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authorRoger Frank <rfrank@pglaf.org>2025-10-15 05:25:20 -0700
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@@ -0,0 +1,1560 @@
+The Project Gutenberg EBook of Woyzeck, by Georg Buchner
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Woyzeck
+
+Author: Georg Buchner
+
+Release Date: March, 2004 [EBook #5322]
+[This file was first posted on July 1, 2002]
+[Last updated on November 7, 2013]
+
+Language: English
+
+Character set encoding: UTF-8
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WOYZECK ***
+
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+
+
+Produced by Gunther Olesch from a Project Gutenberg of DE
+source file created by Erik Pischel
+
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+
+Woyzeck
+
+Georg Büchner
+
+
+
+Vorbemerkung
+
+Dieses Stück ist ein Fragment. Es gibt keine einzig richtige
+Reihenfolge der einzelnen Szenen, denn sie sind weder nummeriert noch
+in Akte aufgeteilt.
+
+Die hier vorliegende Reihenfolge stimmt mit der Verfilmung mit Klaus
+Kinski in der Hauptrolle überein, vom Ende vielleicht einmal
+abgesehen.
+
+Das Stück spielt in Darmstadt, die Figuren sprechen größtenteils in
+dortigem Dialekt. Deshalb haben im Hochdeutschen grammatikalisch
+falsche Konstruktionen hier seine Richtigkeit.
+
+
+
+
+Personen
+
+Woyzeck
+Marie
+Hauptmann
+Doktor
+Tamboumajour
+Unteroffizier
+Andres
+Margret
+Budenbesitzer
+Marktschreier
+Alter Mann mit Leierkasten
+Jude
+Wirt
+Erster Handwerksbursch
+Zweiter Handwerksbursch
+Käthe
+Narr Karl
+Grossmutter
+Erstes, zweites, drittes Kind
+erste, zweite Person
+Polizeikommissar
+
+Soldaten. Studenten. Burschen und Mädchen
+Kinder. Volk
+
+
+
+Woyzeck
+
+ Beim Hauptmann
+
+[Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.]
+
+HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht
+mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen,
+die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch seine
+schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig
+Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der
+ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die
+Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist
+ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht
+ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es
+schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag
+herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich
+kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch
+tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red er
+doch was Woyzeck! Was ist heut für Wetter?
+
+WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!
+
+HAUPTMANN: Ich spür's schon. 's ist so was Geschwindes draußen: so ein
+Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - [Pfiffig:] Ich glaub', wir
+haben so was aus Süd-Nord?
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Ha, ha ha! Süd-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz
+abscheulich dumm! - [Gerührt:] Woyzeck, Er ist ein guter Mensch
+--aber-- [Mit Würde:] Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist,
+wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein
+Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwürdiger Herr
+Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist nicht
+von mir.
+
+WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum
+ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr
+sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.
+
+HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er
+macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so mein'
+ich Ihn, Ihn -
+
+WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer
+kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral
+in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch
+einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in
+Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter
+Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet
+hat, und den weißen Strümpfen nachseh', wie sie über die Gassen
+springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch
+Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte
+ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein
+tugendhafter Mensch - [gerührt:] -, ein guter Mensch, ein guter
+Mensch.
+
+WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus.
+Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so die
+Natur; aber wenn ich ein Herr wär und hätt' ein' Hut und eine Uhr und
+eine Anglaise und könnt' vornehm rede, ich wollt' schon tugendhaft
+sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich
+bin ein armer Kerl!
+
+HAUPTMANN: Gut, Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch.
+Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. -
+Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so;
+langsam, hübsch langsam die Straße hinunter!
+
+
+
+ Freies Feld, die Stadt in der Ferne
+
+[Woyzeck und Andres schneiden Stecken im Gebüsch. Andres pfeift.]
+
+WOYZECK: Ja, Andres, der Platz ist verflucht. Siehst Du den lichten
+Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen? Da rollt
+abends der Kopf. Es hob ihn einmal einer auf, er meint', es wär ein
+Igel: drei Tag und drei Nächt, er lag auf den Hobelspänen. - [Leise:]
+Andres, das waren die Freimaurer! Ich hab's, die Freimaurer!
+
+ANDRES [singt]:
+ Saßen dort zwei Hasen,
+ fraßen ab das grüne, grüne Gras...
+
+WOYZECK: Still: Hörst du's, Andres? Hörst du's? Es geht was!
+
+ANDRES:
+ Fraßen ab das grüne, grüne Gras...
+ bis auf den grünen Rasen.
+
+WOYZECK: Es geht hinter mir, unter mir. - [Stampft auf den Boden:]
+Hohl, hörst Du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer!
+
+ANDRES: Ich fürcht' mich.
+
+WOYZECK: 's ist so kurios still. Man möcht' den Atem halten. - Andres!
+
+ANDRES: Was?
+
+WOYZECK: Red was! - [Starrt in die Gegend.] - Andres, wie hell! Über
+der Stadt is alles Glut! Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös
+herunter wie Posaunen. Wie's heraufzieht! - Fort! Sieh nicht hinter
+dich! - [Reißt ihn ins Gebüsch.]
+
+ANDRES [nach einer Pause]: Woyzeck, hörst du's noch?
+
+WOYZECK: Still, alles still, als wär' die Welt tot.
+
+ANDRES: Hörst du? Sie trommeln drin. Wir müssen fort!
+
+
+
+ Die Stadt
+
+[Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margret. Der Zapfenstreich geht
+vorbei, der Tambourmajor voran.]
+
+MARIE [das Kind wippend auf dem Arm]: He, Bub! Sa ra ra ra! Hörst? Da
+kommen Sie!
+
+MARGRET: Was ein Mann, wie ein Baum!
+
+MARIE: Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw.
+
+[Tambourmajor grüßt.]
+
+MARGRET: Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin! So was is man an
+ihr nit gewöhnt.
+
+MARIE [singt]: Soldaten, das sind schöne Bursch ...
+
+MARGRET: Ihre Auge glänze ja noch -
+
+MARIE: Und wenn! Trag Sie Ihr Aug zum Jud, und laß Sie sie putze;
+vielleicht glänze sie noch, daß man sie für zwei Knöpfe verkaufen
+könnt.
+
+MARGRET: Was, Sie? Sie? Frau Jungfer! Ich bin eine honette Person,
+aber Sie, es weiß jeder, Sie guckt sieben Paar lederne Hose durch!
+
+MARIE: Luder! - [Schlägt das Fenster durch.] - Komm, mei Bub! Was die
+Leute wolle. Bist doch nur ein arm Hurenkind und machst deiner Mutter
+Freud mit deim unehrlichen Gesicht! Sa! sa! - [Singt]
+ Mädel, was fangst Du jetzt an?
+ Hast ein klein Kind und kein' Mann!
+ Ei, was frag' ich danach?
+ Sing' ich die ganze Nacht
+ heio, popeio, mei Bu, juchhe!
+ Gibt mir kein Mensch nix dazu.
+
+[Es klopft am Fenster.]
+
+MARIE: Wer da? Bist du's, Franz? Komm herein!
+
+WOYZECK: Kann nit. Muß zum Verles'.
+
+MARIE: Hast du Stecken geschnitten für den Hauptmann?
+
+WOYZECK: Ja, Marie.
+
+MARIE: Was hast du, Franz? Du siehst so verstört.
+
+WOYZECK [geheimnisvoll]: Marie, es war wieder was, viel - steht nicht
+geschrieben: Und sie, da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom
+Ofen?
+
+MARIE: Mann!
+
+WOYZECK: Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt. Etwas, was
+wir nicht fassen, begreifen, was uns von Sinnen bringt. Was soll das
+werden?
+
+MARIE: Franz!
+
+WOYZECK: Ich muß fort. - Heut abend auf die Meß! Ich hab wieder
+gespart. - [Er geht.]
+
+MARIE: Der Mann! So vergeistert. Er hat sein Kind nicht angesehn!
+Er schnappt noch über mit den Gedanken! - Was bist so still, Bub?
+Furchtest dich? Es wird so dunkel; man meint, man wär' blind. Sonst
+scheint als die Latern herein. Ich halt's nit aus; es schauert mich! -
+[Geht ab.]
+
+
+
+ Buden. Lichter. Volk
+
+ALTER MANN [singt und Kind tanzt zum Leierkasten]:
+ Auf der Welt ist kein Bestand,
+ Wir müssen alle sterben,
+ das ist uns wohlbekannt.
+
+WOYZECK: Hei, Hopsa's! - Armer Mann, alter Mann! Armes Kind, junges
+Kind! Sorgen und Feste!
+
+MARIE: Mensch, sind noch die Narrn von Verstande, dann ist man selbst
+ein Narr. - Komische Welt! Schöne Welt!
+
+[Beide gehn weiter zum Marktschreier.]
+
+MARKTSCHREIER [vor seiner Bude mit seiner Frau in Hosen und einem
+kostümierten Affen]: Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie die Kreatur,
+wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie jetzt die Kunst: geht
+aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein' Säbel! Der Aff ist Soldat; s'
+ist noch nicht viel, unterste Stuf von menschliche Geschlecht. Ho!
+Mach Kompliment! So - bist Baron. Gib Kuß! - [Er trompetet:] Wicht ist
+musikalisch. - Meine Herren, hier ist zu sehen das astronomische Pferd
+und die kleine Kanaillevögele. Sind Favorit von alle gekrönte Häupter
+Europas, verkündigen den Leuten alles: wie alt, wieviel Kinder, was
+für Krankheit. Die Repräsentationen anfangen! Es wird sogleich sein
+Commencement von Commencement.
+
+WOYZECK: Willst Du?
+
+MARIE: Meinetwegen. Das muß schön Ding sein. Was der Mensch Quasten
+hat! Und die Frau Hosen!
+
+[Beide gehn in die Bude.]
+
+TAMBOURMAJOR: Halt, jetzt! Siehst du sie! Was ein Weibsbild!
+
+UNTEROFFIZIER: Teufel! Zum Fortpflanzen von Kürassierregimentern!
+
+TAMBOURMAJOR: Und zur Zucht von Tambourmajors!
+
+UNTEROFFIZIER: Wie sie den Kopf trägt! Man meint, das schwarze Haar
+müßt' sie abwärts ziehn wie ein Gewicht. Und Augen -
+
+TAMBOURMAJOR: Als ob man in ein' Ziehbrunnen oder zu einem Schornstein
+hinunter guckt. Fort, hintendrein! -
+
+
+
+ Das Innere der hellerleuchteten Bude
+
+MARIE: Was Licht!
+
+WOYZECK: Ja, Marie, schwarze Katzen mit feurigen Augen. Hei, was ein
+Abend!
+
+DER BUDENBESITZER [ein Pferd vorführend]: Zeig dein Talent! Zeig deine
+viehische Vernünftigkeit! Beschäme die menschliche Sozietät! Meine
+Herren, dies Tier, was Sie da sehn, Schwanz am Leib, auf seine vier
+Hufe, ist Mitglied von alle gelehrt Sozietät, ist Professor an unsre
+Universität, wo die Studente bei ihm reiten und schlagen lernen. -
+Das war einfacher Verstand. Denk jetzt mit der doppelten Raison! Was
+machst du, wann du mit der doppelten Raison denkst? Ist unter der
+gelehrten Société da ein Esel? - [Der Gaul schüttelt den Kopf.] - Sehn
+Sie jetzt die doppelte Raison? Das ist Viehsionomik. Ja, das ist kein
+viehdummes Individuum, das ist ein Person, ein Mensch, ein tierischer
+Mensch - und doch ein Vieh, ein Bête. - [Das Pferd führt sich
+ungebührlich auf.] - So, beschäme die Société. Sehn Sie, das Vieh ist
+noch Natur, unideale Natur! Lernen Sie bei ihm! Fragen Sie den Arzt,
+es ist sonst höchst schädlich! Das hat geheißen: Mensch, sei
+natürlich! Du bist geschaffen aus Staub, Sand, Dreck. Willst du mehr
+sein als Staub, Sand, Dreck? - Sehn Sie, was Vernunft: es kann rechnen
+und kann doch nit an den Fingern herzählen. Warum? Kann sich nur nit
+ausdrücken, nur nit explizieren, ist ein verwandelter Mensch. Sag den
+Herren, wieviel Uhr ist es! Wer von den Herren und Damen hat ein Uhr?
+ein Uhr?
+
+UNTEROFFIZIER: Eine Uhr? - [Zieht großartig und gemessen eine Uhr aus
+der Tasche:] Da, mein Herr!
+
+MARIE: Das muß ich sehn. - [Sie klettert auf den ersten Platz;
+Unteroffizier hilft ihr.]
+
+TAMBOURMAJOR: Das ist ein Weibsbild.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+MARIE [sitzt, ihr Kind auf dem Schoß, ein Stückchen Spiegel in
+der Hand]: Der andre hat ihm befohlen, und er hat gehen müssen! -
+[Bespiegelt sich:] Was die Steine glänzen! Was sind's für? Was hat
+er gesagt? - - Schlaf, Bub! Drück die Augen zu, fest! - [Das Kind
+versteckt die Augen hinter den Händen.] - Noch fester! Bleib so -
+still, oder er holt dich! - [Singt:]
+ Mädel, mach's Ladel zu
+ 's kommt e Zigeunerbu,
+ führt dich an deiner Hand
+ fort ins Zigeunerland.
+[Spiegelt sich wieder.] - 's ist gewiß Gold! Wie wird mir's beim
+Tanzen stehen? Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stück
+Spiegel, und doch hab ich ein' so roten Mund als die großen Madamen
+mit ihrem Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herrn, die
+ihnen die Händ küssen. Ich bin nur ein arm Weibsbild! - [Das Kind
+richtet sich auf.] - Still, Bub, die Augen zu! Das Schlafengelchen!
+Wie's an der Wand läuft. - [Sie blinkt ihm mit dem Glas:] Die Auge zu,
+oder es sieht dir hinein, daß du blind wirst!
+
+[Woyzeck tritt herein, hinter sie. Sie fährt auf, mit den Händen nach
+den Ohren.]
+
+WOYZECK: Was hast du?
+
+MARIE: Nix.
+
+WOYZECK: Unter deinen Fingern glänzt's ja.
+
+MARIE: Ein Ohrringlein; hab's gefunden.
+
+WOYZECK: Ich hab' so noch nix gefunden, zwei auf einmal!
+
+MARIE: Bin ich ein Mensch?
+
+WOYZECK: 's ist gut, Marie. - Was der Bub schläft! Greif ihm unters
+Ärmchen, der Stuhl drückt ihn. Die hellen Tropfen stehn ihm auf der
+Stirn; alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiß im Schlaf. Wir
+arme Leut! - Da ist wieder Geld, Marie; die Löhnung und was von meim
+Hauptmann.
+
+MARIE: Gott vergelt's, Franz.
+
+WOYZECK: Ich muß fort. Heut abend, Marie! Adies!
+
+MARIE [allein, nach einer Pause]: Ich bin doch ein schlechter Mensch!
+Ich könnt' mich erstechen. - Ach, was Welt! Geht doch alle zum Teufel,
+Mann und Weib!
+
+
+
+ Beim Doktor
+
+[Woyzeck. Der Doktor.]
+
+DOKTOR: Was erleb' ich, Woyzeck? Ein Mann von Wort!
+
+WOYZECK: Was denn, Herr Doktor?
+
+DOKTOR: Ich hab's gesehn, Woyzeck; er hat auf die Straß gepißt, an
+die Wand gepißt, wie ein Hund. - Und doch drei Groschen täglich und
+die Kost! Woyzeck, das ist schlecht; die Welt wird schlecht, sehr
+schlecht!
+
+WOYZECK: Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt.
+
+DOKTOR: Die Natur kommt, die Natur kommt! Die Natur! Hab' ich nicht
+nachgewiesen, daß der Musculus constrictor vesicae dem Willen
+unterworfen ist? Die Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem
+Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit. - Den Harn
+nicht halten können! - [Schüttelt den Kopf, legt die Hände auf den
+Rücken und geht auf und ab.] - Hat Er schon seine Erbsen gegessen,
+Woyzeck? Nichts als Erbsen, cruciferae, merk Er sich's! Es gibt eine
+Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft. Harnstoff
+0,10, salzsaures Ammonium, Hyperoxydul - Woyzeck, muß Er nicht wieder
+pissen? Geh Er einmal hinein und probier Er's!
+
+WOYZECK: Ich kann nit, Herr Doktor.
+
+DOKTOR [mit Affekt]: Aber an die Wand pissen! Ich hab's schriftlich,
+den Akkord in der Hand! - Ich hab's gesehen, mit diesen Augen
+gesehen; ich steckt' grade die Nase zum Fenster hinaus und ließ die
+Sonnenstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten. - [Tritt auf
+ihn los:] Nein, Woyzeck, ich ärgre mich nicht; Ärger ist ungesund, ist
+unwissenschaftlich. Ich bin ruhig, ganz ruhig; mein Puls hat
+seine gewöhnlichen sechzig, und ich sag's Ihm mit der größten
+Kaltblütigkeit. Behüte, wer wird sich über einen Menschen ärgern,
+ein' Mensch! Wenn es noch ein Proteus wäre, der einem krepiert! Aber,
+Woyzeck, Er hätte nicht an die Wand pissen sollen -
+
+WOYZECK: Sehn Sie, Herr Doktor, manchmal hat einer so 'en Charakter,
+so 'ne Struktur. - Aber mit der Natur ist's was anders, sehn Sie; mit
+der Natur - [er kracht mit den Fingern] -, das is so was, wie soll ich
+sagen, zum Beispiel ...
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er philosophiert wieder.
+
+WOYZECK [vertraulich]: Herr Doktor, haben Sie schon was von der
+doppelten Natur gesehn? Wenn die Sonn in Mattag steht und es ist, als
+ging' die Welt in Feuer auf, hat schon eine fürchterliche Stimme zu
+mir geredt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat eine Aberratio.
+
+WOYZECK [legt den Finger auf die Nase]: Die Schwämme, Herr Doktor, da,
+da steckt's. Haben Sie schon gesehn, in was für Figuren die Schwämme
+auf dem Boden wachsen? Wer das lesen könnt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat die schönste Aberratio mentalis partialis,
+die zweite Spezies, sehr schön ausgeprägt. Woyzeck, Er kriegt Zulage!
+Zweite Spezies: fixe Idee mit allgemein vernünftigem Zustand. - Er tut
+noch alles wie sonst? Rasiert seinen Hauptmann?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Ißt seine Erbsen?
+
+WOYZECK: Immer ordentlich, Herr Doktor. Das Geld für die Menage kriegt
+meine Frau.
+
+DOKTOR: Tut seinen Dienst?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Er ist ein interessanter Kasus. Subjekt Woyzeck, Er kriegt
+Zulage, halt Er sich brav. Zeig Er seinen Puls. Ja.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Tambourmajor.]
+
+TAMBOURMAJOR: Marie!
+
+MARIE [ihn ansehennd, mit Ausdruck]: Geh einmal vor dich hin! Über die
+Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Löw. So ist keiner! - Ich bin
+stolz vor allen Weibern!
+
+TAMBOURMAJOR: Wenn ich am Sonntag erst den großen Federbusch hab' und
+die weiße Handschuh, Donnerwetter! Der Prinz sagt immer: Mensch, Er
+ist ein Kerl.
+
+MARIE [spöttisch]: Ach was! - [Tritt vor ihn hin:] Mann!
+
+TAMBOURMAJOR: Und du bist auch ein Weibsbild! Sapperment, wir wollen
+eine Zucht Tambourmajors anlegen. He? - [Er umfaßt sie.]
+
+MARIE [verstimmt]: Laß mich!
+
+TAMBOURMAJOR: Wild Tier!
+
+MARIE [heftig]: Rühr mich an!
+
+TAMBOURMAJOR: Sieht dir der Teufel aus den Augen?
+
+MARIE: Meinetwegen! Es ist alles eins!
+
+
+
+ Straße
+
+[Hauptmann. Doktor. Hauptmann keucht die Straße herunter, hält an;
+keucht, sieht sich um.]
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, rennen Sie nicht so! Rudern Sie mir Ihrem
+Stock nicht so in der Luft! Sie hetzen sich ja hinter dem Tod drein.
+Ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat, geht nicht so schnell.
+Ein guter Mensch - [Er erwischt den Doktor am Rock:] Herr Doktor,
+erlauben Sie, daß ich ein Menschenleben rette!
+
+DOKTOR: Pressiert, hh, pressiert!
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, ich bin so schwermütig, ich habe so was
+Schwärmerisches; ich muß immer weinen, wenn ich meinen Rock an der
+Wand hängen sehen -.
+
+DOKTOR: Hm! Aufgedunsen, fett, dicker Hals: apoplektische
+Konstitution. Ja, Herr Hauptmann, Sie können eine Apoplexia cerebri
+kriegen; Sie können sie aber vielleicht auch nur auf der einen Seite
+bekommen und auf der einen gelähmt sein, oder aber Sie können im
+besten Fall geistig gelähmt werden und nur fort vegetieren: das sind
+so ohgefähr Ihre Aussichten auf die nächsten vier Wochen! Übrigens
+kann ich Sie versichern, daß Sie einen von den interessanten Fällen
+abgeben, und wenn Gott will, daß Ihre Zunge zum Teil gelähmt wird, so
+machen wir unsterbliche Experimente.
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, erschrecken Sie mich nicht! Es sind schon
+Leute am Schreck gestorben, am bloßen hellen Schreck. - Ich sehe schon
+die Leute mit den Zitronen in den Händen; aber sie werden sagen, er
+war ein guter Mensch, ein guter Mensch - Teufel Sargnagel!
+
+DOKTOR [hält ihm den Hut hin]: Was ist das, hh? - Das ist ein
+Hohlkopf, geehrtester Herr Exerzierzagel!
+
+HAUPTMANN [macht eine Falte]: Was ist das, Herr Doktor? - Das ist
+Einfalt, bester Herr Sargnagel! Hähähä! Aber nichts für ungut! Ich bin
+ein guter Mensch, aber ich kann auch, wenn ich will, Herr Doktor,
+hähähä, wenn ich will ... - [Woyzeck kommt und will vorbeieilen] - He,
+Woyzeck, was hetzt Er sich so an uns vorbei. Bleib er doch, Woyzeck!
+Er läuft ja wie ein offnes Rasiermesser durch die Welt, man schneidt
+sich an Ihm; Er läuft, als hätt er ein Regiment Kastrierte zu rasieren
+und würde gehenkt über dem längsten Haar noch vor dem Verschwinden.
+Aber, über die langen Bärte - was wollt' ich doch sagen? Woyzeck: die
+langen Bärte ...
+
+DOKTOR: Ein langer Bart unter dem Kinn, schon Plinius spricht davon,
+man müßt es den Soldaten abgewöhnen ...
+
+HAUPTMANN [fährt fort]: Ha, über die langen Bärte! Wie is, Woyzeck,
+hat Er noch nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schüssel gefunden?
+He, Er versteht mich doch? Ein Haar eines Menschen, vom Bart eines
+Sapeurs, eines Unteroffiziers, eines - eines Tambourmajors? He,
+Woyzeck? Aber Er hat eine brave Frau. Geht Ihm nicht wie andern.
+
+WOYZECK: Jawohl! Was wollen Sie sagen, Herr Hauptmann?
+
+HAUPTMANN: Was der Kerl ein Gesicht macht! ... Vielleicht nun auch
+nicht in der Suppe, aber wenn Er sich eilt und um die Eck geht, so
+kann er vielleicht noch auf ein Paar Lippen eins finden. Ein Paar
+Lippen, Woyzeck. Kerl, Er ist ja kreideweiß!
+
+WOYZECK: hh, ich bin ein armer Teufel - und hab's sonst nichts auf der
+Welt. hh, wenn Sie Spaß machen -
+
+HAUPTMANN: Spaß ich? Daß dich Spaß, Kerl!
+
+DOKTOR: Den Puls, Woyzeck, den Puls! - Klein, hart, hüpfend,
+unregelmäßig.
+
+WOYZECK: hh, die Erd is höllenheiß - mir eiskalt, eiskalt - Die Hölle
+is kalt, wollen wir wetten. - - Unmöglich! Mensch! Mensch! Unmöglich!
+
+HAUPTMANN: Kerl, will Er - will Er ein paar Kugeln vor den Kopf haben?
+Er ersticht mich mit seinen Augen, und ich mein' es gut mit Ihm, weil
+Er ein guter Mensch ist, Woyzeck, ein guter Mensch.
+
+DOKTOR: Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zuweilen hüpfend. Haltung
+aufgeregt, gespannt.
+
+WOYZECK: Ich geh'. Es is viel möglich. Der Mensch! Es is viel möglich.
+- Wir haben schön Wetter, hh. Sehn Sie, so ein schöner, fester, grauer
+Himmel; man könnte Lust bekommen, ein' Kloben hineinzuschlagen und
+sich daran zu hängen, nur wegen des Gedankenstriches zwischen Ja und
+wieder Ja - und Nein. hh, Ja und Nein? Ist das Nein am Ja oder das
+Ja am Nein schuld? Ich will darüber nachdenken. - [Geht mit breiten
+Schritten ab, erst langsamer, dann immer schneller.]
+
+HAUPTMANN: Mir wird ganz schwindlig vor den Menschen. Wie schnell!
+Der lange Schlingel greift aus, als läuft der Schatten von einem
+Spinnbein, und der Kurze, das zuckelt. Der Lange ist der Blitz und der
+Kleine der Donner. Haha ... Grotesk! grotesk!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Woyzeck.]
+
+WOYZECK [sieht sie starr an und schüttelt den Kopf]: Hm! Ich seh'
+nichts, ich seh nichts. O man müßt's sehen, man müßt's greifen könne
+mit Fäusten!
+
+MARIE [verschüchtert]: Was hast du, Franz? - Du bist hirnwütig, Franz.
+
+WOYZECK: Eine Sünde, so dick und so breit - es stinkt, daß man die
+Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'! Du hast ein' roten Mund,
+Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist schön wie die Sünde -
+kann die Totsünde so schön sein?
