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-The Project Gutenberg EBook of Die Harpyen von Madrit, oder die Postkutsche, by
-Alonso de Castillo Solórzano
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
-almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
-re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
-with this eBook or online at www.gutenberg.org/license
-
-
-Title: Die Harpyen von Madrit, oder die Postkutsche
- Aus dem Spanischen des Verfassers der Donna Rufina
-
-Author: Alonso de Castillo Solórzano
-
-Release Date: March 15, 2017 [EBook #54368]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HARPYEN VON MADRIT ***
-
-
-
-
-Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned
-images of public domain material from the Google Books
-project.)
-
-
-
-
-
-
- ####################################################################
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
- Der vorliegende Text wurde anhand der 1791 erschienenen Buchausgabe
- so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung
- und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend
- korrigiert. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter eingefügt.
-
- Einige altertümliche Ausdrücke sind aus heutiger Sicht teilweise
- schwer verständlich, dennoch wurden diese unverändert übernommen.
- Inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, sofern diese im
- Text mehrfach auftreten. Fremdsprachige Zitate und Ausdrücke wurden
- nicht korrigiert.
-
- Die von der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden in
- der vorliegenden Fassung mit den folgenden Symbolen gekennzeichnet:
-
- kursiv: _Unterstriche_
- gesperrt: +Pluszeichen+
-
- ####################################################################
-
-
-
-
-[Illustration: Donna Feliciana.
-
- _Ch. Sambach del._ _Cl. Kohl Sc. N._
-]
-
-
-
-
- DIE
-
- HARPYEN
-
- VON
-
- MADRIT,
-
- ODER DIE
-
- POSTKUTSCHE.
-
- AUS DEM SPANISCHEN
-
- DES VERFASSERS DER DONNA RUFINA.
-
- _Wien_,
- gedruckt und verlegt von Ignaz Alberti.
- 1791.
-
-
-
-
-Inhalt.
-
- Seite
-
- DIE HARPYEN VON MADRIT. 3
-
- ERSTE SPAZIERFAHRT. 37
-
- ZWEYTE SPAZIERFAHRT. 93
-
- DRITTE SPAZIERFAHRT. 140
-
- VIERTE SPAZIERFAHRT. 160
-
-
-
-
- _DIE
- HARPYEN
- VON MADRIT,
- ODER
- DIE POSTKUTSCHE._
-
-
-Sevilla, eine alte Stadt in Spanien, die Hauptstadt Andalusiens, die
-Schatzkammer der Reichthümer im südlichen Indien, die Vaterstadt
-der edelsten und erlauchtesten Familien, erzeugte auch zwey schöne
-Schwestern. Ihr Vater hatte in einer indischen Expedition sein Leben
-eingebüßt, und so lebten sie denn als arme, verlassene Waisen in
-Gesellschaft ihrer Mutter, die sich als Wittwe kümmerlich behalf;
-denn sie hatte mit ihrem Manne zu Havana zugleich all ihr Vermögen
-verloren. Ihre letzte Hoffnung bestand in einigen kleinen Schulden,
-die sie in Sevilla stehen hatte, und die ihr nun heraus bezahlt werden
-sollten. Es gelang ihr auch nach Wunsche, und sie beschloß, ihren
-Wohnsitz, und ihre Lebensart zu ändern, und zwar bevor sich das Gerücht
-vom Tod’ ihres Gemahls weiter verbreitet haben würde. Sie konnte noch
-nicht mit sich selbst überein kommen, ob sie Granada oder Cordova
-vorziehen sollte; und mitten in dieser Verwirrung trat eine ihrer
-ältesten Freundinnen zur Thür herein, der sie auch alsobald ihren
-Entschluß sammt den Schwierigkeiten, die sich fänden, vortrug. Das
-Mütterchen hatte manches in der Welt erfahren, und sprach der ehrlichen
-Frau bald Muth ein.
-
-„Liebe Theodore,“ sagte sie (so hieß unsre Wittwe), „es freut mich, daß
-Sie mir so treuherzig begegnet; und ich -- dabey nahm sie eine tüchtige
-Prise Spaniol -- und ich will eben so unbefangen reden; denn ich habe
-manche Schule durchlaufen, und habe Sie herzlich lieb. Wenn Sie eine
-Reise machen will, so fahre Sie nicht auf dem Teich’ auf und nieder;
-man kommt nicht weit. Granada und Cordova sind schon breite Ströme, auf
-denen sich eine schöne Spazierfahrt machen, und nebenbey ein tüchtiger
-Hecht an die Angel kriegen läßt. Sie wimmeln von Kaufleuten, Notarien;
-sie haben alle Edelleute und vermögliche Bürger; aber was sind sie
-wohl gegen Madrit, gegen die Residenz des Hofes? -- Ein Dorf. Was
-sag’ ich ein Dorf? -- Eine elende Bauernhütte. Madrit ist ein großes
-Meer, auf dem der Kahn, wie das Kriegsschiff, fortkommt, und auch ein
-kleines Boot nicht zurück bleibt. Alle Fremden versammeln sich dort;
-wer sich verstecken will, findet dort seinen Schlupfwinkel; es ist so
-groß, so belebt; mit einem Worte: wer sein Glück machen, wer aus dem
-Staube kriechen will, muß dort anfangen. Wie manche niedere Abkunft
-ist dort umgekauft worden, und hat für altes adeliges Geblüt gegolten!
-Alle Wunder und Verwandlungen geschehen dort. O Theodore, du hast ja
-gewonnen Spiel! Der Himmel hat dir so hübsche Dingerchen zu Töchtern
-gegeben. Wären sie mein, die lieben Närrchen; jede sollte mir so viel
-Ausbeute liefern, als eine Goldgrube in Indien.“
-
-„Ich hatte nur eine Nichte, mit der ich nach Madrit ging. Sie hatte
-nichts, als ein Paar schwarze Augen, und eine angenehme Stimme; aber
-ein gelehriges Köpfchen hatte sie, das sich in all und jedem nach mir
-richtete. Dafür ging auch alles wie am Schnürchen. Was gab es da nicht
-für Dublonen, für Gallakleider, für Perlen, für Schmuck? Wo war ein
-Fest, dem wir nicht beygewohnt hatten? Kurzum, sie war der Abendstern,
-der in Madrit schimmerte wir hatten alles in Überfluß, und hätten es
-noch, wenn sich die Hexe nicht Narrheiten in den Kopf gesetzt hätte.
-Da vergaffte sie sich in einen Hauptmann, der sie und mich ins Unglück
-stürzte. Gott verzeih’ ihm die Sünde, dem garstigen Kerl! Zuerst
-schwatzte er uns alles ab, was wir zusammen gebracht hatten, und am
-Ende kostete er sie gar ihr junges Leben. So ein Mädchen, das sein
-Glück in der Residenz machen will, muß gar nicht verliebt werden. Wenn
-nun erst du mit deinen zwey bildschönen Mädchen nach Madrit kommst, was
-kannst du dir erst versprechen? Was können sie nicht mit ihren übrigen
-angenehmen Eigenschaften für Glück machen? -- Der ganze junge reiche
-Adel wird dir nachlaufen. Je mehr ihr diesen Herrchen schmeichelt,
-desto untertäniger werden sie vor euch herum kriechen. Könnt’ ich dir
-Gesellschaft leisten, du würdest sehen, wie gut ich dir immer mit
-Rath und That an die Hand gehen würde. Ich hab’ aber schon über zwey
-Drittheile meines Lebens verlebt, und bereite mich nun in der Stille
-zu einem seligen Ende. Dafür will ich dir aber einen ausführlichen
-Unterricht niederkritzeln, und wie eine kleine Hausapotheke mitgeben,
-in der du alles finden wirst, was Zeit und Umstände fordern.“
-
-Die gute Alte weinte noch einige Thränen, und nahm von ihrer Freundinn,
-die sie nun vor ihrer Zusammenkunft in Elysium nicht mehr zu sehen
-Hoffnung hatte, den zärtlichsten Abschied. Sie hielt auch Wort, und
-schickte den kleinen Entwurf, von dem wir eben gehört haben, und
-der Theodoren in der Folge wirklich manche gute Dienste that. Die
-Reisegesellschaft bestellte sofort ihre Plätze auf dem Postwagen von
-Sevilla, versah sich mit einer ansehnlichen Guarderobe, und fuhr
-fröhlich nach Madrit ab.
-
-Indeß wir sie hinfahren lassen, ist es billig, daß wir die zwey
-Töchter Theodorens, die doch eigentlich unsere Hauptheldinnen sind,
-näher kennen lernen. Die ältere -- Feliciane hieß sie -- war zwischen
-achtzehn und neunzehn Jahren; ihr Antlitz war nach dem schönsten
-Ebenmaße geformt; sie hatte schwarze Haare, pechschwarze Augen, schön
-geschlitzte Nasenlöcher, einen reitzenden kleinen Mund, frische
-lüsterne Lippen, und kleine, enge, schneeweiße Zähne. Ihre Wangen
-hatten, ohne das, was die Kunst hinzu that, eine gesunde Röthe; ihr
-Blick war mild, und ihre Stimme war der feinste Silberton. Diese hatte
-sie auch nicht ganz ungebildet gelassen; sondern ein Musikmeister hatte
-sie so weit gebracht, daß sie zur Harfe oder Guitarre verschiedene
-Lieder so schmelzend singen konnte, daß es Wunder wirkte. Dabey war
-sie die reitzendste, leichteste Tänzerinn, die man sich vorstellen
-kann; man hätt’ ihr stundenlange zusehen können.
-
-Die andere Schwester, welche Louise hieß, war nun ein Jahr jünger als
-Feliciane; sie war ein wenig brunetter, hatte hell funkelnde Augen,
-die wie Blitze wirkten. Nase, Mund und Zähne waren ein wenig kleiner,
-als die ihrer Schwester, aber sie verloren nichts dadurch, sondern
-gewannen vielmehr einen eigenthümlichen Reitz. Sie war nicht so schlank
-aufgeschossen, aber dafür war sie lieblich, rund und kernicht. Sie
-tanzte und spielte auch die beyden Instrumente ein wenig besser, als
-ihre Schwester; wenn sie aber beyde spielten, war man in Verlegenheit,
-welcher man den Vorzug geben sollte.
-
-Mit diesen zwey Töchtern steuerte nun Theodore fort, wie ein Corsar,
-der mit einem festen Schiff’, und zwey Kanonen, denen nichts
-widerstehen kann, vom Lande stößt.
-
-Der Mutter lachte das Herz vor Freuden, wenn sie die zwey Lämmchen,
-die sie zum Schlachtaltare führte, so allerliebst vor sich sitzen sah,
-und schmiedete nun unablässig an Planen, die sogleich auf die Bahne
-gebracht werden sollten.
-
-Von Felicianen wußte man weiter keine Narrheit, die sie begangen hätte,
-als einige kleine Begünstigungen, die sie dem artigen Tanzmeister
-für seine Mühe mit Anstand nicht wohl abschlagen konnte. Ihre Mutter
-drückte ein Auge zu, da es nun schon vorbey war; dafür schärfte sie
-ihr aber nun Standhaftigkeit und Widersetzlichkeit ein, und hoffte
-von Louisen, sie würde ihre Erstlinge so reichlich an Mann bringen,
-daß damit beyde bezahlt wären, wie ein Vogelkrämer manchmahl ein Paar
-Rebhühner theuer verkauft, weil das eine um desto fetter ist, als das
-andere.
-
-Nun blieb Theodoren nichts mehr übrig, als daß sie ihren Töchtern
-Nahmen gab, und sich selbst einen anständigen beylegte; denn diese
-Vorsicht hatte ihr die Alte als höchst wichtig eingebunden. Da es
-nun schon einerley war, welchen sie wählte, beschloß sie sich in die
-vornehmsten Familien des Königreichs einzulügen. Sie nannte daher ihre
-älteste Donna Feliciana von Toledo; für die zweyte zog sie den Nahmen
-aus dem Hause Alba mit Haaren herbey, und sich selbst nannte sie mit
-Erlaubniß des Herzogs Donna Theodora von Cordona. Mit diesen prächtigen
-und wohlfeilen Nahmen geziert, erreichte die Gesellschaft das Stadtthor
-von Toledo. Sie packte nun ihre zwey Fräulein und ihr weniges Geräth
-ab; denn sie hatte fast alles zu barem Gelde gemacht, weil sie sich
-dann in Madrit ganz neu einrichten wollte.
-
-Sie brachten die Nacht ziemlich unbequem zu, und bezogen den nächsten
-Morgen eine ansehnliche Wohnung in der Degenstraße. In demselben wohnte
-ein alter Cavallero, der in der Erwartung einer Seneschallstelle für
-die Dienste, die er Seiner Majestät geleistet hatte, hier schon ein
-ganzes Jahr zubrachte. Es plagte ihn mit unter manchmahl die lange
-Weile, und er war denn sehr zufrieden, so artige Nachbarinnen zu
-erhalten. Er war auch ohne Verzug so höflich, sich ihnen zu allem, was
-sie befehlen würden, anzutragen. Sie dankten ihm für diese besondere
-Gefälligkeit, da sie nun weiter in keiner Verlegenheit wären, als wie
-sie einen anderen Miethwagen bestellen könnten, der sie den folgenden
-Tag nach Madrit brächte. Der Cavallero nahm auch sogleich dieß Geschäft
-über sich, und sie fuhren in seinem eigenen Wagen nach Madrit ab.
-
-Der Kutscher führte sie durch die Straße de la Merced in die
-Tolederstraße, von da kamen sie ans Thor von Quadalaxara, und in die
-Goldschmidgasse[A], und endlich auf die allberühmte große Straße
-(_calle mayor_). Da besann sich Theodore, daß diese Straße die Rennbahn
-sey, von der sie nun auf einem Chariot (_Galera_) auslaufen müßte, um
-ihr Seeräuberhandwerk zu treiben. Ohne lange zu berathschlagen, hielt
-sie so wohl nach ihrem eignen Urtheile, als nach den weisen Ermahnungen
-ihrer alten Freundinn, dafür, daß die Gegend um St. Sebastian von
-der Madriter Jugend am häufigsten besucht werde, theils weil hier
-das Theater wäre, theils weil diese Gegend, wie ihr der Kutscher zu
-ihrem größten Ärgernisse sagte, hierum manche Damen von zweydeutigem
-Gelichter bewohnten. Theodore ging über diesen Umstand hinaus, und
-beschloß, ihren Wohnsitz nicht weit von hier aufzuschlagen. Da sie aber
-dem Kutscher keinen Argwohn geben wollte, hieß sie ihn noch ein wenig
-weiter fortfahren, und so kamen sie durch die Hieronymusstraße in die
-Fürstenstraße. Als sie beyläufig in der Mitte derselben seyn mochten,
-sahen sie auf einem ganz artigen Hause einen Anschlagzettel an der Thür
-kleben. Theodore ließ anhalten, und las, daß ein geräumiges Gelaß zu
-vermiethen sey. Sie ließ den Wagen an das Haus fahren, und fragte, in
-welchem Stockwerke das Gelaß sey. Man sagte ihr, daß es zu ebner Erde,
-nur einige Stufen von der Hausthür, kurz, gerade so wäre, wie sie es
-nach ihrem löblichen Plane wünschen könnte. Sie ward denn mit der Magd,
-einem alten verdächtigen Figürchen, das ihnen die Wohnung gezeigt
-hatte, sogleich über den Preis einig, und ließ sich die Schlüssel geben.
-
-Sie gingen ins erste Gemach, und fanden eine ältliche Wittwe auf
-einem kleinen Polsterstuhle sitzen, die einen langen Rosenkranz in
-der Hand hielt, und eben ihre Abendstunden bethete. Sie saß ganz
-gravitätisch da, und ein Paar große Augengläser, die sie unter dem
-kleinen Häubchen fest gemacht hatte, gaben ihr ein noch ehrwürdigeres
-Ansehen. Sie stand sogleich auf, als sie Fremde kommen sah, und grüßte
-sie mit vieler Höflichkeit; als sie aber erst die zwey Mädchen näher
-erblickte, umarmte sie beyde mit einem lauten Jubel, und schrie:
-„So schöne Engelchen sollen wir ins Haus kriegen? Das ist ja gar
-allerliebst! Wollen Sie wirklich bey mir wohnen? -- Nu, das freut mich
-herzinniglich. Sie können unmöglich von Madrit seyn; denn sonst müßt’
-ich ja längst von so schönen Gesichtern gehört haben.“
-
-Theodore antwortete, daß sie gar nicht irre, und daß sie gerade aus
-Mexico in Neu-Spanien kämen.
-
-„Dacht’ ichs nicht gleich,“ sagte die Alte, indeß sie den langen
-Rosenkranz in die Tasche schob, und die Augengläser abnahm -- „dacht’
-ichs nicht gleich, daß sie aus einem andern Welttheile kommen, die
-Schätzchen? Ich bitte, setzen Sie sich; meine Töchter schlafen noch
-sorgenlos; das junge Völkchen schläft immer gern.“
-
-Die drey Mexicanerinnen gehorchten, und begannen über den Preis des
-Gelasses zu sprechen. Das Mütterchen erklärte ihnen sofort, daß das
-Haus nicht ihr gehöre; daß sie aber fünf Monathe befugt wäre, die
-leeren Wohnungen zu vermiethen; eigentlich gehöre das Gelaß einer ihrer
-Freundinnen, die sich nur auf eine kurze Zeit aus der Residenz entfernt
-hätte; indessen wolle sie sie doch bald zufrieden stellen, und mit
-dem Hausherrn sprechen, der ein friedliebender reicher Ritter wäre,
-der sich gern gegen jedermann gefällig bewiese. Sie sagte ihnen auch
-gleich, wie weit sie sich einlassen dürften. Sie kamen auch wirklich
-überein, gaben sich den gewöhnlichen Handschlag zum Zeichen, und nun
-traten aus einem Nebensaale zwey Damen, beyläufig von demselben
-Alter, und beynahe eben so schön, als unsre Heldinnen. Sie waren erst
-zur Hälfte gekleidet, in reinen weißleinenen Überröcken, und kleinen
-Mützchen von grüner Seide, die ihnen gar lieblich ließen. Die Haare
-waren aufgelöst, und schwammen großen Theils um die Schultern. Sie
-waren über die schönen Mexicanerinnen beynahe betroffen, grüßten sie
-aber doch ungemein artig; und als sie gar hörten, daß sie bey ihnen
-unter einem Dache wohnen würden, bezeugten sie außerordentliche Freude
-darüber. Indessen muthmaßten beyde wechselseitig wohl, mit wem sie die
-Ehre zu sprechen hätten, obschon sie sichs nicht im geringsten abmerken
-ließen. Donna Theodora von Cordona bewunderte noch die geschmackvolle
-Einrichtung von Stephaniens, des alten Mütterchens, Wohnung, und
-beschloß, ihr Gelaß eben so einrichten zu lassen.
-
-So hätten wir denn nun unsre schönen Sevillanerinnen glücklich nach
-Madrit gebracht, hätten sie mit Wohnung versehen, hätten die Wohnung
-mit einem ansehnlichen Sümmchen eingerichtet; sie hätten sittsame
-Bettgardinen, Fußteppiche, weiche Stühle, einen bequemen Sopha, und ein
-Paar Putztische. Nun fehlt denn nichts mehr, als eine Gelegenheit, den
-ersten Tritt mit Anstand’ und Aufsehen in die große Welt zu thun, und
-in diesem Meere, wie sich die Alte zu Sevilla ausgedrückt hatte, den
-ersten Pfundhecht zu angeln.
-
-Zum Glücke fiel ein Festtag im Dreyfaltigkeitskloster vor, dessen
-Kirche alles zu besuchen pflegte, was Schimmerndes und Artiges am Hofe
-lebte. Zu diesem Feste nun führte sie Donna Stephanie, und um es ihnen
-bequemer zu machen, miethete sie einen von den bekanntesten Wagen, die
-sonst immer ihre Töchter zu haben pflegten. Feliciane und Louise hatten
-schon zwey gewöhnliche Kleider genommen, erkundigten sich aber noch
-glücklich vor der Abfahrt bey ihren Nachbarinnen, wie sie sich putzen,
-und überhaupt benehmen müßten; und da sie schöner waren, als diese,
-hatten sie nun durch den treulichen Unterricht, den sie erhielten,
-viel vor den andern voraus. Sie kamen denn zum Feste, und da um das
-Kloster ein Umgang gehalten wurde, nahmen sie ihren Platz bey einem der
-vier Altäre, die in den vier Ecken standen. Hier mußte alles bey ihnen
-vorüber, und allem, was in Galla war, standen sie gerade im Gesichte.
-Unter den vielen Edelleuten, die nun vorüber gingen, kamen auch vier --
-aus Cordova waren sie -- die das Antlitz der zwey schönen Schwestern
-sehen konnten; denn sie hatten, als diese vorüber gingen, die Schleyer
-gelüftet.
-
-Unter ihnen war Don Fernando Antonio, ein rascher Jüngling von fünf
-und zwanzig Jahren, schön gebildet, und seit einigen Monathen Herr
-von zwey Majoratgütern, die ihm jährlich ein beyläufiges Sümmchen
-von vierzehn tausend Ducaten abwerfen mochten. Er lebte nun am Hofe
-vollauf, und bezahlte für die drey anderen, die ihn begleiteten. Als
-sie nun zu den Sevillanerinnen kamen, banden sie bald ein Gespräch mit
-ihnen an, und Donna Louisa von Alba sprach so sanft, so launig, so
-schmelzend, so fein, daß Don Fernandos Liebeszunder Feuer fing. Sein
-Herz war fort, wie die Taube aus dem Schlage; er hätte gern unablässig
-geplaudert; aber er mußte ihr aus Artigkeit Raum lassen, den Umgang zu
-sehen, und als dieser vorüber war, nahm er mit höchstem Widerwillen
-Abschied; denn gern wär’ er diesem andalusischen Engel nimmer von der
-Seite gewichen. Die schlaue Theodore merkte den Spuk sogleich, mengte
-sich ins Gespräch, fragte ihn, mit wem sie zu reden die Ehre hätte,
-und gab ihrer Tochter einen sprechenden Wink, die Beute ja nicht
-fahren zu lassen. Die Damen gingen zur Kutsche, und fuhren nach dem
-Prado, von dem sie spät zurück kamen; denn alles, was am Hofe glänzte,
-hatte sich dort versammelt. Auch Don Fernando fand sich ein. Er
-erkannte den Wagen, in dem die schöne Zauberinn mit ihren Freundinnen
-fuhr, und sprang flink an den Schlag, um im Anschauen seiner Louise
-vollends ein Narr zu werden. Die Dämmerung brach immer stärker ein.
-Der Wohlstand forderte, daß er sich entfernte, indessen beschloß er
-doch nicht eher nach Hause zu gehen, bis er ihr den ersten Besuch
-abgestattet hätte. Er nahm denn einen von den drey Freunden zu sich,
-der ihn begleiten sollte, und nun strichen sie, wie verlorne Schafe,
-immer vor der Wohnung auf und nieder, bis seine Schöne ans Fenster kam,
-und ihn einzutreten ersuchte. Das ließ er sich nicht zwey Mahl sagen;
-er ward von Mutter und Tochter mit besonderer Artigkeit empfangen;
-das Gespräch währte mit größter Lebhaftigkeit von beyden Seiten, so
-lang’ er nur immer mit Ehren bleiben konnte, und er schied endlich
-nur, nachdem er die Erlaubniß erhalten hatte, sich den nächsten Tag
-wieder einzustellen. Er kam nun immer öfter; man begegnete ihm immer
-mit Höflichkeit, aber auch immer mit mehr Zurückhaltung, je näher er
-trat. Das konnt’ er in die Länge nicht aushalten, und er beschloß, sich
-der Mutter zu erklären. Er beschwor sie, ihr Vorwort bey dem Herzen
-ihrer Tochter einzulegen, und ihn nicht länger wie einen Fisch ohne
-Wasser schmachten zu lassen. Er vermaß sich hoch, daß seine Liebe wie
-die hellste Wachsfackel brenne, und daß er in seinem eignen Feuer
-aufgehen müsse, wenn sie ihn nicht bald lösche, und dergleichen andere
-auserlesene Floskeln mehr. Die schlaue Theodore lächelte, und hörte den
-Strom seines Herzensgusses recht gern fortrauschen.
-
-„Don Fernando,“ sagte sie endlich, „ich bin zu sehr Mutter, und denke,
-ob es mir gleich vielleicht nicht zusteht, zu vortheilhaft von meinen
-Kindern, als daß ich mich zu sehr wundern sollte, daß Ihnen das Mädchen
-gefallen hat. Sie sind aber -- nehmen sie mirs doch immerhin nicht
-übel, Don Fernando -- Sie sind wie alle junge Herren mit dem ersten
-Blicke verliebt geworden, und haben vielleicht noch gar nicht erwogen,
-wer der Gegenstand sey, in den sie sich vergafft haben. Sie haben sich
-vermuthlich in der Person getäuscht, und ich bekenne, daß ich selbst
-es bin, die dieses Mißverständniß veranlaßt hat. Ich bin, -- obschon
-ich Ihren Stand und Charakter nicht im mindesten betasten will --
-ich bin für ein Frauenzimmer, für eine Fremde, für eine Mutter mit
-meiner Einladung zu rasch gewesen. Ich hatte eigentlich aus langer
-Weile gewünscht, bald einige anständige Bekanntschaften zu machen.
-Ich muß Ihnen denn sagen, daß Louise und Feliciane die Töchter eines
-sehr angesehenen Cavaliers aus Mexico sind, der sein Vermögen und sein
-Leben auf einer Reise über Meer eingebüßt hat, so daß wir nun von
-einem Gnadengehalte leben. Sie sehen denn, daß ich Ihnen nur darum den
-Zutritt gestattet habe, weil man am Hofe gern gesellschaftlich lebt.
-Ich zweifle an der Aufrichtigkeit Ihrer Erklärung nicht; aber wenn Ihre
-Absichten wirklich ernsthaft, das heißt, auf eine Verbindung gerichtet
-sind, so müssen Sie sich mir deutlicher erklären, wie ich mich Ihnen
-erklärt habe.“ Über diese letzte Erklärung war Don Fernando ein wenig
-betreten: ein Heirathsanschlag war ganz und gar nicht in seinem Plane
-gewesen, und sein Feuer war für den Augenblick wirklich ein wenig
-zurück geblasen. Er faßte sich aber schnell, und antwortete: „Donna
-Theodora, ich war um keine weitere Auskunft Ihres Standes verlegen; die
-ehrwürdige Gegenwart Ihrer selbst, und Ihrer liebenswürdigen Töchter
-war mir genug. Ich zweifle an keinem Ihrer Worte; aber meine Absicht
-war nur -- ich muß es als Ehrenmann unverhohlen gestehen -- Donna
-Louisa zu dienen, und wünschte für meine aufrichtigen Dienste die Bande
-der Liebe, -- nicht der Ehe zur Belohnung.“
-
-„Don Fernando,“ wollt’ ihm die Mutter in die Rede fallen --
-
-„Erlauben Sie,“ fuhr er fort: „ich scheue diesen engen Knoten, und
-hab’ ihn mir in meinem Plan’ in eine ziemlich weite Entfernung hinaus
-gesetzt, obschon ich mich dann dazu bequemen werde, um doch einen
-Erben meines Vermögens, das nicht unansehnlich ist, zu haben. Ich bin
-Edelmann, und kann schweigen; Sie können vollkommen auf mich bauen, daß
-Donna Louise durch meine Neigung zu ihr, und durch die Begünstigung
-meiner Liebe nichts von ihrem guten Nahmen verlieren wird. Mit einem
-Wort’, ich liebe sie unaussprechlich, und bin bereit, alles für sie zu
-thun, was mir meine Liebe gebeut, und was mir Klugheit gestattet.“
-
-Donna Theodora stutzte nicht wenig schon beym ersten Anpochen die Thür
-der Ehe verschlossen zu finden, das war ein starker Streich, und sie
-war in den tieferen Geheimnissen ihrer Kunst noch zu sehr Schülerinn,
-als daß er sie nicht hätte betäuben, und von jedem ferneren Versuche
-zurück schrecken sollen. Sie merkte zugleich auch zu deutlich, daß
-Fernando festes Fußes zu Werke gehe, als daß sie auf Wankelmuth oder
-Übergewicht der Leidenschaft hätte rechnen sollen. Sie hätte doch gern
-geantwortet, und wußte nicht, wo sie eigentlich einlenken sollte. Sie
-suchte denn lange herum, bis sie ein Wort fand, und sagte endlich:
-„Bester Don Fernando, ich muß Ihnen nur aufrichtig gestehen, daß ich
-mir im Herzen selbst nichts anders vorgestellt habe, als daß Louise
-ungeachtet all’ meiner Vorstellungen sich am Ende doch von ihrer
-Leidenschaft würde hinreissen lassen. O Gott, wer kann ein Mädchen
-hüthen? -- wenn Sie mir ihr Wort geben, mich nicht zu verrathen, so“ --
-
-„O ich bitte, reden sie,“ sagte Fernando.
-
-„Louise hat ihr armes Herzchen an Sie schon eingebüßt. Was wir das
-Mädchen nun peinigen und aufziehen!“ --
-
-Fernando wußte wohl, wie er diese Antwort aufzunehmen habe, und war
-innigst vergnügt, daß er die Sache so glücklich zu Ende gebracht hätte.
-Er war nun der glücklichste Mensch von der Welt, nahm Theodoren bey
-beyden Händen, und schwor ihr, daß er sich gewiß dankbar bezeugen
-werde. Er gab ihr auch zum Anfange eine Kette von zweyhundert Thalern
-am Werthe, die er am Halse trug. Er hing sie der Alten um den
-ihrigen, und führte sie zu den zwey Schwestern hinüber, deren jeder
-er einen Ring von eben so großem Werthe gab. Er stand auch nicht
-länger an, seinen Platz bey Louisen einzunehmen. Ein bedeutender Wink
-der Mutter, und der kostbare Ring machten das schöne Mädchen zur
-zahmsten Taube. Sie brachten den Tag vergnügt zu, und den nächsten
-frühen Morgen schickte er ihr eine reiche Bettdecke, eine Art von
-Galanterie, die einzig in ihrer Art ist. Dieß Geschenk schickte er
-durch seinen Haushofmeister, der auch Theodoren eine kleine Rolle
-von funfzig Escudos in Golde überreichen mußte. Das war ein Jubel und
-ein Frohlocken im Hause! -- Theodore dankte dem alten Mütterchen von
-Sevilla tausend Mahl, und wünschte ihr für die guten Lehren, die sie
-ihr vor ihrer Abreise gegeben hatte, ein seliges Ende zur Belohnung.
-
-Es versteht sich von selbst, daß er seine Wohlthaten nicht an Louisen
-allein verschwendete, sondern auch Mutter und Schwester wie Igel
-an ihm sogen. Er ward immer verliebter, und stellte sich beynahe
-mit jedem Tage herrlicher ein; es war nun kein Spectakel, daß diese
-liebenswürdige Familie nicht zuerst gesehen, keine Mode, die sie
-nicht unter den ersten getragen hätte. Er hatte zwey Wagen, und der
-weniger bekannte, an den vier rasche Rappen gespannt waren, stand ihnen
-vollkommen zu Befehle. Sie fuhren auch bald die eine, bald die andere,
-den ganzen Tag, Straß’ auf, Straß’ ab.
-
-Man kann sich wohl leicht vorstellen, wie ihre zwey schönen
-Nachbarinnen über den schönen Fortgang ihres Glückes mochten gestutzt
-haben; indessen da sie jene von allen Leckerbissen, die Fernando’s
-Haushofmeister im Überflusse verschaffte, mit naschen, und sie
-wechselsweise an jeder Spatzierfahrt Theil nehmen ließen, gaben sie
-sich wieder zufrieden, und begnügten sich damit, daß sie sich der
-schönen Welt in einer so auffallenden Gesellschaft zeigen konnten.
-
-Acht Monathe verflogen so in Saus und Braus, und Don Fernando hatte in
-dieser kurzen Zeit an Schmucke, Kleidern, Freudenfesten, und so weiter
-über zwölf tausend Escudos versplittert. Während dieser Zeit hatte sich
-aber auch nicht einer gefunden, der sich um Felicianen beworben hätte;
-denn keiner wagte es, sich an des verschwenderischen Fernando Seite
-sehen zu lassen. Das war freylich ein Umstand, der sein Unangenehmes
-haben mochte, und es wär’ allerdings angenehmer gewesen, wenn sich noch
-ein zweyter schön befiederter Papagey in ihren Schlingen verfangen
-hätte: unterdessen gebrach es Felicianen im Wesentlichen an nichts,
-und sie konnte sich immer mit der Hoffnung eines ähnlichen, vielleicht
-noch glücklichern Looses trösten.
-
-Eines Tages hatte Theodora, ihre Familie, und die zwey schönen
-Nachbarinnen beschlossen, auf den Prado, einen Spaziergang, auf dem
-auch S. Majestät Philipp der zweyte immer zu jagen pflegten, zu fahren.
-Sie hatten Don Fernando davon Part gegeben; er both sich aber nicht
-zu ihrem Begleiter an, sondern ließ ihnen nur melden, daß er ihnen
-gute Unterhaltung wünsche, daß er aber, so unlieb es ihm wäre, eines
-dringenden Geschäfts halber nicht in ihrer Gesellschaft seyn könne;
-indessen würde sie sein Haushofmeister mit allem, was sie befählen,
-versehen. Sie fuhren denn nach dem Prado, und wir wollen uns nach Don
-Fernando umsehen.
-
-Er hatte wirklich diesen Tag einen Contract von Wichtigkeit zu
-schließen, und seine drey Freunde waren nach Alcala zu einem
-Stiergefechte gereist. Er hatte denn den ganzen Tag über lange Weile,
-schlenderte verdrießlich die Straße auf und nieder, lehnte sich unter
-die Hausthür, kam, was er sonst nie that, zur Mittagsstunde pünctlich
-nach Hause, und warf sich nach Tische auf sein Ruhebett, weil ihm
-durchaus nichts einfallen wollte, womit er sich den Unmuth verjagen
-konnte.
-
-Vor beyläufig zwey Jahren war Don Fernando in einem Spielhause zu
-Cordova bey einer Wette mit einem Ritter in Hader gerathen. Dieser war
-sehr entrüstet; Don Fernando hatte aber mehrere Bekannte bey sich, und
-wagte es daher, seinen Gegner über seine Hitze aufzuziehen, und ihn
-lächerlich zu machen. Der Cordovese ward noch zorniger, um desto mehr,
-da er eine Memme war, und es nicht wagte, Fernando einen Zweykampf
-anzubiethen. Er faßte denn von der Stunde einen unversöhnlichen
-Groll gegen unsern Fernando, und schwor ihm Rache, auf was immer für
-einen Weg er sie erreichen würden. Seine eigentliche Absicht war
-Meuchelmord; da aber Fernando immer in der großen Welt lebte, und immer
-wenigstens drey Bediente bey sich hatte, war all sein Auflauern immer
-vergeblich gewesen. Er war aus Verdrusse nach Portugall gegangen;
-da er aber hörte, daß sich Fernando nun zu Madrit befände, eilte er
-wieder dorthin, um seinen Plan endlich einmahl auszuführen. Um nicht
-erkannt zu werden, ließ er sich den Bart wachsen, und schloff in ein
-Pilgerkleid. Nun ließ er Fernando nimmer aus den Augen. Wie wir wissen,
-war dieser bisher keinen Tag ohne Gesellschaft gewesen; daß er es aber
-diesen Tag sey, hatte der fromme Pilger ausgespähet. Er bettelte auf
-der Straße Almosen, und ging ungehindert zu Fernando’s Hausthür hinein.
-
-Fernando wohnte in seinem Hause ganz allein; das Hausgesinde hatte
-gegessen, und hielt die Sieste; der Pilger konnte denn ungestört bis
-auf Fernando’s Zimmer dringen. Dieser schlummerte noch immer sanft
-fort; der Pilger schlich leise bis ans Schlafgestell, zückte den Dolch,
-tauchte ihn sechs Mahl in sein Herz, und entfloh.
-
-Das Hausgesinde erwachte allgemach, und ging an seine Arbeit;
-niemand ahndete den Unglücksfall. Erst nach einigen Stunden kam der
-Haushofmeister, auf Fernando’s Zimmer, schlug die Jalousien auf, und
-sah seinen Herrn im Blute liegen. Er stand vor Schrecken wie eine
-Bildsäule da, und machte endlich Lärmen. Alles weinte und jammerte, und
-konnte nicht begreifen, wie der Mord geschehen konnte, da sie doch alle
--- fest schliefen. Ihr Schmerz war indessen nicht von langer Dauer, und
-sie faßten bald sammt und sonders den Entschluß, sich die Belohnung,
-auf die sie für ihre treuen Dienste allerdings Anspruch machen zu
-können glaubten, und die ihnen nun aus Mangel eines Testaments entgehen
-würde, selbst zu verschaffen, und dann heimlich abzuziehen, um allen
-Verdacht des Mordes von sich abzulehnen. Wie klug diese Berechnung
-gewesen sey, leuchtet so ziemlich von selbst ein. Indessen ward der
-Anschlag, dem der Herr Haushofmeister in eigener Person beytrat, an der
-Stelle ausgeführt, alle Kasten, Kisten, Kästchen und Kistchen geöffnet,
-alles, was sich an Geld’ und Geschmeide fand, nach Billigkeit getheilt,
-und jeder zog nun hin, wo er sich am sichersten glaubte.
-
-Sie hatten sich schon nach allen Himmelstrichen begeben, als einer
-von Fernando’s Freunden ihn besuchen wollte, und gerade auf sein
-Schlafzimmer ging. Hier sah er das gräßliche Schauspiel, und schrie,
-daß alle Nachbarn zusammen liefen. Das Gericht war auch bald bey der
-Hand; man wollte ein Verhör vornehmen, aber es war niemand da, den
-man hätte verhören können; kein Bedienter war zu hören oder zu sehen,
-und die Nachbarn erklärten mit Einer Stimme, daß sie nicht eine Sylbe
-von der ganzen Sache wüßten. Es blieb nichts übrig, als daß man in
-dem andern Hause, wo er seine Pferde hatte, nachsuchte. Dort fanden
-sich auch wirklich vier Lackeyen und ein Kutscher, die aber ebenfalls
-von der Sache noch nichts gehört hatten, und auf der Madratze ruhig
-schnarchten. Dem überklugen Gerichte schien gerade dieses Schnarchen
-ein verdächtiger Umstand und eine List, durch die die Thäter den
-Verdacht von sich abzulehnen suchten. Sie wurden durchsucht, und
-in des Kutschers Tasche ein Brotmesser gefunden. Die Gerichtsperson
-erklärte, daß wider jeden, bey dem sich Waffen fänden, gegründete
-Inzüchten vorhanden wären, und folglich auch auf diejenigen, die mit
-ihm in vertraulichem Umgange betreten würden, gegründete Verdacht
-obwaltete. Kutscher und Bediente mußten denn, was sie sich auch
-sträubten, ins Gefängniß wandern. Sie läugneten standhaft, und es war
-schon nahe daran, daß sie auf die Folter gebracht werden sollten.
-
-Während all dieß vorging, hatten sich unsere Damen auf dem Prado
-sehr gut unterhalten, waren zurück gekehrt, und hatten dem Kutscher
-befohlen, vor Fernando’s Hause anzuhalten; die Hiobspost kam ihnen
-schon auf dem Wege entgegen; sie konnten ihr aber unmöglich glauben,
-und fuhren bis ans Haus. Der Kutscher, der ein Sclave war, brachte
-ihnen die Bestätigung des Unglücks; und da er diesen Augenblick
-benutzen wollte, um sich in Freyheit zu setzen, lief er hastig davon,
-und ließ sie allein stehen.
-
-Theodora, die sich in jedem Schicksale männlich zu fassen wußte, und
-die daher in ihrem Leben selten noch in Verlegenheit gekommen war,
-wußte sich auch hier gleich Rath zu schaffen. Sie bezahlte den ersten
-Vorübergehenden, daß er den Wagen in die nächste Remise führte, deren
-Inhaber sie wieder reichlich bezahlte, damit er den Wagen niemanden,
-wer es auch immer seyn möchte, ausfolgen ließe. Nun erst eilte sie mit
-ihren Töchtern nach Hause, wo sie wie die Wölfe in der Wüste heulten,
-und sich ihre schönen Haare ausgerauft haben würden, wenn sie nicht
-der Gedanke eines unordentlichen Kopfputzes abgehalten hätte. Indessen
-weinten sie bitterlich, und waren erst nach drey bis vier Stunden
-wieder zu lachen im Stande.
-
-Theodora konnte doch die ganze Nacht kein Auge zuthun; denn sie dachte
-unablässig, wie sie den Wagen mit den vier schönen Rappen in Sicherheit
-bringen könnte. Sie ließ ihn auch mit Tages Anbruche von Madrit nach
-Illescas führen, wo er verborgen bleiben sollte. Denselben Tag stellte
-sich das Gericht auch bey unsern Sevillanerinnen ein, und verlangte
-ihre Aussage. Da es aber nicht das mindeste Anzeichen fand, zog es
-wieder in Frieden ab. Theodora fand nun nöthig, einen weiblichen
-Staatsrath zu versammeln; ihre Töchter, und ihre schönen Nachbarinnen
-setzten sich in einem Zirkel; Theodora räusperte sich, und hielt ihnen
-folgende Rede.
-
-„Meine Damen,“ sagte sie, „bey dem Lebensplane, den wir uns
-vorgezeichnet haben, ist uns nichts nöthiger, als daß wir uns mit
-Würde benehmen, damit uns die dreisten Herren Männer nicht auf die
-Ferse treten. Wir müssen sie durch unser Benehmen, wie durch eine Art
-von Zauberspiele, anzulocken, aber auch zu körnen wissen, so, daß
-sie die Schranken nie überschreiten können. Jeder Mann ist bey dem
-geringsten Anlasse zudringlich, und ein zudringlicher Mann erkaltet
-sehr geschwinde, wenn wir ihn nicht standhaft in den gehörigen Abstand
-zurück weisen. Alles, worauf er Anspruch zu machen hat, muß ihm nur
-als der höchste Grad freywilliger Begünstigung gewährt werden. Diese
-goldene Regel habt ja immer gegenwärtig, meine Kinder, und vergeßt sie
-auch dann nicht, wenn ich todt bin, und nur von oben herab auf euch
-sehen kann. Der Weg, den wir mit so vielem Glücke begonnen haben, ist
-uns durch den Tod des edlen Fernando auf ein Mahl abgeschnitten, und
-wir müssen nun einen neuen einschlagen. Der arme Fernando! Wir hätten
-noch drey Jahre von seinem Vermögen leben können; aber der Himmel hat
-es nicht gewollt, und seine Rathschlüsse sind nicht zu ergründen.
-Nun müssen wir vorzüglich den Wagen, der uns von ihm geblieben ist,
-zu erhalten suchen; denn in einem Wagen kommt man auf jedem Wege
-geschwinder fort: versteht ihr mich? Im Häuslichen mag es immer hier
-kleinlich hergehen; der Wagen macht alles wieder gut. Mein Rath ist
-denn, daß ihr eine um die andere in demselben eine Spazierfahrt macht,
-und wie die Freybeuter irgend einen wackern Kriegsmann anzuwerben
-sucht. Unser Wagen muß nun eine Postkutsche seyn, in der auf jeder
-Station ein anderer Reisender fährt. Feliciane mag den ersten Versuch
-machen.“
-
-Alle fanden den Vorschlag der weisen Theodora vortrefflich; sie
-theilten die Stadt ordentlich unter sich in bestimmte Bezirke ein, und
-Feliciane machte sich reisefertig.
-
-
-Fußnote:
-
-[A] Plateria.
-
-
-
-
-ERSTE SPAZIERFAHRT.
-
-
-Feliciane kleidete sich nun, wie sichs zu einer so wichtigen
-Unternehmung ziemte, wobey ihr das übrige Frauenzimmer unter tausend
-lustigen Anmerkungen hülfreiche Hand both. Ihr Kleid, das auch nicht
-den kleinsten Reitz ihres Wuchses dem Aug’ entgehen ließ, war vom
-grünem Atlasse, und sehr einfach gemacht. Ihr schwarzes Haar, das nur
-mit einem Bande von derselben Farbe durchflochten war, blieb in schöner
-Unordnung, und schien von der Natur gelockt. Sie gefiel sich, wie sie
-da vor dem Spiegel saß, so gut, daß sie beynahe an sich selbst die
-erste Eroberung gemacht hätte. Nun war sie fertig, und sprang mit so
-leichtem Blute in den Wagen, als wohl noch nie in weiblichen Adern
-getanzt hatte. Sie war ihres glücklichen Erfolges beynahe gewiß, und
-nahm denn die Glückwünsche, die ihr die Fächer ihrer Gesellschaft noch
-aus dem Fenster zuwinkten, nur als Ceremonie auf.
-
-Sie fuhr auch nicht so ganz auf blindes Glück fort, sondern hatte schon
-ihr Augenmerk auf einen tüchtigen Fang gerichtet, den sie an die Angel
-kriegen wollte. Es war ein reicher Mailänder, der sich seit kurzer
-Zeit am Hof’ aufhielt, und eine Summe von mehr als funfzig tausend
-Ducaten zu empfangen hatte, die ihm nach dem Tode eines Vetters, der
-keine Kinder hinterlassen hatte, zugefallen war. Er trieb eigentlich
-ein Kaufmannsgeschäft, und war übrigens gerade der Mann, von dem man
-erwarten konnte, daß es ihm nicht sauer werden würde, die Erbschaft
-eben so leicht wieder los zu werden, als er sie gemacht hatte. Horazio,
-so hieß er, war beyläufig zwey und zwanzig Jahre alt, hatte eine
-einnehmende Bildung, ein derbes, frisches Ansehen, und -- was kein
-gleichgültiger Umstand war -- konnte die castillanische Sprache nicht
-sehr behende sprechen, obschon er sie sehr gut verstand. Übrigens that
-er sich nicht wenig auf seine Geschicklichkeit zu Gute, mit der er die
-Laute und die Theorbe spielte. Er pflegte auch immer wie ein echter
-Spanier des Abends vor den Fenstern der Damen Ständchen zu halten. Er
-wohnte in der großen Alcalastraße, und bewohnte das Haus, an dem ein
-großer Garten war, ganz allein. Sein ganzes Hausgesinde bestand aus
-zwey Bedienten, einem Pagen, den er von seinem Vetter geerbt hatte,
-einer mailändischen Haushälterinn, die die Küche besorgte, einem
-Kutscher, der über zwey rothe Friesländer hofmeisterte, und einem
-elenden Klepper, auf dem er selbst zu Madrit angekommen war, und um den
-sich nun weiter niemand mehr bekümmerte. Über diesen Jüngling suchte
-nun Feliciane ihr Netz auszuwerfen.
-
-Die Zeit, die sie zu ihrer ersten Spazierfahrt bestimmte, war sehr
-glücklich gewählt. Es war eine schöne warme Nacht, mitten im Julius,
-und der Mond schien spiegelhell. Sie nahm eine alte Magd mit sich,
-die sie als Duenna kleidete. Über dieß hatten sie auch einen alten
-Escudero mitgenommen, der sie nun schon seit längerer Zeit im Hause
-bediente. In dieser ausgelernten Gesellschaft fuhren sie beyläufig um
-neun Uhr an des Mailänders Hause vorüber. Sie trafen den Zeitpunct so
-glücklich, daß der Mailänder eben auf dem Balcon in der angenehmen
-Kühle bey dem Abendessen saß. Er hatte nur Beinkleider und ein Wamms
-an, und klimperte eben auf der Theorbe. Der Wagen fuhr dicht an der
-Mauer des Hauses vorüber, und als er der Thür gerade gegen über war,
-rief man mit lauter Stimme: „Halt! Kutscher, halt!“ der Wagen hielt an,
-und der Mailänder hörte auf, seine Theorbe zu spielen, um zu hören, was
-Feliciane sagte. Er horchte ganz leise, und vernahm folgende Worte:
-„Sie bemühen sich vergebens, meine Mutter! und eher würd’ ich mir mit
-dem Messer, das ich in der Brieftasche trage, das Leben nehmen, als nur
-einen einzigen Schritt vorwärts thun. So hat man mich betrogen? Solche
-Fallstricke hat man mir gelegt?“
-
-Nun hörte er eine andere Stimme, welche die Duenna, oder eigentlich
-die alte Magd war. Sie sagte: „Meine Beste! fluchen Sie ihrer Mutter
-nicht; gehorchen Sie ihr, und machen Sie ihr Alter nicht unglücklich.
-Wie viele würden das Glück, das Sie von sich stoßen, mit beyden Händen
-ergreifen!“
-
-„Es ist Verrätherey,“ sagte Feliciane wieder; „es ist Grausamkeit, mich
-zu dem zwingen zu wollen, was mir unmöglich ist. Niemand hat mit meiner
-Freyheit zu schalten. Die Natur hat sie mir gegeben, und ich werde
-sie gegen jedermann bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen
-wissen.“
-
-Bey diesen Worten fing sie bitterlich zu weinen und zu schluchzen an.
-Der Mailänder hatte keine Sylbe verloren, und zu gleicher Zeit lehnte
-sich der alte Escudero an den Wagenschlag, und sagte: „Mäßigen sie doch
-Ihre Stimme, gnädiges Fräulein, sonst laufen uns Leute zusammen, und
-meinen am Ende, es sey etwas an der ganzen Sache.“ „Nun denn,“ schrie
-Feliciane in einer Art von Verzweiflung, „so ist denn die Flucht mein
-letztes Mittel, und ich will sehen, wer im Stande seyn soll, sie zu
-hindern.“
-
-Dem Mailänder schien, daß sie nun im Wagen handgemein würden, und er
-irrte auch nicht; denn sie rangen wirklich zum Scheine mit einander.
-Der Escudero schien sich besonders tapfer zu widersetzen; endlich
-gelang es Felicianen doch, aus dem Wagen zu springen, wobey sie, um das
-Schauspiel tragischer zu machen, den Mantel und einen Schuh verlor.
-Sie sprang gerade in des Mailänders Haus, und schrie: „Dieses Haus,
-wem es immer gehören mag, soll meine Freystätte seyn. Es wird mich
-aufnehmen, und sollte es eine Löwengrube seyn, so hoffe ich doch mehr
-Menschlichkeit darin zu finden, als unter euren Händen.“ Bey diesen
-Worten legte Horazio sein Instrument weg, nahm seinen Degen, und eilte
-die Treppe hinunter. Feliciane stürzte ihm sprachlos zu den Füßen. Die
-Duenna und der Escudero standen stumm da. Nun schien sich Feliciane
-aus ihrer Betäubung zu erhohlen. „Unbekannter Ritter,“ sagte sie, indeß
-sie immer noch fortweinte, und durchaus Horazio’s Knie umfassen wollte,
--- „unbekannter Ritter, wenn Sie Menschengefühl im Herzen haben, so
-erbarmen Sie sich meiner, und lassen Sie mich von Ihren Bedienten
-unterstützen; denn meine Nerven sind mir abgerissen; ich kann nicht
-aufrecht stehen.“ Horazio ließ sogleich Licht bringen, und befahl die
-Hausthür zuzusperren, damit kein Auflauf würde. Man brachte Lichter,
-und Horazio erstaunte über Felicianens Schönheit; denn ihr Schmerz
-kleidete sie noch ein Mahl so reitzend, und die Stellung, in der sie
-hingesunken war, hätte zum Modelle dienen können. Horazio sagte der
-Duenna und dem Escudero voll edlen Unwillens, und mit einer Kühnheit,
-über die sie als Komödianten nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit
-erschrecken konnten, daß sie sich ja nicht einbilden sollten, er werde
-diese schöne Dame von ihnen an einen Ort schleppen lassen, gegen den
-sie Abneigung trüge; er würde sie vertheidigen, und wenn er darüber
-sein Leben einbüßen sollte. „Aber um Gottes willen,“ schrie die Duenna,
-und rang die Hände, „was werden wir ihrer Mutter sagen? In ihrer
-Gegenwart ist sie mit uns fortgefahren; wo ist sie nun hingekommen?“
-„Was kümmert mich das?“ sprach Horazio; „ich bin ihr Beschützer gegen
-Gewaltthätigkeit, und für das Übrige mögt ihr sorgen.“ „Nun,“ sagte
-Mogrobejo, so hieß der Escudero, „so ist es um mich geschehen; ich darf
-mich in Madrit nicht mehr sehen lassen.“ „Nein,“ schrie die Duenna
-wieder, „ich kann mich nicht von meinem Fräulein trennen, und sollt’
-alles zu Grunde gehen!“ „Ich auch nicht,“ sagte Mogrobejo; „aber
-nicht aus einfältiger Liebe, sondern weil es meine Pflicht ist, sie
-nicht aus den Augen zu lassen.“ „Alter Verräther,“ schrie Feliciane,
-„ihr sollt mich gewiß nicht anders, als stückweise, von der Stelle
-bringen. Ich weiche keinen Schritt. Morgen bin ich in einem Kloster,
-und vor eurer Boßheit für immer sicher.“ Was wollten sie thun? Der
-Escudero kehrte den Rücken, setzte sich in den Wagen und fuhr fort.
-Horazio nahm aber seinen schönen Gast an der Hand, und führte ihn
-in einen niedern Saal, der zunächst bey ihnen war; die Duenna ging
-langsam nach. Das Herz schlug ihm laut, als ihm die schöne Unbekannte
-durch einen matten Druck der Hand Dank sagte. Sie setzten sich, und
-Feliciane wußte ihren Kummer durch so manigfaltige reitzende Bewegungen
-zu äußern, daß Horazio’s Seele die ganze Tonleiter der Empfindungen
-hinauf kletterte, und er endlich in folgende Worte ausbrach: „Reitzende
-Unbekannte, wie glücklich bin ich, daß ich dazu bestimmt war, Sie aus
-der dringendsten Gefahr zu befreyen! Wie überglücklich wär’ ich, wenn
-ich Sie vor allen weiteren Verfolgungen sicher stellen könnte! Rechnen
-Sie aber darauf, daß ich nichts unversucht lassen werde, diesen hohen
-Zweck zu erreichen, der mich von nun an ganz allein beschäftigen soll.
