diff options
| -rw-r--r-- | .gitattributes | 4 | ||||
| -rw-r--r-- | LICENSE.txt | 11 | ||||
| -rw-r--r-- | README.md | 2 | ||||
| -rw-r--r-- | old/53218-0.txt | 5907 | ||||
| -rw-r--r-- | old/53218-0.zip | bin | 126842 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53218-h.zip | bin | 492635 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53218-h/53218-h.htm | 6488 | ||||
| -rw-r--r-- | old/53218-h/images/cover.jpg | bin | 51681 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53218-h/images/deko.jpg | bin | 9840 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53218-h/images/fig1.jpg | bin | 99747 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53218-h/images/fig2.jpg | bin | 100735 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/53218-h/images/fig3.jpg | bin | 98115 -> 0 bytes |
12 files changed, 17 insertions, 12395 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..2f3baf8 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #53218 (https://www.gutenberg.org/ebooks/53218) diff --git a/old/53218-0.txt b/old/53218-0.txt deleted file mode 100644 index 682bacc..0000000 --- a/old/53218-0.txt +++ /dev/null @@ -1,5907 +0,0 @@ -The Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht; -Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Zweiter Theil (von 2) - -Author: Julian Chownitz - -Release Date: October 5, 2016 [EBook #53218] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen Ausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung - und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend - korrigiert. - - Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, - insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder - im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate - sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne - unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt. - - Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt. - - Für die von der im Originaltext verwendeten Frakturschrift - abweichenden Schriftschnitte wurden die folgenden Sonderzeichen - verwendet: - - gesperrt: +Pluszeichen+ - Antiqua: _Unterstriche_ - - #################################################################### - - - - - Cölestine, - oder - der eheliche Verdacht. - - Von - - Julian Chownitz, - - Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin, - Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von - Sternfels u. s. w. - - Zweiter Theil. - - Mit 3 Illustrationen. - - [Illustration] - - Leipzig, - Verlag von Franz Peter. - - 1842. - - - - - Cölestine, - oder - der eheliche Verdacht. - - - - -Inhaltsverzeichnis. - - - Erstes Kapitel. - Edmund und einer seiner besten Freunde. 3 - - Zweites Kapitel. - Die Nichtswürdigen. 33 - - Drittes Kapitel. - Der Schmerz der Gatten. 58 - - Viertes Kapitel. - Hoffnung, Verzweiflung, Resignation. 76 - - Fünftes Kapitel. - Die Promenade auf der Bastei. 95 - - Sechstes Kapitel. - Immer noch Promenade. 124 - - Siebentes Kapitel. - Der Zurückgezogene. 150 - - Achtes Kapitel. - Die Verlassene. 189 - - Neuntes Kapitel. - Trauer und Verzweiflung. 210 - - Zehntes Kapitel. - Auf der That ertappt. 234 - - Elftes Kapitel. - Die Katastrophe. 240 - - Zwölftes Kapitel. - Das Fest bei dem Chevalier von Marsan. 245 - - Dreizehntes Kapitel. - Schluß. 280 - - - - -Erstes Kapitel. - -Edmund und einer seiner besten Freunde. - - -Seit dem beim Schlusse des vorhergehenden Bandes erzählten Vorfall sind -zwei Tage vergangen. -- - -Es ist jetzt nahe vor Tagesanbruch und wir haben das uns bereits -bekannte Logis Edmunds von Randow vor unsern Augen. Wir wissen, -dasselbe befand sich im väterlichen Hause und nahm hier einen ziemlich -ausgedehnten Raum ein. Wo wir uns jetzt befinden, dies ist das -Schlafzimmer des jungen Mannes -- wir müssen gestehen, daß sich hier -seit der Zeit unseres früheren Besuches so Manches, und zwar nicht zum -Vortheile, verändert hat, was, wenn es eine Folgerung auf den Bewohner -gestattet, diesen in ein sehr trauriges Licht stellen wird. - -Mitten im Gemache steht ein Bett, über welchem sich aus Seidenzeug -ein drapirtes Zelt erhebt -- aber einige dieser Draperien sind hart -beschädigt -- einige, wie es scheint, erst gestern oder heute mitten -entzwei gerissen worden.... Das Bett ist nicht einmal aufgedeckt und -doch liegt eine Person darauf, von der wir später reden werden. -- -Rings herum erblickt man umgestürzte Meubel, zerbrochenes Geschirre -- -hingeschleuderte Kleidungsstücke; -- ferner sind die Fenster angelweit -offen, wiewohl es draußen stürmt (wir befinden uns im Anfange des -Winters,) und selbst die Thür ist nicht fest verschlossen, sondern wird -vom Zugwind hin- und herbewegt.... Kurz in diesem Zimmer deutet Alles -darauf, daß hier nur ein Trunkener schlafen und ein Liederlicher wohnen -kann. -- - -Wir haben uns nicht geirrt. Jene Person +auf+ dem Bette ist -wirklich in dem bezeichneten Zustande: sie liegt nur halb entkleidet, -und zwar so, daß der eine ihrer Füße (er ist mit einem Stiefel -versehen) sich auf dem Bette befindet, der andere (dieser ist ohne -Stiefel) neben demselben herunterhängt; die Arme sind in einer -ähnlichen Positur -- und der Kopf folgt jenem Arme, der über den Rand -hinausragt. -- Diese Person ist +Edmund+. -- - -Nicht weit von hier, an die Wand gerückt, steht ein Sopha, welches -ebenfalls aussieht, als hätte man darauf z. B. getanzt. Hier liegt ein -zweites Individuum im tiefsten Schlaf versunken, was durch zeitweises -kräftiges Schnarchen hinlänglich bestätigt wird... auch dieses -Individuum ward gestern vom Genius der Nüchternheit nicht begleitet --- und was seine Gestalt betrifft, so war sie uns schon einigemal -vorgekommen. Jedoch ist hier weder der edle Venusritter von Althing -- -noch etwa gar (das Gegentheil wäre indeß nicht so ganz unmöglich) der -tapfere Graf von Wollheim gemeint.... an Herrn von Marsan ist nicht zu -denken. -- Eine ganz andere Person tritt hier vor unsere Erinnerung und -wir fühlen uns hierbei zu den Anfangspunkten gegenwärtiger Geschichte -versetzt. Kurz: der Baron von Leuben, jener bleiche, schwärmerische, -wilde Jüngling, den die Vermählung Cölestinens so unglücklich gemacht -hatte -- steht, oder vielmehr liegt hier vor uns. -- Wie aber ist er -hierher gekommen? wie in diesen Zustand, der nicht sein gewöhnlicher -war, gerathen? -- welche innige Verbindung herrscht zwischen ihm -und Edmund, da ihre Bekanntschaft in früherer Zeit doch eine ganz -alltägliche, wie sie unter allen jüngern Leuten eines Standes -herrscht, war? -- -- Geduld, alle diese Fragen sollen früher oder -später beantwortet werden. Man sieht es, daß auch dieser Mensch stark -betrunken ist; indeß hat sein Zustand bei ihm keine so eclatanten -Symptome hervorgebracht -- -- entweder ist seine Natur kräftiger, wie -jene Edmunds (was aber nicht scheint) -- oder -- --[A] - -Edmund scheint den Schlaf schon vor dem Eintreten in dieses -Schlafzimmer, worin indeß das Gelage nicht stattfand, -- antizipirt zu -haben... er befindet sich jetzt in jenem abscheulichen Zustande, wo die -Dünste des Weines bereits den Kopf, die Hefen jedoch den Magen noch -nicht verlassen haben. Man schläft nicht -- man ist nicht mehr ohne -Besinnung -- aber man wird von schmachvoller Uebelkeit gequält. -- - -In dieser Indigestion (gleichgesinnte Jünglinge in Deutschland nennen -sie: +Katzenjammer+) fährt Edmund auf seinem Lager, welches -für ihn eine Folter ist -- wüthend hin und her -- er möchte Alles -zerbrechen und zersprengen -- er möchte die ganze Welt zerreißen, nur -um aus ihr, d. h. aus sich selber herauszukommen..... Alle Augenblicke -sehen wir die Lage des wackern Jünglings verändert -- und haben wir -früher eines seiner Beine aus dem Bette heraushängen sehen, so wird uns -jetzt das Vergnügen zu Theil, beide so zu erblicken.... später will -sogar der Kopf der Mutter Erde näher kommen.... kurz: ein Kaleidoskop -bietet nicht so viel abwechselnde Bilder wie Edmunds Lage in dieser -Stunde. - -„Verflucht!“ schreit der junge Ehrenmann in einem Anfalle von -Verzweiflung auf: „wird denn das ewig so währen? -- Seit einer Stunde“ -(seit dieser Zeit +wußte+ er von seinem Zustande -- früher hatte -er in demselben blos vegetirt,) „seit einer Stunde leide ich wie ein -Lazarus... und Keiner von den Spitzbuben, meinen Bedienten, kommt --- mir Hilfe zu leisten.... Ah, Ah! die Schurken haben seit einiger -Zeit allen Respect vor mir verloren.... Seit dieser Hund von einem -+Lips+ mich besucht -- seit ich so recht wie der Herrgott in -Frankreich lebe -- -- sind die Kerle wie verwechselt.... ja sie werden -mit mir ordentlich familiär... Doch was red’ ich da? -- Es gehört nicht -hierher... Lieber will ich klingeln -- -- aber der Teufel weiß, wo die -Klingel ist... und gepocht hab’ ich bereits hinlänglich, ohne etwas -auszurichten.... auch das Rufen wird nichts nützen: -- Johann! - Franz! --- Karl! -- Karl! -- oder Charles!....“ brüllte er, hörte jedoch bald -auf: „es ist umsonst -- Oh! Oh! Uh! Buh! Auh! -- -- Hätt’ ich nur einen --- Tropfen Sodawasser...“ setzte er ermattet hinzu. - -„Und jener Kerl dort -- --“ fing er später wieder an, „jener Lump von -einem Freunde dort auf dem Sopha... wie der schnarcht -- schläft -- -und sich um mich, der hier fast des Teufels wird -- nicht für einen -Dreier Werthes bekümmert.... Heda! Holla! -- Leuben! -- -- Klotz, -Murmelthier!... Wirst Du endlich erwachen? -- -- Aber das schläft -- -als sollte es erst zum jüngsten Tag wieder aufstehen!“ -- - -In diesem Augenblick brach, durch einen allzuhastigen Ruck, den unser -Tugendheld that, die Bettstelle unter ihm durch -- -- und alsbald -fühlte der Unglückliche sich mit einem Ende seines Körpers zwölf -Zoll über, mit dem andern zwei Fuß unter seinem vorigen Horizont. Er -schrie entsetzlich -- denn abgesehen von dem Schmerze, den ihm dieser -Wechselfall verursachte -- wußte er im Schrecken auch nicht sogleich, -was mit ihm geschah. -- - -Bei dem Schrei erwachte der jenseitige Tugendspiegel auf dem Sopha -- -streckte die Arme von sich -- und stammelte auf eine Weise, als hätte -er den Mund mit Brei gefüllt: „Nun, was ist denn das hier -- für ein -Tausend Donnerwetter! -- -- Was geschieht denn?“ - -„Oh weh! Oh weh!“ jammerte Edmund... - -„Schweige doch -- -- und störe einen ehrlichen Menschen nicht in seiner -Ruhe -- -- Du -- Du --“ - -„Hol’ Dich der Kuckuk -- sammt Deiner Ruhe, abscheulicher Kerl -- der -seit einem halben Tage schläft -- wie ein Pflanzer in Domingo ... Oh -weh! Au! Au! -- ich bin gerädert!“ - -„Lass’ mich zufrieden.... Ich möchte schlafen!“ murmelte Jener und -drehte sich um... - -„Nein, nein, Du sollst nicht schlafen! Das ist schändlich! Du sollst -mir helfen aus diesem verdammten Abgrunde herauszukommen.... Hörst Du! -Oh weh!“ - -Der Andere brummte etwas Unverständliches und legte sich gemüthlich auf -den Bauch... - -„Aber -- zum Henker! -- Hörst Du denn nicht, Leuben?... ich bin -gerädert -- zerfleischt -- -- zu Hilfe! -- -- Au! die verdammte -Bettstelle! der verdammte Zustand!“ - -Der edle Baron indeß gab als ganze Antwort einige Schnarchlaute zum -Besten. -- Da wurde jedoch unser Mann wüthend, griff um sich herum -- -zog eine Latte aus der Bettstelle und warf sie mit einem Fluche seinem -Kameraden dermaßen auf die Beine, daß -- einen solchen Schlag auf den -Kopf -- die Welt um einen Biedermann ärmer geworden wäre. -- - -Mit einem Satz stand Leuben auf seinen magnetisirten Beinen (nur nicht -ganz fest) -- und indem er versuchte die Augen aufzuthun, welche jedoch -wie zusammengenäht waren, rief er: „Was ist denn das! Ist hier der -Beelzebub los.... und schmeißt nach mir mit Knitteln?... Was ist denn -das? Was ist denn das?“ - -„Still! still!“ entgegnete Edmund, der unter dem Einfluß der letztern -Begebenheit abermals um einen Grad nüchterner geworden schien: „Still! -Mach’ kein solches Geschrei! Es war eine Latte und weiter nichts! -- --- Ich habe Dich mit derselben geweckt, da es auf andere Weise nicht -ging....“ - -„Hol’ Euch -- allesammt der Teufel...“ schrie Leuben, der zu glauben -schien -- in einer Gesellschaft von Mehrern zu sein...; dann bückte -er sich mechanisch und rieb an seinem Beine, fiel jedoch bei dieser -Operation zurück auf’s Sopha, wo er alsbald wieder eingeschlafen sein -würde, hätte Edmund sich jetzt nicht aus den Trümmern und Matratzen -losgewickelt und wäre er nicht zu ihm hin gewankt, rufend: „Aber nein! -Du sollst nicht länger schnarchen -- abscheulicher Kerl. Bei der -Hölle, Du sollst kein Auge mehr zuthun -- -- denn so allein halte ich -es in diesem Zustande nicht aus....“ Und er rüttelte und schüttelte -den Braven so lange, bis dieser, abermals sich die Augen reibend, in -gähnender Weise ausrief: „Nun, es ist vorbei! -- Aus ist es mit dem -schönen Schlafe! -- -- Aber, zum Henker... wozu soll ich denn jetzt -mitten in der Nacht wachen?“ - -„Weil ich auch wache...“ - -„Und weshalb wachst Du?“ - -„Weil ich nicht schlafen kann... weil ich wie ein Märtyrer leide... -und...“ - -„Du wie ein Märtyrer?“ - -„Die verfl-- Fête! Ich werde an sie denken!“ - -„Ja -- es war eine herrliche Fête!“ - -„Hol’ sie der Teufel! -- -- Sie hat mich vollständig ruinirt, an Leib -und Seele...“ - -„Aber, das begreife ich nicht... Ah! Ah!“ Und er gähnte wie ein -Lohnkutscher. - -„-- -- Ich begreife es um so mehr! -- Oh! Oh! -- -- Wenn nur erst -dieser schmähliche Katzenjammer vorüber wäre! Ich habe doch im Leben -so manchen verdaut... aber einer wie dieser ist in Europa noch nicht -vorgekommen...“ - -„Du hast also den Katzenjammer! Was ist dabei? -- Lumperei! Weiter -nichts als Lumperei....“ - -„Ja, ja -- -- ich merke aber, daß mein Katzenjammer nicht nur -ein physischer ist, sondern aus physischem und moralischem -zusammengesetzt...“ - -„Aus moralischem?... Wenn auch!... Was will das noch Alles sagen? -- -habe im Leben so manchen allermoralischsten Katzenjammer verarbeitet -- -und stehe noch da, als eine Säule der Junggesellenschaft...“ - -„Thor! Weißt Du denn auch, auf was sich dieser mein moralischer -Katzenjammer gründet? -- Er gründet sich auf 8000 Stück Dukaten, die -ich in Zeit von vier Stunden zahlen muß.“ - -„Muß, muß! -- was heißt das: muß?“ versetzte Leuben, und in diesem -Augenblicke hätte Einer, der schärfer sah als jetzt Edmund -- bemerken -können, daß hinter dieser Gleichgiltigkeit und Trunkenheit, hinter -dieser ganzen Geberdung Leubens .... noch etwas steckte, welches aussah -wie der böse Geist Mephistopheles, als er in Auerbachs Keller hinter -einem mit Flaschen und Betrunkenen besetzten Tische stand. -- - -Um nicht lange in Räthseln zu sprechen, erklären wir frischweg, Leuben -war zwar berauscht -- jedoch nicht so sehr, wie er +that+. - -Ein scheußliches Lächeln hatte sich nach obigen Worten über seine Züge -ausgedehnt... und er wiederholte: - -„Muß! Muß! -- Du mußt in vier Stunden 8000 Dukaten zahlen, sagst Du?... -Ich aber sage: ein Mann kennt das Wort „Muß“ gar nicht...“ - -„Ja -- Du hast leicht reden!... Wäre ich in Deinen Verhältnissen! -- -Erstens -- reich wie ein Nabob und dazu Herr seines Vermögens; sodann -überhaupt nicht an Familienrücksichten gebunden -- -- drittens, was -die Hauptsache ist, ein Kerl, der die Kaltblütigkeit eines Krokodils -besitzt, wenn es sich um Dinge handelt, die Einem an den +Hals+ -gehen... endlich viertens, und dies ist die hauptsächlichste -Hauptsache: Du Beneidenswerther besitzest noch Deine Seele! Hast sie -dem Beelzebub noch nicht verkauft... dem Beelzebub, welcher unter uns -einherschreitet in der Gestalt des Meisters Lips.... Oh, Oh! meine -Zunge brennt schon, wenn ich diesen Namen nur nenne.“ - -„Nun -- gut; aber was ist mit diesem Lips weiter? -- Mache Dich von -dem Spitzbuben los!....“ - -„-- Mensch! Mensch! -- dies ist leichter gesagt, als gethan. „Mache -Dich los!“ wie schnell ist das ausgesprochen! -- Aber ich sage Dir: -eher macht man sich aus den lieblichen Umarmungen der Menschenfresser -los, wie von Meister Lips -- besonders wenn man sich mit ihm bereits so -weit eingelassen, wie -- leider Unsereins.“ - -Leuben neigte sich ein wenig zur Erde, um die Freude, von der sein -Gesicht strahlte, zu verbergen; darauf fragte er in neugierigem Tone: --- -- „Also ihm hast Du die 8000 Ducaten zu bezahlen....?“ - -„Freilich -- freilich, Du Narr, Du! -- Ihm, dem Meister Lips -- und -dann noch jenem verfl-- Coujon, den Du seit vier oder fünf Tagen zu den -Orgien mitbringst, die wir bei jener saubern Frau Wratschifratschi -- -oder wie sie sonst heißt.... kurz bei jener tugendhaften Dame mit ihrem -halben Dutzend tugendhafter Freundinnen feiern; -- -- diesen zwei -Menschen bin ich 8000 Dukaten schuldig; dem Ersteren zwei -- dem Andern -sechs Tausend....“ - -„Du nanntest meinen Freund einen Coujon, obwohl er ein Ehrenmann ist, -wie Du oder ein Anderer; doch das mag Dir um unseres beiderseitigen -Zustandes willen hingehn. -- --“ - -„Was -- Zustandes! Ich wiederhole nochmals: ein Coujon, ein Spitzbube -ist der Kerl ... ein falscher Spieler, woran nicht zu zweifeln; denn -seit vier oder fünf Tagen hat er mir mit einer Regelmäßigkeit, die -mathematisch genau ist, ungefähr 10,000 Dukaten abgenommen... und ich, -ich Thor, ich spielte mit ihm noch immerfort .... spielte, als mein -Geld verloren war, auf Ehrenwort.... und.... beraubte meine..... doch -genug!“ - -Edmund schwieg plötzlich. Ein besseres Gefühl schien über ihn gekommen -zu sein, welches die nichtswürdigen Gesinnungen, die seine Brust jetzt -beherrschten, auf einen Augenblick überwand.... er ging wieder zu -seinem Bette zurück -- legte sich darauf und barg sein Gesicht in die -Kissen.... - -Der Andere aber schickte ihm einen Blick nach, der von der Natur des -Basilisken geborgt zu sein schien -- nickte mit dem Kopfe und rieb -sich die Hände; sodann streckte er sich der Länge nach und mit großer -Behaglichkeit ebenfalls auf sein Sopha hin -- und begann wieder...: -„Und diese beiden Gläubiger, sagst Du, holen in vier Stunden ihre 8000 -Dukaten? -- Aber woher dies Zusammentreffen? -- Es wirft auf meinen -Freund ein ungünstigeres Licht, als mir lieb ist....“ - -„Hol’ ihn der Henker, Deinen Freund, sammt allen Lichtern, die jemals -auf eine solche Schandgestalt wie die seine gefallen sind! -- -- Aber -eben dies Zusammentreffen, wie zufällig dasselbe auch sein mag, gleicht -einem geheimen Fingerzeig Gottes, der so viel sagen will, als: diese -zwei Schufte gehören neben einander.... Wenigstens, was mich betrifft, -ich dachte gestern, als ich diesem saubern Freunde Deines Herzens -sagte, er möge heute 11 Uhr Vormittags sein Geld bei mir in Empfang -nehmen -- damals dachte ich nicht daran, daß zur selben Zeit auch -Meister Lips hier erscheinen werde, wiewohl ich es längst wußte..... -und jenes Spiel einige Minuten früher blos in der einzigen Hoffnung -eingegangen war, das Geld, welches ich für Lips heute brauchte, dabei -zu gewinnen --“ - -„Mit diesen Worten, mein Bester, vernichtest Du ja selbst den Verdacht, -welchen Du vorhin auf meinen Freund +Theobald Wurmholzer+ so -ungerechter Weise geworfen.... Hast Du ihn für keinen ehrlichen Mann -gehalten, so hättest Du mit ihm nicht spielen sollen.... allein eben -weil Du mit ihm spieltest, gabst Du ihm so zu sagen selbst das Zeugniß, -daß er einer sei.“ - -„Schon gut, schon gut!“ versetzte Edmund, und fing wieder an, sich -umherzudrehen -- -- „Deine Argumentation scheint sehr richtig.... -allein der verd-- Katzenjammer kommt schon wieder.... Uh! Puh!“ - -„Der moralische -- oder der physische? --“ - -„Beide, beide! -- Weh mir!“ - -Mittlerweile war es hell geworden, der Tag guckte zu den Fenstern -herein, was ihm sehr bequem wurde, denn diese waren noch offen, wie -zur Nachtzeit. Indessen fing das Schneegestöber, welches draußen -herrschte, an, seine Wirkung bis mitten ins Gemach zu verbreiten -- -weshalb Leuben aufstand, um Fenster und Thür zu schließen; und als er -zufälligerweise die letztern heftig zuschlug, schrie Edmund erschreckt -auf: „Ach! wer kommt da! Sollten es bereits die zwei Schurken sein....?“ - -„Welche -- Schurken?“ - -„Lips -- und jener ehrliche Wurmholzer. --“ Erst jetzt erhob er sein -edles Haupt: „Ach!“ sagte er nach der Thür sehend -- mit erleichtertem -Herzen: „sie sind es nicht. -- Freilich aber,“ begann er nach einer -Pause: „werden sie nicht lange ausbleiben. Die eilfte Stunde wird -herankommen, ehe man sich’s versieht. -- Heute galoppirt die Zeit, wie -ein arabischer Renner.... Kannst Du mir vielleicht sagen, was jetzt die -Uhr ist?“ - -„Ich vergaß meine Uhr zu Hause... Indeß kannst Du ja nach einer von den -Deinigen sehen.“ - -„Nach einer von den meinigen?!“ wiederholte der wackere Sprosse des -Randow’schen Hauses mit kläglicher Stimme. „Wo sind die -- meinigen! -- -Der Teufel hat sie bereits alle geholt....“ - -„Alle?“ - -„Ja -- ja; mein lieber Freund -- Lips kann mehr von diesem Kapitel -erzählen....“ - -„Ich will nicht hoffen -- daß dieser Elende Dich schon sogar um Deine -Uhren gebracht hat --“ - -„Um meine Uhren? -- Ach, er hat mich noch um so manches Andere -gebracht! Die Uhren, die Ringe, die Ketten, die Waffen, die -tausenderlei hübschen glänzenden Sachen.... sie sind alle sein -- -- --- Ja sogar -- -- Kleider, Wäsche -- Requisiten -- -- Oh! verfl-- -Katzenjammer!“ - -Der Andere schlug, da ihm Edmund in’s Gesicht sah, die Hände zusammen, -mit einer Miene voll zärtlichen Mitleids und Schreckens rufend: -„Allein -- wie konntest Du es nur so weit kommen lassen, unglücklicher -Freund?!“ Er wischte sich eine Thräne aus dem Auge: „Sahst Du denn -nicht, mit wem Du es zu thun hattest.... Meister Lips hätte Dir ja -gleich beim ersten Handel, den Du mit ihm eingingst, die Lust zu einem -zweiten benehmen sollen....“ - -„O mein Freund!“ seufzte Edmund: „sprich lieber: mit dem +ersten+ -Handel hatte der nichtswürdige Kehlabschneider +zugleich alle -übrigen gemacht+.... Einmal in seine Klauen gerathen, gehörte -ich für immer ihm.... ich konnte nicht mehr los! Glaube mir, das -Alles kann ich Dir nicht so leicht erzählen -- wie leicht es ihm zu -+vollbringen+ war.... ich kann Dir von dem Wie und Warum keine -Erklärung geben: ich kann Dir nur sagen: es ist geschehen -- Punktum! -Damit ist Alles gesagt. --“ - -„Und wenn,“ fuhr der Taugenichts fort, „wenn ich Dir zum Schluß noch -einige Notizen geben soll, so werden es folgende sein: Lips hat -Wechsel, Obligationen, Hypotheken von mir in Händen -- bei deren -Erinnerung mir schon der Kopf schwindelt -- und das Hirn in demselben -siedet..... Der Satan weiß es, wie ich mich aus den schauderhaften -Papieren herauswickle! Soviel jedoch ist gewiß: daß Meister Lips mich -mit Haut und Haar in seiner Gewalt hat -- und es kostet ihm nur ein -Wort -- so bringt er mich dahin, wo Heulen und Zähnklappern herrscht.“ - -Eine tiefe Pause entstand. -- - -„Aber,“ begann jetzt Leuben: „kannst Du denn hierbei nicht die Hilfe -der Deinigen in Anspruch nehmen, Edmund? -- Ich bin gewiß, Dein -Vater, Deine Mutter würden Dich gerne aus dieser Verlegenheit ziehen --- es bedarf vielleicht nur eines offenen und zugleich reumüthigen -Bekenntnisses von Deiner Seite. -- Du siehst, ich rede zu Dir als -Freund.“ - -Es hatte leicht reden, dieses edle Herz. War es ihm doch hinlänglich -bewußt, daß der General für seinen Sohn in diesem Falle nichts thun -würde; ja, daß er, unterrichtet von dem wüsten, unvernünftigen und -unehrenhaften Treiben des Letztern -- vielleicht ganz und gar seine -Hand von ihm abziehen, ihn verstoßen dürfte. Der Charakter und die -Grundsätze des alten Herrn bürgten dafür. - -Edmund begnügte sich daher auch, statt aller Antwort -- laut und mit -einem gräßlichen Tone aufzulachen; sodann barg er das Gesicht in beide -Hände und blieb völlig stumm. - -„Und Deine Schwester?“ fing Jener wieder an. „Sollte Cölestine, welche -Dich doch so zärtlich liebt und zugleich von Deiner innigen Neigung zu -ihr überzeugt ist -- sollte sie Dich nicht retten können?... Freilich -ist sie in diesem Augenblick noch nicht Herrin ihres Vermögens -- -und darf über das eigene eben so wenig, wie über jenes ihres Mannes -verfügen. Gleichwohl scheint es, daß es ihr im Ganzen nicht schwer -werden sollte.... mehrere tausend Gulden aufzutreiben....“ - -„Wo denn?“ fuhr der Jüngling dazwischen. „Etwa bei Meister Lips?“ - -„Nein doch! -- aber -- ich meine -- -- sie besitzt ja Kostbarkeiten, -Juwelen -- Schmuck -- --“ - -Edmund stieß bei diesen Worten einen tiefen, erschütternden Seufzer, -der aus dem innersten Grunde der Seele kam, aus. Seine Augen wurden -feucht, und als er die folgenden Worte sprach, schluchzte er wie ein -Knabe: „Ach, unglückliche Schwester! Arme Cölestine! Liebevolles, -heiliges Herz -- -- -- womit, womit hast Du dies Alles verdient! -- -- -O! Ich bin ein Frevler, ein Nichtswürdiger, ein Verräther an Dir und -Deiner Liebe! -- Und ich verdiene nicht mehr in Dein mitleidvolles, -zärtliches Auge zu blicken! -- Ja, ja! Möge es sich mir auf ewig -verschließen.... möge es Einem leuchten, der dessen würdiger ist, als -ich... -- O, ich Elender!“ schrie er im gewaltigen Schmerze auf: „ich -verachte mich! ich speie mich an!“ - -Nach diesen Worten schien es, als bräche sein innerstes Wesen zusammen. -Er lag bewegungslos, starr wie ein Leichnam da -- -- und hätte nicht -das schwere Stöhnen, welches er von Zeit zu Zeit hören ließ, Kunde von -seinem Leben gegeben -- man würde ihn haben hinaustragen können zur -Bestattung. -- Daher gab er auch auf die Frage, welche Leuben zuletzt -an ihn that: „Und Marsan -- Dein Freund, der glänzende, großmüthige -Marsan? -- -- Weshalb vertraust Du Dich nicht ihm an?“ -- keine Antwort. - --- -- Wir hoffen, der Charakter Edmunds von Randow ist unsern Lesern -bereits deutlich genug vor Augen gestellt. -- Wie aus mehrfachen -Scenen, in denen wir diesem jungen Menschen begegnet sind -- erhellt, -haben wir es hier mit einer, aus zweien, scheinbar widerstreitenden -Hälften zusammengesetzten, Natur zu thun -- diese Hälften jedoch, diese -scheinbaren Gegensätze -- sind nichts weiter, als die zwei Theile -einer aus derselben Wurzel entsprießenden Pflanze -- einer Blume, die -Blüthen und zugleich scharfe Dornen trägt... - -Wir wollen uns sogleich weitläuftiger über diese Sache auslassen -und versuchen, ein Spiegelbild jener Menschengattung zu liefern -- -in welcher der Krankheitsstoff unserer Zeit am entschiedensten zum -Durchbruch gekommen. -- - -Edmund war ein leichtsinniger, ein verschwenderischer, ein -nichtsthuender junger Mensch, der jedoch in gewissen Fällen der -wärmsten Hingebung, der edelmüthigsten Aufopferung -- und einer bis zur -reinsten Liebe gesteigerten Zuneigung fähig war. -- Er an und für sich -war wenig... durch Denjenigen, an welchen er sich anschloß, konnte er -jedoch Alles werden. Er hatte von der Natur weiter nichts mitbekommen, -als ein weiches Herz und einen heitern Sinn; diese Gabe aber ist -äußerst gefährlich; ohne die richtige Pflege bildet sich durch sie ein -Charakter heraus, der zuerst blos +gut+ und +schwach+ scheint --- später jedoch +leichtfertig+ und +thöricht+ wird. Vermöge -des Ersteren hing Edmund seinen Verwandten und darunter besonders -seiner Schwester mit schwärmischer Liebe an -- vermöge des Letztern -schloß er schnell mit Jedermann -- am schnellsten mit lustigen Brüdern -Bekanntschaften und Bündnisse. - -Welche Resultate für sein Leben, für seine persönlichen Verhältnisse -hieraus erwuchsen, ließ sich voraussehen. Da es in der menschlichen -Natur liegt, mit einem Gemüthe, wie das Edmunds, dem Bösen zugänglicher -zu sein als dem Guten, so war auch nichts natürlicher, als daß bei ihm -der Einfluß seiner +Freunde+ jenen seiner Verwandten nicht nur -überwog -- sondern in progressivem Verhältniß langsam vernichtete, -dermaßen, daß Edmund zum Beispiele im gegenwärtigen Zeitpunkte -- -Dank dem elenden Leuben -- Althing -- dem alten Wollheim und dem -Würger Lips, der anfangs als +Freund in der Noth+ galt, -- Dank -also diesen schlechten Freunden -- in diesem Augenblick auf einem -schauderhaften Gipfel des Elends und der geheimen Noth stand. - -Daß es das Geld ist, welches im vorliegenden Falle wieder den _nervus -rerum_ vorstellt, läßt sich leicht errathen; wann sollte dieses -fluchwürdige Princip nicht das herrschende gewesen sein -- -- mag -man auch die Bücher der Weltgeschichte, von den grauen Zeiten des -Alterthums bis auf die neuesten, durchblättern.... wo war es dies nicht -stets? -- Fürwahr, man ist versucht, dieses Princip für dasjenige zu -nehmen -- von welchem die Bücher der heiligen wie die der weltlichen -Weisheit als von dem +bösen+ sprechen. -- -- - -Wir könnten hier eine lange Expectoration einschließen -- wir könnten -hier mit sanften Engelsstimmen sowohl wie mit dem Brüllen des Donners -reden, um unserm Satz die rechte Verständlichkeit und Kraft zu -verleihen; wir könnten tausend Mal fragen: „Wo ist das Gute, welches -durch den Mammon gestiftet wurde?“ -- ohne daß man uns hierauf auch nur -eine einzige Antwort zu geben vermöchte; -- -- wir könnten hinwieder -fragen: „Wo ist das Böse, das durch ihn angerichtet wurde?“ und auf der -ganzen Erde würde jeder Punkt rufen: „Hier! hier! hier!“ - --- Doch zu solchen Experimenten ist hier weder Zeit noch Raum, und so -kehren wir denn wieder zu den wesentlichen Theilen unserer Darstellung -zurück. - -Als wir Edmund zum ersten Male sahen, fanden wir im Aeußern einen jener -lustigen, ausgelassenen, dabei gutmüthigen jungen Kavaliere, an welchen -in großen Städten eben kein Mangel ist. Wir hatten jedoch zu jener -Zeit uns noch nicht näher um ihn bekümmert... wir hatten noch nicht -nach seinen inneren Zuständen geforscht und so konnten wir leicht über -ihn +lachen+; wir hatten noch keine Ursache, uns wegen seiner zu -+betrüben+ -- denn ein Mensch kann lustig, ausgelassen und bei -dem Allen doch sehr glücklich sein. Als uns Edmunds schönes Verhältniß -zu Cölestine, als uns einige der edleren Eigenschaften seines Herzens -bekannt wurden -- mußten wir sogar für ihn eingenommen werden. -- --- Aber nur zu bald enthüllten sich unserem Blick alle jene düstern -Einzelheiten dieses Wesens und Lebens, welche nicht mehr geeignet sind -zu belustigen, sondern wodurch unsere bisherige Theilnahme dem Schreck, -ja dem Ekel wich. -- Wir sahen Edmund nicht mehr blos aus Leichtsinn -und Unüberlegtheit sich thörichten Neigungen hingeben -- sondern mit -schamlosem Bewußtsein; -- ja wir erblickten ihn zuletzt sogar in den -Armen der nichtswürdigsten Laster.... und bald, bald werden wir mit -Entsetzen vor ihm fliehen. -- - -Dahin jedoch mußte die Consequenz eines Treibens, wie das seinige war, -ihn führen, und dahin wird Jeder kommen, der, gleich ihm, auf die -Sirenentöne jener Leute hört, die sich uns im gewöhnlichen Leben häufig -als unsere „+besten Freunde+“ bezeichnen. -- Wenn wir die Liste -der Kameraden Edmunds durchgehen -- welche Subjecte finden wir da! -Alle Sorten der Thorheit und des Lasters -- von der niedrigsten Stufe -bis zur schwindelndsten Höhe. Zuerst den im Ganzen unschädlichsten -alten Gecken +Althing+, an dessen Seite er zuerst die traurige -Süßigkeit des Müßiggangs und die lügnerische der Galanterie kennen -lernte; sodann den albernen Jäger und Säufer Wollheim -- mit dessen -Hilfe er schon um einige Stufen höher stieg. -- Diese zwei Leute -beglückten ihn durch jahrelangen Umgang und nannten ihn in allem -Ernste ihren „+Schüler+“, sowie er dieselben lange Zeit hindurch -als seine „+Meister+“ anerkannte. Später sodann machte er die -Bekanntschaft des Chevaliers -- und diese wirkte eben wegen ihrer -direkten Entgegengesetztheit am verderblichsten unter allen bisherigen -auf ihn; denn durch dieselbe plötzlich in eine Sphäre gerissen, -worin er sich noch niemals befunden -- gerieth er in abscheuliche -Verlegenheiten -- denen er nur dadurch entkam, daß er seine Zuflucht zu -dem allesvermögenden Götzen des Geldes nahm -- ein Götze, welcher den -jungen wüsten Verschwender rasch in die Klauen seines Priesters: des -Meister Lips führte... - -Zu Allem diesen kam noch, gleichsam als Krone des Werkes -- die -Verbindung mit Leuben, welche dieser seit Kurzem absichtlich und -dringend suchte und auch sehr leicht gefunden hatte. -- Leuben, früher -ein gewöhnlicher Mensch und ein verliebter Wahnsinniger, trat ihm jetzt -als der ausgemachteste Roué entgegen und führte ihn in noch tiefere und -stinkendere Kloaken des Lebens -- als in welchen der Thor Edmund bisher -gewatet hatte. - --- -- So standen die Sachen und nun antworte man uns: ist hier nicht -ein ursprünglich zu Gutem bestimmtes Gemüth, eine an sich reine -und edle Natur untergegangen? Doch -- so mächtig ist der Keim des -Göttlichen in uns, daß er, und wäre er auch nur so groß wie ein -Samenkorn, die hundertfachen Schichten des Lasters und des Bösen, von -denen er eingeschlossen wird, und die ihn gerne ersticken möchten, -dennoch durchdringt -- um über ihnen, wenn auch nur auf Augenblicke zu -leuchten.... den blinden Thoren sehen zu machen. - --- Die gefürchtete Stunde nahte heran; je näher sie kam, je heftiger -zitterte das Herz in dem Leibe des Elenden. Leuben hatte ihn verlassen -.... er wollte nur kurze Zeit wegbleiben, um seinen Anzug in Ordnung -zu bringen, dann wollte er, wie er sagte, wieder kommen, und aus -freiem Antriebe seinen „unglücklichen lieben Freund Edmund“ mit einem -Darlehen -- gegen die Wuth des Meister Lips schützen. Das hatte er -ihm gelobt. -- Was er jedoch that, bestand in Folgendem: er verfügte -sich von hier zuerst zu dem andern „lieben Freunde“ +Theobald -Wurmholzer+, sodann -- denn die Verbindungen, welche er seit einiger -Zeit angeknüpft hatte, reichten weit -- zu seinem dritten „lieben -Freunde“ dem Meister +Sophronias Lips+.... und setzte diese zwei -Ehrenmänner von der Gemüthslage Edmunds in Kenntniß. -- Er handelte, -wie man sieht, nach einem Systeme, dessen Ziele uns immer näher und -immer zahlreicher vor den Blick treten -- bis wir sie zuletzt als -Schlußstein eines ganzen Intriguengebäudes sehen werden -- welches -Gebäude bestimmt ist, auf die Welt darunter zusammenzustürzen, -- wenn -anders nicht etwa eine mächtigere Hand noch bei Zeiten dazwischen -fährt, zertrümmernd den arglistigen, verderbenschwangeren Bau.... -erlösend und versöhnend die Welt, welche so lange in diesem Kerker -geseufzet. -- - - - - -Zweites Kapitel. - -Die Nichtswürdigen. - - -Eben hatte es auf einem Thurme in der Nähe elf Uhr geschlagen. Dieser -Klang tönte erschütternd durch die Ohren Edmunds, welcher sich -von seinem Lager noch immer nicht erhoben hatte, sondern dasselbe -Stunde für Stunde mit seinem Angstschweiße tränkte -- gleich einem -Armensünder-Lager. Wir haben bereits Vieles von dem Treiben und Thun -dieses verlornen Jünglings erzählt -- wir haben jedoch noch nicht -Alles, noch nicht das Letzte gesagt. -- Edmund von Randow, der Sohn -eines der edelsten und ruhmvollsten Häuser des Landes, war nicht -nur Müßiggänger, Libertin, Verschwender, Spieler und ein Roué der -gemeinsten Klasse geworden -- -- Edmund von Randow, der Sohn eines der -ersten und vornehmsten Geschlechter zweier Reiche -- -- war sogar bis -zum +Betrüger+ hinabgestürzt.... - -Nachdem wir dies entsetzliche Wort ausgesprochen haben, bleibt uns -nichts anderes übrig, als es zu rechtfertigen, und dies soll sofort -geschehen. - -Es waren seit dem letzten Glockenschlage noch kaum einige Minuten -verflossen, als nicht der Baron von Leuben, wohl aber Herr Theobald -Wurmholzer in’s Zimmer trat. Auf die Stirne dieses Menschen hatte sein -Leben und sein Handwerk Züge gezeichnet, die nicht zu verkennen waren. --- Herr Theobald erschien mit einer lustigen Schurkenmiene und einem -schmetternden „Guten Morgen!“ Als er Edmund, dessen Zustand und Lage -erblickte -- brach er laut in die Worte aus: „_Sacre bleu!_ Was -ist denn das? Hat für meinen Busenfreund Edmund der Hahn noch nicht -gekräht? -- _Bougre!_ das nenn’ ich einen guten Schlaf -- der -freilich auch einem guten Tage folgt....“ - -Edmund begnügte sich damit, sich halb aufzurichten und dem -Abscheulichen eine Art von Willkomm entgegen zu murmeln, womit dieser -zufrieden schien, denn er setzte sich, nach dem Brauche solcher Herren, -ohneweiteres auf das Bett -- und fuhr in seiner lärmenden Weise fort: -„Sie werden wissen, mein verehrungswürdiger Freund Randow -- daß ich -nicht gekommen wäre, Ihren süßen Schlaf zu stören, nöthigte mich hierzu -nicht jene dringende Pflicht, die ich gegen mich selber habe und die -Ihnen hinlänglich bekannt ist; Sie begreifen --: Die heiligste Pflicht -des Gentlemans und Spielers besteht in --“ - -Edmund fuhr bei dem letzteren Worte ein wenig überrascht in die Höhe ---: „Sie nennen sich also kurzweg: einen Spieler!“ - -„Darauf kommt es hier nicht an und es wird Ihnen auch gewiß sehr -gleichgiltig sein...“ - -„Ich meine nur -- -- bisher haben Sie sich unter diesem Titel noch -nicht vorgestellt....“ - -„_Diable!_ -- dies will ich schon glauben!... Wer in der Welt wird -sich bei einem fremden Menschen gleich als +Spieler+ einführen? --- Es wäre sehr gegen die Lebensart! -- Allein nachdem man zusammen -drei bis vier Nächte hindurch am grünen Tische gesessen -- nachdem man -mit Einem überdies auf Ehrenwort gespielt -- und endlich gar an ihn -eine Forderung von circa 2000 Ducaten zu stellen hat -- darf man sich -doch wohl kurzweg als das bezeichnen, ... was man ist, _Tonneur de -Dieu!_ -- Welchen Titel soll man für sich erfinden? -- -- Man hat -von Jemand für einige Sätze im _rouge et noir_ 2000 Ducaten zu -fordern... also ist man ein +Spieler+.“ - -„An dieser Logik ist wohl nichts auszusetzen --“ versetzte Edmund -eintönig und mit bitterem Lächeln -- --; „ich hätte längst selber von -ihr Gebrauch machen sollen....“ - -„Allein, wie ich sehe, _mon cher_ -- -- so jagen wir uns da -mit einer nutzlosen Phraseologie ab... und beim Himmel! meine Zeit -ist sehr kostbar: ich habe heute noch wichtige Geschäfte in Ordnung -zu bringen. Kommen wir daher zur Sache! -- +Haben Sie das Geld in -Bereitschaft+, _mon petit coeur_?“ - -Mit kurzen Worten antwortete Randow: „Ich habe nichts in Bereitschaft. -Ich besitze keinen Heller!“ - -„Wie -- Sie besitzen keinen Heller!“ schrie Herr Theobald so mächtig, -daß es draußen auf allen Gängen widerhallte: „_Morbleu!_ -- Sie -besitzen keinen Heller!“ Theobald war aufgesprungen und hatte sich vor -ihn hingestellt: „Was ist dies für eine sonderbare Erklärung -- mein -Herr von Randow?“ - -„Die Erklärung ist sehr einfach und noch dabei sehr wahr;“ sprach -Edmund mit einer Ruhe, deren man ihn nach seiner früheren Stimmung -nicht fähig hätte halten sollen. -- Allein freilich die früheren -Bewegungen seines Innern standen weniger mit diesem als mit dem andern -Falle, mit dem Meister Lips, in Verbindung. - -„_Enfin!_“ rief der Spieler: „Sie zahlen also nicht: Sie tragen -Ihre Schuld nicht ab -- mein Herr?“ - -„Es ist mir unmöglich -- mein Herr.“ - -„Wissen Sie auch, mein Herr -- daß dies eine Ehrenschuld ist?... daß -Sie auf’s +Wort+ gespielt haben?“ - -„Ich weiß es, ich weiß Alles.“ - -„Und dennoch -- glauben Sie mir so mit der größten Seelenruhe sagen zu -dürfen, daß Sie nicht zahlen wollen?...“ - -„Allein -- was soll ich Anderes thun? Sagen Sie es selbst, mein -Herr!...“ - -„Dies -- _mon Dieu_!“ versetzte scheußlich lachend Herr Theobald --- der nach Art der Leute seines Metiers unabläßlich mit französischen -Brocken um sich herum warf... „Dies, _mon Dieu_ -- ist doch -fürwahr nicht meine Sache... es geht mich nicht im Geringsten an... -_Sacre!_ Was soll ich Ihnen denn noch sonst sagen, als: zahlen -Sie! zahlen Sie -- -- ich muß auch zahlen! -- --“ - -Der junge Mensch antwortete nicht -- er seufzte nur und rieb sich die -Stirne, die zu zerspringen drohte unter den Gedanken, welche -- nicht -Herrn Theobald betrafen. - -„Endlich, mein Herr,“ nahm dieser sich zusammen und blickte ihn wild -und finster an: „Endlich -- damit wir zum Schlusse kommen: was ist -Ihre Absicht? Wollen Sie mich als Mann von Ehre, wie es Ihrem Stande -angemessen, befriedigen -- oder aber wünschen Sie, daß ich noch in -dieser Stunde zu Ihrem Vater gehe -- -- und den würdigen General von -Randow veranlasse, das Wort seines Sohnes und dessen Reputation zu -retten?... _Morbleu!_“ - -Der Spieler war richtig berathen. Kaum hatte er den Namen von Edmunds -Vater genannt, als der Jüngling erschrocken vom Lager aufsprang und -im Nu aufrecht stehend sich seinem Gläubiger gegenüber befand: „Um -Gotteswillen, mein Herr!“ rief er mit bebender Zunge: „Thun Sie das -nicht! Machen Sie keinen Schritt aus diesem Zimmer -- bevor unsere -Angelegenheit nicht in Ordnung gebracht ist. -- -- Sie wollen, ich soll -Ihnen 2000 Ducaten bezahlen. -- Nun wohl -- nun wohl.“ - -Er sann einen Augenblick nach -- -- jetzt hatte sein ganzes Denken sich -um diesen Punkt konzentrirt: „Hören Sie meinen Vorschlag! -- Gedulden -Sie sich noch bis morgen -- dann sollen Sie Alles bis auf den letzten -Pfennig erhalten...“ - -„_Tonneur!_ -- --“ versetzte der Spieler schon mit einem viel -heiteren Tone: „das geht nicht, mein Bester! -- Das wird nicht -gehen! .... Wie ich es immer auch herumdrehe -- wie ich auch immer -kalkulire.... ich brauche das Geld noch heute...“ - -„Nun denn --“ bedeutete Jener, dem der Angstschweiß von der Stirne -rann: „dann geben Sie mir mindestens einige Stunden Frist -- -- z. B. -bis zum Nachmittage...“ - -Nach einer Pause rief Theobald aus: „_Eh bien donc!_ -- Bis zum -Nachmittage -- 3 Uhr will ich warten, _mon coeur_... bis 3 Uhr -also .... Jedoch länger nicht eine Minute... fürwahr ich kann nicht! -_Parole d’honneur_ -- es liegt nicht in meiner Macht.... es ist -unmöglich ... _c’est impossible!_“ - -„Nun denn -- um 3 Uhr holen Sie hier das Geld ab.“ - -„_Bon, bon!_ -- Ich werde hier sein -- _sans doute_ -- -ich werde erscheinen, _mon très cher ami_! -- Also: -- _au -revoir_!“ - -Er reichte ihm die Hand hin -- die der Unglückliche ergriff und -drückte, als sei sie die Hand eines Ehrenmannes. Darauf verließ -Monsieur Theobald Wurmholzer das Zimmer. -- - --- Kaum war er fort, als schon wieder an der Thür geklopft wurde. -Dieses Klopfen erkannte Edmund -- es drang ihm erschütternd durch -Mark und Bein. Sogleich öffnete sich die Thür und herein trat, mit -lächelndem Joko-Gesichte und der trauten Keule in der Hand, Meister -Sophronias Lips, Wechsler, Antiquar, Juwelier, Hühneraugen-Operateur -und Würgengel dieser guten Stadt. Er war ganz so anzuschauen, wie -wir ihn sahen, als uns das unaussprechliche Glück ward, zum ersten -Male mit ihm zusammenzutreffen. Da war wieder der mittelalterliche -Gustav-Adolph’sche Rock, halb Frack und halb Jacke -- da waren wieder -die antediluvianischen Beinkleider -- da die Wunderstiefeln, der eine -mit Stulpen, der andere ritterlich trichterförmig mit einem Stück -Sporren daran -- da war auch der Hut, _vulgo_ Pferdesattel -- -da die heidnische Priesterweste -- -- da endlich -- und natürlich im -vollen Glanze, die herrliche Keule, diese Königin unter den Handstützen. - -„Mein Gnädigster -- ich habe die Ehre, Ihnen einen vortrefflichen Tag -zu wünschen... ’s ist recht kalt heute, auf Ehrenwort!“ So begrüßte der -Biedermann unseren Freund, der sich bei dessen Eintritt erhoben hatte -und ihm wie einem Manne von Rang entgegen ging... jedoch sprach Edmund -nicht ein Wort. Um so mehr Gelegenheit hatte hierzu Meister Lips und er -schien Lust zu haben, heute von dieser Gelegenheit den ausgedehntesten -Gebrauch zu machen: „Nun, wie geht es Euer Gnaden?“ begann er lächelnd, -mit dem Kopfe nickend und seine holde Keule schwingend: „Wie befinden -Sie sich, mein Gnädiger, he? -- Hoffentlich geht es Denenselben recht -wohl -- was mich ausnehmend freuen würde, auf Ehrenwort! -- Und wie -haben Dieselben geschlafen?... Wahrscheinlich gut!“ - -Wie schon gesagt, Edmund war, trotz dieser Zuvorkommenheit und -Cordialität des Meister Lips -- an Worten ein Bettler; kaum daß er ihm -alle diese Fragen im Allgemeinen beantwortete; jedoch schien Lips das -nicht zu beachten und fuhr fort, seine Freundlichkeit zu verdoppeln, -zu verdreifachen... so daß es eine wahre Lust war, diesen, an sich so -cynischen Philosophen, jetzt eine Fluth der galantesten Redensarten -ausströmen zu hören. - -Im Ganzen fand eine merkwürdige Aehnlichkeit zwischen Lipsens -gegenwärtigem Betragen und demjenigen statt, welches Herr Theobald -Wurmholzer bei seinem Eintritt in diese Stube angenommen hatte. Die -Sache ist sehr einfach. Sie wiederholt sich bei jedem Gläubiger. Wenn -Euch ein solcher besucht, ist er die Artigkeit und Liebenswürdigkeit -selber -- -- kaum aber habt Ihr mit ihm einige Worte gesprochen, so -wirft er rasch die Maske ab -- -- er will von Euch Geld haben und keine -Worte -- er wird ernst -- grob -- unverschämt -- so zwar, daß Ihr, -die Ihr anfangs die zärtlichsten Freunde zu sein schienet -- als die -bittersten Gegner, als Feinde auf Tod und Leben von einander scheidet. --- -- -- -- Eine merkwürdige psychologische Erscheinung; jedoch sehr -bewährt, sehr bewährt! - -Doch folgen wir ruhig dem Gange des Gespräches unserer zwei Männer und -sehen wir zu, wie sich dasselbe nach und nach entwickeln wird. - -„Allein -- mein theuerster, mein verehrtester, mein süßester Gnädiger --- -- Sie haben mir ja noch gar nicht gesagt, wie Sie so eigentlich -sich fühlen; und doch wissen Sie, welchen namenlos gewaltigen Antheil -ich an Dero Wohlbefinden nehme -- -- Auf Ehrenwort! ich würde lieber -mir selbst meine rechte Hand abhauen -- -- als daß ich Sie nur den -allerleisesten Schaden nehmen sähe. Auf Ehrenwort!“ - -„Ich danke, Herr Lips, ich danke!“ antwortete der Jüngling und setzte -sich neben den Alten, welcher auf dem Sopha Platz genommen...: „Ich -glaube Ihnen schon gesagt zu haben, daß es mit meiner Gesundheit -leidlich steht -- bis auf eine kleine Erregung noch von gestern -her.....“ - -„Ei, ei -- Sie müssen sich schonen, Gnädigster! Wirklich, das müssen -Sie.... So eben bemerke ich, daß Ihr theures Angesicht wirklich Spuren -trägt von -- von -- -- nun gleichviel wovon.... Doch, mit einem -Worte, Sie müssen sich schonen. O wie schade wäre es um einen so -ausgezeichneten Kavalier!“ - -„Sie sind sehr gütig, mein Herr....“ - -„Es ist mein heiligster Ernst, auf Ehrenwort! -- Allein weshalb nennen -Euer Gnaden -- mich heute stets „mein Herr“ und „Sie“ und so fort?.... -Womit habe ich es verdient, daß das trauliche, das ehrende +Du+, -womit Sie zu anderer Zeit mich anredeten und was meinem treuen Herzen -so wohl that -- daß es, sage ich, heute plötzlich verschwunden ist?....“ - -Hierauf erwiderte Edmund nichts. Sein Blick, der starr vor sich hin -gerichtet war, verdüsterte sich immer mehr; denn diese sarkastische -Freundlichkeit des alten Schurken erschreckte ihn mit Recht im -Innersten der Seele... - -„Und wozu,“ fuhr dieser fort, -- „sind hier die Fenster geöffnet, -gnädiger Herr? -- Dies kann für eine so zarte und edle Constitution, -wie die Ihre, sehr nachtheilig werden. -- Und als treuer Freund oder -vielmehr Diener halte ich es für meine Pflicht, dieses große Unglück -nach Möglichkeit zu verhüten.... weshalb ich mir auch die Freiheit -nehme, Ihre Fenster ein wenig zu schließen.... oder aber mich selbst -vor sie hinzustellen, um auf solche Weise mit meinem eigenen Leibe Sie -zu schützen...... Auf Ehrenwort!“ Wirklich ging er hin und that, wie -er sagte; er verschloß die Fenster -- und da eines derselben vom Winde -in der Nacht zerschlagen worden war, stellte er sich da gleich einer -Schildwache auf.... - -„Allein,“ fuhr er fort und balancirte seine Keule auf dem Nagel des -kleinen Fingers -- „allein,“ sagte er und jetzt ließ er dieses ungefähr -20 Pfund schwere Instrument wieder herabgleiten und begann dasselbe in -einem Kreise herumzuschwingen, gerade so als wäre es eine Reitgerte --- --: „ich sehe, daß meine Reden Ihnen Langeweile verursachen -- -Hochgebietender .... und so will ich Sie denn nicht länger mit -ähnlichen belästigen, sondern mich augenblicklich hinwegzaubern -- -sobald ich nur erst noch zwei unumgänglich nothwendige Wörtchen mit -Höchstdenselben gesprochen haben werde. Also: wie steht es mit unserer -Angelegenheit, Durchlaucht? Haben Allerhöchstdieselben jene lumpichten -6000 Holländerchen schon in Bereitschaft gelegt?... und wo sind die -allerliebsten Dingerchen -- damit ich sie berge in meinen väterlichen -Schooß?“ - -Hier nun wieder ging an dem Jünglinge eine Veränderung vor, welche mit -der vorigen in Gegenwart Theobalds, und zwar aus derselben Ursache -entsprungen, eine große Aehnlichkeit hatte... Edmund erhob sich kalt -und ruhig, sein Auge richtete sich fest auf seinen Gegner und sein -ganzes Wesen schien plötzlich jener wunderbaren Fassung theilhaftig -geworden zu sein, welche uns stets vom Muthe -- nicht selten aber -auch von der Verzweiflung verliehen wird. „Herr Lips,“ begann Edmund -mit Würde: „wozu sollen wir diese Sachen in die Länge oder gar in’s -Scherzhafte ziehen. Reden wir ernst und kurz mit einander -- denn bei -Gott! mir ist es sehr ernst um die ganze Angelegenheit. Sie, vermöge -Ihres Scharfblickes und Ihrer Menschenkenntniß (Eigenschaften, die -Ihnen selbst Ihr Feind zugestehen muß) --“ - -Signor Lips verbeugte sich und salutirte mit seiner Keule wie ein -Offizier mit seinem Degen -- - -„Sie können sich unmöglich auch nur einen Augenblick lang über die -Lage, worin Sie mich jetzt finden, täuschen. Sie wissen recht gut -- -daß ich ärmer bin als ein Bettler -- zahlungsunfähiger als ein Kind --- daß ich indessen auch den redlichsten und eifrigsten Willen habe, -Alles zu thun, was in meiner Macht steht, -- und sollte es auch mit -Aufopferung meines halben Lebens geschehen...“ - -Die plötzliche Metamorphose im Wesen des Jünglings hatte auch eine in -dem des Greises hervorgerufen, welche zwar ebenfalls ernst und finster -erschien, dabei jedoch einen Strahl von tiefer Ironie nur um so greller -durchblicken ließ, je mehr dieser unterdrückt werden sollte... - -„Das ist -- wie mich dünkt -- das alte Lied!“ hatte Lips mit tiefer -Stimme gesprochen .... „Dieses alte Lied jedoch behagt mir in diesem -Augenblick so wenig, daß ich, sollte ich es noch einmal hören müssen, -lieber entschlossen bin, die Zither sowohl wie den Zitherschläger in -tausend Stücken zu zertrümmern..... Ist das Deutsch gesprochen...?“ - -Edmunds Lippe zitterte ohnmächtig und wortlos -- sein Athmen, sein -Seufzen, wodurch seine Brust bewegt wurde, glich dem Stöhnen eines -Kranken... er fühlte sich hinsinken und mußte sein Haupt auf die Lehne -des Sopha’s legen -- --. Da begann Lips wieder im strengen Tone: - -„Sie wissen, wie die Sachen stehen -- mein Bester. Ich habe nicht -nöthig, sie Ihnen weitläuftig wiederzukäuen. -- -- Sie sind erstens -zwei Wechsel, jeden à 1500 Dukaten mir zu bezahlen schuldig -- macht: -3000 _netto_. -- Sodann besitze ich von Ihnen einen dritten -Wechsel à 1000 Dukaten -- trassirt auf Ihren Herrn Schwager, den -hochgebornen und insbesondere hochzuverehrenden Herrn Grafen Alexander -von A--x, und angeblich acceptirt von Hochdemselben -- -- was sich -jedoch später als eine Lüge, d. h. eine Namensfälschung -- d. h. ein -Criminalverbrechen zweiter Klasse erwies, denn nicht der hochgeborne -Herr Graf hat seinen Namen geschrieben -- sondern Sie machten diesen -allerliebsten Streich selber... hehehe!.... -- -- Maßen ich jedoch -in meiner Brust kein Felsenherz -- sondern ein so weiches wie -Schwanenflaum trage -- auf Ehrenwort! -- habe ich mich vor einigen -Tagen in dieser Angelegenheit mit Ihnen dahin geeinigt, daß Sie mir -anstatt der auf dem falschen Wechsel notirten 1000 Dukaten -- 2000 -ausbezahlen sollten... was ein wahrhaft christlicher Handel ist..... Da -haben Sie die ganze Sachlage, da den ganzen Casus, wie wir Philosophen -sagen.... Auf Ehrenwort!“ - -Statt aller Antwort schüttelte der unglückliche junge Mensch wie -sinnlos das Haupt -- -- und schlug sodann ein kurzes heiseres Gelächter -auf. -- - -„Was -- Sie lachen noch, mein Bester? -- -- Mir aber, das versichere -ich Ihnen -- ist es in diesem Augenblicke gar nicht zum Lachen .... und -gleichwohl dürfte dazu an mir die Reihe noch eher sein, als an Ihnen. -Dies wollte ich blos so nebenbei bemerkt haben. Und jetzt noch einmal -deutsch gesprochen: Ich bitte mir höflichst 6000 Dukaten aus!“ - -„Ich besitze nicht 6000 Heller --“ - -„Nun wohl, noch deutscher: Sie haben einen reichen Papa -- -- Papa wird -das Sümmchen bezahlen --“ - -„Herr Lips, mein Vater bezahlt für mich nichts. Sie wissen es sehr gut.“ - -„Dann wird Mama es thun....“ fuhr der Wucherer fort und schwang seine -Keule.... - -„Meine Mutter kann es ebenfalls nicht, da die Kasse sich nicht in -ihren Händen befindet....“ - -„Ferner haben Sie eine geliebte und liebende Schwester, mein Freund....“ - -„Auch Cölestine ist nicht im Stande, mir zu helfen....“ - -„... Zuletzt bleibt uns noch immer der Herr Graf von A--x, auf welchen -ja auch dies Haupt-Papierchen ausgestellt ist....“ - -„O -- um aller Seligkeit willen.... mein Herr!“ schrie Edmund auf: -„bringen Sie mich nicht zum Wahnsinn! -- -- Das Alles, was Sie da -vorgeschlagen haben -- hilft zu Nichts. -- Allein, Sie reden immer von -6000 Dukaten .... mein Herr! Habe ich Ihnen denn nicht vor ein paar -Tagen einen +Schmuck+ im Werthe von fast eben so viel überliefert.... -weil Sie mir schon damals mit der Geltendmachung des unglückseligen -falschen Papiers -- zu dessen Anfertigung ich mich in halber -Trunkenheit verleiten ließ -- drohten.... Und diesen Schmuck rechnen -Sie für nichts....“ - -„Ei bewahre!“ versetzte Lips: „wie sollt’ ich das? Halten Sie mich nur -nicht für einen so unbilligen, gefühllosen Menschen! -- Diesen Schmuck -im Werthe von fast 5000 Dukaten gaben Sie mir (Sie müssen sich dessen -noch erinnern,) als blose Abschlagzahlung, weil ich damals von Ihnen -neben diesen dreien annoch im Besitze von zwei älteren Papierchen war --- wir haben die ersteren vernichtet und ich habe mit dem verfänglichen -bösen Rechte gezögert bis zum heutigen Tage, wo Sie mir das Ganze -bezahlen (will sagen diese 3 vorliegenden Wechselchen honoriren) sollen --- oder aber Alles steht wie zuvor. Ist das klar gesprochen?“ - -Nach einigem qualvollen Grübeln versetzte Edmund: „Hören Sie mich, -mein Herr! Um was ist es Ihnen zu thun? -- Um Bezahlung, nicht wahr? --- -- Nun denn: warten Sie noch einige Tage.... mittlerweile werde ich -Gelegenheit haben, mit meiner Schwester -- vielleicht auch mit meinem -Vater zu reden. Denn so geradezu kann ich mit einer solchen Forderung -nicht vor sie hintreten. Der Letztere würde es mir kurzweg abschlagen --- ja, erführe er den vollen Thatbestand -- so wäre es mit mir für -immer aus; meine Schwester aber müßte, angenommen, daß sie Etwas thun -könnte -- die Summe jedenfalls erst zu borgen suchen.... denn sie kann -über ihr Vermögen bis jetzt noch nicht verfügen... Geben Sie mir also -5-6 Tage! Herr Lips -- --“ - -„Fünf bis sechs Tage!“ schrie dieser: „Wo denken Sie hin, das ist -unmöglich! Bis dahin gehe ich ohne das Geld zu Grunde!... Fünf bis -sechs Tage! -- Um Gotteswillen machen Sie mich nicht unglücklich!“ - -„Aber -- mein Herr -- es ist -- --“ - -„Wissen Sie was? damit Sie immer mehr meine rührend gefühlvolle Seele -kennen lernen sollen.... einen halben Tag will ich Ihnen noch gewähren! --- Aber länger ist es mir nicht möglich -- auf Ehrenwort!...“ - -„Das hilft zu nichts! das ist umsonst!“ versetzte Edmund dumpf und -faßte sein Haupt zwischen beide Hände, um zu verhindern, daß es -zerspringe. - -„Nun denn -- noch einen halben Tag dazu! -- Aber auf Ehrenwort!.... -das ist Alles, zu was ich mich als Christ -- ja und wäre ich selbst -Herrnhuther, herbeilassen kann!“ Er schwang seine Keule fürchterlich -im Kreise, daß sie in der Luft saus’te, wie ein großes Mühlrad. -- - -„Erbarmen Sie sich meiner! -- Sie sehen -- ich gehe zu Grunde! Was soll -ich in 24 Stunden ausrichten?.... Sind sie vorüber -- so stehen wir -gewiß noch auf dem alten Fleck, weh mir!“ - -„Weh +mir+! +mir+! ich habe das Recht, dies auszurufen,“ -schrie Lips wild -- und arbeitete mit der Keule umher, wie -Herkules, als er gegen den Nemäischen Löwen auszog.... „Nun denn --- Donnerwetter!“ brüllte der Wucherer und schlug mit ihr jetzt so -gewaltig auf den Boden, daß in den Dielen ein Loch entstand: „so gebe -ich Ihnen denn eine Frist von 48 Stunden -- mein Mann! Aber,“ setzte -er drohend wie ein Caraibe hinzu und rollte gräßlich die Augen: „sind -diese verstrichen und ich habe mein Geld nicht.... dann, mein Mann --- lasse ich Sie durch zwei handfeste Polizeisoldaten holen -- und -Ihnen kurzweg den Prozeß machen wegen Wechselfälschung, Betrügerei, -Erpressung -- und noch einiger andern Nebenumstände... so wahr ich -Sophronias Lips heiße und eben sowohl der Freund der Guten wie der -Schrecken der Bösen bin.... Hier haben Sie mein siebenfaches Ehrenwort -darauf! -- -- Wohlan denn: auf Wiedersehen!“ brüllte er wie ein Orkan. - -Jetzt stürzte er fort -- man hörte draußen nur noch einige -Keulenschläge, die er im Zorne gegen das Pflaster des Ganges machte.... - -„Auf Wiedersehen!“ dies sonst so freundliche Wort hätte kein Teufel -fürchterlicher aussprechen können, als es Meister Lips gethan; es klang -ganz so als hätte er gerufen: „Auf Wiederwürgen!“ - - * * - * - -Die anberaumte Frist war verstrichen. - -Edmund, der nicht vermochte, die 6000 Dukaten aufzutreiben -- war -verschwunden. Niemand wußte, wohin er kam; doch meldete einige Tage -darauf ein Brief, der seinen Eltern von Prag aus zugesendet wurde, -daß er in einer Ehrensache gezwungen gewesen sei, an die Grenze des -Kaiserstaates zu flüchten -- von wo er ihnen jedoch bald weitere -Nachrichten werde zufließen lassen.... - - * * - * - -Ach, welch ein Schlag traf die armen Eltern! Kaum hatten sie den -Brief Edmunds gelesen, als sie von fremder Seite eine ganz andere -Kunde empfingen. -- +Ihr Sohn war der Wechselfälschung und anderer -Verbrechen angeklagt.+ - -Lips war der Kläger. - -Leuben hatte ihn dazu bewogen, indem er ihm die volle Summe von 8000 -Dukaten zu bezahlen versprach und im Augenblick der Denunciation auch -sogleich 6000 bezahlte. - - - - -Drittes Kapitel. - -Der Schmerz der Gatten. - - -Wir müssen uns bei unserer Erzählung nun um einige Tage in der -Geschichte zurückversetzen. Es handelt sich darum, wieder zu Cölestinen -und ihrem Gatten zurückzukehren, und sie in dem Augenblick und an -jenem Orte aufzusuchen, wo wir beide zuletzt verließen. -- Wir wissen, -wie jene furchtbare Scene geendet, in welcher Alexander einen so -unzweifelhaften Beweis für die Untreue seines jungen Weibes erhalten -zu haben glaubte -- wir wissen, daß er damals mit zertretenem Herzen -und vernichtetem Sinne auf sein Zimmer floh und sich in das Dunkel -desselben barg, wo ihm wohler ward, denn die äußere Lichtlosigkeit des -Ortes harmonirte mit der dumpfen Finsterniß seiner Brust. - -Dies ist Alles, was wir von der Begebenheit wissen; hier schnitten wir -uns den ferneren Pfad ab -- hier eröffnen wir uns denselben wieder und -wandeln darauf fort. -- - -Es ist von uns schon in irgend einem andern Buche gesagt worden -- -daß es Keiner versuchen möge, die Qualen eines unglücklich Liebenden -zu beschreiben; denn für diesen Schmerz haben wir keine Worte, für -dies Unglück keine Farben.... Dieser Schmerz ist unbedingt der größte, -der tiefste und der zerstörendste, von dem ein Menschenherz getroffen -werden kann. -- Was sind alle Wunden, alle Qualen, jedes Siechthum des -Körpers... was sind alle Leiden des Geistes und Herzens: Armuth, Noth, -Verbannung, Demüthigung, Verläumdung, verfehltes Streben, verletzter -Ehrgeiz, Verrath des Freundes -- Undank des Kindes -- -- und wie sie -alle heißen mögen, die zahllosen Köpfe der Hydra, welche am Herzen der -Edelsten genagt haben -- -- was sind sie alle gegen die Hyänenbisse -der Eifersucht, gegen die Harpyien-Wuth betrogener, verrathener Liebe. --- -- Jedes Leiden, mag es auch noch so groß sein, hat dennoch seine -bestimmte Begrenzung -- über diesen Umkreis hinaus fängt wieder die -Welt für uns an mit ihren, wenn auch noch so wenigen, Freuden.... Nur -Liebe, Liebe, zertretene Liebe kennt außer sich keine Empfindung.... -denn sie ist so ungeheuer, daß sie den ganzen Raum unseres Daseins -einnimmt -- unsern ganzen Horizont erfüllt. -- Wir haben außer ihr -keine Welt -- keinen Himmel und keine Erde; -- und weil +sie+ -denn so ganz und gar +Hölle+ ist, so leben wir in dieser auch vom -Scheitel bis zur Sohle.... - -Fürwahr, wenn Einer es verdient, daß wir ihm eine Zähre des Mitleids -weihen, so ist es der unglücklich Liebende.... er, der in seinem -größten Schmerze selbst nicht weinen kann. - -Da kommen sie dann, die Tage -- in denen er sich flüchtet in den Schooß -der Wüsten und Einöden -- in Höhlen -- Klüfte und Abgründe und auf -die Gipfel riesiger Berge -- hin, wo die wilden Thiere, der Wolf und -der Steinadler hausen.... bei denen, wie er glaubt, er mehr Liebe und -Treue finden wird, wie unter Menschen.... denn das ist nebenbei auch -sein Fluch, daß er, betrogen von +einem+ Weibe, sie alle, ja die -ganze Menschheit für Heuchler und Verräther hält.... Da kommen sie -dann, die Nächte, in denen allein er wagt zurückzukehren zur Stadt, wo -ihn jetzt keine Menschenblicke vergiften -- und keine Menschenworte -verrathen können.... aber er kommt nicht hierher, um zur gewohnten -Lebensweise zurückzukehren -- um sein Haus zu betreten oder gar seine -Lagerstätte aufzusuchen.... nein, er kam nur, weil ihn unbewußt der -Magnet zurückgezogen hat -- der ihn zwingt, bei +ihrem+ Hause -vorbei zu gehen, wenn sie vielleicht längst schläft -- -- sich -ihrem Fenster gegenüber in irgend einen Winkel zu bergen und es -anzustarren -- mit der Qual eines Verdammten es anzustarren -- hinter -dessen herabgelassenen Gardinen sie den süßen Schlaf der Glücklichen -schläft.... Aber es dauert nicht lange -- so reißt es ihn empor und -treibt mit wilder Gewalt ihn von hier weg -- weit, weit weg -- peitscht -mit Wuth seine Füße, daß sie rennen -- rasen möchten bis an’s Ende -der Welt ...... Jedoch nicht lange verträgt die elende Kreatur diesen -Kampf... sie sinkt nieder -- und wenig fehlt, so würde sie ihren Geist -aushauchen... dessen Leben jedoch aufgespart wird zu neuen Qualen.... - -So war es auch mit Alexander... so litt und kämpfte auch er. -- - -Zwei Tage lang blieb er eingeschlossen in seinem Zimmer, ließ -Niemand vor sich, selbst seine treuesten Diener nicht; was er an -Lebensbedürfnissen für seine körperliche Hälfte brauchte -- ließ er -sich wie ein Gefangener durch die Thür reichen. -- Da erzählten sich -die Diener wunderliche Sagen von ihrem Herrn und was mit demselben -vorgegangen sei -- so wie von dessen Aussehen. Ein in geheimnißvollen -Dingen erfahrner alter Lakai (er hatte früher bei einem englischen -Lord gedient, der viel mit Magnetismus, Sterndeuterei und „andern -schwarzen Künsten“ sich abgegeben) meinte: des gnädigen Herrn -bleiche Miene und sein übernatürlich glänzender Blick -- sodann -die sonderbar eingesunkenen Wangen deuteten bestimmt -- auf einen -Verkehr mit überirdischen Mächten hin, welcher in dem verschlossenen -Studierzimmer, wo all’ die großen Bücher und die wunderbaren Werkzeuge -(Kunstrequisiten) lagen -- stattfände...... Wozu ein anderer alter -Diener mit einer rothen großen Nase, worauf viele kleine blaue -Karbunkel, bemerkte: deshalb höre man zu Zeiten, besonders des Nachts, -auch ein so heftiges Gehen und ein so wirres Hin- und Herreden... -solche außerordentlichen Rufe, und was dergleichen mehr ist. -- Dieser -alte Freund hatte -- wenn er betrunken war, schon so manchen Geist -gesehen... - -Am meisten bestärkte der Umstand die Dienerschaft in ihrem Glauben, daß -ihr Gebieter -- sich standhaft weigerte, seine Frau vor sich kommen zu -lassen, trotzdem, daß sie Tag und Nacht darum flehte.... - -In der That hatte Alexander allen Versuchen, die sie machte, um -zu ihm zu gelangen, widerstanden. Ihre Bitten, ihre Klagen, ihr -verzweiflungsvolles Flehen verhallte vor der Thür und wurde nur von den -todten Wänden, nicht von ihm, vernommen.... - -Am Morgen nach jener verhängnißvollen Nacht, wo er sie mit dem fremden -Manne ertappt, hatte sie vergebens gewartet, ihn bei sich in ihrem -Schlafzimmer, in ihrem Boudoir oder im Gemache, wo sie gewöhnlich -zusammen frühstückten, eintreten zu sehen.... sie hatte nach ihm -geschickt, und als man ihr die Nachricht brachte, er sei noch in -seinem Studierzimmer eingeschlossen -- -- begab sie sich selbst auf -den Weg dahin, um ihn, wie sie glaubte, aus allzuemsiger Arbeit -hervorzuziehen.... Sie gelangte zur Thür: wie erstaunte sie, dieselbe -geschlossen zu finden; jetzt rief sie ihm -- jetzt bat sie ihn, sie -bei sich einzulassen.... da wuchs ihr Staunen, denn er antwortete -nicht. -- Nun glaubte sie, er sei nicht mehr hier, und schon wollte -sie den Rückweg antreten -- -- da hörte sie ihn drinnen einen schweren -Seufzer ausstoßen.... und voll Entsetzen schrie sie auf: „Um Gott! -- -Alexander, was ist Dir geschehen? -- -- Hörst Du mich denn nicht?...“ -Und weil er noch immer nicht antwortete, so rief sie Diener herbei und -gebot ihnen, die Thür mit Gewalt zu öffnen, wähnend, eine Ohnmacht, -irgend eine schreckliche Krankheit habe ihren Gatten überfallen.... - -In diesem Augenblick ertönte drinnen seine Stimme finster und -gebietend: „Mir ist nichts widerfahren! -- Wage es Niemand, in meine -Nähe zu kommen. Ich werde die übrigen Befehle geben!“ -- - -Von dieser Stunde an -- sehen wir das junge Weib fast den ganzen -Tag über und tief in die Nacht hinein sich stundenlang vor der Thür -aufhalten und mit ihren stummen und lauten Bitten, mit ihren Thränen -und Seufzern die Luft erfüllen.... Doch, wie schon gesagt, er, der -Unglückliche drinnen hört sie nicht.... ihn umschließt die glühende -eiserne Mauer seines Schmerzes mit den scharfen Zacken der Schande -umgeben... dieser Wall ist undurchdringlich. -- - -Endlich nach vielem Sinnen hatte Cölestine ein Mittel erdacht. In -einer Stunde -- es war zur tiefen Nachtzeit -- nahte sie sich, wie sie -so oft gethan, still auf den Fußspitzen dem Zimmer ihres Mannes. Vor -der Thür angelangt, horchte sie lange -- sie vernahm außer dem Picken -einer Pendule, die darinnen stand, nichts -- als die tiefen und starken -Athemzüge eines in tiefen Schlummer Versunkenen. Es war Alexander. -Behende holte sie aus ihrem Busen einen Schlüssel hervor, welchen sie -in’s Geheim hatte verfertigen lassen -- und steckte ihn behutsam in’s -Schlüsselloch.... Welches Glück! Er paßte vollkommen -- er drehte sich -ohne Geräusch im Schlosse herum... nach zwei Augenblicken war die Thür -geöffnet.... - -Cölestine stand im Gemache ihres Mannes. Sie schloß sogleich hinter -sich zu, damit nicht ein Windzug die Thür bewege oder von draußen -irgend ein Geräusch hereinschalle. -- Auf dem Tische brannte im düstern -Lichte die Lampe und beleuchtete die Gestalt Alexanders, welcher -angezogen auf einem Ruhebette hingestreckt schlief -- und dessen -gramgebleichtes Antlitz -- worin zwei Tage die Leiden eines halben -Lebens eingezeichnet hatten -- auf die Brust herabgesunken, ihm das -Ansehen eines Mannes gab, der in der Kraft seiner Jahre dahinwelkt -- --- eine Eiche, getroffen vom scharfen Beil. - -Namenloser Schmerz schien die Seele Cölestinens zu durchziehen, als sie -das sah -- und da sie diesem Schmerz keinen Laut geben durfte, war es -ihr, als ob ihre Brust mitten entzwei reißen sollte... - -Da schien der Schlafende sich zu bewegen -- er wandte sein Haupt nach -der Seite und sodann nickte er mit demselben wie zur Bejahung, wobei -seine Lippen murmelten: - -„Ja, ja, gewiß, sie hat mich betrogen!“ - -Diese Worte schnitten Cölestinen durch die Seele -- sie vermochte -sich nicht mehr zu bemeistern -- alle Besinnung, alle Kraft hatte sie -verlassen -- und mit dem lauten Ausrufe, dessen Ton jammervoll klang --: - -„Nein! Gewiß, sie hat Dich nicht betrogen!“ stürzte sie vor ihn auf die -Steine hin.... ohne nur zu wissen, was sie that. - -Alexander erwachte: „Wer ist da?!“ rief er wild auf -- und blickte um -sich... - -„Ich, ich -- Dein unglückliches Weib, bin es! Cölestine, die elendeste -der Frauen, kniet hier vor Dir -- sinkt an Deinem Lager nieder, wo sie -gerne sterben und mit ihrem Tode es bezeugen möchte -- wie sehr Du sie -verkannt....“ - -Mehr vermochte sie, ungeachtet aller Anstrengung, nicht zu sprechen; -- -ihre Lippe schien erlahmt, ihre Zunge dürr wie getrocknetes Laub..... - -Er sah sie von seinem Lager mit seinen glühend düstern Augen, welche -in ihren tiefen Höhlen unbeweglich starrten, an -- er sah sie lange, -lange, stumm und regungslos an -- nach und nach nahm seine leidenvolle -Miene den Ausdruck des Staunens -- der Verwunderung an -- -- ein kaum -merkliches und auch sehr trauriges Lächeln zog sich um seinen Mund, aus -welchem mit tiefem und leisem Tone die Worte kamen: - -„Sie sind es? -- Aber was wollen +Sie+ hier?“ - -Er betonte das Wort „Sie“.... - -„Oh, mein Gatte!“ dieser Ruf rang sich unter Schluchzen und schwerem -Athmen aus ihrer Brust endlich los.... „Oh, mein Gatte!“ wiederholte -sie, indem sie zitternd die Hände emporstreckte. -- -- - -Jetzt richtete er sich auf -- und verließ rasch sein Lager -- trat bis -zur Mitte des Gemaches und sagte hier halbabgewendet -- dumpf: - -„Verlassen Sie mich -- Gräfin!“ - -Sodann ging er zu einem Lehnstuhle und ließ sich hier nieder -- - -„Oh, mein Gott! Mein Schöpfer!“ rief Cölestine mit herzzerreißender -Stimme... rang die Hände -- und bedeckte mit ihnen ihr von Thränen -überfluthendes Gesicht, dessen Muskeln sich convulsivisch zu jenem -entsetzlichen Schmerzensausdrucke bewegten -- welcher mit dem Lachen so -viele Aehnlichkeit hat und den höchsten Grad innerer Leiden andeutet.... - -Eine Pause entstand. - -Cölestine lag noch immer vor dem Ruhebette auf den Knieen, denn sie -hatte nicht die Kraft, den Platz zu verlassen. Er sah sie mit keinem -Blicke an, sondern starrte düster grollend vor sich hin -- auf die -Wand, an welcher ein Bild hing, den Abschied Ulysses von seinem Weibe -vorstellend.... Ein bitteres Lächeln malte sich auf seinem Gesichte, -doch blieb er stumm, ließ keinen Laut seinem Munde entschweben.... - -Jetzt wurden die Klagetöne der jungen Frau zum wilden Geschrei: -„Weh mir Armen!“ rief sie: „Was habe ich verbrochen, daß mich dies -entsetzliche Schicksal trifft?! -- Womit habe ich den Himmel beleidigt --- daß er so grausam mich straft -- dieses namenlose, unmenschliche -Leiden auf mich herabsendet?... Weh! -- Ich vermag es nicht länger -zu tragen... mein Leben droht auszulöschen. -- O du mein Schöpfer, -welches soll denn meine Schuld sein? Rede, rede, Vater im Himmel! Was -ist denn mein Verbrechen?... Etwa, daß ich diesen Mann, den du mir -zum Gatten gabst, liebte -- mehr liebte als mich -- als Vater und -Mutter -- mehr vielleicht selbst als dich!? -- -- -- -- Ja, ja,“ fuhr -sie fort, zusammensinkend auf den Boden -- und sich mit der Hand am -Rande des Ruhebettes haltend -- „ja,“ sagte sie mit gedämpfterem Tone: -„dies ist vielleicht ein Verbrechen -- aber es ist mein einziges, mein -ganzes..... doch ist es ein Verbrechen an dir, o Herr des Himmels, -- --- und darum, darum strafst du mich -- es ist klar!“ - -„Aber,“ fuhr sie plötzlich empor und wieder schienen alle Lebensgeister -ihr Herz zu erfüllen, mit neuer Kraft ihr Wesen stählend: „warum denn -pflanztest du diese rasende, diese wahnsinnige Liebe in mich -- -- wenn -sie eine verbrecherische ist?? -- -- Bin ich,“ schrie sie gewaltig auf: -„jetzt noch immer schuldig?! Redet, verkündet mir es -- -- ihr Himmel!“ - -„Ach -- --“ sagte sie nach einer Weile, traurig das Haupt senkend -und wieder ganz zusammenfallend: „Ihr seid und bleibt stumm... ihr -habt keine Sprache für den Unglücklichen... ihr redet nur mit den -Glücklichen....“ Da riß sie sich heftig vom Orte weg -- auf den Knieen -schleppte sie sich in rasender Eile vor ihren Gatten hin -- zu dessen -Füßen sie mit dem Rufe: - -„So nenne Du, mein Gatte, mir das Wort, welches mich verdammt! So -antworte Du, Mann, den ich so liebte, auf meine Frage? --“ - -Alexander jedoch bewegte sich nicht -- er blieb düster, kalt und stumm -wie eine Bildsäule; erst nach einer Pause schien einiges Leben in ihn -zu kommen, aber nur, um den Arm auszustrecken, um mit ihm gegen die -Thüre zu weisen, so als sollte das heißen: „Fort, fort -- fort von -mir.... ich habe mit Dir nichts weiter zu schaffen....“ - -[Illustration: Seite 70.] - -„Aber,“ rief sie mit erstickter Stimme und umschlang seine Kniee, -„man hört ja den Mörder, den Todtschläger, bevor man ihn verurtheilt -und richtet... ja man redet sogar zu den unvernünftigen Thieren, zum -Hunde, zu einem Pferde, indem man es züchtiget.... Nur mir, mir -gegenüber ist Alles stumm, wie das Grab -- welches sein Opfer auch -verschlingt, ohne ihm davon etwas zu sagen... O, Alexander! nimm mein -Leben hin! tödte mich sogleich -- -- aber früher sage mir, weshalb Du -mich verstoßen hast... denn es muß das verabscheuungswürdigste Laster -sein...!“ - -Hier öffnete sich sogleich der Mund dieses zu Eis erstarrten Mannes: -„Ja -- -- es ist das verabscheuungswürdigste der Laster! Du hast es -selber ausgesprochen -- heuchlerisches Weib! Untreue, Verrath der -ehelichen Liebe -- -- es gibt kein entsetzlicheres Verbrechen, dessen -die Menschenbrust fähig wäre!“ - -„O ewige Vorsicht! -- ich habe es geahnt. -- So hat mein Fürchten mich -nicht getäuscht! ... das, wovon ich am weitesten entfernt bin, wird mir -aufgebürdet. -- Herr meines Lebens! nimm mich zu dir! Denn, schuldlos, -wie ich bin, vermag ich unter so furchtbarer Anklage nicht länger zu -athmen!...“ - -Nach diesen Worten, welche die Arme mit matter, kaum hörbarer -Stimme aussprach -- -- fiel sie auf den Boden hin und verlor alles -Bewußtsein.... - -Sie lag bleich und athemlos da wie eine Leiche. - -Er aber stand auf, nahm sie auf seine Arme und trug sie hinweg aus -diesem Gemache in eines der ihrigen, sodann rief er Cölestinens -Dienerinnen herbei, denen er die Ohnmächtige übergab. Als dieses -geschehen war, verfügte er sich wieder in sein Zimmer, verschloß -diesmal die Thür mit mehreren Schlössern, rückte zum Ueberfluß noch -einen Schrank vor dieselbe und so gesichert vor jedem ferneren -Besuch, abgeschnitten von der ganzen Welt, überließ er sich jetzt den -finstersten seiner Gedanken. - -„Ja, ja,“ sprach er zu sich: „trotz dieses Wehgeschreies und dieser -Verzweiflung -- trotz dieser dreisten und geläufigen Berufung auf -ihren Schöpfer -- trotz aller erschütternden Liebesrufe und rührenden -Betheuerungen der Unschuld .... ist sie dennoch eine Verrätherin. -- -Und eben deshalb eine um so größere! -- -- -- Hab’ ich sie doch mit -diesen meinen eigenen Augen auf frischer That ertappt -- -- wär’ mir -daran gelegen gewesen -- so hätte ich mit zwei Schritten am Schauplatze -des Verbrechens sein und es mit Händen greifen können..... Und -dennoch, dennoch dieser Schmerz, diese Thränen, diese Schwüre, diese -Verzweiflung -- diese Anrufung Gottes.... O, sie ist die abgefeimteste -Heuchlerin, die je von der Erde getragen wurde! Aus ihr könnte man -tausend Verrätherinnen und Giftmischerinnen und Mörderinnen machen..... -Lass’t ihr Blut auf die Erde tröpfeln -- und ihr vergiftet die ganze -Erde -- diesen alten, harten, felsigen Ball, der schon so vielen Uebeln -widerstanden! -- Sie ist ein Teufel mit dem Lächeln eines Engels im -Gesichte und dem Glorienschein einer Heiligen um das Haupt....“ Er -schwieg einige Augenblicke.... „Böses, böses Weib!“ fuhr er darauf -fort.... „Wer hätte das Alles in ihr gesucht?! -- -- Als ich sie zum -ersten Male sah, trat sie als eine jener zarten Jungfrauen, deren Seele -eine Lilie ist, eine Lilie aus dem Garten Gottes -- vor mich .... sie -trat als holde, lieblich-unschuldige Fee, als eine jener guten Feen, -die in alten Zeiten die Schutzgeister der Menschen waren, vor mein -Angesicht -- -- -- -- damals, damals hätte ich, wären die Gedanken -meines Hirnes nur im geringsten fähig gewesen, sie zu beflecken, -den Blitz des Himmels selbst auf mich herabgerufen, daß er mich -zerschmettere.... Damals! Ach, welche Zeiten und welche Gefühle! -- -- -Und jetzt, jetzt! -- -- Wer hätte glauben sollen -- daß trotz ihrer -elysäischen Gestalten und ihrer ambrosischen Düfte jene Zeiten doch -nur von Trug und Verrath geschwängert waren?.... Allein, so ist der -Mensch! Er hofft und vertraut bis zu des Abgrunds Rand -- und glaubt -nicht eher an ihn, als bis er hineingestürzt ist und sich windet mit -zerschmettertem Haupte zwischen Molchen und scheußlichen Ungeheuern....“ - -Der Graf ging lange im Zimmer auf und ab, ohne ein Wort zu sprechen, -ohne nur einmal aufzublicken -- -- aber im Stillen hielt er eine -entsetzliche Gedankenjagd -- -- und die schwarzen Ideen tummelten sich -immer dichter neben ihm -- um ihn und über ihm... sie schlossen ihn -von allen Seiten ein, wie ein wildes Heer von dämonischen Erd- und -Luftgeistern.... - -Da brach der erste Lichtstrahl der heraufsteigenden Morgensonne durch -den Rand seiner Gardinen und traf sein Antlitz.... und als wäre ein -Bote des Ewigen zu ihm herangeflogen und hätte seine Stirne mit -glänzenden Strahlenfingern berührt.... erhob aus dem wilden dunkeln -blutigen Chaos seiner Seele sich ein weißer Gedanke, so daß er schrie: - -„Und wenn sie dennoch unschuldig wäre?!!“ - -„O mein Gott!“ flüsterte er leise: „was hätte ich dann gethan!“ - -Mit dieser Idee entschlief er bald darauf, denn sein Physisches -vermochte nicht länger dieser unsäglichen und abwechselnden An- und -Abspannung zu widerstehen. - - - - -Viertes Kapitel. - -Hoffnung, Verzweiflung, Resignation. - - -Als Alexander erwachte, mochte es bereits wieder gegen Abend sein, -wenigstens umgab ihn im Zimmer eine Dunkelheit, welche nicht allein -durch die ausgebrannte Lampe erzeugt ward. Doch was kümmerte ihn Zeit, -Licht, Sonnenschein -- Finsterniß.... lebte er doch kaum mehr in der -Außenwelt, sondern hatte sich ganz zurückgezogen in den tiefsten -Winkel seines Herzens. Die Idee, mit welcher er eingeschlafen war --- begleitete auch wieder sein Erwachen, und darum war dies das -freundlichste seit vielen Tagen. -- - -Ja, sie konnte dennoch unschuldig sein! -- Trotz aller Beweise, trotz -aller Zeugnisse, worunter die wichtigsten allerdings die seiner -eigenen Augen waren -- konnte doch dasjenige, was schon tausendmal -geschehen war, auch noch dies eine Mal eintreffen: Cölestine konnte -verkannt, verläumdet, sie konnte durch eines boshaften Dämons Gaukelei -verläumdet worden sein. -- Denn ist es wohl nicht schon vorgekommen --- daß man z. B. einen Unglücklichen des Mordes -- eine Unglückliche -der Giftmischerei +überführt hatte+ .... sie starben den Tod des -Gesetzes.... und nach Jahren erwies es sich, daß sie +unschuldig -waren+? - -Ach, die +Liebe+ klammert sich so gerne an einen solchen -Hoffnungsanker an -- und zwar erst dann recht eifrig, wenn des -Sturmes Wuth wild über sie eingebrochen ist. -- Die Liebe, wenn -sie zur Leidenschaft, zur Tyrannei geworden -- lebt in Contrasten -und ist bisweilen fähig, von der rasendsten Eifersucht -- zur -fanatischen Gläubigkeit umzuspringen.... je nachdem diese oder jene -ihr Befriedigung schafft. -- „Nie,“ sagt ein geistreicher deutscher -Schriftsteller,[B] „war eine Liebe echt und tief, wenn dieselbe nicht -fähig ist, heute für denselben Gegenstand zu leben -- für welchen sie -gestern in den Tod gehen wollte.....