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-The Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht;
-Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Zweiter Theil (von 2)
-
-Author: Julian Chownitz
-
-Release Date: October 5, 2016 [EBook #53218]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL ***
-
-
-
-
-Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net (This file was produced from images
-generously made available by The Internet Archive)
-
-
-
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-
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- ####################################################################
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
- Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen Ausgabe
- so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung
- und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend
- korrigiert.
-
- Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten,
- insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder
- im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate
- sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne
- unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt.
-
- Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.
-
- Für die von der im Originaltext verwendeten Frakturschrift
- abweichenden Schriftschnitte wurden die folgenden Sonderzeichen
- verwendet:
-
- gesperrt: +Pluszeichen+
- Antiqua: _Unterstriche_
-
- ####################################################################
-
-
-
-
- Cölestine,
- oder
- der eheliche Verdacht.
-
- Von
-
- Julian Chownitz,
-
- Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin,
- Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von
- Sternfels u. s. w.
-
- Zweiter Theil.
-
- Mit 3 Illustrationen.
-
- [Illustration]
-
- Leipzig,
- Verlag von Franz Peter.
-
- 1842.
-
-
-
-
- Cölestine,
- oder
- der eheliche Verdacht.
-
-
-
-
-Inhaltsverzeichnis.
-
-
- Erstes Kapitel.
- Edmund und einer seiner besten Freunde. 3
-
- Zweites Kapitel.
- Die Nichtswürdigen. 33
-
- Drittes Kapitel.
- Der Schmerz der Gatten. 58
-
- Viertes Kapitel.
- Hoffnung, Verzweiflung, Resignation. 76
-
- Fünftes Kapitel.
- Die Promenade auf der Bastei. 95
-
- Sechstes Kapitel.
- Immer noch Promenade. 124
-
- Siebentes Kapitel.
- Der Zurückgezogene. 150
-
- Achtes Kapitel.
- Die Verlassene. 189
-
- Neuntes Kapitel.
- Trauer und Verzweiflung. 210
-
- Zehntes Kapitel.
- Auf der That ertappt. 234
-
- Elftes Kapitel.
- Die Katastrophe. 240
-
- Zwölftes Kapitel.
- Das Fest bei dem Chevalier von Marsan. 245
-
- Dreizehntes Kapitel.
- Schluß. 280
-
-
-
-
-Erstes Kapitel.
-
-Edmund und einer seiner besten Freunde.
-
-
-Seit dem beim Schlusse des vorhergehenden Bandes erzählten Vorfall sind
-zwei Tage vergangen. --
-
-Es ist jetzt nahe vor Tagesanbruch und wir haben das uns bereits
-bekannte Logis Edmunds von Randow vor unsern Augen. Wir wissen,
-dasselbe befand sich im väterlichen Hause und nahm hier einen ziemlich
-ausgedehnten Raum ein. Wo wir uns jetzt befinden, dies ist das
-Schlafzimmer des jungen Mannes -- wir müssen gestehen, daß sich hier
-seit der Zeit unseres früheren Besuches so Manches, und zwar nicht zum
-Vortheile, verändert hat, was, wenn es eine Folgerung auf den Bewohner
-gestattet, diesen in ein sehr trauriges Licht stellen wird.
-
-Mitten im Gemache steht ein Bett, über welchem sich aus Seidenzeug
-ein drapirtes Zelt erhebt -- aber einige dieser Draperien sind hart
-beschädigt -- einige, wie es scheint, erst gestern oder heute mitten
-entzwei gerissen worden.... Das Bett ist nicht einmal aufgedeckt und
-doch liegt eine Person darauf, von der wir später reden werden. --
-Rings herum erblickt man umgestürzte Meubel, zerbrochenes Geschirre --
-hingeschleuderte Kleidungsstücke; -- ferner sind die Fenster angelweit
-offen, wiewohl es draußen stürmt (wir befinden uns im Anfange des
-Winters,) und selbst die Thür ist nicht fest verschlossen, sondern wird
-vom Zugwind hin- und herbewegt.... Kurz in diesem Zimmer deutet Alles
-darauf, daß hier nur ein Trunkener schlafen und ein Liederlicher wohnen
-kann. --
-
-Wir haben uns nicht geirrt. Jene Person +auf+ dem Bette ist
-wirklich in dem bezeichneten Zustande: sie liegt nur halb entkleidet,
-und zwar so, daß der eine ihrer Füße (er ist mit einem Stiefel
-versehen) sich auf dem Bette befindet, der andere (dieser ist ohne
-Stiefel) neben demselben herunterhängt; die Arme sind in einer
-ähnlichen Positur -- und der Kopf folgt jenem Arme, der über den Rand
-hinausragt. -- Diese Person ist +Edmund+. --
-
-Nicht weit von hier, an die Wand gerückt, steht ein Sopha, welches
-ebenfalls aussieht, als hätte man darauf z. B. getanzt. Hier liegt ein
-zweites Individuum im tiefsten Schlaf versunken, was durch zeitweises
-kräftiges Schnarchen hinlänglich bestätigt wird... auch dieses
-Individuum ward gestern vom Genius der Nüchternheit nicht begleitet
--- und was seine Gestalt betrifft, so war sie uns schon einigemal
-vorgekommen. Jedoch ist hier weder der edle Venusritter von Althing --
-noch etwa gar (das Gegentheil wäre indeß nicht so ganz unmöglich) der
-tapfere Graf von Wollheim gemeint.... an Herrn von Marsan ist nicht zu
-denken. -- Eine ganz andere Person tritt hier vor unsere Erinnerung und
-wir fühlen uns hierbei zu den Anfangspunkten gegenwärtiger Geschichte
-versetzt. Kurz: der Baron von Leuben, jener bleiche, schwärmerische,
-wilde Jüngling, den die Vermählung Cölestinens so unglücklich gemacht
-hatte -- steht, oder vielmehr liegt hier vor uns. -- Wie aber ist er
-hierher gekommen? wie in diesen Zustand, der nicht sein gewöhnlicher
-war, gerathen? -- welche innige Verbindung herrscht zwischen ihm
-und Edmund, da ihre Bekanntschaft in früherer Zeit doch eine ganz
-alltägliche, wie sie unter allen jüngern Leuten eines Standes
-herrscht, war? -- -- Geduld, alle diese Fragen sollen früher oder
-später beantwortet werden. Man sieht es, daß auch dieser Mensch stark
-betrunken ist; indeß hat sein Zustand bei ihm keine so eclatanten
-Symptome hervorgebracht -- -- entweder ist seine Natur kräftiger, wie
-jene Edmunds (was aber nicht scheint) -- oder -- --[A]
-
-Edmund scheint den Schlaf schon vor dem Eintreten in dieses
-Schlafzimmer, worin indeß das Gelage nicht stattfand, -- antizipirt zu
-haben... er befindet sich jetzt in jenem abscheulichen Zustande, wo die
-Dünste des Weines bereits den Kopf, die Hefen jedoch den Magen noch
-nicht verlassen haben. Man schläft nicht -- man ist nicht mehr ohne
-Besinnung -- aber man wird von schmachvoller Uebelkeit gequält. --
-
-In dieser Indigestion (gleichgesinnte Jünglinge in Deutschland nennen
-sie: +Katzenjammer+) fährt Edmund auf seinem Lager, welches
-für ihn eine Folter ist -- wüthend hin und her -- er möchte Alles
-zerbrechen und zersprengen -- er möchte die ganze Welt zerreißen, nur
-um aus ihr, d. h. aus sich selber herauszukommen..... Alle Augenblicke
-sehen wir die Lage des wackern Jünglings verändert -- und haben wir
-früher eines seiner Beine aus dem Bette heraushängen sehen, so wird uns
-jetzt das Vergnügen zu Theil, beide so zu erblicken.... später will
-sogar der Kopf der Mutter Erde näher kommen.... kurz: ein Kaleidoskop
-bietet nicht so viel abwechselnde Bilder wie Edmunds Lage in dieser
-Stunde.
-
-„Verflucht!“ schreit der junge Ehrenmann in einem Anfalle von
-Verzweiflung auf: „wird denn das ewig so währen? -- Seit einer Stunde“
-(seit dieser Zeit +wußte+ er von seinem Zustande -- früher hatte
-er in demselben blos vegetirt,) „seit einer Stunde leide ich wie ein
-Lazarus... und Keiner von den Spitzbuben, meinen Bedienten, kommt
--- mir Hilfe zu leisten.... Ah, Ah! die Schurken haben seit einiger
-Zeit allen Respect vor mir verloren.... Seit dieser Hund von einem
-+Lips+ mich besucht -- seit ich so recht wie der Herrgott in
-Frankreich lebe -- -- sind die Kerle wie verwechselt.... ja sie werden
-mit mir ordentlich familiär... Doch was red’ ich da? -- Es gehört nicht
-hierher... Lieber will ich klingeln -- -- aber der Teufel weiß, wo die
-Klingel ist... und gepocht hab’ ich bereits hinlänglich, ohne etwas
-auszurichten.... auch das Rufen wird nichts nützen: -- Johann! - Franz!
--- Karl! -- Karl! -- oder Charles!....“ brüllte er, hörte jedoch bald
-auf: „es ist umsonst -- Oh! Oh! Uh! Buh! Auh! -- -- Hätt’ ich nur einen
--- Tropfen Sodawasser...“ setzte er ermattet hinzu.
-
-„Und jener Kerl dort -- --“ fing er später wieder an, „jener Lump von
-einem Freunde dort auf dem Sopha... wie der schnarcht -- schläft --
-und sich um mich, der hier fast des Teufels wird -- nicht für einen
-Dreier Werthes bekümmert.... Heda! Holla! -- Leuben! -- -- Klotz,
-Murmelthier!... Wirst Du endlich erwachen? -- -- Aber das schläft --
-als sollte es erst zum jüngsten Tag wieder aufstehen!“ --
-
-In diesem Augenblick brach, durch einen allzuhastigen Ruck, den unser
-Tugendheld that, die Bettstelle unter ihm durch -- -- und alsbald
-fühlte der Unglückliche sich mit einem Ende seines Körpers zwölf
-Zoll über, mit dem andern zwei Fuß unter seinem vorigen Horizont. Er
-schrie entsetzlich -- denn abgesehen von dem Schmerze, den ihm dieser
-Wechselfall verursachte -- wußte er im Schrecken auch nicht sogleich,
-was mit ihm geschah. --
-
-Bei dem Schrei erwachte der jenseitige Tugendspiegel auf dem Sopha --
-streckte die Arme von sich -- und stammelte auf eine Weise, als hätte
-er den Mund mit Brei gefüllt: „Nun, was ist denn das hier -- für ein
-Tausend Donnerwetter! -- -- Was geschieht denn?“
-
-„Oh weh! Oh weh!“ jammerte Edmund...
-
-„Schweige doch -- -- und störe einen ehrlichen Menschen nicht in seiner
-Ruhe -- -- Du -- Du --“
-
-„Hol’ Dich der Kuckuk -- sammt Deiner Ruhe, abscheulicher Kerl -- der
-seit einem halben Tage schläft -- wie ein Pflanzer in Domingo ... Oh
-weh! Au! Au! -- ich bin gerädert!“
-
-„Lass’ mich zufrieden.... Ich möchte schlafen!“ murmelte Jener und
-drehte sich um...
-
-„Nein, nein, Du sollst nicht schlafen! Das ist schändlich! Du sollst
-mir helfen aus diesem verdammten Abgrunde herauszukommen.... Hörst Du!
-Oh weh!“
-
-Der Andere brummte etwas Unverständliches und legte sich gemüthlich auf
-den Bauch...
-
-„Aber -- zum Henker! -- Hörst Du denn nicht, Leuben?... ich bin
-gerädert -- zerfleischt -- -- zu Hilfe! -- -- Au! die verdammte
-Bettstelle! der verdammte Zustand!“
-
-Der edle Baron indeß gab als ganze Antwort einige Schnarchlaute zum
-Besten. -- Da wurde jedoch unser Mann wüthend, griff um sich herum --
-zog eine Latte aus der Bettstelle und warf sie mit einem Fluche seinem
-Kameraden dermaßen auf die Beine, daß -- einen solchen Schlag auf den
-Kopf -- die Welt um einen Biedermann ärmer geworden wäre. --
-
-Mit einem Satz stand Leuben auf seinen magnetisirten Beinen (nur nicht
-ganz fest) -- und indem er versuchte die Augen aufzuthun, welche jedoch
-wie zusammengenäht waren, rief er: „Was ist denn das! Ist hier der
-Beelzebub los.... und schmeißt nach mir mit Knitteln?... Was ist denn
-das? Was ist denn das?“
-
-„Still! still!“ entgegnete Edmund, der unter dem Einfluß der letztern
-Begebenheit abermals um einen Grad nüchterner geworden schien: „Still!
-Mach’ kein solches Geschrei! Es war eine Latte und weiter nichts! --
--- Ich habe Dich mit derselben geweckt, da es auf andere Weise nicht
-ging....“
-
-„Hol’ Euch -- allesammt der Teufel...“ schrie Leuben, der zu glauben
-schien -- in einer Gesellschaft von Mehrern zu sein...; dann bückte
-er sich mechanisch und rieb an seinem Beine, fiel jedoch bei dieser
-Operation zurück auf’s Sopha, wo er alsbald wieder eingeschlafen sein
-würde, hätte Edmund sich jetzt nicht aus den Trümmern und Matratzen
-losgewickelt und wäre er nicht zu ihm hin gewankt, rufend: „Aber nein!
-Du sollst nicht länger schnarchen -- abscheulicher Kerl. Bei der
-Hölle, Du sollst kein Auge mehr zuthun -- -- denn so allein halte ich
-es in diesem Zustande nicht aus....“ Und er rüttelte und schüttelte
-den Braven so lange, bis dieser, abermals sich die Augen reibend, in
-gähnender Weise ausrief: „Nun, es ist vorbei! -- Aus ist es mit dem
-schönen Schlafe! -- -- Aber, zum Henker... wozu soll ich denn jetzt
-mitten in der Nacht wachen?“
-
-„Weil ich auch wache...“
-
-„Und weshalb wachst Du?“
-
-„Weil ich nicht schlafen kann... weil ich wie ein Märtyrer leide...
-und...“
-
-„Du wie ein Märtyrer?“
-
-„Die verfl-- Fête! Ich werde an sie denken!“
-
-„Ja -- es war eine herrliche Fête!“
-
-„Hol’ sie der Teufel! -- -- Sie hat mich vollständig ruinirt, an Leib
-und Seele...“
-
-„Aber, das begreife ich nicht... Ah! Ah!“ Und er gähnte wie ein
-Lohnkutscher.
-
-„-- -- Ich begreife es um so mehr! -- Oh! Oh! -- -- Wenn nur erst
-dieser schmähliche Katzenjammer vorüber wäre! Ich habe doch im Leben
-so manchen verdaut... aber einer wie dieser ist in Europa noch nicht
-vorgekommen...“
-
-„Du hast also den Katzenjammer! Was ist dabei? -- Lumperei! Weiter
-nichts als Lumperei....“
-
-„Ja, ja -- -- ich merke aber, daß mein Katzenjammer nicht nur
-ein physischer ist, sondern aus physischem und moralischem
-zusammengesetzt...“
-
-„Aus moralischem?... Wenn auch!... Was will das noch Alles sagen? --
-habe im Leben so manchen allermoralischsten Katzenjammer verarbeitet --
-und stehe noch da, als eine Säule der Junggesellenschaft...“
-
-„Thor! Weißt Du denn auch, auf was sich dieser mein moralischer
-Katzenjammer gründet? -- Er gründet sich auf 8000 Stück Dukaten, die
-ich in Zeit von vier Stunden zahlen muß.“
-
-„Muß, muß! -- was heißt das: muß?“ versetzte Leuben, und in diesem
-Augenblicke hätte Einer, der schärfer sah als jetzt Edmund -- bemerken
-können, daß hinter dieser Gleichgiltigkeit und Trunkenheit, hinter
-dieser ganzen Geberdung Leubens .... noch etwas steckte, welches aussah
-wie der böse Geist Mephistopheles, als er in Auerbachs Keller hinter
-einem mit Flaschen und Betrunkenen besetzten Tische stand. --
-
-Um nicht lange in Räthseln zu sprechen, erklären wir frischweg, Leuben
-war zwar berauscht -- jedoch nicht so sehr, wie er +that+.
-
-Ein scheußliches Lächeln hatte sich nach obigen Worten über seine Züge
-ausgedehnt... und er wiederholte:
-
-„Muß! Muß! -- Du mußt in vier Stunden 8000 Dukaten zahlen, sagst Du?...
-Ich aber sage: ein Mann kennt das Wort „Muß“ gar nicht...“
-
-„Ja -- Du hast leicht reden!... Wäre ich in Deinen Verhältnissen! --
-Erstens -- reich wie ein Nabob und dazu Herr seines Vermögens; sodann
-überhaupt nicht an Familienrücksichten gebunden -- -- drittens, was
-die Hauptsache ist, ein Kerl, der die Kaltblütigkeit eines Krokodils
-besitzt, wenn es sich um Dinge handelt, die Einem an den +Hals+
-gehen... endlich viertens, und dies ist die hauptsächlichste
-Hauptsache: Du Beneidenswerther besitzest noch Deine Seele! Hast sie
-dem Beelzebub noch nicht verkauft... dem Beelzebub, welcher unter uns
-einherschreitet in der Gestalt des Meisters Lips.... Oh, Oh! meine
-Zunge brennt schon, wenn ich diesen Namen nur nenne.“
-
-„Nun -- gut; aber was ist mit diesem Lips weiter? -- Mache Dich von
-dem Spitzbuben los!....“
-
-„-- Mensch! Mensch! -- dies ist leichter gesagt, als gethan. „Mache
-Dich los!“ wie schnell ist das ausgesprochen! -- Aber ich sage Dir:
-eher macht man sich aus den lieblichen Umarmungen der Menschenfresser
-los, wie von Meister Lips -- besonders wenn man sich mit ihm bereits so
-weit eingelassen, wie -- leider Unsereins.“
-
-Leuben neigte sich ein wenig zur Erde, um die Freude, von der sein
-Gesicht strahlte, zu verbergen; darauf fragte er in neugierigem Tone:
--- -- „Also ihm hast Du die 8000 Ducaten zu bezahlen....?“
-
-„Freilich -- freilich, Du Narr, Du! -- Ihm, dem Meister Lips -- und
-dann noch jenem verfl-- Coujon, den Du seit vier oder fünf Tagen zu den
-Orgien mitbringst, die wir bei jener saubern Frau Wratschifratschi --
-oder wie sie sonst heißt.... kurz bei jener tugendhaften Dame mit ihrem
-halben Dutzend tugendhafter Freundinnen feiern; -- -- diesen zwei
-Menschen bin ich 8000 Dukaten schuldig; dem Ersteren zwei -- dem Andern
-sechs Tausend....“
-
-„Du nanntest meinen Freund einen Coujon, obwohl er ein Ehrenmann ist,
-wie Du oder ein Anderer; doch das mag Dir um unseres beiderseitigen
-Zustandes willen hingehn. -- --“
-
-„Was -- Zustandes! Ich wiederhole nochmals: ein Coujon, ein Spitzbube
-ist der Kerl ... ein falscher Spieler, woran nicht zu zweifeln; denn
-seit vier oder fünf Tagen hat er mir mit einer Regelmäßigkeit, die
-mathematisch genau ist, ungefähr 10,000 Dukaten abgenommen... und ich,
-ich Thor, ich spielte mit ihm noch immerfort .... spielte, als mein
-Geld verloren war, auf Ehrenwort.... und.... beraubte meine..... doch
-genug!“
-
-Edmund schwieg plötzlich. Ein besseres Gefühl schien über ihn gekommen
-zu sein, welches die nichtswürdigen Gesinnungen, die seine Brust jetzt
-beherrschten, auf einen Augenblick überwand.... er ging wieder zu
-seinem Bette zurück -- legte sich darauf und barg sein Gesicht in die
-Kissen....
-
-Der Andere aber schickte ihm einen Blick nach, der von der Natur des
-Basilisken geborgt zu sein schien -- nickte mit dem Kopfe und rieb
-sich die Hände; sodann streckte er sich der Länge nach und mit großer
-Behaglichkeit ebenfalls auf sein Sopha hin -- und begann wieder...:
-„Und diese beiden Gläubiger, sagst Du, holen in vier Stunden ihre 8000
-Dukaten? -- Aber woher dies Zusammentreffen? -- Es wirft auf meinen
-Freund ein ungünstigeres Licht, als mir lieb ist....“
-
-„Hol’ ihn der Henker, Deinen Freund, sammt allen Lichtern, die jemals
-auf eine solche Schandgestalt wie die seine gefallen sind! -- -- Aber
-eben dies Zusammentreffen, wie zufällig dasselbe auch sein mag, gleicht
-einem geheimen Fingerzeig Gottes, der so viel sagen will, als: diese
-zwei Schufte gehören neben einander.... Wenigstens, was mich betrifft,
-ich dachte gestern, als ich diesem saubern Freunde Deines Herzens
-sagte, er möge heute 11 Uhr Vormittags sein Geld bei mir in Empfang
-nehmen -- damals dachte ich nicht daran, daß zur selben Zeit auch
-Meister Lips hier erscheinen werde, wiewohl ich es längst wußte.....
-und jenes Spiel einige Minuten früher blos in der einzigen Hoffnung
-eingegangen war, das Geld, welches ich für Lips heute brauchte, dabei
-zu gewinnen --“
-
-„Mit diesen Worten, mein Bester, vernichtest Du ja selbst den Verdacht,
-welchen Du vorhin auf meinen Freund +Theobald Wurmholzer+ so
-ungerechter Weise geworfen.... Hast Du ihn für keinen ehrlichen Mann
-gehalten, so hättest Du mit ihm nicht spielen sollen.... allein eben
-weil Du mit ihm spieltest, gabst Du ihm so zu sagen selbst das Zeugniß,
-daß er einer sei.“
-
-„Schon gut, schon gut!“ versetzte Edmund, und fing wieder an, sich
-umherzudrehen -- -- „Deine Argumentation scheint sehr richtig....
-allein der verd-- Katzenjammer kommt schon wieder.... Uh! Puh!“
-
-„Der moralische -- oder der physische? --“
-
-„Beide, beide! -- Weh mir!“
-
-Mittlerweile war es hell geworden, der Tag guckte zu den Fenstern
-herein, was ihm sehr bequem wurde, denn diese waren noch offen, wie
-zur Nachtzeit. Indessen fing das Schneegestöber, welches draußen
-herrschte, an, seine Wirkung bis mitten ins Gemach zu verbreiten --
-weshalb Leuben aufstand, um Fenster und Thür zu schließen; und als er
-zufälligerweise die letztern heftig zuschlug, schrie Edmund erschreckt
-auf: „Ach! wer kommt da! Sollten es bereits die zwei Schurken sein....?“
-
-„Welche -- Schurken?“
-
-„Lips -- und jener ehrliche Wurmholzer. --“ Erst jetzt erhob er sein
-edles Haupt: „Ach!“ sagte er nach der Thür sehend -- mit erleichtertem
-Herzen: „sie sind es nicht. -- Freilich aber,“ begann er nach einer
-Pause: „werden sie nicht lange ausbleiben. Die eilfte Stunde wird
-herankommen, ehe man sich’s versieht. -- Heute galoppirt die Zeit, wie
-ein arabischer Renner.... Kannst Du mir vielleicht sagen, was jetzt die
-Uhr ist?“
-
-„Ich vergaß meine Uhr zu Hause... Indeß kannst Du ja nach einer von den
-Deinigen sehen.“
-
-„Nach einer von den meinigen?!“ wiederholte der wackere Sprosse des
-Randow’schen Hauses mit kläglicher Stimme. „Wo sind die -- meinigen! --
-Der Teufel hat sie bereits alle geholt....“
-
-„Alle?“
-
-„Ja -- ja; mein lieber Freund -- Lips kann mehr von diesem Kapitel
-erzählen....“
-
-„Ich will nicht hoffen -- daß dieser Elende Dich schon sogar um Deine
-Uhren gebracht hat --“
-
-„Um meine Uhren? -- Ach, er hat mich noch um so manches Andere
-gebracht! Die Uhren, die Ringe, die Ketten, die Waffen, die
-tausenderlei hübschen glänzenden Sachen.... sie sind alle sein -- --
--- Ja sogar -- -- Kleider, Wäsche -- Requisiten -- -- Oh! verfl--
-Katzenjammer!“
-
-Der Andere schlug, da ihm Edmund in’s Gesicht sah, die Hände zusammen,
-mit einer Miene voll zärtlichen Mitleids und Schreckens rufend:
-„Allein -- wie konntest Du es nur so weit kommen lassen, unglücklicher
-Freund?!“ Er wischte sich eine Thräne aus dem Auge: „Sahst Du denn
-nicht, mit wem Du es zu thun hattest.... Meister Lips hätte Dir ja
-gleich beim ersten Handel, den Du mit ihm eingingst, die Lust zu einem
-zweiten benehmen sollen....“
-
-„O mein Freund!“ seufzte Edmund: „sprich lieber: mit dem +ersten+
-Handel hatte der nichtswürdige Kehlabschneider +zugleich alle
-übrigen gemacht+.... Einmal in seine Klauen gerathen, gehörte
-ich für immer ihm.... ich konnte nicht mehr los! Glaube mir, das
-Alles kann ich Dir nicht so leicht erzählen -- wie leicht es ihm zu
-+vollbringen+ war.... ich kann Dir von dem Wie und Warum keine
-Erklärung geben: ich kann Dir nur sagen: es ist geschehen -- Punktum!
-Damit ist Alles gesagt. --“
-
-„Und wenn,“ fuhr der Taugenichts fort, „wenn ich Dir zum Schluß noch
-einige Notizen geben soll, so werden es folgende sein: Lips hat
-Wechsel, Obligationen, Hypotheken von mir in Händen -- bei deren
-Erinnerung mir schon der Kopf schwindelt -- und das Hirn in demselben
-siedet..... Der Satan weiß es, wie ich mich aus den schauderhaften
-Papieren herauswickle! Soviel jedoch ist gewiß: daß Meister Lips mich
-mit Haut und Haar in seiner Gewalt hat -- und es kostet ihm nur ein
-Wort -- so bringt er mich dahin, wo Heulen und Zähnklappern herrscht.“
-
-Eine tiefe Pause entstand. --
-
-„Aber,“ begann jetzt Leuben: „kannst Du denn hierbei nicht die Hilfe
-der Deinigen in Anspruch nehmen, Edmund? -- Ich bin gewiß, Dein
-Vater, Deine Mutter würden Dich gerne aus dieser Verlegenheit ziehen
--- es bedarf vielleicht nur eines offenen und zugleich reumüthigen
-Bekenntnisses von Deiner Seite. -- Du siehst, ich rede zu Dir als
-Freund.“
-
-Es hatte leicht reden, dieses edle Herz. War es ihm doch hinlänglich
-bewußt, daß der General für seinen Sohn in diesem Falle nichts thun
-würde; ja, daß er, unterrichtet von dem wüsten, unvernünftigen und
-unehrenhaften Treiben des Letztern -- vielleicht ganz und gar seine
-Hand von ihm abziehen, ihn verstoßen dürfte. Der Charakter und die
-Grundsätze des alten Herrn bürgten dafür.
