; es dürfte in einigen Jahren eine weit gefährlichere Krisis -eintreten, als diejenige war, die wir vor zwei Jahren erlebten. -Amerika<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> hat zu viel Ressourcen, um nicht fortwährend groß zu bleiben; -wenn selbst die große Hälfte der Waaren-Händler untergehen müßte, -wird Amerika nichts von seiner Größe eingebüßt haben. Die Regierung -ist sehr vernünftig, sie hält den Waaren-Händlern die Zügel kurz; -durch die hohen Preise, welche der europäische Fabrikant für die -prima Materie hergiebt, verliert er oft das ganze Arbeitslohn, und -vielleicht noch mehr. Dieses war vor zwei Jahren der Fall, und dieser -Fall wird wiederum, noch ehe zwei Jahre vergangen sind, eintreten. Daß -es der americanischen Regierung nur darum zu thun ist, den Ackerbau, -und nicht die Fabriken zu begünstigen, beweist sie dadurch klar und -deutlich, daß sie jedem Kaufmann den Zoll für seine eingehenden Waaren -auf sechs Monate creditirt; thäte sie dieses nicht, so würden weit -weniger Waaren eingeführt werden, indem die Summen für Zollgefälle von -vielen Importeurs nicht ohne Mühe würden angeschafft werden können, -und ein großer Theil derselben vom Importiren würde abstehen müssen, -wodurch die in Amerika fabricirten Waaren bessern Absatz finden würden. -Allein die Regierung denkt, Ackerbau ist einträglicher als Fabriken, -und denkt, so lange europäische Fabrikanten das Arbeitslohn verlieren -wollen, sehr richtig (hierüber weiterhin ein Mehreres).</p> - -<p>Nach dem, was ich hier im Geschäft wahrgenommen habe, muß jede zwei, -spätestens drei Jahre eine allgemeine Stockung im Zahlen eintreten, -und die nächste dürfte die furchtbarste von allen bisherigen -werden, da England jetzt nicht im Stande ist, wie vor zwei Jahren, -eine Baarsendung von 2 Millionen L. Sterl. zum Stützen der für die -englischen Fabrikanten unentbehrlichen americanischen Banken zu -machen. Am deutlichsten kann der Schwindel bemerkt werden, wenn man -sich während der Börsenzeit unter den Stock-Jobbers und Broakers -umsieht. Unter den letztern findet man Subjecte, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span> 60,000 Piaster -Courtage jährlich verdienen; sie arbeiten darauf hin, einen Wirrwarr -zu Stande zu bringen. Der Handelsstand hier ist das größte Kunstwerk -der menschlichen Gesellschaft. Jeder handelt, und wie handelt er? Im -Großen. Man sieht Kram-Läden von der Länge, oder besser Tiefe eines -kleinen Exerzier-Platzes; in solchen Läden liegen vielleicht für 60,000 -Piaster Waaren, von denen nicht ein einziger Cens (der hundertste -Theil eines Dollars) bezahlt ist. Ist der Mann durch gute Lösung in -Stand gesetzt, einem Theil seiner Verpflichtungen nachzukommen, nun, -so geschieht es; ist dies aber nicht der Fall, so stellt er für sich -den größten Theil in Sicherheit, läßt seine Creditoren zu sich kommen, -und ersucht diese, das Nachgebliebene für ihre Schuld zu empfangen. Die -Handlungsbücher sind vielleicht schon einige Tage vorher den Flammen -überliefert worden, und kömmt einer von den Creditoren auf den Einfall, -nach den Büchern zu fragen, so kann der sich auf die Antwort gefaßt -machen: „das ist mein Geheimniß, deshalb werde ich sie Ihnen nicht -zeigen.“</p> - -<p>Das Wetter fand ich hier im Anfang October noch den Sommertagen in -Deutschland gleich; es war sehr heiß und man wird von den Musquitos, -welche unsere Mücken auch hier an Bosheit weit übertreffen, ungemein -geplagt. Dieses Ungeziefer findet sich hier erst im September mit aller -Kraft ein, und man darf sich vor Eintritt eines Frostes, im November, -keine Ruhe versprechen. Es ist jedoch ein Leichtes, sich von ihnen im -Schlafzimmer zu befreien: man schließt nämlich vor dem Anzünden der -Lichter die Fenster, und macht mit dem brennenden Lichte Jagd auf sie. -Bevor ich dies that, hatte ich in der Nacht wenig Ruhe, und mehrere -meiner Tischgenossen adoptirten meine Kriegsweise.</p> - -<p>Noch muß ich einiges von den Straßen New-Yorks bemerken; ich fand, daß -die Straße Broad-Way viele<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> Aehnlichkeit mit dem Newski Perspective in -St. Petersburg hat; jedoch hat die erstere, außer dem ihr zugehörigen -freien Platze (Park-place) viel Eigenthümliches; der freie Platz -gewährt des Abends bei der Gasbeleuchtung einen herrlichen Anblick, da -sich auf demselben mehrere öffentliche Gebäude, nämlich das Rathhaus, -Theater, Museum etc. befinden. Die Nebenstraßen von Broad-Way laufen -parallel und in grader Linie, wie die der großen Friedrichsstraße -in Berlin, jedoch sind die Häuser in derselben nicht so schön. Das -Eigenthümliche besteht besonders darin, daß man, da New-York eine -Insel ist, an jedem Ende der Straße die Masten von großen Schiffen -wahrnimmt, was einen höchst angenehmen Eindruck macht — besonders -nach Untergang der Sonne, wenn so viele Masten der großen Schiffe mit -den vielen Tauen, durch welche man die herrliche Abendröthe erblickt, -einem Walde gleich, sich dem Auge darbieten. An Vergnügungen kann es -in einer so reichen Stadt nicht fehlen. Der Yankee (Amerikaner der V. -S.) ist, was den Lebensgenuß betrifft, mit dem Wiener zu vergleichen; -er ist für das Materielle; kein Preis ist ihm zu hoch, wenn der -Gegenstand reellen Genuß verspricht. Ein Hauptvergnügen ist ihm das -Kegelspiel, wobei die Damen mit den Herrn wetteifern; man findet -viele Keller (den Hamburgischen ähnlich), woselbst Restaurationen und -Kegelbahnen eingerichtet sind, und Erfrischungen aller Art gereicht -werden. Die Austern sind hier, obgleich um sehr vieles größer als -die holsteinischen, die allerfeinsten und schmackhaftesten, die ich -genossen habe; sie werden in allen Kegelbahn-Kellern zubereitet, -und für einen nicht übertriebenen Preis gereicht: ½ Dutzend kostet -etwa 4 Ggr., wozu man noch eine ziemliche Quantität Kohl-Sallat, -Butter, Brod, und Zwiebacke bekommt. Schäferstunden sind nach der -Versicherung eines meiner Freunde, die theuersten Genüsse in dieser -Stadt, die Schäferinnen, entweder aus England, oder<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span> Töchter der aus -Irland als Arbeitsleute Eingewanderten, sind die einzigen von allen -englischen Erzeugnissen, wie mein Freund meint, die sich im Preise -halten; 10–15 Piaster ist der fixe Preis für eine Schäferstunde. Für -wenig bemittelte aber kräftige Männer sollen die couleurten Frauen ein -vortreffliches Surrogat sein, man sieht diese in heller Kleidung mit -seidenen Schnupftüchern in der Hand, sehr anständig umherziehen. Damen -von Stande bedienen sich der weißen Tücher, die sie stets in den Händen -tragen.</p> - -<p>Die Theater werden hier sehr besucht, und mein Reisegefährte, -der Director W....., machte gute Geschäfte. Das Personal ist von -London (woselbst jeder amerikanische Schauspiel-Director eine -Anwerbungs-Anstalt erhält), und die angeworbenen Mitglieder finden gute -Rechnung, so lange die Direction Rechnung dabei findet. Das Entrée -ist 1 Piaster, fürs Parterre ½ Piaster. Von Ausländern, die in -New-York sonst den dritten Theil der Bevölkerung ausmachen, werden die -Theater im Allgemeinen wenig besucht. Der Yankee ist nicht Kunstkenner -genug, um über die Poesie und mimische Darstellung des Dramas richtig -zu urtheilen, daher denn die Directoren, um ein großes Publikum von -Yankees für sich zu gewinnen, ein leichtes Spiel haben. Die für -Gastrollen engagirten Subjecte langen von England successive an, denn -jeder derselben ist für 8, 10 bis 12 Rollen, d. h. Vorstellungen, und -zwar, je nachdem er unter den Künstlern einen Rang einnimmt, für die -Hälfte oder ⅔ der Einnahme engagirt, und tritt daher nur in zwei, -höchstens drei seiner vorzüglichsten Rollen auf. Jetzt liest man auf -den Theaterzetteln von 2 Yard (2 Ellen) Länge, die am Eingange in den -Straßen an den Häusern und großen Hotels auf Bretter geklebt sind, die -Londoner Theater-Kritiken der Times, des Examiner, Courier etc. etc. -wörtlich abgedruckt, in Beziehung auf die Rolle des Gastes; das Haus<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span> -wird demnach am ersten Abend gefüllt und nun liest man am folgenden -Morgen in allen Morgenblättern, wie gedrückt voll das Haus gewesen, -mit welchem Applaus der berühmte Gast empfangen und begleitet worden -sei. Die natürlichste Folge ist, daß Alles sich beeilt, das Wunderkind -in der Kunst zu sehen, und somit sind denn auch die Schauspielhäuser -in den übrigen Städten der V. S., wohin die Wunderkinder reisen, jeden -Abend gefüllt.</p> - -<p>Es herrscht über die Geringfügigkeit der Militairmacht der V. S. -ein bedeutender Irrthum, den ich vorläufig bloß durch die Copie, -oder vielmehr Uebersetzung einer Ordre, die mir irrthümlicherweise -zugestellt wurde, widerlegen will. Sie ist folgende:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>125stes Regiment, 45ste Brigade, 28ste Division N. G. S. Infanterie.</p> - -<p class="center">Unter dem Adler liest man in einem Bande:<br /> -Ex pluribus unum.</p> - -<p class="center mtop2">Zweite Compagnie.</p> - -<p class="center s4 mtop1 mbot1">O<span class="g">r</span><span class="g">d</span><span class="g">r</span><span class="g">e</span>.</p> - -<p class="right mright2 mbot1">Hauptstadt New-York den 1. Octbr. 1838.</p> - -<p>Hiermit wird Ihnen angezeigt, daß Sie in Person auf dem -Compagnie-Paradeplatz Broad-Way- und Biberstraße, equipirt und -armirt, wie es die Gesetze vorschreiben, um 2 Uhr am Montag den 8. -d. M. zur Compagnie-Parade, und zur Regiments-Parade am Freitag den -12. um 9 Uhr Vormittags, so wie auch zur Inspection der Revue am -Montag den 15. Vormittags um 8 Uhr erscheinen sollen.</p> - -<p class="right mright1">In Ordre. <em class="gesperrt">Wellstood</em>, Capitain.<br /> -<span class="mright2"><em class="gesperrt">Welsh</em>, Sergeant.</span></p> - -<p>NB. Es ist erforderlich, daß Sie in weißen Pantalons erscheinen. -Kein Stellvertreter wird gestattet.</p> - -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span></p> - -<p>Es sei mir erlaubt, wieder zu merkantilischen Dingen überzugehen, womit -ich mich am liebsten beschäftige. Die Einrichtung des hiesigen Packhofs -fand ich in jeder Beziehung tadelhaft, und gar nicht zu vergleichen -mit den europäischen Einrichtungen, besonders denen des deutschen -Zollverbandes. Die Importation ist in New-York enorm. Es giebt Tage, -an welchen 15 und mehr mit Stückgütern beladene Schiffe ankommen, und -zwar Kasten von 6–800, oder wohl gar tausend Tonnen Größe. Die Procedur -hierbei ist nun folgende.</p> - -<p>Einen Packhof, auf welchem die vom Schiffe gebrachten Güter aufbewahrt -werden, giebt es nicht; im Mittelpunkt der Geschäftswelt ist ein -interimistisches Packhofs-Gebäude, denn das durch den Brand zerstörte -ist noch nicht wieder aufgebaut, und dasjenige, was jetzt gebaut und -bald fertig sein wird, wird zwar, da das Material aus Italienischem -Marmor besteht, ein Prachtgebäude geben, ist jedoch nur für das bei -diesem Institut angestellte Personal bestimmt. Für die Güter, welche -zur Revision gestellt, oder auch zur Niederlage declarirt werden, -sind in verschiedenen Straßen Separat-Gebäude, von keinem besondern -Umfange, durch Schilder mit der Aufschrift: Public-Store bezeichnet. -Sobald die mit Güter beladenen Schiffe einen günstigen Platz zum -Ausladen gefunden haben, was oft sehr schwer hält, so melden sich die -Interessenten beim Ober-Inspector (hier zu Lande Collecter genannt), -und produziren deren Connecemente und eine Factura, auf welcher der -Inhalt und Werth jedes Ballens genau aufgeführt sein muß. Von diesem -werden nun diejenigen Colly’s, welche zur Revision gestellt werden -sollen, bestimmt. Der Eigentümer erhält jetzt vom Collecter ein Permitt -(Erlaubnißschein), die zur Revision bestimmten Colly’s nach dem -Public-Store zu bringen, damit sie revidirt werden können. Mit diesem -Permitt begiebt er sich nach dem Schiff mit der Hoffnung, die Colly’s -jetzt zu erhalten.<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> Allein der Schiffer versichert ihm, daß dieselben -in der Mitte, oder wohl gar auf dem Boden liegen, und da sich noch -Niemand mit einem Permitt über die obersten Güter gemeldet habe, wohl -noch 8–10 Tage verstreichen dürften, ehe er die geforderten Colly’s -werde haben können. Unter diesen Umständen muß man so lange warten; -ich selbst hatte dieses Schicksal und erlitt hierdurch einen Verlust -von 3–400 Piaster, denn die Waaren gingen im Preise um 20 Procent -herunter, wie es häufig der Fall ist, wenn viele Schiffe zugleich -ankommen. Die Zollerhebung ist von derselben Art wie in England; die -Revisoren verfahren jedoch sehr oft eigenmächtig, indem sie nicht -Waarenkenner genug sind. Früher ist viel geschmuggelt worden, bei -dem jetzigen Collecter aber ist dies, wie man sagt, ganz unmöglich, -weshalb man jetzt (im Jahre 1838) der Meinung ist, daß an den mehrsten -englischen Waaren, besonders an den Tüchern (welche unter dem Namen -<em class="gesperrt">Flanell</em> eingeführt wurden), das halbe Capital verloren geht. -Man hört allgemein Klagen über die Strenge des Collecters, und die -Engländer klagen am meisten, da es ihnen früher ein Leichtes war, 50 -oder wohl hundert Ballen feiner Tuche für Flanelle hereinzuschmuggeln. -Im Einverständniß mit dem alten Inspector wurden früher nur die Ballen, -welche Flanelle in sich begriffen, aber keinesweges diejenigen, welche -Tuche enthielten, revidirt, und hiermit soll sich, wie man sagt, der -alte Inspector, welcher von seinem Dienst in Gnaden entlassen worden -ist, ein Vermögen von 100,000 Piastern gesammelt haben.</p> - -<p>Bei den gegenwärtig (in der letzten Hälfte des Octobers 1838) statt -findenden Wahlen für den im December zusammenkommenden Congreß in -Washington ergiebt es sich deutlich, wie sehr der größere Theil -der Handelswelt darauf hinarbeitet, den frühern Schwindel wieder -einzuführen, der durch die Vorsicht des Präsidenten so ziemlich -beseitigt wurde. Das Manufactur-Waarengeschäft,<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> welches, wie schon -früher bemerkt, die Hauptbranche ist, und mit welchem sich mehrere -Millionen beschäftigen, weiter auszudehnen, ist der Wunsch Vieler. -Obgleich die Handels-Bilanz Manchem brillant scheint, so könnte diese -in der Wirklichkeit brillant sein, wenn es genug Fabrikanten gäbe, um -den Bedarf für die Bewohner des Landes zu erzeugen; indessen es fehlt -noch immer an Arbeitern jeder Art, und da die Regierung vernünftiger -Weise dem Ackerbau mehr Aufmerksamkeit schenkt, als dem Fabrikwesen, -so ist es natürlich, daß der größere Theil der Einwanderer zum ersten -Zweck verwendet wird. Die Regierung sieht wohl ein, daß der Werth nicht -in der Prima-Materie, sondern zum großen Theil im Arbeitslohn steckt, -und überläßt es lediglich den Waarenhändlern, die Handels-Bilanz -zurecht zu setzen. — „Wir müssen eine National-Bank haben!“ ist das -Geschrei der Waarenhändler, „denn nur diese kann uns in Stand setzen, -unser Geschäft auszudehnen; haben wir eine solche Bank, so sind wir -im Stande, die doppelte, drei- oder vierfache Quantität Waaren von -Europa einzuführen.“ Die Regierung muß vernünftiger Weise einem solchen -Etablissement entgegen sein, weil die Actionaire sammt und sonders -nicht im Stande sind, eine Bank auf solchen soliden Fuß, wie die -Hamburger oder Bank of England, zu errichten. Wer Grundstücke besitzt, -will Actionair werden, ohne daran zu denken, daß die Grundstücke um -das Zehnfache über den Werth bezahlt worden sind, und demzufolge dem -etwanigen Inhaber der Noten (von der zu errichtenden National-Bank) -nicht die mindeste Sicherheit gewähren würden. So lange mithin nicht -so viel nobles Metall vorhanden ist, den Inhabern von Banknoten -damit zu begegnen, so ist jedes Etablissement gefährlich, und aus -diesem Grunde widersetzt sich die Regierung dem Etablissement einer -National-Bank, welche zu nichts Anderem führen<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> würde, als das Land mit -den Fabrik-Erzeugnissen Europa’s dermaßen zu überschwemmen, daß schon -in Zeit von <em class="gesperrt">Einem</em> Jahre das ganze Gebäude zusammenfallen würde, -welches ohne National-Bank vielleicht noch zwei Jahre stehen kann.</p> - -<p>Daß der im Jahre 1835 hier stattgefundene Brand zum großen Glück der -Fabrikwelt war, bin ich jetzt überzeugt. Ohne diesen würden jetzt alle -Waaren, statt daß sie seitdem nur etwa um 25 bis 30 Procent im Preise -gesunken sind, um das Doppelte herunter gegangen sein. Feuersbrünste, -wie der hiesige war, sind bei dem jetzigen Fabrikations-System, ähnlich -wie der Krieg in andern Verhältnissen, ein nothwendiges Uebel, und alle -zwei Jahre erforderlich. Die Assekuranz-Compagnieen würden hierbei -freilich die Leidenden sein; sie würden indessen nur immer einen -geringen Theil von dem viele Jahre hindurch Gewonnenen zurückgeben. -Viele der hiesigen Compagnieen haben, trotz des ungeheuern Brandes, -von welchem nur derjenige einen Begriff haben kann, der den Platz -kennt, das Volle des versicherten Quantums, und einige unbedeutende -Compagnieen 75 Procent desselben bezahlt.</p> - -<p>Sieht man die Waaren-Massen in allen Städten der V. S., so gelangt man -zur Ueberzeugung, daß die Art und Weise, wie jetzt fabricirt wird, -den Wohlstand sehr Weniger befördern, aber den Untergang sehr Vieler -herbeiführen muß, indem <span class="zaehler">31</span>⁄<span class="nenner">32</span> aller Geschäfte Creditgeschäfte sind, und -dennoch mit einem sehr unbedeutenden Gewinn abgeschlossen werden. Jeder -drängt sich zum Verkauf, und Jedem werden ohne Bedenken Waaren verkauft -und abgeliefert. Sieht man des Commissionairs Verkaufrechnungen -über die an diesen zum Verkauf überschickte Waaren, so findet man, -daß er sie auf 8 Monate Zeit verkauft hat, wobei er 2½ Procent -für die Garantie aufführt, und mehrere,<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> oder wohl gar die meisten -der Commissionaire befinden sich in der Lage, die garantirte Summe -nicht bezahlen zu können, wenn sie dieselbe nicht bezahlt erhalten, -wie dies im Jahre 1837 der Fall war. Die übermäßige Production, die -immerwährenden Modenveränderungen, dazu der immerwährende Geldmangel -in den V. S., dies alles muß nachtheilig auf die Waaren-Vorräthe -einwirken, Bankerotte herbeiführen, und zerstörende Resultate für -Commissionaire erzeugen.</p> - -<p>Kein Land ist in dieser Hinsicht gefährlicher als Amerika, weil die -handelnde Welt kein reelles Vermögen besitzt, und Jeder sich nur so -lange halten kann, als sich Alle halten; stockt ein kleiner Theil in -der Gesellschaft, so stockt nicht lange darauf ein größerer, und bald -das Ganze.</p> - -<p class="mbot1">Besucht man die Ausstellung der Industrie-Erzeugnisse, so wird man -bemerken, daß, wenn die Regierung es wollte, die V. S. vielleicht -in einem Zeitraum von etwa 15–20 Jahren Manufactur-Waaren jeder -Art exportiren, und mit jeder Nation zu koncurriren im Stande sein -würden. Folgende Tabelle enthält über die Fabrikation der V. S. die -interessantesten Data.</p> - -<table class="fabrikation" summary="Fabrikation in den V. S."> - <tr> - <td class="tdc btb br"> - Manufactur-Fabriken. - </td> - <td class="tdc btb br"> - Capitalien. - </td> - <td class="s5 tdc btb"> - Arbeiter-<br /> - Anzahl. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl btb br"> - Baumwollen-Waaren - </td> - <td class="tdc btb br"> - 60,000,000 - </td> - <td class="tdc btb"> -  80,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Wollene Waaren - </td> - <td class="tdc br"> - 30,000,000 - </td> - <td class="tdc"> - 104,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Seidene Waaren - </td> - <td class="tdc br"> -  4,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -  12,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Pelz-Waaren - </td> - <td class="tdc br"> -  6,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -  15,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Kämme - </td> - <td class="tdc br"> -  1,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -   2,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Säge-Mühlen - </td> - <td class="tdc br"> - 12,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -  20,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Sägen - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>230,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>300 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Taschenbücher - </td> - <td class="tdc br"> -  1,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>250 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Oefen von Gußeisen - </td> - <td class="tdc br"> -  1,500,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>600 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Parfümerieen - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>500,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>500 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> - Bürsten - </td> - <td class="tdc br"> -  1,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>900 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Neu-Silber - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 20,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 15 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Geschwind-Wagschale - </td> - <td class="tdc br"> -  1,090,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>600 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Reise-Mützen aller Art - </td> - <td class="tdc br"> -  1,500,000 - </td> - <td class="tdc"> -   1,200 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Lampen - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>300,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>220 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Eiserne Geldkasten - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>170,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 89 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Dampfmaschinen - </td> - <td class="tdc br"> -  2,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -   3,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Leinwand - </td> - <td class="tdc br"> -  2,490,000 - </td> - <td class="tdc"> -   2,500 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Porzellan - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 30,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 60 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Bronze - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 10,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>  8 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Bijouterieen - </td> - <td class="tdc br"> -  1,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>500 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Glaswaaren - </td> - <td class="tdc br"> -  2,360,000 - </td> - <td class="tdc"> -   2,400 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Tapeten - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 50,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>140 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Holzschneiden - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 11,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 20 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Compositionen zum Bau - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 20,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 60 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Halsbinden - </td> - <td class="tdc br"> -  4,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -   2,500 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Feuerspritzen - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>160,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>200 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Wagenbauer - </td> - <td class="tdc br"> -  2,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -   1,200 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Baumwoll-Pressen - </td> - <td class="tdc br"> -  1,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>550 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Kunstblumen - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>500,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>600 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Sattler und Zäumer - </td> - <td class="tdc br"> -  1,000,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>400 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Siegellack - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span> 20,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 30 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Piano’s - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>200,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>300 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Orgel - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>150,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 60 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Buchbinder - </td> - <td class="tdc br"> -  1,850,000 - </td> - <td class="tdc"> -   2,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Schrauben - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>400,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>208 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl br"> - Kofferfabriken - </td> - <td class="tdc br"> -   <span class="hide">,</span>600,000 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>850 - </td> - </tr> -</table> - -<p class="mtop1">Wenn mithin bis jetzt nur etwa 200,000 Menschen in den Fabriken -beschäftigt sind, und etwa 140 Millionen Piaster Capital dazu verwendet -wird, so kann es doch nicht fehlen, daß im Verlauf von 10 Jahren die -Fabriken um das Doppelte und vielleicht Dreifache anwachsen<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> würden, -wenn die Regierung hülfreiche Hand leisten wollte. (Hierüber später ein -Mehreres.)</p> - -<p>Die Ausstellung (Mechanical Fair) kann für den Deutschen nicht -viel Interesse haben, denn es zeigt sich offenbar, daß das ganze -Fabrik-System sich noch in der Entwickelung befindet, wie dies auch -aus der mitgetheilten Tabelle zu ersehen ist. Das Auffallendste unter -allen aufgestellten Gegenständen, waren mehrere Feuerspritzen, mit -einer Eleganz gearbeitet wie man sie selten an Staatswagen findet. -Die Lackirung, die Malerei, die Broncen an jeder derselben müssen, -meines Erachtens, wenigstens 1000 Rthlr. gekostet haben. Als ich einen -anwesenden Freund fragte, ob diese Spritzen wirklich zum Löschen -dienen sollten, oder nur als Kunstwerke zur Schau aufgestellt waren, -erwiederte er mir, man habe hier noch elegantere als diese und erklärte -mir die Ursache hiervon auf folgende Weise: „Wir Bürger,“ fing er -an, „sind sammt und sonders dienstpflichtig: wer nicht Militair sein -will, muß Feuermann sein. Bei Feuersbrünsten hat er den Dienst bei -der Spritze zu versehen. Diese Feuerleute sind, wie das Militair, -in Compagnieen eingetheilt, und so wie sich die Soldaten armiren -und montiren müssen, so haben die Feuermänner für die Anschaffung -ihrer Spritze Sorge zu tragen, und diese wetteifern nun, eben so die -elegantesten Spritzen zu besitzen, wie Jene, die schönste Uniform zu -haben.“ Auffallend ist es, daß die Deutschen, deren es hier 45,000 -giebt, zu den vorzüglichsten bei den Feuerlöschungs-Anstalten gezählt -werden.</p> - -<p>Am Sonntage, vor meiner Abreise nach Havana, besuchte ich die deutsche -Kirche, deren Prediger von allen anwesenden Deutschen vergöttert wurde; -ich ging mit der gespanntesten Erwartung ungefähr eine halbe deutsche -Meile weit und finde in demselben — einen Demagogen, der an der -Gottheit zweifelt; die Predigt war durchaus verworren, so daß mir der -Prediger selbst nicht bei gesunder<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> Vernunft zu sein schien. Nichts -destoweniger hatten sich zwei Partheien, eine für, die andere gegen ihn -gebildet, die beim Ausgang der Kirche über den Werth und Unwerth des -Predigers in Streit geriethen. Sehr oft tritt hierbei der Fall ein, -daß, wenn gewöhnliche Beweise nicht fruchten wollen, mit den Fäusten -gegeneinander argumentirt wird. Dieser Fall soll erst kürzlich bei -der Predigt eines Predigers E.., angeblich der Sohn eines deutschen -Bischofs, vorgekommen sein, welcher allen Hader damit geendet hat, daß -er sich bald nachher auf- und davon gemacht und zugleich zum Ueberfluß -einiges Silbergeschirr aus der Kirche auf die Reise nach Ostindien -mitgenommen hat.</p> - -<p>Heute vor meiner Abreise hatte ich auch noch Gelegenheit, in dem -Kaffeehause eines Italieners den vormaligen Wüthrich des deutschen -Wollgeschäfts, den famösen Behr aus Mecklenburg zu sprechen. Obgleich -seine Kleidung reinlich war, so verrieth sie doch, daß er nicht mehr -so recht in der Wolle saß. Er kannte mich nicht, erinnerte sich jedoch -bald meiner, als ich ihm meine Karte gab.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span></p> - -<h2 id="Zweite_Abtheilung"><span class="antiqua">Zweite Abtheilung.</span><br /> - -<b class="lheight2">Havana.</b></h2> - -</div> - -<h3 id="Reise_nach_Havana"><span class="antiqua">Reise nach Havana, -Oertlichkeit und Einrichtung daselbst.</span></h3> - -<p>Am 8ten November trat ich meine Reise nach Havana an; es war jetzt hier -so kalt, daß das Eis in den Straßen wohl 1 Zoll stark gefroren war, -und wir auf der Norma, einem beliebten Paquetboot zwischen New-York -und Havana, worauf keine Oefen sind, tüchtig froren. Die Gesellschaft -bestand aus etwa 25 Personen, worunter einige sehr häßliche Nichten -des frühern Präsidenten der V. S., die Frau eines Generals, der -Secretair des französischen Consuls, ein deutscher Arzt, ein in -Matanzas etablirter, aus Hamburg stammender Kaufmann, Trunkenbold -erster Klasse, der Sohn eines der ersten Geld-Aristokraten in Hamburg; -ein in kaufmännischen Geschäften ohne die geringsten Kenntnisse in -Havana etablirtes junges Bürschchen u. A. waren. Ich rathe jedem -geehrten Leser, der diese Reise macht, sich mit einem besondern Passe -zu versehen, welches ich unglücklicher Weise vergessen hatte; auch -hatte ich meinen preußischen Gouvernements-Paß nicht von dem spanischen -Consul in New-<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span>York visiren lassen. Als der Capitain und die andern -Reisegefährten dies erfuhren, meinte man, dies sei sehr schlimm, um so -mehr, da das preußische Cabinet mit der Königin von Spanien nicht in -freundschaftlichen Verhältnissen stehe. Der Secretair des französischen -Consuls erzählte, daß 21 Franzosen, welche ohne Pässe angekommen wären, -nach Frankreich zurückgewiesen worden seien, und auch wirklich hätten -zurückreisen müssen, wenn der Consul nicht sich für die Herbeischaffung -der Pässe verbürgt hätte; — ich indeß — behielt guten Muth, im -Vertrauen, daß ich mich durch meinen Paß sowohl als durch angesehene -Häuser in Havana würde legitimiren können; Einige glaubten sogar, ich -würde als Arrestant behandelt werden. Nur ein junger Mensch, der Bruder -eines Advokaten in Havana, sagte mir heimlich, daß er den Beamten -kenne und für Alles sorgen wolle, was ich zunächst mit Dank annahm. -Einmal, in einer Nacht, war die Gesellschaft sehr allarmirt, wir fuhren -nämlich zwischen Felsen, an einer Stelle, welche von den Schiffern -The hole in the Wall (das Loch in der Wand) genannt wird und waren in -großer Gefahr, auf einen Felsen zu gerathen; allein der Capitain fand -in der tiefsten Dunkelheit die Passage und am nächsten Morgen hatten -wir das Fort von Havana vor Augen. Noch muß ich eines Zuges des jungen -deutschen Arztes erwähnen; er war der Sohn eines Leipziger Professors, -hatte aber wegen zu großer Gedankenfreiheit sein Vaterland verlassen -müssen, und kam jetzt von New-Orleans, wo er gewesen war, um sich mit -der Heilung des gelben Fiebers vertraut zu machen. Nur das muß ich -an dem jungen Manne tadeln, daß er sich keines Patienten anders, als -nachdem er nachdrücklich von demselben ersucht worden war, annahm. -Er konnte, wie er selbst sagte, keinen Betrug leiden; dies zeigte -sich hier bei unserer Fahrt ebenfalls bei einer eigenen Gelegenheit. -Es ist auf allen für Reisende eingerich<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span>teten Paquetschiffen die -Anordnung getroffen, daß an den Sonn- und Donnerstagen Champagner -gratis zum Mittagsessen gereicht wird. Der Schiffs-Eigenthümer denkt -auf wohlfeilen Proviant, und rechnet auf unkundige Trinker, und zwar -auf solche, welche, wie es größtentheils der Fall ist, den Werth des -Champagners nach dem Mußiren beurtheilen, und kein Wunder, daß unser -Schiff mit dergleichen mußirendem Stoff versehen war. Meister in der -Zubereitung solcher Getränke sind die Amerikaner; besonders verstehen -sie, aus den Aepfeln einen mußirenden Cyder zu bereiten, der von -Nichtkennern für Champagner getrunken werden muß — er wird jedoch -vom Fabrikanten unter dem Namen Champagner-Cyder verkauft. Solcher -Champagner-Cyder wurde an den erwähnten Tagen reichlich aufgetischt, -und wurde denn auch allgemein mit Wohlgefallen für Champagner genossen; -ich meinerseits schmeckte denselben beim ersten Glase heraus, und ließ -es bei demselben bewenden. An einem der letzten Tage machte ich meinen -Landsmann darauf aufmerksam, und ersuchte ihn, das Geheimniß bis zum -Landungstage zu bewahren. „Stören wir die Illusion nicht,“ sagte ich -zu ihm, „bis wir landen; dann wollen wir mit den Hamburgern, welche -sich die ersten Champagnerkenner zu sein dünken, und die letzten -Flaschen den ersteren stets vorzogen, unsern rechten Spaß haben, und -dieselbe necken.“ Er versprach, meiner Bitte Gehör zu geben; allein -als am andern Mittage sämmtliche Tischgenossen wieder den Champagner -priesen, versicherte der Doctor, das, was sie tränken, sei nichts als -Aepfel-Cyder; Keiner wollte weiter trinken, man ging unzufrieden von -Tisch und meine so wie des Capitains Freude war verdorben. Als ich ihm -darüber Vorwürfe machte, erwiederte er: ich hasse jeden Betrug, und es -ist ein wahrer Betrug, Cyder für Champagner aufgesetzt zu bekommen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span></p> - -<p>Das Schiff lag vor Anker. Der Platz-Major, unter Begleitung eines -Militair-Commando’s, langte auf einer Galeere zum Empfang der Pässe -an. Mir ging es hierbei ganz glücklich; als der Dolmetscher den -Inhalt meines Passes vortragen wollte, legte der Capitain denselben -zusammen und sagte „schon gut!“ Es durfte indeß noch keiner von den -Passagieren das Schiff verlassen; selbst der hohe Staatsbeamte mußte -die schriftliche Erlaubniß von Seiten des Gouverneurs abwarten. Nur -erst, nachdem sich ein in Havana Etablirter für den Ankommenden -verbürgt hat, wird demselben die schriftliche Erlaubniß zum Landen -gegeben. Der Gouverneur hat die Stunde von 12–1 Uhr zum Unterzeichnen -dieser sogenannten Permitts festgestellt, weshalb Schiffe, welche des -Nachmittags ankommen, bis zum folgenden Tage warten müssen.</p> - -<p>Diese Maßregel soll dazu dienen, das Land von Vagabonden frei zu -halten. Die Meisten und Unterrichteten zeigen ihre Ankunft in früher -absegelnden Schiffen an, und finden das Permitt beim Einlaufen vor. -Auch ich hatte zwei Briefe nach der Stadt befördert, hatte aber durch -die Schuld meines Correspondenten M... noch einige Weitläuftigkeiten, -indem ich nämlich kein Permitt fand, und auch der Capitain, der -sogleich nach Havana hinübergefahren war, mir keins mitbrachte, weil, -wie er sagte, mein Paß in Unordnung sei. Ich faßte jetzt den Entschluß, -selbst an’s Land zu fahren, und die Kraft des goldenen Spruches von -Wieland: „Ein goldener Schlüssel öffnet jedes Schloß“ zu versuchen. -Rasch griff ich in die Tasche und zeigte dem spanischen Don-Soldat, -der auf Posten stand, einige Silberlinge, ohne etwas zu sagen; der -Don verstand meine Silbertöne, und sagte in spanischer Sprache, wie -mir gedolmetscht wurde: fahren Sie in Gottes Namen, kommen Sie jedoch -nicht später als 8 Uhr morgen früh zurück, denn um 8 Uhr ist die -Ablösung und meinem Nachfolger muß ich Sie überliefern.<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> Mit andern -Personen fuhr ich jetzt nach Havana über, und wir langten vor einem -Boarding-Hause ohne Namen an. Eine eben so bejahrte, als beredsame -Wirthin kam sofort herbei und gab mir sowohl auf Englisch, wie auf -Französisch zu verstehen, daß ich dasjenige Zimmer, welches mir -angewiesen wurde, in welchem sich eine Feldbettstelle, in der Form -eines deutschen Stickrahmens mit einer dünnen Kattundecke, ferner -ein ganz ordinairer Waschtisch und zwei hölzerne Schemel befanden — -für nicht mehr, aber auch nicht weniger als 17 Piaster inclusive des -Mittagessens und des Frühstücks pro Woche haben könnte. Nachdem ich -diese erfreulichen Bedingungen mit philosophischer Ruhe vernommen und -meine Sachen abgelegt hatte, eilte ich, meinen Correspondenten, den -Consulvertreter M..., an den ich mich bereits früher wegen des Permitts -gewendet hatte, aufzusuchen. Ihn und seine sämmtlichen Commis fand ich, -wie es hier bei der Hitze üblich ist, im tiefsten Negligé bei Tische. -Entrée und Speisesaal bilden ein mit Zugwind versehenes Ganze. Beim -Caffee sagte M... zu mir, ich würde wohl daran gethan haben, meine -Ankunft einige Wochen vorher anzuzeigen, damit ich alles Nöthige, Logis -u. s. w. in Ordnung angetroffen hätte. Da ich dieses gethan zu haben -mir bewußt war, so wußte ich, woran ich mit diesem Helden war. Wegen -des Permitts versprach er, das Nöthige zu besorgen, und am andern Tage -um die Mittagszeit, nachdem ich vorher meinem Versprechen gemäß, zu -dem Don-Soldat zurückgekehrt war, erhielt ich denn auch endlich die -schriftliche Erlaubnis Sr. Exzellenz, versehen mit 7 Unterschriften. -Meine Sachen ließ ich am andern Tage Vormittags abholen, weil das -Steueramt nur bis 12 Uhr expedirt; die Revision war nach preußischer -Weise, d. h. sehr liberal; mein geringes Gepäck passirte ohne viele -Umstände. Zum Fortschaffen desselben muß man hier drei Neger bezahlen, -wo man in Europa nur eine<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span> Person gebraucht. Als ich nach meinem Logis -zurückkam, trat mir ein Don-Soldat entgegen mit der Aufforderung, -ihm sofort zum Capitain de Place zu folgen. Nachdem ich rasch meine -Toilette gemacht, wobei der Soldat sich vor der Thür meines Zimmers -befand, führte mich dieser zum Capitain, einem überaus artigen Manne, -welcher, nachdem er mein Permitt gesehen hatte, mich um Verzeihung -bat, und meinte, es müsse hier ein Irrthum in der Person stattgefunden -haben; allein ich habe Ursache zu glauben, daß einer von meinen -Reisegefährten eine Anzeige gegen mich gemacht hat.</p> - -<p>Vor allem Uebrigen, dachte ich, als die Paß-Verlegenheit beseitigt -war, ein Logis für mich zu miethen, weil die Ausgabe von 100 Piaster -pro Monat für ein schlechtes Zimmer und eben so schlechte Kost mir zu -theuer schien, und 100 Piaster kann man vollkommen die Ausgaben in -einem solchen Boarding-Hause anschlagen. Es wurden mir von mehreren -Bekannten Logis in Vorschlag gebracht, die ich sofort besah, und -mit Pferdeställen zu vergleichen nicht umhin konnte; für Möbel und -Bedienung sollte ich überall noch besonders sorgen. Zuletzt miethete -ich eins was mir besonders empfohlen wurde, bei einer sehr braven Frau, -die von Geburt eine Französin war, worin sich, wie in jedem Hause in -Havana, Ratten, Mäuse, Scorpione, Cucerachas (große Würmer) aufhalten, -und war dies Gemach in Hinsicht der vielen Thierarten mit Noah’s Arche -zu vergleichen. In meiner Wirthin sowohl, als in ihren beiden Söhnen -fand ich treffliche Leute, bei denen ich mich ungemein wohl befand, -und mich von meinen körperlichen Leiden und den Widerwärtigkeiten der -Handelskrisis merklich erholte.</p> - -<p>Es ist so manches über Havana, seine Sitten und Verhältnisse -geschrieben worden, auch der Herr von Humboldt berührt dieses Capitel -in seinen berühmten Werken; allein was den Handel betrifft, so hätte -in keinem Falle<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> dieser ausgezeichnete Mann, dem übrigens auch wohl -die praktische Erfahrung in Handelssachen abging, hierüber etwas sagen -können, was jetzt noch genügte, da jetzt die Handelsverhältnisse sich -ganz anders gestaltet haben, und wenn es noch um das Jahr 1802 etwa -drei Häuser gab, die sich mit dem Handel nach Europa beschäftigten, so -giebt es deren jetzt vielleicht 300. Es wird nicht ohne allgemeines -Interesse sein, nachzuweisen, in wie fern die jetzt stattfindende -überaus große Concurrenz vortheilhaft oder nachtheilig für diese Insel -und die europäischen Kaufleute ist. Meine gesammelten Erfahrungen -werde ich ohne Scheu niederschreiben, meine Behauptungen klar und -bestimmt aufstellen und beweisen, und endlich auch solche Vorschläge -zur Verbesserung des Handels zu machen mich bemühen, welche mir, als -praktischem Kaufmann, ausführbar scheinen. Zuvor werde ich jedoch -Einiges über den Ort, über die Lebensweise der Bewohner etc. bemerken.</p> - -<p>Havana ist an und für sich klein, obgleich es gegen 120,000 Einwohner -zählt. Für die Passagiere ist der Place des Armes, welchen Platz er -gleich nach der Landung am Werft betritt, höchst überraschend und -anziehend; ein Viereck, auf welchem sich drei prächtige Gebäude, -das Haus der Gouverneurs, der Intendantur, das Palais eines Großen -und eine Kaserne im großartigsten Stil gebaut, präsentiren. In der -Mitte ist ein Platz von der Größe des Lustgartens zu Berlin, und -ähnlich wie dieser arrangirt. Vier kleine Fontainen und das Monnument -Ferdinand’s befinden sich in den kleinern mit Gußeisen eingefaßten -Quarrées, in welchen blühende oder fruchttragende Orangen-, Cedern- und -Palmbäume majestätisch prangen. Zur Bequemlichkeit der Spaziergänger -sind die Wege mit Quadratsteinen von Granit belegt. Die Promenade -auf diesem Platz ist jeden Abend von 8–9 Uhr, wenn das Musik-Corps -der Garnison, welches ausgezeichnet brav ist, die Retraite bläst, -und zugleich die gewähltesten Stücke spielt. Die Damen<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> erscheinen -alsdann in Ballkleidern, jedoch ohne Kopfbekleidung und Handschuhe, -die hier nicht Gang und gebe sind; Blumen, Perlen und dergl. dient den -hiesigen Damen zum Kopfputz; die ältesten Frauen tragen nichts auf dem -Kopfe, nur bei großer Kälte wird ein chinesischer Shawl über den Kopf -genommen. Damen ersten Ranges verbleiben in den Volanten. Von diesem -schönen Platz, durch welchen jeder Ankommende eine sehr vortheilhafte -Meinung von Havana bekommt, gehe ich zu den vier Hauptstraßen über, -sie heißen: Orili, Obispo, Lamperillia und Obra Pia, haben 16–18 Fuß -Breite und sind mit schmalen, etwa 20 Zoll breiten, sehr fehlerhaften, -zum Beinbrechen eingerichteten Trottoirs versehen. Man muß sich -daher sehr vorsehen, auf diesen Trottoirs nicht auszugleiten, oder -von einer vorübergehenden Volante gerädert zu werden. Die Volante -ist ein zweirädriges Cabriolet mit einem Pferde, oder auch Maulthier -bespannt, die gewöhnlich von einem Neger geleitet werden. Man muß -daher mit sehr großer Vorsicht in den Straßen gehen, indem die Achsen -dieser Cabriolets 6 Fuß in der Breite messen, und die Räder eine Höhe -desselben Maßes erreichen, welche des Umwerfens wegen in der Art -angebracht sind, daß der Raum an den obern Theilen auf 7 Fuß anzunehmen -ist. Begegnen sich daher zwei solcher Volanten in den 16 Fuß breiten -Straßen, so bleibt für den Fußgänger äußerst wenig Raum übrig; ein -Rad muß nothwendig über das Trottoir gehen, wobei es nicht selten an -den Röcken der Vorübergehenden gereinigt wird. Dazu kommt, daß die -Neger darauf los fahren, ohne die Fußgänger anzurufen und Vorsicht zu -empfehlen.</p> - -<p>Die Straßen sind ungepflastert und daher oft, besonders nach starkem -Regen, nicht zu passiren, indem das Wasser 6–8 Zoll hoch steht: -welcher Umstand den Wäscherinnen nicht minder als den Volanten eine -gute Erndte verschafft, denn es ist in Havana allgemein Sitte,<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> in -weißen Pantalons, feinen weißen Strümpfen, und Schuhen mit umgewendeten -Sohlen umherzugehen. Bei großem Schmutz müssen diese 3–4 Mal täglich -gewechselt werden. Es ist nichts Seltenes, daß Commis von Comptoiren -15 Piaster Waschgeld pro Monat bezahlen; ein junger Mann versicherte -mir, daß er im Sommer täglich dreimal die Wäsche wechsele, und wohl -7 Dutzend Pantalons besitze. Die Kutscher der Volanten sind oft so -mechant, daß sie im Vorbeifahren vorsätzlich den Vorübergehenden die -weißen Pantalons beschmutzen, damit diese einsteigen und nach Hause -fahren müssen, um auf’s neue Toilette zu machen. Man bezahlt für eine -Tour etwa acht Groschen Courant, bei schlechtem Wetter oft das Doppelte.</p> - -<p>Für die ankommenden Schiffer ist hier die Art und Weise des Abladens -weit angenehmer als in New-York; es wird ihnen hier sogleich nach ihrer -Ankunft ein bestimmter Platz dazu angewiesen, wogegen sie in New-York -vielleicht 10 Tage warten müssen. Da indessen die Räume für die Waaren, -die zur Niederlage gebracht werden, zu klein für die Importation sind, -die Zollbeamten aber auch nur bis 12 Uhr Vormittags arbeiten, so ist es -gar nichts Seltenes, daß die Empfänger von Gütern vier Wochen und noch -länger warten müssen.</p> - -<p>Das Weihnachtsfest begann hier ohne besondere Zurüstungen und -Festlichkeiten; am sogenannten heiligen Abend sah ich nichts -Ungewöhnliches in der Stadt vorgehen. Nur die Schiffer kündigten das -Fest dadurch an, daß sie alle vom Werft in den Strom hinauslegten. -Die bedeutenden spanischen Handlungshäuser schließen ihr Geschäft bis -zum zweiten Januar und besuchen ihre Freunde auf dem Lande. (Es giebt -hier nichts als Sommertage.) Man fährt von einer Plantage zur andern, -und findet überall Schmausereien und Bälle. Die Commis machen es eben -so; sie fahren auf der Eisenbahn, oder auch auf Dampfschiffen zu ihren -Bekannten. Die Gastfreundschaft ist hier<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> größer, als ich sie irgendwo -gefunden habe, indeß sind auch solche Parthieen in der Regel sehr -kostspielig, indem man an dem National Hazardspiele Theil nehmen muß, -welches, wie alle dergleichen Spiele, für Pointeurs nachtheilig ist, -man jedoch Theil daran zu nehmen nicht gut verweigern kann, weil jeder -Spanier gern spielt, und als Wirth es einigermaßen erwartet, daß die -Geladenen sich nicht davon ausschließen werden. Ein junger Deutscher -versicherte mir, bei einem sehr gemäßigten Spiele 8 Unzen (à 17 Piaster -die Unze) verloren zu haben. Mit dem 24. December hören alle Geschäfte -auf, selbst der Packhof bleibt von diesem Tage an bis zum 2. Februar -geschlossen — sehr hart für Geschäftsleute.</p> - -<p>Das Weihnachtsfest wurde von Mitternacht an aus allen Kräften mit -allen Glocken verkündet. Es regnete in Strömen, und dennoch zogen die -Menschen zu jener Zeit in Massen nach der Kirche. Junge Leute von allen -Religionen verfehlten nicht, den Messen und — noch etwas Anderem -— beizuwohnen. Da ich indeß in meinem Leben von den Leipziger und -Frankfurter Messen zu viel Genuß gehabt habe, so blieb ich von diesen -Messen zurück, und legte mich in meiner Arche zu Bette.</p> - -<p>Am Nachmittage des Weihnachtstages begab ich mich nach dem sogenannten -Passeo de Tacon, einer von dem vorigen Gouverneur in großem Stil -angelegten Promenade, welche, wenn die darauf gepflanzten Orangen-, -Ceder-, Cocus-, Palm- und Brodbäume in Zeit von 50 Jahren etwa einmal -Schatten für die Spaziergänger darbieten werden, zu den ersten -Promenaden auf der Erde gerechnet werden dürfte. In derselben fand -ich mehrere 100 Volanten, die, wie in St. Petersburg bei großen -Schlittenfahrten in der Butterwoche, in der größten Ordnung fahren. -Lanciers bilden eine Barriere zwischen den Hin- und Zurückfahrenden. -Die Damen sitzen en deux oder auch en trois in Ball-Anzügen in den -Volanten, wo sie ihre sehr<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> schönen Füße, welche in den allerschönsten -seidenen Strümpfen und Atlas-Schuhen ihr Obdach haben, so vortheilhaft -präsentiren, daß die Vorübergehenden über diesen reizenden Theil des -weiblichen Körpers ein vortheilhaftes Urtheil auszudrücken sich nicht -enthalten können. Ich muß gestehen, daß ich die schönsten Füße, und die -geschmackvollste Chaussirung hier antraf, denn was man in Paris und -London nur hin und wieder sieht, das findet man hier im Allgemeinen. -Dies ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, daß die hiesigen Damen wenig -oder gar nicht stehen oder gehen; in ihren Wohnungen sitzen sie stets -und wenn sie durch Geschäfte aus dem Hause gerufen werden, so fahren -sie in ihren eigenen Volanten, die jede Frau zu ihrer Disposition hat. -Alle Einkäufe werden in den Volanten gemacht; die Laden-Diener müssen -die Artikel, nach welchen die Käuferinnen fragen, an den Wagen bringen, -man beordert, das Nöthige zu schicken, und fährt dann nach einem -Conditor-Laden, um Gefrornes zu genießen (ebenfalls im Wagen). Aus -diesem Grunde hat Jeder, der einen offenen Laden besitzt, eine Masse -von Dienern nöthig, welche, wenn das Wetter die Damen vom Ausfahren -abhält, den Orgelpfeifen gleich, hinter den Ladentischen stehen. Da die -Damen hier zu Lande das Abdingen nicht so verstehen, wie die Berliner -Damen, so weiß der Verkäufer es so einzurichten, daß dieselben den Lohn -für jene Masse von Dienern mit bezahlen müssen. — Als ich gegen 8 -Uhr von meinem Spaziergang durch die herrliche Allee von Orangen etc. -zurückkehrte, dachte ich an meine guten Berliner, und wünschte, daß -sie meinen Genuß auf diesem Spaziergange mit mir theilen könnten, ohne -daß sie nöthig hätten, sich, wie ich, diesen Winter hier aufzuhalten, -denn ein immerwährender Sommer muß dem Menschen, welcher den Wechsel in -allen Dingen fordert, am Ende lästig werden, und dieses war mit mir der -Fall.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span></p> - -<p>Obgleich ich schon einiges von den häuslichen Einrichtungen in Havana -berührt habe, so erscheint mir doch dieser Gegenstand wichtig und -interessant genug, um etwas ausführlicher darüber zu sein. Das Erste, -woran Jemand denkt, der sich hier etablirt, ist der Ankauf von Sclaven. -Viele Leser werden hierin etwas Widriges, und Ungerechtes erblicken, -daß man einen Menschen als Sache behandelt und ihm die Freiheit nimmt, -zu der er geboren ist. Allein, da hier keine Dienstboten zu miethen -sind, und man dienende Leute nicht gut entbehren kann, so muß man schon -zum Ankauf von Sclaven, d. h. der Neger schreiten, die hier wie ein -Bündel Schwefelhölzer d. h. mit derselben Gleichgültigkeit gekauft und -verkauft werden. Sie sind zu jeder Zeit zu haben, da es sehr viele -Kaufleute giebt, die auf diesen Artikel spekuliren und immerwährend ein -wohlassortirtes Lager von 6–800 besitzen. Der Preis eines Sclaven ist -400 bis 450 Piaster en detail und etwa 360, wenn man en gros kauft. -Ueber den Handel en gros werde ich weiter unten ausführlicher sprechen.</p> - -<p>Hat man Sclaven, so sieht man sich nach einem Hause um, welches -monatsweise vermiethet wird und zwar zu 100 bis 500 Piaster; ein Haus -von dem erstern Preise ist sehr unbedeutend, und eins von dem letztern -nicht das ausgezeichnetste. Das Ameublement ist im Durchschnitt höchst -mittelmäßig und mit dem in Europa in gar keinen Vergleich zu stellen.