-Mein ganzes Haus steht Ihnen unumschränkt zu Befehle; Sie können da so
-lange verborgen bleiben, als es Ihnen räthlich scheinen wird. Wohin
-Sie es immer verlangen, werde ich Sie bringen. Ich bin Edelmann, und
-denke auch edel. Ihre Tugend läuft bey mir keine Gefahr; und nur wenn
-es zu Ihrem eigenen Besten nöthig ist, daß ich Ihre Geschichte erfahre,
-wünsche ich sie zu hören, so hohen Antheil ich auch an Ihrem Schicksale
-nehme.“
-
-Während dieser ganzen Rede hatte Feliciane von einem prächtigen Ringe,
-den Horazio am Finger trug, und dessen Billanten sie allzu schön
-anfunkelten, kein Aug’ abgewendet. Er mußte an ihren Finger herüber
-kommen, und gehe es, wie es wolle; das war nun einmahl beschlossen.
-„Ich finde keine Worte,“ sagte sie „mit denen ich Ihnen bezeugen
-könnte, was in meinem Herzen vorgeht. Die Vorsicht hat mich Ihnen
-zugeführt, großmüthiger Mann! hätten Sie sich nicht durch mein Unglück
-rühren lassen, so wär’ ich jetzt schon ohne Rettung verloren. Die
-nähmliche Großmuth, die Sie zu meiner Befreyung angetrieben hat,
-wird Sie auch auffordern, die Rechte einer Freystätte, für die ich
-Ihr Haus nun ansehe, nicht zu verletzen. Ich werde von Ihrer Güte
-Gebrauch machen, und werd’ Ihnen so lange hier lästig fallen, als
-es unumgänglich nöthig seyn wird.“ „Um Sie vollends zu beruhigen,“
-sagte Horazio, „will ich nicht einmahl im Hause hier bleiben, sondern
-mich bey einem Verwandten aufhalten, bis Sie mit Ihrer Mutter
-ausgesöhnt sind.“ „Nein, durchaus nicht!“ fiel ihm Feliciane in die
-Rede; „Sie müssen hier bleiben; denn ich will sie überzeugen, daß ich
-unumschränktes Vertrauen in Sie setze. Wenn man käme, und mich mit
-Gewalt fortführen wollte, wer würde mich vertheidigen?“ „Was für ein
-Befehl könnte mir auch willkommener seyn?“ sagte Horazio.
-
-Er hatte sein Abendessen, wie wir wissen, noch nicht eingenommen, und
-da ihn eben ein Bedienter daran erinnerte, suchte er Felicianen zu
-bewegen, daß sie mit ihm einige Erfrischungen nähme. Sie war ihm zu
-viel Dank schuldig, als daß sie ihm nicht hätte Gesellschaft leisten
-sollen, und er wußt’ es durch seine unwiderstehliche Beredtsamkeit
-gar dahin zu bringen, daß sie aß und trank, wie ein kummerloser
-Mensch. Sie sah zu deutlich, wie sehr sie auf ihren Wirth Eindruck
-gemacht hatte, als daß sie diese Episode in ihr Schauspiel nicht hätte
-einrücken sollen. Horazio war nun schon so über und über verliebt, daß
-er nicht mehr im Stande war, auch nur dem geringsten Verdachte gegen
-die Wahrheit der Geschichte Platz zu geben. Er war der einzige am
-Tische, der keinen Bissen aß, und doch machte ihn dieser Umstand nicht
-aufmerksam.
-
-Er hätte nur gar zu gern Nahmen, Stand, und die Geschichte der Dame
-erfahren; er durfte es aber nicht wagen, die Wunde wieder aufzureißen,
-und ihren Kummer etwa zu verdoppeln. Es war nun hohe Zeit, dem Fräulein
-Ruhe zu gönnen, die ihr so nöthig schien. Er begleitete sie denn selbst
-in das Gemach, das er für sie und Banuelos, die Duenna, hatte bereiten
-lassen. Er tröstete sie noch mit den zärtlichsten Ausdrücken, und begab
-sich in das obere Stockwerk. Es läßt sich denken, daß Horazio und
-Feliciane die Nacht in ganz verschiedenen Betrachtungen zubrachten.
-Horazio konnte kein Auge zuthun, und sann unablässig auf Mittel, ihre
-Verbindlichkeit zu fesseln, und ihre Liebe zu verdienen. Feliciane aber
-weidete sich an dem glücklichen Erfolge ihrer List, und erwog, wie
-sie dieses Haus mit dem möglich größten Gewinne in möglich kürzester
-Zeit verlassen könnte. Sie berathschlagte sich mit ihrer wohlerfahrnen
-Banuelos, und überließ sich endlich einem gesunden, ungestörten
-Schlummer. Was sie in ihrem Rathe beschlossen haben, werden wir hören.
-
-Horazio war vor Tages Anbruche schon auf den Beinen, kleidete sich an,
-und konnte den Augenblick nicht mehr erwarten, in dem er seinen Gast
-wieder würde sehen und sprechen können. Er konnt’ es auf seinem Zimmer
-nicht aushalten, und ging denn in den Hof hinunter, um sein Herz in
-der Morgenluft zu erleichtern. Wie er die Treppe hinunter kam, fand
-er die Duenna, die sorgfältig etwas auf dem Boden zu suchen schien,
-und mit unter tiefe Seufzer ausstieß. Er fragte sie voll Besorgnis,
-was sie suche; sie antwortete aber ganz ängstlich: „Nichts, gnädiger
-Herr!“ seufzte aber noch tiefer, als zuvor. Horazio besorgte, daß
-irgend ein Unglück geschehen seyn dürfte, und bestand durchaus darauf,
-daß sie mit der Sprache heraus solle. „O gnädiger Herr,“ sagte die
-alte Schlange, „ich will es Ihnen wohl sagen; verrathen Sie mich aber
-nicht.“ Er gab ihr sein Wort, und sie sprach: „Was ich suche, ist ein
-Ring, den mein Fräulein verloren hat. Sie glaubt, es sey geschehen, als
-sie aus dem Wagen sprang; denn zuvor hat sie ihn gehabt, und nachher
-vermißt. Er war von Diamanten von großem Werthe, und das schlimmste
-bey der Sache ist, daß er nicht ihr selbst, sondern einer von ihren
-Freundinnen gehört, der sie dagegen einen andern, der besondern Fassung
-und eines Nahmens wegen, auf kurze Zeit geliehen.“ Horazio tröstete
-sie, schickte einen Bedienten vor die Hausthür, um den Ring zu suchen,
-und sagte zur Duenna, sie möchte sich nicht betrüben; denn wenn er sich
-auch nicht fände, solle es ihrem Fräulein doch nicht an andern fehlen,
-und die von größerm Werthe wären. Er wünsche nur, flickte er hinzu,
-mehrere Gelegenheiten zu haben, dem Fräulein auf eine wesentlichere
-Art beweisen zu können, wie sehr er sie hoch -- schätze und -- liebe.
-Er war so begeistert, daß er die Alte in seine Arme schloß, und so heiß
-küßte, als ob sie Feliciane selbst gewesen wäre. Sie stellte sich nun
-getröstet an, und meldete ihm für seine Großmuth, daß er ihr Fräulein
-nun schon werde sprechen können. Er eilte mit ihr ans Gemach, und
-Feliciane war wirklich schon halb angekleidet. Horazio wollte durchaus
-nicht ins Zimmer treten, bevor nicht Banuelos erst zu ihr hinein gehe,
-und sie frage, ob er ihr nicht ungelegen falle. Feliciane rief aber
-mit lauter Stimme durchs Vorzimmer: „Bester Horazio! in Ihrem eigenen
-Hause sollte ich Ihnen den Zutritt versagen? Sie erweisen mir so viele
-Güte, und ich sollte so unartig seyn? Ich bin ja schon angekleidet;
-kommen Sie doch!“ Er ließ sichs nicht zwey Mahl sagen, eilte hinein,
-und fragte sie, wie sie die Nacht zugebracht habe.
-
-„Wie anders,“ sagte sie, „als in der größten Unruhe: ich habe kein Auge
-zugethan. Banuelos ist mein Zeuge.“
-
-„Ja wohl,“ sage die Alte; „das war eine Nacht! Wenn Sie noch mehrere
-solche haben, gnädiges Fräulein, so sind Sie bald eine Leiche. Wenn sie
-auch ein wenig schlummerte, das liebe Fräulein, so saß sie doch gleich
-wieder im Bett’ empor, und häftete den Blick starr an die Wand, als ob
-sie ein Gesicht sähe.“
-
-„O meine arme Mutter!“ stimmte Feliciane wieder an; „verzeihe mir den
-Kummer, den du vielleicht jetzt um meinetwillen leidest. Es ist aber
-nicht meine Schuld; du magst mir vergeben, daß ich es für Verbrechen
-halte, sich dem Eigensinn’ eines Menschen aufzuopfern, und wenn dieser
-Mensch eine Mutter wäre.“
-
-„Trösten Sie sich doch,“ sagte Horazio, „obschon dieser edle Schmerz
-Ihrem Herzen Ehre macht; Sie sind aber sich selbst Mäßigung schuldig.“
-
-Feliciane vergaß auch bey dieser Unterredung nicht, jeden Vortheil,
-den ihr die leichte Morgenkleidung anboth, geltend zu machen; sie
-sprachen noch manches, und endlich fragte Feliciane die Alte wie im
-Vorbeygehen, ob sich der Ring gefunden habe. Banuelos antwortete,
-daß er noch nicht gefunden sey, daß aber Horazio’s Bediente eben mit
-dem Suchen beschäftiget wären. Feliciane dankte ihm für seine zuvor
-kommende Gefälligkeit, und Horazio sagte: „Es ist mir wahrhaftig sehr
-unangenehm, daß Sie mit dem Verluste des Ringes Verdruß haben; belieben
-Sie aber diesen hier anzusehen.“ Hier zog er den seinigen vom Finger;
-sie betrachtete ihn mit ungehäucheltem Vergnügen, und sprach: „Dieser
-Ring macht Ihrem Geschmack Ehre; er ist unvergleichlich gefaßt, und
-übertrifft den verlornen an Werthe ungemein. Dieser war nicht über drey
-hundert Escudo’s werth; und dieser gilt wenigstens acht hundert.“
-
-„Sie sind wahrhaftig eine Kennerinn,“ erwiederte Horazio, „und sie
-haben wenigstens nahe an den eigentlichen Werth gerathen; denn er kam
-meinem Vater, dem ihn der Herzog von Savoyen überließ, auf etwas über
-tausend Escudo’s. Darf ich Sie aber um eine Gefälligkeit bitten? Darf
-ich Sie vorläufig um die Versicherung bitten, daß Sie mir sie nicht
-abschlagen werden?“ Feliciane merkte zu gut, wo er hinaus wolle,
-und antwortete: „Bester Horazio! Sie haben mir gestern Ihr Ehrenwort
-gegeben, daß ich nicht ein unanständiges Wort aus Ihrem Munde hören
-werde; ich hoffe, Sie sind ein Mann. Übrigens bin ich Ihnen zu viel
-Dank schuldig, als daß ich Ihnen was immer für eine Gefälligkeit
-abschlagen sollte.“
-
-„Sie geben mir also Ihr Ehrenwort?“
-
-„Ja.“
-
-„So nehmen Sie also auch,“ fuhr Horazio voll Feuer fort, „diesen Ring
-anstatt des verlornen an.“
-
-Feliciane stellte sich betroffen, und schob seine Hand sachte zurück.
-
-„Sie weigern sich, ein unbedeutendes Andenken von dem Manne zu nehmen,
-der nichts so innig wünscht, als nie von Ihnen vergessen zu werden?“
-
-„Horazio!“ rief Feliciane.
-
-„Sie wollen also Ihr Ehrenwort brechen? Sie kränken mich
-unaussprechlich!“
-
-„Nein! Das will ich nicht,“ sagte Feliciane wieder, und wusste ihren
-Augenliedern einen so geschickten Druck zu geben, daß eine helle
-Thräne ihre Wange herunter rollte. „Ich nehm’ ihn, und will ihn
-als Andenken ehren. Aber halt! ich darf ihn nicht nehmen. Nur dann
-könnte ich ihn als Andenken nehmen, wenn er an meinem Finger bliebe:
-ich hatte den verlornen aber nur von einer Freundinn auf einige
-Zeit ausgetauscht; denselben kann ich ihr nicht wieder zurückgeben;
-ich werd’ ihn ihr also zu ersetzen wissen. Ich denke nun der
-Verbindlichkeit meines Ehrenwortes ledig zu seyn.“
-
-Horazio antwortete: „Nein, meine Beste! Sie sind Ihres Ehrenwortes
-nicht ledig. Ihre Freundinn wird sich den Ring nicht mit Geld ersetzen
-lassen, sondern wird sich mit einem andern Ringe von gleichem Werthe
-begnügen müssen. Mein Andenken haben Sie angenommen“ -- nun sprang er
-zu einer auf einem Kasten stehenden Schatoulle, und hohlte ein Futteral
-mit sechs anderen brillantenen Ringen hervor -- „und nun werden Sie von
-diesen hier einen für Ihre Freundinn annehmen.“
-
-„Was denken Sie von mir, Horazio?“ sagte Feliciane; „ich würde fähig
-seyn, die Verletzung des Gastrechts so weit, bis zur Unverschämtheit
-zu treiben?“
-
-„Schönste Feliciane,“ sagte der Sophist, „Sie sind es ja nicht, die den
-Ring annimmt; und ich würde es nicht gewagt haben, Ihrer Delicatesse
-nahe zu treten. Ihre Freundinn ist es ja, die ihn von mir annimmt, und
-der ich ihn für das Vergnügen schuldig bin, den mir das Andenken hier
-an ihrem Finger macht.“
-
-„Trauen Sie also meiner Freundinn weniger Delicatesse zu, als mir?“
-sagte Feliciane. „Wie Sie auch die Sache drehen! wie Sie mir die
-unschuldigste Absicht übel ausdeuten!“ sagte Horazio. „Wie kann es die
-Delicatesse Ihrer Freundinn reitzen, wenn sie von einem Manne etwas
-annimmt, was er ihr eigentlich schuldig ist, da es in seinem Hause
-verloren worden; von einem Manne, den sie nicht einmahl kennt; wenn
-sie es nimmt, ohne selbst zu wissen, woher es kommt? Warum wollen Sie
-mir dieß Vergnügen versagen, das Ihnen weiter keine Beschwerlichkeit
-macht, als daß Sie etwas mit der einen Hand nehmen, und mit der anderen
-abgeben?“ „Denken Sie also,“ sagte Feliciane, die herzlich froh war,
-daß sie nun plötzlich auf einen andern Weg einlenken konnte, „denken
-Sie also, daß ich bey einem Vergnügen, das ich Ihnen verschaffen soll,
-auch nur daran zu denken im Stande sey, was es für einen Eindruck auf
-mich machen werde? O Sie kennen mich noch sehr wenig; und um Sie zu
-überzeugen, daß ich von so einer niedrigen Bedenklichkeit weit entfernt
-bin, geb’ ich Ihnen nach, und will nicht einmahl erwägen, ob mich Ihre
-Gründe, oder Ihre Beredtsamkeit bestimmt.“
-
-Horazio öffnete das Futteral, und Feliciane war bey dem Anblicke der
-sechs kleinen Fixsterne nicht wenig überrascht. „Wählen Sie nach
-Geschmacke,“ sagte Horazio; aber Feliciane konnte sie nicht bestimmen,
-denn sie war keine große Kennerinn, und hätte doch gern dem würdigsten
-die Ehre der Wahl erwiesen. „Nun müssen Sie mir ein Mahl nach meinem
-Kopfe thun. -- Eingeschlagen!“ -- Horazio that es, und Feliciane fuhr
-fort: „Für meine Freundinn werden Sie nun wählen.“ Horazio konnte
-nichts entgegen sagen, und hob den vorzüglichsten aus, der ebenfalls
-über tausend Escudo’s werth war. Nach einem kurzen Gespräche ließ er
-sie allein, damit sie sich vollends ankleiden konnte. Sie war nun
-Besitzerinn eines Schmuckes von mehr als zwey tausend Escudo’s, und
-Horazio hatte ein Vergnügen darüber, das er um drey tausend nicht hätte
-entbehren wollen.
-
-Er fuhr aus, sprach verschiedene Freunde, hüthete sich aber, ein Wort
-von seinem schönen Gaste zu verlieren; auch seinen Bedienten hatte er
-ein strenges Stillschweigen eingeschärft.
-
-Gegen Mittag kam er wieder nach Hause, wo er den alten Escudero fand,
-der ihm meldete, daß er sich, um seiner Frau wieder unter die Augen
-treten zu dürfen, einer Lüge bedient, und ihr gesagt hätte, daß sie
-ihre Tante binnen drey oder vier Tagen abholen würde, und daß er
-der Tante gesagt habe, er hätte das Fräulein in ihrer Mutter Hause
-gelassen. Feliciane war mit seinem Einfalle wohl zufrieden, und Horazio
-gab ihm eine Dublone. „So sauer mir auch das Lügen wird,“ sagte die
-Duenna, „so könnte ich doch für Don Horazio immerhin eine wagen.“
-Horazio hatte nun eben die Hand im Beutel, und bezahlte auch ihr diese
-liebevolle Äußerung mit einer Dublone. Feliciane befahl ihr zwar, sie
-nicht anzunehmen; aber Horazio bestand durchaus darauf.
-
-Sie gingen nun zu Tische, und nachdem sie wacker gegessen hatten,
-äußerte Horazio wieder seinen Wunsch, Felicianens Geschichte zu hören,
-und diese konnte sie ihm nicht länger vorenthalten. Sie begann denn.
-
-„Don Lope Zopata von Meneses, der zweyte Sohn des Don Bernardo Zopata,
-war mein Vater; er diente in Flandern, und bracht’ es bis zum Capitäne.
-Er kam an den Hof zurück, um eine Zulage an Gehalt zu begehren, und
-verliebte sich da in meine Mutter, aus dem Hause Arancivica, einer der
-ansehnlichsten Familien in Biskaja. Er wußte ihre Ältern in wenig Tagen
-zu gewinnen, erhielt sie zur Gattinn, und mit ihr einen Eisenhammer zur
-Mitgift; ein ganz ansehnliches Geschenk, da er über jährliche vier
-tausend Escudo’s eintrug. Sie hatten zwey Töchter, mich, Blanca, und
-meine jüngere Schwester Lucretia. Mein Vater diente noch mehrere Jahre,
-und starb als Seneschall in Cordova. Dort gefiel es einem Edelmanne,
-mich ins Auge zu fassen, und mir mit seinen zudringlichen Erklärungen
-so unablässig in den Ohren zu liegen, daß er mir vollkommen zuwider
-war, und ich ihn ohne innigen Verdruß nicht mehr nennen hören konnte.
-Nach meines Vaters Tode zog meine Mutter nach Madrit, wo wir nun zwey
-Jahre sind. Sie hat eine Schwester, eine Wittwe mit zwey Töchtern, in
-deren Hause wir uns meisten Theils, obschon in verschiedenem Gelaß’,
-aufhalten. Der Ritter von Cordova kam auch hierher, nicht aber in der
-Absicht, seine Werbung um mich fortzusetzen, sondern sein Augenmerk war
-auf die Tochter eines Rathes gerichtet, die ihn aber bald abfertigte.
-Als er dort kein Gehör fand, fand er es für gut, sich wieder an mich zu
-wenden, und beschloß endlich zur größeren Sicherheit seines Erfolges,
-mich geradezu zur Ehe begehren. Ich will Ihnen eine kleine Schilderung
-von ihm machen. Er ist sehr leibig, und dabey sehr klein, sieht sehr
-tückisch her, und ist auch wirklich, wie seine Bedienten einhällig
-sagen, meistens von so übler und ungestümer Laune, daß er sich mit
-niemanden vertragen kann. Urtheilen Sie nun selbst, ob ich recht
-that, daß ich die Hand so eines Mannes ausschlug. Unterdessen so sehr
-sich mein Herz gegen eine Verbindung mit ihm von jeher empört hatte,
-so wenig mißfiel er doch meiner Mutter. Sie hatten öfters besondere
-Unterredungen, und ich entdeckte bald, daß ihm meine Hand verheißen
-sey. Sie waren auch nur mehr über die Bedingnisse uneinig. So reich er
-ist, macht’ er doch große Forderungen, zu denen sich meine Mutter nicht
-verstehen konnte, weil sie selbst größten Theils nur vom Wittwengehalte
-lebte, und ihr Vermögen eigentlich nur für uns Schwestern ersparen
-wollte. O sie ist doch eine gute Mutter, und sie hat seinen Antrag
-gewiß nur darum so eifrig begünstigt, weil sie mich noch an ihrem Leben
-versorgt sehen wollte, und mich bey ihm gut versorgt glaubte.“ --
-Sie weinte, und Horazio überzeugte sich wieder neuerdings, daß eine
-vortreffliche Seele in diesem makellosen Körper wohne.
-
-„Endlich,“ fuhr sie fort, „ließ er doch von seinen Forderungen ab, und
-erklärte sich, daß er mir auch ohne Mitgift die Hand reichen wolle.
-Der Tag zur Unterzeichnung war bestimmt, und es war so abgekartet,
-daß ich in das Haus meiner Tante geführt werden sollte, um mein
-Todesurtheil zu unterzeichnen. Man befahl mir, ohne der Hauptsache
-nur mit einem Worte zu erwähnen, mich anzukleiden, und sagte mir nur,
-daß ich abgeholt werden würde. Mir kam alles verdächtig vor, und das
-Herz schlug mir mächtig; indessen konnt’ ich nichts vorschützen,
-warum ich nicht zu meiner Tante fahren wollte. Der Wagen kam, und wir
-stiegen ein; mit jedem Schritte schlug mein Herz stärker; Banuelos
-sichtbare Ängstlichkeit, des Escudero ununterbrochenes Schweigen,
-ihrer beyder Verlegenheit, wenn ich sie fragte, warum wir zur Tante
-führen, enträthselten mir alles. Nun wollt’ es mich nicht mehr im Wagen
-leiden; ich forderte, sie sollten anhalten lassen; sie thaten’s nicht:
-ich schrie dem Kutscher selbst zu; er hielt gerade vor Ihrem Hause
-an: ich sprang aus dem Wagen, -- das übrige wissen Sie selbst.“ --
-Nun vergoß sie wieder einen Strom von Thränen; die Duenna schluchzte,
-und Horazio selbst weinte mit. Nachdem sie sich alle wieder erhohlt
-hatten, erklärte Feliciane, daß sie überhaupt, so lange sie nun Madrit
-bewohne, in einer seltsamen Stimmung sey, und in einer ununterbrochnen
-Fröhlichkeit ihrem Herzen nie eine ernsthafte Neigung habe nahe kommen
-lassen. Horazio’s ganzes Wesen heiterte sich nun auf; denn er hatte
-nicht mehr und nicht weniger vermuthet, als das sie am Ende ihrer
-Erzählung das Geständniß hinzu fügen würde, daß ihr Herz schon an einen
-andern verschenkt gewesen sey.
-
-„Eine glückliche Stimmung, in der Sie waren!“ sagte Horazio; „denn was
-ist wohl glücklicher, als durch sein Leben munter und sorgenlos wie
-durch einen Garten hinhüpfen zu können! Wenn nun aber einmahl diese
-Art von unversuchter Fröhlichkeit, die in unsern Verhältnissen auch
-nicht lange währen kann, vorüber ist, dann gibt es auch wirklich keinen
-Zustand, der uns für jenen schadlos halten könnte, als den Zustand
-einer glücklichen Liebe. O ja!“ fuhr er mit einer Art von Begeisterung
-fort, „so vielen Kummer eine unglückliche willkürliche Liebe, so viele
-Nachreue eine unvorsichtige und zu rasche nach sich zieht; so übergroße
-Seligkeit bringt auch eine glückliche, und so viele Vorwürfe haben
-sich zwey Herzen zu machen, die sich vielleicht wechselseitig auf
-immer glücklich machen könnten, und doch“ -- -- bey den letzten Worten
-hatte er Felicianens Hand mit einer Art von Wuth ergriffen; sein Blick
-hing starr an ihrem Auge; und diese Zauberinn, der alle animalischen
-Verrichtungen des Körpers zu Gebothe zu stehen schienen, wußte sich
-schnell die gehörige Masse Bluts in die Wangen zu pumpen, das sich wie
-ein Rosenflor über sie ausbreitete. „O Gott!“ seufzte Horazio, und
-Feliciane sagte ganz leise, und indem sie sich eine Thräne vom Auge zu
-wischen schien: „Wollen Sie mir nicht die Theorbe spielen?“ Er dachte
-weiter nichts, als daß sich Feliciane aus einer nur allzu sichtbaren
-Verlegenheit zu retten wünsche, und nahm die Theorbe augenblicklich
-zur Hand. Er spielte und sang mit wahrem Eifer; was er aber dieß Mahl
-an Ausdrucke gut machte, das verdarb er mit falschen Griffen. Als er
-geendigt hatte, sagte Feliciane, daß auch sie eine große Liebhaberinn
-von Musik wäre, und zu Hause eine Harfe und eine Guitarre habe. Horazio
-sprang auf, hohlte seine Guitarre, und ließ nicht eher ab, bis sich
-auch Feliciane zu einem kleinen Gesang’ entschloß. Man hätte eine große
-Wette eingehen können, daß kein Mädchen in Madrit die Guitarre mit mehr
-Grazie zu halten im Stande war, als sie; man wußte nicht, wenn sie
-spielte, ob man sich von dem sanften Auf- und Abgleiten ihrer Finger,
-oder ihrer ausdrucksvollen Stimme, oder von dem reitzenden Wiegen ihres
-Körpers, mit dem sie den Gesang begleitete, hinreißen lassen solle. Sie
-sang:
-
- Ein Vöglein auf dem Felde saß;
- Es pfiff und sang ohn’ Unterlaß;
- Es saß bald hier, es saß bald dort,
- Und sang, und trillert’ immer fort.
-
- Im Herbste und im Winter war
- Es fröhlich, wie im frühen Jahr;
- Es saß bald hier, es saß bald dort,
- Und sang und trillert’ immer fort.
-
- Doch lange hatt’ ihm schon im Feld’
- Ein Vogelsteller nachgestellt;
- Er pfiff -- es pfiff den Wald hinein,
- Im Netze war das Vögelein.
-
-Feliciane hatte eine so angenehme Melodie zu diesem Texte gewählt,
-daß Horazio, der den Inhalt des Gesanges ohne allen Anstand auf sich
-auslegte, ganz bezaubert war. Er pries ihre Talente in seiner halb
-castellanischen Sprache mit so sonderbaren Ausdrücken, daß sich
-Feliciane kaum des Lachens erwehren konnte.
-
-Ihr Gespräch war durch die Ankunft des alten Escudero gestört, der
-einen kleinen Pack, mit einem sonderbarem Überzuge von Leinwand, trug.
-Er nahm ihn unter seinem Mantel hervor, und öffnete ihn. „Wie?“ sagte
-Feliciane; „wo hast du das Kleid, das ich ausdrücklich verlangt habe?“
-„Ich bitte um Vergebung! gnädiges Fräulein; es war aber unmöglich:
-denn alle Ihre Kleider hat man schon in die Wohnung der gnädigen Tante
-geschafft.“
-
-„Wie werden wir sie nun kriegen?“ sagte Feliciane; „nun muß ich immer
-das nähmliche auf dem Leibe tragen.“ Sie stellte sich sehr verdrießlich
-an, und Horazio, der jede Gelegenheit, sie sich verbindlich zu machen,
-mit beyden Händen ergriff, unterbrach sie, und sprach: „Lassen Sie
-sich doch nicht so eine Kleinigkeit kümmern, beste Donna Blanca!
-so einem Übel wird doch bald abgeholfen seyn. Bis heute Abends
-lassen sich wohl zwey Kleider ganz nach Ihrem Geschmacke, mit allem
-Zugehöre verfertigen.“ Feliciane warf ihm einen zärtlichen Blick zu,
-und sagte: „Sie sind wirklich zu gefällig, und ich sollt’ Ihre Güte
-nicht mißbrauchen. Wenn Sie mir aber in dieser Verlegenheit auf meine
-Rechnung zwey Kleider verschaffen wollen, werden Sie mich Ihnen
-unendlich verbinden.“ Horazio war voller Freuden, und machte, nachdem
-er sich noch genau Farbe, Stoff und Zugehör hatte vorschreiben lassen,
-die nöthigen Anstalten. Nun suchte Feliciane das Gespräch auf einen
-andern Gegenstand zu leiten. Sie sagte ihm, daß sie dem Escudero,
-ungeachtet aller Betheurungen, doch nicht vollkommen traue, und daß
-sie unaufhörlich der Zweifel peinige, ob es wohl wahr sey, daß er
-sie von beyden Seiten, so wohl bey ihrer Mutter, als bey ihrer Tante
-sicher gestellt habe. „Sie, Horazio,“ sagte sie, „wären im Stande, mich
-hierüber vollkommen zu beruhigen. Hören Sie, in meiner Tante Wohnung
-wird ein Gelaß vermiethet; wenn sie es besuchen wollten, könnten Sie
-bey dieser Gelegenheit auch meine Tante selbst sprechen, und so im
-Gespräch’ abnehmen, wie sie gestimmt, und ob sie meiner Flucht nicht
-etwa auf der Spur sey.“ Horazio nahm den Auftrag desto freudiger an, da
-er zugleich eine nähere Auskunft über Felicianens Schicksal, und über
-die ganze Geschichte zu erhalten hoffte; Feliciane schickte aber in
-der Eile ihrer Mutter durch den Escudero einen Zettel, in der sie ihr
-ganz kurz meldete, wie sie sich gegen Horazio zu benehmen habe.
-
-Horazio ging nun fröhlich zum Thore von Quadalaxara hinaus, und kaufte
-den Stoff für die zwey Kleider; auf das eine schwarzen Atlaß, und auf
-das zweyte blaß rosenfarbigen Taffet. Als er auch die Verfertigung
-besorgt hatte, ließ er den Wagen gerade an das Haus der Tante seiner
-Feliciane fahren, und an der Hausthür halten. Er schickte einen
-Bedienten um die Schlüssel zu dem Gelasse, das hier vermiethet wurde,
-hinein; eine Magd kam, zeigte ihm das Gelaß, und er fragte nun nach
-der Person, mit der er sich über den Preis zu besprechen hätte; man
-nannte sie ihm, und er erkannte sogleich an dem Nahmen Laura, daß es
-Felicianens Tante wäre. Er ward zu Theodoren geführt, und fand sie in
-einer sehr betrübten Stellung; sie kamen über den Preis überein, und
-Theodora bath ihn, ihr auch den Nahmen der Person, für die er das Gelaß
-gemiethet hätte, bekannt zu machen. Horazio sagte ihr, daß es eine
-Wittwe, eine Base von ihm, wäre. „O bringen Sie mir sie doch bald!“
-sagte Theodora; „denn ich leb’ ohne dieß wie im Kerker, ohne alle
-Gesellschaft, und leide besonders seit zwey Tagen großen Kummer.“ „Das
-zeigt sich nur zu deutlich an Ihrer Miene,“ antwortete Horazio; „und
-so wird sich meine Base vortrefflich zu Ihnen schicken, denn sie ist
-immer sehr munter und aufgeweckt.“ „Nun,“ antwortete Theodora, „bringen
-Sie mir sie doch recht bald! ich trage schon eine rechte Sehnsucht nach
-ihr.“ „In der That,“ erwiederte Horazio, „Ihr Kummer geht mir nahe, und
-wenn es nicht unbescheiden wäre, würd’ ich es wagen, Sie um die Ursache
-desselben zu fragen.“
-
-„O mein Bester!“ sagte Theodora; „das ist es eben, was ihn noch größer
-macht, daß ich ihn nicht mittheilen kann.“
-
-„So will ich auch nicht weiter in Sie dringen; indessen, wenn dieser
-besondere Umstand nicht eingetreten wäre, so hätt’ ich Ihnen meine
-Dienste angebothen. Ich bin zwar kein Spanier, aber doch Edelmann, und
-schmeichle mir, hier mit ansehnlichen Häusern in Verbindung zu stehen.“
-
-„Sie sind also kein Spanier?“
-
-„Nein, wie Ihnen auch schon meine schlechte Aussprache zeigt; ich bin
-aus Mailand, und nur eines Geschäftes wegen hier, übrigens aber, wie
-gesagt, zu jedem Dienste bereit, den ich Ihnen leisten kann.“
-
-„Ich danke Ihnen, vortrefflicher Mann! Nach Ihrer freundschaftlichen
-Äußerung, zu der Sie nur Menschenliebe auffordern kann, da Sie mich
-nicht einmahl kennen, würd’ ich wirklich undankbar seyn, wenn ich
-Ihnen die Ursache meines Kummers noch länger vorenthalten wollte.
-Belieben Sie in dieses Gemach herein zu kommen; hier könnte man uns
-belauschen.“ Sie gingen hinüber, setzten sich, und Theodora begann:
-„Ja mein Bester! diesem Hause ist ein großes Unglück widerfahren.
-Ich hatte die Tochter meiner Schwester, und einen Ritter von gutem
-Charakter und untadelhaftem Vermögen zu mir bestellt, um zwischen ihnen
-einen Heirathsvertrag richtig zu machen. Ich muß freylich gestehen,
-daß das Mädchen eben nicht besondere Neigung gegen den Ritter trug;
-unerfahrne Mädchen wissen sich aber nicht selbst zu rathen, und so
-glaubte ich denn meine Pflicht zu thun, wenn ich meine Erfahrung
-anstatt der ihrigen gebrauchte, und sie so gewisser Maßen zu dieser
-Verbindung nöthigen würde, wofür sie mir in der Folge noch danken
-dürfte. Es war schon alles verabredet; sie war mit ihrer Duenna, unter
-der Begleitung eines Escudero, abgehohlt; aber, Gott weiß wie es
-geschehen seyn mag, mit einem Mahle verschwanden sie dem Escudero aus
-den Augen, und der gute Alte weiß nicht im geringsten zu sagen, wo sie
-hingekommen sey. Ich habe sie bey allen Bekannten, in allen Klöstern
-aufsuchen lassen; aber nirgends ist sie zu finden. Ihre Mutter liegt
-krank, und meint, sie sey in meinem Hause. O mein Bester! Sie kommen
-in viele Gesellschaften; wie würden Sie mich nicht verbinden, wenn Sie
-nur die geringste Nachricht von ihr geben könnten, damit meine Unruhe
-nur in etwas gemildert würde. Vielleicht ist sie nicht einmahl mehr in
-Madrit; von einem entschlossenem Mädchen ist alles zu fürchten. Gern
-will ich ihr vergeben, wenn sie vielleicht mit einem Ritter von ihrem
-Stande ein geheimes Liebesverständniß gepflogen hat: wenn sie aber ihr
-Blut verläugnet; wenn sie sich von einer blinden Leidenschaft hinreißen
-läßt, und sich etwa einem Häuchler aus niederm Rang’ in die Arme wirft,
-o Gott! dann ist es um die Ruhe meines Lebens auf immer geschehen. Wie
-leicht ist ein unschuldiges Mädchen nicht verführt; besonders ein so
-schönes Mädchen! O Mädchen, Mädchen! was für Kummer machst du mir!“
-
-Horazio, der nun eher an Gottes Wort, als an der Wahrhaftigkeit dieser
-Erzählung gezweifelt hätte, antwortete ihr: „Ich danke Ihnen von ganzem
-Herzen, gnädige Frau, für das Zutrauen, das Sie mir schenkten, und will
-es durch eine Nachricht zu bezahlen suchen, die Ihnen wahrscheinlich
-willkommen seyn dürfte. Ich weiß nun eine Dame, die nur drey Tage von
-Haus’ entfernt ist; sie heißt Donna Blanca.“ „Was höre ich,“ schrie
-Theodora; „das ist meine Nichte! das ist meine verlorne Blanca!
-Engelsmann!“ schrie sie, und küßte ihn, „wo ist sie? ich sterbe vor
-Freuden; ein Engel hat mir’s eingegeben, daß ich Ihnen alles erzählen
-sollte. Wo ist sie denn? wo ist sie denn?“ Er erzählte ihr denn, daß
-sich Donna Blanca in seiner Wohnung befinde; wie sie zu ihm gekommen
-sey; daß er sich auf ihren Befehl hier befinde, und das Gelaß nur zum
-Vorwande gemiethet habe. Sie überströmte ihn nun wieder mit einem
-Hagel von Küssen, und dankte ihm für sein gütiges Benehmen gegen ihre
-Nichte; um aber das Frohlocken noch feyerlicher zu machen, schrie
-sie: „Louischen! Louischen! komm geschwinde, wie du auch aussehen
-magst! fröhliche Neuigkeiten! gute Nachrichten!“ Louise kam in einem
-blaßgelben Habite, die Haare in Unordnung, herein geflogen, und so
-schön sie war, war Horazio’s Fantasie doch schon von Felicianens Bilde
-zu sehr befangen, als daß ihre Reitze mit voller Gewalt auf ihn hätten
-wirken können. Sie grüßte den Ritter sehr artig mit einem schwebenden
-Complimente, und hüpfte ihrer Mutter zu. „Dieser Herr hier, oder
-vielmehr dieser Schutzgeist,“ sagte Theodora, „hat mir von Blanca
-Nachrichten gebracht.“
-
-„Gott sey Dank!“ schrie Louise.
-
-„Sie ist in seiner Wohnung, und wir werden sie wieder haben.“
-
-„Wir waren auch schon alle beynahe todt vor Angst,“ sagte Louise wieder.
-
-„Sie sind aber doch verheirathet?“ fragte Theodora.
-
-„Nein,“ antwortete Horazio; „seyn Sie aber versichert, daß Donna Blanca
-bey mir mit aller Ehrfurcht behandelt wird, die ihrem Range gebührt.“
-
-„Daran trage ich auch nicht den geringsten Zweifel,“ erwiederte sie.
-
-Unter diesem Gespräche war die Dämmerung eingefallen; man steckte
-Lichter an, und eine Magd meldete, daß Don Diego de Orozo im Vorzimmer
-wäre. Horazio war bereit, sich zu entfernen; aber Theodora bath ihn,
-zu bleiben, da der Besuch nicht von Belange wäre. „Es ist nur ein
-Freyer um Louisen,“ sagte sie, „der ihr aber, wie mehrere andere, nicht
-ansteht, weil er so wenig Welt, und über dieß auch nicht hinlängliches
-Vermögen hat, um ein Weib standesmäßig zu ernähren.“ Nun trat Don
-Diego ein; man reichte ihm einen Stuhl, und sprach eine Weile von
-gleichgültigen Dingen. Da er sah, daß ihm Mutter und Tochter ungünstige
-Blicke zuwarfen, sprach er: „Ich habe Donna Louisa schon seit mehrern
-Tagen in übler Laune gefunden; ich habe denn heute versuchen wollen, ob
-ich sie nicht aufzuheitern im Stande bin. In dieser Absicht hab’ ich
-einen geschickten Tonkünstler mitgebracht, den man auch bey Hofe gerne
-hört, und der Sie ein wenig unterhalten soll.“ Man fand seinen Antrag
-sehr artig; der Tonkünstler trat ein, nahm sein Instrument zur Hand,
-und sang mit einer sehr angenehmen Stimme ein schmelzendes Adagio.
-Mit einem Mahle änderte er aber den Ton, und sang unter verschiedenen
-Grimassen folgendes Lied:
-
- Liebe Inez, höre mich,
- Höre mich doch an!
- Liebe Inez, liebe mich;
- So bin ich dein Mann.
-
- Deine Schönheit thu’ ich kund,
- Ach, zu meiner Qual:
- Purpurroth ist dieser Mund
- Wie ein Cardinal.
-
- Deine Augen schwarz und traut
- Blicken durch den Schleyer schlau,
- Wie durchs Fenstergitter schaut
- Eine Klosterfrau.
-
- Deine Tugend zu erheben,
- Fehlen Worte mir:
- Denn es ist dein ganzes Leben
- Eine Tugend schier.
-
- Alle Menschen zu ertragen
- Ist dir keine schwere Pflicht.
- Drum verschmähest du die Klagen
- Selbst der Götzendiener nicht.
-
- In dem Drange des Gewimmels
- Folgst du standhaft deiner Spur,
- Und versichert deines Himmels,
- Lebest du dem Menschen nur.
-
- Weil zum Beyspiel böser Laien
- Niemahls dich der Himmel straft,
- Bist du selbst, dich zu casteyen,
- Fromme Seele! -- lasterhaft.
-
-Während dieser Hymnus gesungen wurde, stand Diego rückwärts mit
-verhaltenem Munde, um das Lachen zu verbeißen. Die beyden Damen
-bedurften keines Dolmetschers, um das Loblied Strophe für Strophe
-auf Louisen auszudeuten. Louise warf ihm einen Blick voll Verachtung
-zu, und sagte: „In der That, Don Diego, Sie sind ganz dazu gemacht,
-eine Gesellschaft in eine andere Stimmung zu bringen; Sie haben den
-Tonkünstler wohl immer im Solde? Verfertigen wohl gar die Poesie?“
-„Wahrhaftig,“ sagte Theodora, indem sie nach der Uhr sah, „schon so
-spät! das hätt’ ich nimmermehr gedacht. Ich dank’ Ihnen, Don Diego,
-daß sie uns einen so langen Besuch haben schenken wollen; unterdessen,
-dieser Herr hat mit mir Sachen von Wichtigkeit abzuthun; und da ich
-nicht verlangen kann, daß er sich so lange hier aufhalte, werden Sie
-es nicht unartig nennen, wenn ich Sie bitte, uns morgen dafür einen
-allenfalls noch längern Besuch zu schenken.“ Der hämische Diego war
-mit dem Unwillen, den er an ihrer Stirn las, vollkommen zufrieden, und
-ging fort, zum Glück’, ohne nach Felicianen zu fragen, und die ehrliche
-Theodore wieder zu einer Nothlüge zu zwingen. Horazio blieb nun allein
-bey ihnen, und Theodora sagte: „Dieser abgeschmackte Ritter hat sich
-in dieses Haus eigentlich eingedrungen, und mich hat wirklich nur die
-gute Nachricht von Blanca bey Laune erhalten, sonst würd’ ich ihn mit
-seiner einfältigen Musik in die Schenke gewiesen haben.“ Sie fügte
-hinzu, daß sie ihrer Nichte einen kleinen Zettel schreiben wolle, und
-Horazio sich unterdessen mit ihrer Tochter unterhalten möchte. Sie ließ
-sie denn allein, und schrieb geschwinde zwey Zettel. Den einen gab sie
-dem Escudero, und schärfte ihm ein, geschwinde zu laufen, damit ihn
-Feliciane noch erhielte, bevor Horazio nach Hause käme. Mogropejo lief
-auch an der Stelle ab, und Theodora kam, den andern Zettel in der
-Hand, in das Gemach zurück. „Bester Horazio,“ sagte sie, „übermorgen
-werd’ ich meiner Schwester Wagen hohlen lassen, und werde dann meine
-Nichte bey Ihnen abhohlen; bis dahin muß ich Sie bitten, sie bey sich
-zu behalten. Daß ich es nicht länger gestatten kann, sehen Sie selbst
-ein; Sie sind unverheirathet, und mir liegt Ihre Ehre und Ihr Ruf so
-nah’ am Herzen, als der Ruf meiner Nichte.“ Horazio konnte nichts
-entgegen sagen; er fühlte aber schon ganz die Bitterkeit der bevor
-stehenden Trennung. Er nahm von Louisen den wärmsten Abschied, und
-eilte nach Hause.
-
-Feliciane hatte den Zettel ihrer Mutter, der einen ausführlichen
-Unterricht enthielt, schon erhalten; sie empfing ihn mit anscheinender
-dringenden Ungeduld, und fragt’ ihn, wie es ihm mit ihrer Base gegangen
-sey. „Gut und nicht gut,“ antwortete Horazio; „gut, weil ich eine Frau,
-wie Ihre Tante, kennen gelernt habe; und nicht gut, weil alles, was
-der Escudero gesagt hat, grundfalsch war, und sie Ihre Flucht schon
-wußte. Ich fand sie so innigst bestürzt, und so voll Sehnsucht nach
-Ihnen, daß ich sie nicht länger hätte ungetröstet lassen können. Ich
-sagte ihr denn, daß Sie sich in meiner Wohnung befänden, worüber sie
-in ein lautes Frohlocken ausbrach, und an der Stelle den Entschluß
-faßte, Sie übermorgen bey mir abzuhohlen.“ Feliciane sank ohnmächtig
-auf den Stuhl; die Duenna und Horazio sprangen ihr zu Hülfe. „Was ist
-Ihnen, Blanca?“ schrie Horazio. „So gibt’s denn nichts, als Unglück!“
-schrie die Duenna. „O ich seh’ es nur zu spät ein, daß ich der Tante
-nichts hätte merken lassen sollen.“ „Sie haben der Tante also wirklich
-entdeckt, daß das Fräulein hier ist?“ sagte die Duenna. Horazio bejaht’
-es, und Banuelos fuhr fort: „Gott im Himmel, was haben Sie gethan? Was
-für ein böser Geist hat Sie dazu angetrieben? Was haben wir nun zu
-erwarten? Die Tante ist noch weit unbarmherziger, als des Fräuleins
-Mutter. Wer hat Sie denn zu ihr geschickt?“ „Donna Blanca selbst;“
-antwortete Horazio; „auf ihr Geheiß bin ich hingegangen.“ Unterdessen
-erhohlte sich Feliciane aus ihrer Ohnmacht, und sagte: „Bester
-Horazio! wenn Sie meine Beherbergung in Verlegenheit setzte, hätten
-Sie mir es nur erinnern dürfen, und ich hätte mich zu einer meiner
-Freundinnen begeben. Nur meine Tante weiß, daß ich mich hier aufhalte;
-ich bin verloren; und ich fürchte nicht sie allein, sondern auch meine
-Onkel, denen sie auch ohne Zweifel an der Stelle davon Nachricht
-geben wird. Nun wird man mich erst zwingen wollen, und ich bin zu
-edel geboren, als daß ich meinem Herzen den geringsten Zwang anthun
-lassen sollte.“ So schrien sie und die Duenna unablässig fort, daß
-Horazio ganz verwirrt war, und das Zimmer auf- und ablief, ohne sich
-im geringsten Rath schaffen zu können. Daß Feliciane aus seinem Hause
-kommen sollte, war ihm ein unerträglicher Gedanke, und beschäftigte ihn
-mehr, als was Mutter und Tante mit dem armen Mädchen vorhaben dürften.
-Er gerieth auf dieß und das; ein Anschlag verdrängte den andern, und
-sein Entschluß, der am Ende heraus kam, war, daß er der ganzen Welt
-Trotz biethen, und bis zum letzten Blutstropfen hindern wolle, daß
-man sie ihm entreiße. Um nun diesem Unglücke vorzubeugen, schlug er
-ein anderes Mittel vor. Er sagte ihr nähmlich, daß der Garten seines
-Hauses mit dem Garten des nächsten daran zusammen stoße; daß dieser
-Garten nun leer stehe, und er ihn für sich gemiethet habe; daß in der
-Spalierwand, die beyde Gärten von einander trenne, eine kleine Thür
-wäre, die man nicht bemerke, und durch die sie sich retten könne, wenn
-man sie abzuhohlen käme. Da er allein der Tante die Nachricht gebracht
-habe, wolle er sie nun standhaft läugnen.
-
-Feliciane nahm den Vorschlag an, und sammelte nun bald ihre Kräfte
-wieder. Sie gingen auch gleich alle in den Garten, versuchten die Thür,
-und versprachen sich den besten Erfolg. Die Tante beliebte sich den
-folgenden Tag noch nicht einzufinden, sondern ließ nur melden, daß
-sie sich übel befinde; und nun schöpfte Horazio wieder neuen Muth.
-Denselben Tag nach dem Abendessen seufzete Feliciane tief, und sagte:
-„Wahrhaftig, bester Horazio! ich komme mir in dem Verhältnisse gegen
-meine Mutter so abscheulich vor, und kann es doch nicht aufheben,
-ohne mich auf immer unglücklich zu machen. Wenn ich mir meine Lage da
-so lebhaft vorstelle, so möcht’ ich weit über die Grenzen Spaniens
-hinaus fliehen, und hoffe nur weit von hier Ruhe zu finden.“ Nun sah
-Horazio den Himmel offen. „Ist’s möglich?“ sagte er; „sollten Sie wohl
-diesem Vorsatze treu bleiben? Ich will ihn ausführen; ich will Sie auf
-die anständigste Art nach Mailand bringen; nicht unter dem Titel der
-Gamahlinn: denn leider hab’ ich, bevor ich Sie kennen lernte, meine
-Hand schriftlich einer Dame zugesagt, und ihr meine Erklärung auch
-schon geschickt. Ich will Sie aber unter dem Nahmen einer Verwandten
-hinführen, will Sie wie meine Schwester lieben; und wenn diese Dame
-bey der Schilderung der Leidenschaft, die ich für Donna Blanca
-empfinde, bewegen läßt, meinem Herzen freye Wahl zu lassen, und mir
-meine Erklärung zurück zu geben, so ist niemand meiner ewigen Liebe so
-würdig, als Sie.“
-
-Feliciane hatte nichts sehnlicher erwartet, als eine Erklärung aus
-seinem Munde. Sie sprang auf, und sagte, indem sich ihr ganzes Wesen
-aufzuheitern schien: „Horazio, ich will alle Ziererey des Frauenzimmers
-abwerfen. Sie haben alles, folglich auch das Größte um mich verdient.
-Ich gesteh’ Ihnen denn, daß es mir unmöglich ist, ohne Sie jemahls
-wahrhaft glücklich zu seyn. Ich muß bey Ihnen bleiben; und kann ich Sie
-nicht als Gattinn lieben, so will ich Ihre Schwester seyn. Machen Sie
-Anstalt zur Reise, so bald Sie wollen. Ich gehe mit; hier ist meine
-Hand.“ Horazio war trunken vor Entzücken; er wagte es, sie zu umarmen,
-und sie küßte ihn so feurig, als er sie. „Vielleicht,“ schrie er, „ist
-der Courier, dem ich die Schrift mitgegeben habe, noch nicht fort;
-vielleicht kann ich sie zurück nehmen; o dann wäre ich der glücklichste
-Mensch auf Erden! Erlauben Sie nun, daß ich hineile, und nicht einen
-Augenblick verliere.“ Sie umarmten sich noch ein Mahl feurig; er eilte
-fort, und kam mit der glücklichen Nachricht zurück, daß die Schrift
-noch nicht abgelaufen sey; daß er binnen drey Tagen alle seine
-Geschäfte abgethan habe, und daß sie dann ungehemmt auf den Flügeln der
-Liebe nach seinem Vaterlande eilen könnten. Sie gingen freudig zu Bett;
-aber Horazio konnte kein Auge zuthun. Den nächsten Morgen ließ er für
-sich und Felicianen zwey Reisekleider nach italienischer Tracht machen;
-alles war zur Abreise bereitet, und den folgenden Tag des Abends
-sollten sie abfahren.
-
-Mit einem Mahle hielt Theodorens Kutsche an der Hausthür. Sie trat
-ein, und erkundigte sich nach Felicianen: Horazio sagte ihr aber,
-daß ihre Nichte des Morgens zur Beicht gefahren wäre, und daß sie
-selbe vermuthlich noch in der Kirche treffen würde. Theodora stellte
-sich treulich an, als ob sie es glaube; indessen war Horazio doch
-übel zu Muthe, daß er sie auf keine klügere Art abgefertigt habe, da
-sie diese nicht auf lange Zeit entfernen könnte. Er eilte daher zu
-Felicianen, und sagte ihr, was vorgegangen sey. Feliciane war damit
-ganz zufrieden, und nun ging es wieder hastig über die Anstalten
-zur Abreise her. Besonders sorgte Feliciane, daß so viele Kleider,
-als möglich, eingepackt wurden. Um die Stunde des Abendgebeths hielt
-Theodore schon wieder mit dem Wagen vor der Thür; sie erfuhr von einem
-Bedienten, daß Horazio zu Hause wäre, und ließ ihn rufen. Er war sehr
-ungehalten, daß sie ihn nicht verläugnet hatten, und daß er sich
-nun wieder mit einer List behelfen sollte, was, wie wir nun gesehen
-haben, überhaupt eben nicht seine Sache war. Er meldete Felicianen mit
-sichtbarer Ängstlichkeit, daß Theodora schon im Vorhofe stehe, lief
-dann zu ihr hinunter, und sie fragte ihn rasch, wo ihrer Nichte Zimmer
-wäre. Er sagte ihr, daß es ihm leid thue, sie noch ein Mahl vergebens
-bemühet zu haben, sie sey aber wirklich heute Morgens schon, was er
-nicht gewußt habe, zu einer Freundinn gefahren, von der sie noch nicht
-zurück gekommen sey. „Vortrefflich, vortrefflich!“ sagte Theodore mit
-verbissener Wuth; „genug, daß ich weiß, daß sie hier im Hause ist! Ich
-will sie durchaus sehen, und mit mir nehmen. Solche zügellose Mädchen,
-wie mein artiges Nichtchen, haben keinen eignen Willen. Nicht genug,
-daß sie, wie ein Ausreißer, davon läuft, und wie ein Landstreicher im
-nächsten besten Haus übernachtet, ohne zu denken, was ihre Ehre dabey
-leidet; nun fährt sie auch noch sorglos spazieren, und spielt die
-Hausfrau, als ob man sie aller mütterlichen Gewalt entlassen hätte.“
-Horazio bestand darauf, daß das Fräulein wirklich nicht in seinem Hause
-sey; und Feliciane eilte mit der Duenna in demselben Augenblicke durch
-den Garten in das andere Haus. Ein Bedienter gab Horazio ein Zeichen,
-daß die Auswanderung glücklich überstanden sey, und Horazio bath
-Theodoren nun, nicht unmuthig zu werden, und sich durch den Augenschein
-zu überzeugen, daß er die lautere Wahrheit spräche. Er reichte ihr den
-Arm, und führte sie Treppe auf, Treppe ab, Stube aus, Stube ein, bis
-das ganze Haus rein durchsucht war. „Sie sehen nun selbst,“ sagte er,
-„daß ich Sie nicht getäuscht habe, und ich versichere Sie vielmehr, daß
-mir über ihr langes Außenbleiben selbst bange wird. Es ist schon spät;
-wenn ihr nur kein Unglück widerfahren ist!“
-
-„Ungerathenes Kind! Unvorsichtiges Kind!“ murmelte Theodora zwischen
-den Zähnen. „Was ist nun zu thun?“
-
-„Nichts,“ antwortete Horazio, „als daß Sie die Güte haben, ein wenig zu
-warten.“
-
-Sie wartete gegen einer Stunde; da sie aber sah, daß es vergebens sey,
-fragte sie, zu was für einer Freundinn sie gefahren wäre. Man rief den
-Kutscher; es war aber schon abgeredet, daß er nicht kommen sollte.