-
-Edmund begnügte sich daher auch, statt aller Antwort -- laut und mit
-einem gräßlichen Tone aufzulachen; sodann barg er das Gesicht in beide
-Hände und blieb völlig stumm.
-
-„Und Deine Schwester?“ fing Jener wieder an. „Sollte Cölestine, welche
-Dich doch so zärtlich liebt und zugleich von Deiner innigen Neigung zu
-ihr überzeugt ist -- sollte sie Dich nicht retten können?... Freilich
-ist sie in diesem Augenblick noch nicht Herrin ihres Vermögens --
-und darf über das eigene eben so wenig, wie über jenes ihres Mannes
-verfügen. Gleichwohl scheint es, daß es ihr im Ganzen nicht schwer
-werden sollte.... mehrere tausend Gulden aufzutreiben....“
-
-„Wo denn?“ fuhr der Jüngling dazwischen. „Etwa bei Meister Lips?“
-
-„Nein doch! -- aber -- ich meine -- -- sie besitzt ja Kostbarkeiten,
-Juwelen -- Schmuck -- --“
-
-Edmund stieß bei diesen Worten einen tiefen, erschütternden Seufzer,
-der aus dem innersten Grunde der Seele kam, aus. Seine Augen wurden
-feucht, und als er die folgenden Worte sprach, schluchzte er wie ein
-Knabe: „Ach, unglückliche Schwester! Arme Cölestine! Liebevolles,
-heiliges Herz -- -- -- womit, womit hast Du dies Alles verdient! -- --
-O! Ich bin ein Frevler, ein Nichtswürdiger, ein Verräther an Dir und
-Deiner Liebe! -- Und ich verdiene nicht mehr in Dein mitleidvolles,
-zärtliches Auge zu blicken! -- Ja, ja! Möge es sich mir auf ewig
-verschließen.... möge es Einem leuchten, der dessen würdiger ist, als
-ich... -- O, ich Elender!“ schrie er im gewaltigen Schmerze auf: „ich
-verachte mich! ich speie mich an!“
-
-Nach diesen Worten schien es, als bräche sein innerstes Wesen zusammen.
-Er lag bewegungslos, starr wie ein Leichnam da -- -- und hätte nicht
-das schwere Stöhnen, welches er von Zeit zu Zeit hören ließ, Kunde von
-seinem Leben gegeben -- man würde ihn haben hinaustragen können zur
-Bestattung. -- Daher gab er auch auf die Frage, welche Leuben zuletzt
-an ihn that: „Und Marsan -- Dein Freund, der glänzende, großmüthige
-Marsan? -- -- Weshalb vertraust Du Dich nicht ihm an?“ -- keine Antwort.
-
--- -- Wir hoffen, der Charakter Edmunds von Randow ist unsern Lesern
-bereits deutlich genug vor Augen gestellt. -- Wie aus mehrfachen
-Scenen, in denen wir diesem jungen Menschen begegnet sind -- erhellt,
-haben wir es hier mit einer, aus zweien, scheinbar widerstreitenden
-Hälften zusammengesetzten, Natur zu thun -- diese Hälften jedoch, diese
-scheinbaren Gegensätze -- sind nichts weiter, als die zwei Theile
-einer aus derselben Wurzel entsprießenden Pflanze -- einer Blume, die
-Blüthen und zugleich scharfe Dornen trägt...
-
-Wir wollen uns sogleich weitläuftiger über diese Sache auslassen
-und versuchen, ein Spiegelbild jener Menschengattung zu liefern --
-in welcher der Krankheitsstoff unserer Zeit am entschiedensten zum
-Durchbruch gekommen. --
-
-Edmund war ein leichtsinniger, ein verschwenderischer, ein
-nichtsthuender junger Mensch, der jedoch in gewissen Fällen der
-wärmsten Hingebung, der edelmüthigsten Aufopferung -- und einer bis zur
-reinsten Liebe gesteigerten Zuneigung fähig war. -- Er an und für sich
-war wenig... durch Denjenigen, an welchen er sich anschloß, konnte er
-jedoch Alles werden. Er hatte von der Natur weiter nichts mitbekommen,
-als ein weiches Herz und einen heitern Sinn; diese Gabe aber ist
-äußerst gefährlich; ohne die richtige Pflege bildet sich durch sie ein
-Charakter heraus, der zuerst blos +gut+ und +schwach+ scheint
--- später jedoch +leichtfertig+ und +thöricht+ wird. Vermöge
-des Ersteren hing Edmund seinen Verwandten und darunter besonders
-seiner Schwester mit schwärmischer Liebe an -- vermöge des Letztern
-schloß er schnell mit Jedermann -- am schnellsten mit lustigen Brüdern
-Bekanntschaften und Bündnisse.
-
-Welche Resultate für sein Leben, für seine persönlichen Verhältnisse
-hieraus erwuchsen, ließ sich voraussehen. Da es in der menschlichen
-Natur liegt, mit einem Gemüthe, wie das Edmunds, dem Bösen zugänglicher
-zu sein als dem Guten, so war auch nichts natürlicher, als daß bei ihm
-der Einfluß seiner +Freunde+ jenen seiner Verwandten nicht nur
-überwog -- sondern in progressivem Verhältniß langsam vernichtete,
-dermaßen, daß Edmund zum Beispiele im gegenwärtigen Zeitpunkte --
-Dank dem elenden Leuben -- Althing -- dem alten Wollheim und dem
-Würger Lips, der anfangs als +Freund in der Noth+ galt, -- Dank
-also diesen schlechten Freunden -- in diesem Augenblick auf einem
-schauderhaften Gipfel des Elends und der geheimen Noth stand.
-
-Daß es das Geld ist, welches im vorliegenden Falle wieder den _nervus
-rerum_ vorstellt, läßt sich leicht errathen; wann sollte dieses
-fluchwürdige Princip nicht das herrschende gewesen sein -- -- mag
-man auch die Bücher der Weltgeschichte, von den grauen Zeiten des
-Alterthums bis auf die neuesten, durchblättern.... wo war es dies nicht
-stets? -- Fürwahr, man ist versucht, dieses Princip für dasjenige zu
-nehmen -- von welchem die Bücher der heiligen wie die der weltlichen
-Weisheit als von dem +bösen+ sprechen. -- --
-
-Wir könnten hier eine lange Expectoration einschließen -- wir könnten
-hier mit sanften Engelsstimmen sowohl wie mit dem Brüllen des Donners
-reden, um unserm Satz die rechte Verständlichkeit und Kraft zu
-verleihen; wir könnten tausend Mal fragen: „Wo ist das Gute, welches
-durch den Mammon gestiftet wurde?“ -- ohne daß man uns hierauf auch nur
-eine einzige Antwort zu geben vermöchte; -- -- wir könnten hinwieder
-fragen: „Wo ist das Böse, das durch ihn angerichtet wurde?“ und auf der
-ganzen Erde würde jeder Punkt rufen: „Hier! hier! hier!“
-
--- Doch zu solchen Experimenten ist hier weder Zeit noch Raum, und so
-kehren wir denn wieder zu den wesentlichen Theilen unserer Darstellung
-zurück.
-
-Als wir Edmund zum ersten Male sahen, fanden wir im Aeußern einen jener
-lustigen, ausgelassenen, dabei gutmüthigen jungen Kavaliere, an welchen
-in großen Städten eben kein Mangel ist. Wir hatten jedoch zu jener
-Zeit uns noch nicht näher um ihn bekümmert... wir hatten noch nicht
-nach seinen inneren Zuständen geforscht und so konnten wir leicht über
-ihn +lachen+; wir hatten noch keine Ursache, uns wegen seiner zu
-+betrüben+ -- denn ein Mensch kann lustig, ausgelassen und bei
-dem Allen doch sehr glücklich sein. Als uns Edmunds schönes Verhältniß
-zu Cölestine, als uns einige der edleren Eigenschaften seines Herzens
-bekannt wurden -- mußten wir sogar für ihn eingenommen werden. --
--- Aber nur zu bald enthüllten sich unserem Blick alle jene düstern
-Einzelheiten dieses Wesens und Lebens, welche nicht mehr geeignet sind
-zu belustigen, sondern wodurch unsere bisherige Theilnahme dem Schreck,
-ja dem Ekel wich. -- Wir sahen Edmund nicht mehr blos aus Leichtsinn
-und Unüberlegtheit sich thörichten Neigungen hingeben -- sondern mit
-schamlosem Bewußtsein; -- ja wir erblickten ihn zuletzt sogar in den
-Armen der nichtswürdigsten Laster.... und bald, bald werden wir mit
-Entsetzen vor ihm fliehen. --
-
-Dahin jedoch mußte die Consequenz eines Treibens, wie das seinige war,
-ihn führen, und dahin wird Jeder kommen, der, gleich ihm, auf die
-Sirenentöne jener Leute hört, die sich uns im gewöhnlichen Leben häufig
-als unsere „+besten Freunde+“ bezeichnen. -- Wenn wir die Liste
-der Kameraden Edmunds durchgehen -- welche Subjecte finden wir da!
-Alle Sorten der Thorheit und des Lasters -- von der niedrigsten Stufe
-bis zur schwindelndsten Höhe. Zuerst den im Ganzen unschädlichsten
-alten Gecken +Althing+, an dessen Seite er zuerst die traurige
-Süßigkeit des Müßiggangs und die lügnerische der Galanterie kennen
-lernte; sodann den albernen Jäger und Säufer Wollheim -- mit dessen
-Hilfe er schon um einige Stufen höher stieg. -- Diese zwei Leute
-beglückten ihn durch jahrelangen Umgang und nannten ihn in allem
-Ernste ihren „+Schüler+“, sowie er dieselben lange Zeit hindurch
-als seine „+Meister+“ anerkannte. Später sodann machte er die
-Bekanntschaft des Chevaliers -- und diese wirkte eben wegen ihrer
-direkten Entgegengesetztheit am verderblichsten unter allen bisherigen
-auf ihn; denn durch dieselbe plötzlich in eine Sphäre gerissen,
-worin er sich noch niemals befunden -- gerieth er in abscheuliche
-Verlegenheiten -- denen er nur dadurch entkam, daß er seine Zuflucht zu
-dem allesvermögenden Götzen des Geldes nahm -- ein Götze, welcher den
-jungen wüsten Verschwender rasch in die Klauen seines Priesters: des
-Meister Lips führte...
-
-Zu Allem diesen kam noch, gleichsam als Krone des Werkes -- die
-Verbindung mit Leuben, welche dieser seit Kurzem absichtlich und
-dringend suchte und auch sehr leicht gefunden hatte. -- Leuben, früher
-ein gewöhnlicher Mensch und ein verliebter Wahnsinniger, trat ihm jetzt
-als der ausgemachteste Roué entgegen und führte ihn in noch tiefere und
-stinkendere Kloaken des Lebens -- als in welchen der Thor Edmund bisher
-gewatet hatte.
-
--- -- So standen die Sachen und nun antworte man uns: ist hier nicht
-ein ursprünglich zu Gutem bestimmtes Gemüth, eine an sich reine
-und edle Natur untergegangen? Doch -- so mächtig ist der Keim des
-Göttlichen in uns, daß er, und wäre er auch nur so groß wie ein
-Samenkorn, die hundertfachen Schichten des Lasters und des Bösen, von
-denen er eingeschlossen wird, und die ihn gerne ersticken möchten,
-dennoch durchdringt -- um über ihnen, wenn auch nur auf Augenblicke zu
-leuchten.... den blinden Thoren sehen zu machen.
-
--- Die gefürchtete Stunde nahte heran; je näher sie kam, je heftiger
-zitterte das Herz in dem Leibe des Elenden. Leuben hatte ihn verlassen
-.... er wollte nur kurze Zeit wegbleiben, um seinen Anzug in Ordnung
-zu bringen, dann wollte er, wie er sagte, wieder kommen, und aus
-freiem Antriebe seinen „unglücklichen lieben Freund Edmund“ mit einem
-Darlehen -- gegen die Wuth des Meister Lips schützen. Das hatte er
-ihm gelobt. -- Was er jedoch that, bestand in Folgendem: er verfügte
-sich von hier zuerst zu dem andern „lieben Freunde“ +Theobald
-Wurmholzer+, sodann -- denn die Verbindungen, welche er seit einiger
-Zeit angeknüpft hatte, reichten weit -- zu seinem dritten „lieben
-Freunde“ dem Meister +Sophronias Lips+.... und setzte diese zwei
-Ehrenmänner von der Gemüthslage Edmunds in Kenntniß. -- Er handelte,
-wie man sieht, nach einem Systeme, dessen Ziele uns immer näher und
-immer zahlreicher vor den Blick treten -- bis wir sie zuletzt als
-Schlußstein eines ganzen Intriguengebäudes sehen werden -- welches
-Gebäude bestimmt ist, auf die Welt darunter zusammenzustürzen, -- wenn
-anders nicht etwa eine mächtigere Hand noch bei Zeiten dazwischen
-fährt, zertrümmernd den arglistigen, verderbenschwangeren Bau....
-erlösend und versöhnend die Welt, welche so lange in diesem Kerker
-geseufzet. --
-
-
-
-
-Zweites Kapitel.
-
-Die Nichtswürdigen.
-
-
-Eben hatte es auf einem Thurme in der Nähe elf Uhr geschlagen. Dieser
-Klang tönte erschütternd durch die Ohren Edmunds, welcher sich
-von seinem Lager noch immer nicht erhoben hatte, sondern dasselbe
-Stunde für Stunde mit seinem Angstschweiße tränkte -- gleich einem
-Armensünder-Lager. Wir haben bereits Vieles von dem Treiben und Thun
-dieses verlornen Jünglings erzählt -- wir haben jedoch noch nicht
-Alles, noch nicht das Letzte gesagt. -- Edmund von Randow, der Sohn
-eines der edelsten und ruhmvollsten Häuser des Landes, war nicht
-nur Müßiggänger, Libertin, Verschwender, Spieler und ein Roué der
-gemeinsten Klasse geworden -- -- Edmund von Randow, der Sohn eines der
-ersten und vornehmsten Geschlechter zweier Reiche -- -- war sogar bis
-zum +Betrüger+ hinabgestürzt....
-
-Nachdem wir dies entsetzliche Wort ausgesprochen haben, bleibt uns
-nichts anderes übrig, als es zu rechtfertigen, und dies soll sofort
-geschehen.
-
-Es waren seit dem letzten Glockenschlage noch kaum einige Minuten
-verflossen, als nicht der Baron von Leuben, wohl aber Herr Theobald
-Wurmholzer in’s Zimmer trat. Auf die Stirne dieses Menschen hatte sein
-Leben und sein Handwerk Züge gezeichnet, die nicht zu verkennen waren.
--- Herr Theobald erschien mit einer lustigen Schurkenmiene und einem
-schmetternden „Guten Morgen!“ Als er Edmund, dessen Zustand und Lage
-erblickte -- brach er laut in die Worte aus: „_Sacre bleu!_ Was
-ist denn das? Hat für meinen Busenfreund Edmund der Hahn noch nicht
-gekräht? -- _Bougre!_ das nenn’ ich einen guten Schlaf -- der
-freilich auch einem guten Tage folgt....“
-
-Edmund begnügte sich damit, sich halb aufzurichten und dem
-Abscheulichen eine Art von Willkomm entgegen zu murmeln, womit dieser
-zufrieden schien, denn er setzte sich, nach dem Brauche solcher Herren,
-ohneweiteres auf das Bett -- und fuhr in seiner lärmenden Weise fort:
-„Sie werden wissen, mein verehrungswürdiger Freund Randow -- daß ich
-nicht gekommen wäre, Ihren süßen Schlaf zu stören, nöthigte mich hierzu
-nicht jene dringende Pflicht, die ich gegen mich selber habe und die
-Ihnen hinlänglich bekannt ist; Sie begreifen --: Die heiligste Pflicht
-des Gentlemans und Spielers besteht in --“
-
-Edmund fuhr bei dem letzteren Worte ein wenig überrascht in die Höhe
---: „Sie nennen sich also kurzweg: einen Spieler!“
-
-„Darauf kommt es hier nicht an und es wird Ihnen auch gewiß sehr
-gleichgiltig sein...“
-
-„Ich meine nur -- -- bisher haben Sie sich unter diesem Titel noch
-nicht vorgestellt....“
-
-„_Diable!_ -- dies will ich schon glauben!... Wer in der Welt wird
-sich bei einem fremden Menschen gleich als +Spieler+ einführen?
--- Es wäre sehr gegen die Lebensart! -- Allein nachdem man zusammen
-drei bis vier Nächte hindurch am grünen Tische gesessen -- nachdem man
-mit Einem überdies auf Ehrenwort gespielt -- und endlich gar an ihn
-eine Forderung von circa 2000 Ducaten zu stellen hat -- darf man sich
-doch wohl kurzweg als das bezeichnen, ... was man ist, _Tonneur de
-Dieu!_ -- Welchen Titel soll man für sich erfinden? -- -- Man hat
-von Jemand für einige Sätze im _rouge et noir_ 2000 Ducaten zu
-fordern... also ist man ein +Spieler+.“
-
-„An dieser Logik ist wohl nichts auszusetzen --“ versetzte Edmund
-eintönig und mit bitterem Lächeln -- --; „ich hätte längst selber von
-ihr Gebrauch machen sollen....“
-
-„Allein, wie ich sehe, _mon cher_ -- -- so jagen wir uns da
-mit einer nutzlosen Phraseologie ab... und beim Himmel! meine Zeit
-ist sehr kostbar: ich habe heute noch wichtige Geschäfte in Ordnung
-zu bringen. Kommen wir daher zur Sache! -- +Haben Sie das Geld in
-Bereitschaft+, _mon petit coeur_?“
-
-Mit kurzen Worten antwortete Randow: „Ich habe nichts in Bereitschaft.
-Ich besitze keinen Heller!“
-
-„Wie -- Sie besitzen keinen Heller!“ schrie Herr Theobald so mächtig,
-daß es draußen auf allen Gängen widerhallte: „_Morbleu!_ -- Sie
-besitzen keinen Heller!“ Theobald war aufgesprungen und hatte sich vor
-ihn hingestellt: „Was ist dies für eine sonderbare Erklärung -- mein
-Herr von Randow?“
-
-„Die Erklärung ist sehr einfach und noch dabei sehr wahr;“ sprach
-Edmund mit einer Ruhe, deren man ihn nach seiner früheren Stimmung
-nicht fähig hätte halten sollen. -- Allein freilich die früheren
-Bewegungen seines Innern standen weniger mit diesem als mit dem andern
-Falle, mit dem Meister Lips, in Verbindung.
-
-„_Enfin!_“ rief der Spieler: „Sie zahlen also nicht: Sie tragen
-Ihre Schuld nicht ab -- mein Herr?“
-
-„Es ist mir unmöglich -- mein Herr.“
-
-„Wissen Sie auch, mein Herr -- daß dies eine Ehrenschuld ist?... daß
-Sie auf’s +Wort+ gespielt haben?“
-
-„Ich weiß es, ich weiß Alles.“
-
-„Und dennoch -- glauben Sie mir so mit der größten Seelenruhe sagen zu
-dürfen, daß Sie nicht zahlen wollen?...“
-
-„Allein -- was soll ich Anderes thun? Sagen Sie es selbst, mein
-Herr!...“
-
-„Dies -- _mon Dieu_!“ versetzte scheußlich lachend Herr Theobald
--- der nach Art der Leute seines Metiers unabläßlich mit französischen
-Brocken um sich herum warf... „Dies, _mon Dieu_ -- ist doch
-fürwahr nicht meine Sache... es geht mich nicht im Geringsten an...
-_Sacre!_ Was soll ich Ihnen denn noch sonst sagen, als: zahlen
-Sie! zahlen Sie -- -- ich muß auch zahlen! -- --“
-
-Der junge Mensch antwortete nicht -- er seufzte nur und rieb sich die
-Stirne, die zu zerspringen drohte unter den Gedanken, welche -- nicht
-Herrn Theobald betrafen.
-
-„Endlich, mein Herr,“ nahm dieser sich zusammen und blickte ihn wild
-und finster an: „Endlich -- damit wir zum Schlusse kommen: was ist
-Ihre Absicht? Wollen Sie mich als Mann von Ehre, wie es Ihrem Stande
-angemessen, befriedigen -- oder aber wünschen Sie, daß ich noch in
-dieser Stunde zu Ihrem Vater gehe -- -- und den würdigen General von
-Randow veranlasse, das Wort seines Sohnes und dessen Reputation zu
-retten?... _Morbleu!_“
-
-Der Spieler war richtig berathen. Kaum hatte er den Namen von Edmunds
-Vater genannt, als der Jüngling erschrocken vom Lager aufsprang und
-im Nu aufrecht stehend sich seinem Gläubiger gegenüber befand: „Um
-Gotteswillen, mein Herr!“ rief er mit bebender Zunge: „Thun Sie das
-nicht! Machen Sie keinen Schritt aus diesem Zimmer -- bevor unsere
-Angelegenheit nicht in Ordnung gebracht ist. -- -- Sie wollen, ich soll
-Ihnen 2000 Ducaten bezahlen. -- Nun wohl -- nun wohl.“
-
-Er sann einen Augenblick nach -- -- jetzt hatte sein ganzes Denken sich
-um diesen Punkt konzentrirt: „Hören Sie meinen Vorschlag! -- Gedulden
-Sie sich noch bis morgen -- dann sollen Sie Alles bis auf den letzten
-Pfennig erhalten...“
-
-„_Tonneur!_ -- --“ versetzte der Spieler schon mit einem viel
-heiteren Tone: „das geht nicht, mein Bester! -- Das wird nicht
-gehen! .... Wie ich es immer auch herumdrehe -- wie ich auch immer
-kalkulire.... ich brauche das Geld noch heute...“
-
-„Nun denn --“ bedeutete Jener, dem der Angstschweiß von der Stirne
-rann: „dann geben Sie mir mindestens einige Stunden Frist -- -- z. B.
-bis zum Nachmittage...“
-
-Nach einer Pause rief Theobald aus: „_Eh bien donc!_ -- Bis zum
-Nachmittage -- 3 Uhr will ich warten, _mon coeur_... bis 3 Uhr
-also .... Jedoch länger nicht eine Minute... fürwahr ich kann nicht!
-_Parole d’honneur_ -- es liegt nicht in meiner Macht.... es ist
-unmöglich ... _c’est impossible!_“
-
-„Nun denn -- um 3 Uhr holen Sie hier das Geld ab.“
-
-„_Bon, bon!_ -- Ich werde hier sein -- _sans doute_ --
-ich werde erscheinen, _mon très cher ami_! -- Also: -- _au
-revoir_!“
-
-Er reichte ihm die Hand hin -- die der Unglückliche ergriff und
-drückte, als sei sie die Hand eines Ehrenmannes. Darauf verließ
-Monsieur Theobald Wurmholzer das Zimmer. --
-
--- Kaum war er fort, als schon wieder an der Thür geklopft wurde.
-Dieses Klopfen erkannte Edmund -- es drang ihm erschütternd durch
-Mark und Bein. Sogleich öffnete sich die Thür und herein trat, mit
-lächelndem Joko-Gesichte und der trauten Keule in der Hand, Meister
-Sophronias Lips, Wechsler, Antiquar, Juwelier, Hühneraugen-Operateur
-und Würgengel dieser guten Stadt. Er war ganz so anzuschauen, wie
-wir ihn sahen, als uns das unaussprechliche Glück ward, zum ersten
-Male mit ihm zusammenzutreffen. Da war wieder der mittelalterliche
-Gustav-Adolph’sche Rock, halb Frack und halb Jacke -- da waren wieder
-die antediluvianischen Beinkleider -- da die Wunderstiefeln, der eine
-mit Stulpen, der andere ritterlich trichterförmig mit einem Stück
-Sporren daran -- da war auch der Hut, _vulgo_ Pferdesattel --
-da die heidnische Priesterweste -- -- da endlich -- und natürlich im
-vollen Glanze, die herrliche Keule, diese Königin unter den Handstützen.
-
-„Mein Gnädigster -- ich habe die Ehre, Ihnen einen vortrefflichen Tag
-zu wünschen... ’s ist recht kalt heute, auf Ehrenwort!“ So begrüßte der
-Biedermann unseren Freund, der sich bei dessen Eintritt erhoben hatte
-und ihm wie einem Manne von Rang entgegen ging... jedoch sprach Edmund
-nicht ein Wort. Um so mehr Gelegenheit hatte hierzu Meister Lips und er
-schien Lust zu haben, heute von dieser Gelegenheit den ausgedehntesten
-Gebrauch zu machen: „Nun, wie geht es Euer Gnaden?“ begann er lächelnd,
-mit dem Kopfe nickend und seine holde Keule schwingend: „Wie befinden
-Sie sich, mein Gnädiger, he? -- Hoffentlich geht es Denenselben recht
-wohl -- was mich ausnehmend freuen würde, auf Ehrenwort! -- Und wie
-haben Dieselben geschlafen?... Wahrscheinlich gut!“
-
-Wie schon gesagt, Edmund war, trotz dieser Zuvorkommenheit und
-Cordialität des Meister Lips -- an Worten ein Bettler; kaum daß er ihm
-alle diese Fragen im Allgemeinen beantwortete; jedoch schien Lips das
-nicht zu beachten und fuhr fort, seine Freundlichkeit zu verdoppeln,
-zu verdreifachen... so daß es eine wahre Lust war, diesen, an sich so
-cynischen Philosophen, jetzt eine Fluth der galantesten Redensarten
-ausströmen zu hören.
-
-Im Ganzen fand eine merkwürdige Aehnlichkeit zwischen Lipsens
-gegenwärtigem Betragen und demjenigen statt, welches Herr Theobald
-Wurmholzer bei seinem Eintritt in diese Stube angenommen hatte. Die
-Sache ist sehr einfach. Sie wiederholt sich bei jedem Gläubiger. Wenn
-Euch ein solcher besucht, ist er die Artigkeit und Liebenswürdigkeit
-selber -- -- kaum aber habt Ihr mit ihm einige Worte gesprochen, so
-wirft er rasch die Maske ab -- -- er will von Euch Geld haben und keine
-Worte -- er wird ernst -- grob -- unverschämt -- so zwar, daß Ihr,
-die Ihr anfangs die zärtlichsten Freunde zu sein schienet -- als die
-bittersten Gegner, als Feinde auf Tod und Leben von einander scheidet.
--- -- -- -- Eine merkwürdige psychologische Erscheinung; jedoch sehr
-bewährt, sehr bewährt!
-
-Doch folgen wir ruhig dem Gange des Gespräches unserer zwei Männer und
-sehen wir zu, wie sich dasselbe nach und nach entwickeln wird.