+
+MARIE: Franz, du redest im Fieber!
+
+WOYZECK: Teufel! - Hat er da gestanden? So? So?
+
+MARIE: Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, können viele Menschen
+an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
+
+WOYZECK: Ich hab ihn gesehn!
+
+MARIE: Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is
+und die Sonn scheint.
+
+WOYZECK: Mensch! - [Geht auf sie los.]
+
+MARIE: Rühr mich an, Franz! Ich hätt' lieber ein Messer in den Leib
+als deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen gewagt,
+wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
+
+WOYZECK: Weib! - Nein, es müßte was an dir sein! Jeder Mensch ist ein
+Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. - Es wäre! Sie geht
+wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an dir. Weiß
+ich's? Weiß ich's? Wer weiß es? - [Er geht.]
+
+
+
+ Die Wachstube.
+
+[Woyzeck. Andres.]
+
+ANDRES [singt]:
+ Frau Wirtin hat ne brave Magd,
+ sie sitzt im Garten Tag und Nacht,
+ sie sitzt in ihrem Garten ...
+
+WOYZECK: Andres!
+
+ANDRES: Nu?
+
+WOYZECK: Schön Wetter.
+
+ANDRES: Sonntagswetter - Musik vor der Stadt. Vorhin - sind die
+Weibsbilder hinaus; die Mensche dampfe, das geht!
+
+WOYZECK [unruhig]: Tanz, Andres, sie tanze!
+
+ANDRES: Im Rössel und in Sternen.
+
+WOYZECK: Tanz, Tanz!
+
+ANDRES: Meinetwege.
+ Sitzt in ihrem Garten,
+ bis dass das Glöcklein zwölfe schlägt,
+ und paßt auf die Solda-aten.
+
+WOYZECK: Andres, ich hab' kei Ruh.
+
+ANDRES: Narr!
+
+WOYZECK: Ich muß hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz, Tanz!
+Wird sie heiße Händ habe! Verdammt, Andres!
+
+ANDRES: Was willst du?
+
+WOYZECK: Ich muß fort, muß sehen.
+
+ANDRES: Du Unfried! Wegen dem Mensch?
+
+WOYZECK: Ich muß hinaus, 's is so heiß dahie.
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Die Fenster offen, Tanz. Bänke vor dem Haus. Bursche.]
+
+ERSTER HANDSWERKSBURSCH:
+ Ich hab' ein Hemdlein an, das ist nicht mein;
+ meine Seele stinkt nach Branndewein -
+
+ZWEITER HANDWERKSBURSCH: Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein
+Loch in die Natur machen? Vorwärts! Ich will ein Loch in die Natur
+maehen! Ich bin auch ein Kerl, du weißt - ich will ihm alle Flöh am
+Leib totschlagen.
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH: Meine Seele, meine Seele stinkt
+nach Branndewein! - Selbst das Geld geht in Verwesung über!
+Vergißmeinnicht, wie ist diese Welt so schön! Bruder, ich muß ein
+Regenfaß voll greinen vor Wehmut. Ich wollt', unsre Nasen wären zwei
+Bouteillen, und wir könnten sie uns einander in den Hals gießen.
+
+ANDRE [im Chor]:
+ Ein Jäger aus der Pfalz
+ ritt einst durch einen grünen Wald.
+ Halli, hallo, ha lustig ist die Jägerei
+ allhier auf grüner Heid.
+ Das Jagen is mei Freud.
+
+[Woyzeck stellt sich ans Fenster. Marie und der Tambourmajor tanzen
+vorbei, ohne ihm zu bemerken.]
+
+WOYZECK: Er! Sie! Teufel!
+
+MARIE [im Vorbeitanzen]: Immer zu, imer zu -
+
+WOYZECK [erstickt]: Immer zu - Immer zu! - [Fährt heftig auf und
+sinkt zurück auf die Bank:] Immer zu, immer zu! - [Schlägt die Hände
+ineinander:] Dreht euch. wälzt euch! Warum bläst Gott nicht die Sonn
+aus, daß alles in Unzucht sich übereinanderwälzt, Mann und Weib,
+Mensch und Vieh?! Tut's am hellen Tag, tut's einem auf den Händen wie
+die Mücken! - Weib! Das Weib is heiß, heiß! - Immer zu, immer zu! -
+[Fährt auf:] Der Kerl, wie er an ihr herum greift, an ihrem Leib! Er,
+er hat sie - wie ich zu Anfang. - [Er sinkt betäubt zusammen.]
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH [predigt auf dem Tisch]: Jedoch, wenn ein
+Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit oder aber sich die
+göttliche Weisheit beantwortet und sich anredet: Warum ist der Mensch?
+Warum ist der Mensch? - Aber wahrlich, ich sage euch: Von was hätte
+der Landmann, der Weißbinder, der Schuster, der Arzt leben sollen,
+wenn Gott den Menschen nicht geschaffen hätte? Von was hätte der
+Schneider leben sollen, wenn er dem Menschen nicht die Empfindung der
+Scham eingepflanzt hätte, von was der Soldat, wenn er ihm nicht mit
+dem Bedürfnis sich totzuschlagen ausgerüstet hätte? Darum zweifelt
+nicht - ja, ja, es ist lieblich und fein, aber alles Irdische ist
+übel, selbst das Geld geht in Verwesung über. Zum Beschluß, meine
+geliebten Zuhörer, laßt uns noch übers Kreuz pissen, damit ein Jud
+stirbt!
+
+[Unter allgemeinem Gejohle erwacht Woyzech und rast davon.]
+
+
+
+ Freies Feld
+
+WOYZECK: Immer zu! Immer zu! Hisch, hasch! So gehn die Geigen und
+die Pfeifen. - Immer zu! Immer zu! - Still, Musik! Was spricht da
+unten? - Recht sich gegen den Boden: Ha, was, was sagt ihr? Lauterl
+Lauter! Stich, stich die Zickwolfin tot? - Stich, stich die Zickwolfin
+tot! - Soll ich! Muß ich? Hör' ich's da auch? - Sagt's der Wind auch?
+- Hör' ich's immer, immer zu: stich tot, tot!
+
+
+
+ Ein Zimmer in der Kaserne
+
+[Nacht. Andres und Woyzech in einem Bett.]
+
+WOYZECK [leise]: Andres!
+
+[Andres murmelt im Schlaf.]
+
+WOYZECK [schüttelt Andres]: He, Andres! Andres!
+
+ANDRES: Na was is?
+
+WOYZECK: Ich kann nit schlafen! Wenn ich die Aug zumach', dreht sich's
+immer, und ich hör' die Geigen, immer zu, immer zu. Und dann spricht's
+aus der Wand. Hörst du nix?
+
+ANDRES: Ja - laß sie tanze! Einer is müd, und dann Gott behüt uns,
+amen.
+
+WOYZECK: Es redt lmmer: stich! stich! und zieht mir zwischen den
+Augen wie ein Messer -
+
+ANDRES: Schlaf, Narr! - [Er schläft wieder ein.]
+
+WOYZECK: Immer zu! Immer zu!
+
+
+
+ Der Hof des Doktors
+
+[Studenten und Woyzeck unten, der Doktor am Dachfenster.]
+
+DOKTOR: Meine Herren, ich bin auf dern Dach wie David, als er
+die Bathseba sah; aber ich sehe nichts als die culs de Paris der
+Mädchenpension im Garten trocknen. Meine Herren, wir sind an der
+wichtigen Frage über das Verhältnis des Subjekts zum Objekt. Wenn
+wir nur eins von den Dingen nehmen, worin sich die organische
+Selbstaffirmation des Göttlichen, auf einem so hohen Standpunkte,
+manifestiert, und ihre Verhältnisse zum Raum, zur Erde, zum
+Planetarischen untersuchen, meine Herren, wenn ich diese Katze zum
+Fenster hinauswerfe: wie wird diese Wesenheit sich zum centrum
+gravitationis gemäß ihrem eigenen Instinkt verhalten? - He, Woyzeck -
+[brüllt] -, Woyzeck!
+
+WOYZECK [fängt die Katze auf]: Herr Doktor, sie beißt!
+
+DOKTOR: Kerl, Er greift die Bestie so zärtlich an, als wär's seine
+Großmutter. - [Er kommt herunter.]
+
+WOYZECK: Herr Doktor, ich hab's Zittern.
+
+DOKTOR [ganz erfreut]: Ei, ei! Schön, Woyzeck! - Reibt sich die Hände.
+[Er nimmt die Katze:] Was seh' ich, meine Herren, die neue Spezies
+Hasenlaus, eine schöne Spezies ... - [Er zieht eine Lupe heraus,
+die Katze läuft fort.] - Meine Herren, das Tier hat keinen
+wissenschaftlichen Instinkt ... Die können dafür was anders sehen.
+Sehen Sie: der Mensch, seit einem Vierteljahr ißt er nichts als
+Erbsen; bemerken Sie die Wirkung, fühlen Sie einmal: Was ein
+ungleicher Puls! Der und die Augen!
+
+WOYZECK: Herr Doktor, es wird mir dunkel! - [Er setzt sich.]
+
+DOKTOR: Courage, Woyzeck! Noch ein paar Tage, und dann ist's fertig.
+Fühlen Sie, meine Herren, fühlen Sie! - [Sie betasten ihm Schläfe,
+Puls und Busen.] - Apropos, Woyzeck, beweg den Herren doch einmal die
+Ohren! Ich hab' es Ihnen schon zeigen wollen, zwei Muskeln sind bei
+ihm tätig. Allons, frisch!
+
+WOYZECK: Ach, Herr Doktor!
+
+DOKTOR: Bestie, soll ich dir die Ohren bewegen? Willst du's machen
+wie die Katze? So, meine Herren! Das sind so Übergänge zum Esel,
+häufig auch die Folge weiblicher Erziehung und die Muttersprache.
+Wieviel Haare hat dir die Mutter zum Andenken schon ausgerissen aus
+Zärtlichkeit? Sie sind dir ja ganz dünn geworden seit ein paar Tagen.
+Ja, die Erbsen, meine Herren!
+
+
+
+ Kasernenhof
+
+WOYZECK: Hast nix gehört?
+
+ANDRES: Er is da, noch mit einem Kameraden.
+
+WOYZECK: Er hat was gesagt.
+
+ANDRES: Woher weißt du's? Was soll ich's sagen? Nu, er lachte, und
+dann sagt er: Ein köstlich Weibsbild! Die hat Schenkel, und alles so
+heiß!
+
+WOYZECK [ganz kalt]: So, hat er das gesagt? Von was hat mir doch heut
+nacht geträumt? War's nicht von einem Messer? Was man doch närrische
+Träume hat!
+
+ANDRES: Wohin, Kamerad?
+
+WOYZECK: Meim Offizier Wein holen. - Aber, Andres, sie war dach ein
+einzig Mädel.
+
+ANDRES: Wer war?
+
+WOYZECK: Nix. Adies! - [Ab.]
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Tambourmajor. Woyzeck. Leute.]
+
+TAMBOURMAJOR: Ich bin ein Mann! - [Schlägt sich auf die Brust:] Ein
+Mann, sag' ich. Wer will was? Wer kein be- soffner Herrgott ist, der
+laß sich von mir. Ich will ihn die Nas ins Arschloch prügeln! Ich
+will - [Zu Woyzeck:] Du Kerl, sauf! Ich wollt' die Welt wär' Schnaps,
+Schnaps - der Mann muß saufen! - [Woyzech pfeift.] - Kerl, soll ich
+dir die Zung aus dem Hals ziehn und sie um den Leib herumwickeln? -
+Sie ringen, Woyzeck verliert. - Soll ich dir noch so viel Atem lassen
+als 'en Altweiberfurz, soll ich? - [Woyzech setzt sich erschöpft
+zitternd auf eine Bank.] - Der Kerl soll dunkelblau pfeifen.
+ Branndewein, das ist mein Leben;
+ Branndwein gibt Courage!
+
+EINE: Der hat sein Fett.
+
+ANDRE: Er blut'.
+
+WOYZECK: Eins nach dem andern.
+
+
+
+ Kramladen
+
+[Woyzeck. Der Jude.]
+
+WOYZECK: Das Pistolchen ist zu teuer.
+
+JUDE: Nu, kauft's oder kauft's nit, was is?
+
+WOYZECK: Was kost' das Messer?
+
+JUDE: 's ist ganz grad. Wollt Ihr Euch den Hals mit abschneiden? Nu,
+was is es? Ich geb's Euch so wohlfeil wie ein andrer. Ihr sollt Euern
+Tod wohlfeil haben, aber doch nit umsonst. Was is es? Er soll ein
+ökonomischer Tod haben.
+
+WOYZECK: Das kann mehr als Brot schneiden -
+
+JUDE: Zwee Grosche.
+
+WOYZECK: Da! - Geht ab.
+
+JUDE: Da! Als ob's nichts wär! Und es is doch Geld. - Du Hund!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+NARR [liegt und erzählt sich Märchen an den Fingern]: Der hat die
+goldne Kron, der Herr König ... Morgen hol' ich der Frau Königin ihr
+Kind ... Blutwurst sagt: komm, Leber- wurst ...
+
+MARIE [blättert in der Bibel]: "Und ist kein Betrug in seinem Munde
+erfunden": ... Herrgott, Herrgott! Sieh mich nicht an! - [Blättert
+weiter:] "Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch
+begriffen, und stelleten sie ins Mittel dar ... Jesus aber sprach:
+So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht
+mehr!" - [Schlägt die Hände zusammen:] Hergott! Hergott! Ich kann
+nicht! - Herrgott, gib mir nur so viel, daß ich beten kann. - [Das
+Kind drängt sich an sie.] - Das Kind gibt mir einen Stich ins Herz.
+- [Zum Narrn:] Karl! Das brüst' sich in der Sonne! - [Narr nimmt das
+Kind und wird still.] - Der Franz ist nit gekommen, gestern nit,
+heut nit. Es wird heiß hier! - [Sie macht das Fenster auf und liest
+wieder:] "Und trat hinten zu seinen Füßen und weinete, und fing an,
+seine Füße zu netzen mit Tränen und mit den Haaren ihres Hauptes
+zu trocknen, und küssete seine Füße und salbete sie mit Salbe ..."
+[Schlägt sich auf die Brust:] Alles tot! Heiland! Heiland! ich möchte
+dir die Füße salben! -
+
+
+
+ Kaserne
+
+[Andres. Woyzeck kramt in seinen Sachen.]
+
+WOYZECK: Das Kamisolchen, Andres, ist nit zur Montur: du kannst's
+brauchen, Andres.
+
+ANDRES [ganz starr, sagt zu allem]: Jawohl.
+
+WOYZECK: Das Kreuz meiner Schwester und das Ringlein.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK: Ich hab' auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schön Gold -
+es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht:
+ Herr, wie dein Leib war rot und wund,
+ so laß mein Herz sein aller Stund.
+Mein Mutter fühlt nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Händ scheint -
+das tut nix.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK [zieht ein Papier hervor]: Friedrich Johann Franz Woyzeck,
+Wehrmann, Füsilier im 2. Regiment, 2. Bataillion 4. Kompanie, geboren
+Mariä Verkündigung, den 20. Juli. - Ich bin heut alt 30 Jahr, 7 Monat
+und 12 Tage.
+
+ANDRES: Franz, du kommst ins Lazarett. Armer, du mußt Schnaps trinken
+und Pulver drin, das töt' das Fieber.
+
+WOYZECK: Ja, Andres, wenn ein Schreiner die Hobelspäne sammelt, es
+weiß niemand, wer seinen Kopf drauflegen wird.
+
+
+
+ Straße
+
+[Marie mit Mädchen vor der Haustür, Großmutter; später Woyzeck]
+
+MÄDCHEN:
+ Wie scheint die Sonn am Lichtmeßtag
+ und steht das Korn im Blühn.
+ Sie gingen wohl die Wiese hin,
+ sie gingen zu zwein und zwein.
+ Die Pfeifer gingen voran,
+ die Geiger hinterdrein,
+ sie hatten rote Socken an ...
+
+ERSTES KIND: Das ist nit schön.
+
+ZWEITES KIND: Was willst du auch immer!
+
+ERSTES KIND: Marie, sing du uns!
+
+MARIE: Ich kann nit.
+
+ERSTES KIND: Warum?
+
+MARIE: Darum.
+
+ZWEITES KIND: Aber warum darum?
+
+DRITTES KIND: Großmutter, erzähl!
+
+GROSSMUTTER: Kommt, ihr kleinen Krabben! - Es war einmal ein arm Kind
+und hatt' kein Vater und keine Mutter, war alles tot, und war niemand
+mehr auf der Welt. Alles tot, und es is hingangen und hat gesucht Tag
+und Nacht. Und weil auf der Erde niemand mehr war, wollt's in Himmel
+gehn, und der Mond guckt es so freundlich an; und wie es endlich zum
+Mond kam, war's ein Stück faul Holz. Und da is es zur Sonn gangen, und
+wie es zur Sonn kam, war's ein verwelkt Sonneblum. Und wie's zu den
+Sternen kam, waren's kleine goldne Mücken, die waren angesteckt, wie
+der Neuntöter sie auf die Schlehen steckt. Und wie's wieder auf die
+Erde wollt, war die Erde ein umgestürzter Hafen. Und es war ganz
+allein. Und da hat sich's hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch
+und is ganz allein.
+
+WOYZECK [erscheint]: Marie!
+
+MARIE [erschreckt]: Was is?
+
+WOYZECK: Marie, wir wollen gehn. 's is Zeit.
+
+MARIE: Wohin?
+
+WOYZECK: Weiß ich's?
+
+
+
+ Waldsaum am Teich
+
+[Marie und Woyzeck.]
+
+MARIE: Also dort hinaus is die Stadt. 's is finster.
+
+WOYZECK: Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich!
+
+MARIE: Aber ich muß fort.
+
+WOYZECK: Du wirst dir die Füße nit wund laufe.
+
+MARIE: Wie bist du nur auch!
+
+WOYZECK: Weißt du auch, wie lang es jetzt is, Marie?
+
+MARIE: Am Pfingsten zwei Jahr.
+
+WOYZECK: Weißt du auch, wie lang es noch sein wird?
+
+MARIE: Ich muß fort, das Nachtessen richten.
+
+WOYZECK: Friert's dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du heiße
+Lippen hast! Heiß, heißen Hurenatem! Und doch möcht' ich den Himmel
+geben, sie noch einmal zu küssen. - Friert's dich? Wenn man kalt is,
+so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren.
+
+MARIE: Was sagst du?
+
+WOYZECK: Nix.
+
+[Schweigen.]
+
+MARIE: Was der Mond rot aufgeht!
+
+WOYZECK: Wie ein blutig Eisen.
+
+MARIE: Was hast du vor, Franz, du bist so blaß. - [Er holt mit dem
+Messer aus.] - Franz halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe!
+
+WOYZECK [sticht drauflos:] Nimm das und das! Kannst du nicht sterben?
+So! So! - Ha, sie zuckt noch; noch nicht? Noch nicht? Immer noch. -
+[Stößt nochmals zu.] - Bist du tot! Tot! Tot! - [Er läßt das Messer
+fallen und läuft weg.]
+
+
+
+ Das Wirtshaus
+
+WOYZECK: Tanzt alle, immer zu! Schwitzt und stinkt! Er holt euch doch
+einmal alle! - [Singt:]
+ Ach. Tochter, lieb Tochter
+ was hast du gedenkt,
+ daß du dich an die Landkutscher
+ und die Fuhrleut haßt gehenkt.
+[Er tanzt:] So, Käthe, setz dich! Ich hab' heiß heiß! - [Er zieht den
+Rock aus.] - Es ist einmal so, der Teufel holt die eine und läßt die
+andre laufen. Käthe, du bist heiß! Warum denn? Käthe, du wirst auch
+ noch kalt werden. Sei vernünftig. - Kannst du nicht singen?
+
+KÄTHE [singt]:
+ Ins Schwabenland, das mag ich nicht,
+ und lange Kleider trag' ich nicht,
+ denn lange Kleider, spitze Schuh,
+ die kommen keiner Dienstmagd zu.
+
+WOYZECK: Nein, keine Schuh, man kann auch ohne Schuh in die Höll
+gehn.
+
+KÄTHE [singt]:
+ O pfui mein Schatz, das war nicht fein,
+ behalt dein Taler und schlaf allein.
+
+WOYZECK: Ja, wahrhaftig, ich möcte mich nicht blutig machen.
+
+KÄTHE: Aber was hast du an deiner Hand?
+
+WOYZECK: Ich? Ich?
+
+KÄTHE: Rot! Blut!
+
+[Es stellen sich Leute um sie.]
+
+WOYZECK: Blut? Blut?
+
+WIRT: Uu - Blut!
+
+WOYZECK: Ich glaub', ich hab' mich geschnitten, da an der rechten
+Hand.
+
+WIRT: Wie kommt's aber an den Ellenbogen?
+
+WOYZECK: Ich hab's abgewischt.
+
+WIRT: Was, mit der rechten Hand an den rechten Ellenbogen Ihr seid
+geschickt!
+
+NARR: Und da hat der Ries gesagt: Ich riech', ich riech'
+Menschenfleisch. Puh, das stinkt schon!
+
+WOYZECK: Teufel, was wollt ihr? Was geht's euch an? Platz, oder der
+erste - Teufel! Meint ihr, ich hätt' jemand umgebracht? Bin ich ein
+Mörder? Was gafft ihr? Guckt euch selbst an! Platz da! - [Er läuft
+hinaus.]
+
+
+
+ Am Teich
+
+WOYZECK [allein]: Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab' es da
+gelassen. Es verrät mich! Näher, noch näher! Was is das für ein
+Platz? Was hör' ich? Es rührt sich was. Still. - Da in der Nähe.
+Marie? Ha, Marie! Still. Alles still! Was bist du so bleich, Marie?
+Was hast du eine rote Schnur um den Hals? Bei wem hast du das Halsband
+verdient mit deinen Sünden? Du warst schwarz davon, schwarz! Hab' ich
+dich gebleicht? Was hängen deine Haare so wild? Hast du deine Zöpfe
+heute nicht geflochten? ... - Das Messer, das Messer! Hab' ich's?
+So! - [Er läuft zum Wasser.] So, da hinunter! - [Er wirft das Messer
+hinein.] - Es taucht in das dunkle Wasser wie ein Stein. - Nein, es
+liegt zu weit vorn, wenn sie sich baden. - [Er geht in den Teich und
+wirft weit.] - So, jetzt - aber im Sommer, wenn sie tauchen nach
+Muscheln? - Bah, es wird rostig, wer kann's erkennen. - Hätt' ich es
+zerbrochen! - - Bin ich noch blutig? Ich muß mich waschen. Da ein
+Fleck, und da noch einer ...
+
+[Es kommen Leute.]
+
+ERSTE PERSON: Halt!
+
+ZWEITE PERSON: Hörst du? Still! Dort!
+
+ERSTE: Uu! Da! Was ein Ton!
+
+ZWEITE: Es ist das Wasser, es ruft: Schon lang ist niemand ertrunken.
+Fort! Es ist nicht gut, es zu hören!
+
+ERSTE: Uu! Jetzt wieder! - Wie ein Mensch, der stirbt!
+
+ZWEITE: Es ist unheimlich! So dunstig, allenthalben Nebelgrau - und
+das Summen der Käfer wie gesprungne Glocken. Fort!
+
+ERSTE: Nein. zu deutlich, zu laut! Da hinauf! Komm mit!
+
+
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Woyzeck, by Georg Buchner
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WOYZECK ***
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+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
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+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
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+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
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+status with the IRS.
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+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
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+any statements concerning tax treatment of donations received from
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+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
+
diff --git a/5322-0.zip b/5322-0.zip
new file mode 100644
index 0000000..4947483
--- /dev/null
+++ b/5322-0.zip
Binary files differ
diff --git a/5322-8.txt b/5322-8.txt
new file mode 100644
index 0000000..455c5f9
--- /dev/null
+++ b/5322-8.txt
@@ -0,0 +1,1560 @@
+The Project Gutenberg EBook of Woyzeck, by Georg Buchner
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
+almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
+re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
+with this eBook or online at www.gutenberg.org
+
+
+Title: Woyzeck
+
+Author: Georg Buchner
+
+Release Date: March, 2004 [EBook #5322]
+[This file was first posted on July 1, 2002]
+[Last updated on November 7, 2013]
+
+Language: English
+
+Character set encoding: ISO-8859-1
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WOYZECK ***
+
+
+
+
+Produced by Gunther Olesch from a Project Gutenberg of DE
+source file created by Erik Pischel
+
+
+
+
+
+
+
+Woyzeck
+
+Georg Büchner
+
+
+
+Vorbemerkung
+
+Dieses Stück ist ein Fragment. Es gibt keine einzig richtige
+Reihenfolge der einzelnen Szenen, denn sie sind weder nummeriert noch
+in Akte aufgeteilt.
+
+Die hier vorliegende Reihenfolge stimmt mit der Verfilmung mit Klaus
+Kinski in der Hauptrolle überein, vom Ende vielleicht einmal
+abgesehen.
+
+Das Stück spielt in Darmstadt, die Figuren sprechen größtenteils in
+dortigem Dialekt. Deshalb haben im Hochdeutschen grammatikalisch
+falsche Konstruktionen hier seine Richtigkeit.
+
+
+
+
+Personen
+
+Woyzeck
+Marie
+Hauptmann
+Doktor
+Tamboumajour
+Unteroffizier
+Andres
+Margret
+Budenbesitzer
+Marktschreier
+Alter Mann mit Leierkasten
+Jude
+Wirt
+Erster Handwerksbursch
+Zweiter Handwerksbursch
+Käthe
+Narr Karl
+Grossmutter
+Erstes, zweites, drittes Kind
+erste, zweite Person
+Polizeikommissar
+
+Soldaten. Studenten. Burschen und Mädchen
+Kinder. Volk
+
+
+
+Woyzeck
+
+ Beim Hauptmann
+
+[Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.]