</p> - -<p>Die Hauptrolle in demselben spielen die Armstühle, statt der vier -Füße mit zwei Untergestellen, wie in Europa die Wiegen, versehen, -wovon sechs bis acht vor den großen nur mit eisernen Gittern, ohne -Glas, umgebenen Fenstern zum Empfang der Gäste bereit stehen. Die -Damen sitzen Abends auf denselben und schaukeln sich, um von den -Vorübergehenden bewundert werden zu können. Die Zimmer sind entweder -durch hängende Lampen erleuchtet, oder dieselben stehen auf einem -Tische in der<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> Mitte des Zimmers. Ein oder zwei Volanten müssen in den -Vorhäusern zum Zeichen der Wohlhabenheit des Eigenthümers, und zur -Unbequemlichkeit der Eintretenden dastehen; hin und wieder bemerkt -man auch eine Volante im Gesellschaftszimmer in der Nähe des Piano. -An der Thür muß ein Portier im weißen recht feinen Hemde sitzen, und -seinen Cigarr rauchen, wenn das Haus einen vollkommenen Anstrich -von Anständigkeit haben soll; die Portiers sind gewöhnlich Spanier. -Oft sieht man im Vorbeigehen die ganze Damengesellschaft auf ihren -Schaukelstühlen oder am Fortepiano mit brennenden Cigarren. Die Köche -sind in der Regel freie Menschen und werden für ihr Metier sehr gut -besoldet. Hier ist, wie es sich von selbst versteht, nur von Häusern -erster Klasse die Rede. In der Mittelklasse sucht man gewöhnlich einen -Sclaven zum Koch abzurichten, was sehr leicht ist, denn die Hauptkunst -besteht hier darin, die Fricassées in Oel schwimmend auf den Tisch zu -schicken, die Fleischspeisen zu Brei zu kochen oder zu braten, und -mit tüchtig viel Knoblauch und Zwiebeln zu würzen. Die Bedienung bei -Tische geschieht durch Sclaven, welche wie die Hunde dressirt sind, -und beständig auf die Gäste aufmerken. Da steht Einer mit der vollen -Flasche in der Hand, um das leere Glas sofort zu füllen; dort steht -ein Zweiter, die Hände über die Brust gefaltet, er sieht den Gast -scharf an, um seine Befehle entgegen zu nehmen; ein Dritter paßt mit -reinen Tellern, Gabeln und Messern auf den Dienst. Bei Leuten untern -Ranges ist es eben so, nur unterscheiden sich die Sclaven im Anzuge -und es gilt von diesen, was der große Kant in seiner Anthropologie von -den Polen bemerkt, daß nämlich bei den Großen in Polen man von Silber -speise, und die Bedienung ohne Schuhe und Strümpfe aufwarte, wozu in -Havana oft noch zerrissene Kleider kommen. Dem Eingebornen ist solche -Schwäche nachzusehen, aber die Ausländer, die Deutschen<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span> sollten hier -dasselbe thun, was sie in den V. S. thun müssen, d. h. sich ihre Diener -von Europa mitbringen. Doch was giebt es in Westindien für Deutsche? -daß sich Gott erbarmen möge! Größtentheils solche, welche sich in -Bremen mit Tabacks-Krämerei beschäftigt haben.</p> - -<p>Haushaltungen kosten hier sehr viel; die Frauen in denselben bekümmern -sich um nichts, jeder einzelne Sclave um das, was ihm übergeben ist; -der Einkäufer von Proviant sorgt hauptsächlich für Knoblauch, das -Lieblings-Gewürz der Spanier. Die Anzahl der Gerichte ist hier sehr -bedeutend, aber die Schüsseln von geringem Umfange, und der Inhalt -derselben ist wegen der ungeheuern Oeldecke schwer zu ermitteln. Es -wird sehr rasch gegessen, Caffee getrunken, ein Cigarr geraucht, wenig -gesprochen und man entfernt sich. Hinsichtlich des Essens befinden sich -die Sclaven hier außerordentlich wohl, da sie Alles in Ueberfluß haben -und daher mit ihrem Schicksal in Havana nicht selten zufriedener sind, -als mit dem vorigen in Afrika. Die Neger, welche in gallonirten Jacken -und Schuhen ohne Strümpfe, an deren Stelle sie große Cürassier-Schäfte -von gebranntem Leder, auf deren Stülpen sich Silberstifte in -Unzahl befinden, mit Schnüren über den Beinen befestigen, dünken -sich Groß-Moguls zu sein, wenn sie mit großen silbernen Sporen und -Schnallen, durch welche letztere jene Schäfte unter den Knieen -befestigt sind, ihren Gebieter vom Pferde herab kutschiren. Alles, -was man in Europa an den Wagen und Geschirren in Gürtlerarbeit von -Bronce bemerkt, wird hier meistens vom besten Silber verfertigt, und -alles dies ist für Leute ersten Ranges, an welche sich die deutschen -Commissionaire auf Unkosten der europäischen Geschäfts-Freunde -anreihen, unbedingt nothwendig.</p> - -<p>Den zweiten Festtag wendete ich dazu an, mich mit den Vergnügungen der -Sclaven bekannt zu machen; ich durchstrich die entlegensten Theile -der Stadt, um die<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span> Belustigungs-Oerter dieser unsern Gefühlen nach -unglücklichen Menschen aufzufinden. Indeß giebt es freilich nur wenige -Herren, die nicht ihre Sclaven, einige Stunden der Ruhe abgerechnet, -ununterbrochen im Joche halten. Ich folgte dem Zuge einer Masse -von jungen Negern und langte in ihrer Mitte unter den Wällen der -Festungswerke an. Mehrere Trommeln und verworrenes Geschrei, welches -die Unglücklichen Gesang nennen, zogen mich zu den Häusern, wo die -Belustigung stattfand, und ich sah eine junge Negerin die Königin -des Balles machen und tanzen, nach der Trommel und dem Geschrei der -zuschauenden Neger; Arme und Körper bewegten sich nach dem Takte, -und sie gefiel ungemein; diesen Ball hatte, wie ich hörte, ein -Cigarren-Fabrikant veranstaltet, der seine Arbeit wegen Mangel an -Taback auf 14 Tage einstellte.</p> - -<p>Die Erfahrung, welche ich in Hinsicht des Handels hier machte, war für -mich höchst traurig; ich werde Alles ziemlich ausführlich erzählen, -damit der kaufmännische Leser auf seiner Hut sei und nicht ein -ähnliches Schicksal erleide.</p> - -<h3 id="Geschaefts_Verhaeltnisse_in_Havana"><span class="antiqua"><span class="s6">Ueber -die</span><br /> -Handels- und Geschäfts-Verhältnisse<br /> -<span class="s6">in</span></span><br /> -<span class="s5"><b>Havana.</b></span></h3> - -<p>Mein Correspondent, der Herr M... aus Bremen, war gleich bei meiner -Ankunft sehr gesprächig und zuvorkommend. Da es hier üblich ist, -den ankommenden Geschäfts<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span>freunden seinen Tisch zu offeriren, so -verfehlte auch Hr. M... nicht, mir zu eröffnen, daß ich an seinem Tisch -ein Couvert für mich bereit finden würde. Ich habe indessen nie da -gefrühstückt, und ging höchstens ein paar mal die Woche zum Mittagessen -hin und zwar lediglich, weil mir das Essen in der ersten Restauration -la belle Europe zuwider war. Die Bedienung der Restauration nämlich -erscheint mit brennenden Cigarren im Munde und Pantoffeln über den -nackten Füßen. Wenn etwas von der Asche des Cigarrs auf den Teller -fällt, so wissen die Aufwärter dieselbe sehr gewandt fortzunehmen, -und dies möchte noch hingehen; aber nichts Seltenes ist es auch, daß -sie, wenn sie Bratfische oder Pudding bringen, vor dem Ueberreichen -sich von der Wärme dieser Speisen überzeugen, und mit dem Tabackssaft -an den Fingern dieselben betasten. Daher nahm ich zuweilen, obgleich -mit einem innerlichen Widerwillen, den Platz ein, den M... an seinem -Tische für mich bestimmt hatte. Die ganze Gesellschaft war gewöhnlich -im Negligé, was auf mich einen höchst unangenehmen Eindruck machte. Die -Unterhaltung war eben so trocken und kraftlos wie die Braten, beides -nicht für einen deutschen Geist und Magen. Ich merkte bald, daß M... -sich für mich intressirte, in der Hoffnung, große Geschäfte mit mir -zu machen; daß dies von keiner großen Dauer sein würde, war leicht -vorauszusehen, und zeigte sich bald aufs Deutlichste.</p> - -<p>Als er eines Nachmittages über Zucker-Spekulationen zu sprechen -anfing, und mir zuredete, daß ich eine im Belauf von 40,000 Piaster -zu unternehmen nicht säumen möchte, und gute Rechnung finden würde, -erwiederte ich ihm: In meinen Jahren ist der Kaufmann, der etwas -Vernunft besitzt, nie so ambitiöse, sich über seine eigene Kräfte -erheben zu wollen; wenigstens denke ich so, und werde mich daher nie -in unabsehbare und unberechenbare<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> Spekulationen einlassen. Meine -Antwort mißfiel ihm sichtlich, und er entgegnete: „freilich wird man -bedenklich, wenn man alt wird.“ Er brach jetzt ab, indessen bemerkte -ich von nun an eine Gleichgültigkeit und Kälte, die sich in der Folge -noch vermehrte, als er sah, daß ich mich selbst um den Verkauf meiner -Waaren zu bekümmern anfing. Ich zeigte nämlich die Proben von einigen -meiner Artikel in einem Handlungshause, und der Chef desselben, ein -gewandter Geschäftsmann (Pole), sagte zu mir: „diese Waaren verkaufe -ich Ihnen, sobald wir etwas von Mexico erfahren; ich habe einen Mann, -der für 150,000 Piaster kaufen wird, er will jedoch zuvor das Paquet -von Vera-Cruz abwarten.“ Auf sein Anrathen ließ ich die Proben bei ihm -liegen. Mit Proben von einem andern Artikel begab ich mich nach dem -Comptoir eines Amerikanischen Hauses, und erfuhr, daß diese Waare knapp -(rar) und folglich gesucht sei; ich acceptirte den vorgeschlagenen -Preis und verkaufte diese Waare sogleich. Als ich nun dem M... sagte, -daß ich die Waare, von welcher er mir gesagt hätte, daß sie gar nichts -werth sei, weil es keine Käufer dafür gebe, verkauft hätte, und ihm -auftrug, sie dorthin zu expediren, so ergrimmte er gänzlich; auf alle -meine Fragen wurde mir wenig oder gar keine Antwort ertheilt, kurz -er wollte mir jetzt über Nichts Rede stehen. Aufgebracht über dies -Verfahren, stellte ich ihn endlich förmlich über sein Betragen gegen -mich zur Rede und erhielt zur Antwort, daß ihm meine Geschäfte nicht -conveniren könnten, indem er nicht gewohnt sei, daß Leute, welche -Waaren bei ihm in Commission hätten, sich selbst um den Verkauf -bemühten, und Proben herumzeigten. „Wir wollen das jetzige Geschäft -abwickeln,“ setzte er hinzu, „und an kein neues denken; überdies -sind Sie mir fremd, da Sie kein Empfehlungsschreiben aus Europa an -mein Haus mitgebracht haben.“ Ich entgegnete: „fremd kann ich Ihnen -unmöglich sein, da<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> ich eine bedeutende Parthie Waare bei Ihnen liegen -und schon mehrere Jahre mit Ihrem Hause in Verbindung gestanden habe. -Daß ich dieses Geschäft mit Ihnen abwickele, ist freilich nothwendig.“ -— Hier muß ich eine Bemerkung einschalten. Es scheint nämlich in -dieser Stadt eine Convention unter den Commissionairen zu sein, daß -sie keine Geschäfte, welche bereits einem andern Hause übertragen -gewesen sind, übernehmen. Es verhält sich also mit diesen, wie mit den -Karrenschiebern in Holland. Diesen durfte man nichts zum Fortschaffen -übergeben, ohne vorher aufs bestimmteste mit ihnen accordirt zu haben, -denn hatte derselbe die Sachen eine kurze Strecke gekarrt, so forderte -er <em class="gesperrt">seinen</em> Preis, und verweigerte man ihm diesen, so warf er das -sämmtliche Gepäck von der Karre herunter, und man mußte sich dann der -Willkühr eines andern Karrenschiebers unterwerfen. „Da ich also das -Geschäft mit Ihnen abwickeln muß,“ fuhr ich fort: „so bin ich Ihnen -für Ihr gefälliges Anerbieten sehr verbunden; daß ich übrigens die -Proben selbst vorgezeigt, können Sie mir um so weniger übel nehmen, da -Sie mir den Artikel als unverkäuflich schilderten, welchen ich selbst -sofort verkaufte; da mir ferner Ihr Verkäufer, wenn ich ihm Käufer für -einen oder den andern Artikel nenne, erwiedert: Sie wollen doch wohl -nicht, daß ich zum Käufer hingehen soll, um die Waaren anzubieten? Wird -er hieher kommen, um die Waaren zu kaufen, so werde ich mich bemühen, -etc.“ — Hierauf erwiederte M... „Nun gut! Wir wollen es abwickeln,“ -und ich verließ ihn. Ich mußte ihm alle Proben zustellen, die jetzt -ruhig liegen blieben. Wären meine Waaren in den Händen eines andern -Commissionairs gewesen, so würden sie sicherlich nach der Einnahme des -Forts von Vera-Cruz verkauft worden sein, aber so blieben sie leider -unverkauft; nachdem die Nachricht von der Nieder<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span>lage der Republikaner -von Vera-Cruz eintraf, war an das Verkaufen derselben nicht mehr zu -denken.</p> - -<p>Das Waarengeschäft ist in ganz Westindien das schlechteste von allen -Geschäften, besonders für die Europäer, welche es durch Commissionaire -betreiben zu lassen für gut erachten, die entweder Tabacks- und -Käse-Verkäufer in Hamburg und Bremen, oder auch Händler fertiger Wäsche -gewesen sind, denen es daher an Waarenkenntniß gänzlich mangelt. Junge -Leute, die zum Schreiben in Comptoirs, oder bei Lotterie-Collecten -in Hamburg 5 Jahre als Lehrbursche gearbeitet haben, werden als -Verkäufer engagirt, bekommen, da sie sich der Gefahr des gelben Fiebers -aussetzen, große, ja enorme Salaire, und die Vollmacht, über das im -Schweiße des Angesichts erworbene Eigenthum der in Europa wohnenden -Kaufleute oder Fabrikanten frei zu schalten und zu walten. Der -Commissionair will verkaufen, um seine großen Ausgaben für den Lohn der -Leute, Miethen und luxuriöse Lebensweise zu decken. Zehn Procent wird -für die Verkäufe, Garantie und das Remittiren in Rechnung gestellt; -rechnet man aber das Angehängte hinzu (worüber ich später ausführlicher -abhandeln werde), so sind es wohl 15 Procent, die in Rechnung -gebracht werden. In den Comptoirs und demzufolge in den Caffeehäusern -wimmelt es stets von jungen Comptoir-Bedienten, diesen Blutegeln für -die europäischen Kaufleute, die nach Westindien Handel treiben. Es -wird mit dem Gelde geworfen, die feinsten Weine werden getrunken, -Landparthieen, die 50–80 Piaster kosten, werden unternommen, und wer -bezahlt Alles dies? Antwort: wir armen Europäer. Wir erhalten nicht nur -die Equipagen, die Sclaven, die Maitressen der Principale, sondern wir -müssen auch Sorge dafür tragen, daß die Handlungsdiener sich Reitpferde -halten, jeden Abend die italienische Oper oder das Theater de Tacon à -1½ Piaster Entrée etc. und nach Beendigung derselben ihre<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> Mädchen -mit fünf Piastern in der Hand besuchen können. Wer dies Alles gesehen -und die Art und Weise der Verkäufe beobachtet hat, dem vergeht ohne -Zweifel die Lust, Geschäfte hieher zu machen. Man hat nur nöthig, -mit den Käufern, Mercader genannt, in Berührung zu kommen und deren -Schlauheit in Benutzung der schwachen Seiten der braven Commissionaire -zu bemerken; wer dieses vermag, in dem wird der letzte Funken zu -Geschäften aufs Gerathewohl erlöschen. Ich halte es für Pflicht und -Schuldigkeit, die Handelswelt auf das Risico beim westindischen Handel -aufmerksam zu machen, und werde deshalb (wie schon früher bemerkt) frei -und ohne Furcht niederschreiben, was ich erlebt habe; kann Jemand meine -Urtheile widerlegen, so werde ich es mit Dank annehmen, jedoch hierzu -dürfte schwerlich Einer gefunden werden.</p> - -<p>Die Insel Cuba, mit einer Bevölkerung von 800,000 Menschen,<a name="FNAnker_A_1" id="FNAnker_A_1"></a><a href="#Fussnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a> -unter denen 620,000 Neger und 180,000 Weiße, importirt jährlich -für 20,000,000 Piaster, mithin im Durchschnitt für 25 Piaster auf -jeden Kopf. Da indessen mit Gewißheit anzunehmen ist, daß die -Durchschnitts-Consumtion sich nicht höher als auf 12 Piaster beläuft, -so ist der Import auf Cuba noch einmal so hoch, als er sein sollte und -wirkt nachtheilig auf die Preise. (Die V. S., mit einer Bevölkerung -von 13 Millionen Weißen und 3,000,000 Schwarzen, importiren nur für -140 Millionen Piaster, von welchen noch etwa für 10 Millionen nach -andern Staaten, Texas u. s. w. ausgeführt wird). Sämmt<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span>liche Waaren -werden hingegen in Havana eingeführt und auch daselbst gelöscht, den -Waaren-Einkäufern ist mithin hierdurch eine genaue Uebersicht von den -Beständen gereicht, und können demnach beurtheilen, ob sie theuer, oder -zu wohlfeilen Preisen einzukaufen haben, welches in den V. S. nicht der -Fall ist, da es außer dem New-Yorker Hafen viele andere Städte giebt, -in welchen Waaren direct importirt und nach dem Innern weiter versendet -werden.</p> - -<p>Die hiesigen eigentlichen Kaufleute und Waarenhändler en gros, -Mercadere genannt, werden es, wie mir scheint, noch einmal dahin -bringen, daß Commissionaire für Rechnung ihrer auswärtigen Freunde, -deren Waaren sie kaufen, und gewöhnlich erst nach 6–8 Monaten, wenn -sie zahlungsfähig sind, bezahlen, daß die Commissionaire, sage -ich, für jedes Colly beim Empfang eine gewisse Summe baar ihnen -einhändigen müssen, damit sie ihre Miethen und ihren Lohn bezahlen -können. Es hat wirklich etwas Komisches, wenn man die Verkäufe in den -hiesigen Commissionshäusern mit ansieht, wie diese Mercadere von den -Verkäufern schmeichelnd und tändelnd tractirt werden; obgleich Jeder -der Hereintretenden gesonnen ist, nicht mehr als höchstens die Hälfte -des Fabrikpreises zu offeriren und die Zahlung innerhalb 8 Monaten -zu versprechen, so wird er dennoch von den Verkäufern behandelt, -als wisse dieser, der Mercader sei gesonnen, für die vorgezeigten -Waaren einen ansehnlichen Gewinn und baare Zahlung zu gestatten; -und nun die Procedur beim Verkauf! sie ist folgende. In kleinen -Handschreiben berichtet der Commissionair den Mercaderen, daß er an -diesen bestimmten Tagen im Auftrag eines auswärtigen Hauses eine -Parthie Manufactur-Waaren verkaufen müsse, und ersucht diese, sich am -Vormittag einzufinden, um die Waaren anzusehen und ein Gebot darauf zu -machen. Die Eingeladenen erscheinen, und nehmen eins der geschrie<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span>benen -Verzeichnisse, worauf diese deutlich specificirt sind, zur Hand, -bemerken, nachdem sie die Waaren durchgesehen, auf denselben den Preis, -den sie in Bausch und Bogen für seidene-, wollene-, baumwollene-, kurz -alle Waarensorten durcheinander geben wollen, fügen ihre Unterschrift -bei, legen dies auf den Tisch nieder und gehen weg. Daß die Käufer -meistens unter sich einverstanden sind, versteht sich von selbst. -Dem, der das größte Gebot gethan hat, schickt nun der Commissionair -die Waaren zu; die Hälfte des Factura-Preises muß wenigstens geboten -worden sein, wenn der Commissionair sich zum Verkauf geneigt fühlen -soll; ist nur 45 Procent geboten, so wird weiter nicht Rücksicht -auf ihn genommen. Bei Leinwand findet die Ausnahme statt, daß der -Commissionair nur auf 15, höchstens 20 Procent unter den Fabrikpreisen -eingeht. Die Käufer sind in der Regel nicht dringend mit ihrem Einkauf, -da sie in derselben Woche vielleicht zehn dergleichen Einladungen von -andern Commissionairs zu erwarten haben. Sie kennen die Bestände, den -Bedarf, und wissen, daß für die ankommenden Waaren, durch Fortschaffung -der alten, Platz werden muß, eben so gut, als daß der Commissionair -rasch verkaufen muß und möchte, um die Waaren, worauf er 10 Procent -für Provision verdient, selbst zu verkaufen und nicht durch Andere -verkauft zu wissen, denn wie leicht könnte die Ordre zur Auslieferung -von Europa eintreffen! Alles dies trägt dazu bei, daß die Käufer nie -auf den selbstbestimmten Preis etwas zulegen und sich des Zuschlags für -gewärtig halten. Die letztere Furcht aber wirkt am meisten. Es kommt -daher nicht selten vor, daß hiesige Commissionaire, wenn sie sich im -Auftrage eines Europäers zum Empfang der Waaren melden, die Antwort -erhalten: die Waare ist schon verkauft, und die Abrechnung, welche -bereits ausgefertigt ist, geht mit erster Gelegenheit ab.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span></p> - -<p>Wie die Verkäufe hier betrieben werden, ist mithin eine Factura -überflüssig, und man kann sich in Europa der Mühe überheben, -dergleichen, anzufertigen, da sich kein Commissionair daran hält, es -vielmehr den Käufern überläßt, die Preise festzustellen.</p> - -<p>Detailleurs giebt es hier in Unzahl, d. h. unbedeutende Krämer-Läden, -welche hier Magazin genannt werden, nicht aber bedeutende, wie in den -V. S. und in Europa. So klein indeß wie sie sind, so vielfältig sind -die Artikel, die man in denselben antrifft; von Allen liegen einige -Stücke da, aber Leinwand spielt die Hauptrolle. Deshalb müssen auch -viele Diener gehalten werden; vier ist die geringste Anzahl. Die -Detailleurs kaufen nichts von den importirenden Kaufleuten, aus dem -Grunde, weil sie ganz von den Mercaders abhängig sind, und alle Waaren -von ihnen entnehmen müssen — bei Gefahr, ihres Credits verlustig zu -gehen. Sie stehen unter starker Controlle, und die Preise sind in allen -Läden so ziemlich gleich.</p> - -<p>Hausirer giebt es in Masse; man sieht sie hier beim größten Schmutz -in den entlegensten Straßen der Stadt, Männer und Weiber von allen -Nationen, vorzüglich aber Neger; sie sind eben so zudringlich wie die -Collecteurs der hiesigen Lotterie, welche jede drei Wochen gezogen wird -und 144 Gewinne und 23,856 Nieten enthält. In Lumpen gehüllt, ohne -Strümpfe und Schuhe, sieht man diese Collecteurs umherlaufen, wobei -sie ihre Viertel-Loose à 1 Piaster ausschreien, wie Gemüseweiber bei -uns. Sie sichern der Regierung eine Revenue von 25,000 Piaster pro -Monat; sie kaufen eine Anzahl Loose auf Speculation, und bestimmen die -Preise, je nachdem sie Liebhaber dafür finden. Viele Abnehmer finden -sie unter den Sclaven, welche nach ihrer Freiheit streben, die sie nur -gegen Erlegung der für sie bezahlten Summe erlangen können. Jedoch -auch der Spanier, so wie jeder Ausländer spielt<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> mit Leidenschaft; oft -wird der doppelte Werth für ein Loos bezahlt, wenn die Ziehung ihren -Anfang nimmt. Hat der Collecteur sein Loos verkauft, so bekümmert -er sich nicht mehr um dasselbe. Sobald die Ziehung, welche nur ¼ -Stunde dauert, vorüber ist, werden gleich wieder Loose zur folgenden -ausgeboten, und wirklich verkauft. Einmal im Jahre, am Geburtstage der -Regentin, kostet das Loos acht Piaster, und dann ist der größte Gewinn -40,000, der zweite 8000 Piaster; alle übrigen sind unbedeutend; der -Monarch erhält zum Geburtstag aus der Lotterie-Casse 50,000 Piaster.</p> - -<p>Zu allen bemerkten Uebelständen im Handel der Commissionaire -kömmt nun noch, daß sowohl der größte Theil der Mercadere als die -Commissionaire keine Kenntnisse im Waarenfach haben. Um sich gegen -Verlust zu schützen, bieten daher die ersteren ungeheuer wenig; oft -bietet Jemand 100 Piaster für eine Parthie Waaren; die ein Anderer -für 700 Piaster kauft, dennoch haben die Mercadere mehr Kenntnisse -als die Commissionaire, und diese glauben den Versicherungen der -Käufer Alles. Sind diese daher einig, so wird ihnen ein Artikel, der -jenem neu ist, für so viel wie nichts nachgeworfen. Ein Beispiel aus -eigener Erfahrung. Ich hatte einen Stoff, für Mäntel passend, an einen -Commissionair geschickt und ausdrücklich bemerkt, daß ich wenigstens -den Factura-Preis haben müsse. Als ich die Verkaufs-Nota über diese -Waaren erhielt, sah ich sie für den halben Factura-Werth verkauft. Um -mich zu überzeugen, ob ich selbst die Waare nicht besser verkaufen -könnte, schickte ich an ein anderes Haus eine ähnliche Parthie, mit -der Ordre, bis zu meiner Ankunft mit dem Verkauf zu warten. Als ich -angekommen war, erzählte mir dieser Commissionair, daß derselbe Käufer, -der im vorigen Jahre von einem andern Hause dieselbe Waare gekauft -habe, auch diese Parthie, jedoch nur zu demselben Preise kaufen wolle, -weil er diesen Ar<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span>tikel nur zu Kartuschen an das Gouvernement verkaufen -könne. Um diesen unkundigen Commissionair einigermassen vom Holzwege -abzuführen, entschloß ich mich die Läden von fertigen Kleidern zu -durchstreichen, und überzeugte mich bald, daß derselbe Stoff auch hier -zu Mänteln verbraucht werde. Als ich dies dem Commissionair erzählte, -wollte er es nicht glauben, behauptete vielmehr, daß dieser Stoff nur -zu Kartuschen zu gebrauchen sei. Auf solche Weise verlieren wir armen -Europäer durch Unkunde der Commissionaire unser Vermögen, während die -Mercadere mit diesem (indem dieselbe den langen Credit genießen) 300 -Procent verdienen.</p> - -<p>„Macht keine Geschäfte nach andern Welttheilen, besonders nach -Westindien!“ so möchte ich meinen handelnden Landsleuten zurufen. Aber -die Königliche Seehandlung, höre ich Viele sagen, macht überseeische -Geschäfte, warum sollten wir, als gelernte Kaufleute, dieselben nicht -mit eben so viel Nutzen, wie jenes Institut treiben können? Hierauf -entgegne ich: ist es denn so gewiß, daß jenes Institut bei diesen -Geschäften Gewinn hat? Antwort: Nein! Hierbei fällt mir ein, was einst -der denkwürdige Minister <em class="gesperrt">Maaßen</em> bei einer Unterredung mir sagte: -Der Staat muß zuweilen, ohne eine Miene zu verzucken, eine Million -Thaler verlieren; obgleich dies sehr viel für unsern Staat ist, so -ist es dennoch nicht viel, wenn eine hohe Nothwendigkeit es gebietet. -Wir wollen ein Beispiel anführen. Die Seehandlung hat Schiffe, Eins -derselben liegt in Havana, S.... et Comp. sind die Agenten; sie -können dieses Schiff nicht mit Ballast zurückschicken, um so mehr, -da die Zucker-Erndte vor der Thür ist. Beladen Sie es mit Zucker! -Schreibt die Deputation der Königl. Seehandlung an ihren Agenten -in Havana; sie denkt, unsere Raffinerieen brauchen rohes Material -und werden sicher vorzugsweise von dem Institut kaufen. Man kauft, -man trassirt, der Zucker wird verschifft. Die Ha<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span>vanesischen Häuser -bemerken es und sprechen: die S... et Comp. kaufen 4000 Kisten; es -muß in Deutschland etwas Bedeutendes vorgehen; wir müssen für unsere -Freunde in Europa sorgen! Und warum sollten sie nicht für diese sorgen, -da sie sich doch zugleich selbst dabei versorgen? Somit kaufen auch -alle diese für Rechnung der Europäer Zucker, welcher nun in Havana im -Preise steigt, schicken diesen so rasch als möglich ab, damit ihre -Ladungen vor denen der Seehandlung in Hamburg eintreffen mögen; sie -trassiren 2 Monat Sicht für den Belauf und melden den Verkauf der in -Commission gehabten Leinwand etc., wodurch zwar Verlust entstanden sei, -welcher jedoch durch den höchst vortheilhaften Einkauf des Zuckers -bald um das Doppelte ersetzt werden müsse. Ihre Zucker-Sendungen -langen nun wirklich vor denen der Königl. Seehandlung an; um jene -Entnehmungen zu decken, werden sie jetzt per Auction verkauft, <em class="gesperrt">weil -sie verkauft werden müssen</em>, und siehe da! das Provenue ist 3 -Piaster pro Kiste unter dem Einkaufspreis. Hat die Deputation der -Seehandlung dieses voraussehen können? Oder wird diese den Nachtheil -der Spekulation fühlen? Nein! Wohl aber fühlen den Nachtheil und -Schaden die europäischen Kaufleute, und zwar doppelt, weil sie auf zwei -Seiten verlieren, wogegen die Havaneser Commissionaire die zweifach -Gewinnenden sind.</p> - -<p>Aehnlich wie die Havaneser in Zucker-Spekulationen mit der Seehandlung -wetteifern, ähnlich machen es die Bremer und Hamburger, wenn sie jenes -Institut auf Fabrik-Erzeugnisse eingehen sehen. Allein dieses hat sehr -viele und gute Mittel, und außerdem, wie mir der Herr Minister Rother -schriftlich versicherte, <em class="gesperrt">lauter erprobte</em> Commissionaire; den -spekulirenden Kaufleuten fehlt es aber an beiden. — Daher, sollte -jedes Geschäft nach und von Westindien von Niemanden, als von ganz -Reichen unternommen werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span></p> - -<p>In Westindien können die kaufmännischen Geschäfte schon deswegen nicht -gedeihen, weil, das Geld zu viel Werth hat, d. h. weil es im Verhältniß -der Erzeugnisse und der Importation in zu geringer Quantität vorhanden -ist. Wo der Zinsfuß auf 21–24 Procent steht, wie es in dem allergrößten -Theil Westindiens der Fall ist, da muß der Spekulationsgeist dem -Wucher unterliegen. Der beste, stets begehrte Artikel ist baares -Geld, Fabrikwaaren der Allerschlechteste. Es klingt sehr lächerlich, -wenn man die hiesigen Commissionaire von dem überaus großen Bedarf -der Waaren in Havana erzählen hört; daß dies nur Kunstgriffe zur -Aufmunterung europäischer Kaufleute sind, liegt am Tage, denn für -800,000 Menschen, unter welchen ⅔ stets im Hemde und leinenen Patalons -umherlaufen, langen jährlich über 100 Schiffe, vielleicht gar 150 mit -Manufactur-Waaren an. Man sehe die im Königl. Packhofe zur Niederlage -gebrachten Waaren-Vorräthe an, und man wird die Hände über’m Kopf -zusammenschlagen und fragen: „was sollen diese Vorräthe in einem Lande, -was kaum die Hälfte der Bevölkerung Londons hat?“ Anderwärts ausgeführt -wird hiervon nichts, denn das Wenige, was zuweilen nach Mexico verkauft -wird, ist so gering, daß es nicht in Betracht kommt. Die Commissionaire -aber antworten: Unsere Vorräthe, die der Mercadere, und die im Königl. -Packhofe (Depot) werden bald verbraucht sein, wenn die Havaneser und -Havaneserinnen nur Ernst gebrauchen, jeden Tag ein neues Kleid anziehen -und am Abend diese neue Robe fortwerfen zu wollen, wie es oft der Fall -ist. Dieses ist das Lied, welches die Herren mit ihren Commis täglich -im Chor singen, wenn ein Europäer angelangt ist. Indeß es sind der im -Jahre 1838 übrig und unverbraucht gebliebenen Waaren so viele, daß -sicherlich für jeden Bewohner der Insel Cuba täglich zwei Kleider -gemacht werden müßten, wenn sie in zwei Jahren verkauft werden sollten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span></p> - -<p>Um eine Krankheit zu heilen, die zwar schon tief Wurzel geschlagen -hat, jedoch keinesweges unheilbar ist, wäre Folgendes zu thun -nöthig. Für Krankheiten, die aus Ueppigkeit entstehen, werden -nicht selten Hunger-Kuren angewendet; so auch müßten die Havaneser -Mercadere ausgehungert werden, damit sie nicht ganz das Vermögen -der europäischen Kaufleute verschlingen. Mein Vorschlag wäre daher -dieser. Kaufleute und Fabrikanten, welche nach Westindien Geschäfte -treiben, errichten auf Actien eine Westindische Compagnie, d. h. -sie etabliren Depots in Hamburg und Bremen, in welchen sie für den -Actien-Belauf Waaren niederlegen und nur zu den festgestellten -Preisen, durch die dabei angestellten Verkäufer verkaufen lassen; -diese Compagnie muß zugleich mit einem baaren Fonds versehen sein, -um Fabrikanten nöthigenfalls gegen das übliche Disconto die Hälfte -des Werths ihrer Waaren vorzuschießen. So wie es jetzt in Westindien -einige Commissionaire giebt, welche für ihre eigene Rechnung Leinwand -aus Europa committiren, so würden sie durch diese Maßregel, wenn sie -keine Consignationen erhielten, um nicht stille zu sitzen, für eigene -Rechnung Waaren committiren müssen. Der Verkauf für eigene Rechnung -würde ihnen besonders dadurch erleichtert werden, daß sie 12½ -Procent für Provision, Del credere, Miethen etc. allein verdienen, -die der Europäer bezahlen muß, und welche im Durchschnitt den Verlust -auf Consignationen ausmachen und welcher im Ganzen genommen nicht -übermäßig ist. Waarenbegehr in Westindien würde den Absatz in den -Depots befördern, und es würden nicht nur bessere Preise behauptet -werden, der Eigenthümer würde durch diese Maßregel auch zu jeder Zeit -über sein Eigenthum disponiren können, wogegen er jetzt sehr oft zwei -Jahre hindurch, wegen des Schicksals seines Eigenthums in Zweifel ist, -und nach Ablauf dieser Frist wohl gar noch<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> Abrechnungen empfängt, nach -welchen ihm für 2000 Rthlr. 25,000 Cigarren zukommen.</p> - -<p>Indem ich mir vorbehalte, auf die Art und Weise des Verfahrens der -hiesigen deutschen Commissionaire zurückzukommen, will ich, ehe ich zu -andern Gegenständen übergehe, Einiges über die Grundsätze vieler unter -denselben bei Anfertigung von Abrechnungen mit Europäern berichten, was -mir von einem nach Europa zurückkehrenden glaubwürdigen jungen Manne -mitgetheilt worden ist.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p class="s4 center"><em class="gesperrt">Eine Unterredung des Herrn G. mit dessen Diener</em>.</p> - -<p><em class="gesperrt">Herr G</em>. Machen Sie die Verkaufsrechnungen für die Herren B. und -L.</p> - -<p><em class="gesperrt">Diener</em>. Es ist bereits geschehen, Abrechnungen für Beide sind -fertig.</p> - -<p><em class="gesperrt">Herr G</em>. Wie ist die für B?</p> - -<p><em class="gesperrt">Diener</em>. Es bleiben 25 Procent reiner Gewinn.</p> - -<p><em class="gesperrt">Herr G</em>. (Mit Erstaunen) 25 Procent? Aendern Sie dieselbe; 25 -Procent ist zu viel, der Mann kann sich mit 8 Procent begnügen; — und -des Ls. Rechnung?</p> - -<p><em class="gesperrt">Diener</em>. Der arme Teufel verliert 11 Procent.</p> - -<p><em class="gesperrt">Herr G</em>. Aendern Sie auch diese; lassen Sie ihn 18 Procent -verlieren, denn 7 Procent mehr oder weniger kann für den Mann keinen -wesentlichen Unterschied machen.</p> - -</div> - -<hr class="tb" /> - -<p>Mein Commissionair M... macht es indessen keinesweges wie Herr G.; -er steht im Ruf eines reichen, daher großen Mannes, der dergleichen -Abrechnungen nicht <em class="gesperrt">selbst</em> macht, es vielmehr seinen Commis -überläßt; sein Hauptgeschäft ist das mit — Fleisch! Die Leser würden -ihn jedoch unrichtig beurtheilen, wenn sie ihn für einen Shylok -halten wollten. Keinesweges! Mit Kleinigkeiten giebt sich derselbe -nicht ab; er erhält von Montevideo La<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span>dungen des benannten Artikels, -den er centnerweise abzusetzen versteht. Genug! Er ist Einer von den -Commissionairen, von denen man sagen könnte: Man kann sein Fleisch -durch ihn los werden! er ist ein vortrefflicher Mann, der nicht, -wie Shylok selbst tranchirt, sondern tranchiren läßt. Er ist von -seinen Abnehmern geschätzt, weil er nicht wie die meisten, die das -animalische Geschäft treiben, es mit den Käufern verdirbt. Waaren, -welche verkauft sind, werden, wenn sogar der Verkauf schriftlich -abgeschlossen wäre, als unverkauft angesehen, wenn es dem Käufer -einfällt, einen Abzug zu fordern. Besteht der Europäer auf Erfüllung -des schriftlichen Contracts, so erwiedert der Herr Fleisch-Inhaber: -Hier ist der Contract, prozessiren Sie mit dem Käufer, ich tranchire, -wie Sie wissen, nie selbst etc. Ergo! ich wiederhole, für Europäer -können überseeische Geschäfte nie vortheilhaft ausfallen, weil die -Commissionaire im glücklichsten Fall 12½ Procent haben müssen, und -bei der starken Concurrenz nicht zu erwarten ist, daß zwei Procent -verdient werden können. In früheren Zeiten, als es nur wenige Häuser -hier gab, welche hin und wieder eine Consignation erhielten, traf -es sich zuweilen, daß an einem Artikel 25 Procent verdient wurden, -wovon der Commissionair großmüthigerweise seinem europäischen Freund -den ⅛ Theil zufließen ließ. Aber solche Fälle können jetzt nicht -wieder vorkommen. Die Waarensendungen müssen wenigstens um die Hälfte -vermindert werden. Die europäischen Kaufleute würden sehr wohl daran -thun, ihre Waaren, wenn sie auf diese zu sehen überdrüssig sind, in -einen abgelegenen Raum eine Zeitlang zu verschließen. Besser diese in -Europa unter eigenem Schloß und Riegel, als in Havana, oder sonst wo in -den Räumen der Bremer zu haben, wodurch der ganze Belauf aufgerieben -wird. Der Denkwürdigkeit wegen will ich aufzählen, was ich selbst von -europäischen Waaren für den Betrag von<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> 98 Piaster einem Mercader habe -verkaufen und überliefern sehen; es waren folgende: 6½ Dutzend -Toiletten und Arbeitskästchen für Damen; 300 Dutzend Mund-Harmonika’s -mit Elfenbein-Fourniren; 200 Dutzend Blumen-Guirlanden, für Negerinnen -berechnet; viele Dutzend Rosen, Windsor-Seife und Seifenpuder, nebst -mehreren Dutzend von wohlriechenden Oelen und Wassern in geschliffenen -Gläsern.</p> - -<p>Auf die letztern Artikel setzte der Käufer gar keinen Werth, und -schenkte Mehrern der Anwesenden 1 Dutzend Seifen, und mehrere -Flaschen von den wohlriechenden Oelen und Wassern, auch ich wurde auf -diese Weise beschenkt, und dürfte vielleicht ein größeres Capital -erlangt haben, als der Eigenthümer obiger Waaren, nach Abzug der -Steuer-Provision, Del credere etc. erhalten wird.</p> - -<p>So lange der Sclavenhandel in Westindien mit so gutem Erfolg, wie -bisher wird betrieben werden, darf sich Niemand von allen Spekulanten -ein besseres Schicksal versprechen, als derjenige hatte, dessen -Waaren, wie vorhergehend gezeigt, für 98 Piaster verkauft worden -sind. Wer denkt wohl daran, sein baares Geld auszuthun, um Waaren, -welche der Mode und Conjunctur unterworfen sind, anzukaufen, wenn -er sein Capital, im Handel mit Menschen ausgethan, in einem Jahr -doubliren kann? In diesem Artikel giebt es zu viele Spekulanten. Ich -sah 720 Sclaven im Total-Werth von 275,400 Piaster in einem Zeitraum -von 2 Stunden verkaufen, und einen großen Theil davon wiederum en -Detail mit einem Gewinne von 8–10 Unzen absetzen. Dem Rindvieh -gleich, werden diese Unglücklichen alsdann vom Marktplatz nach der -Käufer-Wohnung gebracht. So lange also der Handel mit Menschen solchen -bedeutenden Gewinn abwirft, wird der hohe Zinsfuß stattfinden, und -das Fabrikwaaren-Geschäft kein Gedeihen finden, weil stündlich zum -Discontiren solcher Wechsel, welche aus den Geschäften mit Menschen -entsprungen sind, bedeutende Summen gesucht werden.<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> wofür sehr -hohe Zinsen gestattet werden können, da 8–10 Unzen Gold pro Kopf -gewonnen werden. Die meisten Sclaven werden jetzt zur Anlegung von -Zucker-Plantagen benutzt, indem diese gegen jede Executions-Gewalt -geschützt und unantastbar sind. Man hat Beispiele, daß Caffee-Plantagen -in dem Augenblick, als sie subhastirt werden sollten, in -Zucker-Plantagen umgeschaffen wurden und ihrem Umsturz entgingen. -Epidemische Krankheiten machen, wie es damals bei der Cholera war, die -reichsten Sclavenbesitzer zu Bettlern.</p> - -<p>Der Getraidebau ist von der Regierung untersagt. Alles für Cuba -erforderliche Mehl wird von den V. S. in Fässern von 165 Pfund Gewicht -jedes Faß eingeführt. Der Einfuhrzoll war stets 9½ Piaster pro -Fäßchen, seit dem Kriege in Spanien ist er 10½, der aber erst 6–8 -Monate nach Empfang des Mehls erlegt wird. Für den Belauf des Zolles -sind die Empfänger verbunden, Pagarées (Wechsel) auszustellen. Man kann -mit Gewißheit sagen, daß im Durchschnitt an jedem Faß Mehl zwei Piaster -verloren werden. Indeß verstehen es die Verkäufer, sich, da das Mehl -pro Cassa verkauft wird, beim Placiren dieser Gelder durch hohe Zinsen -und durch Schmuggelei für jenen erlittenen Verlust zu erholen! indem -sie 2–3 Procent Zinsen pro Monat nehmen, welches, wenn die Hälfte des -Mehls geschmuggelt ist, und dies ist gewöhnlich der Fall, einen guten -Gewinn erzeugt.</p> - -<p>Nach dem bisher Erzählten und Dargestellten, wird sich der geneigte -Leser nicht wundern, wenn ich mein Vorhaben, mehrere westindische -Inseln zu besuchen, um Geschäfte und Gewerbe daselbst zu prüfen, wieder -aufgab. Mit großen Erwartungen war ich hierher gereist und wiederholt -war ich zum Reisen aufgefordert worden, „um den Geschmack des Landes -kennen zu lernen.“ Doch worin besteht hier der Geschmack? In nichts -Anderem, als die Waaren für die Hälfte des Fabrikpreises zu be<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span>kommen: -wird doch von den Negerinnen nur buntes Zeug verbraucht; die Damen -aber sitzen stets in weißen und knieen in schwarzen Kleidern. Die -Mercaders sind, wie schon angeführt, ganz einig und bieten für die -allerneuesten Gegenstände nie mehr, als die Hälfte des Fabrikpreises, -in der Ueberzeugung, daß sie, wenn nicht jetzt, doch später den Artikel -erhalten. Ob derselbe alt oder neu ist, darum kümmern sie sich nicht -sehr, denn dem Publikum erscheint jeder Artikel in ihren Läden neu; -wenn er auch wirklich ganz veraltet ist. Europäische Spekulanten irren -daher bedeutend, wenn sie ihre in Commission geschickten Waaren als -veraltet betrachten und für die Hälfte des Werthes verkaufen lassen; -sie würden besser daran thun, dieselbe nach Europa zurückgehen zu -lassen, wie es in der letzten Zeit auch Mehrere wirklich gethan haben; -sie würden hierdurch den kenntnißlosen Commissionair des Urtheils -überheben; „diese Waaren sind über den doppelten Werth facturirt -gewesen!“ denn dies glaubt derselbe, wenn der Europäer, aus Furcht, daß -seine Waare veraltet und werthlos sei, die Ordre giebt, sie mit Verlust -des halben Werthes zu verkaufen.</p> - -<p>Meine Verhältnisse hierselbst waren von der Art, daß ich mir -wenig Erfreuliches versprechen durfte; ich beabsichtigte ja, mein -Eigenthum zu vertheidigen, d. h., die Commissionaire, mit denen ich -nun einmal in Verbindung war und bleiben mußte, zu kontrolliren. -Daß diese meine Absicht nicht lange verborgen bleiben konnte, ist -leicht zu erachten und daß sie die Laune derselben verderben und sie -gegen mich aufbringen mußte, ist eben so einleuchtend. Herren und -Diener, Neger und Trabanten, Alle, ausgenommen die Spanier, welche -meistens brav sind, wurden meine Feinde und begegneten mir mit einer -Gleichgültigkeit, die mir freilich auch sehr gleichgültig war. Einer -meiner Commissionaire, der Sohn eines sehr reichen Mannes, welchen sein -Vater in der Absicht in<span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span> Havana etablirt hatte, um aus anderer Leute -Leder Riemen zu schneiden, ohne Zweifel aber besser gethan hätte, ihn -zu Hause zu behalten, um ihn zum Riemenschneider für sich und seine -ledernen Geldsäcke auszubilden, war mein größter Feind, weil ich ihm -in einem Schreiben erklärte, daß ich nicht mit 25,000 Cigarren für -eine mir schuldige Summe von 2000 Rthlr. zufrieden sei und daß ich, -trotz seiner schriftlichen Anzeige, über diesen Gegenstand nicht mehr -correspondiren zu wollen, — „weil sonst seine Geduld ausrisse“ — mich -der Correspondenz durch die Behörde nicht enthalten würde.</p> - -<p>Ein sehr achtungswerther Spanier, dem ich meine Lage im Verhältniß -zu den hiesigen Deutschen mittheilte, schlug mir vor, mich einem -einflußreichen Advokaten, Namens A.s zu empfehlen, was ich mit Freuden -annahm. Der Advokat bezeigte viel Theilnahme, erklärte sich bereit, mir -zu dienen und fand das Benehmen des Commissionairs „abscheulich.“</p> - -<p>Hierbei ist zu bemerken, daß die Advokaten hierselbst nichts -thun als instruiren; die Geschäfte in den Gerichtshöfen besorgen -die Prokuratoren, die sich deshalb in den Morgenstunden bei den -einflußreichen Advokaten einfinden und um Beschäftigung nachsuchen. -Dieser Umstand trägt sehr dazu bei, die Prozesse in die Länge zu -ziehen, denn die Prokuratoren verständigen sich oft sehr bald mit den -Beklagten, wovon der beste gerechteste Advokat nichts wissen kann. Aus -demselben Grunde und weil jedes Blatt Papier in Prozeß-Angelegenheiten -gestempelt sein muß, werden die Prozeßkosten sehr hoch; es giebt -Prozesse, zu welchen für 10,000 Piaster Papier verbraucht wird.</p> - -<p>Die Vollmacht, welche ich mir zunächst von einem Notar mußte anfertigen -lassen, kostete mir 17 Piaster, das Uebersetzen der Briefe u. s. w. ins -Spanische 1 Unze;<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> Herr A.s übernahm sie mit Freuden und meinte, in -Zeit von 4 Wochen sollte ich meinem Ziel recht nahe sein.</p> - -<p>Meine Prozedur wurde bald stadtkundig und der Haß der Deutschen nahm -so zu, daß Wenige nur noch mit mir zu sprechen wagten. Obgleich ich -mir hieraus wenig machte, so konnte ich doch nicht umhin, meine Lage -unangenehm zu finden. Da stand ich ganz allein in einem fremden Lande, -der Sprache unkundig, mit einer Parthie Waaren, die ich verkaufen -wollte und keiner von allen Commissionairen wollte etwas mit denselben -zu thun haben. Ich suchte Käufer und fand solche, jedoch wiederholt -zerschlugen sich die Verkäufe, wenn die Waaren abgeliefert werden -sollten. Welcher böse Dämon hierbei sein Wesen trieb, war mir zu -ermitteln stets unmöglich. Einst hatte ich einen Handel mit einem -Mexikaner und zwar mit einem sehr fühlbaren Verlust abgeschlossen. Als -er mit mir nach dem Depot zum Empfang gekommen war und die Kattune -in den Kisten, die geöffnet werden mußten, von gewöhnlicher Breite -erblickte, trat er vom Handel zurück, weil er (vorgeblich) dieselbe -Waare von doppelter Breite für 14 Sgr. pro Staab gekauft hätte.</p> - -<p>Jetzt suchte ich einen Sclavenhändler auf, welche gewöhnlich viel -Waare kaufen und offerirte ihm Artikel, indem ich ihm die Proben -vorwies, aber er bot so wenig darauf, daß ich die Hoffnung aufgab, -mit ihm einen Handel abschließen zu können; Ein spanischer Don-Mäkler -M...m, der, wie Viele, dies Metier unerlaubter Weise treibt, weil -er die Summe von 2000 Piastern, die hierfür zu bezahlen sind, nicht -anschaffen kann, hatte mir auf den Dienst gepaßt. Er meldet sich bei -mir, fordert Proben — und versichert mir, daß ein großer Theil meines -Vorraths bald durch ihn abgesetzt sein solle. Proben aus den im Depot -befindlichen Kisten zu nehmen, ist eine schwere Aufgabe, indessen es -war mir daran gelegen, die Kosten dieser Prozedur kennen zu lernen -und siehe da!<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> ich mache dasselbe für etwa 15 Sgr., wofür die braven -Commissionaire 6 Piaster in Rechnung zu stellen sich nicht schämten. -Dieser Vorfall bringt mich zum Entschluß, eine Parthie Cigarren selbst -zu verschiffen und was ergiebt sich? Daß ich diese Verschiffung -mit einem Kosten-Aufwand von 2 Piastern besorge, während daß der -Fleisch-Inhaber M... dafür 24 Piaster und 4 Realen berechnet hatte. -Zwei große Geister wurden hierbei durch meinen Heroismus in Erstaunen -gesetzt: 1stens der Don-Mäkler, weil ich mich nach dem Depot auf meinen -eigenen und nicht auf Esels- oder Maulthier-Füßen hinschaffte und die -Proben unterm Arm tragend mitbrachte — was in Havana, wie der Mäkler -meint, noch nicht vorgekommen ist. Der Fleisch-Inhaber war wegen der -in Rechnung gestellten 24 Piaster mit sich selbst in Uneinigkeit und -meinte, da er nicht selbst tranchire, daß ich mich mit diesem kleinen -Anliegen an seinen Commis wenden müsse. Dies geschah und ein vom -Fleisch-Inhaber wohlgenährter korpulenter Commis ertheilte mir die -Antwort, daß jener, in Berücksichtigung meiner Gegenwart, die mit -vielen Strapazen verbunden sei, die Hälfte der 24 Piaster erlassen -wolle — als besondere Gnadenbezeugung, wobei keine Umänderung der -Rechnung stattfinden könne.</p> - -<p>Unterdessen hatte der Don-Mäkler, ungeachtet meines Verbots, die Proben -dem Sclavenhändler gezeigt und mit ihm einen Handel abgeschlossen, ohne -mir den Namen des Käufers zu nennen. Ich erfuhr ihn erst, als ich von -ihm in einem Schreiben die Baarzahlung ausdrücklich bemerkt zu wissen -wünschte. Da erfuhr ich denn, daß ich für den Werth von 2000 Piastern -auf verschiedenen Sclaven-Schiffen Actien an Zahlungsstatt annehmen -müsse; ich sollte also Sclavenhändler werden. Ich hatte ungemein vielen -Verdruß, sowohl mit dem Käufer als dem Mäkler, willigte indeß zuletzt -ein, nachdem ich jene Actien mit<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> einem Verlust von 10 Procent verkauft -hatte; — unmittelbar nachdem ich das Geld empfangen hatte, nahm ein -englisches Kriegsschiff Besitz von einem der Schiffe, woran ich eine -Actie hatte.</p> - -<p>Kaum war dies Ungewitter vorübergezogen, als sich ein zweites über mir -zusammenzog. Ich erhalte nämlich von M... die Anzeige, daß der Käufer, -der auf die früher erwähnten Mantel-Stoffe reflektirte, jetzt gänzlich -renoncire und daß überdies der Handel sehr nachtheilig für mich -ausfallen würde, indem die Douane jetzt nicht wie sonst, einen Realen, -sondern zwei Realen Zoll pro Vara dafür fordere. Diese Nachricht -erzeugte in mir den Gedanken, daß der Fleisch-Inhaber mich tranchiren -wolle; ich schnitt sofort eine Probe von einem der Stücke jenes Stoffs, -ließ für den Collecter der Douane durch den Advokaten A.. eine Supplik -anfertigen, in welcher vorgestellt war, wie durch ein Versehen meines -vorigen Commissionairs für wollene Waaren ein Zoll von seidenen bezahlt -worden sei — welcher Zoll von den letztern beinahe noch einmal so hoch -ist, als der von den ersteren; — ich hoffe, der Herr Intendant werde -den Befehl ertheilen, für diese Waaren, welche im Tarif aufzuführen man -vergessen habe, den Zoll von Filleilas und nicht den für seidene Waaren -zu erheben.</p> - -<p>Der Collecter zeigte sich zur Abänderung geneigt und forderte, daß ich -an die Intendantur, unter Beifügung dieser Probe, eine schriftliche -Auseinandersetzung einreichen solle, bemerkte jedoch sofort, daß ich -den Zoll für die erste Parthie, die durch den Commissionair als seidene -Waaren versteuert worden seien, nicht zurück erhalten könne.</p> - -<p>Wie aus den Wolken gefallen, stand ich beim Eintritt in das nächste -Zimmer, als ich des M.. Expedienten dort fand und zwar, als sei er der -Ober-Inspector, meinem Gesuche entgegentretend. „Diese Waare ist für -das<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span>jenige eingegangen, wofür Sie den Zoll bezahlen müssen und bezahlen -werden; abgeändert kann hierbei nichts werden.“ Entrüstet über diese -Bosheit, begab ich mich sogleich nach dem Comptoir des Herrn M.., um -durch den Waaren-Aufseher, der mir versichert hatte, diese Parthie -sei für Filleilas eingegangen und koste nur einen Realen Zoll, die -Wahrheit zu erhärten. Aber welche Antwort erhielt ich? „Nun! wenn sie -als etwas anderes als Filleilas eingegangen ist, so werden Sie sich dem -unterwerfen müssen!“ — Ich ließ die Supplik dem Intendanten übergeben -und nach einigen Tagen erhielt ich durch einen der Estimateurs den -Bescheid: „Sie haben zwei Realen als Zoll für diese Waaren zu erlegen, -indessen soll es Ihnen freistehen, dieselbe zollfrei auszuführen.“</p> - -<p>Aufgebracht hierüber und über vieles Andere, beschloß ich, unverzüglich -meine Rechnung mit Herrn M... zu schließen und sah mich zu diesem -Zwecke nach einem Vermittler um. Ein Schottländer, Namens Dakin, -schien mir die geeignetste Person hierzu, da er, wie ich erfahren -hatte, früher mit jenem in ähnlichen Verhältnissen, wie ich, gewesen -war. Allein hier kam ich aus dem Regen in die Traufe; er versprach -mir — ein Zug von Redlichkeit! — das Beste für mich bei dieser -Auseinandersetzung zu thun. Er that auch wirklich so viel, daß ich in -Folge <em class="gesperrt">seines</em> Vielthuns über meine Kräfte viel für M... thun und -viel Geld einbüßen mußte. Ich mußte ihm nämlich eine Bescheinigung -ausstellen, mit seiner Abrechnung vollkommen zufrieden zu sein, -ungeachtet daß ich in einer Abrechnung etwa 50 Procent für mein -Capital und in den andern mehr oder weniger zurückerhielt, um meine -Waaren und Gelder, welche er (M...) nicht unter andern Bedingungen -ausliefern wollte, zur freien Disposition zu haben. Außerdem fand ich -in seiner Rechnung Summen für Provision von 5 Procent, für Waaren, die -ich selbst verkauft und wobei er gar nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span> zu thun gehabt hatte, so -wie auch Summen für Negerlohn, die mir eine volle Ladung Neger hätten -zugesichert. Allein — ich mußte mich fügen. Einen Prozeß in Havana, -dachte ich, magst du der Erfahrung wegen haben, Einer ist aber auch -genug.</p> - -<p>Die Bescheinigung wurde also, wie M... verlangte, ausgefertigt und ich -hatte einen funkelnagelneuen Commissionair, der, wie ich mich bald -überzeugte, in den Mysterien des Commissions-Geschäfts aufs genaueste -eingeweiht war. Wie ist dies möglich in so kurzer Zeit? werden die -geehrten Leser fragen. Ein gewisser, für Westindien unentbehrlicher -Herr K.. verfertigte in der Art des sogenannten faulen Rechenknechts -ein Hülfsbüchlein für Commissionaire, so wie auch Preis-Courante für -Europäer; dieser höchst brauch- und unbrauchbare Mann sorgt also dafür, -daß selbst die jüngsten und in Geschäften unerfahrensten nicht dermaßen -zu Grunde gehen, wie er wiederholt zu Grunde gegangen ist.