-
-„Allein -- mein theuerster, mein verehrtester, mein süßester Gnädiger
--- -- Sie haben mir ja noch gar nicht gesagt, wie Sie so eigentlich
-sich fühlen; und doch wissen Sie, welchen namenlos gewaltigen Antheil
-ich an Dero Wohlbefinden nehme -- -- Auf Ehrenwort! ich würde lieber
-mir selbst meine rechte Hand abhauen -- -- als daß ich Sie nur den
-allerleisesten Schaden nehmen sähe. Auf Ehrenwort!“
-
-„Ich danke, Herr Lips, ich danke!“ antwortete der Jüngling und setzte
-sich neben den Alten, welcher auf dem Sopha Platz genommen...: „Ich
-glaube Ihnen schon gesagt zu haben, daß es mit meiner Gesundheit
-leidlich steht -- bis auf eine kleine Erregung noch von gestern
-her.....“
-
-„Ei, ei -- Sie müssen sich schonen, Gnädigster! Wirklich, das müssen
-Sie.... So eben bemerke ich, daß Ihr theures Angesicht wirklich Spuren
-trägt von -- von -- -- nun gleichviel wovon.... Doch, mit einem
-Worte, Sie müssen sich schonen. O wie schade wäre es um einen so
-ausgezeichneten Kavalier!“
-
-„Sie sind sehr gütig, mein Herr....“
-
-„Es ist mein heiligster Ernst, auf Ehrenwort! -- Allein weshalb nennen
-Euer Gnaden -- mich heute stets „mein Herr“ und „Sie“ und so fort?....
-Womit habe ich es verdient, daß das trauliche, das ehrende +Du+,
-womit Sie zu anderer Zeit mich anredeten und was meinem treuen Herzen
-so wohl that -- daß es, sage ich, heute plötzlich verschwunden ist?....“
-
-Hierauf erwiderte Edmund nichts. Sein Blick, der starr vor sich hin
-gerichtet war, verdüsterte sich immer mehr; denn diese sarkastische
-Freundlichkeit des alten Schurken erschreckte ihn mit Recht im
-Innersten der Seele...
-
-„Und wozu,“ fuhr dieser fort, -- „sind hier die Fenster geöffnet,
-gnädiger Herr? -- Dies kann für eine so zarte und edle Constitution,
-wie die Ihre, sehr nachtheilig werden. -- Und als treuer Freund oder
-vielmehr Diener halte ich es für meine Pflicht, dieses große Unglück
-nach Möglichkeit zu verhüten.... weshalb ich mir auch die Freiheit
-nehme, Ihre Fenster ein wenig zu schließen.... oder aber mich selbst
-vor sie hinzustellen, um auf solche Weise mit meinem eigenen Leibe Sie
-zu schützen...... Auf Ehrenwort!“ Wirklich ging er hin und that, wie
-er sagte; er verschloß die Fenster -- und da eines derselben vom Winde
-in der Nacht zerschlagen worden war, stellte er sich da gleich einer
-Schildwache auf....
-
-„Allein,“ fuhr er fort und balancirte seine Keule auf dem Nagel des
-kleinen Fingers -- „allein,“ sagte er und jetzt ließ er dieses ungefähr
-20 Pfund schwere Instrument wieder herabgleiten und begann dasselbe in
-einem Kreise herumzuschwingen, gerade so als wäre es eine Reitgerte
--- --: „ich sehe, daß meine Reden Ihnen Langeweile verursachen --
-Hochgebietender .... und so will ich Sie denn nicht länger mit
-ähnlichen belästigen, sondern mich augenblicklich hinwegzaubern --
-sobald ich nur erst noch zwei unumgänglich nothwendige Wörtchen mit
-Höchstdenselben gesprochen haben werde. Also: wie steht es mit unserer
-Angelegenheit, Durchlaucht? Haben Allerhöchstdieselben jene lumpichten
-6000 Holländerchen schon in Bereitschaft gelegt?... und wo sind die
-allerliebsten Dingerchen -- damit ich sie berge in meinen väterlichen
-Schooß?“
-
-Hier nun wieder ging an dem Jünglinge eine Veränderung vor, welche mit
-der vorigen in Gegenwart Theobalds, und zwar aus derselben Ursache
-entsprungen, eine große Aehnlichkeit hatte... Edmund erhob sich kalt
-und ruhig, sein Auge richtete sich fest auf seinen Gegner und sein
-ganzes Wesen schien plötzlich jener wunderbaren Fassung theilhaftig
-geworden zu sein, welche uns stets vom Muthe -- nicht selten aber
-auch von der Verzweiflung verliehen wird. „Herr Lips,“ begann Edmund
-mit Würde: „wozu sollen wir diese Sachen in die Länge oder gar in’s
-Scherzhafte ziehen. Reden wir ernst und kurz mit einander -- denn bei
-Gott! mir ist es sehr ernst um die ganze Angelegenheit. Sie, vermöge
-Ihres Scharfblickes und Ihrer Menschenkenntniß (Eigenschaften, die
-Ihnen selbst Ihr Feind zugestehen muß) --“
-
-Signor Lips verbeugte sich und salutirte mit seiner Keule wie ein
-Offizier mit seinem Degen --
-
-„Sie können sich unmöglich auch nur einen Augenblick lang über die
-Lage, worin Sie mich jetzt finden, täuschen. Sie wissen recht gut --
-daß ich ärmer bin als ein Bettler -- zahlungsunfähiger als ein Kind
--- daß ich indessen auch den redlichsten und eifrigsten Willen habe,
-Alles zu thun, was in meiner Macht steht, -- und sollte es auch mit
-Aufopferung meines halben Lebens geschehen...“
-
-Die plötzliche Metamorphose im Wesen des Jünglings hatte auch eine in
-dem des Greises hervorgerufen, welche zwar ebenfalls ernst und finster
-erschien, dabei jedoch einen Strahl von tiefer Ironie nur um so greller
-durchblicken ließ, je mehr dieser unterdrückt werden sollte...
-
-„Das ist -- wie mich dünkt -- das alte Lied!“ hatte Lips mit tiefer
-Stimme gesprochen .... „Dieses alte Lied jedoch behagt mir in diesem
-Augenblick so wenig, daß ich, sollte ich es noch einmal hören müssen,
-lieber entschlossen bin, die Zither sowohl wie den Zitherschläger in
-tausend Stücken zu zertrümmern..... Ist das Deutsch gesprochen...?“
-
-Edmunds Lippe zitterte ohnmächtig und wortlos -- sein Athmen, sein
-Seufzen, wodurch seine Brust bewegt wurde, glich dem Stöhnen eines
-Kranken... er fühlte sich hinsinken und mußte sein Haupt auf die Lehne
-des Sopha’s legen -- --. Da begann Lips wieder im strengen Tone:
-
-„Sie wissen, wie die Sachen stehen -- mein Bester. Ich habe nicht
-nöthig, sie Ihnen weitläuftig wiederzukäuen. -- -- Sie sind erstens
-zwei Wechsel, jeden à 1500 Dukaten mir zu bezahlen schuldig -- macht:
-3000 _netto_. -- Sodann besitze ich von Ihnen einen dritten
-Wechsel à 1000 Dukaten -- trassirt auf Ihren Herrn Schwager, den
-hochgebornen und insbesondere hochzuverehrenden Herrn Grafen Alexander
-von A--x, und angeblich acceptirt von Hochdemselben -- -- was sich
-jedoch später als eine Lüge, d. h. eine Namensfälschung -- d. h. ein
-Criminalverbrechen zweiter Klasse erwies, denn nicht der hochgeborne
-Herr Graf hat seinen Namen geschrieben -- sondern Sie machten diesen
-allerliebsten Streich selber... hehehe!.... -- -- Maßen ich jedoch
-in meiner Brust kein Felsenherz -- sondern ein so weiches wie
-Schwanenflaum trage -- auf Ehrenwort! -- habe ich mich vor einigen
-Tagen in dieser Angelegenheit mit Ihnen dahin geeinigt, daß Sie mir
-anstatt der auf dem falschen Wechsel notirten 1000 Dukaten -- 2000
-ausbezahlen sollten... was ein wahrhaft christlicher Handel ist..... Da
-haben Sie die ganze Sachlage, da den ganzen Casus, wie wir Philosophen
-sagen.... Auf Ehrenwort!“
-
-Statt aller Antwort schüttelte der unglückliche junge Mensch wie
-sinnlos das Haupt -- -- und schlug sodann ein kurzes heiseres Gelächter
-auf. --
-
-„Was -- Sie lachen noch, mein Bester? -- -- Mir aber, das versichere
-ich Ihnen -- ist es in diesem Augenblicke gar nicht zum Lachen .... und
-gleichwohl dürfte dazu an mir die Reihe noch eher sein, als an Ihnen.
-Dies wollte ich blos so nebenbei bemerkt haben. Und jetzt noch einmal
-deutsch gesprochen: Ich bitte mir höflichst 6000 Dukaten aus!“
-
-„Ich besitze nicht 6000 Heller --“
-
-„Nun wohl, noch deutscher: Sie haben einen reichen Papa -- -- Papa wird
-das Sümmchen bezahlen --“
-
-„Herr Lips, mein Vater bezahlt für mich nichts. Sie wissen es sehr gut.“
-
-„Dann wird Mama es thun....“ fuhr der Wucherer fort und schwang seine
-Keule....
-
-„Meine Mutter kann es ebenfalls nicht, da die Kasse sich nicht in
-ihren Händen befindet....“
-
-„Ferner haben Sie eine geliebte und liebende Schwester, mein Freund....“
-
-„Auch Cölestine ist nicht im Stande, mir zu helfen....“
-
-„... Zuletzt bleibt uns noch immer der Herr Graf von A--x, auf welchen
-ja auch dies Haupt-Papierchen ausgestellt ist....“
-
-„O -- um aller Seligkeit willen.... mein Herr!“ schrie Edmund auf:
-„bringen Sie mich nicht zum Wahnsinn! -- -- Das Alles, was Sie da
-vorgeschlagen haben -- hilft zu Nichts. -- Allein, Sie reden immer von
-6000 Dukaten .... mein Herr! Habe ich Ihnen denn nicht vor ein paar
-Tagen einen +Schmuck+ im Werthe von fast eben so viel überliefert....
-weil Sie mir schon damals mit der Geltendmachung des unglückseligen
-falschen Papiers -- zu dessen Anfertigung ich mich in halber
-Trunkenheit verleiten ließ -- drohten.... Und diesen Schmuck rechnen
-Sie für nichts....“
-
-„Ei bewahre!“ versetzte Lips: „wie sollt’ ich das? Halten Sie mich nur
-nicht für einen so unbilligen, gefühllosen Menschen! -- Diesen Schmuck
-im Werthe von fast 5000 Dukaten gaben Sie mir (Sie müssen sich dessen
-noch erinnern,) als blose Abschlagzahlung, weil ich damals von Ihnen
-neben diesen dreien annoch im Besitze von zwei älteren Papierchen war
--- wir haben die ersteren vernichtet und ich habe mit dem verfänglichen
-bösen Rechte gezögert bis zum heutigen Tage, wo Sie mir das Ganze
-bezahlen (will sagen diese 3 vorliegenden Wechselchen honoriren) sollen
--- oder aber Alles steht wie zuvor. Ist das klar gesprochen?“
-
-Nach einigem qualvollen Grübeln versetzte Edmund: „Hören Sie mich,
-mein Herr! Um was ist es Ihnen zu thun? -- Um Bezahlung, nicht wahr?
--- -- Nun denn: warten Sie noch einige Tage.... mittlerweile werde ich
-Gelegenheit haben, mit meiner Schwester -- vielleicht auch mit meinem
-Vater zu reden. Denn so geradezu kann ich mit einer solchen Forderung
-nicht vor sie hintreten. Der Letztere würde es mir kurzweg abschlagen
--- ja, erführe er den vollen Thatbestand -- so wäre es mit mir für
-immer aus; meine Schwester aber müßte, angenommen, daß sie Etwas thun
-könnte -- die Summe jedenfalls erst zu borgen suchen.... denn sie kann
-über ihr Vermögen bis jetzt noch nicht verfügen... Geben Sie mir also
-5-6 Tage! Herr Lips -- --“
-
-„Fünf bis sechs Tage!“ schrie dieser: „Wo denken Sie hin, das ist
-unmöglich! Bis dahin gehe ich ohne das Geld zu Grunde!... Fünf bis
-sechs Tage! -- Um Gotteswillen machen Sie mich nicht unglücklich!“
-
-„Aber -- mein Herr -- es ist -- --“
-
-„Wissen Sie was? damit Sie immer mehr meine rührend gefühlvolle Seele
-kennen lernen sollen.... einen halben Tag will ich Ihnen noch gewähren!
--- Aber länger ist es mir nicht möglich -- auf Ehrenwort!...“
-
-„Das hilft zu nichts! das ist umsonst!“ versetzte Edmund dumpf und
-faßte sein Haupt zwischen beide Hände, um zu verhindern, daß es
-zerspringe.
-
-„Nun denn -- noch einen halben Tag dazu! -- Aber auf Ehrenwort!....
-das ist Alles, zu was ich mich als Christ -- ja und wäre ich selbst
-Herrnhuther, herbeilassen kann!“ Er schwang seine Keule fürchterlich
-im Kreise, daß sie in der Luft saus’te, wie ein großes Mühlrad. --
-
-„Erbarmen Sie sich meiner! -- Sie sehen -- ich gehe zu Grunde! Was soll
-ich in 24 Stunden ausrichten?.... Sind sie vorüber -- so stehen wir
-gewiß noch auf dem alten Fleck, weh mir!“
-
-„Weh +mir+! +mir+! ich habe das Recht, dies auszurufen,“
-schrie Lips wild -- und arbeitete mit der Keule umher, wie
-Herkules, als er gegen den Nemäischen Löwen auszog.... „Nun denn
--- Donnerwetter!“ brüllte der Wucherer und schlug mit ihr jetzt so
-gewaltig auf den Boden, daß in den Dielen ein Loch entstand: „so gebe
-ich Ihnen denn eine Frist von 48 Stunden -- mein Mann! Aber,“ setzte
-er drohend wie ein Caraibe hinzu und rollte gräßlich die Augen: „sind
-diese verstrichen und ich habe mein Geld nicht.... dann, mein Mann
--- lasse ich Sie durch zwei handfeste Polizeisoldaten holen -- und
-Ihnen kurzweg den Prozeß machen wegen Wechselfälschung, Betrügerei,
-Erpressung -- und noch einiger andern Nebenumstände... so wahr ich
-Sophronias Lips heiße und eben sowohl der Freund der Guten wie der
-Schrecken der Bösen bin.... Hier haben Sie mein siebenfaches Ehrenwort
-darauf! -- -- Wohlan denn: auf Wiedersehen!“ brüllte er wie ein Orkan.
-
-Jetzt stürzte er fort -- man hörte draußen nur noch einige
-Keulenschläge, die er im Zorne gegen das Pflaster des Ganges machte....
-
-„Auf Wiedersehen!“ dies sonst so freundliche Wort hätte kein Teufel
-fürchterlicher aussprechen können, als es Meister Lips gethan; es klang
-ganz so als hätte er gerufen: „Auf Wiederwürgen!“
-
- * *
- *
-
-Die anberaumte Frist war verstrichen.
-
-Edmund, der nicht vermochte, die 6000 Dukaten aufzutreiben -- war
-verschwunden. Niemand wußte, wohin er kam; doch meldete einige Tage
-darauf ein Brief, der seinen Eltern von Prag aus zugesendet wurde,
-daß er in einer Ehrensache gezwungen gewesen sei, an die Grenze des
-Kaiserstaates zu flüchten -- von wo er ihnen jedoch bald weitere
-Nachrichten werde zufließen lassen....
-
- * *
- *
-
-Ach, welch ein Schlag traf die armen Eltern! Kaum hatten sie den
-Brief Edmunds gelesen, als sie von fremder Seite eine ganz andere
-Kunde empfingen. -- +Ihr Sohn war der Wechselfälschung und anderer
-Verbrechen angeklagt.+
-
-Lips war der Kläger.
-
-Leuben hatte ihn dazu bewogen, indem er ihm die volle Summe von 8000
-Dukaten zu bezahlen versprach und im Augenblick der Denunciation auch
-sogleich 6000 bezahlte.
-
-
-
-
-Drittes Kapitel.
-
-Der Schmerz der Gatten.
-
-
-Wir müssen uns bei unserer Erzählung nun um einige Tage in der
-Geschichte zurückversetzen. Es handelt sich darum, wieder zu Cölestinen
-und ihrem Gatten zurückzukehren, und sie in dem Augenblick und an
-jenem Orte aufzusuchen, wo wir beide zuletzt verließen. -- Wir wissen,
-wie jene furchtbare Scene geendet, in welcher Alexander einen so
-unzweifelhaften Beweis für die Untreue seines jungen Weibes erhalten
-zu haben glaubte -- wir wissen, daß er damals mit zertretenem Herzen
-und vernichtetem Sinne auf sein Zimmer floh und sich in das Dunkel
-desselben barg, wo ihm wohler ward, denn die äußere Lichtlosigkeit des
-Ortes harmonirte mit der dumpfen Finsterniß seiner Brust.
-
-Dies ist Alles, was wir von der Begebenheit wissen; hier schnitten wir
-uns den ferneren Pfad ab -- hier eröffnen wir uns denselben wieder und
-wandeln darauf fort. --
-
-Es ist von uns schon in irgend einem andern Buche gesagt worden --
-daß es Keiner versuchen möge, die Qualen eines unglücklich Liebenden
-zu beschreiben; denn für diesen Schmerz haben wir keine Worte, für
-dies Unglück keine Farben.... Dieser Schmerz ist unbedingt der größte,
-der tiefste und der zerstörendste, von dem ein Menschenherz getroffen
-werden kann. -- Was sind alle Wunden, alle Qualen, jedes Siechthum des
-Körpers... was sind alle Leiden des Geistes und Herzens: Armuth, Noth,
-Verbannung, Demüthigung, Verläumdung, verfehltes Streben, verletzter
-Ehrgeiz, Verrath des Freundes -- Undank des Kindes -- -- und wie sie
-alle heißen mögen, die zahllosen Köpfe der Hydra, welche am Herzen der
-Edelsten genagt haben -- -- was sind sie alle gegen die Hyänenbisse
-der Eifersucht, gegen die Harpyien-Wuth betrogener, verrathener Liebe.
--- -- Jedes Leiden, mag es auch noch so groß sein, hat dennoch seine
-bestimmte Begrenzung -- über diesen Umkreis hinaus fängt wieder die
-Welt für uns an mit ihren, wenn auch noch so wenigen, Freuden.... Nur
-Liebe, Liebe, zertretene Liebe kennt außer sich keine Empfindung....
-denn sie ist so ungeheuer, daß sie den ganzen Raum unseres Daseins
-einnimmt -- unsern ganzen Horizont erfüllt. -- Wir haben außer ihr
-keine Welt -- keinen Himmel und keine Erde; -- und weil +sie+
-denn so ganz und gar +Hölle+ ist, so leben wir in dieser auch vom
-Scheitel bis zur Sohle....
-
-Fürwahr, wenn Einer es verdient, daß wir ihm eine Zähre des Mitleids
-weihen, so ist es der unglücklich Liebende.... er, der in seinem
-größten Schmerze selbst nicht weinen kann.
-
-Da kommen sie dann, die Tage -- in denen er sich flüchtet in den Schooß
-der Wüsten und Einöden -- in Höhlen -- Klüfte und Abgründe und auf
-die Gipfel riesiger Berge -- hin, wo die wilden Thiere, der Wolf und
-der Steinadler hausen.... bei denen, wie er glaubt, er mehr Liebe und
-Treue finden wird, wie unter Menschen.... denn das ist nebenbei auch
-sein Fluch, daß er, betrogen von +einem+ Weibe, sie alle, ja die
-ganze Menschheit für Heuchler und Verräther hält.... Da kommen sie
-dann, die Nächte, in denen allein er wagt zurückzukehren zur Stadt, wo
-ihn jetzt keine Menschenblicke vergiften -- und keine Menschenworte
-verrathen können.... aber er kommt nicht hierher, um zur gewohnten
-Lebensweise zurückzukehren -- um sein Haus zu betreten oder gar seine
-Lagerstätte aufzusuchen.... nein, er kam nur, weil ihn unbewußt der
-Magnet zurückgezogen hat -- der ihn zwingt, bei +ihrem+ Hause
-vorbei zu gehen, wenn sie vielleicht längst schläft -- -- sich
-ihrem Fenster gegenüber in irgend einen Winkel zu bergen und es
-anzustarren -- mit der Qual eines Verdammten es anzustarren -- hinter
-dessen herabgelassenen Gardinen sie den süßen Schlaf der Glücklichen
-schläft.... Aber es dauert nicht lange -- so reißt es ihn empor und
-treibt mit wilder Gewalt ihn von hier weg -- weit, weit weg -- peitscht
-mit Wuth seine Füße, daß sie rennen -- rasen möchten bis an’s Ende
-der Welt ...... Jedoch nicht lange verträgt die elende Kreatur diesen
-Kampf... sie sinkt nieder -- und wenig fehlt, so würde sie ihren Geist
-aushauchen... dessen Leben jedoch aufgespart wird zu neuen Qualen....
-
-So war es auch mit Alexander... so litt und kämpfte auch er. --
-
-Zwei Tage lang blieb er eingeschlossen in seinem Zimmer, ließ
-Niemand vor sich, selbst seine treuesten Diener nicht; was er an
-Lebensbedürfnissen für seine körperliche Hälfte brauchte -- ließ er
-sich wie ein Gefangener durch die Thür reichen. -- Da erzählten sich
-die Diener wunderliche Sagen von ihrem Herrn und was mit demselben
-vorgegangen sei -- so wie von dessen Aussehen. Ein in geheimnißvollen
-Dingen erfahrner alter Lakai (er hatte früher bei einem englischen
-Lord gedient, der viel mit Magnetismus, Sterndeuterei und „andern
-schwarzen Künsten“ sich abgegeben) meinte: des gnädigen Herrn
-bleiche Miene und sein übernatürlich glänzender Blick -- sodann
-die sonderbar eingesunkenen Wangen deuteten bestimmt -- auf einen
-Verkehr mit überirdischen Mächten hin, welcher in dem verschlossenen
-Studierzimmer, wo all’ die großen Bücher und die wunderbaren Werkzeuge
-(Kunstrequisiten) lagen -- stattfände...... Wozu ein anderer alter
-Diener mit einer rothen großen Nase, worauf viele kleine blaue
-Karbunkel, bemerkte: deshalb höre man zu Zeiten, besonders des Nachts,
-auch ein so heftiges Gehen und ein so wirres Hin- und Herreden...
-solche außerordentlichen Rufe, und was dergleichen mehr ist. -- Dieser
-alte Freund hatte -- wenn er betrunken war, schon so manchen Geist
-gesehen...
-
-Am meisten bestärkte der Umstand die Dienerschaft in ihrem Glauben, daß
-ihr Gebieter -- sich standhaft weigerte, seine Frau vor sich kommen zu
-lassen, trotzdem, daß sie Tag und Nacht darum flehte....
-
-In der That hatte Alexander allen Versuchen, die sie machte, um
-zu ihm zu gelangen, widerstanden. Ihre Bitten, ihre Klagen, ihr
-verzweiflungsvolles Flehen verhallte vor der Thür und wurde nur von den
-todten Wänden, nicht von ihm, vernommen....
-
-Am Morgen nach jener verhängnißvollen Nacht, wo er sie mit dem fremden
-Manne ertappt, hatte sie vergebens gewartet, ihn bei sich in ihrem
-Schlafzimmer, in ihrem Boudoir oder im Gemache, wo sie gewöhnlich
-zusammen frühstückten, eintreten zu sehen.... sie hatte nach ihm
-geschickt, und als man ihr die Nachricht brachte, er sei noch in
-seinem Studierzimmer eingeschlossen -- -- begab sie sich selbst auf
-den Weg dahin, um ihn, wie sie glaubte, aus allzuemsiger Arbeit
-hervorzuziehen.... Sie gelangte zur Thür: wie erstaunte sie, dieselbe
-geschlossen zu finden; jetzt rief sie ihm -- jetzt bat sie ihn, sie
-bei sich einzulassen.... da wuchs ihr Staunen, denn er antwortete
-nicht. -- Nun glaubte sie, er sei nicht mehr hier, und schon wollte
-sie den Rückweg antreten -- -- da hörte sie ihn drinnen einen schweren
-Seufzer ausstoßen.... und voll Entsetzen schrie sie auf: „Um Gott! --
-Alexander, was ist Dir geschehen? -- -- Hörst Du mich denn nicht?...“
-Und weil er noch immer nicht antwortete, so rief sie Diener herbei und
-gebot ihnen, die Thür mit Gewalt zu öffnen, wähnend, eine Ohnmacht,
-irgend eine schreckliche Krankheit habe ihren Gatten überfallen....
-
-In diesem Augenblick ertönte drinnen seine Stimme finster und
-gebietend: „Mir ist nichts widerfahren! -- Wage es Niemand, in meine
-Nähe zu kommen. Ich werde die übrigen Befehle geben!“ --
-
-Von dieser Stunde an -- sehen wir das junge Weib fast den ganzen
-Tag über und tief in die Nacht hinein sich stundenlang vor der Thür
-aufhalten und mit ihren stummen und lauten Bitten, mit ihren Thränen
-und Seufzern die Luft erfüllen.... Doch, wie schon gesagt, er, der
-Unglückliche drinnen hört sie nicht.... ihn umschließt die glühende
-eiserne Mauer seines Schmerzes mit den scharfen Zacken der Schande
-umgeben... dieser Wall ist undurchdringlich. --
-
-Endlich nach vielem Sinnen hatte Cölestine ein Mittel erdacht. In
-einer Stunde -- es war zur tiefen Nachtzeit -- nahte sie sich, wie sie
-so oft gethan, still auf den Fußspitzen dem Zimmer ihres Mannes. Vor
-der Thür angelangt, horchte sie lange -- sie vernahm außer dem Picken
-einer Pendule, die darinnen stand, nichts -- als die tiefen und starken
-Athemzüge eines in tiefen Schlummer Versunkenen. Es war Alexander.
-Behende holte sie aus ihrem Busen einen Schlüssel hervor, welchen sie
-in’s Geheim hatte verfertigen lassen -- und steckte ihn behutsam in’s
-Schlüsselloch.... Welches Glück! Er paßte vollkommen -- er drehte sich
-ohne Geräusch im Schlosse herum... nach zwei Augenblicken war die Thür
-geöffnet....
-
-Cölestine stand im Gemache ihres Mannes. Sie schloß sogleich hinter
-sich zu, damit nicht ein Windzug die Thür bewege oder von draußen
-irgend ein Geräusch hereinschalle. -- Auf dem Tische brannte im düstern
-Lichte die Lampe und beleuchtete die Gestalt Alexanders, welcher
-angezogen auf einem Ruhebette hingestreckt schlief -- und dessen
-gramgebleichtes Antlitz -- worin zwei Tage die Leiden eines halben
-Lebens eingezeichnet hatten -- auf die Brust herabgesunken, ihm das
-Ansehen eines Mannes gab, der in der Kraft seiner Jahre dahinwelkt --
--- eine Eiche, getroffen vom scharfen Beil.