+
+HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht
+mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen,
+die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat noch seine
+schönen dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig
+Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der
+ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die
+Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist
+ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht
+ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es
+schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag
+herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich
+kann kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch
+tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red er
+doch was Woyzeck! Was ist heut für Wetter?
+
+WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!
+
+HAUPTMANN: Ich spür's schon. 's ist so was Geschwindes draußen: so ein
+Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - [Pfiffig:] Ich glaub', wir
+haben so was aus Süd-Nord?
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Ha, ha ha! Süd-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz
+abscheulich dumm! - [Gerührt:] Woyzeck, Er ist ein guter Mensch
+--aber-- [Mit Würde:] Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist,
+wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein
+Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwürdiger Herr
+Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist nicht
+von mir.
+
+WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum
+ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr
+sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.
+
+HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er
+macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so mein'
+ich Ihn, Ihn -
+
+WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer
+kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral
+in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch
+einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in
+Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter
+Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet
+hat, und den weißen Strümpfen nachseh', wie sie über die Gassen
+springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch
+Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte
+ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein
+tugendhafter Mensch - [gerührt:] -, ein guter Mensch, ein guter
+Mensch.
+
+WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus.
+Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so die
+Natur; aber wenn ich ein Herr wär und hätt' ein' Hut und eine Uhr und
+eine Anglaise und könnt' vornehm rede, ich wollt' schon tugendhaft
+sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich
+bin ein armer Kerl!
+
+HAUPTMANN: Gut, Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch.
+Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. -
+Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so;
+langsam, hübsch langsam die Straße hinunter!
+
+
+
+ Freies Feld, die Stadt in der Ferne
+
+[Woyzeck und Andres schneiden Stecken im Gebüsch. Andres pfeift.]
+
+WOYZECK: Ja, Andres, der Platz ist verflucht. Siehst Du den lichten
+Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen? Da rollt
+abends der Kopf. Es hob ihn einmal einer auf, er meint', es wär ein
+Igel: drei Tag und drei Nächt, er lag auf den Hobelspänen. - [Leise:]
+Andres, das waren die Freimaurer! Ich hab's, die Freimaurer!
+
+ANDRES [singt]:
+ Saßen dort zwei Hasen,
+ fraßen ab das grüne, grüne Gras...
+
+WOYZECK: Still: Hörst du's, Andres? Hörst du's? Es geht was!
+
+ANDRES:
+ Fraßen ab das grüne, grüne Gras...
+ bis auf den grünen Rasen.
+
+WOYZECK: Es geht hinter mir, unter mir. - [Stampft auf den Boden:]
+Hohl, hörst Du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer!
+
+ANDRES: Ich fürcht' mich.
+
+WOYZECK: 's ist so kurios still. Man möcht' den Atem halten. - Andres!
+
+ANDRES: Was?
+
+WOYZECK: Red was! - [Starrt in die Gegend.] - Andres, wie hell! Über
+der Stadt is alles Glut! Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getös
+herunter wie Posaunen. Wie's heraufzieht! - Fort! Sieh nicht hinter
+dich! - [Reißt ihn ins Gebüsch.]
+
+ANDRES [nach einer Pause]: Woyzeck, hörst du's noch?
+
+WOYZECK: Still, alles still, als wär' die Welt tot.
+
+ANDRES: Hörst du? Sie trommeln drin. Wir müssen fort!
+
+
+
+ Die Stadt
+
+[Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margret. Der Zapfenstreich geht
+vorbei, der Tambourmajor voran.]
+
+MARIE [das Kind wippend auf dem Arm]: He, Bub! Sa ra ra ra! Hörst? Da
+kommen Sie!
+
+MARGRET: Was ein Mann, wie ein Baum!
+
+MARIE: Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw.
+
+[Tambourmajor grüßt.]
+
+MARGRET: Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin! So was is man an
+ihr nit gewöhnt.
+
+MARIE [singt]: Soldaten, das sind schöne Bursch ...
+
+MARGRET: Ihre Auge glänze ja noch -
+
+MARIE: Und wenn! Trag Sie Ihr Aug zum Jud, und laß Sie sie putze;
+vielleicht glänze sie noch, daß man sie für zwei Knöpfe verkaufen
+könnt.
+
+MARGRET: Was, Sie? Sie? Frau Jungfer! Ich bin eine honette Person,
+aber Sie, es weiß jeder, Sie guckt sieben Paar lederne Hose durch!
+
+MARIE: Luder! - [Schlägt das Fenster durch.] - Komm, mei Bub! Was die
+Leute wolle. Bist doch nur ein arm Hurenkind und machst deiner Mutter
+Freud mit deim unehrlichen Gesicht! Sa! sa! - [Singt]
+ Mädel, was fangst Du jetzt an?
+ Hast ein klein Kind und kein' Mann!
+ Ei, was frag' ich danach?
+ Sing' ich die ganze Nacht
+ heio, popeio, mei Bu, juchhe!
+ Gibt mir kein Mensch nix dazu.
+
+[Es klopft am Fenster.]
+
+MARIE: Wer da? Bist du's, Franz? Komm herein!
+
+WOYZECK: Kann nit. Muß zum Verles'.
+
+MARIE: Hast du Stecken geschnitten für den Hauptmann?
+
+WOYZECK: Ja, Marie.
+
+MARIE: Was hast du, Franz? Du siehst so verstört.
+
+WOYZECK [geheimnisvoll]: Marie, es war wieder was, viel - steht nicht
+geschrieben: Und sie, da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom
+Ofen?
+
+MARIE: Mann!
+
+WOYZECK: Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt. Etwas, was
+wir nicht fassen, begreifen, was uns von Sinnen bringt. Was soll das
+werden?
+
+MARIE: Franz!
+
+WOYZECK: Ich muß fort. - Heut abend auf die Meß! Ich hab wieder
+gespart. - [Er geht.]
+
+MARIE: Der Mann! So vergeistert. Er hat sein Kind nicht angesehn!
+Er schnappt noch über mit den Gedanken! - Was bist so still, Bub?
+Furchtest dich? Es wird so dunkel; man meint, man wär' blind. Sonst
+scheint als die Latern herein. Ich halt's nit aus; es schauert mich! -
+[Geht ab.]
+
+
+
+ Buden. Lichter. Volk
+
+ALTER MANN [singt und Kind tanzt zum Leierkasten]:
+ Auf der Welt ist kein Bestand,
+ Wir müssen alle sterben,
+ das ist uns wohlbekannt.
+
+WOYZECK: Hei, Hopsa's! - Armer Mann, alter Mann! Armes Kind, junges
+Kind! Sorgen und Feste!
+
+MARIE: Mensch, sind noch die Narrn von Verstande, dann ist man selbst
+ein Narr. - Komische Welt! Schöne Welt!
+
+[Beide gehn weiter zum Marktschreier.]
+
+MARKTSCHREIER [vor seiner Bude mit seiner Frau in Hosen und einem
+kostümierten Affen]: Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie die Kreatur,
+wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie jetzt die Kunst: geht
+aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein' Säbel! Der Aff ist Soldat; s'
+ist noch nicht viel, unterste Stuf von menschliche Geschlecht. Ho!
+Mach Kompliment! So - bist Baron. Gib Kuß! - [Er trompetet:] Wicht ist
+musikalisch. - Meine Herren, hier ist zu sehen das astronomische Pferd
+und die kleine Kanaillevögele. Sind Favorit von alle gekrönte Häupter
+Europas, verkündigen den Leuten alles: wie alt, wieviel Kinder, was
+für Krankheit. Die Repräsentationen anfangen! Es wird sogleich sein
+Commencement von Commencement.
+
+WOYZECK: Willst Du?
+
+MARIE: Meinetwegen. Das muß schön Ding sein. Was der Mensch Quasten
+hat! Und die Frau Hosen!
+
+[Beide gehn in die Bude.]
+
+TAMBOURMAJOR: Halt, jetzt! Siehst du sie! Was ein Weibsbild!
+
+UNTEROFFIZIER: Teufel! Zum Fortpflanzen von Kürassierregimentern!
+
+TAMBOURMAJOR: Und zur Zucht von Tambourmajors!
+
+UNTEROFFIZIER: Wie sie den Kopf trägt! Man meint, das schwarze Haar
+müßt' sie abwärts ziehn wie ein Gewicht. Und Augen -
+
+TAMBOURMAJOR: Als ob man in ein' Ziehbrunnen oder zu einem Schornstein
+hinunter guckt. Fort, hintendrein! -
+
+
+
+ Das Innere der hellerleuchteten Bude
+
+MARIE: Was Licht!
+
+WOYZECK: Ja, Marie, schwarze Katzen mit feurigen Augen. Hei, was ein
+Abend!
+
+DER BUDENBESITZER [ein Pferd vorführend]: Zeig dein Talent! Zeig deine
+viehische Vernünftigkeit! Beschäme die menschliche Sozietät! Meine
+Herren, dies Tier, was Sie da sehn, Schwanz am Leib, auf seine vier
+Hufe, ist Mitglied von alle gelehrt Sozietät, ist Professor an unsre
+Universität, wo die Studente bei ihm reiten und schlagen lernen. -
+Das war einfacher Verstand. Denk jetzt mit der doppelten Raison! Was
+machst du, wann du mit der doppelten Raison denkst? Ist unter der
+gelehrten Société da ein Esel? - [Der Gaul schüttelt den Kopf.] - Sehn
+Sie jetzt die doppelte Raison? Das ist Viehsionomik. Ja, das ist kein
+viehdummes Individuum, das ist ein Person, ein Mensch, ein tierischer
+Mensch - und doch ein Vieh, ein Bête. - [Das Pferd führt sich
+ungebührlich auf.] - So, beschäme die Société. Sehn Sie, das Vieh ist
+noch Natur, unideale Natur! Lernen Sie bei ihm! Fragen Sie den Arzt,
+es ist sonst höchst schädlich! Das hat geheißen: Mensch, sei
+natürlich! Du bist geschaffen aus Staub, Sand, Dreck. Willst du mehr
+sein als Staub, Sand, Dreck? - Sehn Sie, was Vernunft: es kann rechnen
+und kann doch nit an den Fingern herzählen. Warum? Kann sich nur nit
+ausdrücken, nur nit explizieren, ist ein verwandelter Mensch. Sag den
+Herren, wieviel Uhr ist es! Wer von den Herren und Damen hat ein Uhr?
+ein Uhr?
+
+UNTEROFFIZIER: Eine Uhr? - [Zieht großartig und gemessen eine Uhr aus
+der Tasche:] Da, mein Herr!
+
+MARIE: Das muß ich sehn. - [Sie klettert auf den ersten Platz;
+Unteroffizier hilft ihr.]
+
+TAMBOURMAJOR: Das ist ein Weibsbild.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+MARIE [sitzt, ihr Kind auf dem Schoß, ein Stückchen Spiegel in
+der Hand]: Der andre hat ihm befohlen, und er hat gehen müssen! -
+[Bespiegelt sich:] Was die Steine glänzen! Was sind's für? Was hat
+er gesagt? - - Schlaf, Bub! Drück die Augen zu, fest! - [Das Kind
+versteckt die Augen hinter den Händen.] - Noch fester! Bleib so -
+still, oder er holt dich! - [Singt:]
+ Mädel, mach's Ladel zu
+ 's kommt e Zigeunerbu,
+ führt dich an deiner Hand
+ fort ins Zigeunerland.
+[Spiegelt sich wieder.] - 's ist gewiß Gold! Wie wird mir's beim
+Tanzen stehen? Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stück
+Spiegel, und doch hab ich ein' so roten Mund als die großen Madamen
+mit ihrem Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herrn, die
+ihnen die Händ küssen. Ich bin nur ein arm Weibsbild! - [Das Kind
+richtet sich auf.] - Still, Bub, die Augen zu! Das Schlafengelchen!
+Wie's an der Wand läuft. - [Sie blinkt ihm mit dem Glas:] Die Auge zu,
+oder es sieht dir hinein, daß du blind wirst!
+
+[Woyzeck tritt herein, hinter sie. Sie fährt auf, mit den Händen nach
+den Ohren.]
+
+WOYZECK: Was hast du?
+
+MARIE: Nix.
+
+WOYZECK: Unter deinen Fingern glänzt's ja.
+
+MARIE: Ein Ohrringlein; hab's gefunden.
+
+WOYZECK: Ich hab' so noch nix gefunden, zwei auf einmal!
+
+MARIE: Bin ich ein Mensch?
+
+WOYZECK: 's ist gut, Marie. - Was der Bub schläft! Greif ihm unters
+Ärmchen, der Stuhl drückt ihn. Die hellen Tropfen stehn ihm auf der
+Stirn; alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiß im Schlaf. Wir
+arme Leut! - Da ist wieder Geld, Marie; die Löhnung und was von meim
+Hauptmann.
+
+MARIE: Gott vergelt's, Franz.
+
+WOYZECK: Ich muß fort. Heut abend, Marie! Adies!
+
+MARIE [allein, nach einer Pause]: Ich bin doch ein schlechter Mensch!
+Ich könnt' mich erstechen. - Ach, was Welt! Geht doch alle zum Teufel,
+Mann und Weib!
+
+
+
+ Beim Doktor
+
+[Woyzeck. Der Doktor.]
+
+DOKTOR: Was erleb' ich, Woyzeck? Ein Mann von Wort!
+
+WOYZECK: Was denn, Herr Doktor?
+
+DOKTOR: Ich hab's gesehn, Woyzeck; er hat auf die Straß gepißt, an
+die Wand gepißt, wie ein Hund. - Und doch drei Groschen täglich und
+die Kost! Woyzeck, das ist schlecht; die Welt wird schlecht, sehr
+schlecht!
+
+WOYZECK: Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt.
+
+DOKTOR: Die Natur kommt, die Natur kommt! Die Natur! Hab' ich nicht
+nachgewiesen, daß der Musculus constrictor vesicae dem Willen
+unterworfen ist? Die Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem
+Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit. - Den Harn
+nicht halten können! - [Schüttelt den Kopf, legt die Hände auf den
+Rücken und geht auf und ab.] - Hat Er schon seine Erbsen gegessen,
+Woyzeck? Nichts als Erbsen, cruciferae, merk Er sich's! Es gibt eine
+Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft. Harnstoff
+0,10, salzsaures Ammonium, Hyperoxydul - Woyzeck, muß Er nicht wieder
+pissen? Geh Er einmal hinein und probier Er's!
+
+WOYZECK: Ich kann nit, Herr Doktor.
+
+DOKTOR [mit Affekt]: Aber an die Wand pissen! Ich hab's schriftlich,
+den Akkord in der Hand! - Ich hab's gesehen, mit diesen Augen
+gesehen; ich steckt' grade die Nase zum Fenster hinaus und ließ die
+Sonnenstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten. - [Tritt auf
+ihn los:] Nein, Woyzeck, ich ärgre mich nicht; Ärger ist ungesund, ist
+unwissenschaftlich. Ich bin ruhig, ganz ruhig; mein Puls hat
+seine gewöhnlichen sechzig, und ich sag's Ihm mit der größten
+Kaltblütigkeit. Behüte, wer wird sich über einen Menschen ärgern,
+ein' Mensch! Wenn es noch ein Proteus wäre, der einem krepiert! Aber,
+Woyzeck, Er hätte nicht an die Wand pissen sollen -
+
+WOYZECK: Sehn Sie, Herr Doktor, manchmal hat einer so 'en Charakter,
+so 'ne Struktur. - Aber mit der Natur ist's was anders, sehn Sie; mit
+der Natur - [er kracht mit den Fingern] -, das is so was, wie soll ich
+sagen, zum Beispiel ...
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er philosophiert wieder.
+
+WOYZECK [vertraulich]: Herr Doktor, haben Sie schon was von der
+doppelten Natur gesehn? Wenn die Sonn in Mattag steht und es ist, als
+ging' die Welt in Feuer auf, hat schon eine fürchterliche Stimme zu
+mir geredt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat eine Aberratio.
+
+WOYZECK [legt den Finger auf die Nase]: Die Schwämme, Herr Doktor, da,
+da steckt's. Haben Sie schon gesehn, in was für Figuren die Schwämme
+auf dem Boden wachsen? Wer das lesen könnt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat die schönste Aberratio mentalis partialis,
+die zweite Spezies, sehr schön ausgeprägt. Woyzeck, Er kriegt Zulage!
+Zweite Spezies: fixe Idee mit allgemein vernünftigem Zustand. - Er tut
+noch alles wie sonst? Rasiert seinen Hauptmann?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Ißt seine Erbsen?
+
+WOYZECK: Immer ordentlich, Herr Doktor. Das Geld für die Menage kriegt
+meine Frau.
+
+DOKTOR: Tut seinen Dienst?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Er ist ein interessanter Kasus. Subjekt Woyzeck, Er kriegt
+Zulage, halt Er sich brav. Zeig Er seinen Puls. Ja.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Tambourmajor.]
+
+TAMBOURMAJOR: Marie!
+
+MARIE [ihn ansehennd, mit Ausdruck]: Geh einmal vor dich hin! Über die
+Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Löw. So ist keiner! - Ich bin
+stolz vor allen Weibern!
+
+TAMBOURMAJOR: Wenn ich am Sonntag erst den großen Federbusch hab' und
+die weiße Handschuh, Donnerwetter! Der Prinz sagt immer: Mensch, Er
+ist ein Kerl.
+
+MARIE [spöttisch]: Ach was! - [Tritt vor ihn hin:] Mann!
+
+TAMBOURMAJOR: Und du bist auch ein Weibsbild! Sapperment, wir wollen
+eine Zucht Tambourmajors anlegen. He? - [Er umfaßt sie.]
+
+MARIE [verstimmt]: Laß mich!
+
+TAMBOURMAJOR: Wild Tier!
+
+MARIE [heftig]: Rühr mich an!
+
+TAMBOURMAJOR: Sieht dir der Teufel aus den Augen?
+
+MARIE: Meinetwegen! Es ist alles eins!
+
+
+
+ Straße
+
+[Hauptmann. Doktor. Hauptmann keucht die Straße herunter, hält an;
+keucht, sieht sich um.]
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, rennen Sie nicht so! Rudern Sie mir Ihrem
+Stock nicht so in der Luft! Sie hetzen sich ja hinter dem Tod drein.
+Ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat, geht nicht so schnell.
+Ein guter Mensch - [Er erwischt den Doktor am Rock:] Herr Doktor,
+erlauben Sie, daß ich ein Menschenleben rette!
+
+DOKTOR: Pressiert, hh, pressiert!
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, ich bin so schwermütig, ich habe so was
+Schwärmerisches; ich muß immer weinen, wenn ich meinen Rock an der
+Wand hängen sehen -.
+
+DOKTOR: Hm! Aufgedunsen, fett, dicker Hals: apoplektische
+Konstitution. Ja, Herr Hauptmann, Sie können eine Apoplexia cerebri
+kriegen; Sie können sie aber vielleicht auch nur auf der einen Seite
+bekommen und auf der einen gelähmt sein, oder aber Sie können im
+besten Fall geistig gelähmt werden und nur fort vegetieren: das sind
+so ohgefähr Ihre Aussichten auf die nächsten vier Wochen! Übrigens
+kann ich Sie versichern, daß Sie einen von den interessanten Fällen
+abgeben, und wenn Gott will, daß Ihre Zunge zum Teil gelähmt wird, so
+machen wir unsterbliche Experimente.
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, erschrecken Sie mich nicht! Es sind schon
+Leute am Schreck gestorben, am bloßen hellen Schreck. - Ich sehe schon
+die Leute mit den Zitronen in den Händen; aber sie werden sagen, er
+war ein guter Mensch, ein guter Mensch - Teufel Sargnagel!
+
+DOKTOR [hält ihm den Hut hin]: Was ist das, hh? - Das ist ein
+Hohlkopf, geehrtester Herr Exerzierzagel!
+
+HAUPTMANN [macht eine Falte]: Was ist das, Herr Doktor? - Das ist
+Einfalt, bester Herr Sargnagel! Hähähä! Aber nichts für ungut! Ich bin
+ein guter Mensch, aber ich kann auch, wenn ich will, Herr Doktor,
+hähähä, wenn ich will ... - [Woyzeck kommt und will vorbeieilen] - He,
+Woyzeck, was hetzt Er sich so an uns vorbei. Bleib er doch, Woyzeck!
+Er läuft ja wie ein offnes Rasiermesser durch die Welt, man schneidt
+sich an Ihm; Er läuft, als hätt er ein Regiment Kastrierte zu rasieren
+und würde gehenkt über dem längsten Haar noch vor dem Verschwinden.
+Aber, über die langen Bärte - was wollt' ich doch sagen? Woyzeck: die
+langen Bärte ...
+
+DOKTOR: Ein langer Bart unter dem Kinn, schon Plinius spricht davon,
+man müßt es den Soldaten abgewöhnen ...
+
+HAUPTMANN [fährt fort]: Ha, über die langen Bärte! Wie is, Woyzeck,
+hat Er noch nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schüssel gefunden?
+He, Er versteht mich doch? Ein Haar eines Menschen, vom Bart eines
+Sapeurs, eines Unteroffiziers, eines - eines Tambourmajors? He,
+Woyzeck? Aber Er hat eine brave Frau. Geht Ihm nicht wie andern.
+
+WOYZECK: Jawohl! Was wollen Sie sagen, Herr Hauptmann?
+
+HAUPTMANN: Was der Kerl ein Gesicht macht! ... Vielleicht nun auch
+nicht in der Suppe, aber wenn Er sich eilt und um die Eck geht, so
+kann er vielleicht noch auf ein Paar Lippen eins finden. Ein Paar
+Lippen, Woyzeck. Kerl, Er ist ja kreideweiß!
+
+WOYZECK: hh, ich bin ein armer Teufel - und hab's sonst nichts auf der
+Welt. hh, wenn Sie Spaß machen -
+
+HAUPTMANN: Spaß ich? Daß dich Spaß, Kerl!
+
+DOKTOR: Den Puls, Woyzeck, den Puls! - Klein, hart, hüpfend,
+unregelmäßig.
+
+WOYZECK: hh, die Erd is höllenheiß - mir eiskalt, eiskalt - Die Hölle
+is kalt, wollen wir wetten. - - Unmöglich! Mensch! Mensch! Unmöglich!
+
+HAUPTMANN: Kerl, will Er - will Er ein paar Kugeln vor den Kopf haben?
+Er ersticht mich mit seinen Augen, und ich mein' es gut mit Ihm, weil
+Er ein guter Mensch ist, Woyzeck, ein guter Mensch.
+
+DOKTOR: Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zuweilen hüpfend. Haltung
+aufgeregt, gespannt.
+
+WOYZECK: Ich geh'. Es is viel möglich. Der Mensch! Es is viel möglich.
+- Wir haben schön Wetter, hh. Sehn Sie, so ein schöner, fester, grauer
+Himmel; man könnte Lust bekommen, ein' Kloben hineinzuschlagen und
+sich daran zu hängen, nur wegen des Gedankenstriches zwischen Ja und
+wieder Ja - und Nein. hh, Ja und Nein? Ist das Nein am Ja oder das
+Ja am Nein schuld? Ich will darüber nachdenken. - [Geht mit breiten
+Schritten ab, erst langsamer, dann immer schneller.]
+
+HAUPTMANN: Mir wird ganz schwindlig vor den Menschen. Wie schnell!
+Der lange Schlingel greift aus, als läuft der Schatten von einem
+Spinnbein, und der Kurze, das zuckelt. Der Lange ist der Blitz und der
+Kleine der Donner. Haha ... Grotesk! grotesk!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Woyzeck.]
+
+WOYZECK [sieht sie starr an und schüttelt den Kopf]: Hm! Ich seh'
+nichts, ich seh nichts. O man müßt's sehen, man müßt's greifen könne
+mit Fäusten!
+
+MARIE [verschüchtert]: Was hast du, Franz? - Du bist hirnwütig, Franz.
+
+WOYZECK: Eine Sünde, so dick und so breit - es stinkt, daß man die
+Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt'! Du hast ein' roten Mund,
+Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist schön wie die Sünde -
+kann die Totsünde so schön sein?
+
+MARIE: Franz, du redest im Fieber!
+
+WOYZECK: Teufel! - Hat er da gestanden? So? So?
+
+MARIE: Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, können viele Menschen
+an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
+
+WOYZECK: Ich hab ihn gesehn!
+
+MARIE: Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is
+und die Sonn scheint.
+
+WOYZECK: Mensch! - [Geht auf sie los.]
+
+MARIE: Rühr mich an, Franz! Ich hätt' lieber ein Messer in den Leib
+als deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen gewagt,
+wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
+
+WOYZECK: Weib! - Nein, es müßte was an dir sein! Jeder Mensch ist ein
+Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. - Es wäre! Sie geht
+wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an dir. Weiß
+ich's? Weiß ich's? Wer weiß es? - [Er geht.]
+
+
+
+ Die Wachstube.
+
+[Woyzeck. Andres.]
+
+ANDRES [singt]:
+ Frau Wirtin hat ne brave Magd,
+ sie sitzt im Garten Tag und Nacht,
+ sie sitzt in ihrem Garten ...
+
+WOYZECK: Andres!
+
+ANDRES: Nu?
+
+WOYZECK: Schön Wetter.
+
+ANDRES: Sonntagswetter - Musik vor der Stadt. Vorhin - sind die
+Weibsbilder hinaus; die Mensche dampfe, das geht!
+
+WOYZECK [unruhig]: Tanz, Andres, sie tanze!
+
+ANDRES: Im Rössel und in Sternen.
+
+WOYZECK: Tanz, Tanz!
+
+ANDRES: Meinetwege.
+ Sitzt in ihrem Garten,
+ bis dass das Glöcklein zwölfe schlägt,
+ und paßt auf die Solda-aten.
+
+WOYZECK: Andres, ich hab' kei Ruh.
+
+ANDRES: Narr!
+
+WOYZECK: Ich muß hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz, Tanz!
+Wird sie heiße Händ habe! Verdammt, Andres!
+
+ANDRES: Was willst du?
+
+WOYZECK: Ich muß fort, muß sehen.
+
+ANDRES: Du Unfried! Wegen dem Mensch?
+
+WOYZECK: Ich muß hinaus, 's is so heiß dahie.