</p> - -<p>Mit meinem Dakin hatte ich es mithin jetzt zu thun. Zunächst erhielt -er von M... die schriftliche Ordre, die Waaren, welche für meine -Rechnung im Packhofe lagerten, in Empfang zu nehmen. Bald bemerkte -ich jetzt, daß die Mantelstoffe zum Theil als Filleilas zum Theil als -Ginghams einpassirt waren, benachrichtigte Dakin hiervon und sagte: -„nun dürfen Sie nur einen Realen als Zoll bezahlen;“ er indeß hatte -die Sache anders geleitet. Am folgenden Morgen begegnete er mir und -sprach: ich muß Ihnen eine gute Nachricht mittheilen, der Douanier hat -Ihre Mantelstoffe für das passiren lassen, was sie sind, nämlich für -Filleilas à einen Realen Zoll; ich habe demselben jedoch 102 Piaster (6 -Unzen) versprochen, weil er sie der falschen Declaration des M... wegen -hätte confisciren können. — Geben Sie, erwiederte ich, dem Douanier -für Ihre Rechnung so viele Unzen, wie Sie wollen, aber nichts für die -meinige, denn die Waaren sind für<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span> Filleilas eingegangen und müssen -auch dafür passiren. — Ich werde ihm geben, so viel ich versprach, -sagte er im Fortgehen, weil ich den Mann in meinem Geschäfte brauchen -muß, und somit fand ich auch wirklich in der Rechnung: Allowance to -guard for reduction of duty and excuse of fines 102 Piaster (d. h. -Geschenk dem Zollbeamten für Nachlaß auf Steuer und Niederschlagung der -Strafe.) In Europa würde sich wohl schwerlich Jemand diese Frechheit -erlauben.</p> - -<p>Glücklicherweise sah ich mich bald in Stand gesetzt, mich des Dakins -zu debarrassiren. Zufällig traf ich nämlich den Mercader, der auf die -Mantelzeuge reflektirte. Wie erstaunte ich, als er mir erzählte, daß -er stets darauf reflektirt hätte, von M... aber nie etwas bestimmtes -habe erfahren können. Ich verkaufte die Parthie und befreite mich -von Dakins. Die Rechnung, die ich jetzt von diesem Dilettanten in -der commissionärischen Kunst erhielt, wich um kein Haar breit von -denjenigen der frühern Commissionaire ab; sogar drei Piaster für -Volanten-Lohn seiner Diener fanden sich darin. Als ich denselben wegen -aller Prellereien zur Rede stellte, da ergriff er ein Federmesser und -drohte, mich damit zu durchbohren.</p> - -<p>Nachdem ich mehrere von meinen unverkauft gebliebenen Waaren nach -New-York expedirt hatte, — worauf ich später zurückkommen werde, hätte -ich unterdessen von Havana abreisen können, wäre nicht — mein Prozeß -gewesen. Schon waren drei volle Monate verstrichen und noch immer kam -es mir so vor, als sei gar nichts geschehen, obgleich der Herr Advokat -mich immer so vertröstete, als ob ich innerhalb acht Tagen am Ziele -sein würde. Endlich entschloß ich mich, einen andern Weg einzuschlagen, -auf welchem der geübte Forscher nicht ganz unbefriedigt abzieht und -siehe da! es gelang mir; ich erfuhr, daß in der Sache noch gar nichts -geschehen, daß noch nicht einmal mein und meines Gegners<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> Name genannt -worden sei. Im Zorn lief ich sogleich, als ich dies gewiß wußte, -zu Herrn A.., überhäufte ihn mit Vorwürfen und er überzeugte sich -sehr bald, daß sein Herr Procurator mit dem meines Gegners in gutem -Einverständnisse sein müsse.</p> - -<p>Hierbei kann ich zu bemerken nicht unterlassen, daß ich unterdessen -mehrere edle Spanier zu meinen Freunden gewonnen hatte, die sich meiner -annahmen. Auch des englischen Consul muß ich rühmlichst erwähnen; -von meiner ersten Ankunft an behandelte er mich mit der größten -Aufmerksamkeit und Auszeichnung und lud mich sogar zu sich ein, -obgleich ich keine weitere Empfehlung hatte, als seinen Namen von einem -seiner Jugendfreunde in Hamburg auf einem Zettelchen geschrieben, zu -präsentiren. Von Spaniern also wurde ich jetzt in Allem unterstützt. -Ueberhaupt ist mein Rath, daß Jeder, der Geschäfte auf Havana treiben -will oder muß, sich nur an Spanier wendet, man gewahrt in ihren -Comptoirs zwar nicht Legionen von Commis in Pantoffeln und Negligée, -allein man bemerkt bald, daß die wenigen Arbeiter viel und gut arbeiten.</p> - -<p>Nach der Weisung eines Kaufmannes und Beisitzers im Gerichte verfuhr -ich jetzt. Ich ließ mir sofort von meinem Advokaten eine Klage -niederschreiben, trug sie auf die Gerichtsstube des Friedensrichters -und erlegte die Sporteln. Einige Tage darauf erhielt ich die Vorladung, -vor dem Friedensrichter zu erscheinen. Am bestimmten Tage fand ich -mich ein; allein, da ich nicht hinreichend Spanisch verstand, so -wurde mir bedeutet, daß ich meinen Anwalt zur Seite haben müsse. Ich -ging zu demselben, aber er wollte sich bei der großen Hitze nicht -dazu verstehen, mich zu begleiten und expedirte einige Zeilen an den -Friedensrichter. Dieser indeß wollte nichts von diesen schriftlichen -Vorschlägen wissen und bestand auf dessen persönlicher Erscheinung. -Durch viele Vorstellungen<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span> und Bitten, mir von der süßen Insel durch -seinen Beistand los zu helfen, gelang es mir endlich, ihn zum Mitgehen -zu bewegen — ein hierselbst nie in der Advokatenwelt vorgekommener -Fall, da diese, wie schon bemerkt, nie selbst in den Gerichtshöfen -auftreten. Beim Hingehen eröffnete mir der brave Advokat, daß er -sich auf die Entscheidung von guten oder Schiedsmännern nur unter -<em class="gesperrt">einer</em> Bedingung einlassen würde und zwar der folgenden: daß -die Schiedsmänner aus den Assessoren des Gerichts erwählt würden. Er -änderte jedoch nach einer langen Unterredung mit dem Friedensrichter -seine Ansicht, wendete sich zu mir und sagte: „ich habe genehmigt, daß -hiesige Kaufleute, Einer für jede der Partheien den Streit schlichten -sollen; Sie haben mithin ohne Weiteres zu bestimmen, wem Sie die -Sache übertragen wollen.“ Ich wählte den englischen Consul und mein -Gegner auch. Es ward sogleich ein Protokoll von dieser Verhandlung -ausgefertigt und beigefügt, daß die Partheien sich gutwillig dem -Ausspruche, wie er auch ausfallen möge, unterwerfen müßten und nur -alsdann die Hülfe des Gerichtshofs, gegen Bezahlung von 500 Piaster an -die andere Parthei, in Anspruch nehmen dürften. Mein Gegner und ich -unterzeichneten dies Protokoll, welches einige Piaster kostete und -es wurde zugleich festgestellt, daß die Entscheidung von Seiten des -Richters in spätestens 14 Tagen erfolgen müsse.</p> - -<p>Nach Ablauf dieser Frist wurde mir das vom Consul abgefaßte Urtheil -zugeschickt. Es verrieth einen feinen kaufmännischen Takt und bewies, -daß der Consul über die Sache nachgedacht hatte, was in diesem Lande, -der großen Hitze wegen, etwas Seltenes ist. Das Urtheil fiel so aus, -wie sie in der Regel ausfallen, d. h. die Forderung wird compensirt, -da jeder Schiedsrichter in ähnliche Verhältnisse gerathen kann und -gern das Vergeltungs-Recht auf keine schlimme Art für sich ausgeübt -wissen mag. Mir also wurde die Hälfte meiner Forderung aus den<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> darin -angeführten Gründen zuerkannt und ich wurde verurtheilt, eine Parthie -Cigarren, woran mein Gegner ohne Zweifel tüchtig verdiente, zu nehmen, -wobei mir freigestellt wurde, daß ich dieselben, wenn ich sie des -hohen Preises wegen nicht sollte verkaufen können, für meinen eigenen -Gebrauch verwenden dürfte — und der Consul war der Meinung, daß diese -mir munden würden, weil das Theure in der Regel gut schmeckt.</p> - -<p>Meine Gegner fragten mich zu wiederholten Malen, ob ich mit dem Urtheil -zufrieden sei, wahrscheinlich auf ein verfängliches Wort lauernd. -Vorsichtiger Weise aber bezeigte ich nicht allein meine Zufriedenheit -mit demselben, sondern pries auch die Gerechtigkeitsliebe des Consuls. -Ich wurde auf den folgenden Morgen zu meinen Gegnern beschieden, um -die Sache zu ordnen. Dort versprachen sie mir denn auch, sofort die -mir zuerkannte Summe zu zahlen. Als sie mir die englisch abgefaßten -Quittungen zur Unterschrift vorlegten, verstand ich mich hierzu, wenn -ich die auf meine Waaren für Zölle bezahlte Summen durch Quittung -würde bewiesen sehen haben, — was zu fordern mir zufolge des -schiedsrichterlichen Urtheils frei stand. Gleich einem Leoparden sprang -der eine Chef, der übrigens eher einem Burschen als einem Kaufmann -ähnlich sieht, auf mich zu und schrie: „Sie sind mit dem Urtheil nicht -zufrieden?“ Im Gegentheil, erwiederte ich mit der größten Ruhe, ich -bin ganz zufrieden. „Nein!“ erwiederte jener, „machen Sie, daß Sie von -hier fortkommen,“ und ruft Portier, Neger und eine Menge dienstbarer -Geister herbei. Allein, wie ich war, mußte ich mich schon zur Retraite -entschließen. Nach einigen Tagen erfuhr ich, daß meine Gegner beim -Gericht auf die Auszahlung der 500 Piaster von meiner Seite angetragen -hätten, weil ich, wie es ihr Commis bezeugen wolle, mit dem Urtheil -nicht zufrieden sei. — Indeß Herr A.. fertigte mir ein Schreiben aus, -welches ich auf der Gerichtsstube abgab und der Erfolg war, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span> ich -nach einigen Tagen die mir zuerkannte Summe durch einen braven Spanier -Franzisco Guyri et Comp. ausbezahlt erhielt und daß meine Gegner die -durch ihren Starrsinn entstandenen Kosten allein tragen mußten.</p> - -<p>Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, daß es noch honette, brave -Advokaten in den Welt giebt. Als ich nach Beendigung der Angelegenheit -bei dem Advokaten Herrn A.. für seine Arbeit und Mühe liquidiren -wollte, weigerte er sich, etwas anzunehmen. „Sie,“ sagte er, „haben -genug verloren, ich darf nach meinem Gefühle Nichts nehmen. Schicken -Sie mir, nachdem Sie wieder in Berlin angekommen sind, das allgemeine -Landrecht und ich werde mich für die geringe Mühe belohnt wissen.“ -— Auch einige Silbergeschirre, die ich ihm überreichen wollte, -verweigerte er anzunehmen.</p> - -<p>Die verweigerte Vorlegung der Quittung von Seiten der verurtheilten -Gegner und der Vorfall mit den Mantelstoffen, mit dem Fleisch-Inhaber -und dem Schottländer Dakins brachten einen Gedanken in mir zur Reife, -mit welchem ich lange schwanger gegangen war, nämlich diese Herren -durch eine genaue Nachsuchung in den Douanen-Büchern zu kontrolliren. -Ich theilte meinen Vorsatz einem jungen Spanier mit und dieser meinte, -daß ich dasselbe jetzt, da der Intendant zufolge eines Befehls von -Madrid verabschiedet sei und der Gouverneur selbst dessen Geschäft -vorstehe, vielleicht werde auszuführen im Stande sein, obgleich ich -viele Schwierigkeiten dabei finden dürfte. „Mein Rath,“ setzte der -junge Mann hinzu, „wäre dieser: daß Sie, im Falle Sie ihren Endzweck -bei diesem Unternehmen erreichten und, woran ich nach dem, was sich -zugetragen hat, nicht zweifle, Sie die Diebereien gegen die Krone -und Sie selbst entdeckten, daß Sie alsdann für sich selbst Nutzen -davon zögen, ohne das Gouvernement darauf aufmerksam zu machen. Denn -sehen Sie, die Krone wird bestohlen, sie weiß dieses, weiß aber auch -zugleich, daß das nicht zu ändern ist. Der Regierung ist es sehr wohl -bekannt, daß diese Insel eine<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> jährliche Revenue von 100 Millionen -Francs abwirft, wovon ein guter Theil für die Armee und Salaire an die -Beamten verbraucht, und vielleicht 11–12 Millionen veruntreut werden. -Nimmt man indeß an, daß etwa 5 Millionen Piaster in Golde von diesen -jährlichen Einkünften nach dem Mutterlande ausgeschifft werden, so -bleibt es für uns Alle nicht wünschenswerth, daß jene 11–12 Millionen -ebenfalls dahin geschickt werden, weil wir unter diesen Umständen bald -ohne Geld wären. — Wenden Sie daher den Erfolg Ihrer Nachsuchung für -sich an, da ohnedies jede etwanige Publicität Sie verhaßt machen würde.“</p> - -<p>Noch an demselben Tage nach dieser Unterredung begab ich mich des -Abends um 7 Uhr zum Gouverneur, der Jedem ohne Ausnahme, mit oder -ohne Fußbekleidung, Gehör giebt, um ihm eine, jene Sache betreffendes -schriftliches Gesuch zu überreichen. Der Gouverneur erschien sehr -bald in Civilkleidern und so anspruchslos, daß ich beim Vorbeigehen -nicht den hohen Staatsbeamten in ihm erkannte, bis mir der Adjutant -sagte: „c’est le Gouverneur.“ Ich näherte mich jetzt der Thür des -Gemachs, in welchem er die Supplikanten sprach und mußte die Ruhe und -Gelassenheit bewundern, mit welcher er wohl eine halbe Stunde einem -alten geschwätzigen Weibe, die für ihren Sohn ein Gesuch anbrachte, -sein Ohr lieh. Mit vieler Artigkeit bat er sie endlich, zu enden, indem -er, auf uns übrige zeigend, noch mehrere hören müsse. Nachdem sie -und noch eine zweite Dame abgezogen war, kam ich heran, überreichte -mein bescheidenes schriftliches Gesuch mit der ergebenen Bitte, wegen -dieser Behelligung mich zu entschuldigen. Der Gouverneur las das -Schreiben durch, versicherte mir, daß er sich nicht im Geringsten -dadurch behelligt fühle; es sei seine Schuldigkeit, einen Jeden und -insbesondere Ausländer zu hören und zugleich erlaubte er mir, wann und -zu welcher Zeit ich wolle, wiederzukommen. „Gehen Sie in etwa 3–4 Tagen -zum General-Secretair der Intendantur; ich werde die angemessenen<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span> -Befehle ertheilen, daß Sie Alles, was Sie wünschen, in der kürzesten -Zeitfrist erhalten sollen.“ Hierauf verabschiedete ich mich. Welcher -Contrast im Betragen dieses Cubaschen Königs und jenes von Bremen -stammenden Commissionairs!</p> - -<p>Nach vier Tagen ging ich zum Secretair R...; des Gouverneurs Befehl an -den Collecter der hiesigen Douane wurde mir vorgelegt und angedeutet, -daß ich in zwei Tagen in diesem Bureau um nähern Bescheid nachfragen -könne. Ich ging hin, aber vergebens, und so 10 Tage lang. Ich -beschwerte mich stark, lehnte aber ab, selbst zum Collecter zu gehen, -weil ich es nur mit dem Gouverneur zu thun haben wollte. Endlich wurde -von der Intendantur aus hingeschickt und ich erhielt den Bescheid, des -Gouverneurs Befehlen in Betreff meines Gesuchs könne nicht so bald -nachgekommen werden, da der zu dieser Arbeit unbedingt erforderliche -Beamte sich auf dem Krankenlager befinde. Jetzt blieb mir nichts -anderes übrig, als den Gouverneur wiederum anzugehen. Es geschah; der -Gouverneur empfing mich höchst artig. „Wie weit sind Sie mit Ihren -Nachforschungen gekommen?“ — Ich befinde mich noch am Anfange; — man -giebt vor, daß der Beamte, welcher Ihrem Willen gemäß die Papiere für -mich ausfertigen soll, krank sei. — „Sonderbar! kommen Sie morgen -Vormittag um 11 Uhr hierher.“ Als ich am andern Morgen wiederkam, sagte -er zu mir: „der Secretair R. hat die bestimmteste Ordre von mir, was -er thun soll; melden Sie sich bei ihm, damit er das Weitere für Sie -besorgt.“ Dies that ich sofort. Sämmtliche Expedienten standen bald als -sie mich kommen sahen, am Tische des ersten Secretairs R. und dieser -sagte zu den übrigen: „Ich kann mir das Benehmen des Collecters gar -nicht erklären und weiß fürwahr nicht, was ich thun soll. Geben Sie -dem Herrn Ries,“ meinte einer der Secretaire, „einen offenen Befehl im -Namen des Gouverneurs, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> ihm das nachgesuchte Papier unverzüglich -ausgefertigt werde.“ Ohne Zögern folgte der Secretair diesem Rathe. -Ich empfing den Befehl und lief, wie eine Katze vom Taubenschlag, zum -Collecter, den ich an seinem Arbeitstische sehr beschäftigt fand. -Eingedenk des Gebotes: Du sollst das Alter ehren, wartete ich, bis Alle -sich entfernt hatten, weil ich voraussetzte, daß ein solcher offener -ernsthafter Befehl, aus der Feder eines jungen Secretairs geflossen, -dem ergrauten Staatsdiener nicht erfreulich sein würde.</p> - -<p>Ich überreichte demselben jetzt meine unversiegelte Depesche; er las -sie und las sie wieder wohl zehnmal, beguckte sie von allen Seiten, -obgleich auf dem winzigen Blättchen nur wenige Worte geschrieben -standen. „Ich weiß nichts von Ihrer Eingabe,“ fing er endlich an. Sie -ist hier, entgegnete ich, denn ich weiß, daß sie von der Intendantur -schon vor 14 Tagen hierher geschickt worden ist. Der Collecter rief -jetzt einem seiner, am nächsten Tische stehenden Secretaire zu: „wissen -Sie etwas von des Herrn J. Ri—es (so wird mein Name im Spanischen -ausgesprochen) Eingabe?“ Der Secretair mußte unsere kurze Unterredung, -da er so ganz in der Nähe stand, mit angehört haben, fragte aber ganz -fremd: „Ri—es? — Kommen Sie, ich will mich erkundigen.“ Er führte -mich in das Nebenzimmer und nach eingezogener Erkundigung wurde mir -gesagt, daß der Expedient, dem die Anfertigung übertragen worden, -krank sei, indessen das Papier solle bis zum andern Vormittage um 11 -Uhr in dem Bureau der Intendantur ausgeliefert sein. Ich ging jetzt -nach der Intendantur zurück, um dem Secretair R. Bericht abzustatten, -der mich dann auch auf den folgenden Morgen beschied und hoffte, daß -der Bescheid eingehen werde. Am andern Morgen erfuhr ich nun, daß der -Bescheid da sei, aber nicht der erwartete. Der Herr Collecter berichtet -nämlich, daß, da die Bücher nach dem Archive geschafft wären, nur -der Archivist über das Geforderte Bericht<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> erstatten könne. Meinem -Verlangen gemäß, wurde mir dies auf einem Billet niedergeschrieben, mit -welchem ich mich sofort zum Gouverneur begab.</p> - -<p>„So muß ich also dem Archivisten den Befehl ertheilen, Ihnen den Auszug -anzufertigen,“ sagte der gutmüthige Gouverneur; „gehen Sie morgen -früh, aber nicht vor 12 Uhr zum Secretair R., Sie werden dort meinen -Befehl für den Archivisten finden.“ — Ich fand denselben in der That -zur festgesetzten Zeit und der Secretair R. war so gefällig, denselben -durch einen Beamten aus seinem Bureau nach dem Archiv zu befördern und -ich folgte nach. Der Chef des Archivs sprach sehr geläufig französisch -und englisch und bemerkte lächelnd, er könne mir im Voraus sagen, -daß ich mehr bezahlt haben werde, als die Commissionaire nach den im -Archiv befindlichen Büchern bezahlt hätten; er, der früher einmal auch -Kaufmann gewesen, wisse, wie es zugehe. Er versprach, das Papier am -folgenden Morgen in Ordnung zu haben. Er forderte zugleich von mir, -daß ich ihm einen genauen Auszug von den Monaten und Tagen, an welchen -die Schiffe, die ich in meinem Verzeichnisse namhaft gemacht hatte, -in Havana eingelaufen seien, welches er aus den Büchern nicht ersehen -zu können vorgab. Obgleich ich dieses nach der Art und Weise, wie -die Bücher in Havana auf der Douane geführt werden, für eine leere -Entschuldigung anzusehen berechtigt war, so versprach ich ihm doch, -mich der Besorgung unterziehen zu wollen. Anfänglich schien mir die -Aufgabe sehr schwer, indeß fand ich bald einen sichern und leichten -Weg hierzu. Ich ging nämlich nach der Lonja (Börse) und machte aus -den daselbst liegenden Büchern, welche über die Ankunft aller Schiffe -sprechen, einen genauen Auszug, den ich schon nach Verlauf von einer -halben Stunde nach dem Archiv bringen konnte, worauf der Archivist -wiederholt mir den Auszug am folgenden Morgen für ganz gewiß versprach.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span></p> - -<p>Es vergingen indeß wohl 14 Tage und jeden Tag erzählte mir der -Archivist etwas Anderes, warum er es nicht möglich machen könne. -Als ich zuletzt sehr dringend ward und mit Beschwerdeführung beim -Gouverneur drohte, sagte er mir: „Ich kann wenige von den durch M... -für Sie eingeführten Waaren weder in den Büchern noch in den Manifesten -finden.“ So wurde ich noch länger als acht Tage hingezogen, bis endlich -der Archivist, da er meine Geduld erschöpft glaubte, mir eröffnete: -„Sie finden die geforderten Papiere beim Gouverneur, ich habe sie -heute dorthin befördert.“ Ich wendete mich jetzt an diesen, aber er -wußte von nichts. Nach einigen Tagen nun endlich wurden sie mir in der -Intendantur überreicht. Das Resultat war komisch, für mich freilich -traurig, weil Herr M... beinahe Alles, was er mir für Zölle angesetzt -hat, worüber dessen mir übergebene Rechnungen sprechen, nicht bezahlt -hat, und ist das Original dieses Instruments beim Verfasser einzusehen.</p> - -<p>Jedes Forschen, welches nicht aus Neugierde, sondern aus Wißbegierde -entspringt, ist ein eben so mühseliges als undankbares Geschäft; es -erfordert immer einige Selbst-Aufopferung, wird jedoch selten, obgleich -es das Beste der menschlichen Gesellschaft zum Gegenstand hat, nach -seiner löblichen Absicht gewürdigt. — Was die Leser auch von meinen -Nachforschungen denken mögen, so habe ich selbst doch das ruhige -Bewußtsein, daß ich die kaufmännische Gesellschaft gegen Diebereien in -Westindien zu schützen beabsichtigte.</p> - -<p>Aus dem Bericht des Ober-Tribunals, der eigenhändig vom Gouverneur -unterzeichnet wurde, ergab sich also aufs bestimmteste, daß der mit -dem Buchstaben M... bis jetzt von mir bezeichnete Commissionair Moyer -in Havana sehr viele von meinen Waaren eingeschmuggelt hat, „indem die -Collys,“ wie der Bericht lautet, „weder in den Schiffer-Manifesten, -noch in den Büchern zu finden<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> seien.“ Erwäge nur der Leser, was den -höchsten Staatsbeamten Cuba’s bewog, diesen offenbaren Betrug ganz zu -übersehen! Ist er vielleicht in Hinsicht der Zollbeamten mit Friedrich -dem Großen einverstanden, der bei einem ähnlichen Gesuch äußerte: -„ein schlechtes Pferd ist dasjenige, welches an einer mit Hafer -gefüllten Krippe steht und nicht frißt!“ Wir wollen dem Leser die oben -angeführten Bemerkungen des jungen Spaniers ins Gedächtniß zurückrufen, -denn von den veruntreuten 11–12 Millionen Francs bleibt doch ohne -Zweifel ein großer Theil an den Händen der Douaniers kleben.</p> - -<p>Wie sollte der Gouverneur und wie durfte er handeln, wenn er nicht die -ganze Maschine ins Stocken bringen wollte? Den Moyer zur Verantwortung -ziehen, hieß nichts anderes als das ganze Personal des Packhofs in -Anklage-Zustand versetzen, und was dann? Wo Leute hernehmen zum Betrieb -des Packhofs-Geschäfts. Ich zweifle nicht, daß der Gouverneur, dem die -ganze Regierung in Cuba obliegt, dem von Madrid aus die strengsten -Instructionen zur Abschaffung von Mißbräuchen ertheilt worden sind, -nach Lesung jenes Berichts den Nutzen für die Regierung daraus gezogen -hat und gewiß sehr bald etwas thun wird. Dies darf ich wohl aus seinem -Benehmen folgern. Nachdem er nämlich einen schriftlichen Aufsatz über -Vereinfachung und Verbesserung der Douanen von mir verlangt und ich -seinen Wunsch erfüllt hatte, fand dieser Aufsatz in seinem Hute Platz, -wohin, wie mir gesagt wurde, alle schriftlichen Eingaben kommen, welche -seine besondere Aufmerksamkeit rege machen.</p> - -<p>Eilf bis zwölf Millionen, sagte der junge Spanier, werden jährlich -veruntreut. Sehr viel! Unglaublich! dürfte mancher Leser denken. -Wogegen ich behaupte: nicht viel! wenn man hiermit die Diebereien -vergleicht, welche sich die dortigen Commissionaire gegen ihre -europäischen Handelsverbündeten erlauben. Zur nähern Beleuchtung<span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span> -dieser Behauptung will ich die Mantelstoffe zum Thema nehmen und klar -beweisen, wie viel die beiden Commissionaire Moyer und Dakin dabei -geschluckt haben.</p> - -<table class="mantel" summary="Mantelstoffe"> - <tr> - <td class="tdl"> - - </td> - <td class="tdc"> - Piaster - </td> - <td class="tdc"> - Realen - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Moyer nimmt von mir eine Summe von<br /> - wofür er angeblich 2 Procent vom Werth - Strafzoll erlegen mußte, weil die darüber - sprechende Factura zu spät eintraf.<a name="FNAnker_B_2" id="FNAnker_B_2"></a><a href="#Fussnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a> - </td> - <td class="tdc vat"> -  50 - </td> - <td class="tdc vat"> - 2  - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Dakin nimmt für dieselbe Waare an Kriegssteuer - </td> - <td class="tdc vab"> -  34 - </td> - <td class="tdc vab"> - –  - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Für Geschenk an den Douanier wegen Erlassung der Strafe, wie - früher erwähnt - </td> - <td class="tdc vab"> - 102 - </td> - <td class="tdc vab"> - –  - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Für Steuer à 1 Real pro Vara - </td> - <td class="tdc vab"> - 138 - </td> - <td class="tdc vab"> - 1  - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Für die Provision - </td> - <td class="tdc vab"> -  42 - </td> - <td class="tdc vab"> - 1  - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Für andere Packhofsgebühren (wie billig!) - </td> - <td class="tdc vab bb"> -  19 - </td> - <td class="tdc vab bb"> - 3½ - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Ich zahlte mithin für eine Parthie Waaren, wofür ich 1241 Piaster - ausgezahlt erhielt, wie nebenstehend - </td> - <td class="tdc vab"> - 485 - </td> - <td class="tdc vab"> - 7½ - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">obgleich die Commissionaire gemäß der Bescheinigung des Ober-Tribunals -gar nichts bezahlt hatten, und somit floß diese ganze Summe in -die Tasche der Commissionaire. Dies beweist mithin meine frühere -Behauptung, daß man mit Zurechnung der Spesen von Europa bei Sendungen -nach Westindien stets auf 50 Procent Unkosten gefaßt sein muß.</p> - -<p>Jetzt bleibt mir noch zu beweisen übrig, wie hoch sich die von Moyer -in Rechnung gestellten Zölle belaufen und wie viel er nach der -Bescheinigung des Tribunals davon für sich erbeutet hat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span></p> - -<table class="mantel" summary="Mantelstoffe"> - <tr> - <td class="tdl"> - - </td> - <td class="tdc"> - Piaster - </td> - <td class="tdc"> - Realen - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Was er mir berechnete, beläuft sich - auf nicht mehr und nicht weniger, gemäß - dessen eigenhändig unterzeichneten Rechnungen - </td> - <td class="tdc vab"> - 291 - </td> - <td class="tdc vab"> - 3½ - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Und wie viel hat er nach der Bescheinigung - des Tribunals für jene benannte - Summe bezahlt? Auch nicht mehr und - nicht weniger als - </td> - <td class="tdc vab bb"> -  58 - </td> - <td class="tdc vab bb"> - 4½ - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Er kürzte mithin die Revenuen der Regierung um - </td> - <td class="tdc vab"> - 232 - </td> - <td class="tdc vab"> - 8  - </td> - </tr> -</table> - -<p>Es ist jetzt noch meine Schuldigkeit, zu beweisen, daß es nicht allein -in Havana, nein! daß es, wie ich behauptet habe, in ganz Westindien -in dieser Hinsicht nicht besser ist. Zu diesem Endzweck und zur -Einsicht für jeden nach der neuen Welt Handelslustigen will ich eine -Verkaufs-Rechnung über 450 Stück Kattun nach Mexico über Vera-Cruz im -Belauf von 4500 Piaster des wirklichen Verkauf-Preises liefern. Sie ist -wie folgt:</p> - -<p class="center mtop1"><em class="gesperrt">¾ Vara breite Kattune.</em></p> - -<table class="mantel" summary="Mantelstoffe"> - <tr> - <td class="tdl vat" colspan="6"> - 10 Ballen à 45 Stück in jedem Ballen, à 10 Piaster jedes Stück - </td> - <td class="tdc vab"> - 4500 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc" colspan="8"> - <em class="gesperrt">Unkosten in Vera-Cruz.</em> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Seefracht - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> -   28 - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat" colspan="4"> - Seezoll 12,600 Yd. oder 13,608 Vara mit 8 Proc. - </td> - <td class="tdc vab"> - 1701 - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Internation - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - à 10¾ – - </td> - <td class="tdc vab"> -  283 - </td> - <td class="tdc vab"> - 4 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Vermehrung - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - à  3½ – - </td> - <td class="tdc vab"> -   56 - </td> - <td class="tdc vab"> - 5 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Introduction etc. - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> -   35 - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - H. M. Gebühren - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab bb"> -    2 - </td> - <td class="tdc vab bb"> - 4 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - 2106 - </td> - <td class="tdc vab"> - 5 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdr vat" colspan="3"> - Prämie 4 Procent - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab bb"> -   84 - </td> - <td class="tdc vab bb"> - 2 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - 2190 - </td> - <td class="tdc vab"> - 7 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdr vab" colspan="2"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> - Transport - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - 4500 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc vat" colspan="3"> - Transport - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - 2140 - </td> - <td class="tdc vab"> - 7 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Landfracht - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> -  110 - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Alkials - </td> - <td class="tdc vab"> - 16⅔ - </td> - <td class="tdc vab"> - Procent - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> -  283 - </td> - <td class="tdc vab"> - 4 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat" colspan="3"> - Kleine Kosten und Porto’s - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> -    6 - </td> - <td class="tdc vab"> - 4 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Courtage - </td> - <td class="tdc vab"> -   ½ - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - <td class="tdl vam" rowspan="3"> - <div class="figcenter"> - <a id="p097_klammer" name="p097_klammer"> - <img class="klammer_p97" src="images/p097_klammer.jpg" - alt="" /></a> - </div> - </td> - <td class="tdc vam" rowspan="3"> -  180 - </td> - <td class="tdc vam" rowspan="3"> - – - </td> - <td class="tdc vam" rowspan="3"> - - </td> - <td class="tdc vam" rowspan="3"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Del credere - </td> - <td class="tdc vab"> -  2½ - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Lagermiethe - </td> - <td class="tdc vab"> -  1½ - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - Provision - </td> - <td class="tdc vab"> -  7½ - </td> - <td class="tdc vab"> - – - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> -  337 - </td> - <td class="tdc vab"> - 4 - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab"> - - </td> - <td class="tdc vab bb"> - 3108 - </td> - <td class="tdc vab bb"> - 3 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl vat" colspan="5"> - Verbliebe mithin für den Versender ein reines Provenue wie zeigt von - </td> - <td class="tdc vab"> - Piaster - </td> - <td class="tdc vab"> - 1391 - </td> - <td class="tdc vab"> - 5 - </td> - </tr> -</table> - -<p class="mtop1">Nach diesen klaren Aufstellungen werden es die geehrten Leser natürlich -finden, daß mein Haß gegen die hiesigen Commissionaire einen guten -Grund hatte und nach dieser Erfahrung noch stärker wurde, so daß ich -ihnen ohne Rückhalt sagte: „ihr seid Diebe!“ Hierüber wurde ich von -Mehreren zur Rede gestellt, besonders aber von einem in Bordeaux -geborenen Deutschen, dem Compagnon eines angesehenen Spaniers und einem -Schottländer N.. Der Erstere meinte, der Europäische Kaufmann könne -nichts dagegen haben, wenn sich die hiesigen beim Zollamte Vortheile -zu verschaffen wissen und Jener sei nicht berechtigt, Ansprüche auf -einen Theil der ersparten Summe zu machen, weil das hiesige Haus das -Risico des Verlustes habe und den Werth der Waaren nöthigenfalls dem -Europäer ersetzen müßte. Meine Erwiederung war, daß der Europäer unter -den jetzigen Umständen, d. h. wenn Alles glücklich geht, nie mehr als -die Hälfte vom Werth seiner Güter zurückerhält, daß er aber, wenn die -Waaren fortgenommen würden, ganz gewiß gar nichts erhalten würde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span></p> - -<p>Der Schottländer N.. meinte, daß ich diese Behauptung in Hinsicht -der Deutschen, aber nicht der Engländer hätte aufstellen sollen, -weil die Deutschen ohne Ausnahme mehr Neigung für das Metier der -Schmuggelei hätten, als irgend eine andere Nation. Er drohte, auf -meinen Reisepaß Beschlag zu legen, versicherte mir, daß ich in den -ersten 12 Jahren nicht von der Insel fortkommen würde, er habe bereits -die Unterschriften mehrerer Kaufleute gesammelt, um ein Gesuch zu -diesem Endzweck einzureichen. Ich nannte ihm Mehrere, an die er sich -hauptsächlich mit gutem Erfolge wenden könnte und blieb ganz ruhig -dabei, da der Gouverneur meine Meinung theilte und auf meiner Seite -war. Sehr bald erhielt ich denn auch meinen preußischen Cabinets-Paß -aus den Händen des Gouverneurs, von ihm selbst visirt und gratis (er -kostet sonst 6–8 Piaster). — Meine Bekanntschaft mit dem Gouverneur -war bald stadtkundig geworden; die Deutschen zogen jetzt andere Saiten -auf und fingen an, mich mit mehr Artigkeit zu behandeln, woran mir -eigentlich wenig gelegen war.</p> - -<p>Früher aber hatten sich die Commis in der Restauration belle Europe -zurückgezogen, wobei der Wirth natürlich sehr viel verlor, denn alle -seine theuren Sächelchen, als da war: saurer Moselwein, welcher von -den deutschen Commis als Schloß-Johannisberger getrunken und bezahlt -wurde, seine von Frankreich eingegangenen Forellen und grünen Erbsen, -welche letztere in Havana nur aufgewärmt wurden und wovon die kleinste -Portion, so wie auch von den Forellen 1½ bis 2 Piaster kostete: alle -diese schönen Dinge sahen jetzt nach dem Ausbleiben der Deutschen -ihrem Untergang entgegen. Mit diesen Erbsen wird nicht selten Jemand -angeführt, was auch mir passirte, — ein Vorfall, den ich des Scherzes -halber erzählen will.</p> - -<p>Als ich nämlich eines Tages in der genannten Restauration zum -Mittagsessen kam, fand ich keinen Platz<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> und war schon im Begriff, -fortzugehen, als mich ein Commis einer meiner Commissionaire zum -Bleiben aufforderte; sie rückten zusammen und ich setzte mich. Er -beorderte eben grüne Erbsen als Gemüse für sich und fragte mich, ob -er auch für mich dieses vortreffliche Gericht bestellen solle. Ich -ersuchte ihn darum, in der Meinung, daß es eingeborene Havaneser wären, -da die gewöhnlichen Gemüse hier stets auf den Märkten angetroffen -werden. Wie erstaunte ich, als mir die Rechnung gereicht wurde und ich -diese in Frankreich vor vielleicht vier Jahren zubereiteten Erbsen -mit 1½ Piaster aufgeführt fand. Anfänglich glaubte ich, daß die -jungen Leute, die sich, wie alle Deutsche, wegen meiner eingezogenen -ökonomischen Lebensweise moquirten, den Aufwärter zu einem Scherz -bewogen hätten. „Nein, nein!“ fiel einer der Leckermäuler ein, als -ich dies äußerte, „kein Scherz! diese in Frankreich zubereitete -Délices kostet so viel, und wir finden es so billig, daß wir sie jeden -Abend als Souper genießen“ — wobei er einen langen Sermon über die -chemische Processe beim Einkochen u. s. w. anknüpfte. Ich erwiederte -ihm kurz, daß Commis, deren Herren 25,000 Cigarren für 2000 Thlr. an -Zahlungsstatt geben, freilich 1½ Piaster für drei Löffel voll grüner -Erbsen auszugeben im Stande seien, ein ehrlichdenkender Deutscher aber -könne dies nicht. Er erwiederte, diese Behauptung sollte ich auf der -Gerichtsstube verantworten; ich aber bezahlte 1½ Piaster für ein -aufgewärmtes Gemüse, welches ich frisch für ein Real hätte genießen -können und ging weg.</p> - -<p>Auf solche Weise werfen die Deutschen mit dem Gelde um sich, was wir -europäische Deutsche verlieren, weshalb man mit Recht sagen kann: hier -ist des Deutschen Feind der Deutsche. Sie sind in keiner Hinsicht -mit andern Nationen, am wenigsten aber mit den dortigen Franzosen zu -vergleichen, welche ihre Landsleute ohne Ausnahme mit Herzlichkeit -empfangen, bei jeder Gelegenheit<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span> ihnen thätig zur Hand gehen und die -bedrängten unterstützen. Man hat Beispiele, daß Franzosen, welche sich -auf Waarenspekulationen nach Westindien eingelassen hatten und dadurch -fast ruinirt wurden, sich durch Hülfe ihrer dort etablirten Landsleute -wieder erholten, indem diese Artikel von ihnen kauften, wobei sie -bedeutend verloren, um jene aus der Noth zu befreien, oder um ihnen -zur Rückkehr nach dem Vaterlande behülflich zu sein. In Legionen sieht -man die Franzosen in Westindien herumziehen, die Alle in der Absicht -hinkommen, ihr Glück zu machen. Niemand will dort weniger als 40,000 -Piaster ärndten.</p> - -<p>Welch ein Contrast bildet dies Benehmen mit dem der Deutschen daselbst; -da ist nichts von Herzlichkeit und Patriotismus zu finden; Geld! ist -das Losungswort und die Parole bei ihren Manövern und bei allem ihrem -Thun und Treiben. Deshalb werden denn auch alle Artikel, in welchen -die deutschen Fabrikanten Meister sind, den dort umherschwärmenden -englischen Reisenden zum Copiren gegeben. „Mischen Sie die Waare -mit Baumwolle,“ sprechen sie, „machen Sie dieselbe schmäler, auch -allenfalls von kürzerem Maaße, nur copiren Sie treu die Appretur und -das Zeichen; für das Uebrige werden wir sorgen.“ Der Reisende kennt -seine Pappenheimer; er weiß, daß die Commissionaire in Havana weniger -Kenntnisse im Waarenfache besitzen, als die Leipziger oder Berliner -Dienstmädchen, und versichert ihnen daher, wenn sein Prinzipal die -bestellte Quantität doppelt schickt, diese Parthie sei das Non plus -Ultra! „Sehen Sie,“ sagt er, „Alles dieses hier, was Sie in dem Zeuge -sehen, ist von leinenem Garn gemacht“ und der Commissionair — was kann -er auch bei seiner Unwissenheit anders thun? — schenkt ihm Glauben. -Das Höchste, was er noch thut, ist, daß er seine Legion bepantoffelter -Commis und cigarrenrauchender Portiers, Neger und Trabanten herbeiruft, -damit<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> sie sich von der Vortrefflichkeit der englischen Copieen -überzeugen und den herrlichen Einfall ihres Herrn und Meisters -bewundern. Indeß, was ist der Erfolg? Die Havaneser kaufen diese -Creasse, Platillien etc., die aus einem durch Maschinen zerstampften -Flachse, mit Baumwolle vermischt, verfertigt sind, natürlicher Weise -zu einem viel geringern Preise, als die deutschen Waaren derselben -Art verkauft werden können, und die letztern bleiben liegen. Erst im -Gebrauch bemerkt der Käufer, daß er hintergangen worden ist, indem die -gepriesenen wohlfeilen englischen Stoffe über alles Erwarten rasch -zerrissen sind. Unterdeß haben die Commissionaire ihren Endzweck -erreicht: sie haben eine doppelte Quantität Waaren in Commission -erhalten, sie verdienen die doppelte Summe von Provision und können -demzufolge doppelte Portionen von den in Frankreich präparirten grünen -Erbsen und von den theuern Forellen u. s. w. essen.</p> - -<p>Einst hatte ich Gelegenheit, einem Commissionair, und zwar einem sehr -erprobten, zu widerlegen, da er sich wegen der Nachlässigkeit der -deutschen Fabrikanten beschwerte, welche, wie er meinte, nicht mit der -Zeit fortgingen und von Engländern sich vordrängen ließen; ich bewies -ihm, daß alle deutschen Leinen den englischen vorzuziehen seien, weil -der von der Natur im Flachs erzeugte Faden nicht zerstampft, sondern -unversehrt in den Stoff eingewebt wird u. s. w.</p> - -<p>Wenn ich den geneigten Leser mit der weitläuftigen Erzählung meiner -eigenen Angelegenheiten so lange hingehalten und vielleicht ermüdet -habe, so bitte ich um Verzeihung und glaube, einige Ansprüche auf -dieselbe zu haben. Da Behauptungen Beweise erfordern und diese nur dann -als triftig gelten können, wenn sie sich auf bestimmte Erfahrungen -stützen, so mußte ich diese ausführlich mittheilen. Es wird mich nicht -gereuen, dieselben auf meine Unkosten theuer erworben und bezahlt zu -haben,<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> wenn die Saat, die ich hier zum Nutzen des europäischen Handels -ausstreue, auch wirklich aufgeht und Früchte trägt. Zum Beschluß -will ich, ehe ich zu Gegenständen anderer Art übergehe, Einiges über -Meta-Geschäfte von dort auf Europa anführen, ein Gegenstand, der -besondere Berücksichtigung verdient.</p> - -<p>Meta-Geschäfte nenne ich solche, bei welchen gewöhnlich drei -Unternehmer interessirt sind, nämlich: ein Schiffseigenthümer, ein -hamburger, bremer etc. Kaufmann, und endlich ein havanesischer -Commissionair. Diese contrahirenden Personen verbinden sich mit der -Ueberzeugung, daß Einer über den Andern so viel Vortheile als möglich -erringen wird. Der Schiffseigenthümer liegt in Havana und kann für sein -Schiff nur Fracht à 2 L. Sterl. pro Tonne finden, und doch möchte er 3 -L. Sterl. 10 Sh. bis 3 L. Sterl. 15 Sh. bedingen. Wie wäre es, spricht -er jetzt, wenn ich mein Schiff mit Caffee oder Zucker für den letztern -Frachtpreis belüde? Ein Commissionair findet sich hierzu bereit, wenn -der Rheder den dritten Theil der Ladung für seine Rechnung auf Gewinn -oder Verlust übernehmen will, was dieser annimmt. — Der Commissionair -schafft die Quantität zum Beladen an und findet vielleicht unterdessen -Einige, die zu dieser enorm hohen Fracht beiladen, wodurch denn -natürlich schon ein Gewinn für die drei Interessenten entsteht. Für -den Commissionair, der unter der Firma Spanische Regierung Europäer -et Comp. dieses Geschäft entrirt, muß unbedingt ein gewisser Gewinn -bei solchen Geschäften erzeugt werden, denn er hat Provision für den -Einkauf, den Rabatt, welchen die mit Maulthieren zum Anfahren der Güter -beschäftigten Fuhrleute ihm erlauben (indem er nämlich das Fuhrlohn -ganz in Rechnung stellt); er hat ferner die Sporteln, welche er sich -beim Ausgangs-Zoll zu verschaffen weiß, so wie auch die Provision und -anderen Sporteln auf die Waaren, die er für die europäischen verkauften -Waaren,<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> welche durch den Antheil dieser Ladung bezahlt werden, sich -zu machen verstand, und endlich die Provision auf die Waaren, welche -nach dem Verkauf des Zuckers an Zahlungsstatt nach Havana befördert -werden. Der Europäer hingegen entschädigt sich durch Provisionen für -die eingegangenen Colonial- und ausgehenden Manufactur-Waaren. Somit -muß sich Einer auf Unkosten des Andern zufriedenstellen. Gern möchte -ich einmal die Abrechnung von einem solchen Geschäft sehen, um die -Erfahrung zu machen, wie viel den deutschen Fabrikanten von ihrem -Capital, welches sie den Bremern oder Hamburgern in Waaren gegen -Vorschuß zum Versenden nach Havana übergeben haben, übrig bleibt!</p> - -<p>Manche sind der irrigen Meinung, Waaren von Westindien seien Retouren, -und deshalb müsse man daran verlieren. Wenn es jeder Europäer dem -westindischen Commissionair zur Pflicht machte, keine anderen Retouren -als Wechsel auf London oder Paris zu überschicken, so würden keine -Colonial-Waaren zu einem so niedrigen Preise herabsinken, als man -täglich erfährt. Tauschhandel findet in ganz Westindien nicht statt; -es können demzufolge keine anderen Retouren als baares Geld existiren. -Colonial-Waaren müssen stets für baares Geld eingekauft werden und -selbst, wenn sie Jemand mit Salomonischer Weisheit einkaufte, so -müßte er, glaube ich, daran verlieren: ich habe in diesem Punkte eine -Erfahrung an einer Parthie Caffee gemacht, auf welche ich in Havana -verdienen konnte, in Europa hingegen verlieren soll.</p> - -<p>Die Nordamerikaner sind, meiner Ueberzeugung nach, die einzigen, welche -Geschäfte von Westindien nach ihren Staaten mit Nutzen betreiben -können, weil beide so nahe Nachbarn sind und jene häufig ihre Einkäufe -mit einem hübschen Gewinn realisirt haben, während ähnliche, zu -derselben Zeit auf Europa unternommene Spekulationen<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> noch erst am -Anfange stehen und die Schiffs-Capitaine dorthin noch kaum zur Hälfte -mit dem Einladen fertig sind.</p> - -<p>Sieht man hierselbst die Anzahl von Geschäftsleuten, insbesondere von -Einkäufern aus den V. S., die tagtäglich in Massen ankommen, so muß es -jedem Unbefangenen bald klar werden, daß die Preise von allen hiesigen -Erzeugnissen sehr hoch sein müssen, und auf Europa nicht Rechnung geben -können. Der amerikanische Einkäufer bedient sich wohlweislich der -amerikanischen oder spanischen Commissionaire, mit denen er jedoch vor -dem Abschluß hinsichtlich der Provision eine Uebereinkunft trifft und -sehr selten mehr als 1¼ Procent accordirt. Fragt man den Deutschen, -warum er nicht auch so billig arbeite, so erhält man zur Antwort: „weil -wir nicht, den Creolen gleich, Hülsenfrüchte essen und Catalonische -Weine trinken wollen.“ Der Verkehr mit den V. S. ist in Havana so -bedeutend, daß jede Woche aus jedem Hafen derselben ein bis zwei, ein- -und eben so viele von Havana auslaufen.</p> - -<p>Für Havana allein brachten diese Schiffe im abgewichenen Jahre -125–130,000 Fässer Mehl, d. h. so viele erlegten den Zoll; man kann -eine bedeutende Anzahl geschmuggelter hinzunehmen; die Einfuhr auf -Matanzes und St. Jago ist mir unbekannt. Dessenungeachtet fehlte es -einmal während meiner Anwesenheit in Havana wegen der widrigen Winde, -welche die Schiffe am Einlaufen verhinderten, dermaßen an Mehl, daß -keiner von den Bäckern mehrere Tage hindurch Brod zum Verkauf hatte -und man zu den Schiffs-Zwiebacken seine Zuflucht nehmen mußte. Ein -Schiff, welches in dieser bedrängten Zeit einlief, machte einen Preis -von 32 Piaster pro Faß, der sich jedoch nur einige Tage behauptete, -denn unmittelbar darauf kam so vieles Mehl an, daß die Preise in -wenigen Tagen von 32 Piaster auf 18 herabsanken. Rindfleisch wird auf<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> -Cuba nur von Montevideo, in Friedenszeiten aber auch von Buenos-Ayres -eingeführt; es langen etwa 100 Ladungen an. Es wird dort gesalzen und -in der Sonne getrocknet, riecht nicht angenehm und ist nicht allein für -den Neger bestimmt, sondern auch für den Ausländer; ist mir selbst doch -sehr oft in den Restaurationen ein daraus zubereitetes Steak gereicht -worden, allein mir kam es stets ungenießbar vor.</p> - -<p>Bei dieser Gelegenheit will ich dem geneigten Leser zur Uebersicht -eine kleine Tabelle von den wichtigsten, aus den V. S. in Havana -eingeführten Lebensmitteln vorlegen; merkwürdig ist hierbei die -Quantität flüssiger Fettwaaren.</p> - -<table summary="Nach Havanna eingeführte Lebensmittel"> - <tr> - <td class="tdc"> - 389796 - </td> - <td class="tdc"> - Arrobas - </td> - <td class="tdl"> - Reis, - </td> - <td class="tdc"> - die Arroba à - </td> - <td class="tdl"> - 25 - </td> - <td class="tdc"> - Pfund - </td> - <td class="tdc"> - 9,744900 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> -  12498 - </td> - <td class="tdc"> - – - </td> - <td class="tdl"> - Butter - </td> - <td class="tdc"> - – - </td> - <td class="tdl"> - 25 - </td> - <td class="tdc"> - – - </td> - <td class="tdc"> -  <span class="hide">,</span>312450 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 261097 - </td> - <td class="tdc"> - – - </td> - <td class="tdl" colspan="4"> - Schweineschmalz oder - </td> - <td class="tdc"> - 6,527425 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 101842 - </td> - <td class="tdc"> - Pfund - </td> - <td class="tdl" colspan="4"> - Oel in Fässern - </td> - <td class="tdc"> -  <span class="hide">,</span>101842 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 248392 - </td> - <td class="tdl" colspan="5"> - Flaschen dito à 2 Pfund - </td> - <td class="tdc"> -  <span class="hide">,</span>496784 - </td> - </tr> -</table> - -<p>Diese Quantitäten sind es, die den gesetzlichen Zoll erlegt haben; -außerdem kommt noch in Betracht die Quantität Butter, welche -Capitaine für ihre eigene Rechnung mitbringen, womit sie den Zoll zu -umgehen wissen, so wie auch die Quantität Rindsfett von den auf Cuba -geschlachteten Thieren, welche den Fettwaaren angereiht zu werden -verdienen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span></p> - -<p>Geht schon aus diesem kleinen Verzeichniß die Wichtigkeit Cubas für -die V. S. hervor, so stellt sich dieselbe doch noch mehr heraus, wenn -man auch folgende Artikel hinzurechnet, die auf Cuba, wegen Mangel an -Menschen nicht verfertigt werden, nämlich: das Holz, aus welchem die -750,000 Kisten zum Verpacken des auf Cuba erzeugten Zuckers gemacht -werden, wofür der Producent dieses Artikels 3½ Piaster für jede vom -Käufer wieder erhält; ferner die Masse Schweinefleisch, Lichter, -Aepfel-Champagner,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> Knoblauch und Zwiebeln, von welchen ganze Ladungen -anlangen; Stühle, Bänke, Tische, kurz Alles, was in den Häusern nöthig -ist. Für alles dieses fließen den Amerikanern von Cuba ungeheure -Summen zu, welche jedoch sehr oft nicht zureichen, den Belauf der von -den Amerikanern aus Cuba bezogenen Artikel, als: Tabacke, Cigarren, -Caffee, Melasse, Branntweine, Zucker, Früchte etc. zu decken. Es giebt -sehr oft in Havana so viele Wechsel auf alle Handelsplätze in den -V. S., daß den Käufern oder Abnehmern freiwillig eine Prämie von 3, -zuweilen gar 4½ Procent angeboten wird. Bei diesen Umständen und bei -solchen Gelegenheiten könnten die deutschen Commissionaire freilich -sehr zum Nutzen ihrer Freunde in Europa agiren, wenn sie nämlich statt -Colonial-Waaren Wechsel auf New-York für dieselben kaufen wollten und -von dort auf London Wechsel anschaffen ließen. Allein dies geschieht -nie; jeder deutsche Commissionair, welchem Credit in London zu Gebote -steht, schickt seinem europäischen Freunde seine von ihm selbst auf -London gezogenen Wechsel als Rimessen und berechnet die in Havana -statt findende Prämie, welche gewöhnlich mehrere Procente höher, wie -die in New-York ist. Es ist demnach mit Gewißheit anzunehmen, daß der -deutsche Commissionair in Havana neben den 2½ Procent, welche er für -die Anschaffung von Rimessen dem Europäer in Rechnung stellt, durch -jene Operation noch 3–4 Procent verdient.</p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Feste_und_Vergnuegungen"><span class="antiqua"><span class="s6">Ueber die</span><br /> -Feste und Vergnügungen</span><br /> -<span class="s6">der</span><br /> -<b>Havaneser.</b></h3> - -</div> - -<p>„Heute nimmt der Carneval seinen Anfang!“ sagte meine Wirthin, als -ich eines Morgens aus meiner Arche in ihr Zimmer trat, um mich zu -einem Spaziergange an der Seeküste wegzubegeben; „heute,“ fuhr sie -fort, indem sie eben Caffee schlürfte,<a name="FNAnker_C_3" id="FNAnker_C_3"></a><a href="#Fussnote_C_3" class="fnanchor">[C]</a> „müssen Sie sich einmal -ganz dem Vergnügen hingeben, denn bis jetzt haben Sie wenig oder -gar nicht gelebt.“ Während dessen vernimmt sie das Ausschreien von -Lotterie-Loosen durch einen hausirenden Collecteur. Wie der Blitz war -sie zur Hausthür hin, welche zugleich die Thüre ihres Visiten-Zimmers -ausmachte, mit der einen Hand dieselbe öffnend, mit der andern -die Tasse Caffee haltend, „vielleicht — ja“ aussprechend, um ihr -Schärflein zu diesen Regierungs-Revenuen beizusteuern. Die Nummern -der Loose wurden<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> sorgfältig durchgesehen und gemustert und ein -Viertel-Loos in Gemeinschaft mit einem zufällig anwesenden jungen -Franzosen gekauft. Von derselben Nummer hatte der Collecteur noch ein -anderes Viertel, welches zu nehmen sie mich persuadiren wollte; da -ich indessen diese Lotterie, wegen der unverhältnißmäßigen Anzahl der -Nieten zu den Gewinnen haßte, so schlug ich es ab. Zufällig kaufte es -der zum Frühstück nach Hause gehende Sohn meiner Wirthin und sonderbar -genug, daß dieselbe Nummer in wenigen Tagen die höchste Prämie von -25,000 Piaster erhielt. Es wäre freilich ein erfreuender Carneval für -meine Finanzen gewesen, sagte ich, als mir die Liste und das Loos beim -Frühstück gezeigt wurde, allein sein Sie überzeugt, daß, wäre ich -Inhaber dieses Looses gewesen, Sie nichts gewonnen hätten, weil Fortuna -die einzige im Frauengeschlecht ist, welche mir, da mein eiserner Fleiß -ihren Gnadenbezeugungen stets getrotzt hat, stets entgegen trat und -mich zum Hasser des schönen Geschlechts hätte machen können, wenn ich -es nicht wegen der so vielen guten Eigenschaften so tief verehrte. Und -dennoch ein Hagestolz? fragt vielleicht eine geehrte Leserin. Ja, meine -Schöne, würde ich antworten, Hagestolz und zwar aus dem Grunde, weil -ich täglich neue Bekanntschaften unter Ihrem Geschlecht und täglich -bessere Eigenschaften zu entdecken Glück und Gelegenheit hatte, so daß -ich die vollkommenste Frau aufzufinden mich entschloß und bei diesem -Suchen ergraut bin, wodurch mir denn nur Ansprüche auf Ihren Geist, -aber keine auf Ihre Herzen übrig geblieben sind.