“ - -Weshalb sollte der arme Gatte nicht den Trost hinnehmen, der ihm -plötzlich wie durch unsichtbare Geisterschwingen zugeweht wurde -- -da dieser Trost seinem leidensheißen Herzen doch so wohl that? -- --- Und daß er ihm kam -- wenn es auch noch so plötzlich, noch so -unerwartet und unbestimmt geschah -- -- wer wird daran zweifeln, wenn -er anders das Menschenherz kennt? -- Kommen und gehen von Augenblick zu -Augenblick nicht die verschiedenartigsten Empfindungen in und aus uns --- -- ohne daß wir wüßten, woher und wohin? -- -- Aber sie kommen doch -und scheiden doch.... das ist gewiß -- -- und es scheint uns dann, als -würde mit einem Male ein Räthsel aufgelöst durch unsichtbare Hände -- --- wozu wir uns lange vergebliche Mühe gaben. - -O -- trotz unseren enormen Fortschritten im Felde der Erkenntniß sind -wir noch lange nicht dahin gekommen, die einfachsten Dinge, welche uns -umgeben, zu verstehen. -- - -Alexander erhob sich vom Lager. Er begann wieder seine Wanderungen -durch’s Gemach. Bunte Bilder flohen vor ihm vorüber -- lange hatte sein -Auge freundlicher Farben entbehrt... - -„Nein, nein!“ rief er aus --: „so sehr kann Lüge die Wahrheit doch -nicht nachahmen!... Sie kann Thränen weinen -- Seufzer ausstoßen -- -sie kann sich im Staube winden und verzweiflungsvoll aufschreien, -daß sie unschuldig sei... sie kann Alles, Alles, was körperlich und -sichtbar erscheint, imitiren, wie wir es am guten Schauspieler sehen; -jedoch sie kann den Popanz, welchen sie geschaffen, nicht beleben --- kann ihm keine Seele einhauchen -- kann ihm jene geistige Gewalt -nicht verleihen, die allmächtig zu unserem Geiste spricht, diesen -zu sich hinreißt, daß er nicht widerstehen kann und sich mit ihr -vereiniget, versöhnt. -- Das, das kann die Lüge nicht! -- Das ist nur -der Himmelstochter Wahrheit vorbehalten. -- -- -- -- Und,“ rief er -frohlockend aus: „ihren Einfluß habe ich erfahren -- -- obgleich erst -jetzt, jetzt dies Bewußtsein in mir aufgegangen.... Cölestine ist keine -Verbrecherin... dies wird mir so klar, daß ich erstaune und mich -verfluche, es nicht längst eingesehen zu haben....“ - -„Allein -- ich weiß schon, weshalb es nicht geschah! Ich +wollte+ -nicht, daß es geschehe... ich widersetzte mich gewaltsam der -Ueberzeugung! Ich Thor -- ich Elender marterte mich geflissentlich mit -Schrecknissen, die nicht sind noch waren.“ - -Voll von dieser neuen Aussicht auf eine neue schöne und blühende Welt --- machte Alexander sich auf und verließ sein Zimmer, entschlossen, -seine Gemahlin aufzusuchen, sich zu ihren Füßen zu werfen und in einer -Fluth reuiger Thränen seine Schuld abzuwaschen; denn er hoffte, daß -Cölestinens, aus einem Himmel von Güte und Liebe bestehendes Herz sie -ihm verzeihen werde.... - -Als er auf den Corridor trat, sah er, daß es in der That bereits -wieder dunkel sei. Im Hause war Alles still -- man rüstete sich -zum Schlafengehen. So gelangte er, ohne gesehen zu werden, vor die -Wohnzimmer seiner Frau. Auch hier herrschte die tiefste Stille -- -auch hier begegnete man Niemand. Alexander glaubte zuerst, Cölestine -sei entweder nicht zu Hause oder sie habe sich in ihre hintersten -Gemächer zurückgezogen -- -- da vernahm er plötzlich ihre Stimme, die -im zweiten Zimmer Jemand einen Auftrag zu geben schien... und obgleich -diese Stimme kraftlos und eintönig redete, hatte er doch folgende -Worte verstanden: „Aber -- um Alles in der Welt, daß kein Auge dies -Schreiben erblickt, noch Euch selbst, die Ihr damit fortgeht. Stanislaw --- ich vertraue Dir hier mein halbes Leben an.... erinnere Dich, daß -Du seit 30 Jahren der treueste Diener unseres Hauses bist.... Vermeide -besonders die Zimmer des Grafen....“ - -Diese leisen Worte machten Alexander fast taub; er, der erst so heiter, -so rasch, so leichtfüßig hierher kam, vermochte in diesem Augenblicke -sich kaum aufrecht zu halten.... Er zog sich seitwärts von der Thür -zurück, lehnte sich hier an die Wand -- und lauerte auf den Boten. -- -Dieser trat wirklich heraus -- aber in demselben Momente stürzte sein -Gebieter auf ihn und entriß ihm den Brief....... - -Er war an den Chevalier von Marsan gerichtet und enthielt folgende -Zeilen...: - - „Ich bin krank und im höchsten Grade geschwächt -- vermag also - nicht an dem bestimmten Orte zu erscheinen; ich hoffe daher, daß - Sie die Mühe auf sich nehmen werden, zu mir zu kommen -- -- -- doch - säumen Sie keinen Augenblick. Es erwartet Sie mit Ungeduld - - Cölestine v. A--x. - - _NB._ Vermeiden Sie es, von den Dienern unseres Hauses - gesehen zu werden -- der heutige Abend ist sehr günstig zu einer - Zusammenkunft, um so mehr, da mein Mann sich noch immer auf seinem - Zimmer eingeschlossen hält.“ - -So war sie also dennoch schuldig! -- -- -- - -Als Alexander diese Zeilen gelesen hatte, glaubte er, die Welt um -ihn und er in ihr werde vergehen. Er befand sich einige Augenblicke -hindurch in einem Zustand, der nicht Leben und nicht Tod -- sondern -eine von jenen schrecklichen Krisen ist, in denen einst das -Menschengeschlecht entweder ganz untergehen -- oder neu und fremdartig -wiedergeboren werden wird. -- - - * * - * - -Einige Stunden darauf lag der Graf in einem heftigen Delirium. Die -widerstrebendsten und gewaltsamsten Stürme dieses Tages und jener Nacht -hatten ihn niedergeworfen. Vielleicht war dieser Ausgang noch ein Glück -für ihn; denn jedenfalls konnte der Wahnsinn ihm keine grauenvolleren -Gestalten vorspiegeln, als wovon das bewußtvolle Leben für ihn jetzt -so reich gewesen wäre. -- So sorgt eine allgütige Natur für ihre Wesen -selbst durch Strafen -- und sie reicht uns oft Gift, um uns vor einem -tödtlicheren, welches wir unwissentlich aus der Atmosphäre eingesogen -haben, zu schützen... - -Der Kranke verlor vom ersten Momente an die Fähigkeit, seine Umgebung -zu erkennen -- und so wußte er nicht, daß Cölestine an seinem Bette -saß und ihn mit zärtlicher Besorgniß pflegte. Sie, die noch vor Kurzem -selbst krank und hilflos da lag, schien jetzt wie durch ein Wunder von -neuer Lebenskraft erfüllt zu sein.... Woher diese Wirkung? Hatte die -Zusammenkunft mit Marsan -- denn er hatte sich auch ohne Aufforderung -fast zur selben Stunde eingestellt -- -- diese Folge gehabt?... War -sie dadurch so glücklich geworden, daß sie in einigen Augenblicken -völlig genas?.... - -Sonst wäre wohl auch Liebe, Zärtlichkeit für einen unglücklichen -Gatten im Stande, eine solche Umwandlung hervorzubringen; -- -- aber -wie sollte man nach einem Briefe wie der obige auf dergleichen rechnen -können? -- - -Es kann jedoch nicht geläugnet werden, daß der Eifer, womit Cölestine -ihren kranken Mann pflegte, einen Ausdruck tiefer und inniger Liebe -hatte -- -- und es trat die merkwürdige Erscheinung ein, daß, je -nachdem sich der Zustand Alexanders augenblicklich zu bessern oder zu -verschlimmern schien -- -- sie im letztern Falle an Kraft zu gewinnen, --- im erstern wieder zu erschlaffen und so zu sagen in ihren vorigen -leidenden Zustand zurückzufallen schien. -- - -Aber wer enträthselt das innere Wesen und den Grund solcher -eigenthümlichen und geheimnißvollen Vorkommnisse in des Menschen -Brust?.. Irren wir doch so leicht im +Deuten+... und können nur -von demjenigen etwas Bestimmtes sagen, was wir +wissen+. Wir -hatten ja eben erst vor Kurzem ein Beispiel an Alexander: es hatte -sich im Widerstreit seiner Meinungen über Cölestine zuletzt eine Stimme -zu ihren +Gunsten+ erhoben.... und schon einige Stunden darauf sah -er seine Prophezeihung so grausam verspottet. -- - -Die Krankheit machte in kurzer Zeit rasche Fortschritte, doch hofften -die Aerzte von seiner kräftigen Natur, daß sie das Uebel langsamer -oder schneller besiegen werde.... da jedoch der Ausspruch eines Arztes -niemals untrüglich sein kann, so war es natürlich, daß eine liebende -und in Angst harrende Gattin nur geringen Trost aus ihm schöpfen -konnte; sah man jedoch Cölestinens Schmerz, so mußte man sie für eine -solche Gattin halten. -- - -Da saß sie durch Tage und Nächte neben seinem Haupte, reichte ihm -Arznei, Tränke -- pflegte seiner mit weinenden Augen und diente ihm -wie eine Magd; denn sie litt es nicht, daß ein Anderer auch nur den -kleinsten Dienst bei ihm versähe, wenn sie hierzu selber Kraft und -Stärke fand. -- -- Unter solchen Umständen mußte das Wort des Arztes -wahr werden und ihr Kummer, ihre Angst, ihre Verzweiflung, vergebens. --- In Alexanders Befinden trat eine sichtbare Besserung ein -- und -nun stürzte die junge Frau auf ihre Kniee und pries Gott im lauten -Dankgebete. -- Wie harrte sie mit zitternder Ungeduld des ersten -lichten und bekenntnißvollen Augenblicks.... dann wollte sie mit -Alexander reden, sich vertheidigen -- und sie hoffte gewiß, daß er ihr -glauben werde.... - -O der Getäuschte! -- -- Er erwachte wirklich, er sah sie mit klaren -Augen an, wie sie vor ihm stand -- die Arme ausbreitete, mit -thränenvollem Antlitz ihm entgegenlächelte und schon den Mund aufthat --- -- -- -- Aber es war ihr nicht vergönnt, weiter zu kommen... Bis -hierher nur erfüllte sich ihre Hoffnung, hier schnitt er sie ihr ab -- -denn sein Vertrauen zu ihr war dahin, seit der Glaube an ihr Herz ihn -gänzlich verlassen hatte.... Vergebens sank sie noch einmal vor ihm -auf die Kniee.... ihr Anblick war erschütternd.... Er aber, der Gatte -deutete ihr an, daß sie ihn verlassen möge -- und als sie dies Gebot -nicht befolgte, sah man seinen Zustand sich augenblicklich auf eine -entsetzliche Weise verschlimmern.... - -„Sie werden ihn tödten, wenn Sie länger hier bleiben,“ bedeutete -traurig der Arzt -- -- und sie ging -- sie kam nicht mehr zu seinem -Lager. - -Einige Tage darauf war er so weit hergestellt, daß er sich nun wieder -erheben und sein Bett verlassen konnte. Er brachte jetzt den größten -Theil des Tages in einem Armstuhl, umgeben von Büchern und Schriften, -zu, worunter ihn besonders die letzteren beschäftigten. -- Besuche nahm -er nicht an -- selbst Briefe ließ er durch seinen Sekretär eröffnen, -und wies jeden, mochte er auch direkt und dringend an ihn lauten, von -sich. Er besaß keine Geheimnisse und überdies hatte der Sekretär sein -volles Vertrauen.... - -Unter den Schreiben, welche anlangten, befanden sich drei von -Cölestine, deren Inhalt uns eben so unbekannt geblieben ist, wie er -es für Alexander und selbst für seinen Sekretär war -- denn dieser -Ehrenmann siegelte sie, ohne sie gelesen zu haben, wieder zu. - -Es war gegen Ende Dezembers, als Alexander Wien verließ, gefolgt nur -von seinem Sekretär und einigen vertrauten Dienern. Er hinterließ für -Cölestine folgendes Schreiben: - - „Gräfin! -- Ich verlasse Sie, Ihr Haus und die Residenz, ohne - Ihnen sagen zu können, wohin ich reise und welches der Ort meines - ferneren Aufenthaltes sein wird. Zu Ihrer Beruhigung -- denn sie - wird wohl nur auf diese Weise zu erzielen sein -- hinterlasse ich - Ihnen beiliegende schriftliche Erklärung, worin +ich mich+ die - Ursache unserer raschen und plötzlichen Trennung nenne und woraus - keine Schuld hervorgeht, die nicht auf mein Haupt fiele; Sie werden - Gelegenheit finden, von diesem Dokument den nützlichsten Gebrauch - zu machen -- und ich wünsche Ihnen herzlich Glück, wenn damit - sowohl Ihre Wünsche wie die Anforderungen der Welt beschwichtigt - werden, woran ich nicht einen Augenblick zweifle. -- -- Alles, was - ich hinterlassen habe, ist zu Ihrer unbeschränktesten Verfügung - gestellt. -- Ihre Verhältnisse bleiben demnach ganz dieselben, - welche sie zu meiner Zeit waren -- -- ich vergesse hinzuzusetzen: - wahrscheinlich werden sie noch weit angenehmer sein; -- ich - verspreche mich abermals: sie werden dies ganz +gewiß+ - sein! -- -- Gnädige Frau.... erlauben Sie mir jetzt eine kleine - Eigennützigkeit. In Anerkennung des Dienstes, welchen ich Ihnen - leiste, lassen Sie mich an Sie die Bitte stellen: falls Sie meinen - Aufenthalt errathen oder erfahren sollten -- so schreiben Sie - mir nicht -- noch schicken Sie eine dritte Person zu mir -- am - wenigsten aber kommen Sie selbst...... Dies wird wohl schwerlich - geschehen -- es ist fast albern, daran zu denken -- jedoch für den - Fall dieser oder jener Möglichkeiten erfahren Sie, daß mein Zorn - dadurch auf’s Aeußerste gereizt und ich zu einer That fähig wäre, - die sowohl Sie als mich entehren könnte. -- Schonen Sie also unser - Beider Namen -- wenigstens von dieser Seite. -- - - Und nun habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als: leben Sie für - immer wohl. - - Alexander Graf v. A--x.“ - -Diesen Brief empfing Cölestine zwei Stunden nach ihres Mannes Abreise, -welche früh Morgens, da noch das ganze Haus schlief, geschah, und -wozu die nöthigen Vorbereitungen bereits getroffen waren. Man wird -begreifen, welchen Eindruck diese Zeilen auf sie machten, sobald man -ihren jetzigen Seelenzustand erwägt. Mit Worten ließe sich unmöglich -ein Gemälde davon geben -- man muß dies Geschäft der Phantasie des -einzelnen Lesers überlassen... Genug an dem, ihrer Gesundheit, welche -in den letzteren Tagen fürchterlich zerrüttet worden war, wurde durch -dies Ereigniß gleichsam der letzte Stoß gegeben.... Die Rollen hatten -sich jetzt umgekehrt; -- sie nahm ihres Gatten Stelle ein... ein böses -Fieber zehrte an ihrem Leben. - -Aber Cölestine besaß keinen so treuen Pfleger, wie ihm in ihr gelebt -hatte.... denn ihre Eltern und ihre Freunde, so theuer sie ihrem Herzen -auch waren, konnten ihr gleichwohl den Verlust eines Gatten nicht -ersetzen. -- -- - -So liebte sie ihn also dennoch? Leider ist es uns noch immer nicht -vergönnt, den Schleier von einem Verhältnisse wegzuziehen, welches -sich erst spät entwickeln soll -- welches noch immer im Werden -begriffen ist, und wobei wir, vermöge unserer schöpferischen -Machtvollkommenheit, und vermöge der Kunstzwecke, die uns bei dieser -Schöpfung leiten -- den Schluß des Processes noch in einige Ferne -hinausgesetzt haben.... - -Welches Aufsehen die Trennung des Grafen von seiner Gemahlin, die eben -so unerwartet wie von außerordentlichen Umständen begleitet war, in den -Kreisen der Residenz erregte, wird man begreifen.... Die Leute _du -bon ton_ waren entzückt, wie sie sich nicht erinnerten, es seit -Jahren gewesen zu sein -- denn da hatten sie ja einen vollständigen -„+Skandal+“. Und da man, wie in der Regel und nach den Gesetzen -der feinen Lebensart geschieht, die Schuld auf den der Gesellschaft -mißfälligen Theil warf, welches -- da die Gesellschaft von Damen -repräsentirt wird -- hier Cölestine war, die man um ihres Glückes -willen haßte, so fing man alsbald an, ihr alle mögliche Vergehungen und -Sünden aufzubürden -- daß sie in wenigen Stunden da stand, wie eine zum -Tode reife Verbrecherin... - -„Ach!“ rief man -- „diese Komödie hat zwar rascher geendiget, als man -erwartete -- jedoch sie hatte ganz so geendigt, wie vorausgesagt -worden war...“ - -„Es war in der That -- ein so vortrefflicher Mann, dieser Graf A--x.... -etwas närrisch zwar und spleenhaft -- -- allein man hielt ihn mit Recht -für einen der geistreichsten Köpfe im Ministerium -- und was für ein -Herz er besaß, bewiesen uns die ersten Zeiten seiner Ehe, welche ihn -so sehr beseligten.... Ach, der Arme! er dachte gewiß nicht, daß es so -kommen würde! Er hat es auch wahrlich nicht verdient!“ - -„O!“ bemerkte das Stiftsfräulein Eugenie von Bomben gegen die Gräfin -von Wollheim -- „ich begreife ganz wohl den Zusammenhang dieses -„+Falles+“, nachdem ich in Erfahrung brachte, man habe die Gräfin -A--x bei der letzten Sitzung des Frauenvereins -- kurz vor Eintritt -ihres „+Falles+“ -- zum Mitglied vorgeschlagen. -- Beim Nero! ich -finde jetzt ihren „+Fall+“ ganz natürlich....“ Und hierbei rieb -sich die huldvolle Dame ihre knöchernen Hände und zeigte lachend ihre -zahnlose Mundhöhle.... - -Was Cölestine betraf, so machte sie keinen Versuch, alle diese Gerüchte -zu widerlegen, welches ihr durch einfache Berufung auf das ihr von -Alexander hinterlassene Dokument doch so leicht möglich gewesen wäre. --- Jedoch von diesem Gebrauch zu machen, lag fern von ihr, eben so -fern wie die Menschenliebe von jenen Herzen, die so schöne Dinge von -ihr ersannen. Was kümmerte sie alles dieses! Was ging sie die Welt -- -was die Ereignisse an, welche außer ihrer Brust stattfanden! -- -- Ihr -eigenes, persönliches Dasein war in diesem Augenblicke an schmerzvollen -Ereignissen reich genug. -- - -Die Krankheit, welche sie überfallen hatte, war eine jener träg und -dumpf fortschreitenden, die sichtbar keine Gefahr drohen und für -unbedeutender angesehen werden, als sie es in der That sind. Es nagt -ein Wurm innerlich an unserem Herzen -- er hat den Kern schon zur -Hälfte aufgezehrt -- während von Außen die Hülle in rosiger Frische -glänzt, gleich der Schale eines Granatapfels...... Cölestine -- -nachdem sie den ersten und heftigsten Anfall, der sie zwang, sich -niederzulegen, überwunden -- trotzte den ferneren dadurch, daß sie -das Lager floh und umherwandelte, als hätte sie die Kräfte dazu; dies -jedoch war auch nur einer so lebensvollen und jugendlichen Natur -wie die ihrige möglich. -- Ihr sonst so heiterer, naturfrischer, so -leichter und geschmeidiger Sinn verhütete es, daß sie in jene stumpfe -Melancholie verfiel, der jedes andere Gemüth unter solchen Umständen -erlegen wäre. Kurz die junge Frau hatte über sich und ihr Uebel bald so -große Herrschaft erlangt -- -- daß sie das letztere in den hintersten -Winkel ihres Herzens zurückdrängen und äußerlich fast eben so heiter, -wie in ihren schöneren Tagen, erscheinen konnte..... - -Sie öffnete ihr Haus jetzt wieder einem Kreise vertrauterer Personen -und ließ sich selbst wieder in jener Welt sehen, die früher, als sie -noch im Hause der Eltern wohnte, die ihrige gewesen war. -- - - - - -Fünftes Kapitel. - -Die Promenade auf der Bastei. - - -Die Promenaden auf der Bastei und in der Stadt auf dem Graben und -Kohlmarkt waren an der Tagesordnung. Um die Mittagszeit sah man -hier die ganze schöne Welt umherstreifen, um ihren beiden höchsten -Verrichtungen obzuliegen: -- zu sehen und gesehen zu werden und zwar in -möglichst ausgedehntem Umfange. - -Ha! Welche große, welche magnifique Welt sich da tummelt und bewegt! -Die Sache ist wirklich viel weniger komisch, als wofür wir sie -anfangs nehmen wollten -- denn wir haben es hier nicht nur mit den -belachenswerthen Seiten der Gesellschaft, sondern mit ihr +ganz+ -zu thun, und dabei gibt es auch noch so manches Stück Ernst. -- Wir -wollen das vollständige Gemälde zu zeichnen versuchen und dabei -+keiner Partie+ vergessen. - -Sehen Sie jene stattliche, große Dame dort: eine Junogestalt! und ihr -Arm in dem eines kleinen, dünnen, feinen Mannes mit einem noch feineren -Lächeln und einem allerfeinsten Augenkneifen. -- -- Kennen Sie dieses -Paar? Es ist eines der bedeutendsten und angesehensten der Residenz. --- Sie werden den Namen des kleinen feinen Mannes mit sehr -- großen -Buchstaben im +Staats+-Schematismus gedruckt finden. -- -- Dort -weiter vorn drei weibliche Gestalten und zwei Herrn, ein älterer mit -grauen und wie’s scheint gepuderten Haaren -- auf der andern Seite ein -schlanker, blühender, kräftig schöner Jüngling. Er ist der Bruder der -zwei jungen Damen, neben welchen er geht und der Sohn jener dritten so -wie des alten Herrn mit den weißen Haaren.... O der Letztere ist auch -ein sehr großer, großer, vielbedeutender Mann, ein berühmter Mann sogar --- und bei dem Allen ein so guter freundlicher, herablassender Mann. -- - -Hat man einmal bei ihm Etwas zu thun gehabt, wird man nie die edle -Güte vergessen, mit der er uns behandelte. - -Auch jene zahlreiche und etwas prunkende Gesellschaft weiter hinten -führt einen hochklingenden Familiennamen -- aber dies ist auch Alles, -was man von ihr sagen kann. Es ist immerhin schön, einen edlen Namen zu -besitzen -- schöner aber ist es, ihn mit neuen Ehren zu umgeben. Die -üppige Pracht, welche hier von den Töchtern des Hauses entfaltet wird, -will noch nichts sagen gegen jenen feenhaften Glanz, womit sie bei -festlichen Anlässen im Salon die Blicke ihrer Gäste blenden. -- -- - -Bemerken Sie die dicke, schwerfällige Frau dort in dem ponceaurothen -Sammtpelze.... und die goldene wurstförmige Kette, die, fast eben -so dick wie sie selbst, um ihren Hals baumelt? -- Das zeigt sich -sogleich, wie es ist. Es ist aber ordinär; es ist plebejisch -- es ist -banquiermäßig. Diese Familie ist reich! Hier haben Sie Alles, was man -von ihr sagen kann; und dies ist viel weniger, als was ich Ihnen vorhin -berichtet habe. - -Ha, wie er mit seinem Geld in der Tasche klappert! Der Herr Bankier -hat sogar in seinen Winter-Oberrock Geld gesteckt. Sein Geld ist die -unsichtbare Leibgarde, mit der er sich stets umgibt -- und ohne welche -er sich niemals für sicher hält. -- - -Dies ist auch eines von den vielen Unglücken des Glückes, d. h. Geldes. --- - -Und jener hübsche ernste Mann im schwarzen Kleide mit der eleganten, -stillen Würde im ganzen Wesen -- und mit dem unaussprechlich -geistreichen Zug im Angesichte, der an die Züge jenes größten Mannes -unserer Zeit und unseres Landes erinnert, dessen Namen ich nicht -auszusprechen wage.... - -Ach, dort erblicken wir +ihn+!! Schnell -- damit uns sein -Erscheinen nicht verschwindet, denn nur selten ist uns sein Anblick -gegönnt. -- O, wie muß das Herz jedes Oesterreichers schlagen, wenn -er bedenkt, daß dieser Mann ihm und seinem Volke angehört. Eine -Göttergestalt! -- Ihr olympischer Blick und Ihr ambrosisches Lächeln -hat die Zeit vollständiger bezwungen, als das Schwert jenes großen -Eroberers, dessen +gewaltigster Feind er+ war. O Fürst, vergönne -dem treuesten Deiner Verehrer -- Dir seine Huldigung darzubringen! - -Ja, hier hat die Macht des Genies sich manifestirt. Lauter als alle -Dichterworte verkündeten es die seinen, daß der Geist der Herrscher der -Welt ist -- -- und Ihr bornirten Priester des Geistes redet noch vom -Zwange desselben. Wie kann derjenige die Geister fesseln, der selbst -der reinste und größte unter ihnen ist? Freilich, der Geistesunflath -ist ihm zuwider -- wie für die reinen Cherubim jene sündigen Geister -ein Gräuel waren, die von ihnen in den Abgrund gestoßen wurden. - --- Immer tauchen neue Gestalten um uns auf. Dies nimmt kein Ende. Stets -neue Schönheit und neue Pracht. -- Ach, zu dieser Promenade braucht man -tausend Augen und ein tausendfältiges Entzücken. - -Aber damit wir auch die Aversseite nicht vergessen, wird es nöthig -sein, zu ihr sofort überzugehen. Hier begegnen wir sogleich lauter -bekannten Gestalten, und da durch dieselben einzeln uns das Ganze -skizzirt wird, dessen Theil sie sind -- so werden wir bei ihnen auch -stehen bleiben und unsere Beobachtungen nicht weiter ausdehnen. -- -Zuerst erblicken wir unsern guten +alten+ Freund (oder, weil -er dies übel nehmen könnte, unsern guten Freund in +seinen besten -Jahren+) -- den Herrn von Althing, ersten Verführer der Residenz -und Despoten aller Frauenherzen; -- da wir bereits seit langer Zeit -von ihm getrennt waren, dürfte uns dies Wiedersehen vielleicht nicht -unangenehm sein. -- O, er ist auch noch immer der Vorige! Keine Linie -fehlt an diesem ausdrucksvollen, herrlichen, reizenden, gefährlichen -Männerbilde! -- da der lächelnde Blick -- das feurig strahlende -Siegerauge -- die hochgeröthete Wange -- der stolze Schnurbart -- der -Hut kühn und ein wenig auf die Seite des +kunstreichen+ Haarbaues -gerückt.... Diese so edeln und herkulischen Gliedmaßen, diesmal in -einen eleganten und stattlichen Oberrock gehüllt.... ein Kaschmir um -den Hals geworfen.... und durch ein Knopfloch blüht eine rothe Blume -so täuschend hervor, daß es wie ein Ordensband aussieht.... ferner ein -Lorgnon in der Hand (obwohl unser Mann, wie er selbst sagt -- +wie -ein Falke+ sieht) -- -- die Sporen, die sind nicht vergessen.... -und auch die Reitgerte nicht, daß es aussehen soll, als habe er so eben -einen Ritt gemacht... was, seiner Behauptung nach, immer vortheilhaft -für einen Mann ist. -- Ihn begleitet ein alter Herr, dessen Gesicht -mit mehr Recht ewige Jugend verkündete, als das Althings -- wiewohl in -diesem Augenblick eine sonderbare Melancholie, die im Grunde zu dem -Gesichte des Mannes nicht paßte, mit der Fröhlichkeit in seinem Wesen -abwechselte. Es ist der Graf von +Wollheim+, unser biederer Jäger -oder eigentlich wackerer Trinker. Er hatte sich, seit sein Schüler, -Freund und guter Genius, den er auch sein „Jüngelchen“ nannte, für ihn -gewissermaßen auf immer verloren war, an Denjenigen gehängt, der außer -ihm der einzige Freund des Entflohenen schien... und welcher, wenn er -auch diesen nicht ersetzte, den Nimrod doch an ihn erinnerte.... und so -eine Art unvollkommener Illusion für die Wirklichkeit bot. - -Lustig war zu gewissen Augenblicken der Anblick dieser Beiden -- er bot -dann einen Contrast, wie man ihn im Leben nicht besser findet.... - -„Ist das Wetter heute nicht köstlich, mein lieber Graf und Freund?“ -denn Althing, der dies sprach, war aller Menschen, die er kannte, -„+Freund+“. „Ist dieser Decembertag nicht schöner als der beste -August, ich meine nämlich, wo die Hitze so groß ist -- daß man es auf -der Straße nicht aushalten kann -- und nichts zu sehen bekommt von der -Welt -- außer etwa ein miserables Quadrat von einigen Klaftern -- durch -sein Zimmerfenster...?“ - -„Ja, gewiß -- +lieber Althing+,“ -- der Jäger hatte in Bezug -auf das Obige denselben Charakter... „ja, Sie haben ganz Recht.... -Uebrigens ist es im December auch zu Hause angenehm -- man erhitzt sich -nicht so leicht, mag man im Zimmer oder im -- -- Kell....“ Er sprach -das Wort nicht aus... sondern glaubte sehr geistreich einzulenken, -indem er hinzusetzte...: „Man kann in dieser Saison auch mehr -+vertragen+, hahahaha! hahahaha!“ -- -- - -„Was meinen Sie damit, bester Graf.... +mehr vertragen+?“ - -„-- Nun -- ich sage: mehr Wei... +Wei+...“ der +Wein+ -wollte nicht so leicht von seiner Zunge gehen -- „Weibesblicke -- -Liebesblicke -- zarte Winke mit schönen Augen und Fingern.... hehe!“ Er -war überzeugt, seine Sachen ungeheuer klug gemacht zu haben.... - -„Ha!“ rief mit einem Male der Andere, der so eben wieder mit dem -Sporren hängen blieb, aber glücklicher Weise nicht in seinen -Beinkleidern -- -- „haben Sie das dort nicht bemerkt ... bester Graf? -Wie?“ - -„Das dort? -- Jenes Gasthausschild da drüben über dem Kanale? Es gehört -dem Hôtel „Zum goldnen Lamm“ -- woselbst man kolossale Rheinweine -bekommt, mein Lieber...“ - -„Ach, welches Mißverständniß!... Rheinwein! -- Wer spricht davon? --- Welche abscheuliche Verwechslung einer ordinären Sache mit dem -extraordinärsten -- göttlichsten Dinge von der Welt. -- Da... sehen -Sie denn noch nicht.... die himmelblaue Pelerine dort! -- -- O, mein -Freund! Welch’ ein Blick war das, welchen ich so eben erhaschte....“ - -„Pah!“ -- versetzte der Jäger, dem wir diese Benennung jetzt nur noch -aus Pietät geben, denn seit so und so langer Zeit hatte er seinem -frühern Geschäft fast gänzlich entsagt und seine ganze Aufmerksamkeit -nur demjenigen, bei welchem wir ihn in dieser Geschichte so zahlreich -begegnet sind, zugewendet... „Pah!“ sagte er, seine heitere Miene -wurde traurig -- sein Blick suchte die Erde, der ganze Mensch war wie -verwechselt.... „Pah!“ wiederholte er nochmals: „was liegt mir an -diesen Blicken -- Thorheiten -- Spielereien...“ - -„Das nennen Sie Thorheit! Spielerei! unglücklicher Mann, dem nie die -süßeste der Göttinnen gelächelt -- sonst müßten Sie mit mehr Ehrfurcht -von ihrem Dienste sprechen.... Aber wie, mein Freund, wollen denn Ihre -Beine nicht mehr vorwärts gehen! Ich muß Sie ja fortziehen...“ - -Wollheim stieß einen Seufzer aus, so tief, als komme er aus jener -Tiefe, in welcher Fässer liegen.... - -„Vorwärts, vorwärts, mein Guter! Sie verderben mir sonst gänzlich -mein Glück -- das so eben im vollen Anzuge ist! Ach, ach! schon -wieder ein Blick! Sie hat sich jetzt mindestens zum siebenten Male -nach mir umgesehen -- -- und wie hat sie sich umgesehen!... Alle -Donner! Die versteht es -- so jung das Püppchen auch noch ist. Doch -heut zu Tage sind wir in diesen Dingen enorm vorgerückt.... Unsere -Töchterchen und Fräuleinchen von 15 bis 16 Jahren -- das sind gerade -die routinirtesten.... Kein Wunder! Sie haben an der Seite Mama’s eine -gute Schule....“ - -Die ganze Antwort Wollheims war wieder blos ein schauderhafter -Seufzer, und sein Gang wurde nachgerade so schwer und lästig, daß -Althing Mühe hatte, mit ihm fortzukommen... „Zum Guckuk... Herr Graf! -was soll das heißen? -- Sie ruiniren mich förmlich! -- -- Sie werfen -mir Felsenblöcke in den Weg -- -- Ach! Ach! -- Schon wieder! -- Nun, -diesmal mußte es ein Blinder bemerkt haben! -- Diese liebe Kleine mit -ihrer himmelblauen Pelerine -- bringt mich ganz in Aufruhr! Das Blut -siedet in meinen Adern... wie es uns jungen Leuten schon bisweilen -geht... denn in unseren Jahren steckt noch ein ganzer Vesuv und zwei -Hekla in unserer Brust... _A propos_, was meine Brust betrifft, -wie finden Sie ihre Wölbung und Breite, liebster Graf? Bei Gott! -kein Flöckchen Watte im Rock... kein Flöckchen! Nun, was sagen Sie?“ -Der Dicke spreitete hierbei seine Brust ungeheuer aus und klopfte auf -dieselbe: „Ja! das ist so fest wie Stahl! Nicht wahr? Reden Sie doch!“ - -Nimrod ließ statt dessen den Kopf auf die Brust fallen -- blieb stehen -und langte sein Taschentuch heraus, mit welchem er, unter Ausstoßung -sonderbarer Laute, die eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Schluchzen -hatten -- über sein Gesicht fuhr und sich die Augen wischte... Er sahe -so fast aus -- wie der König Gambrinus, als er eines Morgens erfuhr, -daß der Hagel seine Hopfengärten zusammengeschlagen habe.... - -Wirklich schluchzte der tapfere Jäger Wollheim in diesem Augenblicke. -- - -Aber der Liebesheld gerieth darüber in einen unmenschlichen Affekt. Was -Geier -- es war auch keine Kleinigkeit -- in diesem Augenblick, wo er -auf einer neuen Siegesbahn so rasch wie Amors Pfeil selbst forteilte, -mit einem _espèce_ von altem Narren stehen zu bleiben und dessen -sentimentalen Firlefanz mit anzusehen. -- - -„Wollen Sie mich denn dem Wahnsinn in die Arme werfen?“ rief er, -vergessend, wo sie sich befanden -- und rüttelte ihn am Arme, daß der -Alte das Gleichgewicht verlor und umzufallen drohte -- jedoch noch -zeitig genug von Althings Armen aufgefangen wurde: „Ach, Sie sind ein -Satan -- in Freundesgestalt! Sie peinigen mich -- Sie bringen mich um -den sichern Himmel!“ schrie dieser. - -„Ich bin -- sehr unglücklich....“ stammelte der Jäger. - -„Aber -- ich nicht minder!“ tobte empört Althing. - -„-- O -- ich habe einen Freund an ihm verloren...“ - -„-- Ich werde bald meinen ganzen Verstand verlieren... oder Sie hier -stehen lassen, Herr Graf!“ - -„Meinetwegen, wie es Ihnen gefällt, Althing. Mich kann jetzt kein -Unglück mehr treffen...“ - -„Aber zum Teufel! so kommen Sie doch! -- Die Pelerine entfernt sich -immer mehr.... sie ist ganz wild über mein Zurückbleiben.... Vorwärts! -Sie können die Begleiterin der Pelerine auf’s Korn nehmen....“ - -„Hol’ sie beide der schwarze Jäger!“ brach mit einem Male Nimrod -wüthend und in seiner ursprünglichen Derbheit aus: „Was gehen mich -diese dummen -- Schürzen da an! -- -- In meiner Brust ist ein so großer -Riß, daß alle Schürzen und Pelerinen der Erde ihn nicht auszufüllen -vermögen... Ach! nach Prag, sagt man, sei er gegangen.... Ich fürchte, -ich fürchte -- er ist in dem verfl-- Duell geblieben und in eine Welt -gegangen -- wo es weder Mosler noch Gumpeldskirchner gibt -- -- Uh!“ - -Althing tanzte fast vor Wuth und Ungeduld -- er drehte seinen -Schnurbart (seit der letzten +heißen+ Affaire hatte er sich wieder -einen wachsen lassen -- und zwar einen, dessen Gleichen man suchen -mußte!), daß dieser Schnurbart auf einer Seite die Farbe changirte oder -besser gesagt: -- seine natürliche bekam.... - -Man muß wissen, daß Althing die Maxime aller Bösewichter seines -Schlages besaß, die, einem merkwürdigen Widerspruch gemäß, einen eben -so großen Drang, eine Dame zu verfolgen, als Scheu, sie anzusprechen, -haben, -- weshalb sie sich gerne bei einem +Begleiter+ Muth holen... -Indeß gründet sich diese Maxime oft auf einen sehr vernünftigen -Umstand: diese Herren suchen sich ihre Kameraden so aus -- daß -sie ihnen bei dem _tête à tête_ nicht schaden können, sondern im -Gegentheile noch ihrer Schönheit als Folie dienen. - -Der Stutzer-Veteran drang deshalb unausgesetzt in Wollheim, mit ihm -weiter zu gehen -- dieser jedoch, als wollte er es ihm zum Possen thun, -bewegte sich nicht von der Stelle -- sondern schien hier erstarren zu -wollen.... - -„O mein Gott! was ist dieser Wollheim für ein Mensch!“ fing Althing an, -der sich jetzt auf’s Jammern zu legen schien, da es auf andere Weise -nicht mehr ging. -- - -„Mensch -- oder nicht Mensch! Lassen Sie mich in Ruhe... und stören Sie -mich in meinen Betrachtungen nicht!“ polterte der Jäger. - -„Aber -- haben Sie denn gar kein Mitgefühl -- bester Graf! -- Sehen -Sie, wie ich Sie bitte...“ - -„Fort damit -- oder ich werde wüthend!“ - -„Theuerster Freund!“ - -„Ich werde grob!“ - -„Lieber Graf und Gönner....“ - -„Ich werde massiv!“ - -„Alter Bruder -- und Kamerad...“ - -„Ich prügle Sie...“ brüllte Wollheim und holte hier mit der Faust in -der That aus; -- wodurch er bewies, daß Sentimentalität und Prügellust -näher beisammen stehen, als unsere Psychologen bisher geglaubt haben. - -Bei den letzten Worten und der sie so ausdrucksvoll begleitenden -Geberde -- sprang der Günstling der Venus entsetzt zurück, wobei ein -Dutzend Menschen, die hinter seinem Rücken vorbeigingen, seinen Sprung -begleiteten -- -- die in ein lautschallendes Gelächter ausbrachen, das -sich bald in der ganzen Umgebung verbreitete. -- Man blieb stehen... -man wollte sich amusiren -- und schon war wieder die Polizei daran, -sich hineinzumischen, als der Jäger plötzlich den Kopf um zwei Zoll -höher als gewöhnlich erhob -- eine grandiose Idee malte sich auf seiner -Stirn; er warf geringschätzende Blicke -- zuckte die Achseln -- und -schlug mit stolzen Schritten den Weg nach dem „Goldnen Lamm“ in der -Leopoldstadt ein. - -Hier ließ er sich ein Zimmer im hintern Hofe geben - - „dort wo jenes altersgrauen - Kellers Zinnen herüberschauen!“ - -ein mäßiges Stückfaß wurde zu ihm hereingerollt -- er schloß sich mit -demselben ein und war für diesen Tag, sowie für kommende Nacht nicht -mehr zu sehen. -- - -Althing hatte sich behende aus dem Menschenknäuel losgewickelt, er war -den Blicken entschwunden, bevor diese Zeit hatten, sich von dem weit -interessanteren Objekte, dem Jäger -- abzuwenden... er eilte, flog in -Sturmesschritten der himmelblauen Pelerine nach. -- - -Jedoch sie verdiente es auch. Es war eine köstliche Blondine von 16-18 -Jahren oder etwas drüber. -- Allein unser Althing war auch ein Kenner, -das mußte man ihm lassen. Wäre Alles bei ihm so vortrefflich bestellt -gewesen, wie diese Eigenschaft -- dann freilich würde er weit seltener -in die Lage gekommen sein, schrecklich immer nur in Illusionen zu -schweben -- was indeß für ihn keineswegs ein Unglück zu sein schien, -denn er hatte das Talent, nicht daran zu glauben -- -- er hatte das -seltene Vermögen, aus allen Unglücksfällen zusammengenommen sich erst -so recht sein Glück herauszubilden: er war dem Schicksal gegenüber die -personifizirte Ironie. - -Endlich holte er seine Pelerine ein: „Allerliebst!“ rief er sich zu: -„sie hat sich so eben wieder nach mir umgesehen! Ihr Auge schien mich -schmelzen zu wollen. -- Hehehe! Das Glück, Freund Althing, kennt weder -Ziel noch Maaß... Dies ist heute schon die dritte, welcher ich zugleich -in den Weg laufe und die mich nicht mehr losläßt.... Aber ist das auch -recht von dir, Spitzbube von einem Don Juan? -- Du liegst bis über die -Schultern bereits in andern Liebesfesseln -- man hofft auf deine Treue --- man würde unglücklich werden, falls man dich des Gegentheils fähig -hielte -- -- man würde sich den Tod um dich geben... und dennoch läufst -du da dieser kleinen Schelmin nach -- -- die bereits heute die -- -- -ach, ich vergesse es immer -- die wievielte sie sei -- ja richtig, die -dritte ist sie! -- Bei meiner Annehmlichkeit! Das ist nicht recht -- -das!!... Und jetzt ist gerade die Stunde, wo sie mir, meine holde Nina, -das Rendezvous geben will, Nina, die mich seit vier Tagen bei sich -empfängt, in ihrem kleinen Zimmerchen -- -- welches Zimmerchen sattsam -unsere beiderseitigen Schwüre gehört hat.... u. s. w. u. s. w. -- --“ - -Er sprach hier die volle Wahrheit, -- das Alles verhielt sich wirklich -so, wie er sagte; diese Nina empfing ihn in der That bei sich, -schwur ihm in der That heiße Liebe und ewige Treue -- gab ihm große -Beweise.... wie sie das jedoch meinte, wird sich später zeigen... - -Althing ging jetzt dicht hinter der blauen Pelerine einher, sie -mußte, falls sie sich jetzt noch einmal umsah, unmittelbar in sein -rothglänzendes Gesicht, gleichsam wie eine blutig aufsteigende -Sonnenscheibe, sehen -- -- und es ließ sich erwarten, daß dadurch ihre -Augen geblendet würden.... Wirklich geschah dies ganz so. Sie sah sich -um, sie fuhr erschrocken zusammen vor Althings Strahlenangesichte.... -sie bedeckte sich obendrein auch noch die Augen.... kurz unser Dicker -glaubte das Recht zu haben, so zu sich zu sprechen: - -„Ah! Ah! -- das ist zu stark! -- Das hätte die Welt sehen sollen! -- -O warum ist in diesem Augenblick hier nicht das Menschengeschlecht -versammelt, um Zeuge meines Triumphes zu sein!... Bei Gott! Venus, --- meine Beschützerin! so Etwas ist einer einfachen Mannsperson noch -gar nicht passirt! -- Das sollte gedruckt, -- unbedingt gedruckt, -oder noch besser -- in Erz gegossen werden, um der Unsterblichkeit -anheimzufallen. -- Aber, ach! Was sollte +dir+ unmöglich sein, -mächtiger Althing! -- In der That -- -- ich fange an, rasenden Respect -vor mir selbst zu bekommen und mich für eine Art von Auserwählten -des Himmels zu halten ... für ein Wesen, das mehr ist als Mensch... -für einen Halb- oder wenigstens Viertels-Gott ... Schade, daß ich -die nähere Eintheilung dieser mythologischen Materie nicht genauer -kenne. -- Und warum,“ fuhr er fort, immerwährend seinen Platz -hinter der jungen Dame behauptend -- „schlägt sie jetzt mit ihrer -Gesellschaft diesen Seitenweg da ein?... Ach! sicherlich will sie -in’s Paradies-Gärtchen gehen -- in den Salon -- ein abgesondertes -Kabinetchen... hehehe! hab’ ich’s nicht errathen? -- Freund Althing... -ich sage Dir: du wirst in Zeit von einer Viertelstunde die Seligkeiten -der hohen Olympier genießen -- unter deren Zahl du gewissermaßen auch -schon gehörst....“ - -In diesem Augenblick betraten jene Damen wirklich das Paradiesgärtlein, -jedoch hielten sie sich in dem dortigen Etablissement nicht auf, -sondern durchschritten dasselbe, um sich hinten durch die Burg nach der -Stadt zu begeben... „Gleichviel!“ murmelte Althing: „der Ort macht es -nicht aus -- sondern die Gelegenheit. -- Wahrscheinlich will sie einen -bessern Platz finden.... oder aber, was noch möglicher ist -- ihre -Gesellschaft, worunter mir eine Mama zu sein scheint, gibt es nicht zu, -steht ihr im Wege... Nun, wir werden bald sehen -- was so viel heißt, -als +siegen+!“ - -Endlich in einem Gäßchen zwischen der Bastei und der Stadt blieb die -Pelerine mit ihrer Begleiterschaft stehen: „Aha!“ lachte der Dicke: -„jetzt wird’s losgehen! Mache dich gefaßt, Althing! Ueberwinde sie! -Werfe sie in einem Augenblick zu deinen Füßen....“ - -Die Pelerine drehte sich um -- -- und winkte ihm... „O! das hatte ich -erwartet! die Festung ist erstürmt!“ Kaum hatte er dies gesagt -- so -trat er vor das Mädchen hin und verbeugte sich mit einer lächelnden -und stolzen Miene, die einem Cäsar wohl angestanden hätte: „Sie sind -sehr gütig, mein Fräulein,“ begann er in vornehm-nachlässigem Tone --- -- und lüftete den Hut ein wenig.... „Sie kennen mich gewiß schon -längst!“ fuhr er mit einer kühnen Ueberzeugung von seiner berühmten -Liebenswürdigkeit fort. - -„Mein Herr von Althing,“ entgegnete das Mädchen: „Sie haben es -errathen.... der Ruf Ihrer Eigenschaften ist bis zu uns gedrungen -- -und erfüllte mich seit jener Zeit mit der lebhaftesten Begierde, Sie -kennen zu lernen.... Deshalb erlaubte ich mir auch -- Ihren Blicken -und Winken auf der Bastei -- (wenn ich sie anders recht verstand,) -nachzugeben -- und hier diesen weniger bemerkten Ort aufzusuchen -- -- -um -- um mit Bewilligung meiner guten Mutter ... die ich Ihnen hiermit -vorzustellen die Ehre habe --“ - -Man verbeugte sich beiderseitig; der Stutzer sah sich einem alten -Monstrum gegenüber, das geeignet war, Schrecken einzuflößen... - -„Also mit Erlaubniß meiner Mama,“ fuhr das Mädchen fort -- „habe ich -gewagt, Ihnen Gelegenheit zu geben -- --“ - -„Damit ich,“ fiel Althing mit jener Emphase ein, der man geflissentlich -einen künstlichen Anstrich gibt, um die Leute glauben zu machen, man -verstünde sich in solchen Affairen meisterhaft zu benehmen und sei -des Sieges schon im Voraus gewiß: „damit ich Ihnen die zärtlichen und -glühenden Empfindungen, von welchen diese Brust voll ist.... so, daß -das Herz davon in Flammen aufgehen muß...“ - -„Lassen wir das!“ lächelte die Jugendliche: „und kommen wir auf andere -Dinge -- --“ - -„Nein, nein! denn meine Seele, mein ganzes Wesen ist von Ihrem Bilde, -von Ihrer Liebenswürdigkeit, von Ihrem Zauber hingerissen... und vermag -nicht zu leben...“ - -„-- Muß vergehen -- nicht wahr? hahaha! -- Nur weiter, mein Herr.“ - -„-- Ich müßte vergehen -- sterben vor Schmerz und Verzweiflung -- wenn ---“ - -„Weiter, weiter!“ - -„Sie können noch spotten -- können so kalt sein -- da ich glühe und -brenne -- und fast zu Asche werde....“ - -„Das sind die gewöhnlichen Phrasen...“ - -„O halten Sie mich nicht für einen gewöhnlichen Thoren -- und dieses -Gefühl in meiner Brust für kein alltägliches. -- Ich schwöre bei meiner -Seligkeit, daß ich zum Sterben Sie liebe -- nur Sie ganz allein!...“ - -„Aber Sie haben mich ja noch nie gesehen!“ - -„Wie können Sie nur so Etwas denken. Ich kenne Sie seit sehr langer -Zeit -- und gleich Ihrem Schatten schleiche ich Ihnen -- freilich aus -Scheu ungesehen -- nach.... Wo Sie sind, bin auch ich -- ich kann nicht -leben ohne Dich, angebetetes, englisches Wesen.... Du lehrtest mir -die Liebe kennen -- früher war ich unschuldig und unerfahren, wie so -mancher unter uns Jünglingen... Du warst das erste Frauenbild, zu dem -ich wagte, die Augen aufzuschlagen .... Liebe mich -- oder mein Loos -ist schauderhafter Tod!“ - -Bei diesen Worten, in die sich zuletzt unwillkührlich die angeborne -Verliebtheit des alten Gecken mischte -- fiel er, trotz December und -Schnee, vor das Mädchen auf die Kniee -- breitete die Hände aus wie ein -betender Bramine -- verdrehte die Augen und flüsterte mit möglichst -matter Stimme: „Oder den Tod! den Tod! --“ - -In diesem Momente erhob sich um ihn ein lautes Gelächter und eine Dame, -für welche unser Ritter bisher keine Aufmerksamkeit hatte -- da sich -diese derselben geflissentlich zu entziehen wußte, trat vor, schlug -ihren Schleier zurück (solche Damen tragen bisweilen auch im Winter -Schleier) und rief: - -„So also! dies ist die Treue, welche Sie mir angelobten! So halten Sie -also Ihre Versprechungen -- Ihre Schwüre!... O es ist schändlich, Herr -von Althing! -- es ist schändlich, ein Mädchen auf diese Weise -- vor -ihren eigenen Augen zu hintergehen! -- Es ist entsetzlich... und nie -wird Ihnen das der Himmel verzeihen!“ - -Der dicke Held glaubte unter die Erde zu versinken. Er sah -- +Nina+, -seine +Nina+ in leibhafter Gestalt vor sich. - -„Ich wollte,“ begann sie heftig: „Sie auf die Probe stellen! Und so hat -man also bestanden? Glaubt man mit einem armen Mädchen blos sein Spiel -treiben zu dürfen!... Zuerst macht man sie verrückt vor Liebe -- -- und -dann und dann -- --“ - -Er hatte sich jetzt aus dem Schnee erhoben, aber seine Beinkleider -waren durch und durch naß...: „O, mein Fräulein -- o, geliebte Nina!“ -wandte er sich mit flehender Geberde und gesenktem Haupte an diese: -„Verzeihung -- theures Wesen! Engel in Menschengestalt -- Verzeihung -für diesen Fehltritt.... welcher, bei allen Göttern! der erste meines -Lebens ist. O, verkennen Sie mich nicht.... beurtheile mich nicht -falsch, mein süßes Täubchen -- meine Geliebte! Suche dem Dinge auf den -Grund zu kommen -- und Du wirst finden, daß ich -- -- nur in einer Art -von Geistesabwesenheit dieser Dame da eine Liebeserklärung machen -konnte. -- Wahrhaftig -- mein Kopf -- mein Hirn -- mein ganzes Wesen -ist so sehr mit Dir beschäftigt, daß ich durch vieles Denken an Dich, -wie’s scheint, mein Denkvermögen geschwächt habe... daß ich verwirrt -wurde... daß ich ein Thor wurde -- ein Narr -- ein dummer Teufel -- -oder was Du sonst willst.... O! wie bereue ich das Alles! Könnt’ ich es -ungeschehen machen -- mein halbes Leben wollte ich drum hingeben -- und -bei meinen Jahren habe ich noch eine schöne Strecke Zeit vor mir! -- -- -Oh! Oh! ich Unseliger! ich unerfahrner junger Thor!“ - -Die Gesellschaft konnte das Lachen nicht bezähmen -- man nahm die -Taschentücher zu Hilfe, um die Gesichter dahinter zu verbergen. -- -Althing, in seiner Consternation, nahm dieses jedoch anders: „O!“ -schrie er mächtig auf: „Sie weinen -- meine Verehrtesten! Weint denn -heute die ganze Welt? -- Es ist fürwahr ein trauriger Tag! -- Und auch -Nina -- meine angebetete Nina weint... sie schluchzt -- ihre Brust -- -ihre Schultern -- ihr ganzer Körper schluchzt -- -- und ihr schönes, -liebes Gesicht wird mir durch das Tuch entzogen... Doch, ja, ich habe -es verdient! Ich klage mich an! Ich verabscheue, ich verachte mich! --- -- O!“ schrie er abermals auf -- und fiel, trotz der durchnäßten -Beinkleider (er trug jedoch unter ihnen dreifaches Flanell und noch -überdies Watte), abermals in den Schnee: „O! mir kann niemals verziehen -werden! das seh’ ich... Niemals, niemals! -- Ich werde nicht mehr -geliebt, mein Glück und -- Alles ist dahin!“ - -Jetzt endlich reichte Nina ihm die Hand -- und sprach hinter dem -Schnupftuche hervor: „Nun denn -- es sei Dir verziehen, Treuloser! Du -verdienst es zwar nicht und ich sollte Dich ewig hassen -- Dich fliehen --- -- aber, mein Herz spricht so laut zu Deinen Gunsten... daß ich -nicht umhin kann...“ - -„Ah!“ jauchzte Althing und fuhr mit einem lebhaften Satze in die Höhe: -„Du Engel! Du Engel! -- Sie hat verziehen! Sie nimmt mich wieder zu -sich auf.... Ach! ich wußte es wohl,“ murmelte er vor sich: „mir -widersteht man nicht! -- -- ich bleibe allemal Sieger, Ueberwinder! -- --- Doch,“ sagte er zu der Gesellschaft -- -- „da Sie, meine Damen,“ -- -es war nämlich noch eine Vierte da -- „Zeugen waren, sowohl von unserm -Zwist als auch von unserer Versöhnung -- -- so werden Sie, wie ich -hoffe, es mir nicht abschlagen, wenn ich Sie einlade, diesen Tag durch -irgend ein frohes Fest zu verherrlichen. Ich denke, wir könnten uns, so -wie wir da sind -- in die Wohnung meiner geliebten Nina verfügen, und -dort zusammen im fröhlichen Vereine -- ein kleines Mahl mit Champagner -einnehmen. Was sagen Sie dazu?“ - -„Angenommen, angenommen!“ erhob Nina ihre Stimme und wie ein Echo -wiederholten die drei andern Huldinnen: „Angenommen! Angenommen!“ Man -ging. -- - - - - -Sechstes Kapitel. - -Immer noch Promenade. - - -Noch war die Promenade der _beau monde_ nicht zu Ende. Im Gegentheil -ostentirte sie jetzt, da das bürgerliche Element sich ausgeschieden -hatte, um zu Tische zu gehen -- ihre interessantere, fashionablere -Seite. -- Sie erhob sich aus einem mechanischen und materiellen -Umhertreiben -- zur Conversation im Freien. Und jetzt sehen wir uns -gezwungen, jene Gestalten und Charaktere, welche wir zu Anfang des -vorigen Kapitels eingeführt haben, wieder herbeizurufen, da dieselben -nunmehr die agirenden Hauptfiguren geworden sind... - -Umgeben von einem Zirkel älterer und jüngerer Personen, worunter -illustre Namen der Residenz -- schreitet Herr von Marsan langsam den -Wall entlang, indem er in einer Auseinandersetzung begriffen scheint, -an welcher seine ganze Suite, man möchte sagen, mit Andacht theilnimmt. --- Dieser Cavalier, den wir seit einiger Zeit aus dem Auge verloren -haben, spielt jetzt in der höchsten Welt der Hauptstadt eine Rolle vom -höchsten Range. Dies mächtige Emporkommen hat er nicht blos seinem -Namen, seinem Reichthume und seinem Geiste oder seiner Schönheit zu -danken -- sondern vornehmlich den mehrfältigen Affairen, in die er -während der letzten Zeit sich als Hauptperson zu verflechten wußte -- -und worunter die Angelegenheit zwischen dem Grafen A--x und Cölestine --- nur eine einzelne war; denn in Bezug auf diese sprach alle Welt ihm -die Initiative zu, nannte ihn die veranlassende Ursache der Trennung --- und setzte hinzu: er sei noch immer der Geliebte Cölestinens, die -nur um seinetwillen ihr Schicksal mit so großer Heiterkeit zu tragen -wisse. -- Unter seinen andern Liaisons war eine zweite von eben solchen -eklatanten Folgen gewesen -- nämlich sein Verhältniß zur Herzogin -von S--; Marsan, von einem ihrer früheren Anbeter gefordert, schoß -diesem eine Kugel so durch den Kopf, daß der letztere in hundert Stücke -auseinander flog, gleich einem Apfel. -- -- - -Der Chevalier hatte in der That, und zwar nicht nur in Wien, sein -Renommée als Schrecken der Männer, wie als Abgott der Frauen, mit -einem Worte als Muster eines vornehmen Mannes, eines _grand seigneur_ -von altem Schlage zu behaupten gewußt. -- Wenn ihm indessen sein -stolzer, vornehmer und überlegener Charakter bei seinem Geschlechte -viel verdarb, so wußte er zur gelegenen Zeit durch eine Menge von -Talenten Manches wieder gut zu machen -- und hatte er z. B. heute einen -Nebenbuhler bei der oder jener Frau besiegt, so versöhnte er ihn morgen -dadurch, daß er einer andern Leidenschaft desselben schmeichelte: einen -Reiter ließ er beim Wettrennen den Preis gewinnen -- an einen Spieler -verlor er Geld -- einem Dritten ward er in dessen Carriere behilflich, -so daß am Ende alle Mißtöne um ihn herum sich zur schönsten Harmonie -auflösten: diese Harmonie sang sein Lob und es wiederhallte in der -Welt.... - -Indeß würde man irren, wenn man glaubte, der Chevalier verstände nur -auf diesem wenig erhabenen Felde Lorbeeren einzuerndten; -- das, was er -im Salon einer großen Dame war, galt er auch im Kabinet eines großen -Herrn, denn seine Hilfsquellen waren unerschöpflich, und sein Charakter -im Sinne der großen Welt allseitig. Er wäre als Geschäftsmann, als -Staatsmann vielleicht nicht minder groß geworden, wie er es jetzt -als einfacher Weltmann war -- und obgleich er vorgezogen hatte, die -letztere Stellung einzunehmen, so sah er doch recht gut ein, daß er -dieselbe nicht werde behaupten können, ohne von Zeit zu Zeit den Arm -in die andere Sphäre hinüberzustrecken oder gar einen Schritt auf -das jenseitige Territorium zu thun. -- Daher sagte das Gerücht nicht -zu viel, welches ihn in letzterer Zeit irgend einen diplomatischen -Auftrag übernehmen und deshalb so fleißig in den Häusern fremder -und hiesiger Minister aus- und eingehen ließ. Dieser Auftrag mußte -außerordentlich mysteriöser Natur sein, denn so viel sich die Fama der -guten Gesellschaft sich auch Mühe gab, ihn zu errathen, es wollte ihr -durchaus nicht gelingen. - --- Ohne uns mit dem eigentlichen Inhalte der Conversation, welche im -jetzigen Augenblicke zwischen Marsan und jener Gesellschaft, von der -wir ihn begleitet sehen, stattfand, zu befassen, müssen wir dennoch -bemerken, daß dieselbe auf doppeltem Gebiete umherstreifte, und ihn so -recht in den Brennpunkt seiner gesammten Fähigkeiten -- an die Spitze -der Bestrebungen seines ganzen Standes stellte. Er glänzte hier mit -seinem Geiste erstens als Cavalier und zweitens als Mann von Geist und -politischem Einfluß -- -- er beschäftigte den ganzen Kreis mit den -mannigfachsten Dingen -- und während er diesem Herrn seine Ansicht über -den Unterschied zwischen Patschuli und Moschus mittheilte -- ließ er -gegen jenes Mitglied des diplomatischen Corps eine feine politische -Anmerkung fallen, in einer Sprache, welche kein Anderer verstand.... - -„Zum Henker!“ flüsterten etliche junge Attaché’s am äußersten Flügel: -„dieser Mensch kann Alles.... mich dünkt, er würde sogar auf einem -Seile tanzen...“ - -„Er wird dies nicht nöthig haben, um sich früher oder später den Hals -zu brechen!“ meinte Einer, der zu den Wenigen gehörte, die Marsan sich -noch nicht verbunden hatte... - -Die Sache war, daß der Chevalier den Grundsatz hatte, sich auch eine -gewisse Anzahl +Feinde+ zu erhalten, da auch sie für einen Mann -der großen Welt unentbehrlich sind. -- - -In einiger Entfernung von dem Chevalier bewegte sich eine andere -Gesellschaft. Es befanden sich hier die Generalin E--z, Herr von -Labers, die Gräfin Wollheim an der Seite des Fräuleins Eugenie von -Bomben, dieser frommen Seele der abendländischen Christenheit. - -Die Rede war von demjenigen, den man seit zwei Stunden beständig vor -Augen hatte... von Herrn von Marsan. -- Man erörterte so eben den -traurigen Fall in des Grafen von A--x Hause, und Herr von Labers hatte -ihn eine von jenen Schickungen genannt, womit die Gottheit bisweilen -gute Menschen heimsucht, um ihre Kraft zu erproben und zu stählen -- -oder auch um sie nach dem Kampfe des Sieges um so froher werden zu -lassen. -- Jedermann stimmte in diese schöne Ansicht ein... nur das -Stiftsfräulein lächelte still vor sich hin, indem sie die Achseln -zuckte, was ihr um so leichter fiel, als diese schon von Natur schief -und „nervös“ waren. - -„Die Oede und Melancholie in den Häusern des Generals Randow und -seiner Tochter -- läßt sich durch das eifrigste Bestreben, das vorige -Leben in sie herbeizuzaubern -- nicht unterdrücken.... Es zieht ein -schlimmer Geist durch diese Hallen, trotz aller geweihten Kerzen, die -darin brennen, und die einen Tag erlügen wollen,“ -- bemerkte die alte -Wittwe des Feldmarschallieutenants; sie schloß mit den Worten: „Dieses -Unglück hat sogar mich erschüttert -- diese Trauer hat sich sogar mir -mitgetheilt.“ - -„Aber,“ sagte Gräfin Wollheim, „wie konnte man nur so grausam sein, und -das Räthselhafte in dieser Begebenheit dadurch erklären, daß man Herrn -von Marsan mit ihr in eine Verbindung brachte, welche Verbindung --“ - -Hierbei fiel Herr von Labers ein: „durch die Würde der jungen Gräfin -hinlänglich widerlegt ist. -- Ach, wir leben in einer Zeit, die sich -mit Gewissen und Ehre bereits so weit abgefunden hat, daß man beide nur -mehr dem Namen nach gebraucht.... Man könnte unsere Epoche, ähnlich -wie man frühere die des +Glaubens+ -- des +Schwertes+ -- der +Barbarei+ --- der +Philosophie+ -- der +Umwälzungen+ -- nannte: eine Epoche der -+Lüge+ oder des +Wahnsinns+ nennen.“ - -„Man geht so weit, zu behaupten,“ nahm Gräfin Wollheim wieder das Wort: --- „Graf Alexander habe gegründeten Verdacht -- Beweise sogar, daß -Cölestine --“ - -„Entsetzlich! Und so Etwas behauptet man wirklich?“ rief die Generalin -E--z. - -„-- -- Und mit Recht!“ flüsterte das Stiftsfräulein der Gräfin zu: „Mit -Recht!“ Die edle Menschenfreundin konnte die Vertheidigung der Tugend -nicht länger mehr anhören.... - -„Was hat man nicht Alles bereits in der Welt behauptet!“ sagte Labers -lächelnd: „dergleichen Gerüchte schaden jedoch nicht mehr... Der, -welcher sie spricht, so wie der, welcher sie hört, glauben Beide nicht -mehr an sie.“ - -„Der Graf soll für Cölestine ein Schreiben hinterlassen haben.... worin -er Punkt für Punkt seine Anklage vorbringt... da soll es unter Anderem -auch heißen: er habe mit eigenen Augen die Zeichen bemerkt, welche -Cölestine mit dem Chevalier auf irgend einem Balle gewechselt...“ - -„Die Zeichen waren +handgreiflich+,“ flüsterte die Stiftsdame.... - -„Ferner,“ fuhr die Gräfin fort: „gleich nach diesem Balle habe -Cölestine mit dem Chevalier eine geheime Zusammenkunft gehabt...“ - -„In ihrem eigenen Boudoir -- oder vielmehr Schlafzimmer, und zur -Nachtzeit, da Alles schlief... sie war drei volle Stunden mit ihm -eingeschlossen; -- ihr Mann hat sie auf dem Verbrechen ertappt -- ihr -Wesen -- ihre Kleidung befand sich in einem Zustande...“ - -„Still doch!“ bedeutete die Gräfin der zischelnden Schlange. „Auch,“ -wandte sich die alte Dame zur Gesellschaft: „von einem Billetdoux -spricht man, worin die junge Frau Herrn von Marsan ein zweites _tête -à tête_ bewilligt haben soll.“ - -„Und dieses Billetdoux,“ raunte Fräulein Eugenie trunken vor Freude -ihrer Begleiterin zu -- „fiel dem Grafen in die Hände -- -- er hatte -jetzt ein Selbstbekenntniß -- eine Selbstanklage der Verbrecherin. -- -Ja, einer Verbrecherin!“ fuhr die Philanthropin wild fort: „wie die -Erde noch keine abscheulichere getragen hat -- wie selbst Babel sie -ausspeien würde -- -- während der saubere Frauenverein sie in ihren -Schooß aufnehmen und mit dem Mantel seiner Tugendlichkeit bedecken will --- welche Tugendlichkeit durch diesen Fall allein schon ihre Erklärung -findet, hehe! -- O! Wie bin ich gerächt! Wie hat der Himmel selbst -sich zu meinem Partisan erhoben! -- Bei allen Kneifzangen Nero’s! bei -dem Skalpirmesser der Indianer! -- ich bin mit der Gerechtigkeit des -ewigen Schicksals ausgesöhnt. -- Ich murre nicht ferner... ich neige -mich in Demuth und werde im Stillen fort arbeiten am allgemeinen Werke -der Liebe. Erst vor Kurzem habe ich wieder ein neues Surrogat für die -+Armenspeise+ erfunden; es besteht in einem Mehl, welches man aus -gestoßenen Tannenzapfen gewinnt, und welches Mehl die Eigenschaft hat, -daß es die Speiseröhre anschwellt; wenn Einem aber die Speiseröhre -geschwollen ist, kann man nicht viel essen, man lebt daher äußerst -billig....“ - -„Zu den schmählichen Verläumdungen, von denen wir so eben gesprochen,“ -sagte Labers -- „gehört auch die, welche einen neuen Beweis gegen die -arme Gräfin A--x in dem Umstande sieht, daß der Chevalier von Marsan -seit der Abwesenheit ihres Gemahls ihr Haus nicht mehr besucht. Diese -so natürliche Thatsache -- diese Delikatesse von Seiten Marsans legt -man demselben als eine abscheuliche Absichtlichkeit aus, als wollte er -den Gerüchten keine neue Nahrung geben.“ - -„Es ist wahr,“ murmelte die Stiftsdame: „daß er sie am Tage nicht -besucht, das wäre auch sehr albern.... sie kommen zur Nachtzeit -zusammen, halten ihre Bacchanalien unter dem Schleier der Mitternacht --- und das scheint mir weit vernünftiger.... hehe! --“ - -In diesem Augenblick stieß man durch ein Ungefähr, welches Marsan und -seine Gesellschaft zwang, stillzustehen, mit der letzteren zusammen -und machte den ferneren Weg an ihrer Seite, wobei sich nun nichts mehr -zutrug, was irgend verdiente, hier aufgezeichnet zu werden. -- - - * * - * - -Wie wir wissen, hatte Althing jenen vier Damen, mit welchen wir ihn in -einer „hohlen Gasse“ getroffen haben, zu einer Mahlzeit eingeladen, -die bei der Gebieterin seines Herzens (Keiner glaubte er noch so tief -in’s Herz gewachsen zu sein!) statt finden sollte. Ferner wissen wir, -daß er sich mit ihnen sofort auf den Weg begeben habe. -- O, es war -ein hitziger Kerl, dieser Althing! Er hatte Temperament und Feuer -für Zehn! -- -- Nach mannigfachen Krümmungen durch enge Gäßchen und -Durchgänge gelangte man endlich auf’s Salzgries -- denn hier wohnte die -Dulcinea des Ritters. Als echte Dulcinea wohnte sie dem Himmel näher -als der Erde; -- -- Althings Geliebten hatten überhaupt alle diese -Eigenthümlichkeit. -- Sie wohnten sämmtlich nicht unter sechs Treppen. --- Aber wem, der je ein glühendes Jünglingsherz im Busen trug -- sind -sechs Treppen mehr als eine Kleinigkeit gewesen -- über welche er -hinwegeilte, während man kaum zwei Schnippchen schlug? -- Daher kommt -es auch, daß unser Mann seit den drei Tagen, da er seine holde Nina die -+Seine+ nannte -- mindestens schon vierzig Mal diese allerliebsten -sechs Treppen auf und ab gelaufen war. -- - -Er bewies dies auch jetzt. Ehe man sich’s versah, war er oben -- -- die -vier Schönen keuchten ihm mühsam nach, hatten es ihm jedoch nur bis zum -zweiten Treppenabsatze nachthun können. -- - -Fräulein +Nina’s+ Wohnung bestand in zwei Zimmern und einer Art -Küche, die zugleich als Vorzimmer diente. Wir sagen zwei Zimmer -- -weil wir uns gerne nach dem Sprachgebrauche der Personen richten, -mit welchen wir zu thun haben, und Fräulein Nina sprach stets von -ihren „zwei Zimmern.“ Wer aber war dieses Fräulein? Hierher paßt -dasjenige, was ein trefflicher französischer Novellist der neuesten -Zeit, +Charles de Bernard+ in einem seiner Werke[C] über jene -Gattung Menschen in Paris sagt, die man dort die +problematischen -Existenzen+ nennt. - -„Diese Parias,“ sagt unser Schriftsteller -- „von denen man nicht weiß, -woher sie kommen, noch wohin sie gehen, ohne eine Familie, die sie -anerkennt, ohne einen Stand, den sie zu gestehen wagen, frei von allen -Pflichten -- besitzen nur so viel Erde, als die Blumenvasen ihrer -Salons enthalten, und leben wie Paschas. Wie wunderbar und doch so -gewöhnlich! Aehnlich den Lilien, von denen die Bibel spricht, arbeiten -sie nicht und spinnen auch nicht, und dennoch bietet manchmal ihr Luxus -den Herrlichkeiten der Prinzen Trotz..... Verfolgt sie bis zu ihrem -Ursprunge, diese Bäche mit unverschämtem Rauschen, mit den golden -schimmernden Wellen, wie der Pactol, ihr werdet unfehlbar an eine -unreine Quelle kommen... u. s. w.“ - -Ohne die Dame, von der wir sprechen, in die höchste Klasse dieser -Existenzen zu rangiren, ohne sie zu den weiblichen Industrierittern -_par excellence_ zählen zu wollen, müssen wir von ihr doch -sagen, daß es ihr an nichts fehlte -- um stets vor der Welt in einer -reizenden Hülle erscheinen und Dummköpfe verdrehen zu können... Ihre -Begleiterinnen und die Alte, welche sich als ihre Mutter gerirte, (man -kennt diesen Posten!) waren natürlich ihres Gleichen. - -„Meine Freunde und Freundinnen, machen Sie sich es bei mir so bequem -als möglich...!“ fing Fräulein Nina an die Frau vom Hause zu spielen --- nachdem Alles eingetreten war und Platz genommen hatte -- -- „und -um Ihnen mit gutem Beispiele vorauszugehen, will ich selbst den Anfang -machen....“ Sie trat in ihr +zweites Zimmer+, blieb daselbst -einige Minuten lang, und erschien sodann -- vollständig metamorphosirt -bei der Gesellschaft.... so daß Althing nicht umhin konnte, einen Ruf -der Ueberraschung auszustoßen.... - -Seine Dame hatte ihr Costume so weit abgeworfen, daß das jetzige -sehr stark an jenes von Adam und Eva erinnerte: sie trug über ihren -ursprünglichen Reizen weiter nichts, als einen Unterrock und eine Art -Camisol aus Mousselin, welches im Winde flatterte, offen wie eine -Flagge. -- Sogleich eilten auch die andern Damenschaften in das Kabinet -und erschienen nach einer gleichen Zeit in einem überraschend ähnlichen -Anzuge.... Dieses Intervall, so klein es war, hatte der verliebte -Ritter gewandt zu benutzen gewußt; er hatte seine Dame zu sich auf den -Schoß gezogen -- ihr einige Dutzend Schwüre ertheilt und abgenommen -- -auch etwelche Küsse und andere Zärtlichkeiten. - -„Aber wer wird nach dem Gasthause gehen, um das Nöthige -herbeizuschaffen?“ frugen die Damen, kaum daß sie zurückkehrten.... - -„Die Sache ist sehr einfach,“ erwiderte +Nina+...: „meine Mutter -wird so gut sein und den Aufwärter aus der +Stadt Neapel+ -herbescheiden -- -- den hübschen Joseph.... bei dem mein Freund -+Achilles+.... so heißt Du doch, nicht wahr...?“ - -„+Achilles+ -- ganz recht, meine Geliebte!“ versetzte Althing und -klirrte mit seinen Sporren.... - -„Nun, bei ihm kannst Du sodann Alles bestellen, was wir brauchen... -Habe ich nicht Recht, theurer Achilles?“ - -„Vollkommen, vollkommen!“ lächelte der Dicke -- der sich mit diesem -Namen, den er so eben erst angenommen hatte, sehr zu gefallen schien... - -Ohne Säumen begab sich die ehrwürdige Mutter des Fräuleins, so wie -sie da stand -- nach dem Gasthause zur „Stadt Neapel“... Sie mochte -ähnliche Wege schon oft in solchem Costume gemacht haben.... - -Während ihrer Abwesenheit unterhielt man sich über Verschiedenes... was -aber nicht ganz nach Althings Geschmacke war, denn er wollte sich blos -mit Einem beschäftigen. Er hielt seine Angebetete noch immer auf dem -Schoße und schwitzte dicke Tropfen unter der Anstrengung, die es ihm -verursachte, nebenbei noch gegen die Uebrigen den Liebenswürdigen zu -spielen... Indeß war er darüber nicht böse, denn er zeigte sich gerne -gewandt in den Künsten der Galanterie, welche ja sämmtlich in sein Fach -einschlugen. - -Der schöne Joseph und die alte Vettel erschienen bald im Zimmer. Der -erstere brachte mit der Karte jene ungeheure Aufmerksamkeit der Wiener -Kellner mit, woran sich die des übrigen Deutschland ein Beispiel -nehmen sollten. Nebenbei lachte der schöne Joseph zu Zeiten auf so -eigenthümliche Weise -- hiervon sah jedoch Althing nichts, welcher sich -in die grundlosen aber auch goldhaltigen Schachten der Speisekarte -vergraben hatte. -- Nina aber schien diesen Blick Josephs ganz gut -bemerkt zu haben und sie gab dem schönen Joseph einen bedeutsamen Wink. - -In kurzer Zeit bog sich der Tisch unter einer zahlreichen Menge von -Speisen und Getränken ... das Mahl begann und ward demselben, wie sich -vermuthen ließ, von sämmtlichen Gästen eine gebührende Ehre angethan. -Diese Damen aßen auf eine Weise -- als hätten sie entweder noch niemals -gegessen oder als sollten sie in Zukunft nimmer essen -- und wenn man -sagt, daß die Liebe den Appetit benimmt, so hatte dies Sprichwort -bei Fräulein Nina total Unrecht, denn diese aß und trank allein eben -so viel, wie die Andern zusammen genommen. -- Bald wurden Toaste -ausgebracht und von diesem Zeitpunkte an bekam Mahl wie Gesellschaft -eine neue, nämlich die eigentliche Gestalt... d. h. alle Schranken -fielen, welche die thörichte Sitte erschaffen hatte -- wenn auch nicht -zum Besten dieses Hauses. -- Man fing an zu schreien, zu singen -- -und Althing wurde so leidenschaftlich, daß Nina, die er noch immer -umherzerrte, ausrief: - -„Aber haben Sie denn den -- Koller!“ - -„Nein, meine Geliebte -- sondern ich bin sterblich in Sie verliebt, ich -könnte in dieser Stunde es mit einer Million Teufel aufnehmen, wenn die -Sie mir entreißen wollten...“ - -„O, das ist nicht nöthig! Ich würde mich freiwillig für Dich -entscheiden -- mein holder Achill -- und wären es selbst eine Million -Engel. Du weißt, wie ich Dich liebe!“ - -„Wirklich? -- Und dies scheint nicht blos Redensart? -- Ach Du machst -mich zum glücklichsten der Menschen.... Wie schade, daß wir hier vor -Zeugen sind! Ach, wären wir allein!“ - -„Ja, wären wir allein!“ - -„O -- das sollte eine Wonne sein!“ schmachtete der alte Narr und -verdrehte die Augen, wie ein andächtiger Derwisch... - -„Ja -- es sollte eine Seligkeit sein!“ wiederholte sie und verdrehte -nicht minder die Augen ... jedoch nur, um ihren Freundinnen ein Zeichen -zu geben, was diese verstanden und mit einem Kopfnicken beantworteten. - -„O, ich bete Dich an!“ seufzte Nina, gleichsam zerfließend in -Liebeseligkeit.... - -„Und erst ich Dich!“ ächzte Althing, dessen Leidenschaft sein Mieder -in der Weste und seinen Gurt um den Bauch sprengen zu wollen schien. - -„Ach -- ach -- -- diese abscheulichen Menschen da! Wie sie uns -anglotzen!“ flüsterte sie ihm in’s Ohr... - -„Ich wollte -- der Satan holte sie, trotzdem daß Deine Mutter dabei ist --- -- und führte sie dahin, wo der Pfeffer wächst...“ - -„Trinke doch -- mein süßer Achill!“ - -„Ja -- ja -- ich glaube jedoch schon ein wenig zu viel getrunken zu -haben....“ - -Er stieß wirklich bereits mit der Zunge an. - -„Was schadet das! Der Wein gibt Muth ... und endlich werden wir dieses -Volk da, welches uns belästigt -- zur Thür hinauswerfen...“ - -„Ja! das -- wollen wir! -- Das ist ein köstlicher Einfall! -- Wein, -Wein herbei! -- So! Ein großes Glas! -- Ich leere es auf einen Zug! --- -- Alle Donner! -- Nun habe ich die Kraft -- es mit allen Hexen -des Blocksberges aufzunehmen..... Komm! komm!“ schrie er, hinlänglich -trunken, um kein Körnchen Verstand mehr zu besitzen: „Komm! -- Wir -wollen diese alten und jungen Dämchen -- über die Treppe schmeißen.... -Vorwärts, meine Freundin: das wird für uns nur ein Kinderspiel sein! -- -Ich habe es tausend Mal schon mit einer dreifachen Mehrzahl aufgenommen -und blieb immer Sieger!.... O, es soll eine Metzelei geben... daß es -eine Freude ist... Blut soll fließen...“ - -[Illustration: Seite 144.] - -Und während er diesen Unsinn mit einer Mordbrennerstimme schrie -- -stürzte er mit dem Vorlegelöffel bewaffnet auf diese Frauenzimmer, die -ihrerseits ebenfalls ein fürchterliches Geschrei erhoben -- und nach -Hilfe rufend zur Thür hinausstürzten -- über die Treppe hinabliefen, -wohin er ihnen, durch den leichtgewonnenen Erfolg übermüthig gemacht, -mit rasender Kampfeswuth nachfolgte -- jedoch nur einige Stufen -- denn -dann stolperte er über ein Paar -- fiel und rollte gleich einer Walze -volle vier Treppen hinab bis zur zweiten Etage -- wo er auf dem Flur -liegen blieb. Ein schauderhaftes Wehegeschrei entfuhr ihm hier: „Ich -bin zerschlagen... ich bin todt... ich bin aufgeplatzt... mit mir ist -es aus....“ Sodann verlor er die Besinnung, und was mit ihm weiter -geschah, wußte er nicht. - -Genug an dem, daß er sich Tags darauf bei vollkommenem Wohlbefinden in -den Armen seiner süßen Nina erblickte, welche auch in diesem Augenblick -zärtliche Thränen über den Unfall weinte, dem er gestern zur Beute -geworden.... Wie zu erwarten stand, war mit der Gefahr auch seine Angst -und sein Kleinmuth vorbei... seine Courage wuchs wieder riesengroß -- -die Flammen seines Herzens loderten bis zum Dache des Hauses hinauf --- und begruben ihn und die schöne Nina, daß von den Beiden nichts zu -sehen war.... - -Erst Nachmittag erhob sich der Sieger vom Schlachtfelde. Er ging nach -dem andern Zimmer, wo seine Sachen lagen, machte Toilette -- und wollte -diese damit beendigen, daß er sich mit Uhr, mit Ringen schmückte und -nach seiner Brieftasche suchte.... Aber welches Entsetzen! -- als er -bemerkte, daß nichts von alle dem zu finden war.... - -„Wo ist meine Uhr hingekommen?“ schrie er... „Wo sind meine Ringe -hingekommen? -- Es befindet sich unter ihnen ein Solitär von Werth und -die Uhr hat 800 Gulden gekostet...! -- Und wo, wo ist meine Brieftasche --- diese Brieftasche enthielt 1000 Gulden und noch andere Papiere von -Werth!“ - -Auf sein Lärmen trat Nina herein: „Aber was ist Ihnen denn, mein Herr?“ -sagte sie, die Hände zusammenschlagend. „Sie geberden sich ja wie toll?“ - -„Und das soll man nicht sein -- wenn man so bestohlen wird.... wie es -mir bei Ihnen geschah.“ - -„Mein Herr -- Sie erlauben sich da, einen Schimpf auf mich zu werfen, -den ich nicht dulde ... Ich werde sogleich meinen Freund, der zehn -Schritte weit von hier auf derselben Etage wohnt, herbeirufen, damit -er mich vor der Behandlung schütze, die Sie sich unterstehen, mir -widerfahren zu lassen.“ -- Jetzt eilte die Holde fort und erschien -wirklich gleich darauf mit einem großen schwarzen Kerl, der einen -Räuberhauptmann in den Abruzzen hätte vorstellen können. - -„Wie -- Sie unterstehen sich?“ begann der Kerl und rollte ein Paar -Augen, die bei Gott -- wie kleine Granaten aussahen. „Sie wagen es, -meine Freundin zu beschimpfen... von Diebstahl zu sprechen... von -verlornen Uhren -- Ringen u. dergl....“ Mit diesen Worten trat er ihm -dicht bis vor’s Gesicht hin, so daß der dicke Liebesheld erschrocken -sich zurückzog, und mit bleichen Lippen stammelte: „Aber -- was wollen -Sie -- mein Herr -- ich habe ja -- -- das Recht -- zu glauben -- --“ - -„Was?“ brüllte der Schwarze: „Sie haben gar kein Recht, -Niederträchtigkeiten zu glauben... Entweder haben Sie nicht einmal eine -Uhr, einen Ring oder eine Brieftasche besessen -- -- und das Ganze ist -nur eine elende Ausflucht, um der Bezahlung zu entgehen, welche Sie für -das gestrige Mahl zu leisten haben... Oder aber, angenommen, daß Sie -jene Sachen wirklich bei sich gehabt haben, so müssen Sie dieselben -gestern, während Sie mit den Damen Skandal machten -- sich umherhetzten -und zuletzt wie ein Igel über die Treppe rollten... bei dieser -Spazierfahrt müssen Sie Ihre Preciosen verloren haben. -- Begreifen -Sie mich nun?! -- Verstehen Sie -- mein Freund, wie? -- Oder aber -- -capiren Sie mich noch immer nicht?!“ - -Die letzten Worte brüllte der verdammte Schwarze mit einer Bärenstimme -und begleitete sie mit solchen Wolfs-Geberden -- daß der alte Adonis zu -zittern anfing, wie Einer, der das kalte Fieber hat, -- und ferner kein -Wort hervorzubringen vermochte -- als: „Schon gut -- schon gut -- -- -ich bin -- ja -- zufrieden....“ - -„Wenn dies der Fall ist,“ versetzte der Schwarze, ein wenig den Ton -seiner Bärenstimme mäßigend: „so können Sie gehen -- -- aber,“ fuhr er -fort und wieder brüllte er ganz entsetzlich: „wofern Sie von der ganzen -Geschichte nur das Geringste verlauten lassen, oder es wagen -- damit -vor Gericht zu erscheinen, dann nehmen Sie Ihren Kopf in Acht.... ich -reiße Ihnen denselben herab, wie einen Kohl aus dem Garten...“ - -„Es soll nicht geschehen!“ bebte Althing und pries seinen Schöpfer, als -er zur Thür hinaus war: „Das ist ja ganz unglaublich!“ sagte er zu sich -auf der Straße: „Es wohnen ja da Menschenfresser unter uns! -- Wenig -fehlte, so hätte der Kerl mir den Kopf abgebissen.... Gott sei meiner -armen Seele gnädig!...“ - -Noch nie war er von einem Rendezvous trauriger heimgekehrt, als -diesmal. - - - - -Siebentes Kapitel. - -Der Zurückgezogene. - - -In einem alten abgelegenen Schlosse der Provinz, wohin seit einer -langen Reihe von Jahren kein anderer Fuß gekommen war, als der der -Landleute aus der Umgegend, welche kamen, dem Amtmanne (Verwalter) -den Zehnten einzuliefern oder den gesetzlichen Arbeitsdienst auf dem -Gute ihres Grundherrn zu verrichten -- in diesem einsamen düstern -Schlosse, dessen Ursprung sich in die graue Feudalzeit verlor, war seit -einigen Wochen ein regeres Leben eingezogen und mehrere Menschen gingen -dort ab und zu, wo früher lange Zeit hindurch nur Fledermäuse und -anderes Gethier umhergezogen waren. Dieses Schloß nun gehörte zu den -Besitzungen des Grafen Alexander von A--x, war jedoch seiner Gemahlin -sowie seinen Freunden aus verschiedenen Gründen unbekannt geblieben, -worunter wir sogleich einen anführen wollen. - -An dieses Schloß knüpften sich sonderbare Erinnerungen aus der -Jugendzeit des Grafen, die er hier im Kreise ähnlich gesinnter -Gesellen -- auf eine Lord Byron’s würdige Weise durchlebt hatte. Hier -wurden einst jene wilden, wüsten Orgien um Mitternacht gefeiert -- -hier Mädchen verführt und Gott gelästert -- hier in Wein, Würfeln -und wüthender Leidenschaft ein Dienst Moloch’s begangen, von welchem -der Aberglaube der Bauern noch jetzt, wie von einem übernatürlichen -Treiben, woran der Teufel in eigener Person theilgenommen, sprach -- -und welche Epoche diejenige in des Grafen Leben war, von der dunkle -Sagen selbst in die Hauptstadt gedrungen waren. - -Wir haben hiervon bereits am Eingange der gegenwärtigen Novelle -gehandelt. -- - -Natürlich, daß Alexander vor der Gesellschaft und besonders vor seiner -Gemahlin einen Ort geheim zu halten suchte, an welchen sich ein -Abschnitt seines Lebens knüpfte, den er in gereifteren Jahren und -namentlich unter seinen ersten Verhältnissen zu Cölestine alle Ursache -hatte zu desavouiren. -- Man wußte wohl, daß er wild und unbändig -gelebt hatte -- aber +wo+ dies stattgefunden, konnte Niemand -sagen. -- Jetzt in der verhängnißvollsten Lage seines Lebens erndtete -Alexander die Früchte seiner klugen Verschwiegenheit -- -- er konnte, -da er sich von seinem Hause und von der Welt trennte, in ein Schloß -einziehen, von dem Niemand Kunde hatte, und wo er gesichert war, wie -ein Verstorbener. - -Seit seiner Trennung von Cölestine lebte er hier. Wie uns bewußt -ist, war seine Umgebung sehr klein und beschränkte sich auf den -Sekretär und einige Diener, auf deren Treue und Verschwiegenheit er -bauen konnte. Die Absicht, mit der er hierher gekommen, war, sich -von allen Geschäften und vom Verkehr mit der Gesellschaft überhaupt -zurückzuziehen und in Zukunft nur mehr als freiwilliger Verbannter, -als Anachoret zu leben, zurückgezogen in seinen Stolz, in seinen -Groll. -- In späteren Jahren wollte er nebenbei auch noch eine Reise, -vielleicht eine sehr große vornehmen -- stets jedoch seine Einsamkeit -behaupten. Er glaubte, die Welt hinlänglich kennen gelernt zu haben, -und -- fand nur Verachtungswürdiges in ihrem Bereiche. Denn es hatte -ihn nicht nur sein Weib betrogen -- seine Freunde, seine Bekannten, -die, welche sich seine Getreuen, seine Brüder nannten -- sie Alle, aus -früherer sowohl wie späterer Zeit, waren falsch, tückisch, heuchlerisch -und feige gewesen, hatten ihm geschmeichelt, so lange es ihr Vortheil -war, und flohen ihn, als er in’s Unglück kam. Diese Ansichten -- -welche übrigens bei ihm schon seit langer Zeit existirten -- waren -jedoch nicht ganz das Resultat des Lebens, wie er glaubte, sondern sie -beruhten großentheils auf seinem krankhaften, trübsinnigen und düstern -Charakter, den wir hinlänglich kennen. -- Mag dem indeß sein, wie ihm -wolle, er war ein Unglücklicher, in der That ein solcher, und nicht -blos ein affektirender... Er verdient beklagt und nicht verspottet zu -werden. - -Es wäre hier vielleicht der passende Ort, zwischen diesem Charakter und -einigen ähnlichen, welche die neuere Poesie hervorgebracht hat, eine -Parallele zu ziehen -- denn die moderne Romantik und Dramatik ist reich -an düstern und stolzen Melancholikern -- wie die moderne Zeit, diese -Zeit schwärmerischer, hochklingender Wünsche und schaler, trauriger -Erfolge. Sollen wir hier die +Lara’s+, die +Corsaren+, die +Werther+, -die +Meinau’s+, die +Arthur’s+, die +Wally’s+, die +Helden Georg -Sand’s+ citiren? -- Doch nein, wir enthalten uns dessen, es würde doch -eine undankbare Mühe sein, da man mit diesem Thema gegen eine nüchterne -unbarmherzige Kritik stößt -- der es gefällt, dasjenige wegzuspotten, -was doch vor ihren Augen in düsterer Wirklichkeit steht -- wollte sie -sich nur die Mühe nehmen, die Augen aufzuthun. -- Aber schon weil man -so gerne darüber spottet -- existirt es; denn am heftigsten hat sich -die Satyre stets gegen das +Bestehende+ gerichtet. -- - -Die Lebensweise Alexanders auf dem alten Schlosse war einförmig und -bitterlich traurig. Er bewohnte einige Zimmer, die ihm die Aussicht -auf den Wald und See boten, von welchen zwei Seiten des Schlosses -umgeben waren. Diese Zimmer standen noch so, wie sie einer seiner -Vorfahren mütterlicher Seits vor mehr als 100 Jahren verlassen hatte. -Da sich die Conservationssorgen des Verwalters vorzüglich diesem -Theile des Hauses zuwandten, so war es ihm gelungen, hier Alles noch -im reinsten Geschmacke der Zeit der +Theresia+ zu erhalten ... Diese -Zeit aber, die Freundin eines eben so prunkenden als reellen Luxus, -hatte hier in fünf oder sechs Gemächern einen Reichthum an Sachen -und Verzierungen aufgehäuft, womit man heut zu Tage ein großes, -weitläuftiges Haus vollständig versehen könnte. -- -- Die schweren -Seiden- und Sammttapeten, welche die Wände verhüllten, waren allein so -viel werth, wie das ganze Ameublement einer mäßigen Wohnung unserer -Zeit... Diese prachtvollen Spiegel aus venetianischen Fabriken -- -diese kunstreichen Uhren in kolossalen Gehäusen, wovon jedes ein -Meisterwerk damaliger Kunst... diese Armstühle, schwer vergoldet -und mit dicken Brokatstoffen, woran tausenderlei Blumen und Farben -glänzten, überzogen... diese Tische aus einem Eichenholz, welches -noch jetzt hart war wie Granit -- -- diese Schränke mit den in’s -Fabelhafte gehenden Arabesken überladen -- -- diese Tischchen und -Kästchen von eingelegter Arbeit... endlich diese großen Familien- und -Schlachtengemälde aus einer Schule, die es mit den besten unserer -Zeit aufnehmen konnte... und zum Schlusse noch alles das Uebrige, -wovon eine hochadelige Wohnung damaliger Zeit erfüllt war und worunter -sich Gegenstände befanden, deren Namen uns nicht einmal mehr geläufig -sind... kurz in dieser Umgebung von 1700 und einigen Jahren lebte jetzt -Alexander, ein moderner Mann, ein Zeitgenosse von uns. - -Noch vor Tagesanbruch erhob er sich aus seinem feudalen Himmelbette, -kleidete sich ohne Beihilfe eines Kammerdieners an und lehnte sich -durch’s offene Fenster in die kalte Luft eines dunklen Wintermorgens -hinaus.... Es machte ihm ein stolzes Vergnügen, die Natur vor sich in -ihrer erhabenen Erstarrung -- den Himmel in seinem grauen, zerrissenen -Königsmantel zu sehen.... Und wenn so kein einziges Sternlein blinkte --- der Mond sich dicht verhüllt hatte -- wenn der karge Wiederschein -des Eises und Schnees das einzige Licht des Horizontes war -- daß -solchergestalt dessen Dunkelheit erst recht sichtbar wurde... dann -freute sich sein Herz, denn es fand jetzt Uebereinstimmung mit sich -selbst, nach der ja ein jedes Herz verlangt -- mag dieser Einklang auch -noch so traurig sein. Die Dienerschaft hatte den strengsten Auftrag, -sich ihm nie anders, als gerufen zu nähern -- -- und oft verging ein -halber Tag, ehe er nach dem Verwalter, Sekretär oder sonst Jemand -verlangte. -- Häufig noch vor Sonnenaufgang ging der Graf in einen -Mantel gehüllt hinaus in’s Freie und streifte bis in den abgelegensten -Theil der Landschaft hinaus... Der Jäger traf ihn dann am Morgen mitten -im Walde eine Meile vom Schlosse entfernt. Hier saß er auf einem -hohen Felsenvorsprung -- -- und starrte hinaus in’s Leere, Gott weiß -wohin.... der Jäger aber schlug ein Kreuz, denn dieser Felsen war aus -der Vorzeit her sehr berüchtigt, was schon sein Name „der Heidenfelsen“ -hinlänglich andeutet -- und überdies noch leiblich gefährlich, denn -von ihm war es so schwer herab zu kommen, daß Niemand Lust hatte, -+hinauf+ zu gehen.... - -Die übrigen Stunden des Vormittags brachte Alexander eingeschlossen -in seiner Bibliothek zu, die hier sehr alt, aber eben deshalb ganz -seinem Bedürfniß gemäß war. -- Besonders an diese Bibliothek knüpfte -der gemeine Aberglaube -- seine Beweise an. -- Hier wie dort in der -Stadt übten die großen Bücher und unerklärbaren Instrumente auf die -guten Leute der Gesindstube und des Dorfes eine unheimliche Macht aus; -denn die Macht der Bücher ist so gewaltig, daß derjenige, welcher sich -sträubt, den Gott in ihnen anzuerkennen, wenigstens vor dem Teufel -zittern muß, den sie enthalten sollen. -- - -Das Mittagsmahl verzehrte Alexander ebenfalls einsam in einem -weitläuftigen Speisesaale, was einen sonderbaren, gespensterhaften -Anblick bot und die Diener, welche die Speisen hereintrugen, zittern -machte, so daß sie zwei oder drei Mal schon die Teller hatten fallen -und den Wein auf die Tafeldecke fließen lassen.... Nur wenn der -Sekretär oder der Verwalter ihren Herrn dringend zu sprechen hatten, -durften sie ihn bei seiner einsamen Mahlzeit -- dafür aber auch zu -keiner andern Stunde -- besuchen, und er wies ihnen dann sich gegenüber -einen Platz an, jedoch ohne sie zum Essen aufzufordern.... was einiger -Maßen der Mahlzeit mit dem steinernen Gaste ähnlich sah. -- - -Nach Tische machte er einen Ritt -- Niemand wußte wohin, denn noch -Niemand hatte ihn hierbei begleitet. -- Oft kehrte er erst in später -Nacht zurück, schweißtriefend oder durchnäßt vom Unwetter, das Pferd -aber häufig so ermattet, daß er es lange nicht wieder brauchen konnte -und der aufmerksamsten Pflege übergeben mußte. - -Die schroffe Abgesondertheit, welche er im Schlosse gegenüber seinen -Beamten und Dienern behauptete... änderte er auch nicht außerhalb -desselben -- und er blieb seinen Unterthanen jetzt eben so fremd, wie -er es ihnen seit jeher gewesen war. -- Nur in einer Hinsicht priesen -sie sich, im Vergleich zu jenen früheren Zeiten, glücklich, und ihre -diesfälligen Befürchtungen waren nicht eingetroffen. Früher verdarb -er mit seinen Gesellen ihre Felder -- hetzte ihr Vieh -- und bei den -Jagden sie selbst -- entführte ihre Mädchen -- und lästerte ihren -Gott.... jetzt that er, wenn auch nicht unmittelbar, fast eben so viel -Gutes an ihnen; so zwar, als hätte er den Willen gehabt, ihnen den -alten Schaden zehnfach zu ersetzen, und Wunden, welche längst vernarbt -waren, als frischgeschlagene zu heilen. -- In kurzer Zeit wurde der -Name des „gnädigen Herrn Grafen“ eben so gesegnet, als er früher -verflucht ward -- und während man damals wünschte, jener Teufel, mit -dem er einen Bund geschlossen, möchte ihn recht bald holen -- betete -man nunmehr für die Seele des armen Herrn, auf daß ihr Satan und seine -höllische Macht fern bleibe. -- In Wahrheit, eines Tages begab sich -eine Deputation aus den zwei nächsten Dörfern zum Pfarrer und ersuchte -denselben ernstlich, kraft seiner priesterlichen Würde in dieser Sache -das Seinige zu thun, was in nichts Geringerem bestehen sollte, als in -der Austreibung Beelzebubs aus dem Leibe des „gnädigen Herrn.