-
-Namenloser Schmerz schien die Seele Cölestinens zu durchziehen, als sie
-das sah -- und da sie diesem Schmerz keinen Laut geben durfte, war es
-ihr, als ob ihre Brust mitten entzwei reißen sollte...
-
-Da schien der Schlafende sich zu bewegen -- er wandte sein Haupt nach
-der Seite und sodann nickte er mit demselben wie zur Bejahung, wobei
-seine Lippen murmelten:
-
-„Ja, ja, gewiß, sie hat mich betrogen!“
-
-Diese Worte schnitten Cölestinen durch die Seele -- sie vermochte
-sich nicht mehr zu bemeistern -- alle Besinnung, alle Kraft hatte sie
-verlassen -- und mit dem lauten Ausrufe, dessen Ton jammervoll klang --:
-
-„Nein! Gewiß, sie hat Dich nicht betrogen!“ stürzte sie vor ihn auf die
-Steine hin.... ohne nur zu wissen, was sie that.
-
-Alexander erwachte: „Wer ist da?!“ rief er wild auf -- und blickte um
-sich...
-
-„Ich, ich -- Dein unglückliches Weib, bin es! Cölestine, die elendeste
-der Frauen, kniet hier vor Dir -- sinkt an Deinem Lager nieder, wo sie
-gerne sterben und mit ihrem Tode es bezeugen möchte -- wie sehr Du sie
-verkannt....“
-
-Mehr vermochte sie, ungeachtet aller Anstrengung, nicht zu sprechen; --
-ihre Lippe schien erlahmt, ihre Zunge dürr wie getrocknetes Laub.....
-
-Er sah sie von seinem Lager mit seinen glühend düstern Augen, welche
-in ihren tiefen Höhlen unbeweglich starrten, an -- er sah sie lange,
-lange, stumm und regungslos an -- nach und nach nahm seine leidenvolle
-Miene den Ausdruck des Staunens -- der Verwunderung an -- -- ein kaum
-merkliches und auch sehr trauriges Lächeln zog sich um seinen Mund, aus
-welchem mit tiefem und leisem Tone die Worte kamen:
-
-„Sie sind es? -- Aber was wollen +Sie+ hier?“
-
-Er betonte das Wort „Sie“....
-
-„Oh, mein Gatte!“ dieser Ruf rang sich unter Schluchzen und schwerem
-Athmen aus ihrer Brust endlich los.... „Oh, mein Gatte!“ wiederholte
-sie, indem sie zitternd die Hände emporstreckte. -- --
-
-Jetzt richtete er sich auf -- und verließ rasch sein Lager -- trat bis
-zur Mitte des Gemaches und sagte hier halbabgewendet -- dumpf:
-
-„Verlassen Sie mich -- Gräfin!“
-
-Sodann ging er zu einem Lehnstuhle und ließ sich hier nieder --
-
-„Oh, mein Gott! Mein Schöpfer!“ rief Cölestine mit herzzerreißender
-Stimme... rang die Hände -- und bedeckte mit ihnen ihr von Thränen
-überfluthendes Gesicht, dessen Muskeln sich convulsivisch zu jenem
-entsetzlichen Schmerzensausdrucke bewegten -- welcher mit dem Lachen so
-viele Aehnlichkeit hat und den höchsten Grad innerer Leiden andeutet....
-
-Eine Pause entstand.
-
-Cölestine lag noch immer vor dem Ruhebette auf den Knieen, denn sie
-hatte nicht die Kraft, den Platz zu verlassen. Er sah sie mit keinem
-Blicke an, sondern starrte düster grollend vor sich hin -- auf die
-Wand, an welcher ein Bild hing, den Abschied Ulysses von seinem Weibe
-vorstellend.... Ein bitteres Lächeln malte sich auf seinem Gesichte,
-doch blieb er stumm, ließ keinen Laut seinem Munde entschweben....
-
-Jetzt wurden die Klagetöne der jungen Frau zum wilden Geschrei:
-„Weh mir Armen!“ rief sie: „Was habe ich verbrochen, daß mich dies
-entsetzliche Schicksal trifft?! -- Womit habe ich den Himmel beleidigt
--- daß er so grausam mich straft -- dieses namenlose, unmenschliche
-Leiden auf mich herabsendet?... Weh! -- Ich vermag es nicht länger
-zu tragen... mein Leben droht auszulöschen. -- O du mein Schöpfer,
-welches soll denn meine Schuld sein? Rede, rede, Vater im Himmel! Was
-ist denn mein Verbrechen?... Etwa, daß ich diesen Mann, den du mir
-zum Gatten gabst, liebte -- mehr liebte als mich -- als Vater und
-Mutter -- mehr vielleicht selbst als dich!? -- -- -- -- Ja, ja,“ fuhr
-sie fort, zusammensinkend auf den Boden -- und sich mit der Hand am
-Rande des Ruhebettes haltend -- „ja,“ sagte sie mit gedämpfterem Tone:
-„dies ist vielleicht ein Verbrechen -- aber es ist mein einziges, mein
-ganzes..... doch ist es ein Verbrechen an dir, o Herr des Himmels, --
--- und darum, darum strafst du mich -- es ist klar!“
-
-„Aber,“ fuhr sie plötzlich empor und wieder schienen alle Lebensgeister
-ihr Herz zu erfüllen, mit neuer Kraft ihr Wesen stählend: „warum denn
-pflanztest du diese rasende, diese wahnsinnige Liebe in mich -- -- wenn
-sie eine verbrecherische ist?? -- -- Bin ich,“ schrie sie gewaltig auf:
-„jetzt noch immer schuldig?! Redet, verkündet mir es -- -- ihr Himmel!“
-
-„Ach -- --“ sagte sie nach einer Weile, traurig das Haupt senkend
-und wieder ganz zusammenfallend: „Ihr seid und bleibt stumm... ihr
-habt keine Sprache für den Unglücklichen... ihr redet nur mit den
-Glücklichen....“ Da riß sie sich heftig vom Orte weg -- auf den Knieen
-schleppte sie sich in rasender Eile vor ihren Gatten hin -- zu dessen
-Füßen sie mit dem Rufe:
-
-„So nenne Du, mein Gatte, mir das Wort, welches mich verdammt! So
-antworte Du, Mann, den ich so liebte, auf meine Frage? --“
-
-Alexander jedoch bewegte sich nicht -- er blieb düster, kalt und stumm
-wie eine Bildsäule; erst nach einer Pause schien einiges Leben in ihn
-zu kommen, aber nur, um den Arm auszustrecken, um mit ihm gegen die
-Thüre zu weisen, so als sollte das heißen: „Fort, fort -- fort von
-mir.... ich habe mit Dir nichts weiter zu schaffen....“
-
-[Illustration: Seite 70.]
-
-„Aber,“ rief sie mit erstickter Stimme und umschlang seine Kniee,
-„man hört ja den Mörder, den Todtschläger, bevor man ihn verurtheilt
-und richtet... ja man redet sogar zu den unvernünftigen Thieren, zum
-Hunde, zu einem Pferde, indem man es züchtiget.... Nur mir, mir
-gegenüber ist Alles stumm, wie das Grab -- welches sein Opfer auch
-verschlingt, ohne ihm davon etwas zu sagen... O, Alexander! nimm mein
-Leben hin! tödte mich sogleich -- -- aber früher sage mir, weshalb Du
-mich verstoßen hast... denn es muß das verabscheuungswürdigste Laster
-sein...!“
-
-Hier öffnete sich sogleich der Mund dieses zu Eis erstarrten Mannes:
-„Ja -- -- es ist das verabscheuungswürdigste der Laster! Du hast es
-selber ausgesprochen -- heuchlerisches Weib! Untreue, Verrath der
-ehelichen Liebe -- -- es gibt kein entsetzlicheres Verbrechen, dessen
-die Menschenbrust fähig wäre!“
-
-„O ewige Vorsicht! -- ich habe es geahnt. -- So hat mein Fürchten mich
-nicht getäuscht! ... das, wovon ich am weitesten entfernt bin, wird mir
-aufgebürdet. -- Herr meines Lebens! nimm mich zu dir! Denn, schuldlos,
-wie ich bin, vermag ich unter so furchtbarer Anklage nicht länger zu
-athmen!...“
-
-Nach diesen Worten, welche die Arme mit matter, kaum hörbarer
-Stimme aussprach -- -- fiel sie auf den Boden hin und verlor alles
-Bewußtsein....
-
-Sie lag bleich und athemlos da wie eine Leiche.
-
-Er aber stand auf, nahm sie auf seine Arme und trug sie hinweg aus
-diesem Gemache in eines der ihrigen, sodann rief er Cölestinens
-Dienerinnen herbei, denen er die Ohnmächtige übergab. Als dieses
-geschehen war, verfügte er sich wieder in sein Zimmer, verschloß
-diesmal die Thür mit mehreren Schlössern, rückte zum Ueberfluß noch
-einen Schrank vor dieselbe und so gesichert vor jedem ferneren
-Besuch, abgeschnitten von der ganzen Welt, überließ er sich jetzt den
-finstersten seiner Gedanken.
-
-„Ja, ja,“ sprach er zu sich: „trotz dieses Wehgeschreies und dieser
-Verzweiflung -- trotz dieser dreisten und geläufigen Berufung auf
-ihren Schöpfer -- trotz aller erschütternden Liebesrufe und rührenden
-Betheuerungen der Unschuld .... ist sie dennoch eine Verrätherin. --
-Und eben deshalb eine um so größere! -- -- -- Hab’ ich sie doch mit
-diesen meinen eigenen Augen auf frischer That ertappt -- -- wär’ mir
-daran gelegen gewesen -- so hätte ich mit zwei Schritten am Schauplatze
-des Verbrechens sein und es mit Händen greifen können..... Und
-dennoch, dennoch dieser Schmerz, diese Thränen, diese Schwüre, diese
-Verzweiflung -- diese Anrufung Gottes.... O, sie ist die abgefeimteste
-Heuchlerin, die je von der Erde getragen wurde! Aus ihr könnte man
-tausend Verrätherinnen und Giftmischerinnen und Mörderinnen machen.....
-Lass’t ihr Blut auf die Erde tröpfeln -- und ihr vergiftet die ganze
-Erde -- diesen alten, harten, felsigen Ball, der schon so vielen Uebeln
-widerstanden! -- Sie ist ein Teufel mit dem Lächeln eines Engels im
-Gesichte und dem Glorienschein einer Heiligen um das Haupt....“ Er
-schwieg einige Augenblicke.... „Böses, böses Weib!“ fuhr er darauf
-fort.... „Wer hätte das Alles in ihr gesucht?! -- -- Als ich sie zum
-ersten Male sah, trat sie als eine jener zarten Jungfrauen, deren Seele
-eine Lilie ist, eine Lilie aus dem Garten Gottes -- vor mich .... sie
-trat als holde, lieblich-unschuldige Fee, als eine jener guten Feen,
-die in alten Zeiten die Schutzgeister der Menschen waren, vor mein
-Angesicht -- -- -- -- damals, damals hätte ich, wären die Gedanken
-meines Hirnes nur im geringsten fähig gewesen, sie zu beflecken,
-den Blitz des Himmels selbst auf mich herabgerufen, daß er mich
-zerschmettere.... Damals! Ach, welche Zeiten und welche Gefühle! -- --
-Und jetzt, jetzt! -- -- Wer hätte glauben sollen -- daß trotz ihrer
-elysäischen Gestalten und ihrer ambrosischen Düfte jene Zeiten doch
-nur von Trug und Verrath geschwängert waren?.... Allein, so ist der
-Mensch! Er hofft und vertraut bis zu des Abgrunds Rand -- und glaubt
-nicht eher an ihn, als bis er hineingestürzt ist und sich windet mit
-zerschmettertem Haupte zwischen Molchen und scheußlichen Ungeheuern....“
-
-Der Graf ging lange im Zimmer auf und ab, ohne ein Wort zu sprechen,
-ohne nur einmal aufzublicken -- -- aber im Stillen hielt er eine
-entsetzliche Gedankenjagd -- -- und die schwarzen Ideen tummelten sich
-immer dichter neben ihm -- um ihn und über ihm... sie schlossen ihn
-von allen Seiten ein, wie ein wildes Heer von dämonischen Erd- und
-Luftgeistern....
-
-Da brach der erste Lichtstrahl der heraufsteigenden Morgensonne durch
-den Rand seiner Gardinen und traf sein Antlitz.... und als wäre ein
-Bote des Ewigen zu ihm herangeflogen und hätte seine Stirne mit
-glänzenden Strahlenfingern berührt.... erhob aus dem wilden dunkeln
-blutigen Chaos seiner Seele sich ein weißer Gedanke, so daß er schrie:
-
-„Und wenn sie dennoch unschuldig wäre?!!“
-
-„O mein Gott!“ flüsterte er leise: „was hätte ich dann gethan!“
-
-Mit dieser Idee entschlief er bald darauf, denn sein Physisches
-vermochte nicht länger dieser unsäglichen und abwechselnden An- und
-Abspannung zu widerstehen.
-
-
-
-
-Viertes Kapitel.
-
-Hoffnung, Verzweiflung, Resignation.
-
-
-Als Alexander erwachte, mochte es bereits wieder gegen Abend sein,
-wenigstens umgab ihn im Zimmer eine Dunkelheit, welche nicht allein
-durch die ausgebrannte Lampe erzeugt ward. Doch was kümmerte ihn Zeit,
-Licht, Sonnenschein -- Finsterniß.... lebte er doch kaum mehr in der
-Außenwelt, sondern hatte sich ganz zurückgezogen in den tiefsten
-Winkel seines Herzens. Die Idee, mit welcher er eingeschlafen war
--- begleitete auch wieder sein Erwachen, und darum war dies das
-freundlichste seit vielen Tagen. --
-
-Ja, sie konnte dennoch unschuldig sein! -- Trotz aller Beweise, trotz
-aller Zeugnisse, worunter die wichtigsten allerdings die seiner
-eigenen Augen waren -- konnte doch dasjenige, was schon tausendmal
-geschehen war, auch noch dies eine Mal eintreffen: Cölestine konnte
-verkannt, verläumdet, sie konnte durch eines boshaften Dämons Gaukelei
-verläumdet worden sein. -- Denn ist es wohl nicht schon vorgekommen
--- daß man z. B. einen Unglücklichen des Mordes -- eine Unglückliche
-der Giftmischerei +überführt hatte+ .... sie starben den Tod des
-Gesetzes.... und nach Jahren erwies es sich, daß sie +unschuldig
-waren+?
-
-Ach, die +Liebe+ klammert sich so gerne an einen solchen
-Hoffnungsanker an -- und zwar erst dann recht eifrig, wenn des
-Sturmes Wuth wild über sie eingebrochen ist. -- Die Liebe, wenn
-sie zur Leidenschaft, zur Tyrannei geworden -- lebt in Contrasten
-und ist bisweilen fähig, von der rasendsten Eifersucht -- zur
-fanatischen Gläubigkeit umzuspringen.... je nachdem diese oder jene
-ihr Befriedigung schafft. -- „Nie,“ sagt ein geistreicher deutscher
-Schriftsteller,[B] „war eine Liebe echt und tief, wenn dieselbe nicht
-fähig ist, heute für denselben Gegenstand zu leben -- für welchen sie
-gestern in den Tod gehen wollte.....“
-
-Weshalb sollte der arme Gatte nicht den Trost hinnehmen, der ihm
-plötzlich wie durch unsichtbare Geisterschwingen zugeweht wurde --
-da dieser Trost seinem leidensheißen Herzen doch so wohl that? --
--- Und daß er ihm kam -- wenn es auch noch so plötzlich, noch so
-unerwartet und unbestimmt geschah -- -- wer wird daran zweifeln, wenn
-er anders das Menschenherz kennt? -- Kommen und gehen von Augenblick zu
-Augenblick nicht die verschiedenartigsten Empfindungen in und aus uns
--- -- ohne daß wir wüßten, woher und wohin? -- -- Aber sie kommen doch
-und scheiden doch.... das ist gewiß -- -- und es scheint uns dann, als
-würde mit einem Male ein Räthsel aufgelöst durch unsichtbare Hände --
--- wozu wir uns lange vergebliche Mühe gaben.
-
-O -- trotz unseren enormen Fortschritten im Felde der Erkenntniß sind
-wir noch lange nicht dahin gekommen, die einfachsten Dinge, welche uns
-umgeben, zu verstehen. --
-
-Alexander erhob sich vom Lager. Er begann wieder seine Wanderungen
-durch’s Gemach. Bunte Bilder flohen vor ihm vorüber -- lange hatte sein
-Auge freundlicher Farben entbehrt...
-
-„Nein, nein!“ rief er aus --: „so sehr kann Lüge die Wahrheit doch
-nicht nachahmen!... Sie kann Thränen weinen -- Seufzer ausstoßen --
-sie kann sich im Staube winden und verzweiflungsvoll aufschreien,
-daß sie unschuldig sei... sie kann Alles, Alles, was körperlich und
-sichtbar erscheint, imitiren, wie wir es am guten Schauspieler sehen;
-jedoch sie kann den Popanz, welchen sie geschaffen, nicht beleben
--- kann ihm keine Seele einhauchen -- kann ihm jene geistige Gewalt
-nicht verleihen, die allmächtig zu unserem Geiste spricht, diesen
-zu sich hinreißt, daß er nicht widerstehen kann und sich mit ihr
-vereiniget, versöhnt. -- Das, das kann die Lüge nicht! -- Das ist nur
-der Himmelstochter Wahrheit vorbehalten. -- -- -- -- Und,“ rief er
-frohlockend aus: „ihren Einfluß habe ich erfahren -- -- obgleich erst
-jetzt, jetzt dies Bewußtsein in mir aufgegangen.... Cölestine ist keine
-Verbrecherin... dies wird mir so klar, daß ich erstaune und mich
-verfluche, es nicht längst eingesehen zu haben....“
-
-„Allein -- ich weiß schon, weshalb es nicht geschah! Ich +wollte+
-nicht, daß es geschehe... ich widersetzte mich gewaltsam der
-Ueberzeugung! Ich Thor -- ich Elender marterte mich geflissentlich mit
-Schrecknissen, die nicht sind noch waren.“
-
-Voll von dieser neuen Aussicht auf eine neue schöne und blühende Welt
--- machte Alexander sich auf und verließ sein Zimmer, entschlossen,
-seine Gemahlin aufzusuchen, sich zu ihren Füßen zu werfen und in einer
-Fluth reuiger Thränen seine Schuld abzuwaschen; denn er hoffte, daß
-Cölestinens, aus einem Himmel von Güte und Liebe bestehendes Herz sie
-ihm verzeihen werde....
-
-Als er auf den Corridor trat, sah er, daß es in der That bereits
-wieder dunkel sei. Im Hause war Alles still -- man rüstete sich
-zum Schlafengehen. So gelangte er, ohne gesehen zu werden, vor die
-Wohnzimmer seiner Frau. Auch hier herrschte die tiefste Stille --
-auch hier begegnete man Niemand. Alexander glaubte zuerst, Cölestine
-sei entweder nicht zu Hause oder sie habe sich in ihre hintersten
-Gemächer zurückgezogen -- -- da vernahm er plötzlich ihre Stimme, die
-im zweiten Zimmer Jemand einen Auftrag zu geben schien... und obgleich
-diese Stimme kraftlos und eintönig redete, hatte er doch folgende
-Worte verstanden: „Aber -- um Alles in der Welt, daß kein Auge dies
-Schreiben erblickt, noch Euch selbst, die Ihr damit fortgeht. Stanislaw
--- ich vertraue Dir hier mein halbes Leben an.... erinnere Dich, daß
-Du seit 30 Jahren der treueste Diener unseres Hauses bist.... Vermeide
-besonders die Zimmer des Grafen....“
-
-Diese leisen Worte machten Alexander fast taub; er, der erst so heiter,
-so rasch, so leichtfüßig hierher kam, vermochte in diesem Augenblicke
-sich kaum aufrecht zu halten.... Er zog sich seitwärts von der Thür
-zurück, lehnte sich hier an die Wand -- und lauerte auf den Boten. --
-Dieser trat wirklich heraus -- aber in demselben Momente stürzte sein
-Gebieter auf ihn und entriß ihm den Brief.......
-
-Er war an den Chevalier von Marsan gerichtet und enthielt folgende
-Zeilen...:
-
- „Ich bin krank und im höchsten Grade geschwächt -- vermag also
- nicht an dem bestimmten Orte zu erscheinen; ich hoffe daher, daß
- Sie die Mühe auf sich nehmen werden, zu mir zu kommen -- -- -- doch
- säumen Sie keinen Augenblick. Es erwartet Sie mit Ungeduld
-
- Cölestine v. A--x.
-
- _NB._ Vermeiden Sie es, von den Dienern unseres Hauses
- gesehen zu werden -- der heutige Abend ist sehr günstig zu einer
- Zusammenkunft, um so mehr, da mein Mann sich noch immer auf seinem
- Zimmer eingeschlossen hält.“
-
-So war sie also dennoch schuldig! -- -- --
-
-Als Alexander diese Zeilen gelesen hatte, glaubte er, die Welt um
-ihn und er in ihr werde vergehen. Er befand sich einige Augenblicke
-hindurch in einem Zustand, der nicht Leben und nicht Tod -- sondern
-eine von jenen schrecklichen Krisen ist, in denen einst das
-Menschengeschlecht entweder ganz untergehen -- oder neu und fremdartig
-wiedergeboren werden wird. --
-
- * *
- *
-
-Einige Stunden darauf lag der Graf in einem heftigen Delirium. Die
-widerstrebendsten und gewaltsamsten Stürme dieses Tages und jener Nacht
-hatten ihn niedergeworfen. Vielleicht war dieser Ausgang noch ein Glück
-für ihn; denn jedenfalls konnte der Wahnsinn ihm keine grauenvolleren
-Gestalten vorspiegeln, als wovon das bewußtvolle Leben für ihn jetzt
-so reich gewesen wäre. -- So sorgt eine allgütige Natur für ihre Wesen
-selbst durch Strafen -- und sie reicht uns oft Gift, um uns vor einem
-tödtlicheren, welches wir unwissentlich aus der Atmosphäre eingesogen
-haben, zu schützen...
-
-Der Kranke verlor vom ersten Momente an die Fähigkeit, seine Umgebung
-zu erkennen -- und so wußte er nicht, daß Cölestine an seinem Bette
-saß und ihn mit zärtlicher Besorgniß pflegte. Sie, die noch vor Kurzem
-selbst krank und hilflos da lag, schien jetzt wie durch ein Wunder von
-neuer Lebenskraft erfüllt zu sein.... Woher diese Wirkung? Hatte die
-Zusammenkunft mit Marsan -- denn er hatte sich auch ohne Aufforderung
-fast zur selben Stunde eingestellt -- -- diese Folge gehabt?... War
-sie dadurch so glücklich geworden, daß sie in einigen Augenblicken
-völlig genas?....
-
-Sonst wäre wohl auch Liebe, Zärtlichkeit für einen unglücklichen
-Gatten im Stande, eine solche Umwandlung hervorzubringen; -- -- aber
-wie sollte man nach einem Briefe wie der obige auf dergleichen rechnen
-können? --
-
-Es kann jedoch nicht geläugnet werden, daß der Eifer, womit Cölestine
-ihren kranken Mann pflegte, einen Ausdruck tiefer und inniger Liebe
-hatte -- -- und es trat die merkwürdige Erscheinung ein, daß, je
-nachdem sich der Zustand Alexanders augenblicklich zu bessern oder zu
-verschlimmern schien -- -- sie im letztern Falle an Kraft zu gewinnen,
--- im erstern wieder zu erschlaffen und so zu sagen in ihren vorigen
-leidenden Zustand zurückzufallen schien. --
-
-Aber wer enträthselt das innere Wesen und den Grund solcher
-eigenthümlichen und geheimnißvollen Vorkommnisse in des Menschen
-Brust?.. Irren wir doch so leicht im +Deuten+... und können nur
-von demjenigen etwas Bestimmtes sagen, was wir +wissen+. Wir
-hatten ja eben erst vor Kurzem ein Beispiel an Alexander: es hatte
-sich im Widerstreit seiner Meinungen über Cölestine zuletzt eine Stimme
-zu ihren +Gunsten+ erhoben.... und schon einige Stunden darauf sah
-er seine Prophezeihung so grausam verspottet. --
-
-Die Krankheit machte in kurzer Zeit rasche Fortschritte, doch hofften
-die Aerzte von seiner kräftigen Natur, daß sie das Uebel langsamer
-oder schneller besiegen werde.... da jedoch der Ausspruch eines Arztes
-niemals untrüglich sein kann, so war es natürlich, daß eine liebende
-und in Angst harrende Gattin nur geringen Trost aus ihm schöpfen
-konnte; sah man jedoch Cölestinens Schmerz, so mußte man sie für eine
-solche Gattin halten. --
-
-Da saß sie durch Tage und Nächte neben seinem Haupte, reichte ihm
-Arznei, Tränke -- pflegte seiner mit weinenden Augen und diente ihm
-wie eine Magd; denn sie litt es nicht, daß ein Anderer auch nur den
-kleinsten Dienst bei ihm versähe, wenn sie hierzu selber Kraft und
-Stärke fand. -- -- Unter solchen Umständen mußte das Wort des Arztes
-wahr werden und ihr Kummer, ihre Angst, ihre Verzweiflung, vergebens.
--- In Alexanders Befinden trat eine sichtbare Besserung ein -- und
-nun stürzte die junge Frau auf ihre Kniee und pries Gott im lauten
-Dankgebete. -- Wie harrte sie mit zitternder Ungeduld des ersten
-lichten und bekenntnißvollen Augenblicks.... dann wollte sie mit
-Alexander reden, sich vertheidigen -- und sie hoffte gewiß, daß er ihr
-glauben werde....
-
-O der Getäuschte! -- -- Er erwachte wirklich, er sah sie mit klaren
-Augen an, wie sie vor ihm stand -- die Arme ausbreitete, mit
-thränenvollem Antlitz ihm entgegenlächelte und schon den Mund aufthat
--- -- -- -- Aber es war ihr nicht vergönnt, weiter zu kommen... Bis
-hierher nur erfüllte sich ihre Hoffnung, hier schnitt er sie ihr ab --
-denn sein Vertrauen zu ihr war dahin, seit der Glaube an ihr Herz ihn
-gänzlich verlassen hatte.... Vergebens sank sie noch einmal vor ihm
-auf die Kniee.... ihr Anblick war erschütternd.... Er aber, der Gatte
-deutete ihr an, daß sie ihn verlassen möge -- und als sie dies Gebot
-nicht befolgte, sah man seinen Zustand sich augenblicklich auf eine
-entsetzliche Weise verschlimmern....
-
-„Sie werden ihn tödten, wenn Sie länger hier bleiben,“ bedeutete
-traurig der Arzt -- -- und sie ging -- sie kam nicht mehr zu seinem
-Lager.