</p> - -<p>Als ich beim Fortgehen vom Hause über die Worte der Wirthin -reflektirte, daß ich mich dem Vergnügen hingeben müsse, dachte ich bei -mir selbst: worin kann und soll denn ein Mann in deinem Alter Vergnügen -finden? Sollst du noch mehr thun, als anständig leben und dich kleiden? -was allein schon in Havana Einem schwer wird. — Aber es ist ja -Carneval, dachte ich; du mußt also<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> versuchen, auf die in diesem Lande -übliche Weise das Geld todtzuschlagen.</p> - -<p>Zuerst also beschloß ich, von meiner Gewohnheit abzuweichen und ein -großes Frühstück einzunehmen. Du mußt deinem Gaumen den Carneval -durch Austern kund thun, dachte ich und ging demzufolge nach einem -mit Zugwinde versehenen Lokale. Durch die Dienstfertigkeit der -cigarrenrauchenden Marqueurs stand bald eine Portion Austern auf meinem -Tisch, an welchem sich mehrere junge Herren in derselben Absicht -befanden. Ich beguckte diese so wie die mir vorgesetzten Austern und, -sonderbar genug! es erging mir mit den Austern nicht besser, wie mit -den Herren; eben so wenig als ich wegen der großen Backenbärte die -Gesichter der letztern zu beurtheilen im Stande war, eben so wenig -wollte es mir gelingen, die wirklichen Austern aus dem Bart und aus den -Schalen herauszufinden. — Ich bezahlte ¾ Piaster für dieses frugale -große en miniature aufgetragene Frühstück und dies war gut — für? — -den Wirth.</p> - -<p>Durch den vermeinten Austernschmaus war mein Appetit rege geworden, -allein er verging mir bald wieder, als ich mich gegen Mittag der -belle Europe näherte, als ich im Entree die verschiedenen Gerüche von -Lampenöl, Knoblauch u. s. w., womit die Speisen zubereitet worden, -einathmete, als ich das Reinigen der Messer und Gabeln von Seiten eines -Negers sah. Der Oberkellner war damit beschäftigt, aus den Neigen der -in verschiedenen Flaschen vom Abend zuvor übrig gebliebenen Weine, -durch Zusammenschütten volle Flaschen zu erzeugen. In Havana nämlich -ist es gebräuchlich, daß vor jedem der Couverte eine volle Flasche, -d. h. ¾ Flasche steht; es wird jedoch nur so viel dafür bezahlt als -daraus getrunken ist und mit den Neigen wird dann der erwähnte Prozeß -vorgenommen, denn von ihnen gilt das, was in Wallensteins Lager der -Rekrut mit zerrissenen Kleidern spricht:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span></p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Stellt mich morgen in Reih’ und Glied dar,</div> - <div class="verse">Wer sieht mir’s an, was ich gestern war!</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Ich nun bekam auch ein solches Mixtum-Compositum von Catalonischen und -Französischen Weinen, ein Steak aus dem Fleisch von Montevideo und -gesäuertes,<a name="FNAnker_D_4" id="FNAnker_D_4"></a><a href="#Fussnote_D_4" class="fnanchor">[D]</a> mit Schweineschmalz gebackenes Brod und eine Flasche des -allerbesten, vor vielleicht vier Wochen eingesammelten Regenwassers, -unfiltrirt: wofür ich etwa 1 Thlr. bezahlte; wieder gut für die belle -Europe, von deren Schönheit ich kein Anbeter war.</p> - -<p>Nach dem Mittagsessen entschloß ich mich, einen Spanier, der mich -zum Caffee eingeladen hatte, aufzusuchen, welches hier, da es keine -Wohnungs-Anzeiger giebt, die Namen der Hausbesitzer auch nicht an -den Thüren gefunden werden, eine sehr schwierige Aufgabe ist; die -Kaufleute haben sogar keine Firma; die Läden haben wie in den deutschen -Badeörtern ihre eigene Benennung als: der Hirsch, die blaue Kuh, -Columbus etc. Erst nach langem Suchen fand ich meinen Spanier, der -mich mit seinen beiden funfzehn- und eilfjährigen Töchtern, die mit -ihren brennenden Cigaro’s da saßen, erwarteten. — Als der Caffee -servirt wurde, fand ich in den kleinen Unterschalen zu meinem Erstaunen -statt der Theelöffel sehr große und schwere Suppenlöffel die mich -einigermaßen genirten. Indeß sah ich denn doch, daß die Suppenlöffel, -die hier in großen Vorräthen bei den Silberschmieden aufgehäuft liegen, -eine Bestimmung haben, denn die Suppen sind in Havana so kompakt, -daß sie mit dem Messer verzehrt werden können. — Es wurde viel -Caffee getrunken und eben so viel von allen Seiten Cigarren geraucht, -wobei ich mich an der Virtuosität der jungen höchst liebens<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span>würdigen -Spanierinnen ergötzte, während ich mich, wie jene, in einem von den -Schaukelstühlen wiegte. — So wurde der erste Carnevalstag auf eine -comfortable Weise todtgeschlagen, bis ich um neun Uhr in meine Arche -zurückkehrte.</p> - -<p>Um dem Willen meiner Wirthin nach Vermögen nachzukommen, wandte ich am -andern Morgen zunächst meine Aufmerksamkeit einem bessern Essen zu, was -doch auch mit zu einer vergnüglichen Existenz gehört. Was wir Europäer -unter: Gut essen verstehen, das konnte, wie ich aus meinen bisherigen -Erfahrungen wußte, nicht gut in Havana möglich gemacht werden. Durften -doch selbst bei meinem Commissionair, dem Fleisch-Inhaber, unter den -vielen Schüsseln die besten nicht angetastet werden, weil sie für -seine außer dem Hause wohnende Maitresse bestimmt waren; den Gästen -wurden sie nur gezeigt und dann fortgetragen, wobei es sich glücklich -ereignete, daß keine neugierigen Eva’s-Töchter zugegen waren. Ich indeß -wünschte nur einen Tisch zu finden, auf welchen genießbare Speisen -aufgetragen würden und berieth mich deshalb mit einem Franzosen. Dieser -wies mir das Haus einer Französin an, woselbst ich für 30 Piaster pro -Monat recht gut und zugleich in angenehmer Gesellschaft diniren und -frühstücken könnte.</p> - -<p>Ich begab mich nach diesem Hause. Eine der Hauptzierden des -Tisches war ein Bocksbraten, incognito, unter dem Namen Mouton in -Knoblauchs-Uniform, um nicht verrathen zu werden. Das Dessert bestand -aus vielen Kuchenarten und eingemachten Früchten; aus den erstern blies -Jeder, bevor er sie genoß, die Ameisen und andere artige Insekten;<a name="FNAnker_E_5" id="FNAnker_E_5"></a><a href="#Fussnote_E_5" class="fnanchor">[E]</a> -die Gesellschaft war angenehm, die<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> Dienerschaft zeigte viel Gehorsam -und besondere Aufmerksamkeit für die Gäste; man hatte sogar für -einige Knaben und Mädchen gesorgt, die, da es gerade sehr heiß war, -durch Eventails die Hitze der Mitspeisenden weniger fühlbar zu machen -suchten; nur hätte man auch auf reinliche Wäsche und Kleider derselben -sehen sollen. Am folgenden Morgen sollte ich erklären, ob ich, wie mein -Freund, für die Dauer Abonnent sein wollte. Ich wollte jedoch zuvor zu -einer ähnlichen Maßregel schreiten, als wenn ich mit Hauderern reisen -wollte; wie ich dann zuerst die Pferde und Wagen mir besah, so wollte -ich jetzt die Küche etwas ansehen.</p> - -<p>Ueber dieselbe etwas Näheres zu berichten, würde überflüssig sein, -wenn die Leser mit der chirurgischen Operation bekannt geworden -sind, die ich hier wahrnahm. Ich fand nämlich eine Negerköchin in -einer solchen begriffen, indem sie einen etwa dreijährigen Knaben -von einer hartnäckigen Obstruction befreien wollte. Da sie jedoch -während dieses wichtigen Geschäftes durch das Ueberkochen eines -Fricassés zur Kastrolle abgerufen wurde, so legte sie rasch das -chirurgische Instrument nieder und lief ohne Weiteres zur Kastrolle, -um dort die nöthigen Operationen vorzunehmen. Nachdem ich diese -saubere Carnevals-Scene gesehen, beschloß ich sofort, eine für mich -befriedigendere Carnevals-Speise aufzusuchen und dies gelang mir denn -auch bald in einem Gasthof ohne Zeichen, dessen Wirthin, Madame Henry, -eine gefällige Amerikanerin ist. Sie giebt für einen Piaster ein gutes -Mittagessen und ausnahmsweise auch von dem für sich ohne Sauerteig und -Schweinefett gebackenen Brode. Der Wein nur hatte hier, wie überall in -der neuen Welt, chemische<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> Processe zu ertragen gehabt. Hinsichtlich -der Küchen-Revisionen dachte ich aber jetzt, wie Gellert in seinen -Briefen von den Landkutschen: „Einmal in der Landkutsche gefahren und -nie wieder.“</p> - -<p>Nachdem ich meinen Magen so ziemlich versorgt wußte, fing ich an, -Nahrungsstoffe für den Geist aufzusuchen. Das Erste für die Havaneser -in dieser Beziehung ist das Stiergefecht. Das Lokal zum Martern dieser -Thiere befindet sich auf der andern Seite des Flusses in einem kleinen -Orte, Redler genannt, dessen wohlhabende Bewohner viele Geschäfte -mit Wachs und Honig treiben. Um dieses schauderhafte Vergnügen zu -genießen, bezahlt man 6 Realen (etwas mehr als 1 Rthlr). Es befanden -sich an jenem Tage gegen 2–3000 Zuschauer im Circus, der in Betreff -der Baukunst nichts Angenehmes darbietet. Die Stiere befinden sich in -den Händen des Gouverneurs, weshalb das Schauspiel erst nach dessen -oder seines Deputirten Ankunft seinen Anfang nimmt. Sobald diese hohe -Person erschienen ist, tritt der Direktor in alt-spanischem Costüme -unter die Loge, aus welcher ihm die Schlüssel des Ankleide-Zimmers der -stierkämpfenden Schauspieler herabgeworfen werden; er nimmt dieselben -mit einer tiefen Verneigung in Empfang und öffnet sogleich die Thür, -um eine der Bestien herauszutreiben. Muthig zeigt sich nun der erste -dem in Leinen gekleideten Publikum, (denn unter allen Anwesenden -waren nicht 100 in Tuchröcken); dort stehen die Marterer mit den -Spießen, die sie den Thieren in die Ohren werfen müssen, damit sie -wüthend werden. Im Uebrigen ist die dabei statthabende Musik, welche -durch eine ungeheure Trommel, mehrere Posaunen, Trompeten und Becken -hervorgebracht und durch Neger geleitet wird, ganz geeignet, die Ochsen -zur Wuth zu reizen.</p> - -<p>Wird der agirende Ochs nicht in den ersten fünf Minuten rasend, -so zischt ein großer Theil des Publikums<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> und drückt sogar sein -Mißfallen durch Worte aus, um die hetzenden Diener, welche zu Pferde -oder auch zu Fuße mit Spießen, couleurten Fahnen, Tüchern etc. umher -rennen, anzutreiben. Diese aber haben ihre Schlupfwinkel und werden -oft, wenn sie in dieselben nicht rasch genug zu retiriren wissen, -getödtet. Das Pferd eines dieser reitenden Diener wurde an diesem -Tage so zugerichtet, daß die Eingeweide desselben wohl ¼ Elle -lang heraustraten und es sogleich niederfiel. Die Thiere werden bis -zum Niederstürzen gemartert; fallen sie, so tritt ein privilegirter -Henkersknecht mit einem langen Spieß heran und beendet das große Werk. -Als dies geschehen war, erschien ein Postzug von drei Pferden (in die -Länge gespannt) und der getödtete Stier wurde in vollem Trabe, unter -Jubelgeschrei und Beifallsklatschen der Anwesenden hinausgezogen. Und -sofort wird ein anderes Thier hinausgetrieben, um das Schicksal des -erstern zu haben. — Die allermuthigsten werden gewöhnlich erst am -Ende auf den Kampfplatz gebracht. Der letzte war auch der glücklichste -von allen; trotz aller Mühe, welche man sich gab, ihn zum Stürzen zu -bringen, bestand er jede Probe, ja selbst die Feuerprobe; er wurde -nämlich in eine mit Feuerwerk gefüllte weibliche Figur hineingetrieben -und entkam der Gefahr, und unter Klatschen und Beifallrufen kehrte er -in seinen Stall zurück.</p> - -<p>Nicht weit von Redler liegt ein kleiner Flecken, wo ein bedeutendes -Geschäft mit Melassen, einem Syrup, den man nicht wie in Europa beim -Raffiniren, sondern aus dem rohen Zucker gewinnt, getrieben wird. -Ueber die Art und Weise, wie das Produkt erzeugt wird, will ich -nichts anführen, indem ich voraussetze, daß Herr von Humboldt und -andere Gelehrte in ihren Abhandlungen über den Zuckerbau hierüber das -Wissenswertheste gesagt haben. Ich langte gerade in jenem Flecken an, -als der Inhalt eines Fasses, nach Freiheit strebend, den Boden<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> des -Fasses zum Nachgeben gezwungen hatte und frei herauslief. Zwei Neger -waren sogleich bei der Hand, die Melasse zu sclavischem Gehorsam -zurückzuführen und beschäftigten sich damit, diesen flüssigen Stoff mit -ihren schwarzen Händen (weshalb es für das Urtheil des Profanen ungewiß -blieb, ob sie schmutzig waren oder nicht) vom Boden aufzuschöpfen und -einzugießen. Welch ein erfreuender Anblick, dachte ich, müßte diese -Operation für einen Nord-Amerikaner sein, welche beim Caffee oder Thee -zum Frühstück einen Pfannkuchen, in solchem Syrup getränkt, zu genießen -pflegen.</p> - -<p>Von den Prozessionen, die ich hier gesehen, verdient zunächst die am -Carneval übliche angeführt zu werden, weil schon die Tendenz derselben -sehr lobenswerth ist, nämlich den Kranken und Schwachen, welche an -den Carnevals-Freuden Theil zu nehmen verhindert sind, Kunde davon zu -geben. Jeder Conditor und Bäcker nämlich hat Brod- und Kuchen-Arten -für den Zustand des Kranken, aber auch der Gesunden zubereitet, -welche aus ihren Wohnungen der vorüberziehenden Prozession auf großen -Präsentir-Tellern gereicht werden und Träger finden sich bald bereit, -um sich ihren Magen und den Hospitälern nützlich zu erzeigen. Auch wird -von den Spanierinnen Charpie in großen Quantitäten auf eben solchen -großen Präsentir-Tellern den bereitwilligen Trägern übergeben.</p> - -<p>An demselben Tage bemerkte ich auch das Leichenbegängniß eines -Staatsdieners; ganz in prozessionsartigem Zuschnitte lag die Leiche -im offenen Sarge in vollem Ornate, mit den dieser Person gewordenen -Ehrenzeichen. Eine schlechte Anordnung in solchem heißen Lande! Gern -hätte ich auch den Leichenzug eines Havanesischen Kaiser Napoleon -mit beigewohnt, ein Kirchendiener nämlich, der wegen der täuschenden -Aehnlichkeit mit diesem großen Manne, sich eben so zu kleiden pflegte, -wie dieser. In jüngern Jahren soll er auch nach Europa gereist sein, -um<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> die feinen Nuancen im Benehmen des Kaisers beobachten und copiren -zu können. Ich wurde aber durch Geschäfte abgehalten, der Beerdigung -desselben beizuwohnen und kann deshalb darüber nichts Näheres berichten.</p> - -<p>Mit großen Lettern prangte heute auf den Theater-Zetteln, die im -allergrößten Formate an allen Straßenecken angeklebt waren, Rossini’s -beliebte Oper: der Barbier von Sevilla, im Opernhause, nur von -italienischen Künstlern ersten Ranges dargestellt, und präcise um -sechs Uhr befand ich mich zum ersten Male auf dem Wege nach dem -Opernhause. Da aber der liebe Gott die Tabacks-Produzenten unterdessen -mit einem lang erflehten Regen erfreut hatte, so war diese Reise -nicht ohne bedeutende Schwierigkeiten auszuführen, indem selbst die -Volanten nur mit Mühe durch den Lehm sich durcharbeiteten. Als ich -endlich unversehrt anlangte, zeigte mir das Gedränge an der Kasse -bald die Unmöglichkeit, eine Einlaßkarte lösen zu können, und schon -war ich im Begriff fortzugehen, als mir Jemand eine anbot zu sechs -Realen (1 Thlr.). Mein Erstaunen war nicht gering, als ich erfuhr, daß -diese sechs Realen bloß für die Erlaubniß ins Haus zu treten bezahlt -seien, daß ich, wenn ich einen Sitz haben wolle, noch 1½ Piaster -hinzuzulegen hätte, weil jeder einzelne Platz für 51 Piaster auf 24 -Vorstellungen abonnirt sei. Da die Logenthüren stets offen bleiben, -fiel ein in kurzer Entfernung stehender Deutscher ein, würden Sie wohl -daran thun, sich an einer von den Logenthüren aufzuhalten, wenn Ihnen -das Stehen nicht zu lästig ist. Diesen Rath befolgte ich und er fand -sich auch als der erste vernünftige, der mir während meines Hierseins -von einem Deutschen ertheilt wurde.</p> - -<p>Die Logen-Abonnenten langten successive an; an jeder Loge befand sich -ein gallonirter Neger als Begleiter und Beschützer der Frauen. Dieses -letztern Ausdruckes darf ich mich eigentlich nicht bedienen, weil -alle Damen<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> ohne Kopfbedeckung erschienen und ich mithin nicht wissen -konnte, welche von ihnen unter die Haube gekommen war. Die Sänger waren -größtentheils <em class="gesperrt">Invaliden</em>, wenn ich sie mit denen der großen -Londoner und Berliner Oper vergleiche. Es war kein <em class="gesperrt">Rosinchen</em> -von französischem oder italienischem Weinstock, nein! es war eine -derbe von Malagaschen Trauben erzeugte Rosine, welche dessenungeachtet -derb gefiel; ein Nasen-Tenorist; ein mit hölzernem Spiel und ditto -Stimme begabter Figaro und alle übrigen Mitwirkenden ließen ihre Arme -und Beine für die Hauptsache sorgen. Die Chöre bemühten sich, einen -Galamathias zu schreien; der Musik-Direktor, ein Holtér von Geburt, -klopfte derb auf und machte es „holter“ recht. Das Orchester war brav, -indem es aus Musikern der dortigen Regimenter zusammengesetzt war.</p> - -<p>Der Vorstellung und besonders des Stehens überdrüssig, sehnte ich -mich jetzt nach einem Sitz, wobei ich gestehen muß, daß, wäre ich -vielleicht 20 Jahre jünger gewesen, ich mich wegen der beiden höchst -liebenswürdigen Spanierinnen, hinter deren Sitz ich stand, zum ewigen -Stehen (NB. diesen Theater-Abend) würde bereit gefunden haben. Ich -bemerkte bald, daß der Inhaber des Erfrischungs-Saales vor dem in -demselben angebrachten Fenster mit Gittern stand und seinen Cigarr -schmauchte; von dort aus aber konnte man durch eine offen stehende -Logenthür die Bühne übersehen und jeden Ton deutlich vernehmen. Rasch -ließ ich meine schönen Spanierinnen im Stich, eilte nach diesem Saal -und bestellte ein Glas Aqua de Panaly<a name="FNAnker_F_6" id="FNAnker_F_6"></a><a href="#Fussnote_F_6" class="fnanchor">[F]</a> und schaute und hörte bis zu -Ende des<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> ersten Aktes. Jetzt aber füllte der Saal sich so übermäßig -mit Cigarrenrauchern, daß ich mich zum Abzuge entschloß. Ich machte -jetzt die Ronde hinter den Logen und stieß jede zwei Schritte auf einen -mit blankem Seitengewehr in der Hand postirten Militair. Ich hörte, -daß die Mannschaft, die hier den Dienst verrichtet, sich auf eine -complette Compagnie belaufe und alle Gewehre scharf geladen seien. Es -geschieht dies wegen der Masse von Negern, die hier beisammen sind. -Im Parquet bemerkte ich jetzt Niemand, denn Damen gehen nicht hinein -und die Herren rauchten alle einen Cigarr im Caffeehause; ich machte -während der Pausen eine Promenade auf das italienische Dach. Die -mondhelle Nacht bot mir etwas dar, was jeden mit Gefühl für Natur und -Kunst begabten Europäer überraschen mußte. Ich war tief ergriffen, als -ich auf die im Strome vor Anker liegenden Schiffe (in allen Größen, ja -sogar Kriegsschiffe) herabsah und auf der ans Opernhaus angränzenden -Promenade die spazierlustige Welt, um sich von der Tageshitze zu -erholen, mit brennenden Cigarren umherwandernd, erblickte. — Als ich -aus den höhern Regionen dieses schönen Musentempels in die untern Räume -zurückkehrte, wo die Diener des Mars walteten, rollte eben der Vorhang -zum zweiten Akt herauf. Eingedenk der Gefahr, die ich bei meiner -Hieherkunft in Beziehung auf die Volanten zu bekämpfen hatte, welche -nach Beendigung der Vorstellung noch größer zu werden versprach, trat -ich die Wanderschaft nach meiner Arche an.</p> - -<p>Meine Wirthin war, als sie sich durch die mitgebrachte Contre-Marque -von meiner Gleichgültigkeit gegen die gepriesene italienische Oper -überzeugt hatte, sehr aufgebracht und meinte es sei nun bald Zeit für -mich, in mein deutsches Sibirien, Berlin genannt, zurückzukehren. — -Auch die Ratten feierten in meiner Arche ihren Carneval, sie ließen -mir wenig Ruhe und mußten während<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> der Nacht sehr ausgelassen (trotz -unseren deutschen Rheinländern, den Cölnern) gewesen sein, denn als ich -mich am andern Morgen von meinem Stickrahmen erhob, waren zwei Fuß aus -der Wand zunächst meinem Lager zusammengearbeitet. Dies erzeugte in -mir den Gedanken, die Redoute im Theater de Tacon an diesem Abend zu -besuchen, um mich ermüdet und des Schlafens gewiß niederzulegen.</p> - -<p>Es werden hier stets zwei aufeinander folgende Redouten gegeben; -da der Spanier sich in Masken-Anzügen am besten gefällt, so ist es -nichts Seltenes, daß an demselben Abend 3–4 statt haben. Also nach -der Redoute! dachte ich. Aber ist es nicht eine Sünde gegen das achte -Gebot für einen Mann, wie ich, auf die Redoute zu gehen? — Wird -doch, tröstete ich mich, die edle Zeit ohne Furcht und fortdauernd -von so Vielen getödtet; so tödte denn auch du einmal dieselbe aufs -<em class="gesperrt">beste</em>. Schon um acht Uhr des Morgens verkündigten die sehr -langen und breiten Anschlagezettel, daß an diesem Abend die größte -aller Redouten statt finden solle, indem 10,000 Personen sich einfinden -würden. Mit Sehnsucht wartete ich auf den Abend, dies Wunder zu sehen, -aber meine Freude wurde zu Wasser, denn es fing plötzlich an zu regnen, -als sollte eine Sündfluth statt finden. Die Straßen werden unpassirbar -und ich entschließe mich, zu Hause zu bleiben. Indeß zur Freude des -Unternehmers dachten nur wenige so wie ich; es wimmelte trotz des -Morastes in den Straßen von Masken in weißen und farbigen Anzügen; die -Wirthe beeilten sich, den zu Fuß wandernden Masken hülfreiche Hand zu -leisten; in den unpassirbaren Straßen werden Nothbrücken und Trottoirs -von Brettern gelegt und siehe da! der Saal ist noch, wie mir versichert -wurde, gepfropft voll gewesen.</p> - -<p>Meine Wirthin nahm selbst zwar an keinem Vergnügen mehr Theil, -bekümmerte sich aber nichts destoweniger<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span> um alle; sie wußte jede -Neuigkeit, wußte, wo es Schmausereien und Bälle gegeben hatte und geben -würde. Sehr glücklich für Sie, fing sie eines Morgens an, daß der Regen -vor einigen Tagen Sie von der Redoute zurückgehalten hat; Sie bekommen -übermorgen für Ihr Geld eine weit hübschere zu sehen, eine Redoute -romantique nach der Form eines bal masqué romantique, der vor einigen -Tagen von einem reichen Spanier zum ersten Male gegeben wurde. Ich -wußte in der That nicht, was es mit dieser Romantik des Balles für eine -Bedeutung haben solle, und die gute Wirthin fuhr erklärend fort: Sehen -Sie! ein reicher Spanier hatte die Absicht, sich zu verheirathen. Nun -hatte er die Bekanntschaft sehr vieler Damen; unter diesen aber waren -10–12 gleich schön und liebenswürdig, so daß er unter diesen zu wählen -sich nicht entschließen konnte, da er keinen Grund hatte, der einen -oder der andern den Vorzug zu geben. Um nun aber nicht, wie jener Esel, -der sich nicht zu einer Wahl zwischen mehreren Heuhaufen entschließen -konnte, ewig auf derselben Stelle stehen zu bleiben und zu hungern, -gerieth er auf folgendes Manöver. Er gesteht frank und frei jeder der -Damen sein Unvermögen zur Wahl und eröffnet ihnen dabei seinen Plan: -er werde die Damen alle gemeinschaftlich zu einem Balle einladen und -die Einladungskarte mit einer Nummer versehen; alle 12 Nummern sollten -in ein Glücksrad geworfen und unter Cupido’s und Hymens Schutz tüchtig -durchgemischt werden, und Fortuna solle dann beim Herausziehen einer -der 12 Nummern für ihn entscheiden, welche von den 10–12 Auserkornen -die auserkorenste sein soll. — Da die Spanierinnen hinsichtlich des -Verheirathens wie alle Europäerinnen denken, d. h. mit dem Wunsch, -sich zu verheirathen, zu Bette gehen und wieder aufstehen, so fand -ein solches Unternehmen keine Schwierigkeit und — der junge Mann hat -eine recht niedliche und zugleich gute<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> Frau bekommen. Und sehen Sie, -fuhr sie fort: auf ähnliche Weise wird die nächste Redoute romantique -statt finden, nur mit dem Unterschiede, daß hier eine Frau von Ihnen -erhascht werden kann und zwar eine sehr ruhige, friedliebende, nämlich -eine leblose mit einer goldenen Kette, (im Werth von vier Dublonen) -geschmückte, — Figur. Sehr gut! erwiederte ich, bei einer solchen -Heirath riskirt man doch nicht seine häusliche Ruhe; ich werde mich -um sie bewerben. — Mit dem Glockenschlage 10 stand ich an der -Kasse, legte bescheidener Weise einen Piaster nieder und erhielt mit -einem Billet Hoffnung zum Besitz einer der anspruchlosesten Frauen -— indessen Fortuna gestattete mir auch hier nicht, Hymens Fessel -anzulegen.</p> - -<p>Der Saal entsprach übrigens nicht meiner Erwartung, indem man mir oft -gesagt hatte, das Carlo-Theater in Neapel sei ein Miniatur-Gebäude -gegen dieses de Tacon; ich fand diesen Saal nicht größer als den -des neuen Hamburger Schauspielhauses bei Redouten. Das Haus ist -durch und durch von Holz, die Beleuchtung sehr schwach, welches -wohl dem bedeutenden Verbrauch des Oels bei Zubereitung der Speisen -zuzuschreiben ist; man konnte, obgleich die Logen des ersten Ranges -in keiner zu großen Entfernung sind, nichts von den in denselben -herumschweifenden Masken unterscheiden.</p> - -<p>Die Masken-Ordnung ist eine sogenannte zwanglose, d. h. Unordnung. -Die Neger ausgenommen, ist Jedem der Zutritt gestattet, mag er in -schmutzigen oder reinlichen Hauskleidern erscheinen. Im Saale ist das -Cigarrenrauchen erlaubt, weshalb beinahe Alle rauchen. Da der Spanier -für Hazard-Spiele und das schöne Geschlecht mehr Neigung hat, als -irgend eine andere Nation, so konnte der Unternehmer wohl die Anzahl -seiner Besucher vorausbestimmen und auf 12,000 angeben, und so groß -war auch wirklich die Anzahl der vertheilten Entréekarten,<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> obgleich -höchstens für 3000–3500 Personen Platz im Saale ist. Die, welche keinen -Platz im Saale fanden, spazirten in den blühenden Orangen-Alleen und -athmeten bessere Düfte als die im Saale.</p> - -<p>Die Alleen glichen einem Lustlager; man fand hier Reihen erleuchteter -Buden mit Erfrischungen aller Art: da standen in Oel gesottene -Ziegenfüße, dort eben so zubereitete kleine Fischchen, die wegen ihrer -kleinen niedlichen Gestalt ihren Namen Petit-nets verdienen. Dort -bemerkt man Buden mit eingemachten Früchten und Confituren, auf welchen -sich Blumenstücke von den vorzüglichsten Ameisen und andern dort -einheimischen Insekten, nicht nach dem Leben, sondern nach dem Ableben -derselben gebildet hatten. In manchen Buden wurden Milch- und andere -Punsch-Sorten geschenkt. Zwischen den Buden lagen die respektiven Köche -auf dem durch die Hitze seit einigen Tagen ausgetrockneten Lehmboden -hinter dem Feuer von Holzkohlen, und die reich gekleideten Masken sah -man lüstern auf die in Oel siedenden Gerichte hinblicken. Ich glaube -nicht zu übertreiben, wenn ich die Anzahl der Menschen, die sich -herumtrieben, auf 10 bis 12,000 angebe. Es war ein herrlicher Anblick, -in der mondhellen Nacht eine solche Masse lebenslustiger Menschen unter -Gesang und Spiel umherschwärmen zu sehen und nicht einen einzigen -Betrunkenen zu bemerken. Aecht Spanisch! Jeder und beinahe Jede mit -einem brennenden Cigarr im Munde, aber alle nüchtern.</p> - -<p>Auch die Negersclaven begehen acht aufeinander folgende Stunden den -Carneval. Am heiligen Drei-Königs-Tage, des Vormittags um 10 Uhr, hört -man überall Trommelschläge, die Signale, daß der Carneval seinen Anfang -nehmen wird. Es gruppiren sich jetzt in allen den Straßen, in welchen -jene Signale gegeben worden sind, diejenigen, welche an der aus jener -Straße abziehenden Gesellschaft Theil zu nehmen versprochen haben. -In jeder<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> dieser Gruppen befindet sich nur ein wohlgestalteter Neger -en masque; da sieht man dieselben in Häuten wilder Thiere Ungeheuer -vorstellend in der einen Gruppe, oder auf Stelzen; in der andern -sieht man Neger, deren Körper bis zum Unterleibe förmlich lackirt -sind, auf dem Leibe Tigerflecken und Zebrastreifen nach dem Leben -gezeichnet, die Wangen weiß oder roth lackirt, welches einen höchst -komischen Effect macht; Andere wiederum erscheinen mit dem Kopfputz -eines indianischen Fürsten, indem sie statt der Bekleidung ihren Körper -mit den verschiedenartigsten Lumpen englischer Baumwollen-Waaren -behängt haben. Jeder solche maskirte Neger wird von einem großen Trupp -begleitet, dessen Geschrei und Lärmen mit der Trommel wetteifert; sie -ziehen durch alle Straßen und werden von allen Vorübergehenden oder -Fahrenden beschenkt. Bei den Spaniern finden an diesem Tage Feten -statt: es werden Freunde geladen, welche, sobald sich eine Trommel -vernehmen läßt, den Gitterfenstern zueilen, um die vorbeiziehende -Gruppe zu sehen. Um sechs Uhr Abends darf sich keiner derselben mehr -in den Straßen zeigen, jetzt kehren sie in die Schenken ein, um die -empfangenen milden Gaben ihren Gurgeln mildthätig zukommen zu lassen. -Vor jeder solcher Schenke befindet sich eine militärische Patrouille -mit scharf geladenen Gewehren.</p> - -<p>Der Spanier ist in der That ein ganz vortrefflicher, liebenswürdiger -Mensch; er besitzt alle geselligen Tugenden, um in dieser Rücksicht -als Vorbild für die menschliche Gesellschaft zu dienen. Dies gilt -hauptsächlich von dem Gebildeten: er ist artig, zuvorkommend, -gastfreundschaftlich und im höchsten Grade genügsam. Man beleidige -und reize ihn nicht und man wird in ihm einen Freund und Rathgeber -finden. Seine Feinheit im Umgang steht weit über der des Franzosen und -dabei ist er inniger und flößt mehr Vertrauen ein; was der Franzose -oft<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span> aus Politik und Politesse thut, das kommt bei dem Spanier aus -dem wirklichen Antriebe seines guten Herzens. — Unter diesen und -ähnlichen Reflexionen trat ich die Rückkehr nach meiner Arche an. Ohne -Zweifel, dachte ich, als ich durch diese tapfer essenden munteren Leute -durchpassirte, werden diese ihre Speisen besser verdauen, als ich meine -hiesigen Geschäfte, und im schlimmsten Falle ist für diese Glücklichen -eine Hungerkur anwendbarer als für verdorbene Finanzen.</p> - -<p>Mit dem Carneval und den Redouten ist’s jetzt vorüber, sagte ich zu -meiner Wirthin am folgenden Morgen, als ich die Redoute verdaut hatte. -Keineswegs, entgegnete sie, ist dies die letzte Redoute gewesen; in -einigen Wochen haben wir zwei ungewöhnliche Festtage und demzufolge -noch zwei Redouten zu erwarten. Diese Festtage waren, wie sie mir -erklärte, folgende: Bis jetzt befand sich der Appellations-Gerichtshof -für alle auf der Insel Cuba vorkommenden Prozeßsachen in Principi, -was für Havana, wo es die meisten Prozesse giebt, eben so lästig -als kostspielig war und dies um so mehr, da die dortigen Advokaten -die Sachen, so lange wie sie nur immer wollten, in die Länge -ziehen konnten. In Madrid war jetzt beschlossen worden, daß dieser -Appellations-Gerichtshof von jenem Orte hierher verpflanzt werden -solle. Zu diesem Endzweck wurde aus jener Residenz ein für dieses neue -Gericht bestimmtes, dort angefertigtes neues Reichs-Petschaft hieher -geschickt? Dieses sollte nun mit großer Ceremonie nach der Kirche -zur Einweihung geschafft, alsdann aber in großer Prozession durch -alle Straßen der Stadt getragen werden. Dazu sagte meine Wirthin, -sollen Illuminationen, Redouten und vielerlei Vergnügungen zwei Tage -ununterbrochen statt finden, und es wird während dieser Zeit keine -Arbeit verrichtet, indem diese Anordnung zum Glück der Einwohner -Havana’s, von welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> Viele durch jenen Gerichtshof an den Bettelstab -gebracht worden sind, gereicht. —</p> - -<p>Das Thema der Unterhaltung wurde jetzt das neue, noch nie statt gehabte -Fest. Endlich erschien der ersehnte Tag. Um fünf Uhr eines Nachmittags -wurde das von Madrid angelangte Reichs-Petschaft in einem mit -Edelsteinen verzierten Kasten durch vier hohe Staatsbeamte in Volanten -und eine starke militairische Bedeckung nach der Cathedral-Kirche -gebracht, und hierauf durch den Donner der Kanonen vom Fort die Ankunft -desselben den Einwohnern Havanas kund gethan. — Auch ich besah das -lang erwartete und vielbesprochene Kleinod. Der Kasten, in welchem -sich das Petschaft befand, stand auf dem Altare und neben demselben -lag eine Medaille mit dem Bildniß der kleinen Königin, welches -Jedem, der dem Altare sich näherte, durch einen in langer schwarzer -Robe als Wache dabeistehenden Staatsbeamten gezeigt wurde. Andere -desgleichen saßen und standen in der Nähe, so wie auch Militair zur -Bedeckung, und dies ganze Personale mußte die ganze Nacht auf dem -Posten bleiben. Die Kirche war höchst brillant erleuchtet, dagegen -fand ich die Illumination in der Stadt keinesweges so erheblich, als -ich nach dem vielen Gerede davon erwartet hatte. Sie bestand nämlich -in nichts anderem, als daß an der Außenseite der Häuser bemittelter -Leute eine Glas-Laterne mit einem brennenden Lichte, bei den Vornehmern -und Reichern zwei oder vier hingen. Um der Sache einen Anstrich zu -geben, hing in der Nähe der Laternen ein Flick von ponceau oder einem -gelben seidenen Zeuge, welches gewöhnlich als Zeichen der kirchlichen -Procession bei Reichen über den Armlehnen des Balcons baumelte; diesmal -aber baumelten dergleichen Flicke, jedoch im verjüngten Maßstabe, neben -jeder Laterne.</p> - -<p>Die Damen hatten sich an jenem Abend sehr geschmackvoll gekleidet, und -saßen wohl eine Stunde frü<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span>her als gewöhnlich in ihren Schaukelstühlen. -In der Regel sind die sechs Fuß hohen Gitterfenster bis 6 Uhr Abends -mit einer etwa zwei Ellen langen wollenen Decke bedeckt; diesen -Abend wurden sie zur Freude aller Vorübergehenden schon um fünf -Uhr weggenommen, damit die schönste der Damen des Hauses sich in -Lebensgröße präsentiren und, wo möglich, den Einen und den Andern -zur Unterhaltung hineinziehen könne. Dieses ist die Art, wie die -Havaneser in der Regel ihre Abendgesellschaften bilden, denn die Herren -machen gleich den Damen, um fünf Uhr Toilette, kleiden sich von Kopf -bis zu den Füßen ganz um, als ginge es zum Ball und suchen von den -Fenstern her ihre Abend-Parthieen auf. Bei diesen ist das Rauchen die -Hauptsache; man conversirt über die gleichgültigsten Gegenstände; mit -dem Glockenschlag der neunten Stunde zieht man ab, ohne etwas Anderes, -als Cigarren genossen zu haben.</p> - -<p>Der Priesterinnen der Venus giebt es in Havana eine Unzahl; es ist -ihnen unbenommen, in jeder beliebigen Straße zu wohnen, weshalb -sie sich denn auch meistens in den Hauptstrassen, und zwar vis à -vis oder neben den ersten Männern der Stadt paarweise oder auch -en trois einmiethen. Sie sind aufs brillanteste eingerichtet und -beobachten dieselben Gebräuche bei den Abendparthieen, wie alle -übrigen Damen. Auch sie präsentiren sich, da sie niemals ausgehen, bei -eintretender Nacht mit einem brennenden Cigarr im Munde vor ihren hohen -Gitterfenstern, wobei jedoch die Ausnahme statt findet, daß sie hier -niemals verdeckt sind; auch sie sitzen auf ihren Schaukelstühlen, um -schaukellustige Herren anzulocken. Der Spanier genirt sich nicht und -die Deutschen ahmen ihm hierin nach; man conversirt erst eine Weile an -den Gitter-Fenstern — und dies fällt Niemandem auf. Sehr oft habe ich -mich darüber gewundert, noch während der Tageszeit die anständigsten -Herren vor den Fenstern solcher Dirnen<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> oder wohl in den Zimmern in -Conversation begriffen zu bemerken.</p> - -<p>Gegen die zehnte Stunde fing man an, die Laternen einzuziehen und -Alles kehrte nach Hause zurück, weil am Morgen früh um sechs Uhr die -Procession beginnen sollte. — Am folgenden Morgen schon sehr früh -waren alle Straßen dermaßen mit Menschen und Volanten überfüllt, -daß ich beinahe nicht durchkommen und zu dem Hause eines Bekannten -gelangen konnte. Als ich dort mit vieler Mühe angelangt war, fand ich -den sehr geräumigen Balcon, auf welchem mir ein Platz zugesichert war, -bereits überfüllt, jedoch erhielt ich noch ein Plätzchen. Erst um etwa -neun Uhr wurde durch einige Lanciers in der gedrängten Menschenmasse -auf die bescheidenste Weise Platz für die heranziehende Procession -gebeten. Den Zug eröffnete der Gouverneur mit einer starken Suite -aller Staatsbeamten Cuba’s, sowohl der Militairs als der Civilisten; -diesen schlossen sich die Consuln aller Mächte in ihren verschiedenen -Uniformen an; dann kam ein höchst brillanter Triumph-Wagen in -alt-römischem Stile, bespannt mit sechs arabischen Schimmeln, deren -Führer in Ponceau-Sammt und Gold-Stickereien gekleidet waren und ihre -Hüte mit Federbüschen geziert hatten und eben so Wagen und Geschirre. -Auf diesem Wagen stand der Kasten mit dem Petschafte und daneben -lagen die Symbole der Gerechtigkeit, die Waage und das Schwerdt von -nobelm Metall. Jetzt folgte die Geistlichkeit sämmtlicher Kirchen -auf Cuba in ihren prächtigsten Kirchenkleidern. Sie gewährten einen -höchst imponirenden Anblick, der noch dadurch vermehrt wurde, daß die -Baldachine, unter welchen sich die aus massivem Silber verfertigten, -mit Edelsteinen verzierten Bilder der Mutter Gottes und des Heilandes -befanden, von höchst brillant gekleideten Männern getragen und von -einer Anzahl reich gekleideter Sänger aus den vielen Kirchen begleitet -wurde. Die vielen Infanterie-Regimenter<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span> in Havana, ein ausgezeichnetes -Militair, bildeten Spaliere in den schmalen Straßen, durch welche -der Zug ging, und die Musik-Chöre derselben waren stets in voller -Beschäftigung; nur die Cavallerie schloß sich der Procession an. -Diese währte beinahe bis zum Mittage, weil keine der Hauptstraßen -unberücksichtigt blieb.</p> - -<p>Am Abend war es in den Straßen lebhafter als am Abend zuvor, da der -Gouverneur an der Außenseite seines Pallastes, der auf einem freien -Platze steht, von allen Seiten mit vielfarbigen Glas-Lampen hatte -illuminiren lassen, welche letztere an den vielen kleinen Balcons der -Fenster angebracht waren; auch war das Bild der jungen Königin in -einem roth sammtnen Rahmen, zwischen einem der Fenster angebracht. -Alles drängte sich nach dieser Gegend hin, um das Bild der jungen, -unschuldigen Königin zu sehen. Das Gedränge war um so größer, da auch -für den Gehörsinn durch die treffliche Militair-Musik gesorgt war.</p> - -<p>Indeß wurde die Aufmerksamkeit sehr bald von diesem Bilde auf einen -andern Gegenstand hingeleitet. An der entgegengesetzten Seite des -Pallastes nämlich hatte sich ein Aufzug hingestellt, wie es mir vorkam, -eine Satire auf den von diesem Morgen. Auf demselben Wagen befand sich -jetzt eine maskirte Dame, die Gerechtigkeit vorstellend und Gedichte -ausstreuend. Die Gerechtigkeit wurde diesmal nicht von vier Pferden, -vielmehr nur durch zwei kraftlos scheinende Klepper transportirt. Das -Gefolge dieses Zuges bestand in etwa hundert Personen, welche ihre -ordinair schwarze Roben über die Schultern geworfen und dreieckige, mit -Nummern versehene Hüte trugen; die Herolde waren beritten u. trugen -spanische National-Kleidung. Die Gerechtigkeit sprach, und versprach, -wie mir gesagt wurde, sehr viel; es war, sagte man, die Schülerin eines -gewandten dortigen Advokaten. Als der Spaß beendet war, zog dieser Zug -nach dem Redouten-Saal; auf der Promenade fanden sich unterdeß viele -andere Masken ein.<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span> Der Abend war ausgezeichnet schön, dessenungeachtet -war um zehn Uhr, als die Musik-Chöre abgingen, Alles vorüber und -in einer Viertel-Stunde die ungeheure Menschenmasse verschwunden; -jedoch fand ich auf dem Rückwege die Maskenverleiher-Buden in voller -Thätigkeit; sie machten, was selten vorkommen mag, eine gute Aerndte — -unter Beistand eines Gerichtshofes.</p> - -<p>Die Zeit meiner Abreise von hier nähert sich jetzt; indeß will ich -doch, ehe ich von Havana mich trenne, noch Einiges bemerken über die -Art und Weise, wie das Osterfest hier begangen wird, was für den -Charakter eines Volkes etwas Bemerkenswerthes hat.</p> - -<p>Am grünen Donnerstage wird durch das Geläute sämmtlicher Glocken die -Gefangenschaft des Heilandes angekündigt. Sobald dieses geschehen -ist, darf sich kein Pferd oder Maulthier mehr in den Straßen blicken -lassen. In Betreff der Esel scheint indeß nichts bestimmt zu sein, da -ich während des Festes sehr viele sah, aber keine Pferde, Maulthiere, -Volanten, Karren. Man konnte jetzt ruhig und ohne Furcht in den Straßen -umherwandern; Ruhe und Stille herrschten in der ganzen Stadt; man -athmete Luft und keinen Kalkstaub ein.</p> - -<p>Mit Eintritt der Dunkelheit an diesem Donnerstage öffnen sich die -Thüren sämmtlicher Kirchen (etwa 17), fast möchte ich behaupten in -derselben Minute. Noch nie habe ich eine so brillante Beleuchtung -wahrgenommen, als die der Havaneser Kirchen an diesem Abend.</p> - -<p>Die Wachslichter brannten in solcher unendlichen Anzahl, daß wohl, -wie ich glaube, über 1000 in jeder Kirche verbrannt worden sind; man -konnte hier von einer neuen Seite den Fleiß der Bienen bewundern, -deren Zucht auf Cuba so sehr im Flore ist. Indeß sah ich mich bald -genöthigt, meine Aufmerksamkeit von der schönen Beleuchtung nach einer -andern Seite hinzulenken; eine mächtige Anzahl schöner, sehr schöner -spanischer Sünderinnen<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> lagen auf den Knieen und baten um Abnehmung -der alten Sünden wegen Mangel an Raum zu neuen; hinter ihnen rutschten -ihre gallonirten Neger sehr andächtig auf den Knieen. Nachdem jene wohl -eine gute Stunde in dieser peinlichen Lage zugebracht hatten, erhoben -sie sich insgesammt und gingen nach dem Place des Armes; hier und in -den benachbarten Straßen waren eine Menge von Bänken aufgestellt, damit -sich die Sünderinnen von ihren Strapazen erholen könnten und bald -waren auch alle besetzt. Zur Aussöhnung mit dem Allmächtigen wegen des -Vergehens gegen die Neger, welche nach der Meinung jedes Spaniers frei -sein müßten, es aber wegen Willkühr derselben nicht sind und auch so -bald noch nicht sein werden, wenn es von der Willkühr der Einzelnen -abhängt — also zur Ausgleichung dieser Schuld halten die Spanier es -für Pflicht, ihre Sclaven während des Osterfestes in den allerfeinsten -Kleidungsstücken, mit Diamanten und Perlen geschmückt, auftreten zu -lassen, so wie auch mit Confituren und den allerbesten Speisen zu -füttern. Besonders sah man viele Negerinnen besser gekleidet und -schöner geschmückt, als ihre Gebieterinnen selbst. Bis um 10 Uhr blieb -man zusammen und ergötzte sich bei trefflicher Musik.</p> - -<p>Am Charfreitage strömte Jung und Alt in schwarzen Anzügen nach -den Kirchen, die alle gefüllt waren. Ziegenfüße sowohl als andere -Fleischspeisen blieben an diesem Tage unangetastet; nichts als -Fastenspeisen! Am Nachmittage war eine sehr große Prozession; die -Mutter Gottes und der Heiland wurden mit Trauermusik und einer starken -militärischen Escorte durch alle Straßen getragen, jedoch war diesen -Abend in keiner von allen Kirchen, die ich besuchte, Gottesdienst. Die -Billards waren mit weißen Decken versehen, auf welcher Maschine und -Queues ein Kreuz bildeten; sie waren beleuchtet, es durfte aber<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> nicht -gespielt werden. Auf dem Place des Armes ging es wie am vorigen Abend -zu.</p> - -<p>Am Sonnabend sollten die Kirchenglocken und das Abfeuern der Kanonen um -10 Uhr die Auferstehung Christi ankündigen, aber diesmal geschah es zur -Bequemlichkeit der Christenheit ½ Stunde früher. Bald wurden auch die -zur Hälfte von den Wunden geheilte Maulthiere aus den Ställen gezogen -und ihrem alten Joche überliefert; das Getöse der Karren und Volanten -begann und die Neger waren wieder um nicht viel besser als in puris -naturalibus zu sehen, nur die mit Fleisch hausirenden erschienen in -sehr hübsch gestickten schottischen Roben.</p> - -<p>Die Thätigkeit beim Steueramte war wieder eingetreten und die -segelfertigen Schiffe wurden noch bis zum Mittag expedirt und die -deutschen Commissionaire wetteiferten schon wieder mit den Engländern -in richtiger Abtragung der Zollgefälle.</p> - -<p>Schon lange war es meine Absicht, hierselbst etwas Näheres über die -Behandlung der Tabacksblätter zu erfahren, um, wo möglich, manchen -meiner Landsleute, die sich mit diesem Artikel beschäftigen, nützlich -zu sein. Der Zufall war mir hierbei günstiger, als ich vermuthete; ich -lernte einen Tabacksbauer kennen, der, da er mich offen und freimüthig -fand, auch seinerseits mir mehrere schätzbare Mittheilungen machte, von -welchen ich hier nur diejenige anführen will, welche sich am meisten -auf ein abweichendes Verfahren bei der Bereitung bezieht.</p> - -<p>„In Betreff des auf allen Tabacksblättern befindlichen Syrups, welcher -den eigentlich aromatischen Geruch erzeugt, aber durch viele und -anhaltende Regengüsse oft von den Blättern abgeschwemmt wird, bedienen -wir uns, wenn dieser Fall eintritt, zur Wiederherstellung desselben -folgenden Mittels. Wir nehmen, eine Quantität Tabacks-Stengel von einem -vorzüglichen Jahrgange, legen diese in ein wasserdichtes Gefäß und -füllen dasselbe alsdann mit<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> Regenwasser, welches so lange darin stehen -bleibt, bis sich Würmer darin zeigen. Sobald wir diese sehen, nehmen -wir die sehr trockenen, dem Pulver an Trockenheit ähnlichen Blätter, -legen sie behutsam auf die Diele, tränken einen großen Schwamm in jenem -mit Würmern versehenen Regenwasser und besprengen damit die Blätter; -diese nassen Blätter legen wir behutsam über einander, verpacken -dieselben, gleich einem Ballen, in Palmblättern.“</p> - -<p>Die Zeit meiner Abreise war jetzt herangerückt; ich wollte von hier -zunächst nach New-Orleans übersetzen; da ich indeß auf die Abfahrt des -Paquet Douglas, mit welchem ich fahren wollte, noch etwas warten mußte, -so behielt ich noch Zeit zu manchen Erkundigungen, wovon ich Einiges -anführen will. Nichts ist häufiger in Havana als die Hökerläden. -Einmal habe ich deren 463 gezählt und hatte nur einen geringen Theil -der Stadt durchstrichen; ich schätze die Anzahl derselben auf 3000. -Die Höker beschäftigen sich aber auch mit Allem, was zum gewöhnlichen -und luxuriösen Leben erforderlich ist: es sind Italiener in optima -forma; sie haben Marasquino, aber auch Kartoffeln, Champagner und alle -anderen Weine, Schweinefett, Rüben, eingemachte Früchte, Talglichter, -Nägel, Bürsten, seidene Tücher, bedeutende Vorräthe von Holzkohlen<a name="FNAnker_G_7" id="FNAnker_G_7"></a><a href="#Fussnote_G_7" class="fnanchor">[G]</a> -und französische Delicatessen jeder Art. Als ich mich bei einem -derselben genauer nach dem Geschäft erkundigte, sagte er: „wir kaufen -Alles, was uns vorkommt, weil wir Alles wieder verkaufen können. Jede -Wirthschaft läßt, was sie im Hause braucht, den täglichen Bedarf und -nichts weiter, von uns holen: wird ein Licht gebraucht am Abend, so -wird es kurz vor Abend geholt.<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> Besonders auch wird dies Verfahren -bei Kohlen und fließenden Fettwaaren angewendet, weil die Köche und -Köchinnen zu lüstern auf Schweinefett und Oel sind und anderseits zu -verschwenderisch mit Kohlen umgehen.“</p> - -<p>Also doch auch eine Oekonomie! dachte ich.</p> - -<p>Als ich meine Abschieds-Visite beim Gouverneur machte und er sich wie -immer sehr gütig gegen mich bewies, erlaubte ich mir, seine Meinung -über die spanische Schuld zu erbitten. Der Gouverneur versicherte, er -sei überzeugt, daß, sobald der Bürgerkrieg in Spanien beendigt sei, -Alles bei Heller und Pfennig bezahlt werden würde. — Beim Abschiede -versicherte er mir wohlwollend, daß ihm mein Wohlergehen Freude machen -werde.</p> - -<p>Endlich befand ich mich auf dem Douglas, um meine langersehnte -Rückreise nach Europa über New-Orleans etc. anzutreten. — Mit einem -wohlfeilen Reisepaß in der Hand, wartete ich jetzt muthig den Beamten -ab, der darauf Acht haben soll, daß nur Wohlhabende hineinkommen und -von den dortigen Commissionairen Gebrandschatzte abreisen. Allein -Niemand kam und als ich wahrnahm, daß unser Capitain einer in einer -Galeere in kurzer Entfernung vorbeipassirenden Person ein Paquet -Scripturen zeigte, erkundigte ich mich, was diese Formel zu bedeuten -habe, worauf er erwiederte, daß die Pässe der Passagiere sich in diesem -Paquet befänden; — nicht immer jedoch gehe die Revision so ab, wie -diesesmal und schon mehreremal seien Reisende ohne Pässe von ihm aus -dem Schiffe in seiner Galeere mitgenommen worden.</p> - -<p>Unterdessen waren wir bei dem Fort von Havana vorbeigefahren und -ich freute mich, wie ein Kind, dem Marcipan gereicht wird, diese -so zuckerreiche, aber in anderer Hinsicht höchst gepfefferte Stadt -im Rücken zu haben — eine Stadt, deren Bewohner hauptsächlich aus -Commissionairen, Sclavenhändlern, Wucherern, Spielern, Advokaten und -Scribenten besteht. Voller Freude richtete<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> ich meine Blicke nach -dem Mexikanischen Golf, der sich bald in unermeßlicher Weite vor uns -ausbreitete. Bei diesem Umherschweifen in weiter Entfernung von der -Heimath gedachte ich einer früheren Reise nach der entgegengesetzten -Richtung hin, wie ich in den verhängnißvollen Jahren 1812–16 den Oby -in Sibirien durchschiffte. In welcher enormen Entfernung liegt dies -von hier! Wie viele Meilen sind dies wohl? Es fehlte mir an Papier und -Feder, um dies zu berechnen, mag’s der Leser selbst in einer müßigen -Stunde thun.</p> - -<p>Es fahren wohl noch beliebtere Pakete zwischen Havana und New-Orleans, -als der Douglas; ich wählte dieses, eingedenk der Unbequemlichkeiten, -die ich früher auf der Norma erduldet hatte. Hier konnte man weder -ächten noch copirten Champagner erwarten, da das Passagiergeld 10 -Piaster weniger kostete; allein in Betreff des Schlafens und Ankleidens -versprach ich mir, viel besser daran zu sein, und war es auch in der -That, denn ich hatte ein kleines Gemach für mich, und mit der Speisung -konnte ebenfalls ein nicht Verwöhnter zufrieden sein.</p> - -<p>Die Gesellschaft war nicht sehr geeignet zu einer angenehmen -Unterhaltung, denn sie bestand, außer einem Amerikanischen Kaufmann -mit seiner Frau, aus lauter nach New-Orleans auf Spekulation reisenden -Creolen, französischen und englischen Maschinenbauern und einigen nach -der letzten Revolution verwiesenen herumirrenden Polen. Das Paquetboot -glich meinem Zimmer in Havana, einer Arche, weil fast jeder Passagier -ein Männchen und ein Weibchen von den merkwürdigsten Thierarten -Westindiens auf Spekulation nach New-Orleans führte; auch an Ratten -fehlte es nicht, die jedoch an dem Bull-dog eines englischen Mechanikus -einen erbitterten Verfolger fanden. Ueberdies war das Paquet mit allen -Arten Westindischer überreifer oder auch unreifer Früchte beladen,<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> -welche, da wir nicht die geschwindeste Ueberfahrt machten, ihrem -Verderben immer näher kamen.</p> - -<p>Alle diese Spekulanten schienen mehr auf den Einkauf als Verkauf in -den V. S. bedacht zu sein und mit Spekulanten solcher Art sind jene -Staaten reichlich versehen, indem dieselben dort stündlich Gelegenheit -haben, ihre mitgebrachten Comptanten gut anzulegen, weil es daselbst -sehr viele Gegenstände giebt, welche rasch geräumt und eben so rasch -aus dem Lande fortgeschafft werden müssen und bei Verkäufen nach -Westindien die Ermittelung in den V. S. unmöglich bleibt. Spekulanten -dieser Art sieht man in Havana häufig, man weiß, daß sie reich sind, -aber wodurch sie ihr Vermögen erworben haben, weiß man meistens nicht. -Bedenkt man indeß, daß öftere Reisen an einen und denselben Ort zu -Bekanntschaften führen, daß es auf der ganzen Welt nicht sehr schwer -hält, mit Zollbeamten in freundschaftliche Verhältnisse zu kommen; -wirft man ferner einen Blick auf die europäischen Auswanderer nach den -V. S., erinnert man sich ihrer frühern Geldgier, die in den V. S., -wo es zur Befriedigung der Leidenschaften so viel Gelegenheit giebt, -eher sich vermehrt als vermindert: so ist jenes Räthsel auf der Stelle -gelöst. Daß aber solche Spekulanten als Ungeziefer und Gift für das -solide Geschäft zu betrachten sind, ist keinem Zweifel unterworfen, -indem sie auf der einen Seite mit wenigem Gelde Märkte räumen, auf der -andern Seite die Verdauungswerkzeuge gesunder Märkte zerstören und für -die soliden Kaufleute Verluste herbeiführen.