“ Der -Pfarrer -- ein in dieser Hinsicht mit ihnen auf gleicher Geistesstufe -stehender Mann -- nahm Alles wirklich so, wie es ihm geboten wurde, -und versprach, nach Kräften für die Erlösung des Gutsherrn zu wirken; -hierbei schien ihm der Exorzismus eben so wohl das einzige, wie das -unzweifelhafteste Mittel, da dies Mittel sich obendrein erst vor Kurzem -an einer Viehmagd bewährt hatte, die nächtlich stets von einem großen, -dicken bösen Geiste geplagt wurde, der in ihren Stall kam und sie -während des Schlafes (die Dirne hatte einen etwas kräftigen Schlaf,) -so lange quälte und drückte, bis sie stets davon erwachte und ihn mit -dem Besen davon trieb. -- Seit der Geistliche nun den Exorzismus mit -ihr vorgenommen hatte -- war vom Teufel keine Spur mehr zu sehen. -- -Zufällig nur erkrankte um dieselbe Zeit ein großer dicker Knecht in -der Nachbarschaft, welcher Umstand jedoch weder von der Magd, noch -vom Teufelsbanner, noch aber von den andern klugen Köpfen des Dorfes -berücksichtigt wurde. - -Der Pfarrer empfing die Deputation in seinem Hofe, als er eben aus -dem Gänsestall, mit einer fetten Gans unter dem Arme, kam: „Also, Ihr -meint, der gnädige Herr sei wirklich vom -- Gott sei bei uns besessen, -liebe Kinder?“ - -„Ganz gewiß, Euer Hochwürden -- -- und vielleicht nicht blos von -einem; es mögen da wohl ein Dutzend in ihm ihr arges Wesen treiben!“ -antwortete der Führer dieser Deputation, ein alter Bauer, der schon -drei Mal in Wien und einmal sogar in München gewesen war, deshalb auch -für ein absonderliches Lumen galt. -- - -„Aber welche Beweise habt Ihr, meine lieben Pfarrkinder, daß dies mit -dem gnädigen Herrn wirklich --?“ er sprach das Wort nicht aus, denn so -eben hatte die Gans unter seinem Arme sich ein wenig allzunatürlich -betragen und den Pfarrrock des guten Pfründners in Verlegenheit -gebracht, -- -- sogleich beeilten sich die Mitglieder der Deputation, -ihm ihre Dienste anzubieten, wischten und putzten mit Fingern und -Rockärmeln, bis die Verlegenheit der schwarzen Toga gehoben war. -- - -Der Pfarrer, noch immer die Gans fest unterm Arme haltend -- dankte -ihnen lächelnd und fuhr nun im Verhöre fort: „Ich fragte Euch, Ihr -lieben Leute, nach den Beweisen, auf die Ihr Euere Behauptung von des -Herrn Grafen Unglück stützt? Was habt Ihr Besonderes an ihm bemerkt?“ - -„Euer Hochwürden -- -- erstens ist der gnädige Herr ohne die gnädige -Frau, auf die wir uns so gefreut haben und zu deren Empfang wir sogar -eine Triumphpforte aus Pappe, mit Raketen und Puffern gespickt, beim -Kaufmann bestellt haben, gekommen....“ - -Der Pfarrer dachte ein wenig nach, gab dann der Gans, welche sich zu -bewegen anfing, einen Schlag auf den Kopf und versetzte ernst: „Das ist -Etwas! -- -- Aber ferner?“ - -„Ferner,“ fuhr der Sprecher fort: „ferner ist der gnädige Herr den -ganzen Tag über eingeschlossen -- redet mit keiner Menschenseele.... -sondern blos --“ - -„Sondern blos -- -- meine Kinder?“ - -„Mit sich selbst!“ - -„So?!“ betonte der Parochus -- und gab seiner Gans abermals einen -Schlag, denn sie wollte keine Ruhe annehmen, sie schien ein äußerst -rebellisches Gemüth....: „Das ist,“ nahm er jetzt das Wort und machte -dabei die allertiefsinnigste Miene: „das ist allerdings ein wichtiger -Umstand, meine Freunde.... Er redet mit sich selbst -- -- das ist -böser, als ich glaubte. Doch weiter -- weiter -- ich muß Alles wissen!“ - -„Der gnädige Herr Graf macht ferner oft um Mitternacht einsame -Spaziergänge in den Wald -- und man sieht ihn in der Morgendämmerung -auf dem +Heidenfelsen+ sitzen, wobei er wild die Augen rollt, wie -zwei feurige Kugeln -- mit den Armen umherficht, als kämpfte er gegen -Jemand in der Luft -- und dabei hört man in der Nähe ein gellendes -Hohngelächter ..... selbst Feuerflammen blitzen auf und der ganze Ort -hat dann einen Schwefelgeruch.“ - -„Gott steh’ uns bei!“ rief hier der fromme Priester und entsetzte sich -so, daß er die Gans losließ, welche unter abscheulichem Geschrei auf -die Erde fiel und mitten zwischen die Beine der Deputirten fuhr, daß -diese, in der Meinung, es sei der Teufel selbst, von dem sie so eben -sprachen -- in Aufruhr geriethen -- -- und sammt dem Pfarrer, der so -wie sie dachte, in alle Winde auseinander stoben. - -Die Illusion war in der That zu stark geworden. - -Tags darauf kamen sie wieder zusammen und nun wurde ausgemacht, daß -Se. Hochwürden im Ornate und mit den nöthigen Requisiten versehen -- -auch von ihnen, den Deputirten, begleitet, dem Grafen auf einer seiner -Wanderungen nachfolgen, an einem bösen Orte mit ihm zusammentreffen und -ohne Rücksicht auf den unterthanlichen Respekt ihn umzingeln sollten --- der Geistliche aber sollte dann zu ihm in den Kreis treten, um das -heilsame Werk in aller Form zu vollbringen. -- - -Zum größten Mißvergnügen der braven Leute machte ihr Gebieter seit -einiger Zeit seine Ausflüge nur zu Pferde, und da konnten sie auf ihren -Dorfmähren ihm nicht nachsetzen; überhaupt verstand der geistliche Herr -auch besser in seinem Lehnstuhle, als auf einem Pferde zu sitzen -- und -so mußte man denn auf ein neues Auskunftsmittel denken. - -Man hatte bemerkt, daß der Graf in letzterer Zeit seine Touren weniger -geheimnißvoll als sonst gemacht -- auch dabei stets eine und dieselbe -Richtung eingeschlagen habe, woraus man scharfsinnig schloß: er muß ein -+bestimmtes+ Ziel verfolgen. Voll von diesem fruchtbaren Gedanken --- unternahmen die Teufelsaustreiber Folgendes. Zuerst versahen sie -sich mit Lebensmitteln auf mehrere Tage, denn sie waren fest überzeugt, -der Graf begebe sich täglich mindestens 20-30 Meilen weit, was ihm -bei seinem höllischen Mittel sehr leicht fiel. Nach diesem stellten -sie sich auf die Lauer und beobachteten sein Abreiten vom Schlosse; -sie folgten ihm nun auf seinem Wege ungesehen nach -- behielten ihn -jedoch, so lange es ging, im Auge. Als sie ihn nicht mehr sahen --- -- hielten sie an, lagerten sich neben dem Wege im Gebüsch und -warteten hier bis Morgen, wo er wieder vorbeikommen würde. Er erschien -wirklich -- und nun nahmen sie die gestrige Operation von Neuem vor, -sie begleiteten ihn wieder auf versteckten Wegen -- so lange, bis er -wieder ihren Blicken entschwand ... dann blieben sie abermals stehen -- -und wiederholten dies geduldig, bis sie mit ihm fast zugleich an dem -verhängnißvollen Orte anlangten. - -Es war dies ein kleiner Weiler, drei Stunden vom Schlosse entfernt. --- Die Deputation jedoch bildete sich wirklich ein, zum wenigsten zwei -Tagereisen weit sich von ihren Dörfern zu befinden. - -Man quartierte sich in der verlassenen Lehmhütte irgend eines Hirten -ein, denn um ihrem Wahnsinn die Krone aufzusetzen, bildeten sich -die braven Leute auch noch ein, äußerst ermüdet zu sein. Man wollte -den nächsten Tag abwarten, heute nichts Ernstliches mehr vornehmen, -sondern höchstens insgeheim Erkundigungen einziehen und das große Werk -vorbereiten. Und was man in Erfahrung brachte, schien den guten Leuten -schrecklich genug, um die Haare ihres Hauptes sich emporsträuben zu -machen. In einem kleinen, am äußersten Ende des Weilers gelegenen -Hause sollte nämlich eine Frau mit ihrer Tochter wohnen, welche die -Besitzerin dieses Grundstücks war -- da der Mann bereits vor längerer -Zeit gestorben. Wovon diese zwei Frauen sich nährten, konnte man -nie erfahren; es fehlte ihnen an nichts und -- doch arbeiteten sie -nicht, sondern ließen auf einem Theile ihres Ackers, für den sie -keinen Pächter fanden, Gras und wildes Gesträuch wachsen. Sie pflogen -mit den Dorfleuten durchaus keinen Umgang -- was für die Mutter -des Mädchens auch unmöglich gewesen wäre, denn sie litt an einem -langwierigen Siechthum, welches man, da das so ganz in den Kram der -hiesigen Einwohner paßte, dem bösen Geiste zuschrieb, der in diesem -abgeschlossenen Hause sich aufhalte. Man wußte nur noch zu sagen, -daß das Mädchen von ungewöhnlicher, zarter Schönheit sei, gar nicht -aussehe, wie ein Bauernkind, und daß sie allemal zu gewissen Zeiten des -Jahres nach dem herrschaftlichen Schlosse gehe, obgleich der Weiler -nicht zu Alexanders Besitzungen gehörte. Alles das war, wie man sieht, -sehr wenig in der Ordnung, sehr geheimnißvoll, und daher teufelsmäßig. - --- Dieses Haus und diese Leute nun hatte der Graf seit einigen Wochen -regelmäßig Tag für Tag besucht und bei ihnen oft bis zum späten Abend -verweilt. Man wollte gehört haben, wie dann die „Besessene“ drinnen -in der Stube -- schrie, heulte und wildes Zeug trieb -- während das -Mädchen laut weinte -- der Graf aber mit ernster und gemessener Stimme -unverständliche Worte dazwischen sprach -- gleichsam, als redete -er mit dem Bösen in der Kranken. Oft wurde der Lärm, welchen diese -machte und das mystische Zureden des Grafen so laut und eifrig, daß -die ehrlichen Horcher davon liefen, fürchtend, die Alte würde noch zum -Fenster herausspringen -- und Unheil im Dorfe anrichten.... - -Es war heute gerade Mittwoch, und der Pfarrer bezeugte darüber eine -große Freude, „denn,“ sagte er zu seiner kleinen Heerde -- „der morgige -Tag, als ein +Donnerstag+, ist zur Bannung des bösen Geistes, -welcher, wie klar am Tage liegt, in diesem Hause einen Hauptstapelplatz -besitzt, außerordentlich günstig.“ Am Donnerstag war der Graf früh -Morgens im Weiler angekommen, und nachdem er sein Pferd in einem -Nachbarhause eingestellt hatte, verfügte er sich nach der Wohnung der -zwei Frauen; die Verschwornen, oder besser, die Alliirten säumten -nicht, auf Umwegen ihm rasch zu folgen, und nahmen, indem sie hinten -über eine Gartenmauer setzten, von dem Hause in so weit Besitz, als -sie nur mehr in die Stube einzudringen brauchten. Sie zögerten jedoch -mit diesem letzten Schritt -- denn der Pfarrer wollte den Teufel -zuvörderst +behorchen+ -- um zu sehen, was es für ein Teufel wäre -und wieviel Gesellen er bei sich habe... Se. Hochwürden steckten sich -daher in’s Ofenloch und -- -- vernahmen, sahen auch durch eine Ritze -wunderliche Dinge. - -In einer kleinen Stube, deren Fenster mit Vorhängen aus grüner Sersche -verhangen und außerdem auch noch durch Blumenranken verstellt waren -- --- die Einrichtung hier deutete auf kein Bauernhaus, sondern athmete -bürgerlichen Wohlstand -- -- stand ein großes Bette mit dem weißesten -Linnenzeug überzogen, darin lag eine kranke Frau. Neben ihrem Kopfe -saß ein junges Mädchen von seltener Anmuth, nicht über 15 Jahre alt --- und zu den Füßen des Bettes saß der Graf. -- Auf dem Gesichte der -Kranken wechselte ein lebhaftes Mienenspiel, welches demselben bald den -Ausdruck ungeheuren Schmerzes -- und gleich darauf wieder jenen sanfter -Ergebung, inniger Rührung ertheilte. In diesem Augenblick schien der -letztere Ausdruck auf längere Zeit den Sieg davon tragen zu wollen; -die kranke Frau -- sie mochte nicht viel über 30 Jahre alt sein -- -stieß einen langen Seufzer aus, richtete das zuvor flammende Auge mit -unendlicher Milde auf Alexander und sprach mit einer Stimme, die aus -innerstem Herzen zu kommen schien: „So sind Sie also gekommen!... So -haben Sie also der armen niedern Frau, die Sie einst durch Ihre Liebe -so glücklich machten, nicht vergessen, Herr Graf?“ - -Hier schwieg sie ermattet und faltete die Hände, als wollte sie ihm -damit jenen Dank ausdrücken, welchen zu stammeln ihre Lippe zu schwach -war. - -„Nein, nein!“ antwortete Alexander bewegt und düster sie anblickend --- „ich habe Ihrer nicht vergessen -- Margaretha... Ich habe nicht -vergessen, wie Sie mich liebten, als ich im wüsten Jugendtaumel ein -reines und treues Herz noch nicht schätzen gelernt hatte.... Jetzt ist -es anders geworden....“ setzte er leise vor sich hinzu: „O!“ sagte -er mit gebrochenem Tone: „Wie haben Sie mich geliebt! Und wie habe -ich es Ihnen vergolten!“ Nach diesen Worten sank sein Haupt auf die -Brust herab, welche heftig athmend einen schweren Kampf zu bestehen -schien.... - -„Ja,“ entgegnete sie -- „ich habe Sie so geliebt, Herr Graf -- daß ich -um Ihretwillen elend, entsetzlich elend geworden bin.... die unheilbare -Krankheit, an der ich leide, hat bereits mein Lebensmark aufgezehrt -- --- und bald -- bald....“ Sie wollte fortfahren, hatte jedoch hierzu -nicht mehr die Kraft. - -Mittlerweile erfüllte das Schluchzen des Mädchens das Gemach und -Alexander reichte ihr die eine, ihrer Mutter die andere Hand, so daß -Geliebte und Tochter von ihm gehalten wurden. - -Denn so verhielt es sich in der That. Alexandrine, dies der Name des -Mädchens -- war sein Kind; ihre Mutter hatte vor sechzehn Jahren -zu jenen Unglücklichen gehört, die sich damals den schmeichelnden -Lockungen und der rohen Gewalt des Wüstlings ergeben hatten, bei -jenen Orgien, welche er mit einem Trupp ähnlich gesinnter Freunde -feierte.... Der Unterschied zwischen ihr und den andern Opfern seiner -wilden Begierden war der -- daß sie unglücklich genug war, eine -wahre Leidenschaft für ihren Verführer zu fassen, durch welche sie, -nachdem sie lange mit ihr gekämpft und sie in ihrem späteren ehelichen -Verhältniß auch zum Scheine bezwungen hatte -- zuletzt in jene -schreckliche Krankheit fiel, die jetzt an ihrem letzten Lebensmark -zehrte. -- - -„Sie wollten vorhin noch etwas sagen -- liebe Margarethe!“ erinnerte -nach einer Weile der Graf: „Reden Sie! Häufen Sie Anklage auf Anklage -über mein Haupt... führen Sie Verbrechen auf Verbrechen an, die ich -an Ihnen begangen habe, als ich noch der Thor war, zu glauben, die -Welt sei nur da, mir das, was ich damals Freude und Lust nannte, zu -bereiten. -- O beginnen Sie! Scheuen Sie sich nicht -- ich werde Alles -geduldig anhören... und meine Reue wird Ihrem Zorne, Ihrem Unglück -gleich sein...“ - -„Nein --“ sagte Margarethe: „glauben Sie ja nicht -- daß ich Ihnen -zürne!... Ich würde Sie ja dann nie geliebt haben, Herr Graf! -- -- -Ach, ich schelte Sie nicht -- ich habe Sie niemals gescholten, daß -Sie ein armes Mädchen verließen -- Sie, ein großer Herr. Was sollten, -was konnten Sie denn anders thun.... früher oder später mußte es doch -geschehen. Wer hieß mich eine so maßlose Liebe für Sie fassen... der -so hoch über mir steht und sich nur auf einen Augenblick zu mir -herunterneigen konnte... Waren Sie denn nicht ehrlich genug an jenem -Abend, da Sie mich zum ersten Male -- in Ihr Schloß brachten -- und -Ihren Freunden zeigten -- ausrufend: „das kleine Ding da sagt, sie -liebe mich und wolle nicht, daß ich auch noch Andern gut sei.... das -Närrchen -- das thörichte Landkind... Sie macht mich lachen!...“ Hatte -ich beim Anhören dieser Worte denn nöthig, Ihnen noch weiter zu folgen? --- Und doch folgte ich, und doch kam ich noch so oft selbst und zog -Sie noch so oft an meine Brust.... Ich kann,“ schloß die Frau, „Ihnen -nichts aufbürden, Herr Graf.... Ich kann nur über mein Schicksal -weinen.... Dieses allein hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe, -nicht Sie.“ - -Die Rede hatte Margarethe so angegriffen, daß sie nach den letzten -Worten in eine Art Lethargie verfiel -- worin sie ein leibhaftes Bild -des Todes vorstellte. - -Alexander verhüllte sich das Gesicht mit beiden Händen -- das Mädchen -aber warf sich auf ihre Mutter hin, umklammerte sie mit beiden Händen -und schrie angstvoll: „Mutter! Mutter! -- liebe gute Mutter.... fasse -Dich.... stirb mir nicht.... der Herr Graf ist ja hier! Du siehst -ihn ja vor Dir stehen.... und sagtest Du nicht stets: „Ach, wenn nur -er kommen möchte! Wenn er nur da wäre! Wenn ich ihn nur noch ein -Mal mit meinen Augen sehen könnte... denn er ist Dein Vater und ich -habe Dich ihm geboren!...“ Das sagtest Du so oft, gute Mutter -- und -setztest hinzu -- -- „dann, dann würde ich wieder ruhig -- dann sollte -meine Seele zufrieden und mein Leib gesund werden!“ Und -- nun da er -hier ist, er, den ich so gern Vater nenne, weil er so gut gegen mich -und Dich ist... nun, meine arme Mutter, hältst Du Dein Versprechen -nicht.... nun wirst Du mir wieder unglücklich, krank und elend! -- --- O mein Gott! mein Gott -- erbarme Dich unser!“ So jammerte dieses -zarte, unschuldige Geschöpf, dessen Miene der Ausdruck frommer, inniger -Herzensgüte war und dessen Stimme so hold und rein klang, daß man sie -tief gerührt hörte. -- In der That schien diese holde Stimme auch -wunderbar auf die Kranke zu wirken -- sie regte sich wieder und begann -nach einer Weile in eine Art von Clairvoyance zu fallen: „Kommt doch -her und seht mich an --“ sprach sie -- „wie schön ich bin, wie gut -ich es habe! Mich liebt ein junger schmucker Graf... Er hat es mir -tausend Mal sagen wollen.... aber er schwieg immer.... weil er mich -damit zu erzürnen fürchtete....! -- -- Oh, er weiß aber auch, daß ich -ihn liebe.... Nein, nein! er weiß nichts, gar nichts! -- -- Er hat -keine Ahnung davon! -- Und ich -- ich will es ihm auch nicht früher -sagen, als um Mitternacht.... wenn wir schlafen .... dann will ich ihn -aufwecken und flüstern: -- -- Schäme Dich, schmucker Edelmann -- -- Ich -bin blos eine Bauerndirne -- und Du gibst Dich mit mir ab. -- Oder nein --- Du magst mich nicht -- und +ich+ laufe Dir nach.... Hahaha! -- --- Mit Hunden solltest Du mich vertreiben lassen -- denn ich belästige -Dich in Deinem goldnen Schlosse.... und Deine Ahnen, die grinsen auf -mich herab und sprechen: Was will die unter uns? -- Gehört sie denn -hierher? -- Mag sie dahin gehen, woher sie kam.... von den Mägden! -- -Ah! Ah! das ist recht! das ist gut! -- Es geschieht ihr, wie sie es -verdient. -- Fort mit ihr! Hinaus aus dem Schlosse! Hinaus aus dem -Dorfe! Einen Mühlstein um den Hals -- und in’s Wasser mit ihr, der -schändlichen Dirne! -- --“ - -Dieser Irrsinn artete jedoch keineswegs aus; er hatte keine -Gewaltthätigkeiten im Gefolge, wie er denn auch erst seit Kurzem sich -bei der Kranken einstellte, jedoch mit immer größerer Intensität. -- - -Endlich nach einer viertelstündigen Dauer hörte dieser trostlose -Zustand auf und die Spuren des Paroxysmus schwanden allgemach dahin --- -- der allmächtigen Rückkehr jener Milde und stillen Zufriedenheit -Platz machend, welche eine Folge der Gegenwart Alexanders zu sein -schienen... Nach einem innigen, seelenvollen Blick, den sie lange auf -ihm verweilen ließ -- redete die arme Margaretha wieder: „O -- er ist -noch immer da.... Er geht, er verläßt mich nicht! Er spottet nicht -über mich... es ekelt ihm nicht vor mir! O, wie gut ist er!... und -ich, ich habe ihn so verkannt.... Ich, so geringe Ansprüche ich an -ihn auch hatte und so wenig ich auch hoffen durfte, daß sie durch ihn -erfüllt würden -- (denn am Ende hat er ja doch Alles gethan, was er mir -schuldig war: indem er für unsere Zukunft sorgte) -- -- ich sehe jetzt -dennoch Alles über die Maßen erfüllt! -- Er ist hier! Er kommt täglich -an meine Lagerstätte...“ - -Sie schwieg. Augenscheinlich schien die Quelle ihres Lebens schon -gänzlich verrinnen zu wollen; man hörte ihr Rauschen von Stunde zu -Stunde weniger. Vor mehreren Monaten konnte Margaretha noch frei in der -Stube umhergehen -- jetzt seit langer Zeit hatte sie das Bett nicht -mehr verlassen -- und nur die Intervalle ihres Leidens, nicht aber -das Wesen desselben, waren seit Alexanders Besuchen ein wenig milder -geworden. -- - -„Ich weiß,“ sagte sie nach einer Weile, wobei sie in den Armen ihres -Kindes lag: „daß diese Stube und meine Nähe kein Aufenthalt für Dich -ist -- theurer Alexander. Das, was der Schmerz und meine Traurigkeit -mich zu Zeiten ausstoßen ließ, sollte Dir ewig verborgen bleiben. Es -ist nicht gut -- wenn ein Kind die Vergehungen ihrer Mutter aus dem -eigenen Munde derselben hört -- ihre Schande mit eigenen Augen sieht --- es ist kummervoll und wenig lehrreich für sie. -- Aber,“ setzte sie -darauf weinend hinzu: „vielleicht ist es eben gut und nützlich! -- -Du hast an mir ein Beispiel, meine Tochter, -- dem Du nicht nachahmen -wirst! --“ - -„O,“ dachte Alexander bei sich, dessen Herz blutete, -- „ich habe -dieses Alles verdient! -- Die Strafe, welche ich in diesem Augenblick -erleide -- ist schwer, aber gerecht. -- -- Mein Uebermuth, meine -wilde Begierde hat hier zwei Seelen zu Grunde gerichtet -- -- denn -was war das Leben von Mutter und Tochter? Eine Kette von Schmerz! -- --- -- -- Ach, ach!“ versank er immer tiefer in den Abgrund seiner -Selbstanklagen: „und erst jetzt denke ich daran! Jetzt, nach 12 -Jahren.... nachdem es längst zu spät -- nachdem eines dieser Herzen -gebrochen ist.... denn bald, bald wird es ausgepocht haben! Jetzt -erst nahe ich mich ihm -- und will ihm Rettung bringen... So wäre ich -niemals hierher geführt worden, wenn mich nicht das eigene Unglück -hierher geführt hätte! -- So mußte ich selbst erst betrogen und -verlassen werden, um zu begreifen, wie entsetzlich das schmerzt?! -- -Ja, ja, arme Märtyrin der Treue, die Du da vor mir liegst -- ich habe -es jetzt selbst kennen gelernt -- wie bitter die Täuschungen, wie -tödtlich die Leiden der Liebe sind. -- O, um aller Seligkeit willen -möchte ich kein Herz mehr kränken, das mich geliebt hat -- eher wollte -ich sterben, als noch einmal falsch lieben! -- -- Falsche Liebe! -- -Teufel in Heiligengestalt, du küssest unser Herz, um mit unsichtbarem -Vampyrrüssel das Blut aus demselben zu saugen!... Falsche Liebe -- -ewige Paradiesesschlange! die du seit Jahrtausenden die Menschheit -verlockest -- ihr süßes Glück versprichst und ewigen Tod sendest. -- --- -- -- O, mich faßt fürwahr der Glaube, daß wahre Liebe gar nicht -lebe. Sie ist ein Hirngespinnst, ein Traum der Dichter! -- Noch nie -hat es eine glückliche Liebe gegeben .... mir ist keine bekannt. -Entweder betrog er sie -- oder sie betrog ihn. Das ist das Ende vom -Liede. -- Wer etwas Besseres über die Sache zu sagen weiß, der komme -hierher und rede... er soll an mir einen aufmerksamen Zuhörer finden -- -aber glauben, glauben werde ich ihm nicht, bis er mir Beweise bringt; -handgreifliche Beweise. -- O, der +Prinz von Dänemark+ hat Recht: -„Wir sind Alle geborne Schurken!“ -- Dies ist der größte Lehrsatz in -Poesie und Geschichte....“ - -Er war bei seinem Monolog unwillkührlich laut geworden und Mutter wie -Tochter hörten seiner Rede mit Verwunderung zu. Da wandte er sich an -Alexandrine, ergriff das liebliche junge Wesen an beiden Händen und zog -es zu sich an seine Brust -- dann legte er eine seiner Hände auf ihr -Haupt, sah ihr ernst und schwermüthig in’s rosige Angesicht und sprach: - -[Illustration: Seite 181] - -„Vertraue keinem Manne, wenn Du groß sein wirst... und fliehe Jeden, -der Dir von Liebe sprechen will. Denn sei gewiß, er will Dich betrügen! --- Achte auf meine Worte, holdes Kind, und präge sie Deinem jungen -Gedächtnisse ein. Vielleicht verstehst Du ihren Sinn noch nicht -ganz.... O möchte er Dir nie durch die Erfahrung deutlich werden!“ -Jetzt verstummte er und ergab sich den zärtlichsten Liebkosungen, die -er im Uebermaße an das Mädchen verschwendete, und wobei die Thränen -dieses sonst so festen Mannes rannen, als hätte er damit alle Flecken -der Geburt von Alexandrinen abwaschen wollen. - -„Nie hätte ich gedacht,“ flüsterte er ihr zu: „ein so liebes Kind -- -ein so holdes Töchterchen zu besitzen! -- Ach, ach, Dein Vater hatte -Dich gänzlich vergessen -- arme Kleine.... nur einmal im Jahre, wenn er -Euch seine karge Unterstützung auf’s Schloß sendete, erinnerte er sich -während eines Momentes, daß Ihr noch lebt. -- Aber wie geschah das? -- -So erinnert der große Herr sich seines Knechtes, seiner Magd -- seines -Hundes. Er weiß blos, daß er ihnen zu essen geben muß; im Uebrigen hat -er keine Gedanken für sie. -- -- O Schmach! O Schande! und auf diese -Weise wurdet Ihr von mir behandelt.... Ihr, die Ihr zwei Engel seid, -für welche diese Erde zu schlecht, zu niedrig ist. Ach, erst jetzt bin -ich fähig, Euern Werth zu schätzen -- da ich sehe, daß Ihr das seit 13 -Jahren in Geduld traget, unter dessen Last ich seit etlichen Wochen -schon fast zusammengebrochen bin -- O, meine Tochter, noch ein Mal! -Liebe keinen Menschen! -- Niemand ist Deiner würdig... denn Du bist das -Ebenbild Deiner Mutter, an Leib wie an Seele. -- Liebe niemals! -- Es -gibt keine Liebe! -- --“ - -„-- -- Und was ist denn das Gefühl,“ fragte er sich rasch: „welches -Margarethe einst mir -- -- und ich Cölestinen gewidmet? -- Ist dies -denn nicht Liebe? -- -- -- -- O! O!“ stöhnte er: „Man könnte wahnsinnig -werden, wenn man lange nachdenkt! -- Eine schreckliche Verwirrung -entsteht in unserm Gehirne, wenn es über diesen Punkt grübelt. Tausend -Fälle verneinen -- zwei bejahen das Dasein der Liebe... Also lebt Liebe -doch!“ rief er mit einem Male aus: „Ja, sie lebt! -- -- -- -- Aber ich, -ich werde sie nimmer mehr finden!“ - -Er blieb noch mehrere Stunden bei den Frauen. Die Kranke sprach nur -wenig und die ganze Thätigkeit des jungen Mädchens schien sich auf -Weinen und stilles Wehklagen zu beschränken .... denn dieses Kind -hatte eine Vorahnung von der baldigen Auflösung ihrer Mutter. Alles -Zureden, alle Trostsprüche, alle Liebkosungen des Grafen konnten sie -nicht beruhigen -- -- indeß die Kranke selbst den Tod nicht zu fürchten -schien, da sie ja, wie sie sich mit erschütternder Wonne ausdrückte: -„in den Armen ihres wiedergefundenen Freundes und Herrn sterben -werde!“ -- - -Ein stiller Trübsinn lagerte sich zuletzt über Alexanders ganzes Wesen --- weit tiefer, als jener, der ihm angeboren war und mit welchem er -sich seit so vielen Jahren umhertrug. -- So, in dieser Stimmung nahm er -Abschied von der Kranken, indem er versprach, morgen früher als sonst -wiederzukommen und nicht eher zu scheiden, als zu dieser gegenwärtigen -Stunde. -- - -Alexandrine begleitete ihn über die Schwelle des Hauses, wo er sie -auf die Arme nahm und lange, lange, so fest und warm an seine Brust -drückte, als wollte er sie nicht wieder fortlassen .... nachdem er ihr -noch einen Kuß auf die weiße Stirne gegeben.... entfernte er sich mit -raschen Schritten durch das Gärtchen, von dessen Thür er den Schlüssel -hatte.... - -Kaum war er auf freiem Felde angelangt -- als eine Bande fremder Kerle, -wovon Einige Pechfackeln, Andere Stöcke und Prügel in der Hand trugen, -ihm entgegen stürzten, drei bis vier sprangen heraus wie Tieger, und -sich an seinen Arm, an seinen ganzen Körper hängend, rissen sie ihn zu -Boden, legten ihn platt auf die Erde, mit dem Gesichte gegen den Himmel -gekehrt, der diesmal voller Sterne war. - -Darauf trat einer, schwarz wie ein Schornsteinfeger aussehend, vor ihn -hin -- fing an in lateinischer Sprache zu singen, zu schreien und zu -heulen... ging und lief rund herum -- goß ihm eine Menge Wassers auf -den Kopf -- und räucherte mit allen möglichen wohl und übel riechenden -Spezereien dazu -- darauf badete er ihm noch einmal das Gesicht -- -und zuletzt warf er eine Decke über ihn, die den unglücklichen Grafen -ganz einhüllte. -- Er sah nichts mehr -- aber bald fühlte er um so -mehr: nämlich fürchterliche Prügel, die es von Außen hageldicht auf -ihn regnete.... Alles dieses unter einem betäubenden, wüthenden -Geschrei der ganzen Bande und dem Kommandoruf des Schwarzen.... Nur -der außergewöhnlichen Körperkraft Alexanders konnte es gelingen, sich -in Kurzem aufzuraffen und dem Todtschlag unter den Händen dieser Rotte -von tollen Spitzbuben zu entgehen... Hierbei diente ihm die Decke als -Schild und Schutzmittel, denn er hielt sie so vor sich hin, daß die -Streiche und Schläge nur sie trafen. - -„Ihr Schurken!“ schrie er: „seid Ihr denn wahnsinnig oder habt Ihr -wirklich ein Bubenstück vor? -- Kennt Ihr mich denn nicht? -- Ich bin -der Graf von A--x!“ - -„Ja, ja -- wir wissen es sehr gut, gnädiger Herr! Wir kennen -Hochdieselben! -- O wir wissen Alles! -- aber eben deshalb -- schlagt -zu, Kameraden! Immer zu! Damit der Teufel den Leib des guten Herrn -verläßt! --“ Dies waren die Worte, womit der schwarze Anführer seine -Schaar ermunterte.... - -Endlich bemächtigte sich der Graf des Knittels eines dieser Kerle und -nun warf er sich auf die nächsten, worunter der Anführer selbst, den -er zu Boden schlug, worauf die Andern sogleich die Flucht ergriffen, -heulend: - -„Ach! der Teufel ist mächtig! Er hat unsern heiligen Pfarrer -überwunden! Gott steh uns bei!“ - -Jetzt erkannte Alexander den Pfarrer, und brachte endlich auch in -Erfahrung, daß seine eigenen geliebten Unterthanen es waren, mit denen -er so eben einen Strauß zu bestehen gehabt. -- - -„Aber,“ wandte er sich an den Geistlichen: „sagen Sie mir, was soll -denn das bedeuten? ... Sind Sie denn sammt Ihren Pfarrkindern um den -Verstand gekommen?“ - -„Das nicht, gnädiger Herr,“ versetzte dieser, sich mit seinen -zerschlagenen Gliedern jämmerlich am Boden windend: „Wir hatten Gutes -mit Ihnen vor.“ - -„Wie -- Gutes?“ - -„Wir wollten Ihnen den Teufel austreiben.“ - -„Und dies sagen Sie selbst, der Pfarrer, der Lehrer, der Führer dieser -Bauern, dem es obliegt, ihren Geist zu erhellen und ihr Herz zu -veredeln? -- Sie sprechen vom Teufel Austreiben? --“ - -„Allerdings, gnädiger Herr!... Und haben wir Sie denn nicht gesehen, -nicht gehört -- wie Sie da drinnen bei der +besessenen Frau+ -allerhand Teufelszeug trieben -- weinten, lachten, beteten -- und sich -mit diesem Weibe, die gewiß eine Hexe ist -- auf eine Weise einließen, -daß es uns, Ihren getreuen Unterthanen, ein wahrer Gräuel war. Können -Sie es läugnen: Sie umarmten das verfluchte Weib!“ - -Alexanders Gesicht verfinsterte sich jetzt zum wilden Zorne: „Mein -Herr,“ sagte er zu dem Pfarrer -- „Sie sind von diesem Augenblick an -Ihrer Pfründe verlustig und ich werde deshalb nach meiner Ankunft auf -dem Schlosse sogleich das Nöthige verfügen... denn wie mir dieser -Vorfall lehrt, so sind Sie weit eher dem Amte eines Stockmeisters oder -Banditenchefs als eines Seelsorgers gewachsen... Erwarten Sie morgen -meine fernere Entschließung. -- Was jedoch diese Kerle dort betrifft,“ -fuhr er, auf die in einiger Entfernung stehenden Bauern deutend, fort: -„so sollen sie ihrer wohlverdienten Strafe nicht entgehen. Ich werde -ihnen für die Zukunft die Lust benehmen, sich um den Geisteszustand -ihrer Herrschaft zu bekümmern....“ - -Damit entfernte sich Alexander, ging nach dem Gasthause, wo sein Pferd -stand, und ritt von da nach dem Schlosse zurück. -- - - - - -Achtes Kapitel. - -Die Verlassene. - - -Die Sachen in der Stadt standen indeß noch immer auf dem alten Punkte. -Cölestinens Haus war nach wie vor den ausgewählteren ihrer Bekannten -geöffnet -- nur daß keine größeren Soirées und _jours fixes_ mehr -statt fanden. In letzterer Zeit hatte die junge Frau sich inniger -als je an ihre Eltern angeschlossen; man sah sie nicht anders als -in Gesellschaft ihrer Mutter. Dieselbe schien mit ihr irgend ein -Geheimniß zu theilen, denn es geschah häufig, daß sich die Frauen für -mehrere Stunden mit einander einschlossen, und selbst vor den Augen -der Leute wechselten sie Winke, verständigten sich mit abgebrochenen, -geheimnißvollen Worten, ja es geschah ein Mal, daß Cölestine die -Generalin mitten aus einem Zirkel von Damen herausholte, sie, zu -großer Aergerniß aller Leute vom guten Ton -- aus dem Salon entführte, -und mit ihr erst nach einer starken Stunde zurückkam. - -„Ei!“ sagten die redlichen Freunde des Hauses: „wozu braucht es aller -dieser Umstände? -- Die Gräfin hätte es ihrer Mutter gleich hier sagen -können -- um was es sich handelt. Man ist ja von Allem auf’s Genaueste -unterrichtet...“ - -„Natürlich! Es betrifft den geliebten Herrn von -- Marsan! Was sonst?“ -flüsterte eine Dame... - -„O sagen Sie es nur gerade heraus, meine Liebe,“ bemerkte das -Stiftsfräulein: „Wenn Sie Etwas wissen -- theilen Sie uns es ohne Scheu -mit... denn wir haben bereits so viel in dieser Sache erfahren und -gesehen -- daß uns nichts mehr in Erstaunen setzen kann. Das Einzige -blos wundert mich, daß diese junge Gräfin noch immer nicht zum Mitglied -des Frauenvereins ernannt ist....“ - -„Sie gibt als Grund an -- mit ihrem eigenen Unglück hinlänglich -beschäftigt zu sein und nicht an fremde Dinge denken zu können!“ - -„O man kennt das!“ lachte die Stiftsdame: „Eigenes Unglück meint sie -vielleicht damit -- daß Herr von Marsan gestern das Rendezvous nicht -eingehalten hat, welches sie ihm zu jeder Mitternachtsstunde in seinem -eigenen Quartiere gibt. -- Denn er hat nur zu diesem Behufe das einsame -Haus, wo er jetzt wohnt, gemiethet...“ - -„Was sagen Sie da, mein bestes Fräulein?“ riefen Zwei aus dem Kreise: -„ein Rendezvous um Mitternacht in seinem eigenen Hause...?“ - -„Wie ich sagte: Punkt Zwölf -- mit dem letzten Glockenschlage können -Sie, wenn Sie sich anders hierzu die Mühe nehmen wollen -- dieses -Musterbild einer Gattin und eines Mitgliedes des Frauenvereins -- Sie -können sie, sage ich, in eine fremdartige Kleidung gehüllt, aber leicht -an ihrem ganzen Wesen erkenntlich, ihr Haus durch ein Hinterpförtchen -verlassen und zu Fuße den Weg nach der Wohnung des Chevaliers -einschlagen sehen. Zehn Schritte von ihrem Hause erwartet sie, hinter -einen Vorsprung versteckt -- Marsan..... sie gehen sodann eiligen -Schrittes, und indem sie sich tausendmal umsehen, eine Strecke fort, wo -ein verschlossener Wagen bereit steht, der sie aufnimmt und bis in das -Haus des Chevaliers bringt. Nach Verlauf von zwei bis drei Stunden... -wird die Fahrt auf dieselbe Weise zurückgemacht.... und so weiß diese -kleine Cölestine vortrefflich ihr Leben zu genießen, sich wegen ihrer -Strohwittwenschaft zu entschädigen.“ - -Die Zuhörerinnen waren erstarrt. Sie glaubten zu träumen und fingen an -umherzublicken, ob wirklich Alles noch auf dem alten Platze stehe. -- - -„Aber,“ rief endlich die Eine aus: „ist es denn denkbar! Es wäre -ein Fall, der seines Gleichen nicht hat: denn zu diesem Grade der -Verstellungskunst hat es noch Keine gebracht. Sieht man sie an, scheint -sie einen entsetzlichen Kummer niederzukämpfen und nur heiter zu sein --- um ihrer Freunde, ihrer Gesellschaft willen. Wie oft hört man sie im -Gespräche plötzlich verstummen -- und Seufzer ausstoßen -- oft sieht -man sich ihre Augen mit Thränen anfüllen... und das geschieht Alles so -wie unwillkührlich, als könnte sie es länger nicht mehr zurückhalten. O -die abscheuliche Heuchlerin! --“ - -„Allein,“ bemerkte eine dritte Dame: „Cölestinens Wesen scheint -sichtbar untergraben, was man auch dagegen sagen mag. Das ist nicht -mehr die blühende Gesichtsfarbe -- das glänzende Auge... das leichte, -übermüthige Schaffen und Treiben.... Ihr Teint muß durch künstliche -Mittel aufgefrischt werden -- ihr Gang ist schleppend -- ihre Hand -zittert....“ - -Hier schlug das Stiftsfräulein ein merkwürdiges Gelächter auf: „O,“ -sagte sie: „diese Symptome können ganz wohl einen andern Grund haben -- --- denn man hat das Beispiel an jener italienischen Signora R**, welche -vor zwei Jahren hier starb....“ - -Die Zuhörerinnen wandten sich bei diesen Worten von der Sprecherin -ab, welche vermöge ihrer tapfern Zunge so eben im Begriffe war, eine -Geschichte preis zu geben, die man sich bisher nur in Bierhäusern -erzählte. -- - -Dieses Gespräch fand an demjenigen Tage statt, von welchem wir zuletzt -sprachen. - -Heute empfing von drei bis sechs Uhr Cölestine ihre Freunde bei sich. -Man hatte ein Concert angekündigt, bei welchem ein eben durchreisender -berühmter Künstler mitwirken und an dessen Schlusse eine Romanze von -Cölestine selbst vorgetragen werden sollte. -- Sie saß, während ihre -Gäste kamen, in einem Armstuhle, dem Eingange des kleinern Salons -gerade gegenüber... Sie war ungewöhnlich bleich, und die bläulichen -Ringe, von welchen seit einiger Zeit ihre Augen umkreis’t waren, ließen -die letzteren heute ungewöhnlich tiefliegend erscheinen. Ungeachtet -dieser und anderer Zeichen eines inneren Leidens -- eines leisen, -schleichenden und giftigen Siechthums jedoch war die verlassene Gattin -liebenswürdig gegen ihre Gesellschaft wie immer und eifrig bemüht, -derselben eine Fröhlichkeit mitzutheilen, von welcher sie selber doch -nichts besaß. Ihr Anzug war fast zu einfach und ein strenges Auge -konnte selbst jene kleinen Nachlässigkeiten daran wahrnehmen, vor -welchen sich eine elegante Dame der großen Welt stets in Acht nimmt und -die sie sich höchstens in ihrem Boudoir erlaubt. Die Gräfin trug ein -blaßblaues Morgenkleid und im Haare einige dunkelblaue Schleifen, was -Alles nur dazu beitrug, ihr Aussehen noch leidender zu machen... Selbst -die kleine Lorgnette von Schildkröte, mit Perlen besetzt, hatte sie -heute vergessen.... - -Sie empfing jede einzelne Person, die sich ihr näherte, mit mehr als -gewöhnlicher Salonshöflichkeit... ihr Willkommen war wirklich innig -und aus dem Herzen kommend; denn sie befand sich in einer sonderbaren -weichen Stimmung, welche sie nicht, wie sonst, zu bemeistern vermochte, -welche durchschien -- und von gewissen Leuten, deren Geschäft dies ist, -im Stillen belacht wurde. -- - -„Nun, meine Theure, was habe ich Ihnen gesagt? Ist dieses Betragen -nicht lächerlich und selbst beleidigend. Will man uns durch diese -zärtlichen Worte und Blicke nicht gleichsam sagen: das ist gut für -Euch! Ihr braucht nichts Besseres! -- Ich wiederhole es Ihnen: diese -Gräfin hat uns heute um sich versammelt -- um uns auf ihre Weise zum -Besten zu haben.... Aber sie soll sich täuschen! --“ - -„Sehen Sie doch! da redet sie mit Herrn von Labers. Fällt sie ihm nicht -beinahe zu Füßen!... Haha! Wie abgeschmackt! Es fehlt nur noch, daß -sie uns heute mit gebrochener Stimme feierlichst ankündigt, sie wolle -sich in ein Trappistenkloster zurückziehen -- -- und darauf morgen mit -Marsan durchgeht...“ - -Man erräth es, wer so gesprochen. - -In diesem Augenblick trat General Randow mit seiner Gemahlin ein -- -und bei ihrem Anblick war es, wo Cölestine sich zum ersten Male erhob, -um den geliebten Eltern entgegen zu gehen. Mit einer unbezwingbaren -Rührung, mit einem Wesen, welches auf innerste Erschütterung -hindeutete, warf sie sich in die Arme der Mutter; und ein feines Ohr -hätte sie leise die paar Worte aussprechen hören: „Noch immer kein -Trost!“ - -„Von beiden Seiten nicht?“ fragte eben so die Generalin, und Cölestine -bejahte nur mit einer stummen Senkung des Hauptes, welches so schwer -geworden war, daß sie es mehrere Minuten lang auf die Schulter der -Matrone legen mußte. - -„Sagen Sie mir --“ redeten jene Freundinnen unter einander: „was -bedeutet wieder diese Farce da? -- Es fehlt nichts weiter, als daß man -uns in diesem Schauspielhause Entrée bezahlen läßt...“ - -„Bei Nero! -- Sie fangen zu schluchzen an -- _in conspectu -populi_, wie man sich ausdrückt. -- O schändlich! -- Ich wollte, -daß ich diese beiden Heuchlerinnen in meinen Fußangeln hätte und daß -sie Beide nur +einen+ Hals besäßen.... Sie wissen, was ich mit -demselben anfangen wollte.“ - -„Und dieser Labers! -- Der Mann wird, nachdem man ihm die Weisheit der -Braminen und die Güte des Sokrates zugeschrieben, plötzlich auf seine -alten Tage ein Narr.... Er sieht den Zweien von Ferne zu und auch seine -Augen befeuchten sich...“ - -„Der alte General hingegen scheint mir noch der Vernünftigste in dem -ganzen Quartett. Das ist ein wahrer Ehrenmann! -- Er würdigt die -Affectation seiner Frauen keines Blickes; er bemerkt sie nicht -- er -geht zu einigen alten Herrn und stimmt in ihr Gelächter ein, welches -wahrscheinlich irgend einer Anekdote gilt, die Graf Wollheim dort -erzählt...“ - -„Und welche natürlich erlogen ist.... so, als hätte sie jener famöse -Herr von Althing erzählt, den man seines hübschen Lebenswandels wegen -in keinem Cirkel mehr duldet...“ - -„Der aber bis zum letzten dennoch der intime Freund von Cölestinens -liebenswürdigem Bruder Edmund war...“ - -„An dem sich auch die Folgen dieses Umgangs bewährten -- hahaha!“ - -„Eigentlich, meine Freundinnen -- sollte dieser Fall uns aus der -Familie der Randow verbannt haben...“ - -„Wir besuchen dieses Haus auch nur, um uns an dem immer tieferen -Herabsinken desselben zu belustigen -- beim Nero und Domitian!“ - -Die Verläumderinnen hatten sich jedoch sehr geirrt, als sie glaubten, -der General sei zu jenen Herren getreten, um an ihrer Lustbarkeit -theilzunehmen; der General war seit dem Unglück seines Sohnes und -seiner Tochter ernst geworden, wie er es nie gewesen. Nicht daß er -sich der Fassungslosigkeit und dem Schmerze seiner Gemahlin hingegeben -hätte -- er blieb kalt und fest bei diesem Begegniß, bei diesem Schlage -seines Hauses -- aber die chevalereske Heiterkeit und der männliche -Frohsinn, welche ihn sonst so liebenswerth gemacht hatten, waren auf -immer von ihm gewichen... und diesmal, in dieser Stunde und bei dieser -Gesellschaft, hatte er am allerwenigsten Ursache, ihn zurückzurufen, -denn man hatte hier so eben über +Edmund+ gesprochen, auf welches -Thema der alte Jäger den Discours gebracht, weil er da in seinem -Elemente war. Wider Erwarten sah sich nun Wollheim von dem General auf -die Seite gezogen und dieser redete ihn an: - -„Herr Graf, wenn ich Sie bitten darf, so leiten Sie das Gespräch -nie wieder so, wie es eben geschah; ich würde es sonst als eine -Beleidigung, die mir selbst widerführe, aufzunehmen gezwungen sein -und dieselbe mit Bedauern rächen müssen. Ohnehin gehen in der -Hauptstadt hierüber die tollsten Sagen, so daß ich nicht weiß, was -ich mehr bewundern soll, den Erfindungsgeist, der sie ausbrütete, -oder die Leichtgläubigkeit, welche ihnen Glauben schenkt... Mein Sohn -hat sich, seinen Namen und sein ganzes Haus in eine traurige Lage -versetzt, dies bekenne ich mit Schmerz.... aber ich würde Niemand -rathen, den bedauernswerthen Jüngling, der seine Ehre vielleicht, wie -ein mißbrauchtes Mädchen ihre Tugend, durch fremde Gewaltthätigkeit -verloren hat, zu verspotten... Wäre mein Sohn von Natur ehrlos und -nichtswürdig, so würde ich selbst kein Wort über ihn verlieren, sondern -seinen Namen mit eigener Hand aus meinem Stammbaume streichen. -- -So aber umhüllt noch ein schreckliches Dunkel die Umstände seines -Verbrechens -- ich weiß nur so viel, daß Edmund von Randow stets -würdig war mein Sohn zu heißen, und bis ich ihn selbst nicht über -seine That vernommen und seine Vertheidigung angehört habe -- bin ich -entschlossen, ihn abermals, außer vor dem Gesetze, wohin mein Arm nicht -reicht, auf’s ernstlichste zu vertreten!“ - -„Bravo!“ schrie der Jäger, nachdem er die letzten Worte angehört hatte --- und kaum sich länger zu halten im Stande war: „Bravo, alter Vater, -tapferer General! -- Das nenne ich gesprochen.... wie sich’s gehört --- und wäre es nicht hier vor den Augen aller Leute, ich würde Ihnen, -hol’ mich Dieser und Jener, nicht nur um den Hals, sondern kurzweg um -die Kniee fallen. Ja -- Sie haben Recht! Edmund, mein theurer Edmund, -mein Jüngelchen, mein Schüler ist ein Ehrenmann. Wer etwas Anderes -behauptet, dem schieße ich eine Handvoll Entenschrotte in den Bauch. -Aber wie konnten Sie’s nur übel nehmen, daß ich von ihm sprach? Ich -erzählte ja das Rühmlichste. Ich sprach von einem Pirschen, welches -jetzt vor zwei Jahren zwischen uns stattfand und wobei Edmund, der -brave Junge, mir in demselben Augenblick, als eben ein alter Petz aus -dem Gesträuche auf mich herausbrach, das Leben rettete, indem er diesem -dicken Petz sein Jagdmesser bis an’s Heft -- ja ich glaube sogar auch -noch seinen Arm mit in den Hals steckte.... worauf ich dann meinen -unvergleichlichen Schüler mit 18 Kannen Dickbier regalirte -- so daß -er drei volle Tage weder A noch B sagen konnte -- --“ hier hielt der -Nimrod inne, merkend, daß er im Begriffe stehe, einen dummen Streich zu -machen und Dinge -- wiewohl große erhabene Dinge! -- am unrechten Orte -zu erzählen. -- - -Der General beruhigte sich seit dieser Erklärung, doch schien ihn der -Nachsatz sichtbarlich zu verdrießen und sein Unmuth kehrte wieder, -sich in folgenden Worten Luft machend: „Lieber Graf Wollheim, die -Sachen, welche Sie da erzählen, so wie überhaupt Ihr ganzes Verhältniß -zu Edmund, hat, glauben Sie mir, auch das Seinige dazu beigetragen, -den jungen Menschen zu dem Punkte zu bringen, wo wir ihn jetzt mit -Schmerz erblicken.... Nicht daß ich Sie nur im Mindesten beleidigen -und Ihren Umgang mit Edmund in direkte Verbindung mit seinem letzten -unglückseligen Streiche bringen wollte... das sei fern von mir. Jedoch -unter die bösen Gewohnheiten, welche seinen Verstand und sein Gemüth -befleckt und ihn zu immer traurigeren Verirrungen geführt haben.... -gehörte auch die +Unmäßigkeit+....“ - -Der Jäger wollte hier lebhaft losbrechen; seine Meinung über -Unmäßigkeit war eine ganz andere, als die des Generals, und er war fest -überzeugt, an Edmund nur Gutes gethan, ihn, wie er sagte, „zu einem -tüchtigen Kerle“ herangebildet zu haben. -- Der General verhinderte -indeß jede weitere Erklärung, indem er fortging und seine Schritte zu -der früheren Gesellschaft lenkte, aufmerksam zuhörend, was sie sprach --- eifersüchtig den Ruf seines armen Kindes bewachend. -- - -Mittlerweile hatte das Concert seinen Anfang genommen. Eine tiefe -Stille entstand, nur zeitweise auf den entfernteren Punkten des -Salons von einigen alten Frauen und einem Paar junger Leute von jener -Sorte unterbrochen, die für nichts Sinn haben, außer für ihre eigenen -Wichtigkeiten -- -- und die ein Privilegium zu besitzen glauben, -überall stören, überall ihre alten Albernheiten zum tausendsten Male -wiederholen, überall lachen -- überall Lärm machen zu dürfen. - -„Ach -- welch’ ein Gesicht -- das dort gegenüber von dem Cello.... -sehen Sie nur, lieber Arthur!“ - -„Haha! -- ein allerliebster Kerl!... Gewiß irgend ein großer -Kunstkenner.... seine rothe Nase bezeichnet ihn als Freund der -Geister...“ - -„Und jenes Fräulein dort weiter! Kennen Sie sie nicht? Sie scheint zum -ersten Male in einer Gesellschaft, denn sie macht allen Leuten Platz, -die sich ihr nähern...“ - -„Ach! Köstlich! Welche Bereitwilligkeit! Die trifft man heut zu Tage -nicht überall....“ - -„Uebrigens scheint sie mir nicht ohne +Raison+[D] zu sein! das -wäre vielleicht so Etwas für Dich -- Du mein ruinirter Lancelot! --“ - -Der, dem dieser Name galt, entgegnete: „Du irrst; ich bin von diesem -Systeme -- eine Partie zu +suchen+, abgekommen, und habe mir ein -neues gewählt; die Fortune muß +selbst kommen+ und.... sie wird -nicht ausbleiben.“ - -„Einstweilen behilft sich Lancelot mit seiner Fürstin... dabei ist -wenigstens nichts zu verlieren, haha!“ - -„Sie ist sein tägliches Brod... diese gute Herzogin. Sie schützt -wenigstens vor dem --“ - -„Still, meine Herren! Ich werde alle weiteren Explicationen ernstlich -nehmen.....“ - -Das erste Musikstück war zu Ende. Die jungen Herren hatten davon -gerade die letzte Note gehört... und sie bereiteten sich vor, es bei -dem zweiten eben so zu machen. -- Indessen widmete ein großer Theil -der Versammlung den Productionen große Aufmerksamkeit -- und Cölestine -selbst schien durch die Macht Polyhymnia’s dem trüben Diesseits -entrückt, zu den Regionen einer schönern Welt getragen zu werden. Ihr -Auge blickte seelenvoll vor sich, ihr Ohr schien mit Wonne in diese -Harmonie zu versinken... Einige Augenblicke lang schwand selbst die -kalte Blässe von ihrem Gesichte, eine zarte ätherische Röthe flog -ihre Wangen an.... so daß sie jetzt jedes künstlichen Mittels hätten -entbehren können. -- - -Sie saß zwischen ihrer Mutter und der Generalin E--z, welche beide sie -abwechselnd betrachteten und wovon die erstere mit tiefer Rührung den -kurzen Frieden in ihrer Tochter Brust einziehen sah. - -Trotzdem unterließen Frauen mit Drachenherzen es nicht, giftige -Bemerkungen dicht hinter dem Rücken der Verlassenen anzustellen -- die -jedoch an der anderweitigen Aufmerksamkeit Cölestinens ihre Wirkung -gänzlich verfehlten und von Niemand vernommen wurden, als von den -Sprecherinnen selbst.... - -„Manche Musik klingt nicht so angenehm, wie diese da... zum Beispiel -jene, von welcher das Ohr eines armen getäuschten Gatten beständig -erfüllt sein muß....“ - -„Ach -- es gibt Leute, die so Etwas nicht einsehen!“ bemerkte die -Stiftsdame: „die von Natur dazu geboren sind, Disharmonie in der Welt -zu erzeugen -- und ihren Eltern, ihren Gatten, Freunden und der ganzen -Menschheit das Gehör zu zerreißen.... Trotzdem aber geben sie sich -große Mühe, für absonderliche Tonkünstler und Tonkünstlerinnen zu -gelten.... O man kennt diese Gattung!“ - -„-- -- Können Sie mir nicht sagen, liebste Beste --“ fing die Vorige -nach einer Pause an: „wie es mit dem armen Grafen von A--x steht. Hat -man noch keine Nachrichten von ihm -- und weiß man nichts über seinen -Aufenthalt, seine Lebensweise?“ - -„Es thut mir leid,“ versetzte die Stiftsdame -- „Ihnen damit nicht -dienen zu können. -- Zuverläßlich jedoch hat sich der würdige und -hochgeschätzte Graf nach irgend einer entfernten Gegend begeben... denn -ich zweifle, daß er es in dieser Stadt oder in geringer Entfernung von -derselben lange hätte aushalten können. -- -- Man würde in kurzer Zeit -Gelegenheit gefunden haben -- -- das alte Spiel zu erneuern... man -hätte durch eine kluge, listige Behandlung ihn nach und nach wieder zu -gewinnen verstanden... man hätte durch zweite und dritte Personen auf -ihn gewirkt.... oder auch durch Briefe....“ - -„Das Alles,“ erhob jetzt ein Herr, der wie aus den Wolken gefallen -schien, den Niemand kommen und hier auftreten sah, sondern der hier -inmitten dieser würdigen Damen plötzlich empor tauchte, seine Stimme: -„das Alles,“ sagte er, „ist geschehen, meine Damen. Obgleich der Graf -von A--x hundert Meilen von hier entfernt in einem verborgenen Thale, -einsam wie Timon und verschanzt wie dieser, lebt -- hat man doch Mittel -gefunden, ihn auszukundschaften, hat sein heiliges Asyl entweiht -- -hat seiner Einsamkeit und Trauer nicht geschont -- hat ihn durch feile -Zwischenträger belagern -- mit Lügen und Versprechungen bestürmen -lassen.... kurz hat ihm zum zweiten Male eine arglistige Lockspeise -vorsetzen lassen, um ihn zum zweiten Male damit zu vergiften.....“ - -Seit Kurzem war Cölestine gezwungen, diesem Gespräch zuzuhören, -denn es wurde immer lauter geführt. Bei den letzten Worten sah man -ein tödtliches Grau über ihr Gesicht ziehen.... sie bebte an allen -Gliedern, und eben schien sie die Besinnung verlieren zu wollen, als -der Ruf: - -„Ihre Romanze ist an der Reihe, Gräfin!“ sie weckte und mit einer Art -künstlicher, elektrischer, gewaltsamer Lebenskraft erfüllte. - -Sie stand auf und ging an den Flügel. - -Hier nahm sie neben einem Herrn, der sie accompagniren sollte, Platz. -Aber als man die Notenhefte der Romanze suchte -- fand man dieselben -nicht. Und doch waren sie früher vor dem Anfange der Matinée von ihr -selbst aufgelegt worden. Das Ganze schien mit einem Wunder zuzugehen; -aber der Gesellschaft, obgleich diese die Wunder in neuerer Zeit wieder -außerordentlich liebt, schien mit dem gegenwärtigen keineswegs ein -Gefallen zu geschehen. Man bestand darauf, daß Cölestine singen sollte, -und da ihr in dem Gedränge, worin sie sich befand, nichts Anderes -einfiel, stimmte sie ein +Lied+ an, das sie ihrem Gatten sehr oft -vorgesungen hatte und welches diesem so gefiel, daß er es für seinen -Lieblingsgesang erklärte... - - „Abend ist, ein tiefes Schweigen - Zieht herauf vom Meeresstrand; - Himmelslichter sinken, neigen - Sich zum grauen Uferrand. - - Siehst Du dort des Sternleins Schimmer, - Eilend nach dem größern Stern?! -- - So auch folg’ ich ewig, immer, - Dir, Geliebter, nah und fern. - - Sieh’ die Fluth das größ’re fassen! - Auch das kleine stürzt sich drein! - -- So auch könnt’ ich nicht allein - Dich Geliebter sinken lassen!! -- --“ - -Nachdem Cölestine den letzten Vers gesungen -- fiel sie leblos auf die -Lehne ihres Stuhles zurück. -- - -Alles erhob sich -- fuhr durcheinander -- man eilte von hundert Seiten -der Gräfin zu Hilfe. - -In dieser allgemeinen Verwirrung schlich sich jener Fremde, der zuvor -die verhängnißvollen Worte hinter dem Stuhle Cölestinens gesprochen, -hinaus. - -Es war derselbe unbekannte und geheimnißvolle Mensch, den wir schon -früher einige Mal in den Salons Alexanders und anderswo umherschleichen -sahen -- finster und unheimlich wie das Verhängniß. - - - - -Neuntes Kapitel. - -Trauer und Verzweiflung. - - -Was Alexander auf seinem Schlosse und in seiner Einsamkeit betraf, so -lebte er daselbst noch stets in der alten Weise. Seine Tagesordnung -blieb die nämliche, seine Absonderung, seine düstere Kälte, sein Haß -gegen die Menschen, seine finstere Sucht, sie zu vermeiden, und seine -scheue Angst, wenn er ihnen nicht ausweichen konnte -- -- bei dem Allem -jedoch auch seine Mildthätigkeit, seine geheim ausgeübte Menschenliebe, -sie waren sämmtlich die früheren. Täglich machte er den Ritt aus dem -Schlosse nach jener Gegend, welche wir kennen -- täglich besuchte er -die kranke Margaretha und blieb in letzterer Zeit oft vom frühen Morgen -bis in die tiefste Nacht an ihrem Krankenlager... Er hatte ihr einen -geschickten und zuverläßlichen Arzt geschickt, der seine Wohnung im -Orte selbst nahm, um stets bei ihr zu sein, sobald sie seine Hülfe -brauchte. -- Ach, Alles das half zu nichts ... es war der menschlichen -Kunst nicht mehr möglich, dort etwas zu thun, wo die Natur bereits ihre -Verwesung vorbereitete.... - -Da ward der Schmerz Alexanders übergroß; dieser Mann, sonst stolz, -kalt und schroff, schien seine inneren Stützen zu verlieren, schien -zusammenzubrechen, gleich einem untergrabenen Kraftbau. -- Er konnte -sich nicht länger beherrschen: seine gepreßte und geängstigte Seele -machte sich in einem lauten, entsetzlichen Schmerzensschrei Luft -- und -nachdem dieser ausgestoßen war, flossen seine Zähren gleich mächtigen -Bächen, als sollten sie die lange Tafel seiner Schuld, alle Vergehungen -seines früheren Lebens abwaschen. Er ward zum Kinde, ja weniger als -dieses, denn das kleine Mädchen zu seinen Füßen besaß jetzt mehr -Fassung als er: „O!“ rief er, der draußen den Stolz so gut zu behaupten -verstand: „könnte ich Dich, arme Dulderin, mit der Hälfte meines -Lebens, meines Glückes, meiner Seligkeit retten, ja mit dem Ganzen -- --- ich würde es thun, denn Du hast es um mich verdient! -- Ach, warum -habe ich es früher nicht erkannt, warum vorsätzlich mich dem Bewußtsein -entzogen, daß ein Herz lebt, welches so große Liebe zu mir trug, daß -sie um ihretwillen in den Tod ging... eine Liebe, die nur gleichkommt -an Macht jener Falschheit und jenem Trug, welche mich die ganze übrige -Welt empfinden ließ, O wie glücklich hätte ich sein können! -- In -dieser Erkenntniß möchte jetzt meine Seele sich auflösen in ungeheuren -Klagen. Was hatte ich nöthig, das Glück und die Liebe dort zu suchen, -wo sie nicht sind?... Was hatte ich nöthig, im rauschenden Leben der -Welt nach dem zu haschen, was nur in stiller Einsamkeit wohnen kann: -nach einem Herzen! -- -- O sie blühte nur in einem grünen Thale unter -einem bescheidenen Dache -- die treue Liebe!... aber sie schien mir zu -niedrig -- ich suchte eine stolze, erhabene; und was fand ich? Traurige -Täuschung! bittere Enttäuschung. -- -- Ha! ich möchte mich darob in -einen Ocean des ewigen Todes stürzen! --“ - --- -- An einem schönen warmen Frühlingsabend starb Margaretha. Man -hatte sie in ihrem letzten Augenblicke in das Gärtchen hinausgetragen, -denn so wünschte sie es. Alexander saß wie immer neben ihr, düsterer, -trostloser, zerrissener als je; und jetzt sprach +sie+ ihm Muth zu... -jetzt suchte +sie+ ihm jene Säule wieder, an die er sich lehnen -sollte. Sie hielt seine Hand in der ihrigen, auf welcher schon kalter -Todesschweiß perlte -- und unverwandt haftete der brechende Blick -ihres Auges auf ihm, welches Auge noch immer voll war von jener -tiefen, unergründlichen Liebe. -- „Ich gehe ruhig aus dieser Welt --“ -lispelte sie, Wort für Wort mühsam aussprechend und nach jedem schwer -aufathmend: „ich sterbe glücklicher, als ich zu hoffen wagte.... Habe -ich ja den Geliebten meiner Seele noch einmal zu mir kommen und sein -Herz mir in inniger Zärtlichkeit sich zuwenden sehen.... Was soll ich -mehr von meinem Schöpfer verlangen....?.... Er hat mich reichlich -belohnt für allen Kummer.... Sein heiliger Name sei gepriesen!... Und -nun noch eine Bitte --“ flüsterte sie kaum vernehmbar...: „erbarme Dich -Deines Kindes -- Alexander!!. Lebt Beide wohl!!...“ - -Sie hatte ihren Geist ausgehaucht. -- - -Alexander ließ nun, die theuren Ueberreste gebührend zu ehren, sie -in dem Erbbegräbniß seiner mütterlichen Ahnen beisetzen. Den Schmerz -dieser Tage, dieser Stunden zu schildern ist unmöglich, aber seine -Größe läßt sich in Erwägung der nunmehrigen völligen Hoffnungslosigkeit -Alexanders recht wohl begreifen. -- Dieser Mann betrachtete sich jetzt -so wie Einer, der früher nackt und arm war, plötzlich einen großen -Schatz fand, welcher ihm jedoch, kaum daß er ihn besaß -- -- durch eine -unerbittliche dunkle Macht entrissen wurde, mit der Gewißheit, daß er -nie wieder ihn erlangen -- und in Zukunft wieder wie früher nackt, arm -und elend bleiben werde. -- - -Jedoch nein! Nicht ganz war er dies. Ein leichter Punkt war ihm in dem -trostlosen Dunkel seines Daseins doch noch geblieben -- eine grüne, -blüthenreiche Oase auf seiner fernern Reise durch die Sandwüste des -Lebens: das Kind Margaretha’s -- sein Kind -- seine holde Tochter -Alexandrine. - -Sein düsteres Schweigen, sein finsterer Ernst stieg von Tag zu Tage. -Er verließ jetzt nicht mehr sein Schloß, sein Gemach -- und kein -Menschenantlitz bekam ihn zu sehen; selbst die nothwendigsten Geschäfte -wurden zurückgewiesen und der Besorgung seiner Beamten überlassen.... -Nur Alexandrine, dieses junge Wesen voll Anmuth und himmlischer Güte, -blieb an seiner Seite -- gleich einem Schutzgeist suchte sie die bösen -Stunden zu verscheuchen, von denen er wie von einem Heere wandernder -Dämonen umschwirrt wurde. -- - -Aber es gelang ihr meistens nicht -- und im glücklichen Falle nur auf -Augenblicke; waren diese vorbei, waren die zarten Kräfte des Kindes -erschöpft -- so kehrten jene mit Wuth zurück und schleuderten ihn -wie einen Zwerg zu Boden. Unter den Leuten seiner Umgebung gewannen -die Sagen, welche über ihn gingen, einen immer schauerlicheren -Charakter... Alles das, was unerklärlich für den gemeinen Sinn war, -wurde von demselben auf’s schlimmste gedeutet, und so brachte man den -armen Grafen, den man früher mit bösen Geistern, einer Besessenen und -Hexe verkehren sah -- jetzt gar mit der Hölle in _pleno corpore_ --- d. h. mit der ganzen und vollen Zahl höllischer Heerscharen -in Verbindung, wobei man nicht vergaß, zu behaupten, diese hätten -unsichtbar vom ganzen Schloß Besitz genommen, und umtanzten bei Tage -den Herrn, zur Nachtzeit den Sarg der Hexe, die unten in der adeligen -Gruft lag... Bald, sagten sie, werde das ganze Schloß in Rauch aufgehen --- der Pechgeruch sei bereits allerwärts zu verspüren. -- - -Auch von Alexandrine war da noch Vieles zu bemerken. Es ließ sich -nicht bezweifeln, daß irgend ein häßlicher Kobold in dieser zarten -Mädchenhülle verborgen sei, der die Bestimmung habe, den verlornen -Grafen zu bewachen -- ihn keinen Schritt von der Straße abweichen zu -lassen, welche glatt und schnurstracks zum Königreiche Lucifers führt... - -Ungeachtet dieser freundlichen Beurtheilung, womit seine Diener und -Unterthanen ihn beglückten, unterließ er, der sich deshalb einmal mit -seinem Verwalter berathen hatte, nicht, ihnen Tag für Tag Gutes zu -erweisen, ihnen die Lasten zu verringern, die Pflichten angenehm zu -machen -- ihre Vergehungen mit Nachsicht zu bestrafen, dagegen bei -Belohnungen großmüthig zu verfahren und sich hierbei an kein anderes -Maß zu binden, als an das eines gütigen Herzens. -- - -Glaube man ja nicht, daß es ihm hierbei um einen Zweck zu thun -war... er wollte durch diese Veranstaltungen weder berühmt noch -beliebt werden; es war weder die armselige Affektation eines -unglücklichen Theaterhelden -- noch die wohlberechnende Klugheit eines -menschenfreundlichen Wucherers... es war einfach der dunkle, aber -mächtige Trieb jener Herzen, die in den Byron’schen Menschenhassern -wohnen und auf deren Grunde die edelsten Menschenfreunde verborgen -sind; edle, erhabene, tiefe, excentrische und gewaltig empfindende -Naturen, die vom Glück eben so heftig bewegt werden, wie sie das -Unglück erschüttert, so daß sie dort wie hier jeden Halt verlieren, -außer den Edelmuth, der nie von ihnen weicht, der kostbar blinkt, wie -die Perle in der Muschel, mag diese auch getödtet werden und verwesen. --- - -So ward z. B. jenen um das Seelenheil ihres Herrn so eifrig besorgt -gewesenen Leuten, deren Tollheit sich unter die Kutte ihres Pfarrherrn -verbarg -- die angedrohte Strafe erlassen, dem letztern jedoch -bedeutet, das Kapitel des Exorcismus _in praxi_ aus seiner Liturgie zu -streichen, was der geängstigte Geistliche um seiner Pfarrkinder und -Gänse willen auch zu thun angelobte -- jedoch mit schwerem Herzen, denn -er war auf seine Teufelsbannkunst stolzer, als auf alle seine übrigen -Kenntnisse und Fähigkeiten, sowohl im Latein wie im Griechischen und -Hebräischen, worin er freilich kein Weltwunder sein mochte. - - * * - * - -Wider seinen ausdrücklichen Befehl fand der Graf die Thür seines -Schlafzimmers heute nur blos angelehnt, nicht zugeschlossen, und -eben wollte er seinen Kammerdiener rufen, um ihn wegen dieser -Nachlässigkeit, die seiner jetzigen Meinung nach ein Verbrechen war, -zur Rede zu stellen ... als seine Blicke auf den Tisch neben die Lampe -fielen -- und eines Briefes gewahrten, der mit großer Hast hingeworfen -zu sein schien, denn er lag so, daß er jeden Augenblick auf die Erde -fallen konnte... - -Bevor der Graf diesen Brief zur Hand nahm, that er nun dennoch das, -wozu er schon früher entschlossen war, er klingelte und ließ sein -ganzes Hauspersonal zusammenkommen, vom Sekretär und Verwalter bis zum -letzten Bedienten. Als die Leute beisammen waren, redete er sie mit -finsterer Strenge an: - -„Wer von Euch hat es gewagt, diese Thür hier zu öffnen?“ - -Sie sahen ihren Herrn erschreckt an und wandten sich mit fragenden -Blicken zu einander. - -Der Kammerdiener trat vor und sprach zitternd: „Vor einer Stunde, -gnädiger Herr, habe ich das Schlafzimmer geöffnet und darin Alles in -Ordnung gebracht -- sogleich jedoch trat ich wieder heraus und kann es -beschwören, daß ich die Thüre fest verschlossen habe.“ - -„Gut!“ versetzte Alexander: „ich will Dir glauben, Antoni; ich -weiß, Du lügst nicht, ich weiß auch, daß Du Deinen Dienst pünktlich -versiehst und daß meine Befehle Dir heilig sind.... Anfangs hatte meine -Vermuthung Dich getroffen -- -- doch jetzt bin ich vom Gegentheil -überzeugt und habe deshalb die Andern hierher beschieden. -- -- Nun,“ -rief er mit lauter Stimme: „meldet sich Niemand von Euch? Ist der -Schuldige etwa nicht hier?“ - -Alles blieb stumm. - -Der Graf, in Zorn gerathend, stampfte auf den Boden: „Ich will es -wissen! Weh demjenigen, den ich später selber als den Thäter entdecke. -Er trete lieber gleich hervor!“ - -Nichts; kein Laut. - -Da trat Alexander in das Schlafzimmer zurück... nahm den Brief vom -Tische, und ohne dessen Aufschrift zu lesen, wies er ihn der Schaar -vor: „Dieses Schreiben ist hinein gelegt worden -- -- der Kammerdiener -trägt die Schuld nicht .... Wer also hat sich unterstanden....?“ - -Tiefe Stille. -- - -In diesem Augenblicke glitten seine Blicke unwillkührlich über die -Aufschrift hin -- und als hätte ein Krampf seine Hände ergriffen, -zerknitterte er das Papier und drückte es so zusammen, daß es einen -Knäuel bildete.... - -Jetzt wie von einem unwiderstehlichen Gedanken erfaßt -- verabschiedete -er rasch die Domestiken -- eilte in das Gemach -- entfaltete den -Knäuel und las nun auf der Rückseite des Briefes mit den Schriftzügen -+Cölestinens+: - - „+An den Herrn Grafen Alexander von A--x! --+ - - +Man bittet ihn flehentlichst, diesen Brief zu öffnen.+“ - -Ein nie gefühlter Drang trieb ihn, dieser Bitte zu willfahren, derselbe -Drang, welcher ihn zu dem vorigen Schritte genöthigt hatte. Er erbrach -das Siegel, der Inhalt des Briefes lautete: - - „Mein theurer, heißgeliebter Gemahl!“ - -Bei dieser Stelle angelangt, wollte er das Papier zerreißen -- doch las -er noch einige Zeilen. - - „Ein wahrer und aufrichtiger Freund, ein solcher, dem der erhabene - Name +Freund in der Noth+ gebührt -- überbringt Ihnen diesen - Brief. Er wird Mittel finden, zu Ihnen zu gelangen, mögen Sie die - eherne Mauer, womit Sie sich gegen mich und die Welt umgeben, auch - verdreifachen. -- Und so weiß ich, daß diese Zeilen gewiß in Ihre - Hände kommen, die theuren Augen meines Gemahles, meines angebeteten - Alexander auf ihnen ruhen werden. Ja -- so nenne ich Sie! und ich - rufe Gott, der uns erschaffen hat durch einen Wink seiner Hand, der - uns vernichten kann durch einen solchen -- ihn rufe ich an, mich zu - hören, indem ich Sie so nenne.... mich in dem Augenblick, wo ich - das Wort ausspreche, zu zerschmettern, wenn es eine Lüge enthält. - -- O Alexander! Alexander! Wohin ist es mit uns gekommen? -- Hätte - ich das denken sollen -- hätte ich es selbst im Wahnsinn eines - hitzigen Fiebers damals denken sollen, als es noch nicht so um - uns stand, wie in dieser entsetzlichen Stunde... denn jede Stunde - ist jetzt entsetzlicher als die vorhergehende -- das Schicksal - scheint sich an mir erschöpfen zu wollen in seinem Reichthum an - Elend! Es hat schon den ganzen Köcher über mich ausgeleert... und - doch treffen mich noch mit jedem neuen Athemzuge neue giftigere - Pfeile. -- -- O mein Gott, mein Gott! Erbarme Dich meiner und - seiner! Sende einen Deiner allgewaltigen Lichtstrahle herab in - diese Finsternisse!... Du bist ja der Beschützer der Unglücklichen, - der Unschuldigen und Verfolgten... Warum hast Du deine Gnade - nicht auch für mich -- die mit ihrem reinen Herzen vor Dir liegt - im Staube?... Ich bin ja schuldlos wie ein lallendes Kind -- wie - der Gedanke eines frommen Dichters! -- Du siehst es -- Du weißt - es -- Du allein kannst es bezeugen -- -- und doch schweigst Du, - Unerforschlicher, heiliger Vater der Menschen! -- rede zu ihm nur - ein Wort -- flüstere es ihm im Wehen des Morgenwindes, oder wenn - der Zephyr Abends an seine Schläfe streift, zu: ich bin unschuldig, - sein Weib war unschuldig, wird es bleiben bis zum letzten Schlage - eines Herzens, das nur für ihn pocht. -- Mein Gemahl, mein Gatte -- - warum sollte ich das Alles sagen, da nichts mich dazu zwingt? Sie - haben nach Ihrer Trennung von mir meine Verhältnisse so gestellt, - daß, wäre nicht meine Liebe zu Ihnen, ich mich darin nur glücklich - fühlen könnte. Wäre ich eine Verbrecherin -- so könnte ich ja - nichts sehnlicher wünschen, als den Fortbestand meiner jetzigen - Lage. -- Aber ich bin keine Verbrecherin, ich bin Ihre treue Gattin - -- Ihr treues Weib vor den guten Menschen und vor Gott. Ich bin so - rein von aller Schuld wie die Engel im Himmel es sind... Und ich - kann von mir sagen: ich will vor den Spiegel der Tugend treten und - es wird kein Fleckchen seine klare Fläche trüben. -- -- Welches - sind die Zeugnisse, die gegen mich sprechen? -- Nennen Sie mir sie! - Ich, ich darf keine anführen, um mich zu vertheidigen, -- -- dies - ist der Tugend nicht eigen, hierzu darf sie sich nicht herablassen. - Und wollte ich überhaupt reden -- -- wollte ich von demjenigen - reden, was allein noch einen Schein, einen Schatten von Zweifel auf - mich werfen kann, so würde ich anderweitig ein Verbrechen begehen. - -- Doch dies ist es nicht, was Ihren Verdacht erwecken konnte .... - es muß etwas Anderes sein. Ein böser Geist muß zwischen uns stehen - -- der einen bösen Samen aussäet... dieser Samen wächst in rasender - Schnelligkeit zur Höhe -- und verbirgt mich in meiner Unschuld - dem Auge des Gatten. -- -- O Alexander, einzig Geliebter Deines - Geschlechtes!.... Gewiß, die Dinge werden nicht ewig so bleiben.... - es wird endlich eine mildere Sonne ihr Licht über uns ergießen - -- aber Du wirst dann mein treues Herz nur durch einen grünen - Rasenhügel erblicken. Und diese Zeit wird bald kommen, früher als - Du wohl glaubst.... Alexander, es kann nicht mehr bis zum kommenden - Sommer währen, nicht mehr bis zu dem Tage, wo die Schwalben gezogen - kommen, um ihr himmlisches Nest zu suchen -- und auch ich werde in - meine Heimath hinüber ziehen.... Könntest Du diese elende Hülle - sehen, die einst so blühend, so fröhlich, so heiter, so glücklich, - so voll berauschender Lust vor Dir stand, die nicht nur durch ihre - Jugendkraft, sondern auch durch Deine Liebe so große Ansprüche an - das Leben hatte -- könntest Du sie jetzt sehen, wie sie stündlich - mehr zusammenfällt und eine Frucht für das Grab wird .... o, ich - wage es zu hoffen, Du würdest Dich besinnen -- vielleicht nur - zuerst aus Schrecken oder Mitleid -- aber gleichviel, Du würdest in - Dich gehen -- Deine Sehkraft anstrengen... sie würde diese dünne - Hülle durchdringen -- und drinnen das Herz im hintersten Winkel - vor Jammer und Trübsal zusammengeschrumpft sehen.... mein Herz, - dieses treue, zärtliche, gute Herz, dieses Herz eines Kindes und - einer Gattin zugleich.... - - „Doch ich höre auf zu rufen und zu wehklagen! -- Ich schließe - diesen Brief. -- Sollte es der letzte sein, der den Weg zu Dir fand - .... sollten diese Zeilen die Abschiedszeilen eines unglücklichen - Weibes von ihrem heißgeliebten Gatten -- sollte dieser Gruß der - letzte Gruß einer verkannten Frau von ihrem allzustrengen Manne - sein: so grüße ich Dich aus den innersten, unergründlichen Tiefen - meiner treuen Seele und flehe den allmächtigen Gott an, Dich stets - mit Glück und holder Zufriedenheit zu umgeben -- Dich durch dieses - Leben wie durch einen blühenden Garten zu führen -- am Ziele deines - Weges aber Dir eine Aussicht zu öffnen, die in den Kreis seliger - Cherubim und zu den Geliebten Gottes reicht, deren einer Du werden - mögest.... - - „Dort, dort, Alexander, werden wir uns gewiß endlich finden! - - „-- -- Ach ich kann dieses Schreiben nicht schließen, ohne mit - herzzerreißender Stimme zu rufen: ich bin unschuldig, ich bin - unschuldig, ich bin unschuldig! -- - - +Cölestine+.“ - -Alexander hatte den Brief bis zu Ende gelesen. -- Als er vorüber war, -fiel er kraftlos in einen Lehnstuhl und lange fand er keinen Gedanken, -keine Empfindung, kein Bewußtsein. -- Eine betäubende Leere allein -erfüllte Alles in ihm und um ihn. So wie ihm jetzt geschah, war ihm -noch niemals geschehen.... vergebens hätte er diesem sonderbaren Anfall -widerstrebt, er war, ehe er sich’s versah, dessen Sclave, gefesselt an -Händen und Füßen -- an Seele und Leib. -- Ein tausendstimmiges Chaos -rauschte, braus’te, klang und summte um seine Ohren -- und es schien -nicht anders, als hätte die Natur alle ihre Kräfte, leibhafte und -geisterhafte, entfesselt, um sie gegen ihn zu senden, nicht damit sie -ihn vernichten, sondern damit sie ihn in eine grenzenlose Verwirrung -brächten, die länger dauernd den Bau seines Wesens zerrütten und -zuletzt mit Wahnsinn endigen mußte. Zum Glück haftete dieser Zustand -nicht lange unverändert an ihm -- er machte nach und nach einer -völligen Dumpfheit Platz -- und war früher das Ohr das Mittel gewesen, -durch welches die Ereignisse an seiner Seele rüttelten, so wurde es -jetzt, nachdem der Gehörsinn völlig aufgehoben schien, das Auge. Eine -Welt voll Visionen tummelte sich vor seiner Pupille -- -- bunt und -düster, groß und klein, monströs und edel -- rasch und langsam -- wild -und sanft: Figuren auf Figuren von unübersehbarer Menge, wie die Wellen -eines brandenden Meeres! Es war ein Zug, der keinen Anfang und kein -Ende nahm. -- O wie sie tanzten -- sprangen -- ras’ten... früher waren -sie doch so ganz sachte auf glattem Boden dahingehuscht... aber nun -mit einem Male hatte sie alle irgend ein wüster Wirbel erfaßt -- und -die stille Kirchenfahrt wurde zum tollen Hochzeitszug -- zum wüthenden -Teufelstanz... - -Seine Hirnschale drohte zu zerspringen ob des vielen Sehens; -- das -innerlich kochende Gehirn schien bereits durch einige Poren durch die -Augenhöhlen herauszuzischen.... wild warf sich der unselige Seher mit -dem Angesichte gegen den Erdboden und wühlte mit den Fingern darin; -er hätte ihn gern zur unermeßlichen Tiefe aufgewühlt, um sich selbst -hineinzulegen.... Da endlich däuchte es ihm, er läge wirklich schon -darin -- er empfand lindernde Kühle und ihn umfing finstere Nacht.... -Alle Gestalten waren verschwunden... der Gesichtssinn hatte seinen -Dienst vollbracht, war erlahmt... - -Ach, mein Gott -- noch immer hatte das Schicksal nicht das rechte -Organ gefunden, wodurch es deutlich zu dem Elenden sprechen konnte, -so deutlich nämlich, daß er es verstand und vom Verständniß zu Grunde -ging. -- Denn so hatte es das böse Schicksal gewollt;... nicht im -Tollsinn sollte er reden -- es wollte ihn im Bewußtsein seines -namenlosen Elends hinabschleudern zum Orkus. - -Darum wandte es sich jetzt von seinen äußern Talenten zu den innern --- zu den scharfen geistigen Medien; es faßte ihn mit Geierkrallen -unmittelbar am Herzen -- und spie in’s Antlitz seiner Psyche... Es -rollte mit einem Ruck zwei ungeheure Berge von Schuld vor seine -+Erinnerung+ hin -- sie glichen zweien Scheiterhaufen, und auf dem -Gipfel des einen lag Margaretha gefesselt und gebunden -- auf jenem -des andern aber -- Cölestine.... und er selbst, er lief mit einer -brennenden Fackel hin und zündete zuerst den einen, darauf den andern -an... und tanzte dann zwischen beiden -- und schürte ihr Feuer -- -und wandte sich mit gotteslästerlichen Gebeten an den Himmel, den er -anflehte, ihm seine Blitze zu Hilfe zu senden, weil dies irdische -Feuer zu schwach brenne.... und droben auf den Holzstößen, wo die -Flammen über ihnen zusammenschlugen -- heulten die Opfer unter rasenden -Martern -- und schrien auch zum Himmel auf -- aber sie schrien um -eine Fluth, die herabstürzen sollte auf ihre brennenden Glieder und -glimmenden Haare -- und als der Himmel kein Wasser senden wollte -- --- da verlangten sie nun auch mehr Feuer -- sengende Blitze.... damit -ihre Qual schneller ein Ende nähme.... Aber nichts von dem Allen ward -erhört! -- Alles ging seinen natürlichen Gang. -- Alles, was geschah, -geschah durch ihn, durch den Henker, durch Alexander -- er allein briet -seinem Herzen dies höllische Mahl -- und er allein verschlang es, der -ärgste unter den Cannibalen -- -- ein Teufel in adeliger gesitteter -Mannesgestalt. -- - -Er erwachte. -- - -„Ja!