-
-Einige Tage darauf war er so weit hergestellt, daß er sich nun wieder
-erheben und sein Bett verlassen konnte. Er brachte jetzt den größten
-Theil des Tages in einem Armstuhl, umgeben von Büchern und Schriften,
-zu, worunter ihn besonders die letzteren beschäftigten. -- Besuche nahm
-er nicht an -- selbst Briefe ließ er durch seinen Sekretär eröffnen,
-und wies jeden, mochte er auch direkt und dringend an ihn lauten, von
-sich. Er besaß keine Geheimnisse und überdies hatte der Sekretär sein
-volles Vertrauen....
-
-Unter den Schreiben, welche anlangten, befanden sich drei von
-Cölestine, deren Inhalt uns eben so unbekannt geblieben ist, wie er
-es für Alexander und selbst für seinen Sekretär war -- denn dieser
-Ehrenmann siegelte sie, ohne sie gelesen zu haben, wieder zu.
-
-Es war gegen Ende Dezembers, als Alexander Wien verließ, gefolgt nur
-von seinem Sekretär und einigen vertrauten Dienern. Er hinterließ für
-Cölestine folgendes Schreiben:
-
- „Gräfin! -- Ich verlasse Sie, Ihr Haus und die Residenz, ohne
- Ihnen sagen zu können, wohin ich reise und welches der Ort meines
- ferneren Aufenthaltes sein wird. Zu Ihrer Beruhigung -- denn sie
- wird wohl nur auf diese Weise zu erzielen sein -- hinterlasse ich
- Ihnen beiliegende schriftliche Erklärung, worin +ich mich+ die
- Ursache unserer raschen und plötzlichen Trennung nenne und woraus
- keine Schuld hervorgeht, die nicht auf mein Haupt fiele; Sie werden
- Gelegenheit finden, von diesem Dokument den nützlichsten Gebrauch
- zu machen -- und ich wünsche Ihnen herzlich Glück, wenn damit
- sowohl Ihre Wünsche wie die Anforderungen der Welt beschwichtigt
- werden, woran ich nicht einen Augenblick zweifle. -- -- Alles, was
- ich hinterlassen habe, ist zu Ihrer unbeschränktesten Verfügung
- gestellt. -- Ihre Verhältnisse bleiben demnach ganz dieselben,
- welche sie zu meiner Zeit waren -- -- ich vergesse hinzuzusetzen:
- wahrscheinlich werden sie noch weit angenehmer sein; -- ich
- verspreche mich abermals: sie werden dies ganz +gewiß+
- sein! -- -- Gnädige Frau.... erlauben Sie mir jetzt eine kleine
- Eigennützigkeit. In Anerkennung des Dienstes, welchen ich Ihnen
- leiste, lassen Sie mich an Sie die Bitte stellen: falls Sie meinen
- Aufenthalt errathen oder erfahren sollten -- so schreiben Sie
- mir nicht -- noch schicken Sie eine dritte Person zu mir -- am
- wenigsten aber kommen Sie selbst...... Dies wird wohl schwerlich
- geschehen -- es ist fast albern, daran zu denken -- jedoch für den
- Fall dieser oder jener Möglichkeiten erfahren Sie, daß mein Zorn
- dadurch auf’s Aeußerste gereizt und ich zu einer That fähig wäre,
- die sowohl Sie als mich entehren könnte. -- Schonen Sie also unser
- Beider Namen -- wenigstens von dieser Seite. --
-
- Und nun habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als: leben Sie für
- immer wohl.
-
- Alexander Graf v. A--x.“
-
-Diesen Brief empfing Cölestine zwei Stunden nach ihres Mannes Abreise,
-welche früh Morgens, da noch das ganze Haus schlief, geschah, und
-wozu die nöthigen Vorbereitungen bereits getroffen waren. Man wird
-begreifen, welchen Eindruck diese Zeilen auf sie machten, sobald man
-ihren jetzigen Seelenzustand erwägt. Mit Worten ließe sich unmöglich
-ein Gemälde davon geben -- man muß dies Geschäft der Phantasie des
-einzelnen Lesers überlassen... Genug an dem, ihrer Gesundheit, welche
-in den letzteren Tagen fürchterlich zerrüttet worden war, wurde durch
-dies Ereigniß gleichsam der letzte Stoß gegeben.... Die Rollen hatten
-sich jetzt umgekehrt; -- sie nahm ihres Gatten Stelle ein... ein böses
-Fieber zehrte an ihrem Leben.
-
-Aber Cölestine besaß keinen so treuen Pfleger, wie ihm in ihr gelebt
-hatte.... denn ihre Eltern und ihre Freunde, so theuer sie ihrem Herzen
-auch waren, konnten ihr gleichwohl den Verlust eines Gatten nicht
-ersetzen. -- --
-
-So liebte sie ihn also dennoch? Leider ist es uns noch immer nicht
-vergönnt, den Schleier von einem Verhältnisse wegzuziehen, welches
-sich erst spät entwickeln soll -- welches noch immer im Werden
-begriffen ist, und wobei wir, vermöge unserer schöpferischen
-Machtvollkommenheit, und vermöge der Kunstzwecke, die uns bei dieser
-Schöpfung leiten -- den Schluß des Processes noch in einige Ferne
-hinausgesetzt haben....
-
-Welches Aufsehen die Trennung des Grafen von seiner Gemahlin, die eben
-so unerwartet wie von außerordentlichen Umständen begleitet war, in den
-Kreisen der Residenz erregte, wird man begreifen.... Die Leute _du
-bon ton_ waren entzückt, wie sie sich nicht erinnerten, es seit
-Jahren gewesen zu sein -- denn da hatten sie ja einen vollständigen
-„+Skandal+“. Und da man, wie in der Regel und nach den Gesetzen
-der feinen Lebensart geschieht, die Schuld auf den der Gesellschaft
-mißfälligen Theil warf, welches -- da die Gesellschaft von Damen
-repräsentirt wird -- hier Cölestine war, die man um ihres Glückes
-willen haßte, so fing man alsbald an, ihr alle mögliche Vergehungen und
-Sünden aufzubürden -- daß sie in wenigen Stunden da stand, wie eine zum
-Tode reife Verbrecherin...
-
-„Ach!“ rief man -- „diese Komödie hat zwar rascher geendiget, als man
-erwartete -- jedoch sie hatte ganz so geendigt, wie vorausgesagt
-worden war...“
-
-„Es war in der That -- ein so vortrefflicher Mann, dieser Graf A--x....
-etwas närrisch zwar und spleenhaft -- -- allein man hielt ihn mit Recht
-für einen der geistreichsten Köpfe im Ministerium -- und was für ein
-Herz er besaß, bewiesen uns die ersten Zeiten seiner Ehe, welche ihn
-so sehr beseligten.... Ach, der Arme! er dachte gewiß nicht, daß es so
-kommen würde! Er hat es auch wahrlich nicht verdient!“
-
-„O!“ bemerkte das Stiftsfräulein Eugenie von Bomben gegen die Gräfin
-von Wollheim -- „ich begreife ganz wohl den Zusammenhang dieses
-„+Falles+“, nachdem ich in Erfahrung brachte, man habe die Gräfin
-A--x bei der letzten Sitzung des Frauenvereins -- kurz vor Eintritt
-ihres „+Falles+“ -- zum Mitglied vorgeschlagen. -- Beim Nero! ich
-finde jetzt ihren „+Fall+“ ganz natürlich....“ Und hierbei rieb
-sich die huldvolle Dame ihre knöchernen Hände und zeigte lachend ihre
-zahnlose Mundhöhle....
-
-Was Cölestine betraf, so machte sie keinen Versuch, alle diese Gerüchte
-zu widerlegen, welches ihr durch einfache Berufung auf das ihr von
-Alexander hinterlassene Dokument doch so leicht möglich gewesen wäre.
--- Jedoch von diesem Gebrauch zu machen, lag fern von ihr, eben so
-fern wie die Menschenliebe von jenen Herzen, die so schöne Dinge von
-ihr ersannen. Was kümmerte sie alles dieses! Was ging sie die Welt --
-was die Ereignisse an, welche außer ihrer Brust stattfanden! -- -- Ihr
-eigenes, persönliches Dasein war in diesem Augenblicke an schmerzvollen
-Ereignissen reich genug. --
-
-Die Krankheit, welche sie überfallen hatte, war eine jener träg und
-dumpf fortschreitenden, die sichtbar keine Gefahr drohen und für
-unbedeutender angesehen werden, als sie es in der That sind. Es nagt
-ein Wurm innerlich an unserem Herzen -- er hat den Kern schon zur
-Hälfte aufgezehrt -- während von Außen die Hülle in rosiger Frische
-glänzt, gleich der Schale eines Granatapfels...... Cölestine --
-nachdem sie den ersten und heftigsten Anfall, der sie zwang, sich
-niederzulegen, überwunden -- trotzte den ferneren dadurch, daß sie
-das Lager floh und umherwandelte, als hätte sie die Kräfte dazu; dies
-jedoch war auch nur einer so lebensvollen und jugendlichen Natur
-wie die ihrige möglich. -- Ihr sonst so heiterer, naturfrischer, so
-leichter und geschmeidiger Sinn verhütete es, daß sie in jene stumpfe
-Melancholie verfiel, der jedes andere Gemüth unter solchen Umständen
-erlegen wäre. Kurz die junge Frau hatte über sich und ihr Uebel bald so
-große Herrschaft erlangt -- -- daß sie das letztere in den hintersten
-Winkel ihres Herzens zurückdrängen und äußerlich fast eben so heiter,
-wie in ihren schöneren Tagen, erscheinen konnte.....
-
-Sie öffnete ihr Haus jetzt wieder einem Kreise vertrauterer Personen
-und ließ sich selbst wieder in jener Welt sehen, die früher, als sie
-noch im Hause der Eltern wohnte, die ihrige gewesen war. --
-
-
-
-
-Fünftes Kapitel.
-
-Die Promenade auf der Bastei.
-
-
-Die Promenaden auf der Bastei und in der Stadt auf dem Graben und
-Kohlmarkt waren an der Tagesordnung. Um die Mittagszeit sah man
-hier die ganze schöne Welt umherstreifen, um ihren beiden höchsten
-Verrichtungen obzuliegen: -- zu sehen und gesehen zu werden und zwar in
-möglichst ausgedehntem Umfange.
-
-Ha! Welche große, welche magnifique Welt sich da tummelt und bewegt!
-Die Sache ist wirklich viel weniger komisch, als wofür wir sie
-anfangs nehmen wollten -- denn wir haben es hier nicht nur mit den
-belachenswerthen Seiten der Gesellschaft, sondern mit ihr +ganz+
-zu thun, und dabei gibt es auch noch so manches Stück Ernst. -- Wir
-wollen das vollständige Gemälde zu zeichnen versuchen und dabei
-+keiner Partie+ vergessen.
-
-Sehen Sie jene stattliche, große Dame dort: eine Junogestalt! und ihr
-Arm in dem eines kleinen, dünnen, feinen Mannes mit einem noch feineren
-Lächeln und einem allerfeinsten Augenkneifen. -- -- Kennen Sie dieses
-Paar? Es ist eines der bedeutendsten und angesehensten der Residenz.
--- Sie werden den Namen des kleinen feinen Mannes mit sehr -- großen
-Buchstaben im +Staats+-Schematismus gedruckt finden. -- -- Dort
-weiter vorn drei weibliche Gestalten und zwei Herrn, ein älterer mit
-grauen und wie’s scheint gepuderten Haaren -- auf der andern Seite ein
-schlanker, blühender, kräftig schöner Jüngling. Er ist der Bruder der
-zwei jungen Damen, neben welchen er geht und der Sohn jener dritten so
-wie des alten Herrn mit den weißen Haaren.... O der Letztere ist auch
-ein sehr großer, großer, vielbedeutender Mann, ein berühmter Mann sogar
--- und bei dem Allen ein so guter freundlicher, herablassender Mann. --
-
-Hat man einmal bei ihm Etwas zu thun gehabt, wird man nie die edle
-Güte vergessen, mit der er uns behandelte.
-
-Auch jene zahlreiche und etwas prunkende Gesellschaft weiter hinten
-führt einen hochklingenden Familiennamen -- aber dies ist auch Alles,
-was man von ihr sagen kann. Es ist immerhin schön, einen edlen Namen zu
-besitzen -- schöner aber ist es, ihn mit neuen Ehren zu umgeben. Die
-üppige Pracht, welche hier von den Töchtern des Hauses entfaltet wird,
-will noch nichts sagen gegen jenen feenhaften Glanz, womit sie bei
-festlichen Anlässen im Salon die Blicke ihrer Gäste blenden. -- --
-
-Bemerken Sie die dicke, schwerfällige Frau dort in dem ponceaurothen
-Sammtpelze.... und die goldene wurstförmige Kette, die, fast eben
-so dick wie sie selbst, um ihren Hals baumelt? -- Das zeigt sich
-sogleich, wie es ist. Es ist aber ordinär; es ist plebejisch -- es ist
-banquiermäßig. Diese Familie ist reich! Hier haben Sie Alles, was man
-von ihr sagen kann; und dies ist viel weniger, als was ich Ihnen vorhin
-berichtet habe.
-
-Ha, wie er mit seinem Geld in der Tasche klappert! Der Herr Bankier
-hat sogar in seinen Winter-Oberrock Geld gesteckt. Sein Geld ist die
-unsichtbare Leibgarde, mit der er sich stets umgibt -- und ohne welche
-er sich niemals für sicher hält. --
-
-Dies ist auch eines von den vielen Unglücken des Glückes, d. h. Geldes.
---
-
-Und jener hübsche ernste Mann im schwarzen Kleide mit der eleganten,
-stillen Würde im ganzen Wesen -- und mit dem unaussprechlich
-geistreichen Zug im Angesichte, der an die Züge jenes größten Mannes
-unserer Zeit und unseres Landes erinnert, dessen Namen ich nicht
-auszusprechen wage....
-
-Ach, dort erblicken wir +ihn+!! Schnell -- damit uns sein
-Erscheinen nicht verschwindet, denn nur selten ist uns sein Anblick
-gegönnt. -- O, wie muß das Herz jedes Oesterreichers schlagen, wenn
-er bedenkt, daß dieser Mann ihm und seinem Volke angehört. Eine
-Göttergestalt! -- Ihr olympischer Blick und Ihr ambrosisches Lächeln
-hat die Zeit vollständiger bezwungen, als das Schwert jenes großen
-Eroberers, dessen +gewaltigster Feind er+ war. O Fürst, vergönne
-dem treuesten Deiner Verehrer -- Dir seine Huldigung darzubringen!
-
-Ja, hier hat die Macht des Genies sich manifestirt. Lauter als alle
-Dichterworte verkündeten es die seinen, daß der Geist der Herrscher der
-Welt ist -- -- und Ihr bornirten Priester des Geistes redet noch vom
-Zwange desselben. Wie kann derjenige die Geister fesseln, der selbst
-der reinste und größte unter ihnen ist? Freilich, der Geistesunflath
-ist ihm zuwider -- wie für die reinen Cherubim jene sündigen Geister
-ein Gräuel waren, die von ihnen in den Abgrund gestoßen wurden.
-
--- Immer tauchen neue Gestalten um uns auf. Dies nimmt kein Ende. Stets
-neue Schönheit und neue Pracht. -- Ach, zu dieser Promenade braucht man
-tausend Augen und ein tausendfältiges Entzücken.
-
-Aber damit wir auch die Aversseite nicht vergessen, wird es nöthig
-sein, zu ihr sofort überzugehen. Hier begegnen wir sogleich lauter
-bekannten Gestalten, und da durch dieselben einzeln uns das Ganze
-skizzirt wird, dessen Theil sie sind -- so werden wir bei ihnen auch
-stehen bleiben und unsere Beobachtungen nicht weiter ausdehnen. --
-Zuerst erblicken wir unsern guten +alten+ Freund (oder, weil
-er dies übel nehmen könnte, unsern guten Freund in +seinen besten
-Jahren+) -- den Herrn von Althing, ersten Verführer der Residenz
-und Despoten aller Frauenherzen; -- da wir bereits seit langer Zeit
-von ihm getrennt waren, dürfte uns dies Wiedersehen vielleicht nicht
-unangenehm sein. -- O, er ist auch noch immer der Vorige! Keine Linie
-fehlt an diesem ausdrucksvollen, herrlichen, reizenden, gefährlichen
-Männerbilde! -- da der lächelnde Blick -- das feurig strahlende
-Siegerauge -- die hochgeröthete Wange -- der stolze Schnurbart -- der
-Hut kühn und ein wenig auf die Seite des +kunstreichen+ Haarbaues
-gerückt.... Diese so edeln und herkulischen Gliedmaßen, diesmal in
-einen eleganten und stattlichen Oberrock gehüllt.... ein Kaschmir um
-den Hals geworfen.... und durch ein Knopfloch blüht eine rothe Blume
-so täuschend hervor, daß es wie ein Ordensband aussieht.... ferner ein
-Lorgnon in der Hand (obwohl unser Mann, wie er selbst sagt -- +wie
-ein Falke+ sieht) -- -- die Sporen, die sind nicht vergessen....
-und auch die Reitgerte nicht, daß es aussehen soll, als habe er so eben
-einen Ritt gemacht... was, seiner Behauptung nach, immer vortheilhaft
-für einen Mann ist. -- Ihn begleitet ein alter Herr, dessen Gesicht
-mit mehr Recht ewige Jugend verkündete, als das Althings -- wiewohl in
-diesem Augenblick eine sonderbare Melancholie, die im Grunde zu dem
-Gesichte des Mannes nicht paßte, mit der Fröhlichkeit in seinem Wesen
-abwechselte. Es ist der Graf von +Wollheim+, unser biederer Jäger
-oder eigentlich wackerer Trinker. Er hatte sich, seit sein Schüler,
-Freund und guter Genius, den er auch sein „Jüngelchen“ nannte, für ihn
-gewissermaßen auf immer verloren war, an Denjenigen gehängt, der außer
-ihm der einzige Freund des Entflohenen schien... und welcher, wenn er
-auch diesen nicht ersetzte, den Nimrod doch an ihn erinnerte.... und so
-eine Art unvollkommener Illusion für die Wirklichkeit bot.
-
-Lustig war zu gewissen Augenblicken der Anblick dieser Beiden -- er bot
-dann einen Contrast, wie man ihn im Leben nicht besser findet....
-
-„Ist das Wetter heute nicht köstlich, mein lieber Graf und Freund?“
-denn Althing, der dies sprach, war aller Menschen, die er kannte,
-„+Freund+“. „Ist dieser Decembertag nicht schöner als der beste
-August, ich meine nämlich, wo die Hitze so groß ist -- daß man es auf
-der Straße nicht aushalten kann -- und nichts zu sehen bekommt von der
-Welt -- außer etwa ein miserables Quadrat von einigen Klaftern -- durch
-sein Zimmerfenster...?“
-
-„Ja, gewiß -- +lieber Althing+,“ -- der Jäger hatte in Bezug
-auf das Obige denselben Charakter... „ja, Sie haben ganz Recht....
-Uebrigens ist es im December auch zu Hause angenehm -- man erhitzt sich
-nicht so leicht, mag man im Zimmer oder im -- -- Kell....“ Er sprach
-das Wort nicht aus... sondern glaubte sehr geistreich einzulenken,
-indem er hinzusetzte...: „Man kann in dieser Saison auch mehr
-+vertragen+, hahahaha! hahahaha!“ -- --
-
-„Was meinen Sie damit, bester Graf.... +mehr vertragen+?“
-
-„-- Nun -- ich sage: mehr Wei... +Wei+...“ der +Wein+
-wollte nicht so leicht von seiner Zunge gehen -- „Weibesblicke --
-Liebesblicke -- zarte Winke mit schönen Augen und Fingern.... hehe!“ Er
-war überzeugt, seine Sachen ungeheuer klug gemacht zu haben....
-
-„Ha!“ rief mit einem Male der Andere, der so eben wieder mit dem
-Sporren hängen blieb, aber glücklicher Weise nicht in seinen
-Beinkleidern -- -- „haben Sie das dort nicht bemerkt ... bester Graf?
-Wie?“
-
-„Das dort? -- Jenes Gasthausschild da drüben über dem Kanale? Es gehört
-dem Hôtel „Zum goldnen Lamm“ -- woselbst man kolossale Rheinweine
-bekommt, mein Lieber...“
-
-„Ach, welches Mißverständniß!... Rheinwein! -- Wer spricht davon?
--- Welche abscheuliche Verwechslung einer ordinären Sache mit dem
-extraordinärsten -- göttlichsten Dinge von der Welt. -- Da... sehen
-Sie denn noch nicht.... die himmelblaue Pelerine dort! -- -- O, mein
-Freund! Welch’ ein Blick war das, welchen ich so eben erhaschte....“
-
-„Pah!“ -- versetzte der Jäger, dem wir diese Benennung jetzt nur noch
-aus Pietät geben, denn seit so und so langer Zeit hatte er seinem
-frühern Geschäft fast gänzlich entsagt und seine ganze Aufmerksamkeit
-nur demjenigen, bei welchem wir ihn in dieser Geschichte so zahlreich
-begegnet sind, zugewendet... „Pah!“ sagte er, seine heitere Miene
-wurde traurig -- sein Blick suchte die Erde, der ganze Mensch war wie
-verwechselt.... „Pah!“ wiederholte er nochmals: „was liegt mir an
-diesen Blicken -- Thorheiten -- Spielereien...“
-
-„Das nennen Sie Thorheit! Spielerei! unglücklicher Mann, dem nie die
-süßeste der Göttinnen gelächelt -- sonst müßten Sie mit mehr Ehrfurcht
-von ihrem Dienste sprechen.... Aber wie, mein Freund, wollen denn Ihre
-Beine nicht mehr vorwärts gehen! Ich muß Sie ja fortziehen...“
-
-Wollheim stieß einen Seufzer aus, so tief, als komme er aus jener
-Tiefe, in welcher Fässer liegen....
-
-„Vorwärts, vorwärts, mein Guter! Sie verderben mir sonst gänzlich
-mein Glück -- das so eben im vollen Anzuge ist! Ach, ach! schon
-wieder ein Blick! Sie hat sich jetzt mindestens zum siebenten Male
-nach mir umgesehen -- -- und wie hat sie sich umgesehen!... Alle
-Donner! Die versteht es -- so jung das Püppchen auch noch ist. Doch
-heut zu Tage sind wir in diesen Dingen enorm vorgerückt.... Unsere
-Töchterchen und Fräuleinchen von 15 bis 16 Jahren -- das sind gerade
-die routinirtesten.... Kein Wunder! Sie haben an der Seite Mama’s eine
-gute Schule....“
-
-Die ganze Antwort Wollheims war wieder blos ein schauderhafter
-Seufzer, und sein Gang wurde nachgerade so schwer und lästig, daß
-Althing Mühe hatte, mit ihm fortzukommen... „Zum Guckuk... Herr Graf!
-was soll das heißen? -- Sie ruiniren mich förmlich! -- -- Sie werfen
-mir Felsenblöcke in den Weg -- -- Ach! Ach! -- Schon wieder! -- Nun,
-diesmal mußte es ein Blinder bemerkt haben! -- Diese liebe Kleine mit
-ihrer himmelblauen Pelerine -- bringt mich ganz in Aufruhr! Das Blut
-siedet in meinen Adern... wie es uns jungen Leuten schon bisweilen
-geht... denn in unseren Jahren steckt noch ein ganzer Vesuv und zwei
-Hekla in unserer Brust... _A propos_, was meine Brust betrifft,
-wie finden Sie ihre Wölbung und Breite, liebster Graf? Bei Gott!
-kein Flöckchen Watte im Rock... kein Flöckchen! Nun, was sagen Sie?“
-Der Dicke spreitete hierbei seine Brust ungeheuer aus und klopfte auf
-dieselbe: „Ja! das ist so fest wie Stahl! Nicht wahr? Reden Sie doch!“
-
-Nimrod ließ statt dessen den Kopf auf die Brust fallen -- blieb stehen
-und langte sein Taschentuch heraus, mit welchem er, unter Ausstoßung
-sonderbarer Laute, die eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Schluchzen
-hatten -- über sein Gesicht fuhr und sich die Augen wischte... Er sahe
-so fast aus -- wie der König Gambrinus, als er eines Morgens erfuhr,
-daß der Hagel seine Hopfengärten zusammengeschlagen habe....
-
-Wirklich schluchzte der tapfere Jäger Wollheim in diesem Augenblicke. --
-
-Aber der Liebesheld gerieth darüber in einen unmenschlichen Affekt. Was
-Geier -- es war auch keine Kleinigkeit -- in diesem Augenblick, wo er
-auf einer neuen Siegesbahn so rasch wie Amors Pfeil selbst forteilte,
-mit einem _espèce_ von altem Narren stehen zu bleiben und dessen
-sentimentalen Firlefanz mit anzusehen. --
-
-„Wollen Sie mich denn dem Wahnsinn in die Arme werfen?“ rief er,
-vergessend, wo sie sich befanden -- und rüttelte ihn am Arme, daß der
-Alte das Gleichgewicht verlor und umzufallen drohte -- jedoch noch
-zeitig genug von Althings Armen aufgefangen wurde: „Ach, Sie sind ein
-Satan -- in Freundesgestalt! Sie peinigen mich -- Sie bringen mich um
-den sichern Himmel!“ schrie dieser.
-
-„Ich bin -- sehr unglücklich....“ stammelte der Jäger.
-
-„Aber -- ich nicht minder!“ tobte empört Althing.
-
-„-- O -- ich habe einen Freund an ihm verloren...“
-
-„-- Ich werde bald meinen ganzen Verstand verlieren... oder Sie hier
-stehen lassen, Herr Graf!“
-
-„Meinetwegen, wie es Ihnen gefällt, Althing. Mich kann jetzt kein
-Unglück mehr treffen...“
-
-„Aber zum Teufel! so kommen Sie doch! -- Die Pelerine entfernt sich
-immer mehr.... sie ist ganz wild über mein Zurückbleiben.... Vorwärts!
-Sie können die Begleiterin der Pelerine auf’s Korn nehmen....“
-
-„Hol’ sie beide der schwarze Jäger!“ brach mit einem Male Nimrod
-wüthend und in seiner ursprünglichen Derbheit aus: „Was gehen mich
-diese dummen -- Schürzen da an! -- -- In meiner Brust ist ein so großer
-Riß, daß alle Schürzen und Pelerinen der Erde ihn nicht auszufüllen
-vermögen... Ach! nach Prag, sagt man, sei er gegangen.... Ich fürchte,
-ich fürchte -- er ist in dem verfl-- Duell geblieben und in eine Welt
-gegangen -- wo es weder Mosler noch Gumpeldskirchner gibt -- -- Uh!“
-
-Althing tanzte fast vor Wuth und Ungeduld -- er drehte seinen
-Schnurbart (seit der letzten +heißen+ Affaire hatte er sich wieder
-einen wachsen lassen -- und zwar einen, dessen Gleichen man suchen
-mußte!), daß dieser Schnurbart auf einer Seite die Farbe changirte oder
-besser gesagt: -- seine natürliche bekam....