-Endlich sagte Theodora: „Das Mädchen scheint zu wissen, was es zu thun
-habe; aber auch ihre Oheime werden ihre Pflicht kennen, und werden sie
-zurück zu halten wissen, wenn sie sich auch selbst in’s Unglück stürzen
-will. Leben Sie wohl!“ Mit diesen Worten stieg sie in den Wagen, und
-fuhr fort.
-
-Es vergingen nicht zwey Stunden, so kamen auch schon zwey Bekannte
-Theodorens, und fragten nach Donna Blanca.
-
-Die Bedienten hatten schon den Auftrag, jedermann zu sagen, daß sie
-des Abends nicht zu Hause speise, und daß sie sich, wenn es dringend
-wäre, nach Mitternacht, oder den folgenden Tag sehr früh wieder
-einfinden könnten. Die Oheime gingen denn wieder die Straße hinunter,
-und Feliciane sagte, als sie sie erblickte: „Wehe mir! das sind
-meine Oheime.“ Den nächsten Morgen brachte Horazio seine Blanca in
-das Haus, das er gemiethet hatte, machte sich aller Geschäfte ledig,
-und bestellte des Nachts Wagen und Maulthiere, um nach Barcelona
-abzufahren. Nach Tische besann er sich, daß er mit einem unbeschuheten
-Carmeliten noch etwas abzuthun habe, und wollte noch in das Kloster,
-das ganz in der Nähe war, hinüber gehen. Er gab Felicianen unterdessen
-ein kleines Felleisen, in dem über zwölf tausend Escudo’s an Geld’
-und Geschmeide waren, in Verwahrung, und eilte hinüber. Dieser kleine
-Umstand löste nun den Knoten mit einem Mahle. Ohne nun weiter auf etwas
-zu denken, packten Feliciane, Banuelos und Mogrobejo das Felleisen
-und das Bündel mit Felicianens Kleidern zusammen, schlichen durch
-das andere Haus, und erreichten die Wohnung Stephaniens, einer guten
-Freundinn Felicianens, mit heiler Haut. Horazio kam zurück, und ließ
-den Wagen an der Thür des anderen Hauses, in dem Feliciane seyn sollte.
-Er suchte sie überall, und fand sie nicht. Er fragte die Haushälterinn
-nach ihr; diese wußt’ ihm aber nichts zu sagen, als daß sie das
-Fräulein auf die Straße geschickt habe, um zu sehen, ob nicht etwa ihre
-Oheime wieder kämen. Horazio war ganz verwirrt, suchte sie neuerdings,
-und beschloß endlich, die Nachbarn zu fragen, ob sie keiner gesehen
-habe. Niemand hatte sie gesehen; nur einen einzigen Bedienten hatten
-zwey Ritter, denen drey oder vier Bediente nachtraten, nach ihnen
-gefragt. Horazio dachte sogleich, daß dieß die Oheime gewesen seyn
-dürften, und es befiel ihn eine solche Angst, daß er sich plötzlich
-auf einen von den Mauleseln, die zur Abreise in Bereitschaft standen,
-setzte, und nach Alcara ritt; seinen Bedienten aber befahl er, Donna
-Blanca, so bald sie zurück käme, zu sagen, daß sie ihm mit dem Wagen
-folgen sollte. In Todesangst kam er zu Alcara an, und konnte mit sich
-selbst über Blanca’s schnelles Verschwinden nicht einig werden. Vier
-Tage hielt er sich dort auf, und wartete voll Ungeduld; da sie aber
-noch nicht kam, war er überzeugt, daß sie ihren grausamen Oheimen in
-die Hände gefallen sey. Er war so gutmüthig, daß er ihr Schicksal
-beweinte, und der sichern Hoffnung war, daß sie ihm ihre Lage in einem
-Briefe nach Mailand schildern werde. Um nun ja gewiß bey der Ankunft
-desselben in seiner Vaterstadt zu seyn, und ihn nicht eine Stunde auf
-der Post liegen zu lassen, eilte er, was er konnte, nach Barcelona,
-und Feliciane feyerte unterdessen den Triumph ihrer List, und die
-Niederlage seiner Zärtlichkeit.
-
-
-
-
-ZWEYTE SPAZIERFAHRT.
-
-
-Feliciane ward zu Hause mit allem Jubel empfangen, mit dem man
-gewöhnlich einen großen Feldherrn empfängt, der von einer gewonnenen
-entscheidenden Schlacht, und, was hier der wesentlichste Umstand war,
-mit einer reichen Beute beladen, nach Hause kehrt. Nun traf die Reihe
-die schöne Louise, die schon vor Verlangen brannte, ihrer klugen
-Schwester auf dieser edlen Rennbahn den Vorsprung abzugewinnen. Die
-wichtigste vorläufige Anstalt war, daß der Wagen anders zugerichtet
-ward, die Rappen in Schimmel, und der schwarzköpfige Kutscher in einen
-blonden verwandelt wurde. Louise war ihres glücklichen Erfolges so
-gewiß, daß ihr Feliciane das nöthige Geld auf diese Unkosten leihen
-mußte.
-
-Da nun alles veranstaltet war, suchte sie in der Stummengasse eine
-Wohnung. In dieser wohnte seit kurzer Zeit ein reicher Graubart aus
-Genua, den eigentlich nichts nach Madrit geführt hatte, als seine
-seltsame Gemüthsart, die ihn immer peinigte; er konnte nicht lange an
-einem Orte leben, ohne daß ihn die tödtlichste lange Weile plagte. Er
-war ein großer Freund des Frauenzimmers, war aber so karg, daß ihm auch
-diese Quelle des Vergnügens unmöglich reich zuströmen konnte. Er hieß
-Cäsar Antonio, hielt einen Wagen, vier Bediente und eine Haushälterinn.
-
-Gegen über nun von diesem Manne bezog unsere schöne Sevillanerinn
-das erste Stockwerk, mit einem Balcon auf die Gasse. Die Tracht, in
-der sie sich einführte, war ein Wittwenkleid, und zwar die tiefste
-Trauer, als ob sie ihren seligen Gatten erst vor einigen Tagen begraben
-hätte. Sie trug ein kurzes gefaltetes Mäntelchen, darunter ein enges
-Kleid mit langen Spitzärmeln und niedlichen Krausen, die ihrer Hand
-vortrefflich ließen; am Halse war der Kragen zurück geschlagen, und an
-der Brust lief ihr wieder eine breite lockere Spitzenkrause zusammen.
-Im blonden Haare hatte sie nichts, als einige schwarze Schleifen, und
-einen flornen Schnabel gegen die Stirn. Über den Rücken schwebte der
-Schleyer, und um den Hals hing ihr eine lockere Kette von schwarzen
-Perlen. Welcher Mann wäre nicht gern gestorben, um seine schöne Wittwe
-in einem so reitzenden Trauerhabite zu sehen?
-
-Sie richtete ihre Wohnung auch ganz nach dem Stande, den sie angenommen
-hatte, ein, und kam in derselben mit ihrer Mutter, die ihr als Duenna
-diente, der frommen Banuelos, und ihrer Schwester, die eine nahe
-Verwandte spielen mußte, an. Sie fuhren Schritt vor Schritt, und der
-alte Escudero ging neben dem Wagenschlage. Als sie diesen feyerlichen
-Einzug hielt, stand der Genueser eben auf dem Balcon. Er riß die
-Augen groß auf, und brannte vor Neugierde, wer wohl seine Nachbarinn
-seyn dürfte. Die Gesellschaft war nun ausgestiegen, und das Erste,
-was Louise that, war, daß sie das Mäntelchen ablegte, und sich dem
-Genueser auf ihrem Balcon in unverhüllter Schönheit zeigte. Der Alte
-gaffte wie ein hundertäugiger Argus herüber; das Herz schlug ihm
-wie eine Wanduhr, und er meinte keine grössere Schönheit in seinem
-Leben gesehen zu haben, als diese Proserpina; und er hatte doch viele
-gesehen. Louise sah unterdessen bald die Straße hinauf, bald die Straße
-hinunter, und stellte sich an, als ob sie nun plötzlich erst einen
-Blick auf den unbeweglichen Genueser hinüber wärfe, was ihm Gelegenheit
-gab, eine tiefe Verbeugung, die er schon lange in Bereitschaft hatte,
-anzubringen. Louise erwiederte sie zwar sehr höflich, kehrte sich aber
-sogleich zu ihrer Gesellschaft um, und sagte halb laut, doch aber
-so, daß der Genueser jedes Wort hören konnte: „Das Einzige habe ich
-vergessen; gleich morgen muß der ganze Balcon mit Jalousien versehen
-werden; mein Stand erlaubt es durchaus nicht anders.“ Der Genueser, der
-gerade keiner von den schüchternsten war, mischte sich ohne Anstand ins
-Gespräch, und sagte: „Ich wäre untröstlich, wenn ich Sie durch mein
-Gegenüberwohnen in dem Vergnügen stören sollte, auf Ihrem Balcon die
-frische Abend- oder Morgenluft zu genießen. Ich werde Sie überzeugen,
-daß es mir Ernst ist; und wenn Sie morgen Ihren Balcon mit Jalousien
-schirmen, lass’ ich den meinigen mit Bretern verschlagen. Oder wenn
-mir das der Arzt verbiethen sollte, beding’ ich mir aus, daß Sie Ihre
-Jalousien immer völlig schließen, und“ -- Louise hatte nun eben den
-Handschuh abgezogen -- „mir nicht einmahl diese schöne Hand hervor
-gucken lassen. Auch muß ich es fordern, um mich nie mit einiger Gefahr
-im Neglige auf meinem Balcon sehen zu lassen. Vergeben Sie, daß ich
-so zudringlich bin, und mich sogleich ins Gespräch gemengt habe; aber
-meine gute Laune sucht mich selten heim.“ Louise lächelte ihm gefällig
-zu, machte ihm eine Verbeugung, und ging hinein.
-
-Der Graubart aus Genua hatte nun weder Rast noch Ruhe mehr. Er lauschte
-den ganzen Abend an der Hausthür, bis er den Escudero ausgehen sah, den
-er auch an der Stelle anhielt, und fragte, wer seine Gebietherinn wäre.
-Dieser hatte seine Rolle schon gut gelernet, und sagte ihm denn, daß
-sie eine Dame aus Saragossa wäre, daß sie Donna Angela de Bolea heiße,
-und an einen vornehmen Edelmann dieser Stadt verheirathet gewesen sey.
-Sie sey nach Hofe gekommen, um da einen Oheim zu erwarten, der hier
-mit einem unermeßlichen Reichthume aus Indien ankommen werde, und sie
-zur einzigen Erbinn seines ganzes Vermögens bestimmt habe, welches in
-mehr als achtzig tausend Escudo’s bestände, wie sie auch jetzt schon
-jährlich mehr als zwey tausend von ihm empfange.
-
-Der Genueser glaubte ihm jedes Wort, und sann nun schon unablässig,
-wie aus seiner Nachbarschaft eine vertraute Bekanntschaft werde. Er
-dankte dem Escudero recht höflich, und bath ihn, seiner Gebietherinn
-zu melden, daß alles, was in seinem Hause sey, zu ihrem Befehle wäre.
-Der Escudero dankte ihm aber, und versicherte, daß sie mit allem
-überflüssig versehen wären.
-
-Die Jalousien blieben am folgenden Tag’ aus, und Antonio, der dem
-Verlangen, sie zu sehen und zu sprechen, nicht länger widerstehen
-konnte, ergriff diese Gelegenheit, um zu ihr hinüber zu schicken, ihr
-dafür zu danken, und sie zugleich um die Erlaubniß bitten zu lassen,
-daß er ihr aufwarten dürfte. Sie war zu artig, als daß sie selbst in
-ihrem Wittwenstande, den Besuch eines alten Nachbars, der sich über
-dieß zuvorkommend höflich bezeigt hatte, hätte ablehnen sollen. Er war
-voller Freude, putzte sich so gut heraus, als er konnte, ließ zwey
-Bediente nachtreten, und spazierte wie ein Pfau die Straße hinüber.
-Er fand die schöne Wittwe auf einem schwarz überzogenen Stuhl’, und
-um sie herum war ein schwarzer Teppich aufgebreitet, auf dem die zwey
-Duennen saßen, die sich mit Mäntelchen und Schleyern ein ehrwürdiges
-Ansehen gegeben hatten. Er brachte eine lange Glockenstunde in diesem
-angenehmen Zirkel zu, ohne daß er den geringsten Anfall von seiner
-gewöhnlichen Krankheit der langen Weile gehabt hätte. Endlich brach
-Louise das Gespräch ab, und bath um Vergebung, daß sie nicht länger
-von der Gesellschaft seyn könne, da sie um diese Stunde sich zurück
-zu ziehen pflege. „Diese Stunde,“ sagte sie, „ist dem Andenken meines
-seligen Mannes geweihet.“ „Ich darf Sie aber doch wieder besuchen?“
-sagte Antonio. „Es wird mir immer ein Vergnügen seyn,“ antwortete
-Louise, und ging in’s Nebenzimmer: der Genuese ging voll Vergnügen
-fort, und schickte ihr noch einige Früchte aus seinem Garten zur
-Erfrischung herüber.
-
-Unter seinen Bedienten war ein Spanier, ein Toledaner, den er wegen
-seiner besonderen Geschicklichkeit in Musik, und seinen drolligen
-Einfällen aufgenommen hatte. Auch war sein Gehirn ein Bißchen von
-Poesie verbrannt. Mit diesem Burschen nun wollte er Louisen ein
-Fest machen, welches in einem Liedchen bestehen sollte, das er ihr
-sänge. Als sie nun des Abends mit ihrer Gesellschaft auf dem Balcon
-nachtmahlte, stellte er Leonardo, so hieß der Bediente, auf seinen
-Balcon, ihnen gerade gegen über. Leonardo nahm seine Guitarre zur Hand,
-und sang:
-
- Holder Stern der schönen Nacht!
- Wenn dein Auge freundlich lacht,
- Dann erfreuet sich mein Sinn,
- Daß ich dein Geliebter bin.
-
- Du leuchtest in sanftsüßer Pracht,
- Wie ein Gestirn in finstrer Nacht.
- Dein Blick mein Herze gleich erhellt,
- Wie, wenn vom Stern ein Schnupfen fällt.
-
- Ich sehe dir von ferne zu,
- Und wie ein Irrwisch flimmerst du;
- Ich folge deinem matten Schein,
- Und locktest mich in’s Koth hinein.
-
- Denke meiner, schönes Kind,
- Und entschlafe nicht geschwind!
- In Gedanken, glaub’ es mir,
- Bin ich auch des Nachts bey dir.
-
-Der Genuese küßte ihn, und die Damen waren so artig, ihm Beyfall
-herüber zuzuklatschen. So albern der Bursche war, hatt’ er doch, wie
-gesagt, seine eigene Weise, und war überhaupt so gewandt und launigt,
-daß man ihm nicht abhold seyn konnte. Auch unsere schöne Wittwe hatte
-diese Serenate so unterhalten, daß sie den folgenden Tag wieder zu
-ihrem Nachbar hinüberschickte, und ihn zu sich bitten ließ. Das
-Gespräch ward immer lebhafter, und der Genuese gerieth, bevor er
-dessen gewärtig gewesen war, in solche Flammen, daß er seinem Triebe,
-sich näher zu erklären, nicht länger widerstehen konnte: er sagte ihr
-tausend abgeschmackte Schönheiten, küßte ihr die eine Hand um die
-andere, warf so feurige Blicke, wie eine Katze in der finstern Kammer,
-und geberdete sich, mit einem Worte, so läppisch, daß sich Louise und
-ihre Gesellschaft darüber kaum des Lachens erwehren konnten. Sein
-Meisterstück kam aber erst nach. Ein leichtes Zittern, das Wechseln
-der Gesichtsfarbe, und ein beständiges Trippeln gingen voraus: endlich
-sprang er wie einer, den der Fieberanfall packt, vom Stuhle auf, und
-bath Louisen, mit ihr einige Worte unter vier Augen sprechen zu dürfen.
-Louise sah deutlich, wo das hinaus wolle, und führte ihn sogleich in
-ein Nebenzimmer. Hier ließ sich der alte Bock auf seine vordern Knie
-nieder, und beichtete ihr die Sünde seines verliebten Herzens, das für
-sie in hellen Flammen stehe, und nur durch einen plötzlichen Aufguß
-von Gegenliebe zu löschen sey. Louise nahm seine Liebeserklärung mit
-vieler Schonung auf, und sprach lächelnd: „In der That, mein Herr,
-Sie haben mich überrascht, und am wenigsten hätt’ ich eine solche
-Verwandlung von dem Mann’ erwartet, der vorgestern noch seinen Balcon
-mit Bretern verschlagen lassen wollte. Auch muß ich Ihnen gestehen,
-daß es mich Wunder nimmt, wie ein Mann, der doch eben nicht mehr in
-den blühenden Jugendjahren ist, und manches erfahren zu haben scheint,
-mit diesem -- erlauben sie mir, daß ich es sagen darf -- hastigen
-Geständnisse eine Wittwe in Verlegenheit setzen kann, die noch
-nicht vierzehn Tage das Trauerkleid trägt.“ Der Genuese wollte sich
-entschuldigen, stotterte aber, daß ihm nicht eine ordentliche Sylbe
-gelang. „Indessen,“ fuhr Louise fort, und lächelte, daß es einen Todten
-im Grabe hätte wecken können, „indessen muß ich Ihnen sagen, daß ich
-eitel genug bin, über keine Erklärung, und käme sie noch so zur Unzeit,
-aufgebracht zu werden; und einem Manne zu gefallen, dessen Herz nicht
-zum ersten Mahle gewonnen wird, ist mir immer schmeichelhafter, als
-wenn ich ein Jünglingsherz berücke, das noch niemahls ins Freye kam.“
-„O Sie geben mir das Leben wieder,“ sagte Antonio, und einige Thränen
-suchten durch die Furchen seiner Backen abzufließen; „darf ich also
-hoffen?“
-
-„Bester Antonio!“ sagte Louise, „was wird unsere Gesellschaft denken,
-wenn wir an unsern wenigen Worten so lange zu sprechen haben?“ Mit
-diesen Worten ging sie in das Gesellschaftszimmer zurück, und Antonio
-folgte ihr ganz verstört nach.
-
-Indessen glaubte er doch in ihren Blicken mehr als Nachsicht zu lesen,
-und war diesen Abend so inniglich vergnügt, daß seine ganze Großmuth
-erwachte, und er ihr ein Paar Handschuhe und einen Fächer überreichte,
-die er aus Mexico erhalten zu haben vorgab, um ihren Werth doch einiger
-Maßen zu erhöhen. Louise erklärte nun, daß sie wünsche, ihrem Nachbar
-seine Musik mit einer andern erwiedern zu können. Es war schon ziemlich
-spät, und Antonio mußte sich Wohlstands halber empfehlen; er muthmaßte
-aber, daß ihm Louise das Vergnügen machen würde, ihn ihre Engelstimme
-hören zu lassen, und setzte sich denn mit Leonardo auf seinen Balcon.
-Beyläufig nach einer halben Stunde erschien Louise wirklich, von
-Felicianen allein begleitet, mit einer wohl gestimmten Guitarre, auf
-dem ihrigen, setzte sich, und sang:
-
- Einsam irrt die fromme Taube,
- Findet nirgends Ruh’,
- Flattert traurig in die Laube,
- Girret ihrem Tauber zu.
-
- Weit von hier ist er geflogen;
- Bänglich suchet ihn ihr Blick.
- Ist er andern nachgezogen?
- Kehrt er nicht getreu zurück?
-
- Tauber! laß sie nicht so flehen!
- Tauber! laß sie nicht allein!
- Sieh! er kommt! das Wiedersehen
- Wird nun doppelt freudig seyn.
-
-Der Genueser und sein Leonardo waren ganz entzückt, und wollten eben
-laut klatschen, als beyde Damen mit einander zu singen anfingen.
-
- Bitter sind der Liebe Leiden,
- Fürchterlich der Trennung Schmerz;
- Doch wer kann die Liebe meiden,
- Denn sie kommt von selbst ins Herz.
-
- Eigensinnig ist ihr Wille;
- Sie bestimmt, was schön ist, nur;
- Bald besucht sie die Myrtille,
- Bald des alten Damons Flur.
-
-Sie hatten sich bemühet, jede Sylbe vernehmlich auszusprechen, und so
-war denn die letzte Strophe kaum zu Ende, als Octavio zu klatschen
-anfing, daß man es in der ganzen Straße hören konnte. Man ging
-allerseits zu Bette, aber mit ganz verschiedenen Gedanken. Antonio
-dachte ihr Herz mit den geringsten Kosten zu erobern, und Louise sann,
-wie sie sein Geld Beute machen könne, ohne auch nur das geringste von
-ihrem Herzen einzubüßen.
-
-Als Antonio eines Abends wieder bey ihr einen Besuch abstattete,
-hörte man auf der Straße plötzlich ein Gezänke zwischen Mogrobejo, dem
-Escudero, und einer unbekannten Person. Louise fragte, was es wäre,
-und vernahm, daß der Escudero mit einem Bedienten des Hausherrn in
-Streit gerathen sey. Sie ließ ihn herauf kommen, und bath den Genueser
-um Vergebung, daß sie ihre Neugierde sogleich in seiner Gegenwart zu
-befriedigen suche, was sie vor einem andern, auf dessen Freundschaft
-sie weniger rechne, nicht wagen würde. Nun trat der Escudero ganz
-zornig ein; Louise fragte ihn um den Hergang des Gezänkes, und
-Mogrobejo antwortete: „Der Henker möcht’ auch nicht zanken! da kommt
-mir der Bediente des Hausherrn, und verlangt die Miethe für unser
-Quartier, das wir auf ein Jahr gemiethet haben, und von dem man doch
-die Miethe erst mit Ende des Jahres zu bezahlen pflegt. Da hat er
-durchaus zu Euer Gnaden herauf gewollt, und weil ich ihn nicht ließ,
-war der Kerl grob; aber er soll mir!“ -- „Lass’ er ihn kommen,“ sagte
-Louise; und es trat ein Page ein, der ihr ehrfurchtsvoll einen Zettel
-überreichte. Sie las ihn flüchtig durch, und sagte: „Sag’ er seinem
-Herrn, ich ließe mich empfehlen, und ließ ihm sagen, daß ich gar
-nicht abgeneigt bin, ihn jedes Mahl für den Monath in vorhinein zu
-bezahlen. Daß er in Verlegenheit ist, konnt’ ich nicht wissen; und
-es gefällt mir, daß er so offenherzig spricht. Ich sey aber für den
-Augenblick selbst in Verlegenheit; meine Gelder sind aus Sevilla noch
-nicht angekommen, und ich ließe ihn denn ersuchen, höchstens acht Tage
-Geduld zu haben, dann wollt’ ich ihm die Miethe für drey oder noch mehr
-Monathe auf ein Mahl schicken. Übrigens, Mogrobejo, weiß ich nicht,
-warum er ihn nicht sogleich verließ.“ Der Page trat ab, und Louise
-sagte: „Es ist wahrhaftig sonderbar, daß ein Hausherr, dem man für ein
-einziges Gelaß tausend Realen des Jahrs bezahlt, so dringend auf eine
-Monathsmiethe ansteht. Der Mann muß unglücklich, oder ein Taugenichts
-seyn, und ich wollte einen Finger von der Hand verlieren, wenn ich ihm
-seine tausend Reale augenblicklich in die Betteltasche werfen könnte.“
-Sie meinte nun mehr, als zu viel, gesagt zu haben, um Antonio’s
-Großmuth und Ehrgeitz in Bewegung zu setzen; diese beyden Eigenschaften
-ruhten aber in seinem Herzen in einem so abgelegenen Winkel, daß sie
-ein schulgerechter Anatomiker zu suchen gehabt hätte.
-
-„Ja, wahrhaftig,“ antwortete Antonio, „es sind schwere Zeiten, und der
-ordentlichste Mann hat zu sorgen, daß er sich von einem Tag’ auf den
-andern behilft.“
-
-Louise merkte nun wohl, daß sie dieses Schalthier nicht mit der Angel
-fangen könne; sie brachte denn das Gespräch auf andere Gegenstände, und
-sie schieden nach einiger Zeit aus einander.
-
-Es mußte denn ein neuer Plan angelegt werden. Mogrobejo hatte jemahls,
-bevor er es bis zum Stallmeister gebracht hatte, als Schreiber bey
-einem Sachwalter gedient, und hatte sich da die einer Gerichtsperson
-unentbehrliche Geschicklichkeit, jede Handschrift täuschend
-nachzuahmen, beygelegt. Diesem befahl nun Louise, die Firma irgend
-eines der bekanntesten Genueser zu Sevilla nachzuahmen. Um dieß nun
-ins Werk setzen zu können, mußte er in einem von den Kaufmannshäusern,
-von welchem Briefe abgeschickt wurden, Bekanntschaft machen. Es gelang
-ihm auch bald, und er war mit einem Buchhalter bald so vertraut, daß er
-ihn täglich auf seiner Schreibstube besuchte. Nach wenigen Tagen sah
-er einen Brief, wie er ihn wünschte. Er war von Carlo Grimaldi, dem
-reichsten Genueser in Sevilla. Der Buchhalter war mit seiner Arbeit
-beschäftigt, und Mogrobejo benutzte diese Gelegenheit, um den Brief so
-geschickt nachzuschreiben, daß es schwer fiel, die echte Schrift von
-der nachgemachten zu unterscheiden. Er eilte nun freudig nach Hause,
-und Louise beschenkte ihn im vorhinein mit dreyßig Escudo’s.
-
-Als sie Antonio den folgenden Tag besuchte, fand er sie eben mit einer
-Menge Geldes beschäftigt, das ihr Feliciane, die unterdessen einen Ring
-zu Gelde gemacht, vorgestreckt hatte. „Erlauben Sie,“ sagte sie, „daß
-ich nur erst ein kleines Geschäft abthue.“ Sie machte tausend Reale in
-eine Rolle zusammen, und rufte Mogrobejo. „Hier, nehm’ er,“ sagte sie;
-„ich lasse mich dem Hausherrn empfehlen, und hier schick’ ich ihm gegen
-Quittung den ganzen Jahreszins. So hat es doch ein Mahl ein Ende.“
-
-Nun fühlte Antonio erst, wie unartig und unverzeihlich es von ihm
-gewesen sey, einer Dame von solchem Rang’ und Vermögen nicht sogleich
-all sein Hab’ und Gut anzutragen. Indessen war es nun einmahl
-geschehen, und es blieb ihm nichts übrig, als daß er sein Versehen
-wieder gut zu machen suchte. Das erste, was ihm beyfiel, war ein
-Antrag, sie in die Komödie zu führen. Der Zufall wollte, daß man
-denselben Tag gerade ein Zwischenspiel aufführte, das sein Leonardo
-verfaßt hatte, und das ihm nun allerdings einen Vorwand zum Antrage
-gab. „Wahrhaftig,“ sagte Louise, „ich wäre gar nicht abgeneigt,
-hinzugehen; denn, wie ich schon neulich aus Leonardo’s Gesang’
-abgenommen habe, ist er ein aufgeweckter Geist, und hat lustige
-Einfälle.“
-
-„Über dieß,“ erwiederte Antonio, „verdient auch das eigentliche Stück
-selbst, gesehen zu werden. Es ist die _adelige Küchenmagd_ von unserm
-berühmten Lope de Vega.“
-
-„Ja, wir gehen,“ sagte Louise; „aber halt! was bin ich doch für eine
-Thörinn? Meine Kleidung und das Theater! Es würde trefflich zusammen
-passen!“
-
-„Seyn Sie doch nicht so strenge; was Ihnen auch Ihr Kleid verbiethen
-würde, erlaubt Ihnen Ihr Alter. Eine junge, schöne Wittwe! -- Gerade
-Sie müssen sich ja zerstreuen und aufheitern.“
-
-„Aber was würde die Welt sagen?“
-
-„Die Welt! die Welt! Sie sind auch gar zu genau. Was nennen Sie die
-Welt? Die Leute! -- gut! die Klugen werden es klug finden, daß Sie sich
-nicht einkerkern, wie eine Nonne, und Ihrem Kummer durch die Einsamkeit
-noch Nahrung geben; und um die Narren werden Sie sich wenig bekümmern.
-Auch läßt sich ein Kleid ablegen.“
-
-„Wenn ich auch dieß einzige Mittel ergreifen wollte, zu dem so viele
-andere junge Wittwen ihre Zuflucht nehmen, so kann ich es doch um
-meines Oheimes willen nicht wagen, der ein Erzgrübler ist. Ich erwart’
-ihn mit jeder Stunde, und stehe mit ihm in solchen Verhältnissen,
-daß ich sehr unklug seyn würde, wenn ich seine Freundschaft um einer
-Kleinigkeit willen auf’s Spiel setzen wollte.“
-
-„Vortrefflich, klug, und schön gesprochen!“ sagte Antonio; „aber mir
-fällt eine Art ein, wie Sie das Zwischenspiel sehen können, ohne in’s
-Theater zu gehen.“
-
-„Lassen Sie hören!“ --
-
-„Leonardo hat mehrere junge Freunde, Leute von Talenten, mit deren
-Bildung und Unterricht in verschiedenen Dingen er sich immer abzugeben
-pflegt; mit diesen soll er uns nun in ein Paar Tagen das Zwischenspiel
-in meinem Hause aufführen. Es soll niemand dabey seyn, als Sie, Ihre
-Gesellschafterinnen und ich; und gegen diese Art es zu sehen, wird auch
-Ihre pünctlichste Vorsicht nichts einzuwenden haben.“ Unter diesen
-Bedingnissen nahm sie seinen Antrag an, und schlug ein. Sofort sprachen
-sie von verschiedenen anderen Dingen, und da denselben Tag die Post
-aus Andalusien ankam, fragte sie ihn, was er wohl Neues aus Sevilla
-höre. Er antwortete, daß er nichts von Belange höre, und daß seine
-Briefe immer nur trockene Geschäfte enthielten. „Ich habe heute,“ fuhr
-sie fort, „diesen Zettel von einem Genueser erhalten, der mit meinem
-Vetter in Indien im Briefwechsel steht; lesen Sie ihn zur Güte: ich
-möchte gar zu gern wissen, ob Sie ihn, und die Person, an die der Brief
-gerichtet ist, kennen.“ Er gab sich alle Mühe, ihn ohne Augengläser zu
-lesen, und las:
-
- „Ich habe vom Capitäne Bolea den Auftrag erhalten, Euer Wohledlen,
- nebst unterthänigstem Gruß, zu melden, daß selber seine Abreise
- so geschwind’ als möglich beschleunigen wird. Er befiehlt mir
- zugleich, Euer Wohledlen acht tausend Thaler abzuliefern, als
- weßwegen beyliegender Brief die Anweisung enthält; mich empfehlend,
- und meine Dienste auch in wichtigen Gelegenheiten antragend.
-
- E. W.
- Carlo Grimaldi.
-
-Im Zettel lag der Brief:
-
- „Herr Juan Baptista Lomelie beliebe an Donna Angela de Bolea, am
- Hofe anwesend, acht tausend Thaler in Doppelgeld auf vierzig Tage
- verabfolgen zu lassen, wofür ich eben so viele vom Capitäne Don
- Genealo Bolea, ihrem Oheime, empfangen habe.
-
- Sevilla, den 12. September 1630.
-
- Carlo Grimaldi.
-
-„Der Mann,“ sagte Antonio, „von welchem der Brief kommt, ist ein
-ungemein ordentlicher und sehr reicher Mann, und der, an den der Brief
-gehört, ist es nicht minder.“
-
-„Es ist mir genug,“ erwiederte Louise, „daß ich es aus Ihrem Munde
-höre; aber ist die Sache deßhalb nicht minder unangenehm? Was denkt der
-Mann? Er weiß, er schreibt mir da selbst, daß mein Oheim erst kommen
-wird, daß ich folglich allein hier bin, und setzt mir doch nur vierzig
-Tage. Wer steht mir gut, daß der Capitän bis dort angekommen ist?
-wahrhaftig, eine Verdrießlichkeit um die andere kommt mir über den
-Hals.“ Nun glaubte Antonio, sein neuliches Versehen ohne die mindeste
-Gefahr wieder gut machen zu können, und sprach: „Beste gnädige Frau,
-lassen Sie dem Manne seine Grillen, und nehmen Sie die Zahlung gar
-nicht an. Sie sagen mir, was Sie beyläufig brauchen, ich bring es
-herüber; Sie stellen es mir nach Belieben zurück, und somit gut.“
-
-„Es ist mir wirklich eine große Gefälligkeit,“ sagte Louise, „wenn
-Sie mich aus dieser Verlegenheit bringen. Sechs tausend Thaler sind
-mir genug.“ „Mit Vergnügen!“ fuhr Antonio fort; „Sie schicken morgen
-früh Ihren Mogrobejo, mit einem Paar Zeilen zu mir hinüber, und
-empfangen die Summe.“ „Ich bin Ihnen wirklich Dank schuldig,“ sagte
-Louise, drückte ihm die Hand, und hieß ihn auf das Zwischenspiel nicht
-vergessen. Er ging fort, und so innigst vergnügt sie war, daß er an
-die Angel gebissen, so vergnügt war auch er, daß er sein Capital auf
-so angenehme Zinsen, wie er hoffte, anlegen konnte. Er wartete den
-nächsten Morgen nicht einmahl ab, daß Mogrobejo das Geld abzuhohlen
-komme, sondern machte es zusammen, und schickte Leonardo mit seinem
-Morgengruße und der Summe hinüber, ohne zu bedenken, wie viel Gefahr
-das bare Geld in den Händen eines Poeten laufe. Louise war über seine
-Pünctlichkeit ganz entzückt, und drückte Leonardo ein ansehnliches
-Trinkgeld in die Hand. Auch ließ sie Antonio melden, daß sie die
-Vorstellung des Zwischenspiels denselben Abend in ihrem Hause wünsche;
-daß sie alle Anstalten dazu treffen werde, und ihn unausbleiblich zu
-sehen hoffe. Nun lud sie auch die zwey Mitschwestern bey ihrer neuen
-Unternehmung, und ihre Mutter zum Schauspiele. Es war Abend; der
-Saal war prächtig beleuchtet, und mit dem angenehmsten Wohlgeruche
-durchräuchert, und der Genueser war mitten unter den Damen so gelagert,
-daß er bequem mit jeder sprechen konnte.
-
-Es ward Stillschweigen gebothen, und drey Tänzer traten mit Guitarren
-auf, und spielten eine sehr artige Sarabande. Als diese zu Ende war,
-erschien Leonardo allein, in einer seltsamen Tracht, die er sich
-selbst aus den buntesten Stücken Stoff zusammen gekünstelt hatte, und
-sprach einen Prolog, in dem er den Zuhörern ganz sanft unter die Nase
-rieb, daß er der Verfasser sey; daß er dieses Stück Arbeit, ohne zu
-prahlen, für eines der witzigsten und originellsten Producte seines
-Geistes halte, und daß es den Titel führe: Der Commissarius von
-Figueras.
-
-
- DER
- _COMMISSARIUS VON FIGUERAS_.
-
- +EIN ZWISCHENSPIEL+.
-
- ERSTER AUFTRITT.
-
- (_Der Commissarius mit einem langen weißen Stabe, einem
- schwarzen Unterkleide, einem Mantel darüber, und einer gefärbten
- Kräuseschlafhaube. Der Wirth._)
-
- _Commiss._ Ja werther Freund, dem Geschäfte hat
- Der Richter von Toledo mich gesandt,
- Daß ich es schlichten soll mit allem Ernst.
- An diesem edlen Hofe strotzen ja
- Von Ungeziefer alle Fugen; ich
- Bin nun gekommen sie zu reinigen.
- Der weise Rath hat mich hierher gesandt
- Von Madrits Ufern --
-
- _Der Wirth._ -- -- Ja, Herr Commissär,
- Die Plage, die der span’sche Boden trägt,
- Ist ärger noch, als einst Ägyptens Fluch.
-
- _Commiss._ Laß er die Sorge mir, mein edler Wirth,
- Obschon mein Geist es ahndet, das Geschäft
- Sey groß und mühsam; drum bereit’ er mir
- Zwey Flaschen Malaga und weißes Brot.
- Doch stille! was für Lärmen macht man hier?
-
- (_Ein Alguazil tritt ein, und schleppt einen Stutzer, mit einem
- Hute voll Bänder, Schleifen, und Federn mit sich._)
-
- _Der Wirth._ Was ist das?
-
- _Commiss._ -- -- -- Meine Alguazils sinds.
-
- (Sie bringen den Gefangenen zum Verhör.)
-
- _Alg._ In einem Straßenwinkel fanden wir,
- Hochedler Herr, den Narren hier; er gab
- Ein Zeichen auf dem prächtigsten Balcon,
- Auf dem ein Affe saß mit zwey Duennen;
- Der Affe knackte fleißig Nüsse auf,
- Und seine Frauen fraßen ihm den Kern;
- Der Bursche hätte gerne mitgenagt,
- Denn seine Zeichen waren voll Begierde --
- Was quält den Burschen aber wohl, als Eßlust?
- Wir hätten ihm sein tolles Spiel gegönnt,
- Doch trieb er’s weiter bis zur Raserey.
- Er sprang von einem Haus ans andre hin,
- Und wo ein Kätzchen in dem Fenster saß,
- Da macht’ er Sprünge, wie ein junger Hund,
- Und schwang den Zopf, wie Budel ihren Schwanz.
- Die Kätzchen strichen mit den Pfötchen sich
- In süßem Selbstgefallen -- Bart und Kopf,
- Und warfen ihm für seine Gaukeley
- Flor, Blumen, Federn, Band und Handschuh zu.
- Er las es gierig auf, wie Haberkorn
- Die jungen Hühner, und sprang weiter fort.
-
- _Commiss._ Wer bist du? sprich!
-
- _Stutzer._ -- -- Ich bin des Glückes Sohn,
- Und wenigstens sein allernächster Freund.
-
- _Commiss._ Du bist ein Narr, drum ist das Glück dir hold;
- Drum hängest du den Schild der Narrheit aus.
- Doch sprich, was soll wohl dieser tolle Hut?
-
- _Stutz._ Des Ruhmes, der mir war, Posaune seyn.
-
- _Commiss._ Sie bläst sehr laut. Wo ist der Zierath her?
- Hast du vielleicht San Jago ausgeplündert?
-
- _Stutz._ Von sieben Damen sind es die Trophä’n.
-
- _Commiss._ Ich glaub’ es gern, daß du sie mit Gewalt
- Errungen hast.
-
- _Stutz._ -- -- Die Liebe gab sie mir.
-
- _Commiss._ Du lügst; wer liebet einen Narren wohl?
-
- _Stutz._ Die Damen. O Herr Commißär,
- Sie scheinen selbst für Weiber gut bestimmt.
-
- _Commiss._ Verwegner! wer hat dich gelehrt, so frech
- Dem Richter von Toledo zu begegnen,
- An dessen Statt ich hier bin? Doch Geduld,
- Hier hast du ein Geschenk, das er dir schickt,
- Und das dich immerfort bezeichnen soll.
-
- _Stutz._ Wie? Was?
-
- _Commiss._ -- -- Du hast der Kerne gar
- Zu viel gegessen; faste nun im Thurm.
-
- _(Sie setzen ihm einen carmoisinrothen Frauenzimmerhut auf, und
- stoßen ihn gewaltig in die Scene. Der zweyte Alguazil tritt mit
- einem Gecken, der sich schön zu seyn wähnt, ein.)_
-
- _Alg._ Hier ist ein andrer.
-
- Commiss. -- -- Was ist sein Vergehen?
- In was hat er gesündigt? nur heraus!
-
- _Alg._ Er meint, er wäre schön.
-
- _Geck._ -- -- Bin ich es nicht?
- Ach tödtet mich doch nicht mit diesem Wort!
-
- _Commiss._ _(indem er die Brille aufsetzt.)_
- Nach Recht und Pflicht! Man hat ihn hoch getäuscht,
- Mein lieber Freund! denn seine Nase war
- Für zwey Gesichter wenigstens bestimmt;
- Sein Mund ist wie ein Thor gestaltet, und
- Die Nasenlöcher sind geschlitzt, wie Augen;
- Sein Haar ist wie des Blutgerichts Fahne;
- Sein Aug’ ist stumpf und seine Höcker hat
- Er selbst vielleicht noch nie bemerkt. Mein Freund,
- Wenn er sich schön glaubt, hat er gar nicht Unrecht.
-
- _Geck._ Herr Commissär, Sie sprechen nicht nach Recht;
- Der Richter muß nicht nur das Eine sehen.
- Belieben Sie nur diese weiße Hand,
- Die sich so zärtlich küßt,
- _(er küßt sich selbst die Hand)_
- auch zu betrachten.
-
- _Alg._ Laß er doch sehn!
- _(er küßt ihm auch die Hand)_
- Es schmeckt nicht sonderlich.
-
- _Commiss._ Wie nennt er sich?
-
- _Geck._ -- -- Don Fenix.
- Ach wie schön klingt schon der Nahme!
-
- _Commiss._ -- -- Ja, ganz sonderbar
- Bist du vom Kopfe bis zum Fuß; doch sehet
- Auch nach, was er in seinen Taschen hat.
- _(sie durchsuchen die Taschen.)_
-
- _Alg._ Ein Büchschen! -- -- sieh! voll Schminke, Spiegel, Kamm.
-
- _Geck._ Ach, laßt mir das! nehmt lieber mir das Leben!
-
- _Alg._ Hier noch ein Zettel -- seht, noch mehrere,
- Und sonderbare Zeichen drauf gekritzelt.
-
- _Commiss._ Ein Mittel, das die Hände weißer hält, --
- Die Stirn zu glätten, an den Fingernägeln
- Die weißen Flecken zu vertreiben, Lippen
- Und Wange sich zu röthen. --
-
- _Geck._ -- -- Alles trifft
- Genau so ein.
-
- _Commiss._ -- -- Schon gut! vollkommen reif
- Bist du fürs Tollhaus. Thuet eure Pflicht.
-
- _(Sie setzen ihm eine Narrenkappe auf, und
- der erste Alguazil tritt mit einer Dame
- ein.)_
-
- _Alg._ Am Spiegel fanden wir die Dame hier.
- Sie machte sich die allertiefsten Knixe,
- Und -- hört! erklärte selber sich die Liebe.
-
- _Dame._ Ich liebe mich vor allen; niemand soll
- Mir dieses Herz entreißen, denn es schwor
- Die Treue mir.
-
- _Commiss._ -- Fürwahr ein seltsam Weib!
- Die Weiber sind sich selber sonst nicht treu.
- So treten Sie doch näher, Frau Narcisse!
- Wie war Sie wohl so in sich selbst verliebt?
-
- _Dame._ Ich konnte länger mir nicht widerstehen;
- An allen schönen Gaben fand ich mich
- So reich; jung war ich, hatt’ ein schön Vermögen;
- Mein Herz errieth gar bald den stillen Gram,
- Der mich verzehrte, kam auf halben Weg
- Entgegen mir, in feuriger Umarmung
- Gestand ich stotternd ihm, was ich empfand.
- Nun ist es mein Geliebter, weichet nimmer
- Von mir, eilt jedem Wunsche schnell zuvor,
- Und wird mich lieben, treu bis in den Tod.
-
- _Commiss._ Ihr seyd ein glücklich Weib; denn Eifersucht
- Wird euch gewiß nicht martern.
-
- _Dame._ -- -- Ach, mein Herr,
- Sie foltert mich nur allzu oft,
- Denn manchmahl hebt es doch den scheuen Blick
- Auf -- --
-
- _Commiss._ -- Eine Dame?
-
- _Dame._ -- -- oder einen Mann,
- Und quält mich.
-
- _Commiss._ -- -- Ja, das glaub’ ich euch,
- Und rath euch, keines Menschen Sohn’
- Mit eurer Liebe jemahls zu beglücken.
- Die Kappe!
-
- _(Sie erhält die ihrige, und der zweyte Alguazil tritt mit einem
- Poeten, der Bücher ausschreibt, ein.)_
-
- _Der Wirth._ -- Seht, da kommt ein andrer Narr.
-
- _Alg._ Wir haben ihn ertappt, daß er gar frech
- Um Verse bettelte; und als man ihm
- Nichts gab, bestahl er kühn die Bücher selbst.
-
- _Commiss._ Nehmt ihm doch sein Gewehr, die Feder ab!
-
- _Poet._ Mein Herr, sie dienet nicht statt Waffen mir;
- Ich schneide Käse nur und Brot damit.
-
- _Commiss._ Nun gut! so sprich, was hat dich wohl veranlaßt,
- Die Dichter anzubetteln, die fürs erste
- So karg sind, daß sie ihren Geistesschwamm
- Wohl selber drey Mahl pressen, über dieß
- Nicht schenken dürfen, was Apollo jedem
- Zum Fruchtgenuß auf die Person verlieh?
- Doch welche, nenne sie, hast du bestohlen?
-
- _Poet._ Zu nennen weiß ich sie wahrhaftig nicht;
- Das war mir gleich, und ich bekenn’ es gern,
- Ich suchte meistens in der Nacht die Taschen.
-
- _Commiss._ Und fürchtetest du nicht, man werd’ am Tag’
- Erkennen, daß es fremde Habe sey.
-
- _Poet._ Man läßt es niemahls, wie es war.
-
- _Commiss_. Du bist ein großer Mann. Die Kappe! Nimm,
- Hier dieser Lorbeer prang’ auf deinem Haupt!
-
- _Poet._ Ein Lorbeer?
-
- _Commiss._ -- -- Ja, doch ist er nur entstellt,
- Wie Verse, die du guten Dichtern stahlst.
- Sie kleidet ihren Mann.
-
- _Poet._ -- -- Doch nehmet mir
- Die Schelle; mir genügt bescheidner Ruhm.
-
- _Commiss._ Mein edler Freund, durch diesen schönen Zug
- Hast du fürwahr der Schellen -- zwey verdient.
-
- _(Man führt ihn mit gebundenen Händen ab; er scheint in
- Begeisterung. Der erste Alguazil führt einen Ritter ein.)_
-
- _Ritter._ Mein Herr, ich bin ein Held.
-
- _Commiss._ -- Wer seyd ihr?
-
- _Ritter._ -- -- Held, und zwar ein großer.
-
- _Commiss._ -- -- Wer hat euch gekrönt?
- Wer hat beschrieben, was ihr all’ gethan?
-
- _Ritter._ Ich selbst.
-
- _Commiss._ -- -- Wie nennt ihr euch?
-
- _Ritter._ -- -- Don Wunderbar,
- Und jetzt quält mich mit euren Fragen nicht!
- Ich spreche nur mit Sterbenden und Todten.
-
- _Commiss._ Wo habt ihr euer Schwert?
-
- _Ritter._ -- -- Ihr seyd ein Schroll.
- So lange diese Faust noch Nerven hat,
- Und diese Nägeln Schärfe, soll kein Schwert
- Mich eh’ umgürten. Jene gab mir Gott,
- Und dieses ein gemeiner Handwerksmann.
-
- _Commiss._ Erzählt mir doch, was ihr gethan.
-
- _(Der Held drückt durch stumme Geberden aus, daß er erwürgt, und
- mit Füßen ertreten.)_
-
- _Commiss._ Was sprecht ihr nicht?
-
- _Ritter._ -- -- Was unaussprechlich ist,
- Beschreibt man nicht mit Sprache.
-
- _Commiss._ -- -- Großer Mann!
- Neigt euer Haupt, daß ich euch kröne; tiefer!
-
- _(Der Held neigt sich sehr tief; der Commissär setzt ihm die Kappe
- auf, und der Held geht unter der Begleitung des Alguazil mit
- stolzen Schritten ab.)_
-
- _Commiss._ Wahrhaftig, edler Freund, die Narren sind
- So zahlreich hier, daß meine Kappenzahl
- Mir nicht auf heute hinreicht; lass’ er mir
- Den Schneider kommen, -- wenn er nicht ein Narr ist.
- Indessen trinken wir vergnügt und klug
- Den Malaga, und essen unser Brot.
-
- _(Der Wirth und der Commissär gehen ab.)_
-
-Nun traten wieder die drey Guitarrspieler auf, und sangen folgende
-Weise:
-
- Das ist so der Welten Lauf:
- Jeder nähret Grillen;
- Einer mutzt den andern auf;
- Alle möchten trillen.
- Haltet diesem Tadlerchor
- Ein Mahl doch den Spiegel vor;
- Sie -- die Weise waren,
- Sehen selber Narren.
-
-Der Vorhang fiel, und die ganze Gesellschaft äußerte ihren Beyfall
-mit lautem Händeklatschen. Leonardo, dem es gewaltig schmeichelte,
-zeigte sich bald, und erntete sein Lob ein. Besonders überhäufte ihn
-Louise damit, und alle ersuchten ihn, bald wieder ein kleines Stück zu
-verfassen, was er auch mit Mund und Hand versprach. Louise gab jedem
-Schauspieler zwanzig Realen, und Antonio lud sie auf den folgenden Tag
-zu sich zu Tische.
-
-Louise war diesen Abend so nachsichtig, daß sie selbst über einen
-kleinen Schmatz, den er ihr zu rauben wagte, nicht ungehalten war. Um
-Antonio mit einer angenehmen Gegenunterhaltung zu überraschen, beschloß
-die weibliche Gesellschaft, ihm über acht Tage ein kleines Stück in
-demselben Saal’ aufzuführen, das sie schon vorlängst einstudiert
-hatte, und dessen Vorstellung nur durch den unvermutheten Tod Don
-Fernando’s gehindert worden war. Daß sich Louise die Hauptrolle
-vorbehielt, versteht sich von selbst. Der Tag der Vorstellung kam; die
-Gesellschaft war schon versammelt, und es fehlte nur mehr Antonio, als
-plötzlich Leonardo erschien, und Louisen meldete, daß sein Herr von dem
-Präsidenten des hohen Rathes in Geschäften Seiner Majestät abgerufen
-worden sey, und daß es ihm ungemein leid thue, eine so vortreffliche
-Gesellschaft und Unterhaltung entbehren zu müssen, und daß er ihn
-deßhalben mit zweyen seiner Freunde geschickt habe, um mit ihnen dem
-Schauspiele beyzuwohnen.
-
-Louise bezeigte ihr Mißvergnügen über seine Abwesenheit, und die
-Komödie ward aufgeführt. Die Vorstellung war ein Meisterstück
-von Lebhaftigkeit: sie waren alle prächtig, und Louise als Mann
-gekleidet. Mogrobejo übertraf sich selbst an Munterkeit und Witz.
-Als sie schon alle wieder ihre vorige Kleidung anhatten, kam Antonio
-erst vom Präsidenten zurück, und war äußerst unmuthig, daß er
-das schöne Schauspiel versäumet habe, das ihm Leonardo und seine
-Freunde so reitzend schilderten. Nur Louise hatte ihr Mannskleid
-noch nicht abgelegt, um ihn an der Thür zu überraschen. Es ließ ihr
-so wunderschön, daß Antonio den holden Knaben nicht genug angaffen
-konnte. Louise bedauerte sehr, daß sie ihn vermißt habe, und gab ihm
-endlich ihr Wort, daß sie ihm wieder über acht Tage, in der Quinta des
-Connetable, ein anderes Stück geben wolle; nun treffe aber wieder ihn
-die Reihe, das Fest anzuordnen. Sie wußte wohl, daß er sich prächtig
-einstellen werde, und er nahm auch den Befehl mit Freuden an. Sie
-würden dann alle bey ihm ein kleines Abendschmäuschen halten, sagte er,
-und sie solle ihm nur auf einem kleinen Zettel anmerken, was sie zum
-Schauspiele vonnöthen habe. Er erhielt bey dem Besuche am nächsten
-Abend’ ein vollständiges Verzeichnis von Kleidungsstücken von sechs
-Personen: das Stück, das Mogrobejo in der Eile verfaßte, spielte in
-der Heldenzeit, und die Personen waren alle Prinzen und Prinzessinnen.
-Louise spielte einen jungen Helden, dem die Sclaven eine reiche Beute
-nachtragen. Am Ende des Zettels waren Federn, Ringe und _falscher_
-Schmuck nur hingeworfen. Louise hatte vorsetzlich _falscher_ Schmuck
-geschrieben, weil sie gar nicht zweifelte, daß er wenigstens für ihre
-Person echten ausborgen würde.
-
-Antonio mußte freylich täglich vor dem Rath’ erscheinen; indessen war
-doch aller Anschein, daß er denselben Tag würde los kommen können,
-und ließ denn den Saal, Erfrischungen, Abendschmäuschen, nebst allem
-übrigen, was zum Feste gehört, bereit halten.
-
-Zwey Tage vor dem, der zum Schauspiele bestimmt war, schickte der
-Genueser die ganze Guarderobe. Louise hatte vermuthet, daß er höchstens
-die schönsten Kleider, die man allenfalls bey einem Trödler bekäme,
-ausborgen würde; er hatte aber zu ihrer allen größtem Erstaunen alles
-ganz neu verfertigen lassen. Alles war von Atlaß, Sammet, Taffet,
-oder anderem Seidenstoffe, und reich mit Gold und Silber verbrämt.
-Federn, Schnällchen, Blumen, Ketten und Ringe waren in Überfluß, und
-für Louisen versprach er den Schmuck, der sie zieren sollte, des
-Abends selbst mitzubringen. Er brachte auch wirklich den Schmuck
-mit, den ihm seine selige Gattinn hinterlassen hatte, und erklärte
-mit einem bedeutungsvollen Lächeln, daß er ungemein neugierig sey,
-wie Louisen dieser Schmuck seiner seligen Frau passen werde. Louise
-überhäufte ihn diesen Tag mit so vielen Liebkosungen, und wußt’ ihm
-dabey doch so sittsam zu schmeicheln, daß er seiner Hoffnung immer
-freyeren Spielraum ließ. Zwischen den zwey Tagen, bis zur Aufführung
-des Schauspiels, war unsere Gesellschaft gar nicht müßig, und Theodore
-machte Anstalt, daß in den beyden Nächten alles, was von Bedeutung im
-Hause wäre, aufgeräumt, und anders wohin in Sicherheit gebracht würde.