“ schrie er händeringend auf: „Ich bin ein Würgengel! So wie die -Eine fromm und schuldlos war -- -- so wird es wahrscheinlich auch die -Andere sein.... Ich habe die Eine gelästert und zerstört -- ich habe -es ohne Zweifel auch mit der Andern so gemacht... Es wird mir klar, -ich bin auserkoren -- gleich dem Satan die Kinder Gottes zu verlocken -und zu verderben.... Cölestine, Du bist rein und fleckenlos wie es -Margaretha war... jene wie Dich tödtete mein Wahnsinn!“ - -Kaum hatte er dies gesprochen -- als neben ihm eine gellende Lache -aufschlug, welcher die Worte folgten: - -„Armseliger Tropf! So ist also wieder all’ Deine Mannheit dahin? -- -dahin Dein Stolz und Deine ganze Größe? -- -- Geh, geh -- Du bist der -Kleinen Kleinster!... ein Knabe, der gerne ein Riese sein möchte.... -stets aber von einem +Weibe+ überwunden wird. Auf Deiner Stirne -brennt mit unauslöschlichen Zügen das Schandmal: „Weiberknecht!“ -- --- und all Dein Thun hat seine Qual in der eitlen Laune irgend eines -Weibes. -- -- Tausendfach verhöhnter Liebhaber und Gatte -- Du wirst -es bleiben bis an’s Ende Deiner Tage!... So bist Du schon wieder Narr -genug -- den glatten Worten eines Weiberzüngleins zu glauben? -- -- -Wohlan! Geh’ hin -- begib Dich um Mitternacht zu der Wohnung dieser -Cölestine -- -- schleiche Dich hinter die Gartenmauer Deines Hauses --- kaure hinter einem Strauche -- -- und Du wirst Deine treue Gattin -kommen sehen, verhüllt mit Schleier und Tüchern... darauf tritt ihr -der schöne schlanke Geliebte entgegen (Du kennst ihn wohl!) -- -- sie -umfängt ihn mit brünstigen Armen -- er entführt sie rasch -- denn kein -köstlicher Augenblick ist zu versäumen.... Wohin führt er sie? -- -- -- -Nach +seiner+ Wohnung, nach +seinem+ Hause .... hier bringen -sie zwei Stunden zu, um einander zu küssen und über Dich zu lachen!“ - -Jetzt verstummte die Stimme. - -Jetzt erst gewahrte Alexander, daß er sich außerhalb seines Schlosses -im dichten Walde am Rande des Sees befinde. -- - -Von dem fremden Sprecher aber war nichts zu sehen; keine Spur mehr zu -entdecken. -- Freilich jedoch herrschte bereits finstere Nacht und am -Himmel blinkte nicht ein Sternchen.... - -Wie er hierher kam aus seinem Schlafgemache, wußte er sich nicht zu -sagen; doch erfuhr er am andern Morgen, daß er gestern Abend in tiefen -Gedanken versunken herausgewandert sei in’s Freie, der Pförtner hatte -ihm erstaunt nachgesehen, jedoch weder gewagt, mit ihm zu sprechen, -noch ihm zu folgen. -- - - - - -Zehntes Kapitel. - -Auf der That ertappt. - - -Noch an diesem Tage verließ der Graf allein und ohne alle Begleitung -das Schloß und begab sich in einer unscheinbaren Kutsche nach der -Residenz; er passirte unerkannt die Linien und stieg in einem der -armseligsten Gasthöfe ab. Hier nannte er einen fremden Namen, und -nachdem er ein einfaches Zimmer bezogen, schloß er sich, seiner -Gewohnheit nach, darin ein. Er hatte nichts anderes mitgebracht, -als seinen Mantel und unter demselben ein Paar lange, dünne, -scharfgeschliffene Klingen, von moderner Pariser Arbeit. Mit ihnen -unter dem Arme, von seinem Mantel eingehüllt, verließ er Abends in -tiefer Dunkelheit seinen Gasthof, bezahlte den Wirth und begab sich -sofort zu seinem Notar, den er gewiß war jetzt zu Hause zu treffen. -Diesem händigte er ein versiegeltes Paket ein mit dem Bedeuten, es nach -drei Tagen in dem Falle zu öffnen, als er bis dahin keine Gegenordre -erhalten hätte. -- - -Das Paket enthielt Alexanders letzten Willen. - -Nunmehr, mit seinen bürgerlichen Angelegenheiten in Ordnung -- eilte -er, denen seines Herzens und seiner Ehre Genüge zu leisten. Er trat -den Weg nach seinem Palaste an, und da er wußte, daß seine Gegner sich -der verborgenen Pfade bedienen würden, wählte er die allgemeine breite -Heerstraße, auf der er auch ungesehen bis an den bezeichneten Platz -gelangte. Es war ihm, der mit der Oertlichkeit dieses Gebäudes, welches -er selbst hatte aufführen lassen, sehr vertraut war, leicht, sich hier -zu verbergen, ohne daß Jemand seine Nähe ahnte. -- - -Keines Dieners Auge, keines Hundes Wachsamkeit hatte ihn entdeckt und -mit bitterem Lächeln sagte er zu sich: - -„Ich bin in meinem Hause sehr treu bewacht!“ - -Es schlug jetzt halb Zwölf. -- Er setzte sich auf den Boden, legte -die Waffen vor sich hin und betrachtete mit Wohlgefallen ihre Spitzen --- denn diesmal schimmerten die Sterne, auch hatte sein Blick eine -wunderbare Schärfe gewonnen, die jener eines Geiers glich. - -Langsam, träg und faul zog die Zeit hin -- Alexander meinte, diese -halbe Stunde sei hinreichend, eine neue Welt zu bauen oder zu -zerstören... an dem letztern Gedanken hielt er sich mit Wonne. -- -Endlich schlug es Zwölf.... - -In diesem Augenblicke raschelten seitwärts die Zweige des Gebüsches --- und heraus trat ein Mann, ebenfalls in einen Mantel gehüllt. -- Er -wandte ihm den Rücken zu, und schritt langsam zur Gartenmauer, und zu -dessen Pförtchen, welches hier auf’s freie Feld führte. - -Selbst dem penetrirenden Blicke Alexanders war es nicht möglich, den -Mann zu erkennen -- sein Mantel verbarg ihn vollständig, überdies -schien er sich noch durch andere Mittel unkenntlich gemacht zu haben. --- Jedoch es war kein Zweifel, daß es ein junger Mensch sei, und an -Größe glich er vollkommen dem Chevalier von Marsan. -- - -Es vergingen einige Augenblicke und leise ohne daß man es hörte, drehte -der Schlüssel sich um, das Pförtchen ging auf.... eine Dame trat -heraus. -- - -Auch sie war trefflich maskirt, so daß selbst Alexander unter anderen -Umständen seine Frau nicht erkannt hätte -- ihr Gang aber verrieth sie -ihm dennoch. -- - -Ohne ein Wort zu wechseln, stürzten die beiden Personen sich in die -Arme und blieben lange so -- dann still, wie sie gekommen waren, -rafften sie sich auf, und schlugen eilig einen Weg ein, welcher unter -dem Schutze der Gebüsche und Bäume nach der Stadt führte. - -Längst schon hatte auch Alexander sich erhoben -- und folgte ihnen -in einiger Entfernung Schritt für Schritt, nahe genug, um sie stets -im Auge zu behalten -- und doch so weit, um mit Hülfe der sich -darbietenden Deckungsmittel selbst ungesehen zu bleiben. -- Man hatte -auf diese Weise ungefähr einige hundert Schritte zurückgelegt -- als -er am Eingange einer breiten, aber öden und unbewohnten Straße einen -Wagen halten sah.... und vermittelst seines wie durch Zaubermacht -geschärften Blickes -- sogleich +Marsan’s Equipage+ erkannte..... - -In diesem Momente riß es ihn mit tausend Ketten empor, er vergaß aller -Vorsichtsmaßregeln -- stürzte der Buhlerin und ihrem Buhlen nach, die -Erstere drehte sich rasch um und stieß den Ruf aus: „Um Gotteswillen! -Ein Mann hinter uns!“ -- dann liefen Beide eilig auf die Equipage zu... -aber sie hatten sie noch nicht erreicht, der Kutscher hatte Cölestinens -vernehmlichen Befehl: „Rasch den Schlag aufgemacht!“ noch nicht -vollziehen können, als Alexander schon dicht hinter ihnen war -- und -(seines Vorsatzes, dem Mann einen von den Degen anzubieten, vergessend) -mit beiden, gleich einem Mörder, über ihn herfiel, den einen in dessen -rechten Arm, den andern ihm in’s Gesicht bohrte. -- - -Aber jetzt ward er verhindert, sie noch weiter zu gebrauchen... er -fühlte sich rückwärts überfallen, von zwei gewaltigen Fäusten gepackt, -entwaffnet und so zu Boden geschleudert, als sollte er sich nie wieder -erheben... Der Kutscher (denn er war es) hob die Degen auf, packte den -Verwundeten in den Wagen, schob Cölestine hinten nach und im wilden -Galopp rollte die Equipage über das Straßenpflaster dahin. - -Alles das geschah in Zeit von einigen Minuten -- kein Wort war -gewechselt worden -- kein Laut dem Munde der betheiligten Personen -entfallen -- der Verwundete schien entweder vom Schreck oder vom Stich -leblos geworden zu sein .... er lag gleich einer Leiche in dem Schoße -Cölestinens. -- - -Beim Einsteigen in den Wagen hatte Cölestine dem Kutscher zugerufen: -„+Nach der Wohnung des Chevaliers von Marsan!+“ -- Dies war das -einzige Wort gewesen. Alexander hatte es noch gehört. -- - - - - -Elftes Kapitel. - -Die Katastrophe. - - -Aber die Mauern einer großen Stadt haben tausend Ohren und die Ziegel -auf dem Dache Millionen Augen; es wird Alles gesehen und gehört, mag es -auch im tiefsten Dunkel der Nacht und im abgelegensten Winkel geschehen --- überdies nimmt die Polizei, vermöge einer ihrer Eigenschaften, die -man bei der Wiener’schen +Allwissenheit+ nennen darf, von Allem -schleunigst Notiz -- mit einem Worte, zwei Tage nach obiger Begebenheit -sprach man in den Cirkeln von einem Mordanfall, der in der N*straße -auf zwei Personen gemacht worden sei, welche Personen sich nur durch -rasche Flucht in der Equipage des Chevaliers von Marsan ihrem sichern -Tode entzogen hätten. - -Zu erzählen oder vielmehr zu erklären, auf welche Weise die Fama zur -Kenntniß dieser einzelnen Umstände kam, ist uns nicht möglich -- denn -was Alexander betraf, so hatte dieser von dem Augenblick, wo die -Equipage abfuhr, bis zur gegenwärtigen Stunde, nicht die geringste -Unannehmlichkeit zu bestehen gehabt. Er war damals bald nach seinem -Unfalle vom Straßenpflaster aufgestanden, ohne Jemand um sich zu -erblicken -- -- und seit der Zeit wohnte er bei seinem Rechtsanwalt, -in dessen Hause er sich von einer Unpäßlichkeit zu erholen suchte. --- -- Anderseits konnte Cölestine doch unmöglich selbst das Gerücht -ausgestreut haben -- und auch von dem Kutscher war dergleichen nicht -zu erwarten. -- -- Die einzige Möglichkeit war diese: es hatte Jemand -Fremder der nächtlichen Affaire zugesehen, allein wie dieser Mensch -war, wagte er es nicht, sich selbst auf den Kampfplatz zu verfügen, -sondern eilte -- da ohnedies in dieser Straße keine Hilfe zu erlangen -war -- nach der Wache oder Polizei. -- Als dieselbe erschien, -war jedoch nicht nur der Wagen, sondern auch Alexander bereits -verschwunden. -- - -Der Letztere hatte gegen seinen Anwalt geschwiegen -- er gab vor, -einen Zweikampf bestanden zu haben, der für ihn glücklicher als -für seinen Gegner ausfiel.... im Uebrigen zeigte er sich äußerlich -heiter und sogar humoristisch -- während in seiner Seele eine Hölle -glühte... deren Flammen nur gemildert wurden durch die wenigen Tropfen -von Hoffnung, daß er den Buhlen seines Weibes schwer, vielleicht gar -tödtlich verwundet habe.... - -Allein was war das Alles! -- Nicht nur dessen Leben wollte er haben --- nicht nur das Herz ihm aus dem Busen reißen und dessen heißes -feindliches Blut trinken... er lechzte nach der Seele Marsan’s -- er -wünschte, daß er ihn in einem unvorbereiteten Augenblicke, da dessen -Gewissen mit gräuligen Sünden beladen gewesen sei, getödtet hätte -- so -daß die Seele des Verhaßten zur ewigen Verdammniß hinab fuhr! -- Das -wünschte er, darnach rief er alle dunklen Mächte an. - --- -- Ach, welches Erstaunen, welches Entsetzen erfaßte ihn, als sein -Wirth ihn benachrichtigte, im Hause des Chevaliers werde nächster Tage -ein großes Fest begangen werden -- die Veranlassung hierzu sei die -Ernennung Marsans zum Gesandten am Hofe von G**, wohin er sich alsbald -begeben werde. Das Fest sollte an Glanz Alles überbieten, was in dieser -Art bei einem vornehmen Garçon noch je vorgekommen. Er, Marsan selbst, -wollte dabei die Honneurs machen. - -Dies Alles schien dem Grafen ein alberner Traum oder eine elende -Mystifikation; nach einigen Minuten jedoch sah er, daß er vollkommen -wache, und erinnerte sich, daß den Worten des Notars stets zu glauben -war. So gehörte also das Ganze in die Welt der Wunder, welche man am -besten mit Auge, Hand und Ohr controlirt. - -Das Letztere zu thun war Alexander entschlossen. Er wollte in eigener -Person dem Feste beiwohnen, -- bis dahin jedoch sich hüten, darüber -nachzudenken.... denn das Nachdenken konnte ihn zum Wahnwitz führen. - - - - -Zwölftes Kapitel. - -Das Fest bei dem Chevalier von Marsan. - - -Das Haus des Chevaliers -- ein neues Gebäude, welches sehr einsam in -der Gegend des Belvedere lag -- war seinen Gästen geöffnet, die zahllos -heranströmten, um ihm zu seiner Ernennung Glück zu wünschen. - -Das in Rede stehende Fest fand in den Abendstunden statt, weil ein -Ball mit demselben verbunden werden sollte. Das Haus oder Hôtel oder -der Palast war in seinen zwei Etagen glänzend erleuchtet, so daß -die Lichter noch draußen hundert Schritte im Umkreise Tageshelle -verbreiteten; -- und eine Wagenburg war unten aufgefahren, die den Neid -jeder einzelnen Person durch deren Wagen sie vermehrt wurde, erregen -mochte. Fürstliche, herzogliche, hochgräfliche und Wappen von allen -andern Ritterklassen waren da an den Schlägen zu sehen... fabelhaft -prunkende Livreen tummelten sich neben denselben umher. - -Vor dem Portale des Hôtels aber standen zwei Portiers, so groß -wie Patagonier -- und mit so langen Stöcken, daß jeder eine gute -Kosakenlanze hätte abgeben können -- dies jedoch, wie natürlich, ohne -den mächtigen Knopf aus massivem Silber. - -Eine Suite von zwölf Gemächern, worunter drei große Salons, war oben -im ersten Stock bereit, diese Tausende von Personen aufzunehmen -- -deren Blick beim Eintritt geblendet wurde von einem in Wahrheit -orientalischen Luxus. Denn das ganze Haus Marsans war in diesem -Geschmacke eingerichtet -- und schon unten an den Treppen hatten -uns schwarze Kammerdiener empfangen, während hier in den Sälen -die aufwartende Dienerschaft aus lauter echten Abyssiniern in dem -malerischen Costume ihres Vaterlandes bestand. -- Jedoch wollte der -Herr des Hauses den Orientalismus nicht so weit treiben, daß er zum -Besten jener Gäste, die für denselben keine so große Leidenschaft -nährten, wie in diesem Augenblick er -- nicht auch einige Europäer -mit schwarzen, betreßten Fracks unter seine Söhne des Islams gemischt -hätte. -- - -Der Boden dieser Appartements war theils mit trefflichen Teppichen -aus Aleppo belegt -- theils mit einer Art von feinen Binsendecken, -welche so glatt waren, daß man darauf tanzen konnte, und die in Skios -verfertiget werden. An den Wänden hingen köstliche bunte Stoffe -- -zwischen welchen Säulen von Marmor standen mit abentheuerlichen -Kapitälern und Sockeln versehen, so daß sie aus dem Serail des -Padischah oder Mehemed Ali genommen schienen; in den Draperien -wechselte der Damast aus Damaskus mit den Shawls aus Teheran und -Kashemir -- schwerlastende Stickereien, Franzen und Quasten faßten den -Rand ein. -- Springbrunnen, mit wohlriechendem Wasser gefüllt, standen -in den Ecken, und in der Mitte eines Salons befand sich ein Bassin -aus carrarischem Marmor, worin Goldfischchen schwammen und welches -tropische Gewächse und Blumen umgaben, aus deren Zweigen, trat man mit -dem Fuß zwischen sie, liebliche Musik ertönte... Es waren lauter Weisen -in jenem klagenden Tone, wie man sie unter den Mauern eines Harems zu -hören bekommt. - -Kurz hier fehlte nur noch der Pascha, mit der langen Pfeife, auf -Polster hingestreckt und von seiner Lieblingssklavin umkos’t. - -„Zum Teufel!“ sprachen junge Herrn in strohfarbigen Glacéhandschuhen, -die von Patschuli dufteten: „Zum Teufel! -- Wo befinden wir uns? -- -Sind das die Gärten der Semiramis oder ist es das Terrain der Mährchen -von Tausend und einer Nacht...?“ - -Die guten Herrn! -- Sie hielten die Semiramis wahrscheinlich auch für -irgend eine Sultanin im Lande der Gläubigen. -- - -Herr von Marsan empfing die ankommenden Personen in einem Mittelsaale. --- Er war im einfachen Salonanzuge -- braunem Frack, schwarzen -Beinkleidern von Seide und eben solchen Escarpins; ein weißes Halstuch --- unter welchem das Offizierkreuz der Ehrenlegion hing, welches er -mit seinem Gesandtschaftsposten zugleich erhalten hatte. - -Unter der Gesellschaft befanden sich von denen, welche wir kennen: -der General und die Generalin von Randow -- Herr von Labers, der die -Feldmarschallieutenants-Wittwe E--z begleitete, dann die Gräfin von -Wollheim mit ihrem Gemahl. -- Natürlich, daß Cölestine fehlte, und -Herrn von Porgenau sammt Gemahlin anlangend, so waren diese gar nicht -geladen worden: in den Augen Marsans zählten sie zur Canaille, wohin er -jedoch auch den Grafen Wollheim gestellt hätte, wäre dieser durch seine -strumpfstrickende Frau nicht ein Freund des Generals gewesen. -- Leider -trat mit jener gutherzigen Dame auch das Stiftsfräulein von Bomben -herein, ohne daß sie eine Karte empfangen hätte; aber der Tag war zu -wichtig: mehrere Damen, Mitglieder des Frauenvereins, waren zugegen, -und mit diesen hatte dieses menschenfreundliche Ex-Mitglied diesmal -etwas Besonderes vor. - -Hätte ein Maler den Begriff der +Liebenswürdigkeit+ personificiren -und durch Pinsel und Palette auf Leinwand werfen sollen -- so brauchte -er heute nur das Portrait Herrn von Marsans zu zeichnen; da war keine -Zuthat, keine Idealisirung des Stoffes nöthig: er selbst, in baarem -Wirklich, war Ideal. - -Selbst seine Feinde (und auch er hatte deren) waren entzückt -- um ihn -schaarten sich nur Zufriedene, Glückliche. - -Bald hatten sich Gruppen und Kreise gebildet. -- - -Neben einer Fontaine saßen einige Damen, unter denen die Gräfin von -Wollheim und das Fräulein von Bomben hervorstachen. Man unterhielt sich -hier über das Fest, über den Geber desselben -- und erschöpfte sich in -Conjunkturen wegen der glänzenden Belohnung, die ihm sein König für -einige wichtige Dienste in letzterer Zeit zuertheilt hatte. Unvermerkt -wußte das Stiftsfräulein, welches die schöne Kunst besaß, das Wort -überall an sich zu reißen, das Gespräch auf einen neuen Gegenstand zu -bringen, auf einen ihrer Lieblingsgegenstände. - -„Sie haben wohl schon von dem remarkablen Falle gehört, meine Damen -- -der sich vor einigen Tagen in der N** Straße zugetragen und welcher -in naher Verbindung mit dem Chevalier von Marsan, besser gesagt in -+direkter Verbindung mit ihm+, steht?“ - -Es ließen sich nun einige Angaben vernehmen -- die alle von dem -wirklichen Faktum abwichen und auch alle unter einander verschieden -waren. - -„Nein, nein!“ versetzte das Stiftsfräulein: „das Alles ist nichts! -- -Weit von der Scheibe! wie man zu sagen pflegt. Ich bin über den Punkt -genau unterrichtet und kann Ihnen aus authentischen Quellen Geschöpftes -mittheilen. So hören Sie denn!“ -- - -„Vor vier Tagen -- doch es war zur Nachtzeit, es war nach Mitternacht --- hielt die Equipage des Chevaliers, welche aus diesem Hause -abgefahren war, wie gewöhnlich in der N** Straße, und er, nämlich -Herr von Marsan, stieg heraus. Nachdem er seinem Kutscher den Befehl -ertheilt hatte, ihn hier zu erwarten (+wie gewöhnlich!+ muß ich -hinzusetzen), bis er zurückkehren werde, begab er sich zu Fuße auf -Umwegen nach der Wohnung der Gräfin A--x, zu dem Gartenpförtchen (Alles -wie gewöhnlich, meine Damen). -- Hier wartete er einige Augenblicke, -nach welchen sich das Pförtchen öffnete und Cölestine bis über die -Zähne maskirt heraustrat, (wie gewöhnlich). Sie fiel ihm um den Hals -und rief: „Endlich! Endlich! Nach langem Harren und Fürchten.... -endlich bist Du da, Geliebter, und ich kann Dich an mein Herz drücken. --- Böser, böser Mann -- warum hast Du mich eine so ewig lange Zeit in -ängstlicher Ungeduld harren lassen?... Es ist ja beinahe fünf Minuten -später, als Du kommen solltest!“ Hahaha! Hahaha! -- Was sagen Sie -dazu -- meine Damen?“ wandte die Erzählerin sich zu ihrer Umgebung, -fuhr jedoch gleich darauf wieder fort: „Nachdem sie diese schönen -Worte ausgesprochen, die edle Gräfin von A--x, auch dasjenige, was sie -enthielten, richtig gethan hatte (wie gewöhnlich!), hing sie sich an -den Arm des zärtlich Geliebten und schlug mit ihm den Weg nach seinem -Hause, nach diesem Hause hier, ein -- -- (Alles wie gewöhnlich!) Ach, -welcher zauberische Spazierweg Nachts im Mondenschein durch eine -entlegene, höchst romantische Gegend! Welche Worte wurden da, welche -Blicke ausgetauscht -- welche Küsse rauschten durch die heilige Stille -der Nacht -- welche Liebesseufzer -- oder auch Liebesgestöhne.... und -was sonst noch Alles!? -- Denn Sie wissen doch, Gräfin Cölestine ist -eine Candidatin des hohen Frauenvereins.... hahaha!“ - -„Zur Sache, beste Freundin! zur Sache!“ -- riefen die ungeduldigen -Zuhörerinnen, die anstatt der Floskeln Thatsachen verlangten. - -„Nun denn also weiter! -- Die zwei holden Leutchen vergnügten sich drei -Stunden lang im freien Felde zwischen Sträuchern und Bäumen .... der -gute Mond sah anfangs recht gutmüthig schalkhaft in diese Wirthschaft -hinein... zuletzt jedoch mochte es selbst ihm, dem Langmüthigen, zu -toll werden -- und was thut er, der brave alte Kerl? -- Er sendet -leise und klug einen seiner schärfsten Strahlen auf die pittoreske -Gruppe des Liebespaares, so daß diese, trotz der getreuen Büsche und -Blätter, so grell beschienen wird, wie am Tage... Alles das war noch -immer wie gewöhnlich! -- Jetzt jedoch kommt etwas Ungewöhnliches... -Im Augenblicke der vollen Beleuchtung... stürzt ein Mann, der sich -bisher versteckt gehalten, hervor und auf die engverschlungene Gruppe -des Liebespaars... der Mann hat einen Degen -- und will damit die -Verbrecher züchtigen.... Jedoch ist dieser Mann ein Ehrenmann, ein -Biedermann, ein Engel von einem Manne; statt allein auf die Beiden -loszustürzen, wozu er doch das vollkommenste Recht besaß, bietet -er dem Chevalier einen Degen an und will es mit ihm im Zweikampfe -ausmachen. ... Armer Ehrenmann! Armer Biedermann! -- Was geschieht -anstatt dessen? -- -- In dem Augenblick, wo er sich seinem Gegner -nähert und ihm eine von den zwei Waffen, die er selbst mitgebracht -hatte, anbietet -- entreißt die zärtliche Gräfin Cölestine ihm dieselbe -und fällt ihn von hinten mit der Wuth einer Tigerin an.... (Wer hätte -dies Alles der sanftmüthigen Gräfin zugetraut!) .... Nunmehr versieht -sich Herr von Marsan seines Vortheils, ihm kann man so etwas weniger -übel nehmen -- -- stürzt seinerseits auf den armen Mann, welcher -alsbald zu Boden gerissen -- und, (durch wen von Beiden weiß man nicht) -dermaßen zugerichtet wird, daß er aus mehreren Wunden blutet und ein -entsetzliches Wehgeschrei ausstößt...“ - -„Das ist Alles selbst entsetzlich!“ schauderte der Zirkel, spannte aber -seine Aufmerksamkeit immer schärfer an. - -„Bei diesem Ruf entfliehen die Verbrecher, und eilen dem Platze zu, wo -noch die Equipage Marsans steht... aber Wuth und Verzweiflung gaben dem -Verwundeten die Kraft, sich wieder rasch vom Boden aufzuraffen -- und -er folgt den Zweien nach. Das war ein Rennen und ein Laufen! Man hätte -es für eine Jagd halten können -- oder für ein Wettrennen... hahaha! -- -Und das Geschrei des Verfolgenden, wie der Verfolgten! -- -- „Elende! -Ihr sollt es mit Eurem Leben büßen!“ „„Allmächtiger Himmel! rette -uns!““ -- u. s. w. -- -- Aber der Himmel und respective die Göttin -Venus weiß die Ihrigen zu beschützen... mit einem Worte: der Rächer -war eben am Wagenschlage angelangt -- als die Equipage mit dem darin -geborgenen Liebespaar pfeilschnell abfuhr... so daß der Arme nur mehr -ein entsetzliches Wuthgeheul ausstoßen konnte.... Venus, Amor, sowie -den ganzen Himmel verfluchend.... und das mit Recht, denn rathen Sie, -meine Freundinnen, wer dieser arme Mann wohl war --?“ - -„Nun -- es wird doch nicht...?“ hieß es wie aus einem Munde. - -„Ja, ja -- -- es war ihr Mann, +Cölestinens Mann+, der arme, -bedauernswürdige, redliche und betrogene Graf +Alexander von -A--x+, einer der edelsten Cavaliere dieser Residenz war es!“ - -Nach einer Pause voll tiefen Erstaunens -- fragte eine von den Damen: -„So ist er also hier in der Residenz?... So liegt er also irgend wo -krank, verwundet zum Sterben, der edle, gute, unglückliche Graf...“ - -„Wie Sie sagen, so ist es, meine Beste. Er liegt in einer elenden Hütte --- denn seine treulose Gemahlin und ihr Haus will er nicht mehr sehen --- krank, leidend, zum Tode verwundet ... wahrscheinlich wird der -Märtyrer bald seinen Geist ausgehaucht haben....“ - -„Das Alles scheint mir indessen doch ein wenig unglaublich!“ bemerkte -jetzt Gräfin Wollheim, nachdem sie lange mit einem ziemlich hohen -Grade von Mißbehagen zugehört hatte, ohne sich entschließen zu können, -drein zu reden; endlich war es ihr indessen doch zu bunt geworden: sie -konnte diese Anklagen gegen ihre Freundin Cölestine nicht länger ruhig -mit anhören.... wiewohl es ihr auch anderseits wieder schwer fiel, -gegen das Fräulein von Bomben aufzutreten -- da diese sich ja ebenfalls -ihrer Freundschaft erfreute. - -„Reden wir lieber von etwas Anderem!“ bemerkte die brave Gräfin, welche -mit dieser Wendung einen Meisterstreich ausgeführt zu haben glaubte: -„Reden wir von unseren Arbeiten, von unseren Beschäftigungen, wenn es -Ihnen gefällt, meine Damen. Was mich betrifft... so habe ich wieder -eine Jacke und drei Paar Strümpfe von starker Wolle gestrickt....“ - -„Ah, ah! für den edlen Frauenverein!“ fiel die Stiftsdame ein.... „Wer -weiß,“ lachte sie, „welchem braunen Bauerburschen diese Jacke von einer -der hohen Vorsteherinnen zugedacht werden wird.... haha!“ - -Bei diesen Worten ging der Chevalier an der Gesellschaft vorüber: -„Meine Damen -- meine Gnädigen,“ sagte er mit einem artigen Lächeln: -„man rüstet sich zum Spiel, zum Tanze. Welchem Vergnügen werden Sie den -Vorzug geben?“ - -„Natürlich dem erstern -- wenn wir bei dem zweiten nicht blose -Zuschauer bleiben wollen!“ bemerkte das Fräulein. - -„Nun denn erlauben Sie, daß ich Ihnen den Arm biete, um Sie nach dem -Spielzimmer zu führen....“ - -Er begleitete die Gräfin von Wollheim -- die Andern folgten. - -„Ich werde dort, wie ich hoffe, die edlen Mitglieder des saubern -Frauenvereins finden!“ murmelte das Fräulein zwischen den Lippen -- -denn Zähne, wie wir wissen, hatte sie keine -- dann rief sie mit Zorn -aus: „Beim Domitian, Alarich und Genserich! -- ich werde Ihnen heute -zeigen, mit wem sie’s eigentlich zu thun haben.... Hilf Samiel!“ - -So wie der Graf Wollheim seine Frau nach dem Spielzimmer gehen sah, -machte auch er sich auf und folgte -- nicht ihr, sondern seinem Stern, -das will sagen: seinem Durst. Er hatte bisher mit zwei oder drei -Herren, die sich für außerordentliche Jäger hielten, gesprochen und -fand -- daß wenn sie auch mit einem Theil der edlen Weidmannskunst -umzugehen verstanden, sie doch im andern keinen Bescheid wußten.... und -dieser zweite Theil schien ihm seit langer Zeit der +erste+ zu sein. -Er fand nämlich, daß, während jene zwei Herren nur immer von Hirschen, -Ebern, dem Anstand, der Fährte, dem Hallali -- Fängern -- Suchern -- -Schlingen und Doppelbüchsen redeten -- -- sie der +Humpen+, +Krüge+, -+Flaschen+ und +Fässer+ niemals erwähnten. -- Das schien ihm jedoch -eine sehr miserable Jägerei -- er ärgerte sich dabei im Stillen schier -zu Tode -- jemehr aber sein Aerger wuchs, desto mehr wuchs auch sein -Durst, wie jeder Physiolog oder Patholog Euch haarscharf beweisen -wird. -- -- Er riß sich demnach in einem Augenblicke, wo dies thunlich -war, von dieser schlechten Gesellschaft los -- sagte, er wollte seine -Gemahlin begleiten -- statt dessen begleitete er sich selbst -- in die -Kellnerei. Wir sehen ihn hier noch einige Zeit, darauf verschwindet er -hinter mannigfachem Trinkgeschirre unseren Blicken. -- - -Der General und die Generalin hatten sich auch zu den Spieltischen -begeben, und so ist denn jetzt beinahe der ganze Kreis unserer -Bekannten auf einem Punkte vereint, gleichsam als hätte das Schicksal -sie mit Willen hier zusammengeführt. -- -- Da saß die Wittwe E--z und -ihr gegenüber Herr von Labers; gleich daneben General Randow, die -Gräfin Wollheim und die Generalin.... ferner mehrere Damen und Herren, -die zur nähern Bekanntschaft der Letzteren gehörten und die wir oft in -ihrem oder ihrer Tochter Salon angetroffen haben. Der Chevalier trat -auf kurze Zeit herein, begab sich jedoch bald wieder in den Salon, -wo getanzt wurde und wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war. -Dieser Salon stand mit dem Spielzimmer, von welchem wir hier sprechen, -durch zwei große offene Thüren in Verbindung, und man konnte ihn daher -seiner ganzen Ausdehnung nach von jedem Spieltische aus übersehen.... - -Dieser Umstand war für das fromme Stiftsfräulein von unberechenbarem -Nutzen -- denn sie auf ihrem Sitze konnte jetzt den ganzen Kreis ihrer -Feindinnen -- Opfer darf man wohl sagen --: sie konnte acht oder -zehn Damen, welche neben einander im Salon saßen, beständig im Auge -behalten; und diese Damen gehörten sämmtlich zum Frauenverein. - -In der Brust der seltenen Menschenfreundin kochten in diesem -Augenblick, wie in einem Hexenkessel, Gift, Galle, Rache, Schlangen -und Ottern -- nebst noch andern Species, mit denen man seine Feinde -vertilgt; sie warf zeitweise wahre Belialsblicke hinüber, und wenn -sie dann jene Frauen so sorglos und heiter sah, murmelte sie vor sich -hin: „O auch Babylon war vergnügt und lachte -- bevor der Donner -d’reinschlug... hahaha! Geduld -- Samiel umschleicht Euch schon!... -Hilf Samiel!“ - -In diesem Augenblicke gab sie einem dicken Kerl, der in der Tracht -eines Verschnittenen steckte -- und einen großen Korb in der Hand hielt -(der Kerl war so eben erst eingetreten und hinter einer Draperie stehen -geblieben, so daß er noch von Niemand bemerkt wurde), einen Wink; er -trat mit seinem Korbe vor und auf ein neues raschgegebenes Zeichen -schritt er in den Salon -- geradewegs auf die Damen des Frauenvereins -zu, denen er, bevor sie noch Zeit hatten, sich von ihrer Ueberraschung -zu erholen, den Korb vor die Füße stellte -- worauf er rasch in’s -dichteste Gedränge verschwand... - -Jetzt ertönte ein lautes Geschrei aus dem Korbe -- man öffnete ihn..... -und Alles prallte zurück. - -In dem Korbe lagen drei kleine Kinder, deren jedes einen Zettel in der -Hand hielt, wovon der erste so lautete: - - „An die Frau Baronin von **!“ - - Geliebteste! -- Hier sende ich Ihnen Ihren und meinen Sohn zurück, - welchen ich Ihrem Willen gemäß insgeheim bei meiner Mutter erziehen - lassen sollte, nachdem Sie ihn dort geboren hatten, während die - Welt glaubt, Sie seien mittlerweile auf einer Reise nach Venedig - begriffen gewesen. Da Sie meiner Mutter, der armen Frau, das - Kostgeld bereits seit 14 Tagen nicht haben zugehen lassen, sehen - wir uns zu dem gegenwärtigen Schritte gezwungen, falls das kleine - Würmchen nicht Hungers sterben soll. - - Ganz der Ihrige - bis in den Tod - +Andreas Tunker+, - Schmiedegeselle in Penzing. - -Die andern zwei Zettel, an zwei andere Frauen, welche ebenfalls hier -saßen, gerichtet -- enthielten ähnlichen Text, daher wir es für -überflüssig halten, denselben anzuführen. - -Es gab eine entsetzliche Scene! Die Residenz hatte sie bisher noch -nicht erlebt -- -- aber das Unerhörte erneuert sich in unserer Zeit, -besonders wenn es von dieser natürlichen Art ist, wie das gegenwärtige. - -Nachdem die betreffenden Frauen gebührend in Ohnmacht gesunken waren, -nachdem man sie und auch die Kinder weggebracht hatte -- nachdem -schließlich die edelste der Stiftsdamen und Menschenbeglückerinnen im -Stillen ein heißes Dankgebet an Samiel oder irgend einen Andern von -seiner Sippschaft gerichtet hatte.... gab sich die übrige Gesellschaft -im Aeußern wieder zur Ruhe.... wie es jedoch im Geheimen bei ihr -bestellt war, davon wird man sich leicht einen Begriff machen. - -Der Herr des Hauses war durch den Vorfall auf’s Tödtlichste -verletzt.... er hatte sogleich allen seinen Domestiken den Befehl -ertheilt, dem dicken Ueberbringer des überraschenden Festgeschenkes -nachzusetzen.... von demselben war indessen keine Spur mehr zu -entdecken. - -Dieses Intermezzo war kaum zu Ende -- -- als ein zweites, ein anderes, -dem es ebenfalls nicht an Originalität gebrach, begann.... - -Die nach dem Korridor gehende Thür des Spielzimmers wurde aufgerissen -und zwei Menschen stürzten herein, deren Aussehen und Zustand der -ganzen Gesellschaft einen Schrei entriß... - -Ein älterer, großer, starker Mann, der von allen gebräuchlichen -Kleidungsstücken nur die Beinkleider und das Hemde auf dem Leibe hatte --- welches letztere jedoch sowohl vorne offen und aufgerissen, wie an -dem Arme bis über die Ellbogen hinaufgeschürzt war.... stolperte mit -einem rothen, erhitzten Gesichte, in dem die Augen furchtbar rollten, -herein -- schrie mit einer Stimme, die einem Löwen anzugehören schien -und focht dabei mit den Armen in der Luft umher: - -„Ha! --“ rief er: „endlich sind wir da! -- Endlich haben wir den Platz -gefunden! -- Endlich können wir uns produziren....“ - -Bevor wir jedoch weiter gehen, müssen wir erzählen, wie der Zweite -aussah. - -Dieser war ein ganz junger Mensch -- und befand sich in demselben -Zustande, wie sein Begleiter. Sein Gesicht war krankhaft, bleich, und -selbst der Geist, welcher jetzt im Innern der Brust wirkte, vermochte -nicht, ihm eine lebhaftere Röthe zu verleihen; dieses Gesicht nun hatte -auf der einen Wange eine große, weit klaffende Wunde, von welcher, wie -es schien, erst vor Kurzem, und zwar gewaltsamer Weise, der Verband -abgerissen worden war.... auch der rechte Arm war verwundet und es -drang selbst durch das Hemd noch Blut heraus. Im Uebrigen erschien der -Anzug des Jünglings noch paradiesischer wie jener des Alten.... maßen -dieser biedere Jüngling in Socken umher ging und das Beinkleid bis zum -Bauch hatte herabfallen lassen. -- -- - -Man wird es vielleicht schon errathen haben: wir sehen +Wollheim+ -und +Edmund+ im erleuchtetsten Zustande vor uns.... - -„Oh!“ brüllte der Nimrod: „das war ein schändlicher Streich, welchen -man mir seit so vielen Monaten gespielt hat.... Man hat mir meinen -Freund, Schüler, mein Jüngelchen entzogen.... man hat ihn unten in der -Nähe des Kellers in einer verschlossenen Stube gefangen gehalten.... -Beim St. Hubertus! Das ist ein Verbrechen, welches mindestens der -+Waldbrennerei+ gleichkommt und mit dem Spießen sollte bestraft -werden.... Da gehe ich armer verlassener Jägersmann, in meiner Trübsal --- Stärkung zu suchen in unterirdischen Räumen -- über die Treppe -hinab. -- Ich verfolge meine Fährte in diesem guten Hause hier Schritt -für Schritt und gelange richtig.... vor die Kellerthüre. -- Aber, -Alle Sechzehnender! -- -- sie ist verschlossen.... da fange ich an zu -rütteln -- -- es geht nicht -- -- da rufe ich und schreie nach dem -Kellermeister.... Jetzt plötzlich geht eine andere Thür neben mir -auf.... und wer stürzt mir um den Hals?.... Der Kellermeister aller -Kellermeister! -- Mein Freund, mein Schüler, mein Jüngelchen, mein -Stolz, mein Königshirsch.... kurz Edmund!“ - -Bei diesen Worten stürzte nun auch er ihm um den Hals und diese beiden -trefflichen Schützen begannen laut heulend zu weinen. -- - -„Ich wollte blos,“ sagte der Graf: „der Welt und seinen betrübten -Eltern ihn zeigen, ihnen verkünden, daß er lebt -- lebt -- in ihrer -Nähe ist -- und weder bei einem Duell bei Prag fiel, noch sonst wohin -an’s Ende der Welt reis’te.... wie so oft von schändlichen Lügenmäulern -vorgegeben wurde.... Aber,“ schrie der Jäger wild auf wie im Walde: -„das muß untersucht werden! Alle Kreuz- und Quer-Fährten, das muß -untersucht werden! Weßhalb hat man diesen jungen hoffnungsvollen Ritter -und Waidmann in Gefangenschaft gehalten?.... weßhalb hat man diese -Blume der Jünglinge hinter Riegel und Schloß gesteckt?.... denn er -schmachtete da unten in dem dumpfen Loche, wie er sagte, seit mehrern -Monaten. -- Weßhalb also, frag’ ich noch einmal?...“ Hier wurde der -Redner jedoch so schwach, daß er sein Gleichgewicht verlor und auf die -Stiftsdame fiel.... - -Marsan hatte der Scene mit wüthenden Blicken zugesehen und eben sich -beeilt, mit Hilfe zweier Herrn sich der Trunkenen zu bemeistern, -als, an diesem, an Ereignissen unerschöpflichen, Tage -- ein neues -hereinbrach. - -In dem Augenblick, wo Marsan auf Edmund zuschritt, trat eine Person -- -von Außen herein und stellte sich rasch zwischen Beide. - -+Es war der Graf Alexander von A--x.+ - -Er sah bleich wie der Tod aus und stützte sich auf einen Stock. - -Mit der Hast des Blitzes -- warf er seinen Blick auf den Chevalier -und sodann auf Edmund ... da trug sich ein physiologisches Phänomen -zu, welches unerhört sein mochte. Die bleiche Krankenmiene Alexanders --- strahlte im Nu von Leben, Kraft und Entzücken.... und seine früher -convulsivisch zuckenden Lippen stießen einen mächtigen Freudenruf aus: - -„Großer Gott -- was seh ich! Ist es möglich! -- Nicht Sie, mein -Herr,“ wandte er sich zum Chevalier „sind in jener Nacht von einem -Degen getroffen worden -- sondern +Edmund+ der Bruder meiner -Frau...?.... So hat also er Cölestinen begleitet und nicht Sie....“ - -Da faltete sich wieder die Stirne Alexanders plötzlich und er sprach -dumpf: „Aber wie dies Alles zusammenhängt, will mir nicht klar -werden... O vielleicht ist das Schreckliche dennoch geschehen.....“ - -Marsan besann sich einen Augenblick; sodann ergriff er rasch den Grafen -bei der Hand und zog ihn mit sich fort in ein Kabinet. -- -- - -Hier begann er: - -„Da es so weit gekommen ist, daß nichts mehr verschwiegen werden kann --- da das Schicksal selbst einen Zipfel des Tuches aufhob, womit ein -Geheimniß bedeckt war, welches nur noch kurze Zeit hätte bedeckt -bleiben sollen, da dann vielleicht andere günstige Umstände eingetreten -wären, so erfahren Sie, Herr Graf, zuerst: Ihre Gemahlin ist so -unschuldig wie ein neugebornes Kind. --“ - -„Aber Beweise! Beweise!“ schrie Alexander, unter dessen Füßen es -brannte -- über dessen Haupte die Welt einzustürzen drohte.... - -„Hier sind die Beweise. Edmund von Randow, der Bruder Ihrer Gemahlin, -hat sich durch leichtsinnigen Unbedacht und durch böse Gesellschaft -schon frühzeitig in die mißlichsten Umstände gebracht -- seine Finanzen -zerrüttet und Wucherern sich in die Arme geworfen. Anstatt seine -Lebensweise zu ändern -- oder aber sich seinem Vater anzuvertrauen -und von ihm einen größeren Geldzufluß für sich zu erwirken -- schritt -der schlechtberathene junge Mann auf seinem alten Wege fort.... -gerieth aus einer Verlegenheit in eine größere.... und wurde zuletzt -mit einem unvergleichlichen Seelenverkäufer, +Lips+ oder wie -dieser Kerl sonst heißt, bekannt; dieser verleitete ihn, um ihn ganz -in seine Hände zu bekommen -- selbst zu schändlichen Streichen!... -zum Verkauf seines Eigenthums! seiner Kostbarkeiten, seiner Möbel.... -und so fort! Um diese Zeit traf ich mit Edmund zusammen; -- ich halte -es für meine Pflicht, jetzt ein Bekenntniß abzulegen, welches mir -in diesem Augenblick zu thun möglich ist, da ich noch zeitig genug -von einem Vorhaben abstand, welches mich Ihnen gegenüber schuldig -gemacht hätte: Ich liebte Ihre Gemahlin -- und ich habe es gewagt, -ihr meine Leidenschaft merken zu lassen. -- Ich glaubte Anfangs, von -ihr ermuthigt zu werden (Sie werden ohne Zweifel sich jener Tage in -Ihrem Salon so wie in jenem der Generalin E--z erinnern, Herr Graf!) --- -- aber ich irrte mich, wie ich später sah: das, was ich für eine -Gewährung meiner Ansprüche hielt, war von Seite Cölestinens nichts -als Artigkeit und jene lebhafte Geselligkeit, soll ich vielleicht -sagen auch ein wenig -- Koketterie gewesen, welche unbeschadet ihrem -Herzen -- ihr eigenthümlich ist. -- -- Herr Graf, wissen Sie, worum es -sich damals im Salon der Generalswittwe E--z besonders handelte?... -Wissen Sie, weshalb bald ich, bald Edmund sich der Gräfin so dringend -näherten? Damals wollte Edmund, in seinem +eigenen Interesse+ -um des Himmelswillen -- mit ihr sprechen; er hatte, wie ich später -erfuhr, damals den traurigen Fehltritt begangen, welcher nachher die -Quelle all seines -- so wie des Unglückes Cölestinens und des Ihrigen -gewesen ist. -- Um kurz zu sein: Edmund hatte falsche Papiere auf -+Ihren+ Namen, Herr Graf, gemacht und dieselben mit seinem eigenen -Herzen zugleich in die Geierskralle des Herrn +Lips+ gelegt... -Lips wollte sie an jenem Abende noch Ihnen präsentiren -- oder von -Edmund den dreifachen baaren Betrag haben .... und der unselige -Jüngling wandte sich, da er sich an sonst Niemand wenden zu dürfen -glaubte -- an seine Schwester, die ihm ihren +Schmuck+.... einen -Schmuck, welchen sie von Ihnen erhalten, gab. -- Dies geschah noch in -derselben Nacht, bald nach der Abfahrt von dem Hause der Generalin -E--z; -- -- Edmund hatte mit seiner Schwester eine Zusammenkunft auf -+ihrem Boudoir, nach Mitternacht+.“ -- -- Hier entfuhr den Lippen -Alexanders ein Schrei der Ueberraschung: „Er also war es gewesen!?“ -Marsan aber fuhr fort: „Dieses Geschenk jedoch war für ihn nichts mehr -als ein Palliativ gewesen..... der Werth des Schmuckes reichte nicht -aus.. und Lips +prolongirte+ blos das falsche Papier -- -- behielt -es jedoch bei sich. -- Schon nach wenigen Tagen bestand er unerbittlich -auf +Bezahlung+ desselben.... Edmund hatte entweder den Kopf -oder alles Herz, allen Glauben verloren, denn er hätte sich ja leicht -+mir+ anvertrauen können, ja selbst Sie, mein Herr, obwohl Sie ihn -eines falschen Verdachtes wegen, den ich bei Ihnen jetzt vernichtet -zu haben glaube, haßten -- würden den Aermsten gewiß nicht haben -untergehen lassen... Allein dieser Jüngling war bestimmt -- sich und -seine Familie ganz und gar elend zu machen.... er harrte, harrte, bis -irgend ein Gott aus der Luft seinen mächtigen Arm herabneigen werde.... -er harrte, oder vielleicht lebte er in einer Art von Wahnsinn fort -- --- bis der tödtliche Streich geschah.... Sein Würger erschien, forderte -das Geld und -- -- da er es nicht erhielt, ging er vor Gericht. -- --“ - -„Hier ist ein Räthsel, welches ich nicht zu lösen vermag. Weßhalb ging -Lips vor Gericht? Es war einfacher, sich an Sie oder an die Eltern des -jungen Mannes zu wenden.... so konnte er schleunig zu seinem Gelde -gelangen. Was hatte er von der öffentlichen Compromittirung Edmunds? -- --- Oder war hier nicht +persönliche+ Beziehung mit im Spiel? -- -- -Doch, ich hoffe, auch auf diesen dunklen Punkt wird noch Licht fallen.“ - -„Edmund, von dem Schritte seines Gläubigers in Kenntniß gesetzt -- -verbarg sich und entdeckte seiner Familie, er sei nach Prag oder an -die Grenze verreis’t. Ach vergebens! Auch für sie war das blos ein -Palliativ. Sie erfuhren das Unglück Ihres Sohnes noch in derselben -Stunde. -- -- Edmunds Aufenthalt in dieser Zeit war Niemand bekannt, -als seiner Schwester ... später auch seiner Mutter. Aber dieses -Versteck war gegen die Nachstellung der Häscher nicht hinlänglich -gesichert.... und in einem Anfall von Verzweiflung warf Cölestine das -Geheimniß in meine Hände.... sie machte mich zu ihrem Vertrauten, -sie beschied mich.... brieflich ... aber das mißglückte durch Ihre -Dazwischenkunft, Herr Graf.... sie beschied mich sodann durch eine -mündliche Botschaft zu sich. -- Ich entsprach mit Begeisterung dem -ehrenden Vertrauen: ich stellte mich in Person bei ihr ein -- -- und -hier wurde zwischen uns festgesetzt, daß Edmund in +meinem+ Hause -ein verborgenes Zimmer bewohnen sollte. -- Alles dieses wurde sofort in -Vollzug gesetzt....“ - -„Ihr Haß, mein Herr, gegen Edmund, die Schwierigkeit, diesen Haß -anders zu zerstreuen als durch Blosgebung der Schande des Jünglings --- die unbezwinglich stolze und hartnäckige Weigerung Ihrer Gemahlin, -Ihnen Alles zu enthüllen.... (sie zog diesem Schritte den Tod vor!) -endlich... die Hoffnung, daß nach und nach, wenn auch in späterer -Zeit -- der Sturm doch wieder vorüberziehen werde.... bewirkten, daß -Cölestine den schrecklichsten Verdacht auf ihr Haupt fallen sah -- ohne -etwas thun zu können -- als zu weinen, zu klagen -- zu verzweifeln.... -Sie reis’ten von Wien ab, Herr Graf, Sie bewirkten eine eklatante -Trennung -- -- und Cölestine mußte das Alles geschehen lassen, konnte, -ob auch ihr Herz im Todeskampfe zuckte -- Sie nicht einmal mit einer -Hand zurückhalten. -- Allein Edmund, ihr unglücklicher Bruder, war -geborgen; das gab ihrem Herzen einen schwachen -- mattglimmenden Trost. -Sie kennen die zärtliche Liebe der beiden Geschwister: Cölestine wollte -lieber selbst elend sein, als es ihren Bruder sein lassen. --“ - -„Sie sah ihn jede Nacht. Jede Nacht um zwölf Uhr erwartete er sie an -dem Gartenpförtchen +Ihres+ Hauses und meine Equipage brachte -Beide hierher in +dieses Haus+ -- wo sie auf Edmunds Zimmer -Stunden lang beisammen blieben.... Wie viele Thränen sind da geflossen! --- --“ - -„Doch weiter! -- Meiner Mühe gelang es -- Ihren Aufenthalt zu -entdecken, Herr Graf.... ich wollte für die arme Frau Alles thun, was -in meinen Kräften stand, und so war ich der Ueberbringer ihres Briefes -an Sie auf Ihrem Schlosse, mein Herr......“ - -„Hier endet meine Erzählung. Ich weiß nichts mehr hinzuzufügen. --“ - -„Es ist genug!“ versetzte der Graf, kaum noch athmend. Er war in einen -Sessel gesunken. -- Diese Ereignisse hatten seine ganze Mannheit -erschüttert. - -Die Freude ist oft schrecklicher als der Schmerz, besonders bei jenen -Naturen, denen dieser häufiger, als jene zu Theil wird. -- - -In diesem Augenblicke fühlte Alexander Jemand in seine Arme stürzen.... -er erhob das matte Auge. Es war +Cölestine+, seine Gattin, die vor -ihm auf den Knieen lag! -- - -Der Chevalier hatte ihr Nachricht gegeben. -- - -„Nun Du Alles weißt,“ sagte sie: „braucht mein Mund nicht mehr zu -sprechen und mein Herz nicht mehr in namenloser Scham zu ersterben.... -Du weißt Alles, Alexander! Alles, Alles; -- -- Und dies Alles bestätigt -das Wort: „Ich bin unschuldig! ich bin Dir treu gewesen!““ - --- -- Endlich glaubte er ihr. -- - -Der Chevalier verließ das Gemach. -- - -Nichts von dem Allen, was in dieser seligen Stunde, deren Zeuge nur -Gott war, zwischen den Gatten vorging... nichts von den wollustvollen -Thränen und von den selig-wehmuthvollen Freudenergüssen. -- Alexander -hatte Cölestine treu erfunden -- der Nebel des Mißtrauens war -zerrissen -- die Schatten der Zwietracht flohen mit ihm davon -- die -Welt war wieder schön -- die Erde hatte ihr Grün, der Himmel seine -Sonnenpracht... - -Alexander erfuhr nun auch noch so manche von jenen Dingen, die zu -allererst den Keim des Argwohns in seine Brust gelegt hatten; er -erfuhr, daß jene Blume, jene Hortensie, die er einst im Schlafgemache -gefunden und welche ihn zuerst so unglücklich machte, die Stelle -eines Amulet vertreten habe. Es war Cölestinen von einer alten Frau -angerathen worden, und so sprach die Wahrsagerin: so lange diese Blume -an dem Busen der jungen Frau ruhen werde, so lange werde sie mit ihrem -Gatten glücklich sein. -- - -Das hatte sich denn im Laufe der Zeit auch bewährt. - -Ferner: die zwei Briefe, die er in ihrem Boudoir gefunden, waren von -niemand Anderem, als ihrem Bruder Edmund, eben so auch die Haarlocke -- -und die Ringe.... - -Auf die Zahlen hatte sie in die Lotterie gesetzt.... - -Noch blieb jedoch Etwas zu lösen übrig. - -Wer war jener geheimnißvolle, finstere Warner gewesen, der sich dem -Grafen überall unsichtbar in den Weg gestellt, an die Fersen gehangen -und so Schreckliches geweissagt hatte, was auch stets, dem Scheine nach -wenigstens, eingetroffen war. So lange dieser Punkt nicht erörtert war --- konnte Alexander doch noch nicht so ganz vollkommen beruhigt sein. --- Sodann, wer war jener zweite sonderbare, nicht minder geheimnißvolle -Mensch, der gleich einem Gespenste sich in die Salons der Gräfin und -ihrer Freunde schlich -- man hatte ihn nicht kommen, man hatte ihn -nicht gehen sehen; man hatte nur seine bösen Rufe gehört und seine -unheimliche Gestalt geschaut? -- -- - -Auch hierüber wollen wir sogleich Auskunft ertheilen. - - - - -Dreizehntes Kapitel. - -Schluß. - - -Es war am heutigen Tage unser schöner Freund Althing in den Prater, der -zu dieser Zeit schon seine grünen Sprößlinge aussendete -- spazieren -gegangen, und nachdem er sich, Gott weiß aus welcher Laune, in dessen -entferntesten Garten verloren hatte -- war er auf eine Dame gestoßen, -welche mit einem Buche in der Hand hier auf einem abgebrochenen -Baumstamme saß. Diese Dame schien sehr in ihrer Lektüre vertieft und -wendete keinen Blick ab von derselben; doch unser Adonis ließ sich -dadurch nicht irre machen, sondern setzte sich ohne weiteres neben sie -hin und redete dieselbe an... - -Da hob sie zwei Augen empor -- so blau wie der Saphir und ein Gesicht -so schön wie ein junger Morgen; nämlich seiner Meinung nach. Noch nie -glaubte Herr von Althing das gefühlt zu haben, was jetzt in seiner -Brust vorging (wir wissen jedoch, er glaubte stets also!) -- -- und, -wie es seine Art war, er machte hier dem Mädchen ohne weiteres seine -Liebeserklärung.... - -Und sofort stand sie auf, verließ den Platz, und ging weiter. Er aber -ging nach; und als sie den Weg nach der Stadt einschlug, folgte er ihr -ebenfalls dorthin. - -Sie führte ihn auf diese Weise aus einer Straße in die andere, bis sie -zuletzt auf der +Bettlerstiege+ in ein Haus trat, sich jedoch -zuvor noch umsah. - -„Richtig!“ lächelte Althing und griff vorsichtig an seinen gefärbten -Schnurbart; „die ist total in mich verschossen! -- Ach! dieser Blick -war zu stark! -- Armes Mädchen -- Du sollst erhört werden.... denn -was ich für Dich empfinde, ist +wahre+ Liebe!... Zum +ersten -Male+ durchdringt dieses höhere Gefühl meine Jünglingsbrust! Ich -sehe -- bei meinem bisherigen Leben kommt nichts heraus -- ich bin -entschlossen, ein neues anzufangen.“ - -Er trat nun ebenfalls in das Haus -- und da er das Mädchen nach dem -hintersten Winkel desselben gehen sah, ging er auch dahin -- -- doch -fürchtete er hier zu einer gewissen Abtheilung zu gelangen, die einem -Parfümerie-Laden eben nicht ähnlich ist. Statt dessen gelangte er zu -einer hölzernen Treppe und stieg sieben volle Etagen -- wie es stets -sein Geschick wollte -- der Dulcinea nach. Endlich trat er fast mit ihr -zugleich in eine kleine räucherige Stube, welche ihres Gleichen nicht -hatte.... jetzt sah er sich mit dem Mädchen allein. - -„Aber was hat das zu bedeuten, mein Herr?“ fragte sie.... - -„Es hat zu bedeuten, mein Fräulein, daß ich Sie liebe.“ - -„Und weiter? --“ - -„Daß ich ohne Sie nicht leben kann.“ - -„Allein -- --“ - -„Kurz... da ich jetzt in den besten Jahren bin und es mir auch nebenbei -ernstlich vorgenommen habe -- biete ich Ihnen meine Hand an....“ - -Bei diesen Worten lief das Mädchen zur Thür hinaus. - -Er stand einige Secunden verblüfft auf dem Platze, da vernahm er im -Nebenzimmer zwei Männerstimmen, die sich zu zanken schienen. -- - -„Ich sage Ihnen, daß ich keinen Tag länger auf den letzten Posten, -welchen Sie mir von der Affaire noch schulden, warte. Wo Sie mich -nicht noch heute bezahlen -- zeige ich die ganze Geschichte durch ein -anonymes Schreiben dem +Grafen von A--x+, so wie dem +Generale -von Randow+ an... die mögen es Ihnen dann entgelten, was durch Ihre -Bemühung dem armen jungen Menschen +Edmund+ Schlimmes widerfahren -ist... Auf Ehre!“ - -Bei Nennung dieser Namen stutzte Althing und stellte sich näher an die -Wand, um besser zu hören: - -„Sie müssen noch kurze Zeit Geduld haben, mein Bester!“ ließ sich die -andere Stimme vernehmen -- und Althing glaubte sie zu erkennen. - -„Uebrigens,“ fuhr diese Stimme fort -- „halte ich Sie nicht für den -Thoren, das zu thun, womit Sie so eben drohten, denn was gewinnen -+Sie+ damit? Nichts.“ - -„Aber Sie, mein Liebster, verlieren doch -- auf Ehre!“ - -„Aber dann kann ich Sie dafür auch auf’s Zuchthaus bringen -- guter -Lips.“ - -„Wir sind gegen solche Möglichkeiten sicher gestellt, mein Guter; auf -Ehre!“ - -„Das wollen wir doch sehen -- hahaha!“ - -„Ja -- das werden wir auch sehen, hahaha .... ohne daß ich -hinzuzusetzen brauche: -- Auf Ehre!“ - -Jetzt wurde eine Thür zugeworfen und bald darauf entfernte sich Jemand -unter schallendem Gelächter über die Treppe. - -Gleich darauf trat das Mädchen herein; an ihrer Seite aber schritt -jener Sterbliche, welchen wir als unsern wackern Meister Lips bereits -seit lange zu kennen die besondere Ehre haben. -- - -„Dieser Herr hier will mich zur Frau nehmen!“ sagte sie kurz. - -„Ist das wahr?“ fragte Lips eben so kurz den Adonis. - -„Gewiß!“ antwortete dieser ein wenig erstaunt. - -„Meine Tochter Philomela,“ sagte Lips zu ihm gewendet, „ist ein sehr -gebildetes Mädchen; sie ist eine +Emancipirte+! -- Mit dieser -Erklärung werden Sie genug haben. Sie kann Latein, Französisch, -Griechisch, Slowakisch, Hebräisch, Chaldäisch, Maurisch, Ungrisch, -Böhmisch, Hindostanisch, Malajisch -- und auch Deutsch; ferner ist sie -in der Astronomie, der Chemie, der Physik, der Musik, der Geographie --- der Skulptur -- in den Militairwissenschaften -- in der Aesthetik -und Botanik -- in der Heraldik und Anatomie -- endlich in allen übrigen -weißen, schwarzen, braunen und gelben Wissenschaften und Künsten -bewandert. Auf Ehrenwort! -- -- Sie sehen, mein Herr, was Sie Alles mit -ihr bekommen! Sie bekommen in diesem Mädchen eine ganze Universität. -- --- +Jedoch was bringen Sie mit, mein Herr?+“ - -„Ich bin der Herr von Althing -- --“ - -„Das ist Nebensache, auf Ehre! -- Was +haben+ Sie, frage ich, mein -Lieber?“ - -„Wohlan -- ich besitze eine Rente von 8000 Gulden Silbergeld -- -- --“ - -„Ah -- Unterthänigster Diener! -- das läßt sich hören, auf Ehre. -- -Also Sie wollen meine Tochter zum Weibe?“ - -„Ja.“ - -„Nun gut -- Sie sollen sie haben, jedoch mit der Bedingung, daß Sie -die 8000 Gulden jährlich durch mich erheben lassen. -- Sein Sie jedoch -unbesorgt; Sie sollen Ihr Geld in monatlichen Raten -- bei Heller und -Pfennig von mir ausgezahlt bekommen.... ich will mit dem Ganzen nur -+speculiren+, jedoch zu +meinem Besten+. Ist Ihnen dieser +Contract+ -genehm, so machen wir ihn sogleich als +Ehecontract+ in aller -gesetzlichen Form giltig?“ - -Althing willigte ein. Er war froh, endlich einmal ein Weib gefunden zu -haben, die, wie er sah, es mit ihm ernstlich meinte. - -Noch in der nämlichen Stunde wurde das Instrument von einem -Rechtsverständigen aufgesetzt und mit gesetzlicher Kraft versehen. -- - - * * - * - -Und noch an demselben Tage erfuhr +Alexander+ von dem Adonis, welcher -sich deßhalb eigens zu ihn verfügte, Alles das, was wir bereits -wissen; nämlich, daß Lips nur auf Veranlassung des Barons +von Leuben+, -jenes finstern, leidenschaftlichen, abgewiesenen Anbeters Cölestinens, -die Wechselfälschung Edmunds vor Gericht geltend gemacht hatte. -- - -Ein Zweikampf war die Folge davon. Leuben, tödtlich verwundet, bekannte -mit ersterbenden Lippen, daß er nicht nur Cölestinen, sondern auch -ihrem Manne, ihrem Bruder, ihrem ganzen Hause Rache geschworen -- -die er auch, so weit als es irgend seiner menschlichen Kraft möglich -war, vollzogen habe. Damals bei der Trauung habe er nach Alexander -geschossen, jedoch nicht getroffen; darauf habe er Stunde für Stunde -auf das Unglück Beider gesonnen.... es sei ihm auch gelungen, dasselbe -bis zum jetzigen Augenblicke zu nähren; und -- -- jener geheime -+Warner+, jener Unglücksbote Alexanders -- sowie jener mysteriöse, -durch Maskirung unkenntlich gemachte Fremde in dem Salon Cölestinens -sei +er+ gewesen. - -Nach dieser Beichte hauchte der Elende seinen Geist aus. - -Was Edmunds Schicksal betraf, so gelang es dem Einflusse des Grafen, -sowie wie jenem des Chevaliers, dasselbe zum Guten zu wenden; er wurde -zuletzt noch der Freund seines Schwagers -- und wir sehen ihn in -späterer Zeit sogar eine sehr bemerkenswerthe Staats-Carriere machen. - --- Was die übrigen Personen angeht, welche in dieser Geschichte -auftraten, so wird ihr ferneres Schicksal mit wenigen Zügen angedeutet -werden können. - -Das Stiftsfräulein nahm ein schauderhaftes Ende, wie dies edle Herz es -auch verdiente. Bei einer Probe, welche sie mit ihrem neuerfundenen -+Tannenzapfenmehl+ bei sich selbst machte, bekam sie den Magenbrand und -starb unter Convulsionen, wobei sie jedoch stets bei Nero schwur, daß -ihre Erfindung vortrefflich sei und der Menschheit zum Heil gereichen -werde. -- - -Gräfin von Wollheim strickte ihre Strümpfe für den -Wohlthätigkeitsverein fort und fort. Ihr Gemahl, als er keinen -Gefährten mehr beim Fasse fand, wurde wieder Jäger, jedoch entsagte er -dem geliebten Fasse nicht gänzlich. - -Frau von Porgenau lachte ein Mal über einen Witz ihres Mannes so sehr, -daß sie todt auf dem Platze blieb. Er, der berühmte Bonmotist hingegen, -wurde immer berühmter; nur ließ man ihn in keinem Salon mehr zu. - -Der Chevalier von Marsan war und blieb auch in der Ferne der Freund -Cölestinens, ihres Gemahls und ihrer Eltern. Seine frühere Leidenschaft -für die Gräfin übertrug er auf zehn Andere. -- - -Die kleine, schöne Alexandrine wurde von Cölestine an Kindesstatt -angenommen; sie blühte inmitten der glücklichen Gatten, deren einziges -Kind sie nicht lange blieb -- zur edlen Jungfrau heran. -- - - - Ende. - - - - -Gedruckt bei +Friedrich Andrä+. - - - - -Fußnoten: - -[A] Man verzeihe uns diese Clauren’sche Abbrechung. D. Verf. - -[B] A. von Sternberg. - -[C] Ikarus Flügel. - -[D] Geld. - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht - Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL *** - -***** This file should be named 53218-0.txt or 53218-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/2/1/53218/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm web site -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The -Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm -trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - diff --git a/old/53218-0.zip b/old/53218-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index e1b22a5..0000000 --- a/old/53218-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/53218-h.zip b/old/53218-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index a42531b..0000000 --- a/old/53218-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/53218-h/53218-h.htm b/old/53218-h/53218-h.htm deleted file mode 100644 index 0c22df3..0000000 --- a/old/53218-h/53218-h.htm +++ /dev/null @@ -1,6488 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht, Zweiter Theil, by Julian Chownitz. - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%; -} - - h1,h2 { - text-align: center; /* all headings centered */ - clear: both; -} - -h1 { - font-weight: normal; - page-break-before: always; - line-height: 1.5em; - margin-top: 1em;} - -h2 {font-weight: normal;} - -h1 {font-size: 250%;} -h2,.s2 {font-size: 175%;} -.s3 {font-size: 125%;} -.s4 {font-size: 110%;} -.s5 {font-size: 90%;} -.s6 {font-size: 75%;} - -p { - margin-top: .51em; - text-align: justify; - margin-bottom: .49em; - text-indent: 1.5em;} - -p.p0,p.center {text-indent: 0;} - -.initial { - font-weight: bold; - font-size: 200%; - line-height: 1em;} - -div.front { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%;} - -div.chapter {page-break-before: always;} - -h2.nobreak {page-break-before: avoid;} - -.mtop1 {margin-top: 1em;} -.mtop2 {margin-top: 2em;} -.mtop3 {margin-top: 3em;} -.mbot1 {margin-bottom: 1em;} -.mbot2 {margin-bottom: 2em;} -.mbot3 {margin-bottom: 3em;} -.mleft3 {margin-left: 3em;} -.mright1 {margin-right: 1em;} -.mright2 {margin-right: 2em;} -.mright3 {margin-right: 3em;} - -.padtop2 {padding-top: 2em;} - -hr { - width: 33%; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: auto; - margin-right: auto; - clear: both;} - -hr.tb {width: 35%; margin: 1.5em 32.5%;} -hr.chap {width: 65%; margin: 2em 17.5%;} -hr.full {width: 95%; margin: 2.5em 2.5%;} - -hr.r5 {width: 5%; margin: 1em 47.5%;} - -table { - margin-left: auto; - margin-right: auto;} - -table.toc { - width: 70%; - margin: auto 15%;} - -td.knr { - text-align: left; - padding: 0; - vertical-align: top; - font-size: 115%;} - -td.kapitel { - text-align: left; - padding-left: 1.5em; - padding-bottom: 0.7em; - vertical-align: top;} - -td.snr { - text-align: right; - padding-left: 0.5em; - padding-bottom: 0.5em; - vertical-align: bottom;} - -.pagenum { /* uncomment the next line for invisible page numbers */ - /* visibility: hidden; */ - position: absolute; - right: 3%; - font-size: 70%; - font-weight: bold; - text-align: right; - color: #aaaaaa; - letter-spacing: 0;} /* page numbers */ - -.blockquot { - margin-left: 10%; - font-size: 95%;} - -.center {text-align: center;} - -.right {text-align: right;} - -.gesperrt {letter-spacing: 0.2em;} - -em.gesperrt { - font-style: normal; } - -em.antiqua { - font-style: italic;} - -/* Images */ -.figcenter { - margin: auto; - text-align: center;} - -img {max-width: 100%; height: auto;} - -img.w50 {width: 60%; height: auto;} - -/* Footnotes */ -.footnotes { - border: black thin dotted; - background-color: #f5fffa; - page-break-before: always;} - -.footnote {margin-left: 10%; margin-right: 10%; font-size: 0.9em;} - -.footnote .label {position: absolute; right: 84%; text-align: right;} - -.fnanchor { - vertical-align: top; - font-size: .7em; - text-decoration: none; - letter-spacing: 0;} - -/* Poetry */ -.poetry-container {text-align: center;} - -.poetry { - display: inline-block; - text-align: left;} - -.poetry .stanza {margin: 1em auto;} - -.poetry .verse { - text-indent: -3em; - padding-left: 3em;} - -/* Transcriber’s notes */ -.transnote {background-color: #E6E6FA; - color: black; - font-size:smaller; - padding:0.5em; - margin-bottom:5em;} - -.htmlnoshow {display: none;} -.ebnoshow {display: block;} - -@media handheld { - -.htmlnoshow {display: block;} -.ebnoshow {display: none;} - -em.gesperrt { - font-family: sans-serif, serif; - font-size: 90%; - margin-right: 0;} - -table.toc {width: 100%;} - -.poetry { - display: block; - text-align: left; - margin-left: 2.5em;} - -} - - </style> - </head> -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht; -Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Zweiter Theil (von 2) - -Author: Julian Chownitz - -Release Date: October 5, 2016 [EBook #53218] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen -Ausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden -stillschweigend korrigiert.</p> - -<p class="p0">Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden -beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren -oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate -sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne -unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt.</p> - -<p class="p0">Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.</p> - -<p class="p0 ebnoshow">Im Original wurde die Seitennummer 269 versehentlich zwei Mal -vergeben. In der vorliegenden Fassung wurde dieser stattdessen die korrekte -Seitenzahl 209 zugewiesen.</p> - -<p class="p0 htmlnoshow"> Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät -installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten -Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos -als auch gesperrt erscheinen.</p> - -</div> - -<div class="front"> - -<h1><b>Cölestine,</b><br /> - -<span class="s6">oder</span><br /> - -<span class="s5">der eheliche Verdacht.</span></h1> - -<p class="center">Von</p> - -<p class="s3 center"><b>Julian Chownitz,</b></p> - -<p class="s5 center">Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin,<br /> -Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von<br /> -Sternfels u. s. w.</p> - -<p class="s4 center padtop2"><b>Zweiter Theil.</b></p> - -<p class="s4 center padtop2">Mit 3 Illustrationen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="deko" name="deko"> - <img class="w50 mtop2 mbot2" src="images/deko.jpg" - alt="Dekoration" /></a> -</div> - -<p class="s4 center"><b>Leipzig,</b><br /> -Verlag von Franz Peter.</p> - -<hr class="r5" /> - -<p class="s3 center"><b>1842.</b></p> - -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center">Inhaltsverzeichnis.</p> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Erstes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Edmund und einer seiner besten Freunde. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_3">3</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Zweites Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Nichtswürdigen. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_33">33</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Drittes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Der Schmerz der Gatten. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_58">58</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Viertes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Hoffnung, Verzweiflung, Resignation. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_76">76</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Fünftes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Promenade auf der Bastei. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_95">95</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Sechstes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Immer noch Promenade. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_124">124</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Siebentes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Der Zurückgezogene. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_150">150</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Achtes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Verlassene. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_189">189</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Neuntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Trauer und Verzweiflung. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_210">210</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Zehntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Auf der That ertappt. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_234">234</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Elftes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Katastrophe. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_240">240</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Zwölftes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Das Fest bei dem Chevalier von Marsan. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_245">245</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Dreizehntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Schluß. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_280">280</a> - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center padtop2 mbot1"><b>Cölestine,</b></p> - -<p class="s4 center mbot2">oder</p> - -<p class="s2 center mbot2"><b>der eheliche Verdacht.</b></p> - -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[3]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Erstes_Kapitel"><b>Erstes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Edmund und einer seiner besten Freunde.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">S</span>eit dem beim Schlusse des vorhergehenden Bandes erzählten Vorfall sind -zwei Tage vergangen. —</p> - -<p>Es ist jetzt nahe vor Tagesanbruch und wir haben das uns bereits -bekannte Logis Edmunds von Randow vor unsern Augen. Wir wissen, -dasselbe befand sich im väterlichen Hause und nahm hier einen ziemlich -ausgedehnten Raum ein. Wo wir uns jetzt befinden, dies ist das -Schlafzimmer des jungen Mannes — wir müssen gestehen, daß sich hier -seit der Zeit unseres früheren Besuches so Manches, und zwar nicht zum -Vortheile, verändert hat, was, wenn es eine Folgerung auf den Bewohner -gestattet, diesen in ein sehr trauriges Licht stellen wird.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span></p> - -<p>Mitten im Gemache steht ein Bett, über welchem sich aus Seidenzeug -ein drapirtes Zelt erhebt — aber einige dieser Draperien sind hart -beschädigt — einige, wie es scheint, erst gestern oder heute mitten -entzwei gerissen worden.... Das Bett ist nicht einmal aufgedeckt und -doch liegt eine Person darauf, von der wir später reden werden. — -Rings herum erblickt man umgestürzte Meubel, zerbrochenes Geschirre — -hingeschleuderte Kleidungsstücke; — ferner sind die Fenster angelweit -offen, wiewohl es draußen stürmt (wir befinden uns im Anfange des -Winters,) und selbst die Thür ist nicht fest verschlossen, sondern wird -vom Zugwind hin- und herbewegt.... Kurz in diesem Zimmer deutet Alles -darauf, daß hier nur ein Trunkener schlafen und ein Liederlicher wohnen -kann. —</p> - -<p>Wir haben uns nicht geirrt. Jene Person <em class="gesperrt">auf</em> dem Bette ist -wirklich in dem bezeichneten Zustande: sie liegt nur halb entkleidet, -und zwar so, daß der eine ihrer Füße (er ist mit einem Stiefel -versehen) sich auf dem Bette befindet, der andere (dieser ist ohne -Stiefel) neben demselben herunterhängt; die Arme sind in einer -ähnlichen<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> Positur — und der Kopf folgt jenem Arme, der über den Rand -hinausragt. — Diese Person ist <em class="gesperrt">Edmund</em>. —</p> - -<p>Nicht weit von hier, an die Wand gerückt, steht ein Sopha, welches -ebenfalls aussieht, als hätte man darauf z. B. getanzt. Hier liegt ein -zweites Individuum im tiefsten Schlaf versunken, was durch zeitweises -kräftiges Schnarchen hinlänglich bestätigt wird... auch dieses -Individuum ward gestern vom Genius der Nüchternheit nicht begleitet -— und was seine Gestalt betrifft, so war sie uns schon einigemal -vorgekommen. Jedoch ist hier weder der edle Venusritter von Althing — -noch etwa gar (das Gegentheil wäre indeß nicht so ganz unmöglich) der -tapfere Graf von Wollheim gemeint.... an Herrn von Marsan ist nicht zu -denken. — Eine ganz andere Person tritt hier vor unsere Erinnerung und -wir fühlen uns hierbei zu den Anfangspunkten gegenwärtiger Geschichte -versetzt. Kurz: der Baron von Leuben, jener bleiche, schwärmerische, -wilde Jüngling, den die Vermählung Cölestinens so unglücklich gemacht -hatte — steht, oder vielmehr liegt hier vor uns. — Wie aber ist er<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> -hierher gekommen? wie in diesen Zustand, der nicht sein gewöhnlicher -war, gerathen? — welche innige Verbindung herrscht zwischen ihm -und Edmund, da ihre Bekanntschaft in früherer Zeit doch eine ganz -alltägliche, wie sie unter allen jüngern Leuten eines Standes -herrscht, war? — — Geduld, alle diese Fragen sollen früher oder -später beantwortet werden. Man sieht es, daß auch dieser Mensch stark -betrunken ist; indeß hat sein Zustand bei ihm keine so eclatanten -Symptome hervorgebracht — — entweder ist seine Natur kräftiger, wie -jene Edmunds (was aber nicht scheint) — oder — —<a name="FNAnker_A_1" id="FNAnker_A_1"></a><a href="#Fussnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a></p> - -<p>Edmund scheint den Schlaf schon vor dem Eintreten in dieses -Schlafzimmer, worin indeß das Gelage nicht stattfand, — antizipirt zu -haben... er befindet sich jetzt in jenem abscheulichen Zustande, wo die -Dünste des Weines bereits den Kopf, die Hefen jedoch den Magen noch -nicht verlassen haben. Man schläft nicht — man ist nicht mehr ohne -Besinnung — aber man wird von schmachvoller Uebelkeit gequält. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span></p> - -<p>In dieser Indigestion (gleichgesinnte Jünglinge in Deutschland nennen -sie: <em class="gesperrt">Katzenjammer</em>) fährt Edmund auf seinem Lager, welches -für ihn eine Folter ist — wüthend hin und her — er möchte Alles -zerbrechen und zersprengen — er möchte die ganze Welt zerreißen, nur -um aus ihr, d. h. aus sich selber herauszukommen..... Alle Augenblicke -sehen wir die Lage des wackern Jünglings verändert — und haben wir -früher eines seiner Beine aus dem Bette heraushängen sehen, so wird uns -jetzt das Vergnügen zu Theil, beide so zu erblicken.... später will -sogar der Kopf der Mutter Erde näher kommen.... kurz: ein Kaleidoskop -bietet nicht so viel abwechselnde Bilder wie Edmunds Lage in dieser -Stunde.</p> - -<p>„Verflucht!“ schreit der junge Ehrenmann in einem Anfalle von -Verzweiflung auf: „wird denn das ewig so währen? — Seit einer Stunde“ -(seit dieser Zeit <em class="gesperrt">wußte</em> er von seinem Zustande — früher hatte -er in demselben blos vegetirt,) „seit einer Stunde leide ich wie ein -Lazarus... und Keiner von den Spitzbuben, meinen Bedienten, kommt -— mir Hilfe zu leisten.... Ah, Ah! die Schurken haben seit einiger -Zeit allen Re<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span>spect vor mir verloren.... Seit dieser Hund von einem -<em class="gesperrt">Lips</em> mich besucht — seit ich so recht wie der Herrgott in -Frankreich lebe — — sind die Kerle wie verwechselt.... ja sie werden -mit mir ordentlich familiär... Doch was red’ ich da? — Es gehört nicht -hierher... Lieber will ich klingeln — — aber der Teufel weiß, wo die -Klingel ist... und gepocht hab’ ich bereits hinlänglich, ohne etwas -auszurichten.... auch das Rufen wird nichts nützen: — Johann! - Franz! -— Karl! — Karl! — oder Charles!....“ brüllte er, hörte jedoch bald -auf: „es ist umsonst — Oh! Oh! Uh! Buh! Auh! — — Hätt’ ich nur einen -— Tropfen Sodawasser...“ setzte er ermattet hinzu.</p> - -<p>„Und jener Kerl dort — —“ fing er später wieder an, „jener Lump von -einem Freunde dort auf dem Sopha... wie der schnarcht — schläft — -und sich um mich, der hier fast des Teufels wird — nicht für einen -Dreier Werthes bekümmert.... Heda! Holla! — Leuben! — — Klotz, -Murmelthier!... Wirst Du endlich erwachen? — — Aber das schläft — -als sollte es erst zum jüngsten Tag wieder aufstehen!“ —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span></p> - -<p>In diesem Augenblick brach, durch einen allzuhastigen Ruck, den unser -Tugendheld that, die Bettstelle unter ihm durch — — und alsbald -fühlte der Unglückliche sich mit einem Ende seines Körpers zwölf -Zoll über, mit dem andern zwei Fuß unter seinem vorigen Horizont. Er -schrie entsetzlich — denn abgesehen von dem Schmerze, den ihm dieser -Wechselfall verursachte — wußte er im Schrecken auch nicht sogleich, -was mit ihm geschah. —</p> - -<p>Bei dem Schrei erwachte der jenseitige Tugendspiegel auf dem Sopha — -streckte die Arme von sich — und stammelte auf eine Weise, als hätte -er den Mund mit Brei gefüllt: „Nun, was ist denn das hier — für ein -Tausend Donnerwetter! — — Was geschieht denn?“</p> - -<p>„Oh weh! Oh weh!“ jammerte Edmund...</p> - -<p>„Schweige doch — — und störe einen ehrlichen Menschen nicht in seiner -Ruhe — — Du — Du —“</p> - -<p>„Hol’ Dich der Kuckuk — sammt Deiner Ruhe, abscheulicher Kerl — der -seit einem halben Tage schläft — wie ein Pflanzer in Domingo ... Oh -weh! Au! Au! — ich bin gerädert!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span></p> - -<p>„Lass’ mich zufrieden.... Ich möchte schlafen!“ murmelte Jener und -drehte sich um...</p> - -<p>„Nein, nein, Du sollst nicht schlafen! Das ist schändlich! Du sollst -mir helfen aus diesem verdammten Abgrunde herauszukommen.... Hörst Du! -Oh weh!“</p> - -<p>Der Andere brummte etwas Unverständliches und legte sich gemüthlich auf -den Bauch...</p> - -<p>„Aber — zum Henker! — Hörst Du denn nicht, Leuben?... ich bin -gerädert — zerfleischt — — zu Hilfe! — — Au! die verdammte -Bettstelle! der verdammte Zustand!“</p> - -<p>Der edle Baron indeß gab als ganze Antwort einige Schnarchlaute zum -Besten. — Da wurde jedoch unser Mann wüthend, griff um sich herum — -zog eine Latte aus der Bettstelle und warf sie mit einem Fluche seinem -Kameraden dermaßen auf die Beine, daß — einen solchen Schlag auf den -Kopf — die Welt um einen Biedermann ärmer geworden wäre. —</p> - -<p>Mit einem Satz stand Leuben auf seinen magnetisirten Beinen (nur nicht -ganz fest) — und indem er versuchte die Augen aufzuthun, welche jedoch -wie zusammengenäht waren, rief er: „Was<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> ist denn das! Ist hier der -Beelzebub los.... und schmeißt nach mir mit Knitteln?... Was ist denn -das? Was ist denn das?“</p> - -<p>„Still! still!“ entgegnete Edmund, der unter dem Einfluß der letztern -Begebenheit abermals um einen Grad nüchterner geworden schien: „Still! -Mach’ kein solches Geschrei! Es war eine Latte und weiter nichts! — -— Ich habe Dich mit derselben geweckt, da es auf andere Weise nicht -ging....“</p> - -<p>„Hol’ Euch — allesammt der Teufel...“ schrie Leuben, der zu glauben -schien — in einer Gesellschaft von Mehrern zu sein...; dann bückte -er sich mechanisch und rieb an seinem Beine, fiel jedoch bei dieser -Operation zurück auf’s Sopha, wo er alsbald wieder eingeschlafen sein -würde, hätte Edmund sich jetzt nicht aus den Trümmern und Matratzen -losgewickelt und wäre er nicht zu ihm hin gewankt, rufend: „Aber nein! -Du sollst nicht länger schnarchen — abscheulicher Kerl. Bei der -Hölle, Du sollst kein Auge mehr zuthun — — denn so allein halte ich -es in diesem Zustande nicht aus....“ Und er rüttelte und schüttelte -den Braven so lange, bis dieser, aber<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span>mals sich die Augen reibend, in -gähnender Weise ausrief: „Nun, es ist vorbei! — Aus ist es mit dem -schönen Schlafe! — — Aber, zum Henker... wozu soll ich denn jetzt -mitten in der Nacht wachen?“</p> - -<p>„Weil ich auch wache...“</p> - -<p>„Und weshalb wachst Du?“</p> - -<p>„Weil ich nicht schlafen kann... weil ich wie ein Märtyrer leide... -und...“</p> - -<p>„Du wie ein Märtyrer?“</p> - -<p>„Die verfl— Fête! Ich werde an sie denken!“</p> - -<p>„Ja — es war eine herrliche Fête!“</p> - -<p>„Hol’ sie der Teufel! — — Sie hat mich vollständig ruinirt, an Leib -und Seele...“</p> - -<p>„Aber, das begreife ich nicht... Ah! Ah!“ Und er gähnte wie ein -Lohnkutscher.</p> - -<p>„— — Ich begreife es um so mehr! — Oh! Oh! — — Wenn nur erst -dieser schmähliche Katzenjammer vorüber wäre! Ich habe doch im Leben -so manchen verdaut... aber einer wie dieser ist in Europa noch nicht -vorgekommen...“</p> - -<p>„Du hast also den Katzenjammer! Was ist dabei? — Lumperei! Weiter -nichts als Lumperei....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span></p> - -<p>„Ja, ja — — ich merke aber, daß mein Katzenjammer nicht nur -ein physischer ist, sondern aus physischem und moralischem -zusammengesetzt...“</p> - -<p>„Aus moralischem?... Wenn auch!... Was will das noch Alles sagen? — -habe im Leben so manchen allermoralischsten Katzenjammer verarbeitet — -und stehe noch da, als eine Säule der Junggesellenschaft...“</p> - -<p>„Thor! Weißt Du denn auch, auf was sich dieser mein moralischer -Katzenjammer gründet? — Er gründet sich auf 8000 Stück Dukaten, die -ich in Zeit von vier Stunden zahlen muß.“</p> - -<p>„Muß, muß! — was heißt das: muß?