-
-Man muß wissen, daß Althing die Maxime aller Bösewichter seines
-Schlages besaß, die, einem merkwürdigen Widerspruch gemäß, einen eben
-so großen Drang, eine Dame zu verfolgen, als Scheu, sie anzusprechen,
-haben, -- weshalb sie sich gerne bei einem +Begleiter+ Muth holen...
-Indeß gründet sich diese Maxime oft auf einen sehr vernünftigen
-Umstand: diese Herren suchen sich ihre Kameraden so aus -- daß
-sie ihnen bei dem _tête à tête_ nicht schaden können, sondern im
-Gegentheile noch ihrer Schönheit als Folie dienen.
-
-Der Stutzer-Veteran drang deshalb unausgesetzt in Wollheim, mit ihm
-weiter zu gehen -- dieser jedoch, als wollte er es ihm zum Possen thun,
-bewegte sich nicht von der Stelle -- sondern schien hier erstarren zu
-wollen....
-
-„O mein Gott! was ist dieser Wollheim für ein Mensch!“ fing Althing an,
-der sich jetzt auf’s Jammern zu legen schien, da es auf andere Weise
-nicht mehr ging. --
-
-„Mensch -- oder nicht Mensch! Lassen Sie mich in Ruhe... und stören Sie
-mich in meinen Betrachtungen nicht!“ polterte der Jäger.
-
-„Aber -- haben Sie denn gar kein Mitgefühl -- bester Graf! -- Sehen
-Sie, wie ich Sie bitte...“
-
-„Fort damit -- oder ich werde wüthend!“
-
-„Theuerster Freund!“
-
-„Ich werde grob!“
-
-„Lieber Graf und Gönner....“
-
-„Ich werde massiv!“
-
-„Alter Bruder -- und Kamerad...“
-
-„Ich prügle Sie...“ brüllte Wollheim und holte hier mit der Faust in
-der That aus; -- wodurch er bewies, daß Sentimentalität und Prügellust
-näher beisammen stehen, als unsere Psychologen bisher geglaubt haben.
-
-Bei den letzten Worten und der sie so ausdrucksvoll begleitenden
-Geberde -- sprang der Günstling der Venus entsetzt zurück, wobei ein
-Dutzend Menschen, die hinter seinem Rücken vorbeigingen, seinen Sprung
-begleiteten -- -- die in ein lautschallendes Gelächter ausbrachen, das
-sich bald in der ganzen Umgebung verbreitete. -- Man blieb stehen...
-man wollte sich amusiren -- und schon war wieder die Polizei daran,
-sich hineinzumischen, als der Jäger plötzlich den Kopf um zwei Zoll
-höher als gewöhnlich erhob -- eine grandiose Idee malte sich auf seiner
-Stirn; er warf geringschätzende Blicke -- zuckte die Achseln -- und
-schlug mit stolzen Schritten den Weg nach dem „Goldnen Lamm“ in der
-Leopoldstadt ein.
-
-Hier ließ er sich ein Zimmer im hintern Hofe geben
-
- „dort wo jenes altersgrauen
- Kellers Zinnen herüberschauen!“
-
-ein mäßiges Stückfaß wurde zu ihm hereingerollt -- er schloß sich mit
-demselben ein und war für diesen Tag, sowie für kommende Nacht nicht
-mehr zu sehen. --
-
-Althing hatte sich behende aus dem Menschenknäuel losgewickelt, er war
-den Blicken entschwunden, bevor diese Zeit hatten, sich von dem weit
-interessanteren Objekte, dem Jäger -- abzuwenden... er eilte, flog in
-Sturmesschritten der himmelblauen Pelerine nach. --
-
-Jedoch sie verdiente es auch. Es war eine köstliche Blondine von 16-18
-Jahren oder etwas drüber. -- Allein unser Althing war auch ein Kenner,
-das mußte man ihm lassen. Wäre Alles bei ihm so vortrefflich bestellt
-gewesen, wie diese Eigenschaft -- dann freilich würde er weit seltener
-in die Lage gekommen sein, schrecklich immer nur in Illusionen zu
-schweben -- was indeß für ihn keineswegs ein Unglück zu sein schien,
-denn er hatte das Talent, nicht daran zu glauben -- -- er hatte das
-seltene Vermögen, aus allen Unglücksfällen zusammengenommen sich erst
-so recht sein Glück herauszubilden: er war dem Schicksal gegenüber die
-personifizirte Ironie.
-
-Endlich holte er seine Pelerine ein: „Allerliebst!“ rief er sich zu:
-„sie hat sich so eben wieder nach mir umgesehen! Ihr Auge schien mich
-schmelzen zu wollen. -- Hehehe! Das Glück, Freund Althing, kennt weder
-Ziel noch Maaß... Dies ist heute schon die dritte, welcher ich zugleich
-in den Weg laufe und die mich nicht mehr losläßt.... Aber ist das auch
-recht von dir, Spitzbube von einem Don Juan? -- Du liegst bis über die
-Schultern bereits in andern Liebesfesseln -- man hofft auf deine Treue
--- man würde unglücklich werden, falls man dich des Gegentheils fähig
-hielte -- -- man würde sich den Tod um dich geben... und dennoch läufst
-du da dieser kleinen Schelmin nach -- -- die bereits heute die -- --
-ach, ich vergesse es immer -- die wievielte sie sei -- ja richtig, die
-dritte ist sie! -- Bei meiner Annehmlichkeit! Das ist nicht recht --
-das!!... Und jetzt ist gerade die Stunde, wo sie mir, meine holde Nina,
-das Rendezvous geben will, Nina, die mich seit vier Tagen bei sich
-empfängt, in ihrem kleinen Zimmerchen -- -- welches Zimmerchen sattsam
-unsere beiderseitigen Schwüre gehört hat.... u. s. w. u. s. w. -- --“
-
-Er sprach hier die volle Wahrheit, -- das Alles verhielt sich wirklich
-so, wie er sagte; diese Nina empfing ihn in der That bei sich,
-schwur ihm in der That heiße Liebe und ewige Treue -- gab ihm große
-Beweise.... wie sie das jedoch meinte, wird sich später zeigen...
-
-Althing ging jetzt dicht hinter der blauen Pelerine einher, sie
-mußte, falls sie sich jetzt noch einmal umsah, unmittelbar in sein
-rothglänzendes Gesicht, gleichsam wie eine blutig aufsteigende
-Sonnenscheibe, sehen -- -- und es ließ sich erwarten, daß dadurch ihre
-Augen geblendet würden.... Wirklich geschah dies ganz so. Sie sah sich
-um, sie fuhr erschrocken zusammen vor Althings Strahlenangesichte....
-sie bedeckte sich obendrein auch noch die Augen.... kurz unser Dicker
-glaubte das Recht zu haben, so zu sich zu sprechen:
-
-„Ah! Ah! -- das ist zu stark! -- Das hätte die Welt sehen sollen! --
-O warum ist in diesem Augenblick hier nicht das Menschengeschlecht
-versammelt, um Zeuge meines Triumphes zu sein!... Bei Gott! Venus,
--- meine Beschützerin! so Etwas ist einer einfachen Mannsperson noch
-gar nicht passirt! -- Das sollte gedruckt, -- unbedingt gedruckt,
-oder noch besser -- in Erz gegossen werden, um der Unsterblichkeit
-anheimzufallen. -- Aber, ach! Was sollte +dir+ unmöglich sein,
-mächtiger Althing! -- In der That -- -- ich fange an, rasenden Respect
-vor mir selbst zu bekommen und mich für eine Art von Auserwählten
-des Himmels zu halten ... für ein Wesen, das mehr ist als Mensch...
-für einen Halb- oder wenigstens Viertels-Gott ... Schade, daß ich
-die nähere Eintheilung dieser mythologischen Materie nicht genauer
-kenne. -- Und warum,“ fuhr er fort, immerwährend seinen Platz
-hinter der jungen Dame behauptend -- „schlägt sie jetzt mit ihrer
-Gesellschaft diesen Seitenweg da ein?... Ach! sicherlich will sie
-in’s Paradies-Gärtchen gehen -- in den Salon -- ein abgesondertes
-Kabinetchen... hehehe! hab’ ich’s nicht errathen? -- Freund Althing...
-ich sage Dir: du wirst in Zeit von einer Viertelstunde die Seligkeiten
-der hohen Olympier genießen -- unter deren Zahl du gewissermaßen auch
-schon gehörst....“
-
-In diesem Augenblick betraten jene Damen wirklich das Paradiesgärtlein,
-jedoch hielten sie sich in dem dortigen Etablissement nicht auf,
-sondern durchschritten dasselbe, um sich hinten durch die Burg nach der
-Stadt zu begeben... „Gleichviel!“ murmelte Althing: „der Ort macht es
-nicht aus -- sondern die Gelegenheit. -- Wahrscheinlich will sie einen
-bessern Platz finden.... oder aber, was noch möglicher ist -- ihre
-Gesellschaft, worunter mir eine Mama zu sein scheint, gibt es nicht zu,
-steht ihr im Wege... Nun, wir werden bald sehen -- was so viel heißt,
-als +siegen+!“
-
-Endlich in einem Gäßchen zwischen der Bastei und der Stadt blieb die
-Pelerine mit ihrer Begleiterschaft stehen: „Aha!“ lachte der Dicke:
-„jetzt wird’s losgehen! Mache dich gefaßt, Althing! Ueberwinde sie!
-Werfe sie in einem Augenblick zu deinen Füßen....“
-
-Die Pelerine drehte sich um -- -- und winkte ihm... „O! das hatte ich
-erwartet! die Festung ist erstürmt!“ Kaum hatte er dies gesagt -- so
-trat er vor das Mädchen hin und verbeugte sich mit einer lächelnden
-und stolzen Miene, die einem Cäsar wohl angestanden hätte: „Sie sind
-sehr gütig, mein Fräulein,“ begann er in vornehm-nachlässigem Tone
--- -- und lüftete den Hut ein wenig.... „Sie kennen mich gewiß schon
-längst!“ fuhr er mit einer kühnen Ueberzeugung von seiner berühmten
-Liebenswürdigkeit fort.
-
-„Mein Herr von Althing,“ entgegnete das Mädchen: „Sie haben es
-errathen.... der Ruf Ihrer Eigenschaften ist bis zu uns gedrungen --
-und erfüllte mich seit jener Zeit mit der lebhaftesten Begierde, Sie
-kennen zu lernen.... Deshalb erlaubte ich mir auch -- Ihren Blicken
-und Winken auf der Bastei -- (wenn ich sie anders recht verstand,)
-nachzugeben -- und hier diesen weniger bemerkten Ort aufzusuchen -- --
-um -- um mit Bewilligung meiner guten Mutter ... die ich Ihnen hiermit
-vorzustellen die Ehre habe --“
-
-Man verbeugte sich beiderseitig; der Stutzer sah sich einem alten
-Monstrum gegenüber, das geeignet war, Schrecken einzuflößen...
-
-„Also mit Erlaubniß meiner Mama,“ fuhr das Mädchen fort -- „habe ich
-gewagt, Ihnen Gelegenheit zu geben -- --“
-
-„Damit ich,“ fiel Althing mit jener Emphase ein, der man geflissentlich
-einen künstlichen Anstrich gibt, um die Leute glauben zu machen, man
-verstünde sich in solchen Affairen meisterhaft zu benehmen und sei
-des Sieges schon im Voraus gewiß: „damit ich Ihnen die zärtlichen und
-glühenden Empfindungen, von welchen diese Brust voll ist.... so, daß
-das Herz davon in Flammen aufgehen muß...“
-
-„Lassen wir das!“ lächelte die Jugendliche: „und kommen wir auf andere
-Dinge -- --“
-
-„Nein, nein! denn meine Seele, mein ganzes Wesen ist von Ihrem Bilde,
-von Ihrer Liebenswürdigkeit, von Ihrem Zauber hingerissen... und vermag
-nicht zu leben...“
-
-„-- Muß vergehen -- nicht wahr? hahaha! -- Nur weiter, mein Herr.“
-
-„-- Ich müßte vergehen -- sterben vor Schmerz und Verzweiflung -- wenn
---“
-
-„Weiter, weiter!“
-
-„Sie können noch spotten -- können so kalt sein -- da ich glühe und
-brenne -- und fast zu Asche werde....“
-
-„Das sind die gewöhnlichen Phrasen...“
-
-„O halten Sie mich nicht für einen gewöhnlichen Thoren -- und dieses
-Gefühl in meiner Brust für kein alltägliches. -- Ich schwöre bei meiner
-Seligkeit, daß ich zum Sterben Sie liebe -- nur Sie ganz allein!...“
-
-„Aber Sie haben mich ja noch nie gesehen!“
-
-„Wie können Sie nur so Etwas denken. Ich kenne Sie seit sehr langer
-Zeit -- und gleich Ihrem Schatten schleiche ich Ihnen -- freilich aus
-Scheu ungesehen -- nach.... Wo Sie sind, bin auch ich -- ich kann nicht
-leben ohne Dich, angebetetes, englisches Wesen.... Du lehrtest mir
-die Liebe kennen -- früher war ich unschuldig und unerfahren, wie so
-mancher unter uns Jünglingen... Du warst das erste Frauenbild, zu dem
-ich wagte, die Augen aufzuschlagen .... Liebe mich -- oder mein Loos
-ist schauderhafter Tod!“
-
-Bei diesen Worten, in die sich zuletzt unwillkührlich die angeborne
-Verliebtheit des alten Gecken mischte -- fiel er, trotz December und
-Schnee, vor das Mädchen auf die Kniee -- breitete die Hände aus wie ein
-betender Bramine -- verdrehte die Augen und flüsterte mit möglichst
-matter Stimme: „Oder den Tod! den Tod! --“
-
-In diesem Momente erhob sich um ihn ein lautes Gelächter und eine Dame,
-für welche unser Ritter bisher keine Aufmerksamkeit hatte -- da sich
-diese derselben geflissentlich zu entziehen wußte, trat vor, schlug
-ihren Schleier zurück (solche Damen tragen bisweilen auch im Winter
-Schleier) und rief:
-
-„So also! dies ist die Treue, welche Sie mir angelobten! So halten Sie
-also Ihre Versprechungen -- Ihre Schwüre!... O es ist schändlich, Herr
-von Althing! -- es ist schändlich, ein Mädchen auf diese Weise -- vor
-ihren eigenen Augen zu hintergehen! -- Es ist entsetzlich... und nie
-wird Ihnen das der Himmel verzeihen!“
-
-Der dicke Held glaubte unter die Erde zu versinken. Er sah -- +Nina+,
-seine +Nina+ in leibhafter Gestalt vor sich.
-
-„Ich wollte,“ begann sie heftig: „Sie auf die Probe stellen! Und so hat
-man also bestanden? Glaubt man mit einem armen Mädchen blos sein Spiel
-treiben zu dürfen!... Zuerst macht man sie verrückt vor Liebe -- -- und
-dann und dann -- --“
-
-Er hatte sich jetzt aus dem Schnee erhoben, aber seine Beinkleider
-waren durch und durch naß...: „O, mein Fräulein -- o, geliebte Nina!“
-wandte er sich mit flehender Geberde und gesenktem Haupte an diese:
-„Verzeihung -- theures Wesen! Engel in Menschengestalt -- Verzeihung
-für diesen Fehltritt.... welcher, bei allen Göttern! der erste meines
-Lebens ist. O, verkennen Sie mich nicht.... beurtheile mich nicht
-falsch, mein süßes Täubchen -- meine Geliebte! Suche dem Dinge auf den
-Grund zu kommen -- und Du wirst finden, daß ich -- -- nur in einer Art
-von Geistesabwesenheit dieser Dame da eine Liebeserklärung machen
-konnte. -- Wahrhaftig -- mein Kopf -- mein Hirn -- mein ganzes Wesen
-ist so sehr mit Dir beschäftigt, daß ich durch vieles Denken an Dich,
-wie’s scheint, mein Denkvermögen geschwächt habe... daß ich verwirrt
-wurde... daß ich ein Thor wurde -- ein Narr -- ein dummer Teufel --
-oder was Du sonst willst.... O! wie bereue ich das Alles! Könnt’ ich es
-ungeschehen machen -- mein halbes Leben wollte ich drum hingeben -- und
-bei meinen Jahren habe ich noch eine schöne Strecke Zeit vor mir! -- --
-Oh! Oh! ich Unseliger! ich unerfahrner junger Thor!“
-
-Die Gesellschaft konnte das Lachen nicht bezähmen -- man nahm die
-Taschentücher zu Hilfe, um die Gesichter dahinter zu verbergen. --
-Althing, in seiner Consternation, nahm dieses jedoch anders: „O!“
-schrie er mächtig auf: „Sie weinen -- meine Verehrtesten! Weint denn
-heute die ganze Welt? -- Es ist fürwahr ein trauriger Tag! -- Und auch
-Nina -- meine angebetete Nina weint... sie schluchzt -- ihre Brust --
-ihre Schultern -- ihr ganzer Körper schluchzt -- -- und ihr schönes,
-liebes Gesicht wird mir durch das Tuch entzogen... Doch, ja, ich habe
-es verdient! Ich klage mich an! Ich verabscheue, ich verachte mich!
--- -- O!“ schrie er abermals auf -- und fiel, trotz der durchnäßten
-Beinkleider (er trug jedoch unter ihnen dreifaches Flanell und noch
-überdies Watte), abermals in den Schnee: „O! mir kann niemals verziehen
-werden! das seh’ ich... Niemals, niemals! -- Ich werde nicht mehr
-geliebt, mein Glück und -- Alles ist dahin!“
-
-Jetzt endlich reichte Nina ihm die Hand -- und sprach hinter dem
-Schnupftuche hervor: „Nun denn -- es sei Dir verziehen, Treuloser! Du
-verdienst es zwar nicht und ich sollte Dich ewig hassen -- Dich fliehen
--- -- aber, mein Herz spricht so laut zu Deinen Gunsten... daß ich
-nicht umhin kann...“
-
-„Ah!“ jauchzte Althing und fuhr mit einem lebhaften Satze in die Höhe:
-„Du Engel! Du Engel! -- Sie hat verziehen! Sie nimmt mich wieder zu
-sich auf.... Ach! ich wußte es wohl,“ murmelte er vor sich: „mir
-widersteht man nicht! -- -- ich bleibe allemal Sieger, Ueberwinder! --
--- Doch,“ sagte er zu der Gesellschaft -- -- „da Sie, meine Damen,“ --
-es war nämlich noch eine Vierte da -- „Zeugen waren, sowohl von unserm
-Zwist als auch von unserer Versöhnung -- -- so werden Sie, wie ich
-hoffe, es mir nicht abschlagen, wenn ich Sie einlade, diesen Tag durch
-irgend ein frohes Fest zu verherrlichen. Ich denke, wir könnten uns, so
-wie wir da sind -- in die Wohnung meiner geliebten Nina verfügen, und
-dort zusammen im fröhlichen Vereine -- ein kleines Mahl mit Champagner
-einnehmen. Was sagen Sie dazu?“
-
-„Angenommen, angenommen!“ erhob Nina ihre Stimme und wie ein Echo
-wiederholten die drei andern Huldinnen: „Angenommen! Angenommen!“ Man
-ging. --
-
-
-
-
-Sechstes Kapitel.
-
-Immer noch Promenade.
-
-
-Noch war die Promenade der _beau monde_ nicht zu Ende. Im Gegentheil
-ostentirte sie jetzt, da das bürgerliche Element sich ausgeschieden
-hatte, um zu Tische zu gehen -- ihre interessantere, fashionablere
-Seite. -- Sie erhob sich aus einem mechanischen und materiellen
-Umhertreiben -- zur Conversation im Freien. Und jetzt sehen wir uns
-gezwungen, jene Gestalten und Charaktere, welche wir zu Anfang des
-vorigen Kapitels eingeführt haben, wieder herbeizurufen, da dieselben
-nunmehr die agirenden Hauptfiguren geworden sind...
-
-Umgeben von einem Zirkel älterer und jüngerer Personen, worunter
-illustre Namen der Residenz -- schreitet Herr von Marsan langsam den
-Wall entlang, indem er in einer Auseinandersetzung begriffen scheint,
-an welcher seine ganze Suite, man möchte sagen, mit Andacht theilnimmt.
--- Dieser Cavalier, den wir seit einiger Zeit aus dem Auge verloren
-haben, spielt jetzt in der höchsten Welt der Hauptstadt eine Rolle vom
-höchsten Range. Dies mächtige Emporkommen hat er nicht blos seinem
-Namen, seinem Reichthume und seinem Geiste oder seiner Schönheit zu
-danken -- sondern vornehmlich den mehrfältigen Affairen, in die er
-während der letzten Zeit sich als Hauptperson zu verflechten wußte --
-und worunter die Angelegenheit zwischen dem Grafen A--x und Cölestine
--- nur eine einzelne war; denn in Bezug auf diese sprach alle Welt ihm
-die Initiative zu, nannte ihn die veranlassende Ursache der Trennung
--- und setzte hinzu: er sei noch immer der Geliebte Cölestinens, die
-nur um seinetwillen ihr Schicksal mit so großer Heiterkeit zu tragen
-wisse. -- Unter seinen andern Liaisons war eine zweite von eben solchen
-eklatanten Folgen gewesen -- nämlich sein Verhältniß zur Herzogin
-von S--; Marsan, von einem ihrer früheren Anbeter gefordert, schoß
-diesem eine Kugel so durch den Kopf, daß der letztere in hundert Stücke
-auseinander flog, gleich einem Apfel. -- --
-
-Der Chevalier hatte in der That, und zwar nicht nur in Wien, sein
-Renommée als Schrecken der Männer, wie als Abgott der Frauen, mit
-einem Worte als Muster eines vornehmen Mannes, eines _grand seigneur_
-von altem Schlage zu behaupten gewußt. -- Wenn ihm indessen sein
-stolzer, vornehmer und überlegener Charakter bei seinem Geschlechte
-viel verdarb, so wußte er zur gelegenen Zeit durch eine Menge von
-Talenten Manches wieder gut zu machen -- und hatte er z. B. heute einen
-Nebenbuhler bei der oder jener Frau besiegt, so versöhnte er ihn morgen
-dadurch, daß er einer andern Leidenschaft desselben schmeichelte: einen
-Reiter ließ er beim Wettrennen den Preis gewinnen -- an einen Spieler
-verlor er Geld -- einem Dritten ward er in dessen Carriere behilflich,
-so daß am Ende alle Mißtöne um ihn herum sich zur schönsten Harmonie
-auflösten: diese Harmonie sang sein Lob und es wiederhallte in der
-Welt....
-
-Indeß würde man irren, wenn man glaubte, der Chevalier verstände nur
-auf diesem wenig erhabenen Felde Lorbeeren einzuerndten; -- das, was er
-im Salon einer großen Dame war, galt er auch im Kabinet eines großen
-Herrn, denn seine Hilfsquellen waren unerschöpflich, und sein Charakter
-im Sinne der großen Welt allseitig. Er wäre als Geschäftsmann, als
-Staatsmann vielleicht nicht minder groß geworden, wie er es jetzt
-als einfacher Weltmann war -- und obgleich er vorgezogen hatte, die
-letztere Stellung einzunehmen, so sah er doch recht gut ein, daß er
-dieselbe nicht werde behaupten können, ohne von Zeit zu Zeit den Arm
-in die andere Sphäre hinüberzustrecken oder gar einen Schritt auf
-das jenseitige Territorium zu thun. -- Daher sagte das Gerücht nicht
-zu viel, welches ihn in letzterer Zeit irgend einen diplomatischen
-Auftrag übernehmen und deshalb so fleißig in den Häusern fremder
-und hiesiger Minister aus- und eingehen ließ. Dieser Auftrag mußte
-außerordentlich mysteriöser Natur sein, denn so viel sich die Fama der
-guten Gesellschaft sich auch Mühe gab, ihn zu errathen, es wollte ihr
-durchaus nicht gelingen.
-
--- Ohne uns mit dem eigentlichen Inhalte der Conversation, welche im
-jetzigen Augenblicke zwischen Marsan und jener Gesellschaft, von der
-wir ihn begleitet sehen, stattfand, zu befassen, müssen wir dennoch
-bemerken, daß dieselbe auf doppeltem Gebiete umherstreifte, und ihn so
-recht in den Brennpunkt seiner gesammten Fähigkeiten -- an die Spitze
-der Bestrebungen seines ganzen Standes stellte. Er glänzte hier mit
-seinem Geiste erstens als Cavalier und zweitens als Mann von Geist und
-politischem Einfluß -- -- er beschäftigte den ganzen Kreis mit den
-mannigfachsten Dingen -- und während er diesem Herrn seine Ansicht über
-den Unterschied zwischen Patschuli und Moschus mittheilte -- ließ er
-gegen jenes Mitglied des diplomatischen Corps eine feine politische
-Anmerkung fallen, in einer Sprache, welche kein Anderer verstand....
-
-„Zum Henker!“ flüsterten etliche junge Attaché’s am äußersten Flügel:
-„dieser Mensch kann Alles.... mich dünkt, er würde sogar auf einem
-Seile tanzen...“
-
-„Er wird dies nicht nöthig haben, um sich früher oder später den Hals
-zu brechen!“ meinte Einer, der zu den Wenigen gehörte, die Marsan sich
-noch nicht verbunden hatte...
-
-Die Sache war, daß der Chevalier den Grundsatz hatte, sich auch eine
-gewisse Anzahl +Feinde+ zu erhalten, da auch sie für einen Mann
-der großen Welt unentbehrlich sind. --
-
-In einiger Entfernung von dem Chevalier bewegte sich eine andere
-Gesellschaft. Es befanden sich hier die Generalin E--z, Herr von
-Labers, die Gräfin Wollheim an der Seite des Fräuleins Eugenie von
-Bomben, dieser frommen Seele der abendländischen Christenheit.
-
-Die Rede war von demjenigen, den man seit zwei Stunden beständig vor
-Augen hatte... von Herrn von Marsan. -- Man erörterte so eben den
-traurigen Fall in des Grafen von A--x Hause, und Herr von Labers hatte
-ihn eine von jenen Schickungen genannt, womit die Gottheit bisweilen
-gute Menschen heimsucht, um ihre Kraft zu erproben und zu stählen --
-oder auch um sie nach dem Kampfe des Sieges um so froher werden zu
-lassen. -- Jedermann stimmte in diese schöne Ansicht ein... nur das
-Stiftsfräulein lächelte still vor sich hin, indem sie die Achseln
-zuckte, was ihr um so leichter fiel, als diese schon von Natur schief
-und „nervös“ waren.