</p> - -<p>Ich glaube, behaupten zu dürfen, daß ich viele Erfahrungen in der -merkantilischen Welt durchgemacht und dieselben sorgfältig beachtet -habe. Das Resultat derselben ist kein anderes als dieses: der größere -Theil der in derselben groß titulirten Kaufleute hat sich nur auf -Unkosten anderer Kaufleute auf diese Höhe geschwungen. Komisch klingt -es für mich, wenn ich so häufig behaupten höre,<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span> in Amerika könne man -als Kaufmann sehr bald reich werden; die Leute, die dies sagen, wissen -nicht, was sie sprechen. Nur der direkte oder indirekte Fußkünstler, d. -h. die Ballettänzer und die Schuster können hier viel Geld verdienen, -die letztern noch mehr als die erstern, denn die Yankees wissen das -Schuhwerk noch besser, als das Fuß- und Bein-Werk zu beurtheilen, -weshalb sie auch, mit Ausnahme der Banquiers, sehr gut gestiefelt sind. -— Der rechtlich- und ehrlichdenkende Kaufmann kommt nie so rasch zu -Vermögen, als der entgegengesetzt denkende. Es verhält sich hiermit, -wie mit dem Hazard-Spiele: man bemerkt an den Banken nur entweder sehr -Reiche oder arme Teufel, die gern „viel gewinnen“ wollen. Auf diesen -Gegenstand werde ich später zurückkommen und sage nur noch dieses: -wer als Aventurier nach der neuen Welt gegangen ist und, wie man oft -hört, als ein sehr reicher Mann nach Europa zurückkehrt, der hat sich -bei seinem Erwerb nicht sehr mit dem Gewissen berathen. Gäbe es in -der neuen Welt weniger Advokaten und bessere wohlfeilere Justiz, so -würde mancher von diesen zurückgekehrten Reichen noch in der Reihe der -Bettler stehen.</p> - -<p>Nach einer Fahrt von sieben Tagen erreichten wir gegen 12 Uhr -Mitternachts die Barr, d. h. den Hafen von New-Orleans; es war daher -kein Dampfschiff bereit, um uns im Schlepptau nach New-Orleans hinauf -zu führen. Der Capitain ließ eine Lampe am Vordertheil des Schiffs -aufstecken, um dadurch den Dampfschiffen seine Ankunft anzuzeigen und -nach Verlauf einer guten Stunde kam auch eins heran. Wir wurden ins -Schlepptau genommen und etwa fünf Meilen weiter gebracht, wo wir ankern -mußten, weil das Dampfschiff noch Arbeit an drei andern angekommenen -Schiffen hatte. — Als es uns am andern Morgen um neun Uhr mit jenen -zusammen weiter schleppte, war es auf halbem Wege so unglücklich, beide -Schäfte<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> zu zerbrechen, wodurch es außer Thätigkeit gesetzt wurde. Was -nun machen? Die sämmtlichen Passagiere wollten, wegen ihrer Früchte, -so rasch als möglich, in New-Orleans ankommen und so erboten sie sich -denn selbst, den schweren Dienst des Dampfschiffes zu übernehmen. -Eine lange und starke Leine wurde jetzt dieser nicht unbedeutenden -Passagiers-Masse gegeben; sie begannen mit gutem Muth und Singen -diese harte Arbeit. Die Hitze war drückend, allein die Angst vor dem -gänzlichen Faulen der Früchte besiegte die Hitze und machte sie nicht -fühlbar. Sie arbeiteten wacker darauf los und nach einer sechsstündigen -ununterbrochenen Arbeit erreichten wir ein Dampfschiff derselben -Compagnie, welcher dasjenige gehörte, was uns früher gezogen hatte, und -dies brachte uns noch an demselben Abend glücklich nach New-Orleans.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span></p> - -<h2 id="Dritte_Abtheilung"><span class="antiqua">Dritte Abtheilung.</span><br /> - -<span class="s6 lheight2">Ueber</span><br /> - -<b>die Vereinigten Staaten.</b></h2> - -</div> - -<h3 id="New_Orleans"><span class="antiqua">New-Orleans und die -Reise bis New-York.</span></h3> - -<p>Ehe ich die Stadt betrat, amüsirte ich mich noch erst an dem Treiben -der Käufer und Verkäufer auf unserm Schiffe, denn viele Einwohner aus -New-Orleans waren an Bord gekommen, aber unsere Spekulanten waren -so überrascht, daß Anfangs keiner von ihnen verkaufen wollte: weder -Früchte noch Vögel oder Hunde waren feil. Nur der englische Mechanikus -machte hiervon eine Ausnahme: es hatte sich ein Hunde-Liebhaber aus -New-Orleans eingefunden, um einen Bologneser zu kaufen, diesen suchte -er zum Kaufen seines Rattenfängers zu überreden und hierzu schien ihm -jetzt der Augenblick günstig zu sein, da keiner von den Creolen einen -Preis fordern wollte. Er bot das schwerste Geschütz seiner Beredsamkeit -dazu auf, den Käufer von der Vortrefflichkeit seines großen Bull-dogs -zu überzeugen, und siehe da! es gelang ihm in der That und der Käufer, -der ein kleines Schoßhündchen für seine Gemahlin hatte erstehen wollen, -überbrachte derselben jetzt einen 12jährigen großen Bull-dog.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span></p> - -<p>In der Stadt quartierte ich mich sofort in einem an der Wasserseite -gelegenen Hotel, — es gehörte nicht zu denen der ersten Klasse, welche -mehr in die Stadt hinein liegen; ich aber zog dieses vor, weil auf dem -Schilde: „öffentliche Bäder“ bemerkt war. Die Rechnung, die mir bei -meiner Abreise überreicht wurde, war eben so schwer als der Schmutz, -den ich in den Zimmern dieses Hotels antraf.</p> - -<p>Eins meiner ersten Geschäfte hierselbst war, zwei Briefe nach Havana -zu schreiben, einen an Moyer, den andern an Dakin, in welchen ich die -mir abgenommenen Summen reklamirte, und am Schluß erklärte: „Ich habe -den Königlich preußischen Consul beordert, die mir von Ihnen zukommende -Summe von 1014 Piaster in Empfang zu nehmen. Sollten Sie sich weigern, -meinem gerechten Verlangen Genüge zu leisten, so werden Ihnen die -Folgen von meinen Demarchen mehr Furcht einflößen, als des Herrn Dakins -Drohung mit dem Federmesser und das Herbeirufen der Neger von Ihrer -Seite in mir erregt haben u. s. w.“ Auf diesen und noch zwei andere -Briefe erhielt ich natürlich keine Antwort.</p> - -<p>Auf dem grünen Markt, den ich sogleich am andern Morgen besuchte, -fand ich trotz der noch so frühen Jahreszeit (im Mai) Kartoffeln, -Artischocken etc. in solchem Ueberfluß und von solcher Größe, wie man -sie in Europa oft noch nicht im Monat August antrifft. Sodann begab ich -mich nach dem Packhofe, um einen Erlaubnißschein zum Empfang meiner -Sachen vom Schiffe zu erlangen. Ich mußte, nachdem ich die rechte -Bude im Zollhause erreicht hatte, zuerst die Anzahl der Stücke meines -Gepäcks angeben — was auf einen halben Bogen niedergeschrieben wurde; -sodann wurde ich zum Collecter geschickt und mußte endlich für die -Erlaubniß, als Reisender mein Gepäck nach Hause nehmen zu dürfen, in -Summa Summarum 75 Cents (1 Thlr. Courant) bezahlen, wovon der<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> Advokat -als Anfertiger der Supplik ⅔; und der Collecter ⅓ erhält. Die Revision -durch die auf dem Schiffe stationirten Zollbeamten war nicht nach -französischer oder englischer, sondern nach preußischer Weise, d. h. -liberal.</p> - -<p>Eine schwere Aufgabe war es jetzt, die Sachen vom Schiffe nach dem -etwa 60 Schritte entfernten Hotel zu bekommen; ich verweilte wohl eine -volle Stunde am Bollwerke, aber von den vorübergehenden Arbeitsleuten -hatte keiner zu einer solchen Bagatelle Zeit. Auf dem Bollwerke sah -ich Knaben und Mädchen aus der ärmern Klasse beschäftigt, um die beim -Ausladen umhergestreuten einzelnen Caffeekörner und Zuckerstückchen -aufzulesen, wovon, wie mir ein ebenfalls zusehender Herr bemerkte, -morgen ein tüchtiger, gesüßter Caffee mit Wohlgefallen werde verzehrt -werden. Sehr viele Familien hierselbst existiren hierdurch und durch -das Einsammeln der Baumwolle, welche im Zupfen der Proben niederfällt -und liegen bleibt. Glücklicherweise gelang es mir, während dieser -Unterredung, einen vorübergehenden Mulatten für den Transport meiner -Sachen für etwa 12 Gr. Courant zu dingen.</p> - -<p>Unterdessen war die Börsenzeit herangekommen. Ich passirte sehr viele -reinliche Straßen, welche den Namen der Hauptstraßen von Paris führen -— da New-Orleans ja eine französische Colonie war. Alles sprach hier -französisch, auch die Leute aus der niedern Klasse, wie denn z. B. -Jemand, den ich um den Weg fragte, mir sagte, daß er das Englische -nicht verstehe. Auf meinem Wege nach der sogenannten französischen -Börse, welche indeß von der ganzen Kaufmannschaft errichtet worden ist, -zog am meisten meine Aufmerksamkeit auf sich ein freier, mit Bäumen -besetzter Platz, auf welchem sich das Rathhaus und die katholische -Kirche befinden, zwei Gebäude, die, obgleich unbedeutend, von Außen -keinen unangenehmen Anblick gewähren. Außerdem berührte ich auf meiner<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> -Tour nach der Börse den Baumwoll-Markt und die sehr bemerkenswerthen -Canäle, ferner die Bank-Gebäude, welche eben so leer an Metall sind, -als die Taschen vieler Amerikaner überfüllt mit ihren unbezahlt -gebliebenen Noten. Die Börse ist ein wahres Pracht-Gebäude, mit einer -Kuppel gleich der St. Pauls-Kirche in London. Im Eingang, der von -großem Umfang ist, befindet sich ein Buffet, in welchem durch einen -französischen Restaurateur alle Erfrischungen von der allerbesten -Qualität für einen mäßigen Preis verkauft werden. Tritt man aus diesem -Entrée in den zirkelförmigen Saal hinein, so wird man durch die -schöne Bauart und die höchst geschmackvolle Einrichtung überrascht. -Man bemerkt eine Tribüne für jeden Wechselplatz der alten und neuen -Welt, in jeder derselben befindet sich ein Wechsel-Mäkler, um die für -diesen Tag durch sie bestimmten Course zu proklamiren, und die ganze -Börsenversammlung harrt auf diese Aussprüche, um sie ehrfurchtsvoll -entgegenzunehmen. Der ganze obere Theil des Börsen-Gebäudes ist zum -Empfang der Reisenden höchst brillant eingerichtet.</p> - -<p>Als ich die Börse verlassen hatte, schlenderte ich ohne weitem Plan am -Ufer hinunter, um die Schiffe zu mustern und bemerkte, daß sehr Viele -mit dem Hinausholen beschäftigt waren. Auf meine Frage, ob alle diese -Schiffe in See gingen, wurde erwiedert, daß sie alle diese Schiffe -außerhalb der Stadt hinauslegen, woselbst sie beinahe vier volle Monate -verbleiben würden. „Die Comptoire“, fuhr der Berichterstatter fort, „so -wie überhaupt alle kaufmännischen Geschäfte, werden von dem 16ten Juni -ab geschlossen und Jeder, der Geld aufbringen kann, reiset während der -Fieber- und Cholera-Zeit nach den nördlichen Staaten und Badeörtern.“ -— Auch ich hielt es, nachdem ich alle meine Angelegenheiten und -alle Rücksichten erwogen hatte, für gerathener, aufs baldigste von<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> -hier abzureisen; sogleich nach Tische erkundigte ich mich nach einem -Dampfschiff.</p> - -<p>Ich fand, als ich an das Ufer trat, sogleich eins; „Albany nach -Louisville“; 35 Piaster ist der Preis, für welchen der Capitain -mich mitzunehmen verspricht. In nicht geringer Entfernung lag ein -anderes Schiff, Namens Diana, welches ebenfalls an demselben Tage -nach Louisville abgehen sollte, jedoch für 40 P. Passagier-Geld. Mein -Correspondent empfahl mir das letztere, weil es das rascheste sei. -Noch unentschlossen, mit welchem von beiden ich reisen solle, ließ -ich meine Sachen auf einem Karren durch einen Mulatten nach dem Ufer -bringen; es war ein überaus heißer Morgen; der Mulatte, obwohl ohne -Hemd, schwitzte, als wäre er aus dem Wasser gezogen und wird beinahe -ohnmächtig, als er eben mit seinem Karren dicht am Schiffe Diana steht. -— „So bringe die Sachen nach diesem Schiffe, ich will fünf Piaster -mehr bezahlen, um Dich nicht länger zu quälen.“ Er thut es und will -mir aus Dankbarkeit die Hand küssen, allein nach dem, was später sich -ereignete, habe ich beinahe Ursache, dankbar zu sein, denn dieser -Ohnmacht verdanke ich vielleicht mein Leben. Bei meiner Ankunft in -Pittsburg las ich in der Zeitung, daß der Kessel der Albany auf dieser -Tour zersprungen sei und viele Passagiere hierdurch ihr Leben eingebüßt -hätten.</p> - -<p>Unsere Reisegesellschaft bestand nur aus etwa vierzig Personen. -Anfänglich hielt ich sie für deutsche Wandersmänner; indeß mein -Wahn schwand sehr bald, denn ich bemerkte, daß sie sich dem sehr -unschuldigen Vergnügen des Tabackkauens hingaben. Nach einigen Stunden -war ich mit ihnen so bekannt, dass ich es wagen konnte, meine Glossen -darüber zu machen. Niemand von allen war darüber aufgebracht; von -Einigen wurde ich sogar wegen dieser Freimüthigkeit gepriesen. Einer -von ihnen meinte: „Sie müssen Nachsicht mit uns Amerikanern ha<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span>ben, wir -haben Fehler und diese hat die Jugend stets. Wir sehen es gerne, wenn -Deutsche zu uns kommen, weil die Deutschen die bravsten und zugleich -ehrlichsten Lehrer für uns sind.“ — „Sie sind sicher und gewiß aus -keinem englischen, und wenn dieses wäre, aus keinem Yorkshire-Blut -entsprungen?“ entgegnete ich. „Ich freue mich“, war die Antwort, „daß -mein Urgroßvater ein Deutscher gewesen ist.“</p> - -<p>Die Fahrt auf dem Mississippi gewährte mir viel Vergnügen, seine Ufer -sind die schönsten, die ich je gesehen habe, sie nehmen die einzelnen -Schönheiten der Main-, Elbe-, Themse- und selbst der Rhein-Ufer — -abgerechnet die Weinberge und die steilen Anhöhen mit den Ruinen der -Ritterburgen — in sich auf. Erwägt man jedoch die Gefahr, der man sich -bei einer solchen Reise auf dem Dampfschiff Preis giebt, so muß man -halb wahnsinnig sein, um sie bloß des Vergnügens halber zu unternehmen. -Kann nicht jede Stunde, jede Minute das Dampfschiff ein Raub der -Flammen werden? Wer über die fortdauernde ungeheure Gluth, welche -zur Fortschaffung des Schiffs erforderlich ist, nachdenkt und diese -selbst beobachtet und controllirt, wird die Gefahr bald auffinden. -Erwiesen ist es, daß von der Zeit an, da es in jeder großen Stadt -Schauspielhäuser giebt, in jedem Jahre eins durch Feuer zerstört worden -ist. Die Anzahl aller Schauspielhäuser aber verhält sich zu der aller -Schiffe etwa wie 1 zu 1000. Nichts destoweniger fürchtet man gewöhnlich -beim Antritt einer Seereise mehr die Wellen als die Feuersgefahr. -Allein die letztere steht zu der ersteren in keinem Verhältniß, da ein -Schiff mit nichts als brennbarem Material ausgerüstet, und folglich -durch Feuer weit leichter zerstört werden kann, als alle anderen -massiven Häuser, die man doch stündlich in Schutthaufen verwandelt -sieht oder hört. Ich verweise den geneigten Leser zur Begründung -meiner Behauptung auf Lloyds Liste, in welcher jede Woche<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> durch -Feuer zerstörte Segel-Schiffe angezeigt sind. Die Zahl der durch -Feuer verunglückten oder durch raschen Beistand noch vom Untergange -geretteten Dampfschiffe ist freilich nicht bedeutend, aber wie viele -Dampfschiffe existiren auch! und doch kann ich mehrere anführen: ein -nahe an der Stadt Lübeck verbranntes russisches; der ganz neuerlich in -den V. St., im Werthe von 100,000 Piaster verbrannte Great-Western und -zwei durch rasche Hülfe gerettete englische Dampfschiffe, die London, -das von Hull nach London fahrende und die Great-Western vor der ersten -Abfahrt nach den V. S.</p> - -<p>Von der Feuersgefahr überzeugte ich mich auf dieser Reise nach -Louisville mehr als je zuvor, indem hier noch einige Umstände dazu -kamen. Bei der Nacht ist sie noch größer als am Tage, weil die in dem -breiartigen Flußwasser schwimmenden Bäume (snags genannt) während -der Nachtzeit von den auf der obersten Decke des Schiffs stehenden -Steuermännern nicht gesehen werden können; wenn diese aber durch den -starken Strom gegen die Schiffe geworfen werden, so besitzen sie -die Kraft, die Maschinerie in Unordnung zu bringen und dadurch das -Auffliegen des Schiffs zu verursachen. Es werden nicht nur täglich -60 Klafter von sechs Fuß langem Brennholze verbraucht und dadurch -eine ungeheure Gluth in den Oefen fortdauernd erhalten, sondern -nebenbei wird durch das Verbrennen von zwei großen Fässern Pech die -erforderliche Quantität von Dämpfen zum Durchbringen des Schiffs in -dem breiartigen Wasser verbraucht. Wenn nun Jemand die feurigen Funken -und Kohlen, gleich einem Feuerregen aus dem Schornstein hervorfliegen -sieht, so muß er, und wäre er auch der Muthigste, besonders bei den -dunkeln Nächten, in Grübeleien gerathen, und wird sich der Furcht nicht -ganz erwehren können.</p> - -<p>Jeder der Reisenden hatte daher auch einen Live-preserver bei sich; -es sind dies wasserdichte Gürtel, von<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span> demselben Stoffe, der zu -den Mänteln dieser Art verwendet wird. Auf mehreren der dortigen -Dampfschiffe findet sich in jedem der Betten ein solcher. Jeder meiner -Reisegefährten hatte seinen Gürtel zur Tages- und Nachtzeit in der Hand -und war beschäftigt, Luft hineinzublasen und ihn zu füllen. Nur ich -hatte keinen solchen Lebens-Retter mit und ward deshalb von Allen wegen -großer Nachlässigkeit getadelt.</p> - -<p>Um mir eine Uebersicht von der Quantität Holz zu verschaffen, die -jährlich in den Dampfschiffen auf dem Mississippi und Ohio verbraucht -wird, erkundigte ich mich genau beim Capitain und den Steuermännern, -wie groß die Anzahl der zwischen New-Orleans und den andern Städten -fahrender Dampfschiffe sei. Von beiden Theilen wurde dieselbe auf -640–650, und die Anzahl der Reisen auf 15–16 hin und eben so viel -zurück bestimmt. Ich beschloß, die Rechnung auf die mäßigste Weise -anzulegen und auszuführen. Ich ließ demnach die gesammte Anzahl Schiffe -nicht mehr als zehn mal hin und zurück fahren, und gab den Schiffern -die unmögliche Hinfahrt von 6½ Tagen Dauer und zur Rückfahrt (mit dem -Strome) 3½ Tage. Nach dieser Berechnung wäre für ein jedes der Schiffe -6000 Klafter und für die gesammten auf jenen Strömen fahrenden Schiffe -ein Quantum von nicht weniger als 3,900,000 Klafter Brennholz nöthig. -Es läßt sich mithin folgern, daß inclusive der übrigen Dampfschifffahrt -und Wagen wenigstens 4½–5 Millionen Klafter Holz in den V. S. -verbraucht werden. Diesen Verbrauch des Brennmaterials kann nur -derjenige, der das Land kennt, wie enorm und gefährlich derselbe auch -scheint, als wohlthätig erkennen. Ohne Dampfschiffe wären die V. S. -unglücklich, sie sind zur Cultivirung des Landes unbedingt nothwendig, -indem die Urwälder vielleicht noch nach einem Jahrhundert in solcher -Fülle da stehen werden, als wäre noch kein einziger Stamm aus denselben -genommen<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> werden; ich habe die Urwälder im russischen Asien und sonst -gesehen, aber sie sind gar nicht mit diesen zu vergleichen.</p> - -<p>Der Ertrag des Holzes, welches von den Schiffern für 2½–3 Piaster -gekauft wird, sichert den Grundeigenthümern sehr häufig den fürs Land -bezahlten Preis, welcher 1¼ höchstens 1½ P. pro Acker beträgt, und -oft auch die Unkosten für Urbarmachung desselben. Die Uferbewohner -harren stets auf das Signal eines vorbeifahrenden Schiffs und stellen -sogar eine Wache ans Ufer, um, sobald mit der großen Schiffs-Glocke -das Signal gegeben wird, bereit zu sein; das Holz steht bereits -abgemessen da, der Holz-Inspector steigt vom Schiffe, mit dem -Maaß-Stocke in seiner Hand und empfängt die 30 Klafter, welche für -die ersten 12 Stunden erforderlich sind. Das Herbeibringen dauert -nicht lange, aber doch wohl eine volle Stunde. Zu dieser Arbeit -werden die Deck-Passagiere gebraucht, denen diese Arbeit bei der -Entrichtung des Passagiergeldes zur Bedingung gemacht worden ist. -Arbeitslustige bezahlen 5 P. für die Fahrt, Andere 8–10. An Arbeitern -kann es daher den Dampfschiffen nie fehlen. Die Arbeiter, welche auf -Ruder-Fahrzeugen (mit dem Strom) Baumwolle und Getraide von Natches, -St. Denis, New-Madrid, Rom, Louisville und mehreren andern Städten nach -New-Orleans geschifft haben, können auf ihren Fahrzeugen nicht gegen -den Strom zurückreisen; sie müssen dieselben in New-Orleans verkaufen -und begeben sich dann auf die Dampfschiffe.</p> - -<p>Die Städte auf der ganzen Tour von New-Orleans bis Pittsburg sind, mit -Ausnahme von Cincinnati, höchst unbedeutend; außer den oben bereits -angeführten sind noch zu nennen: Point-pleasant, Portsmouth, Warsaw -(Warschau), Hannibal und Hamburg, die aber alle nichts besonderes -zeigen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span></p> - -<p>Auf dem Ohio wird es für jene Arbeiter noch leichter, weil die -Holz-Eigenthümer die erforderliche Quantität Holz bereits in Barken -eingepackt haben, welche, sobald das Signal gegeben worden ist, -aufpassen, um das Tau, welches vom Dampfschiff herabgeworfen wird, zu -befestigen, worauf sie während der Fahrt das Holz hineinwerfen; die -Arbeiter haben also dasselbe nur zu ordnen.</p> - -<p>Diese meine Reise auf dem bedeutendsten Flusse Nord-Amerika’s rief mir -diejenige Gedächtniß zurück, welche ich vor vielen Jahren auf einem -der größten Ströme Asiens, auf dem Obi machte. Der Vergleich, wozu ich -unwillkührlich getrieben wurde, fiel, was die Landschaft betrifft, -nicht zum Vortheil Asiens aus, was aber die Menschen betrifft, die an -den Ufern beider Flüsse leben, so erinnerte ich mich mit Vergnügen der -an letzterm Flusse wohnenden Nomaden, der vom Fisch- und Zobelfang -lebenden Ostiacken und Tungusen, bei welchen ich einkehrte. Sie wohnen -nur in Jurrten, allein dieselbe haben eine bessere Form, ein besseres -Aeußere und ein reinlicheres Innere als ich an den Hütten entdeckte, -welche von Republikanern, von Besitzern von Baumwoll-Plantagen, -Kornfeldern, Heerden und vieler Neger-Sclaven bewohnt werden. Erstaunt -war ich, als ich die häusliche Einrichtung und die Lebensweise -vieler am Mississippi wohnenden Republikaner sah. In einer kleinen -erbärmlichen Hütte residirt eine Familie bedeutenden Umfangs. An der -Außenseite derselben befinden sich Hängematten, in welchen man nicht -selten 3–4 Kinder in puris naturalibus zusammengepackt liegen sieht, -wahrscheinlich damit die hierselbst in den Wäldern einheimischen -Insekten an den kleinen Schlafenden ohne große Mühe Durst löschen -können. Schon hier überzeugte ich mich, nachdem ich die Cultur dieser -Waldbewohner am Mississippi genauer kennen gelernt, daß das gepriesene -Glück der Bewohner der V. S. einen großen Theil<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span> derselben wenigstens -nicht erreicht, da sie sich noch im rohen Natur-Zustande befinden.</p> - -<p>Nach diesem überzeugte mich von dem übermäßigen Wachsthum der -Baumwolle. Ich hielt immer auch früher die Production der Baumwolle -für übermäßig, und die Aeußerungen, die ich mir in dieser Beziehung -als kaltblütiger Kaufmann, besonders in Manchester erlaubte, fanden -nichts als Widerspruch, es wurde mir der Vorwurf gemacht, daß ich weiße -Baumwolle mit zu schwarzen Augen ansehe. Ich suchte jetzt Facta zu -sammeln, wonach man diese Sache bestimmt beurtheilen könnte und der -Leser mag sich selbst aus denselben überzeugen, ob ich Recht hatte. -Wie außerordentlich hat sich die Production der Baumwolle seit den -letzten 50 Jahren, als ich in meiner väterlichen Handlung zuerst als -Lehrbursche eintrat, vermehrt!</p> - -<table summary="Baumwollproduktion in den V. S."> - <tr> - <td class="tdc" colspan="2"> - Im Jahre 1791 erzeugten die V. S. an - </td> - <td class="tdc"> - Pfund. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl" colspan="2"> - Baumwolle - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>188,316 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - Im Jahre - </td> - <td class="tdl"> - 1798 um 7 Jahre später schon - </td> - <td class="tdc"> -  19,000,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 1802 um 4 Jahre später - </td> - <td class="tdc"> -  27,500,075 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 1819 nach 17 Jahren - </td> - <td class="tdc"> -  87,997,045 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 1820 nur um 1 Jahr später - </td> - <td class="tdc"> - 127,860,152 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 1830 10 Jahre hierauf - </td> - <td class="tdc"> - 298,459,102 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 1838 nach 8 Jahren - </td> - <td class="tdc"> - 639,001,000 - </td> - </tr> -</table> - -<p><em class="gesperrt">Von dieser letztern Quantität wurden in demselben Jahre in den -Fabriken der V. S. circa 98,000,000 Pfund verarbeitet und das Uebrige -nach Europa verführt.</em> Es ist unbedingt zu erwarten, daß die -Produktion in dem nächsten halben Jahrhundert noch einem weit größern -Maßstabe zunehmen wird; wenigstens giebt die Menge von deutschen -Auswanderern, welche alle zur Cultivirung der Ländereien in den V. S. -gebraucht werden, Raum zu dieser Vermuthung; rechnet man nun<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> noch die -in Egypten, Ostindien und Texas produzirte Baumwolle hinzu, was soll -dann am Ende mit dieser ungeheuren Quantität von Baumwolle angefangen, -wozu soll sie verwendet werden? und wird der daraus erzeugte Stoff -wohl so viel Ertrag geben, daß die Produzenten auch nur zur Hälfte -für ihre Mühe und Arbeit belohnt werden? Gewiß nicht! Laboriren doch -beide Theile schon jetzt an der Schwindsucht! Zwar ist England mit -seinen vielen Spinnereien im Stande, für die ganze Welt den Garn-Bedarf -anzufertigen und verdient deshalb wohl das große Welt-Spinnhaus genannt -zu werden, aber wird und kann das Volk und Land dabei blühen? Da ich -später auf diesen Gegenstand zurückkomme, so bemerke ich vorläufig nur: -England muß zu Grunde gehen, wenn es nicht von dem Vorsatz, alle auf -der ganzen Welt erzeugte Baumwolle aufzuspinnen, zurücktritt.</p> - -<p>Für den etwa reiselustigen Leser wird es nicht unangenehm sein, etwas -über die Einrichtung auf den Dampfschiffen zu erfahren. Die Diana -gehört, da sie den Brief-Beutel führt, zu denen der ersten Klasse. -Untersucht man sein Bett, so erschrickt man und legt man sich hinein, -so wird man von Ekel ergriffen; man empfindet einen Schweißgeruch, -welcher andeutet, daß seit vielleicht 12 Monaten keine Wäscherin etwas -mit den Bett-Ueberzügen zu schaffen hatte. Passagiere werden, so viele -sich nur melden mögen, aufgenommen. Bei der Ankunft in Louisville ist -die Anzahl derselben um das dreifache gewachsen, weil in jedem Ort, -den das Schiff passirt, mehrere hinzukommen. Hat der Capitain seine -Summe vom Passagier erhalten, so beauftragt er seinen Mulatten, dafür -zu sorgen, daß der Reisende um 10 Uhr Abends ein Lager zum Ausstrecken -bekommt. Da aber in der Regel die Anzahl der Passagiere die der Betten -um das dreifache übersteigt, so errichtet der Mulatte eine Art von -Hängematte, die vier Etagen hoch und einem Gerüste ähnlicher<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> als -einer Schlafstelle ist, so daß es für den oben auf Nr. 4. liegenden -fast lebensgefährlich ist, hinaufzuklettern. — Gehen wir zum Essen. -Der Tisch für 50 Personen (für mehrere ist nicht Raum) ist gedeckt. -Das Brod ist schon am frühen Morgen in Portionen geschnitten worden -und wird daher, bei der übermäßigen Hitze den Zwiebacken ähnlich. -Die Mulatten und Neger, die keineswegs ihre Lehrjahre als Kellner in -Frankfurt a. M. durchgemacht haben, sind emsig mit dem Tranchiren der -Braten beschäftigt. Sobald sie dies Geschäft im Schweiß des verdächtig -couleurten Angesichts beendet haben, setzen sie die Stühle hinter jedes -der Couverte und der Capitain wird jetzt benachrichtigt, daß ihre -Meisterwerke beendigt seien. Dieser verfügt sich jetzt zu den Damen, -um sie zum Mittagsessen einzuladen. Während der ganzen Procedur vom -Beginn des Tranchirens an stehen diejenigen Herren, welche so glücklich -waren, einen Stuhl zu erhaschen und durch Festhalten zu behaupten -verstanden, unbeweglich hinter demselben und kauen zum Zeitvertreib -dabei ihren Kentucky-Taback. Diejenigen, welche bei der Besitznahme -der Stühle nicht rasch genug waren, befinden sich schon wieder draußen -auf dem Deck. — Jetzt tritt der Bellman (Glockenläuter) mit einer -sehr großen Metall-Handglocke in die Saal-Thüre und giebt das Signal -zum Sitzen. Die Spucknäpfe, deren einige Dutzend hinter den Stühlen -der Herren in gerader Linie aufgestellt sind, sind so gefällig ihre -Reste von dem edlen Tabackskraute entgegen zu nehmen. Kaum sitzen die -Herren fünf Minuten, so sieht man sie schon aufstehen und im Fortgehen -ihren letzten Bissen verzehren, um ihren Kentucky-Freund aufs Neue im -Munde zu empfangen. Mulatten und Neger eilen jetzt herbei, säubern den -Tisch so rasch und gut wie möglich, indem von Außen die ungesättigten -100 sich mit Eifer nach dem Saale hin drängen. Es wird wieder viel und -geschwind von den Ueber<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span>bleibseln geschmaust und zwar wegen Mangel an -Tellern mehrere Gerichte von einem und demselben; worauf die zweite -Abtheilung der dritten Platz macht. Diese muß sich dann mit den kalten -Ueberresten begnügen. Die beiden letzten Abtheilungen sind nicht nur -die weniger Verzehrenden, sie werden auch überhaupt etwas vernachläßigt -und sind dem Verzehrtwerden ausgesetzt, denn die beiden Mulatten, die -zum Verscheuchen des Ungeziefers angestellt sind, legen ihre von Federn -angefertigten Scheuchen nieder und setzen also die Essenden diesen -Bestien aus.</p> - -<p>Bis um sieben Uhr Abends promenirt Jeder auf dem Verdeck des -Schiffes, ergötzt sich an den schönen Ufer-Gegenden oder steigt, wenn -Brenn-Material eingenommen wird, ans Land um sich in den herrlichen -Wäldern unter den merkwürdigen Pflanzen und Thieren umzusehen. Wir -hatten einen trefflichen Schützen bei uns, der die Tour stets mit der -Pistole in der Hand mitmachte und besonders manche Schlange (jedoch -kleine und unschuldige) schoß. Um sieben Uhr wird das Signal zum -Thee d. h. Abendessen gegeben, wobei es eben so tumultuarisch wie am -Mittage zugeht. Eine Stunde nach dem Souper, etwa um neun Uhr finden -sich die resp. Bett-Architecten, die Mulatten, zum Aufbauen der -vier Etagen hohen Bettgerüste ein. Während diese mit großem Fleiße -bauen, schwärmen ihre Collegen umher, um für die unerwarteten vielen -Passagiere einzelne Bettstücke als Kopfkissen u. s. w. aus den Betten -der von New-Orleans Mitgekommenen zu kapern; so fand ich auch einmal -einen bei meinem Bette in voller Arbeit. Da die Betten jedoch nicht -für die Hälfte der Reisenden zureichen, so ist es kein Wunder, daß -man dieselben sehr eifrig und pfiffig spekuliren sieht, um eins zu -erhaschen. Es geht hierbei nicht minder bunt zu, wie beim Mittagsessen. -Die Kleider werden abgeworfen und liegen in einem so beklagenswerthen -Zustande auf dem Boden, wie ihre Eigenthümer auf den<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span> Lagern. Jetzt -ist der Saal mit Schlaf-Pavillons und mit Schlafkünstlern gefüllt, -allein da stehen noch 20–25 bettlose stattliche Yankees, mit kläglicher -Stimme den Capitain um Beistand anflehend. Dieser kann nichts anderes -thun als ihnen freundschaftlich rathen, die herrliche Nacht auf dem -Deck zuzubringen und den folgenden Tag sich auszuschlafen. — Hierbei -ist zu bemerken, daß hier überhaupt nicht das in Europa übliche Recht -gilt, nach welchem man von der Abfahrt an bis zum Bestimmungs-Orte der -Reise, als Eigenthümer eines Platzes angesehen und behandelt wird. Hier -nimmt Jeder den ihm besser scheinenden Platz ein, wie lange auch sein -Vorgänger schon den Platz behauptet haben mag. Deshalb hat das Reisen -in den Kutschen schon in dieser Hinsicht viel Unangenehmes, allein -es ist auch wegen der bösen Wege, wegen des hierdurch entstehenden -langsamen Fahrens, wegen der schlechten und theuern Gasthöfe an den -Fahr-Straßen — nicht zu empfehlen.</p> - -<p>Den Rath des Capitains, die Tageszeit zum Ausschlafen zu wählen, -befolgen diejenigen am liebsten, welche, wie die meisten Amerikaner, -Hang zum Hazard-Spiele haben; für diese Leute ist dann der Bettmangel -eine Goldangel, allein Mancher opfert außer der nächtlichen Ruhe -auch sein Geld. Mit dem Glockenschlage: fünf! wird die Zeit zum -Aufstehen signalisirt, damit der Saal zum Frühstücken, welches von -6–8 Uhr dauert, geräumt werden könne. Jetzt nun beim Ankleiden erhebt -sich die größte Confusion: Alle und ein Jeder sucht einen Theil -seiner Garderobe, die schon durch Nachlässigkeit beim Auskleiden -ein wenig sich vermischte, jetzt aber durch den Diensteifer der -Mulatten, welche um den Saal rasch zu räumen, alle Kleidungsstücke -auf einander werfen, in der größten Unordnung durcheinander liegt. -Ist diese Verlegenheit beseitigt, so eilt man dem Wasch-Loch auf dem -Verdeck zu. Hier findet man einen Raum, in welchem für<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> drei Personen -Platz ist: auf einem an der Wand befestigten, sehr schmalen Brette -befinden sich drei Waschbecken von weißem Blech in Fesseln, worin -man das schmutzige Wasser der Vorgänger findet; auf dem Tische liegt -zum allgemeinen Gebrauch ein butterweiches Stück Seife. Auf einer an -der andern Wand angebrachten Rolle hängt ein etwa fünf Ellen langes -Handtuch von der Art wie man sie in unsern Fuhrmanns-Herbergen findet, -an welchem sich schon am frühen Morgen die sämmtlichen Mulatten und -zarten Neger Gesicht und Hände getrocknet hatten und welches für 150 -Personen bestimmt war. Am Eingange des Waschlochs endlich befindet -sich ein Eimer, mit dem lehmigten Mississippi-Wasser gefüllt, zur -beliebigen Selbstbedienung. Da ich glücklicher Weise Handtücher und -Seife mitführte, so sagte eines Morgens ein Yankee zu mir: „Die -Amerikaner sind durchgängig gesunde Menschen; Ihre Vorsicht ist -daher überflüssig.“ — Solche Reisen, wie die gegenwärtige auf dem -Mississippi und die frühern auf dem Obi sind also im Ganzen betrachtet, -interessant, aber sie sind auch, was die Lebensweise betrifft, mit so -viel Unannehmlichkeiten verknüpft, daß man an Einemmale genug hat.</p> - -<p>Schon am sechsten Tage hatten wir uns zum Aerger der mit unserer Göttin -Diana rivalisirenden Dampfschiffe: Sultan und Monarch, welche ihrer -Kühnheit wegen auf der Liste der Todeskandidaten zu stehen verdienen, -so weit durchgearbeitet, daß der Capitain uns die Ankunft auf den -folgenden Abend mit Gewißheit verkündigte. Der Mississippi soll, wie -unser Capitain meinte, und wie man auch im Allgemeinen glaubt, die -Kraft haben, die Zahl der darauf Umkommenden reichlich zu ersetzen, -durch die Eigenschaft nämlich, welche der Emser Brunnen besitzt, -wodurch die Neger-Bevölkerung mit jedem Jahre zunimmt. Es sei etwas -sehr gewöhnliches, setzte er hinzu, daß die<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> Negerinnen Zwillinge und -Drillinge gebähren, ja man höre oft von 4–5 Exemplaren.</p> - -<p>Während der letzten Nacht war die Fahrt von der Art, daß alle -Passagiere in Unruhe geriethen, weil sie glaubten, daß in Verhältniß -zu dem sehr schmalen Raum im Kessel, welcher ohnedies durch den vielen -Sand aus dem Mississippi-Wasser noch um Vieles kleiner geworden war, -viele Dämpfe angewendet würden. Es war freilich ein ungewöhnliches -Getöse, ein Klappern der Gläser, Tische etc. vernehmbar, aber um -stromaufwärts in einem so reißenden Fluß, wie dem Mississippi zu -fahren, ist viele, sehr viele Dampfkraft erforderlich.</p> - -<p>Am folgenden Abend um neun Uhr langten wir am Kanale von Louisville -an, woselbst der Capitain zur Ersparniß von 50 Piastern, die das -Hinauffahren kostet, zu bleiben beschloß. Unsere göttliche Diana wurde -neben den Ruinen eines Dampfschiffes befestigt, worüber ich nach -näherer Erkundigung erfuhr, daß es Bugann geheißen und vor ungefähr -10 Tagen durch Zersprengen des Kessels gegen 40 seiner Passagiere den -Kirchhöfen überwiesen habe. Mit mehrern Reisegefährten beschloß ich, -das Wrak näher zu besichtigen und wir bestiegen dasselbe mit brennenden -Lichtern in den Händen; hierbei fand ich, daß derjenige Theil des -Schiffes, worin sich mein Bett befand, im Bugann ganz und gar zerstört -und aufgelöst war. Wir plauderten noch lange über unsere ausgestandene -Gefahr, von welcher wir uns jetzt um so lebhafter überzeugt hatten und -legten uns nachher ruhiger als die vorige Nacht zu Bette.</p> - -<p>Am folgenden Morgen hatten sich viele spekulirende Fiaker von -Louisville eingefunden. Es wurden jetzt Parthieen zu vier Personen -arrangirt, die von jenen Fiakern nach der Stadt gebracht wurden. Unser -Führer, war ein wahrhafter Riese, ein junger Mann von 22 Jahren und wie -er sagte, 7¾ Fuß Höhe. Als er uns nach Louisville<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span> gebracht hatte, -forderte er auch einen riesenmäßigen Lohn, nämlich einen Piaster von -einem Jeden, der den gewöhnlichen um mehr als das Doppelte überstieg. -Da er indeß versicherte, daß er gewöhnlich mehr als andere Fuhrleute -bekomme, weil die Meisten Gefallen an seiner Figur fänden, so sträubten -auch wir uns nicht dagegen.</p> - -<p>In Louisville bemerkte ich bald, daß es nicht der Mühe werth sein -würde, hier längere Zeit zu verweilen. Alle am Mississippi und Ohio -gelegenen Städte haben denselben Anstrich von Unvollendung; sie liegen -alle auf Bergen und erscheinen daher vom Ufer aus sehr hoch. An der -Wasserseite wohnen die meisten Geschäftsleute, welche Läden haben, um -sogleich bei der Hand zu sein, wenn geldbedürftige Handelsleute mit -geldwerthen Gegenständen von New-Orleans oder New-York ankommen. Diese -Ladenherren sind meistens alle Deutsche oder französische Ausreißer, -die, wenn die Umstände darnach sind, auch von dort wieder ausreißen und -anderswo wieder unter anderer Firma auftreten.</p> - -<p>Meine Wißbegierde in Betreff von Louisville’s Neuigkeiten war bald -gesättigt, weshalb ich meine Reise ohne Zögern fortzusetzen beschloß -und den steilen Berg hinunter, dem Ufer zu schlenderte. Da traten -mehrere Deutsche an mich heran, mit denen ich nichts zu schaffen -haben wollte und um solchen Leuten zu entgehe, beschleunigte ich um -so mehr meine Abreise. Da lagen drei Dampfschiffe, welche um ein Uhr -nach Cincinnati absegeln wollten: das Postschiff Pick (Hecht) mit den -Briefen, ein überaus geschwindes Schiff. Auf diesem Raubfische wollte -ich meine Reise fortsetzen, allein ich gab bald dies Vorhaben auf, als -ich kaum so viel Platz fand, um bis zum Bureau gelangen zu können. Fort -also zu dem zweiten Dampfschiffe, zum Robert Fulton, dachte ich, dem du -doch wegen Erfindung der Dampfschifffahrt Dankbarkeit schuldig bist, -allein wider Erwarten und zu meinem gro<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span>ßen Erstaunen fand ich hier so -viele Dankbare, — er war noch mehr überladen als der Pick, so daß ich -auch von hier mich zurückzuziehen veranlaßt sah.</p> - -<p>In einer sehr kurzen Entfernung vom Fulton lag die loyal Anna. Kaum -hatte ich sie erblickt, als ich auch mit guter Hoffnung mich ihr -näherte, da Hagestolze, zu denen ich doch nun einmal gezählt werden -muß, gern mit loyalen Frauen Umgang haben. Noch nie habe ich eine -solche Propretät auf einem Schiffe wahrgenommen, wie auf diesem, man -bemerkte hier außer der Reinlichkeit noch ein gewisses Etwas, was nur -von den Frauen herrühren kann. Erst später erfuhr ich, daß dieses -Schiff ein Spielzeug, eine Puppe des sehr reichen Capitains sei, -welcher auf dessen Verschönerung mehr als auf die seines Wohnhauses -verwendet. — Sieben Männer hatten sich bei der loyal Anna gemeldet -und keine einzige Dame — eine geringe Anzahl Bewerber für eine so -schöne Miß, indeß trat ich sofort zu diesen über. Wir fuhren zwar um -Vieles langsamer, als der Pick und Fulton, aber dafür auch bequemer und -sicherer. Unsere Reise sollte nach Cincinnati und von da nach Pittsburg -gehen.</p> - -<p>In Cincinnati sagte mir der Capitain, daß Frau Anna sich erklärt -hätte, sie könne, als eine Frau von so vortrefflichem Baue, nicht mit -sieben Männern zufrieden sein; alle Frauen würden von Launen regiert, -in welche man sich fügen müsse; sie werde wohl ein bis zwei Tage hier -verweilen, um noch einige Männer mehr zu acquiriren, und siehe da! als -die Glocke zur Abfahrt ertönte, da schwärmten um diese Liebenswürdige -so viele neue Verehrer, daß es den alten, wie vielen Männern nach der -Verheirathung ging — es waren keine Plätze mehr, weder zum Stehen noch -zum Niedersetzen, zu finden.</p> - -<p>Der Aufenthalt in Cincinnati kam mir nicht so sehr unangenehm; dieser -Ort wird in den V. S. City (große Stadt) genannt, allein sie ist nichts -weniger als das; je<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span>doch verdient sie ihrer Anlage nach, nach dem, was -sie einmal werden kann, allerdings diesen Namen. Cincinnati ist, wie -die anderen Städte an diesem Flusse, in einer Höhe von etwa 200 Fuß vom -Ufer gebaut. Alle Buden befinden sich an der Wasserseite und sind nicht -zum dritten Theil für die Schacherwelt hinreichend. Die Miethen sind -daher so enorm, daß sie im Allgemeinen wohl das doppelte von denen in -New-York und Philadelphia betragen. Die Baulust ist aus diesem Grunde -sehr groß und nimmt mit jedem Tage zu. Jedoch fehlt es an Grund für -solche Gebäude, in welchen die einträglichsten Geschäfte betrieben -werden könnten, nämlich am Ufer.</p> - -<p>Cincinnati’s Bevölkerung beläuft sich auf etwa 40,000 Einw., unter -denen Deutsche, wenn nicht die Hälfte, doch wenigstens den dritten -Theil ausmachen; von diesen sind wohl 8000 Juden, welche vor einiger -Zeit eine in schönem Stil erbaute Synagoge einweihten. Ich lernte -mehrere Deutsche dort kennen, auch wurde ich von Mehreren angeredet, -die vorgaben, mich zu kennen und mich auch wirklich bei meinem Namen -anredeten. Alle versicherten, zufrieden zu sein, verriethen jedoch in -der Conversation Unzufriedenheit; sie redeten stets von Millionen und -konnten von Menschenkennern ihrer Kleidung und ihrem Aeußern nach, -für nichts anders als Tagelöhner gehalten werden. Der Ort an und für -sich bietet nichts Merkwürdiges dar; die Umgegend ist nicht besonders -reizend. Er eignet sich zum Speditions-Geschäft und treibt dieses auch -in der That, aber auf eine sehr unvollkommene Weise, und zwar aus -dem Grunde, weil es an Arbeitsleuten fehlt, die bei einem Geschäft -solcher Art nicht zu entbehren sind. Die Güter, welche zur Spedition -dort ankommen, werden deshalb oft — zu Wasser, wie ich während meines -Aufenthalts selbst Augenzeuge eines solchen Vorfalls war. Es langte -nämlich ein Dampfschiff an, welches 15 große Fässer Zucker für jenen -Ort geladen hatte, die der Capi<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span>tain am Ufer abladen und hinwerfen -ließ, um sofort weiter zu fahren. Während der darauf folgenden Nacht -schwoll aber der Fluß dermaßen an, daß der Herr Spediteur, als er -am andern Morgen mit seinen Arbeitern hinzukam, statt des Zuckers -Zuckerwasser in den Fässern fand. Ganz amerikanisch-kaltblütig -fragte er die Umherstehenden: what can I do? Uebrigens spricht jeder -Amerikaner mit Respekt von diesem Orte, so daß es mir lieb war, ihn -kennen gelernt zu haben.</p> - -<p>Desto lästiger dagegen wurde mir der Aufenthalt auf der Anna, da es, -wie schon bemerkt, nicht nur an Raum fehlte, sondern unter den neuen -Passagieren hatte sich auch eine große Anzahl von Spielern eingefunden, -die den Raum durch einen großen Tisch, an welchem sie Stoßen, das -alte und beliebte deutsche Hazard-Spiel, spielten, unter Beistand -einer Menge von Zuschauern dermaßen beengten, daß mir nichts zu thun -übrig blieb, als mich nach den untern Regionen des Schiffs zu den -Deck-Passagieren zu begeben.</p> - -<p>Daselbst bemerkte ich mehrere deutsche Familien; da saßen Einige -mit Bibeln vor sich, Andere in Kattun-Jacken, schmauchend nach -alt-deutscher Weise, aus kurzen deutschen Pfeifen von dem edeln -Kentucky-Taback, den die Amerikaner lieber auf nassem Wege auflösen. -Die Frauen derselben strickten zum Ärger der Chemnitzer Strumpfwirker -und zur Freude der Amerikanischen Produzenten Strümpfe aus der auf -Amerikanischem Boden gewachsenen Baumwolle. Da ich Bekanntschaft -mit diesen Leuten anknüpfen wollte, so näherte ich mich zuerst den -Bibellesern, in der Meinung, daß diese die weniger Glücklichen in der -Gesellschaft sein müßten, indem die Meisten im Unglück sich entweder -zur Religion oder zum Aberglauben wenden. Ich hatte mich darin auch -nicht geirrt, dann sie versicherten mir, in jeder Rücksicht sehr -un<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span>glücklich und, obgleich sie schon ein Viertel-Jahrhundert in Amerika -zugebracht hätten, noch immer sehr arm zu sein.</p> - -<p>Hierauf näherte ich mich den Taback rauchenden Männern und -Strümpfe strickenden Frauen. Von diesen erfuhr ich, wie die -amerikanisch-deutsche Auswanderungs-Commissionaire in New-York sie -schändlich betrogen und irre geleitet hätten. Sind doch Commissionaire -ein tödtendes Gift in allen Branchen, dachte ich, da mir schon in -Louisville ein pallastähnliches Haus gezeigt worden war, welches ein -Deutscher auf Unkosten der armen Einwanderer erbaut hat, indem, wie -sich der Amerikaner ausdrückte, der es mir zeigte, zum Fundament -desselben die Seufzer der Unglücklichen, zum Löschen des Kalks die -Thränen derselben verwendet wurden. Diese Unglücklichen müssen sich -wegen Mangel an Sprachkenntnissen gleichsam als Sclaven an den -Commissionair verkaufen und das sehr wohlfeil gekaufte Land für ihn -kultiviren. Einen aus der Gesellschaft, der mir am klügsten schien, -ersuchte ich, mich mit der Art und Weise, wie jene Commissionaire in -New-York mit ihnen verfahren hätten, bekannt zu machen. Vermuthlich -nicht so arg, wie die Havaneser uns armen Kaufleuten, dachte ich -hierbei. „Die verdammten Diebe,“ hob der Erzähler an, „haben uns vom -ersten Augenblick unserer Ankunft an konfuse gemacht; sie haben uns -zu Reisen verleitet, wodurch das Wenige, was uns nach Zahlung der -125 Francs Reisekosten noch übrig blieb, aufging; jetzt müssen wir -alle zurück, weil hier, wo uns die Diebe hingeschickt haben, Nichts -zu machen ist.“ Als ich hierauf bemerkte, sie hätten besser gethan, -Deutschland nicht zu verlassen, weil man, um hier etwas anfangen zu -können, wenigstens 1000 Piaster baares Geld mitbringen müßte, lachten -sowohl die Strickenden als die Rauchenden, und Einer meinte: „wenn wir -1000 Piaster gehabt hätten, so wären wir sicher noch zu<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> Hause und -tränken Wein für sechs Kr., während wir hier Essig mit ½ Piaster -bezahlen müssen.“ — Dies vorläufig als Warnung für den Auswanderer; -ich werde später genauer hierauf zurückkommen, da ich bei meinem -zweiten Aufenthalt in New-York diese Suche genauer kennen zu lernen -Gelegenheit hatte, und setze vorläufig meine Reise nach Pittsburg fort, -um baldigst in New-York einzutreffen, wonach ich mich um so mehr sehne, -da die loyal Miß Anna um Vieles zu liberal geworden war.</p> - -<p>Wir langten nach einer viertägigen Fahrt in Pittsburg, dem Birmingham -der V. S. an. Jeder Amerikaner spricht in tiefster Ehrfurcht von dieser -Stadt, von welcher es in den statistischen Berichten heißt, es würden -für 30 Millionen Piaster Waaren hier fabrizirt; einige Tage hier zu -verweilen, um die bedeutenden Fabriken in Augenschein zu nehmen und -ihre Erzeugnisse zu prüfen, war mein Vorsatz.</p> - -<p>Schon am Ufer gewahrte ich, daß Eisengießereien hier ein bedeutender -Erwerbszweig sein müssen, indem eine bedeutende Masse von Gußwaaren -zum Einladen bereit lag. Zunächst begab ich mich nach dem Innern der -Stadt, um das Exchange-Hotel (Börsenhaus), wohin sich viele meiner -Reisegefährten begeben hatten, aufzusuchen, was mir auch, da Pittsburg -sehr regelmäßig gebaut ist, ohne Mühe gelang. Wie ein hungriger -Jagdhund über seine Speise, so fiel ich über die seit vier Tagen -entbehrten Tagesblätter her und fand mit Schrecken und mit Freuden -zugleich die Verunglückung des Dampfschiffes Albany, mit dem ich -anfangs reisen wollte. — Um die Fabriken aufzusuchen, begab ich mich -auf eine Anhöhe und richtete die Augen nach dem Himmel zu; ich bedurfte -nicht, wie die Astronomen, wenn sie Kometen suchen, eines Teleskops; -ich merkte auf die dichten Rauchwolken, die aus den hohen Schornsteinen -hervorströmen und konnte sicher sein, eine Fabrik zu finden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span></p> - -<p>Zuerst gelangte ich zu einer Glasfabrik, in welche ich ungenöthigt -hineintrat. Nur der Aufseher war zugegen und so gefällig, mir vieles -Hübsche zu zeigen. Ich ersah, daß die Glaswaaren hier nicht, wie in -Böhmen oder Schlesien, geblasen, sondern gegossen werden, folglich -fällt hier das Schleifen weg, indem das Bunte auf diesen Gläsern in den -Formen erzeugt wird. Nach dieses Mannes Erzählung waren die Amerikaner, -als Erfinder dieser Fabrikation eine Zeitlang die Monopolisten darin, -jetzt aber, nachdem Engländer und Franzosen dieselbe Fabrikate -erzeugen, haben sie eine schwere Concurrenz zu bestehen.</p> - -<p>Durch den Anblick eines mächtigen Granit-Quarrées auf einem Berge -angezogen, näherte ich mich demselben. Unerklärlich war mir diese -Erscheinung, eine so mächtige viereckige Felsenburg ohne Fenster und -Thüren; was kann das sein? Da ich neben diesem Felsenklumpen ein von -eben solchen Steinen errichtetes, aber unbeendetes Gebäude mit einer -prächtigen Kuppel sah, so trat ich in dasselbe, um mir Auskunft zu -erbitten. Ich freute mich sogleich einen Mann zu treffen, dessen -Anblick sonst Niemand sehr erfreut; den Schließer des Gefängnisses, -welcher sich im Souterrain jenes mir räthselhaften Granit-Quarrées -befand. Dies war so eingerichtet, daß die Zugänge zu demselben durch -das Souterrain des unbeendeten Prachtgebäudes, den neuen Gerichtshof -führten, und folglich jeder Arrestant, ohne sich müßigen Zuschauern -exponirt zu sehen, vor die Richterstühle gelangen kann.</p> - -<p>Die benachbarte katholische Kirche ist auf ähnliche Weise gebaut.</p> - -<p>Am Ufer fand ich ein Schiff, welches zum Hausiren auf dem Ohio bestimmt -war, zur Abfahrt fertig. Um diese schwimmenden Hausirer kennen -zu lernen, bestieg ich das Schiff, in welchem ich ein komplettes -geordnetes Waarenlager antraf. Die Mannschaft darauf versieht zu<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span>gleich -die Dienste der Handlungsdiener; bei allen Ortschaften werden Verkaufs- -und Ankaufsversuche gemacht.</p> - -<p>Den Mechanismus der sogenannten Snag-boats wollte ich jetzt kennen -lernen; diese Bote sind nämlich seit etwa zwei Jahren durch den -Washingtoner Congreß, auf dem Ohio und Mississippi eingeführt zum -Auffischen der in jenen Flüssen treibenden Bäume, welche den Untergang -so vieler Dampfschiffe herbeigeführt haben; es giebt derselben bis -jetzt nur sechs, obgleich für beide Ströme wohl 150 erforderlich sind; -ich freute mich, sie kennen gelernt zu haben, denn sie verdienen alle -Aufmerksamkeit.</p> - -<p>Auf dem Rückwege von dort gerieth ich in eine Baumwoll-Spinnerei. -Der Fabrikant war eben damit beschäftigt, eine verkaufte Quantität -dem Käufer zuzuschicken. Da ich auf den Fünf-Pfund-Paqueten No. 10 -bemerkte, so ersuchte ich den Fabrik-Inhaber mir eins von No. 40 zu -zeigen. „Hiermit beschäftigen wir uns nicht,“ erwiederte er, „die -Anfertigung solcher Nummern überlassen wir den Engländern, wir spinnen -nur bis zu No. 14, indem wir nicht so viel Capitalien haben, um mit -sechs Prozent, denn mehr liefern feine Garne nicht, zufrieden zu sein. -Auf Nummern wie diejenigen sind, welche wir spinnen, ist die Steuer -zu groß, und aus diesem Grunde verbietet sich die Einfuhr von selbst. -Besäße ich mehr Vermögen, so könnte ich mehr fertig schaffen und, -anstatt daß ich jetzt 3000 Pfund jeden Tag absetze, das dreifache -Quantum verkaufen.