“ versetzte Leuben, und in diesem -Augenblicke hätte Einer, der schärfer sah als jetzt Edmund — bemerken -können, daß hinter dieser Gleichgiltigkeit und Trunkenheit, hinter -dieser ganzen Geberdung Leubens .... noch etwas steckte, welches aussah -wie der böse Geist Mephistopheles, als er in Auerbachs Keller hinter -einem mit Flaschen und Betrunkenen besetzten Tische stand. —</p> - -<p>Um nicht lange in Räthseln zu sprechen, erklären wir frischweg, Leuben -war zwar berauscht — jedoch nicht so sehr, wie er <em class="gesperrt">that</em>.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span></p> - -<p>Ein scheußliches Lächeln hatte sich nach obigen Worten über seine Züge -ausgedehnt... und er wiederholte:</p> - -<p>„Muß! Muß! — Du mußt in vier Stunden 8000 Dukaten zahlen, sagst Du?... -Ich aber sage: ein Mann kennt das Wort „Muß“ gar nicht...“</p> - -<p>„Ja — Du hast leicht reden!... Wäre ich in Deinen Verhältnissen! — -Erstens — reich wie ein Nabob und dazu Herr seines Vermögens; sodann -überhaupt nicht an Familienrücksichten gebunden — — drittens, was -die Hauptsache ist, ein Kerl, der die Kaltblütigkeit eines Krokodils -besitzt, wenn es sich um Dinge handelt, die Einem an den <em class="gesperrt">Hals</em> -gehen... endlich viertens, und dies ist die hauptsächlichste -Hauptsache: Du Beneidenswerther besitzest noch Deine Seele! Hast sie -dem Beelzebub noch nicht verkauft... dem Beelzebub, welcher unter uns -einherschreitet in der Gestalt des Meisters Lips.... Oh, Oh! meine -Zunge brennt schon, wenn ich diesen Namen nur nenne.“</p> - -<p>„Nun — gut; aber was ist mit diesem Lips<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> weiter? — Mache Dich von -dem Spitzbuben los!....“</p> - -<p>„— Mensch! Mensch! — dies ist leichter gesagt, als gethan. „Mache -Dich los!“ wie schnell ist das ausgesprochen! — Aber ich sage Dir: -eher macht man sich aus den lieblichen Umarmungen der Menschenfresser -los, wie von Meister Lips — besonders wenn man sich mit ihm bereits so -weit eingelassen, wie — leider Unsereins.“</p> - -<p>Leuben neigte sich ein wenig zur Erde, um die Freude, von der sein -Gesicht strahlte, zu verbergen; darauf fragte er in neugierigem Tone: -— — „Also ihm hast Du die 8000 Ducaten zu bezahlen....?“</p> - -<p>„Freilich — freilich, Du Narr, Du! — Ihm, dem Meister Lips — und -dann noch jenem verfl— Coujon, den Du seit vier oder fünf Tagen zu den -Orgien mitbringst, die wir bei jener saubern Frau Wratschifratschi — -oder wie sie sonst heißt.... kurz bei jener tugendhaften Dame mit ihrem -halben Dutzend tugendhafter Freundinnen feiern; — — diesen zwei<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> -Menschen bin ich 8000 Dukaten schuldig; dem Ersteren zwei — dem Andern -sechs Tausend....“</p> - -<p>„Du nanntest meinen Freund einen Coujon, obwohl er ein Ehrenmann ist, -wie Du oder ein Anderer; doch das mag Dir um unseres beiderseitigen -Zustandes willen hingehn. — —“</p> - -<p>„Was — Zustandes! Ich wiederhole nochmals: ein Coujon, ein Spitzbube -ist der Kerl ... ein falscher Spieler, woran nicht zu zweifeln; denn -seit vier oder fünf Tagen hat er mir mit einer Regelmäßigkeit, die -mathematisch genau ist, ungefähr 10,000 Dukaten abgenommen... und ich, -ich Thor, ich spielte mit ihm noch immerfort .... spielte, als mein -Geld verloren war, auf Ehrenwort.... und.... beraubte meine..... doch -genug!“</p> - -<p>Edmund schwieg plötzlich. Ein besseres Gefühl schien über ihn gekommen -zu sein, welches die nichtswürdigen Gesinnungen, die seine Brust jetzt -beherrschten, auf einen Augenblick überwand.... er ging wieder zu -seinem Bette zurück — legte sich darauf und barg sein Gesicht in die -Kissen....</p> - -<p>Der Andere aber schickte ihm einen Blick nach,<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> der von der Natur des -Basilisken geborgt zu sein schien — nickte mit dem Kopfe und rieb -sich die Hände; sodann streckte er sich der Länge nach und mit großer -Behaglichkeit ebenfalls auf sein Sopha hin — und begann wieder...: -„Und diese beiden Gläubiger, sagst Du, holen in vier Stunden ihre 8000 -Dukaten? — Aber woher dies Zusammentreffen? — Es wirft auf meinen -Freund ein ungünstigeres Licht, als mir lieb ist....“</p> - -<p>„Hol’ ihn der Henker, Deinen Freund, sammt allen Lichtern, die jemals -auf eine solche Schandgestalt wie die seine gefallen sind! — — Aber -eben dies Zusammentreffen, wie zufällig dasselbe auch sein mag, gleicht -einem geheimen Fingerzeig Gottes, der so viel sagen will, als: diese -zwei Schufte gehören neben einander.... Wenigstens, was mich betrifft, -ich dachte gestern, als ich diesem saubern Freunde Deines Herzens -sagte, er möge heute 11 Uhr Vormittags sein Geld bei mir in Empfang -nehmen — damals dachte ich nicht daran, daß zur selben Zeit auch -Meister Lips hier erscheinen werde, wiewohl ich es längst wußte..... -und jenes Spiel einige Minuten<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span> früher blos in der einzigen Hoffnung -eingegangen war, das Geld, welches ich für Lips heute brauchte, dabei -zu gewinnen —“</p> - -<p>„Mit diesen Worten, mein Bester, vernichtest Du ja selbst den Verdacht, -welchen Du vorhin auf meinen Freund <em class="gesperrt">Theobald Wurmholzer</em> so -ungerechter Weise geworfen.... Hast Du ihn für keinen ehrlichen Mann -gehalten, so hättest Du mit ihm nicht spielen sollen.... allein eben -weil Du mit ihm spieltest, gabst Du ihm so zu sagen selbst das Zeugniß, -daß er einer sei.“</p> - -<p>„Schon gut, schon gut!“ versetzte Edmund, und fing wieder an, sich -umherzudrehen — — „Deine Argumentation scheint sehr richtig.... -allein der verd— Katzenjammer kommt schon wieder.... Uh! Puh!“</p> - -<p>„Der moralische — oder der physische? —“</p> - -<p>„Beide, beide! — Weh mir!“</p> - -<p>Mittlerweile war es hell geworden, der Tag guckte zu den Fenstern -herein, was ihm sehr bequem wurde, denn diese waren noch offen, wie -zur Nachtzeit. Indessen fing das Schneegestöber, welches draußen -herrschte, an, seine Wirkung bis mitten ins Gemach zu verbreiten — -weshalb<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> Leuben aufstand, um Fenster und Thür zu schließen; und als er -zufälligerweise die letztern heftig zuschlug, schrie Edmund erschreckt -auf: „Ach! wer kommt da! Sollten es bereits die zwei Schurken sein....?“</p> - -<p>„Welche — Schurken?“</p> - -<p>„Lips — und jener ehrliche Wurmholzer. —“ Erst jetzt erhob er sein -edles Haupt: „Ach!“ sagte er nach der Thür sehend — mit erleichtertem -Herzen: „sie sind es nicht. — Freilich aber,“ begann er nach einer -Pause: „werden sie nicht lange ausbleiben. Die eilfte Stunde wird -herankommen, ehe man sich’s versieht. — Heute galoppirt die Zeit, wie -ein arabischer Renner.... Kannst Du mir vielleicht sagen, was jetzt die -Uhr ist?“</p> - -<p>„Ich vergaß meine Uhr zu Hause... Indeß kannst Du ja nach einer von den -Deinigen sehen.“</p> - -<p>„Nach einer von den meinigen?!“ wiederholte der wackere Sprosse des -Randow’schen Hauses mit kläglicher Stimme. „Wo sind die — meinigen! — -Der Teufel hat sie bereits alle geholt....“</p> - -<p>„Alle?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span></p> - -<p>„Ja — ja; mein lieber Freund — Lips kann mehr von diesem Kapitel -erzählen....“</p> - -<p>„Ich will nicht hoffen — daß dieser Elende Dich schon sogar um Deine -Uhren gebracht hat —“</p> - -<p>„Um meine Uhren? — Ach, er hat mich noch um so manches Andere -gebracht! Die Uhren, die Ringe, die Ketten, die Waffen, die -tausenderlei hübschen glänzenden Sachen.... sie sind alle sein — — -— Ja sogar — — Kleider, Wäsche — Requisiten — — Oh! verfl— -Katzenjammer!“</p> - -<p>Der Andere schlug, da ihm Edmund in’s Gesicht sah, die Hände zusammen, -mit einer Miene voll zärtlichen Mitleids und Schreckens rufend: -„Allein — wie konntest Du es nur so weit kommen lassen, unglücklicher -Freund?!“ Er wischte sich eine Thräne aus dem Auge: „Sahst Du denn -nicht, mit wem Du es zu thun hattest.... Meister Lips hätte Dir ja -gleich beim ersten Handel, den Du mit ihm eingingst, die Lust zu einem -zweiten benehmen sollen....“</p> - -<p>„O mein Freund!“ seufzte Edmund: „sprich lieber: mit dem <em class="gesperrt">ersten</em> -Handel hatte der nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span>würdige Kehlabschneider <em class="gesperrt">zugleich alle -übrigen gemacht</em>.... Einmal in seine Klauen gerathen, gehörte -ich für immer ihm.... ich konnte nicht mehr los! Glaube mir, das -Alles kann ich Dir nicht so leicht erzählen — wie leicht es ihm zu -<em class="gesperrt">vollbringen</em> war.... ich kann Dir von dem Wie und Warum keine -Erklärung geben: ich kann Dir nur sagen: es ist geschehen — Punktum! -Damit ist Alles gesagt. —“</p> - -<p>„Und wenn,“ fuhr der Taugenichts fort, „wenn ich Dir zum Schluß noch -einige Notizen geben soll, so werden es folgende sein: Lips hat -Wechsel, Obligationen, Hypotheken von mir in Händen — bei deren -Erinnerung mir schon der Kopf schwindelt — und das Hirn in demselben -siedet..... Der Satan weiß es, wie ich mich aus den schauderhaften -Papieren herauswickle! Soviel jedoch ist gewiß: daß Meister Lips mich -mit Haut und Haar in seiner Gewalt hat — und es kostet ihm nur ein -Wort — so bringt er mich dahin, wo Heulen und Zähnklappern herrscht.“</p> - -<p>Eine tiefe Pause entstand. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span></p> - -<p>„Aber,“ begann jetzt Leuben: „kannst Du denn hierbei nicht die Hilfe -der Deinigen in Anspruch nehmen, Edmund? — Ich bin gewiß, Dein -Vater, Deine Mutter würden Dich gerne aus dieser Verlegenheit ziehen -— es bedarf vielleicht nur eines offenen und zugleich reumüthigen -Bekenntnisses von Deiner Seite. — Du siehst, ich rede zu Dir als -Freund.“</p> - -<p>Es hatte leicht reden, dieses edle Herz. War es ihm doch hinlänglich -bewußt, daß der General für seinen Sohn in diesem Falle nichts thun -würde; ja, daß er, unterrichtet von dem wüsten, unvernünftigen und -unehrenhaften Treiben des Letztern — vielleicht ganz und gar seine -Hand von ihm abziehen, ihn verstoßen dürfte. Der Charakter und die -Grundsätze des alten Herrn bürgten dafür.</p> - -<p>Edmund begnügte sich daher auch, statt aller Antwort — laut und mit -einem gräßlichen Tone aufzulachen; sodann barg er das Gesicht in beide -Hände und blieb völlig stumm.</p> - -<p>„Und Deine Schwester?“ fing Jener wieder an. „Sollte Cölestine, welche -Dich doch so zärtlich liebt und zugleich von Deiner innigen<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> Neigung zu -ihr überzeugt ist — sollte sie Dich nicht retten können?... Freilich -ist sie in diesem Augenblick noch nicht Herrin ihres Vermögens — -und darf über das eigene eben so wenig, wie über jenes ihres Mannes -verfügen. Gleichwohl scheint es, daß es ihr im Ganzen nicht schwer -werden sollte.... mehrere tausend Gulden aufzutreiben....“</p> - -<p>„Wo denn?“ fuhr der Jüngling dazwischen. „Etwa bei Meister Lips?“</p> - -<p>„Nein doch! — aber — ich meine — — sie besitzt ja Kostbarkeiten, -Juwelen — Schmuck — —“</p> - -<p>Edmund stieß bei diesen Worten einen tiefen, erschütternden Seufzer, -der aus dem innersten Grunde der Seele kam, aus. Seine Augen wurden -feucht, und als er die folgenden Worte sprach, schluchzte er wie ein -Knabe: „Ach, unglückliche Schwester! Arme Cölestine! Liebevolles, -heiliges Herz — — — womit, womit hast Du dies Alles verdient! — — -O! Ich bin ein Frevler, ein Nichtswürdiger, ein Verräther an Dir und -Deiner Liebe! — Und ich verdiene nicht mehr in Dein mitleidvolles, -zärtliches Auge zu blicken! — Ja, ja! Möge es sich mir auf<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span> ewig -verschließen.... möge es Einem leuchten, der dessen würdiger ist, als -ich... — O, ich Elender!“ schrie er im gewaltigen Schmerze auf: „ich -verachte mich! ich speie mich an!“</p> - -<p>Nach diesen Worten schien es, als bräche sein innerstes Wesen zusammen. -Er lag bewegungslos, starr wie ein Leichnam da — — und hätte nicht -das schwere Stöhnen, welches er von Zeit zu Zeit hören ließ, Kunde von -seinem Leben gegeben — man würde ihn haben hinaustragen können zur -Bestattung. — Daher gab er auch auf die Frage, welche Leuben zuletzt -an ihn that: „Und Marsan — Dein Freund, der glänzende, großmüthige -Marsan? — — Weshalb vertraust Du Dich nicht ihm an?“ — keine Antwort.</p> - -<p>— — Wir hoffen, der Charakter Edmunds von Randow ist unsern Lesern -bereits deutlich genug vor Augen gestellt. — Wie aus mehrfachen -Scenen, in denen wir diesem jungen Menschen begegnet sind — erhellt, -haben wir es hier mit einer, aus zweien, scheinbar widerstreitenden -Hälften zusammengesetzten, Natur zu thun — diese Hälften jedoch, diese -scheinbaren Gegensätze — sind nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> weiter, als die zwei Theile -einer aus derselben Wurzel entsprießenden Pflanze — einer Blume, die -Blüthen und zugleich scharfe Dornen trägt...</p> - -<p>Wir wollen uns sogleich weitläuftiger über diese Sache auslassen -und versuchen, ein Spiegelbild jener Menschengattung zu liefern — -in welcher der Krankheitsstoff unserer Zeit am entschiedensten zum -Durchbruch gekommen. —</p> - -<p>Edmund war ein leichtsinniger, ein verschwenderischer, ein -nichtsthuender junger Mensch, der jedoch in gewissen Fällen der -wärmsten Hingebung, der edelmüthigsten Aufopferung — und einer bis zur -reinsten Liebe gesteigerten Zuneigung fähig war. — Er an und für sich -war wenig... durch Denjenigen, an welchen er sich anschloß, konnte er -jedoch Alles werden. Er hatte von der Natur weiter nichts mitbekommen, -als ein weiches Herz und einen heitern Sinn; diese Gabe aber ist -äußerst gefährlich; ohne die richtige Pflege bildet sich durch sie ein -Charakter heraus, der zuerst blos <em class="gesperrt">gut</em> und <em class="gesperrt">schwach</em> scheint -— später jedoch <em class="gesperrt">leichtfertig</em> und <em class="gesperrt">thöricht</em> wird. Vermöge -des Ersteren hing Edmund seinen Verwandten und darunter besonders -seiner<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> Schwester mit schwärmischer Liebe an — vermöge des Letztern -schloß er schnell mit Jedermann — am schnellsten mit lustigen Brüdern -Bekanntschaften und Bündnisse.</p> - -<p>Welche Resultate für sein Leben, für seine persönlichen Verhältnisse -hieraus erwuchsen, ließ sich voraussehen. Da es in der menschlichen -Natur liegt, mit einem Gemüthe, wie das Edmunds, dem Bösen zugänglicher -zu sein als dem Guten, so war auch nichts natürlicher, als daß bei ihm -der Einfluß seiner <em class="gesperrt">Freunde</em> jenen seiner Verwandten nicht nur -überwog — sondern in progressivem Verhältniß langsam vernichtete, -dermaßen, daß Edmund zum Beispiele im gegenwärtigen Zeitpunkte — -Dank dem elenden Leuben — Althing — dem alten Wollheim und dem -Würger Lips, der anfangs als <em class="gesperrt">Freund in der Noth</em> galt, — Dank -also diesen schlechten Freunden — in diesem Augenblick auf einem -schauderhaften Gipfel des Elends und der geheimen Noth stand.</p> - -<p>Daß es das Geld ist, welches im vorliegenden Falle wieder den <em class="antiqua">nervus -rerum</em> vorstellt, läßt sich leicht errathen; wann sollte dieses -fluchwürdige Princip nicht das herrschende gewesen<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span> sein — — mag -man auch die Bücher der Weltgeschichte, von den grauen Zeiten des -Alterthums bis auf die neuesten, durchblättern.... wo war es dies nicht -stets? — Fürwahr, man ist versucht, dieses Princip für dasjenige zu -nehmen — von welchem die Bücher der heiligen wie die der weltlichen -Weisheit als von dem <em class="gesperrt">bösen</em> sprechen. — —</p> - -<p>Wir könnten hier eine lange Expectoration einschließen — wir könnten -hier mit sanften Engelsstimmen sowohl wie mit dem Brüllen des Donners -reden, um unserm Satz die rechte Verständlichkeit und Kraft zu -verleihen; wir könnten tausend Mal fragen: „Wo ist das Gute, welches -durch den Mammon gestiftet wurde?“ — ohne daß man uns hierauf auch nur -eine einzige Antwort zu geben vermöchte; — — wir könnten hinwieder -fragen: „Wo ist das Böse, das durch ihn angerichtet wurde?“ und auf der -ganzen Erde würde jeder Punkt rufen: „Hier! hier! hier!“</p> - -<p>— Doch zu solchen Experimenten ist hier weder Zeit noch Raum, und so -kehren wir denn<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> wieder zu den wesentlichen Theilen unserer Darstellung -zurück.</p> - -<p>Als wir Edmund zum ersten Male sahen, fanden wir im Aeußern einen jener -lustigen, ausgelassenen, dabei gutmüthigen jungen Kavaliere, an welchen -in großen Städten eben kein Mangel ist. Wir hatten jedoch zu jener -Zeit uns noch nicht näher um ihn bekümmert... wir hatten noch nicht -nach seinen inneren Zuständen geforscht und so konnten wir leicht über -ihn <em class="gesperrt">lachen</em>; wir hatten noch keine Ursache, uns wegen seiner zu -<em class="gesperrt">betrüben</em> — denn ein Mensch kann lustig, ausgelassen und bei -dem Allen doch sehr glücklich sein. Als uns Edmunds schönes Verhältniß -zu Cölestine, als uns einige der edleren Eigenschaften seines Herzens -bekannt wurden — mußten wir sogar für ihn eingenommen werden. — -— Aber nur zu bald enthüllten sich unserem Blick alle jene düstern -Einzelheiten dieses Wesens und Lebens, welche nicht mehr geeignet sind -zu belustigen, sondern wodurch unsere bisherige Theilnahme dem Schreck, -ja dem Ekel wich. — Wir sahen Edmund nicht mehr blos aus Leichtsinn -und Unüberlegtheit sich<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> thörichten Neigungen hingeben — sondern mit -schamlosem Bewußtsein; — ja wir erblickten ihn zuletzt sogar in den -Armen der nichtswürdigsten Laster.... und bald, bald werden wir mit -Entsetzen vor ihm fliehen. —</p> - -<p>Dahin jedoch mußte die Consequenz eines Treibens, wie das seinige war, -ihn führen, und dahin wird Jeder kommen, der, gleich ihm, auf die -Sirenentöne jener Leute hört, die sich uns im gewöhnlichen Leben häufig -als unsere „<em class="gesperrt">besten Freunde</em>“ bezeichnen. — Wenn wir die Liste -der Kameraden Edmunds durchgehen — welche Subjecte finden wir da! -Alle Sorten der Thorheit und des Lasters — von der niedrigsten Stufe -bis zur schwindelndsten Höhe. Zuerst den im Ganzen unschädlichsten -alten Gecken <em class="gesperrt">Althing</em>, an dessen Seite er zuerst die traurige -Süßigkeit des Müßiggangs und die lügnerische der Galanterie kennen -lernte; sodann den albernen Jäger und Säufer Wollheim — mit dessen -Hilfe er schon um einige Stufen höher stieg. — Diese zwei Leute -beglückten ihn durch jahrelangen Umgang und nannten ihn in allem -Ernste ihren „<em class="gesperrt">Schüler</em>“, sowie er dieselben lange Zeit hin<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span>durch -als seine „<em class="gesperrt">Meister</em>“ anerkannte. Später sodann machte er die -Bekanntschaft des Chevaliers — und diese wirkte eben wegen ihrer -direkten Entgegengesetztheit am verderblichsten unter allen bisherigen -auf ihn; denn durch dieselbe plötzlich in eine Sphäre gerissen, -worin er sich noch niemals befunden — gerieth er in abscheuliche -Verlegenheiten — denen er nur dadurch entkam, daß er seine Zuflucht zu -dem allesvermögenden Götzen des Geldes nahm — ein Götze, welcher den -jungen wüsten Verschwender rasch in die Klauen seines Priesters: des -Meister Lips führte...</p> - -<p>Zu Allem diesen kam noch, gleichsam als Krone des Werkes — die -Verbindung mit Leuben, welche dieser seit Kurzem absichtlich und -dringend suchte und auch sehr leicht gefunden hatte. — Leuben, früher -ein gewöhnlicher Mensch und ein verliebter Wahnsinniger, trat ihm jetzt -als der ausgemachteste Roué entgegen und führte ihn in noch tiefere und -stinkendere Kloaken des Lebens — als in welchen der Thor Edmund bisher -gewatet hatte.</p> - -<p>— — So standen die Sachen und nun antworte man uns: ist hier nicht -ein ursprünglich<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> zu Gutem bestimmtes Gemüth, eine an sich reine -und edle Natur untergegangen? Doch — so mächtig ist der Keim des -Göttlichen in uns, daß er, und wäre er auch nur so groß wie ein -Samenkorn, die hundertfachen Schichten des Lasters und des Bösen, von -denen er eingeschlossen wird, und die ihn gerne ersticken möchten, -dennoch durchdringt — um über ihnen, wenn auch nur auf Augenblicke zu -leuchten.... den blinden Thoren sehen zu machen.</p> - -<p>— Die gefürchtete Stunde nahte heran; je näher sie kam, je heftiger -zitterte das Herz in dem Leibe des Elenden. Leuben hatte ihn verlassen -.... er wollte nur kurze Zeit wegbleiben, um seinen Anzug in Ordnung -zu bringen, dann wollte er, wie er sagte, wieder kommen, und aus -freiem Antriebe seinen „unglücklichen lieben Freund Edmund“ mit einem -Darlehen — gegen die Wuth des Meister Lips schützen. Das hatte er -ihm gelobt. — Was er jedoch that, bestand in Folgendem: er verfügte -sich von hier zuerst zu dem andern „lieben Freunde“ <em class="gesperrt">Theobald -Wurmholzer</em>, sodann — denn die Verbindungen, welche er seit einiger -Zeit angeknüpft<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> hatte, reichten weit — zu seinem dritten „lieben -Freunde“ dem Meister <em class="gesperrt">Sophronias Lips</em>.... und setzte diese zwei -Ehrenmänner von der Gemüthslage Edmunds in Kenntniß. — Er handelte, -wie man sieht, nach einem Systeme, dessen Ziele uns immer näher und -immer zahlreicher vor den Blick treten — bis wir sie zuletzt als -Schlußstein eines ganzen Intriguengebäudes sehen werden — welches -Gebäude bestimmt ist, auf die Welt darunter zusammenzustürzen, — wenn -anders nicht etwa eine mächtigere Hand noch bei Zeiten dazwischen -fährt, zertrümmernd den arglistigen, verderbenschwangeren Bau.... -erlösend und versöhnend die Welt, welche so lange in diesem Kerker -geseufzet. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zweites_Kapitel"><b>Zweites Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Nichtswürdigen.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">E</span>ben hatte es auf einem Thurme in der Nähe elf Uhr geschlagen. Dieser -Klang tönte erschütternd durch die Ohren Edmunds, welcher sich -von seinem Lager noch immer nicht erhoben hatte, sondern dasselbe -Stunde für Stunde mit seinem Angstschweiße tränkte — gleich einem -Armensünder-Lager. Wir haben bereits Vieles von dem Treiben und Thun -dieses verlornen Jünglings erzählt — wir haben jedoch noch nicht -Alles, noch nicht das Letzte gesagt. — Edmund von Randow, der Sohn -eines der edelsten und ruhmvollsten Häuser des Landes, war nicht -nur Müßiggänger, Libertin, Verschwender, Spieler und ein Roué der -gemeinsten Klasse geworden — — Edmund von Randow, der Sohn<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> eines der -ersten und vornehmsten Geschlechter zweier Reiche — — war sogar bis -zum <em class="gesperrt">Betrüger</em> hinabgestürzt....</p> - -<p>Nachdem wir dies entsetzliche Wort ausgesprochen haben, bleibt uns -nichts anderes übrig, als es zu rechtfertigen, und dies soll sofort -geschehen.</p> - -<p>Es waren seit dem letzten Glockenschlage noch kaum einige Minuten -verflossen, als nicht der Baron von Leuben, wohl aber Herr Theobald -Wurmholzer in’s Zimmer trat. Auf die Stirne dieses Menschen hatte sein -Leben und sein Handwerk Züge gezeichnet, die nicht zu verkennen waren. -— Herr Theobald erschien mit einer lustigen Schurkenmiene und einem -schmetternden „Guten Morgen!“ Als er Edmund, dessen Zustand und Lage -erblickte — brach er laut in die Worte aus: „<em class="antiqua">Sacre bleu!</em> Was -ist denn das? Hat für meinen Busenfreund Edmund der Hahn noch nicht -gekräht? — <em class="antiqua">Bougre!</em> das nenn’ ich einen guten Schlaf — der -freilich auch einem guten Tage folgt....“</p> - -<p>Edmund begnügte sich damit, sich halb aufzurichten und dem -Abscheulichen eine Art von<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span> Willkomm entgegen zu murmeln, womit dieser -zufrieden schien, denn er setzte sich, nach dem Brauche solcher Herren, -ohneweiteres auf das Bett — und fuhr in seiner lärmenden Weise fort: -„Sie werden wissen, mein verehrungswürdiger Freund Randow — daß ich -nicht gekommen wäre, Ihren süßen Schlaf zu stören, nöthigte mich hierzu -nicht jene dringende Pflicht, die ich gegen mich selber habe und die -Ihnen hinlänglich bekannt ist; Sie begreifen —: Die heiligste Pflicht -des Gentlemans und Spielers besteht in —“</p> - -<p>Edmund fuhr bei dem letzteren Worte ein wenig überrascht in die Höhe -—: „Sie nennen sich also kurzweg: einen Spieler!“</p> - -<p>„Darauf kommt es hier nicht an und es wird Ihnen auch gewiß sehr -gleichgiltig sein...“</p> - -<p>„Ich meine nur — — bisher haben Sie sich unter diesem Titel noch -nicht vorgestellt....“</p> - -<p>„<em class="antiqua">Diable!</em> — dies will ich schon glauben!... Wer in der Welt wird -sich bei einem fremden Menschen gleich als <em class="gesperrt">Spieler</em> einführen? -— Es wäre sehr gegen die Lebensart! — Allein nachdem man zusammen -drei bis vier Nächte hin<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span>durch am grünen Tische gesessen — nachdem man -mit Einem überdies auf Ehrenwort gespielt — und endlich gar an ihn -eine Forderung von circa 2000 Ducaten zu stellen hat — darf man sich -doch wohl kurzweg als das bezeichnen, ... was man ist, <em class="antiqua">Tonneur de -Dieu!</em> — Welchen Titel soll man für sich erfinden? — — Man hat -von Jemand für einige Sätze im <em class="antiqua">rouge et noir</em> 2000 Ducaten zu -fordern... also ist man ein <em class="gesperrt">Spieler</em>.“</p> - -<p>„An dieser Logik ist wohl nichts auszusetzen —“ versetzte Edmund -eintönig und mit bitterem Lächeln — —; „ich hätte längst selber von -ihr Gebrauch machen sollen....“</p> - -<p>„Allein, wie ich sehe, <em class="antiqua">mon cher</em> — — so jagen wir uns da -mit einer nutzlosen Phraseologie ab... und beim Himmel! meine Zeit -ist sehr kostbar: ich habe heute noch wichtige Geschäfte in Ordnung -zu bringen. Kommen wir daher zur Sache! — <em class="gesperrt">Haben Sie das Geld in -Bereitschaft</em>, <em class="antiqua">mon petit coeur</em>?“</p> - -<p>Mit kurzen Worten antwortete Randow: „Ich habe nichts in Bereitschaft. -Ich besitze keinen Heller!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span></p> - -<p>„Wie — Sie besitzen keinen Heller!“ schrie Herr Theobald so mächtig, -daß es draußen auf allen Gängen widerhallte: „<em class="antiqua">Morbleu!</em> — Sie -besitzen keinen Heller!“ Theobald war aufgesprungen und hatte sich vor -ihn hingestellt: „Was ist dies für eine sonderbare Erklärung — mein -Herr von Randow?“</p> - -<p>„Die Erklärung ist sehr einfach und noch dabei sehr wahr;“ sprach -Edmund mit einer Ruhe, deren man ihn nach seiner früheren Stimmung -nicht fähig hätte halten sollen. — Allein freilich die früheren -Bewegungen seines Innern standen weniger mit diesem als mit dem andern -Falle, mit dem Meister Lips, in Verbindung.</p> - -<p>„<em class="antiqua">Enfin!</em>“ rief der Spieler: „Sie zahlen also nicht: Sie tragen -Ihre Schuld nicht ab — mein Herr?“</p> - -<p>„Es ist mir unmöglich — mein Herr.“</p> - -<p>„Wissen Sie auch, mein Herr — daß dies eine Ehrenschuld ist?... daß -Sie auf’s <em class="gesperrt">Wort</em> gespielt haben?“</p> - -<p>„Ich weiß es, ich weiß Alles.“</p> - -<p>„Und dennoch — glauben Sie mir so mit<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> der größten Seelenruhe sagen zu -dürfen, daß Sie nicht zahlen wollen?...“</p> - -<p>„Allein — was soll ich Anderes thun? Sagen Sie es selbst, mein -Herr!...“</p> - -<p>„Dies — <em class="antiqua">mon Dieu</em>!“ versetzte scheußlich lachend Herr Theobald -— der nach Art der Leute seines Metiers unabläßlich mit französischen -Brocken um sich herum warf... „Dies, <em class="antiqua">mon Dieu</em> — ist doch -fürwahr nicht meine Sache... es geht mich nicht im Geringsten an... -<em class="antiqua">Sacre!</em> Was soll ich Ihnen denn noch sonst sagen, als: zahlen -Sie! zahlen Sie — — ich muß auch zahlen! — —“</p> - -<p>Der junge Mensch antwortete nicht — er seufzte nur und rieb sich die -Stirne, die zu zerspringen drohte unter den Gedanken, welche — nicht -Herrn Theobald betrafen.</p> - -<p>„Endlich, mein Herr,“ nahm dieser sich zusammen und blickte ihn wild -und finster an: „Endlich — damit wir zum Schlusse kommen: was ist -Ihre Absicht? Wollen Sie mich als Mann von Ehre, wie es Ihrem Stande -angemessen, befriedigen — oder aber wünschen Sie, daß ich noch in -dieser Stunde zu Ihrem Vater<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> gehe — — und den würdigen General von -Randow veranlasse, das Wort seines Sohnes und dessen Reputation zu -retten?... <em class="antiqua">Morbleu!</em>“</p> - -<p>Der Spieler war richtig berathen. Kaum hatte er den Namen von Edmunds -Vater genannt, als der Jüngling erschrocken vom Lager aufsprang und -im Nu aufrecht stehend sich seinem Gläubiger gegenüber befand: „Um -Gotteswillen, mein Herr!“ rief er mit bebender Zunge: „Thun Sie das -nicht! Machen Sie keinen Schritt aus diesem Zimmer — bevor unsere -Angelegenheit nicht in Ordnung gebracht ist. — — Sie wollen, ich soll -Ihnen 2000 Ducaten bezahlen. — Nun wohl — nun wohl.“</p> - -<p>Er sann einen Augenblick nach — — jetzt hatte sein ganzes Denken sich -um diesen Punkt konzentrirt: „Hören Sie meinen Vorschlag! — Gedulden -Sie sich noch bis morgen — dann sollen Sie Alles bis auf den letzten -Pfennig erhalten...“</p> - -<p>„<em class="antiqua">Tonneur!</em> — —“ versetzte der Spieler schon mit einem viel -heiteren Tone: „das geht nicht, mein Bester! — Das wird nicht -gehen! .... Wie ich es immer auch herumdrehe — wie<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> ich auch immer -kalkulire.... ich brauche das Geld noch heute...“</p> - -<p>„Nun denn —“ bedeutete Jener, dem der Angstschweiß von der Stirne -rann: „dann geben Sie mir mindestens einige Stunden Frist — — z. B. -bis zum Nachmittage...“</p> - -<p>Nach einer Pause rief Theobald aus: „<em class="antiqua">Eh bien donc!</em> — Bis zum -Nachmittage — 3 Uhr will ich warten, <em class="antiqua">mon coeur</em>... bis 3 Uhr -also .... Jedoch länger nicht eine Minute... fürwahr ich kann nicht! -<em class="antiqua">Parole d’honneur</em> — es liegt nicht in meiner Macht.... es ist -unmöglich ... <em class="antiqua">c’est impossible!</em>“</p> - -<p>„Nun denn — um 3 Uhr holen Sie hier das Geld ab.“</p> - -<p>„<em class="antiqua">Bon, bon!</em> — Ich werde hier sein — <em class="antiqua">sans doute</em> — -ich werde erscheinen, <em class="antiqua">mon très cher ami</em>! — Also: — <em class="antiqua">au -revoir</em>!“</p> - -<p>Er reichte ihm die Hand hin — die der Unglückliche ergriff und -drückte, als sei sie die Hand eines Ehrenmannes. Darauf verließ -Monsieur Theobald Wurmholzer das Zimmer. —</p> - -<p>— Kaum war er fort, als schon wieder an der Thür geklopft wurde. -Dieses Klopfen<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> erkannte Edmund — es drang ihm erschütternd durch -Mark und Bein. Sogleich öffnete sich die Thür und herein trat, mit -lächelndem Joko-Gesichte und der trauten Keule in der Hand, Meister -Sophronias Lips, Wechsler, Antiquar, Juwelier, Hühneraugen-Operateur -und Würgengel dieser guten Stadt. Er war ganz so anzuschauen, wie -wir ihn sahen, als uns das unaussprechliche Glück ward, zum ersten -Male mit ihm zusammenzutreffen. Da war wieder der mittelalterliche -Gustav-Adolph’sche Rock, halb Frack und halb Jacke — da waren wieder -die antediluvianischen Beinkleider — da die Wunderstiefeln, der eine -mit Stulpen, der andere ritterlich trichterförmig mit einem Stück -Sporren daran — da war auch der Hut, <em class="antiqua">vulgo</em> Pferdesattel — -da die heidnische Priesterweste — — da endlich — und natürlich im -vollen Glanze, die herrliche Keule, diese Königin unter den Handstützen.</p> - -<p>„Mein Gnädigster — ich habe die Ehre, Ihnen einen vortrefflichen Tag -zu wünschen... ’s ist recht kalt heute, auf Ehrenwort!“ So begrüßte der -Biedermann unseren Freund, der<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> sich bei dessen Eintritt erhoben hatte -und ihm wie einem Manne von Rang entgegen ging... jedoch sprach Edmund -nicht ein Wort. Um so mehr Gelegenheit hatte hierzu Meister Lips und er -schien Lust zu haben, heute von dieser Gelegenheit den ausgedehntesten -Gebrauch zu machen: „Nun, wie geht es Euer Gnaden?“ begann er lächelnd, -mit dem Kopfe nickend und seine holde Keule schwingend: „Wie befinden -Sie sich, mein Gnädiger, he? — Hoffentlich geht es Denenselben recht -wohl — was mich ausnehmend freuen würde, auf Ehrenwort! — Und wie -haben Dieselben geschlafen?... Wahrscheinlich gut!“</p> - -<p>Wie schon gesagt, Edmund war, trotz dieser Zuvorkommenheit und -Cordialität des Meister Lips — an Worten ein Bettler; kaum daß er ihm -alle diese Fragen im Allgemeinen beantwortete; jedoch schien Lips das -nicht zu beachten und fuhr fort, seine Freundlichkeit zu verdoppeln, -zu verdreifachen... so daß es eine wahre Lust war, diesen, an sich so -cynischen Philosophen, jetzt eine Fluth der galantesten Redensarten -ausströmen zu hören.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span></p> - -<p>Im Ganzen fand eine merkwürdige Aehnlichkeit zwischen Lipsens -gegenwärtigem Betragen und demjenigen statt, welches Herr Theobald -Wurmholzer bei seinem Eintritt in diese Stube angenommen hatte. Die -Sache ist sehr einfach. Sie wiederholt sich bei jedem Gläubiger. Wenn -Euch ein solcher besucht, ist er die Artigkeit und Liebenswürdigkeit -selber — — kaum aber habt Ihr mit ihm einige Worte gesprochen, so -wirft er rasch die Maske ab — — er will von Euch Geld haben und keine -Worte — er wird ernst — grob — unverschämt — so zwar, daß Ihr, -die Ihr anfangs die zärtlichsten Freunde zu sein schienet — als die -bittersten Gegner, als Feinde auf Tod und Leben von einander scheidet. -— — — — Eine merkwürdige psychologische Erscheinung; jedoch sehr -bewährt, sehr bewährt!</p> - -<p>Doch folgen wir ruhig dem Gange des Gespräches unserer zwei Männer und -sehen wir zu, wie sich dasselbe nach und nach entwickeln wird.</p> - -<p>„Allein — mein theuerster, mein verehrtester, mein süßester Gnädiger -— — Sie haben mir ja noch gar nicht gesagt, wie Sie so eigentlich -sich fühlen; und doch wissen Sie, welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> namenlos gewaltigen Antheil -ich an Dero Wohlbefinden nehme — — Auf Ehrenwort! ich würde lieber -mir selbst meine rechte Hand abhauen — — als daß ich Sie nur den -allerleisesten Schaden nehmen sähe. Auf Ehrenwort!“</p> - -<p>„Ich danke, Herr Lips, ich danke!“ antwortete der Jüngling und setzte -sich neben den Alten, welcher auf dem Sopha Platz genommen...: „Ich -glaube Ihnen schon gesagt zu haben, daß es mit meiner Gesundheit -leidlich steht — bis auf eine kleine Erregung noch von gestern -her.....“</p> - -<p>„Ei, ei — Sie müssen sich schonen, Gnädigster! Wirklich, das müssen -Sie.... So eben bemerke ich, daß Ihr theures Angesicht wirklich Spuren -trägt von — von — — nun gleichviel wovon.... Doch, mit einem -Worte, Sie müssen sich schonen. O wie schade wäre es um einen so -ausgezeichneten Kavalier!“</p> - -<p>„Sie sind sehr gütig, mein Herr....“</p> - -<p>„Es ist mein heiligster Ernst, auf Ehrenwort! — Allein weshalb nennen -Euer Gnaden — mich heute stets „mein Herr“ und „Sie“ und so fort?.... -Womit habe ich es verdient,<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span> daß das trauliche, das ehrende <em class="gesperrt">Du</em>, -womit Sie zu anderer Zeit mich anredeten und was meinem treuen Herzen -so wohl that — daß es, sage ich, heute plötzlich verschwunden ist?....“</p> - -<p>Hierauf erwiderte Edmund nichts. Sein Blick, der starr vor sich hin -gerichtet war, verdüsterte sich immer mehr; denn diese sarkastische -Freundlichkeit des alten Schurken erschreckte ihn mit Recht im -Innersten der Seele...</p> - -<p>„Und wozu,“ fuhr dieser fort, — „sind hier die Fenster geöffnet, -gnädiger Herr? — Dies kann für eine so zarte und edle Constitution, -wie die Ihre, sehr nachtheilig werden. — Und als treuer Freund oder -vielmehr Diener halte ich es für meine Pflicht, dieses große Unglück -nach Möglichkeit zu verhüten.... weshalb ich mir auch die Freiheit -nehme, Ihre Fenster ein wenig zu schließen.... oder aber mich selbst -vor sie hinzustellen, um auf solche Weise mit meinem eigenen Leibe Sie -zu schützen...... Auf Ehrenwort!“ Wirklich ging er hin und that, wie -er sagte; er verschloß die Fenster — und da eines derselben vom Winde -in der Nacht zerschlagen<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> worden war, stellte er sich da gleich einer -Schildwache auf....</p> - -<p>„Allein,“ fuhr er fort und balancirte seine Keule auf dem Nagel des -kleinen Fingers — „allein,“ sagte er und jetzt ließ er dieses ungefähr -20 Pfund schwere Instrument wieder herabgleiten und begann dasselbe in -einem Kreise herumzuschwingen, gerade so als wäre es eine Reitgerte -— —: „ich sehe, daß meine Reden Ihnen Langeweile verursachen — -Hochgebietender .... und so will ich Sie denn nicht länger mit -ähnlichen belästigen, sondern mich augenblicklich hinwegzaubern — -sobald ich nur erst noch zwei unumgänglich nothwendige Wörtchen mit -Höchstdenselben gesprochen haben werde. Also: wie steht es mit unserer -Angelegenheit, Durchlaucht? Haben Allerhöchstdieselben jene lumpichten -6000 Holländerchen schon in Bereitschaft gelegt?... und wo sind die -allerliebsten Dingerchen — damit ich sie berge in meinen väterlichen -Schooß?“</p> - -<p>Hier nun wieder ging an dem Jünglinge eine Veränderung vor, welche mit -der vorigen in Gegenwart Theobalds, und zwar aus derselben<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span> Ursache -entsprungen, eine große Aehnlichkeit hatte... Edmund erhob sich kalt -und ruhig, sein Auge richtete sich fest auf seinen Gegner und sein -ganzes Wesen schien plötzlich jener wunderbaren Fassung theilhaftig -geworden zu sein, welche uns stets vom Muthe — nicht selten aber -auch von der Verzweiflung verliehen wird. „Herr Lips,“ begann Edmund -mit Würde: „wozu sollen wir diese Sachen in die Länge oder gar in’s -Scherzhafte ziehen. Reden wir ernst und kurz mit einander — denn bei -Gott! mir ist es sehr ernst um die ganze Angelegenheit. Sie, vermöge -Ihres Scharfblickes und Ihrer Menschenkenntniß (Eigenschaften, die -Ihnen selbst Ihr Feind zugestehen muß) —“</p> - -<p>Signor Lips verbeugte sich und salutirte mit seiner Keule wie ein -Offizier mit seinem Degen —</p> - -<p>„Sie können sich unmöglich auch nur einen Augenblick lang über die -Lage, worin Sie mich jetzt finden, täuschen. Sie wissen recht gut — -daß ich ärmer bin als ein Bettler — zahlungsunfähiger als ein Kind -— daß ich indessen auch den redlichsten und eifrigsten Willen habe, -Alles<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> zu thun, was in meiner Macht steht, — und sollte es auch mit -Aufopferung meines halben Lebens geschehen...“</p> - -<p>Die plötzliche Metamorphose im Wesen des Jünglings hatte auch eine in -dem des Greises hervorgerufen, welche zwar ebenfalls ernst und finster -erschien, dabei jedoch einen Strahl von tiefer Ironie nur um so greller -durchblicken ließ, je mehr dieser unterdrückt werden sollte...</p> - -<p>„Das ist — wie mich dünkt — das alte Lied!“ hatte Lips mit tiefer -Stimme gesprochen .... „Dieses alte Lied jedoch behagt mir in diesem -Augenblick so wenig, daß ich, sollte ich es noch einmal hören müssen, -lieber entschlossen bin, die Zither sowohl wie den Zitherschläger in -tausend Stücken zu zertrümmern..... Ist das Deutsch gesprochen...?“</p> - -<p>Edmunds Lippe zitterte ohnmächtig und wortlos — sein Athmen, sein -Seufzen, wodurch seine Brust bewegt wurde, glich dem Stöhnen eines -Kranken... er fühlte sich hinsinken und mußte sein Haupt auf die Lehne -des Sopha’s legen — —. Da begann Lips wieder im strengen Tone:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span></p> - -<p>„Sie wissen, wie die Sachen stehen — mein Bester. Ich habe nicht -nöthig, sie Ihnen weitläuftig wiederzukäuen. — — Sie sind erstens -zwei Wechsel, jeden à 1500 Dukaten mir zu bezahlen schuldig — macht: -3000 <em class="antiqua">netto</em>. — Sodann besitze ich von Ihnen einen dritten -Wechsel à 1000 Dukaten — trassirt auf Ihren Herrn Schwager, den -hochgebornen und insbesondere hochzuverehrenden Herrn Grafen Alexander -von A—x, und angeblich acceptirt von Hochdemselben — — was sich -jedoch später als eine Lüge, d. h. eine Namensfälschung — d. h. ein -Criminalverbrechen zweiter Klasse erwies, denn nicht der hochgeborne -Herr Graf hat seinen Namen geschrieben — sondern Sie machten diesen -allerliebsten Streich selber... hehehe!.... — — Maßen ich jedoch -in meiner Brust kein Felsenherz — sondern ein so weiches wie -Schwanenflaum trage — auf Ehrenwort! — habe ich mich vor einigen -Tagen in dieser Angelegenheit mit Ihnen dahin geeinigt, daß Sie mir -anstatt der auf dem falschen Wechsel notirten 1000 Dukaten — 2000 -ausbezahlen sollten... was ein wahrhaft christlicher Handel ist..... Da -haben<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span> Sie die ganze Sachlage, da den ganzen Casus, wie wir Philosophen -sagen.... Auf Ehrenwort!“</p> - -<p>Statt aller Antwort schüttelte der unglückliche junge Mensch wie -sinnlos das Haupt — — und schlug sodann ein kurzes heiseres Gelächter -auf. —</p> - -<p>„Was — Sie lachen noch, mein Bester? — — Mir aber, das versichere -ich Ihnen — ist es in diesem Augenblicke gar nicht zum Lachen .... und -gleichwohl dürfte dazu an mir die Reihe noch eher sein, als an Ihnen. -Dies wollte ich blos so nebenbei bemerkt haben. Und jetzt noch einmal -deutsch gesprochen: Ich bitte mir höflichst 6000 Dukaten aus!“</p> - -<p>„Ich besitze nicht 6000 Heller —“</p> - -<p>„Nun wohl, noch deutscher: Sie haben einen reichen Papa — — Papa wird -das Sümmchen bezahlen —“</p> - -<p>„Herr Lips, mein Vater bezahlt für mich nichts. Sie wissen es sehr gut.“</p> - -<p>„Dann wird Mama es thun....“ fuhr der Wucherer fort und schwang seine -Keule....</p> - -<p>„Meine Mutter kann es ebenfalls nicht, da<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> die Kasse sich nicht in -ihren Händen befindet....“</p> - -<p>„Ferner haben Sie eine geliebte und liebende Schwester, mein Freund....“</p> - -<p>„Auch Cölestine ist nicht im Stande, mir zu helfen....“</p> - -<p>„... Zuletzt bleibt uns noch immer der Herr Graf von A—x, auf welchen -ja auch dies Haupt-Papierchen ausgestellt ist....“</p> - -<p>„O — um aller Seligkeit willen.... mein Herr!“ schrie Edmund auf: -„bringen Sie mich nicht zum Wahnsinn! — — Das Alles, was Sie da -vorgeschlagen haben — hilft zu Nichts. — Allein, Sie reden immer -von 6000 Dukaten .... mein Herr! Habe ich Ihnen denn nicht vor ein -paar Tagen einen <em class="gesperrt">Schmuck</em> im Werthe von fast eben so viel -überliefert.... weil Sie mir schon damals mit der Geltendmachung des -unglückseligen falschen Papiers — zu dessen Anfertigung ich mich in -halber Trunkenheit verleiten ließ — drohten.... Und diesen Schmuck -rechnen Sie für nichts....“</p> - -<p>„Ei bewahre!“ versetzte Lips: „wie sollt’ ich das? Halten Sie mich nur -nicht für einen so<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> unbilligen, gefühllosen Menschen! — Diesen Schmuck -im Werthe von fast 5000 Dukaten gaben Sie mir (Sie müssen sich dessen -noch erinnern,) als blose Abschlagzahlung, weil ich damals von Ihnen -neben diesen dreien annoch im Besitze von zwei älteren Papierchen war -— wir haben die ersteren vernichtet und ich habe mit dem verfänglichen -bösen Rechte gezögert bis zum heutigen Tage, wo Sie mir das Ganze -bezahlen (will sagen diese 3 vorliegenden Wechselchen honoriren) sollen -— oder aber Alles steht wie zuvor. Ist das klar gesprochen?“</p> - -<p>Nach einigem qualvollen Grübeln versetzte Edmund: „Hören Sie mich, -mein Herr! Um was ist es Ihnen zu thun? — Um Bezahlung, nicht wahr? -— — Nun denn: warten Sie noch einige Tage.... mittlerweile werde ich -Gelegenheit haben, mit meiner Schwester — vielleicht auch mit meinem -Vater zu reden. Denn so geradezu kann ich mit einer solchen Forderung -nicht vor sie hintreten. Der Letztere würde es mir kurzweg abschlagen -— ja, erführe er den vollen Thatbestand — so wäre es mit mir für -immer aus; meine Schwester aber müßte, angenommen,<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> daß sie Etwas thun -könnte — die Summe jedenfalls erst zu borgen suchen.... denn sie kann -über ihr Vermögen bis jetzt noch nicht verfügen... Geben Sie mir also -5–6 Tage! Herr Lips — —“</p> - -<p>„Fünf bis sechs Tage!“ schrie dieser: „Wo denken Sie hin, das ist -unmöglich! Bis dahin gehe ich ohne das Geld zu Grunde!... Fünf bis -sechs Tage! — Um Gotteswillen machen Sie mich nicht unglücklich!“</p> - -<p>„Aber — mein Herr — es ist — —“</p> - -<p>„Wissen Sie was? damit Sie immer mehr meine rührend gefühlvolle Seele -kennen lernen sollen.... einen halben Tag will ich Ihnen noch gewähren! -— Aber länger ist es mir nicht möglich — auf Ehrenwort!...“</p> - -<p>„Das hilft zu nichts! das ist umsonst!“ versetzte Edmund dumpf und -faßte sein Haupt zwischen beide Hände, um zu verhindern, daß es -zerspringe.</p> - -<p>„Nun denn — noch einen halben Tag dazu! — Aber auf Ehrenwort!.... -das ist Alles, zu was ich mich als Christ — ja und wäre ich selbst -Herrnhuther, herbeilassen kann!“ Er schwang<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> seine Keule fürchterlich -im Kreise, daß sie in der Luft saus’te, wie ein großes Mühlrad. —</p> - -<p>„Erbarmen Sie sich meiner! — Sie sehen — ich gehe zu Grunde! Was soll -ich in 24 Stunden ausrichten?.... Sind sie vorüber — so stehen wir -gewiß noch auf dem alten Fleck, weh mir!“</p> - -<p>„Weh <em class="gesperrt">mir</em>! <em class="gesperrt">mir</em>! ich habe das Recht, dies auszurufen,“ -schrie Lips wild — und arbeitete mit der Keule umher, wie -Herkules, als er gegen den Nemäischen Löwen auszog.... „Nun denn -— Donnerwetter!“ brüllte der Wucherer und schlug mit ihr jetzt so -gewaltig auf den Boden, daß in den Dielen ein Loch entstand: „so gebe -ich Ihnen denn eine Frist von 48 Stunden — mein Mann! Aber,“ setzte -er drohend wie ein Caraibe hinzu und rollte gräßlich die Augen: „sind -diese verstrichen und ich habe mein Geld nicht.... dann, mein Mann -— lasse ich Sie durch zwei handfeste Polizeisoldaten holen — und -Ihnen kurzweg den Prozeß machen wegen Wechselfälschung, Betrügerei, -Erpressung — und noch einiger andern Nebenumstände... so wahr ich -Sophronias Lips heiße und eben sowohl<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> der Freund der Guten wie der -Schrecken der Bösen bin.... Hier haben Sie mein siebenfaches Ehrenwort -darauf! — — Wohlan denn: auf Wiedersehen!“ brüllte er wie ein Orkan.</p> - -<p>Jetzt stürzte er fort — man hörte draußen nur noch einige -Keulenschläge, die er im Zorne gegen das Pflaster des Ganges machte....</p> - -<p>„Auf Wiedersehen!“ dies sonst so freundliche Wort hätte kein Teufel -fürchterlicher aussprechen können, als es Meister Lips gethan; es klang -ganz so als hätte er gerufen: „Auf Wiederwürgen!“</p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Die anberaumte Frist war verstrichen.</p> - -<p>Edmund, der nicht vermochte, die 6000 Dukaten aufzutreiben — war -verschwunden. Niemand wußte, wohin er kam; doch meldete einige Tage -darauf ein Brief, der seinen Eltern von Prag aus zugesendet wurde, -daß er in einer Ehrensache gezwungen gewesen sei, an die Grenze des -Kaiserstaates zu flüchten — von wo er ihnen jedoch bald weitere -Nachrichten werde zufließen lassen....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span></p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Ach, welch ein Schlag traf die armen Eltern! Kaum hatten sie den -Brief Edmunds gelesen, als sie von fremder Seite eine ganz andere -Kunde empfingen. — <em class="gesperrt">Ihr Sohn war der Wechselfälschung und anderer -Verbrechen angeklagt.</em></p> - -<p>Lips war der Kläger.</p> - -<p>Leuben hatte ihn dazu bewogen, indem er ihm die volle Summe von 8000 -Dukaten zu bezahlen versprach und im Augenblick der Denunciation auch -sogleich 6000 bezahlte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Drittes_Kapitel"><b>Drittes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Der Schmerz der Gatten.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">W</span>ir müssen uns bei unserer Erzählung nun um einige Tage in der -Geschichte zurückversetzen. Es handelt sich darum, wieder zu Cölestinen -und ihrem Gatten zurückzukehren, und sie in dem Augenblick und an -jenem Orte aufzusuchen, wo wir beide zuletzt verließen. — Wir wissen, -wie jene furchtbare Scene geendet, in welcher Alexander einen so -unzweifelhaften Beweis für die Untreue seines jungen Weibes erhalten -zu haben glaubte — wir wissen, daß er damals mit zertretenem Herzen -und vernichtetem Sinne auf sein Zimmer floh und sich in das Dunkel -desselben barg, wo ihm wohler ward, denn die äußere Lichtlosigkeit des -Ortes harmonirte mit der dumpfen Finsterniß seiner Brust.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span></p> - -<p>Dies ist Alles, was wir von der Begebenheit wissen; hier schnitten wir -uns den ferneren Pfad ab — hier eröffnen wir uns denselben wieder und -wandeln darauf fort. —</p> - -<p>Es ist von uns schon in irgend einem andern Buche gesagt worden — -daß es Keiner versuchen möge, die Qualen eines unglücklich Liebenden -zu beschreiben; denn für diesen Schmerz haben wir keine Worte, für -dies Unglück keine Farben.... Dieser Schmerz ist unbedingt der größte, -der tiefste und der zerstörendste, von dem ein Menschenherz getroffen -werden kann. — Was sind alle Wunden, alle Qualen, jedes Siechthum des -Körpers... was sind alle Leiden des Geistes und Herzens: Armuth, Noth, -Verbannung, Demüthigung, Verläumdung, verfehltes Streben, verletzter -Ehrgeiz, Verrath des Freundes — Undank des Kindes — — und wie sie -alle heißen mögen, die zahllosen Köpfe der Hydra, welche am Herzen der -Edelsten genagt haben — — was sind sie alle gegen die Hyänenbisse -der Eifersucht, gegen die Harpyien-Wuth betrogener, verrathener Liebe. -— — Jedes Leiden, mag es auch noch so groß sein, hat dennoch seine -be<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span>stimmte Begrenzung — über diesen Umkreis hinaus fängt wieder die -Welt für uns an mit ihren, wenn auch noch so wenigen, Freuden.... Nur -Liebe, Liebe, zertretene Liebe kennt außer sich keine Empfindung.... -denn sie ist so ungeheuer, daß sie den ganzen Raum unseres Daseins -einnimmt — unsern ganzen Horizont erfüllt. — Wir haben außer ihr -keine Welt — keinen Himmel und keine Erde; — und weil <em class="gesperrt">sie</em> -denn so ganz und gar <em class="gesperrt">Hölle</em> ist, so leben wir in dieser auch vom -Scheitel bis zur Sohle....</p> - -<p>Fürwahr, wenn Einer es verdient, daß wir ihm eine Zähre des Mitleids -weihen, so ist es der unglücklich Liebende.... er, der in seinem -größten Schmerze selbst nicht weinen kann.</p> - -<p>Da kommen sie dann, die Tage — in denen er sich flüchtet in den Schooß -der Wüsten und Einöden — in Höhlen — Klüfte und Abgründe und auf -die Gipfel riesiger Berge — hin, wo die wilden Thiere, der Wolf und -der Steinadler hausen.... bei denen, wie er glaubt, er mehr Liebe und -Treue finden wird, wie unter Menschen.... denn das ist nebenbei auch -sein Fluch, daß er, betrogen von <em class="gesperrt">einem</em> Weibe, sie<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> alle, ja die -ganze Menschheit für Heuchler und Verräther hält.... Da kommen sie -dann, die Nächte, in denen allein er wagt zurückzukehren zur Stadt, wo -ihn jetzt keine Menschenblicke vergiften — und keine Menschenworte -verrathen können.... aber er kommt nicht hierher, um zur gewohnten -Lebensweise zurückzukehren — um sein Haus zu betreten oder gar seine -Lagerstätte aufzusuchen.... nein, er kam nur, weil ihn unbewußt der -Magnet zurückgezogen hat — der ihn zwingt, bei <em class="gesperrt">ihrem</em> Hause -vorbei zu gehen, wenn sie vielleicht längst schläft — — sich -ihrem Fenster gegenüber in irgend einen Winkel zu bergen und es -anzustarren — mit der Qual eines Verdammten es anzustarren — hinter -dessen herabgelassenen Gardinen sie den süßen Schlaf der Glücklichen -schläft.... Aber es dauert nicht lange — so reißt es ihn empor und -treibt mit wilder Gewalt ihn von hier weg — weit, weit weg — peitscht -mit Wuth seine Füße, daß sie rennen — rasen möchten bis an’s Ende -der Welt ...... Jedoch nicht lange verträgt die elende Kreatur diesen -Kampf... sie sinkt nieder — und wenig fehlt, so würde sie ihren Geist -aus<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span>hauchen... dessen Leben jedoch aufgespart wird zu neuen Qualen....</p> - -<p>So war es auch mit Alexander... so litt und kämpfte auch er. —</p> - -<p>Zwei Tage lang blieb er eingeschlossen in seinem Zimmer, ließ -Niemand vor sich, selbst seine treuesten Diener nicht; was er an -Lebensbedürfnissen für seine körperliche Hälfte brauchte — ließ er -sich wie ein Gefangener durch die Thür reichen. — Da erzählten sich -die Diener wunderliche Sagen von ihrem Herrn und was mit demselben -vorgegangen sei — so wie von dessen Aussehen. Ein in geheimnißvollen -Dingen erfahrner alter Lakai (er hatte früher bei einem englischen -Lord gedient, der viel mit Magnetismus, Sterndeuterei und „andern -schwarzen Künsten“ sich abgegeben) meinte: des gnädigen Herrn -bleiche Miene und sein übernatürlich glänzender Blick — sodann -die sonderbar eingesunkenen Wangen deuteten bestimmt — auf einen -Verkehr mit überirdischen Mächten hin, welcher in dem verschlossenen -Studierzimmer, wo all’ die großen Bücher und die wunderbaren Werkzeuge -(Kunstrequisiten) lagen — stattfände......<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> Wozu ein anderer alter -Diener mit einer rothen großen Nase, worauf viele kleine blaue -Karbunkel, bemerkte: deshalb höre man zu Zeiten, besonders des Nachts, -auch ein so heftiges Gehen und ein so wirres Hin- und Herreden... -solche außerordentlichen Rufe, und was dergleichen mehr ist. — Dieser -alte Freund hatte — wenn er betrunken war, schon so manchen Geist -gesehen...</p> - -<p>Am meisten bestärkte der Umstand die Dienerschaft in ihrem Glauben, daß -ihr Gebieter — sich standhaft weigerte, seine Frau vor sich kommen zu -lassen, trotzdem, daß sie Tag und Nacht darum flehte....</p> - -<p>In der That hatte Alexander allen Versuchen, die sie machte, um -zu ihm zu gelangen, widerstanden. Ihre Bitten, ihre Klagen, ihr -verzweiflungsvolles Flehen verhallte vor der Thür und wurde nur von den -todten Wänden, nicht von ihm, vernommen....</p> - -<p>Am Morgen nach jener verhängnißvollen Nacht, wo er sie mit dem fremden -Manne ertappt, hatte sie vergebens gewartet, ihn bei sich in ihrem -Schlafzimmer, in ihrem Boudoir oder im Gemache, wo sie gewöhnlich -zusammen<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> frühstückten, eintreten zu sehen.... sie hatte nach ihm -geschickt, und als man ihr die Nachricht brachte, er sei noch in -seinem Studierzimmer eingeschlossen — — begab sie sich selbst auf -den Weg dahin, um ihn, wie sie glaubte, aus allzuemsiger Arbeit -hervorzuziehen.... Sie gelangte zur Thür: wie erstaunte sie, dieselbe -geschlossen zu finden; jetzt rief sie ihm — jetzt bat sie ihn, sie -bei sich einzulassen.... da wuchs ihr Staunen, denn er antwortete -nicht. — Nun glaubte sie, er sei nicht mehr hier, und schon wollte -sie den Rückweg antreten — — da hörte sie ihn drinnen einen schweren -Seufzer ausstoßen.... und voll Entsetzen schrie sie auf: „Um Gott! — -Alexander, was ist Dir geschehen? — — Hörst Du mich denn nicht?...“ -Und weil er noch immer nicht antwortete, so rief sie Diener herbei und -gebot ihnen, die Thür mit Gewalt zu öffnen, wähnend, eine Ohnmacht, -irgend eine schreckliche Krankheit habe ihren Gatten überfallen....</p> - -<p>In diesem Augenblick ertönte drinnen seine Stimme finster und -gebietend: „Mir ist nichts widerfahren! — Wage es Niemand, in meine<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> -Nähe zu kommen. Ich werde die übrigen Befehle geben!“ —</p> - -<p>Von dieser Stunde an — sehen wir das junge Weib fast den ganzen -Tag über und tief in die Nacht hinein sich stundenlang vor der Thür -aufhalten und mit ihren stummen und lauten Bitten, mit ihren Thränen -und Seufzern die Luft erfüllen.... Doch, wie schon gesagt, er, der -Unglückliche drinnen hört sie nicht.... ihn umschließt die glühende -eiserne Mauer seines Schmerzes mit den scharfen Zacken der Schande -umgeben... dieser Wall ist undurchdringlich. —</p> - -<p>Endlich nach vielem Sinnen hatte Cölestine ein Mittel erdacht. In -einer Stunde — es war zur tiefen Nachtzeit — nahte sie sich, wie sie -so oft gethan, still auf den Fußspitzen dem Zimmer ihres Mannes. Vor -der Thür angelangt, horchte sie lange — sie vernahm außer dem Picken -einer Pendule, die darinnen stand, nichts — als die tiefen und starken -Athemzüge eines in tiefen Schlummer Versunkenen. Es war Alexander. -Behende holte sie aus ihrem Busen einen Schlüssel hervor, welchen sie -in’s Geheim hatte verfertigen lassen — und steckte ihn behutsam<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> in’s -Schlüsselloch.... Welches Glück! Er paßte vollkommen — er drehte sich -ohne Geräusch im Schlosse herum... nach zwei Augenblicken war die Thür -geöffnet....</p> - -<p>Cölestine stand im Gemache ihres Mannes. Sie schloß sogleich hinter -sich zu, damit nicht ein Windzug die Thür bewege oder von draußen -irgend ein Geräusch hereinschalle. — Auf dem Tische brannte im düstern -Lichte die Lampe und beleuchtete die Gestalt Alexanders, welcher -angezogen auf einem Ruhebette hingestreckt schlief — und dessen -gramgebleichtes Antlitz — worin zwei Tage die Leiden eines halben -Lebens eingezeichnet hatten — auf die Brust herabgesunken, ihm das -Ansehen eines Mannes gab, der in der Kraft seiner Jahre dahinwelkt — -— eine Eiche, getroffen vom scharfen Beil.</p> - -<p>Namenloser Schmerz schien die Seele Cölestinens zu durchziehen, als sie -das sah — und da sie diesem Schmerz keinen Laut geben durfte, war es -ihr, als ob ihre Brust mitten entzwei reißen sollte...</p> - -<p>Da schien der Schlafende sich zu bewegen — er wandte sein Haupt nach -der Seite und sodann<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span> nickte er mit demselben wie zur Bejahung, wobei -seine Lippen murmelten:</p> - -<p>„Ja, ja, gewiß, sie hat mich betrogen!“</p> - -<p>Diese Worte schnitten Cölestinen durch die Seele — sie vermochte -sich nicht mehr zu bemeistern — alle Besinnung, alle Kraft hatte sie -verlassen — und mit dem lauten Ausrufe, dessen Ton jammervoll klang —:</p> - -<p>„Nein! Gewiß, sie hat Dich nicht betrogen!“ stürzte sie vor ihn auf die -Steine hin.... ohne nur zu wissen, was sie that.</p> - -<p>Alexander erwachte: „Wer ist da?!“ rief er wild auf — und blickte um -sich...</p> - -<p>„Ich, ich — Dein unglückliches Weib, bin es! Cölestine, die elendeste -der Frauen, kniet hier vor Dir — sinkt an Deinem Lager nieder, wo sie -gerne sterben und mit ihrem Tode es bezeugen möchte — wie sehr Du sie -verkannt....“</p> - -<p>Mehr vermochte sie, ungeachtet aller Anstrengung, nicht zu sprechen; — -ihre Lippe schien erlahmt, ihre Zunge dürr wie getrocknetes Laub.....</p> - -<p>Er sah sie von seinem Lager mit seinen glühend düstern Augen, welche -in ihren tiefen<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> Höhlen unbeweglich starrten, an — er sah sie lange, -lange, stumm und regungslos an — nach und nach nahm seine leidenvolle -Miene den Ausdruck des Staunens — der Verwunderung an — — ein kaum -merkliches und auch sehr trauriges Lächeln zog sich um seinen Mund, aus -welchem mit tiefem und leisem Tone die Worte kamen:</p> - -<p>„Sie sind es? — Aber was wollen <em class="gesperrt">Sie</em> hier?“</p> - -<p>Er betonte das Wort „Sie“....</p> - -<p>„Oh, mein Gatte!“ dieser Ruf rang sich unter Schluchzen und schwerem -Athmen aus ihrer Brust endlich los.... „Oh, mein Gatte!“ wiederholte -sie, indem sie zitternd die Hände emporstreckte. — —</p> - -<p>Jetzt richtete er sich auf — und verließ rasch sein Lager — trat bis -zur Mitte des Gemaches und sagte hier halbabgewendet — dumpf:</p> - -<p>„Verlassen Sie mich — Gräfin!“</p> - -<p>Sodann ging er zu einem Lehnstuhle und ließ sich hier nieder —</p> - -<p>„Oh, mein Gott! Mein Schöpfer!“ rief Cölestine mit herzzerreißender -Stimme... rang<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> die Hände — und bedeckte mit ihnen ihr von Thränen -überfluthendes Gesicht, dessen Muskeln sich convulsivisch zu jenem -entsetzlichen Schmerzensausdrucke bewegten — welcher mit dem Lachen so -viele Aehnlichkeit hat und den höchsten Grad innerer Leiden andeutet....</p> - -<p>Eine Pause entstand.</p> - -<p>Cölestine lag noch immer vor dem Ruhebette auf den Knieen, denn sie -hatte nicht die Kraft, den Platz zu verlassen. Er sah sie mit keinem -Blicke an, sondern starrte düster grollend vor sich hin — auf die -Wand, an welcher ein Bild hing, den Abschied Ulysses von seinem Weibe -vorstellend.... Ein bitteres Lächeln malte sich auf seinem Gesichte, -doch blieb er stumm, ließ keinen Laut seinem Munde entschweben....</p> - -<p>Jetzt wurden die Klagetöne der jungen Frau zum wilden Geschrei: -„Weh mir Armen!“ rief sie: „Was habe ich verbrochen, daß mich dies -entsetzliche Schicksal trifft?! — Womit habe ich den Himmel beleidigt -— daß er so grausam mich straft — dieses namenlose, unmenschliche -Leiden auf mich herabsendet?... Weh! — Ich vermag es nicht länger -zu tragen... mein Leben droht<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> auszulöschen. — O du mein Schöpfer, -welches soll denn meine Schuld sein? Rede, rede, Vater im Himmel! Was -ist denn mein Verbrechen?... Etwa, daß ich diesen Mann, den du mir -zum Gatten gabst, liebte — mehr liebte als mich — als Vater und -Mutter — mehr vielleicht selbst als dich!? — — — — Ja, ja,“ fuhr -sie fort, zusammensinkend auf den Boden — und sich mit der Hand am -Rande des Ruhebettes haltend — „ja,“ sagte sie mit gedämpfterem Tone: -„dies ist vielleicht ein Verbrechen — aber es ist mein einziges, mein -ganzes..... doch ist es ein Verbrechen an dir, o Herr des Himmels, — -— und darum, darum strafst du mich — es ist klar!“</p> - -<p>„Aber,“ fuhr sie plötzlich empor und wieder schienen alle Lebensgeister -ihr Herz zu erfüllen, mit neuer Kraft ihr Wesen stählend: „warum denn -pflanztest du diese rasende, diese wahnsinnige Liebe in mich — — wenn -sie eine verbrecherische ist?? — — Bin ich,“ schrie sie gewaltig auf: -„jetzt noch immer schuldig?! Redet, verkündet mir es — — ihr Himmel!“</p> - -<p>„Ach — —“ sagte sie nach einer Weile,<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> traurig das Haupt senkend -und wieder ganz zusammenfallend: „Ihr seid und bleibt stumm... ihr -habt keine Sprache für den Unglücklichen... ihr redet nur mit den -Glücklichen....“ Da riß sie sich heftig vom Orte weg — auf den Knieen -schleppte sie sich in rasender Eile vor ihren Gatten hin — zu dessen -Füßen sie mit dem Rufe:</p> - -<p>„So nenne Du, mein Gatte, mir das Wort, welches mich verdammt! So -antworte Du, Mann, den ich so liebte, auf meine Frage? —“</p> - -<p>Alexander jedoch bewegte sich nicht — er blieb düster, kalt und stumm -wie eine Bildsäule; erst nach einer Pause schien einiges Leben in ihn -zu kommen, aber nur, um den Arm auszustrecken, um mit ihm gegen die -Thüre zu weisen, so als sollte das heißen: „Fort, fort — fort von -mir.... ich habe mit Dir nichts weiter zu schaffen....“</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="fig2" name="fig2"> - <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig2.jpg" - alt="Zu S. 70" /></a> -</div> - -<p>„Aber,“ rief sie mit erstickter Stimme und umschlang seine Kniee, -„man hört ja den Mörder, den Todtschläger, bevor man ihn verurtheilt -und richtet... ja man redet sogar zu den unvernünftigen Thieren, zum -Hunde, zu einem<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span> Pferde, indem man es züchtiget.... Nur mir, mir -gegenüber ist Alles stumm, wie das Grab — welches sein Opfer auch -verschlingt, ohne ihm davon etwas zu sagen... O, Alexander! nimm mein -Leben hin! tödte mich sogleich — — aber früher sage mir, weshalb Du -mich verstoßen hast... denn es muß das verabscheuungswürdigste Laster -sein...!“</p> - -<p>Hier öffnete sich sogleich der Mund dieses zu Eis erstarrten Mannes: -„Ja — — es ist das verabscheuungswürdigste der Laster! Du hast es -selber ausgesprochen — heuchlerisches Weib! Untreue, Verrath der -ehelichen Liebe — — es gibt kein entsetzlicheres Verbrechen, dessen -die Menschenbrust fähig wäre!“</p> - -<p>„O ewige Vorsicht! — ich habe es geahnt. — So hat mein Fürchten mich -nicht getäuscht! ... das, wovon ich am weitesten entfernt bin, wird mir -aufgebürdet. — Herr meines Lebens! nimm mich zu dir! Denn, schuldlos, -wie ich bin, vermag ich unter so furchtbarer Anklage nicht länger zu -athmen!...“</p> - -<p>Nach diesen Worten, welche die Arme mit matter, kaum hörbarer -Stimme aussprach — —<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> fiel sie auf den Boden hin und verlor alles -Bewußtsein....</p> - -<p>Sie lag bleich und athemlos da wie eine Leiche.</p> - -<p>Er aber stand auf, nahm sie auf seine Arme und trug sie hinweg aus -diesem Gemache in eines der ihrigen, sodann rief er Cölestinens -Dienerinnen herbei, denen er die Ohnmächtige übergab. Als dieses -geschehen war, verfügte er sich wieder in sein Zimmer, verschloß -diesmal die Thür mit mehreren Schlössern, rückte zum Ueberfluß noch -einen Schrank vor dieselbe und so gesichert vor jedem ferneren -Besuch, abgeschnitten von der ganzen Welt, überließ er sich jetzt den -finstersten seiner Gedanken.</p> - -<p>„Ja, ja,“ sprach er zu sich: „trotz dieses Wehgeschreies und dieser -Verzweiflung — trotz dieser dreisten und geläufigen Berufung auf -ihren Schöpfer — trotz aller erschütternden Liebesrufe und rührenden -Betheuerungen der Unschuld .... ist sie dennoch eine Verrätherin. — -Und eben deshalb eine um so größere! — — — Hab’ ich sie doch mit -diesen meinen eigenen Augen auf frischer That ertappt — — wär’ mir<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> -daran gelegen gewesen — so hätte ich mit zwei Schritten am Schauplatze -des Verbrechens sein und es mit Händen greifen können..... Und -dennoch, dennoch dieser Schmerz, diese Thränen, diese Schwüre, diese -Verzweiflung — diese Anrufung Gottes.... O, sie ist die abgefeimteste -Heuchlerin, die je von der Erde getragen wurde! Aus ihr könnte man -tausend Verrätherinnen und Giftmischerinnen und Mörderinnen machen..... -Lass’t ihr Blut auf die Erde tröpfeln — und ihr vergiftet die ganze -Erde — diesen alten, harten, felsigen Ball, der schon so vielen Uebeln -widerstanden! — Sie ist ein Teufel mit dem Lächeln eines Engels im -Gesichte und dem Glorienschein einer Heiligen um das Haupt....“ Er -schwieg einige Augenblicke.... „Böses, böses Weib!“ fuhr er darauf -fort.... „Wer hätte das Alles in ihr gesucht?! — — Als ich sie zum -ersten Male sah, trat sie als eine jener zarten Jungfrauen, deren Seele -eine Lilie ist, eine Lilie aus dem Garten Gottes — vor mich .... sie -trat als holde, lieblich-unschuldige Fee, als eine jener guten Feen, -die in alten Zeiten die Schutzgeister der Menschen waren, vor mein<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span> -Angesicht — — — — damals, damals hätte ich, wären die Gedanken -meines Hirnes nur im geringsten fähig gewesen, sie zu beflecken, -den Blitz des Himmels selbst auf mich herabgerufen, daß er mich -zerschmettere.... Damals! Ach, welche Zeiten und welche Gefühle! — — -Und jetzt, jetzt! — — Wer hätte glauben sollen — daß trotz ihrer -elysäischen Gestalten und ihrer ambrosischen Düfte jene Zeiten doch -nur von Trug und Verrath geschwängert waren?.... Allein, so ist der -Mensch! Er hofft und vertraut bis zu des Abgrunds Rand — und glaubt -nicht eher an ihn, als bis er hineingestürzt ist und sich windet mit -zerschmettertem Haupte zwischen Molchen und scheußlichen Ungeheuern....“</p> - -<p>Der Graf ging lange im Zimmer auf und ab, ohne ein Wort zu sprechen, -ohne nur einmal aufzublicken — — aber im Stillen hielt er eine -entsetzliche Gedankenjagd — — und die schwarzen Ideen tummelten sich -immer dichter neben ihm — um ihn und über ihm... sie schlossen ihn -von allen Seiten ein, wie ein wildes Heer von dämonischen Erd- und -Luftgeistern....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span></p> - -<p>Da brach der erste Lichtstrahl der heraufsteigenden Morgensonne durch -den Rand seiner Gardinen und traf sein Antlitz.... und als wäre ein -Bote des Ewigen zu ihm herangeflogen und hätte seine Stirne mit -glänzenden Strahlenfingern berührt.... erhob aus dem wilden dunkeln -blutigen Chaos seiner Seele sich ein weißer Gedanke, so daß er schrie:</p> - -<p>„Und wenn sie dennoch unschuldig wäre?!!“</p> - -<p>„O mein Gott!“ flüsterte er leise: „was hätte ich dann gethan!“</p> - -<p>Mit dieser Idee entschlief er bald darauf, denn sein Physisches -vermochte nicht länger dieser unsäglichen und abwechselnden An- und -Abspannung zu widerstehen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Viertes_Kapitel"><b>Viertes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Hoffnung, Verzweiflung, Resignation.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">A</span>ls Alexander erwachte, mochte es bereits wieder gegen Abend sein, -wenigstens umgab ihn im Zimmer eine Dunkelheit, welche nicht allein -durch die ausgebrannte Lampe erzeugt ward. Doch was kümmerte ihn Zeit, -Licht, Sonnenschein — Finsterniß.... lebte er doch kaum mehr in der -Außenwelt, sondern hatte sich ganz zurückgezogen in den tiefsten -Winkel seines Herzens. Die Idee, mit welcher er eingeschlafen war -— begleitete auch wieder sein Erwachen, und darum war dies das -freundlichste seit vielen Tagen. —</p> - -<p>Ja, sie konnte dennoch unschuldig sein! — Trotz aller Beweise, trotz -aller Zeugnisse, worunter<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> die wichtigsten allerdings die seiner -eigenen Augen waren — konnte doch dasjenige, was schon tausendmal -geschehen war, auch noch dies eine Mal eintreffen: Cölestine konnte -verkannt, verläumdet, sie konnte durch eines boshaften Dämons Gaukelei -verläumdet worden sein. — Denn ist es wohl nicht schon vorgekommen -— daß man z. B. einen Unglücklichen des Mordes — eine Unglückliche -der Giftmischerei <em class="gesperrt">überführt hatte</em> .... sie starben den Tod des -Gesetzes.... und nach Jahren erwies es sich, daß sie <em class="gesperrt">unschuldig -waren</em>?</p> - -<p>Ach, die <em class="gesperrt">Liebe</em> klammert sich so gerne an einen solchen -Hoffnungsanker an — und zwar erst dann recht eifrig, wenn des -Sturmes Wuth wild über sie eingebrochen ist. — Die Liebe, wenn -sie zur Leidenschaft, zur Tyrannei geworden — lebt in Contrasten -und ist bisweilen fähig, von der rasendsten Eifersucht — zur -fanatischen Gläubigkeit umzuspringen.... je nachdem diese oder jene -ihr Befriedigung schafft. — „Nie,“ sagt ein geistreicher deutscher -Schriftsteller,<a name="FNAnker_B_2" id="FNAnker_B_2"></a><a href="#Fussnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span> „war eine Liebe echt und tief, wenn dieselbe nicht -fähig ist, heute für denselben Gegenstand zu leben — für welchen sie -gestern in den Tod gehen wollte.....“</p> - -<p>Weshalb sollte der arme Gatte nicht den Trost hinnehmen, der ihm -plötzlich wie durch unsichtbare Geisterschwingen zugeweht wurde — -da dieser Trost seinem leidensheißen Herzen doch so wohl that? — -— Und daß er ihm kam — wenn es auch noch so plötzlich, noch so -unerwartet und unbestimmt geschah — — wer wird daran zweifeln, wenn -er anders das Menschenherz kennt? — Kommen und gehen von Augenblick zu -Augenblick nicht die verschiedenartigsten Empfindungen in und aus uns -— — ohne daß wir wüßten, woher und wohin? — — Aber sie kommen doch -und scheiden doch.... das ist gewiß — — und es scheint uns dann, als -würde mit einem Male ein Räthsel aufgelöst durch unsichtbare Hände — -— wozu wir uns lange vergebliche Mühe gaben.</p> - -<p>O — trotz unseren enormen Fortschritten im Felde der Erkenntniß sind -wir noch lange nicht dahin gekommen, die einfachsten Dinge, welche uns -umgeben, zu verstehen. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span></p> - -<p>Alexander erhob sich vom Lager. Er begann wieder seine Wanderungen -durch’s Gemach. Bunte Bilder flohen vor ihm vorüber — lange hatte sein -Auge freundlicher Farben entbehrt...</p> - -<p>„Nein, nein!“ rief er aus —: „so sehr kann Lüge die Wahrheit doch -nicht nachahmen!... Sie kann Thränen weinen — Seufzer ausstoßen — -sie kann sich im Staube winden und verzweiflungsvoll aufschreien, -daß sie unschuldig sei... sie kann Alles, Alles, was körperlich und -sichtbar erscheint, imitiren, wie wir es am guten Schauspieler sehen; -jedoch sie kann den Popanz, welchen sie geschaffen, nicht beleben -— kann ihm keine Seele einhauchen — kann ihm jene geistige Gewalt -nicht verleihen, die allmächtig zu unserem Geiste spricht, diesen -zu sich hinreißt, daß er nicht widerstehen kann und sich mit ihr -vereiniget, versöhnt. — Das, das kann die Lüge nicht! — Das ist nur -der Himmelstochter Wahrheit vorbehalten. — — — — Und,“ rief er -frohlockend aus: „ihren Einfluß habe ich erfahren — — obgleich erst -jetzt, jetzt dies Bewußtsein in mir aufgegangen.... Cölestine ist keine -Verbrecherin... dies wird mir so klar,<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> daß ich erstaune und mich -verfluche, es nicht längst eingesehen zu haben....“</p> - -<p>„Allein — ich weiß schon, weshalb es nicht geschah! Ich <em class="gesperrt">wollte</em> -nicht, daß es geschehe... ich widersetzte mich gewaltsam der -Ueberzeugung! Ich Thor — ich Elender marterte mich geflissentlich mit -Schrecknissen, die nicht sind noch waren.“</p> - -<p>Voll von dieser neuen Aussicht auf eine neue schöne und blühende Welt -— machte Alexander sich auf und verließ sein Zimmer, entschlossen, -seine Gemahlin aufzusuchen, sich zu ihren Füßen zu werfen und in einer -Fluth reuiger Thränen seine Schuld abzuwaschen; denn er hoffte, daß -Cölestinens, aus einem Himmel von Güte und Liebe bestehendes Herz sie -ihm verzeihen werde....</p> - -<p>Als er auf den Corridor trat, sah er, daß es in der That bereits -wieder dunkel sei. Im Hause war Alles still — man rüstete sich -zum Schlafengehen. So gelangte er, ohne gesehen zu werden, vor die -Wohnzimmer seiner Frau. Auch hier herrschte die tiefste Stille — -auch hier begegnete man Niemand. Alexander glaubte zuerst, Cölestine -sei entweder nicht zu Hause oder<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> sie habe sich in ihre hintersten -Gemächer zurückgezogen — — da vernahm er plötzlich ihre Stimme, die -im zweiten Zimmer Jemand einen Auftrag zu geben schien... und obgleich -diese Stimme kraftlos und eintönig redete, hatte er doch folgende -Worte verstanden: „Aber — um Alles in der Welt, daß kein Auge dies -Schreiben erblickt, noch Euch selbst, die Ihr damit fortgeht. Stanislaw -— ich vertraue Dir hier mein halbes Leben an.... erinnere Dich, daß -Du seit 30 Jahren der treueste Diener unseres Hauses bist.... Vermeide -besonders die Zimmer des Grafen....“</p> - -<p>Diese leisen Worte machten Alexander fast taub; er, der erst so heiter, -so rasch, so leichtfüßig hierher kam, vermochte in diesem Augenblicke -sich kaum aufrecht zu halten.... Er zog sich seitwärts von der Thür -zurück, lehnte sich hier an die Wand — und lauerte auf den Boten. — -Dieser trat wirklich heraus — aber in demselben Momente stürzte sein -Gebieter auf ihn und entriß ihm den Brief.......</p> - -<p>Er war an den Chevalier von Marsan gerichtet und enthielt folgende -Zeilen...:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span></p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Ich bin krank und im höchsten Grade geschwächt — vermag also -nicht an dem bestimmten Orte zu erscheinen; ich hoffe daher, daß -Sie die Mühe auf sich nehmen werden, zu mir zu kommen — — — doch -säumen Sie keinen Augenblick. Es erwartet Sie mit Ungeduld</p> - -<p class="right mright2">Cölestine v. A—x.</p> - -<p><em class="antiqua">NB.</em> Vermeiden Sie es, von den Dienern unseres Hauses -gesehen zu werden — der heutige Abend ist sehr günstig zu einer -Zusammenkunft, um so mehr, da mein Mann sich noch immer auf seinem -Zimmer eingeschlossen hält.“</p></div> - -<p>So war sie also dennoch schuldig! — — —</p> - -<p>Als Alexander diese Zeilen gelesen hatte, glaubte er, die Welt um -ihn und er in ihr werde vergehen. Er befand sich einige Augenblicke -hindurch in einem Zustand, der nicht Leben und nicht Tod — sondern -eine von jenen schrecklichen Krisen ist, in denen einst das -Menschengeschlecht entweder ganz untergehen — oder neu und fremdartig -wiedergeboren werden wird. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span></p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Einige Stunden darauf lag der Graf in einem heftigen Delirium. Die -widerstrebendsten und gewaltsamsten Stürme dieses Tages und jener Nacht -hatten ihn niedergeworfen. Vielleicht war dieser Ausgang noch ein Glück -für ihn; denn jedenfalls konnte der Wahnsinn ihm keine grauenvolleren -Gestalten vorspiegeln, als wovon das bewußtvolle Leben für ihn jetzt -so reich gewesen wäre. — So sorgt eine allgütige Natur für ihre Wesen -selbst durch Strafen — und sie reicht uns oft Gift, um uns vor einem -tödtlicheren, welches wir unwissentlich aus der Atmosphäre eingesogen -haben, zu schützen...</p> - -<p>Der Kranke verlor vom ersten Momente an die Fähigkeit, seine Umgebung -zu erkennen — und so wußte er nicht, daß Cölestine an seinem Bette -saß und ihn mit zärtlicher Besorgniß pflegte. Sie, die noch vor Kurzem -selbst krank und hilflos da lag, schien jetzt wie durch ein Wunder von -neuer Lebenskraft erfüllt zu sein.... Woher diese Wirkung? Hatte die -Zusammenkunft mit Marsan — denn er hatte sich auch ohne Aufforderung -fast zur selben Stunde ein<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span>gestellt — — diese Folge gehabt?... War -sie dadurch so glücklich geworden, daß sie in einigen Augenblicken -völlig genas?....