-
-„Die Oede und Melancholie in den Häusern des Generals Randow und
-seiner Tochter -- läßt sich durch das eifrigste Bestreben, das vorige
-Leben in sie herbeizuzaubern -- nicht unterdrücken.... Es zieht ein
-schlimmer Geist durch diese Hallen, trotz aller geweihten Kerzen, die
-darin brennen, und die einen Tag erlügen wollen,“ -- bemerkte die alte
-Wittwe des Feldmarschallieutenants; sie schloß mit den Worten: „Dieses
-Unglück hat sogar mich erschüttert -- diese Trauer hat sich sogar mir
-mitgetheilt.“
-
-„Aber,“ sagte Gräfin Wollheim, „wie konnte man nur so grausam sein, und
-das Räthselhafte in dieser Begebenheit dadurch erklären, daß man Herrn
-von Marsan mit ihr in eine Verbindung brachte, welche Verbindung --“
-
-Hierbei fiel Herr von Labers ein: „durch die Würde der jungen Gräfin
-hinlänglich widerlegt ist. -- Ach, wir leben in einer Zeit, die sich
-mit Gewissen und Ehre bereits so weit abgefunden hat, daß man beide nur
-mehr dem Namen nach gebraucht.... Man könnte unsere Epoche, ähnlich
-wie man frühere die des +Glaubens+ -- des +Schwertes+ -- der +Barbarei+
--- der +Philosophie+ -- der +Umwälzungen+ -- nannte: eine Epoche der
-+Lüge+ oder des +Wahnsinns+ nennen.“
-
-„Man geht so weit, zu behaupten,“ nahm Gräfin Wollheim wieder das Wort:
--- „Graf Alexander habe gegründeten Verdacht -- Beweise sogar, daß
-Cölestine --“
-
-„Entsetzlich! Und so Etwas behauptet man wirklich?“ rief die Generalin
-E--z.
-
-„-- -- Und mit Recht!“ flüsterte das Stiftsfräulein der Gräfin zu: „Mit
-Recht!“ Die edle Menschenfreundin konnte die Vertheidigung der Tugend
-nicht länger mehr anhören....
-
-„Was hat man nicht Alles bereits in der Welt behauptet!“ sagte Labers
-lächelnd: „dergleichen Gerüchte schaden jedoch nicht mehr... Der,
-welcher sie spricht, so wie der, welcher sie hört, glauben Beide nicht
-mehr an sie.“
-
-„Der Graf soll für Cölestine ein Schreiben hinterlassen haben.... worin
-er Punkt für Punkt seine Anklage vorbringt... da soll es unter Anderem
-auch heißen: er habe mit eigenen Augen die Zeichen bemerkt, welche
-Cölestine mit dem Chevalier auf irgend einem Balle gewechselt...“
-
-„Die Zeichen waren +handgreiflich+,“ flüsterte die Stiftsdame....
-
-„Ferner,“ fuhr die Gräfin fort: „gleich nach diesem Balle habe
-Cölestine mit dem Chevalier eine geheime Zusammenkunft gehabt...“
-
-„In ihrem eigenen Boudoir -- oder vielmehr Schlafzimmer, und zur
-Nachtzeit, da Alles schlief... sie war drei volle Stunden mit ihm
-eingeschlossen; -- ihr Mann hat sie auf dem Verbrechen ertappt -- ihr
-Wesen -- ihre Kleidung befand sich in einem Zustande...“
-
-„Still doch!“ bedeutete die Gräfin der zischelnden Schlange. „Auch,“
-wandte sich die alte Dame zur Gesellschaft: „von einem Billetdoux
-spricht man, worin die junge Frau Herrn von Marsan ein zweites _tête
-à tête_ bewilligt haben soll.“
-
-„Und dieses Billetdoux,“ raunte Fräulein Eugenie trunken vor Freude
-ihrer Begleiterin zu -- „fiel dem Grafen in die Hände -- -- er hatte
-jetzt ein Selbstbekenntniß -- eine Selbstanklage der Verbrecherin. --
-Ja, einer Verbrecherin!“ fuhr die Philanthropin wild fort: „wie die
-Erde noch keine abscheulichere getragen hat -- wie selbst Babel sie
-ausspeien würde -- -- während der saubere Frauenverein sie in ihren
-Schooß aufnehmen und mit dem Mantel seiner Tugendlichkeit bedecken will
--- welche Tugendlichkeit durch diesen Fall allein schon ihre Erklärung
-findet, hehe! -- O! Wie bin ich gerächt! Wie hat der Himmel selbst
-sich zu meinem Partisan erhoben! -- Bei allen Kneifzangen Nero’s! bei
-dem Skalpirmesser der Indianer! -- ich bin mit der Gerechtigkeit des
-ewigen Schicksals ausgesöhnt. -- Ich murre nicht ferner... ich neige
-mich in Demuth und werde im Stillen fort arbeiten am allgemeinen Werke
-der Liebe. Erst vor Kurzem habe ich wieder ein neues Surrogat für die
-+Armenspeise+ erfunden; es besteht in einem Mehl, welches man aus
-gestoßenen Tannenzapfen gewinnt, und welches Mehl die Eigenschaft hat,
-daß es die Speiseröhre anschwellt; wenn Einem aber die Speiseröhre
-geschwollen ist, kann man nicht viel essen, man lebt daher äußerst
-billig....“
-
-„Zu den schmählichen Verläumdungen, von denen wir so eben gesprochen,“
-sagte Labers -- „gehört auch die, welche einen neuen Beweis gegen die
-arme Gräfin A--x in dem Umstande sieht, daß der Chevalier von Marsan
-seit der Abwesenheit ihres Gemahls ihr Haus nicht mehr besucht. Diese
-so natürliche Thatsache -- diese Delikatesse von Seiten Marsans legt
-man demselben als eine abscheuliche Absichtlichkeit aus, als wollte er
-den Gerüchten keine neue Nahrung geben.“
-
-„Es ist wahr,“ murmelte die Stiftsdame: „daß er sie am Tage nicht
-besucht, das wäre auch sehr albern.... sie kommen zur Nachtzeit
-zusammen, halten ihre Bacchanalien unter dem Schleier der Mitternacht
--- und das scheint mir weit vernünftiger.... hehe! --“
-
-In diesem Augenblick stieß man durch ein Ungefähr, welches Marsan und
-seine Gesellschaft zwang, stillzustehen, mit der letzteren zusammen
-und machte den ferneren Weg an ihrer Seite, wobei sich nun nichts mehr
-zutrug, was irgend verdiente, hier aufgezeichnet zu werden. --
-
- * *
- *
-
-Wie wir wissen, hatte Althing jenen vier Damen, mit welchen wir ihn in
-einer „hohlen Gasse“ getroffen haben, zu einer Mahlzeit eingeladen,
-die bei der Gebieterin seines Herzens (Keiner glaubte er noch so tief
-in’s Herz gewachsen zu sein!) statt finden sollte. Ferner wissen wir,
-daß er sich mit ihnen sofort auf den Weg begeben habe. -- O, es war
-ein hitziger Kerl, dieser Althing! Er hatte Temperament und Feuer
-für Zehn! -- -- Nach mannigfachen Krümmungen durch enge Gäßchen und
-Durchgänge gelangte man endlich auf’s Salzgries -- denn hier wohnte die
-Dulcinea des Ritters. Als echte Dulcinea wohnte sie dem Himmel näher
-als der Erde; -- -- Althings Geliebten hatten überhaupt alle diese
-Eigenthümlichkeit. -- Sie wohnten sämmtlich nicht unter sechs Treppen.
--- Aber wem, der je ein glühendes Jünglingsherz im Busen trug -- sind
-sechs Treppen mehr als eine Kleinigkeit gewesen -- über welche er
-hinwegeilte, während man kaum zwei Schnippchen schlug? -- Daher kommt
-es auch, daß unser Mann seit den drei Tagen, da er seine holde Nina die
-+Seine+ nannte -- mindestens schon vierzig Mal diese allerliebsten
-sechs Treppen auf und ab gelaufen war. --
-
-Er bewies dies auch jetzt. Ehe man sich’s versah, war er oben -- -- die
-vier Schönen keuchten ihm mühsam nach, hatten es ihm jedoch nur bis zum
-zweiten Treppenabsatze nachthun können. --
-
-Fräulein +Nina’s+ Wohnung bestand in zwei Zimmern und einer Art
-Küche, die zugleich als Vorzimmer diente. Wir sagen zwei Zimmer --
-weil wir uns gerne nach dem Sprachgebrauche der Personen richten,
-mit welchen wir zu thun haben, und Fräulein Nina sprach stets von
-ihren „zwei Zimmern.“ Wer aber war dieses Fräulein? Hierher paßt
-dasjenige, was ein trefflicher französischer Novellist der neuesten
-Zeit, +Charles de Bernard+ in einem seiner Werke[C] über jene
-Gattung Menschen in Paris sagt, die man dort die +problematischen
-Existenzen+ nennt.
-
-„Diese Parias,“ sagt unser Schriftsteller -- „von denen man nicht weiß,
-woher sie kommen, noch wohin sie gehen, ohne eine Familie, die sie
-anerkennt, ohne einen Stand, den sie zu gestehen wagen, frei von allen
-Pflichten -- besitzen nur so viel Erde, als die Blumenvasen ihrer
-Salons enthalten, und leben wie Paschas. Wie wunderbar und doch so
-gewöhnlich! Aehnlich den Lilien, von denen die Bibel spricht, arbeiten
-sie nicht und spinnen auch nicht, und dennoch bietet manchmal ihr Luxus
-den Herrlichkeiten der Prinzen Trotz..... Verfolgt sie bis zu ihrem
-Ursprunge, diese Bäche mit unverschämtem Rauschen, mit den golden
-schimmernden Wellen, wie der Pactol, ihr werdet unfehlbar an eine
-unreine Quelle kommen... u. s. w.“
-
-Ohne die Dame, von der wir sprechen, in die höchste Klasse dieser
-Existenzen zu rangiren, ohne sie zu den weiblichen Industrierittern
-_par excellence_ zählen zu wollen, müssen wir von ihr doch
-sagen, daß es ihr an nichts fehlte -- um stets vor der Welt in einer
-reizenden Hülle erscheinen und Dummköpfe verdrehen zu können... Ihre
-Begleiterinnen und die Alte, welche sich als ihre Mutter gerirte, (man
-kennt diesen Posten!) waren natürlich ihres Gleichen.
-
-„Meine Freunde und Freundinnen, machen Sie sich es bei mir so bequem
-als möglich...!“ fing Fräulein Nina an die Frau vom Hause zu spielen
--- nachdem Alles eingetreten war und Platz genommen hatte -- -- „und
-um Ihnen mit gutem Beispiele vorauszugehen, will ich selbst den Anfang
-machen....“ Sie trat in ihr +zweites Zimmer+, blieb daselbst
-einige Minuten lang, und erschien sodann -- vollständig metamorphosirt
-bei der Gesellschaft.... so daß Althing nicht umhin konnte, einen Ruf
-der Ueberraschung auszustoßen....
-
-Seine Dame hatte ihr Costume so weit abgeworfen, daß das jetzige
-sehr stark an jenes von Adam und Eva erinnerte: sie trug über ihren
-ursprünglichen Reizen weiter nichts, als einen Unterrock und eine Art
-Camisol aus Mousselin, welches im Winde flatterte, offen wie eine
-Flagge. -- Sogleich eilten auch die andern Damenschaften in das Kabinet
-und erschienen nach einer gleichen Zeit in einem überraschend ähnlichen
-Anzuge.... Dieses Intervall, so klein es war, hatte der verliebte
-Ritter gewandt zu benutzen gewußt; er hatte seine Dame zu sich auf den
-Schoß gezogen -- ihr einige Dutzend Schwüre ertheilt und abgenommen --
-auch etwelche Küsse und andere Zärtlichkeiten.
-
-„Aber wer wird nach dem Gasthause gehen, um das Nöthige
-herbeizuschaffen?“ frugen die Damen, kaum daß sie zurückkehrten....
-
-„Die Sache ist sehr einfach,“ erwiderte +Nina+...: „meine Mutter
-wird so gut sein und den Aufwärter aus der +Stadt Neapel+
-herbescheiden -- -- den hübschen Joseph.... bei dem mein Freund
-+Achilles+.... so heißt Du doch, nicht wahr...?“
-
-„+Achilles+ -- ganz recht, meine Geliebte!“ versetzte Althing und
-klirrte mit seinen Sporren....
-
-„Nun, bei ihm kannst Du sodann Alles bestellen, was wir brauchen...
-Habe ich nicht Recht, theurer Achilles?“
-
-„Vollkommen, vollkommen!“ lächelte der Dicke -- der sich mit diesem
-Namen, den er so eben erst angenommen hatte, sehr zu gefallen schien...
-
-Ohne Säumen begab sich die ehrwürdige Mutter des Fräuleins, so wie
-sie da stand -- nach dem Gasthause zur „Stadt Neapel“... Sie mochte
-ähnliche Wege schon oft in solchem Costume gemacht haben....
-
-Während ihrer Abwesenheit unterhielt man sich über Verschiedenes... was
-aber nicht ganz nach Althings Geschmacke war, denn er wollte sich blos
-mit Einem beschäftigen. Er hielt seine Angebetete noch immer auf dem
-Schoße und schwitzte dicke Tropfen unter der Anstrengung, die es ihm
-verursachte, nebenbei noch gegen die Uebrigen den Liebenswürdigen zu
-spielen... Indeß war er darüber nicht böse, denn er zeigte sich gerne
-gewandt in den Künsten der Galanterie, welche ja sämmtlich in sein Fach
-einschlugen.
-
-Der schöne Joseph und die alte Vettel erschienen bald im Zimmer. Der
-erstere brachte mit der Karte jene ungeheure Aufmerksamkeit der Wiener
-Kellner mit, woran sich die des übrigen Deutschland ein Beispiel
-nehmen sollten. Nebenbei lachte der schöne Joseph zu Zeiten auf so
-eigenthümliche Weise -- hiervon sah jedoch Althing nichts, welcher sich
-in die grundlosen aber auch goldhaltigen Schachten der Speisekarte
-vergraben hatte. -- Nina aber schien diesen Blick Josephs ganz gut
-bemerkt zu haben und sie gab dem schönen Joseph einen bedeutsamen Wink.
-
-In kurzer Zeit bog sich der Tisch unter einer zahlreichen Menge von
-Speisen und Getränken ... das Mahl begann und ward demselben, wie sich
-vermuthen ließ, von sämmtlichen Gästen eine gebührende Ehre angethan.
-Diese Damen aßen auf eine Weise -- als hätten sie entweder noch niemals
-gegessen oder als sollten sie in Zukunft nimmer essen -- und wenn man
-sagt, daß die Liebe den Appetit benimmt, so hatte dies Sprichwort
-bei Fräulein Nina total Unrecht, denn diese aß und trank allein eben
-so viel, wie die Andern zusammen genommen. -- Bald wurden Toaste
-ausgebracht und von diesem Zeitpunkte an bekam Mahl wie Gesellschaft
-eine neue, nämlich die eigentliche Gestalt... d. h. alle Schranken
-fielen, welche die thörichte Sitte erschaffen hatte -- wenn auch nicht
-zum Besten dieses Hauses. -- Man fing an zu schreien, zu singen --
-und Althing wurde so leidenschaftlich, daß Nina, die er noch immer
-umherzerrte, ausrief:
-
-„Aber haben Sie denn den -- Koller!“
-
-„Nein, meine Geliebte -- sondern ich bin sterblich in Sie verliebt, ich
-könnte in dieser Stunde es mit einer Million Teufel aufnehmen, wenn die
-Sie mir entreißen wollten...“
-
-„O, das ist nicht nöthig! Ich würde mich freiwillig für Dich
-entscheiden -- mein holder Achill -- und wären es selbst eine Million
-Engel. Du weißt, wie ich Dich liebe!“
-
-„Wirklich? -- Und dies scheint nicht blos Redensart? -- Ach Du machst
-mich zum glücklichsten der Menschen.... Wie schade, daß wir hier vor
-Zeugen sind! Ach, wären wir allein!“
-
-„Ja, wären wir allein!“
-
-„O -- das sollte eine Wonne sein!“ schmachtete der alte Narr und
-verdrehte die Augen, wie ein andächtiger Derwisch...
-
-„Ja -- es sollte eine Seligkeit sein!“ wiederholte sie und verdrehte
-nicht minder die Augen ... jedoch nur, um ihren Freundinnen ein Zeichen
-zu geben, was diese verstanden und mit einem Kopfnicken beantworteten.
-
-„O, ich bete Dich an!“ seufzte Nina, gleichsam zerfließend in
-Liebeseligkeit....
-
-„Und erst ich Dich!“ ächzte Althing, dessen Leidenschaft sein Mieder
-in der Weste und seinen Gurt um den Bauch sprengen zu wollen schien.
-
-„Ach -- ach -- -- diese abscheulichen Menschen da! Wie sie uns
-anglotzen!“ flüsterte sie ihm in’s Ohr...
-
-„Ich wollte -- der Satan holte sie, trotzdem daß Deine Mutter dabei ist
--- -- und führte sie dahin, wo der Pfeffer wächst...“
-
-„Trinke doch -- mein süßer Achill!“
-
-„Ja -- ja -- ich glaube jedoch schon ein wenig zu viel getrunken zu
-haben....“
-
-Er stieß wirklich bereits mit der Zunge an.
-
-„Was schadet das! Der Wein gibt Muth ... und endlich werden wir dieses
-Volk da, welches uns belästigt -- zur Thür hinauswerfen...“
-
-„Ja! das -- wollen wir! -- Das ist ein köstlicher Einfall! -- Wein,
-Wein herbei! -- So! Ein großes Glas! -- Ich leere es auf einen Zug!
--- -- Alle Donner! -- Nun habe ich die Kraft -- es mit allen Hexen
-des Blocksberges aufzunehmen..... Komm! komm!“ schrie er, hinlänglich
-trunken, um kein Körnchen Verstand mehr zu besitzen: „Komm! -- Wir
-wollen diese alten und jungen Dämchen -- über die Treppe schmeißen....
-Vorwärts, meine Freundin: das wird für uns nur ein Kinderspiel sein! --
-Ich habe es tausend Mal schon mit einer dreifachen Mehrzahl aufgenommen
-und blieb immer Sieger!.... O, es soll eine Metzelei geben... daß es
-eine Freude ist... Blut soll fließen...“
-
-[Illustration: Seite 144.]
-
-Und während er diesen Unsinn mit einer Mordbrennerstimme schrie --
-stürzte er mit dem Vorlegelöffel bewaffnet auf diese Frauenzimmer, die
-ihrerseits ebenfalls ein fürchterliches Geschrei erhoben -- und nach
-Hilfe rufend zur Thür hinausstürzten -- über die Treppe hinabliefen,
-wohin er ihnen, durch den leichtgewonnenen Erfolg übermüthig gemacht,
-mit rasender Kampfeswuth nachfolgte -- jedoch nur einige Stufen -- denn
-dann stolperte er über ein Paar -- fiel und rollte gleich einer Walze
-volle vier Treppen hinab bis zur zweiten Etage -- wo er auf dem Flur
-liegen blieb. Ein schauderhaftes Wehegeschrei entfuhr ihm hier: „Ich
-bin zerschlagen... ich bin todt... ich bin aufgeplatzt... mit mir ist
-es aus....“ Sodann verlor er die Besinnung, und was mit ihm weiter
-geschah, wußte er nicht.
-
-Genug an dem, daß er sich Tags darauf bei vollkommenem Wohlbefinden in
-den Armen seiner süßen Nina erblickte, welche auch in diesem Augenblick
-zärtliche Thränen über den Unfall weinte, dem er gestern zur Beute
-geworden.... Wie zu erwarten stand, war mit der Gefahr auch seine Angst
-und sein Kleinmuth vorbei... seine Courage wuchs wieder riesengroß --
-die Flammen seines Herzens loderten bis zum Dache des Hauses hinauf
--- und begruben ihn und die schöne Nina, daß von den Beiden nichts zu
-sehen war....
-
-Erst Nachmittag erhob sich der Sieger vom Schlachtfelde. Er ging nach
-dem andern Zimmer, wo seine Sachen lagen, machte Toilette -- und wollte
-diese damit beendigen, daß er sich mit Uhr, mit Ringen schmückte und
-nach seiner Brieftasche suchte.... Aber welches Entsetzen! -- als er
-bemerkte, daß nichts von alle dem zu finden war....
-
-„Wo ist meine Uhr hingekommen?“ schrie er... „Wo sind meine Ringe
-hingekommen? -- Es befindet sich unter ihnen ein Solitär von Werth und
-die Uhr hat 800 Gulden gekostet...! -- Und wo, wo ist meine Brieftasche
--- diese Brieftasche enthielt 1000 Gulden und noch andere Papiere von
-Werth!“
-
-Auf sein Lärmen trat Nina herein: „Aber was ist Ihnen denn, mein Herr?“
-sagte sie, die Hände zusammenschlagend. „Sie geberden sich ja wie toll?“
-
-„Und das soll man nicht sein -- wenn man so bestohlen wird.... wie es
-mir bei Ihnen geschah.“
-
-„Mein Herr -- Sie erlauben sich da, einen Schimpf auf mich zu werfen,
-den ich nicht dulde ... Ich werde sogleich meinen Freund, der zehn
-Schritte weit von hier auf derselben Etage wohnt, herbeirufen, damit
-er mich vor der Behandlung schütze, die Sie sich unterstehen, mir
-widerfahren zu lassen.“ -- Jetzt eilte die Holde fort und erschien
-wirklich gleich darauf mit einem großen schwarzen Kerl, der einen
-Räuberhauptmann in den Abruzzen hätte vorstellen können.
-
-„Wie -- Sie unterstehen sich?“ begann der Kerl und rollte ein Paar
-Augen, die bei Gott -- wie kleine Granaten aussahen. „Sie wagen es,
-meine Freundin zu beschimpfen... von Diebstahl zu sprechen... von
-verlornen Uhren -- Ringen u. dergl....“ Mit diesen Worten trat er ihm
-dicht bis vor’s Gesicht hin, so daß der dicke Liebesheld erschrocken
-sich zurückzog, und mit bleichen Lippen stammelte: „Aber -- was wollen
-Sie -- mein Herr -- ich habe ja -- -- das Recht -- zu glauben -- --“
-
-„Was?“ brüllte der Schwarze: „Sie haben gar kein Recht,
-Niederträchtigkeiten zu glauben... Entweder haben Sie nicht einmal eine
-Uhr, einen Ring oder eine Brieftasche besessen -- -- und das Ganze ist
-nur eine elende Ausflucht, um der Bezahlung zu entgehen, welche Sie für
-das gestrige Mahl zu leisten haben... Oder aber, angenommen, daß Sie
-jene Sachen wirklich bei sich gehabt haben, so müssen Sie dieselben
-gestern, während Sie mit den Damen Skandal machten -- sich umherhetzten
-und zuletzt wie ein Igel über die Treppe rollten... bei dieser
-Spazierfahrt müssen Sie Ihre Preciosen verloren haben. -- Begreifen
-Sie mich nun?! -- Verstehen Sie -- mein Freund, wie? -- Oder aber --
-capiren Sie mich noch immer nicht?!“
-
-Die letzten Worte brüllte der verdammte Schwarze mit einer Bärenstimme
-und begleitete sie mit solchen Wolfs-Geberden -- daß der alte Adonis zu
-zittern anfing, wie Einer, der das kalte Fieber hat, -- und ferner kein
-Wort hervorzubringen vermochte -- als: „Schon gut -- schon gut -- --
-ich bin -- ja -- zufrieden....“
-
-„Wenn dies der Fall ist,“ versetzte der Schwarze, ein wenig den Ton
-seiner Bärenstimme mäßigend: „so können Sie gehen -- -- aber,“ fuhr er
-fort und wieder brüllte er ganz entsetzlich: „wofern Sie von der ganzen
-Geschichte nur das Geringste verlauten lassen, oder es wagen -- damit
-vor Gericht zu erscheinen, dann nehmen Sie Ihren Kopf in Acht.... ich
-reiße Ihnen denselben herab, wie einen Kohl aus dem Garten...“
-
-„Es soll nicht geschehen!“ bebte Althing und pries seinen Schöpfer, als
-er zur Thür hinaus war: „Das ist ja ganz unglaublich!“ sagte er zu sich
-auf der Straße: „Es wohnen ja da Menschenfresser unter uns! -- Wenig
-fehlte, so hätte der Kerl mir den Kopf abgebissen.... Gott sei meiner
-armen Seele gnädig!...“
-
-Noch nie war er von einem Rendezvous trauriger heimgekehrt, als
-diesmal.
-
-
-
-
-Siebentes Kapitel.
-
-Der Zurückgezogene.
-
-
-In einem alten abgelegenen Schlosse der Provinz, wohin seit einer
-langen Reihe von Jahren kein anderer Fuß gekommen war, als der der
-Landleute aus der Umgegend, welche kamen, dem Amtmanne (Verwalter)
-den Zehnten einzuliefern oder den gesetzlichen Arbeitsdienst auf dem
-Gute ihres Grundherrn zu verrichten -- in diesem einsamen düstern
-Schlosse, dessen Ursprung sich in die graue Feudalzeit verlor, war seit
-einigen Wochen ein regeres Leben eingezogen und mehrere Menschen gingen
-dort ab und zu, wo früher lange Zeit hindurch nur Fledermäuse und
-anderes Gethier umhergezogen waren. Dieses Schloß nun gehörte zu den
-Besitzungen des Grafen Alexander von A--x, war jedoch seiner Gemahlin
-sowie seinen Freunden aus verschiedenen Gründen unbekannt geblieben,
-worunter wir sogleich einen anführen wollen.
-
-An dieses Schloß knüpften sich sonderbare Erinnerungen aus der
-Jugendzeit des Grafen, die er hier im Kreise ähnlich gesinnter
-Gesellen -- auf eine Lord Byron’s würdige Weise durchlebt hatte. Hier
-wurden einst jene wilden, wüsten Orgien um Mitternacht gefeiert --
-hier Mädchen verführt und Gott gelästert -- hier in Wein, Würfeln
-und wüthender Leidenschaft ein Dienst Moloch’s begangen, von welchem
-der Aberglaube der Bauern noch jetzt, wie von einem übernatürlichen
-Treiben, woran der Teufel in eigener Person theilgenommen, sprach --
-und welche Epoche diejenige in des Grafen Leben war, von der dunkle
-Sagen selbst in die Hauptstadt gedrungen waren.
-
-Wir haben hiervon bereits am Eingange der gegenwärtigen Novelle
-gehandelt. --
-
-Natürlich, daß Alexander vor der Gesellschaft und besonders vor seiner
-Gemahlin einen Ort geheim zu halten suchte, an welchen sich ein
-Abschnitt seines Lebens knüpfte, den er in gereifteren Jahren und
-namentlich unter seinen ersten Verhältnissen zu Cölestine alle Ursache
-hatte zu desavouiren. -- Man wußte wohl, daß er wild und unbändig
-gelebt hatte -- aber +wo+ dies stattgefunden, konnte Niemand
-sagen. -- Jetzt in der verhängnißvollsten Lage seines Lebens erndtete
-Alexander die Früchte seiner klugen Verschwiegenheit -- -- er konnte,
-da er sich von seinem Hause und von der Welt trennte, in ein Schloß
-einziehen, von dem Niemand Kunde hatte, und wo er gesichert war, wie
-ein Verstorbener.