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Die Fenster offen, Tanz. Bänke vor dem Haus. Bursche.]
+
+ERSTER HANDSWERKSBURSCH:
+ Ich hab' ein Hemdlein an, das ist nicht mein;
+ meine Seele stinkt nach Branndewein -
+
+ZWEITER HANDWERKSBURSCH: Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein
+Loch in die Natur machen? Vorwärts! Ich will ein Loch in die Natur
+maehen! Ich bin auch ein Kerl, du weißt - ich will ihm alle Flöh am
+Leib totschlagen.
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH: Meine Seele, meine Seele stinkt
+nach Branndewein! - Selbst das Geld geht in Verwesung über!
+Vergißmeinnicht, wie ist diese Welt so schön! Bruder, ich muß ein
+Regenfaß voll greinen vor Wehmut. Ich wollt', unsre Nasen wären zwei
+Bouteillen, und wir könnten sie uns einander in den Hals gießen.
+
+ANDRE [im Chor]:
+ Ein Jäger aus der Pfalz
+ ritt einst durch einen grünen Wald.
+ Halli, hallo, ha lustig ist die Jägerei
+ allhier auf grüner Heid.
+ Das Jagen is mei Freud.
+
+[Woyzeck stellt sich ans Fenster. Marie und der Tambourmajor tanzen
+vorbei, ohne ihm zu bemerken.]
+
+WOYZECK: Er! Sie! Teufel!
+
+MARIE [im Vorbeitanzen]: Immer zu, imer zu -
+
+WOYZECK [erstickt]: Immer zu - Immer zu! - [Fährt heftig auf und
+sinkt zurück auf die Bank:] Immer zu, immer zu! - [Schlägt die Hände
+ineinander:] Dreht euch. wälzt euch! Warum bläst Gott nicht die Sonn
+aus, daß alles in Unzucht sich übereinanderwälzt, Mann und Weib,
+Mensch und Vieh?! Tut's am hellen Tag, tut's einem auf den Händen wie
+die Mücken! - Weib! Das Weib is heiß, heiß! - Immer zu, immer zu! -
+[Fährt auf:] Der Kerl, wie er an ihr herum greift, an ihrem Leib! Er,
+er hat sie - wie ich zu Anfang. - [Er sinkt betäubt zusammen.]
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH [predigt auf dem Tisch]: Jedoch, wenn ein
+Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit oder aber sich die
+göttliche Weisheit beantwortet und sich anredet: Warum ist der Mensch?
+Warum ist der Mensch? - Aber wahrlich, ich sage euch: Von was hätte
+der Landmann, der Weißbinder, der Schuster, der Arzt leben sollen,
+wenn Gott den Menschen nicht geschaffen hätte? Von was hätte der
+Schneider leben sollen, wenn er dem Menschen nicht die Empfindung der
+Scham eingepflanzt hätte, von was der Soldat, wenn er ihm nicht mit
+dem Bedürfnis sich totzuschlagen ausgerüstet hätte? Darum zweifelt
+nicht - ja, ja, es ist lieblich und fein, aber alles Irdische ist
+übel, selbst das Geld geht in Verwesung über. Zum Beschluß, meine
+geliebten Zuhörer, laßt uns noch übers Kreuz pissen, damit ein Jud
+stirbt!
+
+[Unter allgemeinem Gejohle erwacht Woyzech und rast davon.]
+
+
+
+ Freies Feld
+
+WOYZECK: Immer zu! Immer zu! Hisch, hasch! So gehn die Geigen und
+die Pfeifen. - Immer zu! Immer zu! - Still, Musik! Was spricht da
+unten? - Recht sich gegen den Boden: Ha, was, was sagt ihr? Lauterl
+Lauter! Stich, stich die Zickwolfin tot? - Stich, stich die Zickwolfin
+tot! - Soll ich! Muß ich? Hör' ich's da auch? - Sagt's der Wind auch?
+- Hör' ich's immer, immer zu: stich tot, tot!
+
+
+
+ Ein Zimmer in der Kaserne
+
+[Nacht. Andres und Woyzech in einem Bett.]
+
+WOYZECK [leise]: Andres!
+
+[Andres murmelt im Schlaf.]
+
+WOYZECK [schüttelt Andres]: He, Andres! Andres!
+
+ANDRES: Na was is?
+
+WOYZECK: Ich kann nit schlafen! Wenn ich die Aug zumach', dreht sich's
+immer, und ich hör' die Geigen, immer zu, immer zu. Und dann spricht's
+aus der Wand. Hörst du nix?
+
+ANDRES: Ja - laß sie tanze! Einer is müd, und dann Gott behüt uns,
+amen.
+
+WOYZECK: Es redt lmmer: stich! stich! und zieht mir zwischen den
+Augen wie ein Messer -
+
+ANDRES: Schlaf, Narr! - [Er schläft wieder ein.]
+
+WOYZECK: Immer zu! Immer zu!
+
+
+
+ Der Hof des Doktors
+
+[Studenten und Woyzeck unten, der Doktor am Dachfenster.]
+
+DOKTOR: Meine Herren, ich bin auf dern Dach wie David, als er
+die Bathseba sah; aber ich sehe nichts als die culs de Paris der
+Mädchenpension im Garten trocknen. Meine Herren, wir sind an der
+wichtigen Frage über das Verhältnis des Subjekts zum Objekt. Wenn
+wir nur eins von den Dingen nehmen, worin sich die organische
+Selbstaffirmation des Göttlichen, auf einem so hohen Standpunkte,
+manifestiert, und ihre Verhältnisse zum Raum, zur Erde, zum
+Planetarischen untersuchen, meine Herren, wenn ich diese Katze zum
+Fenster hinauswerfe: wie wird diese Wesenheit sich zum centrum
+gravitationis gemäß ihrem eigenen Instinkt verhalten? - He, Woyzeck -
+[brüllt] -, Woyzeck!
+
+WOYZECK [fängt die Katze auf]: Herr Doktor, sie beißt!
+
+DOKTOR: Kerl, Er greift die Bestie so zärtlich an, als wär's seine
+Großmutter. - [Er kommt herunter.]
+
+WOYZECK: Herr Doktor, ich hab's Zittern.
+
+DOKTOR [ganz erfreut]: Ei, ei! Schön, Woyzeck! - Reibt sich die Hände.
+[Er nimmt die Katze:] Was seh' ich, meine Herren, die neue Spezies
+Hasenlaus, eine schöne Spezies ... - [Er zieht eine Lupe heraus,
+die Katze läuft fort.] - Meine Herren, das Tier hat keinen
+wissenschaftlichen Instinkt ... Die können dafür was anders sehen.
+Sehen Sie: der Mensch, seit einem Vierteljahr ißt er nichts als
+Erbsen; bemerken Sie die Wirkung, fühlen Sie einmal: Was ein
+ungleicher Puls! Der und die Augen!
+
+WOYZECK: Herr Doktor, es wird mir dunkel! - [Er setzt sich.]
+
+DOKTOR: Courage, Woyzeck! Noch ein paar Tage, und dann ist's fertig.
+Fühlen Sie, meine Herren, fühlen Sie! - [Sie betasten ihm Schläfe,
+Puls und Busen.] - Apropos, Woyzeck, beweg den Herren doch einmal die
+Ohren! Ich hab' es Ihnen schon zeigen wollen, zwei Muskeln sind bei
+ihm tätig. Allons, frisch!
+
+WOYZECK: Ach, Herr Doktor!
+
+DOKTOR: Bestie, soll ich dir die Ohren bewegen? Willst du's machen
+wie die Katze? So, meine Herren! Das sind so Übergänge zum Esel,
+häufig auch die Folge weiblicher Erziehung und die Muttersprache.
+Wieviel Haare hat dir die Mutter zum Andenken schon ausgerissen aus
+Zärtlichkeit? Sie sind dir ja ganz dünn geworden seit ein paar Tagen.
+Ja, die Erbsen, meine Herren!
+
+
+
+ Kasernenhof
+
+WOYZECK: Hast nix gehört?
+
+ANDRES: Er is da, noch mit einem Kameraden.
+
+WOYZECK: Er hat was gesagt.
+
+ANDRES: Woher weißt du's? Was soll ich's sagen? Nu, er lachte, und
+dann sagt er: Ein köstlich Weibsbild! Die hat Schenkel, und alles so
+heiß!
+
+WOYZECK [ganz kalt]: So, hat er das gesagt? Von was hat mir doch heut
+nacht geträumt? War's nicht von einem Messer? Was man doch närrische
+Träume hat!
+
+ANDRES: Wohin, Kamerad?
+
+WOYZECK: Meim Offizier Wein holen. - Aber, Andres, sie war dach ein
+einzig Mädel.
+
+ANDRES: Wer war?
+
+WOYZECK: Nix. Adies! - [Ab.]
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Tambourmajor. Woyzeck. Leute.]
+
+TAMBOURMAJOR: Ich bin ein Mann! - [Schlägt sich auf die Brust:] Ein
+Mann, sag' ich. Wer will was? Wer kein be- soffner Herrgott ist, der
+laß sich von mir. Ich will ihn die Nas ins Arschloch prügeln! Ich
+will - [Zu Woyzeck:] Du Kerl, sauf! Ich wollt' die Welt wär' Schnaps,
+Schnaps - der Mann muß saufen! - [Woyzech pfeift.] - Kerl, soll ich
+dir die Zung aus dem Hals ziehn und sie um den Leib herumwickeln? -
+Sie ringen, Woyzeck verliert. - Soll ich dir noch so viel Atem lassen
+als 'en Altweiberfurz, soll ich? - [Woyzech setzt sich erschöpft
+zitternd auf eine Bank.] - Der Kerl soll dunkelblau pfeifen.
+ Branndewein, das ist mein Leben;
+ Branndwein gibt Courage!
+
+EINE: Der hat sein Fett.
+
+ANDRE: Er blut'.
+
+WOYZECK: Eins nach dem andern.
+
+
+
+ Kramladen
+
+[Woyzeck. Der Jude.]
+
+WOYZECK: Das Pistolchen ist zu teuer.
+
+JUDE: Nu, kauft's oder kauft's nit, was is?
+
+WOYZECK: Was kost' das Messer?
+
+JUDE: 's ist ganz grad. Wollt Ihr Euch den Hals mit abschneiden? Nu,
+was is es? Ich geb's Euch so wohlfeil wie ein andrer. Ihr sollt Euern
+Tod wohlfeil haben, aber doch nit umsonst. Was is es? Er soll ein
+ökonomischer Tod haben.
+
+WOYZECK: Das kann mehr als Brot schneiden -
+
+JUDE: Zwee Grosche.
+
+WOYZECK: Da! - Geht ab.
+
+JUDE: Da! Als ob's nichts wär! Und es is doch Geld. - Du Hund!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+NARR [liegt und erzählt sich Märchen an den Fingern]: Der hat die
+goldne Kron, der Herr König ... Morgen hol' ich der Frau Königin ihr
+Kind ... Blutwurst sagt: komm, Leber- wurst ...
+
+MARIE [blättert in der Bibel]: "Und ist kein Betrug in seinem Munde
+erfunden": ... Herrgott, Herrgott! Sieh mich nicht an! - [Blättert
+weiter:] "Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch
+begriffen, und stelleten sie ins Mittel dar ... Jesus aber sprach:
+So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht
+mehr!" - [Schlägt die Hände zusammen:] Hergott! Hergott! Ich kann
+nicht! - Herrgott, gib mir nur so viel, daß ich beten kann. - [Das
+Kind drängt sich an sie.] - Das Kind gibt mir einen Stich ins Herz.
+- [Zum Narrn:] Karl! Das brüst' sich in der Sonne! - [Narr nimmt das
+Kind und wird still.] - Der Franz ist nit gekommen, gestern nit,
+heut nit. Es wird heiß hier! - [Sie macht das Fenster auf und liest
+wieder:] "Und trat hinten zu seinen Füßen und weinete, und fing an,
+seine Füße zu netzen mit Tränen und mit den Haaren ihres Hauptes
+zu trocknen, und küssete seine Füße und salbete sie mit Salbe ..."
+[Schlägt sich auf die Brust:] Alles tot! Heiland! Heiland! ich möchte
+dir die Füße salben! -
+
+
+
+ Kaserne
+
+[Andres. Woyzeck kramt in seinen Sachen.]
+
+WOYZECK: Das Kamisolchen, Andres, ist nit zur Montur: du kannst's
+brauchen, Andres.
+
+ANDRES [ganz starr, sagt zu allem]: Jawohl.
+
+WOYZECK: Das Kreuz meiner Schwester und das Ringlein.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK: Ich hab' auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schön Gold -
+es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht:
+ Herr, wie dein Leib war rot und wund,
+ so laß mein Herz sein aller Stund.
+Mein Mutter fühlt nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Händ scheint -
+das tut nix.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK [zieht ein Papier hervor]: Friedrich Johann Franz Woyzeck,
+Wehrmann, Füsilier im 2. Regiment, 2. Bataillion 4. Kompanie, geboren
+Mariä Verkündigung, den 20. Juli. - Ich bin heut alt 30 Jahr, 7 Monat
+und 12 Tage.
+
+ANDRES: Franz, du kommst ins Lazarett. Armer, du mußt Schnaps trinken
+und Pulver drin, das töt' das Fieber.
+
+WOYZECK: Ja, Andres, wenn ein Schreiner die Hobelspäne sammelt, es
+weiß niemand, wer seinen Kopf drauflegen wird.
+
+
+
+ Straße
+
+[Marie mit Mädchen vor der Haustür, Großmutter; später Woyzeck]
+
+MÄDCHEN:
+ Wie scheint die Sonn am Lichtmeßtag
+ und steht das Korn im Blühn.
+ Sie gingen wohl die Wiese hin,
+ sie gingen zu zwein und zwein.
+ Die Pfeifer gingen voran,
+ die Geiger hinterdrein,
+ sie hatten rote Socken an ...
+
+ERSTES KIND: Das ist nit schön.
+
+ZWEITES KIND: Was willst du auch immer!
+
+ERSTES KIND: Marie, sing du uns!
+
+MARIE: Ich kann nit.
+
+ERSTES KIND: Warum?
+
+MARIE: Darum.
+
+ZWEITES KIND: Aber warum darum?
+
+DRITTES KIND: Großmutter, erzähl!
+
+GROSSMUTTER: Kommt, ihr kleinen Krabben! - Es war einmal ein arm Kind
+und hatt' kein Vater und keine Mutter, war alles tot, und war niemand
+mehr auf der Welt. Alles tot, und es is hingangen und hat gesucht Tag
+und Nacht. Und weil auf der Erde niemand mehr war, wollt's in Himmel
+gehn, und der Mond guckt es so freundlich an; und wie es endlich zum
+Mond kam, war's ein Stück faul Holz. Und da is es zur Sonn gangen, und
+wie es zur Sonn kam, war's ein verwelkt Sonneblum. Und wie's zu den
+Sternen kam, waren's kleine goldne Mücken, die waren angesteckt, wie
+der Neuntöter sie auf die Schlehen steckt. Und wie's wieder auf die
+Erde wollt, war die Erde ein umgestürzter Hafen. Und es war ganz
+allein. Und da hat sich's hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch
+und is ganz allein.
+
+WOYZECK [erscheint]: Marie!
+
+MARIE [erschreckt]: Was is?
+
+WOYZECK: Marie, wir wollen gehn. 's is Zeit.
+
+MARIE: Wohin?
+
+WOYZECK: Weiß ich's?
+
+
+
+ Waldsaum am Teich
+
+[Marie und Woyzeck.]
+
+MARIE: Also dort hinaus is die Stadt. 's is finster.
+
+WOYZECK: Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich!
+
+MARIE: Aber ich muß fort.
+
+WOYZECK: Du wirst dir die Füße nit wund laufe.
+
+MARIE: Wie bist du nur auch!
+
+WOYZECK: Weißt du auch, wie lang es jetzt is, Marie?
+
+MARIE: Am Pfingsten zwei Jahr.
+
+WOYZECK: Weißt du auch, wie lang es noch sein wird?
+
+MARIE: Ich muß fort, das Nachtessen richten.
+
+WOYZECK: Friert's dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du heiße
+Lippen hast! Heiß, heißen Hurenatem! Und doch möcht' ich den Himmel
+geben, sie noch einmal zu küssen. - Friert's dich? Wenn man kalt is,
+so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren.
+
+MARIE: Was sagst du?
+
+WOYZECK: Nix.
+
+[Schweigen.]
+
+MARIE: Was der Mond rot aufgeht!
+
+WOYZECK: Wie ein blutig Eisen.
+
+MARIE: Was hast du vor, Franz, du bist so blaß. - [Er holt mit dem
+Messer aus.] - Franz halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe!
+
+WOYZECK [sticht drauflos:] Nimm das und das! Kannst du nicht sterben?
+So! So! - Ha, sie zuckt noch; noch nicht? Noch nicht? Immer noch. -
+[Stößt nochmals zu.] - Bist du tot! Tot! Tot! - [Er läßt das Messer
+fallen und läuft weg.]
+
+
+
+ Das Wirtshaus
+
+WOYZECK: Tanzt alle, immer zu! Schwitzt und stinkt! Er holt euch doch
+einmal alle! - [Singt:]
+ Ach. Tochter, lieb Tochter
+ was hast du gedenkt,
+ daß du dich an die Landkutscher
+ und die Fuhrleut haßt gehenkt.
+[Er tanzt:] So, Käthe, setz dich! Ich hab' heiß heiß! - [Er zieht den
+Rock aus.] - Es ist einmal so, der Teufel holt die eine und läßt die
+andre laufen. Käthe, du bist heiß! Warum denn? Käthe, du wirst auch
+ noch kalt werden. Sei vernünftig. - Kannst du nicht singen?
+
+KÄTHE [singt]:
+ Ins Schwabenland, das mag ich nicht,
+ und lange Kleider trag' ich nicht,
+ denn lange Kleider, spitze Schuh,
+ die kommen keiner Dienstmagd zu.
+
+WOYZECK: Nein, keine Schuh, man kann auch ohne Schuh in die Höll
+gehn.
+
+KÄTHE [singt]:
+ O pfui mein Schatz, das war nicht fein,
+ behalt dein Taler und schlaf allein.
+
+WOYZECK: Ja, wahrhaftig, ich möcte mich nicht blutig machen.
+
+KÄTHE: Aber was hast du an deiner Hand?
+
+WOYZECK: Ich? Ich?
+
+KÄTHE: Rot! Blut!
+
+[Es stellen sich Leute um sie.]
+
+WOYZECK: Blut? Blut?
+
+WIRT: Uu - Blut!
+
+WOYZECK: Ich glaub', ich hab' mich geschnitten, da an der rechten
+Hand.
+
+WIRT: Wie kommt's aber an den Ellenbogen?
+
+WOYZECK: Ich hab's abgewischt.
+
+WIRT: Was, mit der rechten Hand an den rechten Ellenbogen Ihr seid
+geschickt!
+
+NARR: Und da hat der Ries gesagt: Ich riech', ich riech'
+Menschenfleisch. Puh, das stinkt schon!
+
+WOYZECK: Teufel, was wollt ihr? Was geht's euch an? Platz, oder der
+erste - Teufel! Meint ihr, ich hätt' jemand umgebracht? Bin ich ein
+Mörder? Was gafft ihr? Guckt euch selbst an! Platz da! - [Er läuft
+hinaus.]
+
+
+
+ Am Teich
+
+WOYZECK [allein]: Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab' es da
+gelassen. Es verrät mich! Näher, noch näher! Was is das für ein
+Platz? Was hör' ich? Es rührt sich was. Still. - Da in der Nähe.
+Marie? Ha, Marie! Still. Alles still! Was bist du so bleich, Marie?
+Was hast du eine rote Schnur um den Hals? Bei wem hast du das Halsband
+verdient mit deinen Sünden? Du warst schwarz davon, schwarz! Hab' ich
+dich gebleicht? Was hängen deine Haare so wild? Hast du deine Zöpfe
+heute nicht geflochten? ... - Das Messer, das Messer! Hab' ich's?
+So! - [Er läuft zum Wasser.] So, da hinunter! - [Er wirft das Messer
+hinein.] - Es taucht in das dunkle Wasser wie ein Stein. - Nein, es
+liegt zu weit vorn, wenn sie sich baden. - [Er geht in den Teich und
+wirft weit.] - So, jetzt - aber im Sommer, wenn sie tauchen nach
+Muscheln? - Bah, es wird rostig, wer kann's erkennen. - Hätt' ich es
+zerbrochen! - - Bin ich noch blutig? Ich muß mich waschen. Da ein
+Fleck, und da noch einer ...
+
+[Es kommen Leute.]
+
+ERSTE PERSON: Halt!
+
+ZWEITE PERSON: Hörst du? Still! Dort!
+
+ERSTE: Uu! Da! Was ein Ton!
+
+ZWEITE: Es ist das Wasser, es ruft: Schon lang ist niemand ertrunken.
+Fort! Es ist nicht gut, es zu hören!
+
+ERSTE: Uu! Jetzt wieder! - Wie ein Mensch, der stirbt!
+
+ZWEITE: Es ist unheimlich! So dunstig, allenthalben Nebelgrau - und
+das Summen der Käfer wie gesprungne Glocken. Fort!
+
+ERSTE: Nein. zu deutlich, zu laut! Da hinauf! Komm mit!
+
+
+
+
+
+
+
+
+End of the Project Gutenberg EBook of Woyzeck, by Georg Buchner
+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WOYZECK ***
+
+***** This file should be named 5322-8.txt or 5322-8.zip *****
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+
+Produced by Gunther Olesch from a Project Gutenberg of DE
+source file created by Erik Pischel
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+Updated editions will replace the previous one--the old editions
+will be renamed.
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+one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
+(and you!) can copy and distribute it in the United States without
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+subject to the trademark license, especially commercial
+redistribution.
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+*** START: FULL LICENSE ***
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+electronic work or group of works on different terms than are set
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+Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the
+Foundation as set forth in Section 3 below.
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+or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
+work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
+Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.
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+Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm
+
+Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
+electronic works in formats readable by the widest variety of computers
+including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
+because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
+people in all walks of life.
+
+Volunteers and financial support to provide volunteers with the
+assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
+goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
+remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
+Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
+and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
+To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
+and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
+and the Foundation information page at www.gutenberg.org
+
+
+Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive
+Foundation
+
+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
+501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
+state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
+Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
+number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
+permitted by U.S. federal laws and your state's laws.
+
+The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
+Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
+throughout numerous locations. Its business office is located at 809
+North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email
+contact links and up to date contact information can be found at the
+Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact
+
+For additional contact information:
+ Dr. Gregory B. Newby
+ Chief Executive and Director
+ gbnewby@pglaf.org
+
+Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
+Literary Archive Foundation
+
+Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
+spread public support and donations to carry out its mission of
+increasing the number of public domain and licensed works that can be
+freely distributed in machine readable form accessible by the widest
+array of equipment including outdated equipment. Many small donations
+($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
+status with the IRS.
+
+The Foundation is committed to complying with the laws regulating
+charities and charitable donations in all 50 states of the United
+States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
+considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
+with these requirements. We do not solicit donations in locations
+where we have not received written confirmation of compliance. To
+SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
+particular state visit www.gutenberg.org/donate
+
+While we cannot and do not solicit contributions from states where we
+have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
+against accepting unsolicited donations from donors in such states who
+approach us with offers to donate.
+
+International donations are gratefully accepted, but we cannot make
+any statements concerning tax treatment of donations received from
+outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.
+
+Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
+methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
+ways including checks, online payments and credit card donations.
+To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate
+
+
+Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic
+works.
+
+Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
+concept of a library of electronic works that could be freely shared
+with anyone. For forty years, he produced and distributed Project
+Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.
+
+Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
+unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+Most people start at our Web site which has the main PG search facility:
+
+ www.gutenberg.org
+
+This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
+including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
+Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
+subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.
+
diff --git a/5322-8.zip b/5322-8.zip
new file mode 100644
index 0000000..738d203
--- /dev/null
+++ b/5322-8.zip
Binary files differ
diff --git a/5322.txt b/5322.txt
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index 0000000..5045a83
--- /dev/null
+++ b/5322.txt
@@ -0,0 +1,1584 @@
+The Project Gutenberg EBook of Woyseck, by Georg Buchner
+
+This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
+other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
+whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
+the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
+www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
+to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
+
+Title: Woyseck
+
+Author: Georg Buchner
+
+Posting Date: August 23, 2014 [EBook #5322]
+Release Date: March, 2004
+First Posted: July 1, 2002
+Last Updated: August 4, 2002
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ASCII
+
+*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WOYSECK ***
+
+
+
+
+Produced by Gunther Olesch and Erik Pishel
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+Woyzeck
+
+Georg Buechner
+
+
+
+Vorbemerkung
+
+Dieses Stueck ist ein Fragment. Es gibt keine einzig richtige
+Reihenfolge der einzelnen Szenen, denn sie sind weder nummeriert noch
+in Akte aufgeteilt.
+
+Die hier vorliegende Reihenfolge stimmt mit der Verfilmung mit
+Klaus Kinski in der Hauptrolle ueberein, vom Ende vielleicht einmal
+abgesehen.
+
+Das Stueck spielt in Darmstadt, die Figuren sprechen groesstenteils
+in dortigem Dialekt. Deshalb haben im Hochdeutschen grammatikalisch
+falsche Konstruktionen hier seine Richtigkeit.
+
+
+
+
+ Personen
+
+ Woyzeck
+ Marie
+ Hauptmann
+ Doktor
+ Tamboumajour
+ Unteroffizier
+ Andres
+ Margret
+ Budenbesitzer
+ Marktschreier
+ Alter Mann mit Leierkasten
+ Jude
+ Wirt
+ Erster Handwerksbursch
+ Zweiter Handwerksbursch
+ Kaethe
+ Narr Karl
+ Grossmutter
+ Erstes, zweites, drittes Kind
+ erste, zweite Person
+ Polizeikommissar
+
+ Soldaten. Studenten. Burschen und Maedchen
+ Kinder. Volk
+
+
+
+Woyzeck
+
+ Beim Hauptmann
+
+[Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.]