</p> - -<p>Sonst wäre wohl auch Liebe, Zärtlichkeit für einen unglücklichen -Gatten im Stande, eine solche Umwandlung hervorzubringen; — — aber -wie sollte man nach einem Briefe wie der obige auf dergleichen rechnen -können? —</p> - -<p>Es kann jedoch nicht geläugnet werden, daß der Eifer, womit Cölestine -ihren kranken Mann pflegte, einen Ausdruck tiefer und inniger Liebe -hatte — — und es trat die merkwürdige Erscheinung ein, daß, je -nachdem sich der Zustand Alexanders augenblicklich zu bessern oder zu -verschlimmern schien — — sie im letztern Falle an Kraft zu gewinnen, -— im erstern wieder zu erschlaffen und so zu sagen in ihren vorigen -leidenden Zustand zurückzufallen schien. —</p> - -<p>Aber wer enträthselt das innere Wesen und den Grund solcher -eigenthümlichen und geheimnißvollen Vorkommnisse in des Menschen -Brust?.. Irren wir doch so leicht im <em class="gesperrt">Deuten</em>... und können nur -von demjenigen etwas Bestimmtes sagen, was wir <em class="gesperrt">wissen</em>. Wir -hatten ja eben erst<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> vor Kurzem ein Beispiel an Alexander: es hatte -sich im Widerstreit seiner Meinungen über Cölestine zuletzt eine Stimme -zu ihren <em class="gesperrt">Gunsten</em> erhoben.... und schon einige Stunden darauf sah -er seine Prophezeihung so grausam verspottet. —</p> - -<p>Die Krankheit machte in kurzer Zeit rasche Fortschritte, doch hofften -die Aerzte von seiner kräftigen Natur, daß sie das Uebel langsamer -oder schneller besiegen werde.... da jedoch der Ausspruch eines Arztes -niemals untrüglich sein kann, so war es natürlich, daß eine liebende -und in Angst harrende Gattin nur geringen Trost aus ihm schöpfen -konnte; sah man jedoch Cölestinens Schmerz, so mußte man sie für eine -solche Gattin halten. —</p> - -<p>Da saß sie durch Tage und Nächte neben seinem Haupte, reichte ihm -Arznei, Tränke — pflegte seiner mit weinenden Augen und diente ihm -wie eine Magd; denn sie litt es nicht, daß ein Anderer auch nur den -kleinsten Dienst bei ihm versähe, wenn sie hierzu selber Kraft und -Stärke fand. — — Unter solchen Umständen mußte das Wort des Arztes -wahr werden und ihr Kummer, ihre Angst, ihre Verzweiflung,<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span> vergebens. -— In Alexanders Befinden trat eine sichtbare Besserung ein — und -nun stürzte die junge Frau auf ihre Kniee und pries Gott im lauten -Dankgebete. — Wie harrte sie mit zitternder Ungeduld des ersten -lichten und bekenntnißvollen Augenblicks.... dann wollte sie mit -Alexander reden, sich vertheidigen — und sie hoffte gewiß, daß er ihr -glauben werde....</p> - -<p>O der Getäuschte! — — Er erwachte wirklich, er sah sie mit klaren -Augen an, wie sie vor ihm stand — die Arme ausbreitete, mit -thränenvollem Antlitz ihm entgegenlächelte und schon den Mund aufthat -— — — — Aber es war ihr nicht vergönnt, weiter zu kommen... Bis -hierher nur erfüllte sich ihre Hoffnung, hier schnitt er sie ihr ab — -denn sein Vertrauen zu ihr war dahin, seit der Glaube an ihr Herz ihn -gänzlich verlassen hatte.... Vergebens sank sie noch einmal vor ihm -auf die Kniee.... ihr Anblick war erschütternd.... Er aber, der Gatte -deutete ihr an, daß sie ihn verlassen möge — und als sie dies Gebot -nicht befolgte, sah man seinen Zustand sich augenblicklich auf eine -entsetzliche Weise verschlimmern....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span></p> - -<p>„Sie werden ihn tödten, wenn Sie länger hier bleiben,“ bedeutete -traurig der Arzt — — und sie ging — sie kam nicht mehr zu seinem -Lager.</p> - -<p>Einige Tage darauf war er so weit hergestellt, daß er sich nun wieder -erheben und sein Bett verlassen konnte. Er brachte jetzt den größten -Theil des Tages in einem Armstuhl, umgeben von Büchern und Schriften, -zu, worunter ihn besonders die letzteren beschäftigten. — Besuche nahm -er nicht an — selbst Briefe ließ er durch seinen Sekretär eröffnen, -und wies jeden, mochte er auch direkt und dringend an ihn lauten, von -sich. Er besaß keine Geheimnisse und überdies hatte der Sekretär sein -volles Vertrauen....</p> - -<p>Unter den Schreiben, welche anlangten, befanden sich drei von -Cölestine, deren Inhalt uns eben so unbekannt geblieben ist, wie er -es für Alexander und selbst für seinen Sekretär war — denn dieser -Ehrenmann siegelte sie, ohne sie gelesen zu haben, wieder zu.</p> - -<p>Es war gegen Ende Dezembers, als Alexander Wien verließ, gefolgt nur -von seinem Se<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span>kretär und einigen vertrauten Dienern. Er hinterließ für -Cölestine folgendes Schreiben:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Gräfin! — Ich verlasse Sie, Ihr Haus und die Residenz, ohne -Ihnen sagen zu können, wohin ich reise und welches der Ort meines -ferneren Aufenthaltes sein wird. Zu Ihrer Beruhigung — denn sie -wird wohl nur auf diese Weise zu erzielen sein — hinterlasse ich -Ihnen beiliegende schriftliche Erklärung, worin <em class="gesperrt">ich mich</em> die -Ursache unserer raschen und plötzlichen Trennung nenne und woraus -keine Schuld hervorgeht, die nicht auf mein Haupt fiele; Sie werden -Gelegenheit finden, von diesem Dokument den nützlichsten Gebrauch -zu machen — und ich wünsche Ihnen herzlich Glück, wenn damit -sowohl Ihre Wünsche wie die Anforderungen der Welt beschwichtigt -werden, woran ich nicht einen Augenblick zweifle. — — Alles, was -ich hinterlassen habe, ist zu Ihrer unbeschränktesten Verfügung -gestellt. — Ihre Verhältnisse bleiben demnach ganz dieselben, -welche sie zu meiner Zeit waren — — ich vergesse hinzuzusetzen: -wahrscheinlich werden sie noch weit<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> angenehmer sein; — ich -verspreche mich abermals: sie werden dies ganz <em class="gesperrt">gewiß</em> -sein! — — Gnädige Frau.... erlauben Sie mir jetzt eine kleine -Eigennützigkeit. In Anerkennung des Dienstes, welchen ich Ihnen -leiste, lassen Sie mich an Sie die Bitte stellen: falls Sie meinen -Aufenthalt errathen oder erfahren sollten — so schreiben Sie -mir nicht — noch schicken Sie eine dritte Person zu mir — am -wenigsten aber kommen Sie selbst...... Dies wird wohl schwerlich -geschehen — es ist fast albern, daran zu denken — jedoch für den -Fall dieser oder jener Möglichkeiten erfahren Sie, daß mein Zorn -dadurch auf’s Aeußerste gereizt und ich zu einer That fähig wäre, -die sowohl Sie als mich entehren könnte. — Schonen Sie also unser -Beider Namen — wenigstens von dieser Seite. —</p> - -<p>Und nun habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als: leben Sie für -immer wohl.</p> - -<p class="right mright2 mbot1">Alexander Graf v. A—x.“</p> - -</div> - -<p>Diesen Brief empfing Cölestine zwei Stunden nach ihres Mannes Abreise, -welche früh Mor<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span>gens, da noch das ganze Haus schlief, geschah, und -wozu die nöthigen Vorbereitungen bereits getroffen waren. Man wird -begreifen, welchen Eindruck diese Zeilen auf sie machten, sobald man -ihren jetzigen Seelenzustand erwägt. Mit Worten ließe sich unmöglich -ein Gemälde davon geben — man muß dies Geschäft der Phantasie des -einzelnen Lesers überlassen... Genug an dem, ihrer Gesundheit, welche -in den letzteren Tagen fürchterlich zerrüttet worden war, wurde durch -dies Ereigniß gleichsam der letzte Stoß gegeben.... Die Rollen hatten -sich jetzt umgekehrt; — sie nahm ihres Gatten Stelle ein... ein böses -Fieber zehrte an ihrem Leben.</p> - -<p>Aber Cölestine besaß keinen so treuen Pfleger, wie ihm in ihr gelebt -hatte.... denn ihre Eltern und ihre Freunde, so theuer sie ihrem Herzen -auch waren, konnten ihr gleichwohl den Verlust eines Gatten nicht -ersetzen. — —</p> - -<p>So liebte sie ihn also dennoch? Leider ist es uns noch immer nicht -vergönnt, den Schleier von einem Verhältnisse wegzuziehen, welches -sich erst spät entwickeln soll — welches noch immer im Werden -begriffen ist, und wobei wir, ver<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span>möge unserer schöpferischen -Machtvollkommenheit, und vermöge der Kunstzwecke, die uns bei dieser -Schöpfung leiten — den Schluß des Processes noch in einige Ferne -hinausgesetzt haben....</p> - -<p>Welches Aufsehen die Trennung des Grafen von seiner Gemahlin, die eben -so unerwartet wie von außerordentlichen Umständen begleitet war, in den -Kreisen der Residenz erregte, wird man begreifen.... Die Leute <em class="antiqua">du -bon ton</em> waren entzückt, wie sie sich nicht erinnerten, es seit -Jahren gewesen zu sein — denn da hatten sie ja einen vollständigen -„<em class="gesperrt">Skandal</em>“. Und da man, wie in der Regel und nach den Gesetzen -der feinen Lebensart geschieht, die Schuld auf den der Gesellschaft -mißfälligen Theil warf, welches — da die Gesellschaft von Damen -repräsentirt wird — hier Cölestine war, die man um ihres Glückes -willen haßte, so fing man alsbald an, ihr alle mögliche Vergehungen und -Sünden aufzubürden — daß sie in wenigen Stunden da stand, wie eine zum -Tode reife Verbrecherin...</p> - -<p>„Ach!“ rief man — „diese Komödie hat zwar rascher geendiget, als man -erwartete — jedoch<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> sie hatte ganz so geendigt, wie vorausgesagt -worden war...“</p> - -<p>„Es war in der That — ein so vortrefflicher Mann, dieser Graf A—x.... -etwas närrisch zwar und spleenhaft — — allein man hielt ihn mit Recht -für einen der geistreichsten Köpfe im Ministerium — und was für ein -Herz er besaß, bewiesen uns die ersten Zeiten seiner Ehe, welche ihn -so sehr beseligten.... Ach, der Arme! er dachte gewiß nicht, daß es so -kommen würde! Er hat es auch wahrlich nicht verdient!“</p> - -<p>„O!“ bemerkte das Stiftsfräulein Eugenie von Bomben gegen die Gräfin -von Wollheim — „ich begreife ganz wohl den Zusammenhang dieses -„<em class="gesperrt">Falles</em>“, nachdem ich in Erfahrung brachte, man habe die Gräfin -A—x bei der letzten Sitzung des Frauenvereins — kurz vor Eintritt -ihres „<em class="gesperrt">Falles</em>“ — zum Mitglied vorgeschlagen. — Beim Nero! ich -finde jetzt ihren „<em class="gesperrt">Fall</em>“ ganz natürlich....“ Und hierbei rieb -sich die huldvolle Dame ihre knöchernen Hände und zeigte lachend ihre -zahnlose Mundhöhle....</p> - -<p>Was Cölestine betraf, so machte sie keinen Versuch, alle diese Gerüchte -zu widerlegen,<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> welches ihr durch einfache Berufung auf das ihr von -Alexander hinterlassene Dokument doch so leicht möglich gewesen wäre. -— Jedoch von diesem Gebrauch zu machen, lag fern von ihr, eben so -fern wie die Menschenliebe von jenen Herzen, die so schöne Dinge von -ihr ersannen. Was kümmerte sie alles dieses! Was ging sie die Welt — -was die Ereignisse an, welche außer ihrer Brust stattfanden! — — Ihr -eigenes, persönliches Dasein war in diesem Augenblicke an schmerzvollen -Ereignissen reich genug. —</p> - -<p>Die Krankheit, welche sie überfallen hatte, war eine jener träg und -dumpf fortschreitenden, die sichtbar keine Gefahr drohen und für -unbedeutender angesehen werden, als sie es in der That sind. Es nagt -ein Wurm innerlich an unserem Herzen — er hat den Kern schon zur -Hälfte aufgezehrt — während von Außen die Hülle in rosiger Frische -glänzt, gleich der Schale eines Granatapfels...... Cölestine — -nachdem sie den ersten und heftigsten Anfall, der sie zwang, sich -niederzulegen, überwunden — trotzte den ferneren dadurch,<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> daß sie -das Lager floh und umherwandelte, als hätte sie die Kräfte dazu; dies -jedoch war auch nur einer so lebensvollen und jugendlichen Natur -wie die ihrige möglich. — Ihr sonst so heiterer, naturfrischer, so -leichter und geschmeidiger Sinn verhütete es, daß sie in jene stumpfe -Melancholie verfiel, der jedes andere Gemüth unter solchen Umständen -erlegen wäre. Kurz die junge Frau hatte über sich und ihr Uebel bald so -große Herrschaft erlangt — — daß sie das letztere in den hintersten -Winkel ihres Herzens zurückdrängen und äußerlich fast eben so heiter, -wie in ihren schöneren Tagen, erscheinen konnte.....</p> - -<p>Sie öffnete ihr Haus jetzt wieder einem Kreise vertrauterer Personen -und ließ sich selbst wieder in jener Welt sehen, die früher, als sie -noch im Hause der Eltern wohnte, die ihrige gewesen war. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Fuenftes_Kapitel"><b>Fünftes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Promenade auf der Bastei.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>ie Promenaden auf der Bastei und in der Stadt auf dem Graben und -Kohlmarkt waren an der Tagesordnung. Um die Mittagszeit sah man -hier die ganze schöne Welt umherstreifen, um ihren beiden höchsten -Verrichtungen obzuliegen: — zu sehen und gesehen zu werden und zwar in -möglichst ausgedehntem Umfange.</p> - -<p>Ha! Welche große, welche magnifique Welt sich da tummelt und bewegt! -Die Sache ist wirklich viel weniger komisch, als wofür wir sie -anfangs nehmen wollten — denn wir haben es hier nicht nur mit den -belachenswerthen Seiten der Gesellschaft, sondern mit ihr <em class="gesperrt">ganz</em> -zu thun, und dabei gibt es auch noch so manches Stück Ernst. — Wir -wollen das vollständige Gemälde<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> zu zeichnen versuchen und dabei -<em class="gesperrt">keiner Partie</em> vergessen.</p> - -<p>Sehen Sie jene stattliche, große Dame dort: eine Junogestalt! und ihr -Arm in dem eines kleinen, dünnen, feinen Mannes mit einem noch feineren -Lächeln und einem allerfeinsten Augenkneifen. — — Kennen Sie dieses -Paar? Es ist eines der bedeutendsten und angesehensten der Residenz. -— Sie werden den Namen des kleinen feinen Mannes mit sehr — großen -Buchstaben im <em class="gesperrt">Staats</em>-Schematismus gedruckt finden. — — Dort -weiter vorn drei weibliche Gestalten und zwei Herrn, ein älterer mit -grauen und wie’s scheint gepuderten Haaren — auf der andern Seite ein -schlanker, blühender, kräftig schöner Jüngling. Er ist der Bruder der -zwei jungen Damen, neben welchen er geht und der Sohn jener dritten so -wie des alten Herrn mit den weißen Haaren.... O der Letztere ist auch -ein sehr großer, großer, vielbedeutender Mann, ein berühmter Mann sogar -— und bei dem Allen ein so guter freundlicher, herablassender Mann. —</p> - -<p>Hat man einmal bei ihm Etwas zu thun<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> gehabt, wird man nie die edle -Güte vergessen, mit der er uns behandelte.</p> - -<p>Auch jene zahlreiche und etwas prunkende Gesellschaft weiter hinten -führt einen hochklingenden Familiennamen — aber dies ist auch Alles, -was man von ihr sagen kann. Es ist immerhin schön, einen edlen Namen zu -besitzen — schöner aber ist es, ihn mit neuen Ehren zu umgeben. Die -üppige Pracht, welche hier von den Töchtern des Hauses entfaltet wird, -will noch nichts sagen gegen jenen feenhaften Glanz, womit sie bei -festlichen Anlässen im Salon die Blicke ihrer Gäste blenden. — —</p> - -<p>Bemerken Sie die dicke, schwerfällige Frau dort in dem ponceaurothen -Sammtpelze.... und die goldene wurstförmige Kette, die, fast eben -so dick wie sie selbst, um ihren Hals baumelt? — Das zeigt sich -sogleich, wie es ist. Es ist aber ordinär; es ist plebejisch — es ist -banquiermäßig. Diese Familie ist reich! Hier haben Sie Alles, was man -von ihr sagen kann; und dies ist viel weniger, als was ich Ihnen vorhin -berichtet habe.</p> - -<p>Ha, wie er mit seinem Geld in der Tasche<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> klappert! Der Herr Bankier -hat sogar in seinen Winter-Oberrock Geld gesteckt. Sein Geld ist die -unsichtbare Leibgarde, mit der er sich stets umgibt — und ohne welche -er sich niemals für sicher hält. —</p> - -<p>Dies ist auch eines von den vielen Unglücken des Glückes, d. h. Geldes. -—</p> - -<p>Und jener hübsche ernste Mann im schwarzen Kleide mit der eleganten, -stillen Würde im ganzen Wesen — und mit dem unaussprechlich -geistreichen Zug im Angesichte, der an die Züge jenes größten Mannes -unserer Zeit und unseres Landes erinnert, dessen Namen ich nicht -auszusprechen wage....</p> - -<p>Ach, dort erblicken wir <em class="gesperrt">ihn</em>!! Schnell — damit uns sein -Erscheinen nicht verschwindet, denn nur selten ist uns sein Anblick -gegönnt. — O, wie muß das Herz jedes Oesterreichers schlagen, wenn -er bedenkt, daß dieser Mann ihm und seinem Volke angehört. Eine -Göttergestalt! — Ihr olympischer Blick und Ihr ambrosisches Lächeln -hat die Zeit vollständiger bezwungen, als das Schwert jenes großen -Eroberers, dessen <em class="gesperrt">gewaltigster Feind er</em> war. O Fürst, ver<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span>gönne -dem treuesten Deiner Verehrer — Dir seine Huldigung darzubringen!</p> - -<p>Ja, hier hat die Macht des Genies sich manifestirt. Lauter als alle -Dichterworte verkündeten es die seinen, daß der Geist der Herrscher der -Welt ist — — und Ihr bornirten Priester des Geistes redet noch vom -Zwange desselben. Wie kann derjenige die Geister fesseln, der selbst -der reinste und größte unter ihnen ist? Freilich, der Geistesunflath -ist ihm zuwider — wie für die reinen Cherubim jene sündigen Geister -ein Gräuel waren, die von ihnen in den Abgrund gestoßen wurden.</p> - -<p>— Immer tauchen neue Gestalten um uns auf. Dies nimmt kein Ende. Stets -neue Schönheit und neue Pracht. — Ach, zu dieser Promenade braucht man -tausend Augen und ein tausendfältiges Entzücken.</p> - -<p>Aber damit wir auch die Aversseite nicht vergessen, wird es nöthig -sein, zu ihr sofort überzugehen. Hier begegnen wir sogleich lauter -bekannten Gestalten, und da durch dieselben einzeln uns das Ganze -skizzirt wird, dessen Theil sie sind — so werden wir bei ihnen auch -stehen<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span> bleiben und unsere Beobachtungen nicht weiter ausdehnen. — -Zuerst erblicken wir unsern guten <em class="gesperrt">alten</em> Freund (oder, weil -er dies übel nehmen könnte, unsern guten Freund in <em class="gesperrt">seinen besten -Jahren</em>) — den Herrn von Althing, ersten Verführer der Residenz -und Despoten aller Frauenherzen; — da wir bereits seit langer Zeit -von ihm getrennt waren, dürfte uns dies Wiedersehen vielleicht nicht -unangenehm sein. — O, er ist auch noch immer der Vorige! Keine Linie -fehlt an diesem ausdrucksvollen, herrlichen, reizenden, gefährlichen -Männerbilde! — da der lächelnde Blick — das feurig strahlende -Siegerauge — die hochgeröthete Wange — der stolze Schnurbart — der -Hut kühn und ein wenig auf die Seite des <em class="gesperrt">kunstreichen</em> Haarbaues -gerückt.... Diese so edeln und herkulischen Gliedmaßen, diesmal in -einen eleganten und stattlichen Oberrock gehüllt.... ein Kaschmir um -den Hals geworfen.... und durch ein Knopfloch blüht eine rothe Blume -so täuschend hervor, daß es wie ein Ordensband aussieht.... ferner ein -Lorgnon in der Hand (obwohl unser Mann, wie er selbst sagt — <em class="gesperrt">wie -ein Falke</em> sieht) — —<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> die Sporen, die sind nicht vergessen.... -und auch die Reitgerte nicht, daß es aussehen soll, als habe er so eben -einen Ritt gemacht... was, seiner Behauptung nach, immer vortheilhaft -für einen Mann ist. — Ihn begleitet ein alter Herr, dessen Gesicht -mit mehr Recht ewige Jugend verkündete, als das Althings — wiewohl in -diesem Augenblick eine sonderbare Melancholie, die im Grunde zu dem -Gesichte des Mannes nicht paßte, mit der Fröhlichkeit in seinem Wesen -abwechselte. Es ist der Graf von <em class="gesperrt">Wollheim</em>, unser biederer Jäger -oder eigentlich wackerer Trinker. Er hatte sich, seit sein Schüler, -Freund und guter Genius, den er auch sein „Jüngelchen“ nannte, für ihn -gewissermaßen auf immer verloren war, an Denjenigen gehängt, der außer -ihm der einzige Freund des Entflohenen schien... und welcher, wenn er -auch diesen nicht ersetzte, den Nimrod doch an ihn erinnerte.... und so -eine Art unvollkommener Illusion für die Wirklichkeit bot.</p> - -<p>Lustig war zu gewissen Augenblicken der Anblick dieser Beiden — er bot -dann einen Contrast, wie man ihn im Leben nicht besser findet....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span></p> - -<p>„Ist das Wetter heute nicht köstlich, mein lieber Graf und Freund?“ -denn Althing, der dies sprach, war aller Menschen, die er kannte, -„<em class="gesperrt">Freund</em>“. „Ist dieser Decembertag nicht schöner als der beste -August, ich meine nämlich, wo die Hitze so groß ist — daß man es auf -der Straße nicht aushalten kann — und nichts zu sehen bekommt von der -Welt — außer etwa ein miserables Quadrat von einigen Klaftern — durch -sein Zimmerfenster...?“</p> - -<p>„Ja, gewiß — <em class="gesperrt">lieber Althing</em>,“ — der Jäger hatte in Bezug -auf das Obige denselben Charakter... „ja, Sie haben ganz Recht.... -Uebrigens ist es im December auch zu Hause angenehm — man erhitzt sich -nicht so leicht, mag man im Zimmer oder im — — Kell....“ Er sprach -das Wort nicht aus... sondern glaubte sehr geistreich einzulenken, -indem er hinzusetzte...: „Man kann in dieser Saison auch mehr -<em class="gesperrt">vertragen</em>, hahahaha! hahahaha!“ — —</p> - -<p>„Was meinen Sie damit, bester Graf.... <em class="gesperrt">mehr vertragen</em>?“</p> - -<p>„— Nun — ich sage: mehr Wei... <em class="gesperrt">Wei</em>...“ der <em class="gesperrt">Wein</em> -wollte nicht so leicht von seiner Zunge<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> gehen — „Weibesblicke — -Liebesblicke — zarte Winke mit schönen Augen und Fingern.... hehe!“ Er -war überzeugt, seine Sachen ungeheuer klug gemacht zu haben....</p> - -<p>„Ha!“ rief mit einem Male der Andere, der so eben wieder mit dem -Sporren hängen blieb, aber glücklicher Weise nicht in seinen -Beinkleidern — — „haben Sie das dort nicht bemerkt ... bester Graf? -Wie?“</p> - -<p>„Das dort? — Jenes Gasthausschild da drüben über dem Kanale? Es gehört -dem Hôtel „Zum goldnen Lamm“ — woselbst man kolossale Rheinweine -bekommt, mein Lieber...“</p> - -<p>„Ach, welches Mißverständniß!... Rheinwein! — Wer spricht davon? -— Welche abscheuliche Verwechslung einer ordinären Sache mit dem -extraordinärsten — göttlichsten Dinge von der Welt. — Da... sehen -Sie denn noch nicht.... die himmelblaue Pelerine dort! — — O, mein -Freund! Welch’ ein Blick war das, welchen ich so eben erhaschte....“</p> - -<p>„Pah!“ — versetzte der Jäger, dem wir diese Benennung jetzt nur noch -aus Pietät geben, denn seit so und so langer Zeit hatte er seinem<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> -frühern Geschäft fast gänzlich entsagt und seine ganze Aufmerksamkeit -nur demjenigen, bei welchem wir ihn in dieser Geschichte so zahlreich -begegnet sind, zugewendet... „Pah!“ sagte er, seine heitere Miene -wurde traurig — sein Blick suchte die Erde, der ganze Mensch war wie -verwechselt.... „Pah!“ wiederholte er nochmals: „was liegt mir an -diesen Blicken — Thorheiten — Spielereien...“</p> - -<p>„Das nennen Sie Thorheit! Spielerei! unglücklicher Mann, dem nie die -süßeste der Göttinnen gelächelt — sonst müßten Sie mit mehr Ehrfurcht -von ihrem Dienste sprechen.... Aber wie, mein Freund, wollen denn Ihre -Beine nicht mehr vorwärts gehen! Ich muß Sie ja fortziehen...“</p> - -<p>Wollheim stieß einen Seufzer aus, so tief, als komme er aus jener -Tiefe, in welcher Fässer liegen....</p> - -<p>„Vorwärts, vorwärts, mein Guter! Sie verderben mir sonst gänzlich -mein Glück — das so eben im vollen Anzuge ist! Ach, ach! schon -wieder ein Blick! Sie hat sich jetzt mindestens zum siebenten Male -nach mir umgesehen — — und wie<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> hat sie sich umgesehen!... Alle -Donner! Die versteht es — so jung das Püppchen auch noch ist. Doch -heut zu Tage sind wir in diesen Dingen enorm vorgerückt.... Unsere -Töchterchen und Fräuleinchen von 15 bis 16 Jahren — das sind gerade -die routinirtesten.... Kein Wunder! Sie haben an der Seite Mama’s eine -gute Schule....“</p> - -<p>Die ganze Antwort Wollheims war wieder blos ein schauderhafter -Seufzer, und sein Gang wurde nachgerade so schwer und lästig, daß -Althing Mühe hatte, mit ihm fortzukommen... „Zum Guckuk... Herr Graf! -was soll das heißen? — Sie ruiniren mich förmlich! — — Sie werfen -mir Felsenblöcke in den Weg — — Ach! Ach! — Schon wieder! — Nun, -diesmal mußte es ein Blinder bemerkt haben! — Diese liebe Kleine mit -ihrer himmelblauen Pelerine — bringt mich ganz in Aufruhr! Das Blut -siedet in meinen Adern... wie es uns jungen Leuten schon bisweilen -geht... denn in unseren Jahren steckt noch ein ganzer Vesuv und zwei -Hekla in unserer Brust... <em class="antiqua">A propos</em>, was meine Brust betrifft, -wie finden Sie ihre Wölbung und Breite,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> liebster Graf? Bei Gott! -kein Flöckchen Watte im Rock... kein Flöckchen! Nun, was sagen Sie?“ -Der Dicke spreitete hierbei seine Brust ungeheuer aus und klopfte auf -dieselbe: „Ja! das ist so fest wie Stahl! Nicht wahr? Reden Sie doch!“</p> - -<p>Nimrod ließ statt dessen den Kopf auf die Brust fallen — blieb stehen -und langte sein Taschentuch heraus, mit welchem er, unter Ausstoßung -sonderbarer Laute, die eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Schluchzen -hatten — über sein Gesicht fuhr und sich die Augen wischte... Er sahe -so fast aus — wie der König Gambrinus, als er eines Morgens erfuhr, -daß der Hagel seine Hopfengärten zusammengeschlagen habe....</p> - -<p>Wirklich schluchzte der tapfere Jäger Wollheim in diesem Augenblicke. —</p> - -<p>Aber der Liebesheld gerieth darüber in einen unmenschlichen Affekt. Was -Geier — es war auch keine Kleinigkeit — in diesem Augenblick, wo er -auf einer neuen Siegesbahn so rasch wie Amors Pfeil selbst forteilte, -mit einem <em class="antiqua">espèce</em><span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> von altem Narren stehen zu bleiben und dessen -sentimentalen Firlefanz mit anzusehen. —</p> - -<p>„Wollen Sie mich denn dem Wahnsinn in die Arme werfen?“ rief er, -vergessend, wo sie sich befanden — und rüttelte ihn am Arme, daß der -Alte das Gleichgewicht verlor und umzufallen drohte — jedoch noch -zeitig genug von Althings Armen aufgefangen wurde: „Ach, Sie sind ein -Satan — in Freundesgestalt! Sie peinigen mich — Sie bringen mich um -den sichern Himmel!“ schrie dieser.</p> - -<p>„Ich bin — sehr unglücklich....“ stammelte der Jäger.</p> - -<p>„Aber — ich nicht minder!“ tobte empört Althing.</p> - -<p>„— O — ich habe einen Freund an ihm verloren...“</p> - -<p>„— Ich werde bald meinen ganzen Verstand verlieren... oder Sie hier -stehen lassen, Herr Graf!“</p> - -<p>„Meinetwegen, wie es Ihnen gefällt, Althing. Mich kann jetzt kein -Unglück mehr treffen...“</p> - -<p>„Aber zum Teufel! so kommen Sie doch! — Die Pelerine entfernt sich -immer mehr.... sie<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> ist ganz wild über mein Zurückbleiben.... Vorwärts! -Sie können die Begleiterin der Pelerine auf’s Korn nehmen....“</p> - -<p>„Hol’ sie beide der schwarze Jäger!“ brach mit einem Male Nimrod -wüthend und in seiner ursprünglichen Derbheit aus: „Was gehen mich -diese dummen — Schürzen da an! — — In meiner Brust ist ein so großer -Riß, daß alle Schürzen und Pelerinen der Erde ihn nicht auszufüllen -vermögen... Ach! nach Prag, sagt man, sei er gegangen.... Ich fürchte, -ich fürchte — er ist in dem verfl— Duell geblieben und in eine Welt -gegangen — wo es weder Mosler noch Gumpeldskirchner gibt — — Uh!“</p> - -<p>Althing tanzte fast vor Wuth und Ungeduld — er drehte seinen -Schnurbart (seit der letzten <em class="gesperrt">heißen</em> Affaire hatte er sich wieder -einen wachsen lassen — und zwar einen, dessen Gleichen man suchen -mußte!), daß dieser Schnurbart auf einer Seite die Farbe changirte oder -besser gesagt: — seine natürliche bekam....</p> - -<p>Man muß wissen, daß Althing die Maxime aller Bösewichter seines -Schlages besaß, die, einem merkwürdigen Widerspruch gemäß, einen<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> eben -so großen Drang, eine Dame zu verfolgen, als Scheu, sie anzusprechen, -haben, — weshalb sie sich gerne bei einem <em class="gesperrt">Begleiter</em> Muth -holen... Indeß gründet sich diese Maxime oft auf einen sehr -vernünftigen Umstand: diese Herren suchen sich ihre Kameraden so aus — -daß sie ihnen bei dem <em class="antiqua">tête à tête</em> nicht schaden können, sondern -im Gegentheile noch ihrer Schönheit als Folie dienen.</p> - -<p>Der Stutzer-Veteran drang deshalb unausgesetzt in Wollheim, mit ihm -weiter zu gehen — dieser jedoch, als wollte er es ihm zum Possen thun, -bewegte sich nicht von der Stelle — sondern schien hier erstarren zu -wollen....</p> - -<p>„O mein Gott! was ist dieser Wollheim für ein Mensch!“ fing Althing an, -der sich jetzt auf’s Jammern zu legen schien, da es auf andere Weise -nicht mehr ging. —</p> - -<p>„Mensch — oder nicht Mensch! Lassen Sie mich in Ruhe... und stören Sie -mich in meinen Betrachtungen nicht!“ polterte der Jäger.</p> - -<p>„Aber — haben Sie denn gar kein Mitgefühl — bester Graf! — Sehen -Sie, wie ich Sie bitte...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span></p> - -<p>„Fort damit — oder ich werde wüthend!“</p> - -<p>„Theuerster Freund!“</p> - -<p>„Ich werde grob!“</p> - -<p>„Lieber Graf und Gönner....“</p> - -<p>„Ich werde massiv!“</p> - -<p>„Alter Bruder — und Kamerad...“</p> - -<p>„Ich prügle Sie...“ brüllte Wollheim und holte hier mit der Faust in -der That aus; — wodurch er bewies, daß Sentimentalität und Prügellust -näher beisammen stehen, als unsere Psychologen bisher geglaubt haben.</p> - -<p>Bei den letzten Worten und der sie so ausdrucksvoll begleitenden -Geberde — sprang der Günstling der Venus entsetzt zurück, wobei ein -Dutzend Menschen, die hinter seinem Rücken vorbeigingen, seinen Sprung -begleiteten — — die in ein lautschallendes Gelächter ausbrachen, das -sich bald in der ganzen Umgebung verbreitete. — Man blieb stehen... -man wollte sich amusiren — und schon war wieder die Polizei daran, -sich hineinzumischen, als der Jäger plötzlich den Kopf um zwei Zoll -höher als gewöhnlich erhob — eine grandiose Idee malte sich auf seiner -Stirn; er warf geringschätzende Blicke — zuckte<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> die Achseln — und -schlug mit stolzen Schritten den Weg nach dem „Goldnen Lamm“ in der -Leopoldstadt ein.</p> - -<p>Hier ließ er sich ein Zimmer im hintern Hofe geben</p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„dort wo jenes altersgrauen</div> - <div class="verse">Kellers Zinnen herüberschauen!“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">ein mäßiges Stückfaß wurde zu ihm hereingerollt — er schloß sich mit -demselben ein und war für diesen Tag, sowie für kommende Nacht nicht -mehr zu sehen. —</p> - -<p>Althing hatte sich behende aus dem Menschenknäuel losgewickelt, er war -den Blicken entschwunden, bevor diese Zeit hatten, sich von dem weit -interessanteren Objekte, dem Jäger — abzuwenden... er eilte, flog in -Sturmesschritten der himmelblauen Pelerine nach. —</p> - -<p>Jedoch sie verdiente es auch. Es war eine köstliche Blondine von 16–18 -Jahren oder etwas drüber. — Allein unser Althing war auch ein Kenner, -das mußte man ihm lassen. Wäre Alles bei ihm so vortrefflich bestellt -gewesen, wie diese Eigenschaft — dann freilich würde er weit seltener -in die Lage gekommen sein, schrecklich<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> immer nur in Illusionen zu -schweben — was indeß für ihn keineswegs ein Unglück zu sein schien, -denn er hatte das Talent, nicht daran zu glauben — — er hatte das -seltene Vermögen, aus allen Unglücksfällen zusammengenommen sich erst -so recht sein Glück herauszubilden: er war dem Schicksal gegenüber die -personifizirte Ironie.</p> - -<p>Endlich holte er seine Pelerine ein: „Allerliebst!“ rief er sich zu: -„sie hat sich so eben wieder nach mir umgesehen! Ihr Auge schien mich -schmelzen zu wollen. — Hehehe! Das Glück, Freund Althing, kennt weder -Ziel noch Maaß... Dies ist heute schon die dritte, welcher ich zugleich -in den Weg laufe und die mich nicht mehr losläßt.... Aber ist das auch -recht von dir, Spitzbube von einem Don Juan? — Du liegst bis über die -Schultern bereits in andern Liebesfesseln — man hofft auf deine Treue -— man würde unglücklich werden, falls man dich des Gegentheils fähig -hielte — — man würde sich den Tod um dich geben... und dennoch läufst -du da dieser kleinen Schelmin nach — — die bereits heute die — — -ach, ich vergesse es<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> immer — die wievielte sie sei — ja richtig, die -dritte ist sie! — Bei meiner Annehmlichkeit! Das ist nicht recht — -das!!... Und jetzt ist gerade die Stunde, wo sie mir, meine holde Nina, -das Rendezvous geben will, Nina, die mich seit vier Tagen bei sich -empfängt, in ihrem kleinen Zimmerchen — — welches Zimmerchen sattsam -unsere beiderseitigen Schwüre gehört hat.... u. s. w. u. s. w. — —“</p> - -<p>Er sprach hier die volle Wahrheit, — das Alles verhielt sich wirklich -so, wie er sagte; diese Nina empfing ihn in der That bei sich, -schwur ihm in der That heiße Liebe und ewige Treue — gab ihm große -Beweise.... wie sie das jedoch meinte, wird sich später zeigen...</p> - -<p>Althing ging jetzt dicht hinter der blauen Pelerine einher, sie -mußte, falls sie sich jetzt noch einmal umsah, unmittelbar in sein -rothglänzendes Gesicht, gleichsam wie eine blutig aufsteigende -Sonnenscheibe, sehen — — und es ließ sich erwarten, daß dadurch ihre -Augen geblendet würden.... Wirklich geschah dies ganz so. Sie sah sich -um, sie fuhr erschrocken zusammen vor Althings Strahlenangesichte.... -sie<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> bedeckte sich obendrein auch noch die Augen.... kurz unser Dicker -glaubte das Recht zu haben, so zu sich zu sprechen:</p> - -<p>„Ah! Ah! — das ist zu stark! — Das hätte die Welt sehen sollen! — -O warum ist in diesem Augenblick hier nicht das Menschengeschlecht -versammelt, um Zeuge meines Triumphes zu sein!... Bei Gott! Venus, -— meine Beschützerin! so Etwas ist einer einfachen Mannsperson noch -gar nicht passirt! — Das sollte gedruckt, — unbedingt gedruckt, -oder noch besser — in Erz gegossen werden, um der Unsterblichkeit -anheimzufallen. — Aber, ach! Was sollte <em class="gesperrt">dir</em> unmöglich sein, -mächtiger Althing! — In der That — — ich fange an, rasenden Respect -vor mir selbst zu bekommen und mich für eine Art von Auserwählten -des Himmels zu halten ... für ein Wesen, das mehr ist als Mensch... -für einen Halb- oder wenigstens Viertels-Gott ... Schade, daß ich -die nähere Eintheilung dieser mythologischen Materie nicht genauer -kenne. — Und warum,“ fuhr er fort, immerwährend seinen Platz -hinter der jungen Dame behauptend — „schlägt sie jetzt mit ihrer -Gesellschaft diesen<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> Seitenweg da ein?... Ach! sicherlich will sie -in’s Paradies-Gärtchen gehen — in den Salon — ein abgesondertes -Kabinetchen... hehehe! hab’ ich’s nicht errathen? — Freund Althing... -ich sage Dir: du wirst in Zeit von einer Viertelstunde die Seligkeiten -der hohen Olympier genießen — unter deren Zahl du gewissermaßen auch -schon gehörst....“</p> - -<p>In diesem Augenblick betraten jene Damen wirklich das Paradiesgärtlein, -jedoch hielten sie sich in dem dortigen Etablissement nicht auf, -sondern durchschritten dasselbe, um sich hinten durch die Burg nach der -Stadt zu begeben... „Gleichviel!“ murmelte Althing: „der Ort macht es -nicht aus — sondern die Gelegenheit. — Wahrscheinlich will sie einen -bessern Platz finden.... oder aber, was noch möglicher ist — ihre -Gesellschaft, worunter mir eine Mama zu sein scheint, gibt es nicht zu, -steht ihr im Wege... Nun, wir werden bald sehen — was so viel heißt, -als <em class="gesperrt">siegen</em>!“</p> - -<p>Endlich in einem Gäßchen zwischen der Bastei und der Stadt blieb die -Pelerine mit ihrer Begleiterschaft stehen: „Aha!“ lachte der Dicke:<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> -„jetzt wird’s losgehen! Mache dich gefaßt, Althing! Ueberwinde sie! -Werfe sie in einem Augenblick zu deinen Füßen....“</p> - -<p>Die Pelerine drehte sich um — — und winkte ihm... „O! das hatte ich -erwartet! die Festung ist erstürmt!“ Kaum hatte er dies gesagt — so -trat er vor das Mädchen hin und verbeugte sich mit einer lächelnden -und stolzen Miene, die einem Cäsar wohl angestanden hätte: „Sie sind -sehr gütig, mein Fräulein,“ begann er in vornehm-nachlässigem Tone -— — und lüftete den Hut ein wenig.... „Sie kennen mich gewiß schon -längst!“ fuhr er mit einer kühnen Ueberzeugung von seiner berühmten -Liebenswürdigkeit fort.</p> - -<p>„Mein Herr von Althing,“ entgegnete das Mädchen: „Sie haben es -errathen.... der Ruf Ihrer Eigenschaften ist bis zu uns gedrungen — -und erfüllte mich seit jener Zeit mit der lebhaftesten Begierde, Sie -kennen zu lernen.... Deshalb erlaubte ich mir auch — Ihren Blicken -und Winken auf der Bastei — (wenn ich sie anders recht verstand,) -nachzugeben — und hier diesen weniger bemerkten Ort aufzusuchen — —<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> -um — um mit Bewilligung meiner guten Mutter ... die ich Ihnen hiermit -vorzustellen die Ehre habe —“</p> - -<p>Man verbeugte sich beiderseitig; der Stutzer sah sich einem alten -Monstrum gegenüber, das geeignet war, Schrecken einzuflößen...</p> - -<p>„Also mit Erlaubniß meiner Mama,“ fuhr das Mädchen fort — „habe ich -gewagt, Ihnen Gelegenheit zu geben — —“</p> - -<p>„Damit ich,“ fiel Althing mit jener Emphase ein, der man geflissentlich -einen künstlichen Anstrich gibt, um die Leute glauben zu machen, man -verstünde sich in solchen Affairen meisterhaft zu benehmen und sei -des Sieges schon im Voraus gewiß: „damit ich Ihnen die zärtlichen und -glühenden Empfindungen, von welchen diese Brust voll ist.... so, daß -das Herz davon in Flammen aufgehen muß...“</p> - -<p>„Lassen wir das!“ lächelte die Jugendliche: „und kommen wir auf andere -Dinge — —“</p> - -<p>„Nein, nein! denn meine Seele, mein ganzes Wesen ist von Ihrem Bilde, -von Ihrer Liebenswürdigkeit, von Ihrem Zauber hingerissen... und vermag -nicht zu leben...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span></p> - -<p>„— Muß vergehen — nicht wahr? hahaha! — Nur weiter, mein Herr.“</p> - -<p>„— Ich müßte vergehen — sterben vor Schmerz und Verzweiflung — wenn -—“</p> - -<p>„Weiter, weiter!“</p> - -<p>„Sie können noch spotten — können so kalt sein — da ich glühe und -brenne — und fast zu Asche werde....“</p> - -<p>„Das sind die gewöhnlichen Phrasen...“</p> - -<p>„O halten Sie mich nicht für einen gewöhnlichen Thoren — und dieses -Gefühl in meiner Brust für kein alltägliches. — Ich schwöre bei meiner -Seligkeit, daß ich zum Sterben Sie liebe — nur Sie ganz allein!...“</p> - -<p>„Aber Sie haben mich ja noch nie gesehen!“</p> - -<p>„Wie können Sie nur so Etwas denken. Ich kenne Sie seit sehr langer -Zeit — und gleich Ihrem Schatten schleiche ich Ihnen — freilich aus -Scheu ungesehen — nach.... Wo Sie sind, bin auch ich — ich kann nicht -leben ohne Dich, angebetetes, englisches Wesen.... Du lehrtest mir -die Liebe kennen — früher war ich unschuldig und unerfahren, wie so -mancher unter uns Jünglingen... Du warst das erste<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> Frauenbild, zu dem -ich wagte, die Augen aufzuschlagen .... Liebe mich — oder mein Loos -ist schauderhafter Tod!“</p> - -<p>Bei diesen Worten, in die sich zuletzt unwillkührlich die angeborne -Verliebtheit des alten Gecken mischte — fiel er, trotz December und -Schnee, vor das Mädchen auf die Kniee — breitete die Hände aus wie ein -betender Bramine — verdrehte die Augen und flüsterte mit möglichst -matter Stimme: „Oder den Tod! den Tod! —“</p> - -<p>In diesem Momente erhob sich um ihn ein lautes Gelächter und eine Dame, -für welche unser Ritter bisher keine Aufmerksamkeit hatte — da sich -diese derselben geflissentlich zu entziehen wußte, trat vor, schlug -ihren Schleier zurück (solche Damen tragen bisweilen auch im Winter -Schleier) und rief:</p> - -<p>„So also! dies ist die Treue, welche Sie mir angelobten! So halten Sie -also Ihre Versprechungen — Ihre Schwüre!... O es ist schändlich, Herr -von Althing! — es ist schändlich, ein Mädchen auf diese Weise — vor -ihren eigenen Augen zu hintergehen! — Es ist ent<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span>setzlich... und nie -wird Ihnen das der Himmel verzeihen!“</p> - -<p>Der dicke Held glaubte unter die Erde zu versinken. Er sah — -<em class="gesperrt">Nina</em>, seine <em class="gesperrt">Nina</em> in leibhafter Gestalt vor sich.</p> - -<p>„Ich wollte,“ begann sie heftig: „Sie auf die Probe stellen! Und so hat -man also bestanden? Glaubt man mit einem armen Mädchen blos sein Spiel -treiben zu dürfen!... Zuerst macht man sie verrückt vor Liebe — — und -dann und dann — —“</p> - -<p>Er hatte sich jetzt aus dem Schnee erhoben, aber seine Beinkleider -waren durch und durch naß...: „O, mein Fräulein — o, geliebte Nina!“ -wandte er sich mit flehender Geberde und gesenktem Haupte an diese: -„Verzeihung — theures Wesen! Engel in Menschengestalt — Verzeihung -für diesen Fehltritt.... welcher, bei allen Göttern! der erste meines -Lebens ist. O, verkennen Sie mich nicht.... beurtheile mich nicht -falsch, mein süßes Täubchen — meine Geliebte! Suche dem Dinge auf den -Grund zu kommen — und Du wirst finden, daß ich — — nur in einer Art -von Geistesabwesenheit dieser Dame da<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> eine Liebeserklärung machen -konnte. — Wahrhaftig — mein Kopf — mein Hirn — mein ganzes Wesen -ist so sehr mit Dir beschäftigt, daß ich durch vieles Denken an Dich, -wie’s scheint, mein Denkvermögen geschwächt habe... daß ich verwirrt -wurde... daß ich ein Thor wurde — ein Narr — ein dummer Teufel — -oder was Du sonst willst.... O! wie bereue ich das Alles! Könnt’ ich es -ungeschehen machen — mein halbes Leben wollte ich drum hingeben — und -bei meinen Jahren habe ich noch eine schöne Strecke Zeit vor mir! — — -Oh! Oh! ich Unseliger! ich unerfahrner junger Thor!“</p> - -<p>Die Gesellschaft konnte das Lachen nicht bezähmen — man nahm die -Taschentücher zu Hilfe, um die Gesichter dahinter zu verbergen. — -Althing, in seiner Consternation, nahm dieses jedoch anders: „O!“ -schrie er mächtig auf: „Sie weinen — meine Verehrtesten! Weint denn -heute die ganze Welt? — Es ist fürwahr ein trauriger Tag! — Und auch -Nina — meine angebetete Nina weint... sie schluchzt — ihre Brust — -ihre Schultern — ihr ganzer Körper schluchzt — — und ihr schönes, -liebes Gesicht wird mir<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> durch das Tuch entzogen... Doch, ja, ich habe -es verdient! Ich klage mich an! Ich verabscheue, ich verachte mich! -— — O!“ schrie er abermals auf — und fiel, trotz der durchnäßten -Beinkleider (er trug jedoch unter ihnen dreifaches Flanell und noch -überdies Watte), abermals in den Schnee: „O! mir kann niemals verziehen -werden! das seh’ ich... Niemals, niemals! — Ich werde nicht mehr -geliebt, mein Glück und — Alles ist dahin!“</p> - -<p>Jetzt endlich reichte Nina ihm die Hand — und sprach hinter dem -Schnupftuche hervor: „Nun denn — es sei Dir verziehen, Treuloser! Du -verdienst es zwar nicht und ich sollte Dich ewig hassen — Dich fliehen -— — aber, mein Herz spricht so laut zu Deinen Gunsten... daß ich -nicht umhin kann...“</p> - -<p>„Ah!“ jauchzte Althing und fuhr mit einem lebhaften Satze in die Höhe: -„Du Engel! Du Engel! — Sie hat verziehen! Sie nimmt mich wieder zu -sich auf.... Ach! ich wußte es wohl,“ murmelte er vor sich: „mir -widersteht man nicht! — — ich bleibe allemal Sieger, Ueberwinder! — -— Doch,“ sagte er zu der Gesellschaft — —<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> „da Sie, meine Damen,“ — -es war nämlich noch eine Vierte da — „Zeugen waren, sowohl von unserm -Zwist als auch von unserer Versöhnung — — so werden Sie, wie ich -hoffe, es mir nicht abschlagen, wenn ich Sie einlade, diesen Tag durch -irgend ein frohes Fest zu verherrlichen. Ich denke, wir könnten uns, so -wie wir da sind — in die Wohnung meiner geliebten Nina verfügen, und -dort zusammen im fröhlichen Vereine — ein kleines Mahl mit Champagner -einnehmen. Was sagen Sie dazu?“</p> - -<p>„Angenommen, angenommen!“ erhob Nina ihre Stimme und wie ein Echo -wiederholten die drei andern Huldinnen: „Angenommen! Angenommen!“ Man -ging. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Sechstes_Kapitel"><b>Sechstes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Immer noch Promenade.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">N</span>och war die Promenade der <em class="antiqua">beau monde</em> nicht zu Ende. Im -Gegentheil ostentirte sie jetzt, da das bürgerliche Element sich -ausgeschieden hatte, um zu Tische zu gehen — ihre interessantere, -fashionablere Seite. — Sie erhob sich aus einem mechanischen und -materiellen Umhertreiben — zur Conversation im Freien. Und jetzt -sehen wir uns gezwungen, jene Gestalten und Charaktere, welche wir zu -Anfang des vorigen Kapitels eingeführt haben, wieder herbeizurufen, da -dieselben nunmehr die agirenden Hauptfiguren geworden sind...</p> - -<p>Umgeben von einem Zirkel älterer und jüngerer Personen, worunter -illustre Namen der Residenz — schreitet Herr von Marsan langsam<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> den -Wall entlang, indem er in einer Auseinandersetzung begriffen scheint, -an welcher seine ganze Suite, man möchte sagen, mit Andacht theilnimmt. -— Dieser Cavalier, den wir seit einiger Zeit aus dem Auge verloren -haben, spielt jetzt in der höchsten Welt der Hauptstadt eine Rolle vom -höchsten Range. Dies mächtige Emporkommen hat er nicht blos seinem -Namen, seinem Reichthume und seinem Geiste oder seiner Schönheit zu -danken — sondern vornehmlich den mehrfältigen Affairen, in die er -während der letzten Zeit sich als Hauptperson zu verflechten wußte — -und worunter die Angelegenheit zwischen dem Grafen A—x und Cölestine -— nur eine einzelne war; denn in Bezug auf diese sprach alle Welt ihm -die Initiative zu, nannte ihn die veranlassende Ursache der Trennung -— und setzte hinzu: er sei noch immer der Geliebte Cölestinens, die -nur um seinetwillen ihr Schicksal mit so großer Heiterkeit zu tragen -wisse. — Unter seinen andern Liaisons war eine zweite von eben solchen -eklatanten Folgen gewesen — nämlich sein Verhältniß zur Herzogin -von S—; Marsan, von einem ihrer früheren Anbeter gefordert,<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span> schoß -diesem eine Kugel so durch den Kopf, daß der letztere in hundert Stücke -auseinander flog, gleich einem Apfel. — —</p> - -<p>Der Chevalier hatte in der That, und zwar nicht nur in Wien, sein -Renommée als Schrecken der Männer, wie als Abgott der Frauen, mit einem -Worte als Muster eines vornehmen Mannes, eines <em class="antiqua">grand seigneur</em> -von altem Schlage zu behaupten gewußt. — Wenn ihm indessen sein -stolzer, vornehmer und überlegener Charakter bei seinem Geschlechte -viel verdarb, so wußte er zur gelegenen Zeit durch eine Menge von -Talenten Manches wieder gut zu machen — und hatte er z. B. heute einen -Nebenbuhler bei der oder jener Frau besiegt, so versöhnte er ihn morgen -dadurch, daß er einer andern Leidenschaft desselben schmeichelte: einen -Reiter ließ er beim Wettrennen den Preis gewinnen — an einen Spieler -verlor er Geld — einem Dritten ward er in dessen Carriere behilflich, -so daß am Ende alle Mißtöne um ihn herum sich zur schönsten Harmonie -auflösten: diese Harmonie sang sein Lob und es wiederhallte in der -Welt....</p> - -<p>Indeß würde man irren, wenn man glaubte,<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> der Chevalier verstände nur -auf diesem wenig erhabenen Felde Lorbeeren einzuerndten; — das, was er -im Salon einer großen Dame war, galt er auch im Kabinet eines großen -Herrn, denn seine Hilfsquellen waren unerschöpflich, und sein Charakter -im Sinne der großen Welt allseitig. Er wäre als Geschäftsmann, als -Staatsmann vielleicht nicht minder groß geworden, wie er es jetzt -als einfacher Weltmann war — und obgleich er vorgezogen hatte, die -letztere Stellung einzunehmen, so sah er doch recht gut ein, daß er -dieselbe nicht werde behaupten können, ohne von Zeit zu Zeit den Arm -in die andere Sphäre hinüberzustrecken oder gar einen Schritt auf -das jenseitige Territorium zu thun. — Daher sagte das Gerücht nicht -zu viel, welches ihn in letzterer Zeit irgend einen diplomatischen -Auftrag übernehmen und deshalb so fleißig in den Häusern fremder -und hiesiger Minister aus- und eingehen ließ. Dieser Auftrag mußte -außerordentlich mysteriöser Natur sein, denn so viel sich die Fama der -guten Gesellschaft sich auch Mühe gab, ihn zu errathen, es wollte ihr -durchaus nicht gelingen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span></p> - -<p>— Ohne uns mit dem eigentlichen Inhalte der Conversation, welche im -jetzigen Augenblicke zwischen Marsan und jener Gesellschaft, von der -wir ihn begleitet sehen, stattfand, zu befassen, müssen wir dennoch -bemerken, daß dieselbe auf doppeltem Gebiete umherstreifte, und ihn so -recht in den Brennpunkt seiner gesammten Fähigkeiten — an die Spitze -der Bestrebungen seines ganzen Standes stellte. Er glänzte hier mit -seinem Geiste erstens als Cavalier und zweitens als Mann von Geist und -politischem Einfluß — — er beschäftigte den ganzen Kreis mit den -mannigfachsten Dingen — und während er diesem Herrn seine Ansicht über -den Unterschied zwischen Patschuli und Moschus mittheilte — ließ er -gegen jenes Mitglied des diplomatischen Corps eine feine politische -Anmerkung fallen, in einer Sprache, welche kein Anderer verstand....</p> - -<p>„Zum Henker!“ flüsterten etliche junge Attaché’s am äußersten Flügel: -„dieser Mensch kann Alles.... mich dünkt, er würde sogar auf einem -Seile tanzen...“</p> - -<p>„Er wird dies nicht nöthig haben, um sich früher oder später den Hals -zu brechen!“ meinte<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span> Einer, der zu den Wenigen gehörte, die Marsan sich -noch nicht verbunden hatte...</p> - -<p>Die Sache war, daß der Chevalier den Grundsatz hatte, sich auch eine -gewisse Anzahl <em class="gesperrt">Feinde</em> zu erhalten, da auch sie für einen Mann -der großen Welt unentbehrlich sind. —</p> - -<p>In einiger Entfernung von dem Chevalier bewegte sich eine andere -Gesellschaft. Es befanden sich hier die Generalin E—z, Herr von -Labers, die Gräfin Wollheim an der Seite des Fräuleins Eugenie von -Bomben, dieser frommen Seele der abendländischen Christenheit.</p> - -<p>Die Rede war von demjenigen, den man seit zwei Stunden beständig vor -Augen hatte... von Herrn von Marsan. — Man erörterte so eben den -traurigen Fall in des Grafen von A—x Hause, und Herr von Labers hatte -ihn eine von jenen Schickungen genannt, womit die Gottheit bisweilen -gute Menschen heimsucht, um ihre Kraft zu erproben und zu stählen — -oder auch um sie nach dem Kampfe des Sieges um so froher werden zu -lassen. — Jedermann stimmte in diese schöne Ansicht ein... nur das -Stiftsfräulein lächelte still vor sich hin, indem sie die<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> Achseln -zuckte, was ihr um so leichter fiel, als diese schon von Natur schief -und „nervös“ waren.</p> - -<p>„Die Oede und Melancholie in den Häusern des Generals Randow und -seiner Tochter — läßt sich durch das eifrigste Bestreben, das vorige -Leben in sie herbeizuzaubern — nicht unterdrücken.... Es zieht ein -schlimmer Geist durch diese Hallen, trotz aller geweihten Kerzen, die -darin brennen, und die einen Tag erlügen wollen,“ — bemerkte die alte -Wittwe des Feldmarschallieutenants; sie schloß mit den Worten: „Dieses -Unglück hat sogar mich erschüttert — diese Trauer hat sich sogar mir -mitgetheilt.“</p> - -<p>„Aber,“ sagte Gräfin Wollheim, „wie konnte man nur so grausam sein, und -das Räthselhafte in dieser Begebenheit dadurch erklären, daß man Herrn -von Marsan mit ihr in eine Verbindung brachte, welche Verbindung —“</p> - -<p>Hierbei fiel Herr von Labers ein: „durch die Würde der jungen Gräfin -hinlänglich widerlegt ist. — Ach, wir leben in einer Zeit, die sich -mit Gewissen und Ehre bereits so weit abgefunden hat, daß man beide nur -mehr dem Namen nach gebraucht.... Man könnte unsere Epoche,<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> ähnlich -wie man frühere die des <em class="gesperrt">Glaubens</em> — des <em class="gesperrt">Schwertes</em> — der -<em class="gesperrt">Barbarei</em> — der <em class="gesperrt">Philosophie</em> — der <em class="gesperrt">Umwälzungen</em> — -nannte: eine Epoche der <em class="gesperrt">Lüge</em> oder des <em class="gesperrt">Wahnsinns</em> nennen.“</p> - -<p>„Man geht so weit, zu behaupten,“ nahm Gräfin Wollheim wieder das Wort: -— „Graf Alexander habe gegründeten Verdacht — Beweise sogar, daß -Cölestine —“</p> - -<p>„Entsetzlich! Und so Etwas behauptet man wirklich?“ rief die Generalin -E—z.</p> - -<p>„— — Und mit Recht!“ flüsterte das Stiftsfräulein der Gräfin zu: „Mit -Recht!“ Die edle Menschenfreundin konnte die Vertheidigung der Tugend -nicht länger mehr anhören....</p> - -<p>„Was hat man nicht Alles bereits in der Welt behauptet!“ sagte Labers -lächelnd: „dergleichen Gerüchte schaden jedoch nicht mehr... Der, -welcher sie spricht, so wie der, welcher sie hört, glauben Beide nicht -mehr an sie.“</p> - -<p>„Der Graf soll für Cölestine ein Schreiben hinterlassen haben.... worin -er Punkt für Punkt seine Anklage vorbringt... da soll es unter Anderem -auch heißen: er habe mit eigenen Augen<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> die Zeichen bemerkt, welche -Cölestine mit dem Chevalier auf irgend einem Balle gewechselt...“</p> - -<p>„Die Zeichen waren <em class="gesperrt">handgreiflich</em>,“ flüsterte die Stiftsdame....</p> - -<p>„Ferner,“ fuhr die Gräfin fort: „gleich nach diesem Balle habe -Cölestine mit dem Chevalier eine geheime Zusammenkunft gehabt...“</p> - -<p>„In ihrem eigenen Boudoir — oder vielmehr Schlafzimmer, und zur -Nachtzeit, da Alles schlief... sie war drei volle Stunden mit ihm -eingeschlossen; — ihr Mann hat sie auf dem Verbrechen ertappt — ihr -Wesen — ihre Kleidung befand sich in einem Zustande...“</p> - -<p>„Still doch!“ bedeutete die Gräfin der zischelnden Schlange. „Auch,“ -wandte sich die alte Dame zur Gesellschaft: „von einem Billetdoux -spricht man, worin die junge Frau Herrn von Marsan ein zweites <em class="antiqua">tête -à tête</em> bewilligt haben soll.“</p> - -<p>„Und dieses Billetdoux,“ raunte Fräulein Eugenie trunken vor Freude -ihrer Begleiterin zu — „fiel dem Grafen in die Hände — — er hatte -jetzt ein Selbstbekenntniß — eine Selbstanklage der Verbrecherin. — -Ja, einer Verbrecherin!“ fuhr die Philanthropin wild fort: „wie die -Erde<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> noch keine abscheulichere getragen hat — wie selbst Babel sie -ausspeien würde — — während der saubere Frauenverein sie in ihren -Schooß aufnehmen und mit dem Mantel seiner Tugendlichkeit bedecken will -— welche Tugendlichkeit durch diesen Fall allein schon ihre Erklärung -findet, hehe! — O! Wie bin ich gerächt! Wie hat der Himmel selbst -sich zu meinem Partisan erhoben! — Bei allen Kneifzangen Nero’s! bei -dem Skalpirmesser der Indianer! — ich bin mit der Gerechtigkeit des -ewigen Schicksals ausgesöhnt. — Ich murre nicht ferner... ich neige -mich in Demuth und werde im Stillen fort arbeiten am allgemeinen Werke -der Liebe. Erst vor Kurzem habe ich wieder ein neues Surrogat für die -<em class="gesperrt">Armenspeise</em> erfunden; es besteht in einem Mehl, welches man aus -gestoßenen Tannenzapfen gewinnt, und welches Mehl die Eigenschaft hat, -daß es die Speiseröhre anschwellt; wenn Einem aber die Speiseröhre -geschwollen ist, kann man nicht viel essen, man lebt daher äußerst -billig....“</p> - -<p>„Zu den schmählichen Verläumdungen, von denen wir so eben gesprochen,“ -sagte Labers —<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> „gehört auch die, welche einen neuen Beweis gegen die -arme Gräfin A—x in dem Umstande sieht, daß der Chevalier von Marsan -seit der Abwesenheit ihres Gemahls ihr Haus nicht mehr besucht. Diese -so natürliche Thatsache — diese Delikatesse von Seiten Marsans legt -man demselben als eine abscheuliche Absichtlichkeit aus, als wollte er -den Gerüchten keine neue Nahrung geben.“</p> - -<p>„Es ist wahr,“ murmelte die Stiftsdame: „daß er sie am Tage nicht -besucht, das wäre auch sehr albern.... sie kommen zur Nachtzeit -zusammen, halten ihre Bacchanalien unter dem Schleier der Mitternacht -— und das scheint mir weit vernünftiger.... hehe! —“</p> - -<p>In diesem Augenblick stieß man durch ein Ungefähr, welches Marsan und -seine Gesellschaft zwang, stillzustehen, mit der letzteren zusammen -und machte den ferneren Weg an ihrer Seite, wobei sich nun nichts mehr -zutrug, was irgend verdiente, hier aufgezeichnet zu werden. —</p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Wie wir wissen, hatte Althing jenen vier Damen, mit welchen wir ihn in -einer „hohlen<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> Gasse“ getroffen haben, zu einer Mahlzeit eingeladen, -die bei der Gebieterin seines Herzens (Keiner glaubte er noch so tief -in’s Herz gewachsen zu sein!) statt finden sollte. Ferner wissen wir, -daß er sich mit ihnen sofort auf den Weg begeben habe. — O, es war -ein hitziger Kerl, dieser Althing! Er hatte Temperament und Feuer -für Zehn! — — Nach mannigfachen Krümmungen durch enge Gäßchen und -Durchgänge gelangte man endlich auf’s Salzgries — denn hier wohnte die -Dulcinea des Ritters. Als echte Dulcinea wohnte sie dem Himmel näher -als der Erde; — — Althings Geliebten hatten überhaupt alle diese -Eigenthümlichkeit. — Sie wohnten sämmtlich nicht unter sechs Treppen. -— Aber wem, der je ein glühendes Jünglingsherz im Busen trug — sind -sechs Treppen mehr als eine Kleinigkeit gewesen — über welche er -hinwegeilte, während man kaum zwei Schnippchen schlug? — Daher kommt -es auch, daß unser Mann seit den drei Tagen, da er seine holde Nina die -<em class="gesperrt">Seine</em> nannte — mindestens schon vierzig Mal diese allerliebsten -sechs Treppen auf und ab gelaufen war. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span></p> - -<p>Er bewies dies auch jetzt. Ehe man sich’s versah, war er oben — — die -vier Schönen keuchten ihm mühsam nach, hatten es ihm jedoch nur bis zum -zweiten Treppenabsatze nachthun können. —</p> - -<p>Fräulein <em class="gesperrt">Nina’s</em> Wohnung bestand in zwei Zimmern und einer Art -Küche, die zugleich als Vorzimmer diente. Wir sagen zwei Zimmer — -weil wir uns gerne nach dem Sprachgebrauche der Personen richten, -mit welchen wir zu thun haben, und Fräulein Nina sprach stets von -ihren „zwei Zimmern.“ Wer aber war dieses Fräulein? Hierher paßt -dasjenige, was ein trefflicher französischer Novellist der neuesten -Zeit, <em class="gesperrt">Charles de Bernard</em> in einem seiner Werke<a name="FNAnker_C_3" id="FNAnker_C_3"></a><a href="#Fussnote_C_3" class="fnanchor">[C]</a> über jene -Gattung Menschen in Paris sagt, die man dort die <em class="gesperrt">problematischen -Existenzen</em> nennt.</p> - -<p>„Diese Parias,“ sagt unser Schriftsteller — „von denen man nicht weiß, -woher sie kommen, noch wohin sie gehen, ohne eine Familie, die sie -anerkennt, ohne einen Stand, den sie zu gestehen wagen, frei von allen -Pflichten — besitzen nur<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> so viel Erde, als die Blumenvasen ihrer -Salons enthalten, und leben wie Paschas. Wie wunderbar und doch so -gewöhnlich! Aehnlich den Lilien, von denen die Bibel spricht, arbeiten -sie nicht und spinnen auch nicht, und dennoch bietet manchmal ihr Luxus -den Herrlichkeiten der Prinzen Trotz..... Verfolgt sie bis zu ihrem -Ursprunge, diese Bäche mit unverschämtem Rauschen, mit den golden -schimmernden Wellen, wie der Pactol, ihr werdet unfehlbar an eine -unreine Quelle kommen... u. s. w.“</p> - -<p>Ohne die Dame, von der wir sprechen, in die höchste Klasse dieser -Existenzen zu rangiren, ohne sie zu den weiblichen Industrierittern -<em class="antiqua">par excellence</em> zählen zu wollen, müssen wir von ihr doch -sagen, daß es ihr an nichts fehlte — um stets vor der Welt in einer -reizenden Hülle erscheinen und Dummköpfe verdrehen zu können... Ihre -Begleiterinnen und die Alte, welche sich als ihre Mutter gerirte, (man -kennt diesen Posten!) waren natürlich ihres Gleichen.</p> - -<p>„Meine Freunde und Freundinnen, machen Sie sich es bei mir so bequem -als möglich...!<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span>“ fing Fräulein Nina an die Frau vom Hause zu spielen -— nachdem Alles eingetreten war und Platz genommen hatte — — „und -um Ihnen mit gutem Beispiele vorauszugehen, will ich selbst den Anfang -machen....“ Sie trat in ihr <em class="gesperrt">zweites Zimmer</em>, blieb daselbst -einige Minuten lang, und erschien sodann — vollständig metamorphosirt -bei der Gesellschaft.... so daß Althing nicht umhin konnte, einen Ruf -der Ueberraschung auszustoßen....</p> - -<p>Seine Dame hatte ihr Costume so weit abgeworfen, daß das jetzige -sehr stark an jenes von Adam und Eva erinnerte: sie trug über ihren -ursprünglichen Reizen weiter nichts, als einen Unterrock und eine Art -Camisol aus Mousselin, welches im Winde flatterte, offen wie eine -Flagge. — Sogleich eilten auch die andern Damenschaften in das Kabinet -und erschienen nach einer gleichen Zeit in einem überraschend ähnlichen -Anzuge.... Dieses Intervall, so klein es war, hatte der verliebte -Ritter gewandt zu benutzen gewußt; er hatte seine Dame zu sich auf den -Schoß gezogen — ihr einige Dutzend Schwüre<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> ertheilt und abgenommen — -auch etwelche Küsse und andere Zärtlichkeiten.</p> - -<p>„Aber wer wird nach dem Gasthause gehen, um das Nöthige -herbeizuschaffen?“ frugen die Damen, kaum daß sie zurückkehrten....</p> - -<p>„Die Sache ist sehr einfach,“ erwiderte <em class="gesperrt">Nina</em>...: „meine Mutter -wird so gut sein und den Aufwärter aus der <em class="gesperrt">Stadt Neapel</em> -herbescheiden — — den hübschen Joseph.... bei dem mein Freund -<em class="gesperrt">Achilles</em>.... so heißt Du doch, nicht wahr...?“</p> - -<p>„<em class="gesperrt">Achilles</em> — ganz recht, meine Geliebte!“ versetzte Althing und -klirrte mit seinen Sporren....</p> - -<p>„Nun, bei ihm kannst Du sodann Alles bestellen, was wir brauchen... -Habe ich nicht Recht, theurer Achilles?“</p> - -<p>„Vollkommen, vollkommen!“ lächelte der Dicke — der sich mit diesem -Namen, den er so eben erst angenommen hatte, sehr zu gefallen schien...</p> - -<p>Ohne Säumen begab sich die ehrwürdige Mutter des Fräuleins, so wie -sie da stand — nach dem Gasthause zur „Stadt Neapel“...<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> Sie mochte -ähnliche Wege schon oft in solchem Costume gemacht haben....</p> - -<p>Während ihrer Abwesenheit unterhielt man sich über Verschiedenes... was -aber nicht ganz nach Althings Geschmacke war, denn er wollte sich blos -mit Einem beschäftigen. Er hielt seine Angebetete noch immer auf dem -Schoße und schwitzte dicke Tropfen unter der Anstrengung, die es ihm -verursachte, nebenbei noch gegen die Uebrigen den Liebenswürdigen zu -spielen... Indeß war er darüber nicht böse, denn er zeigte sich gerne -gewandt in den Künsten der Galanterie, welche ja sämmtlich in sein Fach -einschlugen.</p> - -<p>Der schöne Joseph und die alte Vettel erschienen bald im Zimmer. Der -erstere brachte mit der Karte jene ungeheure Aufmerksamkeit der Wiener -Kellner mit, woran sich die des übrigen Deutschland ein Beispiel -nehmen sollten. Nebenbei lachte der schöne Joseph zu Zeiten auf so -eigenthümliche Weise — hiervon sah jedoch Althing nichts, welcher sich -in die grundlosen aber auch goldhaltigen Schachten der Speisekarte -vergraben hatte. — Nina aber schien diesen Blick<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> Josephs ganz gut -bemerkt zu haben und sie gab dem schönen Joseph einen bedeutsamen Wink.</p> - -<p>In kurzer Zeit bog sich der Tisch unter einer zahlreichen Menge von -Speisen und Getränken ... das Mahl begann und ward demselben, wie sich -vermuthen ließ, von sämmtlichen Gästen eine gebührende Ehre angethan. -Diese Damen aßen auf eine Weise — als hätten sie entweder noch niemals -gegessen oder als sollten sie in Zukunft nimmer essen — und wenn man -sagt, daß die Liebe den Appetit benimmt, so hatte dies Sprichwort -bei Fräulein Nina total Unrecht, denn diese aß und trank allein eben -so viel, wie die Andern zusammen genommen. — Bald wurden Toaste -ausgebracht und von diesem Zeitpunkte an bekam Mahl wie Gesellschaft -eine neue, nämlich die eigentliche Gestalt... d. h. alle Schranken -fielen, welche die thörichte Sitte erschaffen hatte — wenn auch nicht -zum Besten dieses Hauses. — Man fing an zu schreien, zu singen — -und Althing wurde so leidenschaftlich, daß Nina, die er noch immer -umherzerrte, ausrief:</p> - -<p>„Aber haben Sie denn den — Koller!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span></p> - -<p>„Nein, meine Geliebte — sondern ich bin sterblich in Sie verliebt, ich -könnte in dieser Stunde es mit einer Million Teufel aufnehmen, wenn die -Sie mir entreißen wollten...“</p> - -<p>„O, das ist nicht nöthig! Ich würde mich freiwillig für Dich -entscheiden — mein holder Achill — und wären es selbst eine Million -Engel. Du weißt, wie ich Dich liebe!“</p> - -<p>„Wirklich? — Und dies scheint nicht blos Redensart? — Ach Du machst -mich zum glücklichsten der Menschen.... Wie schade, daß wir hier vor -Zeugen sind! Ach, wären wir allein!“</p> - -<p>„Ja, wären wir allein!“</p> - -<p>„O — das sollte eine Wonne sein!“ schmachtete der alte Narr und -verdrehte die Augen, wie ein andächtiger Derwisch...</p> - -<p>„Ja — es sollte eine Seligkeit sein!“ wiederholte sie und verdrehte -nicht minder die Augen ... jedoch nur, um ihren Freundinnen ein Zeichen -zu geben, was diese verstanden und mit einem Kopfnicken beantworteten.</p> - -<p>„O, ich bete Dich an!“ seufzte Nina, gleichsam zerfließend in -Liebeseligkeit....</p> - -<p>„Und erst ich Dich!“ ächzte Althing, dessen<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> Leidenschaft sein Mieder -in der Weste und seinen Gurt um den Bauch sprengen zu wollen schien.</p> - -<p>„Ach — ach — — diese abscheulichen Menschen da! Wie sie uns -anglotzen!“ flüsterte sie ihm in’s Ohr...</p> - -<p>„Ich wollte — der Satan holte sie, trotzdem daß Deine Mutter dabei ist -— — und führte sie dahin, wo der Pfeffer wächst...“</p> - -<p>„Trinke doch — mein süßer Achill!“</p> - -<p>„Ja — ja — ich glaube jedoch schon ein wenig zu viel getrunken zu -haben....“</p> - -<p>Er stieß wirklich bereits mit der Zunge an.</p> - -<p>„Was schadet das! Der Wein gibt Muth ... und endlich werden wir dieses -Volk da, welches uns belästigt — zur Thür hinauswerfen...“</p> - -<p>„Ja! das — wollen wir! — Das ist ein köstlicher Einfall! — Wein, -Wein herbei! — So! Ein großes Glas! — Ich leere es auf einen Zug! -— — Alle Donner! — Nun habe ich die Kraft — es mit allen Hexen -des Blocksberges aufzunehmen..... Komm! komm!“ schrie er, hinlänglich -trunken, um kein Körnchen Verstand mehr zu besitzen: „Komm! — Wir -wollen diese alten und jungen Dämchen — über die<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> Treppe schmeißen.... -Vorwärts, meine Freundin: das wird für uns nur ein Kinderspiel sein! — -Ich habe es tausend Mal schon mit einer dreifachen Mehrzahl aufgenommen -und blieb immer Sieger!.... O, es soll eine Metzelei geben... daß es -eine Freude ist... Blut soll fließen...“</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="fig1" name="fig1"> - <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig1.jpg" - alt="Zu S. 144" /></a> -</div> - -<p>Und während er diesen Unsinn mit einer Mordbrennerstimme schrie — -stürzte er mit dem Vorlegelöffel bewaffnet auf diese Frauenzimmer, die -ihrerseits ebenfalls ein fürchterliches Geschrei erhoben — und nach -Hilfe rufend zur Thür hinausstürzten — über die Treppe hinabliefen, -wohin er ihnen, durch den leichtgewonnenen Erfolg übermüthig gemacht, -mit rasender Kampfeswuth nachfolgte — jedoch nur einige Stufen — denn -dann stolperte er über ein Paar — fiel und rollte gleich einer Walze -volle vier Treppen hinab bis zur zweiten Etage — wo er auf dem Flur -liegen blieb. Ein schauderhaftes Wehegeschrei entfuhr ihm hier: „Ich -bin zerschlagen... ich bin todt... ich bin aufgeplatzt... mit mir ist -es aus....“ Sodann verlor er die Besin<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span>nung, und was mit ihm weiter -geschah, wußte er nicht.</p> - -<p>Genug an dem, daß er sich Tags darauf bei vollkommenem Wohlbefinden in -den Armen seiner süßen Nina erblickte, welche auch in diesem Augenblick -zärtliche Thränen über den Unfall weinte, dem er gestern zur Beute -geworden.... Wie zu erwarten stand, war mit der Gefahr auch seine Angst -und sein Kleinmuth vorbei... seine Courage wuchs wieder riesengroß — -die Flammen seines Herzens loderten bis zum Dache des Hauses hinauf -— und begruben ihn und die schöne Nina, daß von den Beiden nichts zu -sehen war....</p> - -<p>Erst Nachmittag erhob sich der Sieger vom Schlachtfelde. Er ging nach -dem andern Zimmer, wo seine Sachen lagen, machte Toilette — und wollte -diese damit beendigen, daß er sich mit Uhr, mit Ringen schmückte und -nach seiner Brieftasche suchte.... Aber welches Entsetzen! — als er -bemerkte, daß nichts von alle dem zu finden war....</p> - -<p>„Wo ist meine Uhr hingekommen?“ schrie er... „Wo sind meine Ringe -hingekommen? — Es<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> befindet sich unter ihnen ein Solitär von Werth und -die Uhr hat 800 Gulden gekostet...! — Und wo, wo ist meine Brieftasche -— diese Brieftasche enthielt 1000 Gulden und noch andere Papiere von -Werth!“</p> - -<p>Auf sein Lärmen trat Nina herein: „Aber was ist Ihnen denn, mein Herr?“ -sagte sie, die Hände zusammenschlagend. „Sie geberden sich ja wie toll?“</p> - -<p>„Und das soll man nicht sein — wenn man so bestohlen wird.... wie es -mir bei Ihnen geschah.“</p> - -<p>„Mein Herr — Sie erlauben sich da, einen Schimpf auf mich zu werfen, -den ich nicht dulde ... Ich werde sogleich meinen Freund, der zehn -Schritte weit von hier auf derselben Etage wohnt, herbeirufen, damit -er mich vor der Behandlung schütze, die Sie sich unterstehen, mir -widerfahren zu lassen.“ — Jetzt eilte die Holde fort und erschien -wirklich gleich darauf mit einem großen schwarzen Kerl, der einen -Räuberhauptmann in den Abruzzen hätte vorstellen können.</p> - -<p>„Wie — Sie unterstehen sich?“ begann der Kerl und rollte ein Paar -Augen, die bei<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> Gott — wie kleine Granaten aussahen. „Sie wagen es, -meine Freundin zu beschimpfen... von Diebstahl zu sprechen... von -verlornen Uhren — Ringen u. dergl....“ Mit diesen Worten trat er ihm -dicht bis vor’s Gesicht hin, so daß der dicke Liebesheld erschrocken -sich zurückzog, und mit bleichen Lippen stammelte: „Aber — was wollen -Sie — mein Herr — ich habe ja — — das Recht — zu glauben — —“</p> - -<p>„Was?“ brüllte der Schwarze: „Sie haben gar kein Recht, -Niederträchtigkeiten zu glauben... Entweder haben Sie nicht einmal eine -Uhr, einen Ring oder eine Brieftasche besessen — — und das Ganze ist -nur eine elende Ausflucht, um der Bezahlung zu entgehen, welche Sie für -das gestrige Mahl zu leisten haben... Oder aber, angenommen, daß Sie -jene Sachen wirklich bei sich gehabt haben, so müssen Sie dieselben -gestern, während Sie mit den Damen Skandal machten — sich umherhetzten -und zuletzt wie ein Igel über die Treppe rollten... bei dieser -Spazierfahrt müssen Sie Ihre Preciosen verloren haben. — Begreifen -Sie mich nun?! — Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span>stehen Sie — mein Freund, wie? — Oder aber — -capiren Sie mich noch immer nicht?!“</p> - -<p>Die letzten Worte brüllte der verdammte Schwarze mit einer Bärenstimme -und begleitete sie mit solchen Wolfs-Geberden — daß der alte Adonis zu -zittern anfing, wie Einer, der das kalte Fieber hat, — und ferner kein -Wort hervorzubringen vermochte — als: „Schon gut — schon gut — — -ich bin — ja — zufrieden....“</p> - -<p>„Wenn dies der Fall ist,“ versetzte der Schwarze, ein wenig den Ton -seiner Bärenstimme mäßigend: „so können Sie gehen — — aber,“ fuhr er -fort und wieder brüllte er ganz entsetzlich: „wofern Sie von der ganzen -Geschichte nur das Geringste verlauten lassen, oder es wagen — damit -vor Gericht zu erscheinen, dann nehmen Sie Ihren Kopf in Acht.... ich -reiße Ihnen denselben herab, wie einen Kohl aus dem Garten...“</p> - -<p>„Es soll nicht geschehen!“ bebte Althing und pries seinen Schöpfer, als -er zur Thür hinaus war: „Das ist ja ganz unglaublich!“ sagte er zu sich -auf der Straße: „Es wohnen ja da Menschenfresser unter uns! — Wenig -fehlte, so hätte<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> der Kerl mir den Kopf abgebissen.... Gott sei meiner -armen Seele gnädig!...“</p> - -<p>Noch nie war er von einem Rendezvous trauriger heimgekehrt, als -diesmal.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Siebentes_Kapitel"><b>Siebentes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Der Zurückgezogene.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">I</span>n einem alten abgelegenen Schlosse der Provinz, wohin seit einer -langen Reihe von Jahren kein anderer Fuß gekommen war, als der der -Landleute aus der Umgegend, welche kamen, dem Amtmanne (Verwalter) -den Zehnten einzuliefern oder den gesetzlichen Arbeitsdienst auf dem -Gute ihres Grundherrn zu verrichten — in diesem einsamen düstern -Schlosse, dessen Ursprung sich in die graue Feudalzeit verlor, war seit -einigen Wochen ein regeres Leben eingezogen und mehrere Menschen gingen -dort ab und zu, wo früher lange Zeit hindurch nur Fledermäuse und -anderes Gethier umhergezogen waren. Dieses Schloß nun gehörte zu den -Besitzungen des<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> Grafen Alexander von A—x, war jedoch seiner Gemahlin -sowie seinen Freunden aus verschiedenen Gründen unbekannt geblieben, -worunter wir sogleich einen anführen wollen.</p> - -<p>An dieses Schloß knüpften sich sonderbare Erinnerungen aus der -Jugendzeit des Grafen, die er hier im Kreise ähnlich gesinnter -Gesellen — auf eine Lord Byron’s würdige Weise durchlebt hatte. Hier -wurden einst jene wilden, wüsten Orgien um Mitternacht gefeiert — -hier Mädchen verführt und Gott gelästert — hier in Wein, Würfeln -und wüthender Leidenschaft ein Dienst Moloch’s begangen, von welchem -der Aberglaube der Bauern noch jetzt, wie von einem übernatürlichen -Treiben, woran der Teufel in eigener Person theilgenommen, sprach — -und welche Epoche diejenige in des Grafen Leben war, von der dunkle -Sagen selbst in die Hauptstadt gedrungen waren.</p> - -<p>Wir haben hiervon bereits am Eingange der gegenwärtigen Novelle -gehandelt. —</p> - -<p>Natürlich, daß Alexander vor der Gesellschaft und besonders vor seiner -Gemahlin einen Ort geheim zu halten suchte, an welchen sich ein<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span> -Abschnitt seines Lebens knüpfte, den er in gereifteren Jahren und -namentlich unter seinen ersten Verhältnissen zu Cölestine alle Ursache -hatte zu desavouiren. — Man wußte wohl, daß er wild und unbändig -gelebt hatte — aber <em class="gesperrt">wo</em> dies stattgefunden, konnte Niemand -sagen. — Jetzt in der verhängnißvollsten Lage seines Lebens erndtete -Alexander die Früchte seiner klugen Verschwiegenheit — — er konnte, -da er sich von seinem Hause und von der Welt trennte, in ein Schloß -einziehen, von dem Niemand Kunde hatte, und wo er gesichert war, wie -ein Verstorbener.</p> - -<p>Seit seiner Trennung von Cölestine lebte er hier. Wie uns bewußt -ist, war seine Umgebung sehr klein und beschränkte sich auf den -Sekretär und einige Diener, auf deren Treue und Verschwiegenheit er -bauen konnte. Die Absicht, mit der er hierher gekommen, war, sich -von allen Geschäften und vom Verkehr mit der Gesellschaft überhaupt -zurückzuziehen und in Zukunft nur mehr als freiwilliger Verbannter, -als Anachoret zu leben, zurückgezogen in seinen Stolz, in seinen -Groll. — In späteren Jahren wollte<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> er nebenbei auch noch eine Reise, -vielleicht eine sehr große vornehmen — stets jedoch seine Einsamkeit -behaupten. Er glaubte, die Welt hinlänglich kennen gelernt zu haben, -und — fand nur Verachtungswürdiges in ihrem Bereiche. Denn es hatte -ihn nicht nur sein Weib betrogen — seine Freunde, seine Bekannten, -die, welche sich seine Getreuen, seine Brüder nannten — sie Alle, aus -früherer sowohl wie späterer Zeit, waren falsch, tückisch, heuchlerisch -und feige gewesen, hatten ihm geschmeichelt, so lange es ihr Vortheil -war, und flohen ihn, als er in’s Unglück kam. Diese Ansichten — -welche übrigens bei ihm schon seit langer Zeit existirten — waren -jedoch nicht ganz das Resultat des Lebens, wie er glaubte, sondern sie -beruhten großentheils auf seinem krankhaften, trübsinnigen und düstern -Charakter, den wir hinlänglich kennen. — Mag dem indeß sein, wie ihm -wolle, er war ein Unglücklicher, in der That ein solcher, und nicht -blos ein affektirender... Er verdient beklagt und nicht verspottet zu -werden.</p> - -<p>Es wäre hier vielleicht der passende Ort, zwischen diesem Charakter und -einigen ähnlichen,<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> welche die neuere Poesie hervorgebracht hat, eine -Parallele zu ziehen — denn die moderne Romantik und Dramatik ist reich -an düstern und stolzen Melancholikern — wie die moderne Zeit, diese -Zeit schwärmerischer, hochklingender Wünsche und schaler, trauriger -Erfolge. Sollen wir hier die <em class="gesperrt">Lara’s</em>, die <em class="gesperrt">Corsaren</em>, -die <em class="gesperrt">Werther</em>, die <em class="gesperrt">Meinau’s</em>, die <em class="gesperrt">Arthur’s</em>, die -<em class="gesperrt">Wally’s</em>, die <em class="gesperrt">Helden Georg Sand’s</em> citiren? — Doch nein, -wir enthalten uns dessen, es würde doch eine undankbare Mühe sein, da -man mit diesem Thema gegen eine nüchterne unbarmherzige Kritik stößt -— der es gefällt, dasjenige wegzuspotten, was doch vor ihren Augen in -düsterer Wirklichkeit steht — wollte sie sich nur die Mühe nehmen, -die Augen aufzuthun. — Aber schon weil man so gerne darüber spottet -— existirt es; denn am heftigsten hat sich die Satyre stets gegen das -<em class="gesperrt">Bestehende</em> gerichtet. —</p> - -<p>Die Lebensweise Alexanders auf dem alten Schlosse war einförmig und -bitterlich traurig. Er bewohnte einige Zimmer, die ihm die Aussicht -auf den Wald und See boten, von welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span> zwei Seiten des Schlosses -umgeben waren. Diese Zimmer standen noch so, wie sie einer seiner -Vorfahren mütterlicher Seits vor mehr als 100 Jahren verlassen hatte. -Da sich die Conservationssorgen des Verwalters vorzüglich diesem -Theile des Hauses zuwandten, so war es ihm gelungen, hier Alles noch -im reinsten Geschmacke der Zeit der <em class="gesperrt">Theresia</em> zu erhalten ... -Diese Zeit aber, die Freundin eines eben so prunkenden als reellen -Luxus, hatte hier in fünf oder sechs Gemächern einen Reichthum an -Sachen und Verzierungen aufgehäuft, womit man heut zu Tage ein großes, -weitläuftiges Haus vollständig versehen könnte. — — Die schweren -Seiden- und Sammttapeten, welche die Wände verhüllten, waren allein so -viel werth, wie das ganze Ameublement einer mäßigen Wohnung unserer -Zeit... Diese prachtvollen Spiegel aus venetianischen Fabriken — -diese kunstreichen Uhren in kolossalen Gehäusen, wovon jedes ein -Meisterwerk damaliger Kunst... diese Armstühle, schwer vergoldet -und mit dicken Brokatstoffen, woran tausenderlei Blumen und Farben -glänzten, überzogen... diese Tische aus einem Eichenholz,<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> welches -noch jetzt hart war wie Granit — — diese Schränke mit den in’s -Fabelhafte gehenden Arabesken überladen — — diese Tischchen und -Kästchen von eingelegter Arbeit... endlich diese großen Familien- und -Schlachtengemälde aus einer Schule, die es mit den besten unserer -Zeit aufnehmen konnte... und zum Schlusse noch alles das Uebrige, -wovon eine hochadelige Wohnung damaliger Zeit erfüllt war und worunter -sich Gegenstände befanden, deren Namen uns nicht einmal mehr geläufig -sind... kurz in dieser Umgebung von 1700 und einigen Jahren lebte jetzt -Alexander, ein moderner Mann, ein Zeitgenosse von uns.