-Der Tag des Schauspiels erschien; Antonio’s Bediente waren schon in der
-Quinta, und bereiteten alles. Der Genueser war, um Zeit zu gewinnen,
-auf einem Maule in den Rath geritten. Theodora, ihre Töchter, Banuelos
-und Mogrobejo setzten sich in ihre Kutsche, nahmen allen Schmuck, und
-die ganze Guarderobe mit sich, und fuhren, anstatt zu Alcalathore
-hinaus, in ein kleines Häuschen, in Quartiere Santa Barbara, das
-Mogrobejo vorläufig gemiethet hatte. Hier nahmen sie augenblicklich
-andere Kleider; Mogrobejo führte den Wagen zu einem Sattler, um sein
-Äußeres so geschwind’ als möglich ändern zu lassen. Die Pferde wurden
-auch heimlich untergebracht; und um noch sicherer zu seyn, theilte
-sich unsere Gesellschaft in die ursprünglichen zwey Parteyen; die eine
-begab sich nach Illescas, und die andere nach Valdemoro. Sobald unser
-Genueser von dem Rath’ abgefertigt war, trappte er frohes Muthes,
-und in den schönsten Aussichten von der Welt, der Quinta zu. Er fand
-niemanden, als seine Bedienten, und die drey Köche, die er bestellt
-hatte, fragte nach den Damen, und als er hörte, daß sie noch nicht da
-wären, war er sehr unruhig; denn er dachte nichts anderes, als daß
-ihnen irgend ein Unglück begegnet seyn dürfte. Er stieg denn wieder
-auf seinen Maulesel, stieß ihm mit den Knien fleißig in die Lenden,
-und kam sehr geschwinde bey Louisens Haus’ an. Er fand die Wohnung
-gesperrt, erkundigte sich bey den Nachbarn, und vernahm, daß die ganze
-Familie schon abgefahren sey. Er kam nun auf den Gedanken, daß sie ihre
-Freundinnen abgehohlt haben würden, und so blieb ihm nichts übrig, als
-in der größten Verlegenheit, daß nun er vielleicht auf sich warten
-ließe, nach der Quinta zurück zu eilen. Er fand aber noch niemanden,
-und wußte nun nicht, was er von diesem langen Ausbleiben denken sollte.
-Er wartete bis neun Uhr in der peinlichsten Ungeduld, und es war noch
-niemand zu sehen und zu hören. Endlich trat ein Bedienter ein, und gab
-Antonio einen Brief, den ihm, wie er sagte, am Thor’ ein Unbekannter
-gegeben habe. Er brach ihn zitternd auf, und las:
-
-„Bester Antonio, seyn Sie nicht bekümmert, daß Sie Ihre Nachbarinnen
-nicht finden; sie sind an einem Orte, wo man sie unmöglich finden kann.
-So viel für jetzt.“
-
-Der Genueser stand da, wie vom Donner gerührt; er gerieth endlich in
-fürchterliche Wuth, und schwor allen, wenn sie ihn betrogen hätten, Tod
-und Verderben. Seine Bedienten mußten ihn wie einen Tieger bändigen,
-brachten ihn in den Wagen, und führten ihn nach Madrit. Auf dem Wege
-besänftigte er sich wieder etwas, und schloß aus den letzten Worten des
-Briefes: „So viel für jetzt,“ daß es vielleicht nur ein Scherz sey,
-und daß sie ihn vielleicht in seinem Hause erwarteten; er war aber
-nur zu bald vom Gegenteile überzeugt. Louisens Wohnung war auch noch
-versperrt, und er wartete nun am Hausthore bis lange nach Mitternacht,
-ob er ihre Ankunft nicht erwarten könnte; aber niemand kam. Er schlief
-die ganze Nacht nicht eine Secunde, und ließ sich mit Tages Anbruche
-bey Louisens Hausherrn, der noch im Bette lag, melden. Von diesem
-vernahm er denn, daß ihm Louise Tages zuvor die Schlüssel der Wohnung
-zurück gestellt, und ihm gesagt habe, daß sie sich Geschäfte halber
-nach Toledo begeben habe.
-
-„Sie hat Ihnen aber ja die tausend Reale bezahlt,“ sagte Antonio.
-
-„Was für Reale?“
-
-„Die Jahresmiethe für die Wohnung.“
-
-„Die Jahresmiethe? Die Wohnung war ja nur auf zwey Monathe gemiethet.“
-
-„Wie sagen Sie?“ schrie Antonio, und war im ganzen Antlitze
-scharlachroth.
-
-„Ich bin aber auch für diese zwey Monathe nicht bezahlt,“ sagte der
-Hausherr, „und Sie werden belieben, mich zu bezahlen.“
-
-„Wer? Ich?“ schrie Antonio, und erstickte beynahe vor Wuth.
-
-„Ja, Sie,“ sagte der Hausherr; „Sie werden doch nicht läugnen, daß
-die Dame bey Ihnen Gelder stehen hat; daß dieß hier Ihre schriftliche
-Anweisung ist?“
-
-„Diebe! Mörder!“ schrie Antonio, und packte den Hausherrn bey der
-Brust, faßte sich aber doch gleich wieder, und sagte: „Vergeben Sie
-einem unglücklichen Manne, den man zum Bettler gemacht hat. Man hat
-Sie betrogen, wie mich. O ich Thor! ich Rasender! ich Narr! ich alter
-Sünder,“ -- bey jedem dieser Titel schlug er sich mit geballter Faust
-vor die Stirn -- „nun bin ich ein Bettler, bin auf ewig unglücklich.“
-
-So weit war es eben nicht gekommen; indessen hatte ihn die schöne
-Wittwe, die nun wieder Jungfrau geworden war, nebst den sechs tausend
-Thalern, die ihr Grimaldi angewiesen hatte, um mehr als zwölf tausend
-Escudo’s geprellt. Der arme Antonio eilte zu dem Richter, schickte die
-Alguazils nach allen zwey und dreyßig Winden aus; aber alles Nachsuchen
-war vergebens. Nach acht Tagen hatte man noch nicht die geringste Spur,
-und nun erhielt er, um ihn vollkommen zu Verzweiflung zu treiben, die
-Nachricht, daß sein einziger Sohn zu Genua auf den Tod läge, und ihn
-um den letzten väterlichen Segen bitte. Er reiste denn mit dem festen
-Vorsatz’ ab, nach seines Sohnes Tod’ oder Genesung eine kleine Reise
-durch die ganze Welt zu machen, um die Schlange irgend wo zu finden und
-zu zertreten.
-
-
-
-
-DRITTE SPAZIERFAHRT.
-
-
-Da nun auch dieses Abenteuer glücklich abgelaufen war, fingen die
-beyden andern Schwestern ihr Werk desto freudiger an. Constanze war
-älter, folglich gebührte ihr der Rang. Louise und Feliciane trugen
-ihnen allen Beystand an, den sie ihnen leisten konnten; besonders aber
-den Wagen, der ihnen vor allem unentbehrlich war. Die Sevillanerinnen
-waren nun zu Valdemoro, und die andern zu Illescas: dort vereinigten
-sie sich aber wieder, und Constanze stieg allein mit der alten Banuelos
-und Mogrobejo in den Wagen, der unterdessen ganz ein anderes Ansehen
-bekommen hatte; auch hatte sie andere Pferde und einen andern Kutscher.
-Mogrobejo hatte, um sich unkennbar zu machen, seinen Spitzbart
-länger wachsen lassen, und trug ehrwürdige Augengläser auf der Nase.
-Auch Constanze hatte die Person schon ausersehen, die sie mit ihrer
-Begünstigung glücklich machen wollte. Louise hatte ihr den Traueranzug
-geschenkt, und diesen wählte sie auch zu ihrer Unternehmung, theils,
-weil er ihr sehr gut ließ, theils, weil die Wittwenrolle mit dem
-geringsten Aufwande gespielt werden konnte, theils, weil sie sich in
-einen Plan einließ, nach dem sie durchaus scheinheilig seyn mußte.
-Sie kamen wohl behalten in Madrit an, und bezogen eine Wohnung in
-dem Stadtviertel de la Merced. Die Person, auf welche ihre Absicht
-gerichtet war, war einer der reichsten Pfarrer am Hofe, ein gelehrter
-Priester und Doctor der Theologie. Wir wollen ihn um gewisser Ursachen
-willen nicht nennen, sondern ihn immer nur den Doctor heißen. Seine
-Pfarre trug ihm sehr viel ein, obschon er ein großes Vermögen von
-seinem Vater geerbt hatte, und von zwey Bischöfen jährlich mehr als
-zwey tausend Escudo’s bezog. Er hatte also jährlich über viertausend
-Escudo’s zu verzehren, und war doch dabey der größte Filz unter der
-Sonne. Das Hausgesinde des Doctors bestand aus einer Schwester, die
-schon lange über die Jahre der Anfechtung hinaus war, und die er schon
-lange zur Nonne gemacht hätte, wenn sie es nicht in der Hoffnung einer
-reichen Erbschaft weislich hätte bleiben lassen; einer Haushälterinn,
-einem Studenten, der ihm Gesellschaft leistete, und einem alten
-Maulesel. Constanze erschien täglich mit der sittsamsten Miene, und
-einem langen Rosenkranz’ am Arm’, in der Messe; die Duenna und der
-Escudero begleiteten sie. Eines Tages ging sie nach der Messe auf
-den Kirchhof, der an das Gotteshaus stieß, wandelte auf und nieder,
-betrachtete alles ringsum sehr aufmerksam, und sprach leise mit dem
-Escudero. Unterdessen stand der Pfarrer immer am Fenster der Sacristey,
-und hätte gar zu gern gewußt, was sie mit solcher Aufmerksamkeit
-betrachte. Sie begab sich aber sittsam in den Wagen, und fuhr ab.
-
-Den nächsten Morgen kam sie wieder zur Messe, ging wieder auf
-den Kirchhof, und begnügte sich nicht damit, daß sie ihn sehr
-aufmerksam betrachtete, sondern Mogrobejo mußte auch einen Theil
-desselben schrittweise abmessen. Der Pfarrer hatte wieder aus dem
-Sacristeyfenster zugesehen, und konnte nun sein Verlangen, dieses
-Räthsel aufgelößt zu sehen, nicht länger unbefriedigt lassen; er ging
-hinaus, machte ihr eine artige Verbeugung, und fragte sie womit er
-ihr dienen könne. „Ich sehe,“ sagte Constanze mit niedergeschlagenen
-Augen, „daß Sie die vornehmste Person in dieser Kirche sind. Mein
-Escudero mußte mir hier diese Stätte der gottseligen Ruhe abschreiten,
-damit ich sehen könne, ob auch Raum genug wäre, meine Absicht hier
-auszuführen. Wenn es Ihnen nicht ungelegen wäre, würd’ ich Sie bitten,
-mich in die Kirche zu führen, um Ihnen meine Absicht ausführlich
-erklären zu können.“ Er führte sie in eine kleine Seitenkapelle, die
-aber so schlecht mit Geräthe versehen war, daß sie sich auf einige
-Altarpölster, und er in einen Beichtstuhl setzen mußte.
-
-„Mein hochwürdiger Herr,“ begann sie, „ich bin aus Sevilla, von
-adeligen Ältern geboren; mein Vater hieß Don Lope de Monsalva, meine
-Mutter Donna Mencia de Sahabedra, und ich, ihre einzige Tochter,
-heiße Donna Rufina de Monsalva und Sahabedra. Meine Mutter nahm mir
-Gott sehr früh, und mein Vater, der noch ein sehr junger Mann war,
-warf sein Augenmerk auf eine Dame derselben Stadt, und wollte sich
-mit ihr verbinden; sie hatte aber zwey Brüder, die ihre Schwester gar
-zu gern geerbt hätten; sie setzten sich heftig entgegen, und drangen
-durchaus darauf, daß sie Nonne werden sollte. Sie war meinem Vater sehr
-geneigt; sie fanden Gelegenheit, sich öfters heimlich zu sprechen, und
-kamen endlich überein, daß sie sich heimlich wollten trauen lassen.
-Sie thaten es, und setzten ihre heimlichen Zusammenkünfte fort; ich
-war die Frucht ihrer Liebe. Nun entdeckten die Brüder plötzlich durch
-eine treulose Magd das ganze Geheimniß, stellten meinem Vater heimlich
-nach, und -- tödteten ihn. Ich war nun eine Waise, und ohne alles
-Vermögen; niemand nahm sich meiner an, als eine Muhme, die mich in das
-Nonnenkloster San Leander zur Erziehung gab, wo ich auch bis in mein
-sechzehntes Jahr blieb. Damahls erst fing mein Glück zu dämmern an. Mit
-einer Flotte aus Indien kam ein ansehnlicher Cavalier an den Hof; er
-war sehr reich, und hatte von einem Vetter meiner Muhme, bey der ich
-nun im Hause wohnte, ein Empfehlungsschreiben mit sich. Er besuchte sie
-öfters, und sah auch mich bey dieser Gelegenheit. Er erkundigte sich,
-wer ich wäre; meine Muhme erzählte ihm die unglückliche Geschichte
-meines Vaters, und er gewann eine solche Neigung zu mir, daß er
-förmlich um mich warb. Binnen vierzehn Tagen war ich ihm angetraut,
-und er gab mir zur Morgengabe zwanzig tausend Escudo’s; sein ganzes
-Vermögen aber beträgt über hundert zwanzig tausend Ducaten. Wir
-lebten sechs Jahre mit einander, in welcher Zeit wir gar kein Kind
-mit einander hatten. Endlich starb der gute Mann, und machte mich zur
-Erbinn des ganzen Vermögens: nur vierzehn tausend Ducaten bestimmte
-er zu einer prächtigen Kapelle, die ich in dieser Stadt bey irgend
-einer Kirche bauen lassen sollte. Er bestimmte aber nur die Summe, und
-räumt es übrigens ganz meiner Willkür ein, wie ich sie bauen lassen
-wollte. Ich denke nun es so einzurichten, daß vier Kapelläne mit
-einem jährlichen Einkommen von zwey hundert Ducaten, und einer, dem
-die andern untergeben seyn sollen, mit drey hundert dabey angestellt
-werden. Ich will sie auch nicht an diesen Kapellendienst allein binden;
-denn warum sollt’ ich ehrwürdige Väter hindern, ihr ohne dieß geringes
-Einkommen, das sie ohnehin meistens auf Almosen verwenden, noch in
-etwas nebenbey zu vermehren. Ich bin nun vierzehn Tage hier, und habe
-alle Kirchen besehen, aber hier nach meiner Meinung noch den besten
-Platz gefunden. Man könnte unter der Kapelle die Gruft anbringen, was
-ungleich prächtiger lassen dürfte, als der Kirchhof. Ob es mir nun
-erlaubt seyn werde; ob mir die Stadtobrigkeit, oder der geistliche
-Rath nicht entgegen seyn werden, wünsche ich jetzt aus Ihrem Munde zu
-hören.“
-
-„Dafür lassen Sie mich sorgen, gnädige Frau!“ antwortete der Pfarrer
-voll Feuer, und sah sich schon im Besitze von drey hundert Ducaten.
-„Das wäre schön, wenn der geistliche Rath die Erfüllung frommer
-Vermächtnisse hindern wollte! Wie wollt’ er das? Wie könnt’ er das?
-Jeder Platz gehört Gott, um so viel mehr ein Kirchhof, als ein eigens
-geweihter Ort. Und was gingen die Stadtobrigkeit geistliche Dinge an?
-Sie mag ihre profane Nase in andere Dinge stecken, mag Betriegern und
-Betriegerinnen auf die Spur zu kommen suchen; aber unsere heiligen
-Sachen gehen ihr nichts an. O gnädige Frau! Gott hab’ Ihren seligen
-Gemahl selig! sein Werk ist um desto verdienstlicher, da er dadurch in
-einer so verdorbenen Zeit ein heldenmüthiges Beyspiel des standhaften
-Christenthums gibt. Säumen Sie auch nicht, seinen frommen Wunsch zu
-erfüllen, damit wir ihn nicht aufhalten, wenn seine Seele etwa bis zur
-völligen Herstellung noch etwas zu leiden hätte.“
-
-„Ich weiß aber noch nicht,“ sagte sie, „ob wir hier das volle Maß, das
-ich gewünscht hätte, heraus bringen werden.“
-
-„Wollen sie denn Euer Gnaden gar so groß bauen?“ sagte der Pfarrer.
-„Wie viele Schritte haben Euer Gnaden angeschlagen?“
-
-„Sechzig in die Länge, zwey und dreyßig in die Breite.“
-
-Nun fing der leibige Pfarrer augenblicklich an, wie ein fettes
-Leichhuhn über die Gräber fortzutrippeln, und den Raum mit kurzen
-Schritten abzumessen. „Mehr als zu viel!“ schrie er endlich; „es gibt
-noch ein Beinhaus, und ein kleines Leichenbehältniß. Wir kriegen aber
-doch auch ein Thürmchen, gnädige Frau? Wir haben eine überflüssige
-Glocke, und irgend eine andächtige Seele wird uns es auch nicht an
-einer Uhr fehlen lassen.“
-
-„Um meines seligen Mannes Wunsch ganz zu erfüllen,“ sagte Constanze,
-„wird es mir nicht zu viel seyn, auch diese Kleinigkeiten aus meinem
-Vermögen zu bestreiten, das nach meinen Bedürfnissen ohne dieß viel zu
-groß ist. Ich gestehe es Ihnen auch, hochwürdiger Herr Pfarrer, daß es
-mir in so weit wirklich zur Last ist, als ich es nicht weiß, was ich
-damit anfangen soll. Übrigens habe ich noch eine Bitte an Sie.“
-
-„Sie befehlen, gnädige Frau! worin kann ich dienen?“
-
-„Ich wünschte sehr, daß Sie es auf sich nähmen, meinen Bau gegen
-alle Hindernisse zu schützen, mir erfahrne Leute zu dem Baue selbst
-vorzuschlagen, und endlich -- thun Sie es um meines seligen Mannes
-willen -- nehmen Sie dann die Oberaufsicht über die vier Kapläne an.“
-
-„Mit Freuden,“ antwortete der Pfarrer; „zu was mich Gott in seinem
-Dienste rufen will, dazu bin ich auch bereit. Sie haben mit mir zu
-befehlen; und da Sie ein frommes Werk unternehmen, so bin ich Ihnen
-gewisser Maßen Gehorsam schuldig.“
-
-Sie wären nun über die Präliminarien einig gewesen. Sie sagte dem
-Pfarrer ihre Wohnung; er besuchte sie sehr emsig, und befahl auch
-seiner Schwester, sie zu besuchen, deren Liebe Constanze augenblicklich
-zu gewinnen wußte. Das Erste, was sie that, war, daß sie dem Pfarrer
-ihres Mannes Testament zeigte, und ihn versicherte, daß sie nun in
-einigen Tagen thätig Hand ans Werk legen werde.
-
-Sonntags Abends kam sie mit ihrer Duenna und dem Escudero in der Pfarre
-an, um der Schwester des Pfarrers den erhaltenen Besuch zu erstatten.
-Sie ward mit allem, was Küche und Keller vermochten, bewirthet; und
-als sie mit einbrechender Dämmerung wieder nach Hause fahren wollte,
-bath sie der Pfarrer, noch ein wenig zu bleiben, und der Sitzung einer
-kleinen Akademie beyzuwohnen, die er aus Liebe zu den Wissenschaften
-und der Musik, in seinem Hause, mit Hülfe einiger Freunde errichtet
-hatte. Constanze nahm die Einladung unter dem Bedingniß’ an, daß sie
-und seine Schwester ungesehen zuhören könnten. Das war ausführbar, und
-er führte sie an ein Fenster mit einem Vorhange, aus dem sie in den
-Saal sehen konnten, der auf eine merkwürdige Art zubereitet war. Er
-war ganz mit Tannencisten geziert, und mit Sträußen von Wiesen- und
-Gartenblumen behangen; oben am Saale standen drey lederne Stühle an
-einem Schreibtische, und weil es schon dunkel war, begann man rings
-um den Saal die messingenen Wandleuchter anzuzünden. In der Mitte war
-ein Hängeleuchter, auf dem drey bis vier Altarkerzen brannten. Es
-währte nicht lange, so erschienen die Akademiker. Der erste war der
-Pfarrer selbst, der die Gesetze der Akademie, auf einer Rechentafel
-geschrieben, trug; der zweyte war der Sacristeydiener, der in den
-Nebenstunden kleine Predigten verfaßte; der Cantor und sein Bruder, der
-bey einem Sachwalter als Unterschreiber diente, und welche beyde in dem
-ganzen Pfarrsprengel das Monopolium der Hochzeit- und Leichengedichte
-an sich gerissen hatten; sie verfertigten auch Neujahrswünsche, kleine
-Verse für die Zuckerbäcker, und Inschriften auf die Leichensteine. Nach
-diesen kam der Kapellan, der aus Wachs kleine Opferthiere verfertigte,
-und mit besonderer Geschicklichkeit verschiedene Figuren aus Pflaumen-
-und Aprikosenkernen zu schnitzeln wußte. Indessen, weil sie nicht einig
-werden konnten, unter was für eine der schönen Künste sie seine Arbeit
-rechnen sollten, hatten sie ihm, ungeachtet seiner Geistlichkeit, einen
-so späten Rang angewiesen. Nach diesem kam ein Musicus, der zuweilen
-auf dem Chore spielte, sonst aber in den Wirthshäusern seine Kunst
-trieb, und Grab- Hochzeit- und andere Lieder verfertigte. Endlich
-erschien der Student, der bey ihm im Hause wohnte, und den sie der
-Tanzkunst widmeten, weil er geschickt Hunde abzurichten wußte. Um
-Constanzen eine rechte Ehre zu erweisen, sagte ihr seine Schwester, daß
-in der Gesellschaft noch ein Mitglied für die Baukunst fehle, und daß
-sie gar nicht zweifle, ihr Bruder werde den Steinmetz, wenn er sich bey
-der Kapelle auszeichnete, unter sie aufnehmen.
-
-Sie begannen nun ihre Arbeit, und jeder legte einen neuen Beweis seiner
-Fähigkeit ab. Der Pfarrer eröffnete die Sitzung mit einer Abhandlung
-über den Ursprung des Gebeths, in der er nicht undeutlich vermuthete,
-daß Gott den ersten Menschen eine Art von täglichem Breviarium
-vorgeschrieben, und ihnen daher auch die Gabe, Geschriebenes zu lesen,
-eingegossen habe. Der Sacristeydiener ging vor die Thür, weil der Saal
-zu ebner Erde war, zum Fenster herein, was eine Kanzel vorstellen
-sollte, eine Predigt über die Raupen, die diesen Sommer alle Bäume
-im Pfarrgarten verdorben hätten, zu halten. Der Cantor hatte drey
-Gedichte gemacht, das eine enthielt die ganze Passion, und die andern
-zwey die Geschichte des linken und des rechten Schächers; und diese
-drey Gedichte hatte er in der Form eines Kreuzes geschrieben, so, daß
-sie einen förmlichen Calvaria vorstellten. Sein Bruder, der Schreiber,
-las unmittelbar darnach ein Gedicht zum Lobe des Tabakschmauchens. Der
-Kapellan stellte ein neues Schwein dar, das er aus Wachs gemacht hatte,
-und die Hälfte einer glücklich abgenommenen Frauenbrust, wovon man aber
-das eine eben so gut für ein Schaf, und das andere für die Hälfte eines
-Hinterbackens hätte ansehen können. Der Musikus hatte eine neue Melodie
-auf das Nachtwächterlied verfertigt, und nun traf die Reihe den
-Studenten, der seinen Hunden wieder neue Sprünge und Fratzen gelernet
-hatte. Nun hatte aber der Pfarrer seinen Akademikern, wie gewöhnlich,
-frischen Schinken, geräucherte Ochsenzungen, und kalte Pasteten
-auftischen lassen; und da die Hunde des Studenten, da ihr Herr selbst
-von des Pfarrers Gnade lebte, immer bey dem gesundesten Appetite zu
-seyn pflegten, hatten sie auch jetzt kaum drey bis vier Sprünge durch
-den Reif gemacht, als sie sich erdreisteten, mit ihren profanen Pfoten
-den Tisch zu besteigen, und unter den Libationen eine solche Verheerung
-anzurichten, daß alle Akademiker von ihren Stühlen aufsprangen, und
-diese frechen Schüler der Erato aus ihrem Hörsaale vertrieben. Es war
-aber leider zu spät, und man mußte sich mit sehr geringen Überbleibseln
-begnügen. Die Versammlung ging also sehr mißmuthig aus einander, und
-Constanze ging vergnügt nach Hause.
-
-Nun war keine Zeit mehr zu verlieren. Den nächsten Morgen mußte sich
-Mogrobejo nach einem vertrauten Freund’ umsehen, der sich für einen
-erst aus Toledo angekommenen Architecteur ausgeben, und zwey oder
-drey Risse von einer Kapelle mit sich bringen sollte. Der Escudero
-war scharfsichtig, wie ein Falke, und wendete sich daher an keinen
-untüchtigen Mann. Er sollte sich den folgenden Tag, an dem sie vom
-Pfarrer Besuch erwartete, einfinden. Der Pfarrer kam; der Baumeister
-kam; man vereinigte sich über den Plan, und ließ einen Notar rufen,
-vor welchem und zwey Zeugen sich der Baumeister anheischig machte,
-die Kapelle binnen einem Jahre herzustellen; dafür verlangte er zwey
-tausend Escudo’s im vorhinein; Constanze fand aber diese Summe zu groß,
-und erklärte sich, daß sie unterdessen drey hundert Escudo’s geben
-wollte, womit sich der Baumeister befriedigte. Sie lud alle über zwey
-Tage zum Mittagmahle ein, und da sollte sogleich Hand ans Werk gelegt
-werden.
-
-Nun schickte Constanze den Escudero noch denselben Abend zu ihren
-Freundinnen um den Schmuck, und erhielt ihn auch sogleich in einem
-ansehnlichen Futterale von carmoisinrothem Saffian. Sie schickte
-dasselbe nun unverzüglich zu einen Futteralmacher, und ließ ein so
-ähnliches verfertigen, daß man es von dem rechten kaum unterscheiden
-konnte. Nun ließ sie den Pfarrer rufen, der sich auch im Augenblicke
-einfand. Sie nahmen Stühle, und Constanze sprach: „Herr Doctor,
-ich habe acht tausend Escudo’s bey den Fuggern[B] stehen, die ich
-zu ansehnlichen Zinsen genieße; mein seliger Mann hat sie aber nur
-unter dem Bedingnisse untergebracht, daß er sie einen Monath vor der
-Herausbezahlung aufzukündigen habe. In der Verwirrung, in die mich
-der plötzliche Tod meines Mannes setzte, hab’ ich nun vergessen, die
-Aufkündigung einzuschicken, und bin nun in der Verlegenheit, daß ich
-das Geld gerade jetzt, da ich es am nothwendigsten brauche, nicht
-habe. Ich sehe mich denn, so schwer es mir fällt, gezwungen, meinen
-ansehnlichen Schmuck bey einem vertrauten Manne, gegen billige
-Bedingnisse, auf einen Monath einzusetzen. Hier ist er,“ sagte sie,
-indem sie aus der Estrata ein Lädchen unter dem Überzuge hervor nahm,
-und dem Pfarrer, der in seinem Leben nie solchen Schmuck gesehen hatte,
-die reichen Geschenke des Mailänders und des Genuesers zeigte.
-
-„Lieber Gott!“ sagte der Pfarrer; „das ist ja über hundert tausend
-Escudo’s werth.“
-
-„Nicht doch, Herr Pfarrer!“ sagte sie; „Sie sind ein schlechter Kenner:
-der ganze Werth besteht in etwas über dreyßig tausend Escudo’s; und
-gerade, weil dieß doch keine Kleinigkeit ist, wünscht’ ich irgend einen
-Mann zu wissen, bey dem ich nicht Gefahr liefe; denn bey jetziger Zeit
-kann man sich wahrhaftig nicht genug hüthen.“ Während dieser Rede
-hatte sie das Futteral wieder versperrt, und in das Lädchen gelegt.
-Der Pfarrer wünschte der großmüthigen Dame in allem Genüge zu leisten,
-und both sich an, ihr die acht tausend Escudo’s noch denselben Tag
-aus seinem eigenen Vermögen einzuhändigen. „Belieben Sie nur,“ sagte
-er, „eine Schrift wegen Leben und Tod bereit zu halten.“ Constanze
-nahm den Antrag mit Freuden an, und zog geschwinde unter dem Überzuge
-der Estrata das andere Futteral, welches ebenfalls versperrt war,
-hervor. Der Pfarrer nahm es, und wollte forteilen; an der Thür kehrte
-er aber noch um, und sagte: „Hören Sie, gnädige Frau, die Baumeister
-sind Leute, die immer bares Geld sehen wollen. Damit wir ihn nun nicht
-abschrecken, bring’ ich Ihnen lieber gleich die tausend vier hundert
-Escudo’s an der Stelle, und des Abends die andern acht tausend, damit
-Sie dann Ihr Geld ganz beysammen haben.“ Er hielt auch genau Wort,
-und Constanze hatte die ganze Summe in Händen. Der Pfarrer hätte
-den Schmuck gern seiner Schwester gezeigt, wagte es aber nicht, zu
-Constanzen um den Schlüssel zu schicken, weil es einem Mißtrauen
-ähnlich gesehen hätte.
-
-So bald die schöne Wittwe das Geld in Händen hatte, machte sie sich mit
-ihrer Duenna und dem Escudero nach Lescas auf. Ihrem Hausherrn schützte
-sie vor, daß sie das Quartier verlasse, weil es ihr zu melancholisch
-wäre, und so fuhr sie denn mit allem Geräth’ ab, und verbarg sich bey
-ihren Freundinnen so gut, daß sie niemand hätte finden können. Nun
-kam der Pfarrer, und hörte, daß seine reiche Gönnerinn eine andere
-Wohnung bezogen habe; die Hausleute versprachen ihrem hochwürdigen
-Herrn Pfarrer aber, daß sie ihm bis morgen schon sagen wollten, wo sie
-wohne. Den andern Tag sehr früh kam er wieder; man wußt’ es noch nicht:
-er kam des Abends, und man wußt’ es noch nicht. Nun begann er erst
-Argwohn zu schöpfen; er lief nach Hause, und da seine Schwester darauf
-bestand, daß er einer Betriegerinn in die Hände gerathen sey, beschloß
-er endlich, das Futteral zu öffnen, und sich aus dieser peinlichen
-Ungewißheit zu reißen, es kost’ auch, was es wolle. Er öffnete es denn,
-und fand anstatt der Diamanten die schönsten und artigsten kleinen
-Kieselsteine. Die Pulsen standen ihm stille; seine Schwester rieb ihm
-die Schläfe, und hielt ihm ein Riechfläschchen vor. Er erhohlte sich
-wieder, und lief zu dem Richter: was half aber alles Nachsuchen des
-Richters, wenn sich eine von unsern Heldinnen verbarg? Er fiel in eine
-Todeskrankheit, von der er sich sehr langsam erhohlte, und vom Tage des
-entdeckten Betruges an war er ein Teufel, der das ganze Haus peinigte,
-und mit dem es niemand mehr aushalten wollte. Besonders hatten die
-Akademiker seinen Unmuth empfunden; denn als sie ihn denselben Tag
-besuchten, um wieder eine Sitzung zu halten, mißhandelte er sie so, daß
-sie schworen, ihn vor Gerichte zu belangen.
-
-
-Fußnote:
-
-[B] Eine reichsgräfliche Familie, deren Reichthümer in Spanien zum
-Sprüchworte geworden sind.
-
-
-
-
-VIERTE SPAZIERFAHRT.
-
-
-Dorothee, welche nun die Reihe traf, ließ vier Monathe verstreichen,
-bevor sie eine neue Unternehmung wagte, damit sich unterdessen das
-Gerücht vom Kapellenbaue verlieren möchte. Auch benützte man diese
-Zeit, um den Wagen wieder anders zuzurichten, und Kutscher und Pferde
-zu wechseln. Endlich fand sie es räthlich, in Gesellschaft ihrer
-Mutter, und der alten Banuelos zu Madrid einzuziehen. Sie nahmen ihre
-Wohnung dieß Mahl zur Abwechslung in dem Martinsviertel. Nach einigen
-Tagen begaben sie sich mit dem neuen Escudero, den sie aufgenommen
-hatten, unter das Thor von Quadalaxara. Als die jungen Herren, die auf
-dem Markte herum spazierten, einen Damenwagen an einem Kaufmannsgewölbe
-halten sahen, liefen sie wie Hasen davon, um nicht etwa in die
-Verlegenheit zu gerathen, wenn es eine von ihren Bekannten wäre, aus
-Artigkeit oder Tändeley ein Geschenk anbiethen zu müssen. Dorothee
-ließ sich eine goldener Tabatiere, und etwas von Frauenputz an den
-Wagenschlag bringen. Mit einem Mahle kam ein fremder Cavalier, der erst
-unlängst aus Andalusien angekommen war, und nun hier den Zusammenfluß
-der Madriter schauen wollte, an dem Wagen vorüber. Die schöne Dorothee
-fiel ihm auf, und als ein Mann von Welt, machte er ihr sogleich
-seine tiefe Verbeugung. Er mochte beyläufig sechs und zwanzig Jahre
-haben, war klein von Person, aber niedlich gebaut, und ganz fertig,
-ein Gespräch mit feinen Wendungen und drolligen Einfällen zu würzen;
-dabey war er aber von ungemein verliebter Stimmung, und sein Kopf war
-vom Romanenlesen ein wenig angebrannt. Dorothee bemerkte den raschen
-Eindruck, den sie auf ihn gemacht habe, und begegnete seinem Blicke
-vorsetzlich einige Mahl. Er ward muthiger, trat an den Wagenschlag, und
-sagte: „Schöne Unbekannte, diese Waare ist schon bestellet.“ „Das thut
-mit leid,“ antwortete Dorothee. „Indessen,“ fuhr der Andalusier fort,
-„wenn sie Ihnen gefällt, bin ich bereit, sie mir abhandeln zu lassen,
-und will sie als förmlicher Kaufmann in Ihre Wohnung bringen, die Sie
-mir zu sagen belieben werden.“ Hiermit steckte er dem Kaufmann, was die
-Waare beyläufig werth seyn mochte, in die Hand.
-
-„In der That,“ sagte Dorothee, „wenn ich Sie kennte, würde ich Ihnen
-vielleicht mit eben dieser -- wie will ich sagen -- Freymüthigkeit,
-oder Zudringlichkeit, wenn Sie wollen, in Ihren Ton einstimmen; so
-aber“ -- sie hatte sehr gut gesehen, was vorgegangen war -- „bleibt mir
-nichts übrig, als die Waare wieder dahin zurück zu stellen, von wo ich
-sie bekommen habe. Gnädiges Fräulein,“ sagte er, „denn Frau können Sie
-doch unmöglich seyn; Sie scheinen ungehalten: seyn Sie es aber nicht.
-Ich bin ein Mensch, der niemand auf Erden, am wenigsten aber eine Dame
-beleidigen will, und der nur manchmahl den Rechnungsfehler begeht,
-daß er meint, man würde seine -- ich kann es mit gutem Gewissen nur
-Lebhaftigkeit nennen, eben so gerade aufnehmen, als er sie äußert. Bey
-uns in Andalusien wird mir so etwas zu Gute gehalten; ich erwartete
-denn, daß ich hier, wo ich erst zwey Tage bin, ein anderes Andalusien
-finden werde.“
-
-Dorothee merkte nun, daß sie ihren Mann gefunden habe, und fand es
-für gut, an der Stelle eine nähere Bekanntschaft zu gründen. Sie
-frage denn: „Mein Herr, das ganze Waarenlager werden Sie doch nicht
-aufgekauft haben,“ stieg aus dem Wagen, und ging in das Gewölbe; Der
-Andalusier ihr nach.
-
-Sie ließ sich Federn, Bänder, und Seidenstoff für beyläufig hundert
-Escudo’s vorlegen, und behandelte den Preis. Sie bemerkte, daß er vom
-Kaufmanne heimlich die Rechnung fordre, und sagte daher: „Mein lieber
-Herr, ich habe vor Tische noch einige Besuche vor mir: Sie würden mich
-verbinden, wenn Sie mir alles nach Tische in meine Wohnung schickten;
-dann werden Sie auch gleich das Geld dafür erhalten.“ Der Kaufmann
-fand sich sehr bereit, und Dorothee sagte ihm ihre Wohnung. Der
-Andalusier sprach nur: „Gnädiges Fräulein, ich weiß nun Ihre Wohnung:
-wie würden Sie sich wohl benehmen, wenn ich unartig genug wäre, Sie zu
-besuchen?“ „Fürs erste,“ antwortete Dorothee, „halt’ ich Sie nicht für
-so voreilig; und wenn Sie es wären, würde mir nichts übrig bleiben, als
-daß ich durch ein artiges Betragen Sie zu bessern suchte.“ Sie ging
-fort, und fuhr nach Hause. Nach Tische kam der Diener des Kaufmanns,
-brachte die Waaren, und als sie sich anstellte, als ob sie bezahlen
-wollte, schlug er es unter dem Vorwande aus, daß die Summe noch zu
-klein wäre, um eine Rechnung zu machen, und daß sie ihr noch mehr zu
-verkaufen dächten. Es währte nicht lange, so war auch unser Andalusier
-da. Dorothee empfing ihn in Gesellschaft ihrer Duennen sehr artig,
-und er erzählte ihr, daß er Don Thadeo de Sylva heiße, eigentlich
-aber Don Thadeo Tristan de Lorgenes, nach einem Oheime, der das
-Abgeschmackte dieses Nahmens mit einer ansehnlichen Erbschaft wieder
-gut gemacht hätte; Dorothee vertraute ihm dafür, daß sie mit einem
-Ritter verheirathet sey, der sich in Indien befände, und so unglücklich
-gewesen sey, in Lima gefangen zu werden; nun erwarte sie aber ihn
-und ihr ganzes Vermögen mit der nächsten Flotte. Don Thadeo both ihr
-feyerlich alle Dienste an, die in seinen Kräften ständen, indem er
-wohl wisse, was sich für Schwierigkeiten fänden, wenn man am Hofe
-Forderungen machte. „Es ist wahr,“ erwiederte sie; „aber zum Glücke
-hab’ ich doch immer genug gehabt, um zwey Dienerinnen, einen Escudero,
-und meinen Wagen zu halten.“ Nun war es Zeit, sich zu entfernen, und
-Thadeo empfahl sich.
-
-Dorothee suchte nun nähere Erkundigung über seine Umstände einzuziehen,
-und alle Nachrichten waren nach Wunsche. Seine Besuche wurden immer
-häufiger, und seine Neigung immer heftiger. Dorothee suchte seine
-Schwächen aufzufinden, unter denen auch die Vorliebe für Lieder und
-Melodien, die er selbst verfaßt hatte, war, und suchte sie auf’s
-Beste zu benutzen; kurz, er ward so verliebt, als noch kein Liebhaber
-ihrer Mitschwesterchen gewesen war. Dorothee, die eine sehr schöne
-Stimme, und einen hinreißenden Vortrag hatte, sang von der Stunde an
-kein Liedchen mehr, das nicht Thadeo verfertigt hatte, und verlangte
-selbst noch Unterricht auf der Guitarre von ihm; dafür liefen sich
-seine Bedienten mit Küchengeschenken müde, und er selbst brachte
-beynahe jeden Tag irgend eine kostbare Kleinigkeit zum Putze mit.
-Dorothee hatte jedes Mahl einen Vorwand bereit, unter dem es ihre
-Bescheidenheit erlaubte, seine Großmuth nicht zurück zu schrecken.
-Auch hatte sie sich schon zwey Mahl einen Kuß auf die Lippen gefallen
-lassen, von denen sie den letzten sogar -- wer hätte sich’s von Donna
-Dorothea träumen lassen? -- mit schamhaftem Erröthen erwiederte.
-
-Den folgenden Tag kam Thadeo nicht, und Dorothee war in sichtbarer
-Unruhe: sie konnte sein Außenbleiben nur mit der strengen Witterung
-entschuldigen; denn es war mitten im Winter. Sie hatte sich auch nicht
-getäuscht; denn er kam den andern Tag: indessen war es ihr doch ein
-Fingerzeig, daß sie ihn noch nicht genug in Bewegung gesetzt habe. Sie
-suchte daher alles Mögliche hervor, was einen Mann fest halten kann:
-sie schmollte; sie bezeigte ihm bey jeder Gelegenheit Aufmerksamkeit,
-und es gelang ihr auch, ihn bald so zu kirren, daß er mit Leib und
-Seele an ihr hing, und nun weiter nichts mehr fehlte, als eine gute
-Gelegenheit, um sein Vertrauen und seine Liebe so ergiebig als möglich
-zu benutzen.
-
-Während Dorothee in Illescas wohnte, war ein Student aus Toledo dort
-angekommen. Er hieß Don Basil, war ein erzarmer Teufel, übrigens
-aber so schön und wacker gebildet, und so aufgeweckten Geistes, daß
-Dorotheens Standhaftigkeit selbst so vielen Reitzen nicht widerstehen
-konnte. Sie wurden bald bekannt, noch geschwinder vertraut, und es war
-bald so weit gekommen, daß sie ihm sogar gestattete, ihr nach Madrit zu
-folgen, unter dem Bedingniß’ aber, daß er ihre Unternehmungen nicht im
-geringsten stören sollte. Er ging es darauf ein, und lebte denn auch in
-Madrit in dem besten Einverständnisse mit ihr, ohne sich von Eifersucht
-plagen zu lassen. Alles wäre gut gegangen; nur wollte sich noch keine
-besonders vortheilhafte Gelegenheit zeigen.
-
-Endlich traf es sich, daß einer von Thadeo’s Freunden heirathete.
-Thadeo sagte Dorotheen, daß die Vermählung bey San Sebastian mit einer
-seltnen Pracht gehalten werden würde, und daß er selbst in einem Glanze
-erscheinen werde, in dem sie ihn noch nie gesehen habe. „Wenn ich in
-der Kirche erscheinen soll,“ sagte Dorothee, „so verlange ich ohne
-dieß, daß mein lieber Thadeo die übrige Gesellschaft übertreffe. Wenn
-Sie mir aber dann gefallen, bin ich nicht zufrieden, Sie nur in der
-Kirche bewundern zu können; ich will Sie bey mir im Hause haben. Sie
-werden sich doch gewiß um eilf Uhr vom Spiele los machen können; und
-bis dahin will ich mit dem Abendessen auf Sie warten.“
-
-Thadeo sagte es ihr heilig zu, und so schieden sie aus einander. Die
-Vermählung ging vor sich, und Dorothee erstaunte über die Pracht ihres
-Geliebten. Er war im prächtigsten Stoffe gekleidet, und schien alle
-Juweliere von Madrit ausgekauft zu haben. Knöpfe, Ketten, Agraffen,
-Ringe, alles war von Brillanten. Er kam auch um eilf Uhr des Abends
-voll Vergnügen zu Dorotheen, und erzählte ihr, daß er so glücklich
-gewesen sey, gegen zwey tausend Escudo’s zu gewinnen. Sie speisten; es
-wurde immer später; Dorothee war ungemein gefällig, und sagte endlich,
-daß sie ihn heute nicht mehr nach Hause lasse: denn wenn irgend ein
-Schurke seinen Schmuck gewahr würde, könnte er ein Unglück haben.
-Sie werde ihm daher ein Bett anweisen, und sie nehme durchaus keine
-Widerrede an.
-
-Thadeo meinte, nun schon den Gipfel seines Glücks erstiegen zu haben,
-und war beynahe ausgelassen vor Freude. Er trank ein Glas ums andere;
-aber Dorothee hatte ihm einen besonders köstlichen Trank bereitet,
-dessen Wirkung er nicht vermuthet hätte. Es war zwölf Uhr, und Dorothee
-wies ihm das Bett in dem Zimmer an dem ihrigen an. Er kleidete sich
-hastig aus, hatte sich aber im Bette kaum ein wenig erwärmt, als
-der Trank seine Wirkung that, und der verliebte Ritter so laut zu
-schnarchen anfing, daß man es auf die Gasse gehört haben würde, wenn
-ihm seine treuen Wärterinnen nicht die Bettdecke über den Kopf gelegt
-hätten.
-
-Nun ward alles, was er an dem Leibe gehabt hatte, sammt dem
-beträchtlichen Spielgewinne, mit Hülfe des Studenten aus Toledo, und
-des Kutschers zusammen gepackt, und nach ihrer einstimmigen Schätzung
-auf mehr als vierzehn tausend Escudo’s angeschlagen. Es war nichts mehr
-übrig, als was sie mit Don Thadeo anfangen sollten. Er hatte ein zu
-schönes Spitzhemd auf dem Leibe, als daß es ihm der Student aus Toledo
-hätte gönnen sollen; er zog es ihm denn ab, und bekleidete ihn dafür
-mit einem Unterrocke der alten Banuelos. Vorn unter das Kinn band er
-ihm ein Tuch, wie einem kleinen Kinde, und an eine Schnur knüpfte er
-verschiedene Sachen, wie man den Kindern anzuhängen pflegt; ein Füßchen
-von den Hasen, den er des Abends noch gegessen hatte; eine Elendklaue,
-wider das Augenweh; einen kleinen Mörserstößel, und eine kleine Glocke.
-In diesen Aufzuge setzten sie ihn auf einen großen Korb; der Student
-und der Kutscher trugen ihn fort, hingen ihn an den Balcon eines armen
-Indianers, und eilten nach Hause, um sich mit der übrigen Gesellschaft
-in Sicherheit zu setzen.
-
-Thadeo schlief in seinem Korbe fort, und träumte sich in den Armen
-der schönen Dorothee. Mit Anbruch des Tages stand der Indianer auf,
-schlug die Fensterbalken auf, und nahm den Korb wahr. Er setzte die
-Augengläser auf, und sah zu seiner größten Verwunderung dieses große
-Kind in dem Korbe liegen. Sein erster Gedanke war wirklich, daß es
-ein Findelkind sey, das man ihm vors Haus gebracht hätte, und er rief
-seinen Bedienten, daß er es herab nehmen, und vor ein anderes Haus
-legen solle. Der Bediente konnte nicht sehen, was im Korbe wäre, weil
-der Korb so hoch hing, und schnitt den Strick ab, um den Korb mit den
-Händen aufzufangen; das Kind fiel aber mit solcher Gewalt herunter, daß
-es den armen Bedienten zu Boden warf. Das Kind selbst schlief so sanft,
-daß es selbst von dieser Erschütterung nicht erwachte. So wehe sich der
-Bediente gethan hatte, brach er doch in ein lautes Gelächter aus, als
-er das Kind erblickte. Er trug es mit Hülfe seines Herrn in die Stube,
-und hier bemerkten sie erst einen Zettel, den es im Busen stecken
-hatte. Er lautete: „Die Mutter dieses Kindes hat es Armuths halber
-in ihren Armen hierher getragen, und bittet, sich seiner anzunehmen.
-Übrigens ist es schon seit einiger Zeit getauft.“ Der Indianer und der
-Bediente suchten es zu wecken; sie kitzelten und kneipten es; alles
-war aber vergebens. „Wahrhaftig,“ sagte der Indianer; „ich habe noch
-kein Kind gesehen, das einen so gesunden Schlaf gehabt hätte.“ Indessen
-kamen sie doch bald auf die Vermuthung, daß dieser unnatürliche
-Schlummer die Wirkung eines Schlaftrunkes sey. Erst gegen Mittag kam
-Thadeo zu sich; und als er seinen lächerlichen Aufzug erblickte, und
-sah, daß er in einer ganz fremden Wohnung sey, fing er zu schreyen
-an, daß der Indianer und sein Bedienter herbey liefen, die ihm denn
-erzählten, in was für einem Zustande sie ihn gefunden hätten. Er
-schnaubte vor Wuth, und schwor allen, die an dieser Beschimpfung Theil
-hätten, sie zu vernichten. Er ließ sich Kleider bringen, und machte
-sogleich Anstalt, um Dorotheen mit ihrer ganzen Gesellschaft in Verhaft
-nehmen zu lassen. Sie war aber schon längst zu Illescas, wo sie mit
-ihren Mitschwestern überein kam, nach Granada zu reisen, um dort neue
-Abenteuer, die ihrer würdig wären, aufzusuchen.
-
-Wie lange sie dieselben fortsetzten, meldet die Geschichte nicht: so
-viel läßt sich vermuthen, daß sie sich bald von einander zu trennen
-genöthigt sahen, welches sie um so leichter thun konnten, da jede schon
-in Schäfchen ins Trockne gebracht hatte.
-
-
-_ENDE._
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Die Harpyen von Madrit, oder die
-Postkutsche, by Alonso de Castillo Solórzano
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HARPYEN VON MADRIT ***
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-}
-
- </style>
- </head>
-<body>
-
-
-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Die Harpyen von Madrit, oder die Postkutsche, by
-Alonso de Castillo Solórzano
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
-almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
-re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
-with this eBook or online at www.gutenberg.org/license
-
-
-Title: Die Harpyen von Madrit, oder die Postkutsche
- Aus dem Spanischen des Verfassers der Donna Rufina
-
-Author: Alonso de Castillo Solórzano
-
-Release Date: March 15, 2017 [EBook #54368]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HARPYEN VON MADRIT ***
-
-
-
-
-Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned
-images of public domain material from the Google Books
-project.)
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="transnote">
-
-<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1791 erschienenen
-Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
-Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden
-stillschweigend korrigiert. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter
-eingefügt.</p>
-
-<p class="p0">Einige altertümliche Ausdrücke sind aus heutiger Sicht
-teilweise schwer verständlich, dennoch wurden diese unverändert
-übernommen. Inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, sofern
-diese im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachige Zitate und Ausdrücke
-wurden nicht korrigiert.</p>
-
-<p class="p0 htmlnoshow">Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät
-installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em>
-gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl
-serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="figcenter">
- <a id="frontispiz" name="frontispiz">
- <img src="images/frontispiz.jpg"
- alt="Donna Feliciana" /></a>
- <p class="s5 center mbot3"><i>Ch. Sambach del.<br />
- Cl. Kohl Sc. N.</i></p>
-</div>
-
-<h1><span class="s7">DIE</span><br />
-
-H<span class="g">A</span><span class="g">R</span><span class="g">P</span><span class="g">Y</span><span class="g">E</span><span class="g">N</span><br />
-
-<span class="s8">VON</span><br />
-
-<span class="s6">M<span class="g">A</span><span class="g">D</span><span class="g">R</span><span class="g">I</span><span class="g">T</span><span class="g">,</span></span><br />
-
-<span class="s8">ODER DIE</span><br />
-
-<span class="s5">POSTKUTSCHE.</span></h1>
-
-<hr class="r10" />
-
-<p class="s3 center mbot3">AUS DEM SPANISCHEN<br />
-<span class="s6">DES VERFASSERS DER DONNA RUFINA.</span></p>
-
-<hr class="double" />
-
-<p class="center"><i>W<span class="g">i</span><span class="g">e</span><span class="g">n</span></i>,</p>
-
-<p class="center">gedruckt und verlegt von Ignaz Alberti.</p>
-
-<p class="center">1<span class="g">7</span><span class="g">9</span><span class="g">1</span>.</p>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s2 center padtop3">Inhalt.</p>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis">
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="s5 vat tdr">
- Seite
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- DIE HARPYEN VON MADRIT.
- </td>
- <td class="vab padleft3 tdr">
- <a href="#Seite_3">3</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- ERSTE SPAZIERFAHRT.
- </td>
- <td class="vab padleft3 tdr">
- <a href="#ERSTE_SPAZIERFAHRT">37</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- ZWEYTE SPAZIERFAHRT.
- </td>
- <td class="vab padleft3 tdr">
- <a href="#ZWEYTE_SPAZIERFAHRT">93</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- DRITTE SPAZIERFAHRT.
- </td>
- <td class="vab padleft3 tdr">
- <a href="#DRITTE_SPAZIERFAHRT">140</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- VIERTE SPAZIERFAHRT.
- </td>
- <td class="vab padleft3 tdr">
- <a href="#VIERTE_SPAZIERFAHRT">160</a>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<hr class="full" />
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span></p>
-
-<h2 class="noshow">DIE HARPYEN VON MADRIT</h2>
-
-</div>
-
-<p class="s2 center"><span class="s6"><i>DIE</i></span><br />
-<i>H<span class="g">A</span><span class="g">R</span><span class="g">P</span><span class="g">Y</span><span class="g">E</span><span class="g">N</span></i><br />
-<span class="s6"><i>VON</i><br />
-<i>M<span class="g">A</span><span class="g">D</span><span class="g">R</span><span class="g">I</span><span class="g">T</span><span class="g">,</span></i><br />
-<i>ODER</i></span><br />
-<span class="s5"><i>DIE POSTKUTSCHE.</i></span></p>
-
-<hr class="r20" />
-
-<p class="p0"><span class="initial">S</span>evilla, eine alte Stadt in Spanien, die Hauptstadt Andalusiens, die
-Schatzkammer der Reichthümer im südlichen Indien, die Vaterstadt
-der edelsten und erlauchtesten Familien, erzeugte auch zwey schöne
-Schwestern. Ihr Vater hatte in einer indischen Expedition sein Leben
-eingebüßt, und so lebten sie denn als arme, verlassene Waisen in
-Gesellschaft ihrer Mutter, die sich als Wittwe kümmerlich behalf;
-denn sie hatte mit ihrem Manne zu Ha<span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span>vana zugleich all ihr Vermögen
-verloren. Ihre letzte Hoffnung bestand in einigen kleinen Schulden,
-die sie in Sevilla stehen hatte, und die ihr nun heraus bezahlt werden
-sollten. Es gelang ihr auch nach Wunsche, und sie beschloß, ihren
-Wohnsitz, und ihre Lebensart zu ändern, und zwar bevor sich das Gerücht
-vom Tod’ ihres Gemahls weiter verbreitet haben würde. Sie konnte noch
-nicht mit sich selbst überein kommen, ob sie Granada oder Cordova
-vorziehen sollte; und mitten in dieser Verwirrung trat eine ihrer
-ältesten Freundinnen zur Thür herein, der sie auch alsobald ihren
-Entschluß sammt den Schwierigkeiten, die sich fänden, vortrug. Das
-Mütterchen hatte manches in der Welt erfahren, und sprach der ehrlichen
-Frau bald Muth ein.</p>
-
-<p>„Liebe Theodore,“ sagte sie (so hieß unsre Wittwe), „es freut mich, daß
-Sie mir so treuherzig begegnet; und ich &mdash; dabey nahm sie eine tüchtige
-Prise Spaniol &mdash; und ich will eben so unbefangen reden; denn ich habe
-manche Schule durchlaufen, und habe Sie herzlich lieb. Wenn Sie<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> eine
-Reise machen will, so fahre Sie nicht auf dem Teich’ auf und nieder;
-man kommt nicht weit. Granada und Cordova sind schon breite Ströme, auf
-denen sich eine schöne Spazierfahrt machen, und nebenbey ein tüchtiger
-Hecht an die Angel kriegen läßt. Sie wimmeln von Kaufleuten, Notarien;
-sie haben alle Edelleute und vermögliche Bürger; aber was sind sie
-wohl gegen Madrit, gegen die Residenz des Hofes? &mdash; Ein Dorf. Was
-sag’ ich ein Dorf? &mdash; Eine elende Bauernhütte. Madrit ist ein großes
-Meer, auf dem der Kahn, wie das Kriegsschiff, fortkommt, und auch ein
-kleines Boot nicht zurück bleibt. Alle Fremden versammeln sich dort;
-wer sich verstecken will, findet dort seinen Schlupfwinkel; es ist so
-groß, so belebt; mit einem Worte: wer sein Glück machen, wer aus dem
-Staube kriechen will, muß dort anfangen. Wie manche niedere Abkunft
-ist dort umgekauft worden, und hat für altes adeliges Geblüt gegolten!