+
+HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht
+mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen,
+die Er heut zu frueh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat
+noch seine schoenen dreissig Jahr zu leben, dreissig Jahr! Macht
+dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er
+denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die
+Ewigkeit denke. Beschaeftigung, Woyzeck, Beschaeftigung! Ewig: das ist
+ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht
+ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es
+schaudert mich, wenn ich denke, dass sich die Welt in einem Tag
+herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich
+kann kein Muehlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch
+tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red er
+doch was Woyzeck! Was ist heut fuer Wetter?
+
+WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!
+
+HAUPTMANN: Ich spuer's schon. 's ist so was Geschwindes draussen: so
+ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - [Pfiffig:] Ich glaub',
+wir haben so was aus Sued-Nord?
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Ha, ha ha! Sued-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz
+abscheulich dumm! - [Geruehrt:] Woyzeck, Er ist ein guter Mensch
+--aber-- [Mit Wuerde:] Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist,
+wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat
+ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwuerdiger Herr
+Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist ist nicht
+von mir.
+
+WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum
+ansehen, ob das Amen drueber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr
+sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.
+
+HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das fuer eine kuriose Antwort? Er
+macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so mein'
+ich Ihn, Ihn -
+
+WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer
+kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral
+in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch
+einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in
+Himmel kaemen, so muessten wir donnern helfen.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter
+Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet
+hat, und den weissen Struempfen nachseh', wie sie ueber die Gassen
+springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch
+Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte
+ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein
+tugendhafter Mensch - [geruehrt:] -, ein guter Mensch, ein guter
+Mensch.
+
+WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus.
+Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so
+die Natur; aber wenn ich ein Herr waer und haett' ein' Hut und eine
+Uhr und eine Anglaise und koennt' vornehm rede, ich wollt' schon
+tugendhaft sein. Es muss was Schoenes sein um die Tugend, Herr
+Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl!
+
+HAUPTMANN: Gut, Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch.
+Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. -
+Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so;
+langsam, huebsch langsam die Strasse hinunter!
+
+
+
+ Freies Feld, die Stadt in der Ferne
+
+[Woyzeck und Andres schneiden Stecken im Gebuesch. Andres pfeift.]
+
+WOYZECK: Ja, Andres, der Platz ist verflucht. Siehst Du den lichten
+Streif da ueber das Gras hin, wo die Schwaemme so nachwachsen? Da
+rollt abends der Kopf. Es hob ihn einmal einer auf, er meint', es waer
+ein Igel: drei Tag und drei Naecht, er lag auf den Hobelspaenen. -
+[Leise:] Andres, das waren die Freimaurer! Ich hab's, die Freimaurer!
+
+ANDRES [singt]:
+
+ Sassen dort zwei Hasen,
+ frassen ab das gruene, gruene Gras...
+
+WOYZECK: Still: Hoerst du's, Andres? Hoerst du's? Es geht was!
+
+ANDRES:
+ Frassen ab das gruene, gruene Gras...
+ bis auf den gruenen Rasen.
+
+WOYZECK: Es geht hinter mir, unter mir. - [Stampft auf den Boden:]
+Hohl, hoerst Du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer!
+
+ANDRES: Ich fuercht' mich.
+
+WOYZECK: 's ist so kurios still. Man moecht' den Atem halten. -
+Andres!
+
+ANDRES: Was?
+
+WOYZECK: Red was! - [Starrt in die Gegend.] - Andres, wie hell! Ueber
+der Stadt is alles Glut! Ein Feuer faehrt um den Himmel und ein Getoes
+herunter wie Posaunen. Wie's heraufzieht! - Fort! Sieh nicht hinter
+dich! - [Reisst ihn ins Gebuesch.]
+
+ANDRES [nach einer Pause]: Woyzeck, hoerst du's noch?
+
+WOYZECK: Still, alles still, als waer' die Welt tot.
+
+ANDRES: Hoerst du? Sie trommeln drin. Wir muessen fort!
+
+
+
+ Die Stadt
+
+[Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margret. Der Zapfenstreich geht
+vorbei, der Tambourmajor voran.]
+
+MARIE [das Kind wippend auf dem Arm]: He, Bub! Sa ra ra ra! Hoerst? Da
+kommen Sie!
+
+MARGRET: Was ein Mann, wie ein Baum!
+
+MARIE: Er steht auf seinen Fuessen wie ein Loew.
+
+[Tambourmajor gruesst.]
+
+MARGRET: Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin! So was is man an
+ihr nit gewoehnt.
+
+MARIE [singt]: Soldaten, das sind schoene Bursch ...
+
+MARGRET: Ihre Auge glaenze ja noch -
+
+MARIE: Und wenn! Trag Sie Ihr Aug zum Jud, und lass Sie sie putze;
+vielleicht glaenze sie noch, dass man sie fuer zwei Knoepfe verkaufen
+koennt.
+
+MARGRET: Was, Sie? Sie? Frau Jungfer! Ich bin eine honette Person,
+aber Sie, es weiss jeder, Sie guckt sieben Paar lederne Hose durch!
+
+MARIE: Luder! - [Schlaegt das Fenster durch.] - Komm, mei Bub! Was die
+Leute wolle. Bist doch nur ein arm Hurenkind und machst deiner Mutter
+Freud mit deim unehrlichen Gesicht! Sa! sa! - [Singt]
+
+ Maedel, was fangst Du jetzt an?
+ Hast ein klein Kind und kein' Mann!
+ Ei, was frag' ich danach?
+ Sing' ich die ganze Nacht
+ heio, popeio, mei Bu, juchhe!
+ Gibt mir kein Mensch nix dazu.
+
+[Es klopft am Fenster.]
+
+MARIE: Wer da? Bist du's, Franz? Komm herein!
+
+WOYZECK: Kann nit. Muss zum Verles'.
+
+MARIE: Hast du Stecken geschnitten fuer den Hauptmann?
+
+WOYZECK: Ja, Marie.
+
+MARIE: Was hast du, Franz? Du siehst so verstoert.
+
+WOYZECK [geheimnisvoll]: Marie, es war wieder was, viel - steht nicht
+geschrieben: Und sie, da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom
+Ofen?
+
+MARIE: Mann!
+
+WOYZECK: Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt. Etwas, was
+wir nicht fassen, begreifen, was uns von Sinnen bringt. Was soll das
+werden?
+
+MARIE: Franz!
+
+WOYZECK: Ich muss fort. - Heut abend auf die Mess! Ich hab wieder
+gespart. - [Er geht.]
+
+MARIE: Der Mann! So vergeistert. Er hat sein Kind nicht angesehn!
+Er schnappt noch ueber mit den Gedanken! - Was bist so still, Bub?
+Furchtest dich? Es wird so dunkel; man meint, man waer' blind. Sonst
+scheint als die Latern herein. Ich halt's nit aus; es schauert mich! -
+[Geht ab.]
+
+
+
+ Buden. Lichter. Volk
+
+ALTER MANN [singt und Kind tanzt zum Leierkasten]:
+
+ Auf der Welt ist kein Bestand,
+ Wir muessen alle sterben,
+ das ist uns wohlbekannt.
+
+WOYZECK: Hei, Hopsa's! - Armer Mann, alter Mann! Armes Kind, junges
+Kind! Sorgen und Feste!
+
+MARIE: Mensch, sind noch die Narrn von Verstande, dann ist man selbst
+ein Narr. - Komische Welt! Schoene Welt!
+
+[Beide gehn weiter zum Marktschreier.]
+
+MARKTSCHREIER [vor seiner Bude mit seiner Frau in Hosen und einem
+kostuemierten Affen]: Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie die
+Kreatur, wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie jetzt die Kunst:
+geht aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein' Saebel! Der Aff ist
+Soldat; s' ist noch nicht viel, unterste Stuf von menschliche
+Geschlecht. Ho! Mach Kompliment! So - bist Baron. Gib Kuss! - [Er
+trompetet:] Wicht ist musikalisch. - Meine Herren, hier ist zu sehen
+das astronomische Pferd und die kleine Kanaillevoegele. Sind Favorit
+von alle gekroente Haeupter Europas, verkuendigen den Leuten alles:
+wie alt, wieviel Kinder, was fuer Krankheit. Die Repraesentationen
+anfangen! Es wird sogleich sein Commencement von Commencement.
+
+WOYZECK: Willst Du?
+
+MARIE: Meinetwegen. Das muss schoen Ding sein. Was der Mensch Quasten
+hat! Und die Frau Hosen!
+
+[Beide gehn in die Bude.]
+
+TAMBOURMAJOR: Halt, jetzt! Siehst du sie! Was ein Weibsbild!
+
+UNTEROFFIZIER: Teufel! Zum Fortpflanzen von Kuerassierregimentern!
+
+TAMBOURMAJOR: Und zur Zucht von Tambourmajors!
+
+UNTEROFFIZIER: Wie sie den Kopf traegt! Man meint, das schwarze Haar
+muesst' sie abwaerts ziehn wie ein Gewicht. Und Augen -
+
+TAMBOURMAJOR: Als ob man in ein' Ziehbrunnen oder zu einem Schornstein
+hinunter guckt. Fort, hintendrein! -
+
+
+
+ Das Innere der hellerleuchteten Bude
+
+MARIE: Was Licht!
+
+WOYZECK: Ja, Marie, schwarze Katzen mit feurigen Augen. Hei, was ein
+Abend!
+
+DER BUDENBESITZER [ein Pferd vorfuehrend]: Zeig dein Talent! Zeig
+deine viehische Vernuenftigkeit! Beschaeme die menschliche Sozietaet!
+Meine Herren, dies Tier, was Sie da sehn, Schwanz am Leib, auf seine
+vier Hufe, ist Mitglied von alle gelehrt Sozietaet, ist Professor
+an unsre Universitaet, wo die Studente bei ihm reiten und schlagen
+lernen. - Das war einfacher Verstand. Denk jetzt mit der doppelten
+Raison! Was machst du, wann du mit der doppelten Raison denkst? Ist
+unter der gelehrten Societe da ein Esel? - [Der Gaul schuettelt den
+Kopf.] - Sehn Sie jetzt die doppelte Raison? Das ist Viehsionomik. Ja,
+das ist kein viehdummes Individuum, das ist ein Person, ein Mensch,
+ein tierischer Mensch - und doch ein Vieh, ein Bete. - [Das Pferd
+fuehrt sich ungebuehrlich auf.] - So, beschaeme die Societe. Sehn Sie,
+das Vieh ist noch Natur, unideale Natur! Lernen Sie bei ihm! Fragen
+Sie den Arzt, es ist sonst hoechst schaedlich! Das hat geheissen:
+Mensch, sei natuerlich! Du bist geschaffen aus Staub, Sand, Dreck.
+Willst du mehr sein als Staub, Sand, Dreck? - Sehn Sie, was Vernunft:
+es kann rechnen und kann doch nit an den Fingern herzaehlen.
+Warum? Kann sich nur nit ausdruecken, nur nit explizieren, ist ein
+verwandelter Mensch. Sag den Herren, wieviel Uhr ist es! Wer von den
+Herren und Damen hat ein Uhr? ein Uhr?
+
+UNTEROFFIZIER: Eine Uhr? - [Zieht grossartig und gemessen eine Uhr aus
+der Tasche:] Da, mein Herr!
+
+MARIE: Das muss ich sehn. - [Sie klettert auf den ersten Platz;
+Unteroffizier hilft ihr.]
+
+TAMBOURMAJOR: Das ist ein Weibsbild.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+MARIE [sitzt, ihr Kind auf dem Schoss, ein Stueckchen Spiegel in
+der Hand]: Der andre hat ihm befohlen, und er hat gehen muessen! -
+[Bespiegelt sich:] Was die Steine glaenzen! Was sind's fuer? Was hat
+er gesagt? - - Schlaf, Bub! Drueck die Augen zu, fest! - [Das Kind
+versteckt die Augen hinter den Haenden.] - Noch fester! Bleib so -
+still, oder er holt dich! - [Singt:]
+
+ Maedel, mach's Ladel zu
+ 's kommt e Zigeunerbu,
+ fuehrt dich an deiner Hand
+ fort ins Zigeunerland.
+
+[Spiegelt sich wieder.] - 's ist gewiss Gold! Wie wird mir's beim
+Tanzen stehen? Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein
+Stueck Spiegel, und doch hab ich ein' so roten Mund als die grossen
+Madamen mit ihrem Spiegeln von oben bis unten und ihren schoenen
+Herrn, die ihnen die Haend kuessen. Ich bin nur ein arm Weibsbild!
+- [Das Kind richtet sich auf.] - Still, Bub, die Augen zu! Das
+Schlafengelchen! Wie's an der Wand laeuft. - [Sie blinkt ihm mit dem
+Glas:] Die Auge zu, oder es sieht dir hinein, dass du blind wirst!
+
+[Woyzeck tritt herein, hinter sie. Sie faehrt auf, mit den Haenden
+nach den Ohren.]
+
+WOYZECK: Was hast du?
+
+MARIE: Nix.
+
+WOYZECK: Unter deinen Fingern glaenzt's ja.
+
+MARIE: Ein Ohrringlein; hab's gefunden.
+
+WOYZECK: Ich hab' so noch nix gefunden, zwei auf einmal!
+
+MARIE: Bin ich ein Mensch?
+
+WOYZECK: 's ist gut, Marie. - Was der Bub schlaeft! Greif ihm unters
+Aermchen, der Stuhl drueckt ihn. Die hellen Tropfen stehn ihm auf der
+Stirn; alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiss im Schlaf. Wir
+arme Leut! - Da ist wieder Geld, Marie; die Loehnung und was von meim
+Hauptmann.
+
+MARIE: Gott vergelt's, Franz.
+
+WOYZECK: Ich muss fort. Heut abend, Marie! Adies!
+
+MARIE [allein, nach einer Pause]: Ich bin doch ein schlechter Mensch!
+Ich koennt' mich erstechen. - Ach, was Welt! Geht doch alle zum
+Teufel, Mann und Weib! Vorige Seite Naechste Seite
+
+
+
+ Beim Doktor
+
+[Woyzeck. Der Doktor.]
+
+DOKTOR: Was erleb' ich, Woyzeck? Ein Mann von Wort!
+
+WOYZECK: Was denn, Herr Doktor?
+
+DOKTOR: Ich hab's gesehn, Woyzeck; er hat auf die Strass gepisst, an
+die Wand gepisst, wie ein Hund. - Und doch drei Groschen taeglich und
+die Kost! Woyzeck, das ist schlecht; die Welt wird schlecht, sehr
+schlecht!
+
+WOYZECK: Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt.
+
+DOKTOR: Die Natur kommt, die Natur kommt! Die Natur! Hab' ich nicht
+nachgewiesen, dass der Musculus constrictor vesicae dem Willen
+unterworfen ist? Die Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem
+Menschen verklaert sich die Individualitaet zur Freiheit. - Den Harn
+nicht halten koennen! - [Schuettelt den Kopf, legt die Haende auf den
+Ruecken und geht auf und ab.] - Hat Er schon seine Erbsen gegessen,
+Woyzeck? Nichts als Erbsen, cruciferae, merk Er sich's! Es gibt eine
+Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft. Harnstoff
+0,10, salzsaures Ammonium, Hyperoxydul - Woyzeck, muss Er nicht wieder
+pissen? Geh Er einmal hinein und probier Er's!
+
+WOYZECK: Ich kann nit, Herr Doktor.
+
+DOKTOR [mit Affekt]: Aber an die Wand pissen! Ich hab's schriftlich,
+den Akkord in der Hand! - Ich hab's gesehen, mit diesen Augen
+gesehen; ich steckt' grade die Nase zum Fenster hinaus und liess die
+Sonnenstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten. - [Tritt auf
+ihn los:] Nein, Woyzeck, ich aergre mich nicht; Aerger ist ungesund,
+ist unwissenschaftlich. Ich bin ruhig, ganz ruhig; mein Puls hat
+seine gewoehnlichen sechzig, und ich sag's Ihm mit der groessten
+Kaltbluetigkeit. Behuete, wer wird sich ueber einen Menschen aergern,
+ein' Mensch! Wenn es noch ein Proteus waere, der einem krepiert! Aber,
+Woyzeck, Er haette nicht an die Wand pissen sollen -
+
+WOYZECK: Sehn Sie, Herr Doktor, manchmal hat einer so 'en Charakter,
+so 'ne Struktur. - Aber mit der Natur ist's was anders, sehn Sie; mit
+der Natur - [er kracht mit den Fingern] -, das is so was, wie soll ich
+sagen, zum Beispiel ...
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er philosophiert wieder.
+
+WOYZECK [vertraulich]: Herr Doktor, haben Sie schon was von der
+doppelten Natur gesehn? Wenn die Sonn in Mattag steht und es ist, als
+ging' die Welt in Feuer auf, hat schon eine fuerchterliche Stimme zu
+mir geredt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat eine Aberratio.
+
+WOYZECK [legt den Finger auf die Nase]: Die Schwaemme, Herr Doktor,
+da, da steckt's. Haben Sie schon gesehn, in was fuer Figuren die
+Schwaemme auf dem Boden wachsen? Wer das lesen koennt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat die schoenste Aberratio mentalis partialis,
+die zweite Spezies, sehr schoen ausgepraegt. Woyzeck, Er kriegt
+Zulage! Zweite Spezies: fixe Idee mit allgemein vernuenftigem Zustand.
+- Er tut noch alles wie sonst? Rasiert seinen Hauptmann?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Isst seine Erbsen?
+
+WOYZECK: Immer ordentlich, Herr Doktor. Das Geld fuer die Menage
+kriegt meine Frau.
+
+DOKTOR: Tut seinen Dienst?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Er ist ein interessanter Kasus. Subjekt Woyzeck, Er kriegt
+Zulage, halt Er sich brav. Zeig Er seinen Puls. Ja.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Tambourmajor.]
+
+TAMBOURMAJOR: Marie!
+
+MARIE [ihn ansehennd, mit Ausdruck]: Geh einmal vor dich hin! Ueber
+die Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Loew. So ist keiner! - Ich
+bin stolz vor allen Weibern!
+
+TAMBOURMAJOR: Wenn ich am Sonntag erst den grossen Federbusch hab' und
+die weisse Handschuh, Donnerwetter! Der Prinz sagt immer: Mensch, Er
+ist ein Kerl.
+
+MARIE [spoettisch]: Ach was! - [Tritt vor ihn hin:] Mann!
+
+TAMBOURMAJOR: Und du bist auch ein Weibsbild! Sapperment, wir wollen
+eine Zucht Tambourmajors anlegen. He? - [Er umfasst sie.]
+
+MARIE [verstimmt]: Lass mich!
+
+TAMBOURMAJOR: Wild Tier!
+
+MARIE [heftig]: Ruehr mich an!
+
+TAMBOURMAJOR: Sieht dir der Teufel aus den Augen?
+
+MARIE: Meinetwegen! Es ist alles eins!
+
+
+
+ Strasse
+
+[Hauptmann. Doktor. Hauptmann keucht die Strasse herunter, haelt an;
+keucht, sieht sich um.]
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, rennen Sie nicht so! Rudern Sie mir Ihrem
+Stock nicht so in der Luft! Sie hetzen sich ja hinter dem Tod drein.
+Ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat, geht nicht so schnell.
+Ein guter Mensch - [Er erwischt den Doktor am Rock:] Herr Doktor,
+erlauben Sie, dass ich ein Menschenleben rette!
+
+DOKTOR: Pressiert, hh, pressiert!
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, ich bin so schwermuetig, ich habe so was
+Schwaermerisches; ich muss immer weinen, wenn ich meinen Rock an der
+Wand haengen sehen -.
+
+DOKTOR: Hm! Aufgedunsen, fett, dicker Hals: apoplektische
+Konstitution. Ja, Herr Hauptmann, Sie koennen eine Apoplexia cerebri
+kriegen; Sie koennen sie aber vielleicht auch nur auf der einen Seite
+bekommen und auf der einen gelaehmt sein, oder aber Sie koennen im
+besten Fall geistig gelaehmt werden und nur fort vegetieren: das sind
+so ohgefaehr Ihre Aussichten auf die naechsten vier Wochen! Uebrigens
+kann ich Sie versichern, dass Sie einen von den interessanten Faellen
+abgeben, und wenn Gott will, dass Ihre Zunge zum Teil gelaehmt wird,
+so machen wir unsterbliche Experimente.
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, erschrecken Sie mich nicht! Es sind schon
+Leute am Schreck gestorben, am blossen hellen Schreck. - Ich sehe
+schon die Leute mit den Zitronen in den Haenden; aber sie werden
+sagen, er war ein guter Mensch, ein guter Mensch - Teufel Sargnagel!
+
+DOKTOR [haelt ihm den Hut hin]: Was ist das, hh? - Das ist ein
+Hohlkopf, geehrtester Herr Exerzierzagel!
+
+HAUPTMANN [macht eine Falte]: Was ist das, Herr Doktor? - Das ist
+Einfalt, bester Herr Sargnagel! Haehaehae! Aber nichts fuer ungut! Ich
+bin ein guter Mensch, aber ich kann auch, wenn ich will, Herr Doktor,
+haehaehae, wenn ich will ... - [Woyzeck kommt und will vorbeieilen]
+- He, Woyzeck, was hetzt Er sich so an uns vorbei. Bleib er doch,
+Woyzeck! Er laeuft ja wie ein offnes Rasiermesser durch die Welt, man
+schneidt sich an Ihm; Er laeuft, als haett er ein Regiment Kastrierte
+zu rasieren und wuerde gehenkt ueber dem laengsten Haar noch vor dem
+Verschwinden. Aber, ueber die langen Baerte - was wollt' ich doch
+sagen? Woyzeck: die langen Baerte ...
+
+DOKTOR: Ein langer Bart unter dem Kinn, schon Plinius spricht davon,
+man muesst es den Soldaten abgewoehnen ...
+
+HAUPTMANN [faehrt fort]: Ha, ueber die langen Baerte! Wie is, Woyzeck,
+hat Er noch nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schuessel
+gefunden? He, Er versteht mich doch? Ein Haar eines Menschen, vom Bart
+eines Sapeurs, eines Unteroffiziers, eines - eines Tambourmajors? He,
+Woyzeck? Aber Er hat eine brave Frau. Geht Ihm nicht wie andern.
+
+WOYZECK: Jawohl! Was wollen Sie sagen, Herr Hauptmann?
+
+HAUPTMANN: Was der Kerl ein Gesicht macht! ... Vielleicht nun auch
+nicht in der Suppe, aber wenn Er sich eilt und um die Eck geht, so
+kann er vielleicht noch auf ein Paar Lippen eins finden. Ein Paar
+Lippen, Woyzeck. Kerl, Er ist ja kreideweiss!
+
+WOYZECK: hh, ich bin ein armer Teufel - und hab's sonst nichts auf der
+Welt. hh, wenn Sie Spass machen -
+
+HAUPTMANN: Spass ich? Dass dich Spass, Kerl!
+
+DOKTOR: Den Puls, Woyzeck, den Puls! - Klein, hart, huepfend,
+unregelmaessig.
+
+WOYZECK: hh, die Erd is hoellenheiss - mir eiskalt, eiskalt - Die
+Hoelle is kalt, wollen wir wetten. - - Unmoeglich! Mensch! Mensch!
+Unmoeglich!
+
+HAUPTMANN: Kerl, will Er - will Er ein paar Kugeln vor den Kopf haben?
+Er ersticht mich mit seinen Augen, und ich mein' es gut mit Ihm, weil
+Er ein guter Mensch ist, Woyzeck, ein guter Mensch.
+
+DOKTOR: Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zuweilen huepfend. Haltung
+aufgeregt, gespannt.
+
+WOYZECK: Ich geh'. Es is viel moeglich. Der Mensch! Es is viel
+moeglich. - Wir haben schoen Wetter, hh. Sehn Sie, so ein schoener,
+fester, grauer Himmel; man koennte Lust bekommen, ein' Kloben
+hineinzuschlagen und sich daran zu haengen, nur wegen des
+Gedankenstriches zwischen Ja und wieder Ja - und Nein. hh, Ja und
+Nein? Ist das Nein am Ja oder das Ja am Nein schuld? Ich will darueber
+nachdenken. - [Geht mit breiten Schritten ab, erst langsamer, dann
+immer schneller.]
+
+HAUPTMANN: Mir wird ganz schwindlig vor den Menschen. Wie schnell!
+Der lange Schlingel greift aus, als laeuft der Schatten von einem
+Spinnbein, und der Kurze, das zuckelt. Der Lange ist der Blitz und der
+Kleine der Donner. Haha ... Grotesk! grotesk!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Woyzeck.]
+
+WOYZECK [sieht sie starr an und schuettelt den Kopf]: Hm! Ich seh'
+nichts, ich seh nichts. O man muesst's sehen, man muesst's greifen
+koenne mit Faeusten!
+
+MARIE [verschuechtert]: Was hast du, Franz? - Du bist hirnwuetig,
+Franz.
+
+WOYZECK: Eine Suende, so dick und so breit - es stinkt, dass man die
+Engelchen zum Himmel hinausraeuchern koennt'! Du hast ein' roten Mund,
+Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist schoen wie die Suende -
+kann die Totsuende so schoen sein?
+
+MARIE: Franz, du redest im Fieber!
+
+WOYZECK: Teufel! - Hat er da gestanden? So? So?
+
+MARIE: Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, koennen viele
+Menschen an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
+
+WOYZECK: Ich hab ihn gesehn!
+
+MARIE: Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is
+und die Sonn scheint.
+
+WOYZECK: Mensch! - [Geht auf sie los.]
+
+MARIE: Ruehr mich an, Franz! Ich haett' lieber ein Messer in den Leib
+als deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen gewagt,
+wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
+
+WOYZECK: Weib! - Nein, es muesste was an dir sein! Jeder Mensch ist
+ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. - Es waere!
+Sie geht wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an dir.
+Weiss ich's? Weiss ich's? Wer weiss es? - [Er geht.]
+
+
+
+ Die Wachstube.