“ — Es würde mich sehr freuen, wenn einer von den -geneigten Lesern so gefällig sein wollte, mir Aufschluß zu geben, warum -der Amerikaner, welcher die Baumwolle und Kohlen dicht an der Thüre -hat, mit den englischen Fabrikanten nicht soll concurriren können. Wäre -es nicht zweckmäßig, daß die Regierung einen Ausfuhrzoll von Baumwolle -erhöbe?</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span></p> - -<p>Während ich mich auf der Pittsburger Brücke befand — alle Brücken -in den V. S., muß ich nebenbei bemerken, sind den Häusern ähnlicher -als den Brücken, indem sie zur Abhaltung des Schnees mit Dächern und -Fenstern versehen sind — und mich der großen Granitblöcke, worauf die -Brücke ruht, erfreute, traf ich einen frühern Reisegefährten, welcher -mich bat, mit nach seiner Tuchfabrik zu reisen. Er beklagte sich sehr -über die Schmuggelei von England aus über Canada; noch mehr aber wegen -des hohen Zolls auf roher Wolle, wodurch den Woll-Produzenten, zum -Nachtheil der Fabrikanten ein sehr lästiges Monopol eingeräumt sei. -Dürften wir, setzte er hinzu, unsern Wollbedarf gegen Erlegung eines -Zolls, wie der in England festgestellt ist, von Deutschland einführen, -so würden wir England sehr bald bei Tuchen entbehren können.</p> - -<p>Als die beste Reisegelegenheit, um von hier nach Philadelphia und -New-York zu kommen, wurde mir gerathen, auf einem Kanalboote bis nach -Harrisburg zu fahren. Diese Fahrt wäre mir indeß beinahe schlecht -bekommen, indem ich beim Durchfahren unter einer Brücke in die größte -Gefahr kam, erdrückt zu werden. Bis nach Harrisburg trafen wir wohl 100 -Brücken und bei den höchsten derselben konnte man, auf dem niedrigsten -Punkte des Bootes aufrechtstehend, kaum ohne Gefahr durchkommen. -Deshalb befindet sich Abends ein Mann auf dem Posten um „Herren, eine -Brücke!“ als Warnungszeichen zu rufen. Diesmal rief er, als es schon zu -spät war, um von den Koffern, auf welche ich mich zum Schutz vor Regen -gesetzt hatte, herabzukommen. Ich warf mich sogleich auf den Rücken und -erwartete das Schlimmste, aber die Vorsehung ließ auch diese Gefahr -glücklich für mich vorübergehen. Ich enthalte mich der Beschreibung -dieser Treckschuiten (die nach der alten sächsischen Lehrmethode wohl -eher mit einem D zu schreiben sind),<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> weil sie desselben nicht werth -sind. Jeder, der dergleichen Schiffs-Gelegenheiten in Holland gesehen -hat, welche den Amerikanischen zum Muster gedient zu haben scheinen, -wird meine Versicherung, daß 43 Personen in der Cajüte schlafen mußten, -in Zweifel ziehen, und 5 Nächte mußten wir in dieser peinlichen Lage -zubringen; drei Hängematten über einander, in vier Alleen eingetheilt, -lieferten sämmtliche Ruhestellen.</p> - -<p>Uebrigens gewährte diese Reise sehr viel Abwechselung und Vergnügen in -mancher Hinsicht. Das Merkwürdigste hierbei war eine Fahrt von etwa -35 englischen Meilen über sehr hohe Gebirge auf Eisenbahnen, vermöge -des Mechanismus vieler Dampf-Maschinen, welche auf kurze Distancen die -mächtigsten Wagen mit dem allerschwersten Gepäck ohne Locomotive auf -die hohen Berge zogen — so daß wir die 35 Meilen in sieben Stunden -zurücklegten. Es scheint, daß, zur Anlegung von Tunnels kein Fonds -vorhanden war, da man zur Beförderung der Güter auf den Canälen, zu -einer solchen Maaßregel hat schreiten müssen. Sobald wir von den sehr -hohen Bergen ohne Locomotive etwa 6 Minuten hindurch auf die Canäle -zu hinunterfuhren und bei denselben angelangt waren, stand ein Boot -und Pferde bereit; die Umpackung währte etwa sechs Minuten. — Am -folgenden Abend passirten wir den herrlichen Fluß Susquehannah. Ueber -diesen führt eine herrliche Brücke, die ich in der Entfernung, da sich -an derselben zwei Gallerieen für die hin- und zurückziehenden Pferde -befinden, für ein Theater hielt. Die Gegend um diesen Fluß ist die -reitzendste von allen, die ich auf meinen vielfältigen Reisen gesehen -habe. Die Stadt Petersburg, welche an der entgegengesetzten Seite des -Flusses liegt, konnte ich bei der sich nähernden Abendzeit nicht gut -sehen.</p> - -<p>In Harrisburg hören die Canalfahrten auf und die nach Philadelphia -führende Eisenbahn beginnt. Da wir<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span> das Reisegeld für die Fahrt von -Pittburg bis Philadelphia entrichtet hatten, so war es des Capitains -Sache, für unsere Weiterschaffung zu sorgen, was denn auch bald -geschah. Für die aus Pittburg angekommenen Reisenden wurden sowohl für -Personen als Gepäck eigene Wagen angewiesen; aus Harrisburg fuhren -mehrere Hunderte. Die Wagen waren alle für funfzig Personen und so -arrangirt, daß sie mittelst großer Zugänge gleich einem Wohnhause in -Verbindung stehen; man kann während der Fahrt die sämmtlichen Wagen -durchstreichen und die an beiden Seiten paarweise Sitzenden mustern. -Am Eingange des ersten, dicht an der Locomotive befindlichen Wagens, -in welchem zwei Abtheilungen angebracht sind, las man am Eingange zur -zweiten Abtheilung „Damenzimmer“. In diesem befand sich ein großer -Spiegel, nächst dem Manne, das erste Bedürfniß für Damen, Sopha, -Arbeitstisch. Von Harrisburg bis Philadelphia, (welche Entfernung 96 -englische Meilen beträgt,) fährt man mit Einschluß der Zeit, welche -zum Frühstück und Mittagsessen zugestanden ist, sieben Stunden. Für -das letztere, welches verhältnißmäßig eben so rasch verzehrt werden -muß, als die Locomotive sich fortbewegt, wird ein eben so reissender -Preis, d. h. ½ Piaster oder 18 gGr. bezahlt. Beim Bezahlen bemerkt -man Viele, die bemüht waren, einige von den abgesetzten Bank-Noten, -womit ihre Brieftaschen sich in ungesegneten Umständen befanden und auf -Entbindung nicht hoffen dürfen, — anzubringen, allein der Cassirer -hat das Textbuch vor sich liegen, bleibt im Text und besteht auf -werthvoller Bezahlung des werthlosen Mittagessens.</p> - -<p>Auf der Tour von Harrisburg bis Philadelphia hat der deutsche Reisende -Gelegenheit sich über den Fleiss und die Ordnungsliebe seiner -Landsleute zu freuen, da diese die Bewohner jenes Strichs ausmachen. -Man glaubt hier in Deutschland zu sein, überall erblickt man Feld- und -Baumfrüchte; auf jedem Hause in den Dörfern glaubt man<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> die Worte: -„Wohlhabenheit und Zufriedenheit“ zu lesen. Gutgekleidete Kinder -beiderlei Geschlechts drängen sich mit Blumen und reifen Baumfrüchten -an den Wagen, um für die bereits gehaltene Aerndte etwas für sie -Brauchbareres zu ärndten. Genug, man empfindet auf dieser Reise keine -Langeweile, wenn man nicht etwa unwohl ist, wie ich es ein wenig war; -ich hatte bei der Passage über die Berge ein Erkältungsfieber erhascht -und kam ziemlich krank in Philadelphia an.</p> - -<p>Da saß ich in einem langen Omnibus, die alten kraftlos scheinenden -Rosse thaten Wunder, denn sie trabten von einem Gasthofe zum andern -und nirgends fand ich ein Plätzchen für mich. Obgleich vom heftigsten -Kopfweh gepeinigt, freute ich mich dennoch; war es doch ein Zeichen, -daß ich den Kopf nicht in Havana verloren hatte. „Fahre nach welchem -Gasthof du willst, nur nach keinem schmutzigen“, sagte ich zum -Omnibus-Kutscher und bald standen die Rosse vor Baltimore-house, -welches mir der Kutscher als ein gutes und sehr reines Haus anpries, in -dessen Nähe auch das Dampfschiff nach New-York abfahre.</p> - -<p>Ich wurde in diesem Hause mit etwas versehen, was mir seit einer -Reihe von Jahren entfremdet war und das war — ein Federbette welches -gut war, weil es den Dienst eines russischen Dampfbades versah und -mich dermaßen auf die Beine brachte, daß ich am folgenden Morgen in -Philadelphia umherzustreichen mich mit hinlänglicher Kraft ausgerüstet -fühlte. Ich fand, daß Philadelphia ungefähr in demselben Verhältniß -zu New-York steht, wie Potsdam zu Berlin. Der Ort ist schön, weil -die Häuser durchgängig gut gebaut und die Straßen regelmäßig sind; -wenn man die vielen Canäle in denselben abrechnet, über die man aber -auch in New-York Beschwerde führen kann, aber nicht darf, weil die -Amerikaner leidenschaftlich am Canalbau hangen. — Ich bestieg das -Rathhaus bis zu sei<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span>nen höchsten Regionen, d. h. bis zur Glocke, -und war höchst überrascht, als ich die herrliche grosse Stadt mit -den vielen Kirchen und squares (Quarrées) nebst der herrlichen -Umgegend zu meinen Füßen liegen sah. Ich besuchte die Münze, das -Taubstummen-Institut, das Collegium und fuhr etwa drei Meilen weit nach -dem Wasserwerk, gelegen in einem Schweizerthal mit Bergen umgeben, -auf welchen sich die herrlichsten Anlagen befinden. Für diese Fahrt -hin und zurück bezahlte ich nur ¼ Piaster — der wohlfeilste in den -V. S. mir erwiesene Dienst; muß man doch für das einmalige Putzen der -Stiefeln dasselbe bezahlen. Auch nach Vauxhall begab ich mich, in -welchem 1000 Chinesische Lampen brennen und eben so viele Orangenbäume -gezeigt werden sollten. Da aber nur einige Lampen brannten, so blieben -natürlich die blühenden Orangen unsichtbar. Ich kehrte nach der Kasse -zurück, um meinen halben Piaster Entree zu reklamiren, allein der -Kassirer versicherte mir, er sei an diesem Platze zum Geld-Einnehmen, -nicht Ausgeben; ich könne aber am folgenden Abend Gebrauch von der -Charte machen. — Weise ist nach Lessing derjenige, welcher sich auf -seinen Vortheil versteht; ich erklärte daher diesen Mann für weise und -zog ab.</p> - -<p>Meine Rechnung in Baltimore-house belief sich auf eine artige Summe, -obgleich ich keine einzige Mahlzeit in demselben eingenommen hatte. Der -Wirth bewies mir, daß er bei den hohen Preisen aller Lebensmittel zu -Grunde gehen müßte, wenn es nicht so manchen gäbe, der nie ißt, aber -dennoch üblicher Weise bezahlt. Es wird in ganz Amerika 2½–5 Piaster -in jedem Gasthofe den Logirenden angeschrieben, wenn er auch gar nichts -genossen hat.</p> - -<p>Am folgenden Morgen fuhr ich mit dem ersten Dampf-Schiff nach -New-York. Auf diesem befanden sich etwa 300–350 Passagiere, ungeachtet -zu derselben Stunde<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span> die Dampfwagen dahin abfahren. Man giebt den -Dampfschiffen darum den Vorzug, weil von den Schornsteinen der -Locomotiven zu viel brennende Kohlen umher geworfen werden, und dadurch -viele Kleidungsstücke der Mitreisenden zu Grunde gehen. Man muß jedoch -auch auf der Fahrt mit dem Dampfschiff ungefähr 20 Meilen auf dem -Dampfwagen zurücklegen, um alsdann die Reise im Schiff zu beendigen.</p> - -<p>Um etwa 1 Uhr kamen wir in New-York an. Das Erste, was ich that, war, -mir ein Privat-Logis aufzusuchen, denn die Boarding-Häuser hasse ich -wegen des darin statt findenden Zwangs. In einem freien Lande darf -man auf Freiheit Anspruch machen, Thorheit ist es also, wenn man dem -Gastwirth seine Freiheit verkauft und noch dazu, wie hier in New-York -viel dafür bezahlt.</p> - -<p>Als ich so an Broadway hinschlenderte, fühlte ich mich in der -heitersten Stimmung. Als ich über den Grund derselben nachdachte, fand -ich ihn darin, daß ich hier nicht, wie in Havana, das menschliche Elend -d. h., mit Lumpen umhangene Neger auf jedem Schritte vor mir sah, -sondern nur freie wohlgekleidete Menschen. Noch immer konnte ich die -Erinnerung an die Behandlungsweise der Sclaven von Seiten der Herren -nicht aus meiner Seele verdrängen; ich sah, wie die Herren Negerfrauen -im Beisein ihres Mannes züchtigten, oder wie der Mann während der -Procedur hereintrat, um das Mittagsmahl mit seiner Familie zu -verzehren, den züchtigenden Herrn ehrerbietig grüßte und gleichgültig -that, als ob ihn das nichts angehe. Wie diese Unglücklichen von Afrika -aus transportirt werden, will ich nur kurz erwähnen. In den Räumen der -Sclavenschiffe sind innerlich Abscheidungen von Brettern, mit nicht -mehr Zwischenraum, als daß zwei Personen aufrecht darin stehen können, -errichtet. Die Neger werden paarweise mit ihrem Rücken gegeneinander -zusammengebunden und zwischen diesen Räumen<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> an die Wände derselben -angeschlossen. Aus dieser peinlichen Stellung werden sie während der -Reise täglich nur einmal, jedoch nicht mehr als 8–10 Personen auf -einmal, und nur auf 5–6 Minuten erlöst.</p> - -<p>Ich fand ein Haus, an dessen Thüre ich auf einem Zettel: furnished -rooms (meublirte Zimmer) las. Die Wirthin, so wie Alles im Hause -deutete auf Reinlichkeit, nichts Archenähnliches war an dem mir -offerirten Zimmer zu bemerken. Meine vis a vis waren friedliebende, gar -nicht neugierige Menschen, die mich auf keine Weise geniren konnten, -ja um alle weltliche Dinge sich nicht mehr kümmerten, weil sie alle -auf dem mit Blumen und Bäumen geschmückten Kirchhofe wohnten. Sofort -miethete ich dieses Zimmer und befand mich sehr wohl in demselben. Dann -suchte ich wieder mein französisches Boarding-Haus zum Speisen, da ich -mir in Philadelphia wegen der Unpäßlichkeit die Hungerkur auferlegt -hatte. Auf die Frage der freundlichen Wirthin, wie mir ihre Küche -munde, erwiederte ich: nach einer mit Oel gesalbten Küche, deren ich in -Havana so viele Monate hindurch unterworfen war, fühlt sich mein Gaumen -höchst geschmeichelt. Ein Schweizer meinte, daß es in der That in -Havana höchst schlecht sein müsse, wenn es ein Berliner schlecht finde, -denn nach seiner Ueberzeugung lebe man in Berlin sehr schlecht; er -versicherte, er habe in den Gasthöfen erster Klasse daselbst für zwei -Thaler das Couvert auf seinem Zimmer servirt, abominable gegessen. Ich -vertheidigte meine Mitbürger aufs eifrigste, war aber nicht im Stande, -ihn zu einer bessern Ueberzeugung zu bringen.</p> - -<p>Uebrigens war ich gerade zur rechten Zeit hier angekommen, um dem Feste -der Gründung der Unabhängigkeit der V. S., welches am vierten July -gefeiert werden sollte, mit beizuwohnen. Die Nacht vor dem Geburtstage -der Republik wurde mit einer solchen allgemeinen Theil<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span>nahme durch -das Abbrennen von Feuerwerken, Schießgewehren in allen Straßen kund -gethan, daß mir kein anderer Wunsch übrig blieb als der, daß die -Lustigen auch an andere Leute denken möchten, die wegen dieses Getöses -beinahe die ganze Nacht nicht schlafen konnten. Es ging ununterbrochen -fort bis um acht Uhr des Morgens, zu welcher Zeit die verschiedenen -Armee-Abtheilungen, alle neu uniformirt, mit Feldmusik und Trommeln -sich dem Demokraten-Könige, der an diesem Tage eintreffen sollte, in -aller Pracht zeigen wollten. Es wimmelte in Broadway von Militair, -welches nach dem Paradeplatz an der Batterie marschirte. Da jedes -Revier eine eigene Compagnie bildet, und sich jede derselben nach ihrer -eigenen Bestimmung kleidet, weshalb nun alle mit einander wetteifern, -in prachtvoller Ausstattung, so kann der Leser leicht denken, daß diese -ganz glänzend sein mußte; — besonders zeichnete sich der Generalstab -und die Spielleute, deren jede Compagnie ihre eigene hat, in dieser -Hinsicht aus. Hierbei konnte man bemerken, daß zur Verherrlichung jedes -Festes Militair Bedürfniß ist. Die Anzahl der Generäle und Adjutanten -in ihren prachtvollen Uniformen, welche größtentheils Schimmel, die -Lieblingsfarbe der Amerikaner an Pferden, ritten, war sehr beträchtlich -und kam mir weit größer vor, als die in den großen Armeen großer Mächte.</p> - -<p>Um etwa 12 Uhr verkündete der Kanonendonner die Landung des mit 40,000 -Piaster besoldeten Regenten; er wird die Truppen mustern, hieß es, -und dann seinen Einzug halten. Von meinem Zimmer aus beobachtete -ich ganz ruhig die Sache; ich zählte über 2000 Militairs, die in -einer Linie vor dem Präsidenten her zogen. Jetzt erschien derselbe -mit entblößtem Haupte, welches er bei dem jedesmaligen Hurrahruf -rechts und links neigte. An den Präsidenten schlossen sich sämmtliche -Magistrats-Personen in schwarzer Kleidung an, mit sehr langen -Pergamentrol<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span>len in der Rechten; hierauf folgten 100 berittene Bürger -und der Generalstab. Weder Constabler noch sonstige Polizei-Beamte -waren zur Aufrechthaltung der Ordnung bemerkbar; und dennoch sah man -unter einer Masse von 200,000 Menschen, die sich in dieser Straße -bewegten, eine exemplarische Ordnung. Als Militairs zeichneten sich -in dem Zuge die Deutsche und Irländische Compagnie, so wie auch ein -Veteran aus, der den Befreiungskrieg mitgemacht hatte.</p> - -<p>Da in keinem Lande dergleichen große Feste, ohne daß das Leben einiger -Individuen geopfert wird, ablaufen, so stand es nicht zu erwarten, daß -dies Fest in diesem Lande, woselbst die Menschen den gefährlichsten -Elementen, Feuer und Wasser mit einer gewissen Frechheit die Stirn -bieten, eine Ausnahme von der Regel machen würde. Die Decke eines -Dampfschiffes (die Dampfschiffe dieser Art zum Vergnügen haben außer -dem gewöhnlichen Verdeck noch ein höheres auf Säulen ruhendes, Decke -genannt) hatte wohl 1000 Menschen mehr aufgenommen, als die Stärke -derselben erlaubte; sie stürzte ein und 10 Personen kamen ums Leben. -Durch Zerspringen von einem der Kessel der Locomotiven, so wie auch -durch die Anwendung der Schießgewehre von Knaben, verunglückten mehrere -Menschenleben. Nur die Kinder sämmtlicher hiesigen Schulen, zwischen -15–20,000, welche, um dem Präsidenten ihr Compliment zu machen, nach -einer kleinen Stadt gebracht worden waren, kamen wohlbehalten nach -New-York zurück.</p> - -<p>An diesem Abend gab sich Jeder dem Vergnügen hin; es ward viel -Champagner in der That, und in der Idee getrunken und mit Bank-Noten -baar bezahlt. (?) Auf den Hauptplätzen (als: Park, Batterie-Platz) -u. s. w. waren, wie auf unsern Messen, Buden errichtet, in denen -viel Leben war; jene Plätze waren mit Feuerwerken und Schießlustigen -überfüllt, die sich gegenseitig neckten; es<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> ging so weit, daß -die in den vis a vis gelegenen Gasthöfen Globe und Sans-Souci -Logirenden sich aus den Fenstern durch Zuwerfen von Feuerkugeln, -Fontainen und Schwärmern dermaßen belustigten, daß in einem Zimmer -die Fenstervorhänge schon brannten und beinah ein größeres Feuerwerk -entstanden wäre. Im Castle-Garden (Schloßgarten) wurde, wie man mir -sagte, ein glänzendes Feuerwerk bei etwa 10,000 Zuschauern abgebrannt.</p> - -<p>Nach der Beendigung dieses großen Festes besuchte ich den -Advokaten Dr. Lord, um Erkundigung einzuziehen, wie weit er in der -Prozeß-Angelegenheit gegen die M. und H. gediehen sei, und siehe -da! der gute Mann bedauerte, mir sagen zu müssen, daß er sich -noch nicht einmal beim Anfang befinde, indem meine Gegner stets -Gelegenheit gefunden hätten, die Sache in die Länge zu ziehen; -sie hätten die Gründe, weshalb sie die Sache ausgesetzt zu sehen -wünschten, beschworen; ihr Anwalt habe überdies, mit Genehmigung -des Gerichtshofes, eine Reise nach Europa unternommen, welches dazu -beitrage, diese Affaire in die Länge zu ziehen. Er empfahl mir Geduld, -die ihm freilich nicht so leicht abgeht, da ich 300 Piaster Vorschuß -geleistet habe.</p> - -<p>Jetzt begab ich mich zum Commissionair, an welchen ich, wie früher -bemerkt, verschiedene Waaren von Havana mit der Ordre geschickt hatte, -dieselbe bis zu meinem Dahinkommen liegen zu lassen. Allein die Geduld -hatte ihn verlassen, er hatte sie für die Hälfte des Werths verkauft -und händigte mir jetzt die Verkaufs-Rechnung ein. Einen zweiten Prozeß -mit einem abermaligen Vorschuß von 300 Piaster anzufangen, war schon -deshalb nicht räthlich, weil <em class="gesperrt">Ein</em> Prozeß, selbst unter dem -mildesten Prozeß-Himmelsstrich wenigstens für mich hinreichend ist; -ferner war wegen des heraufziehenden Ungewitters in der New-Yorker -Geldwelt ein zweiter Prozeß zu vermeiden. Ueberdies war ich nicht -gesonnen, das<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span> Ganze den Launen der Advokaten und des Zufalls Preis zu -geben, denn wie leicht kann durch eine Zahlungs-Unfähigkeit der Banken, -die mir unausbleiblich schien, Alles verloren werden, wenn auch die -Sache zu meinen Gunsten entschieden würde? Es blieb mir mithin nichts -Anderes übrig, als den Belauf für meine Güter zu nehmen und gegen -das Verfahren meines Commissionairs zu protestiren. — Ergo ist in -der neuen Welt nur viel zu verlieren, und mit großem Risico wenig zu -verdienen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span></p> - -<h2 id="Vierte_Abtheilung"><span class="antiqua">Vierte Abtheilung.</span></h2> - -<h3 class="antiqua" id="Treiben_im_Handel"><span class="s6 lheight2">Ueber das</span><br /> - -Treiben im englischen und amerikanischen Handel.</h3> - -</div> - -<p>Auf diese Weise hatte ich nun in New-York keine andere Geschäfte, als -mich mit den New-Yorkern zu amüsiren. Wohin also zuerst? fragte ich -mich selbst. Nach Wall-Street, war die Antwort. Diese Straße war ganz -mit großen Granit-Blöcken und Marmor-Säulen angefüllt, so daß man -dieselbe kaum mit Bequemlichkeit passiren konnte. Auf meine Frage, -was mit den vielen Steinen von so ungeheuerm Umfange gemacht werden -solle, hörte ich, daß sie zu Bank-Gebäuden bestimmt wären. Es dürfte -vielleicht einige Leser geben, die hierbei die Frage aufwerfen, warum -die Herren Rothschild in London, Hope in Amsterdam, Heyne in Hamburg, -Bethmann in Frankfurt a. M., Schickler in Berlin u. A. in kleinen -unansehnlichen Zimmern ihre sehr bedeutenden Geschäfte betreiben, und -warum diese nicht wie die New-Yorker, auf Marmor- und Granitsäulen -ruhende Banken<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> errichten. Die Frage ist nicht schwer zu beantworten: -Die New-Yorker bedürfen zur Ausführung der Bauten nichts, was wie Geld -aussieht, während jene Banquiers nicht ohne Geld würden bauen können.</p> - -<p>An demselben Tage wurde das Dampfschiff Great-Western von London -erwartet. Alle warteten mit der größten Ungeduld auf die Ankunft -dieses Schiffes, oder vielmehr auf die Nachrichten, die es mitbringen -sollte, denn man hoffte durch Hülfe der Engländer sich bald vom Uebel -erlöst zu sehen. Von England also Hülfe! dachte ich. Hülfe von einem -Volk, welches sich selbst nicht zu helfen weiß. England ist in seinen -Finanzen stets überschätzt (overrated) worden. Wehe! und abermals -wehe! einem Jeden, welcher überschätzt wird, mag es eine Regierung -oder ein Privatmann sein. Die natürlichsten unmittelbarsten Folgen -solcher Ueberschätzungen sind Uebervortheilungen. Der Verfasser gehört -zu den Wenigen, welche gegen die Englands Reichthum gesungenen und -gesprochenen Loblieder stets protestirt haben, obgleich er demselben -in technischer Hinsicht alle Gerechtigkeit widerfahren ließ; er ist -oft scharf darüber getadelt worden, worum er sich aber wenig kümmerte. -Schon im Jahre 1830, als die Reformbill John Russell’s im Hause der -Gemeinen durchging und Graf <em class="gesperrt">Grey</em> Premier-Minister ward, sprach -der Verfasser in einem mit dem Buchstaben R. unterzeichneten, im Leeds -Intelligencer eingerückten Aufsatz: „the corn-laws, as the present -policy of the country“ („die Korngesetze, die gegenwärtige Politik des -Landes“) sich dahin aus, daß England den frühern Gedanken, für alle -Bewohner des Erdballs zu fabriziren schwinden lassen, und einen großen -Theil der Fabrik-Arbeiter zur Erzeugung des ersten und nothwendigsten -Bedürfnisses, Getraide, verwenden müsse, wenn es fortbestehen wolle. -Der Verfasser rieth in jenem Aufsatze zur Anlegung vieler Eisenbahnen, -damit so viele Ländereien, welche zum Anbau<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> des Pferdefutters -jetzt dienen, zur Erzeugung von Lebensmitteln für die Bevölkerung -angewendet werden könnten. Der Verfasser führt die Hauptpunkte seines -damaligen Aufsatzes zum Beweis der Behauptung an, daß er Englands -Lage schon vor 10 Jahren richtig beurtheilt hat, wobei er jedoch hier -nur das Wichtigste hervorheben kann. Auch behauptete er, daß der von -Preußen für die deutschen Fabrikanten angeordnete Schutzzoll nie eine -Abänderung zu Gunsten der englischen Fabriken erfahren werde, und -sollten diese, durch Anschaffung wohlfeileren Brodes, wohlfeiler als -die deutschen Fabrikanten produziren, so werde, seines Erachtens, der -Schutzzoll um eben so viel von Seiten Preußens erhöht werden. Wer würde -wohl gern 3 L. St. hingeben, um 1 L. St. dafür wieder zu erhalten? -Deshalb wird sich Preußen stets gegen die Einfuhr von englischen -Fabrikwaaren sträuben, indem England, bei einem Getraide-Mangel sich -doch unbedingt nach Deutschland wenden muß.</p> - -<p>Englands Getraide-Noth (wie diese im vorigen Jahre sich zeigte), ist -lediglich der Vernachlässigung des Ackerbaues zuzuschreiben; es giebt -zu viel unkultivirtes Land in den vereinigten drei Königreichen. Hätte -die Regierung die Taxen vom kultivirten Lande vermindert und das -unkultivirte Land dagegen mit hohen Taxen belegt, so würde das Land, -auch bei einer schlechten Aerndte, nie in Verlegenheit kommen. Der -Mensch, welcher sein erworbenes Vermögen zu konserviren weiß, gehört -zu den Künstlern ersten Ranges. Von allen englischen Fabrikanten -gelangte keiner zur Meisterschaft in dieser Kunst; sie sind arm, weil -ihr Vermögen in Fabrik-Gebäuden und Maschinen steckt; diese aber haben, -da man jetzt dergleichen von der Seine bis zur Wolga in jedem Dörfchen -antrifft und in Bewegung sieht, nur ein Drittel des ursprünglichen -Werthes.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span></p> - -<p>Der Verfasser ist seit Kurzem von mehreren seiner Bekannten, unter -denen sich sogar ein Engländer befand, gefragt worden: „Wodurch wohl -ist Englands Reichthum sobald gesunken?“ Die Meisten hielten in der -That England stets für übermäßig reich, und dies hat, wenn man die -Sache genauer betrachtet, folgende Gründe.</p> - -<p>1.) Alle Mächte contrahiren enorme Anleihen bei dem Hause Rothschild -in London. Nun glaubte man die Engländer sind es, die diese viele -Millionen hergeben, allein sie sind größtentheils aus Rußland, -Deutschland und Holland dem Hause R. überwiesen worden.</p> - -<p>2.) Man erinnert sich der ungeheuern Summen, welche England in der -Napoleonischen Zeit den verbündeten Mächten als Subsidien gezahlt hat -und denkt: welches Volk in der Welt würde dies wohl leisten können? -Wollten die guten Leute doch nur erwägen, daß diese Subsidien-Gelder -nur ein sehr geringer Theil derjenigen Summen waren, welche von -Preußen, Oestreich und Rußland für Fabrikwaaren stets nach England -gingen. England konnte doch nicht immerfort nehmen wollen, weil ja -sonst Nichts übrig geblieben wäre. Jene Länder besaßen zu jener Zeit -gar keine Fabriken, erhielten vielmehr ihren ganzen Bedarf von England -und welchen Preis bezahlten sie dafür! 14–16 Thlr. für ein einziges -Stück von Baumwollen-Waaren, in welchem etwa fünf Pfund von der -Prima-Materie verbraucht worden waren. Von dem durch solche Preise -entstandenen enormen Gewinn zahlte England etwa <span class="zaehler">1</span>⁄<span class="nenner">10</span> als Subsidien -zurück, damit die guten Deutschen wie Wahnsinnige auf die französischen -Kanonen losgehen möchten, um ja nicht an Fabrikation zu denken. Da -trat nun Napoleon den Engländern mit seinem Continental-System in den -Weg; er lenkte die Aufmerksamkeit der Deutschen auf Fabrikation. Man -fing an einzusehen, daß dies Geschäft keine Zauberei sei, daß es nur -der Geduld und Ausdauer mit Zuziehung guter Augen<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> und tüchtiger Hände -bedürfe. Hierdurch wurde das englische Fabrikwesen verwundet; da indeß -diese Wunde anfangs den Engländern noch nicht fühlbar sein konnte, so -bekümmerte sich Niemand von allen Fabrikanten darum; sie erweiterten -ihre Geschäfte, statt dieselben vorsichtig einzuschränken. Jeder war -durch den in den letzten Jahren gehabten Profit wonnetrunken und in -der Ueberzeugung, bei einer um das Doppelte erweiterten Production den -doppelten Gewinn zu erzeugen, wurde der ganze Gewinn der letzten Jahre -und noch mehr zur Anschaffung größerer Gebäude und Maschinen verwendet.</p> - -<p>Für die Bauherren, welche, wie überall so auch hier, bei ihren -Anschlägen gewöhnlich irren, zeigten sich jetzt bald Verlegenheiten: es -fehlte an Geld, indem der Bau weit mehr kostete, als veranschlagt war. -Um diese Noth abzuhelfen, mußte Geld gemacht werden und wie geschah -dieses? Es wurden Banking-Compagnieen, Joint-Stock-Banks u. s. w. auf -Aktien errichtet. Jeder der Fabrik-Eigenthümer zeichnet auf eine Anzahl -dieser Aktien, jede derselben zu 100 L. St., auf welche er jedoch nur -5 L. St. baar erlegt, obgleich er an dem Gewinne von 100 L. St. Theil -hat; für die übrigen 95 L. St. verfertigen jene Surrogat-Banken ihre -eigene Bank-Noten, jede Note zu 5 L. St. Um aber jedem Geldempfänger -auf sein Verlangen mit Geld oder auch Noten von der Bank of England -begegnen können, war eine Hülfe von Seiten dieser Bank wichtig, ja -höchst nothwendig. Deshalb wurde also eine Convention zwischen den -beiderseitigen Banken abgeschlossen, daß alle von jenen Banken gerirten -Wechsel durch die Bank of England für das übliche Disconto von 3½ -Procent pro anno discontirt und sowohl Geld, als Noten dafür erlegt -werden sollten.</p> - -<p>Der momentane Nutzen, der durch diese Maßregel für die englischen -Fabrikanten entstand, war sehr groß und vielfältig; der Fabrikant -konnte sich bei Erweiterung<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> seiner Fabriken nie in Geldverlegenheit -befinden. Er durfte sich auf Zeitverkäufe einlassen weil die Wechsel -die ihm bei diesen Verkäufen von den Käufern an Zahlungsstatt wurden, -sofort in den Banken, in welchen er als Aktionair interessirt war, -discontirt wurden, wodurch Er eigentlich der Gewinnende ward, weil die -Bank nur einen geringen Theil solcher Wechsel und zwar nur für 3½ -Procent pro Anno bei der Bank von England discontirte, wogegen die -Banken 5 Procent mehr und größtentheils mit ihren eigenen Bank-Noten, -welche zinsenfrei waren, ausbezahlten. Hierdurch ward für den -Fabrikanten als Aktionair eine Dividende von 12½–15 Procent jährlich -erreicht.</p> - -<p>Dies war Englands glänzendste Periode. Geschäfte wurden ins -Unendliche gemacht, da es nie an Geld fehlen konnte. Der Verfasser -kennt deutsche Häuser, die sich fünf dieser Banken bedienten. -Genug! wer einen ganzen Rock auf dem Leibe trug und die Wechsel zu -acceptiren verstand, der hatte bald ein Waarenlager. Es entstanden -Commissions-Geschäfte, weil nichts mehr dazu gehörte, als ein Local -(warehouse); alle fünf Schritte stieß man auf einen Commissionair. Zu -den Commissionairen und Bank-Gesellschaften gesellten sich auch bald -Dampfschifffahrts-Gesellschaften, aber wie es im menschlichen Leben oft -geschieht, daß Menschen durch häufiges Besuchen großer Gesellschaften -ihre physischen und moralischen Kräfte zerstören, so geschah es -jetzt mit dem englischen Waarenhandel nach Deutschland durch jene -Gesellschaften.</p> - -<p>Die Fabrikation nämlich nahm ungeheuer zu und dies führte den Handel -herbei, um welchen England so oft beneidet wird, aber eher bedauert zu -werden verdient — <em class="gesperrt">den Welthandel</em>. England war nun gezwungen, -sich um Plätze zu bekümmern, woselbst die übermäßigen Produkte der -Fabriken untergebracht werden könnten. Ame<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span>rika und Indien schienen am -geeignetsten hierfür zu sein; allein wie sollte in jenen Welttheilen, -wo es noch mehr, wie in England, an Geld fehlt, ein der englischen -Fabrikation angemessener Absatz erreicht werden, wodurch die Engländer -einigermaßen auf baare Fonds sollten rechnen können? Das war eine -schwere Frage, die jedoch bald gelöst wurde.</p> - -<p>Es zeigten sich nämlich sehr bald in London drei Handlungshäuser -(mit dem Anfangsbuchstaben W..) zur Hülfe bereit für alle englische -Fabrikanten und amerikanische Handelslustige und Manufacturisten. -Diese drei Häuser rüsteten für eine Provision von fünf Procent (keine -Kleinigkeit!) einen Jeden mit Accreditiven an die Joint Stock-Banks -und Banking, Compagnieen aus, damit diese, die von den Amerikanern -auf jene Londoner Häuser gezogenen Wechsel, (welche die letztern zu -honoriren versprachen,) auszahlen möchten. Der Absatz wurde natürlicher -Weise höchst beträchtlich, allein dieser in England beförderte Absatz -bewirkte keinen Absatz in Amerika, wenigstens war derselbe nicht -zureichend für die angeschafften Vorräthe, und dieses um so weniger, -weil die englischen Fabrikanten jetzt neuerdings zur Erweiterung -ihrer Fabriken schritten. Die in England von den Amerikanern auf -Zeit gekaufte Waaren mußten mithin wiederum so geschwind als möglich -abgesetzt werden, allein für baares Geld abzusetzen, lag im Reiche der -Unmöglichkeit. Was thun? die Verlegenheit wurde in Amerika eben so -schnell, wie in England durch Einrichtung von Banken beseitigt; die -Zeitverkäufe konnten jetzt statt finden und die Geldverlegenheiten der -Importeurs waren hierdurch aufgehoben.</p> - -<p>Dem Präsidenten General Jakson schien bei seiner Einsicht in die -Bank-Geschäfte dies Treiben sehr gefährlich fürs Land; er sah klar, -daß das Land mit englischen Manufactur-Waaren bald überschwemmt -werden müßte,<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span> wenn diesem Uebel nicht gesteuert würde; er hemmte -das Discontiren aller dergleichen Wechsel in den Banken, welche -unter der Aufsicht seiner Regierung standen. Diese Maßregel erregte -die Aufmerksamkeit der Bank of England, die Direktoren warfen die -Blicke auf ihre Schubladen, in welchen die von den verschiedenen -Banken discontirte Wechsel lagen und, o weh! darunter befanden sich -so viele von den mit W. bezeichneten drei Häusern, daß die Nachwehen -unausbleiblich schienen. Die Bank of England ergriff jetzt ernsthafte -und ähnliche Maßregeln, wie die des amerikanischen Präsidenten und -dreimal o Weh! Jene Häuser und eine sehr bedeutende Bank in Leeds, -nämlich die Northern-central Bank wurde (um das Fallen der Actionaire -zu verhindern) von der Bank of England gestützt und hörte von dieser -Zeit an auf, Bank zu sein.</p> - -<p>Um dem Leser ein anschauliches Bild von diesen englischen -Bank-Geschäften zu geben, will ich das Beispiel von einem Tagelöhner -in Leeds anführen, welches ich selbst erlebt habe. Der Verfasser wurde -nämlich eines Tages von diesem Tagelöhner ersucht, ihn, da er sich -als Kaufmann etabliren wolle, mit einem Vorschuß von 10 L. St. zur -Anschaffung der erforderlichen Handels-Utensilien und einen kleinen -Unterricht im Waarenfache zu unterstützen. Dieser Mann erhob sich sehr -bald als Kaufmann, und stand auch eben so bald in der Londoner Gazette -als Fallit mit einer sehr bedeutenden Summe von vielen 1000 L. St. -Er hatte vermittelst Hülfe der Banken Theil am englischen Welthandel -genommen und man fand unter den in der Northern-central Bank unbezahlt -gebliebenen Wechseln auch mehrere der seinigen im Belaufe von einigen -Tausend L. St. Er war Grund-<em class="gesperrt">Nicht</em>eigenthümer geworden, um -Actionair des letztgenannten Bank-Instituts werden zu können. Dies ist -ein sprechendes Bild des gepriesenen englischen Welthandels!</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span></p> - -<p>Englands Banken hatten auch einen bedeutenden Einfluß auf den deutschen -Wollmarkt — ein Gegenstand der genau genommen zwar nicht hierher -gehört, der jedoch zu interessant ist, um ihm nicht en passant einige -Aufmerksamkeit zu schenken. Die Wollproduction in Deutschland, behaupte -ich, mußte durch Englands viele Banken zunehmen, aber eine förmliche -Umwälzung ist auch hierin unausbleiblich. Die Sache nämlich verhält -sich also: Spekulationen jeder Art, wurden durch den Beistand jener -Banken unternommen. Dieser Beistand bestand darin, daß die Spekulanten -mit Accreditiven auf London versehen wurden, von dort mit solchen auf -Hamburg und von da endlich mit denselben Mitteln auf Berlin, Breslau, -Stettin u. s. w. als Woll-Einkäufer ausgerüstet wurden. Kein Wunder -daher, daß es deren jetzt in Hülle und Fülle gab, und daß es auf allen -Märkten davon wimmelte. Jeder derselben wollte, oder mußte kaufen; -die Preise erreichten hierdurch eine enorme Höhe ohne eigentliche -Ursache, d. h. ohne daß ein wirklicher Bedarf in dem Maße, wie Viele -und besonders die Produzenten glaubten, vorhanden gewesen wäre. Die -niederländischen Fabrikanten fürchteten, die besseren Sorten von den -Engländern aufgekauft zu sehen, und griffen also rasch zu; was blieb -denn da den Engländern anders übrig, als auch rasch zuzugreifen? Die -Produzenten griffen nun auch zu — den vollen Champagnerflaschen; -lachten sich dabei ins Fäustchen, ließen beim Champagner die Einkäufer -hoch leben und versicherten diesen, (ungeachtet sie ihre Wollen wie -Seide bezahlt bekamen) daß sie bald zu Grunde gehen müßten, wenn die -Preise sich nicht höher stellen würden. Die englischen Einkäufer hatten -mithin jetzt deutsche Wollen mit deutschem Gelde gekauft, und brauchten -sich bei dem Verkauf in England nicht zu übereilen; hatten sie doch -durch die verschiedenartige Trassirungen Zeit genug<span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span> und außerdem auch -in den Banken ein Schutzmittel gegen Verlegenheiten.</p> - -<p>In Folge dieses großartigen Wollhandels in England bildete sich jetzt -auch ein solcher in Deutschland. Leute ohne Kenntnisse und aus allen -Klassen wurden Wollhändler, und das Resultat war, daß es zuletzt an -diesem Product fehlte, ohne daß ein Bedarf in gleichem Maße dafür -existirte — für die Produzenten ein steigender Vortheil.</p> - -<p>Daß ein Mißtrauen gegen die englischen Banken eine große Veränderung -im Woll-Geschäft herbeiführen müßte, war vorauszusehen. (Der Verfasser -machte sogar einen unserer ersten Wollhändler bei einem Zusammentreffen -in Hamburg hierauf aufmerksam.) Durch jenes Mißtrauen mußten die -Accreditive auf London und somtit auch die Anzahl der Einkäufer -abnehmen; man kauft jetzt nur noch rohes Material, wenn es für -Fabriken gebraucht wird, und englische Spekulanten sind deshalb in -Deutschland im verjüngten Maßstabe anzutreffen; sie schreiben indeß zur -Beruhigung der deutschen Wollhändler: <em class="gesperrt">the money-market is bad</em> -(der Geldmarkt ist schlecht) besser übersetzt: auf allen Märkten ist -kein Vertrauen zu kaufen. Bald wird es eintreten und wir werden wieder -spekuliren können. Sollte indeß auch der Spekulations-Geist, (wie es -von Vielen erwartet wird,) durch ein zurückkehrendes Vertrauen wieder -Raum gewinnen, so dürften doch die Wollpreise nicht zu ihrer vormaligen -Höhe zurückkehren, weil die Production, wie es scheint, bei Weitem die -Consumtion übersteigt. Obgleich über die erstere keine zuverlässige -statistische Uebersicht existirt, so glaubt der Verfasser dennoch, -daß dieselbe in den gesammten Vereinigten Staaten, van Diemens Land, -Australien und Europa auf drei Pfund für jeden Kopf anzuschlagen ist, -welches Quantum zu groß wäre, um in Einem Jahre verbraucht zu werden. -Wirft man einen Blick auf die nachgebliebenen Bestände des rohen -Materials und auf<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> die Vorräthe der daraus verfertigten Stoffe mit der -Berücksichtigung, daß die neuen Wollmärkte nicht fern mehr sind, so -wird man eine Umwälzung in diesem Geschäft nicht für unwahrscheinlich -halten. Dies, wie bemerkt en passant und nun zur Hauptsache zurück!</p> - -<p>Durch jene Maßregeln der Bank of England mußte nun im Waarenverkaufe -(denn Absatz kann man denselben nicht nennen, da noch Alles ungebraucht -da lag) eine Stockung entstehen. Nichts desto weniger wurden in den, -für den Welthandel eingerichteten Fabriken täglich Massen fertig — -was auf die Preise so nachtheilig wirkte, daß sie in Kurzem eine -Veränderung von 25–30 Procent erlitten; mit diesem Verlust hat der -Verfasser selbst bedeutende Parthieen verkauft. Den englischen -Fabrikanten kam diese Stockung unerwartet; sie waren nunmehr gezwungen, -andere Märkte für ihre Erzeugnisse zu suchen, denn fort mußten sie, da -mit jedem Tage neue fertig wurden. Wohin damit? Nach den westindischen -Colonieen, nach Havana, nach St. Thomas, Vera-Cruz etc. In allen -Fabrikstädten Englands wimmelte es damals von Reisenden der dortigen -erprobten Commissionaire; diese sind bereit, den Fabrikanten die -Hälfte des Werths auf die in Commission ihnen zuzuschickenden Waaren -vorzuschießen, und beauftragen ihre Freunde in London, hierin, so lange -es den Fabrikanten belieben sollte, gegen Empfang der Connecemente -fortzufahren. Die Fabrikanten gingen darauf ein, weil sie sich von -ihren Waaren befreien mußten; wie es den Einsendern bekommen sein kann, -läßt sich nach meinem Handelsbericht aus Havana folgern.</p> - -<p>Auf solche Weise erfreute sich England des sogenannten Welthandels -— eines ruinirenden Handels, der durch die vielen Banken, die -Krebsschäden der englischen Fabrikwelt, entstand. Daß unter diesen -Umständen die Amerikanische Waarenhändler nicht auf Geld-Unter<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span>stützung -von Seiten Englands rechnen dürfen, möchte aus dem Vorhergehenden -so ziemlich einleuchten; noch deutlicher aber zeigt sich dies durch -folgenden Umstand.</p> - -<p>In Englands Interesse liegt es allerdings, den Amerikanischen -Manufactur-Waaren-Handel nicht allein zu erhalten, nein! sogar -auszudehnen, weil hierdurch Englands Grundeigenthum an Werth gewinnt, -und durch letzteren wird überhaupt der Reichthum eines Landes -bestimmt. Daß Englands Grundeigenthum hauptsächlich in seinen zum -Theil unbeschäftigten Fabriken, und Maschinerieen besteht, hat sich -in diesem letzten Jahre mehr als je gezeigt. Durch den Abfluß der -coursirenden Münzen für die früher angeführten aus Deutschland, Rußland -u. s. w. importirte Waaren, wozu noch, wegen der Mißärndte und des -Getraidemangels in England das aus Deutschland einzuführende Getraide -kam, hierdurch also wurde der fünfte Theil der englischen Baarschaft, -(welche nach statistischen Berichten im Jahre 1824 sich auf etwa 24 -Millionen L. St. belief,<a name="FNAnker_H_8" id="FNAnker_H_8"></a><a href="#Fussnote_H_8" class="fnanchor">[H]</a>) den vereinigten Königreichen entzogen. -Da nun die englische Bank für ihre übermäßige Anzahl von Noten keine -andere Hypothek als die coursirende Münze darbieten kann, so wurden -hierdurch die Grundsäulen der englischen Bank dermaßen erschüttert, daß -sie zu einer Anleihe in Frankreich ihre Zuflucht nehmen mußte.</p> - -<p>England muß mithin durchaus den Wahn aufgeben, daß der Reichthum nur -aus den Fabriken hervorwachse, sonst dürfte vielleicht noch die Zeit -kommen, daß sich englische Fabrikanten zum Eintausch von Getraide mit -ihren Erzeugnissen auf den deutschen Kornmärkten zeigen müssen.</p> - -<p>Doch ich kehre von dieser Digression nach New-York, nach Wallstreet, -dem Sitze der weisen Geschäfts-<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span>Welt Amerika’s, dem großen Congreß -aller Bank-, Eisenbahn- und Canal-Gesellschaften zurück. Indem ich in -meinem Reise- und Notizen-Buche, aus welchem vorliegende Schilderungen -entstanden sind, blättere, finde ich eine Stelle aus der Johanna -von Montfaucon: „Es muß blitzen, es wird blitzen, es blitzt“. Ich -drückte hierdurch aufs kürzeste meine Ansicht von dem Zustande der -Geschäftswelt aus, als ich nach meiner Ankunft aus Europa mich in -Pearl-Ceder-street etc. um die Waarengeschäfte bekümmert hatte, gerade -zu einer Zeit, wo die ganze Geschäftswelt in New-York wonnetrunken mit -Aufträge-Ertheilungen nach Europa und mit dem Abfertigen von Agenten -dorthin zum Einkauf für das Frühjahr beschäftigt war. „Es muß blitzen, -bevor zwei Jahre verstreichen,“ sagte ich zu mehreren meiner Bekannten, -und wenn Ihr in Euren Unternehmungen auf diese Weise fortfahrt, so habt -Ihr jedes Jahr ein schweres Ungewitter zu bekämpfen.</p> - -<p>Wovon ich in jener Zeit voraussagte, daß es kommen würde, das ist -früher gekommen, als ich es erwartete. Philadelphia’s Banken sind nicht -mehr, bald dürften die von Baltimore und andern Städten nachfolgen; -aller Augen sind jetzt auf die von New-Orleans und New-York gerichtet. -Jeder wünscht das Fortbestehen derselben, allein zu untersuchen wäre -es doch, ob dasselbe in der Zukunft wohlthätig oder schädlich wirken -wird und der Verfasser behält sich vor, später darauf zurückzukommen. -Derselbe glaubt, daß die Einstellung der Baarzahlungen zu einer -und derselben Zeit von allen amerikanischen Banken im Ganzen, eher -vortheilhaft als nachtheilig für das dortige Waarengeschäft sein -müßte. Freilich würden hierdurch momentan auch die Europäischen -Fabriken leiden, allein sie würden sich nachher aus ihrem kranken -Zustande erheben und geheilt werden. Kaufmännische Geschäfte können -nicht durch Kunst erweitert werden, jedes solche Mittel wird unter -hundert vorkommenden Fällen vielleicht<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span> Einmal glücken. Da das Uebel -in den beiderseitigen Geschäften durch die vielen Banken, wie bereits -gezeigt, verursacht worden ist, so wird die Heilung desselben nur -durch Ausrotten mehrerer Banken möglich sein, wozu jedoch Zeit und -vernünftige Maßregeln von Seiten der Regierung nöthig sind. Papiergeld -muß als ein zur Bequemlichkeit dienliches Mittel, aber nicht als das -für Geschäfte wahrhaft Fruchttragende angesehen werden; es kann nur in -so fern wirksam für Handel und Gewerbe sein, als eine hypothekarische -Sicherheit dafür vorhanden ist.</p> - -<p>Schon vor meiner Abreise nach Havana, bei meinem ersten Aufenthalt in -New-York, warnte ich manchen jungen Deutschen; sagte ich doch zu dem -Einen und Andern: lassen Sie sich nicht tief in die hiesigen Geschäfte -ein, wenn Ihnen Ihr oder Ihres Vaters Vermögen lieb ist. Man lachte -wegen meiner Furcht, man versicherte mir, Amerika sei das Land, in -welchem es nichts als gediegene unternehmende Kaufleute gebe, welche -rascher 12 Colly’s Waaren kaufen, als der deutsche Kaufmann eben so -viele Stücke. Alle jene jungen Kaufleute, die freilich noch nicht lange -aus der Schule entlassen waren, träumten von Glück, in einem Lande mit -einer Bevölkerung von 13 Millionen, mit schmutzigem Papiergelde, ohne -irgend eine Sicherheit zu haben, d. h. sie glaubten hier reich werden -zu können, während sie es für unmöglich hielten in ihrem Vaterlande -mit einer mehr als doppelten und zugleich reichen Bevölkerung Brod zu -erwerben. Allein diese Leutchen sangen jetzt ein anderes Lied, als ich -von Havana zurückkehrte und Mancher fragte mich: „Wie haben Sie das vor -Ihrer Abreise wissen können?“ Die Antwort war: weil die erste Ihrer -Banken mir für ihre eigene Bank-Noten nicht 200 Piaster in Gold, wie -ich es forderte, geben konnte.</p> - -<p>Indeß, meine damals niedergeschriebenen Notizen sind jetzt in so fern -überflüssig, als jetzt bereits das geschehen<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> ist, wovon ich damals -erwartete, daß es kommen würde; es ist schneller geschehen, als ich -es erwartete. Meine Warnungen, welche ich an die kaufmännische Welt -richten wollte, sind jetzt überflüssig, da dieselbe durch die neuern -Ereignisse selbst hinreichend gewarnt ist. Dies soll mich jedoch -nicht hindern, Mehreres von diesen Notizen mitzutheilen, was bei der -gegenwärtigen Lage zu wissen nicht unnütz sich beweisen wird. Zunächst -Einiges über die Handelsbilanz der V. S., worüber die Meisten so sehr -im Irrthum sind. Sie glauben, daß der Werth des Exports weit über dem -des Imports steht, allein das verhält sich auf entgegengesetzte Weise; -ich werde zum Beweise eine Tabelle von den Imports und Exports, so wie -von den zur Consumtion versteuerten Gütern in den Jahren 1829 bis 1839 -anfügen, woraus der Leser das für ihn Nützliche ziehen mag. Wenn selbst -der Export den Import im Werthe bei Weitem überstiege, so würde dies -keineswegs für die Solidität Bürgschaft gewähren, indem beide hierbei -wirkende Theile in ganz verschiedenen Verhältnissen sich befinden; -denn der Exporteur ist der Produzent, welcher für seine produzirte und -jetzt exportirte Güter den Betrag in Comptanten empfängt, die er seiner -Geldkiste in Sicherheit bringt, und nur vielleicht einen sehr geringen -Theil davon für Waaren, die importirt werden, verwendet; wogegen der -Importeur für den Belauf des Imports aus andern Mitteln Sorge zu tragen -hat. Folgendes ist die Liste hierüber, die nach den Washingtoner -Berichten (return) abgefaßt ist.</p> - -<p>Da es aber auch nicht ohne Interesse sein kann, zu wissen, aus und nach -welchen Ländern bestimmte Quanta importirt und exportirt worden sind, -so hat der Verfasser die Tabelle Nro. 2. beigefügt, welche über die In- -und Ausfuhr in den Jahren 1837 und 1838 Rechenschaft giebt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span></p> - -<p class="s3 center"><b>Nro. 1.</b></p> - -<table class="padlr0_5" summary="Handelsbilanz der V. S.; Nro. 1"> - <tr> - <td class="tdc"> - Import - </td> - <td class="tdc"> - Piaster - </td> - <td class="tdc"> - Export - </td> - <td class="tdc"> - Consumtion - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1829 - </td> - <td class="tdc"> -   74,492,527 - </td> - <td class="tdc"> -   62,258,671 - </td> - <td class="tdc"> -   57,834,649 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1830 - </td> - <td class="tdc"> -   70,876,920 - </td> - <td class="tdc"> -   73,849,508 - </td> - <td class="tdc"> -   58,499,441 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1831 - </td> - <td class="tdc"> -  163,191,133 - </td> - <td class="tdc"> -   81,310,533 - </td> - <td class="tdc"> -   83,157,593 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1832 - </td> - <td class="tdc"> -  101,029,266 - </td> - <td class="tdc"> -   87,176,943 - </td> - <td class="tdc"> -   76,989,793 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1833 - </td> - <td class="tdc"> -  108,118,311 - </td> - <td class="tdc"> -   90,130,433 - </td> - <td class="tdc"> -   88,295,576 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1834 - </td> - <td class="tdc"> -  126,521,332 - </td> - <td class="tdc"> -  104,336,973 - </td> - <td class="tdc"> -  102,708,521 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1835 - </td> - <td class="tdc"> -  149,896,742 - </td> - <td class="tdc"> -  121,603,077 - </td> - <td class="tdc"> -  129,391,247 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1836 - </td> - <td class="tdc"> -  189,980,035 - </td> - <td class="tdc"> -  128,663,540 - </td> - <td class="tdc"> -  168,233,675 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1837 - </td> - <td class="tdc"> -  140,989,217 - </td> - <td class="tdc"> -  117,419,376 - </td> - <td class="tdc"> -  119,134,255 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1838 - </td> - <td class="tdc"> -  113,717,404 - </td> - <td class="tdc"> -  104,486,616 - </td> - <td class="tdc"> -  101,264,609 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1839 - </td> - <td class="tdc bb"> -  170,600,000 - </td> - <td class="tdc bb"> -   96,351,450 - </td> - <td class="tdc bb"> -  140,000,000 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdc"> - 1207,772,888 - </td> - <td class="tdc"> - 1037,587,120 - </td> - <td class="tdc"> - 1123,561,359 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdc bb"> - 1037,587,120 - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdc" colspan="2"> - Mehr importirt als exportirt - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdr"> - für<a name="FNAnker_I_9" id="FNAnker_I_9"></a><a href="#Fussnote_I_9" class="fnanchor">[I]</a> - </td> - <td class="tdc"> -  170,185,768 - </td> - <td class="tdl" colspan="2"> - Piaster. - </td> - </tr> -</table> - -<table class="padtop1" summary="versteuerte Waren"> - <tr> - <td class="tdr" colspan="2"> - Wenn mithin, gemäß dieser Liste, die - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Einfuhr - </td> - <td class="tdr"> - Piaster  - </td> - <td class="tdc"> - 1,207,772,288 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl" colspan="2"> - betragen hat, wovon jedoch nur für - </td> - <td class="tdc bb"> - 1,123,561,359 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl" colspan="2"> - versteuert wurden, so sind die Waaren nur - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - für die Summe von - </td> - <td class="tdr"> - Piaster  - </td> - <td class="tdc"> -  <span class="hide">,</span> 84,211,529 - </td> - </tr> -</table> - -<p class="p0">entweder noch im Depot, oder sie sind aus den Depots zollfrei -plombirt ausgegangen und verschifft worden. Jetzt entsteht die -Frage, aus welcher Quelle die 1207 Millionen Piaster zur Baarzahlung -für den Import geschöpft werden? Denn der Baumwolle-, Reis- und -Tabacks-Produzent consumirt doch nur etwa den zehnten Theil der -importirten Waaren und schließt die übrigen <span class="zaehler">9</span>⁄<span class="nenner">10</span>, der erhaltenen -Baarzahlung in seiner Kiste ein. Sind folglich<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> die Amerikaner jene -Summe noch in diesem Augenblick den Europäern schuldig? Den größten -Theil derselben allerdings! erwiedert hierauf der Verfasser; es ist -ihnen jedoch Deckung dafür geworden; indem sie Eisenbahn-, Canal- -und andere Actien erhielten. Die Amerikaner haben mithin für den -Ertrag der Erzeugnisse ihres Bodens im Laufe aller 11 Jahre nichts -als Luxus-Artikel erhalten, welche zum Theil consumirt worden -sind, zum Theil aber auch noch bei den Jobbers in Pearl, Ceder- -und Chatham-Street in ihren Gewölben als veraltet und Ladenhüter -aufgestapelt liegen. Wollte man, wie ich bereits oben (P. 32.) bemerkt -habe, das Arbeitslohn darauf in Abrechnung bringen, so würde sich -dennoch ein bedeutender Verlust zeigen.