-Alle Wunder und Verwandlungen geschehen dort. O Theodore, du hast ja
-gewonnen Spiel! Der Himmel hat dir so hübsche<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> Dingerchen zu Töchtern
-gegeben. Wären sie mein, die lieben Närrchen; jede sollte mir so viel
-Ausbeute liefern, als eine Goldgrube in Indien.“</p>
-
-<p>„Ich hatte nur eine Nichte, mit der ich nach Madrit ging. Sie hatte
-nichts, als ein Paar schwarze Augen, und eine angenehme Stimme; aber
-ein gelehriges Köpfchen hatte sie, das sich in all und jedem nach mir
-richtete. Dafür ging auch alles wie am Schnürchen. Was gab es da nicht
-für Dublonen, für Gallakleider, für Perlen, für Schmuck? Wo war ein
-Fest, dem wir nicht beygewohnt hatten? Kurzum, sie war der Abendstern,
-der in Madrit schimmerte wir hatten alles in Überfluß, und hätten es
-noch, wenn sich die Hexe nicht Narrheiten in den Kopf gesetzt hätte.
-Da vergaffte sie sich in einen Hauptmann, der sie und mich ins Unglück
-stürzte. Gott verzeih’ ihm die Sünde, dem garstigen Kerl! Zuerst
-schwatzte er uns alles ab, was wir zusammen gebracht hatten, und am
-Ende kostete er sie gar ihr junges Leben. So ein Mädchen, das sein
-Glück in der Residenz machen will, muß gar nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span> verliebt werden. Wenn
-nun erst du mit deinen zwey bildschönen Mädchen nach Madrit kommst, was
-kannst du dir erst versprechen? Was können sie nicht mit ihren übrigen
-angenehmen Eigenschaften für Glück machen? &mdash; Der ganze junge reiche
-Adel wird dir nachlaufen. Je mehr ihr diesen Herrchen schmeichelt,
-desto untertäniger werden sie vor euch herum kriechen. Könnt’ ich dir
-Gesellschaft leisten, du würdest sehen, wie gut ich dir immer mit
-Rath und That an die Hand gehen würde. Ich hab’ aber schon über zwey
-Drittheile meines Lebens verlebt, und bereite mich nun in der Stille
-zu einem seligen Ende. Dafür will ich dir aber einen ausführlichen
-Unterricht niederkritzeln, und wie eine kleine Hausapotheke mitgeben,
-in der du alles finden wirst, was Zeit und Umstände fordern.“</p>
-
-<p>Die gute Alte weinte noch einige Thränen, und nahm von ihrer Freundinn,
-die sie nun vor ihrer Zusammenkunft in Elysium nicht mehr zu sehen
-Hoffnung hatte, den zärtlichsten Abschied. Sie hielt auch Wort, und
-schickte den kleinen Entwurf, von<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> dem wir eben gehört haben, und
-der Theodoren in der Folge wirklich manche gute Dienste that. Die
-Reisegesellschaft bestellte sofort ihre Plätze auf dem Postwagen von
-Sevilla, versah sich mit einer ansehnlichen Guarderobe, und fuhr
-fröhlich nach Madrit ab.</p>
-
-<p>Indeß wir sie hinfahren lassen, ist es billig, daß wir die zwey
-Töchter Theodorens, die doch eigentlich unsere Hauptheldinnen sind,
-näher kennen lernen. Die ältere &mdash; Feliciane hieß sie &mdash; war zwischen
-achtzehn und neunzehn Jahren; ihr Antlitz war nach dem schönsten
-Ebenmaße geformt; sie hatte schwarze Haare, pechschwarze Augen, schön
-geschlitzte Nasenlöcher, einen reitzenden kleinen Mund, frische
-lüsterne Lippen, und kleine, enge, schneeweiße Zähne. Ihre Wangen
-hatten, ohne das, was die Kunst hinzu that, eine gesunde Röthe; ihr
-Blick war mild, und ihre Stimme war der feinste Silberton. Diese hatte
-sie auch nicht ganz ungebildet gelassen; sondern ein Musikmeister hatte
-sie so weit gebracht, daß sie zur Harfe oder Guitarre verschiedene
-Lieder so schmelzend<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> singen konnte, daß es Wunder wirkte. Dabey war
-sie die reitzendste, leichteste Tänzerinn, die man sich vorstellen
-kann; man hätt’ ihr stundenlange zusehen können.</p>
-
-<p>Die andere Schwester, welche Louise hieß, war nun ein Jahr jünger als
-Feliciane; sie war ein wenig brunetter, hatte hell funkelnde Augen,
-die wie Blitze wirkten. Nase, Mund und Zähne waren ein wenig kleiner,
-als die ihrer Schwester, aber sie verloren nichts dadurch, sondern
-gewannen vielmehr einen eigenthümlichen Reitz. Sie war nicht so schlank
-aufgeschossen, aber dafür war sie lieblich, rund und kernicht. Sie
-tanzte und spielte auch die beyden Instrumente ein wenig besser, als
-ihre Schwester; wenn sie aber beyde spielten, war man in Verlegenheit,
-welcher man den Vorzug geben sollte.</p>
-
-<p>Mit diesen zwey Töchtern steuerte nun Theodore fort, wie ein Corsar,
-der mit einem festen Schiff’, und zwey Kanonen, denen nichts
-widerstehen kann, vom Lande stößt.</p>
-
-<p>Der Mutter lachte das Herz vor Freuden, wenn sie die zwey Lämmchen,
-die<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> sie zum Schlachtaltare führte, so allerliebst vor sich sitzen sah,
-und schmiedete nun unablässig an Planen, die sogleich auf die Bahne
-gebracht werden sollten.</p>
-
-<p>Von Felicianen wußte man weiter keine Narrheit, die sie begangen hätte,
-als einige kleine Begünstigungen, die sie dem artigen Tanzmeister
-für seine Mühe mit Anstand nicht wohl abschlagen konnte. Ihre Mutter
-drückte ein Auge zu, da es nun schon vorbey war; dafür schärfte sie
-ihr aber nun Standhaftigkeit und Widersetzlichkeit ein, und hoffte
-von Louisen, sie würde ihre Erstlinge so reichlich an Mann bringen,
-daß damit beyde bezahlt wären, wie ein Vogelkrämer manchmahl ein Paar
-Rebhühner theuer verkauft, weil das eine um desto fetter ist, als das
-andere.</p>
-
-<p>Nun blieb Theodoren nichts mehr übrig, als daß sie ihren Töchtern
-Nahmen gab, und sich selbst einen anständigen beylegte; denn diese
-Vorsicht hatte ihr die Alte als höchst wichtig eingebunden. Da es
-nun schon einerley war, welchen sie wählte, beschloß sie sich in die
-vornehmsten Fa<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span>milien des Königreichs einzulügen. Sie nannte daher ihre
-älteste Donna Feliciana von Toledo; für die zweyte zog sie den Nahmen
-aus dem Hause Alba mit Haaren herbey, und sich selbst nannte sie mit
-Erlaubniß des Herzogs Donna Theodora von Cordona. Mit diesen prächtigen
-und wohlfeilen Nahmen geziert, erreichte die Gesellschaft das Stadtthor
-von Toledo. Sie packte nun ihre zwey Fräulein und ihr weniges Geräth
-ab; denn sie hatte fast alles zu barem Gelde gemacht, weil sie sich
-dann in Madrit ganz neu einrichten wollte.</p>
-
-<p>Sie brachten die Nacht ziemlich unbequem zu, und bezogen den nächsten
-Morgen eine ansehnliche Wohnung in der Degenstraße. In demselben wohnte
-ein alter Cavallero, der in der Erwartung einer Seneschallstelle für
-die Dienste, die er Seiner Majestät geleistet hatte, hier schon ein
-ganzes Jahr zubrachte. Es plagte ihn mit unter manchmahl die lange
-Weile, und er war denn sehr zufrieden, so artige Nachbarinnen zu
-erhalten. Er war auch ohne Verzug so höflich, sich ihnen zu allem,<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span> was
-sie befehlen würden, anzutragen. Sie dankten ihm für diese besondere
-Gefälligkeit, da sie nun weiter in keiner Verlegenheit wären, als wie
-sie einen anderen Miethwagen bestellen könnten, der sie den folgenden
-Tag nach Madrit brächte. Der Cavallero nahm auch sogleich dieß Geschäft
-über sich, und sie fuhren in seinem eigenen Wagen nach Madrit ab.</p>
-
-<p>Der Kutscher führte sie durch die Straße de la Merced in die
-Tolederstraße, von da kamen sie ans Thor von Quadalaxara, und in die
-Goldschmidgasse<a name="FNAnker_A_1" id="FNAnker_A_1"></a><a href="#Fussnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>, und endlich auf die allberühmte große Straße
-(<i>calle mayor</i>). Da besann sich Theodore, daß diese Straße die Rennbahn
-sey, von der sie nun auf einem Chariot (<i>Galera</i>) auslaufen müßte, um
-ihr Seeräuberhandwerk zu treiben. Ohne lange zu berathschlagen, hielt
-sie so wohl nach ihrem eignen Urtheile, als nach den weisen Ermahnungen
-ihrer alten Freundinn, dafür, daß die Gegend um St. Sebastian von
-der<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span> Madriter Jugend am häufigsten besucht werde, theils weil hier
-das Theater wäre, theils weil diese Gegend, wie ihr der Kutscher zu
-ihrem größten Ärgernisse sagte, hierum manche Damen von zweydeutigem
-Gelichter bewohnten. Theodore ging über diesen Umstand hinaus, und
-beschloß, ihren Wohnsitz nicht weit von hier aufzuschlagen. Da sie aber
-dem Kutscher keinen Argwohn geben wollte, hieß sie ihn noch ein wenig
-weiter fortfahren, und so kamen sie durch die Hieronymusstraße in die
-Fürstenstraße. Als sie beyläufig in der Mitte derselben seyn mochten,
-sahen sie auf einem ganz artigen Hause einen Anschlagzettel an der Thür
-kleben. Theodore ließ anhalten, und las, daß ein geräumiges Gelaß zu
-vermiethen sey. Sie ließ den Wagen an das Haus fahren, und fragte, in
-welchem Stockwerke das Gelaß sey. Man sagte ihr, daß es zu ebner Erde,
-nur einige Stufen von der Hausthür, kurz, gerade so wäre, wie sie es
-nach ihrem löblichen Plane wünschen könnte. Sie ward denn mit der Magd,
-einem alten verdächtigen Figürchen, das ihnen<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> die Wohnung gezeigt
-hatte, sogleich über den Preis einig, und ließ sich die Schlüssel geben.</p>
-
-<p>Sie gingen ins erste Gemach, und fanden eine ältliche Wittwe auf
-einem kleinen Polsterstuhle sitzen, die einen langen Rosenkranz in
-der Hand hielt, und eben ihre Abendstunden bethete. Sie saß ganz
-gravitätisch da, und ein Paar große Augengläser, die sie unter dem
-kleinen Häubchen fest gemacht hatte, gaben ihr ein noch ehrwürdigeres
-Ansehen. Sie stand sogleich auf, als sie Fremde kommen sah, und grüßte
-sie mit vieler Höflichkeit; als sie aber erst die zwey Mädchen näher
-erblickte, umarmte sie beyde mit einem lauten Jubel, und schrie:
-„So schöne Engelchen sollen wir ins Haus kriegen? Das ist ja gar
-allerliebst! Wollen Sie wirklich bey mir wohnen? &mdash; Nu, das freut mich
-herzinniglich. Sie können unmöglich von Madrit seyn; denn sonst müßt’
-ich ja längst von so schönen Gesichtern gehört haben.“</p>
-
-<p>Theodore antwortete, daß sie gar nicht irre, und daß sie gerade aus
-Mexico in Neu-Spanien kämen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span></p>
-
-<p>„Dacht’ ichs nicht gleich,“ sagte die Alte, indeß sie den langen
-Rosenkranz in die Tasche schob, und die Augengläser abnahm &mdash; „dacht’
-ichs nicht gleich, daß sie aus einem andern Welttheile kommen, die
-Schätzchen? Ich bitte, setzen Sie sich; meine Töchter schlafen noch
-sorgenlos; das junge Völkchen schläft immer gern.“</p>
-
-<p>Die drey Mexicanerinnen gehorchten, und begannen über den Preis des
-Gelasses zu sprechen. Das Mütterchen erklärte ihnen sofort, daß das
-Haus nicht ihr gehöre; daß sie aber fünf Monathe befugt wäre, die
-leeren Wohnungen zu vermiethen; eigentlich gehöre das Gelaß einer ihrer
-Freundinnen, die sich nur auf eine kurze Zeit aus der Residenz entfernt
-hätte; indessen wolle sie sie doch bald zufrieden stellen, und mit
-dem Hausherrn sprechen, der ein friedliebender reicher Ritter wäre,
-der sich gern gegen jedermann gefällig bewiese. Sie sagte ihnen auch
-gleich, wie weit sie sich einlassen dürften. Sie kamen auch wirklich
-überein, gaben sich den gewöhnlichen Handschlag zum Zeichen, und nun
-traten aus einem Nebensaale zwey<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> Damen, beyläufig von demselben
-Alter, und beynahe eben so schön, als unsre Heldinnen. Sie waren erst
-zur Hälfte gekleidet, in reinen weißleinenen Überröcken, und kleinen
-Mützchen von grüner Seide, die ihnen gar lieblich ließen. Die Haare
-waren aufgelöst, und schwammen großen Theils um die Schultern. Sie
-waren über die schönen Mexicanerinnen beynahe betroffen, grüßten sie
-aber doch ungemein artig; und als sie gar hörten, daß sie bey ihnen
-unter einem Dache wohnen würden, bezeugten sie außerordentliche Freude
-darüber. Indessen muthmaßten beyde wechselseitig wohl, mit wem sie die
-Ehre zu sprechen hätten, obschon sie sichs nicht im geringsten abmerken
-ließen. Donna Theodora von Cordona bewunderte noch die geschmackvolle
-Einrichtung von Stephaniens, des alten Mütterchens, Wohnung, und
-beschloß, ihr Gelaß eben so einrichten zu lassen.</p>
-
-<p>So hätten wir denn nun unsre schönen Sevillanerinnen glücklich nach
-Madrit gebracht, hätten sie mit Wohnung versehen, hätten die Wohnung
-mit einem an<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span>sehnlichen Sümmchen eingerichtet; sie hätten sittsame
-Bettgardinen, Fußteppiche, weiche Stühle, einen bequemen Sopha, und ein
-Paar Putztische. Nun fehlt denn nichts mehr, als eine Gelegenheit, den
-ersten Tritt mit Anstand’ und Aufsehen in die große Welt zu thun, und
-in diesem Meere, wie sich die Alte zu Sevilla ausgedrückt hatte, den
-ersten Pfundhecht zu angeln.</p>
-
-<p>Zum Glücke fiel ein Festtag im Dreyfaltigkeitskloster vor, dessen
-Kirche alles zu besuchen pflegte, was Schimmerndes und Artiges am Hofe
-lebte. Zu diesem Feste nun führte sie Donna Stephanie, und um es ihnen
-bequemer zu machen, miethete sie einen von den bekanntesten Wagen, die
-sonst immer ihre Töchter zu haben pflegten. Feliciane und Louise hatten
-schon zwey gewöhnliche Kleider genommen, erkundigten sich aber noch
-glücklich vor der Abfahrt bey ihren Nachbarinnen, wie sie sich putzen,
-und überhaupt benehmen müßten; und da sie schöner waren, als diese,
-hatten sie nun durch den treulichen Unterricht, den sie erhielten,<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span>
-viel vor den andern voraus. Sie kamen denn zum Feste, und da um das
-Kloster ein Umgang gehalten wurde, nahmen sie ihren Platz bey einem der
-vier Altäre, die in den vier Ecken standen. Hier mußte alles bey ihnen
-vorüber, und allem, was in Galla war, standen sie gerade im Gesichte.
-Unter den vielen Edelleuten, die nun vorüber gingen, kamen auch vier &mdash;
-aus Cordova waren sie &mdash; die das Antlitz der zwey schönen Schwestern
-sehen konnten; denn sie hatten, als diese vorüber gingen, die Schleyer
-gelüftet.</p>
-
-<p>Unter ihnen war Don Fernando Antonio, ein rascher Jüngling von fünf
-und zwanzig Jahren, schön gebildet, und seit einigen Monathen Herr
-von zwey Majoratgütern, die ihm jährlich ein beyläufiges Sümmchen
-von vierzehn tausend Ducaten abwerfen mochten. Er lebte nun am Hofe
-vollauf, und bezahlte für die drey anderen, die ihn begleiteten. Als
-sie nun zu den Sevillanerinnen kamen, banden sie bald ein Gespräch mit
-ihnen an, und Donna Louisa von Alba sprach so sanft, so launig, so
-schmelzend, so fein, daß Don<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> Fernandos Liebeszunder Feuer fing. Sein
-Herz war fort, wie die Taube aus dem Schlage; er hätte gern unablässig
-geplaudert; aber er mußte ihr aus Artigkeit Raum lassen, den Umgang zu
-sehen, und als dieser vorüber war, nahm er mit höchstem Widerwillen
-Abschied; denn gern wär’ er diesem andalusischen Engel nimmer von der
-Seite gewichen. Die schlaue Theodore merkte den Spuk sogleich, mengte
-sich ins Gespräch, fragte ihn, mit wem sie zu reden die Ehre hätte,
-und gab ihrer Tochter einen sprechenden Wink, die Beute ja nicht
-fahren zu lassen. Die Damen gingen zur Kutsche, und fuhren nach dem
-Prado, von dem sie spät zurück kamen; denn alles, was am Hofe glänzte,
-hatte sich dort versammelt. Auch Don Fernando fand sich ein. Er
-erkannte den Wagen, in dem die schöne Zauberinn mit ihren Freundinnen
-fuhr, und sprang flink an den Schlag, um im Anschauen seiner Louise
-vollends ein Narr zu werden. Die Dämmerung brach immer stärker ein.
-Der Wohlstand forderte, daß er sich entfernte, indessen beschloß er
-doch nicht eher nach Hause zu gehen,<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span> bis er ihr den ersten Besuch
-abgestattet hätte. Er nahm denn einen von den drey Freunden zu sich,
-der ihn begleiten sollte, und nun strichen sie, wie verlorne Schafe,
-immer vor der Wohnung auf und nieder, bis seine Schöne ans Fenster kam,
-und ihn einzutreten ersuchte. Das ließ er sich nicht zwey Mahl sagen;
-er ward von Mutter und Tochter mit besonderer Artigkeit empfangen;
-das Gespräch währte mit größter Lebhaftigkeit von beyden Seiten, so
-lang’ er nur immer mit Ehren bleiben konnte, und er schied endlich
-nur, nachdem er die Erlaubniß erhalten hatte, sich den nächsten Tag
-wieder einzustellen. Er kam nun immer öfter; man begegnete ihm immer
-mit Höflichkeit, aber auch immer mit mehr Zurückhaltung, je näher er
-trat. Das konnt’ er in die Länge nicht aushalten, und er beschloß, sich
-der Mutter zu erklären. Er beschwor sie, ihr Vorwort bey dem Herzen
-ihrer Tochter einzulegen, und ihn nicht länger wie einen Fisch ohne
-Wasser schmachten zu lassen. Er vermaß sich hoch, daß seine Liebe wie
-die hellste Wachsfackel brenne, und daß er<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span> in seinem eignen Feuer
-aufgehen müsse, wenn sie ihn nicht bald lösche, und dergleichen andere
-auserlesene Floskeln mehr. Die schlaue Theodore lächelte, und hörte den
-Strom seines Herzensgusses recht gern fortrauschen.</p>
-
-<p>„Don Fernando,“ sagte sie endlich, „ich bin zu sehr Mutter, und denke,
-ob es mir gleich vielleicht nicht zusteht, zu vortheilhaft von meinen
-Kindern, als daß ich mich zu sehr wundern sollte, daß Ihnen das Mädchen
-gefallen hat. Sie sind aber &mdash; nehmen sie mirs doch immerhin nicht
-übel, Don Fernando &mdash; Sie sind wie alle junge Herren mit dem ersten
-Blicke verliebt geworden, und haben vielleicht noch gar nicht erwogen,
-wer der Gegenstand sey, in den sie sich vergafft haben. Sie haben sich
-vermuthlich in der Person getäuscht, und ich bekenne, daß ich selbst
-es bin, die dieses Mißverständniß veranlaßt hat. Ich bin, &mdash; obschon
-ich Ihren Stand und Charakter nicht im mindesten betasten will &mdash;
-ich bin für ein Frauenzimmer, für eine Fremde, für eine Mutter mit
-meiner Einladung zu rasch gewesen. Ich hatte ei<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span>gentlich aus langer
-Weile gewünscht, bald einige anständige Bekanntschaften zu machen.
-Ich muß Ihnen denn sagen, daß Louise und Feliciane die Töchter eines
-sehr angesehenen Cavaliers aus Mexico sind, der sein Vermögen und sein
-Leben auf einer Reise über Meer eingebüßt hat, so daß wir nun von
-einem Gnadengehalte leben. Sie sehen denn, daß ich Ihnen nur darum den
-Zutritt gestattet habe, weil man am Hofe gern gesellschaftlich lebt.
-Ich zweifle an der Aufrichtigkeit Ihrer Erklärung nicht; aber wenn Ihre
-Absichten wirklich ernsthaft, das heißt, auf eine Verbindung gerichtet
-sind, so müssen Sie sich mir deutlicher erklären, wie ich mich Ihnen
-erklärt habe.“ Über diese letzte Erklärung war Don Fernando ein wenig
-betreten: ein Heirathsanschlag war ganz und gar nicht in seinem Plane
-gewesen, und sein Feuer war für den Augenblick wirklich ein wenig
-zurück geblasen. Er faßte sich aber schnell, und antwortete: „Donna
-Theodora, ich war um keine weitere Auskunft Ihres Standes verlegen; die
-ehrwürdige Gegenwart Ihrer selbst,<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> und Ihrer liebenswürdigen Töchter
-war mir genug. Ich zweifle an keinem Ihrer Worte; aber meine Absicht
-war nur &mdash; ich muß es als Ehrenmann unverhohlen gestehen &mdash; Donna
-Louisa zu dienen, und wünschte für meine aufrichtigen Dienste die Bande
-der Liebe, &mdash; nicht der Ehe zur Belohnung.“</p>
-
-<p>„Don Fernando,“ wollt’ ihm die Mutter in die Rede fallen &mdash;</p>
-
-<p>„Erlauben Sie,“ fuhr er fort: „ich scheue diesen engen Knoten, und
-hab’ ihn mir in meinem Plan’ in eine ziemlich weite Entfernung hinaus
-gesetzt, obschon ich mich dann dazu bequemen werde, um doch einen
-Erben meines Vermögens, das nicht unansehnlich ist, zu haben. Ich bin
-Edelmann, und kann schweigen; Sie können vollkommen auf mich bauen, daß
-Donna Louise durch meine Neigung zu ihr, und durch die Begünstigung
-meiner Liebe nichts von ihrem guten Nahmen verlieren wird. Mit einem
-Wort’, ich liebe sie unaussprechlich, und bin bereit, alles für sie zu
-thun, was mir meine Liebe gebeut, und was mir Klugheit gestattet.“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span></p>
-
-<p>Donna Theodora stutzte nicht wenig schon beym ersten Anpochen die Thür
-der Ehe verschlossen zu finden, das war ein starker Streich, und sie
-war in den tieferen Geheimnissen ihrer Kunst noch zu sehr Schülerinn,
-als daß er sie nicht hätte betäuben, und von jedem ferneren Versuche
-zurück schrecken sollen. Sie merkte zugleich auch zu deutlich, daß
-Fernando festes Fußes zu Werke gehe, als daß sie auf Wankelmuth oder
-Übergewicht der Leidenschaft hätte rechnen sollen. Sie hätte doch gern
-geantwortet, und wußte nicht, wo sie eigentlich einlenken sollte. Sie
-suchte denn lange herum, bis sie ein Wort fand, und sagte endlich:
-„Bester Don Fernando, ich muß Ihnen nur aufrichtig gestehen, daß ich
-mir im Herzen selbst nichts anders vorgestellt habe, als daß Louise
-ungeachtet all’ meiner Vorstellungen sich am Ende doch von ihrer
-Leidenschaft würde hinreissen lassen. O Gott, wer kann ein Mädchen
-hüthen? &mdash; wenn Sie mir ihr Wort geben, mich nicht zu verrathen, so“ &mdash;</p>
-
-<p>„O ich bitte, reden sie,“ sagte Fernando.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span></p>
-
-<p>„Louise hat ihr armes Herzchen an Sie schon eingebüßt. Was wir das
-Mädchen nun peinigen und aufziehen!“ &mdash;</p>
-
-<p>Fernando wußte wohl, wie er diese Antwort aufzunehmen habe, und war
-innigst vergnügt, daß er die Sache so glücklich zu Ende gebracht hätte.
-Er war nun der glücklichste Mensch von der Welt, nahm Theodoren bey
-beyden Händen, und schwor ihr, daß er sich gewiß dankbar bezeugen
-werde. Er gab ihr auch zum Anfange eine Kette von zweyhundert Thalern
-am Werthe, die er am Halse trug. Er hing sie der Alten um den
-ihrigen, und führte sie zu den zwey Schwestern hinüber, deren jeder
-er einen Ring von eben so großem Werthe gab. Er stand auch nicht
-länger an, seinen Platz bey Louisen einzunehmen. Ein bedeutender Wink
-der Mutter, und der kostbare Ring machten das schöne Mädchen zur
-zahmsten Taube. Sie brachten den Tag vergnügt zu, und den nächsten
-frühen Morgen schickte er ihr eine reiche Bettdecke, eine Art von
-Galanterie, die einzig in ihrer Art ist. Dieß Geschenk schickte er
-durch seinen Haus<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span>hofmeister, der auch Theodoren eine kleine Rolle
-von funfzig Escudos in Golde überreichen mußte. Das war ein Jubel und
-ein Frohlocken im Hause! &mdash; Theodore dankte dem alten Mütterchen von
-Sevilla tausend Mahl, und wünschte ihr für die guten Lehren, die sie
-ihr vor ihrer Abreise gegeben hatte, ein seliges Ende zur Belohnung.</p>
-
-<p>Es versteht sich von selbst, daß er seine Wohlthaten nicht an Louisen
-allein verschwendete, sondern auch Mutter und Schwester wie Igel
-an ihm sogen. Er ward immer verliebter, und stellte sich beynahe
-mit jedem Tage herrlicher ein; es war nun kein Spectakel, daß diese
-liebenswürdige Familie nicht zuerst gesehen, keine Mode, die sie
-nicht unter den ersten getragen hätte. Er hatte zwey Wagen, und der
-weniger bekannte, an den vier rasche Rappen gespannt waren, stand ihnen
-vollkommen zu Befehle. Sie fuhren auch bald die eine, bald die andere,
-den ganzen Tag, Straß’ auf, Straß’ ab.</p>
-
-<p>Man kann sich wohl leicht vorstellen, wie ihre zwey schönen
-Nachba<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span>rinnen über den schönen Fortgang ihres Glückes mochten gestutzt
-haben; indessen da sie jene von allen Leckerbissen, die Fernando’s
-Haushofmeister im Überflusse verschaffte, mit naschen, und sie
-wechselsweise an jeder Spatzierfahrt Theil nehmen ließen, gaben sie
-sich wieder zufrieden, und begnügten sich damit, daß sie sich der
-schönen Welt in einer so auffallenden Gesellschaft zeigen konnten.</p>
-
-<p>Acht Monathe verflogen so in Saus und Braus, und Don Fernando hatte in
-dieser kurzen Zeit an Schmucke, Kleidern, Freudenfesten, und so weiter
-über zwölf tausend Escudos versplittert. Während dieser Zeit hatte sich
-aber auch nicht einer gefunden, der sich um Felicianen beworben hätte;
-denn keiner wagte es, sich an des verschwenderischen Fernando Seite
-sehen zu lassen. Das war freylich ein Umstand, der sein Unangenehmes
-haben mochte, und es wär’ allerdings angenehmer gewesen, wenn sich noch
-ein zweyter schön befiederter Papagey in ihren Schlingen verfangen
-hätte: unterdessen gebrach es<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> Felicianen im Wesentlichen an nichts,
-und sie konnte sich immer mit der Hoffnung eines ähnlichen, vielleicht
-noch glücklichern Looses trösten.</p>
-
-<p>Eines Tages hatte Theodora, ihre Familie, und die zwey schönen
-Nachbarinnen beschlossen, auf den Prado, einen Spaziergang, auf dem
-auch S. Majestät Philipp der zweyte immer zu jagen pflegten, zu fahren.
-Sie hatten Don Fernando davon Part gegeben; er both sich aber nicht
-zu ihrem Begleiter an, sondern ließ ihnen nur melden, daß er ihnen
-gute Unterhaltung wünsche, daß er aber, so unlieb es ihm wäre, eines
-dringenden Geschäfts halber nicht in ihrer Gesellschaft seyn könne;
-indessen würde sie sein Haushofmeister mit allem, was sie befählen,
-versehen. Sie fuhren denn nach dem Prado, und wir wollen uns nach Don
-Fernando umsehen.</p>
-
-<p>Er hatte wirklich diesen Tag einen Contract von Wichtigkeit zu
-schließen, und seine drey Freunde waren nach Alcala zu einem
-Stiergefechte gereist. Er hatte denn den ganzen Tag über lange Weile,
-schlenderte verdrießlich die Straße auf<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> und nieder, lehnte sich unter
-die Hausthür, kam, was er sonst nie that, zur Mittagsstunde pünctlich
-nach Hause, und warf sich nach Tische auf sein Ruhebett, weil ihm
-durchaus nichts einfallen wollte, womit er sich den Unmuth verjagen
-konnte.</p>
-
-<p>Vor beyläufig zwey Jahren war Don Fernando in einem Spielhause zu
-Cordova bey einer Wette mit einem Ritter in Hader gerathen. Dieser war
-sehr entrüstet; Don Fernando hatte aber mehrere Bekannte bey sich, und
-wagte es daher, seinen Gegner über seine Hitze aufzuziehen, und ihn
-lächerlich zu machen. Der Cordovese ward noch zorniger, um desto mehr,
-da er eine Memme war, und es nicht wagte, Fernando einen Zweykampf
-anzubiethen. Er faßte denn von der Stunde einen unversöhnlichen
-Groll gegen unsern Fernando, und schwor ihm Rache, auf was immer für
-einen Weg er sie erreichen würden. Seine eigentliche Absicht war
-Meuchelmord; da aber Fernando immer in der großen Welt lebte, und immer
-wenigstens drey Bediente bey sich hatte, war all sein Auflauern immer
-ver<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span>geblich gewesen. Er war aus Verdrusse nach Portugall gegangen;
-da er aber hörte, daß sich Fernando nun zu Madrit befände, eilte er
-wieder dorthin, um seinen Plan endlich einmahl auszuführen. Um nicht
-erkannt zu werden, ließ er sich den Bart wachsen, und schloff in ein
-Pilgerkleid. Nun ließ er Fernando nimmer aus den Augen. Wie wir wissen,
-war dieser bisher keinen Tag ohne Gesellschaft gewesen; daß er es aber
-diesen Tag sey, hatte der fromme Pilger ausgespähet. Er bettelte auf
-der Straße Almosen, und ging ungehindert zu Fernando’s Hausthür hinein.</p>
-
-<p>Fernando wohnte in seinem Hause ganz allein; das Hausgesinde hatte
-gegessen, und hielt die Sieste; der Pilger konnte denn ungestört bis
-auf Fernando’s Zimmer dringen. Dieser schlummerte noch immer sanft
-fort; der Pilger schlich leise bis ans Schlafgestell, zückte den Dolch,
-tauchte ihn sechs Mahl in sein Herz, und entfloh.</p>
-
-<p>Das Hausgesinde erwachte allgemach, und ging an seine Arbeit;
-niemand ahn<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span>dete den Unglücksfall. Erst nach einigen Stunden kam der
-Haushofmeister, auf Fernando’s Zimmer, schlug die Jalousien auf, und
-sah seinen Herrn im Blute liegen. Er stand vor Schrecken wie eine
-Bildsäule da, und machte endlich Lärmen. Alles weinte und jammerte, und
-konnte nicht begreifen, wie der Mord geschehen konnte, da sie doch alle
-&mdash; fest schliefen. Ihr Schmerz war indessen nicht von langer Dauer, und
-sie faßten bald sammt und sonders den Entschluß, sich die Belohnung,
-auf die sie für ihre treuen Dienste allerdings Anspruch machen zu
-können glaubten, und die ihnen nun aus Mangel eines Testaments entgehen
-würde, selbst zu verschaffen, und dann heimlich abzuziehen, um allen
-Verdacht des Mordes von sich abzulehnen. Wie klug diese Berechnung
-gewesen sey, leuchtet so ziemlich von selbst ein. Indessen ward der
-Anschlag, dem der Herr Haushofmeister in eigener Person beytrat, an der
-Stelle ausgeführt, alle Kasten, Kisten, Kästchen und Kistchen geöffnet,
-alles, was sich an Geld’ und Geschmeide fand, nach Billigkeit getheilt,
-und je<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span>der zog nun hin, wo er sich am sichersten glaubte.</p>
-
-<p>Sie hatten sich schon nach allen Himmelstrichen begeben, als einer
-von Fernando’s Freunden ihn besuchen wollte, und gerade auf sein
-Schlafzimmer ging. Hier sah er das gräßliche Schauspiel, und schrie,
-daß alle Nachbarn zusammen liefen. Das Gericht war auch bald bey der
-Hand; man wollte ein Verhör vornehmen, aber es war niemand da, den
-man hätte verhören können; kein Bedienter war zu hören oder zu sehen,
-und die Nachbarn erklärten mit Einer Stimme, daß sie nicht eine Sylbe
-von der ganzen Sache wüßten. Es blieb nichts übrig, als daß man in
-dem andern Hause, wo er seine Pferde hatte, nachsuchte. Dort fanden
-sich auch wirklich vier Lackeyen und ein Kutscher, die aber ebenfalls
-von der Sache noch nichts gehört hatten, und auf der Madratze ruhig
-schnarchten. Dem überklugen Gerichte schien gerade dieses Schnarchen
-ein verdächtiger Umstand und eine List, durch die die Thäter den
-Verdacht von sich abzulehnen suchten. Sie wurden durch<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span>sucht, und
-in des Kutschers Tasche ein Brotmesser gefunden. Die Gerichtsperson
-erklärte, daß wider jeden, bey dem sich Waffen fänden, gegründete
-Inzüchten vorhanden wären, und folglich auch auf diejenigen, die mit
-ihm in vertraulichem Umgange betreten würden, gegründete Verdacht
-obwaltete. Kutscher und Bediente mußten denn, was sie sich auch
-sträubten, ins Gefängniß wandern. Sie läugneten standhaft, und es war
-schon nahe daran, daß sie auf die Folter gebracht werden sollten.</p>
-
-<p>Während all dieß vorging, hatten sich unsere Damen auf dem Prado
-sehr gut unterhalten, waren zurück gekehrt, und hatten dem Kutscher
-befohlen, vor Fernando’s Hause anzuhalten; die Hiobspost kam ihnen
-schon auf dem Wege entgegen; sie konnten ihr aber unmöglich glauben,
-und fuhren bis ans Haus. Der Kutscher, der ein Sclave war, brachte
-ihnen die Bestätigung des Unglücks; und da er diesen Augenblick
-benutzen wollte, um sich in Freyheit zu setzen, lief er hastig davon,
-und ließ sie allein stehen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span></p>
-
-<p>Theodora, die sich in jedem Schicksale männlich zu fassen wußte, und
-die daher in ihrem Leben selten noch in Verlegenheit gekommen war,
-wußte sich auch hier gleich Rath zu schaffen. Sie bezahlte den ersten
-Vorübergehenden, daß er den Wagen in die nächste Remise führte, deren
-Inhaber sie wieder reichlich bezahlte, damit er den Wagen niemanden,
-wer es auch immer seyn möchte, ausfolgen ließe. Nun erst eilte sie mit
-ihren Töchtern nach Hause, wo sie wie die Wölfe in der Wüste heulten,
-und sich ihre schönen Haare ausgerauft haben würden, wenn sie nicht
-der Gedanke eines unordentlichen Kopfputzes abgehalten hätte. Indessen
-weinten sie bitterlich, und waren erst nach drey bis vier Stunden
-wieder zu lachen im Stande.</p>
-
-<p>Theodora konnte doch die ganze Nacht kein Auge zuthun; denn sie dachte
-unablässig, wie sie den Wagen mit den vier schönen Rappen in Sicherheit
-bringen könnte. Sie ließ ihn auch mit Tages Anbruche von Madrit nach
-Illescas führen, wo er verborgen bleiben sollte. Denselben Tag<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span> stellte
-sich das Gericht auch bey unsern Sevillanerinnen ein, und verlangte
-ihre Aussage. Da es aber nicht das mindeste Anzeichen fand, zog es
-wieder in Frieden ab. Theodora fand nun nöthig, einen weiblichen
-Staatsrath zu versammeln; ihre Töchter, und ihre schönen Nachbarinnen
-setzten sich in einem Zirkel; Theodora räusperte sich, und hielt ihnen
-folgende Rede.</p>
-
-<p>„Meine Damen,“ sagte sie, „bey dem Lebensplane, den wir uns
-vorgezeichnet haben, ist uns nichts nöthiger, als daß wir uns mit
-Würde benehmen, damit uns die dreisten Herren Männer nicht auf die
-Ferse treten. Wir müssen sie durch unser Benehmen, wie durch eine Art
-von Zauberspiele, anzulocken, aber auch zu körnen wissen, so, daß
-sie die Schranken nie überschreiten können. Jeder Mann ist bey dem
-geringsten Anlasse zudringlich, und ein zudringlicher Mann erkaltet
-sehr geschwinde, wenn wir ihn nicht standhaft in den gehörigen Abstand
-zurück weisen. Alles, worauf er Anspruch zu machen hat, muß ihm nur
-als der höchste Grad<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span> freywilliger Begünstigung gewährt werden. Diese
-goldene Regel habt ja immer gegenwärtig, meine Kinder, und vergeßt sie
-auch dann nicht, wenn ich todt bin, und nur von oben herab auf euch
-sehen kann. Der Weg, den wir mit so vielem Glücke begonnen haben, ist
-uns durch den Tod des edlen Fernando auf ein Mahl abgeschnitten, und
-wir müssen nun einen neuen einschlagen. Der arme Fernando! Wir hätten
-noch drey Jahre von seinem Vermögen leben können; aber der Himmel hat
-es nicht gewollt, und seine Rathschlüsse sind nicht zu ergründen.
-Nun müssen wir vorzüglich den Wagen, der uns von ihm geblieben ist,
-zu erhalten suchen; denn in einem Wagen kommt man auf jedem Wege
-geschwinder fort: versteht ihr mich? Im Häuslichen mag es immer hier
-kleinlich hergehen; der Wagen macht alles wieder gut. Mein Rath ist
-denn, daß ihr eine um die andere in demselben eine Spazierfahrt macht,
-und wie die Freybeuter irgend einen wackern Kriegsmann anzuwerben
-sucht. Unser Wagen muß nun eine Postkutsche seyn, in der auf jeder
-Sta<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span>tion ein anderer Reisender fährt. Feliciane mag den ersten Versuch
-machen.“</p>
-
-<p class="mbot2">Alle fanden den Vorschlag der weisen Theodora vortrefflich; sie
-theilten die Stadt ordentlich unter sich in bestimmte Bezirke ein, und
-Feliciane machte sich reisefertig.</p>
-
-<div class="footnotes">
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_A_1" id="Fussnote_A_1"></a><a href="#FNAnker_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Plateria.</p></div>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="spaced" id="ERSTE_SPAZIERFAHRT">ERSTE SPAZIERFAHRT.</h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="initial">F</span>eliciane kleidete sich nun, wie sichs zu einer so wichtigen
-Unternehmung ziemte, wobey ihr das übrige Frauenzimmer unter tausend
-lustigen Anmerkungen hülfreiche Hand both. Ihr Kleid, das auch nicht
-den kleinsten Reitz ihres Wuchses dem Aug’ entgehen ließ, war vom
-grünem Atlasse, und sehr einfach gemacht. Ihr schwarzes Haar, das nur
-mit einem Bande von derselben Farbe durchflochten war, blieb in schöner
-Unordnung, und schien von der Natur gelockt. Sie gefiel sich, wie sie
-da vor dem Spiegel saß, so gut, daß sie beynahe an sich selbst die
-erste Er<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span>oberung gemacht hätte. Nun war sie fertig, und sprang mit so
-leichtem Blute in den Wagen, als wohl noch nie in weiblichen Adern
-getanzt hatte. Sie war ihres glücklichen Erfolges beynahe gewiß, und
-nahm denn die Glückwünsche, die ihr die Fächer ihrer Gesellschaft noch
-aus dem Fenster zuwinkten, nur als Ceremonie auf.</p>
-
-<p>Sie fuhr auch nicht so ganz auf blindes Glück fort, sondern hatte schon
-ihr Augenmerk auf einen tüchtigen Fang gerichtet, den sie an die Angel
-kriegen wollte. Es war ein reicher Mailänder, der sich seit kurzer
-Zeit am Hof’ aufhielt, und eine Summe von mehr als funfzig tausend
-Ducaten zu empfangen hatte, die ihm nach dem Tode eines Vetters, der
-keine Kinder hinterlassen hatte, zugefallen war. Er trieb eigentlich
-ein Kaufmannsgeschäft, und war übrigens gerade der Mann, von dem man
-erwarten konnte, daß es ihm nicht sauer werden würde, die Erbschaft
-eben so leicht wieder los zu werden, als er sie gemacht hatte. Horazio,
-so hieß er, war beyläufig zwey und zwanzig Jahre alt, hatte eine
-einnehmende Bildung, ein<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> derbes, frisches Ansehen, und &mdash; was kein
-gleichgültiger Umstand war &mdash; konnte die castillanische Sprache nicht
-sehr behende sprechen, obschon er sie sehr gut verstand. Übrigens that
-er sich nicht wenig auf seine Geschicklichkeit zu Gute, mit der er die
-Laute und die Theorbe spielte. Er pflegte auch immer wie ein echter
-Spanier des Abends vor den Fenstern der Damen Ständchen zu halten. Er
-wohnte in der großen Alcalastraße, und bewohnte das Haus, an dem ein
-großer Garten war, ganz allein. Sein ganzes Hausgesinde bestand aus
-zwey Bedienten, einem Pagen, den er von seinem Vetter geerbt hatte,
-einer mailändischen Haushälterinn, die die Küche besorgte, einem
-Kutscher, der über zwey rothe Friesländer hofmeisterte, und einem
-elenden Klepper, auf dem er selbst zu Madrit angekommen war, und um den
-sich nun weiter niemand mehr bekümmerte. Über diesen Jüngling suchte
-nun Feliciane ihr Netz auszuwerfen.</p>
-
-<p>Die Zeit, die sie zu ihrer ersten Spazierfahrt bestimmte, war sehr
-glücklich gewählt. Es war eine schöne warme Nacht,<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> mitten im Julius,
-und der Mond schien spiegelhell. Sie nahm eine alte Magd mit sich,
-die sie als Duenna kleidete. Über dieß hatten sie auch einen alten
-Escudero mitgenommen, der sie nun schon seit längerer Zeit im Hause
-bediente. In dieser ausgelernten Gesellschaft fuhren sie beyläufig um
-neun Uhr an des Mailänders Hause vorüber. Sie trafen den Zeitpunct so
-glücklich, daß der Mailänder eben auf dem Balcon in der angenehmen
-Kühle bey dem Abendessen saß. Er hatte nur Beinkleider und ein Wamms
-an, und klimperte eben auf der Theorbe. Der Wagen fuhr dicht an der
-Mauer des Hauses vorüber, und als er der Thür gerade gegen über war,
-rief man mit lauter Stimme: „Halt! Kutscher, halt!“ der Wagen hielt an,
-und der Mailänder hörte auf, seine Theorbe zu spielen, um zu hören, was
-Feliciane sagte. Er horchte ganz leise, und vernahm folgende Worte:
-„Sie bemühen sich vergebens, meine Mutter! und eher würd’ ich mir mit
-dem Messer, das ich in der Brieftasche trage, das Leben nehmen, als nur
-einen einzigen Schritt<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> vorwärts thun. So hat man mich betrogen? Solche
-Fallstricke hat man mir gelegt?“</p>
-
-<p>Nun hörte er eine andere Stimme, welche die Duenna, oder eigentlich
-die alte Magd war. Sie sagte: „Meine Beste! fluchen Sie ihrer Mutter
-nicht; gehorchen Sie ihr, und machen Sie ihr Alter nicht unglücklich.
-Wie viele würden das Glück, das Sie von sich stoßen, mit beyden Händen
-ergreifen!“</p>
-
-<p>„Es ist Verrätherey,“ sagte Feliciane wieder; „es ist Grausamkeit, mich
-zu dem zwingen zu wollen, was mir unmöglich ist. Niemand hat mit meiner
-Freyheit zu schalten. Die Natur hat sie mir gegeben, und ich werde
-sie gegen jedermann bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen
-wissen.“</p>
-
-<p>Bey diesen Worten fing sie bitterlich zu weinen und zu schluchzen an.
-Der Mailänder hatte keine Sylbe verloren, und zu gleicher Zeit lehnte
-sich der alte Escudero an den Wagenschlag, und sagte: „Mäßigen sie doch
-Ihre Stimme, gnädiges Fräulein, sonst laufen uns Leute zusam<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span>men, und
-meinen am Ende, es sey etwas an der ganzen Sache.“ „Nun denn,“ schrie
-Feliciane in einer Art von Verzweiflung, „so ist denn die Flucht mein
-letztes Mittel, und ich will sehen, wer im Stande seyn soll, sie zu
-hindern.“</p>
-
-<p>Dem Mailänder schien, daß sie nun im Wagen handgemein würden, und er
-irrte auch nicht; denn sie rangen wirklich zum Scheine mit einander.
-Der Escudero schien sich besonders tapfer zu widersetzen; endlich
-gelang es Felicianen doch, aus dem Wagen zu springen, wobey sie, um das
-Schauspiel tragischer zu machen, den Mantel und einen Schuh verlor.
-Sie sprang gerade in des Mailänders Haus, und schrie: „Dieses Haus,
-wem es immer gehören mag, soll meine Freystätte seyn. Es wird mich
-aufnehmen, und sollte es eine Löwengrube seyn, so hoffe ich doch mehr
-Menschlichkeit darin zu finden, als unter euren Händen.“ Bey diesen
-Worten legte Horazio sein Instrument weg, nahm seinen Degen, und eilte
-die Treppe hinunter. Feliciane stürzte ihm sprachlos zu den Füßen. Die
-Duenna und der Escudero standen<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> stumm da. Nun schien sich Feliciane
-aus ihrer Betäubung zu erhohlen. „Unbekannter Ritter,“ sagte sie, indeß
-sie immer noch fortweinte, und durchaus Horazio’s Knie umfassen wollte,
-&mdash; „unbekannter Ritter, wenn Sie Menschengefühl im Herzen haben, so
-erbarmen Sie sich meiner, und lassen Sie mich von Ihren Bedienten
-unterstützen; denn meine Nerven sind mir abgerissen; ich kann nicht
-aufrecht stehen.“ Horazio ließ sogleich Licht bringen, und befahl die
-Hausthür zuzusperren, damit kein Auflauf würde. Man brachte Lichter,
-und Horazio erstaunte über Felicianens Schönheit; denn ihr Schmerz
-kleidete sie noch ein Mahl so reitzend, und die Stellung, in der sie
-hingesunken war, hätte zum Modelle dienen können. Horazio sagte der
-Duenna und dem Escudero voll edlen Unwillens, und mit einer Kühnheit,
-über die sie als Komödianten nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit
-erschrecken konnten, daß sie sich ja nicht einbilden sollten, er werde
-diese schöne Dame von ihnen an einen Ort schleppen lassen, gegen den
-sie Abneigung trüge; er würde sie vertheidigen,<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> und wenn er darüber
-sein Leben einbüßen sollte. „Aber um Gottes willen,“ schrie die Duenna,
-und rang die Hände, „was werden wir ihrer Mutter sagen? In ihrer
-Gegenwart ist sie mit uns fortgefahren; wo ist sie nun hingekommen?“
-„Was kümmert mich das?“ sprach Horazio; „ich bin ihr Beschützer gegen
-Gewaltthätigkeit, und für das Übrige mögt ihr sorgen.“ „Nun,“ sagte
-Mogrobejo, so hieß der Escudero, „so ist es um mich geschehen; ich darf
-mich in Madrit nicht mehr sehen lassen.“ „Nein,“ schrie die Duenna
-wieder, „ich kann mich nicht von meinem Fräulein trennen, und sollt’
-alles zu Grunde gehen!“ „Ich auch nicht,“ sagte Mogrobejo; „aber
-nicht aus einfältiger Liebe, sondern weil es meine Pflicht ist, sie
-nicht aus den Augen zu lassen.“ „Alter Verräther,“ schrie Feliciane,
-„ihr sollt mich gewiß nicht anders, als stückweise, von der Stelle
-bringen. Ich weiche keinen Schritt. Morgen bin ich in einem Kloster,
-und vor eurer Boßheit für immer sicher.“ Was wollten sie thun? Der
-Escudero kehrte den Rücken, setzte sich in den Wagen und fuhr fort.
-Hora<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span>zio nahm aber seinen schönen Gast an der Hand, und führte ihn
-in einen niedern Saal, der zunächst bey ihnen war; die Duenna ging
-langsam nach. Das Herz schlug ihm laut, als ihm die schöne Unbekannte
-durch einen matten Druck der Hand Dank sagte. Sie setzten sich, und
-Feliciane wußte ihren Kummer durch so manigfaltige reitzende Bewegungen
-zu äußern, daß Horazio’s Seele die ganze Tonleiter der Empfindungen
-hinauf kletterte, und er endlich in folgende Worte ausbrach: „Reitzende
-Unbekannte, wie glücklich bin ich, daß ich dazu bestimmt war, Sie aus
-der dringendsten Gefahr zu befreyen! Wie überglücklich wär’ ich, wenn
-ich Sie vor allen weiteren Verfolgungen sicher stellen könnte! Rechnen
-Sie aber darauf, daß ich nichts unversucht lassen werde, diesen hohen
-Zweck zu erreichen, der mich von nun an ganz allein beschäftigen soll.
-Mein ganzes Haus steht Ihnen unumschränkt zu Befehle; Sie können da so
-lange verborgen bleiben, als es Ihnen räthlich scheinen wird. Wohin
-Sie es immer verlangen, werde ich Sie bringen. Ich bin Edelmann,<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> und
-denke auch edel. Ihre Tugend läuft bey mir keine Gefahr; und nur wenn
-es zu Ihrem eigenen Besten nöthig ist, daß ich Ihre Geschichte erfahre,
-wünsche ich sie zu hören, so hohen Antheil ich auch an Ihrem Schicksale
-nehme.“</p>
-
-<p>Während dieser ganzen Rede hatte Feliciane von einem prächtigen Ringe,
-den Horazio am Finger trug, und dessen Billanten sie allzu schön
-anfunkelten, kein Aug’ abgewendet. Er mußte an ihren Finger herüber
-kommen, und gehe es, wie es wolle; das war nun einmahl beschlossen.
-„Ich finde keine Worte,“ sagte sie „mit denen ich Ihnen bezeugen
-könnte, was in meinem Herzen vorgeht. Die Vorsicht hat mich Ihnen
-zugeführt, großmüthiger Mann! hätten Sie sich nicht durch mein Unglück
-rühren lassen, so wär’ ich jetzt schon ohne Rettung verloren. Die
-nähmliche Großmuth, die Sie zu meiner Befreyung angetrieben hat,
-wird Sie auch auffordern, die Rechte einer Freystätte, für die ich
-Ihr Haus nun ansehe, nicht zu verletzen. Ich werde von Ihrer Güte
-Gebrauch machen, und werd’ Ihnen so<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span> lange hier lästig fallen, als
-es unumgänglich nöthig seyn wird.“ „Um Sie vollends zu beruhigen,“
-sagte Horazio, „will ich nicht einmahl im Hause hier bleiben, sondern
-mich bey einem Verwandten aufhalten, bis Sie mit Ihrer Mutter
-ausgesöhnt sind.“ „Nein, durchaus nicht!“ fiel ihm Feliciane in die
-Rede; „Sie müssen hier bleiben; denn ich will sie überzeugen, daß ich
-unumschränktes Vertrauen in Sie setze. Wenn man käme, und mich mit
-Gewalt fortführen wollte, wer würde mich vertheidigen?“ „Was für ein
-Befehl könnte mir auch willkommener seyn?“ sagte Horazio.</p>
-
-<p>Er hatte sein Abendessen, wie wir wissen, noch nicht eingenommen, und
-da ihn eben ein Bedienter daran erinnerte, suchte er Felicianen zu
-bewegen, daß sie mit ihm einige Erfrischungen nähme. Sie war ihm zu
-viel Dank schuldig, als daß sie ihm nicht hätte Gesellschaft leisten
-sollen, und er wußt’ es durch seine unwiderstehliche Beredtsamkeit
-gar dahin zu bringen, daß sie aß und trank, wie ein kummerloser
-Mensch. Sie sah zu deutlich, wie sehr<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> sie auf ihren Wirth Eindruck
-gemacht hatte, als daß sie diese Episode in ihr Schauspiel nicht hätte
-einrücken sollen. Horazio war nun schon so über und über verliebt, daß
-er nicht mehr im Stande war, auch nur dem geringsten Verdachte gegen
-die Wahrheit der Geschichte Platz zu geben. Er war der einzige am
-Tische, der keinen Bissen aß, und doch machte ihn dieser Umstand nicht
-aufmerksam.</p>
-
-<p>Er hätte nur gar zu gern Nahmen, Stand, und die Geschichte der Dame
-erfahren; er durfte es aber nicht wagen, die Wunde wieder aufzureißen,
-und ihren Kummer etwa zu verdoppeln. Es war nun hohe Zeit, dem Fräulein
-Ruhe zu gönnen, die ihr so nöthig schien. Er begleitete sie denn selbst
-in das Gemach, das er für sie und Banuelos, die Duenna, hatte bereiten
-lassen. Er tröstete sie noch mit den zärtlichsten Ausdrücken, und begab
-sich in das obere Stockwerk. Es läßt sich denken, daß Horazio und
-Feliciane die Nacht in ganz verschiedenen Betrachtungen zubrachten.