+
+[Woyzeck. Andres.]
+
+ANDRES [singt]:
+
+ Frau Wirtin hat ne brave Magd,
+ sie sitzt im Garten Tag und Nacht,
+ sie sitzt in ihrem Garten ...
+
+WOYZECK: Andres!
+
+ANDRES: Nu?
+
+WOYZECK: Schoen Wetter.
+
+ANDRES: Sonntagswetter - Musik vor der Stadt. Vorhin - sind die
+Weibsbilder hinaus; die Mensche dampfe, das geht!
+
+WOYZECK [unruhig]: Tanz, Andres, sie tanze!
+
+ANDRES: Im Roessel und in Sternen.
+
+WOYZECK: Tanz, Tanz!
+
+ANDRES: Meinetwege.
+ Sitzt in ihrem Garten,
+ bis dass das Gloecklein zwoelfe schlaegt,
+ und passt auf die Solda-aten.
+
+WOYZECK: Andres, ich hab' kei Ruh.
+
+ANDRES: Narr!
+
+WOYZECK: Ich muss hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz, Tanz!
+Wird sie heisse Haend habe! Verdammt, Andres!
+
+ANDRES: Was willst du?
+
+WOYZECK: Ich muss fort, muss sehen.
+
+ANDRES: Du Unfried! Wegen dem Mensch?
+
+WOYZECK: Ich muss hinaus, 's is so heiss dahie.
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Die Fenster offen, Tanz. Baenke vor dem Haus. Bursche.]
+
+ERSTER HANDSWERKSBURSCH:
+ Ich hab' ein Hemdlein an, das ist nicht mein;
+ meine Seele stinkt nach Branndewein -
+
+ZWEITER HANDWERKSBURSCH: Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein
+Loch in die Natur machen? Vorwaerts! Ich will ein Loch in die Natur
+maehen! Ich bin auch ein Kerl, du weisst - ich will ihm alle Floeh am
+Leib totschlagen.
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH: Meine Seele, meine Seele stinkt nach
+Branndewein! - Selbst das Geld geht in Verwesung ueber!
+Vergissmeinnicht, wie ist diese Welt so schoen! Bruder, ich muss ein
+Regenfass voll greinen vor Wehmut. Ich wollt', unsre Nasen waeren zwei
+Bouteillen, und wir koennten sie uns einander in den Hals giessen.
+
+ANDRE [im Chor]:
+
+ Ein Jaeger aus der Pfalz
+ ritt einst durch einen gruenen Wald.
+ Halli, hallo, ha lustig ist die Jaegerei
+ allhier auf gruener Heid.
+ Das Jagen is mei Freud.
+
+[Woyzeck stellt sich ans Fenster. Marie und der Tambourmajor tanzen
+vorbei, ohne ihm zu bemerken.]
+
+WOYZECK: Er! Sie! Teufel!
+
+MARIE [im Vorbeitanzen]: Immer zu, imer zu -
+
+WOYZECK [erstickt]: Immer zu - immer zu! - [Faehrt heftig auf und
+sinkt zurueck auf die Bank:] Immer zu, immer zu! - [Schlaegt die
+Haende ineinander:] Dreht euch. waelzt euch! Warum blaest Gott nicht
+die Sonn aus, dass alles in Unzucht sich uebereinanderwaelzt, Mann
+und Weib, Mensch und Vieh?! Tut's am hellen Tag, tut's einem auf den
+Haenden wie die Muecken! - Weib! Das Weib is heiss, heiss! - Immer zu,
+immer zu! - [Faehrt auf:] Der Kerl, wie er an ihr herum greift, an
+ihrem Leib! Er, er hat sie - wie ich zu Anfang. - [Er sinkt betaeubt
+zusammen.]
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH [predigt auf dem Tisch]: Jedoch, wenn ein
+Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit oder aber sich die
+goettliche Weisheit beantwortet und sich anredet: Warum ist der
+Mensch? Warum ist der Mensch? - Aber wahrlich, ich sage euch: Von was
+haette der Landmann, der Weissbinder, der Schuster, der Arzt leben
+sollen, wenn Gott den Menschen nicht geschaffen haette? Von was haette
+der Schneider leben sollen, wenn er dem Menschen nicht die Empfindung
+der Scham eingepflanzt haette, von was der Soldat, wenn er ihm nicht
+mit dem Beduerfnis sich totzuschlagen ausgeruestet haette? Darum
+zweifelt nicht - ja, ja, es ist lieblich und fein, aber alles Irdische
+ist uebel, selbst das Geld geht in Verwesung ueber. Zum Beschluss,
+meine geliebten Zuhoerer, lasst uns noch uebers Kreuz pissen, damit
+ein Jud stirbt!
+
+[Unter allgemeinem Gejohle erwacht Woyzech und rast davon.]
+
+
+
+ Freies Feld
+
+WOYZECK: Immer zu! Immner zu! Hisch, hasch! So gehn die Geigen und die
+Pfeifen. - Immer zul Immer zu! - Still, Musik! Was spricht da unten?
+- Recht sich gegen den Boden: Ha, was, was sagt ihr? Lauterl Lauter!
+Stich, stich die Zickwolfin tot? - Stich, stich die Zickwolfin tot!
+- Soll ich! Muss ich? Hoer' ich's da auch? - Sagt's der Wind auch? -
+Hoer' ich's immer, immer zu: stich tot, tot!
+
+
+
+ Ein Zimmer in der Kaserne
+
+[Nacht. Andres und Woyzech in einem Bett.]
+
+WOYZECK [leise]: Andres!
+
+[Andres murmelt im Schlaf.]
+
+WOYZECK [schuettelt Andres]: He, Andres! Andres!
+
+ANDRES: Na was is?
+
+WOYZECK: Ich kann nit schlafen! Wenn ich die Aug zumach', dreht
+sich's immer, und ich hoer' die Geigen, immer zu, immer zu. Und dann
+spricht's aus der Wand. Hoerst du nix?
+
+ANDRES: Ja - lass sie tanze! Einer is mued, und dann Gott behuet uns,
+amen.
+
+WOYZECK: Es redt lmmer: stich! stich! und zieht mir zwischen den Augen
+wie ein Messer -
+
+ANDRES: Schlaf, Narr! - [Er schlaeft wieder ein.]
+
+WOYZECK: Immer zu! Immer zu!
+
+
+
+ Der Hof des Doktors
+
+[Studenten und Woyzeck unten, der Doktor am Dachfenster.]
+
+DOKTOR: Meine Herren, ich bin auf dern Dach wie David, als er
+die Bathseba sah; aber ich sehe nichts als die culs de Paris der
+Maedchenpension im Garten trocknen. Meine Herren, wir sind an der
+wichtigen Frage ueber das Verhaeltnis des Subjekts zum Objekt.
+Wenn wir nur eins von den Dingen nehmen, worin sich die organische
+Selbstaffirmation des Goettlichen, auf einem so hohen Standpunkte,
+manifestiert, und ihre Verhaeltnisse zum Raum, zur Erde, zum
+Planetarischen untersuchen, meine Herren, wenn ich diese Katze zum
+Fenster hinauswerfe: wie wird diese Wesenheit sich zum centrum
+gravitationis gemaess ihrem eigenen Instinkt verhalten? - He, Woyzeck
+- [bruellt] -, Woyzeck!
+
+WOYZECK [faengt die Katze auf]: Herr Doktor, sie beisst!
+
+DOKTOR: Kerl, Er greift die Bestie so zaertlich an, als waer's seine
+Grossmutter. - [Er kommt herunter.]
+
+WOYZECK: Herr Doktor, ich hab's Zittern.
+
+DOKTOR [ganz erfreut]: Ei, ei! Schoen, Woyzeck! - Reibt sich die
+Haende. [Er nimmt die Katze:] Was seh' ich, meine Herren, die neue
+Spezies Hasenlaus, eine schoene Spezies ... - [Er zieht eine Lupe
+heraus, die Katze laeuft fort.] - Meine Herren, das Tier hat keinen
+wissenschaftlichen Instinkt ... Die koennen dafuer was anders sehen.
+Sehen Sie: der Mensch, seit einem Vierteljahr isst er nichts als
+Erbsen; bemerken Sie die Wirkung, fuehlen Sie einmal: Was ein
+ungleicher Puls! Der und die Augen!
+
+WOYZECK: Herr Daktor, es wird mir dunkel! - [Er setzt sich.]
+
+DOKTOR: Courage, Woyzeck! Noch ein paar Tage, und dann ist's fertig.
+Fuehlen Sie, meine Herren, fuehlen Sie! - [Sie betasten ihm Schlaefe,
+Puls und Busen.] - Apropos, Woyzeck, beweg den Herren doch einmal die
+Ohren! Ich hab' es Ihnen schon zeigen wollen, zwei Muskeln sind bei
+ihm taetig. Allons, frisch!
+
+WOYZECK: Ach, Herr Doktor!
+
+DOKTOR: Bestie, sall ich dir die Ohren bewegen? Willst du's machen wie
+die Katze? So, meine Herren! Das sind so Uebergaenge zum Esel, haeufig
+auch die Folge weiblicher Erziehung und die Muttersprache. Wieviel
+Haare hat dir die Mutter zum Andenken schon ausgerissen aus
+Zaertlichkeit? Sie sind dir ja ganz duenn geworden seit ein paar
+Tagen. Ja, die Erbsen, meine Herren!
+
+
+
+ Kasernenhof
+
+WOYZECK: Hast nix gehoert?
+
+ANDRES: Er is da, noch mit einem Kameraden.
+
+WOYZECK: Er hat was gesagt.
+
+ANDRES: Woher weisst du's? Was soll ich's sagen? Nu, er lachte, und
+dann sagt er: Ein koestlich Weibsbild! Die hat Schenkel, und alles so
+heiss!
+
+WOYZECK [ganz kalt]: So, hat er das gesagt? Von was hat mir doch hat
+nacht getraeumt? War's nicht von einem Messer? Was man doch naerrische
+Traeume hat!
+
+ANDRES: Wohin, Kamerad?
+
+WOYZECK: Meim Offizier Wein holen. - Aber, Andres, sie war dach ein
+einzig Maedel.
+
+ANDRES: Wer war?
+
+WOYZECK: Nix. Adies! - [Ab.]
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Tambourmajor. Woyzeck. Leute.]
+
+TAMBOURMAJOR: Ich bin ein Mann! - [Schlaegt sich auf die Brust:] Ein
+Mann, sag' ich. Wer will was? Wer kein be- soffner Herrgott ist, der
+lass sich von mir. Ich will ihn die Nas ins Arschloch pruegeln! Ich
+will - [Zu Woyzeck:] Du Kerl, sauf! Ich wollt' die Welt waer' Schnaps,
+Schnaps - der Mann muss saufen! - [Woyzech pfeift.] - Kerl, soll ich
+dir die Zung aus dem Hals ziehn und sie um den Leib herumwickeln? -
+Sie ringen, Woyzeck verliert. - Soll ich dir noch so viel Atem lassen
+als 'en Altweiberfurz, soll ich? - [Woyzech setzt sich erschoepft
+zitternd auf eine Bank.] - Der Kerl soll dunkelblau pfeifen.
+
+ Branndewein, das ist mein Leben;
+ Branndwein gibt Courage!
+
+EINE: Der hat sein Fett.
+
+ANDRE: Er blut'.
+
+WOYZECK: Eins nach dem andern.
+
+
+
+ Kramladen
+
+[Woyzeck. Der Jude.]
+
+WOYZECK: Das Pistolchen ist zu teuer.
+
+JUDE: Nu, kauft's oder kauft's nit, was is?
+
+WOYZECK: Was kost' das Messer?
+
+JUDE: 's ist ganz grad. Wollt Ihr Euch den Hals mit abschneiden? Nu,
+was is es? Ich geb's Euch so wohlfeil wie ein andrer. Ihr sollt Euern
+Tod wohifeil haben, aber doch nit umsonst. Was is es? Er soll ein
+oekonomischer Tod haben.
+
+WOYZECK: Das kann mehr als Brot schneiden -
+
+JUDE: Zwee Grosche.
+
+WOYZECK: Da! - Geht ab.
+
+JUDE: Da! Als ob's nichts waer! Und es is doch Geld. - Du Hund!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+NARR [liegt und erzaehlt sich Maerchen an den Fingern]: Der hat die
+goldne Kron, der Herr Koenig ... Morgen hol' ich der Frau Koenigin ihr
+Kind ... Blutwurst sagt: komm, Leber- wurst ...
+
+MARIE [blaettert in der Bibel]: "Und ist kein Betrug in seinem Munde
+erfunden": ... Herrgott, Herrgott! Sieh mich nicht an! - [Blaettert
+weiter:] "Aber die Pharisaeer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch
+begriffen, und stelleten sie ins Mittel dar ... Jesus aber sprach:
+So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und suendige hinfort nicht
+mehr!" - [Schlaegt die Haende zusammen:] Hergott! Hergott! Ich kann
+nicht! - Herrgott, gib mir nur so viel, dass ich beten kann. - [Das
+Kind draengt sich an sie.] - Das Kind gibt mir einen Stich ins Herz.
+- [Zum Narrn:] Karl! Das bruest' sich in der Sonne! - [Narr nimmt
+das Kind und wird still.] - Der Franz ist nit gekommen, gestern nit,
+heut nit. Es wird heiss hier! - [Sie macht das Fenster auf und liest
+wieder:] "Und trat hinten zu seinen Fuessen und weinete, und fing an,
+seine Fuesse zu netzen mit Traenen und mit den Haaren ihres Hauptes
+zu trocknen, und kuessete seine Fuesse und salbete sie mit Salbe
+..." [Schlaegt sich auf die Brust:] Alles tot! Heiland! Heiland! ich
+moechte dir die Fuesse salben! -
+
+
+
+ Kaserne
+
+[Andres. Woyzeck kramt in seinen Sachen.]
+
+WOYZECK: Das Kamisolchen, Andres, ist nit zur Montur: du kannst's
+brauchen, Andres.
+
+ANDRES [ganz starr, sagt zu allem]: Jawohl.
+
+WOYZECK: Das Kreuz meiner Schwester und das Ringlein.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK: Ich hab' auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schoen Gold -
+es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht:
+
+ Herr, wie dein Leib war rot und wund,
+ so lass mein Herz sein aller Stund.
+
+Mein Mutter fuehlt nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Haend scheint -
+das tut nix.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK [zieht ein Papier hervor]: Friedrich Johann Franz Woyzeck,
+Wehrmann, Fuesilier im 2. Regiment, 2. Bataillion 4. Kompanie, geboren
+Mariae Verkuendigung, den 20. Juli. - Ich bin heut alt 30 Jahr, 7
+Monat und 12 Tage.
+
+ANDRES: Franz, du kommst ins Lazarett. Armer, du musst Schnaps trinken
+und Pulver drin, das toet' das Fieber.
+
+WOYZECK: Ja, Andres, wenn ein Schreiner die Hobelspaene sammelt, es
+weiss niemand, wer seinen Kopf drauflegen wird.
+
+
+
+ Strasse
+
+[Marie mit Maedchen vor der Haustuer, Grossmutter; spaeter Woyzeck]
+
+MAEDCHEN:
+ Wie scheint die Sonn am Lichtmesstag
+ und steht das Korn im Bluehn.
+ Sie gingen wohl die Wiese hin,
+ sie gingen zu zwein und zwein.
+ Die Pfeifer gingen voran,
+ die Geiger hinterdrein,
+ sie hatten rote Socken an ...
+
+ERSTES KIND: Das ist nit schoen.
+
+ZWEITES KIND: Was willst du auch immer!
+
+ERSTES KIND: Marie, sing du uns!
+
+MARIE: Ich kann nit.
+
+ERSTES KIND: Warum?
+
+MARIE: Darum.
+
+ZWEITES KIND: Aber warum darum?
+
+DRITTES KIND: Grossmutter, erzaehl!
+
+GROSSMUTTER: Kommt, ihr kleinen Krabben! - Es war einmal ein arm Kind
+und hatt' kein Vater und keine Mutter, war alles tot, und war niemand
+mehr auf der Welt. Alles tot, und es is hingangen und hat gesucht Tag
+und Nacht. Und weil auf der Erde niemand mehr war, wollt's in Himmel
+gehn, und der Mond guckt es so freundlich an; und wie es endlich zum
+Mond kam, war's ein Stueck faul Holz. Und da is es zur Sonn gangen,
+und wie es zur Sonn kam, war's ein verwelkt Sonneblum. Und wie's zu
+den Sternen kam, waren's kleine goldne Muecken, die waren angesteckt,
+wie der Neuntoeter sie auf die Schlehen steckt. Und wie's wieder auf
+die Erde wollt, war die Erde ein umgestuerzter Hafen. Und es war ganz
+allein. Und da hat sich's hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch
+und is ganz allein.
+
+WOYZECK [erscheint]: Marie!
+
+MARIE [erschreckt]: Was is?
+
+WOYZECK: Marie, wir wollen gehn. 's is Zeit.
+
+MARIE: Wohin?
+
+WOYZECK: Weiss ich's?
+
+
+
+ Waldsaum am Teich
+
+[Marie und Woyzeck.]
+
+MARIE: Also dort hinaus is die Stadt. 's is finster.
+
+WOYZECK: Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich!
+
+MARIE: Aber ich muss fort.
+
+WOYZECK: Du wirst dir die Fuesse nit wund laufe.
+
+MARIE: Wie bist du nur auch!
+
+WOYZECK: Weisst du auch, wie lang es jetzt is, Marie?
+
+MARIE: Am Pfingsten zwei Jahr.
+
+WOYZECK: Weisst du auch, wie lang es noch sein wird?
+
+MARIE: Ich muss fort, das Nachtessen richten.
+
+WOYZECK: Friert's dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du heisse
+Lippen hast! Heiss, heissen Hurenatem! Und doch moecht' ich den Himmel
+geben, sie noch einmal zu kuessen. - Friert's dich? Wenn man kalt is,
+so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren.
+
+MARIE: Was sagst du?
+
+WOYZECK: Nix.
+
+[Schweigen.]
+
+MARIE: Was der Mond rot aufgeht!
+
+WOYZECK: Wie ein blutig Eisen.
+
+MARIE: Was hast du vor, Franz, du bist so blass. - [Er holt mit dem
+Messer aus.] - Franz halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe!
+
+WOYZECK [sticht drauflos:] Nimm das und das! Kannst du nicht sterben?
+So! So! - Ha, sie zuckt noch; noch nicht? Noch nicht? Immer noch.
+- [Stoesst nochmals zu.] - Bist du tot! Tot! Tot! - [Er laesst das
+Messer fallen und laeuft weg.]
+
+
+
+ Das Wirtshaus
+
+WOYZECK: Tanzt alle, immer zu! Schwitzt und stinkt! Er holt euch doch
+einmal alle! - [Singt:]
+
+ Ach. Tochter, lieb Tochter
+ was hast du gedenkt,
+ dass du dich an die Landkutscher
+ und die Fuhrleut hasst gehenkt.
+
+[Er tanzt:] So, Kaethe, setz dich! Ich hab' heiss heiss! - [Er zieht
+den Rock aus.] - Es ist einmal so, der Teufel holt die eine und laesst
+die andre laufen. Kaethe, du bist heiss! War- um denn? Kaethe, du
+wirst auch noch kalt werden. Sei vernuenftig. - Kannst du nicht
+singen?
+
+KAETHE [singt]:
+
+ Ins Schwabenland, das mag ich nicht,
+ und lange Kleider trag' ich nicht,
+ denn lange Kleider, spitze Schuh,
+ die kommen keiner Dienstmagd zu.
+
+WOYZECK: Nein, keine Schuh, man kann auch ohne Schuh in die Hoell
+gehn.
+
+KAETHE [singt]:
+
+ O pfui mein Schatz, das war nicht fein,
+ behalt dein Taler und schlaf allein.
+
+WOYZECK: Ja, wahrhaftig, ich moecte mich nicht blutig machen.
+
+KAETHE: Aber was hast du an deiner Hand?
+
+WOYZECK: Ich? Ich?
+
+KAETHE: Rot! Blut!
+
+[Es stellen sich Leute um sie.]
+
+WOYZECK: Blut? Blut?
+
+WIRT: Uu - Blut!
+
+WOYZECK: Ich glaub', ich hab' mich geschnitten, da an der rechten
+Hand.
+
+WIRT: Wie kommt's aber an den Ellenbogen?
+
+WOYZECK: Ich hab's abgewischt.
+
+WIRT: Was, mit der rechten Hand an den rechten Ellenbogen Ihr seid
+geschickt!
+
+NARR: Und da hat der Ries gesagt: Ich riech', ich riech'
+Menschenfleisch. Puh, das stinkt schon!
+
+WOYZECK: Teufel, was wollt ihr? Was geht's euch an? Platz, oder der
+erste - Teufel! Meint ihr, ich haett' jemand umgebracht? Bin ich ein
+Moerder? Was gafft ihr? Guckt euch selbst an! Platz da! - [Er laeuft
+hinaus.]
+
+
+
+ Am Teich
+
+WOYZECK [allein]: Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab' es da
+gelassen. Es verraet mich! Naeher, noch naeher! Was is das fuer ein
+Platz? Was hoer' ich? Es ruehrt sich was. Still. - Da in der Naehe.
+Marie? Ha, Marie! Still. Alles still! Was bist du so bleich, Marie?
+Was hast du eine rote Schnur um den Hals? Bei wem hast du das Halsband
+verdient mit deinen Suenden? Du warst schwarz davon, schwarz! Hab' ich
+dich gebleicht? Was haengen deine Haare so wild? Hast du deine Zoepfe
+heute nicht geflochten? ... - Das Messer, das Messer! Hab' ich's? So!
+- [Er laeuft zum Wasser.] So, da hinunter! - [Er wirft das Messer
+hinein.] - Es taucht in das dunkle Wasser wie ein Stein. - Nein, es
+liegt zu weit vorn, wenn sie sich baden. - [Er geht in den Teich und
+wirft weit.] - So, jetzt - aber im Sommer, wenn sie tauchen nach
+Muscheln? - Bah, es wird rostig, wer kann's erkennen. - Haett' ich es
+zerbrochen! - - Bin ich noch blutig? Ich muss mich waschen. Da ein
+Fleck, und da noch einer ...
+
+[Es kommen Leute.]
+
+ERSTE PERSON: Halt!
+
+ZWEITE PERSON: Hoerst du? Still! Dort!
+
+ERSTE: Uu! Da! Was ein Ton!
+
+ZWEITE: Es ist das Wasser, es ruft: Schon lang ist niemand ertrunken.
+Fort! Es ist nicht gut, es zu hoeren!
+
+ERSTE: Uu! Jetzt wieder! - Wie ein Mensch, der stirbt!
+
+ZWEITE: Es ist unheimlich! So dunstig, allenthalben Nebelgrau - und
+das Summen der Kaefer wie gesprungne Glocken. Fort!
+
+ERSTE: Nein. zu deutlich, zu laut! Da hinauf! Komm mit!
+
+
+
+
+
+
+
+
+
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+
+*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WOYSECK ***
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+Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
+metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be
+in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES.
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+Procedures for determining public domain status are described in
+the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org.
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+No investigation has been made concerning possible copyrights in
+jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize
+this eBook outside of the United States should confirm copyright
+status under the laws that apply to them.
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+Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for
+eBook #5322 (https://www.gutenberg.org/ebooks/5322)
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+The Project Gutenberg EBook of Woyzeck, by Georg Buchner
+(#2 in our series by Georg Buchner)
+
+Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
+copyright laws for your country before downloading or redistributing
+this or any other Project Gutenberg eBook.
+
+This header should be the first thing seen when viewing this Project
+Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the
+header without written permission.
+
+Please read the "legal small print," and other information about the
+eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is
+important information about your specific rights and restrictions in
+how the file may be used. You can also find out about how to make a
+donation to Project Gutenberg, and how to get involved.
+
+
+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
+
+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
+
+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
+
+
+Title: Woyzeck
+
+Author: Georg Buchner
+
+Release Date: March, 2004 [EBook #5322]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on July 1, 2002]
+[Most recently updated August 4, 2002]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
+
+Character set encoding: ASCII
+
+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, WOYZECK ***
+
+
+
+
+This eBook was prepared by Gunther Olesch from a Project Gutenberg of DE
+source file created by Erik Pischel.
+
+
+
+Woyzeck
+
+Georg Buechner
+
+
+
+Vorbemerkung
+
+Dieses Stueck ist ein Fragment. Es gibt keine einzig richtige
+Reihenfolge der einzelnen Szenen, denn sie sind weder nummeriert noch
+in Akte aufgeteilt.
+
+Die hier vorliegende Reihenfolge stimmt mit der Verfilmung mit
+Klaus Kinski in der Hauptrolle ueberein, vom Ende vielleicht einmal
+abgesehen.
+
+Das Stueck spielt in Darmstadt, die Figuren sprechen groesstenteils
+in dortigem Dialekt. Deshalb haben im Hochdeutschen grammatikalisch
+falsche Konstruktionen hier seine Richtigkeit.
+
+
+
+
+Personen
+
+Woyzeck
+Marie
+Hauptmann
+Doktor
+Tamboumajour
+Unteroffizier
+Andres
+Margret
+Budenbesitzer
+Marktschreier
+Alter Mann mit Leierkasten
+Jude
+Wirt
+Erster Handwerksbursch
+Zweiter Handwerksbursch
+Kaethe
+Narr Karl
+Grossmutter
+Erstes, zweites, drittes Kind
+erste, zweite Person
+Polizeikommissar
+
+Soldaten. Studenten. Burschen und Maedchen
+Kinder. Volk
+
+
+
+Woyzeck
+
+ Beim Hauptmann
+
+[Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn.]