</p> - -<p>So steht’s mithin mit der überall gepriesenen Handels-Bilanz der V. S.! -welchen Werth kann man auf Grund und Boden, selbst auf alle Gebäude in -den V. S. mit Sicherheit legen, wenn jener hauptsächlich zur Erzeugung -von Baumwolle; diese aber zum Verkauf der mit schwerem Arbeitslohn -belasteten daraus verfertigten Stoffe verwendet wird? Wodurch, wenn das -Jahr verstrichen ist, sich kein anderes Resultat ergiebt, als daß die -englischen Fabrikanten durch den ergiebigen Boden Amerika’s und durch -den eisernen Fleiß seiner Bewohner erhalten worden sind. Und womit -wollen diese wohl zuletzt die Imports bezahlen, wenn denselben nicht -Einhalt gethan wird? denn wenn die Preise der Baumwolle sinken, wie es -den Anschein hat, was könnte dann wohl den Amerikanern anders zu thun -übrig bleiben, (da schon jetzt bei den hohen Preisen der Belauf des -Exports nicht mehr hinreicht zur Deckung des Imports,) als Wall-Street -nebst allem Zubehör, wenn es möglich wäre, nach Europa zu befördern. -Das wäre denn gar nicht so übel, für die Broakers in jener Straße, denn -sie könnten mit den vielen für Manufactur-Waaren in London deponirten -Aktien<span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span> daselbst ihr Wesen treiben, wie sie es in New-York zu treiben -gewohnt sind.</p> - -<p class="s3 center"><b>Nro. 2.</b></p> - -<p>Tabelle vom Betrage der in dem Jahre 1837 importirten und exportirten -Waaren mit dem Verzeichnisse der verschiedenen Länder.</p> - -<p class="s3 center"><b>1<span class="g">8</span><span class="g">3</span><span class="g">7</span>.</b></p> - -<table class="padlr0_5" summary="Aufschlüsselung nach Ländern, 1837"> - <tr> - <td class="tdl"> - <em class="gesperrt">Namen der Länder.</em> - </td> - <td class="tdc"> - <em class="gesperrt">Import.</em> - </td> - <td class="tdc"> - <em class="gesperrt">Export.</em> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - England - </td> - <td class="tdc"> -  44,886,943 - </td> - <td class="tdc"> -  54,582,943 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Rußland - </td> - <td class="tdc"> -   2,816,166 - </td> - <td class="tdc"> -   1,306,732 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Schweden - </td> - <td class="tdc"> -   1,399,901 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>420,404 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Niederlande - </td> - <td class="tdc"> -   1,886,976 - </td> - <td class="tdc"> -   3,358,225 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Engl. Ostindien - </td> - <td class="tdc"> -   3,041,842 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>203,558 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Nord-Amerikan. Colonieen - </td> - <td class="tdc"> -   2,359,263 - </td> - <td class="tdc"> -   3,298,986 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Deutschland - </td> - <td class="tdc"> -   5,642,221 - </td> - <td class="tdc"> -   3,754,949 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Frankreich - </td> - <td class="tdc"> -  22,083,614 - </td> - <td class="tdc"> -  16,890,578 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Cuba - </td> - <td class="tdc"> -  12,447,922 - </td> - <td class="tdc"> -   6,367,603 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Porto-Rico - </td> - <td class="tdc"> -   2,481,082 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>569,916 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Italien - </td> - <td class="tdc"> -   1,827,181 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>623,677 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Triest - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>629,465 - </td> - <td class="tdc"> -   1,611,591 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Mexico - </td> - <td class="tdc"> -   5,654,002 - </td> - <td class="tdc"> -   3,880,323 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Brasilien - </td> - <td class="tdc"> -   4,001,983 - </td> - <td class="tdc"> -   1,743,209 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - China - </td> - <td class="tdc"> -   8,965,336 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>630,591 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Aus verschiedenen Ländern - </td> - <td class="tdc bb"> -  19,871,319 - </td> - <td class="tdc bb"> -  16,384,168 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - - </td> - <td class="tdc"> - 140,989,217 - </td> - <td class="tdc"> - 117,419,376 - </td> - </tr> -</table> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span></p> - -<p>Tabelle vom Betrage der in dem Jahre 1838 importirten und exportirten -Waaren mit dem Verzeichnisse der verschiedenen Länder.</p> - - -<p class="s3 center"><b>1<span class="g">8</span><span class="g">3</span><span class="g">8</span>.</b></p> - -<table class="padlr0_5" summary="Aufschlüsselung nach Ländern, 1838"> - <tr> - <td class="tdl"> - <em class="gesperrt">Namen der Länder.</em> - </td> - <td class="tdc"> - <em class="gesperrt">Import.</em> - </td> - <td class="tdc"> - <em class="gesperrt">Export.</em> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - England - </td> - <td class="tdc"> -  44,861,718 - </td> - <td class="tdc"> -  52,179,590 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Rußland - </td> - <td class="tdc"> -   1,898,396 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span> 84,944 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Schweden - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>854,771 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>277,431 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Niederlande - </td> - <td class="tdc"> -   1,180,897 - </td> - <td class="tdc"> -   2,954,248 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Engl. Ostindien - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>675,581 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>578,907 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Nord-Amerikan. Colonieen - </td> - <td class="tdc"> -   1,555,570 - </td> - <td class="tdc"> -   2,723,491 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Deutschland - </td> - <td class="tdc"> -   2,847,358 - </td> - <td class="tdc"> -   3,291,645 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Frankreich - </td> - <td class="tdc"> -  17,771,797 - </td> - <td class="tdc"> -  15,783,516 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Cuba - </td> - <td class="tdc"> -  11,694,812 - </td> - <td class="tdc"> -   6,175,758 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Porto-Rico - </td> - <td class="tdc"> -   2,636,152 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>723,052 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Italien - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>944,238 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>459,893 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Triest - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>372,378 - </td> - <td class="tdc"> -    <span class="hide">,</span>768,963 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Mexico - </td> - <td class="tdc"> -   3,500,769 - </td> - <td class="tdc"> -   2,164,097 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Brasilien - </td> - <td class="tdc"> -   3,191,238 - </td> - <td class="tdc"> -   2,057,194 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - China - </td> - <td class="tdc"> -   4,764,536 - </td> - <td class="tdc"> -   1,516,692 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - Aus verschiedenen Ländern - </td> - <td class="tdc bb"> -  14,007,205 - </td> - <td class="tdc bb"> -  22,747,285 - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdl"> - - </td> - <td class="tdc"> - 113,717,406 - </td> - <td class="tdc"> - 108,496,615 - </td> - </tr> -</table> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span></p> - -<p>Die Amerikaner müssen Baumwolle erzeugen, die Engländer müssen -dieselbe spinnen; beide Nationen gehören und passen daher zu -einander, aber dabei ist das Interesse beider zu beobachten. -Betrachten wir die herrlichen Mittel, welche die Natur den Amerikanern -zur Selbstständigkeit reichte; werfen wir einen Blick auf den -vortrefflichen Boden, wodurch alle menschlichen Bedürfnisse direct oder -indirect befriedigt werden können. Ein Land, geeignet zum Acker-, Wein- -und Seiden-Bau; ein Land, welches alle zur Fabrikation erforderlichen -Mittel im Ueberfluß hat, in dessen südlichen Provinzen Kaffee und -Zucker etc. wächst, welches bei Nachsuchung in den Bergen edle Metalle -liefern würde; ein Land, von dem man mit Recht sagen kann, daß darin -Milch und Honig fleußt, ein solches Land ist unglücklich, weil es nicht -mit der erforderlichen Umsicht administrirt wird. Wäre der edle große -Washington zugleich mit dem Geiste eines Peters des Großen begabt -gewesen: so wäre Amerika jetzt das erste und glücklichste Land auf dem -Erdball; es würde sich vielleicht einer Anzahl von Ausländern, die wir -Europäer nicht bedauern verloren zu haben, weniger erfreuen; allein -es würde statt dieser solche besitzen, wie diejenigen waren, welche -jener russische Monarch für sich zu gewinnen wußte, welche zum Heil der -russischen Nation gewirkt haben.</p> - -<p>Jedes Regenten erstes Bestreben muß auf Vertrauen gerichtet sein. -Volk und Regent fühlen sich nur glücklich, wenn sie mit Vertrauen auf -einander hinblicken, und gerade Vertrauen ist es, was der Regierung -der V. S. abgeht und bei der jetzigen Regierungsweise auch nicht -statt finden kann; denn die ungeheuern Revenüen werden vergeudet -(eines gelinderen Ausdrucks kann man sich nicht bedienen). Man kann -keinen andern Grund für den<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span> großen Geldaufwand angeben als den: -die amerikanische Regierung will die Aufmerksamkeit der ganzen Welt -auf sich ziehen; es soll gesagt werden: Nur die amerikanische Union -besitzt, gleich den Römern die Mittel, das Unmögliche möglich zu -machen, und zwar, weil sie Republik ist. Man werfe einen Blick auf -die Revenüen der V. S., die wir nachstehender Tabelle übersichtlich -dem Leser vorlegen, wobei wir die Einnahme für den Landverkauf, des -besonderen Interesses wegen, abgesondert anführen:</p> - -<table class="padlr0_5" summary="Revenüen der V. S."> - <tr> - <td class="tdc"> - Jahr. - </td> - <td class="tdc"> - Revenüen für Landverkauf. - </td> - <td class="tdc" colspan="2"> - Gesammte Revenüen. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdc"> - Piaster. - </td> - <td class="tdc"> - Piaster. - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1829 - </td> - <td class="tdc"> -  1,517,175 - </td> - <td class="tdc"> -  24,199,140 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1830 - </td> - <td class="tdc"> -  2,529,356 - </td> - <td class="tdc"> -  26,251,747 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1831 - </td> - <td class="tdc"> -  3,210,815 - </td> - <td class="tdc"> -  28,435,256 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1832 - </td> - <td class="tdc"> -  2,624,231 - </td> - <td class="tdc"> -  32,639,468 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1833 - </td> - <td class="tdc"> -  3,059,682 - </td> - <td class="tdc"> -  33,092,190 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1834 - </td> - <td class="tdc"> -   <span class="hide">,</span>488,620 - </td> - <td class="tdc"> -  16,703,566 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1835 - </td> - <td class="tdc"> - 18,751,600 - </td> - <td class="tdc"> -  98,142,710 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1836 - </td> - <td class="tdc"> - 24,500,000 - </td> - <td class="tdc"> -  47,909,940 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1837 - </td> - <td class="tdc"> -  6,776,236 - </td> - <td class="tdc"> -  23,499,981 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1838 - </td> - <td class="tdc"> -  3,136,828 - </td> - <td class="tdc"> -  38,127,954 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 1839 - </td> - <td class="tdc"> -  5,000,000 - </td> - <td class="tdc bb"> -  28,780,000 - </td> - <td class="tdr"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdr"> - Summa - </td> - <td class="tdc"> - 397,781,952 - </td> - <td class="tdr"> - P. - </td> - </tr> - -</table> - -<p>Wozu nun, dürfte mancher Leser fragen, wurden diese drei hundert und -sechs und funfzig Millionen Piaster verwendet? Das Verfahren hierbei -ist folgendes: Beim Zusammentreten des Kongresses in Washington -(welches, nebenbei gesagt, ziemlich überflüssig ist, indem jeder Staat -seinen eigenen Präsidenten hat, welcher nach den Landesgesetzen den -Staat regiert; auch ist es wohl wahrscheinlich, daß in dem Verlauf von -einem Jahrzehend mehrere Staaten von der Union sich lossagen), also -beim Zusammentreten des Kongresses befinden sich die oben ange<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span>gebenen -jährlichen Revenüen in Washington und die Hauptgeschäfte desselben -bestehen jetzt darin, zu bestimmen, wozu sie verwendet werden sollen. -Es wird nächstdem auf das Bedächtigste in Erwägung gezogen, welche -Papiermühlen, bei einer etwa eintretenden Geldnoth, zur Abhülfe -derselben gewählt werden sollen. Nach einer anhaltenden und langen -Ueberlegung beschließt der Kongreß, den größeren Theil der Revenüen -zum Bau von Eisenbahnen zu verwenden. Die Wege von New-Orleans nach -New-York werden hierbei ausgeschlossen, um dem Mississippi nicht den -schuldigen Tribut von Menschenleben zu entziehen. Am wichtigsten -scheinen demselben die Wege, auf welchen zur Erbauung von Banken in -New-York die erforderlichen Granitblöcke herbeigeschafft werden können. -Höchst komisch! Banken und zu welchem Endzweck? Um den in denselben -arbeitenden Commis einen angenehmen Aufenthalt zu verschaffen. Da viele -unter den Lesern sein werden, welche die amerikanischen Banken für -das halten, was sie sein sollen und für ganz ähnlich den europäischen -Banken, so behält sich der Verf. vor, am Ende dieser Abtheilung -hierauf zurückzukommen. — Nachdem nun dieser Beschluß, welcher -die Herbeischaffung der Granitblöcke zum Gegenstand hat, glücklich -zu Stande gekommen ist, schreitet man zu einem noch weit wichtiger -scheinenden, nämlich ein Zollhaus zu bauen.<a name="FNAnker_J_10" id="FNAnker_J_10"></a><a href="#Fussnote_J_10" class="fnanchor">[J]</a> Es wird dekretirt, daß -ein Klumpen Goldes nach Italien geschickt werden soll, um Marmor zu -diesem Zwecke einkaufen zu lassen, welcher denn auch mit vielen Kosten -in fertigen Säulen, Platten u. s. w. herbeigeschafft wird. Und welchen -Ort hat man für dies Prachtgebäude gewählt? Eine Ecke von Wall-Street -und einer<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> anderen Straße, zu vergleichen mit der Ecke der Königs- und -Spandauer-Straße in Berlin. Der Leser würde sich indeß sehr irren, wenn -er dieses Zollgebäude als wirkliches Zollhaus ansähe. Keinesweges! -Dieses herrliche Gebäude, welches etwa eine Viertel-Stunde Weges von -den Bollwerken, dem Abladungs-Platze der Schiffe, entfernt liegt, soll -blos zum angenehmen Aufenthalt der Officianten dienen, und die Collys -sollen nach wie vor in die gemietheten public-stores kommen. Fragt man, -warum nicht zugleich ein großer Packhof an der Wasserseite erbaut und -mit jenem Prachtgebäude verbunden wird, so erhält man die Antwort: die -Eigenthümer des Grundes von der Wasserseite seien zu theuer damit, als -daß die Regierung darauf eingehen könnte. Ueber die Unbequemlichkeit, -welche hieraus für die Güter-Empfänger entsteht, habe ich bereits oben -gesprochen.</p> - -<p>Der Kongreß zu Washington ist mithin in voller Arbeit, die Revenüen -unterzubringen und vergißt hierbei die Hauptsache, nämlich für die -Erhaltung des öffentlichen Kredits Sorge zu tragen; Eisenbahnen, Kanäle -und Banken sind an der Tagesordnung. Sie halten es für überflüssig, -an die Erhaltung des Kredits zu denken, weil sie keinen haben; sie -begreifen nicht, wie die Revenüen besser zu placiren wären, als in -Eisenbahnen und italiänische Waaren. — Warum, möchte der Verfasser -diesen Kongreßmännern zurufen, warum verschleudert ihr euer Geld -zu diesen nichtigen Dingen? verwendet eure Einkünfte zu nützlichen -Zwecken, zu Prämien für einwandernde Fabrikanten, Bergwerker und -Oekonomen; verschafft euern Banknoten hypothekarische Sicherheit, -welche nur bei einer vernünftigen Administration gefunden werden -kann. Laßt Euch, amerikanische Herren, Katherinens, der Kaiserin von -Rußland Verfahren bei Einführung der ersten Banknoten (Bomaschkis) als -Beispiel dienen; sie ließ zur Sicherheit der Inhaber solcher Papiere -Fünf-<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span>Kopeken-Stücke aus Kupfer und Rubel von 2½ Pfund Gewicht -ausprägen. Oder werft eure Blicke auf die Hamburger Bank. Bürget doch -hier der Keller-Inhalt (die Baarschaft) für die Zahlfähigkeit; sieht -man doch in Hamburg, obgleich die Geschäfte in dieser Stadt noch -bedeutender, wie die in New-York sind, weder Geld, noch Banknoten; es -genügt hier die Versicherung des Bank-Direktors, Paul habe an Peter -dessen Forderung von seinen in den Kellern vorräthigen nobeln Metallen -überwiesen. Laßt Euch Englands Bank hierbei zur Warnung dienen, welche -in der letzten Zeit dadurch in Verlegenheit kam, daß sie nicht die -hinlängliche Quantität Geld im Keller hatte, um den Banknoten damit -entgegenkommen zu können.</p> - -<p>Da indeß Niemand die Herren des Kongresses hierauf aufmerksam macht -und sie selbst ihren Blick nicht so weit erheben, so geht Alles -im alten Schlendrian fort; die Revenüen werden vergeudet, die -Geldverlegenheiten währen fort und werden so lange fortwähren, bis von -Seiten aller Banken zur Einstellung der Baarzahlungen geschritten wird. -Eine homöopathische Kur muß mit der Banknoten-Krankheit vorgenommen -werden: sie ist durch den Ueberfluß von Banknoten entstanden und -muß durch einen noch größeren Ueberfluß geheilt werden. Alle Münzen -müssen erst in den V. S. zu den höchsten Seltenheiten gehören, man -muß für ein Fünf-Piaster-Stück fünf Stücke englischer Waaren kaufen -können, wenn Amerika geheilt, d. h. wenn der übermäßigen Einfuhr -jenes Artikels Schranken gesetzt und die Handels-Bilanz für den -ausländischen erfahrenen Kaufmann beachtenswerth werden soll, denn -die jetzige beweist, daß wenigstens innerhalb jeder 2 Jahre immer -eine Handelskrisis eintreten muß, und befindet sie sich doch, wie -die vorhergehende Tabelle zeigt, im krampfhaftesten Zustande. Lasse -man doch die Jobbers und die Manufaktur-Waaren-Schwindler<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> ihr Wesen -treiben, nur benehme man ihnen die Mittel, wodurch sie das Land in -noch größere Gefahr bringen. So wie man den unerfahrenen kleinen -Kindern keine verwundende Instrumente in die Hand giebt, so müssen -die am Waaren-Fieber Leidenden vor dem Besitz nobler Metalle bewahrt -werden. Man lasse sie für ihre Banknoten, wenn sie nämlich welche -haben, Amerikanische Erzeugnisse, wie Reis, Baumwolle, Taback, -Pelzwaaren u. s. w. kaufen, nach Europa befördern und für den Ertrag -Manufaktur-Waaren kommittiren, nur sorge man dafür, daß nicht noch -mehr Metall aus den V. S. als Rimessen und zwar blos für Manufakturen -wandert, indem die V. S. das Vierfache des von England für ihre -Baumwolle erhaltenen Preises zurückbezahlen.</p> - -<p>Die V. S. haben nicht solche Massen nobler Metalle, um das Arbeitslohn -für ihre Baumwolle in England mit Gold aufzuwiegen, und dieses gerade -ist’s, was den Hauptwerth der englischen Fabrikwaaren ausmacht. Man -bemerke die Lebensweise der Arbeiter in den englischen Fabrikörtern, -man sehe, wie sie 6, 8 und mehrere Stunden ununterbrochen in den -Schenken zechen, und zwar von solchen Getränken zechen, wovon ⅞ des -dafür bezahlten Geldwerthes zur Bezahlung der Zinsen der 850 Millionen -L. St. National-Schuld verwendet wird; erwägt man diese Umstände, so -wird man sehr bald zur Ueberzeugung kommen, daß die größere Hälfte -jener Zinsen durch Hülfe der Manufaktur-Waaren-Arbeiter herbei -geschafft wird.</p> - -<p>Rußland scheint anders zu denken, als die V. S., und das Fabriziren -zu Hause vor Allem als nöthig erachtet zu haben; deshalb die vielen -Fabriken, welche unbedingt zur Erhaltung der Gold- und Silber-Erträge -aus den Bergwerken am Caucasus, Nertschinsky und Ecatherinenburg -erforderlich sind; denn daß die letzteren nicht zugelangt haben würden, -um das Lohn für die Arbeiten an<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> in Rußland einzuführenden Waaren zu -bezahlen, leidet keinen Zweifel. Nicht minder wohl als Rußland befindet -sich Deutschland beim Kontinental-System (Zollverband genannt), welches -Preußen, wie oben (p. 17.) bemerkt, ohne gleich Napoleons Kanonen -anzuwenden, mit Dinte, Feder und Papier, zur Freude Deutschlands, in -kürzerer Zeit als möglich schien, zu Stande gebracht hat. Durch diese -Maßregeln haben das Russische und Preußische Gouvernement ihr Gold -und Silber dem Lande erhalten und für die coursirenden Papiergelder -ein allgemeines Zutrauen herbeigeführt. Man richte in dieser Hinsicht -nur einen Blick auf Preußen! Sind doch seine Kassen-Anweisungen im -Lande selbst nicht anders als mit einem Agio zu haben; während dem der -Werth des Goldes mit jedem Jahre in Deutschland sinkt, werden seine -Kassen-Anweisungen in jedem Lande für den vollen Werth genommen.</p> - -<p>Wenn die Regierung der V. S. diese letzten Thatsachen aufmerksam -beachten und die Frage an sich selbst richten wollte, warum man in -unserer Zeit auf das Papiergeld eines so herrlichen Landes wie Amerika -weniger Werth setzt, als vor 300 Jahren auf die Pelzflicke des Czaars -Wassiliewwitsch: so würde jene Regierung diese Frage sich eben so -beantworten müssen, als jeder Leser nach dem Vorhergehenden sie mit dem -Verfasser beantwortet: daß man nämlich zu einer Regierung, welche, ohne -die Ausgaben für Militair-Macht und Civilliste, sich einer jährlichen -Revenüe von 60–80, ja 100 Millionen Piaster erfreut und dabei in steter -Geldverlegenheit ist, kein Vertrauen haben kann.</p> - -<p>Für beide Reiche, Amerika und England, wäre in dieser Hinsicht die -Anwendung der homöopathischen Heilmethode zu empfehlen. Das erstere -Land müßte sich zum Fabrik-Staat erheben, das letztere um mehrere Grade -in der Fabrikations-Skala heruntergehen. Für<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> jenes würde alsdann eine -neue Sonne aufgehen und die Strahlen derselben dem letzteren minder -hell leuchten, aber dennoch fruchtbarer sich für dasselbe erweisen, -und was läge den Engländern hieran? da sie ja ohnehin wegen der vielen -Nebel sich an ein wenig Dunkelheit gewöhnt haben.</p> - -<p>So unausbleiblich es mir scheint, daß Amerika einst als mächtiger -Fabrik-Staat in der Welt glänzt, eben so wahrscheinlich ist es, daß die -Zinsenbezahlung von Seiten Englands für seine National-Schuld von 850 -Millionen Pfund in einigen Jahren eingestellt wird, da diese Maßregel -mit als ein Hauptmittel zur Rettung Englands betrachtet werden muß.</p> - -<p>In dem Falle, daß Amerika ein Fabrik-Staat wird, dürften die Folgen -davon für die Baumwoll-Producenten in demselben Maaße ersprießlich -sein, wie es in Deutschland der bedeutende Aufschwung der Fabrikation -der Wollen-Waaren (besonders Tuche) für die Producenten der -Schaafswolle geworden ist. Früher waren die letzteren beim Verkauf der -prima Materie, der Willkühr der englischen Fabrikanten Preis gegeben, -welche damals fast allein Tuche verfertigten; in der neuesten Zeit aber -werden die Preise auf den deutschen Wollmärkten hauptsächlich durch die -deutschen Fabrikanten bestimmt. Und warum sollte man nicht in Amerika -dasselbe in Beziehung auf die Baumwolle erwarten können?</p> - -<p>Indem der Verfasser ähnliche Gedanken, wie die hier dargelegten, in -New-York selbst äußerte, konnte es nicht ausbleiben, daß er scharfen -Tadel und Widerspruch fand; den allergrößten traf er bei seinen -eigenen Landsleuten, wenn er zu den Söhnen deutscher Fabrikanten, die -in Amerika Millionaire werden wollten, sagte: „Sie würden wohl daran -thun, Ihre Fabriken aus Deutschland hierher zu verpflanzen, weil Sie -hierdurch die Erlegung des hohen Eingangs-Zolles ersparen würden.“ -Haben wir nur, ent<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span>gegneten Jene, erst eine National-Bank, wogegen sich -die Regierung sträubt, so fehlt uns nichts! Also eine National-Bank! -d. h. ein solidarischer Verein, wodurch die ganze Nation, wenn es Noth -thäte, auf einmal bankerott werden könnte. Was sind denn eigentlich -amerikanische Banken und welches sind ihre Zwecke? Das soll jetzt der -Leser aufs bestimmteste erfahren.<a name="FNAnker_K_11" id="FNAnker_K_11"></a><a href="#Fussnote_K_11" class="fnanchor">[K]</a></p> - -<p>Wenn es Kaffeehäuser geben soll, so ist es nöthig, daß Cichorien -und Kaffee wächst: soll in den V. S. Handel sein, so muß es Banken -geben. Banquiers sind dort nichts als Hüter des amerikanischen -Papierschatzes und haben demzufolge nur den Schein von Banquiers; jeder -Handelsbeflissene in Amerika muß einen solchen Hüter haben, um seine -Dokumente 1stens gegen die Feuersgefahr, 2tens gegen die Diebe zu -schützen. Sie sorgen also, mit einem Worte, für feuer- und diebesfeste -Gebäude und Räume. Comptanten ist eine geringe Nebensache für den -amerikanischen Banquier, denn er kann dieselben vermittelst seiner -Holzschnitte auf dem, mit der gewöhnlichen Geduld begabten Papier in -sehr kurzer Zeit nach Belieben anfertigen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span></p> - -<p>Alle Verkäufe sind hier Zeitverkäufe; niemals sind sie auf kürzere -Zeitfrist als auf 6 Monate gewesen, in dieser letzten Zeit aber wohl -auf 8–10 Monate. Für den Belauf der gekauften Waaren verfertigt der -Käufer promissory-notes, d. h. schriftliche Versprechungen, wobei er -denkt: ich verspreche Zahlung zu leisten, wenn es mir möglich sein -wird, im entgegengesetzten Fall bleibt’s beim Versprechen. Alle diese -Noten werden nun in den Banken niedergelegt. Man kann sich eine Idee -von den auf einmal in den Banken eingehenden Noten machen, wenn ich -anführe, daß die Verkäufe nur zweimal im Jahr geschehen, die fürs -Frühjahr im Februar und die für den Herbst im August. Jeder Kaufmann, -der auf solche Weise mit den Banken in Verbindung steht, hat auf -Accomodation, d. h. auf Unterstützung von Seiten der Bank von 20 bis -100,000 Piaster Ansprüche, welche die Bank auf Verlangen mit ihren -eigenen Papieren befriedigt. Die in Baumwolle auf England Speculirenden -stehen mit den Banken in eben demselben Verhältnisse; sie bringen -ihre Wechsel dorthin zum Verkauf. Da nun, wie aus der obigen Ein- und -Ausfuhr-Liste hervorgeht, Amerika im Auslande mehr zu bezahlen, als -zu empfangen hat, so ist es natürlich, daß es stets an Wechseln auf -London fehlt und daß daher dieselben mit einem Aufgelde von 10 bis -12 Procent und zuweilen noch mehr verkauft werden; weigert sich nun -Jemand, so viel Aufgeld zu bezahlen und fordert vom Banquier Metall, um -dieses nach Europa zu schicken, so wird dies verweigert, und zwar aus -dem sehr natürlichen Grunde, weil er keins besitzt, und es heißt: die -Bank hat ihre Baarzahlungen eingestellt, was sich in Folge dieser bösen -Nachrede verwirklicht, da für die Noten keine andere Sicherheit als -Noten vorhanden sind. Daß diese vom Anfang an jede Stunde auf solche -Nachreden gefaßt sind, wird dem Leser jetzt wohl klar sein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span></p> - -<div class="section"> - -<h3 id="Oertlichkeiten_von_New_York"><span class="antiqua"><span class="s6">Ueber die</span><br /> -Oertlichkeiten von New-York, Volks-Charakter, Abreise</span><br /> -<span class="s6">und</span><br /> -<b>Ankunft in Hamburg.</b></h3> - -</div> - -<p>Ueberdrüßig des Treibens in Wall-Street und der Jobbers in den -verschiedenen mit englischen Baumwollen-Lappen überfüllten Straßen, -freute ich mich doch herzlich, daß ich während meiner ununterbrochenen -Wanderung wie natürlich auf keinen einzigen Geld-Aristokraten gestoßen -war — eine Race, die ich hasse, und welcher ich, gleich Nero, nur -Einen Kopf und Hals wünschen möchte, um sie mit Einem Streiche -auszurotten. In munterer Gemüthsstimmung beschloß ich, mich um andere -fröhlichere Dinge zu bekümmern; der Leser hat also von jetzt an keine -trockene kaufmännische Kost mehr zu fürchten.</p> - -<p>In einem Journal hatte ich den Tag zuvor gelesen, daß eine -Ehebruchs-Sache am Kriminalgerichts-Hofe verhandelt werden solle; -dorthin, dachte ich, mußt Du gehen, um Dich von der amerikanischen -Justiz zu unterrichten. Indem ich die Straße entlang schlendere, ohne -Bescheid zu wissen, und mich eben zurecht weisen lassen will, finde ich -in Middle-Street, an einem sehr schmalen Hause, die Firmen von 10–11 -Advokaten. Wo die Raben sich<span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span> aufhalten, da müssen todte Körper oder -wenn es auch nur ein corpus delicti ist — in der Nähe sich befinden, -der Gerichtshof kann nicht entfernt mehr sein. Ohne zu fragen ging -ich daher die Straße hinauf und plötzlich stand ich vor einem neuen, -mit egyptischen Säulen verzierten Gebäude; ich trat hinein und erfuhr -sogleich, daß ich am gewünschten Orte war, daß jedoch die Verhandlung -ausgesetzt sei, weil der Ehebrecher, ein im Schneiderlande Geborner, -gegen 30,000 Piaster (Bail) der Haft entlassen wäre und die Sache -wahrscheinlich auf dem Wege des Vergleichs abgemacht werden würde. -(Werden die 30,000 Piaster hierzu hinreichen?)</p> - -<p>Wozu wäre dieser prächtige Gerichtshof, dachte ich, erbaut, oder wozu -gäbe es Kriminal-Richter, wenn es keine Verbrecher gäbe; zudem kann -ich Liebe, besonders in den V. S., nicht für ein Verbrechen halten, -also, meinte ich, müssen außer dieser Schneider-Liebe noch andere -Dinge hier zum Vorschein kommen. In der Ueberzeugung, daß ich keinen -Ausländer hier antreffen würde, da die europäischen Ausreißer lauter -ehrliche Leute sein wollen, betrat ich das Innere des Hofes, dessen -innere Verzierung der äußeren nichts nachgab. Da saß der Richter -(Recorder) zwischen zwei Magistrats-Personen und ich drang so weit wie -möglich zu ihm heran, um die Neuigkeiten brühwarm aus der ersten Hand -zu erhalten. Es wurden während meiner Anwesenheit etwa 6 Verbrecher -abgefertigt, die Alle ihre Unschuld betheuerten und ich, der ich mich -zu den ersten Physiognomen nicht zähle, wollte sie schon für unschuldig -passiren lassen, allein der Recorder war anderer Meinung, da er sie -alle zu 6–12 monatlicher, harter Arbeit verurtheilte. Bei keiner von -allen Verhandlungen wurde geschrieben, vermuthlich, weil das Papier in -New-York zu bessern Zwecken (zu Banknoten) verbraucht wird.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span></p> - -<p>Den Rückweg machte ich durch Chatham, in der Hoffnung, vieles Neue -dort aufzufinden, um versprochener Weise darüber zu berichten, allein -ich fand Nichts von Erheblichkeit. Die noblen Ostpreußen, Polen, -Franzosen u. s. w., bewegten sich in ihrer gewöhnlichen Weise. Es -wurden viele Auctionen im Beisein von wenigen Käufern abgehalten; -Alle waren lüstern nach meinem Leibrock, Jeder wollte ihn kaufen. Da -jedoch dieser Rock der einzige auf meinen Reisen mir noch gebliebene -war, so lehnte ich alle Anträge in dieser Hinsicht ab und pries die -Havaneser-Commissionaire zum erstenmale im Stillen. Indeß sollte ich -denn doch nicht aus dieser interessanten und interessirten Straße -abziehen, ohne etwas erfahren zu haben. Als ich eben im Begriff war, -fortzugehen, begegnete ich einen Schweizer-Uhrenhändler aus Broad-way, -der in der Absicht dorthin gekommen war, eine goldene Uhr nebst Kette -zu finden, welche er Tages zuvor an einen jungen Mann für 87 Piaster -verkauft hatte, und die diesem während einer Conversation mit einem -Mädchen gestohlen worden war. Ich fand dieselbe in dem Auslege-Fenster -eines jüdischen Galanteriehändlers, der nicht mehr als 47 Piaster dafür -forderte. Auf meine Frage, ob er nicht vielleicht nach der Polizei -gehe, um diesen Vorfall zu melden, entgegnete er: „ich werde nicht so -thöricht sein, ich habe meine Zeit zu nützlichern Zwecken anzuwenden.“ -Sehr bald bekam ich Gelegenheit, mir die Gleichgültigkeit dieses -Uhrenhändlers bei diesem Diebstahl zu erklären. Unmittelbar nach dieser -Conversation traf ich bei diesem Uhrenhändler einen sehr verdächtig -aussehenden jungen Mann als Verkäufer einer goldenen Uhrkette, welche -der Ladenherr in seiner rechten Hand auf den Werth von 4 Piaster -abschätzte und dem Verkäufer diesen Preis dafür zahlen wollte. „Ist -es denn Ihr Ernst; diese Kette für ein solches Lumpengeld zu kaufen?“ -fragte ich, „sie ist sicher gestohlen und Sie sollten sie daher<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span> gar -nicht kaufen wollen“, fuhr ich fort. „Kaufe ich sie nicht, so wird -sie in Chatham gekauft“, entgegnete er; indeß der Handel kam nicht zu -Stande, weil der Verkäufer große Eile verrieth und nicht lange handeln -wollte.</p> - -<p>Ich führe dies aus keinem anderen Grunde an, als um den Leser von der -Denkweise der hiesigen Käufer, die als solche stets auf ihrem Platze -stehen, zu unterrichten. Diebstähle können nicht leicht entdeckt -werden, da die Gegenstände vermöge der lebhaften Dampfschifffahrt -jede Viertel-Stunde expedirt werden können und da überdies sich stets -Einkäufer aus Westindien, zum Einkauf gestohlener Gegenstände, in allen -Städten der V. S. befinden.</p> - -<p>Mit der gewöhnlichen Entschuldigung aller Müßiggänger (denn zu -diesen gehörte ich jetzt), schlenderte ich zum Zeitvertreibe die -lange William-Street hinauf, um wo möglich eingewanderte Deutsche -anzutreffen. Da sah ich denn auch bald einen Troß, mit rosafarbenen -Strümpfen chaussirt, auf mich zukommen. Aus welchem Lande her? -fragte ich den ersten. Von Buffalo, entgegnete er, von dem Ort, -wohin wir durch den teuflischen Colonisten-Commissionär Wolf, in -der Washington-Straße, gebracht worden sind. Wir mußten ihm das -Passagier-Geld auf Dampfschiff und Kanalböten bis dahin abtragen und -erhielten dafür Karten. Als wir aber dort ankamen, wurden diese von den -Schiffern nicht respectirt und wir mußten die schon an Wolf erlegten -Summen nochmals erlegen. Wir waren nicht so schlecht daran, als viele -unserer Landsleute, deren Kassen erschöpft waren, nachdem sie den -reißenden Geld-Wolf befriedigt hatten. Diesen armen Leuten blieb kein -anderes Mittel übrig, als sich den Seelenverkäufern dort in die Arme zu -werfen. Dort lauern diese seelendurstige Deutsche im Besitze ihrer, um -ein Weniges von der Regierung erstandenen Ländereien, auf einwandernde, -dürftige, in der englischen Sprache unkun<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span>dige Menschen, denen unter -solchen Umständen zu ihrer Erhaltung nichts Anderes übrig bleibt, als -sich und die Ihrigen Jenen auf mehrere Jahre zu verpfänden.</p> - -<p>Ich hatte jetzt genug gehört und schreibe dies zur Warnung aller -unkundigen Auswanderer nieder, damit sie sich vor diesem Wolf -im Schaafsgewande hüten mögen. Er spricht mit Theilnahme zu den -ankommenden Colonisten, zeigt viel Herzlichkeit, giebt auch wohl, -nachdem er sich in Besitz der Gelder gesetzt hat, Empfehlungs-Briefe -an seinen Compagnon in Buffalo oder sonst irgendwo, aber ein solcher -Compagnon kann nicht gefunden werden, weil er keinen haben will, mit -dem er seinen Raub theilt.</p> - -<p>New-York eignet sich am wenigsten als Landungsplatz für die -Auswanderer, denn von hier aus muß eine weite Reise nach dem Innern, -woselbst Arbeiter nöthig sind, unternommen werden und diese ist mit -einem bedeutenden Kosten-Aufwande verbunden, welcher größtentheils -erspart wird, wenn man in Philadelphia, Boston, Baltimore oder -New-Orleans landet. Die beste Zeit zur Ankunft daselbst sind die Monate -October und November, weshalb die Monate Juli und August zur Abreise -zu empfehlen sind. Von Havre gehen wöchentlich Paquetboote ab. Ferner -möchte ich Jedem rathen, sich bei seiner Ankunft in Amerika an keinen -Commissionair zu wenden, sondern vielmehr irgend einen dort etablirten -deutschen Kaufmann aufzusuchen, welcher sich gewiß eher zur Hülfe, als -zum Berauben der Ankommenden bereit finden wird.</p> - -<p>Der berühmte Franklin empfahl es als Lebensregel, daß jeder Mann, -was er auch sonst treiben und unternehmen wolle, ein Gewerbe, ein -Handwerk lerne, weil Jeder in den Fall kommen könne, es gebrauchen zu -müssen. Ohne zu untersuchen, in wie fern dies auf Alle paßt, halte -ich es für gerathener, aus allen Fächern und Gewerben das Praktische, -was am häufigsten im Leben vor<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span>kömmt, sich anzueignen. Erlangt man -auch darin nur oberflächliche Kenntnisse und Fertigkeiten, so kann -man sich dadurch doch aus mancher Verlegenheit helfen, die für -Andere eben so empfindlich als schwer zu beseitigen ist. Der Leser -wird lächeln, wenn ich einige dieser Verlegenheiten näher bezeichne, -indessen — er lache meinetwegen — Strümpfe stopfen und Knöpfe an -Hemden oder Röcke anzusetzen und es gut zu verstehen, gehört zu den -Hauptkenntnissen für Jeden, welcher nach der neuen Welt reisen will, -denn von allen Wäscherinnen daselbst will sich keine zu dergleichen -Arbeiten verstehen. Hieraus geht denn die Alternative hervor: entweder -selbst Hand ans Werk zu legen, oder mit Löchern in den Strümpfen und -ohne Knöpfe am Rock umherzuwandern, oder, wenn es für den Gebrauch -nicht mehr tauglich ist, das alte Zeug durch neues zu ersetzen. Die -Leser, welche vielleicht von bedeutenden Sendungen von Leinen- und -Strumpf-Waaren nach der neuen Welt gehört haben, können aus meiner -Erzählung bald die Ursache dieser Sendungen auffinden.</p> - -<p>Nachdem ich den geneigten Leser von der Nothwendigkeit des Praktischen -in allen Fächern zu überzeugen gesucht habe, wird sich wohl Niemand -wundern, wenn ich versichere, daß ich mich in New-York auch des -Praktischen im Müßiggange befleißigte. Müßiggang praktisch ausgeübt, -kann erst zur Wissenschaft, hernach aber zur Kunst werden, allein -vielleicht giebt es auch hierin nur wenig wahrhafte Künstler, -obgleich die Zahl der Müßiggänger mit jedem Jahr zunimmt. Der -Müßiggangs-Künstler muß vor allen Dingen darauf achten, daß er keine -einzige Minute zur Disposition seiner Collegen übrig hat, er muß -vielmehr stets über Mangel an Zeit klagen.</p> - -<p>Da es indeß wenige praktische Müßiggänger giebt, so findet man viele -Hypochondristen unter ihnen. Um diesem Uebel entgegenzuarbeiten, sei -jeder Studiosus oder<span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span> Candidat des Müßigganges vorsichtig in der -Wahl seines Umganges; er vermeide die Trägen, die Geizigen und die -Gourmands, und wähle lebenslustige, mit Kenntnissen ausgerüstete Männer -als Gesellschafter, so wird der Müßiggang selbst für den thätigen Mann -weniger fühlbar sein. In New-York, wohin so Viele aus Deutschland wegen -zu großer Gedankenfreiheit sich geflüchtet haben, kostet die Wahl in -dieser Beziehung nicht so viel Mühe, als etwa in Bremen. Deshalb fand -ich denn auch dort sehr bald Leute, die mit mir sympathisirten, unter -Anderen einen Doctor, welcher, ich weiß nicht mehr genau, aus Hessen, -oder aus Baiern flüchten mußte und als Oberlehrer bei einer Schule -in New-York angestellt ist; ich fand in demselben, was ich zu finden -wünschte.</p> - -<p>„Wie wäre es,“ sagte dieser eines Nachmittags zu mir, „wenn wir, da das -Wetter so schön ist, mit einem der Dampfschiffe nach Staten-Island (dem -Quarantaine-Platz des New-Yorker Hafens) hinüberführen?“ Mir war das -ganz recht, und wir gingen sogleich zum Samson, dasselbe Dampfschiff, -welches an jenem Festtage, trotz seiner Stärke, nicht stark genug -war, die Masse von Menschen zu halten, und zehn Menschen das Leben -kostete. Heute that seine Samson’sche Kraft besser ihre Schuldigkeit -und bald standen wir auf dem etwa 400 Fuß hohen Belvedere. Nicht mit -sehnsuchtsvollern Blicken kann der Prinz von Coburg nach der ihm -bestimmten Brittish Queen (Victoria) sich umsehen, als ich nach der von -mir erwarteten Brittish Queen, das ganz neue Dampfschiff, welches von -London erwartet wurde und worauf ich meine Rückreise nach Europa machen -wollte. Allein vergebens! dreißig Meilen weit konnte ich von hier aus -die schönen Ufer betrachten und mit einem Tubus jedes Schiffssegel -unterscheiden, allein von der angebeteten Brittish Queen ließ sich -Nichts sehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span></p> - -<p>Unterdessen war es sieben Uhr und Zeit zur Rückkehr geworden. Wir -langten sehr bald an der Batterie an, wo ich mich vom Doctor trennte, -um nach meiner Wohnung zu gehen. Während ich über den Batterie-Platz -schlenderte, fand ich einen Polizei-Diener in seiner Function -begriffen; er weckte nämlich einen auf dem Rasen eingeschlummerten -Bürger aus seinen vielleicht süßen Träumen, mit den Worten: „wenn Sie -nicht sofort gehen, so müssen Sie fünf Piaster erlegen, denn das ist -der Preis für eine Schlafstelle hier;“ er stand auf und ging fort. -Einen so gutmüthigen und sanften Polizei-Beamten wollte ich persönlich -näher kennen lernen; ich war eben im Begriff, ihn anzureden, als ich -wegen seines übermäßigen Diensteifers bei der folgenden Sache davon -abgehalten wurde. Er trat nämlich an einen jungen Herrn heran, der von -einem großen New-Foundland-Dog begleitet wurde, um ihn auf das Gesetz -aufmerksam zu machen, wonach es ihm freistehe, den Hund zu tödten. -Jener zog denn auch sogleich einen Strick aus der Tasche und führte -ihn fort. „Milde Gesetze, noch mildere Vollstrecker und dennoch ein -sehr großer Gehorsam,“ sagte ich zu diesem treuen Staats-Beamten, als -er weiter gehen wollte. „Dies müssen wir wohl gegen unsere Mitbürger -sein,“ entgegnete er; „es thut mir oft leid, die armen Loafers aus dem -Schlafe zu wecken;“ — Loafers, muß ich bemerken, sind diejenigen, -welche keine Wohnungen haben, vielmehr stets auf dem Rasen, oder sonst -außer Betten schlafen; sie sind dessenungeachtet gewöhnlich sehr -anständig gekleidet. Eines Tages traf ich einen aus Berlin gebürtigen -Loafer in der Batterie, der mit Thränen in den Augen mich um ein -Almosen bat; er erzählte, daß er, mit allen erforderlichen Mitteln -ausgerüstet, hier angekommen sei, und, nachdem Alles aufgegangen, -sich zu den härtesten Arbeiten im Chaussee-Bau hergegeben habe; er -habe dieselben in physischer<span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span> Rücksicht nicht aushalten können, da er -wochenlang im Hospital zugebracht habe. — „Es thut mir leid,“ fuhr der -Polizei-Diener fort, „allein es ist meine Pflicht; hätte der Mann fünf -Piaster, so schliefe er sicher an einem bessern Ort; in einer halben -Stunde können Sie ihn an einem anderen öffentlichen Orte schlafend -finden.“ — Ein schwerer Dienst für Sie, sagte ich; wie hoch beläuft -sich Ihr Gehalt dafür? Nur auf 600 Piaster das ganze Jahr, wobei ich -noch jeden Tag die Flagge aufziehen muß — kein leichter Dienst! meinte -er.</p> - -<p>Nachdem ich in meinem Logis meine Sachen und Gelder revidirt hatte, -welche in New-York nicht selten in Abwesenheit des Eigenthümers -einen fremden Herrn finden, begab ich mich nach einer sehr beliebten -Bier-Kneipe, Shadow (Schatten) genannt, woselbst ich viele Deutsche, -Schweizer und Franzosen antraf, lauter Leute, die reich zu werden große -Lust hatten. Wir plauderten viel über Deutschland im Vergleich zu den -Vereinigten Staaten, besonders aber sprachen Jene über den Unwerth der -deutschen Goldmünzen, der Louisd’ore, welche den Leuten für 5⅔ Thlr. -aufgedrungen werden und dabei nur fünf Thlr. Werth haben, ferner von -den in Philadelphia gebrauten, giftartigen Bieren mit dem Zusatz von -Aloe und Taback — ein Beweis, daß nicht aller Kentucky-Taback gebissen -und verbissen wird. Da sich mein deutscher Magen hiergegen sträubte, so -verließ ich bald diesen Bier-Tempel.</p> - -<p>Am folgenden Sonntags-Morgen wollte ich den früher erwähnten -Demagogen-Prediger Försch noch einmal hören, allein er war der Ketzerei -angeklagt und von der Synode zur Verantwortung gezogen worden. Er -hatte seine Gemeinde in New-York verlassen und ein belletristisches -Wochenblatt gegründet, worin er sich gegen die Synode vertheidigte. -Dabei hatte er zugleich eine neue Gemeinde, einige Meilen von New-York -erlangt,<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> wo er nicht wenig Beifall fand und besonders viel mit -Trauungen und Taufen zu thun hatte. Bei einer der letztern, erzählte -mir der Doctor, soll jener Prediger die Eltern des Kindes gefragt -haben, ob er dasselbe in Dreiteufels- oder Gottes-Namens taufen -solle! Dazu führt die Glaubenslizenz! Ein Mann, der solchen Unsinn -begeht und die wichtigsten Wahrheiten des Christenthums öffentlich -verwarf, übt nach wie vor sein Predigtamt aus und wird noch sogar -stark besucht! Weniger Glück dagegen dürfte er mit seinem Blatte -machen, denn die Deutschen in New-York sind zu sehr mit dem Lesen in -Reiskörnern, Tabacksblättern, Schweinsborsten, besonders aber mit -ihrer promissory-notes beschäftigt, um Zeit zum Lesen der Journale -zu verwenden. Bücher wissenschaftlichen Inhalts finden in den V. S. -gar keinen Absatz; nur Schulbücher werden begehrt. Daß die New-Yorker -Jugend übrigens sehr gelehrig ist, ergiebt sich schon daraus, daß es so -viele gescheidte Männer in Wall-Street giebt.</p> - -<p>Unterdessen war von England die Nachricht eingegangen, daß die -Ausrüstung der Brittish-Queen mehr Zeit erfordere, als man geglaubt -habe, sie werde daher wohl um acht Tage später in New-York eintreffen. -Man muß den Damen Zeit zur Toilette lassen, dachte ich; auch hatte ich -so Manches noch in New-York zu sehen, daß mir die Verzögerung nicht so -unwillkommen war. Zunächst bekümmerte ich mich um das Praktische in der -wohlfeilsten Bekleidungsart in New-York. Alles ist hier enorm theuer, -sagten Viele; hat man 1500–2000 Piaster Jahrgehalt, und das Jahr ist -vorüber, so ist’s mit jener Summe geschehen. Ich habe indeß auf meinen -vielen Reisen gefunden, daß man auch in den für theuer ausgeschrieenen -Städten und Ländern bei einer gewissen Umsicht und Lokalkenntniß mit -Wenigem eben so gut und anständig leben kann, wie die Meisten, welche -vieles Geld aufwenden. Meines Erachtens sind die Berliner<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> Meister in -dieser Kunst. Man trage ein Souper, bestehend in Nichts anderem, als -sogenannten Pell-Kartoffeln, in silbernen Schaalen auf und jeder der -Gäste wird von einer boshaften Kritik sich abgehalten sehen, indem der -Kontrast ihn zum Nachdenken und Zweifeln bringt, doch zur Sache zurück! -Man behauptet, in New-York kostet ein Paar Stiefeln 11 Piaster, ein -Paar Pantalons 14, ein Rock 38 etc.; freilich in Broad-Way! allein ein -ehrlicher Schneidermeister in Oliver- und William Street begnügt sich -mit einem Piaster Arbeitslohn für ein Paar Pantalons und sechs Piaster -für einen Rock; kauft man nun das Tuch mit Sachkenntniß, so hat man ein -Kleid um den halben Preis. Eben so bekommt Ihr dauerhafte Stiefeln in -Nassau-Street um den halben Preis, aber hütet Euch, es bekannt werden -zu lassen, daß Ihr Stiefeln aus Nassau-Street tragt, denn Mancher würde -sich bedenken, mit Euch auf Broad-Way zu promeniren. Es ist für solche -Handwerksleute und Gastwirthe in den V. S. ein Glück, daß Viele hier -zwischen den beiden Ausdrücken:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wir verdienen, was wir brauchen und</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Wir brauchen,<a name="FNAnker_L_12" id="FNAnker_L_12"></a><a href="#Fussnote_L_12" class="fnanchor">[L]</a> was wir verdienen.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">keinen Unterschied finden können. Mit den Restaurateurs verhält es -sich eben so. Der Globe, Sans-Souci und die Gebrüder Dalmonico sind -diejenigen, welche nur von Leuten ersten Ranges besucht werden. Hier -findet man eine Speisecharte à la Paris in Form eines Buches. Obgleich -die Hälfte der darin angeführten Speisen gewöhnlich nicht zu haben ist, -so ist es doch eine außerordentliche Charte, und jede Speise, welche zu -haben und um<span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span> das doppelte schlechter und theurer ist, als die Speisen -im Dawning’schen Keller in Wall-Street, gilt nichts destoweniger als -außenordentlich und jeden als Preis werth. Der Eingeborne indeß ist -nicht so thöricht.</p> - -<p>Von den Abend-Vergnügungen hatte ich bisher nur einen schattenreichen -über die Bierkneipe Shadow abgestattet; ich wende mich zu den ersten -und zwar zu dem mit Gas beleuchteten Castle-Garden, ein Schloß-Garten -ohne Bäume. Doch nein! eine Trauerweide befindet sich am Eingange. Der -Weg zu diesem Garten führt über den Batterie-Platz, den Sammelplatz -der schönen Welt nach Sonnenuntergang; er ist mit Gas beleuchtet, -hat einen Quai von Granitstein zur Promenade und daneben stehen -Bänke für die Ermüdeten; eine herrliche Aussicht bietet sich dar -nach den gegenüber liegenden Ufern des Staates Jersey; auch gewähren -die am Abend vorüberfahrenden Dampfschiffe viel Vergnügen. Raketten -und Trompetenschall ließen sich im Innern, von den Balcons des -unbedeutenden Gartens vernehmen. Also zur Casse hin! Sie befindet -sich auf derselben Brücke, wo an der entgegengesetzten Seite ein -recht elegantes reinliches Flußbad liegt, wo man für fünf Piaster -Abonnement den ganzen Sommer hindurch baden kann. Als Ersatz für -Handtücher erhält man zwei Flicke von grober, grauer Packleinwand, -etwa eine Elle lang, welche nie gerollt werden, damit die Haut nicht -verzärtelt werde. Die Importeurs der englischen Waaren werden hier auf -eine bequeme Art ihre Emballagen los, wie mir gesagt worden ist. — -An der Casse erhielt ich zwei Carten für vier Schilling; für die eine -sollte ich, wie der Carten-Empfänger bemerkte, am Buffet Ice-cream -(Gefrornes) essen. In Erwägung, daß man Alles, ausgenommen Heirathen, -rasch betreiben muß, eilte ich schnell dem Schloß-Garten zu. Er ist -ganz wie die Pavillons auf der Aelster in Hamburg gebaut; in der Mitte -ist ein freier, mit Kieseln belegter Platz,<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span> worauf sich kleine Logen -mit Tischen und Bänken befinden. Drei von meinen Sinnen sollten also -für vier Schilling beschäftigt und befriedigt werden, allein ich sah -mich veranlaßt, den Garten zu verlassen, ehe das Concert begann und das -Feuerwerk abgebrannt wurde. Die beiden Sinne des Gefühls und Gehörs -gingen also leer aus, dafür aber wurde auf unerwartete Weise das Gefühl -sehr beschäftigt — durch Rippenstöße. Von dem Eis ist nur noch zu -sagen, daß man den Kältegrad des letzten Winters in New-York und die -Entfernung der Zucker-Plantagen darnach hätte berechnen können, denn es -war ein sehr hart gefrorner Eisklumpen ohne Geruch und Geschmack.