-Horazio konnte kein Auge zuthun, und sann unablässig auf Mit<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span>tel, ihre
-Verbindlichkeit zu fesseln, und ihre Liebe zu verdienen. Feliciane aber
-weidete sich an dem glücklichen Erfolge ihrer List, und erwog, wie
-sie dieses Haus mit dem möglich größten Gewinne in möglich kürzester
-Zeit verlassen könnte. Sie berathschlagte sich mit ihrer wohlerfahrnen
-Banuelos, und überließ sich endlich einem gesunden, ungestörten
-Schlummer. Was sie in ihrem Rathe beschlossen haben, werden wir hören.</p>
-
-<p>Horazio war vor Tages Anbruche schon auf den Beinen, kleidete sich an,
-und konnte den Augenblick nicht mehr erwarten, in dem er seinen Gast
-wieder würde sehen und sprechen können. Er konnt’ es auf seinem Zimmer
-nicht aushalten, und ging denn in den Hof hinunter, um sein Herz in
-der Morgenluft zu erleichtern. Wie er die Treppe hinunter kam, fand
-er die Duenna, die sorgfältig etwas auf dem Boden zu suchen schien,
-und mit unter tiefe Seufzer ausstieß. Er fragte sie voll Besorgnis,
-was sie suche; sie antwortete aber ganz ängstlich: „Nichts, gnädiger
-Herr!“ seufzte aber noch tiefer, als zu<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span>vor. Horazio besorgte, daß
-irgend ein Unglück geschehen seyn dürfte, und bestand durchaus darauf,
-daß sie mit der Sprache heraus solle. „O gnädiger Herr,“ sagte die
-alte Schlange, „ich will es Ihnen wohl sagen; verrathen Sie mich aber
-nicht.“ Er gab ihr sein Wort, und sie sprach: „Was ich suche, ist ein
-Ring, den mein Fräulein verloren hat. Sie glaubt, es sey geschehen, als
-sie aus dem Wagen sprang; denn zuvor hat sie ihn gehabt, und nachher
-vermißt. Er war von Diamanten von großem Werthe, und das schlimmste
-bey der Sache ist, daß er nicht ihr selbst, sondern einer von ihren
-Freundinnen gehört, der sie dagegen einen andern, der besondern Fassung
-und eines Nahmens wegen, auf kurze Zeit geliehen.“ Horazio tröstete
-sie, schickte einen Bedienten vor die Hausthür, um den Ring zu suchen,
-und sagte zur Duenna, sie möchte sich nicht betrüben; denn wenn er sich
-auch nicht fände, solle es ihrem Fräulein doch nicht an andern fehlen,
-und die von größerm Werthe wären. Er wünsche nur, flickte er hinzu,
-mehrere Gelegenheiten zu haben,<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> dem Fräulein auf eine wesentlichere
-Art beweisen zu können, wie sehr er sie hoch &mdash; schätze und &mdash; liebe.
-Er war so begeistert, daß er die Alte in seine Arme schloß, und so heiß
-küßte, als ob sie Feliciane selbst gewesen wäre. Sie stellte sich nun
-getröstet an, und meldete ihm für seine Großmuth, daß er ihr Fräulein
-nun schon werde sprechen können. Er eilte mit ihr ans Gemach, und
-Feliciane war wirklich schon halb angekleidet. Horazio wollte durchaus
-nicht ins Zimmer treten, bevor nicht Banuelos erst zu ihr hinein gehe,
-und sie frage, ob er ihr nicht ungelegen falle. Feliciane rief aber
-mit lauter Stimme durchs Vorzimmer: „Bester Horazio! in Ihrem eigenen
-Hause sollte ich Ihnen den Zutritt versagen? Sie erweisen mir so viele
-Güte, und ich sollte so unartig seyn? Ich bin ja schon angekleidet;
-kommen Sie doch!“ Er ließ sichs nicht zwey Mahl sagen, eilte hinein,
-und fragte sie, wie sie die Nacht zugebracht habe.</p>
-
-<p>„Wie anders,“ sagte sie, „als in der größten Unruhe: ich habe kein Auge
-zugethan. Banuelos ist mein Zeuge.“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span></p>
-
-<p>„Ja wohl,“ sage die Alte; „das war eine Nacht! Wenn Sie noch mehrere
-solche haben, gnädiges Fräulein, so sind Sie bald eine Leiche. Wenn sie
-auch ein wenig schlummerte, das liebe Fräulein, so saß sie doch gleich
-wieder im Bett’ empor, und häftete den Blick starr an die Wand, als ob
-sie ein Gesicht sähe.“</p>
-
-<p>„O meine arme Mutter!“ stimmte Feliciane wieder an; „verzeihe mir den
-Kummer, den du vielleicht jetzt um meinetwillen leidest. Es ist aber
-nicht meine Schuld; du magst mir vergeben, daß ich es für Verbrechen
-halte, sich dem Eigensinn’ eines Menschen aufzuopfern, und wenn dieser
-Mensch eine Mutter wäre.“</p>
-
-<p>„Trösten Sie sich doch,“ sagte Horazio, „obschon dieser edle Schmerz
-Ihrem Herzen Ehre macht; Sie sind aber sich selbst Mäßigung schuldig.“</p>
-
-<p>Feliciane vergaß auch bey dieser Unterredung nicht, jeden Vortheil,
-den ihr die leichte Morgenkleidung anboth, geltend zu machen; sie
-sprachen noch manches, und endlich fragte Feliciane die Alte wie im
-Vorbeygehen, ob sich der Ring gefunden<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> habe. Banuelos antwortete,
-daß er noch nicht gefunden sey, daß aber Horazio’s Bediente eben mit
-dem Suchen beschäftiget wären. Feliciane dankte ihm für seine zuvor
-kommende Gefälligkeit, und Horazio sagte: „Es ist mir wahrhaftig sehr
-unangenehm, daß Sie mit dem Verluste des Ringes Verdruß haben; belieben
-Sie aber diesen hier anzusehen.“ Hier zog er den seinigen vom Finger;
-sie betrachtete ihn mit ungehäucheltem Vergnügen, und sprach: „Dieser
-Ring macht Ihrem Geschmack Ehre; er ist unvergleichlich gefaßt, und
-übertrifft den verlornen an Werthe ungemein. Dieser war nicht über drey
-hundert Escudo’s werth; und dieser gilt wenigstens acht hundert.“</p>
-
-<p>„Sie sind wahrhaftig eine Kennerinn,“ erwiederte Horazio, „und sie
-haben wenigstens nahe an den eigentlichen Werth gerathen; denn er kam
-meinem Vater, dem ihn der Herzog von Savoyen überließ, auf etwas über
-tausend Escudo’s. Darf ich Sie aber um eine Gefälligkeit bitten? Darf
-ich Sie vorläufig um die Versicherung bitten, daß Sie mir sie nicht
-abschlagen<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> werden?“ Feliciane merkte zu gut, wo er hinaus wolle,
-und antwortete: „Bester Horazio! Sie haben mir gestern Ihr Ehrenwort
-gegeben, daß ich nicht ein unanständiges Wort aus Ihrem Munde hören
-werde; ich hoffe, Sie sind ein Mann. Übrigens bin ich Ihnen zu viel
-Dank schuldig, als daß ich Ihnen was immer für eine Gefälligkeit
-abschlagen sollte.“</p>
-
-<p>„Sie geben mir also Ihr Ehrenwort?“</p>
-
-<p>„Ja.“</p>
-
-<p>„So nehmen Sie also auch,“ fuhr Horazio voll Feuer fort, „diesen Ring
-anstatt des verlornen an.“</p>
-
-<p>Feliciane stellte sich betroffen, und schob seine Hand sachte zurück.</p>
-
-<p>„Sie weigern sich, ein unbedeutendes Andenken von dem Manne zu nehmen,
-der nichts so innig wünscht, als nie von Ihnen vergessen zu werden?“</p>
-
-<p>„Horazio!“ rief Feliciane.</p>
-
-<p>„Sie wollen also Ihr Ehrenwort brechen? Sie kränken mich
-unaussprechlich!“</p>
-
-<p>„Nein! Das will ich nicht,“ sagte Feliciane wieder, und wusste ihren
-Augenliedern einen so geschickten Druck zu ge<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span>ben, daß eine helle
-Thräne ihre Wange herunter rollte. „Ich nehm’ ihn, und will ihn
-als Andenken ehren. Aber halt! ich darf ihn nicht nehmen. Nur dann
-könnte ich ihn als Andenken nehmen, wenn er an meinem Finger bliebe:
-ich hatte den verlornen aber nur von einer Freundinn auf einige
-Zeit ausgetauscht; denselben kann ich ihr nicht wieder zurückgeben;
-ich werd’ ihn ihr also zu ersetzen wissen. Ich denke nun der
-Verbindlichkeit meines Ehrenwortes ledig zu seyn.“</p>
-
-<p>Horazio antwortete: „Nein, meine Beste! Sie sind Ihres Ehrenwortes
-nicht ledig. Ihre Freundinn wird sich den Ring nicht mit Geld ersetzen
-lassen, sondern wird sich mit einem andern Ringe von gleichem Werthe
-begnügen müssen. Mein Andenken haben Sie angenommen“ &mdash; nun sprang er
-zu einer auf einem Kasten stehenden Schatoulle, und hohlte ein Futteral
-mit sechs anderen brillantenen Ringen hervor &mdash; „und nun werden Sie von
-diesen hier einen für Ihre Freundinn annehmen.“</p>
-
-<p>„Was denken Sie von mir, Horazio?“ sagte Feliciane; „ich würde fähig
-seyn,<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> die Verletzung des Gastrechts so weit, bis zur Unverschämtheit
-zu treiben?“</p>
-
-<p>„Schönste Feliciane,“ sagte der Sophist, „Sie sind es ja nicht, die den
-Ring annimmt; und ich würde es nicht gewagt haben, Ihrer Delicatesse
-nahe zu treten. Ihre Freundinn ist es ja, die ihn von mir annimmt, und
-der ich ihn für das Vergnügen schuldig bin, den mir das Andenken hier
-an ihrem Finger macht.“</p>
-
-<p>„Trauen Sie also meiner Freundinn weniger Delicatesse zu, als mir?“
-sagte Feliciane. „Wie Sie auch die Sache drehen! wie Sie mir die
-unschuldigste Absicht übel ausdeuten!“ sagte Horazio. „Wie kann es die
-Delicatesse Ihrer Freundinn reitzen, wenn sie von einem Manne etwas
-annimmt, was er ihr eigentlich schuldig ist, da es in seinem Hause
-verloren worden; von einem Manne, den sie nicht einmahl kennt; wenn
-sie es nimmt, ohne selbst zu wissen, woher es kommt? Warum wollen Sie
-mir dieß Vergnügen versagen, das Ihnen weiter keine Beschwerlichkeit
-macht, als daß Sie etwas mit der einen Hand nehmen, und mit der anderen
-abgeben?“ „Den<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span>ken Sie also,“ sagte Feliciane, die herzlich froh war,
-daß sie nun plötzlich auf einen andern Weg einlenken konnte, „denken
-Sie also, daß ich bey einem Vergnügen, das ich Ihnen verschaffen soll,
-auch nur daran zu denken im Stande sey, was es für einen Eindruck auf
-mich machen werde? O Sie kennen mich noch sehr wenig; und um Sie zu
-überzeugen, daß ich von so einer niedrigen Bedenklichkeit weit entfernt
-bin, geb’ ich Ihnen nach, und will nicht einmahl erwägen, ob mich Ihre
-Gründe, oder Ihre Beredtsamkeit bestimmt.“</p>
-
-<p>Horazio öffnete das Futteral, und Feliciane war bey dem Anblicke der
-sechs kleinen Fixsterne nicht wenig überrascht. „Wählen Sie nach
-Geschmacke,“ sagte Horazio; aber Feliciane konnte sie nicht bestimmen,
-denn sie war keine große Kennerinn, und hätte doch gern dem würdigsten
-die Ehre der Wahl erwiesen. „Nun müssen Sie mir ein Mahl nach meinem
-Kopfe thun. &mdash; Eingeschlagen!“ &mdash; Horazio that es, und Feliciane fuhr
-fort: „Für meine Freundinn werden Sie nun<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span> wählen.“ Horazio konnte
-nichts entgegen sagen, und hob den vorzüglichsten aus, der ebenfalls
-über tausend Escudo’s werth war. Nach einem kurzen Gespräche ließ er
-sie allein, damit sie sich vollends ankleiden konnte. Sie war nun
-Besitzerinn eines Schmuckes von mehr als zwey tausend Escudo’s, und
-Horazio hatte ein Vergnügen darüber, das er um drey tausend nicht hätte
-entbehren wollen.</p>
-
-<p>Er fuhr aus, sprach verschiedene Freunde, hüthete sich aber, ein Wort
-von seinem schönen Gaste zu verlieren; auch seinen Bedienten hatte er
-ein strenges Stillschweigen eingeschärft.</p>
-
-<p>Gegen Mittag kam er wieder nach Hause, wo er den alten Escudero fand,
-der ihm meldete, daß er sich, um seiner Frau wieder unter die Augen
-treten zu dürfen, einer Lüge bedient, und ihr gesagt hätte, daß sie
-ihre Tante binnen drey oder vier Tagen abholen würde, und daß er
-der Tante gesagt habe, er hätte das Fräulein in ihrer Mutter Hause
-gelassen. Feliciane war mit seinem Einfalle wohl zufrieden, und Horazio
-gab ihm eine Dublone. „So sauer<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span> mir auch das Lügen wird,“ sagte die
-Duenna, „so könnte ich doch für Don Horazio immerhin eine wagen.“
-Horazio hatte nun eben die Hand im Beutel, und bezahlte auch ihr diese
-liebevolle Äußerung mit einer Dublone. Feliciane befahl ihr zwar, sie
-nicht anzunehmen; aber Horazio bestand durchaus darauf.</p>
-
-<p>Sie gingen nun zu Tische, und nachdem sie wacker gegessen hatten,
-äußerte Horazio wieder seinen Wunsch, Felicianens Geschichte zu hören,
-und diese konnte sie ihm nicht länger vorenthalten. Sie begann denn.</p>
-
-<p>„Don Lope Zopata von Meneses, der zweyte Sohn des Don Bernardo Zopata,
-war mein Vater; er diente in Flandern, und bracht’ es bis zum Capitäne.
-Er kam an den Hof zurück, um eine Zulage an Gehalt zu begehren, und
-verliebte sich da in meine Mutter, aus dem Hause Arancivica, einer der
-ansehnlichsten Familien in Biskaja. Er wußte ihre Ältern in wenig Tagen
-zu gewinnen, erhielt sie zur Gattinn, und mit ihr einen Eisenhammer zur
-Mitgift; ein ganz ansehnliches Geschenk, da<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> er über jährliche vier
-tausend Escudo’s eintrug. Sie hatten zwey Töchter, mich, Blanca, und
-meine jüngere Schwester Lucretia. Mein Vater diente noch mehrere Jahre,
-und starb als Seneschall in Cordova. Dort gefiel es einem Edelmanne,
-mich ins Auge zu fassen, und mir mit seinen zudringlichen Erklärungen
-so unablässig in den Ohren zu liegen, daß er mir vollkommen zuwider
-war, und ich ihn ohne innigen Verdruß nicht mehr nennen hören konnte.
-Nach meines Vaters Tode zog meine Mutter nach Madrit, wo wir nun zwey
-Jahre sind. Sie hat eine Schwester, eine Wittwe mit zwey Töchtern, in
-deren Hause wir uns meisten Theils, obschon in verschiedenem Gelaß’,
-aufhalten. Der Ritter von Cordova kam auch hierher, nicht aber in der
-Absicht, seine Werbung um mich fortzusetzen, sondern sein Augenmerk war
-auf die Tochter eines Rathes gerichtet, die ihn aber bald abfertigte.
-Als er dort kein Gehör fand, fand er es für gut, sich wieder an mich zu
-wenden, und beschloß endlich zur größeren Sicherheit seines Erfolges,
-mich geradezu<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> zur Ehe begehren. Ich will Ihnen eine kleine Schilderung
-von ihm machen. Er ist sehr leibig, und dabey sehr klein, sieht sehr
-tückisch her, und ist auch wirklich, wie seine Bedienten einhällig
-sagen, meistens von so übler und ungestümer Laune, daß er sich mit
-niemanden vertragen kann. Urtheilen Sie nun selbst, ob ich recht
-that, daß ich die Hand so eines Mannes ausschlug. Unterdessen so sehr
-sich mein Herz gegen eine Verbindung mit ihm von jeher empört hatte,
-so wenig mißfiel er doch meiner Mutter. Sie hatten öfters besondere
-Unterredungen, und ich entdeckte bald, daß ihm meine Hand verheißen
-sey. Sie waren auch nur mehr über die Bedingnisse uneinig. So reich er
-ist, macht’ er doch große Forderungen, zu denen sich meine Mutter nicht
-verstehen konnte, weil sie selbst größten Theils nur vom Wittwengehalte
-lebte, und ihr Vermögen eigentlich nur für uns Schwestern ersparen
-wollte. O sie ist doch eine gute Mutter, und sie hat seinen Antrag
-gewiß nur darum so eifrig begünstigt, weil sie mich noch an ihrem Leben
-versorgt<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> sehen wollte, und mich bey ihm gut versorgt glaubte.“ &mdash;
-Sie weinte, und Horazio überzeugte sich wieder neuerdings, daß eine
-vortreffliche Seele in diesem makellosen Körper wohne.</p>
-
-<p>„Endlich,“ fuhr sie fort, „ließ er doch von seinen Forderungen ab, und
-erklärte sich, daß er mir auch ohne Mitgift die Hand reichen wolle.
-Der Tag zur Unterzeichnung war bestimmt, und es war so abgekartet,
-daß ich in das Haus meiner Tante geführt werden sollte, um mein
-Todesurtheil zu unterzeichnen. Man befahl mir, ohne der Hauptsache
-nur mit einem Worte zu erwähnen, mich anzukleiden, und sagte mir nur,
-daß ich abgeholt werden würde. Mir kam alles verdächtig vor, und das
-Herz schlug mir mächtig; indessen konnt’ ich nichts vorschützen,
-warum ich nicht zu meiner Tante fahren wollte. Der Wagen kam, und wir
-stiegen ein; mit jedem Schritte schlug mein Herz stärker; Banuelos
-sichtbare Ängstlichkeit, des Escudero ununterbrochenes Schweigen,
-ihrer beyder Verlegenheit, wenn ich sie fragte, warum<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> wir zur Tante
-führen, enträthselten mir alles. Nun wollt’ es mich nicht mehr im Wagen
-leiden; ich forderte, sie sollten anhalten lassen; sie thaten’s nicht:
-ich schrie dem Kutscher selbst zu; er hielt gerade vor Ihrem Hause
-an: ich sprang aus dem Wagen, &mdash; das übrige wissen Sie selbst.“ &mdash;
-Nun vergoß sie wieder einen Strom von Thränen; die Duenna schluchzte,
-und Horazio selbst weinte mit. Nachdem sie sich alle wieder erhohlt
-hatten, erklärte Feliciane, daß sie überhaupt, so lange sie nun Madrit
-bewohne, in einer seltsamen Stimmung sey, und in einer ununterbrochnen
-Fröhlichkeit ihrem Herzen nie eine ernsthafte Neigung habe nahe kommen
-lassen. Horazio’s ganzes Wesen heiterte sich nun auf; denn er hatte
-nicht mehr und nicht weniger vermuthet, als das sie am Ende ihrer
-Erzählung das Geständniß hinzu fügen würde, daß ihr Herz schon an einen
-andern verschenkt gewesen sey.</p>
-
-<p>„Eine glückliche Stimmung, in der Sie waren!“ sagte Horazio; „denn was
-ist wohl glücklicher, als durch sein Leben munter und sorgenlos wie
-durch einen Garten hin<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span>hüpfen zu können! Wenn nun aber einmahl diese
-Art von unversuchter Fröhlichkeit, die in unsern Verhältnissen auch
-nicht lange währen kann, vorüber ist, dann gibt es auch wirklich keinen
-Zustand, der uns für jenen schadlos halten könnte, als den Zustand
-einer glücklichen Liebe. O ja!“ fuhr er mit einer Art von Begeisterung
-fort, „so vielen Kummer eine unglückliche willkürliche Liebe, so viele
-Nachreue eine unvorsichtige und zu rasche nach sich zieht; so übergroße
-Seligkeit bringt auch eine glückliche, und so viele Vorwürfe haben
-sich zwey Herzen zu machen, die sich vielleicht wechselseitig auf
-immer glücklich machen könnten, und doch“ &mdash; &mdash; bey den letzten Worten
-hatte er Felicianens Hand mit einer Art von Wuth ergriffen; sein Blick
-hing starr an ihrem Auge; und diese Zauberinn, der alle animalischen
-Verrichtungen des Körpers zu Gebothe zu stehen schienen, wußte sich
-schnell die gehörige Masse Bluts in die Wangen zu pumpen, das sich wie
-ein Rosenflor über sie ausbreitete. „O Gott!“ seufzte Horazio, und
-Feliciane<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> sagte ganz leise, und indem sie sich eine Thräne vom Auge zu
-wischen schien: „Wollen Sie mir nicht die Theorbe spielen?“ Er dachte
-weiter nichts, als daß sich Feliciane aus einer nur allzu sichtbaren
-Verlegenheit zu retten wünsche, und nahm die Theorbe augenblicklich
-zur Hand. Er spielte und sang mit wahrem Eifer; was er aber dieß Mahl
-an Ausdrucke gut machte, das verdarb er mit falschen Griffen. Als er
-geendigt hatte, sagte Feliciane, daß auch sie eine große Liebhaberinn
-von Musik wäre, und zu Hause eine Harfe und eine Guitarre habe. Horazio
-sprang auf, hohlte seine Guitarre, und ließ nicht eher ab, bis sich
-auch Feliciane zu einem kleinen Gesang’ entschloß. Man hätte eine große
-Wette eingehen können, daß kein Mädchen in Madrit die Guitarre mit mehr
-Grazie zu halten im Stande war, als sie; man wußte nicht, wenn sie
-spielte, ob man sich von dem sanften Auf- und Abgleiten ihrer Finger,
-oder ihrer ausdrucksvollen Stimme, oder von dem reitzenden Wiegen ihres
-Körpers, mit dem sie den Gesang begleitete, hinreißen lassen solle. Sie
-sang:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Ein Vöglein auf dem Felde saß;</div>
- <div class="verse">Es pfiff und sang ohn’ Unterlaß;</div>
- <div class="verse">Es saß bald hier, es saß bald dort,</div>
- <div class="verse">Und sang, und trillert’ immer fort.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Im Herbste und im Winter war</div>
- <div class="verse">Es fröhlich, wie im frühen Jahr;</div>
- <div class="verse">Es saß bald hier, es saß bald dort,</div>
- <div class="verse">Und sang und trillert’ immer fort.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Doch lange hatt’ ihm schon im Feld’</div>
- <div class="verse">Ein Vogelsteller nachgestellt;</div>
- <div class="verse">Er pfiff &mdash; es pfiff den Wald hinein,</div>
- <div class="verse">Im Netze war das Vögelein.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p>Feliciane hatte eine so angenehme Melodie zu diesem Texte gewählt,
-daß Horazio, der den Inhalt des Gesanges ohne allen Anstand auf sich
-auslegte, ganz bezaubert war. Er pries ihre Talente in seiner halb
-castellanischen Sprache mit so sonderbaren Ausdrücken, daß sich
-Feliciane kaum des Lachens erwehren konnte.</p>
-
-<p>Ihr Gespräch war durch die Ankunft des alten Escudero gestört, der
-einen kleinen Pack, mit einem sonderbarem Über<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span>zuge von Leinwand, trug.
-Er nahm ihn unter seinem Mantel hervor, und öffnete ihn. „Wie?“ sagte
-Feliciane; „wo hast du das Kleid, das ich ausdrücklich verlangt habe?“
-„Ich bitte um Vergebung! gnädiges Fräulein; es war aber unmöglich:
-denn alle Ihre Kleider hat man schon in die Wohnung der gnädigen Tante
-geschafft.“</p>
-
-<p>„Wie werden wir sie nun kriegen?“ sagte Feliciane; „nun muß ich immer
-das nähmliche auf dem Leibe tragen.“ Sie stellte sich sehr verdrießlich
-an, und Horazio, der jede Gelegenheit, sie sich verbindlich zu machen,
-mit beyden Händen ergriff, unterbrach sie, und sprach: „Lassen Sie
-sich doch nicht so eine Kleinigkeit kümmern, beste Donna Blanca!
-so einem Übel wird doch bald abgeholfen seyn. Bis heute Abends
-lassen sich wohl zwey Kleider ganz nach Ihrem Geschmacke, mit allem
-Zugehöre verfertigen.“ Feliciane warf ihm einen zärtlichen Blick zu,
-und sagte: „Sie sind wirklich zu gefällig, und ich sollt’ Ihre Güte
-nicht mißbrauchen. Wenn Sie mir aber in dieser Verlegenheit auf meine
-Rechnung zwey Kleider ver<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span>schaffen wollen, werden Sie mich Ihnen
-unendlich verbinden.“ Horazio war voller Freuden, und machte, nachdem
-er sich noch genau Farbe, Stoff und Zugehör hatte vorschreiben lassen,
-die nöthigen Anstalten. Nun suchte Feliciane das Gespräch auf einen
-andern Gegenstand zu leiten. Sie sagte ihm, daß sie dem Escudero,
-ungeachtet aller Betheurungen, doch nicht vollkommen traue, und daß
-sie unaufhörlich der Zweifel peinige, ob es wohl wahr sey, daß er
-sie von beyden Seiten, so wohl bey ihrer Mutter, als bey ihrer Tante
-sicher gestellt habe. „Sie, Horazio,“ sagte sie, „wären im Stande, mich
-hierüber vollkommen zu beruhigen. Hören Sie, in meiner Tante Wohnung
-wird ein Gelaß vermiethet; wenn sie es besuchen wollten, könnten Sie
-bey dieser Gelegenheit auch meine Tante selbst sprechen, und so im
-Gespräch’ abnehmen, wie sie gestimmt, und ob sie meiner Flucht nicht
-etwa auf der Spur sey.“ Horazio nahm den Auftrag desto freudiger an, da
-er zugleich eine nähere Auskunft über Felicianens Schicksal, und über
-die ganze Geschichte zu er<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span>halten hoffte; Feliciane schickte aber in
-der Eile ihrer Mutter durch den Escudero einen Zettel, in der sie ihr
-ganz kurz meldete, wie sie sich gegen Horazio zu benehmen habe.</p>
-
-<p>Horazio ging nun fröhlich zum Thore von Quadalaxara hinaus, und kaufte
-den Stoff für die zwey Kleider; auf das eine schwarzen Atlaß, und auf
-das zweyte blaß rosenfarbigen Taffet. Als er auch die Verfertigung
-besorgt hatte, ließ er den Wagen gerade an das Haus der Tante seiner
-Feliciane fahren, und an der Hausthür halten. Er schickte einen
-Bedienten um die Schlüssel zu dem Gelasse, das hier vermiethet wurde,
-hinein; eine Magd kam, zeigte ihm das Gelaß, und er fragte nun nach
-der Person, mit der er sich über den Preis zu besprechen hätte; man
-nannte sie ihm, und er erkannte sogleich an dem Nahmen Laura, daß es
-Felicianens Tante wäre. Er ward zu Theodoren geführt, und fand sie in
-einer sehr betrübten Stellung; sie kamen über den Preis überein, und
-Theodora bath ihn, ihr auch den Nahmen der Person, für die er das Gelaß
-ge<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span>miethet hätte, bekannt zu machen. Horazio sagte ihr, daß es eine
-Wittwe, eine Base von ihm, wäre. „O bringen Sie mir sie doch bald!“
-sagte Theodora; „denn ich leb’ ohne dieß wie im Kerker, ohne alle
-Gesellschaft, und leide besonders seit zwey Tagen großen Kummer.“ „Das
-zeigt sich nur zu deutlich an Ihrer Miene,“ antwortete Horazio; „und
-so wird sich meine Base vortrefflich zu Ihnen schicken, denn sie ist
-immer sehr munter und aufgeweckt.“ „Nun,“ antwortete Theodora, „bringen
-Sie mir sie doch recht bald! ich trage schon eine rechte Sehnsucht nach
-ihr.“ „In der That,“ erwiederte Horazio, „Ihr Kummer geht mir nahe, und
-wenn es nicht unbescheiden wäre, würd’ ich es wagen, Sie um die Ursache
-desselben zu fragen.“</p>
-
-<p>„O mein Bester!“ sagte Theodora; „das ist es eben, was ihn noch größer
-macht, daß ich ihn nicht mittheilen kann.“</p>
-
-<p>„So will ich auch nicht weiter in Sie dringen; indessen, wenn dieser
-besondere Umstand nicht eingetreten wäre, so hätt’ ich Ihnen meine
-Dienste angebothen. Ich bin zwar kein Spanier, aber doch Edel<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span>mann, und
-schmeichle mir, hier mit ansehnlichen Häusern in Verbindung zu stehen.“</p>
-
-<p>„Sie sind also kein Spanier?“</p>
-
-<p>„Nein, wie Ihnen auch schon meine schlechte Aussprache zeigt; ich bin
-aus Mailand, und nur eines Geschäftes wegen hier, übrigens aber, wie
-gesagt, zu jedem Dienste bereit, den ich Ihnen leisten kann.“</p>
-
-<p>„Ich danke Ihnen, vortrefflicher Mann! Nach Ihrer freundschaftlichen
-Äußerung, zu der Sie nur Menschenliebe auffordern kann, da Sie mich
-nicht einmahl kennen, würd’ ich wirklich undankbar seyn, wenn ich
-Ihnen die Ursache meines Kummers noch länger vorenthalten wollte.
-Belieben Sie in dieses Gemach herein zu kommen; hier könnte man uns
-belauschen.“ Sie gingen hinüber, setzten sich, und Theodora begann:
-„Ja mein Bester! diesem Hause ist ein großes Unglück widerfahren.
-Ich hatte die Tochter meiner Schwester, und einen Ritter von gutem
-Charakter und untadelhaftem Vermögen zu mir bestellt, um zwischen ihnen
-einen Heirathsvertrag richtig zu machen. Ich muß freylich geste<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span>hen,
-daß das Mädchen eben nicht besondere Neigung gegen den Ritter trug;
-unerfahrne Mädchen wissen sich aber nicht selbst zu rathen, und so
-glaubte ich denn meine Pflicht zu thun, wenn ich meine Erfahrung
-anstatt der ihrigen gebrauchte, und sie so gewisser Maßen zu dieser
-Verbindung nöthigen würde, wofür sie mir in der Folge noch danken
-dürfte. Es war schon alles verabredet; sie war mit ihrer Duenna, unter
-der Begleitung eines Escudero, abgehohlt; aber, Gott weiß wie es
-geschehen seyn mag, mit einem Mahle verschwanden sie dem Escudero aus
-den Augen, und der gute Alte weiß nicht im geringsten zu sagen, wo sie
-hingekommen sey. Ich habe sie bey allen Bekannten, in allen Klöstern
-aufsuchen lassen; aber nirgends ist sie zu finden. Ihre Mutter liegt
-krank, und meint, sie sey in meinem Hause. O mein Bester! Sie kommen
-in viele Gesellschaften; wie würden Sie mich nicht verbinden, wenn Sie
-nur die geringste Nachricht von ihr geben könnten, damit meine Unruhe
-nur in etwas gemildert würde. Vielleicht ist sie nicht einmahl<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> mehr in
-Madrit; von einem entschlossenem Mädchen ist alles zu fürchten. Gern
-will ich ihr vergeben, wenn sie vielleicht mit einem Ritter von ihrem
-Stande ein geheimes Liebesverständniß gepflogen hat: wenn sie aber ihr
-Blut verläugnet; wenn sie sich von einer blinden Leidenschaft hinreißen
-läßt, und sich etwa einem Häuchler aus niederm Rang’ in die Arme wirft,
-o Gott! dann ist es um die Ruhe meines Lebens auf immer geschehen. Wie
-leicht ist ein unschuldiges Mädchen nicht verführt; besonders ein so
-schönes Mädchen! O Mädchen, Mädchen! was für Kummer machst du mir!“</p>
-
-<p>Horazio, der nun eher an Gottes Wort, als an der Wahrhaftigkeit dieser
-Erzählung gezweifelt hätte, antwortete ihr: „Ich danke Ihnen von ganzem
-Herzen, gnädige Frau, für das Zutrauen, das Sie mir schenkten, und will
-es durch eine Nachricht zu bezahlen suchen, die Ihnen wahrscheinlich
-willkommen seyn dürfte. Ich weiß nun eine Dame, die nur drey Tage von
-Haus’ entfernt ist; sie heißt Donna Blanca.“ „Was höre ich,“ schrie
-Theo<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span>dora; „das ist meine Nichte! das ist meine verlorne Blanca!
-Engelsmann!“ schrie sie, und küßte ihn, „wo ist sie? ich sterbe vor
-Freuden; ein Engel hat mir’s eingegeben, daß ich Ihnen alles erzählen
-sollte. Wo ist sie denn? wo ist sie denn?“ Er erzählte ihr denn, daß
-sich Donna Blanca in seiner Wohnung befinde; wie sie zu ihm gekommen
-sey; daß er sich auf ihren Befehl hier befinde, und das Gelaß nur zum
-Vorwande gemiethet habe. Sie überströmte ihn nun wieder mit einem
-Hagel von Küssen, und dankte ihm für sein gütiges Benehmen gegen ihre
-Nichte; um aber das Frohlocken noch feyerlicher zu machen, schrie
-sie: „Louischen! Louischen! komm geschwinde, wie du auch aussehen
-magst! fröhliche Neuigkeiten! gute Nachrichten!“ Louise kam in einem
-blaßgelben Habite, die Haare in Unordnung, herein geflogen, und so
-schön sie war, war Horazio’s Fantasie doch schon von Felicianens Bilde
-zu sehr befangen, als daß ihre Reitze mit voller Gewalt auf ihn hätten
-wirken können. Sie grüßte den Ritter sehr artig mit einem schwebenden
-Complimente, und hüpfte ihrer Mutter zu.<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> „Dieser Herr hier, oder
-vielmehr dieser Schutzgeist,“ sagte Theodora, „hat mir von Blanca
-Nachrichten gebracht.“</p>
-
-<p>„Gott sey Dank!“ schrie Louise.</p>
-
-<p>„Sie ist in seiner Wohnung, und wir werden sie wieder haben.“</p>
-
-<p>„Wir waren auch schon alle beynahe todt vor Angst,“ sagte Louise wieder.</p>
-
-<p>„Sie sind aber doch verheirathet?“ fragte Theodora.</p>
-
-<p>„Nein,“ antwortete Horazio; „seyn Sie aber versichert, daß Donna Blanca
-bey mir mit aller Ehrfurcht behandelt wird, die ihrem Range gebührt.“</p>
-
-<p>„Daran trage ich auch nicht den geringsten Zweifel,“ erwiederte sie.</p>
-
-<p>Unter diesem Gespräche war die Dämmerung eingefallen; man steckte
-Lichter an, und eine Magd meldete, daß Don Diego de Orozo im Vorzimmer
-wäre. Horazio war bereit, sich zu entfernen; aber Theodora bath ihn,
-zu bleiben, da der Besuch nicht von Belange wäre. „Es ist nur ein
-Freyer um Louisen,“ sagte sie, „der ihr aber, wie mehrere andere, nicht
-ansteht, weil er so wenig Welt, und über<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> dieß auch nicht hinlängliches
-Vermögen hat, um ein Weib standesmäßig zu ernähren.“ Nun trat Don
-Diego ein; man reichte ihm einen Stuhl, und sprach eine Weile von
-gleichgültigen Dingen. Da er sah, daß ihm Mutter und Tochter ungünstige
-Blicke zuwarfen, sprach er: „Ich habe Donna Louisa schon seit mehrern
-Tagen in übler Laune gefunden; ich habe denn heute versuchen wollen, ob
-ich sie nicht aufzuheitern im Stande bin. In dieser Absicht hab’ ich
-einen geschickten Tonkünstler mitgebracht, den man auch bey Hofe gerne
-hört, und der Sie ein wenig unterhalten soll.“ Man fand seinen Antrag
-sehr artig; der Tonkünstler trat ein, nahm sein Instrument zur Hand,
-und sang mit einer sehr angenehmen Stimme ein schmelzendes Adagio.
-Mit einem Mahle änderte er aber den Ton, und sang unter verschiedenen
-Grimassen folgendes Lied:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Liebe Inez, höre mich,</div>
- <div class="verse">Höre mich doch an!</div>
- <div class="verse">Liebe Inez, liebe mich;</div>
- <div class="verse">So bin ich dein Mann.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Deine Schönheit thu’ ich kund,</div>
- <div class="verse">Ach, zu meiner Qual:</div>
- <div class="verse">Purpurroth ist dieser Mund</div>
- <div class="verse">Wie ein Cardinal.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Deine Augen schwarz und traut</div>
- <div class="verse">Blicken durch den Schleyer schlau,</div>
- <div class="verse">Wie durchs Fenstergitter schaut</div>
- <div class="verse">Eine Klosterfrau.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Deine Tugend zu erheben,</div>
- <div class="verse">Fehlen Worte mir:</div>
- <div class="verse">Denn es ist dein ganzes Leben</div>
- <div class="verse">Eine Tugend schier.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Alle Menschen zu ertragen</div>
- <div class="verse">Ist dir keine schwere Pflicht.</div>
- <div class="verse">Drum verschmähest du die Klagen</div>
- <div class="verse">Selbst der Götzendiener nicht.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">In dem Drange des Gewimmels</div>
- <div class="verse">Folgst du standhaft deiner Spur,</div>
- <div class="verse">Und versichert deines Himmels,</div>
- <div class="verse">Lebest du dem Menschen nur.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
-
- <div class="verse mleft1">Weil zum Beyspiel böser Laien</div>
- <div class="verse">Niemahls dich der Himmel straft,</div>
- <div class="verse">Bist du selbst, dich zu casteyen,</div>
- <div class="verse">Fromme Seele! &mdash; lasterhaft.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span></p>
-
-<p>Während dieser Hymnus gesungen wurde, stand Diego rückwärts mit
-verhaltenem Munde, um das Lachen zu verbeißen. Die beyden Damen
-bedurften keines Dolmetschers, um das Loblied Strophe für Strophe
-auf Louisen auszudeuten. Louise warf ihm einen Blick voll Verachtung
-zu, und sagte: „In der That, Don Diego, Sie sind ganz dazu gemacht,
-eine Gesellschaft in eine andere Stimmung zu bringen; Sie haben den
-Tonkünstler wohl immer im Solde? Verfertigen wohl gar die Poesie?“
-„Wahrhaftig,“ sagte Theodora, indem sie nach der Uhr sah, „schon so
-spät! das hätt’ ich nimmermehr gedacht. Ich dank’ Ihnen, Don Diego,
-daß sie uns einen so langen Besuch haben schenken wollen; unterdessen,
-dieser Herr hat mit mir Sachen von Wichtigkeit abzuthun; und da ich
-nicht verlangen kann, daß er sich so lange hier aufhalte, wer<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span>den Sie
-es nicht unartig nennen, wenn ich Sie bitte, uns morgen dafür einen
-allenfalls noch längern Besuch zu schenken.“ Der hämische Diego war
-mit dem Unwillen, den er an ihrer Stirn las, vollkommen zufrieden, und
-ging fort, zum Glück’, ohne nach Felicianen zu fragen, und die ehrliche
-Theodore wieder zu einer Nothlüge zu zwingen. Horazio blieb nun allein
-bey ihnen, und Theodora sagte: „Dieser abgeschmackte Ritter hat sich
-in dieses Haus eigentlich eingedrungen, und mich hat wirklich nur die
-gute Nachricht von Blanca bey Laune erhalten, sonst würd’ ich ihn mit
-seiner einfältigen Musik in die Schenke gewiesen haben.“ Sie fügte
-hinzu, daß sie ihrer Nichte einen kleinen Zettel schreiben wolle, und
-Horazio sich unterdessen mit ihrer Tochter unterhalten möchte. Sie ließ
-sie denn allein, und schrieb geschwinde zwey Zettel. Den einen gab sie
-dem Escudero, und schärfte ihm ein, geschwinde zu laufen, damit ihn
-Feliciane noch erhielte, bevor Horazio nach Hause käme. Mogropejo lief
-auch an der Stelle ab, und Theodora kam,<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> den andern Zettel in der
-Hand, in das Gemach zurück. „Bester Horazio,“ sagte sie, „übermorgen
-werd’ ich meiner Schwester Wagen hohlen lassen, und werde dann meine
-Nichte bey Ihnen abhohlen; bis dahin muß ich Sie bitten, sie bey sich
-zu behalten. Daß ich es nicht länger gestatten kann, sehen Sie selbst
-ein; Sie sind unverheirathet, und mir liegt Ihre Ehre und Ihr Ruf so
-nah’ am Herzen, als der Ruf meiner Nichte.“ Horazio konnte nichts
-entgegen sagen; er fühlte aber schon ganz die Bitterkeit der bevor
-stehenden Trennung. Er nahm von Louisen den wärmsten Abschied, und
-eilte nach Hause.</p>
-
-<p>Feliciane hatte den Zettel ihrer Mutter, der einen ausführlichen
-Unterricht enthielt, schon erhalten; sie empfing ihn mit anscheinender
-dringenden Ungeduld, und fragt’ ihn, wie es ihm mit ihrer Base gegangen
-sey. „Gut und nicht gut,“ antwortete Horazio; „gut, weil ich eine Frau,
-wie Ihre Tante, kennen gelernt habe; und nicht gut, weil alles, was
-der Escudero gesagt hat, grundfalsch war, und sie Ihre Flucht schon
-wußte. Ich fand sie so innigst bestürzt,<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> und so voll Sehnsucht nach
-Ihnen, daß ich sie nicht länger hätte ungetröstet lassen können. Ich
-sagte ihr denn, daß Sie sich in meiner Wohnung befänden, worüber sie
-in ein lautes Frohlocken ausbrach, und an der Stelle den Entschluß
-faßte, Sie übermorgen bey mir abzuhohlen.“ Feliciane sank ohnmächtig
-auf den Stuhl; die Duenna und Horazio sprangen ihr zu Hülfe. „Was ist
-Ihnen, Blanca?“ schrie Horazio. „So gibt’s denn nichts, als Unglück!“
-schrie die Duenna. „O ich seh’ es nur zu spät ein, daß ich der Tante
-nichts hätte merken lassen sollen.“ „Sie haben der Tante also wirklich
-entdeckt, daß das Fräulein hier ist?“ sagte die Duenna. Horazio bejaht’
-es, und Banuelos fuhr fort: „Gott im Himmel, was haben Sie gethan? Was
-für ein böser Geist hat Sie dazu angetrieben? Was haben wir nun zu
-erwarten? Die Tante ist noch weit unbarmherziger, als des Fräuleins
-Mutter. Wer hat Sie denn zu ihr geschickt?“ „Donna Blanca selbst;“
-antwortete Horazio; „auf ihr Geheiß bin ich hingegangen.“ Unterdessen
-erhohlte sich Feliciane aus ihrer Ohn<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span>macht, und sagte: „Bester
-Horazio! wenn Sie meine Beherbergung in Verlegenheit setzte, hätten
-Sie mir es nur erinnern dürfen, und ich hätte mich zu einer meiner
-Freundinnen begeben. Nur meine Tante weiß, daß ich mich hier aufhalte;
-ich bin verloren; und ich fürchte nicht sie allein, sondern auch meine
-Onkel, denen sie auch ohne Zweifel an der Stelle davon Nachricht
-geben wird. Nun wird man mich erst zwingen wollen, und ich bin zu
-edel geboren, als daß ich meinem Herzen den geringsten Zwang anthun
-lassen sollte.“ So schrien sie und die Duenna unablässig fort, daß
-Horazio ganz verwirrt war, und das Zimmer auf- und ablief, ohne sich
-im geringsten Rath schaffen zu können. Daß Feliciane aus seinem Hause
-kommen sollte, war ihm ein unerträglicher Gedanke, und beschäftigte ihn
-mehr, als was Mutter und Tante mit dem armen Mädchen vorhaben dürften.
-Er gerieth auf dieß und das; ein Anschlag verdrängte den andern, und
-sein Entschluß, der am Ende heraus kam, war, daß er der ganzen Welt
-Trotz biethen, und bis zum letz<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span>ten Blutstropfen hindern wolle, daß
-man sie ihm entreiße. Um nun diesem Unglücke vorzubeugen, schlug er
-ein anderes Mittel vor. Er sagte ihr nähmlich, daß der Garten seines
-Hauses mit dem Garten des nächsten daran zusammen stoße; daß dieser
-Garten nun leer stehe, und er ihn für sich gemiethet habe; daß in der
-Spalierwand, die beyde Gärten von einander trenne, eine kleine Thür
-wäre, die man nicht bemerke, und durch die sie sich retten könne, wenn
-man sie abzuhohlen käme. Da er allein der Tante die Nachricht gebracht
-habe, wolle er sie nun standhaft läugnen.</p>
-
-<p>Feliciane nahm den Vorschlag an, und sammelte nun bald ihre Kräfte
-wieder. Sie gingen auch gleich alle in den Garten, versuchten die Thür,
-und versprachen sich den besten Erfolg. Die Tante beliebte sich den
-folgenden Tag noch nicht einzufinden, sondern ließ nur melden, daß
-sie sich übel befinde; und nun schöpfte Horazio wieder neuen Muth.
-Denselben Tag nach dem Abendessen seufzete Feliciane tief, und sagte:
-„Wahrhaftig, bester Ho<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span>razio! ich komme mir in dem Verhältnisse gegen
-meine Mutter so abscheulich vor, und kann es doch nicht aufheben,
-ohne mich auf immer unglücklich zu machen. Wenn ich mir meine Lage da
-so lebhaft vorstelle, so möcht’ ich weit über die Grenzen Spaniens
-hinaus fliehen, und hoffe nur weit von hier Ruhe zu finden.“ Nun sah
-Horazio den Himmel offen. „Ist’s möglich?“ sagte er; „sollten Sie wohl
-diesem Vorsatze treu bleiben? Ich will ihn ausführen; ich will Sie auf
-die anständigste Art nach Mailand bringen; nicht unter dem Titel der
-Gamahlinn: denn leider hab’ ich, bevor ich Sie kennen lernte, meine
-Hand schriftlich einer Dame zugesagt, und ihr meine Erklärung auch
-schon geschickt. Ich will Sie aber unter dem Nahmen einer Verwandten
-hinführen, will Sie wie meine Schwester lieben; und wenn diese Dame
-bey der Schilderung der Leidenschaft, die ich für Donna Blanca
-empfinde, bewegen läßt, meinem Herzen freye Wahl zu lassen, und mir
-meine Erklärung zurück zu geben, so ist niemand meiner ewigen Liebe so
-würdig, als Sie.“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span></p>
-
-<p>Feliciane hatte nichts sehnlicher erwartet, als eine Erklärung aus
-seinem Munde. Sie sprang auf, und sagte, indem sich ihr ganzes Wesen
-aufzuheitern schien: „Horazio, ich will alle Ziererey des Frauenzimmers
-abwerfen. Sie haben alles, folglich auch das Größte um mich verdient.
-Ich gesteh’ Ihnen denn, daß es mir unmöglich ist, ohne Sie jemahls
-wahrhaft glücklich zu seyn. Ich muß bey Ihnen bleiben; und kann ich Sie
-nicht als Gattinn lieben, so will ich Ihre Schwester seyn. Machen Sie
-Anstalt zur Reise, so bald Sie wollen. Ich gehe mit; hier ist meine
-Hand.“ Horazio war trunken vor Entzücken; er wagte es, sie zu umarmen,
-und sie küßte ihn so feurig, als er sie. „Vielleicht,“ schrie er, „ist
-der Courier, dem ich die Schrift mitgegeben habe, noch nicht fort;
-vielleicht kann ich sie zurück nehmen; o dann wäre ich der glücklichste
-Mensch auf Erden! Erlauben Sie nun, daß ich hineile, und nicht einen
-Augenblick verliere.“ Sie umarmten sich noch ein Mahl feurig; er eilte
-fort, und kam mit der glücklichen Nachricht zurück, daß die Schrift
-noch<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span> nicht abgelaufen sey; daß er binnen drey Tagen alle seine
-Geschäfte abgethan habe, und daß sie dann ungehemmt auf den Flügeln der
-Liebe nach seinem Vaterlande eilen könnten. Sie gingen freudig zu Bett;
-aber Horazio konnte kein Auge zuthun. Den nächsten Morgen ließ er für
-sich und Felicianen zwey Reisekleider nach italienischer Tracht machen;
-alles war zur Abreise bereitet, und den folgenden Tag des Abends
-sollten sie abfahren.</p>
-
-<p>Mit einem Mahle hielt Theodorens Kutsche an der Hausthür. Sie trat
-ein, und erkundigte sich nach Felicianen: Horazio sagte ihr aber,
-daß ihre Nichte des Morgens zur Beicht gefahren wäre, und daß sie
-selbe vermuthlich noch in der Kirche treffen würde. Theodora stellte
-sich treulich an, als ob sie es glaube; indessen war Horazio doch
-übel zu Muthe, daß er sie auf keine klügere Art abgefertigt habe, da
-sie diese nicht auf lange Zeit entfernen könnte. Er eilte daher zu
-Felicianen, und sagte ihr, was vorgegangen sey. Feliciane war damit
-ganz zufrieden, und nun ging es wieder hastig über die<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> Anstalten
-zur Abreise her. Besonders sorgte Feliciane, daß so viele Kleider,
-als möglich, eingepackt wurden. Um die Stunde des Abendgebeths hielt
-Theodore schon wieder mit dem Wagen vor der Thür; sie erfuhr von einem
-Bedienten, daß Horazio zu Hause wäre, und ließ ihn rufen. Er war sehr
-ungehalten, daß sie ihn nicht verläugnet hatten, und daß er sich
-nun wieder mit einer List behelfen sollte, was, wie wir nun gesehen
-haben, überhaupt eben nicht seine Sache war. Er meldete Felicianen mit
-sichtbarer Ängstlichkeit, daß Theodora schon im Vorhofe stehe, lief
-dann zu ihr hinunter, und sie fragte ihn rasch, wo ihrer Nichte Zimmer
-wäre. Er sagte ihr, daß es ihm leid thue, sie noch ein Mahl vergebens
-bemühet zu haben, sie sey aber wirklich heute Morgens schon, was er
-nicht gewußt habe, zu einer Freundinn gefahren, von der sie noch nicht
-zurück gekommen sey. „Vortrefflich, vortrefflich!“ sagte Theodore mit
-verbissener Wuth; „genug, daß ich weiß, daß sie hier im Hause ist! Ich
-will sie durchaus sehen, und mit mir nehmen. Solche zügel<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span>lose Mädchen,
-wie mein artiges Nichtchen, haben keinen eignen Willen. Nicht genug,
-daß sie, wie ein Ausreißer, davon läuft, und wie ein Landstreicher im
-nächsten besten Haus übernachtet, ohne zu denken, was ihre Ehre dabey
-leidet; nun fährt sie auch noch sorglos spazieren, und spielt die
-Hausfrau, als ob man sie aller mütterlichen Gewalt entlassen hätte.“
-Horazio bestand darauf, daß das Fräulein wirklich nicht in seinem Hause
-sey; und Feliciane eilte mit der Duenna in demselben Augenblicke durch
-den Garten in das andere Haus. Ein Bedienter gab Horazio ein Zeichen,
-daß die Auswanderung glücklich überstanden sey, und Horazio bath
-Theodoren nun, nicht unmuthig zu werden, und sich durch den Augenschein
-zu überzeugen, daß er die lautere Wahrheit spräche. Er reichte ihr den
-Arm, und führte sie Treppe auf, Treppe ab, Stube aus, Stube ein, bis
-das ganze Haus rein durchsucht war. „Sie sehen nun selbst,“ sagte er,
-„daß ich Sie nicht getäuscht habe, und ich versichere Sie vielmehr, daß
-mir über ihr langes<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> Außenbleiben selbst bange wird. Es ist schon spät;
-wenn ihr nur kein Unglück widerfahren ist!“</p>
-
-<p>„Ungerathenes Kind! Unvorsichtiges Kind!“ murmelte Theodora zwischen
-den Zähnen. „Was ist nun zu thun?“</p>
-
-<p>„Nichts,“ antwortete Horazio, „als daß Sie die Güte haben, ein wenig zu
-warten.“</p>
-
-<p>Sie wartete gegen einer Stunde; da sie aber sah, daß es vergebens sey,
-fragte sie, zu was für einer Freundinn sie gefahren wäre. Man rief den
-Kutscher; es war aber schon abgeredet, daß er nicht kommen sollte.