</p> - -<p>Noch vor Tagesanbruch erhob er sich aus seinem feudalen Himmelbette, -kleidete sich ohne Beihilfe eines Kammerdieners an und lehnte sich -durch’s offene Fenster in die kalte Luft eines dunklen Wintermorgens -hinaus.... Es machte ihm ein stolzes Vergnügen, die Natur vor sich in -ihrer erhabenen Erstarrung — den Himmel in seinem grauen, zerrissenen -Königsmantel zu sehen.... Und wenn so kein einziges Sternlein blinkte -— der Mond sich dicht verhüllt hatte —<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span> wenn der karge Wiederschein -des Eises und Schnees das einzige Licht des Horizontes war — daß -solchergestalt dessen Dunkelheit erst recht sichtbar wurde... dann -freute sich sein Herz, denn es fand jetzt Uebereinstimmung mit sich -selbst, nach der ja ein jedes Herz verlangt — mag dieser Einklang auch -noch so traurig sein. Die Dienerschaft hatte den strengsten Auftrag, -sich ihm nie anders, als gerufen zu nähern — — und oft verging ein -halber Tag, ehe er nach dem Verwalter, Sekretär oder sonst Jemand -verlangte. — Häufig noch vor Sonnenaufgang ging der Graf in einen -Mantel gehüllt hinaus in’s Freie und streifte bis in den abgelegensten -Theil der Landschaft hinaus... Der Jäger traf ihn dann am Morgen mitten -im Walde eine Meile vom Schlosse entfernt. Hier saß er auf einem -hohen Felsenvorsprung — — und starrte hinaus in’s Leere, Gott weiß -wohin.... der Jäger aber schlug ein Kreuz, denn dieser Felsen war aus -der Vorzeit her sehr berüchtigt, was schon sein Name „der Heidenfelsen“ -hinlänglich andeutet — und überdies noch leiblich gefährlich,<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> denn -von ihm war es so schwer herab zu kommen, daß Niemand Lust hatte, -<em class="gesperrt">hinauf</em> zu gehen....</p> - -<p>Die übrigen Stunden des Vormittags brachte Alexander eingeschlossen -in seiner Bibliothek zu, die hier sehr alt, aber eben deshalb ganz -seinem Bedürfniß gemäß war. — Besonders an diese Bibliothek knüpfte -der gemeine Aberglaube — seine Beweise an. — Hier wie dort in der -Stadt übten die großen Bücher und unerklärbaren Instrumente auf die -guten Leute der Gesindstube und des Dorfes eine unheimliche Macht aus; -denn die Macht der Bücher ist so gewaltig, daß derjenige, welcher sich -sträubt, den Gott in ihnen anzuerkennen, wenigstens vor dem Teufel -zittern muß, den sie enthalten sollen. —</p> - -<p>Das Mittagsmahl verzehrte Alexander ebenfalls einsam in einem -weitläuftigen Speisesaale, was einen sonderbaren, gespensterhaften -Anblick bot und die Diener, welche die Speisen hereintrugen, zittern -machte, so daß sie zwei oder drei Mal schon die Teller hatten fallen -und den Wein auf die Tafeldecke fließen lassen.... Nur wenn der -Sekretär oder der Verwalter ihren Herrn dringend zu sprechen hatten, -durften sie ihn bei<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> seiner einsamen Mahlzeit — dafür aber auch zu -keiner andern Stunde — besuchen, und er wies ihnen dann sich gegenüber -einen Platz an, jedoch ohne sie zum Essen aufzufordern.... was einiger -Maßen der Mahlzeit mit dem steinernen Gaste ähnlich sah. —</p> - -<p>Nach Tische machte er einen Ritt — Niemand wußte wohin, denn noch -Niemand hatte ihn hierbei begleitet. — Oft kehrte er erst in später -Nacht zurück, schweißtriefend oder durchnäßt vom Unwetter, das Pferd -aber häufig so ermattet, daß er es lange nicht wieder brauchen konnte -und der aufmerksamsten Pflege übergeben mußte.</p> - -<p>Die schroffe Abgesondertheit, welche er im Schlosse gegenüber seinen -Beamten und Dienern behauptete... änderte er auch nicht außerhalb -desselben — und er blieb seinen Unterthanen jetzt eben so fremd, wie -er es ihnen seit jeher gewesen war. — Nur in einer Hinsicht priesen -sie sich, im Vergleich zu jenen früheren Zeiten, glücklich, und ihre -diesfälligen Befürchtungen waren nicht eingetroffen. Früher verdarb -er mit seinen Gesellen ihre Felder — hetzte ihr Vieh — und bei<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> den -Jagden sie selbst — entführte ihre Mädchen — und lästerte ihren -Gott.... jetzt that er, wenn auch nicht unmittelbar, fast eben so viel -Gutes an ihnen; so zwar, als hätte er den Willen gehabt, ihnen den -alten Schaden zehnfach zu ersetzen, und Wunden, welche längst vernarbt -waren, als frischgeschlagene zu heilen. — In kurzer Zeit wurde der -Name des „gnädigen Herrn Grafen“ eben so gesegnet, als er früher -verflucht ward — und während man damals wünschte, jener Teufel, mit -dem er einen Bund geschlossen, möchte ihn recht bald holen — betete -man nunmehr für die Seele des armen Herrn, auf daß ihr Satan und seine -höllische Macht fern bleibe. — In Wahrheit, eines Tages begab sich -eine Deputation aus den zwei nächsten Dörfern zum Pfarrer und ersuchte -denselben ernstlich, kraft seiner priesterlichen Würde in dieser Sache -das Seinige zu thun, was in nichts Geringerem bestehen sollte, als in -der Austreibung Beelzebubs aus dem Leibe des „gnädigen Herrn.“ Der -Pfarrer — ein in dieser Hinsicht mit ihnen auf gleicher Geistesstufe -stehender Mann — nahm Alles wirklich so, wie es ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> geboten wurde, -und versprach, nach Kräften für die Erlösung des Gutsherrn zu wirken; -hierbei schien ihm der Exorzismus eben so wohl das einzige, wie das -unzweifelhafteste Mittel, da dies Mittel sich obendrein erst vor Kurzem -an einer Viehmagd bewährt hatte, die nächtlich stets von einem großen, -dicken bösen Geiste geplagt wurde, der in ihren Stall kam und sie -während des Schlafes (die Dirne hatte einen etwas kräftigen Schlaf,) -so lange quälte und drückte, bis sie stets davon erwachte und ihn mit -dem Besen davon trieb. — Seit der Geistliche nun den Exorzismus mit -ihr vorgenommen hatte — war vom Teufel keine Spur mehr zu sehen. — -Zufällig nur erkrankte um dieselbe Zeit ein großer dicker Knecht in -der Nachbarschaft, welcher Umstand jedoch weder von der Magd, noch -vom Teufelsbanner, noch aber von den andern klugen Köpfen des Dorfes -berücksichtigt wurde.</p> - -<p>Der Pfarrer empfing die Deputation in seinem Hofe, als er eben aus -dem Gänsestall, mit einer fetten Gans unter dem Arme, kam: „Also, Ihr -meint, der gnädige Herr sei wirklich vom — Gott sei bei uns besessen, -liebe Kinder?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span></p> - -<p>„Ganz gewiß, Euer Hochwürden — — und vielleicht nicht blos von -einem; es mögen da wohl ein Dutzend in ihm ihr arges Wesen treiben!“ -antwortete der Führer dieser Deputation, ein alter Bauer, der schon -drei Mal in Wien und einmal sogar in München gewesen war, deshalb auch -für ein absonderliches Lumen galt. —</p> - -<p>„Aber welche Beweise habt Ihr, meine lieben Pfarrkinder, daß dies mit -dem gnädigen Herrn wirklich —?“ er sprach das Wort nicht aus, denn so -eben hatte die Gans unter seinem Arme sich ein wenig allzunatürlich -betragen und den Pfarrrock des guten Pfründners in Verlegenheit -gebracht, — — sogleich beeilten sich die Mitglieder der Deputation, -ihm ihre Dienste anzubieten, wischten und putzten mit Fingern und -Rockärmeln, bis die Verlegenheit der schwarzen Toga gehoben war. —</p> - -<p>Der Pfarrer, noch immer die Gans fest unterm Arme haltend — dankte -ihnen lächelnd und fuhr nun im Verhöre fort: „Ich fragte Euch, Ihr -lieben Leute, nach den Beweisen, auf die Ihr Euere Behauptung von des -Herrn Grafen<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span> Unglück stützt? Was habt Ihr Besonderes an ihm bemerkt?“</p> - -<p>„Euer Hochwürden — — erstens ist der gnädige Herr ohne die gnädige -Frau, auf die wir uns so gefreut haben und zu deren Empfang wir sogar -eine Triumphpforte aus Pappe, mit Raketen und Puffern gespickt, beim -Kaufmann bestellt haben, gekommen....“</p> - -<p>Der Pfarrer dachte ein wenig nach, gab dann der Gans, welche sich zu -bewegen anfing, einen Schlag auf den Kopf und versetzte ernst: „Das ist -Etwas! — — Aber ferner?“</p> - -<p>„Ferner,“ fuhr der Sprecher fort: „ferner ist der gnädige Herr den -ganzen Tag über eingeschlossen — redet mit keiner Menschenseele.... -sondern blos —“</p> - -<p>„Sondern blos — — meine Kinder?“</p> - -<p>„Mit sich selbst!“</p> - -<p>„So?!“ betonte der Parochus — und gab seiner Gans abermals einen -Schlag, denn sie wollte keine Ruhe annehmen, sie schien ein äußerst -rebellisches Gemüth....: „Das ist,“ nahm er jetzt das Wort und machte -dabei die allertiefsinnigste Miene: „das ist allerdings ein wich<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span>tiger -Umstand, meine Freunde.... Er redet mit sich selbst — — das ist -böser, als ich glaubte. Doch weiter — weiter — ich muß Alles wissen!“</p> - -<p>„Der gnädige Herr Graf macht ferner oft um Mitternacht einsame -Spaziergänge in den Wald — und man sieht ihn in der Morgendämmerung -auf dem <em class="gesperrt">Heidenfelsen</em> sitzen, wobei er wild die Augen rollt, wie -zwei feurige Kugeln — mit den Armen umherficht, als kämpfte er gegen -Jemand in der Luft — und dabei hört man in der Nähe ein gellendes -Hohngelächter ..... selbst Feuerflammen blitzen auf und der ganze Ort -hat dann einen Schwefelgeruch.“</p> - -<p>„Gott steh’ uns bei!“ rief hier der fromme Priester und entsetzte sich -so, daß er die Gans losließ, welche unter abscheulichem Geschrei auf -die Erde fiel und mitten zwischen die Beine der Deputirten fuhr, daß -diese, in der Meinung, es sei der Teufel selbst, von dem sie so eben -sprachen — in Aufruhr geriethen — — und sammt dem Pfarrer, der so -wie sie dachte, in alle Winde auseinander stoben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span></p> - -<p>Die Illusion war in der That zu stark geworden.</p> - -<p>Tags darauf kamen sie wieder zusammen und nun wurde ausgemacht, daß -Se. Hochwürden im Ornate und mit den nöthigen Requisiten versehen — -auch von ihnen, den Deputirten, begleitet, dem Grafen auf einer seiner -Wanderungen nachfolgen, an einem bösen Orte mit ihm zusammentreffen und -ohne Rücksicht auf den unterthanlichen Respekt ihn umzingeln sollten -— der Geistliche aber sollte dann zu ihm in den Kreis treten, um das -heilsame Werk in aller Form zu vollbringen. —</p> - -<p>Zum größten Mißvergnügen der braven Leute machte ihr Gebieter seit -einiger Zeit seine Ausflüge nur zu Pferde, und da konnten sie auf ihren -Dorfmähren ihm nicht nachsetzen; überhaupt verstand der geistliche Herr -auch besser in seinem Lehnstuhle, als auf einem Pferde zu sitzen — und -so mußte man denn auf ein neues Auskunftsmittel denken.</p> - -<p>Man hatte bemerkt, daß der Graf in letzterer Zeit seine Touren weniger -geheimnißvoll als sonst gemacht — auch dabei stets eine und dieselbe<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> -Richtung eingeschlagen habe, woraus man scharfsinnig schloß: er muß ein -<em class="gesperrt">bestimmtes</em> Ziel verfolgen. Voll von diesem fruchtbaren Gedanken -— unternahmen die Teufelsaustreiber Folgendes. Zuerst versahen sie -sich mit Lebensmitteln auf mehrere Tage, denn sie waren fest überzeugt, -der Graf begebe sich täglich mindestens 20–30 Meilen weit, was ihm -bei seinem höllischen Mittel sehr leicht fiel. Nach diesem stellten -sie sich auf die Lauer und beobachteten sein Abreiten vom Schlosse; -sie folgten ihm nun auf seinem Wege ungesehen nach — behielten ihn -jedoch, so lange es ging, im Auge. Als sie ihn nicht mehr sahen -— — hielten sie an, lagerten sich neben dem Wege im Gebüsch und -warteten hier bis Morgen, wo er wieder vorbeikommen würde. Er erschien -wirklich — und nun nahmen sie die gestrige Operation von Neuem vor, -sie begleiteten ihn wieder auf versteckten Wegen — so lange, bis er -wieder ihren Blicken entschwand ... dann blieben sie abermals stehen — -und wiederholten dies geduldig, bis sie mit ihm fast zugleich an dem -verhängnißvollen Orte anlangten.</p> - -<p>Es war dies ein kleiner Weiler, drei Stunden<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span> vom Schlosse entfernt. -— Die Deputation jedoch bildete sich wirklich ein, zum wenigsten zwei -Tagereisen weit sich von ihren Dörfern zu befinden.</p> - -<p>Man quartierte sich in der verlassenen Lehmhütte irgend eines Hirten -ein, denn um ihrem Wahnsinn die Krone aufzusetzen, bildeten sich -die braven Leute auch noch ein, äußerst ermüdet zu sein. Man wollte -den nächsten Tag abwarten, heute nichts Ernstliches mehr vornehmen, -sondern höchstens insgeheim Erkundigungen einziehen und das große Werk -vorbereiten. Und was man in Erfahrung brachte, schien den guten Leuten -schrecklich genug, um die Haare ihres Hauptes sich emporsträuben zu -machen. In einem kleinen, am äußersten Ende des Weilers gelegenen -Hause sollte nämlich eine Frau mit ihrer Tochter wohnen, welche die -Besitzerin dieses Grundstücks war — da der Mann bereits vor längerer -Zeit gestorben. Wovon diese zwei Frauen sich nährten, konnte man -nie erfahren; es fehlte ihnen an nichts und — doch arbeiteten sie -nicht, sondern ließen auf einem Theile ihres Ackers, für den sie -keinen Pächter fanden, Gras und wildes Gesträuch wachsen. Sie pflogen -mit den Dorf<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span>leuten durchaus keinen Umgang — was für die Mutter -des Mädchens auch unmöglich gewesen wäre, denn sie litt an einem -langwierigen Siechthum, welches man, da das so ganz in den Kram der -hiesigen Einwohner paßte, dem bösen Geiste zuschrieb, der in diesem -abgeschlossenen Hause sich aufhalte. Man wußte nur noch zu sagen, -daß das Mädchen von ungewöhnlicher, zarter Schönheit sei, gar nicht -aussehe, wie ein Bauernkind, und daß sie allemal zu gewissen Zeiten des -Jahres nach dem herrschaftlichen Schlosse gehe, obgleich der Weiler -nicht zu Alexanders Besitzungen gehörte. Alles das war, wie man sieht, -sehr wenig in der Ordnung, sehr geheimnißvoll, und daher teufelsmäßig.</p> - -<p>— Dieses Haus und diese Leute nun hatte der Graf seit einigen Wochen -regelmäßig Tag für Tag besucht und bei ihnen oft bis zum späten Abend -verweilt. Man wollte gehört haben, wie dann die „Besessene“ drinnen -in der Stube — schrie, heulte und wildes Zeug trieb — während das -Mädchen laut weinte — der Graf aber mit ernster und gemessener Stimme -unverständliche Worte dazwischen sprach — gleichsam, als redete<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> -er mit dem Bösen in der Kranken. Oft wurde der Lärm, welchen diese -machte und das mystische Zureden des Grafen so laut und eifrig, daß -die ehrlichen Horcher davon liefen, fürchtend, die Alte würde noch zum -Fenster herausspringen — und Unheil im Dorfe anrichten....</p> - -<p>Es war heute gerade Mittwoch, und der Pfarrer bezeugte darüber eine -große Freude, „denn,“ sagte er zu seiner kleinen Heerde — „der morgige -Tag, als ein <em class="gesperrt">Donnerstag</em>, ist zur Bannung des bösen Geistes, -welcher, wie klar am Tage liegt, in diesem Hause einen Hauptstapelplatz -besitzt, außerordentlich günstig.“ Am Donnerstag war der Graf früh -Morgens im Weiler angekommen, und nachdem er sein Pferd in einem -Nachbarhause eingestellt hatte, verfügte er sich nach der Wohnung der -zwei Frauen; die Verschwornen, oder besser, die Alliirten säumten -nicht, auf Umwegen ihm rasch zu folgen, und nahmen, indem sie hinten -über eine Gartenmauer setzten, von dem Hause in so weit Besitz, als -sie nur mehr in die Stube einzudringen brauchten. Sie zögerten jedoch -mit diesem letzten Schritt — denn der Pfarrer wollte den Teufel -zuvörderst <em class="gesperrt">behorchen</em><span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> — um zu sehen, was es für ein Teufel wäre -und wieviel Gesellen er bei sich habe... Se. Hochwürden steckten sich -daher in’s Ofenloch und — — vernahmen, sahen auch durch eine Ritze -wunderliche Dinge.</p> - -<p>In einer kleinen Stube, deren Fenster mit Vorhängen aus grüner Sersche -verhangen und außerdem auch noch durch Blumenranken verstellt waren — -— die Einrichtung hier deutete auf kein Bauernhaus, sondern athmete -bürgerlichen Wohlstand — — stand ein großes Bette mit dem weißesten -Linnenzeug überzogen, darin lag eine kranke Frau. Neben ihrem Kopfe -saß ein junges Mädchen von seltener Anmuth, nicht über 15 Jahre alt -— und zu den Füßen des Bettes saß der Graf. — Auf dem Gesichte der -Kranken wechselte ein lebhaftes Mienenspiel, welches demselben bald den -Ausdruck ungeheuren Schmerzes — und gleich darauf wieder jenen sanfter -Ergebung, inniger Rührung ertheilte. In diesem Augenblick schien der -letztere Ausdruck auf längere Zeit den Sieg davon tragen zu wollen; -die kranke Frau — sie mochte nicht viel über 30 Jahre alt sein — -stieß einen<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> langen Seufzer aus, richtete das zuvor flammende Auge mit -unendlicher Milde auf Alexander und sprach mit einer Stimme, die aus -innerstem Herzen zu kommen schien: „So sind Sie also gekommen!... So -haben Sie also der armen niedern Frau, die Sie einst durch Ihre Liebe -so glücklich machten, nicht vergessen, Herr Graf?“</p> - -<p>Hier schwieg sie ermattet und faltete die Hände, als wollte sie ihm -damit jenen Dank ausdrücken, welchen zu stammeln ihre Lippe zu schwach -war.</p> - -<p>„Nein, nein!“ antwortete Alexander bewegt und düster sie anblickend -— „ich habe Ihrer nicht vergessen — Margaretha... Ich habe nicht -vergessen, wie Sie mich liebten, als ich im wüsten Jugendtaumel ein -reines und treues Herz noch nicht schätzen gelernt hatte.... Jetzt ist -es anders geworden....“ setzte er leise vor sich hinzu: „O!“ sagte -er mit gebrochenem Tone: „Wie haben Sie mich geliebt! Und wie habe -ich es Ihnen vergolten!“ Nach diesen Worten sank sein Haupt auf die -Brust herab, welche heftig athmend einen schweren Kampf zu bestehen -schien....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span></p> - -<p>„Ja,“ entgegnete sie — „ich habe Sie so geliebt, Herr Graf — daß ich -um Ihretwillen elend, entsetzlich elend geworden bin.... die unheilbare -Krankheit, an der ich leide, hat bereits mein Lebensmark aufgezehrt — -— und bald — bald....“ Sie wollte fortfahren, hatte jedoch hierzu -nicht mehr die Kraft.</p> - -<p>Mittlerweile erfüllte das Schluchzen des Mädchens das Gemach und -Alexander reichte ihr die eine, ihrer Mutter die andere Hand, so daß -Geliebte und Tochter von ihm gehalten wurden.</p> - -<p>Denn so verhielt es sich in der That. Alexandrine, dies der Name des -Mädchens — war sein Kind; ihre Mutter hatte vor sechzehn Jahren -zu jenen Unglücklichen gehört, die sich damals den schmeichelnden -Lockungen und der rohen Gewalt des Wüstlings ergeben hatten, bei -jenen Orgien, welche er mit einem Trupp ähnlich gesinnter Freunde -feierte.... Der Unterschied zwischen ihr und den andern Opfern seiner -wilden Begierden war der — daß sie unglücklich genug war, eine -wahre Leidenschaft für ihren Verführer zu fassen, durch welche sie, -nachdem sie lange mit ihr gekämpft und sie in ihrem späteren ehelichen -Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span>hältniß auch zum Scheine bezwungen hatte — zuletzt in jene -schreckliche Krankheit fiel, die jetzt an ihrem letzten Lebensmark -zehrte. —</p> - -<p>„Sie wollten vorhin noch etwas sagen — liebe Margarethe!“ erinnerte -nach einer Weile der Graf: „Reden Sie! Häufen Sie Anklage auf Anklage -über mein Haupt... führen Sie Verbrechen auf Verbrechen an, die ich -an Ihnen begangen habe, als ich noch der Thor war, zu glauben, die -Welt sei nur da, mir das, was ich damals Freude und Lust nannte, zu -bereiten. — O beginnen Sie! Scheuen Sie sich nicht — ich werde Alles -geduldig anhören... und meine Reue wird Ihrem Zorne, Ihrem Unglück -gleich sein...“</p> - -<p>„Nein —“ sagte Margarethe: „glauben Sie ja nicht — daß ich Ihnen -zürne!... Ich würde Sie ja dann nie geliebt haben, Herr Graf! — — -Ach, ich schelte Sie nicht — ich habe Sie niemals gescholten, daß -Sie ein armes Mädchen verließen — Sie, ein großer Herr. Was sollten, -was konnten Sie denn anders thun.... früher oder später mußte es doch -geschehen. Wer hieß mich eine so maßlose Liebe für Sie fassen... der -so hoch über mir steht und sich nur auf<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> einen Augenblick zu mir -herunterneigen konnte... Waren Sie denn nicht ehrlich genug an jenem -Abend, da Sie mich zum ersten Male — in Ihr Schloß brachten — und -Ihren Freunden zeigten — ausrufend: „das kleine Ding da sagt, sie -liebe mich und wolle nicht, daß ich auch noch Andern gut sei.... das -Närrchen — das thörichte Landkind... Sie macht mich lachen!...“ Hatte -ich beim Anhören dieser Worte denn nöthig, Ihnen noch weiter zu folgen? -— Und doch folgte ich, und doch kam ich noch so oft selbst und zog -Sie noch so oft an meine Brust.... Ich kann,“ schloß die Frau, „Ihnen -nichts aufbürden, Herr Graf.... Ich kann nur über mein Schicksal -weinen.... Dieses allein hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe, -nicht Sie.“</p> - -<p>Die Rede hatte Margarethe so angegriffen, daß sie nach den letzten -Worten in eine Art Lethargie verfiel — worin sie ein leibhaftes Bild -des Todes vorstellte.</p> - -<p>Alexander verhüllte sich das Gesicht mit beiden Händen — das Mädchen -aber warf sich auf ihre Mutter hin, umklammerte sie mit beiden Händen -und schrie angstvoll: „Mutter! Mutter!<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> — liebe gute Mutter.... fasse -Dich.... stirb mir nicht.... der Herr Graf ist ja hier! Du siehst -ihn ja vor Dir stehen.... und sagtest Du nicht stets: „Ach, wenn nur -er kommen möchte! Wenn er nur da wäre! Wenn ich ihn nur noch ein -Mal mit meinen Augen sehen könnte... denn er ist Dein Vater und ich -habe Dich ihm geboren!...“ Das sagtest Du so oft, gute Mutter — und -setztest hinzu — — „dann, dann würde ich wieder ruhig — dann sollte -meine Seele zufrieden und mein Leib gesund werden!“ Und — nun da er -hier ist, er, den ich so gern Vater nenne, weil er so gut gegen mich -und Dich ist... nun, meine arme Mutter, hältst Du Dein Versprechen -nicht.... nun wirst Du mir wieder unglücklich, krank und elend! — -— O mein Gott! mein Gott — erbarme Dich unser!“ So jammerte dieses -zarte, unschuldige Geschöpf, dessen Miene der Ausdruck frommer, inniger -Herzensgüte war und dessen Stimme so hold und rein klang, daß man sie -tief gerührt hörte. — In der That schien diese holde Stimme auch -wunderbar auf die Kranke zu wirken — sie regte sich wieder und begann -nach einer Weile in eine<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> Art von Clairvoyance zu fallen: „Kommt doch -her und seht mich an —“ sprach sie — „wie schön ich bin, wie gut -ich es habe! Mich liebt ein junger schmucker Graf... Er hat es mir -tausend Mal sagen wollen.... aber er schwieg immer.... weil er mich -damit zu erzürnen fürchtete....! — — Oh, er weiß aber auch, daß ich -ihn liebe.... Nein, nein! er weiß nichts, gar nichts! — — Er hat -keine Ahnung davon! — Und ich — ich will es ihm auch nicht früher -sagen, als um Mitternacht.... wenn wir schlafen .... dann will ich ihn -aufwecken und flüstern: — — Schäme Dich, schmucker Edelmann — — Ich -bin blos eine Bauerndirne — und Du gibst Dich mit mir ab. — Oder nein -— Du magst mich nicht — und <em class="gesperrt">ich</em> laufe Dir nach.... Hahaha! — -— Mit Hunden solltest Du mich vertreiben lassen — denn ich belästige -Dich in Deinem goldnen Schlosse.... und Deine Ahnen, die grinsen auf -mich herab und sprechen: Was will die unter uns? — Gehört sie denn -hierher? — Mag sie dahin gehen, woher sie kam.... von den Mägden! — -Ah! Ah! das ist recht! das ist gut! — Es geschieht ihr, wie<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> sie es -verdient. — Fort mit ihr! Hinaus aus dem Schlosse! Hinaus aus dem -Dorfe! Einen Mühlstein um den Hals — und in’s Wasser mit ihr, der -schändlichen Dirne! — —“</p> - -<p>Dieser Irrsinn artete jedoch keineswegs aus; er hatte keine -Gewaltthätigkeiten im Gefolge, wie er denn auch erst seit Kurzem sich -bei der Kranken einstellte, jedoch mit immer größerer Intensität. —</p> - -<p>Endlich nach einer viertelstündigen Dauer hörte dieser trostlose -Zustand auf und die Spuren des Paroxysmus schwanden allgemach dahin -— — der allmächtigen Rückkehr jener Milde und stillen Zufriedenheit -Platz machend, welche eine Folge der Gegenwart Alexanders zu sein -schienen... Nach einem innigen, seelenvollen Blick, den sie lange auf -ihm verweilen ließ — redete die arme Margaretha wieder: „O — er ist -noch immer da.... Er geht, er verläßt mich nicht! Er spottet nicht -über mich... es ekelt ihm nicht vor mir! O, wie gut ist er!... und -ich, ich habe ihn so verkannt.... Ich, so geringe Ansprüche ich an -ihn auch hatte und so wenig ich auch hoffen durfte, daß sie durch ihn -erfüllt würden — (denn am Ende hat er ja doch Alles gethan, was er mir -schuldig war: indem er für<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> unsere Zukunft sorgte) — — ich sehe jetzt -dennoch Alles über die Maßen erfüllt! — Er ist hier! Er kommt täglich -an meine Lagerstätte...“</p> - -<p>Sie schwieg. Augenscheinlich schien die Quelle ihres Lebens schon -gänzlich verrinnen zu wollen; man hörte ihr Rauschen von Stunde zu -Stunde weniger. Vor mehreren Monaten konnte Margaretha noch frei in der -Stube umhergehen — jetzt seit langer Zeit hatte sie das Bett nicht -mehr verlassen — und nur die Intervalle ihres Leidens, nicht aber -das Wesen desselben, waren seit Alexanders Besuchen ein wenig milder -geworden. —</p> - -<p>„Ich weiß,“ sagte sie nach einer Weile, wobei sie in den Armen ihres -Kindes lag: „daß diese Stube und meine Nähe kein Aufenthalt für Dich -ist — theurer Alexander. Das, was der Schmerz und meine Traurigkeit -mich zu Zeiten ausstoßen ließ, sollte Dir ewig verborgen bleiben. Es -ist nicht gut — wenn ein Kind die Vergehungen ihrer Mutter aus dem -eigenen Munde derselben hört — ihre Schande mit eigenen Augen sieht -— es ist kummervoll und wenig lehrreich für sie. — Aber,“ setzte sie -darauf weinend<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> hinzu: „vielleicht ist es eben gut und nützlich! — -Du hast an mir ein Beispiel, meine Tochter, — dem Du nicht nachahmen -wirst! —“</p> - -<p>„O,“ dachte Alexander bei sich, dessen Herz blutete, — „ich habe -dieses Alles verdient! — Die Strafe, welche ich in diesem Augenblick -erleide — ist schwer, aber gerecht. — — Mein Uebermuth, meine -wilde Begierde hat hier zwei Seelen zu Grunde gerichtet — — denn -was war das Leben von Mutter und Tochter? Eine Kette von Schmerz! — -— — — Ach, ach!“ versank er immer tiefer in den Abgrund seiner -Selbstanklagen: „und erst jetzt denke ich daran! Jetzt, nach 12 -Jahren.... nachdem es längst zu spät — nachdem eines dieser Herzen -gebrochen ist.... denn bald, bald wird es ausgepocht haben! Jetzt -erst nahe ich mich ihm — und will ihm Rettung bringen... So wäre ich -niemals hierher geführt worden, wenn mich nicht das eigene Unglück -hierher geführt hätte! — So mußte ich selbst erst betrogen und -verlassen werden, um zu begreifen, wie entsetzlich das schmerzt?! — -Ja, ja, arme Märtyrin der Treue, die Du da vor mir liegst — ich habe -es jetzt selbst<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span> kennen gelernt — wie bitter die Täuschungen, wie -tödtlich die Leiden der Liebe sind. — O, um aller Seligkeit willen -möchte ich kein Herz mehr kränken, das mich geliebt hat — eher wollte -ich sterben, als noch einmal falsch lieben! — — Falsche Liebe! — -Teufel in Heiligengestalt, du küssest unser Herz, um mit unsichtbarem -Vampyrrüssel das Blut aus demselben zu saugen!... Falsche Liebe — -ewige Paradiesesschlange! die du seit Jahrtausenden die Menschheit -verlockest — ihr süßes Glück versprichst und ewigen Tod sendest. — -— — — O, mich faßt fürwahr der Glaube, daß wahre Liebe gar nicht -lebe. Sie ist ein Hirngespinnst, ein Traum der Dichter! — Noch nie -hat es eine glückliche Liebe gegeben .... mir ist keine bekannt. -Entweder betrog er sie — oder sie betrog ihn. Das ist das Ende vom -Liede. — Wer etwas Besseres über die Sache zu sagen weiß, der komme -hierher und rede... er soll an mir einen aufmerksamen Zuhörer finden — -aber glauben, glauben werde ich ihm nicht, bis er mir Beweise bringt; -handgreifliche Beweise. — O, der <em class="gesperrt">Prinz von Dänemark</em> hat Recht: -„Wir sind Alle geborne<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span> Schurken!“ — Dies ist der größte Lehrsatz in -Poesie und Geschichte....“</p> - -<p>Er war bei seinem Monolog unwillkührlich laut geworden und Mutter wie -Tochter hörten seiner Rede mit Verwunderung zu. Da wandte er sich an -Alexandrine, ergriff das liebliche junge Wesen an beiden Händen und zog -es zu sich an seine Brust — dann legte er eine seiner Hände auf ihr -Haupt, sah ihr ernst und schwermüthig in’s rosige Angesicht und sprach:</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="fig3" name="fig3"> - <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig3.jpg" - alt="Zu S. 181" /></a> -</div> - -<p>„Vertraue keinem Manne, wenn Du groß sein wirst... und fliehe Jeden, -der Dir von Liebe sprechen will. Denn sei gewiß, er will Dich betrügen! -— Achte auf meine Worte, holdes Kind, und präge sie Deinem jungen -Gedächtnisse ein. Vielleicht verstehst Du ihren Sinn noch nicht -ganz.... O möchte er Dir nie durch die Erfahrung deutlich werden!“ -Jetzt verstummte er und ergab sich den zärtlichsten Liebkosungen, die -er im Uebermaße an das Mädchen verschwendete, und wobei die Thränen -dieses sonst so festen Mannes rannen, als hätte er damit alle Flecken -der Geburt von Alexandrinen abwaschen wollen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span></p> - -<p>„Nie hätte ich gedacht,“ flüsterte er ihr zu: „ein so liebes Kind — -ein so holdes Töchterchen zu besitzen! — Ach, ach, Dein Vater hatte -Dich gänzlich vergessen — arme Kleine.... nur einmal im Jahre, wenn er -Euch seine karge Unterstützung auf’s Schloß sendete, erinnerte er sich -während eines Momentes, daß Ihr noch lebt. — Aber wie geschah das? — -So erinnert der große Herr sich seines Knechtes, seiner Magd — seines -Hundes. Er weiß blos, daß er ihnen zu essen geben muß; im Uebrigen hat -er keine Gedanken für sie. — — O Schmach! O Schande! und auf diese -Weise wurdet Ihr von mir behandelt.... Ihr, die Ihr zwei Engel seid, -für welche diese Erde zu schlecht, zu niedrig ist. Ach, erst jetzt bin -ich fähig, Euern Werth zu schätzen — da ich sehe, daß Ihr das seit 13 -Jahren in Geduld traget, unter dessen Last ich seit etlichen Wochen -schon fast zusammengebrochen bin — O, meine Tochter, noch ein Mal! -Liebe keinen Menschen! — Niemand ist Deiner würdig... denn Du bist das -Ebenbild Deiner Mutter, an Leib wie an Seele. — Liebe niemals! — Es -gibt keine Liebe! — —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span></p> - -<p>„— — Und was ist denn das Gefühl,“ fragte er sich rasch: „welches -Margarethe einst mir — — und ich Cölestinen gewidmet? — Ist dies -denn nicht Liebe? — — — — O! O!“ stöhnte er: „Man könnte wahnsinnig -werden, wenn man lange nachdenkt! — Eine schreckliche Verwirrung -entsteht in unserm Gehirne, wenn es über diesen Punkt grübelt. Tausend -Fälle verneinen — zwei bejahen das Dasein der Liebe... Also lebt Liebe -doch!“ rief er mit einem Male aus: „Ja, sie lebt! — — — — Aber ich, -ich werde sie nimmer mehr finden!“</p> - -<p>Er blieb noch mehrere Stunden bei den Frauen. Die Kranke sprach nur -wenig und die ganze Thätigkeit des jungen Mädchens schien sich auf -Weinen und stilles Wehklagen zu beschränken .... denn dieses Kind -hatte eine Vorahnung von der baldigen Auflösung ihrer Mutter. Alles -Zureden, alle Trostsprüche, alle Liebkosungen des Grafen konnten sie -nicht beruhigen — — indeß die Kranke selbst den Tod nicht zu fürchten -schien, da sie ja, wie sie sich mit erschütternder Wonne ausdrückte: -„in den Armen<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> ihres wiedergefundenen Freundes und Herrn sterben -werde!“ —</p> - -<p>Ein stiller Trübsinn lagerte sich zuletzt über Alexanders ganzes Wesen -— weit tiefer, als jener, der ihm angeboren war und mit welchem er -sich seit so vielen Jahren umhertrug. — So, in dieser Stimmung nahm er -Abschied von der Kranken, indem er versprach, morgen früher als sonst -wiederzukommen und nicht eher zu scheiden, als zu dieser gegenwärtigen -Stunde. —</p> - -<p>Alexandrine begleitete ihn über die Schwelle des Hauses, wo er sie -auf die Arme nahm und lange, lange, so fest und warm an seine Brust -drückte, als wollte er sie nicht wieder fortlassen .... nachdem er ihr -noch einen Kuß auf die weiße Stirne gegeben.... entfernte er sich mit -raschen Schritten durch das Gärtchen, von dessen Thür er den Schlüssel -hatte....</p> - -<p>Kaum war er auf freiem Felde angelangt — als eine Bande fremder Kerle, -wovon Einige Pechfackeln, Andere Stöcke und Prügel in der Hand trugen, -ihm entgegen stürzten, drei bis vier sprangen heraus wie Tieger, und -sich an seinen Arm, an seinen ganzen Körper hängend,<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> rissen sie ihn zu -Boden, legten ihn platt auf die Erde, mit dem Gesichte gegen den Himmel -gekehrt, der diesmal voller Sterne war.</p> - -<p>Darauf trat einer, schwarz wie ein Schornsteinfeger aussehend, vor ihn -hin — fing an in lateinischer Sprache zu singen, zu schreien und zu -heulen... ging und lief rund herum — goß ihm eine Menge Wassers auf -den Kopf — und räucherte mit allen möglichen wohl und übel riechenden -Spezereien dazu — darauf badete er ihm noch einmal das Gesicht — -und zuletzt warf er eine Decke über ihn, die den unglücklichen Grafen -ganz einhüllte. — Er sah nichts mehr — aber bald fühlte er um so -mehr: nämlich fürchterliche Prügel, die es von Außen hageldicht auf -ihn regnete.... Alles dieses unter einem betäubenden, wüthenden -Geschrei der ganzen Bande und dem Kommandoruf des Schwarzen.... Nur -der außergewöhnlichen Körperkraft Alexanders konnte es gelingen, sich -in Kurzem aufzuraffen und dem Todtschlag unter den Händen dieser Rotte -von tollen Spitzbuben zu entgehen... Hierbei diente ihm die Decke als -Schild und Schutzmittel, denn<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> er hielt sie so vor sich hin, daß die -Streiche und Schläge nur sie trafen.</p> - -<p>„Ihr Schurken!“ schrie er: „seid Ihr denn wahnsinnig oder habt Ihr -wirklich ein Bubenstück vor? — Kennt Ihr mich denn nicht? — Ich bin -der Graf von A—x!“</p> - -<p>„Ja, ja — wir wissen es sehr gut, gnädiger Herr! Wir kennen -Hochdieselben! — O wir wissen Alles! — aber eben deshalb — schlagt -zu, Kameraden! Immer zu! Damit der Teufel den Leib des guten Herrn -verläßt! —“ Dies waren die Worte, womit der schwarze Anführer seine -Schaar ermunterte....</p> - -<p>Endlich bemächtigte sich der Graf des Knittels eines dieser Kerle und -nun warf er sich auf die nächsten, worunter der Anführer selbst, den -er zu Boden schlug, worauf die Andern sogleich die Flucht ergriffen, -heulend:</p> - -<p>„Ach! der Teufel ist mächtig! Er hat unsern heiligen Pfarrer -überwunden! Gott steh uns bei!“</p> - -<p>Jetzt erkannte Alexander den Pfarrer, und brachte endlich auch in -Erfahrung, daß seine eigenen geliebten Unterthanen es waren, mit de<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span>nen -er so eben einen Strauß zu bestehen gehabt. —</p> - -<p>„Aber,“ wandte er sich an den Geistlichen: „sagen Sie mir, was soll -denn das bedeuten? ... Sind Sie denn sammt Ihren Pfarrkindern um den -Verstand gekommen?“</p> - -<p>„Das nicht, gnädiger Herr,“ versetzte dieser, sich mit seinen -zerschlagenen Gliedern jämmerlich am Boden windend: „Wir hatten Gutes -mit Ihnen vor.“</p> - -<p>„Wie — Gutes?“</p> - -<p>„Wir wollten Ihnen den Teufel austreiben.“</p> - -<p>„Und dies sagen Sie selbst, der Pfarrer, der Lehrer, der Führer dieser -Bauern, dem es obliegt, ihren Geist zu erhellen und ihr Herz zu -veredeln? — Sie sprechen vom Teufel Austreiben? —“</p> - -<p>„Allerdings, gnädiger Herr!... Und haben wir Sie denn nicht gesehen, -nicht gehört — wie Sie da drinnen bei der <em class="gesperrt">besessenen Frau</em> -allerhand Teufelszeug trieben — weinten, lachten, beteten — und sich -mit diesem Weibe, die gewiß eine Hexe ist — auf eine Weise einließen, -daß<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> es uns, Ihren getreuen Unterthanen, ein wahrer Gräuel war. Können -Sie es läugnen: Sie umarmten das verfluchte Weib!“</p> - -<p>Alexanders Gesicht verfinsterte sich jetzt zum wilden Zorne: „Mein -Herr,“ sagte er zu dem Pfarrer — „Sie sind von diesem Augenblick an -Ihrer Pfründe verlustig und ich werde deshalb nach meiner Ankunft auf -dem Schlosse sogleich das Nöthige verfügen... denn wie mir dieser -Vorfall lehrt, so sind Sie weit eher dem Amte eines Stockmeisters oder -Banditenchefs als eines Seelsorgers gewachsen... Erwarten Sie morgen -meine fernere Entschließung. — Was jedoch diese Kerle dort betrifft,“ -fuhr er, auf die in einiger Entfernung stehenden Bauern deutend, fort: -„so sollen sie ihrer wohlverdienten Strafe nicht entgehen. Ich werde -ihnen für die Zukunft die Lust benehmen, sich um den Geisteszustand -ihrer Herrschaft zu bekümmern....“</p> - -<p>Damit entfernte sich Alexander, ging nach dem Gasthause, wo sein Pferd -stand, und ritt von da nach dem Schlosse zurück. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Achtes_Kapitel"><b>Achtes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Verlassene.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>ie Sachen in der Stadt standen indeß noch immer auf dem alten Punkte. -Cölestinens Haus war nach wie vor den ausgewählteren ihrer Bekannten -geöffnet — nur daß keine größeren Soirées und <em class="antiqua">jours fixes</em> mehr -statt fanden. In letzterer Zeit hatte die junge Frau sich inniger -als je an ihre Eltern angeschlossen; man sah sie nicht anders als -in Gesellschaft ihrer Mutter. Dieselbe schien mit ihr irgend ein -Geheimniß zu theilen, denn es geschah häufig, daß sich die Frauen für -mehrere Stunden mit einander einschlossen, und selbst vor den Augen -der Leute wechselten sie Winke, verständigten sich mit abgebrochenen, -geheimnißvollen Worten, ja es geschah ein Mal, daß Cölestine die -Generalin<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> mitten aus einem Zirkel von Damen herausholte, sie, zu -großer Aergerniß aller Leute vom guten Ton — aus dem Salon entführte, -und mit ihr erst nach einer starken Stunde zurückkam.</p> - -<p>„Ei!“ sagten die redlichen Freunde des Hauses: „wozu braucht es aller -dieser Umstände? — Die Gräfin hätte es ihrer Mutter gleich hier sagen -können — um was es sich handelt. Man ist ja von Allem auf’s Genaueste -unterrichtet...“</p> - -<p>„Natürlich! Es betrifft den geliebten Herrn von — Marsan! Was sonst?“ -flüsterte eine Dame...</p> - -<p>„O sagen Sie es nur gerade heraus, meine Liebe,“ bemerkte das -Stiftsfräulein: „Wenn Sie Etwas wissen — theilen Sie uns es ohne Scheu -mit... denn wir haben bereits so viel in dieser Sache erfahren und -gesehen — daß uns nichts mehr in Erstaunen setzen kann. Das Einzige -blos wundert mich, daß diese junge Gräfin noch immer nicht zum Mitglied -des Frauenvereins ernannt ist....“</p> - -<p>„Sie gibt als Grund an — mit ihrem eigenen Unglück hinlänglich -beschäftigt zu sein und nicht an fremde Dinge denken zu können!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span></p> - -<p>„O man kennt das!“ lachte die Stiftsdame: „Eigenes Unglück meint sie -vielleicht damit — daß Herr von Marsan gestern das Rendezvous nicht -eingehalten hat, welches sie ihm zu jeder Mitternachtsstunde in seinem -eigenen Quartiere gibt. — Denn er hat nur zu diesem Behufe das einsame -Haus, wo er jetzt wohnt, gemiethet...“</p> - -<p>„Was sagen Sie da, mein bestes Fräulein?“ riefen Zwei aus dem Kreise: -„ein Rendezvous um Mitternacht in seinem eigenen Hause...?“</p> - -<p>„Wie ich sagte: Punkt Zwölf — mit dem letzten Glockenschlage können -Sie, wenn Sie sich anders hierzu die Mühe nehmen wollen — dieses -Musterbild einer Gattin und eines Mitgliedes des Frauenvereins — Sie -können sie, sage ich, in eine fremdartige Kleidung gehüllt, aber leicht -an ihrem ganzen Wesen erkenntlich, ihr Haus durch ein Hinterpförtchen -verlassen und zu Fuße den Weg nach der Wohnung des Chevaliers -einschlagen sehen. Zehn Schritte von ihrem Hause erwartet sie, hinter -einen Vorsprung versteckt — Marsan..... sie gehen sodann eiligen -Schrittes, und indem sie sich tausendmal umsehen, eine Strecke fort, wo -ein verschlossener Wagen<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span> bereit steht, der sie aufnimmt und bis in das -Haus des Chevaliers bringt. Nach Verlauf von zwei bis drei Stunden... -wird die Fahrt auf dieselbe Weise zurückgemacht.... und so weiß diese -kleine Cölestine vortrefflich ihr Leben zu genießen, sich wegen ihrer -Strohwittwenschaft zu entschädigen.“</p> - -<p>Die Zuhörerinnen waren erstarrt. Sie glaubten zu träumen und fingen an -umherzublicken, ob wirklich Alles noch auf dem alten Platze stehe. —</p> - -<p>„Aber,“ rief endlich die Eine aus: „ist es denn denkbar! Es wäre -ein Fall, der seines Gleichen nicht hat: denn zu diesem Grade der -Verstellungskunst hat es noch Keine gebracht. Sieht man sie an, scheint -sie einen entsetzlichen Kummer niederzukämpfen und nur heiter zu sein -— um ihrer Freunde, ihrer Gesellschaft willen. Wie oft hört man sie im -Gespräche plötzlich verstummen — und Seufzer ausstoßen — oft sieht -man sich ihre Augen mit Thränen anfüllen... und das geschieht Alles so -wie unwillkührlich, als könnte sie es länger nicht mehr zurückhalten. O -die abscheuliche Heuchlerin! —“</p> - -<p>„Allein,“ bemerkte eine dritte Dame: „Cö<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span>lestinens Wesen scheint -sichtbar untergraben, was man auch dagegen sagen mag. Das ist nicht -mehr die blühende Gesichtsfarbe — das glänzende Auge... das leichte, -übermüthige Schaffen und Treiben.... Ihr Teint muß durch künstliche -Mittel aufgefrischt werden — ihr Gang ist schleppend — ihre Hand -zittert....“</p> - -<p>Hier schlug das Stiftsfräulein ein merkwürdiges Gelächter auf: „O,“ -sagte sie: „diese Symptome können ganz wohl einen andern Grund haben — -— denn man hat das Beispiel an jener italienischen Signora R**, welche -vor zwei Jahren hier starb....“</p> - -<p>Die Zuhörerinnen wandten sich bei diesen Worten von der Sprecherin -ab, welche vermöge ihrer tapfern Zunge so eben im Begriffe war, eine -Geschichte preis zu geben, die man sich bisher nur in Bierhäusern -erzählte. —</p> - -<p>Dieses Gespräch fand an demjenigen Tage statt, von welchem wir zuletzt -sprachen.</p> - -<p>Heute empfing von drei bis sechs Uhr Cölestine ihre Freunde bei sich. -Man hatte ein Concert angekündigt, bei welchem ein eben durchreisender -berühmter Künstler mitwirken und an<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span> dessen Schlusse eine Romanze von -Cölestine selbst vorgetragen werden sollte. — Sie saß, während ihre -Gäste kamen, in einem Armstuhle, dem Eingange des kleinern Salons -gerade gegenüber... Sie war ungewöhnlich bleich, und die bläulichen -Ringe, von welchen seit einiger Zeit ihre Augen umkreis’t waren, ließen -die letzteren heute ungewöhnlich tiefliegend erscheinen. Ungeachtet -dieser und anderer Zeichen eines inneren Leidens — eines leisen, -schleichenden und giftigen Siechthums jedoch war die verlassene Gattin -liebenswürdig gegen ihre Gesellschaft wie immer und eifrig bemüht, -derselben eine Fröhlichkeit mitzutheilen, von welcher sie selber doch -nichts besaß. Ihr Anzug war fast zu einfach und ein strenges Auge -konnte selbst jene kleinen Nachlässigkeiten daran wahrnehmen, vor -welchen sich eine elegante Dame der großen Welt stets in Acht nimmt und -die sie sich höchstens in ihrem Boudoir erlaubt. Die Gräfin trug ein -blaßblaues Morgenkleid und im Haare einige dunkelblaue Schleifen, was -Alles nur dazu beitrug, ihr Aussehen noch leidender zu machen... Selbst -die kleine Lorgnette von Schildkröte, mit Perlen besetzt, hatte sie -heute vergessen....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span></p> - -<p>Sie empfing jede einzelne Person, die sich ihr näherte, mit mehr als -gewöhnlicher Salonshöflichkeit... ihr Willkommen war wirklich innig -und aus dem Herzen kommend; denn sie befand sich in einer sonderbaren -weichen Stimmung, welche sie nicht, wie sonst, zu bemeistern vermochte, -welche durchschien — und von gewissen Leuten, deren Geschäft dies ist, -im Stillen belacht wurde. —</p> - -<p>„Nun, meine Theure, was habe ich Ihnen gesagt? Ist dieses Betragen -nicht lächerlich und selbst beleidigend. Will man uns durch diese -zärtlichen Worte und Blicke nicht gleichsam sagen: das ist gut für -Euch! Ihr braucht nichts Besseres! — Ich wiederhole es Ihnen: diese -Gräfin hat uns heute um sich versammelt — um uns auf ihre Weise zum -Besten zu haben.... Aber sie soll sich täuschen! —“</p> - -<p>„Sehen Sie doch! da redet sie mit Herrn von Labers. Fällt sie ihm nicht -beinahe zu Füßen!... Haha! Wie abgeschmackt! Es fehlt nur noch, daß -sie uns heute mit gebrochener Stimme feierlichst ankündigt, sie wolle -sich in ein Trappistenkloster zurückziehen — — und darauf morgen mit -Marsan durchgeht...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span></p> - -<p>Man erräth es, wer so gesprochen.</p> - -<p>In diesem Augenblick trat General Randow mit seiner Gemahlin ein — -und bei ihrem Anblick war es, wo Cölestine sich zum ersten Male erhob, -um den geliebten Eltern entgegen zu gehen. Mit einer unbezwingbaren -Rührung, mit einem Wesen, welches auf innerste Erschütterung -hindeutete, warf sie sich in die Arme der Mutter; und ein feines Ohr -hätte sie leise die paar Worte aussprechen hören: „Noch immer kein -Trost!“</p> - -<p>„Von beiden Seiten nicht?“ fragte eben so die Generalin, und Cölestine -bejahte nur mit einer stummen Senkung des Hauptes, welches so schwer -geworden war, daß sie es mehrere Minuten lang auf die Schulter der -Matrone legen mußte.</p> - -<p>„Sagen Sie mir —“ redeten jene Freundinnen unter einander: „was -bedeutet wieder diese Farce da? — Es fehlt nichts weiter, als daß man -uns in diesem Schauspielhause Entrée bezahlen läßt...“</p> - -<p>„Bei Nero! — Sie fangen zu schluchzen an — <em class="antiqua">in conspectu -populi</em>, wie man sich ausdrückt. — O schändlich! — Ich wollte, -daß ich diese<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> beiden Heuchlerinnen in meinen Fußangeln hätte und daß -sie Beide nur <em class="gesperrt">einen</em> Hals besäßen.... Sie wissen, was ich mit -demselben anfangen wollte.“</p> - -<p>„Und dieser Labers! — Der Mann wird, nachdem man ihm die Weisheit der -Braminen und die Güte des Sokrates zugeschrieben, plötzlich auf seine -alten Tage ein Narr.... Er sieht den Zweien von Ferne zu und auch seine -Augen befeuchten sich...“</p> - -<p>„Der alte General hingegen scheint mir noch der Vernünftigste in dem -ganzen Quartett. Das ist ein wahrer Ehrenmann! — Er würdigt die -Affectation seiner Frauen keines Blickes; er bemerkt sie nicht — er -geht zu einigen alten Herrn und stimmt in ihr Gelächter ein, welches -wahrscheinlich irgend einer Anekdote gilt, die Graf Wollheim dort -erzählt...“</p> - -<p>„Und welche natürlich erlogen ist.... so, als hätte sie jener famöse -Herr von Althing erzählt, den man seines hübschen Lebenswandels wegen -in keinem Cirkel mehr duldet...“</p> - -<p>„Der aber bis zum letzten dennoch der intime<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> Freund von Cölestinens -liebenswürdigem Bruder Edmund war...“</p> - -<p>„An dem sich auch die Folgen dieses Umgangs bewährten — hahaha!“</p> - -<p>„Eigentlich, meine Freundinnen — sollte dieser Fall uns aus der -Familie der Randow verbannt haben...“</p> - -<p>„Wir besuchen dieses Haus auch nur, um uns an dem immer tieferen -Herabsinken desselben zu belustigen — beim Nero und Domitian!“</p> - -<p>Die Verläumderinnen hatten sich jedoch sehr geirrt, als sie glaubten, -der General sei zu jenen Herren getreten, um an ihrer Lustbarkeit -theilzunehmen; der General war seit dem Unglück seines Sohnes und -seiner Tochter ernst geworden, wie er es nie gewesen. Nicht daß er -sich der Fassungslosigkeit und dem Schmerze seiner Gemahlin hingegeben -hätte — er blieb kalt und fest bei diesem Begegniß, bei diesem Schlage -seines Hauses — aber die chevalereske Heiterkeit und der männliche -Frohsinn, welche ihn sonst so liebenswerth gemacht hatten, waren auf -immer von ihm gewichen... und diesmal, in dieser Stunde und bei dieser -Gesellschaft, hatte er am allerwenigsten<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> Ursache, ihn zurückzurufen, -denn man hatte hier so eben über <em class="gesperrt">Edmund</em> gesprochen, auf welches -Thema der alte Jäger den Discours gebracht, weil er da in seinem -Elemente war. Wider Erwarten sah sich nun Wollheim von dem General auf -die Seite gezogen und dieser redete ihn an:</p> - -<p>„Herr Graf, wenn ich Sie bitten darf, so leiten Sie das Gespräch -nie wieder so, wie es eben geschah; ich würde es sonst als eine -Beleidigung, die mir selbst widerführe, aufzunehmen gezwungen sein -und dieselbe mit Bedauern rächen müssen. Ohnehin gehen in der -Hauptstadt hierüber die tollsten Sagen, so daß ich nicht weiß, was -ich mehr bewundern soll, den Erfindungsgeist, der sie ausbrütete, -oder die Leichtgläubigkeit, welche ihnen Glauben schenkt... Mein Sohn -hat sich, seinen Namen und sein ganzes Haus in eine traurige Lage -versetzt, dies bekenne ich mit Schmerz.... aber ich würde Niemand -rathen, den bedauernswerthen Jüngling, der seine Ehre vielleicht, wie -ein mißbrauchtes Mädchen ihre Tugend, durch fremde Gewaltthätigkeit -verloren hat, zu verspotten...<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> Wäre mein Sohn von Natur ehrlos und -nichtswürdig, so würde ich selbst kein Wort über ihn verlieren, sondern -seinen Namen mit eigener Hand aus meinem Stammbaume streichen. — -So aber umhüllt noch ein schreckliches Dunkel die Umstände seines -Verbrechens — ich weiß nur so viel, daß Edmund von Randow stets -würdig war mein Sohn zu heißen, und bis ich ihn selbst nicht über -seine That vernommen und seine Vertheidigung angehört habe — bin ich -entschlossen, ihn abermals, außer vor dem Gesetze, wohin mein Arm nicht -reicht, auf’s ernstlichste zu vertreten!“</p> - -<p>„Bravo!“ schrie der Jäger, nachdem er die letzten Worte angehört hatte -— und kaum sich länger zu halten im Stande war: „Bravo, alter Vater, -tapferer General! — Das nenne ich gesprochen.... wie sich’s gehört -— und wäre es nicht hier vor den Augen aller Leute, ich würde Ihnen, -hol’ mich Dieser und Jener, nicht nur um den Hals, sondern kurzweg um -die Kniee fallen. Ja — Sie haben Recht! Edmund, mein theurer Edmund, -mein Jüngelchen, mein Schüler ist ein Ehrenmann. Wer etwas Anderes<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> -behauptet, dem schieße ich eine Handvoll Entenschrotte in den Bauch. -Aber wie konnten Sie’s nur übel nehmen, daß ich von ihm sprach? Ich -erzählte ja das Rühmlichste. Ich sprach von einem Pirschen, welches -jetzt vor zwei Jahren zwischen uns stattfand und wobei Edmund, der -brave Junge, mir in demselben Augenblick, als eben ein alter Petz aus -dem Gesträuche auf mich herausbrach, das Leben rettete, indem er diesem -dicken Petz sein Jagdmesser bis an’s Heft — ja ich glaube sogar auch -noch seinen Arm mit in den Hals steckte.... worauf ich dann meinen -unvergleichlichen Schüler mit 18 Kannen Dickbier regalirte — so daß -er drei volle Tage weder A noch B sagen konnte — —“ hier hielt der -Nimrod inne, merkend, daß er im Begriffe stehe, einen dummen Streich zu -machen und Dinge — wiewohl große erhabene Dinge! — am unrechten Orte -zu erzählen. —</p> - -<p>Der General beruhigte sich seit dieser Erklärung, doch schien ihn der -Nachsatz sichtbarlich zu verdrießen und sein Unmuth kehrte wieder, -sich in folgenden Worten Luft machend: „Lieber Graf Wollheim, die -Sachen, welche Sie da erzählen,<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span> so wie überhaupt Ihr ganzes Verhältniß -zu Edmund, hat, glauben Sie mir, auch das Seinige dazu beigetragen, -den jungen Menschen zu dem Punkte zu bringen, wo wir ihn jetzt mit -Schmerz erblicken.... Nicht daß ich Sie nur im Mindesten beleidigen -und Ihren Umgang mit Edmund in direkte Verbindung mit seinem letzten -unglückseligen Streiche bringen wollte... das sei fern von mir. Jedoch -unter die bösen Gewohnheiten, welche seinen Verstand und sein Gemüth -befleckt und ihn zu immer traurigeren Verirrungen geführt haben.... -gehörte auch die <em class="gesperrt">Unmäßigkeit</em>....“</p> - -<p>Der Jäger wollte hier lebhaft losbrechen; seine Meinung über -Unmäßigkeit war eine ganz andere, als die des Generals, und er war fest -überzeugt, an Edmund nur Gutes gethan, ihn, wie er sagte, „zu einem -tüchtigen Kerle“ herangebildet zu haben. — Der General verhinderte -indeß jede weitere Erklärung, indem er fortging und seine Schritte zu -der früheren Gesellschaft lenkte, aufmerksam zuhörend, was sie sprach -— eifersüchtig den Ruf seines armen Kindes bewachend. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span></p> - -<p>Mittlerweile hatte das Concert seinen Anfang genommen. Eine tiefe -Stille entstand, nur zeitweise auf den entfernteren Punkten des -Salons von einigen alten Frauen und einem Paar junger Leute von jener -Sorte unterbrochen, die für nichts Sinn haben, außer für ihre eigenen -Wichtigkeiten — — und die ein Privilegium zu besitzen glauben, -überall stören, überall ihre alten Albernheiten zum tausendsten Male -wiederholen, überall lachen — überall Lärm machen zu dürfen.</p> - -<p>„Ach — welch’ ein Gesicht — das dort gegenüber von dem Cello.... -sehen Sie nur, lieber Arthur!“</p> - -<p>„Haha! — ein allerliebster Kerl!... Gewiß irgend ein großer -Kunstkenner.... seine rothe Nase bezeichnet ihn als Freund der -Geister...“</p> - -<p>„Und jenes Fräulein dort weiter! Kennen Sie sie nicht? Sie scheint zum -ersten Male in einer Gesellschaft, denn sie macht allen Leuten Platz, -die sich ihr nähern...“</p> - -<p>„Ach! Köstlich! Welche Bereitwilligkeit! Die trifft man heut zu Tage -nicht überall....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span></p> - -<p>„Uebrigens scheint sie mir nicht ohne <em class="gesperrt">Raison</em><a name="FNAnker_D_4" id="FNAnker_D_4"></a><a href="#Fussnote_D_4" class="fnanchor">[D]</a> zu sein! das -wäre vielleicht so Etwas für Dich — Du mein ruinirter Lancelot! —“</p> - -<p>Der, dem dieser Name galt, entgegnete: „Du irrst; ich bin von diesem -Systeme — eine Partie zu <em class="gesperrt">suchen</em>, abgekommen, und habe mir ein -neues gewählt; die Fortune muß <em class="gesperrt">selbst kommen</em> und.... sie wird -nicht ausbleiben.“</p> - -<p>„Einstweilen behilft sich Lancelot mit seiner Fürstin... dabei ist -wenigstens nichts zu verlieren, haha!“</p> - -<p>„Sie ist sein tägliches Brod... diese gute Herzogin. Sie schützt -wenigstens vor dem —“</p> - -<p>„Still, meine Herren! Ich werde alle weiteren Explicationen ernstlich -nehmen.....“</p> - -<p>Das erste Musikstück war zu Ende. Die jungen Herren hatten davon -gerade die letzte Note gehört... und sie bereiteten sich vor, es bei -dem zweiten eben so zu machen. — Indessen widmete ein großer Theil -der Versammlung den Productionen große Aufmerksamkeit — und Cölestine -selbst schien durch die Macht Polyhymnia’s<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span> dem trüben Diesseits -entrückt, zu den Regionen einer schönern Welt getragen zu werden. Ihr -Auge blickte seelenvoll vor sich, ihr Ohr schien mit Wonne in diese -Harmonie zu versinken... Einige Augenblicke lang schwand selbst die -kalte Blässe von ihrem Gesichte, eine zarte ätherische Röthe flog -ihre Wangen an.... so daß sie jetzt jedes künstlichen Mittels hätten -entbehren können. —</p> - -<p>Sie saß zwischen ihrer Mutter und der Generalin E—z, welche beide sie -abwechselnd betrachteten und wovon die erstere mit tiefer Rührung den -kurzen Frieden in ihrer Tochter Brust einziehen sah.</p> - -<p>Trotzdem unterließen Frauen mit Drachenherzen es nicht, giftige -Bemerkungen dicht hinter dem Rücken der Verlassenen anzustellen — die -jedoch an der anderweitigen Aufmerksamkeit Cölestinens ihre Wirkung -gänzlich verfehlten und von Niemand vernommen wurden, als von den -Sprecherinnen selbst....</p> - -<p>„Manche Musik klingt nicht so angenehm, wie diese da... zum Beispiel -jene, von welcher das Ohr eines armen getäuschten Gatten beständig -erfüllt sein muß....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span></p> - -<p>„Ach — es gibt Leute, die so Etwas nicht einsehen!“ bemerkte die -Stiftsdame: „die von Natur dazu geboren sind, Disharmonie in der Welt -zu erzeugen — und ihren Eltern, ihren Gatten, Freunden und der ganzen -Menschheit das Gehör zu zerreißen.... Trotzdem aber geben sie sich -große Mühe, für absonderliche Tonkünstler und Tonkünstlerinnen zu -gelten.... O man kennt diese Gattung!“</p> - -<p>„— — Können Sie mir nicht sagen, liebste Beste —“ fing die Vorige -nach einer Pause an: „wie es mit dem armen Grafen von A—x steht. Hat -man noch keine Nachrichten von ihm — und weiß man nichts über seinen -Aufenthalt, seine Lebensweise?“</p> - -<p>„Es thut mir leid,“ versetzte die Stiftsdame — „Ihnen damit nicht -dienen zu können. — Zuverläßlich jedoch hat sich der würdige und -hochgeschätzte Graf nach irgend einer entfernten Gegend begeben... denn -ich zweifle, daß er es in dieser Stadt oder in geringer Entfernung von -derselben lange hätte aushalten können. — — Man würde in kurzer Zeit -Gelegenheit gefunden haben — — das alte Spiel zu erneuern... man<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span> -hätte durch eine kluge, listige Behandlung ihn nach und nach wieder zu -gewinnen verstanden... man hätte durch zweite und dritte Personen auf -ihn gewirkt.... oder auch durch Briefe....“</p> - -<p>„Das Alles,“ erhob jetzt ein Herr, der wie aus den Wolken gefallen -schien, den Niemand kommen und hier auftreten sah, sondern der hier -inmitten dieser würdigen Damen plötzlich empor tauchte, seine Stimme: -„das Alles,“ sagte er, „ist geschehen, meine Damen. Obgleich der Graf -von A—x hundert Meilen von hier entfernt in einem verborgenen Thale, -einsam wie Timon und verschanzt wie dieser, lebt — hat man doch Mittel -gefunden, ihn auszukundschaften, hat sein heiliges Asyl entweiht — -hat seiner Einsamkeit und Trauer nicht geschont — hat ihn durch feile -Zwischenträger belagern — mit Lügen und Versprechungen bestürmen -lassen.... kurz hat ihm zum zweiten Male eine arglistige Lockspeise -vorsetzen lassen, um ihn zum zweiten Male damit zu vergiften.....“</p> - -<p>Seit Kurzem war Cölestine gezwungen, diesem Gespräch zuzuhören, -denn es wurde immer lauter geführt. Bei den letzten Worten sah man<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> -ein tödtliches Grau über ihr Gesicht ziehen.... sie bebte an allen -Gliedern, und eben schien sie die Besinnung verlieren zu wollen, als -der Ruf:</p> - -<p>„Ihre Romanze ist an der Reihe, Gräfin!“ sie weckte und mit einer Art -künstlicher, elektrischer, gewaltsamer Lebenskraft erfüllte.</p> - -<p>Sie stand auf und ging an den Flügel.</p> - -<p>Hier nahm sie neben einem Herrn, der sie accompagniren sollte, Platz. -Aber als man die Notenhefte der Romanze suchte — fand man dieselben -nicht. Und doch waren sie früher vor dem Anfange der Matinée von ihr -selbst aufgelegt worden. Das Ganze schien mit einem Wunder zuzugehen; -aber der Gesellschaft, obgleich diese die Wunder in neuerer Zeit wieder -außerordentlich liebt, schien mit dem gegenwärtigen keineswegs ein -Gefallen zu geschehen. Man bestand darauf, daß Cölestine singen sollte, -und da ihr in dem Gedränge, worin sie sich befand, nichts Anderes -einfiel, stimmte sie ein <em class="gesperrt">Lied</em> an, das sie ihrem Gatten sehr oft -vorgesungen hatte und welches diesem so gefiel, daß er es für seinen -Lieblingsgesang erklärte...</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span></p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„Abend ist, ein tiefes Schweigen</div> - <div class="verse">Zieht herauf vom Meeresstrand;</div> - <div class="verse">Himmelslichter sinken, neigen</div> - <div class="verse">Sich zum grauen Uferrand.</div> - <div class="stanza"> - </div> - <div class="verse">Siehst Du dort des Sternleins Schimmer,</div> - <div class="verse">Eilend nach dem größern Stern?! —</div> - <div class="verse">So auch folg’ ich ewig, immer,</div> - <div class="verse">Dir, Geliebter, nah und fern.</div> - <div class="stanza"> - </div> - <div class="verse">Sieh’ die Fluth das größ’re fassen!</div> - <div class="verse">Auch das kleine stürzt sich drein!</div> - <div class="verse">— So auch könnt’ ich nicht allein</div> - <div class="verse">Dich Geliebter sinken lassen!! — —“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Nachdem Cölestine den letzten Vers gesungen — fiel sie leblos auf die -Lehne ihres Stuhles zurück. —</p> - -<p>Alles erhob sich — fuhr durcheinander — man eilte von hundert Seiten -der Gräfin zu Hilfe.</p> - -<p>In dieser allgemeinen Verwirrung schlich sich jener Fremde, der zuvor -die verhängnißvollen Worte hinter dem Stuhle Cölestinens gesprochen, -hinaus.</p> - -<p>Es war derselbe unbekannte und geheimnißvolle Mensch, den wir schon -früher einige Mal in den Salons Alexanders und anderswo umherschleichen -sahen — finster und unheimlich wie das Verhängniß.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Neuntes_Kapitel"><b>Neuntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Trauer und Verzweiflung.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">W</span>as Alexander auf seinem Schlosse und in seiner Einsamkeit betraf, so -lebte er daselbst noch stets in der alten Weise. Seine Tagesordnung -blieb die nämliche, seine Absonderung, seine düstere Kälte, sein Haß -gegen die Menschen, seine finstere Sucht, sie zu vermeiden, und seine -scheue Angst, wenn er ihnen nicht ausweichen konnte — — bei dem Allem -jedoch auch seine Mildthätigkeit, seine geheim ausgeübte Menschenliebe, -sie waren sämmtlich die früheren. Täglich machte er den Ritt aus dem -Schlosse nach jener Gegend, welche wir kennen — täglich besuchte er -die kranke Margaretha und blieb in letzterer Zeit oft vom frühen Morgen -bis in die tiefste Nacht an ihrem Krankenlager...<span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span> Er hatte ihr einen -geschickten und zuverläßlichen Arzt geschickt, der seine Wohnung im -Orte selbst nahm, um stets bei ihr zu sein, sobald sie seine Hülfe -brauchte. — Ach, Alles das half zu nichts ... es war der menschlichen -Kunst nicht mehr möglich, dort etwas zu thun, wo die Natur bereits ihre -Verwesung vorbereitete....</p> - -<p>Da ward der Schmerz Alexanders übergroß; dieser Mann, sonst stolz, -kalt und schroff, schien seine inneren Stützen zu verlieren, schien -zusammenzubrechen, gleich einem untergrabenen Kraftbau. — Er konnte -sich nicht länger beherrschen: seine gepreßte und geängstigte Seele -machte sich in einem lauten, entsetzlichen Schmerzensschrei Luft — und -nachdem dieser ausgestoßen war, flossen seine Zähren gleich mächtigen -Bächen, als sollten sie die lange Tafel seiner Schuld, alle Vergehungen -seines früheren Lebens abwaschen. Er ward zum Kinde, ja weniger als -dieses, denn das kleine Mädchen zu seinen Füßen besaß jetzt mehr -Fassung als er: „O!“ rief er, der draußen den Stolz so gut zu behaupten -verstand: „könnte ich Dich, arme Dulderin, mit der Hälfte meines -Lebens, meines Glückes, meiner Seligkeit retten,<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> ja mit dem Ganzen — -— ich würde es thun, denn Du hast es um mich verdient! — Ach, warum -habe ich es früher nicht erkannt, warum vorsätzlich mich dem Bewußtsein -entzogen, daß ein Herz lebt, welches so große Liebe zu mir trug, daß -sie um ihretwillen in den Tod ging... eine Liebe, die nur gleichkommt -an Macht jener Falschheit und jenem Trug, welche mich die ganze übrige -Welt empfinden ließ, O wie glücklich hätte ich sein können! — In -dieser Erkenntniß möchte jetzt meine Seele sich auflösen in ungeheuren -Klagen. Was hatte ich nöthig, das Glück und die Liebe dort zu suchen, -wo sie nicht sind?... Was hatte ich nöthig, im rauschenden Leben der -Welt nach dem zu haschen, was nur in stiller Einsamkeit wohnen kann: -nach einem Herzen! — — O sie blühte nur in einem grünen Thale unter -einem bescheidenen Dache — die treue Liebe!... aber sie schien mir zu -niedrig — ich suchte eine stolze, erhabene; und was fand ich? Traurige -Täuschung! bittere Enttäuschung. — — Ha! ich möchte mich darob in -einen Ocean des ewigen Todes stürzen! —“</p> - -<p>— — An einem schönen warmen Frühlings<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span>abend starb Margaretha. Man -hatte sie in ihrem letzten Augenblicke in das Gärtchen hinausgetragen, -denn so wünschte sie es. Alexander saß wie immer neben ihr, düsterer, -trostloser, zerrissener als je; und jetzt sprach <em class="gesperrt">sie</em> ihm Muth -zu... jetzt suchte <em class="gesperrt">sie</em> ihm jene Säule wieder, an die er sich -lehnen sollte. Sie hielt seine Hand in der ihrigen, auf welcher schon -kalter Todesschweiß perlte — und unverwandt haftete der brechende -Blick ihres Auges auf ihm, welches Auge noch immer voll war von jener -tiefen, unergründlichen Liebe. — „Ich gehe ruhig aus dieser Welt —“ -lispelte sie, Wort für Wort mühsam aussprechend und nach jedem schwer -aufathmend: „ich sterbe glücklicher, als ich zu hoffen wagte.... Habe -ich ja den Geliebten meiner Seele noch einmal zu mir kommen und sein -Herz mir in inniger Zärtlichkeit sich zuwenden sehen.... Was soll ich -mehr von meinem Schöpfer verlangen....?.... Er hat mich reichlich -belohnt für allen Kummer.... Sein heiliger Name sei gepriesen!... Und -nun noch eine Bitte —“ flüsterte sie kaum vernehmbar...: „erbarme Dich -Deines Kindes — Alexander!!. Lebt Beide wohl!!...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span></p> - -<p>Sie hatte ihren Geist ausgehaucht. —</p> - -<p>Alexander ließ nun, die theuren Ueberreste gebührend zu ehren, sie -in dem Erbbegräbniß seiner mütterlichen Ahnen beisetzen. Den Schmerz -dieser Tage, dieser Stunden zu schildern ist unmöglich, aber seine -Größe läßt sich in Erwägung der nunmehrigen völligen Hoffnungslosigkeit -Alexanders recht wohl begreifen. — Dieser Mann betrachtete sich jetzt -so wie Einer, der früher nackt und arm war, plötzlich einen großen -Schatz fand, welcher ihm jedoch, kaum daß er ihn besaß — — durch eine -unerbittliche dunkle Macht entrissen wurde, mit der Gewißheit, daß er -nie wieder ihn erlangen — und in Zukunft wieder wie früher nackt, arm -und elend bleiben werde. —</p> - -<p>Jedoch nein! Nicht ganz war er dies. Ein leichter Punkt war ihm in dem -trostlosen Dunkel seines Daseins doch noch geblieben — eine grüne, -blüthenreiche Oase auf seiner fernern Reise durch die Sandwüste des -Lebens: das Kind Margaretha’s — sein Kind — seine holde Tochter -Alexandrine.</p> - -<p>Sein düsteres Schweigen, sein finsterer Ernst stieg von Tag zu Tage. -Er verließ jetzt nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span> mehr sein Schloß, sein Gemach — und kein -Menschenantlitz bekam ihn zu sehen; selbst die nothwendigsten Geschäfte -wurden zurückgewiesen und der Besorgung seiner Beamten überlassen.... -Nur Alexandrine, dieses junge Wesen voll Anmuth und himmlischer Güte, -blieb an seiner Seite — gleich einem Schutzgeist suchte sie die bösen -Stunden zu verscheuchen, von denen er wie von einem Heere wandernder -Dämonen umschwirrt wurde. —</p> - -<p>Aber es gelang ihr meistens nicht — und im glücklichen Falle nur auf -Augenblicke; waren diese vorbei, waren die zarten Kräfte des Kindes -erschöpft — so kehrten jene mit Wuth zurück und schleuderten ihn -wie einen Zwerg zu Boden. Unter den Leuten seiner Umgebung gewannen -die Sagen, welche über ihn gingen, einen immer schauerlicheren -Charakter... Alles das, was unerklärlich für den gemeinen Sinn war, -wurde von demselben auf’s schlimmste gedeutet, und so brachte man den -armen Grafen, den man früher mit bösen Geistern, einer Besessenen und -Hexe verkehren sah — jetzt gar mit der Hölle in <em class="antiqua">pleno corpore</em> -— d. h. mit der ganzen und vollen<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span> Zahl höllischer Heerscharen -in Verbindung, wobei man nicht vergaß, zu behaupten, diese hätten -unsichtbar vom ganzen Schloß Besitz genommen, und umtanzten bei Tage -den Herrn, zur Nachtzeit den Sarg der Hexe, die unten in der adeligen -Gruft lag... Bald, sagten sie, werde das ganze Schloß in Rauch aufgehen -— der Pechgeruch sei bereits allerwärts zu verspüren. —</p> - -<p>Auch von Alexandrine war da noch Vieles zu bemerken. Es ließ sich -nicht bezweifeln, daß irgend ein häßlicher Kobold in dieser zarten -Mädchenhülle verborgen sei, der die Bestimmung habe, den verlornen -Grafen zu bewachen — ihn keinen Schritt von der Straße abweichen zu -lassen, welche glatt und schnurstracks zum Königreiche Lucifers führt...</p> - -<p>Ungeachtet dieser freundlichen Beurtheilung, womit seine Diener und -Unterthanen ihn beglückten, unterließ er, der sich deshalb einmal mit -seinem Verwalter berathen hatte, nicht, ihnen Tag für Tag Gutes zu -erweisen, ihnen die Lasten zu verringern, die Pflichten angenehm zu -machen — ihre Vergehungen mit Nachsicht zu bestrafen, dagegen bei -Belohnungen großmüthig<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> zu verfahren und sich hierbei an kein anderes -Maß zu binden, als an das eines gütigen Herzens. —</p> - -<p>Glaube man ja nicht, daß es ihm hierbei um einen Zweck zu thun -war... er wollte durch diese Veranstaltungen weder berühmt noch -beliebt werden; es war weder die armselige Affektation eines -unglücklichen Theaterhelden — noch die wohlberechnende Klugheit eines -menschenfreundlichen Wucherers... es war einfach der dunkle, aber -mächtige Trieb jener Herzen, die in den Byron’schen Menschenhassern -wohnen und auf deren Grunde die edelsten Menschenfreunde verborgen -sind; edle, erhabene, tiefe, excentrische und gewaltig empfindende -Naturen, die vom Glück eben so heftig bewegt werden, wie sie das -Unglück erschüttert, so daß sie dort wie hier jeden Halt verlieren, -außer den Edelmuth, der nie von ihnen weicht, der kostbar blinkt, wie -die Perle in der Muschel, mag diese auch getödtet werden und verwesen. -—</p> - -<p>So ward z. B. jenen um das Seelenheil ihres Herrn so eifrig besorgt -gewesenen Leuten, deren Tollheit sich unter die Kutte ihres Pfarrherrn -ver<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span>barg — die angedrohte Strafe erlassen, dem letztern jedoch -bedeutet, das Kapitel des Exorcismus <em class="antiqua">in praxi</em> aus seiner -Liturgie zu streichen, was der geängstigte Geistliche um seiner -Pfarrkinder und Gänse willen auch zu thun angelobte — jedoch mit -schwerem Herzen, denn er war auf seine Teufelsbannkunst stolzer, als -auf alle seine übrigen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowohl im Latein wie -im Griechischen und Hebräischen, worin er freilich kein Weltwunder sein -mochte.</p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Wider seinen ausdrücklichen Befehl fand der Graf die Thür seines -Schlafzimmers heute nur blos angelehnt, nicht zugeschlossen, und -eben wollte er seinen Kammerdiener rufen, um ihn wegen dieser -Nachlässigkeit, die seiner jetzigen Meinung nach ein Verbrechen war, -zur Rede zu stellen ... als seine Blicke auf den Tisch neben die Lampe -fielen — und eines Briefes gewahrten, der mit großer Hast hingeworfen -zu sein schien, denn er lag so, daß er jeden Augenblick auf die Erde -fallen konnte...</p> - -<p>Bevor der Graf diesen Brief zur Hand nahm, that er nun dennoch das, -wozu er schon früher<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> entschlossen war, er klingelte und ließ sein -ganzes Hauspersonal zusammenkommen, vom Sekretär und Verwalter bis zum -letzten Bedienten. Als die Leute beisammen waren, redete er sie mit -finsterer Strenge an:</p> - -<p>„Wer von Euch hat es gewagt, diese Thür hier zu öffnen?“</p> - -<p>Sie sahen ihren Herrn erschreckt an und wandten sich mit fragenden -Blicken zu einander.</p> - -<p>Der Kammerdiener trat vor und sprach zitternd: „Vor einer Stunde, -gnädiger Herr, habe ich das Schlafzimmer geöffnet und darin Alles in -Ordnung gebracht — sogleich jedoch trat ich wieder heraus und kann es -beschwören, daß ich die Thüre fest verschlossen habe.“</p> - -<p>„Gut!“ versetzte Alexander: „ich will Dir glauben, Antoni; ich -weiß, Du lügst nicht, ich weiß auch, daß Du Deinen Dienst pünktlich -versiehst und daß meine Befehle Dir heilig sind.... Anfangs hatte meine -Vermuthung Dich getroffen — — doch jetzt bin ich vom Gegentheil -überzeugt und habe deshalb die Andern hierher beschieden. — — Nun,“ -rief er mit lauter Stimme:<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> „meldet sich Niemand von Euch? Ist der -Schuldige etwa nicht hier?“</p> - -<p>Alles blieb stumm.</p> - -<p>Der Graf, in Zorn gerathend, stampfte auf den Boden: „Ich will es -wissen! Weh demjenigen, den ich später selber als den Thäter entdecke. -Er trete lieber gleich hervor!“</p> - -<p>Nichts; kein Laut.</p> - -<p>Da trat Alexander in das Schlafzimmer zurück... nahm den Brief vom -Tische, und ohne dessen Aufschrift zu lesen, wies er ihn der Schaar -vor: „Dieses Schreiben ist hinein gelegt worden — — der Kammerdiener -trägt die Schuld nicht .... Wer also hat sich unterstanden....?“</p> - -<p>Tiefe Stille. —</p> - -<p>In diesem Augenblicke glitten seine Blicke unwillkührlich über die -Aufschrift hin — und als hätte ein Krampf seine Hände ergriffen, -zerknitterte er das Papier und drückte es so zusammen, daß es einen -Knäuel bildete....</p> - -<p>Jetzt wie von einem unwiderstehlichen Gedanken erfaßt — verabschiedete -er rasch die Domestiken — eilte in das Gemach — entfaltete<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span> den -Knäuel und las nun auf der Rückseite des Briefes mit den Schriftzügen -<em class="gesperrt">Cölestinens</em>:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„<em class="gesperrt">An den Herrn Grafen Alexander von A—x! —</em></p> - -<p><em class="gesperrt">Man bittet ihn flehentlichst, diesen Brief zu öffnen.</em>“</p></div> - -<p>Ein nie gefühlter Drang trieb ihn, dieser Bitte zu willfahren, derselbe -Drang, welcher ihn zu dem vorigen Schritte genöthigt hatte. Er erbrach -das Siegel, der Inhalt des Briefes lautete:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Mein theurer, heißgeliebter Gemahl!“</p></div> - -<p>Bei dieser Stelle angelangt, wollte er das Papier zerreißen — doch las -er noch einige Zeilen.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Ein wahrer und aufrichtiger Freund, ein solcher, dem der erhabene -Name <em class="gesperrt">Freund in der Noth</em> gebührt — überbringt Ihnen diesen -Brief. Er wird Mittel finden, zu Ihnen zu gelangen, mögen Sie die -eherne Mauer, womit Sie sich gegen mich und die Welt umgeben, auch -verdreifachen. — Und so weiß ich, daß diese Zeilen gewiß in Ihre -Hände kommen, die theuren Augen meines Gemahles, meines angebeteten -Alexander auf ihnen ruhen<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span> werden. Ja — so nenne ich Sie! und ich -rufe Gott, der uns erschaffen hat durch einen Wink seiner Hand, der -uns vernichten kann durch einen solchen — ihn rufe ich an, mich zu -hören, indem ich Sie so nenne.... mich in dem Augenblick, wo ich -das Wort ausspreche, zu zerschmettern, wenn es eine Lüge enthält. -— O Alexander! Alexander! Wohin ist es mit uns gekommen? — Hätte -ich das denken sollen — hätte ich es selbst im Wahnsinn eines -hitzigen Fiebers damals denken sollen, als es noch nicht so um -uns stand, wie in dieser entsetzlichen Stunde... denn jede Stunde -ist jetzt entsetzlicher als die vorhergehende — das Schicksal -scheint sich an mir erschöpfen zu wollen in seinem Reichthum an -Elend! Es hat schon den ganzen Köcher über mich ausgeleert... und -doch treffen mich noch mit jedem neuen Athemzuge neue giftigere -Pfeile. — — O mein Gott, mein Gott! Erbarme Dich meiner und -seiner! Sende einen Deiner allgewaltigen Lichtstrahle herab in -diese Finsternisse!... Du bist ja der Beschützer der Unglücklichen, -der Unschuldigen und Verfolgten...<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span> Warum hast Du deine Gnade -nicht auch für mich — die mit ihrem reinen Herzen vor Dir liegt -im Staube?... Ich bin ja schuldlos wie ein lallendes Kind — wie -der Gedanke eines frommen Dichters! — Du siehst es — Du weißt -es — Du allein kannst es bezeugen — — und doch schweigst Du, -Unerforschlicher, heiliger Vater der Menschen! — rede zu ihm nur -ein Wort — flüstere es ihm im Wehen des Morgenwindes, oder wenn -der Zephyr Abends an seine Schläfe streift, zu: ich bin unschuldig, -sein Weib war unschuldig, wird es bleiben bis zum letzten Schlage -eines Herzens, das nur für ihn pocht. — Mein Gemahl, mein Gatte — -warum sollte ich das Alles sagen, da nichts mich dazu zwingt? Sie -haben nach Ihrer Trennung von mir meine Verhältnisse so gestellt, -daß, wäre nicht meine Liebe zu Ihnen, ich mich darin nur glücklich -fühlen könnte. Wäre ich eine Verbrecherin — so könnte ich ja -nichts sehnlicher wünschen, als den Fortbestand meiner jetzigen -Lage. — Aber ich bin keine Verbrecherin, ich bin Ihre treue Gattin -— Ihr treues Weib vor den guten<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span> Menschen und vor Gott. Ich bin so -rein von aller Schuld wie die Engel im Himmel es sind... Und ich -kann von mir sagen: ich will vor den Spiegel der Tugend treten und -es wird kein Fleckchen seine klare Fläche trüben. — — Welches -sind die Zeugnisse, die gegen mich sprechen? — Nennen Sie mir sie! -Ich, ich darf keine anführen, um mich zu vertheidigen, — — dies -ist der Tugend nicht eigen, hierzu darf sie sich nicht herablassen. -Und wollte ich überhaupt reden — — wollte ich von demjenigen -reden, was allein noch einen Schein, einen Schatten von Zweifel auf -mich werfen kann, so würde ich anderweitig ein Verbrechen begehen. -— Doch dies ist es nicht, was Ihren Verdacht erwecken konnte .... -es muß etwas Anderes sein. Ein böser Geist muß zwischen uns stehen -— der einen bösen Samen aussäet... dieser Samen wächst in rasender -Schnelligkeit zur Höhe — und verbirgt mich in meiner Unschuld -dem Auge des Gatten. — — O Alexander, einzig Geliebter Deines -Geschlechtes!.... Gewiß, die Dinge werden nicht ewig so bleiben.... -es<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> wird endlich eine mildere Sonne ihr Licht über uns ergießen -— aber Du wirst dann mein treues Herz nur durch einen grünen -Rasenhügel erblicken. Und diese Zeit wird bald kommen, früher als -Du wohl glaubst.... Alexander, es kann nicht mehr bis zum kommenden -Sommer währen, nicht mehr bis zu dem Tage, wo die Schwalben gezogen -kommen, um ihr himmlisches Nest zu suchen — und auch ich werde in -meine Heimath hinüber ziehen.... Könntest Du diese elende Hülle -sehen, die einst so blühend, so fröhlich, so heiter, so glücklich, -so voll berauschender Lust vor Dir stand, die nicht nur durch ihre -Jugendkraft, sondern auch durch Deine Liebe so große Ansprüche an -das Leben hatte — könntest Du sie jetzt sehen, wie sie stündlich -mehr zusammenfällt und eine Frucht für das Grab wird .... o, ich -wage es zu hoffen, Du würdest Dich besinnen — vielleicht nur -zuerst aus Schrecken oder Mitleid — aber gleichviel, Du würdest in -Dich gehen — Deine Sehkraft anstrengen... sie würde diese dünne -Hülle durchdringen — und drinnen das Herz im hintersten<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> Winkel -vor Jammer und Trübsal zusammengeschrumpft sehen.... mein Herz, -dieses treue, zärtliche, gute Herz, dieses Herz eines Kindes und -einer Gattin zugleich....