+
+HAUPTMANN: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht
+mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den 10 Minuten anfangen,
+die Er heut zu frueh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er, Er hat
+noch seine schoenen dreissig Jahr zu leben, dreissig Jahr! Macht
+dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er
+denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die
+Ewigkeit denke. Beschaeftigung, Woyzeck, Beschaeftigung! Ewig: das ist
+ewig, das ist ewig - das siehst du ein; nur ist es aber wieder nicht
+ewig, und das ist ein Augenblick, ja ein Augenblick - Woyzeck, es
+schaudert mich, wenn ich denke, dass sich die Welt in einem Tag
+herumdreht. Was 'n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich
+kann kein Muehlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch.
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch
+tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. - Red er
+doch was Woyzeck! Was ist heut fuer Wetter?
+
+WOYZECK: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!
+
+HAUPTMANN: Ich spuer's schon. 's ist so was Geschwindes draussen: so
+ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. - [Pfiffig:] Ich glaub',
+wir haben so was aus Sued-Nord?
+
+WOYZECK: Jawohl, Herr Hauptmann.
+
+HAUPTMANN: Ha, ha ha! Sued-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Er ist dumm, ganz
+abscheulich dumm! - [Geruehrt:] Woyzeck, Er ist ein guter Mensch
+--aber-- [Mit Wuerde:] Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist,
+wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat
+ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hocherwuerdiger Herr
+Garnisionsprediger sagt - ohne den Segen der Kirche, es ist ist nicht
+von mir.
+
+WOYZECK: Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum
+ansehen, ob das Amen drueber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr
+sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.
+
+HAUPTMANN: Was sagt Er da? Was ist das fuer eine kuriose Antwort? Er
+macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag': Er, so mein'
+ich Ihn, Ihn -
+
+WOYZECK: Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer
+kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral
+in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch
+einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub', wenn wir in
+Himmel kaemen, so muessten wir donnern helfen.
+
+HAUPTMANN: Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter
+Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg', wenn's geregnet
+hat, und den weissen Struempfen nachseh', wie sie ueber die Gassen
+springen - verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab' auch
+Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte
+ich dann die Zeit rumbringen? Ich sag' mir immer: du bist ein
+tugendhafter Mensch - [geruehrt:] -, ein guter Mensch, ein guter
+Mensch.
+
+WOYZECK: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend - ich hab's noch nit so aus.
+Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt nur so
+die Natur; aber wenn ich ein Herr waer und haett' ein' Hut und eine
+Uhr und eine Anglaise und koennt' vornehm rede, ich wollt' schon
+tugendhaft sein. Es muss was Schoenes sein um die Tugend, Herr
+Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl!
+
+HAUPTMANN: Gut, Woyzeck. Du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch.
+Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. -
+Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so;
+langsam, huebsch langsam die Strasse hinunter!
+
+
+
+ Freies Feld, die Stadt in der Ferne
+
+[Woyzeck und Andres schneiden Stecken im Gebuesch. Andres pfeift.]
+
+WOYZECK: Ja, Andres, der Platz ist verflucht. Siehst Du den lichten
+Streif da ueber das Gras hin, wo die Schwaemme so nachwachsen? Da
+rollt abends der Kopf. Es hob ihn einmal einer auf, er meint', es waer
+ein Igel: drei Tag und drei Naecht, er lag auf den Hobelspaenen. -
+[Leise:] Andres, das waren die Freimaurer! Ich hab's, die Freimaurer!
+
+ANDRES [singt]:
+ Sassen dort zwei Hasen,
+ frassen ab das gruene, gruene Gras...
+
+WOYZECK: Still: Hoerst du's, Andres? Hoerst du's? Es geht was!
+
+ANDRES:
+ Frassen ab das gruene, gruene Gras...
+ bis auf den gruenen Rasen.
+
+WOYZECK: Es geht hinter mir, unter mir. - [Stampft auf den Boden:]
+Hohl, hoerst Du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer!
+
+ANDRES: Ich fuercht' mich.
+
+WOYZECK: 's ist so kurios still. Man moecht' den Atem halten. -
+Andres!
+
+ANDRES: Was?
+
+WOYZECK: Red was! - [Starrt in die Gegend.] - Andres, wie hell! Ueber
+der Stadt is alles Glut! Ein Feuer faehrt um den Himmel und ein Getoes
+herunter wie Posaunen. Wie's heraufzieht! - Fort! Sieh nicht hinter
+dich! - [Reisst ihn ins Gebuesch.]
+
+ANDRES [nach einer Pause]: Woyzeck, hoerst du's noch?
+
+WOYZECK: Still, alles still, als waer' die Welt tot.
+
+ANDRES: Hoerst du? Sie trommeln drin. Wir muessen fort!
+
+
+
+ Die Stadt
+
+[Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margret. Der Zapfenstreich geht
+vorbei, der Tambourmajor voran.]
+
+MARIE [das Kind wippend auf dem Arm]: He, Bub! Sa ra ra ra! Hoerst? Da
+kommen Sie!
+
+MARGRET: Was ein Mann, wie ein Baum!
+
+MARIE: Er steht auf seinen Fuessen wie ein Loew.
+
+[Tambourmajor gruesst.]
+
+MARGRET: Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin! So was is man an
+ihr nit gewoehnt.
+
+MARIE [singt]: Soldaten, das sind schoene Bursch ...
+
+MARGRET: Ihre Auge glaenze ja noch -
+
+MARIE: Und wenn! Trag Sie Ihr Aug zum Jud, und lass Sie sie putze;
+vielleicht glaenze sie noch, dass man sie fuer zwei Knoepfe verkaufen
+koennt.
+
+MARGRET: Was, Sie? Sie? Frau Jungfer! Ich bin eine honette Person,
+aber Sie, es weiss jeder, Sie guckt sieben Paar lederne Hose durch!
+
+MARIE: Luder! - [Schlaegt das Fenster durch.] - Komm, mei Bub! Was die
+Leute wolle. Bist doch nur ein arm Hurenkind und machst deiner Mutter
+Freud mit deim unehrlichen Gesicht! Sa! sa! - [Singt]
+ Maedel, was fangst Du jetzt an?
+ Hast ein klein Kind und kein' Mann!
+ Ei, was frag' ich danach?
+ Sing' ich die ganze Nacht
+ heio, popeio, mei Bu, juchhe!
+ Gibt mir kein Mensch nix dazu.
+
+[Es klopft am Fenster.]
+
+MARIE: Wer da? Bist du's, Franz? Komm herein!
+
+WOYZECK: Kann nit. Muss zum Verles'.
+
+MARIE: Hast du Stecken geschnitten fuer den Hauptmann?
+
+WOYZECK: Ja, Marie.
+
+MARIE: Was hast du, Franz? Du siehst so verstoert.
+
+WOYZECK [geheimnisvoll]: Marie, es war wieder was, viel - steht nicht
+geschrieben: Und sie, da ging ein Rauch vom Land, wie der Rauch vom
+Ofen?
+
+MARIE: Mann!
+
+WOYZECK: Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt. Etwas, was
+wir nicht fassen, begreifen, was uns von Sinnen bringt. Was soll das
+werden?
+
+MARIE: Franz!
+
+WOYZECK: Ich muss fort. - Heut abend auf die Mess! Ich hab wieder
+gespart. - [Er geht.]
+
+MARIE: Der Mann! So vergeistert. Er hat sein Kind nicht angesehn!
+Er schnappt noch ueber mit den Gedanken! - Was bist so still, Bub?
+Furchtest dich? Es wird so dunkel; man meint, man waer' blind. Sonst
+scheint als die Latern herein. Ich halt's nit aus; es schauert mich! -
+[Geht ab.]
+
+
+
+ Buden. Lichter. Volk
+
+ALTER MANN [singt und Kind tanzt zum Leierkasten]:
+ Auf der Welt ist kein Bestand,
+ Wir muessen alle sterben,
+ das ist uns wohlbekannt.
+
+WOYZECK: Hei, Hopsa's! - Armer Mann, alter Mann! Armes Kind, junges
+Kind! Sorgen und Feste!
+
+MARIE: Mensch, sind noch die Narrn von Verstande, dann ist man selbst
+ein Narr. - Komische Welt! Schoene Welt!
+
+[Beide gehn weiter zum Marktschreier.]
+
+MARKTSCHREIER [vor seiner Bude mit seiner Frau in Hosen und einem
+kostuemierten Affen]: Meine Herren, meine Herren! Sehn Sie die
+Kreatur, wie sie Gott gemacht: nix, gar nix. Sehn Sie jetzt die Kunst:
+geht aufrecht, hat Rock und Hosen, hat ein' Saebel! Der Aff ist
+Soldat; s' ist noch nicht viel, unterste Stuf von menschliche
+Geschlecht. Ho! Mach Kompliment! So - bist Baron. Gib Kuss! - [Er
+trompetet:] Wicht ist musikalisch. - Meine Herren, hier ist zu sehen
+das astronomische Pferd und die kleine Kanaillevoegele. Sind Favorit
+von alle gekroente Haeupter Europas, verkuendigen den Leuten alles:
+wie alt, wieviel Kinder, was fuer Krankheit. Die Repraesentationen
+anfangen! Es wird sogleich sein Commencement von Commencement.
+
+WOYZECK: Willst Du?
+
+MARIE: Meinetwegen. Das muss schoen Ding sein. Was der Mensch Quasten
+hat! Und die Frau Hosen!
+
+[Beide gehn in die Bude.]
+
+TAMBOURMAJOR: Halt, jetzt! Siehst du sie! Was ein Weibsbild!
+
+UNTEROFFIZIER: Teufel! Zum Fortpflanzen von Kuerassierregimentern!
+
+TAMBOURMAJOR: Und zur Zucht von Tambourmajors!
+
+UNTEROFFIZIER: Wie sie den Kopf traegt! Man meint, das schwarze Haar
+muesst' sie abwaerts ziehn wie ein Gewicht. Und Augen -
+
+TAMBOURMAJOR: Als ob man in ein' Ziehbrunnen oder zu einem Schornstein
+hinunter guckt. Fort, hintendrein! -
+
+
+
+ Das Innere der hellerleuchteten Bude
+
+MARIE: Was Licht!
+
+WOYZECK: Ja, Marie, schwarze Katzen mit feurigen Augen. Hei, was ein
+Abend!
+
+DER BUDENBESITZER [ein Pferd vorfuehrend]: Zeig dein Talent! Zeig
+deine viehische Vernuenftigkeit! Beschaeme die menschliche Sozietaet!
+Meine Herren, dies Tier, was Sie da sehn, Schwanz am Leib, auf seine
+vier Hufe, ist Mitglied von alle gelehrt Sozietaet, ist Professor
+an unsre Universitaet, wo die Studente bei ihm reiten und schlagen
+lernen. - Das war einfacher Verstand. Denk jetzt mit der doppelten
+Raison! Was machst du, wann du mit der doppelten Raison denkst? Ist
+unter der gelehrten Societe da ein Esel? - [Der Gaul schuettelt den
+Kopf.] - Sehn Sie jetzt die doppelte Raison? Das ist Viehsionomik. Ja,
+das ist kein viehdummes Individuum, das ist ein Person, ein Mensch,
+ein tierischer Mensch - und doch ein Vieh, ein Bete. - [Das Pferd
+fuehrt sich ungebuehrlich auf.] - So, beschaeme die Societe. Sehn Sie,
+das Vieh ist noch Natur, unideale Natur! Lernen Sie bei ihm! Fragen
+Sie den Arzt, es ist sonst hoechst schaedlich! Das hat geheissen:
+Mensch, sei natuerlich! Du bist geschaffen aus Staub, Sand, Dreck.
+Willst du mehr sein als Staub, Sand, Dreck? - Sehn Sie, was Vernunft:
+es kann rechnen und kann doch nit an den Fingern herzaehlen.
+Warum? Kann sich nur nit ausdruecken, nur nit explizieren, ist ein
+verwandelter Mensch. Sag den Herren, wieviel Uhr ist es! Wer von den
+Herren und Damen hat ein Uhr? ein Uhr?
+
+UNTEROFFIZIER: Eine Uhr? - [Zieht grossartig und gemessen eine Uhr aus
+der Tasche:] Da, mein Herr!
+
+MARIE: Das muss ich sehn. - [Sie klettert auf den ersten Platz;
+Unteroffizier hilft ihr.]
+
+TAMBOURMAJOR: Das ist ein Weibsbild.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+MARIE [sitzt, ihr Kind auf dem Schoss, ein Stueckchen Spiegel in
+der Hand]: Der andre hat ihm befohlen, und er hat gehen muessen! -
+[Bespiegelt sich:] Was die Steine glaenzen! Was sind's fuer? Was hat
+er gesagt? - - Schlaf, Bub! Drueck die Augen zu, fest! - [Das Kind
+versteckt die Augen hinter den Haenden.] - Noch fester! Bleib so -
+still, oder er holt dich! - [Singt:]
+ Maedel, mach's Ladel zu
+ 's kommt e Zigeunerbu,
+ fuehrt dich an deiner Hand
+ fort ins Zigeunerland.
+[Spiegelt sich wieder.] - 's ist gewiss Gold! Wie wird mir's beim
+Tanzen stehen? Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein
+Stueck Spiegel, und doch hab ich ein' so roten Mund als die grossen
+Madamen mit ihrem Spiegeln von oben bis unten und ihren schoenen
+Herrn, die ihnen die Haend kuessen. Ich bin nur ein arm Weibsbild!
+- [Das Kind richtet sich auf.] - Still, Bub, die Augen zu! Das
+Schlafengelchen! Wie's an der Wand laeuft. - [Sie blinkt ihm mit dem
+Glas:] Die Auge zu, oder es sieht dir hinein, dass du blind wirst!
+
+[Woyzeck tritt herein, hinter sie. Sie faehrt auf, mit den Haenden
+nach den Ohren.]
+
+WOYZECK: Was hast du?
+
+MARIE: Nix.
+
+WOYZECK: Unter deinen Fingern glaenzt's ja.
+
+MARIE: Ein Ohrringlein; hab's gefunden.
+
+WOYZECK: Ich hab' so noch nix gefunden, zwei auf einmal!
+
+MARIE: Bin ich ein Mensch?
+
+WOYZECK: 's ist gut, Marie. - Was der Bub schlaeft! Greif ihm unters
+Aermchen, der Stuhl drueckt ihn. Die hellen Tropfen stehn ihm auf der
+Stirn; alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiss im Schlaf. Wir
+arme Leut! - Da ist wieder Geld, Marie; die Loehnung und was von meim
+Hauptmann.
+
+MARIE: Gott vergelt's, Franz.
+
+WOYZECK: Ich muss fort. Heut abend, Marie! Adies!
+
+MARIE [allein, nach einer Pause]: Ich bin doch ein schlechter Mensch!
+Ich koennt' mich erstechen. - Ach, was Welt! Geht doch alle zum
+Teufel, Mann und Weib! Vorige Seite Naechste Seite
+
+
+
+ Beim Doktor
+
+[Woyzeck. Der Doktor.]
+
+DOKTOR: Was erleb' ich, Woyzeck? Ein Mann von Wort!
+
+WOYZECK: Was denn, Herr Doktor?
+
+DOKTOR: Ich hab's gesehn, Woyzeck; er hat auf die Strass gepisst, an
+die Wand gepisst, wie ein Hund. - Und doch drei Groschen taeglich und
+die Kost! Woyzeck, das ist schlecht; die Welt wird schlecht, sehr
+schlecht!
+
+WOYZECK: Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt.
+
+DOKTOR: Die Natur kommt, die Natur kommt! Die Natur! Hab' ich nicht
+nachgewiesen, dass der Musculus constrictor vesicae dem Willen
+unterworfen ist? Die Natur! Woyzeck, der Mensch ist frei, in dem
+Menschen verklaert sich die Individualitaet zur Freiheit. - Den Harn
+nicht halten koennen! - [Schuettelt den Kopf, legt die Haende auf den
+Ruecken und geht auf und ab.] - Hat Er schon seine Erbsen gegessen,
+Woyzeck? Nichts als Erbsen, cruciferae, merk Er sich's! Es gibt eine
+Revolution in der Wissenschaft, ich sprenge sie in die Luft. Harnstoff
+0,10, salzsaures Ammonium, Hyperoxydul - Woyzeck, muss Er nicht wieder
+pissen? Geh Er einmal hinein und probier Er's!
+
+WOYZECK: Ich kann nit, Herr Doktor.
+
+DOKTOR [mit Affekt]: Aber an die Wand pissen! Ich hab's schriftlich,
+den Akkord in der Hand! - Ich hab's gesehen, mit diesen Augen
+gesehen; ich steckt' grade die Nase zum Fenster hinaus und liess die
+Sonnenstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten. - [Tritt auf
+ihn los:] Nein, Woyzeck, ich aergre mich nicht; Aerger ist ungesund,
+ist unwissenschaftlich. Ich bin ruhig, ganz ruhig; mein Puls hat
+seine gewoehnlichen sechzig, und ich sag's Ihm mit der groessten
+Kaltbluetigkeit. Behuete, wer wird sich ueber einen Menschen aergern,
+ein' Mensch! Wenn es noch ein Proteus waere, der einem krepiert! Aber,
+Woyzeck, Er haette nicht an die Wand pissen sollen -
+
+WOYZECK: Sehn Sie, Herr Doktor, manchmal hat einer so 'en Charakter,
+so 'ne Struktur. - Aber mit der Natur ist's was anders, sehn Sie; mit
+der Natur - [er kracht mit den Fingern] -, das is so was, wie soll ich
+sagen, zum Beispiel ...
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er philosophiert wieder.
+
+WOYZECK [vertraulich]: Herr Doktor, haben Sie schon was von der
+doppelten Natur gesehn? Wenn die Sonn in Mattag steht und es ist, als
+ging' die Welt in Feuer auf, hat schon eine fuerchterliche Stimme zu
+mir geredt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat eine Aberratio.
+
+WOYZECK [legt den Finger auf die Nase]: Die Schwaemme, Herr Doktor,
+da, da steckt's. Haben Sie schon gesehn, in was fuer Figuren die
+Schwaemme auf dem Boden wachsen? Wer das lesen koennt!
+
+DOKTOR: Woyzeck, Er hat die schoenste Aberratio mentalis partialis,
+die zweite Spezies, sehr schoen ausgepraegt. Woyzeck, Er kriegt
+Zulage! Zweite Spezies: fixe Idee mit allgemein vernuenftigem Zustand.
+- Er tut noch alles wie sonst? Rasiert seinen Hauptmann?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Isst seine Erbsen?
+
+WOYZECK: Immer ordentlich, Herr Doktor. Das Geld fuer die Menage
+kriegt meine Frau.
+
+DOKTOR: Tut seinen Dienst?
+
+WOYZECK: Jawohl.
+
+DOKTOR: Er ist ein interessanter Kasus. Subjekt Woyzeck, Er kriegt
+Zulage, halt Er sich brav. Zeig Er seinen Puls. Ja.
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Tambourmajor.]
+
+TAMBOURMAJOR: Marie!
+
+MARIE [ihn ansehennd, mit Ausdruck]: Geh einmal vor dich hin! Ueber
+die Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Loew. So ist keiner! - Ich
+bin stolz vor allen Weibern!
+
+TAMBOURMAJOR: Wenn ich am Sonntag erst den grossen Federbusch hab' und
+die weisse Handschuh, Donnerwetter! Der Prinz sagt immer: Mensch, Er
+ist ein Kerl.
+
+MARIE [spoettisch]: Ach was! - [Tritt vor ihn hin:] Mann!
+
+TAMBOURMAJOR: Und du bist auch ein Weibsbild! Sapperment, wir wollen
+eine Zucht Tambourmajors anlegen. He? - [Er umfasst sie.]
+
+MARIE [verstimmt]: Lass mich!
+
+TAMBOURMAJOR: Wild Tier!
+
+MARIE [heftig]: Ruehr mich an!
+
+TAMBOURMAJOR: Sieht dir der Teufel aus den Augen?
+
+MARIE: Meinetwegen! Es ist alles eins!
+
+
+
+ Strasse
+
+[Hauptmann. Doktor. Hauptmann keucht die Strasse herunter, haelt an;
+keucht, sieht sich um.]
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, rennen Sie nicht so! Rudern Sie mir Ihrem
+Stock nicht so in der Luft! Sie hetzen sich ja hinter dem Tod drein.
+Ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat, geht nicht so schnell.
+Ein guter Mensch - [Er erwischt den Doktor am Rock:] Herr Doktor,
+erlauben Sie, dass ich ein Menschenleben rette!
+
+DOKTOR: Pressiert, hh, pressiert!
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, ich bin so schwermuetig, ich habe so was
+Schwaermerisches; ich muss immer weinen, wenn ich meinen Rock an der
+Wand haengen sehen -.
+
+DOKTOR: Hm! Aufgedunsen, fett, dicker Hals: apoplektische
+Konstitution. Ja, Herr Hauptmann, Sie koennen eine Apoplexia cerebri
+kriegen; Sie koennen sie aber vielleicht auch nur auf der einen Seite
+bekommen und auf der einen gelaehmt sein, oder aber Sie koennen im
+besten Fall geistig gelaehmt werden und nur fort vegetieren: das sind
+so ohgefaehr Ihre Aussichten auf die naechsten vier Wochen! Uebrigens
+kann ich Sie versichern, dass Sie einen von den interessanten Faellen
+abgeben, und wenn Gott will, dass Ihre Zunge zum Teil gelaehmt wird,
+so machen wir unsterbliche Experimente.
+
+HAUPTMANN: Herr Doktor, erschrecken Sie mich nicht! Es sind schon
+Leute am Schreck gestorben, am blossen hellen Schreck. - Ich sehe
+schon die Leute mit den Zitronen in den Haenden; aber sie werden
+sagen, er war ein guter Mensch, ein guter Mensch - Teufel Sargnagel!
+
+DOKTOR [haelt ihm den Hut hin]: Was ist das, hh? - Das ist ein
+Hohlkopf, geehrtester Herr Exerzierzagel!
+
+HAUPTMANN [macht eine Falte]: Was ist das, Herr Doktor? - Das ist
+Einfalt, bester Herr Sargnagel! Haehaehae! Aber nichts fuer ungut! Ich
+bin ein guter Mensch, aber ich kann auch, wenn ich will, Herr Doktor,
+haehaehae, wenn ich will ... - [Woyzeck kommt und will vorbeieilen]
+- He, Woyzeck, was hetzt Er sich so an uns vorbei. Bleib er doch,
+Woyzeck! Er laeuft ja wie ein offnes Rasiermesser durch die Welt, man
+schneidt sich an Ihm; Er laeuft, als haett er ein Regiment Kastrierte
+zu rasieren und wuerde gehenkt ueber dem laengsten Haar noch vor dem
+Verschwinden. Aber, ueber die langen Baerte - was wollt' ich doch
+sagen? Woyzeck: die langen Baerte ...
+
+DOKTOR: Ein langer Bart unter dem Kinn, schon Plinius spricht davon,
+man muesst es den Soldaten abgewoehnen ...
+
+HAUPTMANN [faehrt fort]: Ha, ueber die langen Baerte! Wie is, Woyzeck,
+hat Er noch nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schuessel
+gefunden? He, Er versteht mich doch? Ein Haar eines Menschen, vom Bart
+eines Sapeurs, eines Unteroffiziers, eines - eines Tambourmajors? He,
+Woyzeck? Aber Er hat eine brave Frau. Geht Ihm nicht wie andern.
+
+WOYZECK: Jawohl! Was wollen Sie sagen, Herr Hauptmann?
+
+HAUPTMANN: Was der Kerl ein Gesicht macht! ... Vielleicht nun auch
+nicht in der Suppe, aber wenn Er sich eilt und um die Eck geht, so
+kann er vielleicht noch auf ein Paar Lippen eins finden. Ein Paar
+Lippen, Woyzeck. Kerl, Er ist ja kreideweiss!
+
+WOYZECK: hh, ich bin ein armer Teufel - und hab's sonst nichts auf der
+Welt. hh, wenn Sie Spass machen -
+
+HAUPTMANN: Spass ich? Dass dich Spass, Kerl!
+
+DOKTOR: Den Puls, Woyzeck, den Puls! - Klein, hart, huepfend,
+unregelmaessig.
+
+WOYZECK: hh, die Erd is hoellenheiss - mir eiskalt, eiskalt - Die
+Hoelle is kalt, wollen wir wetten. - - Unmoeglich! Mensch! Mensch!
+Unmoeglich!
+
+HAUPTMANN: Kerl, will Er - will Er ein paar Kugeln vor den Kopf haben?
+Er ersticht mich mit seinen Augen, und ich mein' es gut mit Ihm, weil
+Er ein guter Mensch ist, Woyzeck, ein guter Mensch.
+
+DOKTOR: Gesichtsmuskeln starr, gespannt, zuweilen huepfend. Haltung
+aufgeregt, gespannt.
+
+WOYZECK: Ich geh'. Es is viel moeglich. Der Mensch! Es is viel
+moeglich. - Wir haben schoen Wetter, hh. Sehn Sie, so ein schoener,
+fester, grauer Himmel; man koennte Lust bekommen, ein' Kloben
+hineinzuschlagen und sich daran zu haengen, nur wegen des
+Gedankenstriches zwischen Ja und wieder Ja - und Nein. hh, Ja und
+Nein? Ist das Nein am Ja oder das Ja am Nein schuld? Ich will darueber
+nachdenken. - [Geht mit breiten Schritten ab, erst langsamer, dann
+immer schneller.]
+
+HAUPTMANN: Mir wird ganz schwindlig vor den Menschen. Wie schnell!
+Der lange Schlingel greift aus, als laeuft der Schatten von einem
+Spinnbein, und der Kurze, das zuckelt. Der Lange ist der Blitz und der
+Kleine der Donner. Haha ... Grotesk! grotesk!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+[Marie. Woyzeck.]
+
+WOYZECK [sieht sie starr an und schuettelt den Kopf]: Hm! Ich seh'
+nichts, ich seh nichts. O man muesst's sehen, man muesst's greifen
+koenne mit Faeusten!
+
+MARIE [verschuechtert]: Was hast du, Franz? - Du bist hirnwuetig,
+Franz.
+
+WOYZECK: Eine Suende, so dick und so breit - es stinkt, dass man die
+Engelchen zum Himmel hinausraeuchern koennt'! Du hast ein' roten Mund,
+Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist schoen wie die Suende -
+kann die Totsuende so schoen sein?