-Endlich sagte Theodora: „Das Mädchen scheint zu wissen, was es zu thun
-habe; aber auch ihre Oheime werden ihre Pflicht kennen, und werden sie
-zurück zu halten wissen, wenn sie sich auch selbst in’s Unglück stürzen
-will. Leben Sie wohl!“ Mit diesen Worten stieg sie in den Wagen, und
-fuhr fort.</p>
-
-<p>Es vergingen nicht zwey Stunden, so kamen auch schon zwey Bekannte
-Theodorens, und fragten nach Donna Blanca.</p>
-
-<p>Die Bedienten hatten schon den Auf<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span>trag, jedermann zu sagen, daß sie
-des Abends nicht zu Hause speise, und daß sie sich, wenn es dringend
-wäre, nach Mitternacht, oder den folgenden Tag sehr früh wieder
-einfinden könnten. Die Oheime gingen denn wieder die Straße hinunter,
-und Feliciane sagte, als sie sie erblickte: „Wehe mir! das sind
-meine Oheime.“ Den nächsten Morgen brachte Horazio seine Blanca in
-das Haus, das er gemiethet hatte, machte sich aller Geschäfte ledig,
-und bestellte des Nachts Wagen und Maulthiere, um nach Barcelona
-abzufahren. Nach Tische besann er sich, daß er mit einem unbeschuheten
-Carmeliten noch etwas abzuthun habe, und wollte noch in das Kloster,
-das ganz in der Nähe war, hinüber gehen. Er gab Felicianen unterdessen
-ein kleines Felleisen, in dem über zwölf tausend Escudo’s an Geld’
-und Geschmeide waren, in Verwahrung, und eilte hinüber. Dieser kleine
-Umstand löste nun den Knoten mit einem Mahle. Ohne nun weiter auf etwas
-zu denken, packten Feliciane, Banuelos und Mogrobejo das Felleisen
-und das Bündel mit Felicianens<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> Kleidern zusammen, schlichen durch
-das andere Haus, und erreichten die Wohnung Stephaniens, einer guten
-Freundinn Felicianens, mit heiler Haut. Horazio kam zurück, und ließ
-den Wagen an der Thür des anderen Hauses, in dem Feliciane seyn sollte.
-Er suchte sie überall, und fand sie nicht. Er fragte die Haushälterinn
-nach ihr; diese wußt’ ihm aber nichts zu sagen, als daß sie das
-Fräulein auf die Straße geschickt habe, um zu sehen, ob nicht etwa ihre
-Oheime wieder kämen. Horazio war ganz verwirrt, suchte sie neuerdings,
-und beschloß endlich, die Nachbarn zu fragen, ob sie keiner gesehen
-habe. Niemand hatte sie gesehen; nur einen einzigen Bedienten hatten
-zwey Ritter, denen drey oder vier Bediente nachtraten, nach ihnen
-gefragt. Horazio dachte sogleich, daß dieß die Oheime gewesen seyn
-dürften, und es befiel ihn eine solche Angst, daß er sich plötzlich
-auf einen von den Mauleseln, die zur Abreise in Bereitschaft standen,
-setzte, und nach Alcara ritt; seinen Bedienten aber befahl er, Donna
-Blanca, so bald sie zurück<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> käme, zu sagen, daß sie ihm mit dem Wagen
-folgen sollte. In Todesangst kam er zu Alcara an, und konnte mit sich
-selbst über Blanca’s schnelles Verschwinden nicht einig werden. Vier
-Tage hielt er sich dort auf, und wartete voll Ungeduld; da sie aber
-noch nicht kam, war er überzeugt, daß sie ihren grausamen Oheimen in
-die Hände gefallen sey. Er war so gutmüthig, daß er ihr Schicksal
-beweinte, und der sichern Hoffnung war, daß sie ihm ihre Lage in einem
-Briefe nach Mailand schildern werde. Um nun ja gewiß bey der Ankunft
-desselben in seiner Vaterstadt zu seyn, und ihn nicht eine Stunde auf
-der Post liegen zu lassen, eilte er, was er konnte, nach Barcelona,
-und Feliciane feyerte unterdessen den Triumph ihrer List, und die
-Niederlage seiner Zärtlichkeit.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span></p>
-
-<h2 class="spaced" id="ZWEYTE_SPAZIERFAHRT">ZWEYTE SPAZIERFAHRT.</h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="initial">F</span>eliciane ward zu Hause mit allem Jubel empfangen, mit dem man
-gewöhnlich einen großen Feldherrn empfängt, der von einer gewonnenen
-entscheidenden Schlacht, und, was hier der wesentlichste Umstand war,
-mit einer reichen Beute beladen, nach Hause kehrt. Nun traf die Reihe
-die schöne Louise, die schon vor Verlangen brannte, ihrer klugen
-Schwester auf dieser edlen Rennbahn den Vorsprung abzugewinnen. Die
-wichtigste vorläufige Anstalt war, daß der Wagen anders zugerichtet
-ward, die Rappen in Schimmel, und der schwarzköpfige Kutscher in einen
-blonden verwandelt wurde. Louise war ihres glücklichen Erfolges so
-gewiß, daß ihr Feliciane das nöthige Geld auf diese Unkosten leihen
-mußte.</p>
-
-<p>Da nun alles veranstaltet war, suchte sie in der Stummengasse eine
-Wohnung. In dieser wohnte seit kurzer Zeit ein reicher Graubart aus
-Genua, den eigentlich<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> nichts nach Madrit geführt hatte, als seine
-seltsame Gemüthsart, die ihn immer peinigte; er konnte nicht lange an
-einem Orte leben, ohne daß ihn die tödtlichste lange Weile plagte. Er
-war ein großer Freund des Frauenzimmers, war aber so karg, daß ihm auch
-diese Quelle des Vergnügens unmöglich reich zuströmen konnte. Er hieß
-Cäsar Antonio, hielt einen Wagen, vier Bediente und eine Haushälterinn.</p>
-
-<p>Gegen über nun von diesem Manne bezog unsere schöne Sevillanerinn
-das erste Stockwerk, mit einem Balcon auf die Gasse. Die Tracht, in
-der sie sich einführte, war ein Wittwenkleid, und zwar die tiefste
-Trauer, als ob sie ihren seligen Gatten erst vor einigen Tagen begraben
-hätte. Sie trug ein kurzes gefaltetes Mäntelchen, darunter ein enges
-Kleid mit langen Spitzärmeln und niedlichen Krausen, die ihrer Hand
-vortrefflich ließen; am Halse war der Kragen zurück geschlagen, und an
-der Brust lief ihr wieder eine breite lockere Spitzenkrause zusammen.
-Im blonden Haare hatte sie nichts, als einige schwarze Schleifen, und
-einen flornen Schnabel<span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span> gegen die Stirn. Über den Rücken schwebte der
-Schleyer, und um den Hals hing ihr eine lockere Kette von schwarzen
-Perlen. Welcher Mann wäre nicht gern gestorben, um seine schöne Wittwe
-in einem so reitzenden Trauerhabite zu sehen?</p>
-
-<p>Sie richtete ihre Wohnung auch ganz nach dem Stande, den sie angenommen
-hatte, ein, und kam in derselben mit ihrer Mutter, die ihr als Duenna
-diente, der frommen Banuelos, und ihrer Schwester, die eine nahe
-Verwandte spielen mußte, an. Sie fuhren Schritt vor Schritt, und der
-alte Escudero ging neben dem Wagenschlage. Als sie diesen feyerlichen
-Einzug hielt, stand der Genueser eben auf dem Balcon. Er riß die
-Augen groß auf, und brannte vor Neugierde, wer wohl seine Nachbarinn
-seyn dürfte. Die Gesellschaft war nun ausgestiegen, und das Erste,
-was Louise that, war, daß sie das Mäntelchen ablegte, und sich dem
-Genueser auf ihrem Balcon in unverhüllter Schönheit zeigte. Der Alte
-gaffte wie ein hundertäugiger Argus herüber; das Herz schlug ihm
-wie eine Wanduhr, und er meinte keine grös<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span>sere Schönheit in seinem
-Leben gesehen zu haben, als diese Proserpina; und er hatte doch viele
-gesehen. Louise sah unterdessen bald die Straße hinauf, bald die Straße
-hinunter, und stellte sich an, als ob sie nun plötzlich erst einen
-Blick auf den unbeweglichen Genueser hinüber wärfe, was ihm Gelegenheit
-gab, eine tiefe Verbeugung, die er schon lange in Bereitschaft hatte,
-anzubringen. Louise erwiederte sie zwar sehr höflich, kehrte sich aber
-sogleich zu ihrer Gesellschaft um, und sagte halb laut, doch aber
-so, daß der Genueser jedes Wort hören konnte: „Das Einzige habe ich
-vergessen; gleich morgen muß der ganze Balcon mit Jalousien versehen
-werden; mein Stand erlaubt es durchaus nicht anders.“ Der Genueser, der
-gerade keiner von den schüchternsten war, mischte sich ohne Anstand ins
-Gespräch, und sagte: „Ich wäre untröstlich, wenn ich Sie durch mein
-Gegenüberwohnen in dem Vergnügen stören sollte, auf Ihrem Balcon die
-frische Abend- oder Morgenluft zu genießen. Ich werde Sie überzeugen,
-daß es mir Ernst ist; und wenn Sie<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> morgen Ihren Balcon mit Jalousien
-schirmen, lass’ ich den meinigen mit Bretern verschlagen. Oder wenn
-mir das der Arzt verbiethen sollte, beding’ ich mir aus, daß Sie Ihre
-Jalousien immer völlig schließen, und“ &mdash; Louise hatte nun eben den
-Handschuh abgezogen &mdash; „mir nicht einmahl diese schöne Hand hervor
-gucken lassen. Auch muß ich es fordern, um mich nie mit einiger Gefahr
-im Neglige auf meinem Balcon sehen zu lassen. Vergeben Sie, daß ich
-so zudringlich bin, und mich sogleich ins Gespräch gemengt habe; aber
-meine gute Laune sucht mich selten heim.“ Louise lächelte ihm gefällig
-zu, machte ihm eine Verbeugung, und ging hinein.</p>
-
-<p>Der Graubart aus Genua hatte nun weder Rast noch Ruhe mehr. Er lauschte
-den ganzen Abend an der Hausthür, bis er den Escudero ausgehen sah, den
-er auch an der Stelle anhielt, und fragte, wer seine Gebietherinn wäre.
-Dieser hatte seine Rolle schon gut gelernet, und sagte ihm denn, daß
-sie eine Dame aus Saragossa wäre, daß sie Donna Angela de Bolea heiße,
-und an einen vornehmen Edelmann<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> dieser Stadt verheirathet gewesen sey.
-Sie sey nach Hofe gekommen, um da einen Oheim zu erwarten, der hier
-mit einem unermeßlichen Reichthume aus Indien ankommen werde, und sie
-zur einzigen Erbinn seines ganzes Vermögens bestimmt habe, welches in
-mehr als achtzig tausend Escudo’s bestände, wie sie auch jetzt schon
-jährlich mehr als zwey tausend von ihm empfange.</p>
-
-<p>Der Genueser glaubte ihm jedes Wort, und sann nun schon unablässig,
-wie aus seiner Nachbarschaft eine vertraute Bekanntschaft werde. Er
-dankte dem Escudero recht höflich, und bath ihn, seiner Gebietherinn
-zu melden, daß alles, was in seinem Hause sey, zu ihrem Befehle wäre.
-Der Escudero dankte ihm aber, und versicherte, daß sie mit allem
-überflüssig versehen wären.</p>
-
-<p>Die Jalousien blieben am folgenden Tag’ aus, und Antonio, der dem
-Verlangen, sie zu sehen und zu sprechen, nicht länger widerstehen
-konnte, ergriff diese Gelegenheit, um zu ihr hinüber zu schicken, ihr
-dafür zu danken, und sie zugleich um die<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> Erlaubniß bitten zu lassen,
-daß er ihr aufwarten dürfte. Sie war zu artig, als daß sie selbst in
-ihrem Wittwenstande, den Besuch eines alten Nachbars, der sich über
-dieß zuvorkommend höflich bezeigt hatte, hätte ablehnen sollen. Er war
-voller Freude, putzte sich so gut heraus, als er konnte, ließ zwey
-Bediente nachtreten, und spazierte wie ein Pfau die Straße hinüber.
-Er fand die schöne Wittwe auf einem schwarz überzogenen Stuhl’, und
-um sie herum war ein schwarzer Teppich aufgebreitet, auf dem die zwey
-Duennen saßen, die sich mit Mäntelchen und Schleyern ein ehrwürdiges
-Ansehen gegeben hatten. Er brachte eine lange Glockenstunde in diesem
-angenehmen Zirkel zu, ohne daß er den geringsten Anfall von seiner
-gewöhnlichen Krankheit der langen Weile gehabt hätte. Endlich brach
-Louise das Gespräch ab, und bath um Vergebung, daß sie nicht länger
-von der Gesellschaft seyn könne, da sie um diese Stunde sich zurück
-zu ziehen pflege. „Diese Stunde,“ sagte sie, „ist dem Andenken meines
-seligen Mannes geweihet.“ „Ich darf Sie aber<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span> doch wieder besuchen?“
-sagte Antonio. „Es wird mir immer ein Vergnügen seyn,“ antwortete
-Louise, und ging in’s Nebenzimmer: der Genuese ging voll Vergnügen
-fort, und schickte ihr noch einige Früchte aus seinem Garten zur
-Erfrischung herüber.</p>
-
-<p>Unter seinen Bedienten war ein Spanier, ein Toledaner, den er wegen
-seiner besonderen Geschicklichkeit in Musik, und seinen drolligen
-Einfällen aufgenommen hatte. Auch war sein Gehirn ein Bißchen von
-Poesie verbrannt. Mit diesem Burschen nun wollte er Louisen ein
-Fest machen, welches in einem Liedchen bestehen sollte, das er ihr
-sänge. Als sie nun des Abends mit ihrer Gesellschaft auf dem Balcon
-nachtmahlte, stellte er Leonardo, so hieß der Bediente, auf seinen
-Balcon, ihnen gerade gegen über. Leonardo nahm seine Guitarre zur Hand,
-und sang:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Holder Stern der schönen Nacht!</div>
- <div class="verse">Wenn dein Auge freundlich lacht,</div>
- <div class="verse">Dann erfreuet sich mein Sinn,</div>
- <div class="verse">Daß ich dein Geliebter bin.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Du leuchtest in sanftsüßer Pracht,</div>
- <div class="verse">Wie ein Gestirn in finstrer Nacht.</div>
- <div class="verse">Dein Blick mein Herze gleich erhellt,</div>
- <div class="verse">Wie, wenn vom Stern ein Schnupfen fällt.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Ich sehe dir von ferne zu,</div>
- <div class="verse">Und wie ein Irrwisch flimmerst du;</div>
- <div class="verse">Ich folge deinem matten Schein,</div>
- <div class="verse">Und locktest mich in’s Koth hinein.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Denke meiner, schönes Kind,</div>
- <div class="verse">Und entschlafe nicht geschwind!</div>
- <div class="verse">In Gedanken, glaub’ es mir,</div>
- <div class="verse">Bin ich auch des Nachts bey dir.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p>Der Genuese küßte ihn, und die Damen waren so artig, ihm Beyfall
-herüber zuzuklatschen. So albern der Bursche war, hatt’ er doch, wie
-gesagt, seine eigene Weise, und war überhaupt so gewandt und launigt,
-daß man ihm nicht abhold seyn konnte. Auch unsere schöne Wittwe hatte
-diese Serenate so unterhalten, daß sie den folgenden Tag wieder zu
-ihrem Nachbar hinüberschickte, und ihn zu sich bitten<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> ließ. Das
-Gespräch ward immer lebhafter, und der Genuese gerieth, bevor er
-dessen gewärtig gewesen war, in solche Flammen, daß er seinem Triebe,
-sich näher zu erklären, nicht länger widerstehen konnte: er sagte ihr
-tausend abgeschmackte Schönheiten, küßte ihr die eine Hand um die
-andere, warf so feurige Blicke, wie eine Katze in der finstern Kammer,
-und geberdete sich, mit einem Worte, so läppisch, daß sich Louise und
-ihre Gesellschaft darüber kaum des Lachens erwehren konnten. Sein
-Meisterstück kam aber erst nach. Ein leichtes Zittern, das Wechseln
-der Gesichtsfarbe, und ein beständiges Trippeln gingen voraus: endlich
-sprang er wie einer, den der Fieberanfall packt, vom Stuhle auf, und
-bath Louisen, mit ihr einige Worte unter vier Augen sprechen zu dürfen.
-Louise sah deutlich, wo das hinaus wolle, und führte ihn sogleich in
-ein Nebenzimmer. Hier ließ sich der alte Bock auf seine vordern Knie
-nieder, und beichtete ihr die Sünde seines verliebten Herzens, das für
-sie in hellen Flammen stehe, und nur durch einen plötz<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span>lichen Aufguß
-von Gegenliebe zu löschen sey. Louise nahm seine Liebeserklärung mit
-vieler Schonung auf, und sprach lächelnd: „In der That, mein Herr,
-Sie haben mich überrascht, und am wenigsten hätt’ ich eine solche
-Verwandlung von dem Mann’ erwartet, der vorgestern noch seinen Balcon
-mit Bretern verschlagen lassen wollte. Auch muß ich Ihnen gestehen,
-daß es mich Wunder nimmt, wie ein Mann, der doch eben nicht mehr in
-den blühenden Jugendjahren ist, und manches erfahren zu haben scheint,
-mit diesem &mdash; erlauben sie mir, daß ich es sagen darf &mdash; hastigen
-Geständnisse eine Wittwe in Verlegenheit setzen kann, die noch
-nicht vierzehn Tage das Trauerkleid trägt.“ Der Genuese wollte sich
-entschuldigen, stotterte aber, daß ihm nicht eine ordentliche Sylbe
-gelang. „Indessen,“ fuhr Louise fort, und lächelte, daß es einen Todten
-im Grabe hätte wecken können, „indessen muß ich Ihnen sagen, daß ich
-eitel genug bin, über keine Erklärung, und käme sie noch so zur Unzeit,
-aufgebracht zu werden; und einem Manne zu gefallen, dessen Herz<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> nicht
-zum ersten Mahle gewonnen wird, ist mir immer schmeichelhafter, als
-wenn ich ein Jünglingsherz berücke, das noch niemahls ins Freye kam.“
-„O Sie geben mir das Leben wieder,“ sagte Antonio, und einige Thränen
-suchten durch die Furchen seiner Backen abzufließen; „darf ich also
-hoffen?“</p>
-
-<p>„Bester Antonio!“ sagte Louise, „was wird unsere Gesellschaft denken,
-wenn wir an unsern wenigen Worten so lange zu sprechen haben?“ Mit
-diesen Worten ging sie in das Gesellschaftszimmer zurück, und Antonio
-folgte ihr ganz verstört nach.</p>
-
-<p>Indessen glaubte er doch in ihren Blicken mehr als Nachsicht zu lesen,
-und war diesen Abend so inniglich vergnügt, daß seine ganze Großmuth
-erwachte, und er ihr ein Paar Handschuhe und einen Fächer überreichte,
-die er aus Mexico erhalten zu haben vorgab, um ihren Werth doch einiger
-Maßen zu erhöhen. Louise erklärte nun, daß sie wünsche, ihrem Nachbar
-seine Musik mit einer andern erwiedern zu können. Es war schon ziemlich
-spät, und Antonio mußte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> Wohlstands halber empfehlen; er muthmaßte
-aber, daß ihm Louise das Vergnügen machen würde, ihn ihre Engelstimme
-hören zu lassen, und setzte sich denn mit Leonardo auf seinen Balcon.
-Beyläufig nach einer halben Stunde erschien Louise wirklich, von
-Felicianen allein begleitet, mit einer wohl gestimmten Guitarre, auf
-dem ihrigen, setzte sich, und sang:</p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Einsam irrt die fromme Taube,</div>
- <div class="verse">Findet nirgends Ruh’,</div>
- <div class="verse">Flattert traurig in die Laube,</div>
- <div class="verse">Girret ihrem Tauber zu.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Weit von hier ist er geflogen;</div>
- <div class="verse">Bänglich suchet ihn ihr Blick.</div>
- <div class="verse">Ist er andern nachgezogen?</div>
- <div class="verse">Kehrt er nicht getreu zurück?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Tauber! laß sie nicht so flehen!</div>
- <div class="verse">Tauber! laß sie nicht allein!</div>
- <div class="verse">Sieh! er kommt! das Wiedersehen</div>
- <div class="verse">Wird nun doppelt freudig seyn.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p>Der Genueser und sein Leonardo waren<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> ganz entzückt, und wollten eben
-laut klatschen, als beyde Damen mit einander zu singen anfingen.</p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Bitter sind der Liebe Leiden,</div>
- <div class="verse">Fürchterlich der Trennung Schmerz;</div>
- <div class="verse">Doch wer kann die Liebe meiden,</div>
- <div class="verse">Denn sie kommt von selbst ins Herz.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Eigensinnig ist ihr Wille;</div>
- <div class="verse">Sie bestimmt, was schön ist, nur;</div>
- <div class="verse">Bald besucht sie die Myrtille,</div>
- <div class="verse">Bald des alten Damons Flur.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p>Sie hatten sich bemühet, jede Sylbe vernehmlich auszusprechen, und so
-war denn die letzte Strophe kaum zu Ende, als Octavio zu klatschen
-anfing, daß man es in der ganzen Straße hören konnte. Man ging
-allerseits zu Bette, aber mit ganz verschiedenen Gedanken. Antonio
-dachte ihr Herz mit den geringsten Kosten zu erobern, und Louise sann,
-wie sie sein Geld Beute machen könne, ohne auch nur das geringste von
-ihrem Herzen einzubüßen.</p>
-
-<p>Als Antonio eines Abends wieder bey<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> ihr einen Besuch abstattete,
-hörte man auf der Straße plötzlich ein Gezänke zwischen Mogrobejo, dem
-Escudero, und einer unbekannten Person. Louise fragte, was es wäre,
-und vernahm, daß der Escudero mit einem Bedienten des Hausherrn in
-Streit gerathen sey. Sie ließ ihn herauf kommen, und bath den Genueser
-um Vergebung, daß sie ihre Neugierde sogleich in seiner Gegenwart zu
-befriedigen suche, was sie vor einem andern, auf dessen Freundschaft
-sie weniger rechne, nicht wagen würde. Nun trat der Escudero ganz
-zornig ein; Louise fragte ihn um den Hergang des Gezänkes, und
-Mogrobejo antwortete: „Der Henker möcht’ auch nicht zanken! da kommt
-mir der Bediente des Hausherrn, und verlangt die Miethe für unser
-Quartier, das wir auf ein Jahr gemiethet haben, und von dem man doch
-die Miethe erst mit Ende des Jahres zu bezahlen pflegt. Da hat er
-durchaus zu Euer Gnaden herauf gewollt, und weil ich ihn nicht ließ,
-war der Kerl grob; aber er soll mir!“ &mdash; „Lass’ er ihn kommen,“ sagte
-Louise; und es trat ein Page ein, der ihr<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> ehrfurchtsvoll einen Zettel
-überreichte. Sie las ihn flüchtig durch, und sagte: „Sag’ er seinem
-Herrn, ich ließe mich empfehlen, und ließ ihm sagen, daß ich gar
-nicht abgeneigt bin, ihn jedes Mahl für den Monath in vorhinein zu
-bezahlen. Daß er in Verlegenheit ist, konnt’ ich nicht wissen; und
-es gefällt mir, daß er so offenherzig spricht. Ich sey aber für den
-Augenblick selbst in Verlegenheit; meine Gelder sind aus Sevilla noch
-nicht angekommen, und ich ließe ihn denn ersuchen, höchstens acht Tage
-Geduld zu haben, dann wollt’ ich ihm die Miethe für drey oder noch mehr
-Monathe auf ein Mahl schicken. Übrigens, Mogrobejo, weiß ich nicht,
-warum er ihn nicht sogleich verließ.“ Der Page trat ab, und Louise
-sagte: „Es ist wahrhaftig sonderbar, daß ein Hausherr, dem man für ein
-einziges Gelaß tausend Realen des Jahrs bezahlt, so dringend auf eine
-Monathsmiethe ansteht. Der Mann muß unglücklich, oder ein Taugenichts
-seyn, und ich wollte einen Finger von der Hand verlieren, wenn ich ihm
-seine tausend Reale augenblicklich in die<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> Betteltasche werfen könnte.“
-Sie meinte nun mehr, als zu viel, gesagt zu haben, um Antonio’s
-Großmuth und Ehrgeitz in Bewegung zu setzen; diese beyden Eigenschaften
-ruhten aber in seinem Herzen in einem so abgelegenen Winkel, daß sie
-ein schulgerechter Anatomiker zu suchen gehabt hätte.</p>
-
-<p>„Ja, wahrhaftig,“ antwortete Antonio, „es sind schwere Zeiten, und der
-ordentlichste Mann hat zu sorgen, daß er sich von einem Tag’ auf den
-andern behilft.“</p>
-
-<p>Louise merkte nun wohl, daß sie dieses Schalthier nicht mit der Angel
-fangen könne; sie brachte denn das Gespräch auf andere Gegenstände, und
-sie schieden nach einiger Zeit aus einander.</p>
-
-<p>Es mußte denn ein neuer Plan angelegt werden. Mogrobejo hatte jemahls,
-bevor er es bis zum Stallmeister gebracht hatte, als Schreiber bey
-einem Sachwalter gedient, und hatte sich da die einer Gerichtsperson
-unentbehrliche Geschicklichkeit, jede Handschrift täuschend
-nachzuahmen, beygelegt. Diesem befahl nun Louise, die Firma irgend
-eines der bekanntesten Ge<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span>nueser zu Sevilla nachzuahmen. Um dieß nun
-ins Werk setzen zu können, mußte er in einem von den Kaufmannshäusern,
-von welchem Briefe abgeschickt wurden, Bekanntschaft machen. Es gelang
-ihm auch bald, und er war mit einem Buchhalter bald so vertraut, daß er
-ihn täglich auf seiner Schreibstube besuchte. Nach wenigen Tagen sah
-er einen Brief, wie er ihn wünschte. Er war von Carlo Grimaldi, dem
-reichsten Genueser in Sevilla. Der Buchhalter war mit seiner Arbeit
-beschäftigt, und Mogrobejo benutzte diese Gelegenheit, um den Brief so
-geschickt nachzuschreiben, daß es schwer fiel, die echte Schrift von
-der nachgemachten zu unterscheiden. Er eilte nun freudig nach Hause,
-und Louise beschenkte ihn im vorhinein mit dreyßig Escudo’s.</p>
-
-<p>Als sie Antonio den folgenden Tag besuchte, fand er sie eben mit einer
-Menge Geldes beschäftigt, das ihr Feliciane, die unterdessen einen Ring
-zu Gelde gemacht, vorgestreckt hatte. „Erlauben Sie,“ sagte sie, „daß
-ich nur erst ein kleines Geschäft abthue.“ Sie machte tausend Reale in
-ei<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span>ne Rolle zusammen, und rufte Mogrobejo. „Hier, nehm’ er,“ sagte sie;
-„ich lasse mich dem Hausherrn empfehlen, und hier schick’ ich ihm gegen
-Quittung den ganzen Jahreszins. So hat es doch ein Mahl ein Ende.“</p>
-
-<p>Nun fühlte Antonio erst, wie unartig und unverzeihlich es von ihm
-gewesen sey, einer Dame von solchem Rang’ und Vermögen nicht sogleich
-all sein Hab’ und Gut anzutragen. Indessen war es nun einmahl
-geschehen, und es blieb ihm nichts übrig, als daß er sein Versehen
-wieder gut zu machen suchte. Das erste, was ihm beyfiel, war ein
-Antrag, sie in die Komödie zu führen. Der Zufall wollte, daß man
-denselben Tag gerade ein Zwischenspiel aufführte, das sein Leonardo
-verfaßt hatte, und das ihm nun allerdings einen Vorwand zum Antrage
-gab. „Wahrhaftig,“ sagte Louise, „ich wäre gar nicht abgeneigt,
-hinzugehen; denn, wie ich schon neulich aus Leonardo’s Gesang’
-abgenommen habe, ist er ein aufgeweckter Geist, und hat lustige
-Einfälle.“</p>
-
-<p>„Über dieß,“ erwiederte Antonio, „ver<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span>dient auch das eigentliche Stück
-selbst, gesehen zu werden. Es ist die <i>adelige Küchenmagd</i> von unserm
-berühmten Lope de Vega.“</p>
-
-<p>„Ja, wir gehen,“ sagte Louise; „aber halt! was bin ich doch für eine
-Thörinn? Meine Kleidung und das Theater! Es würde trefflich zusammen
-passen!“</p>
-
-<p>„Seyn Sie doch nicht so strenge; was Ihnen auch Ihr Kleid verbiethen
-würde, erlaubt Ihnen Ihr Alter. Eine junge, schöne Wittwe! &mdash; Gerade
-Sie müssen sich ja zerstreuen und aufheitern.“</p>
-
-<p>„Aber was würde die Welt sagen?“</p>
-
-<p>„Die Welt! die Welt! Sie sind auch gar zu genau. Was nennen Sie die
-Welt? Die Leute! &mdash; gut! die Klugen werden es klug finden, daß Sie sich
-nicht einkerkern, wie eine Nonne, und Ihrem Kummer durch die Einsamkeit
-noch Nahrung geben; und um die Narren werden Sie sich wenig bekümmern.
-Auch läßt sich ein Kleid ablegen.“</p>
-
-<p>„Wenn ich auch dieß einzige Mittel ergreifen wollte, zu dem so viele
-andere junge Wittwen ihre Zuflucht nehmen, so<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> kann ich es doch um
-meines Oheimes willen nicht wagen, der ein Erzgrübler ist. Ich erwart’
-ihn mit jeder Stunde, und stehe mit ihm in solchen Verhältnissen,
-daß ich sehr unklug seyn würde, wenn ich seine Freundschaft um einer
-Kleinigkeit willen auf’s Spiel setzen wollte.“</p>
-
-<p>„Vortrefflich, klug, und schön gesprochen!“ sagte Antonio; „aber mir
-fällt eine Art ein, wie Sie das Zwischenspiel sehen können, ohne in’s
-Theater zu gehen.“</p>
-
-<p>„Lassen Sie hören!“ &mdash;</p>
-
-<p>„Leonardo hat mehrere junge Freunde, Leute von Talenten, mit deren
-Bildung und Unterricht in verschiedenen Dingen er sich immer abzugeben
-pflegt; mit diesen soll er uns nun in ein Paar Tagen das Zwischenspiel
-in meinem Hause aufführen. Es soll niemand dabey seyn, als Sie, Ihre
-Gesellschafterinnen und ich; und gegen diese Art es zu sehen, wird auch
-Ihre pünctlichste Vorsicht nichts einzuwenden haben.“ Unter diesen
-Bedingnissen nahm sie seinen Antrag an, und schlug ein. Sofort sprachen
-sie von verschiedenen anderen Dingen, und da denselben Tag die Post<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span>
-aus Andalusien ankam, fragte sie ihn, was er wohl Neues aus Sevilla
-höre. Er antwortete, daß er nichts von Belange höre, und daß seine
-Briefe immer nur trockene Geschäfte enthielten. „Ich habe heute,“ fuhr
-sie fort, „diesen Zettel von einem Genueser erhalten, der mit meinem
-Vetter in Indien im Briefwechsel steht; lesen Sie ihn zur Güte: ich
-möchte gar zu gern wissen, ob Sie ihn, und die Person, an die der Brief
-gerichtet ist, kennen.“ Er gab sich alle Mühe, ihn ohne Augengläser zu
-lesen, und las:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„Ich habe vom Capitäne Bolea den Auftrag erhalten, Euer Wohledlen,
-nebst unterthänigstem Gruß, zu melden, daß selber seine Abreise
-so geschwind’ als möglich beschleunigen wird. Er befiehlt mir
-zugleich, Euer Wohledlen acht tausend Thaler abzuliefern, als
-weßwegen beyliegender Brief die Anweisung enthält; mich empfehlend,
-und meine Dienste auch in wichtigen Gelegenheiten antragend.</p>
-
-<p class="mleft2">E. W.</p>
-
-<p class="right mright2">Carlo Grimaldi.</p>
-
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span></p>
-
-<p>Im Zettel lag der Brief:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„Herr Juan Baptista Lomelie beliebe an Donna Angela de Bolea, am
-Hofe anwesend, acht tausend Thaler in Doppelgeld auf vierzig Tage
-verabfolgen zu lassen, wofür ich eben so viele vom Capitäne Don
-Genealo Bolea, ihrem Oheime, empfangen habe.</p>
-
-<p>Sevilla, den 12. September 1630.</p>
-
-<p class="right mright2">Carlo Grimaldi.</p>
-
-</div>
-
-<p>„Der Mann,“ sagte Antonio, „von welchem der Brief kommt, ist ein
-ungemein ordentlicher und sehr reicher Mann, und der, an den der Brief
-gehört, ist es nicht minder.“</p>
-
-<p>„Es ist mir genug,“ erwiederte Louise, „daß ich es aus Ihrem Munde
-höre; aber ist die Sache deßhalb nicht minder unangenehm? Was denkt der
-Mann? Er weiß, er schreibt mir da selbst, daß mein Oheim erst kommen
-wird, daß ich folglich allein hier bin, und setzt mir doch nur vierzig
-Tage. Wer steht mir gut, daß der Capitän bis dort angekommen ist?
-wahrhaf<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span>tig, eine Verdrießlichkeit um die andere kommt mir über den
-Hals.“ Nun glaubte Antonio, sein neuliches Versehen ohne die mindeste
-Gefahr wieder gut machen zu können, und sprach: „Beste gnädige Frau,
-lassen Sie dem Manne seine Grillen, und nehmen Sie die Zahlung gar
-nicht an. Sie sagen mir, was Sie beyläufig brauchen, ich bring es
-herüber; Sie stellen es mir nach Belieben zurück, und somit gut.“</p>
-
-<p>„Es ist mir wirklich eine große Gefälligkeit,“ sagte Louise, „wenn
-Sie mich aus dieser Verlegenheit bringen. Sechs tausend Thaler sind
-mir genug.“ „Mit Vergnügen!“ fuhr Antonio fort; „Sie schicken morgen
-früh Ihren Mogrobejo, mit einem Paar Zeilen zu mir hinüber, und
-empfangen die Summe.“ „Ich bin Ihnen wirklich Dank schuldig,“ sagte
-Louise, drückte ihm die Hand, und hieß ihn auf das Zwischenspiel nicht
-vergessen. Er ging fort, und so innigst vergnügt sie war, daß er an
-die Angel gebissen, so vergnügt war auch er, daß er sein Capital auf
-so angenehme Zinsen, wie er hoffte, anlegen konnte. Er wartete den
-nächsten Morgen<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> nicht einmahl ab, daß Mogrobejo das Geld abzuhohlen
-komme, sondern machte es zusammen, und schickte Leonardo mit seinem
-Morgengruße und der Summe hinüber, ohne zu bedenken, wie viel Gefahr
-das bare Geld in den Händen eines Poeten laufe. Louise war über seine
-Pünctlichkeit ganz entzückt, und drückte Leonardo ein ansehnliches
-Trinkgeld in die Hand. Auch ließ sie Antonio melden, daß sie die
-Vorstellung des Zwischenspiels denselben Abend in ihrem Hause wünsche;
-daß sie alle Anstalten dazu treffen werde, und ihn unausbleiblich zu
-sehen hoffe. Nun lud sie auch die zwey Mitschwestern bey ihrer neuen
-Unternehmung, und ihre Mutter zum Schauspiele. Es war Abend; der
-Saal war prächtig beleuchtet, und mit dem angenehmsten Wohlgeruche
-durchräuchert, und der Genueser war mitten unter den Damen so gelagert,
-daß er bequem mit jeder sprechen konnte.</p>
-
-<p>Es ward Stillschweigen gebothen, und drey Tänzer traten mit Guitarren
-auf, und spielten eine sehr artige Sarabande. Als diese zu Ende war,
-erschien Leonardo<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> allein, in einer seltsamen Tracht, die er sich
-selbst aus den buntesten Stücken Stoff zusammen gekünstelt hatte, und
-sprach einen Prolog, in dem er den Zuhörern ganz sanft unter die Nase
-rieb, daß er der Verfasser sey; daß er dieses Stück Arbeit, ohne zu
-prahlen, für eines der witzigsten und originellsten Producte seines
-Geistes halte, und daß es den Titel führe: Der Commissarius von
-Figueras.</p>
-
-<div class="zwischenspiel">
-
-<p class="center">DER<br />
-<span class="s3"><i>COMMISSARIUS VON FIGUERAS</i>.</span></p>
-
-<p class="s3 center"><em class="gesperrt">EIN ZWISCHENSPIEL</em>.</p>
-
-<p class="s3 center mtop1 mbot1">ERSTER AUFTRITT.</p>
-
-<p class="hang">(<i>Der Commissarius mit einem langen weißen Stabe, einem
-schwarzen Unterkleide, einem Mantel darüber, und einer gefärbten
-Kräuseschlafhaube. Der Wirth.</i>)</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Ja werther Freund, dem Geschäfte hat</div>
- <div class="verse">Der Richter von Toledo mich gesandt,</div>
- <div class="verse">Daß ich es schlichten soll mit allem Ernst.</div>
- <div class="verse">An diesem edlen Hofe strotzen ja</div>
- <div class="verse">Von Ungeziefer alle Fugen; ich</div>
- <div class="verse">Bin nun gekommen sie zu reinigen.</div>
- <div class="verse">Der weise Rath hat mich hierher gesandt</div>
- <div class="verse">Von Madrits Ufern &mdash;</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Der Wirth.</i> &mdash; &mdash; Ja, Herr Commissär,</div>
- <div class="verse">Die Plage, die der span’sche Boden trägt,</div>
- <div class="verse">Ist ärger noch, als einst Ägyptens Fluch.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Laß er die Sorge mir, mein edler Wirth,</div>
- <div class="verse">Obschon mein Geist es ahndet, das Geschäft</div>
- <div class="verse">Sey groß und mühsam; drum bereit’ er mir</div>
- <div class="verse">Zwey Flaschen Malaga und weißes Brot.</div>
- <div class="verse">Doch stille! was für Lärmen macht man hier?</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="hang">(<i>Ein Alguazil tritt ein, und schleppt einen Stutzer, mit einem
-Hute voll Bänder, Schleifen, und Federn mit sich.</i>)</p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Der Wirth.</i> Was ist das?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; &mdash; Meine Alguazils sinds.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="hang"><i>(Sie bringen den Gefangenen zum Verhör.)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> In einem Straßenwinkel fanden wir,</div>
- <div class="verse">Hochedler Herr, den Narren hier; er gab</div>
- <div class="verse">Ein Zeichen auf dem prächtigsten Balcon,</div>
- <div class="verse">Auf dem ein Affe saß mit zwey Duennen;</div>
- <div class="verse">Der Affe knackte fleißig Nüsse auf,</div>
- <div class="verse">Und seine Frauen fraßen ihm den Kern;</div>
- <div class="verse">Der Bursche hätte gerne mitgenagt,</div>
- <div class="verse">Denn seine Zeichen waren voll Begierde &mdash;</div>
- <div class="verse">Was quält den Burschen aber wohl, als Eßlust?</div>
- <div class="verse">Wir hätten ihm sein tolles Spiel gegönnt,</div>
- <div class="verse">Doch trieb er’s weiter bis zur Raserey.</div>
- <div class="verse">Er sprang von einem Haus ans andre hin,</div>
- <div class="verse">Und wo ein Kätzchen in dem Fenster saß,</div>
- <div class="verse">Da macht’ er Sprünge, wie ein junger Hund,</div>
- <div class="verse">Und schwang den Zopf, wie Budel ihren Schwanz.</div>
- <div class="verse">Die Kätzchen strichen mit den Pfötchen sich</div>
- <div class="verse">In süßem Selbstgefallen &mdash; Bart und Kopf,</div>
- <div class="verse">Und warfen ihm für seine Gaukeley</div>
- <div class="verse">Flor, Blumen, Federn, Band und Handschuh zu.</div>
- <div class="verse">Er las es gierig auf, wie Haberkorn</div>
- <div class="verse">Die jungen Hühner, und sprang weiter fort.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Wer bist du? sprich!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Stutzer.</i> &mdash; &mdash; Ich bin des Glückes Sohn,</div>
- <div class="verse">Und wenigstens sein allernächster Freund.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Du bist ein Narr, drum ist das Glück dir hold;</div>
- <div class="verse">Drum hängest du den Schild der Narrheit aus.</div>
- <div class="verse">Doch sprich, was soll wohl dieser tolle Hut?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Stutz.</i> Des Ruhmes, der mir war, Posaune seyn.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Sie bläst sehr laut. Wo ist der Zierath her?</div>
- <div class="verse">Hast du vielleicht San Jago ausgeplündert?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Stutz.</i> Von sieben Damen sind es die Trophä’n.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Ich glaub’ es gern, daß du sie mit Gewalt</div>
- <div class="verse">Errungen hast.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Stutz.</i> &mdash; &mdash; Die Liebe gab sie mir.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Du lügst; wer liebet einen Narren wohl?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Stutz.</i> Die Damen. O Herr Commißär,</div>
- <div class="verse">Sie scheinen selbst für Weiber gut bestimmt.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Verwegner! wer hat dich gelehrt, so frech</div>
- <div class="verse">Dem Richter von Toledo zu begegnen,</div>
- <div class="verse">An dessen Statt ich hier bin? Doch Geduld,</div>
- <div class="verse">Hier hast du ein Geschenk, das er dir schickt,</div>
- <div class="verse">Und das dich immerfort bezeichnen soll.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Stutz.</i> Wie? Was?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Du hast der Kerne gar</div>
- <div class="verse">Zu viel gegessen; faste nun im Thurm.</div>
- </div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span></p>
-
-<p class="hang"><i>(Sie setzen ihm einen carmoisinrothen Frauenzimmerhut auf, und
-stoßen ihn gewaltig in die Scene. Der zweyte Alguazil tritt mit
-einem Gecken, der sich schön zu seyn wähnt, ein.)</i></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Hier ist ein andrer.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Commiss. &mdash; &mdash; Was ist sein Vergehen?</div>
- <div class="verse">In was hat er gesündigt? nur heraus!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Er meint, er wäre schön.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Geck.</i> &mdash; &mdash; Bin ich es nicht?</div>
- <div class="verse">Ach tödtet mich doch nicht mit diesem Wort!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss. (indem er die Brille aufsetzt.)</i></div>
- <div class="verse">Nach Recht und Pflicht! Man hat ihn hoch getäuscht,</div>
- <div class="verse">Mein lieber Freund! denn seine Nase war</div>
- <div class="verse">Für zwey Gesichter wenigstens bestimmt;</div>
- <div class="verse">Sein Mund ist wie ein Thor gestaltet, und</div>
- <div class="verse">Die Nasenlöcher sind geschlitzt, wie Augen;</div>
- <div class="verse">Sein Haar ist wie des Blutgerichts Fahne;</div>
- <div class="verse">Sein Aug’ ist stumpf und seine Höcker hat</div>
- <div class="verse">Er selbst vielleicht noch nie bemerkt. Mein Freund,</div>
- <div class="verse">Wenn er sich schön glaubt, hat er gar nicht Unrecht.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Geck.</i> Herr Commissär, Sie sprechen nicht nach Recht;</div>
- <div class="verse">Der Richter muß nicht nur das Eine sehen.</div>
- <div class="verse">Belieben Sie nur diese weiße Hand,</div>
- <div class="verse">Die sich so zärtlich küßt,</div>
- <div class="verse mleft12"><i>(er küßt sich selbst die Hand)</i></div>
- <div class="verse mleft10">auch zu betrachten.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Laß er doch sehn!</div>
- <div class="verse mleft12"><i>(er küßt ihm auch die Hand)</i></div>
- <div class="verse mleft10">Es schmeckt nicht sonderlich.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Wie nennt er sich?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Geck.</i> &mdash; &mdash; Don Fenix.</div>
- <div class="verse">Ach wie schön klingt schon der Nahme!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Ja, ganz sonderbar</div>
- <div class="verse">Bist du vom Kopfe bis zum Fuß; doch sehet</div>
- <div class="verse">Auch nach, was er in seinen Taschen hat.
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="hang"><i>(sie durchsuchen die Taschen.)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Ein Büchschen! &mdash; &mdash; sieh! voll Schminke, Spiegel, Kamm.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Geck.</i> Ach, laßt mir das! nehmt lieber mir das Leben!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Hier noch ein Zettel &mdash; seht, noch mehrere,</div>
- <div class="verse">Und sonderbare Zeichen drauf gekritzelt.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Ein Mittel, das die Hände weißer hält, &mdash;</div>
- <div class="verse">Die Stirn zu glätten, an den Fingernägeln</div>
- <div class="verse">Die weißen Flecken zu vertreiben, Lippen</div>
- <div class="verse">Und Wange sich zu röthen. &mdash;</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Geck.</i> &mdash; &mdash; Alles trifft</div>
- <div class="verse">Genau so ein.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Schon gut! vollkommen reif</div>
- <div class="verse">Bist du fürs Tollhaus. Thuet eure Pflicht.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="hang"><i>(Sie setzen ihm eine Narrenkappe auf, und
-der erste Alguazil tritt mit einer Dame ein.)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Am Spiegel fanden wir die Dame hier.</div>
- <div class="verse">Sie machte sich die allertiefsten Knixe,</div>
- <div class="verse">Und &mdash; hört! erklärte selber sich die Liebe.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Dame.</i> Ich liebe mich vor allen; niemand soll</div>
- <div class="verse">Mir dieses Herz entreißen, denn es schwor</div>
- <div class="verse">Die Treue mir.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; Fürwahr ein seltsam Weib!</div>
- <div class="verse">Die Weiber sind sich selber sonst nicht treu.</div>
- <div class="verse">So treten Sie doch näher, Frau Narcisse!</div>
- <div class="verse">Wie war Sie wohl so in sich selbst verliebt?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Dame.</i> Ich konnte länger mir nicht widerstehen;</div>
- <div class="verse">An allen schönen Gaben fand ich mich</div>
- <div class="verse">So reich; jung war ich, hatt’ ein schön Vermögen;</div>
- <div class="verse">Mein Herz errieth gar bald den stillen Gram,</div>
- <div class="verse">Der mich verzehrte, kam auf halben Weg</div>
- <div class="verse">Entgegen mir, in feuriger Umarmung</div>
- <div class="verse">Gestand ich stotternd ihm, was ich empfand.</div>
- <div class="verse">Nun ist es mein Geliebter, weichet nimmer</div>
- <div class="verse">Von mir, eilt jedem Wunsche schnell zuvor,</div>
- <div class="verse">Und wird mich lieben, treu bis in den Tod.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Ihr seyd ein glücklich Weib; denn Eifersucht</div>
- <div class="verse">Wird euch gewiß nicht martern.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Dame.</i> &mdash; &mdash; Ach, mein Herr,</div>
- <div class="verse">Sie foltert mich nur allzu oft,</div>
- <div class="verse">Denn manchmahl hebt es doch den scheuen Blick</div>
- <div class="verse">Auf &mdash; &mdash;</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; Eine Dame?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Dame.</i> &mdash; &mdash; oder einen Mann,</div>
- <div class="verse">Und quält mich.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Ja, das glaub’ ich euch,</div>
- <div class="verse">Und rath euch, keines Menschen Sohn’</div>
- <div class="verse">Mit eurer Liebe jemahls zu beglücken.</div>
- <div class="verse">Die Kappe!</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span></p>
-
-<p class="hang"><i>(Sie erhält die ihrige, und der zweyte Alguazil tritt mit einem
-Poeten, der Bücher ausschreibt, ein.)</i></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Der Wirth.</i> &mdash; Seht, da kommt ein andrer Narr.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Alg.</i> Wir haben ihn ertappt, daß er gar frech</div>
- <div class="verse">Um Verse bettelte; und als man ihm</div>
- <div class="verse">Nichts gab, bestahl er kühn die Bücher selbst.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Nehmt ihm doch sein Gewehr, die Feder ab!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Poet.</i> Mein Herr, sie dienet nicht statt Waffen mir;</div>
- <div class="verse">Ich schneide Käse nur und Brot damit.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Nun gut! so sprich, was hat dich wohl veranlaßt,</div>
- <div class="verse">Die Dichter anzubetteln, die fürs erste</div>
- <div class="verse">So karg sind, daß sie ihren Geistesschwamm</div>
- <div class="verse">Wohl selber drey Mahl pressen, über dieß</div>
- <div class="verse">Nicht schenken dürfen, was Apollo jedem</div>
- <div class="verse">Zum Fruchtgenuß auf die Person verlieh?</div>
- <div class="verse">Doch welche, nenne sie, hast du bestohlen?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Poet.</i> Zu nennen weiß ich sie wahrhaftig nicht;</div>
- <div class="verse">Das war mir gleich, und ich bekenn’ es gern,</div>
- <div class="verse">Ich suchte meistens in der Nacht die Taschen.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Und fürchtetest du nicht, man werd’ am Tag’</div>
- <div class="verse">Erkennen, daß es fremde Habe sey.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Poet.</i> Man läßt es niemahls, wie es war.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss</i>. Du bist ein großer Mann. Die Kappe! Nimm,</div>
- <div class="verse">Hier dieser Lorbeer prang’ auf deinem Haupt!</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Poet.</i> Ein Lorbeer?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Ja, doch ist er nur entstellt,</div>
- <div class="verse">Wie Verse, die du guten Dichtern stahlst.</div>
- <div class="verse">Sie kleidet ihren Mann.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Poet.</i> &mdash; &mdash; Doch nehmet mir</div>
- <div class="verse">Die Schelle; mir genügt bescheidner Ruhm.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Mein edler Freund, durch diesen schönen Zug</div>
- <div class="verse">Hast du fürwahr der Schellen &mdash; zwey verdient.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span></p>
-
-<p class="hang"><i>(Man führt ihn mit gebundenen Händen ab; er scheint in
-Begeisterung. Der erste Alguazil führt einen Ritter ein.)</i></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Ritter.</i> Mein Herr, ich bin ein Held.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; Wer seyd ihr?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Ritter.</i> &mdash; &mdash; Held, und zwar ein großer.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Wer hat euch gekrönt?</div>
- <div class="verse">Wer hat beschrieben, was ihr all’ gethan?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Ritter.</i> Ich selbst.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Wie nennt ihr euch?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Ritter.</i> &mdash; &mdash; Don Wunderbar,</div>
- <div class="verse">Und jetzt quält mich mit euren Fragen nicht!</div>
- <div class="verse">Ich spreche nur mit Sterbenden und Todten.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Wo habt ihr euer Schwert?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Ritter.</i> &mdash; &mdash; Ihr seyd ein Schroll.</div>
- <div class="verse">So lange diese Faust noch Nerven hat,</div>
- <div class="verse">Und diese Nägeln Schärfe, soll kein Schwert</div>
- <div class="verse">Mich eh’ umgürten. Jene gab mir Gott,</div>
- <div class="verse">Und dieses ein gemeiner Handwerksmann.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Erzählt mir doch, was ihr gethan.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span></p>
-
-<p class="hang"><i>(Der Held drückt durch stumme Geberden aus, daß er erwürgt, und
-mit Füßen ertreten.)</i></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Was sprecht ihr nicht?</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Ritter.</i> &mdash; &mdash; Was unaussprechlich ist,</div>
- <div class="verse">Beschreibt man nicht mit Sprache.</div>
- </div>
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> &mdash; &mdash; Großer Mann!</div>
- <div class="verse">Neigt euer Haupt, daß ich euch kröne; tiefer!</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="hang"><i>(Der Held neigt sich sehr tief; der Commissär setzt ihm die Kappe
-auf, und der Held geht unter der Begleitung des Alguazil mit
-stolzen Schritten ab.)</i></p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1"><i>Commiss.</i> Wahrhaftig, edler Freund, die Narren sind</div>
- <div class="verse">So zahlreich hier, daß meine Kappenzahl</div>
- <div class="verse">Mir nicht auf heute hinreicht; lass’ er mir</div>
- <div class="verse">Den Schneider kommen, &mdash; wenn er nicht ein Narr ist.</div>
- <div class="verse">Indessen trinken wir vergnügt und klug</div>
- <div class="verse">Den Malaga, und essen unser Brot.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="hang"><i>(Der Wirth und der Commissär gehen ab.)</i></p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span></p>
-
-<p>Nun traten wieder die drey Guitarrspieler auf, und sangen folgende
-Weise:</p>
-
-<div class="poetry-container">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse mleft1">Das ist so der Welten Lauf:</div>
- <div class="verse">Jeder nähret Grillen;</div>
- <div class="verse">Einer mutzt den andern auf;</div>
- <div class="verse">Alle möchten trillen.</div>
- <div class="verse">Haltet diesem Tadlerchor</div>
- <div class="verse">Ein Mahl doch den Spiegel vor;</div>
- <div class="verse">Sie &mdash; die Weise waren,</div>
- <div class="verse">Sehen selber Narren.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-</div>
-
-</div>
-
-</div>
-
-<p>Der Vorhang fiel, und die ganze Gesellschaft äußerte ihren Beyfall
-mit lautem Händeklatschen. Leonardo, dem es gewaltig schmeichelte,
-zeigte sich bald, und erntete sein Lob ein. Besonders überhäufte ihn
-Louise damit, und alle ersuchten ihn, bald wieder ein kleines Stück zu
-verfassen, was er auch mit Mund und Hand versprach. Louise gab jedem
-Schauspieler zwanzig Realen, und Antonio lud sie auf den folgenden Tag
-zu sich zu Tische.</p>
-
-<p>Louise war diesen Abend so nachsichtig, daß sie selbst über einen
-kleinen Schmatz, den er ihr zu rauben wagte, nicht unge<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span>halten war. Um
-Antonio mit einer angenehmen Gegenunterhaltung zu überraschen, beschloß
-die weibliche Gesellschaft, ihm über acht Tage ein kleines Stück in
-demselben Saal’ aufzuführen, das sie schon vorlängst einstudiert
-hatte, und dessen Vorstellung nur durch den unvermutheten Tod Don
-Fernando’s gehindert worden war. Daß sich Louise die Hauptrolle
-vorbehielt, versteht sich von selbst. Der Tag der Vorstellung kam; die
-Gesellschaft war schon versammelt, und es fehlte nur mehr Antonio, als
-plötzlich Leonardo erschien, und Louisen meldete, daß sein Herr von dem
-Präsidenten des hohen Rathes in Geschäften Seiner Majestät abgerufen
-worden sey, und daß es ihm ungemein leid thue, eine so vortreffliche
-Gesellschaft und Unterhaltung entbehren zu müssen, und daß er ihn
-deßhalben mit zweyen seiner Freunde geschickt habe, um mit ihnen dem
-Schauspiele beyzuwohnen.</p>
-
-<p>Louise bezeigte ihr Mißvergnügen über seine Abwesenheit, und die
-Komödie ward aufgeführt. Die Vorstellung war ein Meisterstück
-von Lebhaftigkeit: sie waren al<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span>le prächtig, und Louise als Mann
-gekleidet. Mogrobejo übertraf sich selbst an Munterkeit und Witz.