</p> - -<p>„Doch ich höre auf zu rufen und zu wehklagen! — Ich schließe -diesen Brief. — Sollte es der letzte sein, der den Weg zu Dir fand -.... sollten diese Zeilen die Abschiedszeilen eines unglücklichen -Weibes von ihrem heißgeliebten Gatten — sollte dieser Gruß der -letzte Gruß einer verkannten Frau von ihrem allzustrengen Manne -sein: so grüße ich Dich aus den innersten, unergründlichen Tiefen -meiner treuen Seele und flehe den allmächtigen Gott an, Dich stets -mit Glück und holder Zufriedenheit zu umgeben — Dich durch dieses -Leben wie durch einen blühenden Garten zu führen — am Ziele deines -Weges aber Dir eine Aussicht zu öffnen, die in den Kreis seliger -Cherubim und zu den Geliebten Gottes reicht, deren einer Du werden -mögest....</p> - -<p>„Dort, dort, Alexander, werden wir uns gewiß endlich finden!</p> - -<p>„— — Ach ich kann dieses Schreiben nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span> schließen, ohne mit -herzzerreißender Stimme zu rufen: ich bin unschuldig, ich bin -unschuldig, ich bin unschuldig! —</p> - -<p class="right mright2 mbot1"><em class="gesperrt">Cölestine</em>.“</p> - -</div> - -<p>Alexander hatte den Brief bis zu Ende gelesen. — Als er vorüber war, -fiel er kraftlos in einen Lehnstuhl und lange fand er keinen Gedanken, -keine Empfindung, kein Bewußtsein. — Eine betäubende Leere allein -erfüllte Alles in ihm und um ihn. So wie ihm jetzt geschah, war ihm -noch niemals geschehen.... vergebens hätte er diesem sonderbaren Anfall -widerstrebt, er war, ehe er sich’s versah, dessen Sclave, gefesselt an -Händen und Füßen — an Seele und Leib. — Ein tausendstimmiges Chaos -rauschte, braus’te, klang und summte um seine Ohren — und es schien -nicht anders, als hätte die Natur alle ihre Kräfte, leibhafte und -geisterhafte, entfesselt, um sie gegen ihn zu senden, nicht damit sie -ihn vernichten, sondern damit sie ihn in eine grenzenlose Verwirrung -brächten, die länger dauernd den Bau seines Wesens zerrütten und -zuletzt mit Wahnsinn endigen mußte. Zum Glück haftete dieser Zustand -nicht lange unverändert an<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span> ihm — er machte nach und nach einer -völligen Dumpfheit Platz — und war früher das Ohr das Mittel gewesen, -durch welches die Ereignisse an seiner Seele rüttelten, so wurde es -jetzt, nachdem der Gehörsinn völlig aufgehoben schien, das Auge. Eine -Welt voll Visionen tummelte sich vor seiner Pupille — — bunt und -düster, groß und klein, monströs und edel — rasch und langsam — wild -und sanft: Figuren auf Figuren von unübersehbarer Menge, wie die Wellen -eines brandenden Meeres! Es war ein Zug, der keinen Anfang und kein -Ende nahm. — O wie sie tanzten — sprangen — ras’ten... früher waren -sie doch so ganz sachte auf glattem Boden dahingehuscht... aber nun -mit einem Male hatte sie alle irgend ein wüster Wirbel erfaßt — und -die stille Kirchenfahrt wurde zum tollen Hochzeitszug — zum wüthenden -Teufelstanz...</p> - -<p>Seine Hirnschale drohte zu zerspringen ob des vielen Sehens; — das -innerlich kochende Gehirn schien bereits durch einige Poren durch die -Augenhöhlen herauszuzischen.... wild warf sich der unselige Seher mit -dem Angesichte gegen den Erdboden und wühlte mit den Fingern darin;<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span> -er hätte ihn gern zur unermeßlichen Tiefe aufgewühlt, um sich selbst -hineinzulegen.... Da endlich däuchte es ihm, er läge wirklich schon -darin — er empfand lindernde Kühle und ihn umfing finstere Nacht.... -Alle Gestalten waren verschwunden... der Gesichtssinn hatte seinen -Dienst vollbracht, war erlahmt...</p> - -<p>Ach, mein Gott — noch immer hatte das Schicksal nicht das rechte -Organ gefunden, wodurch es deutlich zu dem Elenden sprechen konnte, -so deutlich nämlich, daß er es verstand und vom Verständniß zu Grunde -ging. — Denn so hatte es das böse Schicksal gewollt;... nicht im -Tollsinn sollte er reden — es wollte ihn im Bewußtsein seines -namenlosen Elends hinabschleudern zum Orkus.</p> - -<p>Darum wandte es sich jetzt von seinen äußern Talenten zu den innern -— zu den scharfen geistigen Medien; es faßte ihn mit Geierkrallen -unmittelbar am Herzen — und spie in’s Antlitz seiner Psyche... Es -rollte mit einem Ruck zwei ungeheure Berge von Schuld vor seine -<em class="gesperrt">Erinnerung</em> hin — sie glichen zweien Scheiterhaufen, und auf -dem Gipfel des einen lag Margaretha<span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span> gefesselt und gebunden — auf -jenem des andern aber — Cölestine.... und er selbst, er lief mit -einer brennenden Fackel hin und zündete zuerst den einen, darauf den -andern an... und tanzte dann zwischen beiden — und schürte ihr Feuer -— und wandte sich mit gotteslästerlichen Gebeten an den Himmel, den -er anflehte, ihm seine Blitze zu Hilfe zu senden, weil dies irdische -Feuer zu schwach brenne.... und droben auf den Holzstößen, wo die -Flammen über ihnen zusammenschlugen — heulten die Opfer unter rasenden -Martern — und schrien auch zum Himmel auf — aber sie schrien um -eine Fluth, die herabstürzen sollte auf ihre brennenden Glieder und -glimmenden Haare — und als der Himmel kein Wasser senden wollte — -— da verlangten sie nun auch mehr Feuer — sengende Blitze.... damit -ihre Qual schneller ein Ende nähme.... Aber nichts von dem Allen ward -erhört! — Alles ging seinen natürlichen Gang. — Alles, was geschah, -geschah durch ihn, durch den Henker, durch Alexander — er allein briet -seinem Herzen dies höllische Mahl — und er allein verschlang es, der -ärgste unter den Cannibalen<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> — — ein Teufel in adeliger gesitteter -Mannesgestalt. —</p> - -<p>Er erwachte. —</p> - -<p>„Ja!“ schrie er händeringend auf: „Ich bin ein Würgengel! So wie die -Eine fromm und schuldlos war — — so wird es wahrscheinlich auch die -Andere sein.... Ich habe die Eine gelästert und zerstört — ich habe -es ohne Zweifel auch mit der Andern so gemacht... Es wird mir klar, -ich bin auserkoren — gleich dem Satan die Kinder Gottes zu verlocken -und zu verderben.... Cölestine, Du bist rein und fleckenlos wie es -Margaretha war... jene wie Dich tödtete mein Wahnsinn!“</p> - -<p>Kaum hatte er dies gesprochen — als neben ihm eine gellende Lache -aufschlug, welcher die Worte folgten:</p> - -<p>„Armseliger Tropf! So ist also wieder all’ Deine Mannheit dahin? — -dahin Dein Stolz und Deine ganze Größe? — — Geh, geh — Du bist der -Kleinen Kleinster!... ein Knabe, der gerne ein Riese sein möchte.... -stets aber von einem <em class="gesperrt">Weibe</em> überwunden wird. Auf Deiner Stirne -brennt mit unauslöschlichen<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> Zügen das Schandmal: „Weiberknecht!“ — -— und all Dein Thun hat seine Qual in der eitlen Laune irgend eines -Weibes. — — Tausendfach verhöhnter Liebhaber und Gatte — Du wirst -es bleiben bis an’s Ende Deiner Tage!... So bist Du schon wieder Narr -genug — den glatten Worten eines Weiberzüngleins zu glauben? — — -Wohlan! Geh’ hin — begib Dich um Mitternacht zu der Wohnung dieser -Cölestine — — schleiche Dich hinter die Gartenmauer Deines Hauses -— kaure hinter einem Strauche — — und Du wirst Deine treue Gattin -kommen sehen, verhüllt mit Schleier und Tüchern... darauf tritt ihr -der schöne schlanke Geliebte entgegen (Du kennst ihn wohl!) — — sie -umfängt ihn mit brünstigen Armen — er entführt sie rasch — denn kein -köstlicher Augenblick ist zu versäumen.... Wohin führt er sie? — — — -Nach <em class="gesperrt">seiner</em> Wohnung, nach <em class="gesperrt">seinem</em> Hause .... hier bringen -sie zwei Stunden zu, um einander zu küssen und über Dich zu lachen!“</p> - -<p>Jetzt verstummte die Stimme.</p> - -<p>Jetzt erst gewahrte Alexander, daß er sich<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span> außerhalb seines Schlosses -im dichten Walde am Rande des Sees befinde. —</p> - -<p>Von dem fremden Sprecher aber war nichts zu sehen; keine Spur mehr zu -entdecken. — Freilich jedoch herrschte bereits finstere Nacht und am -Himmel blinkte nicht ein Sternchen....</p> - -<p>Wie er hierher kam aus seinem Schlafgemache, wußte er sich nicht zu -sagen; doch erfuhr er am andern Morgen, daß er gestern Abend in tiefen -Gedanken versunken herausgewandert sei in’s Freie, der Pförtner hatte -ihm erstaunt nachgesehen, jedoch weder gewagt, mit ihm zu sprechen, -noch ihm zu folgen. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zehntes_Kapitel"><b>Zehntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Auf der That ertappt.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">N</span>och an diesem Tage verließ der Graf allein und ohne alle Begleitung -das Schloß und begab sich in einer unscheinbaren Kutsche nach der -Residenz; er passirte unerkannt die Linien und stieg in einem der -armseligsten Gasthöfe ab. Hier nannte er einen fremden Namen, und -nachdem er ein einfaches Zimmer bezogen, schloß er sich, seiner -Gewohnheit nach, darin ein. Er hatte nichts anderes mitgebracht, -als seinen Mantel und unter demselben ein Paar lange, dünne, -scharfgeschliffene Klingen, von moderner Pariser Arbeit. Mit ihnen -unter dem Arme, von seinem Mantel eingehüllt, verließ er Abends in -tiefer Dunkelheit seinen Gasthof, bezahlte den Wirth und begab sich -sofort zu seinem Notar,<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> den er gewiß war jetzt zu Hause zu treffen. -Diesem händigte er ein versiegeltes Paket ein mit dem Bedeuten, es nach -drei Tagen in dem Falle zu öffnen, als er bis dahin keine Gegenordre -erhalten hätte. —</p> - -<p>Das Paket enthielt Alexanders letzten Willen.</p> - -<p>Nunmehr, mit seinen bürgerlichen Angelegenheiten in Ordnung — eilte -er, denen seines Herzens und seiner Ehre Genüge zu leisten. Er trat -den Weg nach seinem Palaste an, und da er wußte, daß seine Gegner sich -der verborgenen Pfade bedienen würden, wählte er die allgemeine breite -Heerstraße, auf der er auch ungesehen bis an den bezeichneten Platz -gelangte. Es war ihm, der mit der Oertlichkeit dieses Gebäudes, welches -er selbst hatte aufführen lassen, sehr vertraut war, leicht, sich hier -zu verbergen, ohne daß Jemand seine Nähe ahnte. —</p> - -<p>Keines Dieners Auge, keines Hundes Wachsamkeit hatte ihn entdeckt und -mit bitterem Lächeln sagte er zu sich:</p> - -<p>„Ich bin in meinem Hause sehr treu bewacht!“</p> - -<p>Es schlug jetzt halb Zwölf. — Er setzte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> auf den Boden, legte -die Waffen vor sich hin und betrachtete mit Wohlgefallen ihre Spitzen -— denn diesmal schimmerten die Sterne, auch hatte sein Blick eine -wunderbare Schärfe gewonnen, die jener eines Geiers glich.</p> - -<p>Langsam, träg und faul zog die Zeit hin — Alexander meinte, diese -halbe Stunde sei hinreichend, eine neue Welt zu bauen oder zu -zerstören... an dem letztern Gedanken hielt er sich mit Wonne. — -Endlich schlug es Zwölf....</p> - -<p>In diesem Augenblicke raschelten seitwärts die Zweige des Gebüsches -— und heraus trat ein Mann, ebenfalls in einen Mantel gehüllt. — Er -wandte ihm den Rücken zu, und schritt langsam zur Gartenmauer, und zu -dessen Pförtchen, welches hier auf’s freie Feld führte.</p> - -<p>Selbst dem penetrirenden Blicke Alexanders war es nicht möglich, den -Mann zu erkennen — sein Mantel verbarg ihn vollständig, überdies -schien er sich noch durch andere Mittel unkenntlich gemacht zu haben. -— Jedoch es war kein Zweifel, daß es ein junger Mensch sei, und an -Größe glich er vollkommen dem Chevalier von Marsan. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span></p> - -<p>Es vergingen einige Augenblicke und leise ohne daß man es hörte, drehte -der Schlüssel sich um, das Pförtchen ging auf.... eine Dame trat -heraus. —</p> - -<p>Auch sie war trefflich maskirt, so daß selbst Alexander unter anderen -Umständen seine Frau nicht erkannt hätte — ihr Gang aber verrieth sie -ihm dennoch. —</p> - -<p>Ohne ein Wort zu wechseln, stürzten die beiden Personen sich in die -Arme und blieben lange so — dann still, wie sie gekommen waren, -rafften sie sich auf, und schlugen eilig einen Weg ein, welcher unter -dem Schutze der Gebüsche und Bäume nach der Stadt führte.</p> - -<p>Längst schon hatte auch Alexander sich erhoben — und folgte ihnen -in einiger Entfernung Schritt für Schritt, nahe genug, um sie stets -im Auge zu behalten — und doch so weit, um mit Hülfe der sich -darbietenden Deckungsmittel selbst ungesehen zu bleiben. — Man hatte -auf diese Weise ungefähr einige hundert Schritte zurückgelegt — als -er am Eingange einer breiten, aber öden und unbewohnten Straße einen -Wagen halten sah.... und vermittelst seines wie<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> durch Zaubermacht -geschärften Blickes — sogleich <em class="gesperrt">Marsan’s Equipage</em> erkannte.....</p> - -<p>In diesem Momente riß es ihn mit tausend Ketten empor, er vergaß aller -Vorsichtsmaßregeln — stürzte der Buhlerin und ihrem Buhlen nach, die -Erstere drehte sich rasch um und stieß den Ruf aus: „Um Gotteswillen! -Ein Mann hinter uns!“ — dann liefen Beide eilig auf die Equipage zu... -aber sie hatten sie noch nicht erreicht, der Kutscher hatte Cölestinens -vernehmlichen Befehl: „Rasch den Schlag aufgemacht!“ noch nicht -vollziehen können, als Alexander schon dicht hinter ihnen war — und -(seines Vorsatzes, dem Mann einen von den Degen anzubieten, vergessend) -mit beiden, gleich einem Mörder, über ihn herfiel, den einen in dessen -rechten Arm, den andern ihm in’s Gesicht bohrte. —</p> - -<p>Aber jetzt ward er verhindert, sie noch weiter zu gebrauchen... er -fühlte sich rückwärts überfallen, von zwei gewaltigen Fäusten gepackt, -entwaffnet und so zu Boden geschleudert, als sollte er sich nie wieder -erheben... Der Kutscher (denn er war es) hob die Degen auf, packte den -Verwundeten in den Wagen, schob Cölestine<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> hinten nach und im wilden -Galopp rollte die Equipage über das Straßenpflaster dahin.</p> - -<p>Alles das geschah in Zeit von einigen Minuten — kein Wort war -gewechselt worden — kein Laut dem Munde der betheiligten Personen -entfallen — der Verwundete schien entweder vom Schreck oder vom Stich -leblos geworden zu sein .... er lag gleich einer Leiche in dem Schoße -Cölestinens. —</p> - -<p>Beim Einsteigen in den Wagen hatte Cölestine dem Kutscher zugerufen: -„<em class="gesperrt">Nach der Wohnung des Chevaliers von Marsan!</em>“ — Dies war das -einzige Wort gewesen. Alexander hatte es noch gehört. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Elftes_Kapitel"><b>Elftes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Katastrophe.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">A</span>ber die Mauern einer großen Stadt haben tausend Ohren und die Ziegel -auf dem Dache Millionen Augen; es wird Alles gesehen und gehört, mag es -auch im tiefsten Dunkel der Nacht und im abgelegensten Winkel geschehen -— überdies nimmt die Polizei, vermöge einer ihrer Eigenschaften, die -man bei der Wiener’schen <em class="gesperrt">Allwissenheit</em> nennen darf, von Allem -schleunigst Notiz — mit einem Worte, zwei Tage nach obiger Begebenheit -sprach man in den Cirkeln von einem Mordanfall, der in der N*straße -auf zwei Personen gemacht worden sei, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span> Personen sich nur durch -rasche Flucht in der Equipage des Chevaliers von Marsan ihrem sichern -Tode entzogen hätten.</p> - -<p>Zu erzählen oder vielmehr zu erklären, auf welche Weise die Fama zur -Kenntniß dieser einzelnen Umstände kam, ist uns nicht möglich — denn -was Alexander betraf, so hatte dieser von dem Augenblick, wo die -Equipage abfuhr, bis zur gegenwärtigen Stunde, nicht die geringste -Unannehmlichkeit zu bestehen gehabt. Er war damals bald nach seinem -Unfalle vom Straßenpflaster aufgestanden, ohne Jemand um sich zu -erblicken — — und seit der Zeit wohnte er bei seinem Rechtsanwalt, -in dessen Hause er sich von einer Unpäßlichkeit zu erholen suchte. -— — Anderseits konnte Cölestine doch unmöglich selbst das Gerücht -ausgestreut haben — und auch von dem Kutscher war dergleichen nicht -zu erwarten. — — Die einzige Möglichkeit war diese: es hatte Jemand -Fremder der nächtlichen Affaire zugesehen, allein wie dieser Mensch -war, wagte er es nicht, sich selbst auf den Kampfplatz zu verfügen, -sondern eilte — da ohnedies<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span> in dieser Straße keine Hilfe zu erlangen -war — nach der Wache oder Polizei. — Als dieselbe erschien, -war jedoch nicht nur der Wagen, sondern auch Alexander bereits -verschwunden. —</p> - -<p>Der Letztere hatte gegen seinen Anwalt geschwiegen — er gab vor, -einen Zweikampf bestanden zu haben, der für ihn glücklicher als -für seinen Gegner ausfiel.... im Uebrigen zeigte er sich äußerlich -heiter und sogar humoristisch — während in seiner Seele eine Hölle -glühte... deren Flammen nur gemildert wurden durch die wenigen Tropfen -von Hoffnung, daß er den Buhlen seines Weibes schwer, vielleicht gar -tödtlich verwundet habe....</p> - -<p>Allein was war das Alles! — Nicht nur dessen Leben wollte er haben -— nicht nur das Herz ihm aus dem Busen reißen und dessen heißes -feindliches Blut trinken... er lechzte nach der Seele Marsan’s — er -wünschte, daß er ihn in einem unvorbereiteten Augenblicke, da dessen -Gewissen mit gräuligen Sünden beladen gewesen sei, getödtet hätte — so -daß die Seele des Verhaßten zur ewigen Verdammniß hinab fuhr! —<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span> Das -wünschte er, darnach rief er alle dunklen Mächte an.</p> - -<p>— — Ach, welches Erstaunen, welches Entsetzen erfaßte ihn, als sein -Wirth ihn benachrichtigte, im Hause des Chevaliers werde nächster Tage -ein großes Fest begangen werden — die Veranlassung hierzu sei die -Ernennung Marsans zum Gesandten am Hofe von G**, wohin er sich alsbald -begeben werde. Das Fest sollte an Glanz Alles überbieten, was in dieser -Art bei einem vornehmen Garçon noch je vorgekommen. Er, Marsan selbst, -wollte dabei die Honneurs machen.</p> - -<p>Dies Alles schien dem Grafen ein alberner Traum oder eine elende -Mystifikation; nach einigen Minuten jedoch sah er, daß er vollkommen -wache, und erinnerte sich, daß den Worten des Notars stets zu glauben -war. So gehörte also das Ganze in die Welt der Wunder, welche man am -besten mit Auge, Hand und Ohr controlirt.</p> - -<p>Das Letztere zu thun war Alexander ent<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span>schlossen. Er wollte in eigener -Person dem Feste beiwohnen, — bis dahin jedoch sich hüten, darüber -nachzudenken.... denn das Nachdenken konnte ihn zum Wahnwitz führen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zwoelftes_Kapitel"><b>Zwölftes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Das Fest bei dem Chevalier von Marsan.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>as Haus des Chevaliers — ein neues Gebäude, welches sehr einsam in -der Gegend des Belvedere lag — war seinen Gästen geöffnet, die zahllos -heranströmten, um ihm zu seiner Ernennung Glück zu wünschen.</p> - -<p>Das in Rede stehende Fest fand in den Abendstunden statt, weil ein -Ball mit demselben verbunden werden sollte. Das Haus oder Hôtel oder -der Palast war in seinen zwei Etagen glänzend erleuchtet, so daß -die Lichter noch draußen hundert Schritte im Umkreise Tageshelle -verbreiteten; — und eine Wagenburg war unten aufgefahren, die den Neid -jeder einzelnen Person<span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span> durch deren Wagen sie vermehrt wurde, erregen -mochte. Fürstliche, herzogliche, hochgräfliche und Wappen von allen -andern Ritterklassen waren da an den Schlägen zu sehen... fabelhaft -prunkende Livreen tummelten sich neben denselben umher.</p> - -<p>Vor dem Portale des Hôtels aber standen zwei Portiers, so groß -wie Patagonier — und mit so langen Stöcken, daß jeder eine gute -Kosakenlanze hätte abgeben können — dies jedoch, wie natürlich, ohne -den mächtigen Knopf aus massivem Silber.</p> - -<p>Eine Suite von zwölf Gemächern, worunter drei große Salons, war oben -im ersten Stock bereit, diese Tausende von Personen aufzunehmen — -deren Blick beim Eintritt geblendet wurde von einem in Wahrheit -orientalischen Luxus. Denn das ganze Haus Marsans war in diesem -Geschmacke eingerichtet — und schon unten an den Treppen hatten -uns schwarze Kammerdiener empfangen, während hier in den Sälen -die aufwartende Dienerschaft aus lauter echten Abyssiniern in dem -malerischen Costume ihres Vaterlandes bestand. — Jedoch wollte der -Herr des<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span> Hauses den Orientalismus nicht so weit treiben, daß er zum -Besten jener Gäste, die für denselben keine so große Leidenschaft -nährten, wie in diesem Augenblick er — nicht auch einige Europäer -mit schwarzen, betreßten Fracks unter seine Söhne des Islams gemischt -hätte. —</p> - -<p>Der Boden dieser Appartements war theils mit trefflichen Teppichen -aus Aleppo belegt — theils mit einer Art von feinen Binsendecken, -welche so glatt waren, daß man darauf tanzen konnte, und die in Skios -verfertiget werden. An den Wänden hingen köstliche bunte Stoffe — -zwischen welchen Säulen von Marmor standen mit abentheuerlichen -Kapitälern und Sockeln versehen, so daß sie aus dem Serail des -Padischah oder Mehemed Ali genommen schienen; in den Draperien -wechselte der Damast aus Damaskus mit den Shawls aus Teheran und -Kashemir — schwerlastende Stickereien, Franzen und Quasten faßten den -Rand ein. — Springbrunnen, mit wohlriechendem Wasser gefüllt, standen -in den Ecken, und in der Mitte eines Salons befand sich ein Bassin -aus carrarischem Marmor, worin Goldfischchen schwammen und<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span> welches -tropische Gewächse und Blumen umgaben, aus deren Zweigen, trat man mit -dem Fuß zwischen sie, liebliche Musik ertönte... Es waren lauter Weisen -in jenem klagenden Tone, wie man sie unter den Mauern eines Harems zu -hören bekommt.</p> - -<p>Kurz hier fehlte nur noch der Pascha, mit der langen Pfeife, auf -Polster hingestreckt und von seiner Lieblingssklavin umkos’t.</p> - -<p>„Zum Teufel!“ sprachen junge Herrn in strohfarbigen Glacéhandschuhen, -die von Patschuli dufteten: „Zum Teufel! — Wo befinden wir uns? — -Sind das die Gärten der Semiramis oder ist es das Terrain der Mährchen -von Tausend und einer Nacht...?“</p> - -<p>Die guten Herrn! — Sie hielten die Semiramis wahrscheinlich auch für -irgend eine Sultanin im Lande der Gläubigen. —</p> - -<p>Herr von Marsan empfing die ankommenden Personen in einem Mittelsaale. -— Er war im einfachen Salonanzuge — braunem Frack, schwarzen -Beinkleidern von Seide und eben solchen Escarpins; ein weißes Halstuch -— unter welchem das Offizierkreuz der Ehrenlegion hing, welches<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> er -mit seinem Gesandtschaftsposten zugleich erhalten hatte.</p> - -<p>Unter der Gesellschaft befanden sich von denen, welche wir kennen: -der General und die Generalin von Randow — Herr von Labers, der die -Feldmarschallieutenants-Wittwe E—z begleitete, dann die Gräfin von -Wollheim mit ihrem Gemahl. — Natürlich, daß Cölestine fehlte, und -Herrn von Porgenau sammt Gemahlin anlangend, so waren diese gar nicht -geladen worden: in den Augen Marsans zählten sie zur Canaille, wohin er -jedoch auch den Grafen Wollheim gestellt hätte, wäre dieser durch seine -strumpfstrickende Frau nicht ein Freund des Generals gewesen. — Leider -trat mit jener gutherzigen Dame auch das Stiftsfräulein von Bomben -herein, ohne daß sie eine Karte empfangen hätte; aber der Tag war zu -wichtig: mehrere Damen, Mitglieder des Frauenvereins, waren zugegen, -und mit diesen hatte dieses menschenfreundliche Ex-Mitglied diesmal -etwas Besonderes vor.</p> - -<p>Hätte ein Maler den Begriff der <em class="gesperrt">Liebenswürdigkeit</em> personificiren -und durch Pinsel und Palette auf Leinwand werfen sollen — so<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> brauchte -er heute nur das Portrait Herrn von Marsans zu zeichnen; da war keine -Zuthat, keine Idealisirung des Stoffes nöthig: er selbst, in baarem -Wirklich, war Ideal.</p> - -<p>Selbst seine Feinde (und auch er hatte deren) waren entzückt — um ihn -schaarten sich nur Zufriedene, Glückliche.</p> - -<p>Bald hatten sich Gruppen und Kreise gebildet. —</p> - -<p>Neben einer Fontaine saßen einige Damen, unter denen die Gräfin von -Wollheim und das Fräulein von Bomben hervorstachen. Man unterhielt sich -hier über das Fest, über den Geber desselben — und erschöpfte sich in -Conjunkturen wegen der glänzenden Belohnung, die ihm sein König für -einige wichtige Dienste in letzterer Zeit zuertheilt hatte. Unvermerkt -wußte das Stiftsfräulein, welches die schöne Kunst besaß, das Wort -überall an sich zu reißen, das Gespräch auf einen neuen Gegenstand zu -bringen, auf einen ihrer Lieblingsgegenstände.</p> - -<p>„Sie haben wohl schon von dem remarkablen Falle gehört, meine Damen — -der sich vor einigen Tagen in der N** Straße zugetragen und<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span> welcher -in naher Verbindung mit dem Chevalier von Marsan, besser gesagt in -<em class="gesperrt">direkter Verbindung mit ihm</em>, steht?“</p> - -<p>Es ließen sich nun einige Angaben vernehmen — die alle von dem -wirklichen Faktum abwichen und auch alle unter einander verschieden -waren.</p> - -<p>„Nein, nein!“ versetzte das Stiftsfräulein: „das Alles ist nichts! — -Weit von der Scheibe! wie man zu sagen pflegt. Ich bin über den Punkt -genau unterrichtet und kann Ihnen aus authentischen Quellen Geschöpftes -mittheilen. So hören Sie denn!“ —</p> - -<p>„Vor vier Tagen — doch es war zur Nachtzeit, es war nach Mitternacht -— hielt die Equipage des Chevaliers, welche aus diesem Hause -abgefahren war, wie gewöhnlich in der N** Straße, und er, nämlich -Herr von Marsan, stieg heraus. Nachdem er seinem Kutscher den Befehl -ertheilt hatte, ihn hier zu erwarten (<em class="gesperrt">wie gewöhnlich!</em> muß ich -hinzusetzen), bis er zurückkehren werde, begab er sich zu Fuße auf -Umwegen nach der Wohnung der Gräfin A—x, zu dem Gartenpförtchen (Alles -wie gewöhnlich,<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span> meine Damen). — Hier wartete er einige Augenblicke, -nach welchen sich das Pförtchen öffnete und Cölestine bis über die -Zähne maskirt heraustrat, (wie gewöhnlich). Sie fiel ihm um den Hals -und rief: „Endlich! Endlich! Nach langem Harren und Fürchten.... -endlich bist Du da, Geliebter, und ich kann Dich an mein Herz drücken. -— Böser, böser Mann — warum hast Du mich eine so ewig lange Zeit in -ängstlicher Ungeduld harren lassen?... Es ist ja beinahe fünf Minuten -später, als Du kommen solltest!“ Hahaha! Hahaha! — Was sagen Sie -dazu — meine Damen?“ wandte die Erzählerin sich zu ihrer Umgebung, -fuhr jedoch gleich darauf wieder fort: „Nachdem sie diese schönen -Worte ausgesprochen, die edle Gräfin von A—x, auch dasjenige, was sie -enthielten, richtig gethan hatte (wie gewöhnlich!), hing sie sich an -den Arm des zärtlich Geliebten und schlug mit ihm den Weg nach seinem -Hause, nach diesem Hause hier, ein — — (Alles wie gewöhnlich!) Ach, -welcher zauberische Spazierweg Nachts im Mondenschein durch eine -entlegene, höchst romantische Gegend! Welche Worte wurden da,<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span> welche -Blicke ausgetauscht — welche Küsse rauschten durch die heilige Stille -der Nacht — welche Liebesseufzer — oder auch Liebesgestöhne.... und -was sonst noch Alles!? — Denn Sie wissen doch, Gräfin Cölestine ist -eine Candidatin des hohen Frauenvereins.... hahaha!“</p> - -<p>„Zur Sache, beste Freundin! zur Sache!“ — riefen die ungeduldigen -Zuhörerinnen, die anstatt der Floskeln Thatsachen verlangten.</p> - -<p>„Nun denn also weiter! — Die zwei holden Leutchen vergnügten sich drei -Stunden lang im freien Felde zwischen Sträuchern und Bäumen .... der -gute Mond sah anfangs recht gutmüthig schalkhaft in diese Wirthschaft -hinein... zuletzt jedoch mochte es selbst ihm, dem Langmüthigen, zu -toll werden — und was thut er, der brave alte Kerl? — Er sendet -leise und klug einen seiner schärfsten Strahlen auf die pittoreske -Gruppe des Liebespaares, so daß diese, trotz der getreuen Büsche und -Blätter, so grell beschienen wird, wie am Tage... Alles das war noch -immer wie gewöhnlich! — Jetzt jedoch kommt etwas Ungewöhnliches... -Im Augenblicke der vollen Beleuchtung... stürzt ein Mann, der sich<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span> -bisher versteckt gehalten, hervor und auf die engverschlungene Gruppe -des Liebespaars... der Mann hat einen Degen — und will damit die -Verbrecher züchtigen.... Jedoch ist dieser Mann ein Ehrenmann, ein -Biedermann, ein Engel von einem Manne; statt allein auf die Beiden -loszustürzen, wozu er doch das vollkommenste Recht besaß, bietet -er dem Chevalier einen Degen an und will es mit ihm im Zweikampfe -ausmachen. ... Armer Ehrenmann! Armer Biedermann! — Was geschieht -anstatt dessen? — — In dem Augenblick, wo er sich seinem Gegner -nähert und ihm eine von den zwei Waffen, die er selbst mitgebracht -hatte, anbietet — entreißt die zärtliche Gräfin Cölestine ihm dieselbe -und fällt ihn von hinten mit der Wuth einer Tigerin an.... (Wer hätte -dies Alles der sanftmüthigen Gräfin zugetraut!) .... Nunmehr versieht -sich Herr von Marsan seines Vortheils, ihm kann man so etwas weniger -übel nehmen — — stürzt seinerseits auf den armen Mann, welcher -alsbald zu Boden gerissen — und, (durch wen von Beiden weiß man nicht) -dermaßen zugerichtet wird, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> er aus mehreren Wunden blutet und ein -entsetzliches Wehgeschrei ausstößt...“</p> - -<p>„Das ist Alles selbst entsetzlich!“ schauderte der Zirkel, spannte aber -seine Aufmerksamkeit immer schärfer an.</p> - -<p>„Bei diesem Ruf entfliehen die Verbrecher, und eilen dem Platze zu, wo -noch die Equipage Marsans steht... aber Wuth und Verzweiflung gaben dem -Verwundeten die Kraft, sich wieder rasch vom Boden aufzuraffen — und -er folgt den Zweien nach. Das war ein Rennen und ein Laufen! Man hätte -es für eine Jagd halten können — oder für ein Wettrennen... hahaha! — -Und das Geschrei des Verfolgenden, wie der Verfolgten! — — „Elende! -Ihr sollt es mit Eurem Leben büßen!“ „„Allmächtiger Himmel! rette -uns!““ — u. s. w. — — Aber der Himmel und respective die Göttin -Venus weiß die Ihrigen zu beschützen... mit einem Worte: der Rächer -war eben am Wagenschlage angelangt — als die Equipage mit dem darin -geborgenen Liebespaar pfeilschnell abfuhr... so daß der Arme nur mehr -ein entsetzliches Wuthgeheul ausstoßen konnte.... Venus, Amor, sowie -den ganzen<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> Himmel verfluchend.... und das mit Recht, denn rathen Sie, -meine Freundinnen, wer dieser arme Mann wohl war —?“</p> - -<p>„Nun — es wird doch nicht...?“ hieß es wie aus einem Munde.</p> - -<p>„Ja, ja — — es war ihr Mann, <em class="gesperrt">Cölestinens Mann</em>, der arme, -bedauernswürdige, redliche und betrogene Graf <em class="gesperrt">Alexander von -A—x</em>, einer der edelsten Cavaliere dieser Residenz war es!“</p> - -<p>Nach einer Pause voll tiefen Erstaunens — fragte eine von den Damen: -„So ist er also hier in der Residenz?... So liegt er also irgend wo -krank, verwundet zum Sterben, der edle, gute, unglückliche Graf...“</p> - -<p>„Wie Sie sagen, so ist es, meine Beste. Er liegt in einer elenden Hütte -— denn seine treulose Gemahlin und ihr Haus will er nicht mehr sehen -— krank, leidend, zum Tode verwundet ... wahrscheinlich wird der -Märtyrer bald seinen Geist ausgehaucht haben....“</p> - -<p>„Das Alles scheint mir indessen doch ein wenig unglaublich!“ bemerkte -jetzt Gräfin Wollheim, nachdem sie lange mit einem ziemlich hohen<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span> -Grade von Mißbehagen zugehört hatte, ohne sich entschließen zu können, -drein zu reden; endlich war es ihr indessen doch zu bunt geworden: sie -konnte diese Anklagen gegen ihre Freundin Cölestine nicht länger ruhig -mit anhören.... wiewohl es ihr auch anderseits wieder schwer fiel, -gegen das Fräulein von Bomben aufzutreten — da diese sich ja ebenfalls -ihrer Freundschaft erfreute.</p> - -<p>„Reden wir lieber von etwas Anderem!“ bemerkte die brave Gräfin, welche -mit dieser Wendung einen Meisterstreich ausgeführt zu haben glaubte: -„Reden wir von unseren Arbeiten, von unseren Beschäftigungen, wenn es -Ihnen gefällt, meine Damen. Was mich betrifft... so habe ich wieder -eine Jacke und drei Paar Strümpfe von starker Wolle gestrickt....“</p> - -<p>„Ah, ah! für den edlen Frauenverein!“ fiel die Stiftsdame ein.... „Wer -weiß,“ lachte sie, „welchem braunen Bauerburschen diese Jacke von einer -der hohen Vorsteherinnen zugedacht werden wird.... haha!“</p> - -<p>Bei diesen Worten ging der Chevalier an der Gesellschaft vorüber: -„Meine Damen —<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span> meine Gnädigen,“ sagte er mit einem artigen Lächeln: -„man rüstet sich zum Spiel, zum Tanze. Welchem Vergnügen werden Sie den -Vorzug geben?“</p> - -<p>„Natürlich dem erstern — wenn wir bei dem zweiten nicht blose -Zuschauer bleiben wollen!“ bemerkte das Fräulein.</p> - -<p>„Nun denn erlauben Sie, daß ich Ihnen den Arm biete, um Sie nach dem -Spielzimmer zu führen....“</p> - -<p>Er begleitete die Gräfin von Wollheim — die Andern folgten.</p> - -<p>„Ich werde dort, wie ich hoffe, die edlen Mitglieder des saubern -Frauenvereins finden!“ murmelte das Fräulein zwischen den Lippen — -denn Zähne, wie wir wissen, hatte sie keine — dann rief sie mit Zorn -aus: „Beim Domitian, Alarich und Genserich! — ich werde Ihnen heute -zeigen, mit wem sie’s eigentlich zu thun haben.... Hilf Samiel!“</p> - -<p>So wie der Graf Wollheim seine Frau nach dem Spielzimmer gehen sah, -machte auch er sich auf und folgte — nicht ihr, sondern seinem Stern, -das will sagen: seinem Durst. Er hatte<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span> bisher mit zwei oder drei -Herren, die sich für außerordentliche Jäger hielten, gesprochen und -fand — daß wenn sie auch mit einem Theil der edlen Weidmannskunst -umzugehen verstanden, sie doch im andern keinen Bescheid wußten.... -und dieser zweite Theil schien ihm seit langer Zeit der <em class="gesperrt">erste</em> -zu sein. Er fand nämlich, daß, während jene zwei Herren nur immer -von Hirschen, Ebern, dem Anstand, der Fährte, dem Hallali — Fängern -— Suchern — Schlingen und Doppelbüchsen redeten — — sie der -<em class="gesperrt">Humpen</em>, <em class="gesperrt">Krüge</em>, <em class="gesperrt">Flaschen</em> und <em class="gesperrt">Fässer</em> niemals -erwähnten. — Das schien ihm jedoch eine sehr miserable Jägerei — -er ärgerte sich dabei im Stillen schier zu Tode — jemehr aber sein -Aerger wuchs, desto mehr wuchs auch sein Durst, wie jeder Physiolog -oder Patholog Euch haarscharf beweisen wird. — — Er riß sich demnach -in einem Augenblicke, wo dies thunlich war, von dieser schlechten -Gesellschaft los — sagte, er wollte seine Gemahlin begleiten — statt -dessen begleitete er sich selbst — in die Kellnerei. Wir sehen ihn -hier noch einige Zeit, darauf verschwindet er hinter mannigfachem -Trinkgeschirre unseren Blicken. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span></p> - -<p>Der General und die Generalin hatten sich auch zu den Spieltischen -begeben, und so ist denn jetzt beinahe der ganze Kreis unserer -Bekannten auf einem Punkte vereint, gleichsam als hätte das Schicksal -sie mit Willen hier zusammengeführt. — — Da saß die Wittwe E—z und -ihr gegenüber Herr von Labers; gleich daneben General Randow, die -Gräfin Wollheim und die Generalin.... ferner mehrere Damen und Herren, -die zur nähern Bekanntschaft der Letzteren gehörten und die wir oft in -ihrem oder ihrer Tochter Salon angetroffen haben. Der Chevalier trat -auf kurze Zeit herein, begab sich jedoch bald wieder in den Salon, -wo getanzt wurde und wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war. -Dieser Salon stand mit dem Spielzimmer, von welchem wir hier sprechen, -durch zwei große offene Thüren in Verbindung, und man konnte ihn daher -seiner ganzen Ausdehnung nach von jedem Spieltische aus übersehen....</p> - -<p>Dieser Umstand war für das fromme Stiftsfräulein von unberechenbarem -Nutzen — denn sie auf ihrem Sitze konnte jetzt den ganzen Kreis ihrer -Feindinnen — Opfer darf man wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span> sagen —: sie konnte acht oder -zehn Damen, welche neben einander im Salon saßen, beständig im Auge -behalten; und diese Damen gehörten sämmtlich zum Frauenverein.</p> - -<p>In der Brust der seltenen Menschenfreundin kochten in diesem -Augenblick, wie in einem Hexenkessel, Gift, Galle, Rache, Schlangen -und Ottern — nebst noch andern Species, mit denen man seine Feinde -vertilgt; sie warf zeitweise wahre Belialsblicke hinüber, und wenn -sie dann jene Frauen so sorglos und heiter sah, murmelte sie vor sich -hin: „O auch Babylon war vergnügt und lachte — bevor der Donner -d’reinschlug... hahaha! Geduld — Samiel umschleicht Euch schon!... -Hilf Samiel!“</p> - -<p>In diesem Augenblicke gab sie einem dicken Kerl, der in der Tracht -eines Verschnittenen steckte — und einen großen Korb in der Hand hielt -(der Kerl war so eben erst eingetreten und hinter einer Draperie stehen -geblieben, so daß er noch von Niemand bemerkt wurde), einen Wink; er -trat mit seinem Korbe vor und auf ein neues raschgegebenes Zeichen -schritt er in den<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> Salon — geradewegs auf die Damen des Frauenvereins -zu, denen er, bevor sie noch Zeit hatten, sich von ihrer Ueberraschung -zu erholen, den Korb vor die Füße stellte — worauf er rasch in’s -dichteste Gedränge verschwand...</p> - -<p>Jetzt ertönte ein lautes Geschrei aus dem Korbe — man öffnete ihn..... -und Alles prallte zurück.</p> - -<p>In dem Korbe lagen drei kleine Kinder, deren jedes einen Zettel in der -Hand hielt, wovon der erste so lautete:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„An die Frau Baronin von **!“</p> - -<p>Geliebteste! — Hier sende ich Ihnen Ihren und meinen Sohn zurück, -welchen ich Ihrem Willen gemäß insgeheim bei meiner Mutter erziehen -lassen sollte, nachdem Sie ihn dort geboren hatten, während die -Welt glaubt, Sie seien mittlerweile auf einer Reise nach Venedig -begriffen gewesen. Da Sie meiner Mutter, der armen Frau, das -Kostgeld bereits seit 14 Tagen nicht haben zugehen lassen, sehen -wir uns zu dem gegenwärtigen Schritte<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> gezwungen, falls das kleine -Würmchen nicht Hungers sterben soll.</p> - -<p class="mleft3">Ganz der Ihrige</p> - -<p class="right mbot1"><span class="mright3">bis in den Tod</span><br /> -<span class="mright1"><em class="gesperrt">Andreas Tunker</em>,</span><br /> -Schmiedegeselle in Penzing.</p> - -</div> - -<p>Die andern zwei Zettel, an zwei andere Frauen, welche ebenfalls hier -saßen, gerichtet — enthielten ähnlichen Text, daher wir es für -überflüssig halten, denselben anzuführen.</p> - -<p>Es gab eine entsetzliche Scene! Die Residenz hatte sie bisher noch -nicht erlebt — — aber das Unerhörte erneuert sich in unserer Zeit, -besonders wenn es von dieser natürlichen Art ist, wie das gegenwärtige.</p> - -<p>Nachdem die betreffenden Frauen gebührend in Ohnmacht gesunken waren, -nachdem man sie und auch die Kinder weggebracht hatte — nachdem -schließlich die edelste der Stiftsdamen und Menschenbeglückerinnen im -Stillen ein heißes Dankgebet an Samiel oder irgend einen Andern von -seiner Sippschaft gerichtet hatte.... gab sich die übrige Gesellschaft -im Aeußern wieder zur Ruhe.... wie es jedoch im Geheimen bei ihr<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span> -bestellt war, davon wird man sich leicht einen Begriff machen.</p> - -<p>Der Herr des Hauses war durch den Vorfall auf’s Tödtlichste -verletzt.... er hatte sogleich allen seinen Domestiken den Befehl -ertheilt, dem dicken Ueberbringer des überraschenden Festgeschenkes -nachzusetzen.... von demselben war indessen keine Spur mehr zu -entdecken.</p> - -<p>Dieses Intermezzo war kaum zu Ende — — als ein zweites, ein anderes, -dem es ebenfalls nicht an Originalität gebrach, begann....</p> - -<p>Die nach dem Korridor gehende Thür des Spielzimmers wurde aufgerissen -und zwei Menschen stürzten herein, deren Aussehen und Zustand der -ganzen Gesellschaft einen Schrei entriß...</p> - -<p>Ein älterer, großer, starker Mann, der von allen gebräuchlichen -Kleidungsstücken nur die Beinkleider und das Hemde auf dem Leibe hatte -— welches letztere jedoch sowohl vorne offen und aufgerissen, wie an -dem Arme bis über die Ellbogen hinaufgeschürzt war.... stolperte mit -einem rothen, erhitzten Gesichte, in dem die Augen furchtbar rollten, -herein — schrie mit einer Stimme, die einem Löwen anzugehören schien<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> -und focht dabei mit den Armen in der Luft umher:</p> - -<p>„Ha! —“ rief er: „endlich sind wir da! — Endlich haben wir den Platz -gefunden! — Endlich können wir uns produziren....“</p> - -<p>Bevor wir jedoch weiter gehen, müssen wir erzählen, wie der Zweite -aussah.</p> - -<p>Dieser war ein ganz junger Mensch — und befand sich in demselben -Zustande, wie sein Begleiter. Sein Gesicht war krankhaft, bleich, und -selbst der Geist, welcher jetzt im Innern der Brust wirkte, vermochte -nicht, ihm eine lebhaftere Röthe zu verleihen; dieses Gesicht nun hatte -auf der einen Wange eine große, weit klaffende Wunde, von welcher, wie -es schien, erst vor Kurzem, und zwar gewaltsamer Weise, der Verband -abgerissen worden war.... auch der rechte Arm war verwundet und es -drang selbst durch das Hemd noch Blut heraus. Im Uebrigen erschien der -Anzug des Jünglings noch paradiesischer wie jener des Alten.... maßen -dieser biedere Jüngling in Socken umher ging und das Beinkleid bis zum -Bauch hatte herabfallen lassen. — —</p> - -<p>Man wird es vielleicht schon errathen haben:<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> wir sehen <em class="gesperrt">Wollheim</em> -und <em class="gesperrt">Edmund</em> im erleuchtetsten Zustande vor uns....</p> - -<p>„Oh!“ brüllte der Nimrod: „das war ein schändlicher Streich, welchen -man mir seit so vielen Monaten gespielt hat.... Man hat mir meinen -Freund, Schüler, mein Jüngelchen entzogen.... man hat ihn unten in der -Nähe des Kellers in einer verschlossenen Stube gefangen gehalten.... -Beim St. Hubertus! Das ist ein Verbrechen, welches mindestens der -<em class="gesperrt">Waldbrennerei</em> gleichkommt und mit dem Spießen sollte bestraft -werden.... Da gehe ich armer verlassener Jägersmann, in meiner Trübsal -— Stärkung zu suchen in unterirdischen Räumen — über die Treppe -hinab. — Ich verfolge meine Fährte in diesem guten Hause hier Schritt -für Schritt und gelange richtig.... vor die Kellerthüre. — Aber, -Alle Sechzehnender! — — sie ist verschlossen.... da fange ich an zu -rütteln — — es geht nicht — — da rufe ich und schreie nach dem -Kellermeister.... Jetzt plötzlich geht eine andere Thür neben mir -auf.... und wer stürzt mir um den Hals?.... Der Kellermeister aller -Kellermeister! — Mein Freund, mein<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> Schüler, mein Jüngelchen, mein -Stolz, mein Königshirsch.... kurz Edmund!“</p> - -<p>Bei diesen Worten stürzte nun auch er ihm um den Hals und diese beiden -trefflichen Schützen begannen laut heulend zu weinen. —</p> - -<p>„Ich wollte blos,“ sagte der Graf: „der Welt und seinen betrübten -Eltern ihn zeigen, ihnen verkünden, daß er lebt — lebt — in ihrer -Nähe ist — und weder bei einem Duell bei Prag fiel, noch sonst wohin -an’s Ende der Welt reis’te.... wie so oft von schändlichen Lügenmäulern -vorgegeben wurde.... Aber,“ schrie der Jäger wild auf wie im Walde: -„das muß untersucht werden! Alle Kreuz- und Quer-Fährten, das muß -untersucht werden! Weßhalb hat man diesen jungen hoffnungsvollen Ritter -und Waidmann in Gefangenschaft gehalten?.... weßhalb hat man diese -Blume der Jünglinge hinter Riegel und Schloß gesteckt?.... denn er -schmachtete da unten in dem dumpfen Loche, wie er sagte, seit mehrern -Monaten. — Weßhalb also, frag’ ich noch einmal?...“ Hier wurde der -Redner jedoch so schwach, daß er sein Gleichgewicht verlor und auf die -Stiftsdame fiel....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span></p> - -<p>Marsan hatte der Scene mit wüthenden Blicken zugesehen und eben sich -beeilt, mit Hilfe zweier Herrn sich der Trunkenen zu bemeistern, -als, an diesem, an Ereignissen unerschöpflichen, Tage — ein neues -hereinbrach.</p> - -<p>In dem Augenblick, wo Marsan auf Edmund zuschritt, trat eine Person — -von Außen herein und stellte sich rasch zwischen Beide.</p> - -<p><em class="gesperrt">Es war der Graf Alexander von A—x.</em></p> - -<p>Er sah bleich wie der Tod aus und stützte sich auf einen Stock.</p> - -<p>Mit der Hast des Blitzes — warf er seinen Blick auf den Chevalier -und sodann auf Edmund ... da trug sich ein physiologisches Phänomen -zu, welches unerhört sein mochte. Die bleiche Krankenmiene Alexanders -— strahlte im Nu von Leben, Kraft und Entzücken.... und seine früher -convulsivisch zuckenden Lippen stießen einen mächtigen Freudenruf aus:</p> - -<p>„Großer Gott — was seh ich! Ist es möglich! — Nicht Sie, mein -Herr,“ wandte er sich zum Chevalier „sind in jener Nacht von einem -Degen getroffen worden — sondern <em class="gesperrt">Edmund</em><span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span> der Bruder meiner -Frau...?.... So hat also er Cölestinen begleitet und nicht Sie....“</p> - -<p>Da faltete sich wieder die Stirne Alexanders plötzlich und er sprach -dumpf: „Aber wie dies Alles zusammenhängt, will mir nicht klar -werden... O vielleicht ist das Schreckliche dennoch geschehen.....“</p> - -<p>Marsan besann sich einen Augenblick; sodann ergriff er rasch den Grafen -bei der Hand und zog ihn mit sich fort in ein Kabinet. — —</p> - -<p>Hier begann er:</p> - -<p>„Da es so weit gekommen ist, daß nichts mehr verschwiegen werden kann -— da das Schicksal selbst einen Zipfel des Tuches aufhob, womit ein -Geheimniß bedeckt war, welches nur noch kurze Zeit hätte bedeckt -bleiben sollen, da dann vielleicht andere günstige Umstände eingetreten -wären, so erfahren Sie, Herr Graf, zuerst: Ihre Gemahlin ist so -unschuldig wie ein neugebornes Kind. —“</p> - -<p>„Aber Beweise! Beweise!“ schrie Alexander, unter dessen Füßen es -brannte — über dessen Haupte die Welt einzustürzen drohte....</p> - -<p>„Hier sind die Beweise. Edmund von Ran<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span>dow, der Bruder Ihrer Gemahlin, -hat sich durch leichtsinnigen Unbedacht und durch böse Gesellschaft -schon frühzeitig in die mißlichsten Umstände gebracht — seine Finanzen -zerrüttet und Wucherern sich in die Arme geworfen. Anstatt seine -Lebensweise zu ändern — oder aber sich seinem Vater anzuvertrauen -und von ihm einen größeren Geldzufluß für sich zu erwirken — schritt -der schlechtberathene junge Mann auf seinem alten Wege fort.... -gerieth aus einer Verlegenheit in eine größere.... und wurde zuletzt -mit einem unvergleichlichen Seelenverkäufer, <em class="gesperrt">Lips</em> oder wie -dieser Kerl sonst heißt, bekannt; dieser verleitete ihn, um ihn ganz -in seine Hände zu bekommen — selbst zu schändlichen Streichen!... -zum Verkauf seines Eigenthums! seiner Kostbarkeiten, seiner Möbel.... -und so fort! Um diese Zeit traf ich mit Edmund zusammen; — ich halte -es für meine Pflicht, jetzt ein Bekenntniß abzulegen, welches mir -in diesem Augenblick zu thun möglich ist, da ich noch zeitig genug -von einem Vorhaben abstand, welches mich Ihnen gegenüber schuldig -gemacht hätte: Ich liebte Ihre Gemahlin — und ich habe es gewagt, -ihr meine Leidenschaft mer<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span>ken zu lassen. — Ich glaubte Anfangs, von -ihr ermuthigt zu werden (Sie werden ohne Zweifel sich jener Tage in -Ihrem Salon so wie in jenem der Generalin E—z erinnern, Herr Graf!) -— — aber ich irrte mich, wie ich später sah: das, was ich für eine -Gewährung meiner Ansprüche hielt, war von Seite Cölestinens nichts -als Artigkeit und jene lebhafte Geselligkeit, soll ich vielleicht -sagen auch ein wenig — Koketterie gewesen, welche unbeschadet ihrem -Herzen — ihr eigenthümlich ist. — — Herr Graf, wissen Sie, worum es -sich damals im Salon der Generalswittwe E—z besonders handelte?... -Wissen Sie, weshalb bald ich, bald Edmund sich der Gräfin so dringend -näherten? Damals wollte Edmund, in seinem <em class="gesperrt">eigenen Interesse</em> -um des Himmelswillen — mit ihr sprechen; er hatte, wie ich später -erfuhr, damals den traurigen Fehltritt begangen, welcher nachher die -Quelle all seines — so wie des Unglückes Cölestinens und des Ihrigen -gewesen ist. — Um kurz zu sein: Edmund hatte falsche Papiere auf -<em class="gesperrt">Ihren</em> Namen, Herr Graf, gemacht und dieselben mit seinem eigenen -Herzen zugleich in die Geiers<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span>kralle des Herrn <em class="gesperrt">Lips</em> gelegt... -Lips wollte sie an jenem Abende noch Ihnen präsentiren — oder von -Edmund den dreifachen baaren Betrag haben .... und der unselige -Jüngling wandte sich, da er sich an sonst Niemand wenden zu dürfen -glaubte — an seine Schwester, die ihm ihren <em class="gesperrt">Schmuck</em>.... einen -Schmuck, welchen sie von Ihnen erhalten, gab. — Dies geschah noch in -derselben Nacht, bald nach der Abfahrt von dem Hause der Generalin -E—z; — — Edmund hatte mit seiner Schwester eine Zusammenkunft auf -<em class="gesperrt">ihrem Boudoir, nach Mitternacht</em>.“ — — Hier entfuhr den Lippen -Alexanders ein Schrei der Ueberraschung: „Er also war es gewesen!?“ -Marsan aber fuhr fort: „Dieses Geschenk jedoch war für ihn nichts mehr -als ein Palliativ gewesen..... der Werth des Schmuckes reichte nicht -aus.. und Lips <em class="gesperrt">prolongirte</em> blos das falsche Papier — — behielt -es jedoch bei sich. — Schon nach wenigen Tagen bestand er unerbittlich -auf <em class="gesperrt">Bezahlung</em> desselben.... Edmund hatte entweder den Kopf -oder alles Herz, allen Glauben verloren, denn er hätte sich ja leicht -<em class="gesperrt">mir</em> anvertrauen können, ja selbst Sie, mein Herr, obwohl Sie ihn -eines<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span> falschen Verdachtes wegen, den ich bei Ihnen jetzt vernichtet -zu haben glaube, haßten — würden den Aermsten gewiß nicht haben -untergehen lassen... Allein dieser Jüngling war bestimmt — sich und -seine Familie ganz und gar elend zu machen.... er harrte, harrte, bis -irgend ein Gott aus der Luft seinen mächtigen Arm herabneigen werde.... -er harrte, oder vielleicht lebte er in einer Art von Wahnsinn fort — -— bis der tödtliche Streich geschah.... Sein Würger erschien, forderte -das Geld und — — da er es nicht erhielt, ging er vor Gericht. — —“</p> - -<p>„Hier ist ein Räthsel, welches ich nicht zu lösen vermag. Weßhalb ging -Lips vor Gericht? Es war einfacher, sich an Sie oder an die Eltern des -jungen Mannes zu wenden.... so konnte er schleunig zu seinem Gelde -gelangen. Was hatte er von der öffentlichen Compromittirung Edmunds? — -— Oder war hier nicht <em class="gesperrt">persönliche</em> Beziehung mit im Spiel? — — -Doch, ich hoffe, auch auf diesen dunklen Punkt wird noch Licht fallen.“</p> - -<p>„Edmund, von dem Schritte seines Gläu<span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span>bigers in Kenntniß gesetzt — -verbarg sich und entdeckte seiner Familie, er sei nach Prag oder an -die Grenze verreis’t. Ach vergebens! Auch für sie war das blos ein -Palliativ. Sie erfuhren das Unglück Ihres Sohnes noch in derselben -Stunde. — — Edmunds Aufenthalt in dieser Zeit war Niemand bekannt, -als seiner Schwester ... später auch seiner Mutter. Aber dieses -Versteck war gegen die Nachstellung der Häscher nicht hinlänglich -gesichert.... und in einem Anfall von Verzweiflung warf Cölestine das -Geheimniß in meine Hände.... sie machte mich zu ihrem Vertrauten, -sie beschied mich.... brieflich ... aber das mißglückte durch Ihre -Dazwischenkunft, Herr Graf.... sie beschied mich sodann durch eine -mündliche Botschaft zu sich. — Ich entsprach mit Begeisterung dem -ehrenden Vertrauen: ich stellte mich in Person bei ihr ein — — und -hier wurde zwischen uns festgesetzt, daß Edmund in <em class="gesperrt">meinem</em> Hause -ein verborgenes Zimmer bewohnen sollte. — Alles dieses wurde sofort in -Vollzug gesetzt....“</p> - -<p>„Ihr Haß, mein Herr, gegen Edmund, die Schwierigkeit, diesen Haß -anders zu zerstreuen<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span> als durch Blosgebung der Schande des Jünglings -— die unbezwinglich stolze und hartnäckige Weigerung Ihrer Gemahlin, -Ihnen Alles zu enthüllen.... (sie zog diesem Schritte den Tod vor!) -endlich... die Hoffnung, daß nach und nach, wenn auch in späterer -Zeit — der Sturm doch wieder vorüberziehen werde.... bewirkten, daß -Cölestine den schrecklichsten Verdacht auf ihr Haupt fallen sah — ohne -etwas thun zu können — als zu weinen, zu klagen — zu verzweifeln.... -Sie reis’ten von Wien ab, Herr Graf, Sie bewirkten eine eklatante -Trennung — — und Cölestine mußte das Alles geschehen lassen, konnte, -ob auch ihr Herz im Todeskampfe zuckte — Sie nicht einmal mit einer -Hand zurückhalten. — Allein Edmund, ihr unglücklicher Bruder, war -geborgen; das gab ihrem Herzen einen schwachen — mattglimmenden Trost. -Sie kennen die zärtliche Liebe der beiden Geschwister: Cölestine wollte -lieber selbst elend sein, als es ihren Bruder sein lassen. —“</p> - -<p>„Sie sah ihn jede Nacht. Jede Nacht um zwölf Uhr erwartete er sie an -dem Gartenpförtchen <em class="gesperrt">Ihres</em> Hauses und meine Equipage brachte<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span> -Beide hierher in <em class="gesperrt">dieses Haus</em> — wo sie auf Edmunds Zimmer -Stunden lang beisammen blieben.... Wie viele Thränen sind da geflossen! -— —“</p> - -<p>„Doch weiter! — Meiner Mühe gelang es — Ihren Aufenthalt zu -entdecken, Herr Graf.... ich wollte für die arme Frau Alles thun, was -in meinen Kräften stand, und so war ich der Ueberbringer ihres Briefes -an Sie auf Ihrem Schlosse, mein Herr......“</p> - -<p>„Hier endet meine Erzählung. Ich weiß nichts mehr hinzuzufügen. —“</p> - -<p>„Es ist genug!“ versetzte der Graf, kaum noch athmend. Er war in einen -Sessel gesunken. — Diese Ereignisse hatten seine ganze Mannheit -erschüttert.</p> - -<p>Die Freude ist oft schrecklicher als der Schmerz, besonders bei jenen -Naturen, denen dieser häufiger, als jene zu Theil wird. —</p> - -<p>In diesem Augenblicke fühlte Alexander Jemand in seine Arme stürzen.... -er erhob das matte Auge. Es war <em class="gesperrt">Cölestine</em>, seine Gattin, die vor -ihm auf den Knieen lag! —</p> - -<p>Der Chevalier hatte ihr Nachricht gegeben. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span></p> - -<p>„Nun Du Alles weißt,“ sagte sie: „braucht mein Mund nicht mehr zu -sprechen und mein Herz nicht mehr in namenloser Scham zu ersterben.... -Du weißt Alles, Alexander! Alles, Alles; — — Und dies Alles bestätigt -das Wort: „Ich bin unschuldig! ich bin Dir treu gewesen!““</p> - -<p>— — Endlich glaubte er ihr. —</p> - -<p>Der Chevalier verließ das Gemach. —</p> - -<p>Nichts von dem Allen, was in dieser seligen Stunde, deren Zeuge nur -Gott war, zwischen den Gatten vorging... nichts von den wollustvollen -Thränen und von den selig-wehmuthvollen Freudenergüssen. — Alexander -hatte Cölestine treu erfunden — der Nebel des Mißtrauens war -zerrissen — die Schatten der Zwietracht flohen mit ihm davon — die -Welt war wieder schön — die Erde hatte ihr Grün, der Himmel seine -Sonnenpracht...</p> - -<p>Alexander erfuhr nun auch noch so manche von jenen Dingen, die zu -allererst den Keim des Argwohns in seine Brust gelegt hatten; er -erfuhr, daß jene Blume, jene Hortensie, die er einst im Schlafgemache -gefunden und welche ihn zuerst so unglücklich machte, die Stelle -eines<span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span> Amulet vertreten habe. Es war Cölestinen von einer alten Frau -angerathen worden, und so sprach die Wahrsagerin: so lange diese Blume -an dem Busen der jungen Frau ruhen werde, so lange werde sie mit ihrem -Gatten glücklich sein. —</p> - -<p>Das hatte sich denn im Laufe der Zeit auch bewährt.</p> - -<p>Ferner: die zwei Briefe, die er in ihrem Boudoir gefunden, waren von -niemand Anderem, als ihrem Bruder Edmund, eben so auch die Haarlocke — -und die Ringe....</p> - -<p>Auf die Zahlen hatte sie in die Lotterie gesetzt....</p> - -<p>Noch blieb jedoch Etwas zu lösen übrig.</p> - -<p>Wer war jener geheimnißvolle, finstere Warner gewesen, der sich dem -Grafen überall unsichtbar in den Weg gestellt, an die Fersen gehangen -und so Schreckliches geweissagt hatte, was auch stets, dem Scheine nach -wenigstens, eingetroffen war. So lange dieser Punkt nicht erörtert war -— konnte Alexander doch noch nicht so ganz vollkommen beruhigt sein. -— Sodann, wer war jener zweite sonderbare, nicht minder geheimnißvolle -Mensch, der gleich einem Gespenste sich in<span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span> die Salons der Gräfin und -ihrer Freunde schlich — man hatte ihn nicht kommen, man hatte ihn -nicht gehen sehen; man hatte nur seine bösen Rufe gehört und seine -unheimliche Gestalt geschaut? — —</p> - -<p>Auch hierüber wollen wir sogleich Auskunft ertheilen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Dreizehntes_Kapitel"><b>Dreizehntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Schluß.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">E</span>s war am heutigen Tage unser schöner Freund Althing in den Prater, der -zu dieser Zeit schon seine grünen Sprößlinge aussendete — spazieren -gegangen, und nachdem er sich, Gott weiß aus welcher Laune, in dessen -entferntesten Garten verloren hatte — war er auf eine Dame gestoßen, -welche mit einem Buche in der Hand hier auf einem abgebrochenen -Baumstamme saß. Diese Dame schien sehr in ihrer Lektüre vertieft und -wendete keinen Blick ab von derselben; doch unser Adonis ließ sich -dadurch nicht irre machen, sondern setzte sich ohne weiteres neben sie -hin und redete dieselbe an...</p> - -<p>Da hob sie zwei Augen empor — so blau wie der Saphir und ein Gesicht -so schön wie<span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span> ein junger Morgen; nämlich seiner Meinung nach. Noch nie -glaubte Herr von Althing das gefühlt zu haben, was jetzt in seiner -Brust vorging (wir wissen jedoch, er glaubte stets also!) — — und, -wie es seine Art war, er machte hier dem Mädchen ohne weiteres seine -Liebeserklärung....</p> - -<p>Und sofort stand sie auf, verließ den Platz, und ging weiter. Er aber -ging nach; und als sie den Weg nach der Stadt einschlug, folgte er ihr -ebenfalls dorthin.</p> - -<p>Sie führte ihn auf diese Weise aus einer Straße in die andere, bis sie -zuletzt auf der <em class="gesperrt">Bettlerstiege</em> in ein Haus trat, sich jedoch -zuvor noch umsah.</p> - -<p>„Richtig!“ lächelte Althing und griff vorsichtig an seinen gefärbten -Schnurbart; „die ist total in mich verschossen! — Ach! dieser Blick -war zu stark! — Armes Mädchen — Du sollst erhört werden.... denn -was ich für Dich empfinde, ist <em class="gesperrt">wahre</em> Liebe!... Zum <em class="gesperrt">ersten -Male</em> durchdringt dieses höhere Gefühl meine Jünglingsbrust! Ich -sehe — bei meinem bisherigen Leben<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span> kommt nichts heraus — ich bin -entschlossen, ein neues anzufangen.“</p> - -<p>Er trat nun ebenfalls in das Haus — und da er das Mädchen nach dem -hintersten Winkel desselben gehen sah, ging er auch dahin — — doch -fürchtete er hier zu einer gewissen Abtheilung zu gelangen, die einem -Parfümerie-Laden eben nicht ähnlich ist. Statt dessen gelangte er zu -einer hölzernen Treppe und stieg sieben volle Etagen — wie es stets -sein Geschick wollte — der Dulcinea nach. Endlich trat er fast mit ihr -zugleich in eine kleine räucherige Stube, welche ihres Gleichen nicht -hatte.... jetzt sah er sich mit dem Mädchen allein.</p> - -<p>„Aber was hat das zu bedeuten, mein Herr?“ fragte sie....</p> - -<p>„Es hat zu bedeuten, mein Fräulein, daß ich Sie liebe.“</p> - -<p>„Und weiter? —“</p> - -<p>„Daß ich ohne Sie nicht leben kann.“</p> - -<p>„Allein — —“</p> - -<p>„Kurz... da ich jetzt in den besten Jahren bin und es mir auch nebenbei -ernstlich vorgenommen habe — biete ich Ihnen meine Hand an....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span></p> - -<p>Bei diesen Worten lief das Mädchen zur Thür hinaus.</p> - -<p>Er stand einige Secunden verblüfft auf dem Platze, da vernahm er im -Nebenzimmer zwei Männerstimmen, die sich zu zanken schienen. —</p> - -<p>„Ich sage Ihnen, daß ich keinen Tag länger auf den letzten Posten, -welchen Sie mir von der Affaire noch schulden, warte. Wo Sie mich -nicht noch heute bezahlen — zeige ich die ganze Geschichte durch ein -anonymes Schreiben dem <em class="gesperrt">Grafen von A—x</em>, so wie dem <em class="gesperrt">Generale -von Randow</em> an... die mögen es Ihnen dann entgelten, was durch Ihre -Bemühung dem armen jungen Menschen <em class="gesperrt">Edmund</em> Schlimmes widerfahren -ist... Auf Ehre!“</p> - -<p>Bei Nennung dieser Namen stutzte Althing und stellte sich näher an die -Wand, um besser zu hören:</p> - -<p>„Sie müssen noch kurze Zeit Geduld haben, mein Bester!“ ließ sich die -andere Stimme vernehmen — und Althing glaubte sie zu erkennen.</p> - -<p>„Uebrigens,“ fuhr diese Stimme fort — „halte ich Sie nicht für den -Thoren, das zu thun, womit<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> Sie so eben drohten, denn was gewinnen -<em class="gesperrt">Sie</em> damit? Nichts.“</p> - -<p>„Aber Sie, mein Liebster, verlieren doch — auf Ehre!“</p> - -<p>„Aber dann kann ich Sie dafür auch auf’s Zuchthaus bringen — guter -Lips.“</p> - -<p>„Wir sind gegen solche Möglichkeiten sicher gestellt, mein Guter; auf -Ehre!“</p> - -<p>„Das wollen wir doch sehen — hahaha!“</p> - -<p>„Ja — das werden wir auch sehen, hahaha .... ohne daß ich -hinzuzusetzen brauche: — Auf Ehre!“</p> - -<p>Jetzt wurde eine Thür zugeworfen und bald darauf entfernte sich Jemand -unter schallendem Gelächter über die Treppe.</p> - -<p>Gleich darauf trat das Mädchen herein; an ihrer Seite aber schritt -jener Sterbliche, welchen wir als unsern wackern Meister Lips bereits -seit lange zu kennen die besondere Ehre haben. —</p> - -<p>„Dieser Herr hier will mich zur Frau nehmen!“ sagte sie kurz.</p> - -<p>„Ist das wahr?“ fragte Lips eben so kurz den Adonis.</p> - -<p>„Gewiß!“ antwortete dieser ein wenig erstaunt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span></p> - -<p>„Meine Tochter Philomela,“ sagte Lips zu ihm gewendet, „ist ein sehr -gebildetes Mädchen; sie ist eine <em class="gesperrt">Emancipirte</em>! — Mit dieser -Erklärung werden Sie genug haben. Sie kann Latein, Französisch, -Griechisch, Slowakisch, Hebräisch, Chaldäisch, Maurisch, Ungrisch, -Böhmisch, Hindostanisch, Malajisch — und auch Deutsch; ferner ist sie -in der Astronomie, der Chemie, der Physik, der Musik, der Geographie -— der Skulptur — in den Militairwissenschaften — in der Aesthetik -und Botanik — in der Heraldik und Anatomie — endlich in allen übrigen -weißen, schwarzen, braunen und gelben Wissenschaften und Künsten -bewandert. Auf Ehrenwort! — — Sie sehen, mein Herr, was Sie Alles mit -ihr bekommen! Sie bekommen in diesem Mädchen eine ganze Universität. — -— <em class="gesperrt">Jedoch was bringen Sie mit, mein Herr?</em>“</p> - -<p>„Ich bin der Herr von Althing — —“</p> - -<p>„Das ist Nebensache, auf Ehre! — Was <em class="gesperrt">haben</em> Sie, frage ich, mein -Lieber?“</p> - -<p>„Wohlan — ich besitze eine Rente von 8000 Gulden Silbergeld — — —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span></p> - -<p>„Ah — Unterthänigster Diener! — das läßt sich hören, auf Ehre. — -Also Sie wollen meine Tochter zum Weibe?“</p> - -<p>„Ja.“</p> - -<p>„Nun gut — Sie sollen sie haben, jedoch mit der Bedingung, daß Sie -die 8000 Gulden jährlich durch mich erheben lassen. — Sein Sie -jedoch unbesorgt; Sie sollen Ihr Geld in monatlichen Raten — bei -Heller und Pfennig von mir ausgezahlt bekommen.... ich will mit dem -Ganzen nur <em class="gesperrt">speculiren</em>, jedoch zu <em class="gesperrt">meinem Besten</em>. Ist -Ihnen dieser <em class="gesperrt">Contract</em> genehm, so machen wir ihn sogleich als -<em class="gesperrt">Ehecontract</em> in aller gesetzlichen Form giltig?“</p> - -<p>Althing willigte ein. Er war froh, endlich einmal ein Weib gefunden zu -haben, die, wie er sah, es mit ihm ernstlich meinte.</p> - -<p>Noch in der nämlichen Stunde wurde das Instrument von einem -Rechtsverständigen aufgesetzt und mit gesetzlicher Kraft versehen. —</p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Und noch an demselben Tage erfuhr <em class="gesperrt">Alexander</em> von dem Adonis, -welcher sich deßhalb eigens zu ihn verfügte, Alles das, was wir<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span> -bereits wissen; nämlich, daß Lips nur auf Veranlassung des Barons -<em class="gesperrt">von Leuben</em>, jenes finstern, leidenschaftlichen, abgewiesenen -Anbeters Cölestinens, die Wechselfälschung Edmunds vor Gericht geltend -gemacht hatte. —</p> - -<p>Ein Zweikampf war die Folge davon. Leuben, tödtlich verwundet, bekannte -mit ersterbenden Lippen, daß er nicht nur Cölestinen, sondern auch -ihrem Manne, ihrem Bruder, ihrem ganzen Hause Rache geschworen — -die er auch, so weit als es irgend seiner menschlichen Kraft möglich -war, vollzogen habe. Damals bei der Trauung habe er nach Alexander -geschossen, jedoch nicht getroffen; darauf habe er Stunde für Stunde -auf das Unglück Beider gesonnen.... es sei ihm auch gelungen, dasselbe -bis zum jetzigen Augenblicke zu nähren; und — — jener geheime -<em class="gesperrt">Warner</em>, jener Unglücksbote Alexanders — sowie jener mysteriöse, -durch Maskirung unkenntlich gemachte Fremde in dem Salon Cölestinens -sei <em class="gesperrt">er</em> gewesen.</p> - -<p>Nach dieser Beichte hauchte der Elende seinen Geist aus.</p> - -<p>Was Edmunds Schicksal betraf, so gelang es dem Einflusse des Grafen, -sowie wie jenem des Chevaliers, dasselbe zum Guten zu wenden; er wurde -zuletzt noch der Freund seines Schwagers — und wir sehen ihn in -späterer Zeit sogar eine sehr bemerkenswerthe Staats-Carriere machen.</p> - -<p>— Was die übrigen Personen angeht, welche in dieser Geschichte -auftraten, so wird ihr ferneres<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span> Schicksal mit wenigen Zügen angedeutet -werden können.</p> - -<p>Das Stiftsfräulein nahm ein schauderhaftes Ende, wie dies edle Herz es -auch verdiente. Bei einer Probe, welche sie mit ihrem neuerfundenen -<em class="gesperrt">Tannenzapfenmehl</em> bei sich selbst machte, bekam sie den -Magenbrand und starb unter Convulsionen, wobei sie jedoch stets bei -Nero schwur, daß ihre Erfindung vortrefflich sei und der Menschheit zum -Heil gereichen werde. —</p> - -<p>Gräfin von Wollheim strickte ihre Strümpfe für den -Wohlthätigkeitsverein fort und fort. Ihr Gemahl, als er keinen -Gefährten mehr beim Fasse fand, wurde wieder Jäger, jedoch entsagte er -dem geliebten Fasse nicht gänzlich.</p> - -<p>Frau von Porgenau lachte ein Mal über einen Witz ihres Mannes so sehr, -daß sie todt auf dem Platze blieb. Er, der berühmte Bonmotist hingegen, -wurde immer berühmter; nur ließ man ihn in keinem Salon mehr zu.</p> - -<p>Der Chevalier von Marsan war und blieb auch in der Ferne der Freund -Cölestinens, ihres Gemahls und ihrer Eltern. Seine frühere Leidenschaft -für die Gräfin übertrug er auf zehn Andere. —</p> - -<p>Die kleine, schöne Alexandrine wurde von Cölestine an Kindesstatt -angenommen; sie blühte inmitten der glücklichen Gatten, deren einziges -Kind sie nicht lange blieb — zur edlen Jungfrau heran. —</p> - -<p class="s4 center mtop2 mbot3">Ende.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p class="s5 center mtop3">Gedruckt bei <em class="gesperrt">Friedrich Andrä</em>.</p> - -<hr class="full" /> - -<div class="footnotes"> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center"><b>Fußnoten:</b></p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_A_1" id="Fussnote_A_1"></a><a href="#FNAnker_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Man verzeihe uns diese Clauren’sche Abbrechung. D. Verf.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_B_2" id="Fussnote_B_2"></a><a href="#FNAnker_B_2"><span class="label">[B]</span></a> A. von Sternberg.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_C_3" id="Fussnote_C_3"></a><a href="#FNAnker_C_3"><span class="label">[C]</span></a> Ikarus Flügel.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_D_4" id="Fussnote_D_4"></a><a href="#FNAnker_D_4"><span class="label">[D]</span></a> Geld.</p></div> - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht - Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL *** - -***** This file should be named 53218-h.htm or 53218-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/2/1/53218/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, -and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive -specific permission. If you do not charge anything for copies of this -eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook -for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, -performances and research. They may be modified and printed and given -away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks -not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the -person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph -1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this -agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm -electronic works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the -Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection -of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual -works in the collection are in the public domain in the United -States. If an individual work is unprotected by copyright law in the -United States and you are located in the United States, we do not -claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, -displaying or creating derivative works based on the work as long as -all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope -that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting -free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm -works in compliance with the terms of this agreement for keeping the -Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily -comply with the terms of this agreement by keeping this work in the -same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when -you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are -in a constant state of change. If you are outside the United States, -check the laws of your country in addition to the terms of this -agreement before downloading, copying, displaying, performing, -distributing or creating derivative works based on this work or any -other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no -representations concerning the copyright status of any work in any -country outside the United States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other -immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear -prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work -on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the -phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, -performed, viewed, copied or distributed: - - This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and - most other parts of the world at no cost and with almost no - restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it - under the terms of the Project Gutenberg License included with this - eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the - United States, you'll have to check the laws of the country where you - are located before using this ebook. - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is -derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not -contain a notice indicating that it is posted with permission of the -copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in -the United States without paying any fees or charges. If you are -redistributing or providing access to a work with the phrase "Project -Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply -either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or -obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm -trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any -additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms -will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works -posted with the permission of the copyright holder found at the -beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including -any word processing or hypertext form. However, if you provide access -to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format -other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official -version posted on the official Project Gutenberg-tm web site -(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense -to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means -of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain -Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the -full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works -provided that - -* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed - to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has - agreed to donate royalties under this paragraph to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid - within 60 days following each date on which you prepare (or are - legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty - payments should be clearly marked as such and sent to the Project - Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in - Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg - Literary Archive Foundation." - -* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or destroy all - copies of the works possessed in a physical medium and discontinue - all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm - works. - -* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of - any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days of - receipt of the work. - -* You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project -Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than -are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing -from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The -Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm -trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -works not protected by U.S. copyright law in creating the Project -Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm -electronic works, and the medium on which they may be stored, may -contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate -or corrupt data, transcription errors, a copyright or other -intellectual property infringement, a defective or damaged disk or -other medium, a computer virus, or computer codes that damage or -cannot be read by your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium -with your written explanation. The person or entity that provided you -with the defective work may elect to provide a replacement copy in -lieu of a refund. If you received the work electronically, the person -or entity providing it to you may choose to give you a second -opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If -the second copy is also defective, you may demand a refund in writing -without further opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO -OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT -LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of -damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement -violates the law of the state applicable to this agreement, the -agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or -limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or -unenforceability of any provision of this agreement shall not void the -remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in -accordance with this agreement, and any volunteers associated with the -production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm -electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, -including legal fees, that arise directly or indirectly from any of -the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this -or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or -additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any -Defect you cause. - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/53218-h/images/cover.jpg b/old/53218-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 5b5c687..0000000 --- a/old/53218-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/53218-h/images/deko.jpg b/old/53218-h/images/deko.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 542fb21..0000000 --- a/old/53218-h/images/deko.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/53218-h/images/fig1.jpg b/old/53218-h/images/fig1.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 2b7634e..0000000 --- a/old/53218-h/images/fig1.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/53218-h/images/fig2.jpg b/old/53218-h/images/fig2.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 2e32775..0000000 --- a/old/53218-h/images/fig2.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/53218-h/images/fig3.jpg b/old/53218-h/images/fig3.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 6058f13..0000000 --- a/old/53218-h/images/fig3.jpg +++ /dev/null |