</p> - -<p>Um über das Theater berichten zu können, muß man unbedingt dasselbe -besucht haben. Obgleich ein verwöhnter Kostgänger (woraus in der -Regel Kostverächter entstehen), entschloß ich mich dennoch aus -Anhänglichkeit für meinen ehemaligen Reisegefährten, den Director W., -das National-Theater zu besuchen.</p> - -<p>Da Logenschließer, wie mir versichert worden ist, in New-York große -Jahrgehalte von 6–800 Piaster beziehen, so begnügt sich der Director -mit Einem für jeden Rang derselben. Diejenigen, welche ihre Billets am -Eingange lösen, müssen sich mit den (vom Billetverkauf im Bureau) übrig -gebliebenen Plätzen begnügen und von diesen hat der Logenschließer ein -Verzeichniß. Durch diese Anordnung mußte ich wohl eine halbe Stunde auf -ein Plätzchen warten. Es wurde zum 14ten male die große Oper: Amalie, -gegeben, vom ersten englischen Componisten — doch nein! der erste ist -wohl der des Volksliedes: God save the king, also die vom allerletzten -englischen Componisten verfertigte Oper. Zwei Sänger und eine Sängerin -waren hierfür vom Covent-Garden-Theater engagirt worden. Die Yankees -waren entzückt und benahmen sich, als wären sämmtliche Sänger mit -Amphionsstimmen be<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span>gabt und als käme das Orchester und die Composition -selbst aus der Schule des Orpheus: jedes einzelne Stück mußte -wiederholt werden. Orpheus der Erste, als Dirigent des Orchesters ließ -sein Instrument (die Geige) durch die Schreiereien der Chöre nicht in -Schatten stellen, er wies sie vielmehr mit seinem kräftigen Arm in die -Schranken der Anständigkeit zurück. Ueber die prachtvolle Ausstattung -des Theaters, über die blauen und rothen Feuer, die am Schluß der Oper -brannten, will ich nichts sagen, da dieses Theater seit dieser Zeit im -Monat October 1839 durch ein Feuer ganz anderer Art abgebrannt ist.</p> - -<p>Auch Seiltänzer sah ich hierselbst, die Familie Ravelé. Da ich -dergleichen Künstler in sehr langer Zeit nicht gesehen hatte, so kann -ich wohl eher, wie die Meisten, ein Urtheil über die Fortschritte -in dieser Kunst fällen, und da muß ich denn bekennen, daß ich vor -30 Jahren mehr Sehenswertheres hierin als jetzt gesehen habe. Hat -vielleicht diese Kunst bald das Schicksal der Glas-Malerei, daß sie als -eine verlorne zu betrachten ist? Dieser Verlust würde gewiß von Wenigen -betrauert werden!</p> - -<p>Nach meiner Schilderung der Vergnügungen in den V. S. wird mancher -Leser, welcher diese Vergnügungen denen der freien Natur, welche die -V. S. in reichem Maaße darbieten, vorzieht, keine Neigung fühlen, -dieses Land zum Vergnügen zu besuchen. Abstrahirt man indeß von den -Vergnügungen der ersten Art, so kann nicht leicht ein Land gefunden -werden, worin man sich, mit Anwendung des Praktischen beim Reisen, die -Zeit besser verkürzen könnte, wie hier. Erscheinen doch in diesem Lande -täglich 1553 Zeitungen und Journale (dieses ist die Anzahl nach Angabe -des Morning-Heralds) von eben so vielen Redacteuren, die Alle es auf -das Vergnügen des Publikums anlegen und worunter es sehr viele witzige -Köpfe giebt. Unter diesen will ich vorzugsweise nur den<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> Redacteur des -Morning-Herald nennen, der täglich 17,000 Exemplare absetzt, ein Blatt, -auf welches Jeder mit noch weit größerer Begierde, als auf seinen -Caffee wartet und welches von Vielen mit größerem Appetit als dieser -verzehrt wird.</p> - -<p>Der Europäer überzeugt sich wenige Tage nach seiner Ankunft, daß das -von seiner Seite vermißte Militair, die Gensdarmerie und Polizei, durch -jene Blätter vertreten wird und daß für Republiken Preßfreiheit eine -unbedingte Nothwendigkeit ist, weil die Sittlichkeit, die öffentliche -Ordnung und Reinlichkeit in den Straßen lediglich durch die Presse -herbeigeführt wird. Der geringste Verstoß gegen Ruhe und Ordnung -wird sofort zur Publicität gebracht. Aber wie ist es den Redaktoren -möglich, so geschwind und unmittelbar ein solches Ereigniß rapportiren -zu können? Der Verfasser glaubt nicht zu irren, wenn er den früher -erwähnten Loafers, die in allen Straßen anzutreffen sind, einen -großen Antheil an der Berichterstattung zuschreibt. Ihr Honorar kann, -nach dem Preis der Blätter berechnet, freilich nicht von solcher Art -sein, daß sie ihre jetzigen Schlafstellen auf dem Rasen gegen solche -in Aster-House oder andern Hotels austauschen könnten, indeß wäre -letzteres der Fall, so würden alle nächtlichen Vorfälle in den Straßen -für die Redacteure verloren gehen.</p> - -<p>Was nun den allgemeinen Charakter der Amerikaner betrifft, so wird von -vielen Autoren, besonders auch von den neuesten Reisebeschreibern, -dem Amerikaner der V. S. Geldbegierde oder Habsucht zur Last gelegt. -Ehe ich das Resultat meiner Beobachtungen hierüber ausspreche, muß -ich Folgendes bemerken: Ist dieser Vorwurf, den die Europäer den -Amerikanern machen, gegründet, so fällt er auf die Europäer selbst -zurück; sind denn die Einwohner der V. S., mit Ausnahme weniger -eigentlicher Amerikaner,<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span> von indianischer Abkunft, nicht alle -Europäer?<a name="FNAnker_M_13" id="FNAnker_M_13"></a><a href="#Fussnote_M_13" class="fnanchor">[M]</a> Hört denn der in Amerika geborene Deutsche oder Franzose -auf, Deutscher und Franzose zu sein, und wird durch das Wohnen daselbst -zum Amerikaner? Wenn ein Edelmann im Kuhstalle geboren würde, wäre er -dann zum Bauer geworden? Also nicht der Ort bestimmt die Abstammung, -sondern das Volk, zu dem man ursprünglich gehört. Es wäre also zu -untersuchen, durch welche von den verschiedenen Abkömmlingen die -Geldbegierde hierher verpflanzt worden sei. Eine solche Untersuchung -aber führt uns auf die Engländer zurück, die, wenige Ausnahme -abgerechnet, überall den Hauptbestand der Bevölkerung in den nördlichen -Staaten bilden, und Sprache, Sitte und den Volkscharakter bestimmt -haben. Und der Apfel fällt, wie man weiß, nicht weit vom Stamme.</p> - -<p>Da die Bewohner der V. S. also von so verschiedener Abstammung sind, so -ist es unstatthaft, dieselben unter dem Namen von Amerikanern als ein -so oder solches Volk zu charakterisiren und Alles über einen Leisten -zu schustern, wie es gewöhnlich geschieht. Der Verfasser wird sich -daher bemühen, diese Amerikaner nach ihrer verschiedenen Abstammung -zu sondern und jeder einzelnen Abtheilung ihr Recht widerfahren zu -lassen. Und zunächst wollen wir, da doch nun einmal auch in Amerika die -Frauen den Männern vorangehen, auch hier den Amerikanischen Frauen den -Vortritt gestatten.</p> - -<p>Die Amerikanerinnen sind Freie, ohne frei zu sein und sehr schön. Wäre -ich Besitzer der Stobwasserschen Dosenfabrik, ich würde den Maler -zum Einsammeln von<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> schönen Modellen weiblicher Köpfe nach den V. S. -schicken, denn besonders in letzterer Hinsicht sind die Amerikanerinnen -ausgezeichnet.</p> - -<p>Daß man unter allen in Amerika Geborenen keinen Einzigen mit den -Grundsätzen eines Diogenes findet, ist wahr, allein ein solcher -Sonderling von Enthaltsamkeit möchte heutiges Tages auch in Europa -schwer anzutreffen sein. In der Tonne will Keiner mehr residiren; Jeder -strebt nach bequemer Wohnung, nach Annehmlichkeiten im Leben u. s. -w., und da solche Dinge uns nicht von selbst besuchen und zu unserm -Gebrauche sich darbieten, sondern nur gegen Geld zu haben sind, so -ist Keinem zu verargen, daß er nach Geld strebt. Tritt man in Amerika -in Männergesellschaften, so bemerkt man keinen Diogenes darunter, man -sieht sogleich das Zusammengesetzte der Bevölkerung; sie ist mit einem -Vaudeville zu vergleichen, in welchem man hin und wieder Musikstücke -berühmter Meister auffindet, wodurch die Bilder angenehm verlebter -Zeiten in der Seele wieder auftauchen, und während man hierbei in der -Vergangenheit schwärmt, überhört man manche Stücke, die wenig oder -gar kein Interesse für uns haben. Wer nun aber nach einem oder zwei -Stücken, die ihm gerade auffallen, das ganze Vaudeville beurtheilt, -der ist ein schlechter Kritiker; eben so leichtsinnig und ungerecht -urtheilen die Autoren, welche, wie schon bemerkt, nur von einem -allgemeinen Amerikaner sprechen, der gar nicht existirt.</p> - -<p>Die Amerikaner sind, so weit meine Erfahrung reicht, in folgende vier -Klassen einzutheilen:</p> - -<p>1. Der eigentliche Amerikaner indianischer Abstammung. Betrachtet man -denselben genauer, so entdeckt man bald etwas Originelles, oder, besser -gesagt, etwas Wildes an ihm. Man könnte ihn mit einem wilden Vogel -vergleichen, der aus dem Nest genommen und wie ein Hausthier erzogen -worden ist, in welchem aber plötzlich<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> sein natürlicher, in die Welt -mitgebrachter Instinkt zur Wildheit wieder auflebt, der ihn zur Flucht -aus dem friedlichen Erziehungsorte seines Wohlthäters antreibt. Ich sah -eines Tages einen im Rufe stehenden Amerikaner von Indianischem Stamme, -auf einem mit Sammet überzogenen Sopha ausgestreckt und die schmutzig -bestiefelten Füße auf dasselbe erheben, um sich durch Anstemmen gegen -die kostbar gemalte Seitenwand des Zimmers in eine bequemere Lage zu -bringen.</p> - -<p>2. Der Deutsche, den ich als Deutscher dem Eingebornen zunächst -anführe, ist, wie überall, auch in Amerika bald zu Hause, ja er scheint -fast in Amerika mehr einheimisch zu werden, als er es in Deutschland -sein würde. Die Kost kömmt ihm dort besser vor als zu Hause, der -amerikanische Essig hat nach seinem Geschmack mehr Weinartiges, -als der Rhein- und Moselwein; das Bier ist nach seiner Meinung das -allerbeste, welches in der Welt gebraut wird und die amerikanischen -Banknoten übersteigen in seinen Augen den Werth der Friedrichsd’ors; -mit Einem Worte, er bildet sich ein, Amerikaner zu sein. Ich meine hier -natürlich diejenigen Deutsche, welche sich in den letztern Jahren dort -angesiedelt haben, denn dort geborene Abkömmlinge früherer Einwanderer -sind freilich von ganz anderem Schlage. Die letztern freuen sich, wenn -sie einen deutschen Abkömmling erblicken; sie bemühen sich um seine -Bekanntschaft, um ihm erzählen zu können, daß seine Voreltern Deutsche -gewesen; man hört ihn mit Vergnügen die alten deutschen Sprüchwörter -aussprechen und befolgen; kurz das deutsche Gemüth ist in ihnen noch -nicht erstorben.</p> - -<p>3. Der Franzose weicht in jeder Beziehung von dem Amerikaner und -Deutschen ab. Er bleibt in Amerika, wie überall, Franzose in Sprache, -Kleidung und Lebensweise; er ist Franzose von Anfang bis zu Ende; er -fühlt sich glücklich, Republikaner zu sein, und noch glücklicher,<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span> -nicht zu den Yankees gezählt zu werden. Er politisirt noch mehr als -diese, flickt an Staat und Regierung, ist Staats-Oekonom, trinkt viel -Bordeaux-Wein (Essig), mit Wasser versetzt, ißt nach vaterländischer -Weise seine dreifache Portion Brod zu der Suppe und erblickt schon in -seiner Einbildung freudig die gefüllten Geldsäcke, welche zu gewinnen -er hierher gekommen ist. Am wenigsten wird man unter den Franzosen -einen Diogenes finden, denn Geld, recht viel Geld zu gewinnen, ist die -Tendenz ihres Treibens.</p> - -<p>4. Jetzt gehe ich zu den eigentlichen Yankees über, die bei Weitem den -größten Theil der Bevölkerung ausmachen. Auch hier müßte man wieder -das englische, das schottische und das irische Blut unterscheiden, -was jedoch mich hier zu weit führen würde; ich werde nur zwei Klassen -unterscheiden: die erste, der Abkömmlinge derjenigen, die sich seit -der Besitznahme Amerika’s dort niedergelassen haben, und die zweite -derer, welche nach und nach die Gewinnsucht dorthin geführt hat. Aber -sind denn die Engländer gewinnsüchtig? Der scharfblickende Napoleon -schilderte England als ein von Krämern bewohntes Land. Ein Krämer aber -muß, um als Krämer zu gelten, gewinnsüchtig sein: folglich wird man die -Gewinnsucht der englischen Nation nicht absprechen können.</p> - -<p>Die erste Klasse oder die von der früheren Generation sind allerdings -Sonderlinge, jedoch keinesweges, wie sie von so manchen Autoren -ausgeschrieen worden sind, Geldbegierige; sie sind lebenslustige -Menschen und streben daher nach Geld, um sich die Annehmlichkeiten des -Lebens, nach denen sie verlangen, zu verschaffen. Diesem Yankee ist -schon aus dem Grunde Nichts zu theuer, weil er sich durch splendide -Ausgaben von den alltäglichen Yankees zu unterscheiden wünscht; er -wirft daher mit dem Gelde um sich. Die Unterhaltung des Yankee ist -nicht eben sehr unterhaltend; denn er ist mit sich selbst<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span> uneinig, -ob er Engländer oder Nicht-Engländer sein soll und ist daher für die -Gesellschaft? — ein Yankee, jedoch ist er klug genug, sich in dieser -Yankee-Rolle angenehm zu machen und verdient also nicht zu den Dummen -gezählt zu werden; denn derjenige, der seine Dummheit zu verbergen -weiß, kann wohl zu den Klugen gerechnet werden. Da wissenschaftliche -Bücher, wie schon bemerkt, keine Abnehmer bei ihnen finden, so ist es -wohl selten, daß man wissenschaftlich Gebildete unter ihnen findet; -die Wissenschaft des Reichwerdens ist die einzige, die sie mit Glück -cultiviren, ja sogar mit der leeren Hand sich anzueignen verstehen, -indem die Regierung den Acker Landes für 1¼ bis 1½ Piaster (der -im cultivirten Zustande den hundertfachen Werth hat) hingiebt; indeß -sind diese gerade die Geachtetsten in den V. S., und verdienen es auch!</p> - -<p>Die zweite Klasse der Yankees ist zusammengesetzt aus lauter Engländern -der letzten Generation und denen, welche unter dem Beistand Gottes, der -vielen Banken Englands und der V. S., auch nicht minder zur Freude der -Fabrikanten in England, ihr Geschäft in Amerika treiben. Sie denken -stets an ihr Mutterland, sie finden es zwar nicht schlecht in den V. -S., da sie ja hieselbst ihren Endzweck des Geldverdienens erreichen, -und dabei auch recht gut leben, allein dennoch denkt Jeder nach Lord -Byron’s Spruch:</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">England! with all thy faults, I love thee still.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Und sehr natürlich! der Engländer fühlt sich nur in England zu -Hause; fehlt ihm doch überall das englische Kohlenfeuer, sein Topf -Porter-Bier, sein beaf-steak und seine langen Parlaments-Reden, welche -selbst Lord Byron als die vier köstlichsten Dinge Englands schildert: -und hätte er dieses alles, so fehlen ihm noch seine heimathlichen -starken Herbstnebel. Diese letzte Klasse, welche den vierten Theil -der Bewohner in den V. S. ausmacht,<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span> trägt wenig zur geselligen -Unterhaltung bei, jedem diesen Leuten die Worte „money making“ (Geld -verdienen) stets in ihren Ohren klingen. Aus diesen Gründen also ist -die Unterhaltung dort sehr trocken. Dagegen findet man überall in allen -Städten, Flecken und Dörfern ein außerordentlich reges Treiben, da -Jeder verdienen will; das Wort „Genügsamkeit“ kennt Niemand, deshalb -verderben auch so Viele.</p> - -<p>So angenehm auch das Reisen überhaupt erscheinen mag, so wird doch -der Leser, der meiner Erzählung mit Aufmerksamkeit und wohlwollendem -Vertrauen gefolgt ist, mit mir der Meinung sein, daß Jemand, der, sei -es zum Vergnügen oder zur Ausdehnung von kaufmännischen Geschäften, -eine Reise unternehmen will, keine glückliche Wahl trifft, wenn er -sich die V. S. oder Westindien wählt. Mag auch Westindien für den -Naturforscher vieles Anziehende darbieten, so haben doch die dort -einheimischen epidemischen Krankheiten, das gelbe Fieber, das schwarze -Erbrechen, die Cholera, verbunden mit der erbärmlichen Lebensweise, so -viel Abschreckendes, daß die meisten Naturforscher wohl sich freuen, -wenn sie diesem Lande den Rücken kehren können. Eben so wenig aber -sind die V. S. dem Reiselustigen zu empfehlen. Schon die Fahrt dahin -ist theils höchst gefährlich, theils höchst langweilig, mag man sich -nun der Dampfschiffe bedienen, von deren Gefährlichkeit oben die Rede -gewesen ist, oder der Segelschiffe, die zum Wenigsten 6–8 Wochen Zeit -gebrauchen, um die Strecke von 3228 Meilen von Portsmouth bis nach -New-York zurückzulegen. Während man im cultivirten Europa überall -vernünftige oder interessante Unterhaltung und geistreiche Getränke -in geselligen Circeln findet, vermißt man beides im neuen Welttheil, -dessen Cultur noch in der Kindheit ist. Man muß sich also für das Opfer -der geselligen Freuden entweder am Spieltisch zu unterhalten suchen, -oder man muß höchst mittel<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span>mäßige Theater und Concerte für enorm hohe -Entrée-Preise besuchen, wird dabei noch im Genuß ganz gestört und fühlt -die Ohren zerrissen durch das ununterbrochene Beifallklatschen und -Dacaporufen der Yankees. Beim Reisen in Europa braucht der Reisende -nicht unbequem in Boarding-Häusern und von außen groß scheinenden -Hotels zu wohnen; er wird bei der Abreise keine Rechnungen bezahlen -müssen für Speisen und Getränke, die er hätte genießen können und nach -der Meinung des Gastwirths hätte genießen können, aber er logirt in -reinlichen Gasthöfen und wird von ehrlichen Aufwärtern bedient. Mit der -dienenden Klasse hat es in Amerika seine eigene Bewandniß: Niemand will -hier als Diener angesehen sein, da es nach dem Gesetz keine persönliche -Unterwürfigkeit geben kann, und da Hülfsleistung weit höher als -Dienstleistung abgeschätzt werden muß, auch nach der Meinung Vieler gar -nicht zu bezahlen ist, so will jeder Diener sich als Gehülfe behandelt -wissen. Zieht man alle diese Umstände in Erwägung, so wird man von dem -Entschluß, eine Reise nach den V. S. zum Vergnügen zu unternehmen, bald -zurückkommen.</p> - -<p>Die Kaufleute, welche Speculations-Reisen nach den V. S. zu machen -gedenken, mögen die von mir dargelegten Beobachtungen und Erfahrungen -wohl erwägen, ehe sie zur Ausführung schreiten; mögen sie um so -mehr dabei bedenklich sein, wenn sie die dortige Justizpflege -berücksichtigen, nach welcher Jahre verstreichen, ehe man Prozesse -durch Advocaten eingeleitet sieht. Ergo, ist die neue Welt wunderschön -und gut, so kann ich mich doch aus vielen angeführten und anderen -Gründen des Urtheils nicht enthalten, daß die alte Welt besser ist. Und -selbst auch, was das Geldverdienen betrifft: sollte es nicht leichter -sein, in dem mit so vielen physischen, moralischen und pecuniären -Mitteln ausgerüsteten Europa, welches eine Bevölkerung von 220 bis -230 Millionen zählt, sein<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> Brod zu erwerben, als in den V. S. und -ganz Westindien, welche inclusive Neger, Mulatten u. s. w., kaum 35 -Millionen aufweisen können? Wer freilich Chatham und dergleichen Erwerb -aufzusuchen sich geneigt fühlt, der mag immerhin Europa verlassen!</p> - -<p>Endlich war der von mir ersehnte Tag da; die Brittish Queen war -angekommen und wollte nur einige Tage in New-York verweilen. Da ich so -ziemlich alles Sehenswerthe in Augenschein genommen hatte, so konnte -die Verkürzung der Frist mir nur angenehm sein. Etwas jedoch, was mir -sehr am Herzen lag und was ich bisher versäumt hatte, war noch zu thun -übrig, nämlich den berühmten Redacteur des Morning Herald zu besuchen. -Dieser Mann, dessen Blatt im ganzen Lande mit großer Begierde gelesen -wird, ist meines Erachtens eine der Hauptpersonen im Lande; sein Lob -und Tadel wird geliebt und gefürchtet, wie das eines Lehrers von seinen -Schülern. Ohne diesen Mann persönlich kennen gelernt zu haben, wollte -ich nicht gern von New-York abreisen. Ich theilte mein Vorhaben dem -obenerwähnten deutschen Doctor mit; dieser aber äußerte, es sei hierzu -wahrscheinlich zu spät, da jener Mann selten Jemand vor sich lasse; er -selbst habe in dieser Beziehung vergebliche Versuche gemacht.</p> - -<p>Als geübter Bekämpfer von Schwierigkeiten aller Art trat ich am Tage -vor meiner Abreise meine Wanderschaft nach seinem Bureau an. Zwar -wurde ich von seinen Untergebenen abgewiesen; da ich aber vernahm, daß -er in seinem Arbeitszimmer, 1 Treppe hoch, sich befinde, so ging ich -sofort hinauf. Er empfing mich sehr artig; zunächst gab ich ihm den -Endzweck meines Besuches zu erkennen, daß ich von seinem vielgelesenen -Blatte ein Exemplar in Berlin, wohin ich am folgenden Tage abreise, -jede Woche zu erhalten wünsche. Er freute sich, daß ihn ein Preuße mit -seinem Besuch beehre und sprach<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> Vieles zum Lobe unserer Landsleute. -Hierauf richtete er mehrere Fragen an mich in Beziehung auf die V. S., -wahrscheinlich in der Erwartung, Amerika gepriesen zu hören. Da ich -indeß in meinem Urtheile stets meiner Ueberzeugung folge, so sah er -sich zuletzt zu der ausdrücklichen Frage getrieben, ob die Amerikaner -nicht erstaunende Fortschritte gemacht hätten, worauf ich entgegnete, -daß sie bei dem guten Willen, den wir Europäer für sie gezeigt, indem -wir ihnen die Quintessenz unserer lebenslustigen Genies zukommen -ließen, viel weiter sein müßten, als sie sind. Er lachte und meinte, -man müsse nicht außer Acht lassen, daß das Land noch sehr jung sei; -hierauf bemerkte ich, daß man mit der Jugend begangene Thorheiten nicht -immer beschönigen könne u. s. w. Er entließ mich beim Abschiede höchst -artig und ich verließ ihn ganz befriedigt, da ich nicht weniger, als -ich erwartete, in ihm gefunden hatte.</p> - -<p>Mit Sehnsucht erwartete ich den Tag meiner Abreise, der mit dem 1. -August erschien. Am Bollwerk wimmelte es von Neugierigen, so daß -ich nur mit Mühe zum Schiff gelangen konnte; Jeder wünschte, das -majestätische Schiff sich in der Nähe ansehen zu können, allein, daß -den Majestäten schwer zu nahen ist, bewährte sich auch hier, denn -die vom Capitain aufgestellten Mulatten-Wachen ließen das abweisende -Wort vernehmen: die freien Entreen sind ohne Ausnahme nicht gültig. -Es war für die Stadt ein Festtag, denn neben den 2 Dampfschiffen, -die heute abfahren sollten, nämlich außer der Brittish Queen und der -Great Western, segelten noch 4 andere Schiffe an diesem Tage ab, und -entführten der Stadt 6 bis 700 Seelen. Alle Schiffe, die Ufer und -die auf diesem befindlichen Häuser waren mit Menschen übersäet und -zu unserer Begleitung waren sechs Dampfschiffe mit allen nöthigen -Erfrischungen für 8–10,000 Personen ausgerüstet und mit Musik-Chören -versehen; man sah Flaggen<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span> in den vielfältigsten Farben wehen. Unter -den 6 Schiffen zeichnete sich das für Seereisen bestimmte Dampfschiff -Neptun in jeder Hinsicht aus. Seiner Pflicht eingedenk, benahm sich -der mächtige Gott nicht anders, denn als Begleiter; um den schuldigen -Respect nicht außer Acht zu lassen, folgte er der kraftvollen Königin -auf der Ferse und seine Hofkapelle mußte immerfort das „God save the -Queen“ executiren, worauf ein allgemeines Hurrah erschallte. Unser -Capitain zeigte sich jetzt, wie zu erwarten stand, dem Wassergotte -dankbar; er supplicirte nämlich bei der brittischen Majestät, daß sie -sich ihrer Macht und Schnelligkeit nicht überheben wolle. Wir bewegten -uns demnach sehr langsam vorwärts und hatten recht lange das Vergnügen, -den herrlichen Inhalt jener 6 Schiffe mit der Elite der New-Yorker -Frauen in unserer Nähe zu sehen. Es war ein herrlicher Anblick, die -liebenswürdigen Amerikanerinnen zu sehen, wie sie mit ihren weißen -Battist-Tüchern wehten und den Abschied zuwinkten; ich glaube, der -festeste Hagestolz hätte nicht ungerührt dabei bleiben können. Auch -in meiner Brust stiegen Wünsche auf und — was wäre der Mensch ohne -Wünsche!</p> - -<p>Das Wetter war ausgezeichnet schön und die Zeit, welche zur Fahrt bis -zum Hafen erfordert wird, verstrich sehr bald. Jetzt erfolgte der -Abschiedsgruß und nachdem dieser mit großer Innigkeit ausgedrückt war, -wurde mit Trompetenschall zum Mittagessen eingeladen. Da jede Freude -um so stärker empfunden wird, wenn ihr ein Schmerz vorangeht, so mußte -jetzt der Anblick eines im prächtigen Salon in silbernen Gefäßen auf -den Tischen prangenden Mittagessens bei den Meisten wenigstens sehr -freudige Empfindungen erregen. Es war Alles so reich servirt, daß der -Werth der silbernen Geräthe vielleicht zur Erhaltung der Banken in -Philadelphia hätte zureichen dürfen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span></p> - -<p>Vor Allem erhielt jeder der Passagiere die polizeilichen -Schiffsverordnungen auf einer Carte; hiernach durfte vom Anfang bis zu -Ende der Reise der Platz bei Tische nicht gewechselt werden, es war -bestimmt, auf wie viele Bettüberzüge und Handtücher man Anspruch machen -dürfe. Unstreitig gehörte die Bestimmung, daß nach 11 Uhr kein Licht in -irgend einem der Zimmer geduldet werden solle, zu den allerbesten, und -es wurde auch sehr strenge darauf gehalten.</p> - -<p>Die Gesellschaft in beiden Cajüten bestand aus etwa 110 bis 130 -Personen; daß daher die Rückreise bei dieser bessern und zahlreichern -Gesellschaft mir mehr Unterhaltung gewähren werde, als die Hinreise auf -dem Quebeck, war zu erwarten. Bald zeigte sich dies aber auch deutlich, -indem man sich allgemein mir näherte und ich bei meinem Namen angeredet -wurde. Die Ursache hiervon aufzufinden gelang mir mit allem Nachdenken -nicht, bis ich endlich, als wir uns zum Mittagessen niedersetzten, -Aufschluß darüber erhielt. Mein Platz am Tische wurde mir nämlich in -der Nähe des Capitain Roberts angewiesen; Capitaine aber präsidiren in -der Regel auf allen Schiffen beim Mittagessen. Dieser Capitain, welcher -früher im Dienste der Königlichen Marine gestanden hatte, und also ein -höchst gebildeter und charmanter Mann war, reichte mir ein Extra-Blatt -des Morning Herald, welches eine Stunde vor unserer Abfahrt erschienen -war, mit der Aufforderung, die durch seinen Finger bezeichnete Stelle -zu lesen. Wie erstaunte ich, als ich den Endzweck meiner Reise durch -den Redakteur dieses Blattes, zwar sehr schmeichelhaft für mich, -allein auf ganz entgegengesetzte Weise berichtet fand! Er ließ mich -nämlich in der Eigenschaft eines Schriftstellers und zwar auf Kosten -der Preußischen Regierung reisen. Ich bedauerte die Unwahrheit des -ganzen Aufsatzes, hätte aber wohl gewünscht, daß ein Theil davon, -daß ich nämlich auf Kosten der<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span> Regierung reise, wahr gewesen wäre. -Der Aufsatz schloß mit der Versicherung, daß mein, wie er hoffe, -bald herauskommendes Buch über die V. S. seiner Meinung nach zu den -besten bis jetzt erschienenen werde gezählt werden können. Sollte -der Redakteur zu dieser Meinung durch meine Urtheile über die V. -S. veranlaßt worden sein? In diesem Falle könnte ich mich seiner -Zustimmung zu meiner Ansicht versichert halten und die Zustimmung eines -solchen Mannes wäre mir in jeder Hinsicht angenehm.</p> - -<p>So unangenehm mir indeß jener Irrthum war, den ich nicht ermangelte, -dem Capitain zu bezeichnen, so war mir derselbe doch nach genauer -Erwägung nicht unwillkommen. Der Redakteur jenes Blattes hatte die -ganze Masse von 600 Personen, die an jenem Tage New-York verließen, -analisirt und nur sieben männliche Personen, unter welchen auch -ich mich befand, von der Vagabonden-Liste ausgeschlossen: außer -diesen sieben und 200 Matrosen, waren sämmtliche übrigen Passagiere -Spitzbuben, Taschendiebe, Spieler von Profession, Stock-Jobbers, -Menschen ohne Beschäftigung, Herumtreiber (Loafers). Darunter sind -jedoch nicht zu vergessen: 24 alte Jungfern, 36 tugendhafte Frauen und -5 Prediger, welche unnamhafter Weise unter jenen aufgeführt waren.</p> - -<p>Die ganze Reise war Jedem höchst angenehm, weil einer von den -Direktoren der Dampfschifffahrts-Gesellschaft (Namens Lare) sich auf -dem Schiffe befand und in Verbindung mit dem Captain Roberts Alles -aufbot zum Vergnügen der Gesellschaft, und Alles abzustellen suchte, -was nur den Schein von Kleinheit hatte. Hiervon will ich nur einen -geringen Beweis anführen. Das Signal zum Aufstehen, welches des Morgens -um acht Uhr auf einer Trompete gegeben wurde, stimmte ganz mit dem -überein, welches in deutschen Dörfern die Hirten beim Heraustreiben des -lieben Viehes vernehmen lassen. Als ich dies<span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span> eines Morgens scherzhaft -berührt hatte, wurde dem Schiffs-Componisten (wie denn überhaupt -für jedes Geschäft besondere Officianten sich am Bord des Schiffes -befinden, z.B. zum Entpfropfen der Flaschen, zum Abfeuern der Kanonen -u. s. w.) der Befehl gegeben, ein für menschliche Ohren angenehmes -Thema zu wählen, worauf denn dieser, mit dem letzten Componisten der -großen Oper Amalie wetteifernd, ein Thema componirte, wie es die -Preußischen Extra-Post-Postillons blasen, — es war klassisch!</p> - -<p>Da sich der Capitain das Interesse der Passagiere so sehr angelegen -sein ließ, so machte ich der Gesellschaft den Vorschlag, unsere -Erkenntlichkeit durch ein Geschenk an den Tag zu legen. Mein -Vorschlag fand Anklang und bald waren 50 L. St. zur Anschaffung eines -Silbergeschirres, worauf die Namen der Steuerer zu engraviren wären, -zusammen. Die sich hiervon ausschlossen, sollten, wie man mir sagte, -Banquiers aus Philadelphia sein; waren sie vielleicht schon mit ihrer -Baarzahlung, die hier in Gold entrichtet werden mußte, auf der Hut, so -hat ihnen ihre Vorsicht nichts geholfen, denn die Banken Philadelphias -sind gefallen.</p> - -<p>Die Zeit auf der Reise verstrich mir unglaublich rasch; selten habe ich -in meinem bereisten Leben 14 Tage mit solcher Ruhe und Zufriedenheit -erlebt. Befand man sich im Saale, welcher ganz in der Form des -Audienz-Saales der Königin Elisabeth erbaut und ganz im Geschmack -dieser Zeit und mit derselben Pracht decorirt war, beim Mittagessen, so -hätte man glauben können, sich bei einer Königin zu Tische zu befinden, -da Speisen sowohl als Getränke königlich waren. Zum Trinken feiner -Weine findet Jeder bekanntlich leicht einen Beweggrund; ich fand einen -solchen sehr häufig in der Aufforderung vieler Reisegefährten, welche, -nachdem sie von dem Preußischen Schriftsteller im Herald gelesen, gern -ein Gläschen Champagner mit mir leeren wollten, was ich<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> denn auch -annahm. Dieser Aufsatz im Herald bewirkte demnach meine Versöhnung mit -einem Weine, den ich viele Jahre hindurch gehaßt hatte, wovon ich aber -hier, seiner Vortrefflichkeit wegen, manche Flasche leerte.</p> - -<p>Am Abend vertrieb man sich die Zeit durch Spielen Vingt-un, Ecarté, -Whist und Schach; die Vormittage wurden mit Wetten über die Meilenzahl, -welche das Schiff in den letzten 24 Stunden zurückgelegt haben würde, -hingebracht; nachdem die Observationen vollendet waren, wurde jene -Meilenzahl durch ein Bulletin bekannt gemacht. Auch befanden sich -Lotterie-Unternehmer am Bord, welche die Anzahl der während der letzten -12 Stunden gemachten Meilen, mit der vermuthlichen Steigerung, auf -Zetteln niederschrieben, zusammenrollten und aus einem Hut ziehen -ließen. Der Preis eines solchen Looses war 2–4 Schillinge; wer nun die -richtige Stunde gegriffen hatte, erhielt die ganze Summe. An den sehr -bedeutenden Wetten nahmen nur die Engländer Theil, sie wurden meistens -von 30 bis zu 50 L. St. abgeschlossen. Hierbei zeichnete sich vor Allen -ein, wie es schien, unschuldiger Jüngling aus, angeblich Sohn eines -englischen Lords. — Keine Summe schien ihm zu hoch zu sein; er wettete -auf die unsinnigste Weise 50 L. St. gegen 20 L. St., was die Yankees -zur Verbesserung ihrer Finanzen sehr zu benutzen sich angelegen sein -ließen. Allein als wir in Portsmouth ankamen und die Comptanten zum -Vorschein kommen sollten, siehe da! da waren keine zu finden. Es kam -zu merkwürdigen Auftritten, die Gewinner drängten ohne alle Rücksicht -auf den jungen Mann ein. Ein pensionirter englischer Oberst erhob -sich zuletzt als Retter für ihn und bot seine Gehalts-Quittungen an -Zahlungsstatt für den unerfahrenen jungen Mann. Man griff zu, aber -da die Sicherheitspapiere nur für einen kleinen Theil des Verlorenen -ausreichten, so begnügten sich Viele mit dem Ehrenworte des Jünglings, -seine Schulden in Lon<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span>don bezahlen zu wollen. Unter seinen Gläubigern -befand sich auch ein Franzose und dieser befand sich einmal, da -jener wieder eine Wette abschloß, in meiner Nähe. Er zeigte seine -Verwunderung über das unsinnige Wetten der Passagiere aus der ersten -Cajüte und sagte: „dieser Herr wettet bedeutende Summen mit den Herren -aus Ihrer Cajüte, während daß er uns allen, die mit ihm in der zweiten -Cajüte sich aufhalten, kleine Summen, die er im Whist u. s. w. verloren -hat, nicht bezahlt.“</p> - -<p>Als ich am folgenden Morgen beim Abschließen einer Wette von Bedeutung -zwischen dem Lords-Sohn und einem Liverpooler Kaufmann hinzutrat, -warnte ich den letztern vor einer gefahrvollen Wette, wobei Nichts -zu gewinnen stehe; der Kaufmann hielt die Erzählung von Seiten des -Franzosen für eine Verleumdung und erbot sich, sogleich die schuldige -Summe dem Franzosen auszuzahlen, wenn er ihm eine schriftliche -Anweisung auf seinen Schuldner einhändige. Der Franzose nahm nur die -Hälfte des Belaufs und war sehr froh, so viel erwischt zu haben. Die -Anweisung wurde auch später acceptirt, aber gleich den übrigen nicht -ausbezahlt. Der Liverpooler Kaufmann, der in Portsmouth blieb, bat -mich, an seiner Stelle sie in London einzukassiren; da aber jener mit -dem Gelde sich nicht bei mir gemeldet hat, so wünsche ich, daß der -Liverpooler Kaufmann seine Anweisung von mir in Empfang nehmen mag.</p> - -<p>In Portsmouth verließen uns auch diejenigen, welche ihre Reise nach -Frankreich fortsetzen wollten und Alle nahmen einen recht innigen -Abschied von uns. Der Wahrheit gemäß muß ich bekennen, daß mir derselbe -mit wärmeren Ausdrücken als vielen Andern zu Theil wurde, indem man -mir die Ehre erwiesen hatte, mir den Titel: leading soul of the -company (leitende Seele der Gesellschaft) beizulegen — eine Folge des -Champagner Geistes. Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß ich -mich zwar<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span> oft auf Paqueten in Gesellschaft vieler Passagiere befunden, -aber nirgends diese Eintracht und Herzlichkeit wie hier bemerkt habe. -Auch der Capitain äußerte sich auf dieselbe Weise gegen mich, dessen -Urtheil um so ehrenvoller ist, da er das erste Dampfschiff Syrius -nach Amerika geführt hat, weshalb man ihn auch in den sämmtlichen -Amerikanischen Staaten zum Ehrenbürger ernannte und seinen Namen in den -Annalen aufzeichnete.</p> - -<p>Von Gravesand aus mußten wir uns, wegen Mangel an Wasser, in der Themse -ein kleines Dampfschiff miethen, indem wir sonst wohl 24 Stunden -später in London angekommen wären. Der erste Steuerbeamte unseres -Dampfschiffes expedirte einen Untergebenen mit unsern Effecten nach -London ab; es wurde ihm ein Verzeichniß über Alles mitgegeben, welches -er in London zur Bescheinigung vorlegen und zurückbringen sollte. -Dieses schwerfällige Verfahren war für die Passagiere sehr unbequem. -Man denke sich, welche Zeit dazu erforderlich war, das Gepäck von einer -so großen Anzahl Reisender, wovon Niemand weniger als drei, Manche vier -bis fünf Stücke hatte, vom Ufer nach dem Revisions-Saale hinzuschaffen -und dies um so mehr, da nur vier Träger hierzu kommandirt waren, und -der Ueberbringer darf nicht eher zur Ueberlieferung schreiten, bevor -nicht jedes der mitgebrachten Stücke im Saale da liegt: mehrere Stunden -vergingen, ehe das Geschäft beendet war. Sämmtliche Herren warteten -im Nebenzimmer des Saales, aus welchem eine Thüre nach jenem führt -und eben so an der andern Seite die Damen. Nach dem Verzeichniß der -Angelangten, welches der Beamte von Gravesand mitgebracht hat, werden -jene nun, der Reihe nach, aufgerufen und in den Saal hineingelassen. -In den Gehirnen der sämmtlichen Revisoren befinden sich vermuthlich -brennende Cigarren, und da Cigarren als Monopol der Regierung zu -betrachten sind, indem für jedes Pfund neun Sch. (etwa drei Thlr.) -Steuer<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span> gezahlt wird, so sehen die Revisoren in den Koffern, Säcken u. -s. w. nichts als Cigarren.</p> - -<p>Da ich nur einige Tage in London zu verweilen mir vorgenommen hatte, -so nahm ich nur so viel Cigarren mit, als ich auf meiner Reise bis -nach Hamburg nöthig zu haben glaubte. Sie wurden gewogen und das -Gewicht auf 14 Unzen angegeben. Beim Fortgehen wurde ich vom Beamten -an Bezahlung der Steuergefälle für diese Cigarren erinnert, welche auf -10 Sch. (3½ Thlr.) bestimmt wurden. Vertraut mit der Landessprache -und den Gesetzen, erlaubte ich mir, gleich einem Eingebornen, den -Steuerbeamten auf seine gesetzwidrige Forderung aufmerksam zu machen -und die ihm gemäß der Constitution gebührenden Verweise zu geben. -Hierauf erwiederte derselbe mit großer Gelassenheit: „Wenn Sie sich als -Reisender zur Einführung einer Quantität Taback unter einem Pfund an -Gewicht berechtigt glauben, so bezahlen Sie nichts dafür.“ Dies geschah -denn natürlich.</p> - -<p>Sollte die englische Regierung nicht vielleicht noch einmal auf den -Einfall kommen, zum Wohl und zur Erleichterung der Reisenden eine -Revision wie die in Belgien einzuführen? Der Verfasser langte einst zu -Antwerpen in Gesellschaft von 140–150 Passagieren an und überzeugte -sich, daß sämmtliches Gepäck und Pässe in Zeit von einer ½ oder -höchstens ¾ Stunde durch zwei Beamte, welche sich sogleich nach Ankunft -des Dampfschiffes auf demselben eingefunden hatten, revidirt wurden.</p> - -<p>Mein Aufenthalt in London war, wie immer, nur von kurzer Dauer, da ich -diesem bewundernswürdigen Orte nie Geschmack abzugewinnen vermochte. Es -geht mir beinahe mit London, wie dem Philosophen Mendelssohn mit dem -Schachspiel; er urtheilte, daß es als Spiel zu viel, als ernsthafte -Sache zu wenig sei. Eben so ist mir London als Stadt zu groß, als -Königreich aber zu gering; die unendliche Anzahl der Wagen und Karren -in der City vom Mittag an bis um fünf Uhr Nachmittags muß Einem lästig -werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span></p> - -<p>Die Caledonia nach Hamburg! hieß es, ein überaus rasches, der general -steam-navigation-Company zugehöriges Schiff, in welchem sich mit jener -Eigenschaft Pracht und Herrlichkeit vereinigt haben. — Allein was -fand ich, als ich mich Morgens früh in die untern Räume begab, in -welchen die Ausstreckplätze für Reisende sich befinden? Eine finstere -Höhle, in welcher sich bereits sämmtliche Mitreisende am vorigen -Abend eingefunden und auf das Lager ausgestreckt hatten, eine Höhle, -angefüllt mit pestilenzialischen Gerüchen von altem Maschinen-Fett, -von abgestandenem Seewasser u. s. w. Mir wurde beinahe übel davon und -ich mußte dem Decke zueilen, um zur Besinnung zu gelangen. Zwei Nächte -sollte ich hier zubringen? Nachdem ich eben die Brittish Queen und -eins von den ersten Hotels verlassen hatte, mußte ich mich mit einem -Orte begnügen, ähnlich dem, worauf die Arbeitsleute Londons für einen -Pence schlafen. Indeß die Vernunft gebietet, Alles zu nehmen, wie es -ist und davon zu abstrahiren, was es sein könnte; dieser Vernunftlehre -folgte ich und fühlte mich daher nicht so unglücklich, wie mehrere -meiner Reisegefährten, von welchen ich nur einige sehr hohe russische -Staatsbeamten, einen General und einen Kaiserlichen Leibarzt, anführen -will. Diese fühlten sich in der That sehr unglücklich und um nicht in -jener mit grauenvollen Gerüchen überfüllten Höhle zu schlafen, legten -sie sich unentkleidet auf die Sopha’s in der obern Cajüte.</p> - -<p>Am zweiten Tage zerbrach eine Maschine dieser prächtigen Caledonia, -dennoch kamen wir weit rascher vorwärts als auf der Hinreise nach Hull -mit den geschwinden zwei Maschinen der Rob Roy. Bald freute ich mich zu -sehen, daß die hamburgischen Bootsleute noch gesund waren, uns rasch -der Caledonia entführten, und bald überzeugte ich mich, daß sie den -Werth der holsteinischen Zwei-Drittelstücke noch kannten, dies auch -leider schwerlich bald verlernen werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span></p> - -<p>Da saß ich nun endlich wieder an der table d’hote bei dem freundlichen -Wirth des Hotels St. Petersburg in der Mitte von Hamburgern. -Wie ich schon früher wiederholt gethan; so nahm ich auch jetzt -Gelegenheit, gegen das Verfahren der hamburger Regierung bei der -Brief-Versendung nach England mich dahin auszusprechen: „daß es weit -sicherer und zugleich auch vortheilhafter für Deutschland sein müsse, -seine Correspondenz statt in einem für Reisende ganz ungeeigneten -Dampfschiffe, lieber in einem von Hamburg aus besser ausgerüsteten, -unter Aufsicht des Hamburger Postamts, befördert zu wissen. Dadurch -würde der englischen Regierung das Amt eines General-Postmeisters -für diesen Theil der deutschen Schifffahrt streitig gemacht und -auch der Willkühr der general steam-navigation-Company in Erhebung -des Passage-Geldes Schranken gesetzt.“ Obgleich die Zuhörer mir -beipflichteten, so bin ich doch überzeugt, daß es beim Alten bleiben -wird, weil in Hamburg in einem weit höhern Grade gemeiner Geist als -Gemeingeist herrscht, was wohl dem Umstande zuzuschreiben ist, daß -es auch daselbst zu viele Commissionaire giebt. Es wird Manchem -unglaublich scheinen, wenn ich versichere, daß die größere Hälfte der -Bevölkerung auf direktem oder indirektem Wege von Commissionsgeschäften -nicht allein leben, sondern auch groß leben und zwar nicht selten 3–4 -Familien von einem und demselben Geschäft. Da giebt es Quartiers-Leute, -Litzenbrüder, Mäkler u. s. w. in Legionen, welche Alle zur Erhaltung -der Commissionaire auf das kräftigste wirken. Wer diese Wirksamkeit -belohnen muß, ist sehr klar. Sollte indeß Hannover dem Zollverbande -einstens beitreten, welches für diesen höchst wünschenswerth sein muß, -weil er durch Embden einen Landungspunkt in der Nordsee erlangte, so -dürften für Hamburg nach so viel fetten Jahren die magern nicht fern -mehr sein.</p> - -<h2 class="s3" id="Verbesserungen">Verbesserungen.</h2> - -<table class="padbot3" summary="Verbesserungen"> - <tr> - <td class="tdl"> - Seite - </td> - <td class="tdl"> - Zeile - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdl"> - - </td> - <td class="tdc"> - - </td> - <td class="tdl"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 26 - </td> - <td class="tdc"> - 24 - </td> - <td class="tdc"> - statt - </td> - <td class="tdl"> - einem brennenden Cigarren, - </td> - <td class="tdc"> - lies: - </td> - <td class="tdl"> - brennender Cigarr - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 33 - </td> - <td class="tdc"> -  3 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - Handelsstand bier, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - Handelsstand hier, - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 46 - </td> - <td class="tdc"> - 20 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - the hole in the wale, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - the hole in the Wall - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 52 - </td> - <td class="tdc"> -  2 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - Gäng und Gäbe, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - Gang und gebe - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 64 - </td> - <td class="tdc"> - 25 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - 40 Millionen, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 140 Millionen - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 66 - </td> - <td class="tdc"> - 19 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - Umstände, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - Bestände - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 67 - </td> - <td class="tdc"> - 30 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - aus Spekulation, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - auf Spekulation - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 74 - </td> - <td class="tdc"> - 33 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - aufgetrieben, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - aufgerieben - </td> - </tr> - <tr> - <td class="tdc"> - 75 - </td> - <td class="tdc"> - 19 - </td> - <td class="tdc"> - „ - </td> - <td class="tdl"> - 95 Piaster, - </td> - <td class="tdc"> - — - </td> - <td class="tdl"> - 98 Piaster, wie S. 1. - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="r30 break-before" /> - -<p class="s6 center">Gedruckt bei <em class="gesperrt">A. W. Hayn</em>.</p> - -<hr class="r30" /> - -<div class="chapter padtop3"> - -<div class="footnotes"> - -<p class="s3 center mtop1 mbot1">Fußnoten:</p> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_A_1" id="Fussnote_A_1"></a><a href="#FNAnker_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Anmerkung. Es ist dem Verfasser nicht unbekannt, daß in -den geographischen Handbüchern die Einwohnerzahl Cuba’s weit größer -angegeben wird; allein bestimmt läßt sich dieselbe nicht angeben, -da eine Zählung fast unmöglich ist; und nehmen wir auch an, daß sie -früher über 900,000 Einw. betragen hätte, so sind doch an der Cholera -150–200,000 Menschen, besonders Neger auf Cuba, gestorben, die noch -nicht ersetzt sind, indem die erforderlichen Kapitalien dazu fehlen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_B_2" id="Fussnote_B_2"></a><a href="#FNAnker_B_2"><span class="label">[B]</span></a> Anmerkung. Dies sind diejenigen Ballen, die, wie früher -bemerkt, für Ginghams, mithin für Baumwollen-Waaren einpassirten, -ungeachtet es wollene Waaren waren; — eine Revision hat mithin nicht -stattgefunden.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_C_3" id="Fussnote_C_3"></a><a href="#FNAnker_C_3"><span class="label">[C]</span></a> Anmerkung. Es ist in Havana üblich, vor der Promenade an -der Seeküste eine Tasse schwarzen Caffee zu trinken, um sie bis 9 Uhr, -der Zeit des Frühstücks fortsetzen zu können. Diese Stunden aber werden -allgemein als die passendsten zur Promenade angesehen, weil hier in -den Morgenstunden gewöhnlich ein kühler Nord- oder Nordostwind weht, -und man auch gewöhnlich an der Küste die Signale der sich annähernden -Schiffe vom Fort durch Flaggen angezeigt findet.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_D_4" id="Fussnote_D_4"></a><a href="#FNAnker_D_4"><span class="label">[D]</span></a> Anmerkung. Da es keine Bierbrauer in Havana giebt, so wird -zum Aufgehen des Brodes Sauerteig genommen und mit Schweineschmalz -vermischt.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_E_5" id="Fussnote_E_5"></a><a href="#FNAnker_E_5"><span class="label">[E]</span></a> Anmerkung. Um dies zu erklären, muß ich Folgendes -bemerken: hausirende Conditor-Neger tragen diese Delicen etwa eine -Stunde vor dem Mittagsessen in kleinen Portionen à 4–8 Sgr. auf einem -langen Brette auf dem Kopfe umher und da sich über den Confituren keine -Decke befindet, so sind dieselben mit Staub bedeckt und mit kleinen -Insekten überfüllt.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_F_6" id="Fussnote_F_6"></a><a href="#FNAnker_F_6"><span class="label">[F]</span></a> Anmerkung. Panaly ist Zucker in Gestalt einer Honigscheibe -aus rohem Zucker und Eiweiß, wodurch der Spanier seinen Sinnen -geschmeichelt glaubt. Zwei Panaly, eine halbe Citrone und ein Glas -Regenwasser wird mit 2 Gr. Cour. bezahlt und wird häufig und überall -zur Abkühlung getrunken.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_G_7" id="Fussnote_G_7"></a><a href="#FNAnker_G_7"><span class="label">[G]</span></a> Anmerkung. Kohlen ist einer der ersten Artikel in Havana, -da Alles bei Holzkohlen gekocht wird, Schornsteine findet man hier nur -bei Bäckern.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_H_8" id="Fussnote_H_8"></a><a href="#FNAnker_H_8"><span class="label">[H]</span></a> Anmerkung des Verfassers. Jetzt vielleicht nur noch 20 -Millionen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_I_9" id="Fussnote_I_9"></a><a href="#FNAnker_I_9"><span class="label">[I]</span></a> Anmerkung. Zieht man den bedeutenden Belauf der -geschmuggelten Waaren dabei noch in Erwägung, so zeigt sich der Ausfall -in der Handelsbilanz noch größer.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_J_10" id="Fussnote_J_10"></a><a href="#FNAnker_J_10"><span class="label">[J]</span></a> Anmerkung. Dieses Prachtgebäude kostet nicht mehr, aber -auch nicht weniger als 1,900,000 Piaster, nämlich 1,300,000 P. das -Gebäude, und 600,000 der Boden auf welchem es steht.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_K_11" id="Fussnote_K_11"></a><a href="#FNAnker_K_11"><span class="label">[K]</span></a> Anmerkung. Der Gründer der ersten Landbank in Amerika -war der Oberst Schute im Jahre 1715; für die eingezahlte baare Summe -von 50,000 L. St. wurden Zettel ausgegeben. Durch eine scheinbare -Unzulänglichkeit des neuen Zahlmittels wurde eine zweite Zettel-Ausgabe -von 100,000 L. St. angeordnet. Man schrie bald über die Ueberschwemmung -mit Papier, und die Zettel sanken unter die Hälfte des Nominalwerthes. -Shirley (ein englischer Rechtsgelehrter) schenkte der Unordnung im -Geldwesen seine Aufmerksamkeit, entfernte den größeren Theil des -Papiergeldes allmählich aus der Circulation, und hob hierdurch den -Cours desselben auf das Pari mit baarer Münze. Nach dem Aachener -Frieden war indeß der Werth der Bankzettel dermaßen gesunken, daß man -für 1200 L. St. Zettel nur 100 L. St. baares Geld erhielt. Im Jahre -1750 wurde alles in den nördlichen Brittisch-Amerikanischen Kolonieen -befindliche Papiergeld für werthlos erklärt.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_L_12" id="Fussnote_L_12"></a><a href="#FNAnker_L_12"><span class="label">[L]</span></a> Anmerkung. Wir brauchen, ist die gewöhnliche Redensart, -obgleich sie unrichtig ist, weil wir verbrauchen etc. gebraucht werden -müßte.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_M_13" id="Fussnote_M_13"></a><a href="#FNAnker_M_13"><span class="label">[M]</span></a> Anmerkung. Nach der Geschichte Virginiens unter König -Jacobs Regierung, der Plymouth-Compagnie und der Puritaner (im Jahre -1650) heißt jener Theil Amerika’s Neu England und die Bewohner -desselben heißen ein Jahrhundert hindurch Britten, Holländer und -Franzosen.</p></div> - -</div> - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Schilderungen des Treibens im Leben -und Handel in den Vereinigten Staat, by Julius Ries - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHILDERUNGEN DES TREIBENS *** - -***** This file should be named 54391-h.htm or 54391-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/4/3/9/54391/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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