-Als sie schon alle wieder ihre vorige Kleidung anhatten, kam Antonio
-erst vom Präsidenten zurück, und war äußerst unmuthig, daß er
-das schöne Schauspiel versäumet habe, das ihm Leonardo und seine
-Freunde so reitzend schilderten. Nur Louise hatte ihr Mannskleid
-noch nicht abgelegt, um ihn an der Thür zu überraschen. Es ließ ihr
-so wunderschön, daß Antonio den holden Knaben nicht genug angaffen
-konnte. Louise bedauerte sehr, daß sie ihn vermißt habe, und gab ihm
-endlich ihr Wort, daß sie ihm wieder über acht Tage, in der Quinta des
-Connetable, ein anderes Stück geben wolle; nun treffe aber wieder ihn
-die Reihe, das Fest anzuordnen. Sie wußte wohl, daß er sich prächtig
-einstellen werde, und er nahm auch den Befehl mit Freuden an. Sie
-würden dann alle bey ihm ein kleines Abendschmäuschen halten, sagte er,
-und sie solle ihm nur auf einem kleinen Zettel anmerken, was sie zum
-Schauspiele vonnöthen habe. Er er<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span>hielt bey dem Besuche am nächsten
-Abend’ ein vollständiges Verzeichnis von Kleidungsstücken von sechs
-Personen: das Stück, das Mogrobejo in der Eile verfaßte, spielte in
-der Heldenzeit, und die Personen waren alle Prinzen und Prinzessinnen.
-Louise spielte einen jungen Helden, dem die Sclaven eine reiche Beute
-nachtragen. Am Ende des Zettels waren Federn, Ringe und <i>falscher</i>
-Schmuck nur hingeworfen. Louise hatte vorsetzlich <i>falscher</i> Schmuck
-geschrieben, weil sie gar nicht zweifelte, daß er wenigstens für ihre
-Person echten ausborgen würde.</p>
-
-<p>Antonio mußte freylich täglich vor dem Rath’ erscheinen; indessen war
-doch aller Anschein, daß er denselben Tag würde los kommen können,
-und ließ denn den Saal, Erfrischungen, Abendschmäuschen, nebst allem
-übrigen, was zum Feste gehört, bereit halten.</p>
-
-<p>Zwey Tage vor dem, der zum Schauspiele bestimmt war, schickte der
-Genueser die ganze Guarderobe. Louise hatte vermuthet, daß er höchstens
-die schönsten Kleider, die man allenfalls bey einem<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> Trödler bekäme,
-ausborgen würde; er hatte aber zu ihrer allen größtem Erstaunen alles
-ganz neu verfertigen lassen. Alles war von Atlaß, Sammet, Taffet,
-oder anderem Seidenstoffe, und reich mit Gold und Silber verbrämt.
-Federn, Schnällchen, Blumen, Ketten und Ringe waren in Überfluß, und
-für Louisen versprach er den Schmuck, der sie zieren sollte, des
-Abends selbst mitzubringen. Er brachte auch wirklich den Schmuck
-mit, den ihm seine selige Gattinn hinterlassen hatte, und erklärte
-mit einem bedeutungsvollen Lächeln, daß er ungemein neugierig sey,
-wie Louisen dieser Schmuck seiner seligen Frau passen werde. Louise
-überhäufte ihn diesen Tag mit so vielen Liebkosungen, und wußt’ ihm
-dabey doch so sittsam zu schmeicheln, daß er seiner Hoffnung immer
-freyeren Spielraum ließ. Zwischen den zwey Tagen, bis zur Aufführung
-des Schauspiels, war unsere Gesellschaft gar nicht müßig, und Theodore
-machte Anstalt, daß in den beyden Nächten alles, was von Bedeutung im
-Hause wäre, aufgeräumt, und<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> anders wohin in Sicherheit gebracht würde.
-Der Tag des Schauspiels erschien; Antonio’s Bediente waren schon in der
-Quinta, und bereiteten alles. Der Genueser war, um Zeit zu gewinnen,
-auf einem Maule in den Rath geritten. Theodora, ihre Töchter, Banuelos
-und Mogrobejo setzten sich in ihre Kutsche, nahmen allen Schmuck, und
-die ganze Guarderobe mit sich, und fuhren, anstatt zu Alcalathore
-hinaus, in ein kleines Häuschen, in Quartiere Santa Barbara, das
-Mogrobejo vorläufig gemiethet hatte. Hier nahmen sie augenblicklich
-andere Kleider; Mogrobejo führte den Wagen zu einem Sattler, um sein
-Äußeres so geschwind’ als möglich ändern zu lassen. Die Pferde wurden
-auch heimlich untergebracht; und um noch sicherer zu seyn, theilte
-sich unsere Gesellschaft in die ursprünglichen zwey Parteyen; die eine
-begab sich nach Illescas, und die andere nach Valdemoro. Sobald unser
-Genueser von dem Rath’ abgefertigt war, trappte er frohes Muthes,
-und in den schönsten Aussichten von der Welt, der Quinta zu. Er fand
-niemanden,<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span> als seine Bedienten, und die drey Köche, die er bestellt
-hatte, fragte nach den Damen, und als er hörte, daß sie noch nicht da
-wären, war er sehr unruhig; denn er dachte nichts anderes, als daß
-ihnen irgend ein Unglück begegnet seyn dürfte. Er stieg denn wieder
-auf seinen Maulesel, stieß ihm mit den Knien fleißig in die Lenden,
-und kam sehr geschwinde bey Louisens Haus’ an. Er fand die Wohnung
-gesperrt, erkundigte sich bey den Nachbarn, und vernahm, daß die ganze
-Familie schon abgefahren sey. Er kam nun auf den Gedanken, daß sie ihre
-Freundinnen abgehohlt haben würden, und so blieb ihm nichts übrig, als
-in der größten Verlegenheit, daß nun er vielleicht auf sich warten
-ließe, nach der Quinta zurück zu eilen. Er fand aber noch niemanden,
-und wußte nun nicht, was er von diesem langen Ausbleiben denken sollte.
-Er wartete bis neun Uhr in der peinlichsten Ungeduld, und es war noch
-niemand zu sehen und zu hören. Endlich trat ein Bedienter ein, und gab
-Antonio einen Brief, den ihm, wie er sagte, am Thor’ ein Unbe<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span>kannter
-gegeben habe. Er brach ihn zitternd auf, und las:</p>
-
-<p>„Bester Antonio, seyn Sie nicht bekümmert, daß Sie Ihre Nachbarinnen
-nicht finden; sie sind an einem Orte, wo man sie unmöglich finden kann.
-So viel für jetzt.“</p>
-
-<p>Der Genueser stand da, wie vom Donner gerührt; er gerieth endlich in
-fürchterliche Wuth, und schwor allen, wenn sie ihn betrogen hätten, Tod
-und Verderben. Seine Bedienten mußten ihn wie einen Tieger bändigen,
-brachten ihn in den Wagen, und führten ihn nach Madrit. Auf dem Wege
-besänftigte er sich wieder etwas, und schloß aus den letzten Worten des
-Briefes: „So viel für jetzt,“ daß es vielleicht nur ein Scherz sey,
-und daß sie ihn vielleicht in seinem Hause erwarteten; er war aber
-nur zu bald vom Gegenteile überzeugt. Louisens Wohnung war auch noch
-versperrt, und er wartete nun am Hausthore bis lange nach Mitternacht,
-ob er ihre Ankunft nicht erwarten könnte; aber niemand kam. Er schlief
-die ganze Nacht nicht eine Secunde, und ließ sich mit Tages Anbruche
-bey Louisens<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> Hausherrn, der noch im Bette lag, melden. Von diesem
-vernahm er denn, daß ihm Louise Tages zuvor die Schlüssel der Wohnung
-zurück gestellt, und ihm gesagt habe, daß sie sich Geschäfte halber
-nach Toledo begeben habe.</p>
-
-<p>„Sie hat Ihnen aber ja die tausend Reale bezahlt,“ sagte Antonio.</p>
-
-<p>„Was für Reale?“</p>
-
-<p>„Die Jahresmiethe für die Wohnung.“</p>
-
-<p>„Die Jahresmiethe? Die Wohnung war ja nur auf zwey Monathe gemiethet.“</p>
-
-<p>„Wie sagen Sie?“ schrie Antonio, und war im ganzen Antlitze
-scharlachroth.</p>
-
-<p>„Ich bin aber auch für diese zwey Monathe nicht bezahlt,“ sagte der
-Hausherr, „und Sie werden belieben, mich zu bezahlen.“</p>
-
-<p>„Wer? Ich?“ schrie Antonio, und erstickte beynahe vor Wuth.</p>
-
-<p>„Ja, Sie,“ sagte der Hausherr; „Sie werden doch nicht läugnen, daß
-die Dame bey Ihnen Gelder stehen hat; daß dieß hier Ihre schriftliche
-Anweisung ist?“</p>
-
-<p>„Diebe! Mörder!“ schrie Antonio, und packte den Hausherrn bey der
-Brust,<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> faßte sich aber doch gleich wieder, und sagte: „Vergeben Sie
-einem unglücklichen Manne, den man zum Bettler gemacht hat. Man hat
-Sie betrogen, wie mich. O ich Thor! ich Rasender! ich Narr! ich alter
-Sünder,“ &mdash; bey jedem dieser Titel schlug er sich mit geballter Faust
-vor die Stirn &mdash; „nun bin ich ein Bettler, bin auf ewig unglücklich.“</p>
-
-<p>So weit war es eben nicht gekommen; indessen hatte ihn die schöne
-Wittwe, die nun wieder Jungfrau geworden war, nebst den sechs tausend
-Thalern, die ihr Grimaldi angewiesen hatte, um mehr als zwölf tausend
-Escudo’s geprellt. Der arme Antonio eilte zu dem Richter, schickte die
-Alguazils nach allen zwey und dreyßig Winden aus; aber alles Nachsuchen
-war vergebens. Nach acht Tagen hatte man noch nicht die geringste Spur,
-und nun erhielt er, um ihn vollkommen zu Verzweiflung zu treiben, die
-Nachricht, daß sein einziger Sohn zu Genua auf den Tod läge, und ihn
-um den letzten väterlichen Segen bitte. Er reiste denn mit dem festen
-Vorsatz’ ab, nach seines Sohnes Tod<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span>’ oder Genesung eine kleine Reise
-durch die ganze Welt zu machen, um die Schlange irgend wo zu finden und
-zu zertreten.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="spaced" id="DRITTE_SPAZIERFAHRT">DRITTE SPAZIERFAHRT.</h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="initial">D</span>a nun auch dieses Abenteuer glücklich abgelaufen war, fingen die
-beyden andern Schwestern ihr Werk desto freudiger an. Constanze war
-älter, folglich gebührte ihr der Rang. Louise und Feliciane trugen
-ihnen allen Beystand an, den sie ihnen leisten konnten; besonders aber
-den Wagen, der ihnen vor allem unentbehrlich war. Die Sevillanerinnen
-waren nun zu Valdemoro, und die andern zu Illescas: dort vereinigten
-sie sich aber wieder, und Constanze stieg allein mit der alten Banuelos
-und Mogrobejo in den Wagen, der unterdessen ganz ein anderes Ansehen
-bekommen hatte; auch hatte sie andere Pferde und einen andern Kutscher.
-Mogrobejo hatte, um sich unkennbar zu<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> machen, seinen Spitzbart
-länger wachsen lassen, und trug ehrwürdige Augengläser auf der Nase.
-Auch Constanze hatte die Person schon ausersehen, die sie mit ihrer
-Begünstigung glücklich machen wollte. Louise hatte ihr den Traueranzug
-geschenkt, und diesen wählte sie auch zu ihrer Unternehmung, theils,
-weil er ihr sehr gut ließ, theils, weil die Wittwenrolle mit dem
-geringsten Aufwande gespielt werden konnte, theils, weil sie sich in
-einen Plan einließ, nach dem sie durchaus scheinheilig seyn mußte.
-Sie kamen wohl behalten in Madrit an, und bezogen eine Wohnung in
-dem Stadtviertel de la Merced. Die Person, auf welche ihre Absicht
-gerichtet war, war einer der reichsten Pfarrer am Hofe, ein gelehrter
-Priester und Doctor der Theologie. Wir wollen ihn um gewisser Ursachen
-willen nicht nennen, sondern ihn immer nur den Doctor heißen. Seine
-Pfarre trug ihm sehr viel ein, obschon er ein großes Vermögen von
-seinem Vater geerbt hatte, und von zwey Bischöfen jährlich mehr als
-zwey tausend Escudo’s bezog. Er hatte also jähr<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span>lich über viertausend
-Escudo’s zu verzehren, und war doch dabey der größte Filz unter der
-Sonne. Das Hausgesinde des Doctors bestand aus einer Schwester, die
-schon lange über die Jahre der Anfechtung hinaus war, und die er schon
-lange zur Nonne gemacht hätte, wenn sie es nicht in der Hoffnung einer
-reichen Erbschaft weislich hätte bleiben lassen; einer Haushälterinn,
-einem Studenten, der ihm Gesellschaft leistete, und einem alten
-Maulesel. Constanze erschien täglich mit der sittsamsten Miene, und
-einem langen Rosenkranz’ am Arm’, in der Messe; die Duenna und der
-Escudero begleiteten sie. Eines Tages ging sie nach der Messe auf
-den Kirchhof, der an das Gotteshaus stieß, wandelte auf und nieder,
-betrachtete alles ringsum sehr aufmerksam, und sprach leise mit dem
-Escudero. Unterdessen stand der Pfarrer immer am Fenster der Sacristey,
-und hätte gar zu gern gewußt, was sie mit solcher Aufmerksamkeit
-betrachte. Sie begab sich aber sittsam in den Wagen, und fuhr ab.</p>
-
-<p>Den nächsten Morgen kam sie wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> zur Messe, ging wieder auf
-den Kirchhof, und begnügte sich nicht damit, daß sie ihn sehr
-aufmerksam betrachtete, sondern Mogrobejo mußte auch einen Theil
-desselben schrittweise abmessen. Der Pfarrer hatte wieder aus dem
-Sacristeyfenster zugesehen, und konnte nun sein Verlangen, dieses
-Räthsel aufgelößt zu sehen, nicht länger unbefriedigt lassen; er ging
-hinaus, machte ihr eine artige Verbeugung, und fragte sie womit er
-ihr dienen könne. „Ich sehe,“ sagte Constanze mit niedergeschlagenen
-Augen, „daß Sie die vornehmste Person in dieser Kirche sind. Mein
-Escudero mußte mir hier diese Stätte der gottseligen Ruhe abschreiten,
-damit ich sehen könne, ob auch Raum genug wäre, meine Absicht hier
-auszuführen. Wenn es Ihnen nicht ungelegen wäre, würd’ ich Sie bitten,
-mich in die Kirche zu führen, um Ihnen meine Absicht ausführlich
-erklären zu können.“ Er führte sie in eine kleine Seitenkapelle, die
-aber so schlecht mit Geräthe versehen war, daß sie sich auf einige
-Altarpölster, und er in einen Beichtstuhl setzen mußte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span></p>
-
-<p>„Mein hochwürdiger Herr,“ begann sie, „ich bin aus Sevilla, von
-adeligen Ältern geboren; mein Vater hieß Don Lope de Monsalva, meine
-Mutter Donna Mencia de Sahabedra, und ich, ihre einzige Tochter,
-heiße Donna Rufina de Monsalva und Sahabedra. Meine Mutter nahm mir
-Gott sehr früh, und mein Vater, der noch ein sehr junger Mann war,
-warf sein Augenmerk auf eine Dame derselben Stadt, und wollte sich
-mit ihr verbinden; sie hatte aber zwey Brüder, die ihre Schwester gar
-zu gern geerbt hätten; sie setzten sich heftig entgegen, und drangen
-durchaus darauf, daß sie Nonne werden sollte. Sie war meinem Vater sehr
-geneigt; sie fanden Gelegenheit, sich öfters heimlich zu sprechen, und
-kamen endlich überein, daß sie sich heimlich wollten trauen lassen.
-Sie thaten es, und setzten ihre heimlichen Zusammenkünfte fort; ich
-war die Frucht ihrer Liebe. Nun entdeckten die Brüder plötzlich durch
-eine treulose Magd das ganze Geheimniß, stellten meinem Vater heimlich
-nach, und &mdash; tödteten ihn. Ich war nun eine Waise, und ohne alles
-Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span>mögen; niemand nahm sich meiner an, als eine Muhme, die mich in das
-Nonnenkloster San Leander zur Erziehung gab, wo ich auch bis in mein
-sechzehntes Jahr blieb. Damahls erst fing mein Glück zu dämmern an. Mit
-einer Flotte aus Indien kam ein ansehnlicher Cavalier an den Hof; er
-war sehr reich, und hatte von einem Vetter meiner Muhme, bey der ich
-nun im Hause wohnte, ein Empfehlungsschreiben mit sich. Er besuchte sie
-öfters, und sah auch mich bey dieser Gelegenheit. Er erkundigte sich,
-wer ich wäre; meine Muhme erzählte ihm die unglückliche Geschichte
-meines Vaters, und er gewann eine solche Neigung zu mir, daß er
-förmlich um mich warb. Binnen vierzehn Tagen war ich ihm angetraut,
-und er gab mir zur Morgengabe zwanzig tausend Escudo’s; sein ganzes
-Vermögen aber beträgt über hundert zwanzig tausend Ducaten. Wir
-lebten sechs Jahre mit einander, in welcher Zeit wir gar kein Kind
-mit einander hatten. Endlich starb der gute Mann, und machte mich zur
-Erbinn des ganzen Vermögens: nur vierzehn tau<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span>send Ducaten bestimmte
-er zu einer prächtigen Kapelle, die ich in dieser Stadt bey irgend
-einer Kirche bauen lassen sollte. Er bestimmte aber nur die Summe, und
-räumt es übrigens ganz meiner Willkür ein, wie ich sie bauen lassen
-wollte. Ich denke nun es so einzurichten, daß vier Kapelläne mit
-einem jährlichen Einkommen von zwey hundert Ducaten, und einer, dem
-die andern untergeben seyn sollen, mit drey hundert dabey angestellt
-werden. Ich will sie auch nicht an diesen Kapellendienst allein binden;
-denn warum sollt’ ich ehrwürdige Väter hindern, ihr ohne dieß geringes
-Einkommen, das sie ohnehin meistens auf Almosen verwenden, noch in
-etwas nebenbey zu vermehren. Ich bin nun vierzehn Tage hier, und habe
-alle Kirchen besehen, aber hier nach meiner Meinung noch den besten
-Platz gefunden. Man könnte unter der Kapelle die Gruft anbringen, was
-ungleich prächtiger lassen dürfte, als der Kirchhof. Ob es mir nun
-erlaubt seyn werde; ob mir die Stadtobrigkeit, oder der geistliche
-Rath nicht entgegen seyn werden, wün<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span>sche ich jetzt aus Ihrem Munde zu
-hören.“</p>
-
-<p>„Dafür lassen Sie mich sorgen, gnädige Frau!“ antwortete der Pfarrer
-voll Feuer, und sah sich schon im Besitze von drey hundert Ducaten.
-„Das wäre schön, wenn der geistliche Rath die Erfüllung frommer
-Vermächtnisse hindern wollte! Wie wollt’ er das? Wie könnt’ er das?
-Jeder Platz gehört Gott, um so viel mehr ein Kirchhof, als ein eigens
-geweihter Ort. Und was gingen die Stadtobrigkeit geistliche Dinge an?
-Sie mag ihre profane Nase in andere Dinge stecken, mag Betriegern und
-Betriegerinnen auf die Spur zu kommen suchen; aber unsere heiligen
-Sachen gehen ihr nichts an. O gnädige Frau! Gott hab’ Ihren seligen
-Gemahl selig! sein Werk ist um desto verdienstlicher, da er dadurch in
-einer so verdorbenen Zeit ein heldenmüthiges Beyspiel des standhaften
-Christenthums gibt. Säumen Sie auch nicht, seinen frommen Wunsch zu
-erfüllen, damit wir ihn nicht aufhalten, wenn seine Seele etwa bis zur
-völligen Herstellung noch etwas zu leiden hätte.“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span></p>
-
-<p>„Ich weiß aber noch nicht,“ sagte sie, „ob wir hier das volle Maß, das
-ich gewünscht hätte, heraus bringen werden.“</p>
-
-<p>„Wollen sie denn Euer Gnaden gar so groß bauen?“ sagte der Pfarrer.
-„Wie viele Schritte haben Euer Gnaden angeschlagen?“</p>
-
-<p>„Sechzig in die Länge, zwey und dreyßig in die Breite.“</p>
-
-<p>Nun fing der leibige Pfarrer augenblicklich an, wie ein fettes
-Leichhuhn über die Gräber fortzutrippeln, und den Raum mit kurzen
-Schritten abzumessen. „Mehr als zu viel!“ schrie er endlich; „es gibt
-noch ein Beinhaus, und ein kleines Leichenbehältniß. Wir kriegen aber
-doch auch ein Thürmchen, gnädige Frau? Wir haben eine überflüssige
-Glocke, und irgend eine andächtige Seele wird uns es auch nicht an
-einer Uhr fehlen lassen.“</p>
-
-<p>„Um meines seligen Mannes Wunsch ganz zu erfüllen,“ sagte Constanze,
-„wird es mir nicht zu viel seyn, auch diese Kleinigkeiten aus meinem
-Vermögen zu bestreiten, das nach meinen Bedürfnissen ohne dieß viel zu
-groß ist. Ich gestehe es<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> Ihnen auch, hochwürdiger Herr Pfarrer, daß es
-mir in so weit wirklich zur Last ist, als ich es nicht weiß, was ich
-damit anfangen soll. Übrigens habe ich noch eine Bitte an Sie.“</p>
-
-<p>„Sie befehlen, gnädige Frau! worin kann ich dienen?“</p>
-
-<p>„Ich wünschte sehr, daß Sie es auf sich nähmen, meinen Bau gegen
-alle Hindernisse zu schützen, mir erfahrne Leute zu dem Baue selbst
-vorzuschlagen, und endlich &mdash; thun Sie es um meines seligen Mannes
-willen &mdash; nehmen Sie dann die Oberaufsicht über die vier Kapläne an.“</p>
-
-<p>„Mit Freuden,“ antwortete der Pfarrer; „zu was mich Gott in seinem
-Dienste rufen will, dazu bin ich auch bereit. Sie haben mit mir zu
-befehlen; und da Sie ein frommes Werk unternehmen, so bin ich Ihnen
-gewisser Maßen Gehorsam schuldig.“</p>
-
-<p>Sie wären nun über die Präliminarien einig gewesen. Sie sagte dem
-Pfarrer ihre Wohnung; er besuchte sie sehr emsig, und befahl auch
-seiner Schwester, sie zu besuchen, deren Liebe Constanze augenblicklich
-zu gewinnen wußte. Das Erste,<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> was sie that, war, daß sie dem Pfarrer
-ihres Mannes Testament zeigte, und ihn versicherte, daß sie nun in
-einigen Tagen thätig Hand ans Werk legen werde.</p>
-
-<p>Sonntags Abends kam sie mit ihrer Duenna und dem Escudero in der Pfarre
-an, um der Schwester des Pfarrers den erhaltenen Besuch zu erstatten.
-Sie ward mit allem, was Küche und Keller vermochten, bewirthet; und
-als sie mit einbrechender Dämmerung wieder nach Hause fahren wollte,
-bath sie der Pfarrer, noch ein wenig zu bleiben, und der Sitzung einer
-kleinen Akademie beyzuwohnen, die er aus Liebe zu den Wissenschaften
-und der Musik, in seinem Hause, mit Hülfe einiger Freunde errichtet
-hatte. Constanze nahm die Einladung unter dem Bedingniß’ an, daß sie
-und seine Schwester ungesehen zuhören könnten. Das war ausführbar, und
-er führte sie an ein Fenster mit einem Vorhange, aus dem sie in den
-Saal sehen konnten, der auf eine merkwürdige Art zubereitet war. Er
-war ganz mit Tannencisten geziert, und mit Sträußen von Wiesen- und
-Gartenblumen behan<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span>gen; oben am Saale standen drey lederne Stühle an
-einem Schreibtische, und weil es schon dunkel war, begann man rings
-um den Saal die messingenen Wandleuchter anzuzünden. In der Mitte war
-ein Hängeleuchter, auf dem drey bis vier Altarkerzen brannten. Es
-währte nicht lange, so erschienen die Akademiker. Der erste war der
-Pfarrer selbst, der die Gesetze der Akademie, auf einer Rechentafel
-geschrieben, trug; der zweyte war der Sacristeydiener, der in den
-Nebenstunden kleine Predigten verfaßte; der Cantor und sein Bruder, der
-bey einem Sachwalter als Unterschreiber diente, und welche beyde in dem
-ganzen Pfarrsprengel das Monopolium der Hochzeit- und Leichengedichte
-an sich gerissen hatten; sie verfertigten auch Neujahrswünsche, kleine
-Verse für die Zuckerbäcker, und Inschriften auf die Leichensteine. Nach
-diesen kam der Kapellan, der aus Wachs kleine Opferthiere verfertigte,
-und mit besonderer Geschicklichkeit verschiedene Figuren aus Pflaumen-
-und Aprikosenkernen zu schnitzeln wußte. Indessen, weil sie nicht einig
-wer<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span>den konnten, unter was für eine der schönen Künste sie seine Arbeit
-rechnen sollten, hatten sie ihm, ungeachtet seiner Geistlichkeit, einen
-so späten Rang angewiesen. Nach diesem kam ein Musicus, der zuweilen
-auf dem Chore spielte, sonst aber in den Wirthshäusern seine Kunst
-trieb, und Grab- Hochzeit- und andere Lieder verfertigte. Endlich
-erschien der Student, der bey ihm im Hause wohnte, und den sie der
-Tanzkunst widmeten, weil er geschickt Hunde abzurichten wußte. Um
-Constanzen eine rechte Ehre zu erweisen, sagte ihr seine Schwester, daß
-in der Gesellschaft noch ein Mitglied für die Baukunst fehle, und daß
-sie gar nicht zweifle, ihr Bruder werde den Steinmetz, wenn er sich bey
-der Kapelle auszeichnete, unter sie aufnehmen.</p>
-
-<p>Sie begannen nun ihre Arbeit, und jeder legte einen neuen Beweis seiner
-Fähigkeit ab. Der Pfarrer eröffnete die Sitzung mit einer Abhandlung
-über den Ursprung des Gebeths, in der er nicht undeutlich vermuthete,
-daß Gott den ersten Menschen eine Art von täglichem Brevia<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span>rium
-vorgeschrieben, und ihnen daher auch die Gabe, Geschriebenes zu lesen,
-eingegossen habe. Der Sacristeydiener ging vor die Thür, weil der Saal
-zu ebner Erde war, zum Fenster herein, was eine Kanzel vorstellen
-sollte, eine Predigt über die Raupen, die diesen Sommer alle Bäume
-im Pfarrgarten verdorben hätten, zu halten. Der Cantor hatte drey
-Gedichte gemacht, das eine enthielt die ganze Passion, und die andern
-zwey die Geschichte des linken und des rechten Schächers; und diese
-drey Gedichte hatte er in der Form eines Kreuzes geschrieben, so, daß
-sie einen förmlichen Calvaria vorstellten. Sein Bruder, der Schreiber,
-las unmittelbar darnach ein Gedicht zum Lobe des Tabakschmauchens. Der
-Kapellan stellte ein neues Schwein dar, das er aus Wachs gemacht hatte,
-und die Hälfte einer glücklich abgenommenen Frauenbrust, wovon man aber
-das eine eben so gut für ein Schaf, und das andere für die Hälfte eines
-Hinterbackens hätte ansehen können. Der Musikus hatte eine neue Melodie
-auf das Nachtwächterlied verfertigt, und nun traf<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> die Reihe den
-Studenten, der seinen Hunden wieder neue Sprünge und Fratzen gelernet
-hatte. Nun hatte aber der Pfarrer seinen Akademikern, wie gewöhnlich,
-frischen Schinken, geräucherte Ochsenzungen, und kalte Pasteten
-auftischen lassen; und da die Hunde des Studenten, da ihr Herr selbst
-von des Pfarrers Gnade lebte, immer bey dem gesundesten Appetite zu
-seyn pflegten, hatten sie auch jetzt kaum drey bis vier Sprünge durch
-den Reif gemacht, als sie sich erdreisteten, mit ihren profanen Pfoten
-den Tisch zu besteigen, und unter den Libationen eine solche Verheerung
-anzurichten, daß alle Akademiker von ihren Stühlen aufsprangen, und
-diese frechen Schüler der Erato aus ihrem Hörsaale vertrieben. Es war
-aber leider zu spät, und man mußte sich mit sehr geringen Überbleibseln
-begnügen. Die Versammlung ging also sehr mißmuthig aus einander, und
-Constanze ging vergnügt nach Hause.</p>
-
-<p>Nun war keine Zeit mehr zu verlieren. Den nächsten Morgen mußte sich
-Mogrobejo nach einem vertrauten Freund’ um<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span>sehen, der sich für einen
-erst aus Toledo angekommenen Architecteur ausgeben, und zwey oder
-drey Risse von einer Kapelle mit sich bringen sollte. Der Escudero
-war scharfsichtig, wie ein Falke, und wendete sich daher an keinen
-untüchtigen Mann. Er sollte sich den folgenden Tag, an dem sie vom
-Pfarrer Besuch erwartete, einfinden. Der Pfarrer kam; der Baumeister
-kam; man vereinigte sich über den Plan, und ließ einen Notar rufen,
-vor welchem und zwey Zeugen sich der Baumeister anheischig machte,
-die Kapelle binnen einem Jahre herzustellen; dafür verlangte er zwey
-tausend Escudo’s im vorhinein; Constanze fand aber diese Summe zu groß,
-und erklärte sich, daß sie unterdessen drey hundert Escudo’s geben
-wollte, womit sich der Baumeister befriedigte. Sie lud alle über zwey
-Tage zum Mittagmahle ein, und da sollte sogleich Hand ans Werk gelegt
-werden.</p>
-
-<p>Nun schickte Constanze den Escudero noch denselben Abend zu ihren
-Freundinnen um den Schmuck, und erhielt ihn auch sogleich in einem
-ansehnlichen Fut<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span>terale von carmoisinrothem Saffian. Sie schickte
-dasselbe nun unverzüglich zu einen Futteralmacher, und ließ ein so
-ähnliches verfertigen, daß man es von dem rechten kaum unterscheiden
-konnte. Nun ließ sie den Pfarrer rufen, der sich auch im Augenblicke
-einfand. Sie nahmen Stühle, und Constanze sprach: „Herr Doctor,
-ich habe acht tausend Escudo’s bey den Fuggern<a name="FNAnker_B_2" id="FNAnker_B_2"></a><a href="#Fussnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a> stehen, die ich
-zu ansehnlichen Zinsen genieße; mein seliger Mann hat sie aber nur
-unter dem Bedingnisse untergebracht, daß er sie einen Monath vor der
-Herausbezahlung aufzukündigen habe. In der Verwirrung, in die mich
-der plötzliche Tod meines Mannes setzte, hab’ ich nun vergessen, die
-Aufkündigung einzuschicken, und bin nun in der Verlegenheit, daß ich
-das Geld gerade jetzt, da ich es am nothwendigsten brauche, nicht
-habe. Ich sehe mich denn, so schwer es mir fällt, gezwungen, meinen
-ansehnli<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span>chen Schmuck bey einem vertrauten Manne, gegen billige
-Bedingnisse, auf einen Monath einzusetzen. Hier ist er,“ sagte sie,
-indem sie aus der Estrata ein Lädchen unter dem Überzuge hervor nahm,
-und dem Pfarrer, der in seinem Leben nie solchen Schmuck gesehen hatte,
-die reichen Geschenke des Mailänders und des Genuesers zeigte.</p>
-
-<p>„Lieber Gott!“ sagte der Pfarrer; „das ist ja über hundert tausend
-Escudo’s werth.“</p>
-
-<p>„Nicht doch, Herr Pfarrer!“ sagte sie; „Sie sind ein schlechter Kenner:
-der ganze Werth besteht in etwas über dreyßig tausend Escudo’s; und
-gerade, weil dieß doch keine Kleinigkeit ist, wünscht’ ich irgend einen
-Mann zu wissen, bey dem ich nicht Gefahr liefe; denn bey jetziger Zeit
-kann man sich wahrhaftig nicht genug hüthen.“ Während dieser Rede
-hatte sie das Futteral wieder versperrt, und in das Lädchen gelegt.
-Der Pfarrer wünschte der großmüthigen Dame in allem Genüge zu leisten,
-und both sich an, ihr die acht tausend Escudo’s noch denselben Tag
-aus seinem eigenen Vermögen einzuhändigen.<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> „Belieben Sie nur,“ sagte
-er, „eine Schrift wegen Leben und Tod bereit zu halten.“ Constanze
-nahm den Antrag mit Freuden an, und zog geschwinde unter dem Überzuge
-der Estrata das andere Futteral, welches ebenfalls versperrt war,
-hervor. Der Pfarrer nahm es, und wollte forteilen; an der Thür kehrte
-er aber noch um, und sagte: „Hören Sie, gnädige Frau, die Baumeister
-sind Leute, die immer bares Geld sehen wollen. Damit wir ihn nun nicht
-abschrecken, bring’ ich Ihnen lieber gleich die tausend vier hundert
-Escudo’s an der Stelle, und des Abends die andern acht tausend, damit
-Sie dann Ihr Geld ganz beysammen haben.“ Er hielt auch genau Wort,
-und Constanze hatte die ganze Summe in Händen. Der Pfarrer hätte
-den Schmuck gern seiner Schwester gezeigt, wagte es aber nicht, zu
-Constanzen um den Schlüssel zu schicken, weil es einem Mißtrauen
-ähnlich gesehen hätte.</p>
-
-<p class="mbot2">So bald die schöne Wittwe das Geld in Händen hatte, machte sie sich mit
-ihrer Duenna und dem Escudero nach Lescas auf. Ihrem Hausherrn schützte
-sie vor,<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> daß sie das Quartier verlasse, weil es ihr zu melancholisch
-wäre, und so fuhr sie denn mit allem Geräth’ ab, und verbarg sich bey
-ihren Freundinnen so gut, daß sie niemand hätte finden können. Nun
-kam der Pfarrer, und hörte, daß seine reiche Gönnerinn eine andere
-Wohnung bezogen habe; die Hausleute versprachen ihrem hochwürdigen
-Herrn Pfarrer aber, daß sie ihm bis morgen schon sagen wollten, wo sie
-wohne. Den andern Tag sehr früh kam er wieder; man wußt’ es noch nicht:
-er kam des Abends, und man wußt’ es noch nicht. Nun begann er erst
-Argwohn zu schöpfen; er lief nach Hause, und da seine Schwester darauf
-bestand, daß er einer Betriegerinn in die Hände gerathen sey, beschloß
-er endlich, das Futteral zu öffnen, und sich aus dieser peinlichen
-Ungewißheit zu reißen, es kost’ auch, was es wolle. Er öffnete es denn,
-und fand anstatt der Diamanten die schönsten und artigsten kleinen
-Kieselsteine. Die Pulsen standen ihm stille; seine Schwester rieb ihm
-die Schläfe, und hielt ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> ein Riechfläschchen vor. Er erhohlte sich
-wieder, und lief zu dem Richter: was half aber alles Nachsuchen des
-Richters, wenn sich eine von unsern Heldinnen verbarg? Er fiel in eine
-Todeskrankheit, von der er sich sehr langsam erhohlte, und vom Tage des
-entdeckten Betruges an war er ein Teufel, der das ganze Haus peinigte,
-und mit dem es niemand mehr aushalten wollte. Besonders hatten die
-Akademiker seinen Unmuth empfunden; denn als sie ihn denselben Tag
-besuchten, um wieder eine Sitzung zu halten, mißhandelte er sie so, daß
-sie schworen, ihn vor Gerichte zu belangen.</p>
-
-<div class="footnotes">
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_B_2" id="Fussnote_B_2"></a><a href="#FNAnker_B_2"><span class="label">[B]</span></a> Eine reichsgräfliche Familie, deren Reichthümer in Spanien
-zum Sprüchworte geworden sind.</p></div>
-
-</div>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="spaced" id="VIERTE_SPAZIERFAHRT">VIERTE SPAZIERFAHRT.</h2>
-
-</div>
-
-<p class="p0"><span class="initial">D</span>orothee, welche nun die Reihe traf, ließ vier Monathe verstreichen,
-bevor sie eine neue Unternehmung wagte, damit sich unterdessen das
-Gerücht vom Kapellenbaue verlieren möchte. Auch benützte man diese
-Zeit, um den Wagen wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> anders zuzurichten, und Kutscher und Pferde
-zu wechseln. Endlich fand sie es räthlich, in Gesellschaft ihrer
-Mutter, und der alten Banuelos zu Madrid einzuziehen. Sie nahmen ihre
-Wohnung dieß Mahl zur Abwechslung in dem Martinsviertel. Nach einigen
-Tagen begaben sie sich mit dem neuen Escudero, den sie aufgenommen
-hatten, unter das Thor von Quadalaxara. Als die jungen Herren, die auf
-dem Markte herum spazierten, einen Damenwagen an einem Kaufmannsgewölbe
-halten sahen, liefen sie wie Hasen davon, um nicht etwa in die
-Verlegenheit zu gerathen, wenn es eine von ihren Bekannten wäre, aus
-Artigkeit oder Tändeley ein Geschenk anbiethen zu müssen. Dorothee
-ließ sich eine goldener Tabatiere, und etwas von Frauenputz an den
-Wagenschlag bringen. Mit einem Mahle kam ein fremder Cavalier, der erst
-unlängst aus Andalusien angekommen war, und nun hier den Zusammenfluß
-der Madriter schauen wollte, an dem Wagen vorüber. Die schöne Dorothee
-fiel ihm auf, und als ein Mann von Welt, machte er ihr sogleich<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span>
-seine tiefe Verbeugung. Er mochte beyläufig sechs und zwanzig Jahre
-haben, war klein von Person, aber niedlich gebaut, und ganz fertig,
-ein Gespräch mit feinen Wendungen und drolligen Einfällen zu würzen;
-dabey war er aber von ungemein verliebter Stimmung, und sein Kopf war
-vom Romanenlesen ein wenig angebrannt. Dorothee bemerkte den raschen
-Eindruck, den sie auf ihn gemacht habe, und begegnete seinem Blicke
-vorsetzlich einige Mahl. Er ward muthiger, trat an den Wagenschlag, und
-sagte: „Schöne Unbekannte, diese Waare ist schon bestellet.“ „Das thut
-mit leid,“ antwortete Dorothee. „Indessen,“ fuhr der Andalusier fort,
-„wenn sie Ihnen gefällt, bin ich bereit, sie mir abhandeln zu lassen,
-und will sie als förmlicher Kaufmann in Ihre Wohnung bringen, die Sie
-mir zu sagen belieben werden.“ Hiermit steckte er dem Kaufmann, was die
-Waare beyläufig werth seyn mochte, in die Hand.</p>
-
-<p>„In der That,“ sagte Dorothee, „wenn ich Sie kennte, würde ich Ihnen
-vielleicht mit eben dieser &mdash; wie will ich sagen &mdash; Frey<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span>müthigkeit,
-oder Zudringlichkeit, wenn Sie wollen, in Ihren Ton einstimmen; so
-aber“ &mdash; sie hatte sehr gut gesehen, was vorgegangen war &mdash; „bleibt mir
-nichts übrig, als die Waare wieder dahin zurück zu stellen, von wo ich
-sie bekommen habe. Gnädiges Fräulein,“ sagte er, „denn Frau können Sie
-doch unmöglich seyn; Sie scheinen ungehalten: seyn Sie es aber nicht.
-Ich bin ein Mensch, der niemand auf Erden, am wenigsten aber eine Dame
-beleidigen will, und der nur manchmahl den Rechnungsfehler begeht,
-daß er meint, man würde seine &mdash; ich kann es mit gutem Gewissen nur
-Lebhaftigkeit nennen, eben so gerade aufnehmen, als er sie äußert. Bey
-uns in Andalusien wird mir so etwas zu Gute gehalten; ich erwartete
-denn, daß ich hier, wo ich erst zwey Tage bin, ein anderes Andalusien
-finden werde.“</p>
-
-<p>Dorothee merkte nun, daß sie ihren Mann gefunden habe, und fand es
-für gut, an der Stelle eine nähere Bekanntschaft zu gründen. Sie
-frage denn: „Mein Herr, das ganze Waarenlager werden Sie doch nicht
-aufgekauft haben,“ stieg aus<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> dem Wagen, und ging in das Gewölbe; Der
-Andalusier ihr nach.</p>
-
-<p>Sie ließ sich Federn, Bänder, und Seidenstoff für beyläufig hundert
-Escudo’s vorlegen, und behandelte den Preis. Sie bemerkte, daß er vom
-Kaufmanne heimlich die Rechnung fordre, und sagte daher: „Mein lieber
-Herr, ich habe vor Tische noch einige Besuche vor mir: Sie würden mich
-verbinden, wenn Sie mir alles nach Tische in meine Wohnung schickten;
-dann werden Sie auch gleich das Geld dafür erhalten.“ Der Kaufmann
-fand sich sehr bereit, und Dorothee sagte ihm ihre Wohnung. Der
-Andalusier sprach nur: „Gnädiges Fräulein, ich weiß nun Ihre Wohnung:
-wie würden Sie sich wohl benehmen, wenn ich unartig genug wäre, Sie zu
-besuchen?“ „Fürs erste,“ antwortete Dorothee, „halt’ ich Sie nicht für
-so voreilig; und wenn Sie es wären, würde mir nichts übrig bleiben, als
-daß ich durch ein artiges Betragen Sie zu bessern suchte.“ Sie ging
-fort, und fuhr nach Hause. Nach Tische kam der Diener des Kaufmanns,
-brachte die Waaren, und als sie sich an<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span>stellte, als ob sie bezahlen
-wollte, schlug er es unter dem Vorwande aus, daß die Summe noch zu
-klein wäre, um eine Rechnung zu machen, und daß sie ihr noch mehr zu
-verkaufen dächten. Es währte nicht lange, so war auch unser Andalusier
-da. Dorothee empfing ihn in Gesellschaft ihrer Duennen sehr artig,
-und er erzählte ihr, daß er Don Thadeo de Sylva heiße, eigentlich
-aber Don Thadeo Tristan de Lorgenes, nach einem Oheime, der das
-Abgeschmackte dieses Nahmens mit einer ansehnlichen Erbschaft wieder
-gut gemacht hätte; Dorothee vertraute ihm dafür, daß sie mit einem
-Ritter verheirathet sey, der sich in Indien befände, und so unglücklich
-gewesen sey, in Lima gefangen zu werden; nun erwarte sie aber ihn
-und ihr ganzes Vermögen mit der nächsten Flotte. Don Thadeo both ihr
-feyerlich alle Dienste an, die in seinen Kräften ständen, indem er
-wohl wisse, was sich für Schwierigkeiten fänden, wenn man am Hofe
-Forderungen machte. „Es ist wahr,“ erwiederte sie; „aber zum Glücke
-hab’ ich doch immer genug gehabt, um zwey Die<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span>nerinnen, einen Escudero,
-und meinen Wagen zu halten.“ Nun war es Zeit, sich zu entfernen, und
-Thadeo empfahl sich.</p>
-
-<p>Dorothee suchte nun nähere Erkundigung über seine Umstände einzuziehen,
-und alle Nachrichten waren nach Wunsche. Seine Besuche wurden immer
-häufiger, und seine Neigung immer heftiger. Dorothee suchte seine
-Schwächen aufzufinden, unter denen auch die Vorliebe für Lieder und
-Melodien, die er selbst verfaßt hatte, war, und suchte sie auf’s
-Beste zu benutzen; kurz, er ward so verliebt, als noch kein Liebhaber
-ihrer Mitschwesterchen gewesen war. Dorothee, die eine sehr schöne
-Stimme, und einen hinreißenden Vortrag hatte, sang von der Stunde an
-kein Liedchen mehr, das nicht Thadeo verfertigt hatte, und verlangte
-selbst noch Unterricht auf der Guitarre von ihm; dafür liefen sich
-seine Bedienten mit Küchengeschenken müde, und er selbst brachte
-beynahe jeden Tag irgend eine kostbare Kleinigkeit zum Putze mit.
-Dorothee hatte jedes Mahl einen Vorwand bereit, unter dem es ihre
-Bescheiden<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span>heit erlaubte, seine Großmuth nicht zurück zu schrecken.
-Auch hatte sie sich schon zwey Mahl einen Kuß auf die Lippen gefallen
-lassen, von denen sie den letzten sogar &mdash; wer hätte sich’s von Donna
-Dorothea träumen lassen? &mdash; mit schamhaftem Erröthen erwiederte.</p>
-
-<p>Den folgenden Tag kam Thadeo nicht, und Dorothee war in sichtbarer
-Unruhe: sie konnte sein Außenbleiben nur mit der strengen Witterung
-entschuldigen; denn es war mitten im Winter. Sie hatte sich auch nicht
-getäuscht; denn er kam den andern Tag: indessen war es ihr doch ein
-Fingerzeig, daß sie ihn noch nicht genug in Bewegung gesetzt habe. Sie
-suchte daher alles Mögliche hervor, was einen Mann fest halten kann:
-sie schmollte; sie bezeigte ihm bey jeder Gelegenheit Aufmerksamkeit,
-und es gelang ihr auch, ihn bald so zu kirren, daß er mit Leib und
-Seele an ihr hing, und nun weiter nichts mehr fehlte, als eine gute
-Gelegenheit, um sein Vertrauen und seine Liebe so ergiebig als möglich
-zu benutzen.</p>
-
-<p>Während Dorothee in Illescas wohnte, war ein Student aus Toledo dort
-ange<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span>kommen. Er hieß Don Basil, war ein erzarmer Teufel, übrigens
-aber so schön und wacker gebildet, und so aufgeweckten Geistes, daß
-Dorotheens Standhaftigkeit selbst so vielen Reitzen nicht widerstehen
-konnte. Sie wurden bald bekannt, noch geschwinder vertraut, und es war
-bald so weit gekommen, daß sie ihm sogar gestattete, ihr nach Madrit zu
-folgen, unter dem Bedingniß’ aber, daß er ihre Unternehmungen nicht im
-geringsten stören sollte. Er ging es darauf ein, und lebte denn auch in
-Madrit in dem besten Einverständnisse mit ihr, ohne sich von Eifersucht
-plagen zu lassen. Alles wäre gut gegangen; nur wollte sich noch keine
-besonders vortheilhafte Gelegenheit zeigen.</p>
-
-<p>Endlich traf es sich, daß einer von Thadeo’s Freunden heirathete.
-Thadeo sagte Dorotheen, daß die Vermählung bey San Sebastian mit einer
-seltnen Pracht gehalten werden würde, und daß er selbst in einem Glanze
-erscheinen werde, in dem sie ihn noch nie gesehen habe. „Wenn ich in
-der Kirche erscheinen soll,“ sagte Dorothee, „so verlange ich ohne
-dieß, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> mein lieber Thadeo die übrige Gesellschaft übertreffe. Wenn
-Sie mir aber dann gefallen, bin ich nicht zufrieden, Sie nur in der
-Kirche bewundern zu können; ich will Sie bey mir im Hause haben. Sie
-werden sich doch gewiß um eilf Uhr vom Spiele los machen können; und
-bis dahin will ich mit dem Abendessen auf Sie warten.“</p>
-
-<p>Thadeo sagte es ihr heilig zu, und so schieden sie aus einander. Die
-Vermählung ging vor sich, und Dorothee erstaunte über die Pracht ihres
-Geliebten. Er war im prächtigsten Stoffe gekleidet, und schien alle
-Juweliere von Madrit ausgekauft zu haben. Knöpfe, Ketten, Agraffen,
-Ringe, alles war von Brillanten. Er kam auch um eilf Uhr des Abends
-voll Vergnügen zu Dorotheen, und erzählte ihr, daß er so glücklich
-gewesen sey, gegen zwey tausend Escudo’s zu gewinnen. Sie speisten; es
-wurde immer später; Dorothee war ungemein gefällig, und sagte endlich,
-daß sie ihn heute nicht mehr nach Hause lasse: denn wenn irgend ein
-Schurke seinen Schmuck gewahr würde, könnte er ein Unglück haben.
-Sie werde ihm daher ein<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> Bett anweisen, und sie nehme durchaus keine
-Widerrede an.</p>
-
-<p>Thadeo meinte, nun schon den Gipfel seines Glücks erstiegen zu haben,
-und war beynahe ausgelassen vor Freude. Er trank ein Glas ums andere;
-aber Dorothee hatte ihm einen besonders köstlichen Trank bereitet,
-dessen Wirkung er nicht vermuthet hätte. Es war zwölf Uhr, und Dorothee
-wies ihm das Bett in dem Zimmer an dem ihrigen an. Er kleidete sich
-hastig aus, hatte sich aber im Bette kaum ein wenig erwärmt, als
-der Trank seine Wirkung that, und der verliebte Ritter so laut zu
-schnarchen anfing, daß man es auf die Gasse gehört haben würde, wenn
-ihm seine treuen Wärterinnen nicht die Bettdecke über den Kopf gelegt
-hätten.</p>
-
-<p>Nun ward alles, was er an dem Leibe gehabt hatte, sammt dem
-beträchtlichen Spielgewinne, mit Hülfe des Studenten aus Toledo, und
-des Kutschers zusammen gepackt, und nach ihrer einstimmigen Schätzung
-auf mehr als vierzehn tausend Escudo’s angeschlagen. Es war nichts mehr
-übrig, als was sie mit Don Thadeo<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> anfangen sollten. Er hatte ein zu
-schönes Spitzhemd auf dem Leibe, als daß es ihm der Student aus Toledo
-hätte gönnen sollen; er zog es ihm denn ab, und bekleidete ihn dafür
-mit einem Unterrocke der alten Banuelos. Vorn unter das Kinn band er
-ihm ein Tuch, wie einem kleinen Kinde, und an eine Schnur knüpfte er
-verschiedene Sachen, wie man den Kindern anzuhängen pflegt; ein Füßchen
-von den Hasen, den er des Abends noch gegessen hatte; eine Elendklaue,
-wider das Augenweh; einen kleinen Mörserstößel, und eine kleine Glocke.
-In diesen Aufzuge setzten sie ihn auf einen großen Korb; der Student
-und der Kutscher trugen ihn fort, hingen ihn an den Balcon eines armen
-Indianers, und eilten nach Hause, um sich mit der übrigen Gesellschaft
-in Sicherheit zu setzen.</p>
-
-<p>Thadeo schlief in seinem Korbe fort, und träumte sich in den Armen
-der schönen Dorothee. Mit Anbruch des Tages stand der Indianer auf,
-schlug die Fensterbalken auf, und nahm den Korb wahr. Er setzte die
-Augengläser auf, und sah<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> zu seiner größten Verwunderung dieses große
-Kind in dem Korbe liegen. Sein erster Gedanke war wirklich, daß es
-ein Findelkind sey, das man ihm vors Haus gebracht hätte, und er rief
-seinen Bedienten, daß er es herab nehmen, und vor ein anderes Haus
-legen solle. Der Bediente konnte nicht sehen, was im Korbe wäre, weil
-der Korb so hoch hing, und schnitt den Strick ab, um den Korb mit den
-Händen aufzufangen; das Kind fiel aber mit solcher Gewalt herunter, daß
-es den armen Bedienten zu Boden warf. Das Kind selbst schlief so sanft,
-daß es selbst von dieser Erschütterung nicht erwachte. So wehe sich der
-Bediente gethan hatte, brach er doch in ein lautes Gelächter aus, als
-er das Kind erblickte. Er trug es mit Hülfe seines Herrn in die Stube,
-und hier bemerkten sie erst einen Zettel, den es im Busen stecken
-hatte. Er lautete: „Die Mutter dieses Kindes hat es Armuths halber
-in ihren Armen hierher getragen, und bittet, sich seiner anzunehmen.
-Übrigens ist es schon seit einiger Zeit getauft.“ Der Indianer und der
-Bediente suchten es zu we<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span>cken; sie kitzelten und kneipten es; alles
-war aber vergebens. „Wahrhaftig,“ sagte der Indianer; „ich habe noch
-kein Kind gesehen, das einen so gesunden Schlaf gehabt hätte.“ Indessen
-kamen sie doch bald auf die Vermuthung, daß dieser unnatürliche
-Schlummer die Wirkung eines Schlaftrunkes sey. Erst gegen Mittag kam
-Thadeo zu sich; und als er seinen lächerlichen Aufzug erblickte, und
-sah, daß er in einer ganz fremden Wohnung sey, fing er zu schreyen
-an, daß der Indianer und sein Bedienter herbey liefen, die ihm denn
-erzählten, in was für einem Zustande sie ihn gefunden hätten. Er
-schnaubte vor Wuth, und schwor allen, die an dieser Beschimpfung Theil
-hätten, sie zu vernichten. Er ließ sich Kleider bringen, und machte
-sogleich Anstalt, um Dorotheen mit ihrer ganzen Gesellschaft in Verhaft
-nehmen zu lassen. Sie war aber schon längst zu Illescas, wo sie mit
-ihren Mitschwestern überein kam, nach Granada zu reisen, um dort neue
-Abenteuer, die ihrer würdig wären, aufzusuchen.</p>
-
-<p>Wie lange sie dieselben fortsetzten, mel<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span>det die Geschichte nicht: so
-viel läßt sich vermuthen, daß sie sich bald von einander zu trennen
-genöthigt sahen, welches sie um so leichter thun konnten, da jede schon
-in Schäfchen ins Trockne gebracht hatte.</p>
-
-<p class="center padtop3 padbot3"><i>E<span class="mleft1">N</span><span class="mleft1">D</span><span class="mleft1">E</span>.</i></p>
-
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Die Harpyen von Madrit, oder die
-Postkutsche, by Alonso de Castillo Solórzano
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HARPYEN VON MADRIT ***
-
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-Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
-
-Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
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-Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
-goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
-To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
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-and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
-
-
-Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
-Foundation
-
-The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
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-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
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-number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at
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-Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
-permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
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-The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
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-business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
-information can be found at the Foundation's web site and official
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