+
+MARIE: Franz, du redest im Fieber!
+
+WOYZECK: Teufel! - Hat er da gestanden? So? So?
+
+MARIE: Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, koennen viele
+Menschen an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
+
+WOYZECK: Ich hab ihn gesehn!
+
+MARIE: Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is
+und die Sonn scheint.
+
+WOYZECK: Mensch! - [Geht auf sie los.]
+
+MARIE: Ruehr mich an, Franz! Ich haett' lieber ein Messer in den Leib
+als deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen gewagt,
+wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
+
+WOYZECK: Weib! - Nein, es muesste was an dir sein! Jeder Mensch ist
+ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. - Es waere!
+Sie geht wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an dir.
+Weiss ich's? Weiss ich's? Wer weiss es? - [Er geht.]
+
+
+
+ Die Wachstube.
+
+[Woyzeck. Andres.]
+
+ANDRES [singt]:
+ Frau Wirtin hat ne brave Magd,
+ sie sitzt im Garten Tag und Nacht,
+ sie sitzt in ihrem Garten ...
+
+WOYZECK: Andres!
+
+ANDRES: Nu?
+
+WOYZECK: Schoen Wetter.
+
+ANDRES: Sonntagswetter - Musik vor der Stadt. Vorhin - sind die
+Weibsbilder hinaus; die Mensche dampfe, das geht!
+
+WOYZECK [unruhig]: Tanz, Andres, sie tanze!
+
+ANDRES: Im Roessel und in Sternen.
+
+WOYZECK: Tanz, Tanz!
+
+ANDRES: Meinetwege.
+ Sitzt in ihrem Garten,
+ bis dass das Gloecklein zwoelfe schlaegt,
+ und passt auf die Solda-aten.
+
+WOYZECK: Andres, ich hab' kei Ruh.
+
+ANDRES: Narr!
+
+WOYZECK: Ich muss hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz, Tanz!
+Wird sie heisse Haend habe! Verdammt, Andres!
+
+ANDRES: Was willst du?
+
+WOYZECK: Ich muss fort, muss sehen.
+
+ANDRES: Du Unfried! Wegen dem Mensch?
+
+WOYZECK: Ich muss hinaus, 's is so heiss dahie.
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Die Fenster offen, Tanz. Baenke vor dem Haus. Bursche.]
+
+ERSTER HANDSWERKSBURSCH:
+ Ich hab' ein Hemdlein an, das ist nicht mein;
+ meine Seele stinkt nach Branndewein -
+
+ZWEITER HANDWERKSBURSCH: Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein
+Loch in die Natur machen? Vorwaerts! Ich will ein Loch in die Natur
+maehen! Ich bin auch ein Kerl, du weisst - ich will ihm alle Floeh am
+Leib totschlagen.
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH: Meine Seele, meine Seele stinkt nach
+Branndewein! - Selbst das Geld geht in Verwesung ueber!
+Vergissmeinnicht, wie ist diese Welt so schoen! Bruder, ich muss ein
+Regenfass voll greinen vor Wehmut. Ich wollt', unsre Nasen waeren zwei
+Bouteillen, und wir koennten sie uns einander in den Hals giessen.
+
+ANDRE [im Chor]:
+ Ein Jaeger aus der Pfalz
+ ritt einst durch einen gruenen Wald.
+ Halli, hallo, ha lustig ist die Jaegerei
+ allhier auf gruener Heid.
+ Das Jagen is mei Freud.
+
+[Woyzeck stellt sich ans Fenster. Marie und der Tambourmajor tanzen
+vorbei, ohne ihm zu bemerken.]
+
+WOYZECK: Er! Sie! Teufel!
+
+MARIE [im Vorbeitanzen]: Immer zu, imer zu -
+
+WOYZECK [erstickt]: Immer zu - immer zu! - [Faehrt heftig auf und
+sinkt zurueck auf die Bank:] Immer zu, immer zu! - [Schlaegt die
+Haende ineinander:] Dreht euch. waelzt euch! Warum blaest Gott nicht
+die Sonn aus, dass alles in Unzucht sich uebereinanderwaelzt, Mann
+und Weib, Mensch und Vieh?! Tut's am hellen Tag, tut's einem auf den
+Haenden wie die Muecken! - Weib! Das Weib is heiss, heiss! - Immer zu,
+immer zu! - [Faehrt auf:] Der Kerl, wie er an ihr herum greift, an
+ihrem Leib! Er, er hat sie - wie ich zu Anfang. - [Er sinkt betaeubt
+zusammen.]
+
+ERSTER HANDWERKSBURSCH [predigt auf dem Tisch]: Jedoch, wenn ein
+Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit oder aber sich die
+goettliche Weisheit beantwortet und sich anredet: Warum ist der
+Mensch? Warum ist der Mensch? - Aber wahrlich, ich sage euch: Von was
+haette der Landmann, der Weissbinder, der Schuster, der Arzt leben
+sollen, wenn Gott den Menschen nicht geschaffen haette? Von was haette
+der Schneider leben sollen, wenn er dem Menschen nicht die Empfindung
+der Scham eingepflanzt haette, von was der Soldat, wenn er ihm nicht
+mit dem Beduerfnis sich totzuschlagen ausgeruestet haette? Darum
+zweifelt nicht - ja, ja, es ist lieblich und fein, aber alles Irdische
+ist uebel, selbst das Geld geht in Verwesung ueber. Zum Beschluss,
+meine geliebten Zuhoerer, lasst uns noch uebers Kreuz pissen, damit
+ein Jud stirbt!
+
+[Unter allgemeinem Gejohle erwacht Woyzech und rast davon.]
+
+
+
+ Freies Feld
+
+WOYZECK: Immer zu! Immner zu! Hisch, hasch! So gehn die Geigen und die
+Pfeifen. - Immer zul Immer zu! - Still, Musik! Was spricht da unten?
+- Recht sich gegen den Boden: Ha, was, was sagt ihr? Lauterl Lauter!
+Stich, stich die Zickwolfin tot? - Stich, stich die Zickwolfin tot!
+- Soll ich! Muss ich? Hoer' ich's da auch? - Sagt's der Wind auch? -
+Hoer' ich's immer, immer zu: stich tot, tot!
+
+
+
+ Ein Zimmer in der Kaserne
+
+[Nacht. Andres und Woyzech in einem Bett.]
+
+WOYZECK [leise]: Andres!
+
+[Andres murmelt im Schlaf.]
+
+WOYZECK [schuettelt Andres]: He, Andres! Andres!
+
+ANDRES: Na was is?
+
+WOYZECK: Ich kann nit schlafen! Wenn ich die Aug zumach', dreht
+sich's immer, und ich hoer' die Geigen, immer zu, immer zu. Und dann
+spricht's aus der Wand. Hoerst du nix?
+
+ANDRES: Ja - lass sie tanze! Einer is mued, und dann Gott behuet uns,
+amen.
+
+WOYZECK: Es redt lmmer: stich! stich! und zieht mir zwischen den Augen
+wie ein Messer -
+
+ANDRES: Schlaf, Narr! - [Er schlaeft wieder ein.]
+
+WOYZECK: Immer zu! Immer zu!
+
+
+
+ Der Hof des Doktors
+
+[Studenten und Woyzeck unten, der Doktor am Dachfenster.]
+
+DOKTOR: Meine Herren, ich bin auf dern Dach wie David, als er
+die Bathseba sah; aber ich sehe nichts als die culs de Paris der
+Maedchenpension im Garten trocknen. Meine Herren, wir sind an der
+wichtigen Frage ueber das Verhaeltnis des Subjekts zum Objekt.
+Wenn wir nur eins von den Dingen nehmen, worin sich die organische
+Selbstaffirmation des Goettlichen, auf einem so hohen Standpunkte,
+manifestiert, und ihre Verhaeltnisse zum Raum, zur Erde, zum
+Planetarischen untersuchen, meine Herren, wenn ich diese Katze zum
+Fenster hinauswerfe: wie wird diese Wesenheit sich zum centrum
+gravitationis gemaess ihrem eigenen Instinkt verhalten? - He, Woyzeck
+- [bruellt] -, Woyzeck!
+
+WOYZECK [faengt die Katze auf]: Herr Doktor, sie beisst!
+
+DOKTOR: Kerl, Er greift die Bestie so zaertlich an, als waer's seine
+Grossmutter. - [Er kommt herunter.]
+
+WOYZECK: Herr Doktor, ich hab's Zittern.
+
+DOKTOR [ganz erfreut]: Ei, ei! Schoen, Woyzeck! - Reibt sich die
+Haende. [Er nimmt die Katze:] Was seh' ich, meine Herren, die neue
+Spezies Hasenlaus, eine schoene Spezies ... - [Er zieht eine Lupe
+heraus, die Katze laeuft fort.] - Meine Herren, das Tier hat keinen
+wissenschaftlichen Instinkt ... Die koennen dafuer was anders sehen.
+Sehen Sie: der Mensch, seit einem Vierteljahr isst er nichts als
+Erbsen; bemerken Sie die Wirkung, fuehlen Sie einmal: Was ein
+ungleicher Puls! Der und die Augen!
+
+WOYZECK: Herr Daktor, es wird mir dunkel! - [Er setzt sich.]
+
+DOKTOR: Courage, Woyzeck! Noch ein paar Tage, und dann ist's fertig.
+Fuehlen Sie, meine Herren, fuehlen Sie! - [Sie betasten ihm Schlaefe,
+Puls und Busen.] - Apropos, Woyzeck, beweg den Herren doch einmal die
+Ohren! Ich hab' es Ihnen schon zeigen wollen, zwei Muskeln sind bei
+ihm taetig. Allons, frisch!
+
+WOYZECK: Ach, Herr Doktor!
+
+DOKTOR: Bestie, sall ich dir die Ohren bewegen? Willst du's machen wie
+die Katze? So, meine Herren! Das sind so Uebergaenge zum Esel, haeufig
+auch die Folge weiblicher Erziehung und die Muttersprache. Wieviel
+Haare hat dir die Mutter zum Andenken schon ausgerissen aus
+Zaertlichkeit? Sie sind dir ja ganz duenn geworden seit ein paar
+Tagen. Ja, die Erbsen, meine Herren!
+
+
+
+ Kasernenhof
+
+WOYZECK: Hast nix gehoert?
+
+ANDRES: Er is da, noch mit einem Kameraden.
+
+WOYZECK: Er hat was gesagt.
+
+ANDRES: Woher weisst du's? Was soll ich's sagen? Nu, er lachte, und
+dann sagt er: Ein koestlich Weibsbild! Die hat Schenkel, und alles so
+heiss!
+
+WOYZECK [ganz kalt]: So, hat er das gesagt? Von was hat mir doch hat
+nacht getraeumt? War's nicht von einem Messer? Was man doch naerrische
+Traeume hat!
+
+ANDRES: Wohin, Kamerad?
+
+WOYZECK: Meim Offizier Wein holen. - Aber, Andres, sie war dach ein
+einzig Maedel.
+
+ANDRES: Wer war?
+
+WOYZECK: Nix. Adies! - [Ab.]
+
+
+
+ Wirtshaus
+
+[Tambourmajor. Woyzeck. Leute.]
+
+TAMBOURMAJOR: Ich bin ein Mann! - [Schlaegt sich auf die Brust:] Ein
+Mann, sag' ich. Wer will was? Wer kein be- soffner Herrgott ist, der
+lass sich von mir. Ich will ihn die Nas ins Arschloch pruegeln! Ich
+will - [Zu Woyzeck:] Du Kerl, sauf! Ich wollt' die Welt waer' Schnaps,
+Schnaps - der Mann muss saufen! - [Woyzech pfeift.] - Kerl, soll ich
+dir die Zung aus dem Hals ziehn und sie um den Leib herumwickeln? -
+Sie ringen, Woyzeck verliert. - Soll ich dir noch so viel Atem lassen
+als 'en Altweiberfurz, soll ich? - [Woyzech setzt sich erschoepft
+zitternd auf eine Bank.] - Der Kerl soll dunkelblau pfeifen.
+ Branndewein, das ist mein Leben;
+ Branndwein gibt Courage!
+
+EINE: Der hat sein Fett.
+
+ANDRE: Er blut'.
+
+WOYZECK: Eins nach dem andern.
+
+
+
+ Kramladen
+
+[Woyzeck. Der Jude.]
+
+WOYZECK: Das Pistolchen ist zu teuer.
+
+JUDE: Nu, kauft's oder kauft's nit, was is?
+
+WOYZECK: Was kost' das Messer?
+
+JUDE: 's ist ganz grad. Wollt Ihr Euch den Hals mit abschneiden? Nu,
+was is es? Ich geb's Euch so wohlfeil wie ein andrer. Ihr sollt Euern
+Tod wohifeil haben, aber doch nit umsonst. Was is es? Er soll ein
+oekonomischer Tod haben.
+
+WOYZECK: Das kann mehr als Brot schneiden -
+
+JUDE: Zwee Grosche.
+
+WOYZECK: Da! - Geht ab.
+
+JUDE: Da! Als ob's nichts waer! Und es is doch Geld. - Du Hund!
+
+
+
+ Mariens Kammer
+
+NARR [liegt und erzaehlt sich Maerchen an den Fingern]: Der hat die
+goldne Kron, der Herr Koenig ... Morgen hol' ich der Frau Koenigin ihr
+Kind ... Blutwurst sagt: komm, Leber- wurst ...
+
+MARIE [blaettert in der Bibel]: "Und ist kein Betrug in seinem Munde
+erfunden": ... Herrgott, Herrgott! Sieh mich nicht an! - [Blaettert
+weiter:] "Aber die Pharisaeer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch
+begriffen, und stelleten sie ins Mittel dar ... Jesus aber sprach:
+So verdamme ich dich auch nicht. Geh hin und suendige hinfort nicht
+mehr!" - [Schlaegt die Haende zusammen:] Hergott! Hergott! Ich kann
+nicht! - Herrgott, gib mir nur so viel, dass ich beten kann. - [Das
+Kind draengt sich an sie.] - Das Kind gibt mir einen Stich ins Herz.
+- [Zum Narrn:] Karl! Das bruest' sich in der Sonne! - [Narr nimmt
+das Kind und wird still.] - Der Franz ist nit gekommen, gestern nit,
+heut nit. Es wird heiss hier! - [Sie macht das Fenster auf und liest
+wieder:] "Und trat hinten zu seinen Fuessen und weinete, und fing an,
+seine Fuesse zu netzen mit Traenen und mit den Haaren ihres Hauptes
+zu trocknen, und kuessete seine Fuesse und salbete sie mit Salbe
+..." [Schlaegt sich auf die Brust:] Alles tot! Heiland! Heiland! ich
+moechte dir die Fuesse salben! -
+
+
+
+ Kaserne
+
+[Andres. Woyzeck kramt in seinen Sachen.]
+
+WOYZECK: Das Kamisolchen, Andres, ist nit zur Montur: du kannst's
+brauchen, Andres.
+
+ANDRES [ganz starr, sagt zu allem]: Jawohl.
+
+WOYZECK: Das Kreuz meiner Schwester und das Ringlein.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK: Ich hab' auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schoen Gold -
+es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht:
+ Herr, wie dein Leib war rot und wund,
+ so lass mein Herz sein aller Stund.
+Mein Mutter fuehlt nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Haend scheint -
+das tut nix.
+
+ANDRES: Jawohl.
+
+WOYZECK [zieht ein Papier hervor]: Friedrich Johann Franz Woyzeck,
+Wehrmann, Fuesilier im 2. Regiment, 2. Bataillion 4. Kompanie, geboren
+Mariae Verkuendigung, den 20. Juli. - Ich bin heut alt 30 Jahr, 7
+Monat und 12 Tage.
+
+ANDRES: Franz, du kommst ins Lazarett. Armer, du musst Schnaps trinken
+und Pulver drin, das toet' das Fieber.
+
+WOYZECK: Ja, Andres, wenn ein Schreiner die Hobelspaene sammelt, es
+weiss niemand, wer seinen Kopf drauflegen wird.
+
+
+
+ Strasse
+
+[Marie mit Maedchen vor der Haustuer, Grossmutter; spaeter Woyzeck]
+
+MAEDCHEN:
+ Wie scheint die Sonn am Lichtmesstag
+ und steht das Korn im Bluehn.
+ Sie gingen wohl die Wiese hin,
+ sie gingen zu zwein und zwein.
+ Die Pfeifer gingen voran,
+ die Geiger hinterdrein,
+ sie hatten rote Socken an ...
+
+ERSTES KIND: Das ist nit schoen.
+
+ZWEITES KIND: Was willst du auch immer!
+
+ERSTES KIND: Marie, sing du uns!
+
+MARIE: Ich kann nit.
+
+ERSTES KIND: Warum?
+
+MARIE: Darum.
+
+ZWEITES KIND: Aber warum darum?
+
+DRITTES KIND: Grossmutter, erzaehl!
+
+GROSSMUTTER: Kommt, ihr kleinen Krabben! - Es war einmal ein arm Kind
+und hatt' kein Vater und keine Mutter, war alles tot, und war niemand
+mehr auf der Welt. Alles tot, und es is hingangen und hat gesucht Tag
+und Nacht. Und weil auf der Erde niemand mehr war, wollt's in Himmel
+gehn, und der Mond guckt es so freundlich an; und wie es endlich zum
+Mond kam, war's ein Stueck faul Holz. Und da is es zur Sonn gangen,
+und wie es zur Sonn kam, war's ein verwelkt Sonneblum. Und wie's zu
+den Sternen kam, waren's kleine goldne Muecken, die waren angesteckt,
+wie der Neuntoeter sie auf die Schlehen steckt. Und wie's wieder auf
+die Erde wollt, war die Erde ein umgestuerzter Hafen. Und es war ganz
+allein. Und da hat sich's hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch
+und is ganz allein.
+
+WOYZECK [erscheint]: Marie!
+
+MARIE [erschreckt]: Was is?
+
+WOYZECK: Marie, wir wollen gehn. 's is Zeit.
+
+MARIE: Wohin?
+
+WOYZECK: Weiss ich's?
+
+
+
+ Waldsaum am Teich
+
+[Marie und Woyzeck.]
+
+MARIE: Also dort hinaus is die Stadt. 's is finster.
+
+WOYZECK: Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich!
+
+MARIE: Aber ich muss fort.
+
+WOYZECK: Du wirst dir die Fuesse nit wund laufe.
+
+MARIE: Wie bist du nur auch!
+
+WOYZECK: Weisst du auch, wie lang es jetzt is, Marie?
+
+MARIE: Am Pfingsten zwei Jahr.
+
+WOYZECK: Weisst du auch, wie lang es noch sein wird?
+
+MARIE: Ich muss fort, das Nachtessen richten.
+
+WOYZECK: Friert's dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du heisse
+Lippen hast! Heiss, heissen Hurenatem! Und doch moecht' ich den Himmel
+geben, sie noch einmal zu kuessen. - Friert's dich? Wenn man kalt is,
+so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren.
+
+MARIE: Was sagst du?
+
+WOYZECK: Nix.
+
+[Schweigen.]
+
+MARIE: Was der Mond rot aufgeht!
+
+WOYZECK: Wie ein blutig Eisen.
+
+MARIE: Was hast du vor, Franz, du bist so blass. - [Er holt mit dem
+Messer aus.] - Franz halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe!
+
+WOYZECK [sticht drauflos:] Nimm das und das! Kannst du nicht sterben?
+So! So! - Ha, sie zuckt noch; noch nicht? Noch nicht? Immer noch.
+- [Stoesst nochmals zu.] - Bist du tot! Tot! Tot! - [Er laesst das
+Messer fallen und laeuft weg.]
+
+
+
+ Das Wirtshaus
+
+WOYZECK: Tanzt alle, immer zu! Schwitzt und stinkt! Er holt euch doch
+einmal alle! - [Singt:]
+ Ach. Tochter, lieb Tochter
+ was hast du gedenkt,
+ dass du dich an die Landkutscher
+ und die Fuhrleut hasst gehenkt.
+[Er tanzt:] So, Kaethe, setz dich! Ich hab' heiss heiss! - [Er zieht
+den Rock aus.] - Es ist einmal so, der Teufel holt die eine und laesst
+die andre laufen. Kaethe, du bist heiss! War- um denn? Kaethe, du
+wirst auch noch kalt werden. Sei vernuenftig. - Kannst du nicht
+singen?
+
+KAETHE [singt]:
+ Ins Schwabenland, das mag ich nicht,
+ und lange Kleider trag' ich nicht,
+ denn lange Kleider, spitze Schuh,
+ die kommen keiner Dienstmagd zu.
+
+WOYZECK: Nein, keine Schuh, man kann auch ohne Schuh in die Hoell
+gehn.
+
+KAETHE [singt]:
+ O pfui mein Schatz, das war nicht fein,
+ behalt dein Taler und schlaf allein.
+
+WOYZECK: Ja, wahrhaftig, ich moecte mich nicht blutig machen.
+
+KAETHE: Aber was hast du an deiner Hand?
+
+WOYZECK: Ich? Ich?
+
+KAETHE: Rot! Blut!
+
+[Es stellen sich Leute um sie.]
+
+WOYZECK: Blut? Blut?
+
+WIRT: Uu - Blut!
+
+WOYZECK: Ich glaub', ich hab' mich geschnitten, da an der rechten
+Hand.
+
+WIRT: Wie kommt's aber an den Ellenbogen?
+
+WOYZECK: Ich hab's abgewischt.
+
+WIRT: Was, mit der rechten Hand an den rechten Ellenbogen Ihr seid
+geschickt!
+
+NARR: Und da hat der Ries gesagt: Ich riech', ich riech'
+Menschenfleisch. Puh, das stinkt schon!
+
+WOYZECK: Teufel, was wollt ihr? Was geht's euch an? Platz, oder der
+erste - Teufel! Meint ihr, ich haett' jemand umgebracht? Bin ich ein
+Moerder? Was gafft ihr? Guckt euch selbst an! Platz da! - [Er laeuft
+hinaus.]
+
+
+
+ Am Teich
+
+WOYZECK [allein]: Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab' es da
+gelassen. Es verraet mich! Naeher, noch naeher! Was is das fuer ein
+Platz? Was hoer' ich? Es ruehrt sich was. Still. - Da in der Naehe.
+Marie? Ha, Marie! Still. Alles still! Was bist du so bleich, Marie?
+Was hast du eine rote Schnur um den Hals? Bei wem hast du das Halsband
+verdient mit deinen Suenden? Du warst schwarz davon, schwarz! Hab' ich
+dich gebleicht? Was haengen deine Haare so wild? Hast du deine Zoepfe
+heute nicht geflochten? ... - Das Messer, das Messer! Hab' ich's? So!
+- [Er laeuft zum Wasser.] So, da hinunter! - [Er wirft das Messer
+hinein.] - Es taucht in das dunkle Wasser wie ein Stein. - Nein, es
+liegt zu weit vorn, wenn sie sich baden. - [Er geht in den Teich und
+wirft weit.] - So, jetzt - aber im Sommer, wenn sie tauchen nach
+Muscheln? - Bah, es wird rostig, wer kann's erkennen. - Haett' ich es
+zerbrochen! - - Bin ich noch blutig? Ich muss mich waschen. Da ein
+Fleck, und da noch einer ...
+
+[Es kommen Leute.]
+
+ERSTE PERSON: Halt!
+
+ZWEITE PERSON: Hoerst du? Still! Dort!
+
+ERSTE: Uu! Da! Was ein Ton!
+
+ZWEITE: Es ist das Wasser, es ruft: Schon lang ist niemand ertrunken.
+Fort! Es ist nicht gut, es zu hoeren!
+
+ERSTE: Uu! Jetzt wieder! - Wie ein Mensch, der stirbt!
+
+ZWEITE: Es ist unheimlich! So dunstig, allenthalben Nebelgrau - und
+das Summen der Kaefer wie gesprungne Glocken. Fort!
+
+ERSTE: Nein. zu deutlich, zu laut! Da hinauf! Komm mit!
+
+
+
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, WOYZECK ***
+
+This file should be named 7woyz10.txt or 7woyz10.zip
+Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 7woyz11.txt
+VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 7woyz10a.txt
+
+Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
+editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
+unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not
+keep eBooks in compliance with any particular paper edition.
+
+We are now trying to release all our eBooks one year in advance
+of the official release dates, leaving time for better editing.
+Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
+even years after the official publication date.
+
+Please note neither this listing nor its contents are final til
+midnight of the last day of the month of any such announcement.
+The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
+Midnight, Central Time, of the last day of the stated month. A
+preliminary version may often be posted for suggestion, comment
+and editing by those who wish to do so.
+
+Most people start at our Web sites at:
+http://gutenberg.net or
+http://promo.net/pg
+
+These Web sites include award-winning information about Project
+Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
+eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).
+
+
+Those of you who want to download any eBook before announcement
+can get to them as follows, and just download by date. This is
+also a good way to get them instantly upon announcement, as the
+indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
+announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.
+
+http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext04 or
+ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext04
+
+Or /etext03, 02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90
+
+Just search by the first five letters of the filename you want,
+as it appears in our Newsletters.
+
+
+Information about Project Gutenberg (one page)
+
+We produce about two million dollars for each hour we work. The
+time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
+to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
+searched and analyzed, the copyright letters written, etc. Our
+projected audience is one hundred million readers. If the value
+per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
+million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
+files per month: 1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
+We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
+If they reach just 1-2% of the world's population then the total
+will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.
+
+The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
+This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
+which is only about 4% of the present number of computer users.
+
+Here is the briefest record of our progress (* means estimated):
+
+eBooks Year Month
+
+ 1 1971 July
+ 10 1991 January
+ 100 1994 January
+ 1000 1997 August
+ 1500 1998 October
+ 2000 1999 December
+ 2500 2000 December
+ 3000 2001 November
+ 4000 2001 October/November
+ 6000 2002 December*
+ 9000 2003 November*
+10000 2004 January*
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+The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
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+just ask.
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+(Three Pages)
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+ (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
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