-
-Seit seiner Trennung von Cölestine lebte er hier. Wie uns bewußt
-ist, war seine Umgebung sehr klein und beschränkte sich auf den
-Sekretär und einige Diener, auf deren Treue und Verschwiegenheit er
-bauen konnte. Die Absicht, mit der er hierher gekommen, war, sich
-von allen Geschäften und vom Verkehr mit der Gesellschaft überhaupt
-zurückzuziehen und in Zukunft nur mehr als freiwilliger Verbannter,
-als Anachoret zu leben, zurückgezogen in seinen Stolz, in seinen
-Groll. -- In späteren Jahren wollte er nebenbei auch noch eine Reise,
-vielleicht eine sehr große vornehmen -- stets jedoch seine Einsamkeit
-behaupten. Er glaubte, die Welt hinlänglich kennen gelernt zu haben,
-und -- fand nur Verachtungswürdiges in ihrem Bereiche. Denn es hatte
-ihn nicht nur sein Weib betrogen -- seine Freunde, seine Bekannten,
-die, welche sich seine Getreuen, seine Brüder nannten -- sie Alle, aus
-früherer sowohl wie späterer Zeit, waren falsch, tückisch, heuchlerisch
-und feige gewesen, hatten ihm geschmeichelt, so lange es ihr Vortheil
-war, und flohen ihn, als er in’s Unglück kam. Diese Ansichten --
-welche übrigens bei ihm schon seit langer Zeit existirten -- waren
-jedoch nicht ganz das Resultat des Lebens, wie er glaubte, sondern sie
-beruhten großentheils auf seinem krankhaften, trübsinnigen und düstern
-Charakter, den wir hinlänglich kennen. -- Mag dem indeß sein, wie ihm
-wolle, er war ein Unglücklicher, in der That ein solcher, und nicht
-blos ein affektirender... Er verdient beklagt und nicht verspottet zu
-werden.
-
-Es wäre hier vielleicht der passende Ort, zwischen diesem Charakter und
-einigen ähnlichen, welche die neuere Poesie hervorgebracht hat, eine
-Parallele zu ziehen -- denn die moderne Romantik und Dramatik ist reich
-an düstern und stolzen Melancholikern -- wie die moderne Zeit, diese
-Zeit schwärmerischer, hochklingender Wünsche und schaler, trauriger
-Erfolge. Sollen wir hier die +Lara’s+, die +Corsaren+, die +Werther+,
-die +Meinau’s+, die +Arthur’s+, die +Wally’s+, die +Helden Georg
-Sand’s+ citiren? -- Doch nein, wir enthalten uns dessen, es würde doch
-eine undankbare Mühe sein, da man mit diesem Thema gegen eine nüchterne
-unbarmherzige Kritik stößt -- der es gefällt, dasjenige wegzuspotten,
-was doch vor ihren Augen in düsterer Wirklichkeit steht -- wollte sie
-sich nur die Mühe nehmen, die Augen aufzuthun. -- Aber schon weil man
-so gerne darüber spottet -- existirt es; denn am heftigsten hat sich
-die Satyre stets gegen das +Bestehende+ gerichtet. --
-
-Die Lebensweise Alexanders auf dem alten Schlosse war einförmig und
-bitterlich traurig. Er bewohnte einige Zimmer, die ihm die Aussicht
-auf den Wald und See boten, von welchen zwei Seiten des Schlosses
-umgeben waren. Diese Zimmer standen noch so, wie sie einer seiner
-Vorfahren mütterlicher Seits vor mehr als 100 Jahren verlassen hatte.
-Da sich die Conservationssorgen des Verwalters vorzüglich diesem
-Theile des Hauses zuwandten, so war es ihm gelungen, hier Alles noch
-im reinsten Geschmacke der Zeit der +Theresia+ zu erhalten ... Diese
-Zeit aber, die Freundin eines eben so prunkenden als reellen Luxus,
-hatte hier in fünf oder sechs Gemächern einen Reichthum an Sachen
-und Verzierungen aufgehäuft, womit man heut zu Tage ein großes,
-weitläuftiges Haus vollständig versehen könnte. -- -- Die schweren
-Seiden- und Sammttapeten, welche die Wände verhüllten, waren allein so
-viel werth, wie das ganze Ameublement einer mäßigen Wohnung unserer
-Zeit... Diese prachtvollen Spiegel aus venetianischen Fabriken --
-diese kunstreichen Uhren in kolossalen Gehäusen, wovon jedes ein
-Meisterwerk damaliger Kunst... diese Armstühle, schwer vergoldet
-und mit dicken Brokatstoffen, woran tausenderlei Blumen und Farben
-glänzten, überzogen... diese Tische aus einem Eichenholz, welches
-noch jetzt hart war wie Granit -- -- diese Schränke mit den in’s
-Fabelhafte gehenden Arabesken überladen -- -- diese Tischchen und
-Kästchen von eingelegter Arbeit... endlich diese großen Familien- und
-Schlachtengemälde aus einer Schule, die es mit den besten unserer
-Zeit aufnehmen konnte... und zum Schlusse noch alles das Uebrige,
-wovon eine hochadelige Wohnung damaliger Zeit erfüllt war und worunter
-sich Gegenstände befanden, deren Namen uns nicht einmal mehr geläufig
-sind... kurz in dieser Umgebung von 1700 und einigen Jahren lebte jetzt
-Alexander, ein moderner Mann, ein Zeitgenosse von uns.
-
-Noch vor Tagesanbruch erhob er sich aus seinem feudalen Himmelbette,
-kleidete sich ohne Beihilfe eines Kammerdieners an und lehnte sich
-durch’s offene Fenster in die kalte Luft eines dunklen Wintermorgens
-hinaus.... Es machte ihm ein stolzes Vergnügen, die Natur vor sich in
-ihrer erhabenen Erstarrung -- den Himmel in seinem grauen, zerrissenen
-Königsmantel zu sehen.... Und wenn so kein einziges Sternlein blinkte
--- der Mond sich dicht verhüllt hatte -- wenn der karge Wiederschein
-des Eises und Schnees das einzige Licht des Horizontes war -- daß
-solchergestalt dessen Dunkelheit erst recht sichtbar wurde... dann
-freute sich sein Herz, denn es fand jetzt Uebereinstimmung mit sich
-selbst, nach der ja ein jedes Herz verlangt -- mag dieser Einklang auch
-noch so traurig sein. Die Dienerschaft hatte den strengsten Auftrag,
-sich ihm nie anders, als gerufen zu nähern -- -- und oft verging ein
-halber Tag, ehe er nach dem Verwalter, Sekretär oder sonst Jemand
-verlangte. -- Häufig noch vor Sonnenaufgang ging der Graf in einen
-Mantel gehüllt hinaus in’s Freie und streifte bis in den abgelegensten
-Theil der Landschaft hinaus... Der Jäger traf ihn dann am Morgen mitten
-im Walde eine Meile vom Schlosse entfernt. Hier saß er auf einem
-hohen Felsenvorsprung -- -- und starrte hinaus in’s Leere, Gott weiß
-wohin.... der Jäger aber schlug ein Kreuz, denn dieser Felsen war aus
-der Vorzeit her sehr berüchtigt, was schon sein Name „der Heidenfelsen“
-hinlänglich andeutet -- und überdies noch leiblich gefährlich, denn
-von ihm war es so schwer herab zu kommen, daß Niemand Lust hatte,
-+hinauf+ zu gehen....
-
-Die übrigen Stunden des Vormittags brachte Alexander eingeschlossen
-in seiner Bibliothek zu, die hier sehr alt, aber eben deshalb ganz
-seinem Bedürfniß gemäß war. -- Besonders an diese Bibliothek knüpfte
-der gemeine Aberglaube -- seine Beweise an. -- Hier wie dort in der
-Stadt übten die großen Bücher und unerklärbaren Instrumente auf die
-guten Leute der Gesindstube und des Dorfes eine unheimliche Macht aus;
-denn die Macht der Bücher ist so gewaltig, daß derjenige, welcher sich
-sträubt, den Gott in ihnen anzuerkennen, wenigstens vor dem Teufel
-zittern muß, den sie enthalten sollen. --
-
-Das Mittagsmahl verzehrte Alexander ebenfalls einsam in einem
-weitläuftigen Speisesaale, was einen sonderbaren, gespensterhaften
-Anblick bot und die Diener, welche die Speisen hereintrugen, zittern
-machte, so daß sie zwei oder drei Mal schon die Teller hatten fallen
-und den Wein auf die Tafeldecke fließen lassen.... Nur wenn der
-Sekretär oder der Verwalter ihren Herrn dringend zu sprechen hatten,
-durften sie ihn bei seiner einsamen Mahlzeit -- dafür aber auch zu
-keiner andern Stunde -- besuchen, und er wies ihnen dann sich gegenüber
-einen Platz an, jedoch ohne sie zum Essen aufzufordern.... was einiger
-Maßen der Mahlzeit mit dem steinernen Gaste ähnlich sah. --
-
-Nach Tische machte er einen Ritt -- Niemand wußte wohin, denn noch
-Niemand hatte ihn hierbei begleitet. -- Oft kehrte er erst in später
-Nacht zurück, schweißtriefend oder durchnäßt vom Unwetter, das Pferd
-aber häufig so ermattet, daß er es lange nicht wieder brauchen konnte
-und der aufmerksamsten Pflege übergeben mußte.
-
-Die schroffe Abgesondertheit, welche er im Schlosse gegenüber seinen
-Beamten und Dienern behauptete... änderte er auch nicht außerhalb
-desselben -- und er blieb seinen Unterthanen jetzt eben so fremd, wie
-er es ihnen seit jeher gewesen war. -- Nur in einer Hinsicht priesen
-sie sich, im Vergleich zu jenen früheren Zeiten, glücklich, und ihre
-diesfälligen Befürchtungen waren nicht eingetroffen. Früher verdarb
-er mit seinen Gesellen ihre Felder -- hetzte ihr Vieh -- und bei den
-Jagden sie selbst -- entführte ihre Mädchen -- und lästerte ihren
-Gott.... jetzt that er, wenn auch nicht unmittelbar, fast eben so viel
-Gutes an ihnen; so zwar, als hätte er den Willen gehabt, ihnen den
-alten Schaden zehnfach zu ersetzen, und Wunden, welche längst vernarbt
-waren, als frischgeschlagene zu heilen. -- In kurzer Zeit wurde der
-Name des „gnädigen Herrn Grafen“ eben so gesegnet, als er früher
-verflucht ward -- und während man damals wünschte, jener Teufel, mit
-dem er einen Bund geschlossen, möchte ihn recht bald holen -- betete
-man nunmehr für die Seele des armen Herrn, auf daß ihr Satan und seine
-höllische Macht fern bleibe. -- In Wahrheit, eines Tages begab sich
-eine Deputation aus den zwei nächsten Dörfern zum Pfarrer und ersuchte
-denselben ernstlich, kraft seiner priesterlichen Würde in dieser Sache
-das Seinige zu thun, was in nichts Geringerem bestehen sollte, als in
-der Austreibung Beelzebubs aus dem Leibe des „gnädigen Herrn.“ Der
-Pfarrer -- ein in dieser Hinsicht mit ihnen auf gleicher Geistesstufe
-stehender Mann -- nahm Alles wirklich so, wie es ihm geboten wurde,
-und versprach, nach Kräften für die Erlösung des Gutsherrn zu wirken;
-hierbei schien ihm der Exorzismus eben so wohl das einzige, wie das
-unzweifelhafteste Mittel, da dies Mittel sich obendrein erst vor Kurzem
-an einer Viehmagd bewährt hatte, die nächtlich stets von einem großen,
-dicken bösen Geiste geplagt wurde, der in ihren Stall kam und sie
-während des Schlafes (die Dirne hatte einen etwas kräftigen Schlaf,)
-so lange quälte und drückte, bis sie stets davon erwachte und ihn mit
-dem Besen davon trieb. -- Seit der Geistliche nun den Exorzismus mit
-ihr vorgenommen hatte -- war vom Teufel keine Spur mehr zu sehen. --
-Zufällig nur erkrankte um dieselbe Zeit ein großer dicker Knecht in
-der Nachbarschaft, welcher Umstand jedoch weder von der Magd, noch
-vom Teufelsbanner, noch aber von den andern klugen Köpfen des Dorfes
-berücksichtigt wurde.
-
-Der Pfarrer empfing die Deputation in seinem Hofe, als er eben aus
-dem Gänsestall, mit einer fetten Gans unter dem Arme, kam: „Also, Ihr
-meint, der gnädige Herr sei wirklich vom -- Gott sei bei uns besessen,
-liebe Kinder?“
-
-„Ganz gewiß, Euer Hochwürden -- -- und vielleicht nicht blos von
-einem; es mögen da wohl ein Dutzend in ihm ihr arges Wesen treiben!“
-antwortete der Führer dieser Deputation, ein alter Bauer, der schon
-drei Mal in Wien und einmal sogar in München gewesen war, deshalb auch
-für ein absonderliches Lumen galt. --
-
-„Aber welche Beweise habt Ihr, meine lieben Pfarrkinder, daß dies mit
-dem gnädigen Herrn wirklich --?“ er sprach das Wort nicht aus, denn so
-eben hatte die Gans unter seinem Arme sich ein wenig allzunatürlich
-betragen und den Pfarrrock des guten Pfründners in Verlegenheit
-gebracht, -- -- sogleich beeilten sich die Mitglieder der Deputation,
-ihm ihre Dienste anzubieten, wischten und putzten mit Fingern und
-Rockärmeln, bis die Verlegenheit der schwarzen Toga gehoben war. --
-
-Der Pfarrer, noch immer die Gans fest unterm Arme haltend -- dankte
-ihnen lächelnd und fuhr nun im Verhöre fort: „Ich fragte Euch, Ihr
-lieben Leute, nach den Beweisen, auf die Ihr Euere Behauptung von des
-Herrn Grafen Unglück stützt? Was habt Ihr Besonderes an ihm bemerkt?“
-
-„Euer Hochwürden -- -- erstens ist der gnädige Herr ohne die gnädige
-Frau, auf die wir uns so gefreut haben und zu deren Empfang wir sogar
-eine Triumphpforte aus Pappe, mit Raketen und Puffern gespickt, beim
-Kaufmann bestellt haben, gekommen....“
-
-Der Pfarrer dachte ein wenig nach, gab dann der Gans, welche sich zu
-bewegen anfing, einen Schlag auf den Kopf und versetzte ernst: „Das ist
-Etwas! -- -- Aber ferner?“
-
-„Ferner,“ fuhr der Sprecher fort: „ferner ist der gnädige Herr den
-ganzen Tag über eingeschlossen -- redet mit keiner Menschenseele....
-sondern blos --“
-
-„Sondern blos -- -- meine Kinder?“
-
-„Mit sich selbst!“
-
-„So?!“ betonte der Parochus -- und gab seiner Gans abermals einen
-Schlag, denn sie wollte keine Ruhe annehmen, sie schien ein äußerst
-rebellisches Gemüth....: „Das ist,“ nahm er jetzt das Wort und machte
-dabei die allertiefsinnigste Miene: „das ist allerdings ein wichtiger
-Umstand, meine Freunde.... Er redet mit sich selbst -- -- das ist
-böser, als ich glaubte. Doch weiter -- weiter -- ich muß Alles wissen!“
-
-„Der gnädige Herr Graf macht ferner oft um Mitternacht einsame
-Spaziergänge in den Wald -- und man sieht ihn in der Morgendämmerung
-auf dem +Heidenfelsen+ sitzen, wobei er wild die Augen rollt, wie
-zwei feurige Kugeln -- mit den Armen umherficht, als kämpfte er gegen
-Jemand in der Luft -- und dabei hört man in der Nähe ein gellendes
-Hohngelächter ..... selbst Feuerflammen blitzen auf und der ganze Ort
-hat dann einen Schwefelgeruch.“
-
-„Gott steh’ uns bei!“ rief hier der fromme Priester und entsetzte sich
-so, daß er die Gans losließ, welche unter abscheulichem Geschrei auf
-die Erde fiel und mitten zwischen die Beine der Deputirten fuhr, daß
-diese, in der Meinung, es sei der Teufel selbst, von dem sie so eben
-sprachen -- in Aufruhr geriethen -- -- und sammt dem Pfarrer, der so
-wie sie dachte, in alle Winde auseinander stoben.
-
-Die Illusion war in der That zu stark geworden.
-
-Tags darauf kamen sie wieder zusammen und nun wurde ausgemacht, daß
-Se. Hochwürden im Ornate und mit den nöthigen Requisiten versehen --
-auch von ihnen, den Deputirten, begleitet, dem Grafen auf einer seiner
-Wanderungen nachfolgen, an einem bösen Orte mit ihm zusammentreffen und
-ohne Rücksicht auf den unterthanlichen Respekt ihn umzingeln sollten
--- der Geistliche aber sollte dann zu ihm in den Kreis treten, um das
-heilsame Werk in aller Form zu vollbringen. --
-
-Zum größten Mißvergnügen der braven Leute machte ihr Gebieter seit
-einiger Zeit seine Ausflüge nur zu Pferde, und da konnten sie auf ihren
-Dorfmähren ihm nicht nachsetzen; überhaupt verstand der geistliche Herr
-auch besser in seinem Lehnstuhle, als auf einem Pferde zu sitzen -- und
-so mußte man denn auf ein neues Auskunftsmittel denken.
-
-Man hatte bemerkt, daß der Graf in letzterer Zeit seine Touren weniger
-geheimnißvoll als sonst gemacht -- auch dabei stets eine und dieselbe
-Richtung eingeschlagen habe, woraus man scharfsinnig schloß: er muß ein
-+bestimmtes+ Ziel verfolgen. Voll von diesem fruchtbaren Gedanken
--- unternahmen die Teufelsaustreiber Folgendes. Zuerst versahen sie
-sich mit Lebensmitteln auf mehrere Tage, denn sie waren fest überzeugt,
-der Graf begebe sich täglich mindestens 20-30 Meilen weit, was ihm
-bei seinem höllischen Mittel sehr leicht fiel. Nach diesem stellten
-sie sich auf die Lauer und beobachteten sein Abreiten vom Schlosse;
-sie folgten ihm nun auf seinem Wege ungesehen nach -- behielten ihn
-jedoch, so lange es ging, im Auge. Als sie ihn nicht mehr sahen
--- -- hielten sie an, lagerten sich neben dem Wege im Gebüsch und
-warteten hier bis Morgen, wo er wieder vorbeikommen würde. Er erschien
-wirklich -- und nun nahmen sie die gestrige Operation von Neuem vor,
-sie begleiteten ihn wieder auf versteckten Wegen -- so lange, bis er
-wieder ihren Blicken entschwand ... dann blieben sie abermals stehen --
-und wiederholten dies geduldig, bis sie mit ihm fast zugleich an dem
-verhängnißvollen Orte anlangten.
-
-Es war dies ein kleiner Weiler, drei Stunden vom Schlosse entfernt.
--- Die Deputation jedoch bildete sich wirklich ein, zum wenigsten zwei
-Tagereisen weit sich von ihren Dörfern zu befinden.
-
-Man quartierte sich in der verlassenen Lehmhütte irgend eines Hirten
-ein, denn um ihrem Wahnsinn die Krone aufzusetzen, bildeten sich
-die braven Leute auch noch ein, äußerst ermüdet zu sein. Man wollte
-den nächsten Tag abwarten, heute nichts Ernstliches mehr vornehmen,
-sondern höchstens insgeheim Erkundigungen einziehen und das große Werk
-vorbereiten. Und was man in Erfahrung brachte, schien den guten Leuten
-schrecklich genug, um die Haare ihres Hauptes sich emporsträuben zu
-machen. In einem kleinen, am äußersten Ende des Weilers gelegenen
-Hause sollte nämlich eine Frau mit ihrer Tochter wohnen, welche die
-Besitzerin dieses Grundstücks war -- da der Mann bereits vor längerer
-Zeit gestorben. Wovon diese zwei Frauen sich nährten, konnte man
-nie erfahren; es fehlte ihnen an nichts und -- doch arbeiteten sie
-nicht, sondern ließen auf einem Theile ihres Ackers, für den sie
-keinen Pächter fanden, Gras und wildes Gesträuch wachsen. Sie pflogen
-mit den Dorfleuten durchaus keinen Umgang -- was für die Mutter
-des Mädchens auch unmöglich gewesen wäre, denn sie litt an einem
-langwierigen Siechthum, welches man, da das so ganz in den Kram der
-hiesigen Einwohner paßte, dem bösen Geiste zuschrieb, der in diesem
-abgeschlossenen Hause sich aufhalte. Man wußte nur noch zu sagen,
-daß das Mädchen von ungewöhnlicher, zarter Schönheit sei, gar nicht
-aussehe, wie ein Bauernkind, und daß sie allemal zu gewissen Zeiten des
-Jahres nach dem herrschaftlichen Schlosse gehe, obgleich der Weiler
-nicht zu Alexanders Besitzungen gehörte. Alles das war, wie man sieht,
-sehr wenig in der Ordnung, sehr geheimnißvoll, und daher teufelsmäßig.
-
--- Dieses Haus und diese Leute nun hatte der Graf seit einigen Wochen
-regelmäßig Tag für Tag besucht und bei ihnen oft bis zum späten Abend
-verweilt. Man wollte gehört haben, wie dann die „Besessene“ drinnen
-in der Stube -- schrie, heulte und wildes Zeug trieb -- während das
-Mädchen laut weinte -- der Graf aber mit ernster und gemessener Stimme
-unverständliche Worte dazwischen sprach -- gleichsam, als redete
-er mit dem Bösen in der Kranken. Oft wurde der Lärm, welchen diese
-machte und das mystische Zureden des Grafen so laut und eifrig, daß
-die ehrlichen Horcher davon liefen, fürchtend, die Alte würde noch zum
-Fenster herausspringen -- und Unheil im Dorfe anrichten....
-
-Es war heute gerade Mittwoch, und der Pfarrer bezeugte darüber eine
-große Freude, „denn,“ sagte er zu seiner kleinen Heerde -- „der morgige
-Tag, als ein +Donnerstag+, ist zur Bannung des bösen Geistes,
-welcher, wie klar am Tage liegt, in diesem Hause einen Hauptstapelplatz
-besitzt, außerordentlich günstig.“ Am Donnerstag war der Graf früh
-Morgens im Weiler angekommen, und nachdem er sein Pferd in einem
-Nachbarhause eingestellt hatte, verfügte er sich nach der Wohnung der
-zwei Frauen; die Verschwornen, oder besser, die Alliirten säumten
-nicht, auf Umwegen ihm rasch zu folgen, und nahmen, indem sie hinten
-über eine Gartenmauer setzten, von dem Hause in so weit Besitz, als
-sie nur mehr in die Stube einzudringen brauchten. Sie zögerten jedoch
-mit diesem letzten Schritt -- denn der Pfarrer wollte den Teufel
-zuvörderst +behorchen+ -- um zu sehen, was es für ein Teufel wäre
-und wieviel Gesellen er bei sich habe... Se. Hochwürden steckten sich
-daher in’s Ofenloch und -- -- vernahmen, sahen auch durch eine Ritze
-wunderliche Dinge.
-
-In einer kleinen Stube, deren Fenster mit Vorhängen aus grüner Sersche
-verhangen und außerdem auch noch durch Blumenranken verstellt waren --
--- die Einrichtung hier deutete auf kein Bauernhaus, sondern athmete
-bürgerlichen Wohlstand -- -- stand ein großes Bette mit dem weißesten
-Linnenzeug überzogen, darin lag eine kranke Frau. Neben ihrem Kopfe
-saß ein junges Mädchen von seltener Anmuth, nicht über 15 Jahre alt
--- und zu den Füßen des Bettes saß der Graf. -- Auf dem Gesichte der
-Kranken wechselte ein lebhaftes Mienenspiel, welches demselben bald den
-Ausdruck ungeheuren Schmerzes -- und gleich darauf wieder jenen sanfter
-Ergebung, inniger Rührung ertheilte. In diesem Augenblick schien der
-letztere Ausdruck auf längere Zeit den Sieg davon tragen zu wollen;
-die kranke Frau -- sie mochte nicht viel über 30 Jahre alt sein --
-stieß einen langen Seufzer aus, richtete das zuvor flammende Auge mit
-unendlicher Milde auf Alexander und sprach mit einer Stimme, die aus
-innerstem Herzen zu kommen schien: „So sind Sie also gekommen!... So
-haben Sie also der armen niedern Frau, die Sie einst durch Ihre Liebe
-so glücklich machten, nicht vergessen, Herr Graf?“
-
-Hier schwieg sie ermattet und faltete die Hände, als wollte sie ihm
-damit jenen Dank ausdrücken, welchen zu stammeln ihre Lippe zu schwach
-war.
-
-„Nein, nein!“ antwortete Alexander bewegt und düster sie anblickend
--- „ich habe Ihrer nicht vergessen -- Margaretha... Ich habe nicht
-vergessen, wie Sie mich liebten, als ich im wüsten Jugendtaumel ein
-reines und treues Herz noch nicht schätzen gelernt hatte.... Jetzt ist
-es anders geworden....“ setzte er leise vor sich hinzu: „O!“ sagte
-er mit gebrochenem Tone: „Wie haben Sie mich geliebt! Und wie habe
-ich es Ihnen vergolten!“ Nach diesen Worten sank sein Haupt auf die
-Brust herab, welche heftig athmend einen schweren Kampf zu bestehen
-schien....
-
-„Ja,“ entgegnete sie -- „ich habe Sie so geliebt, Herr Graf -- daß ich
-um Ihretwillen elend, entsetzlich elend geworden bin.... die unheilbare
-Krankheit, an der ich leide, hat bereits mein Lebensmark aufgezehrt --
--- und bald -- bald....“ Sie wollte fortfahren, hatte jedoch hierzu
-nicht mehr die Kraft.
-
-Mittlerweile erfüllte das Schluchzen des Mädchens das Gemach und
-Alexander reichte ihr die eine, ihrer Mutter die andere Hand, so daß
-Geliebte und Tochter von ihm gehalten wurden.
-
-Denn so verhielt es sich in der That. Alexandrine, dies der Name des
-Mädchens -- war sein Kind; ihre Mutter hatte vor sechzehn Jahren
-zu jenen Unglücklichen gehört, die sich damals den schmeichelnden
-Lockungen und der rohen Gewalt des Wüstlings ergeben hatten, bei
-jenen Orgien, welche er mit einem Trupp ähnlich gesinnter Freunde
-feierte.... Der Unterschied zwischen ihr und den andern Opfern seiner
-wilden Begierden war der -- daß sie unglücklich genug war, eine
-wahre Leidenschaft für ihren Verführer zu fassen, durch welche sie,
-nachdem sie lange mit ihr gekämpft und sie in ihrem späteren ehelichen
-Verhältniß auch zum Scheine bezwungen hatte -- zuletzt in jene
-schreckliche Krankheit fiel, die jetzt an ihrem letzten Lebensmark
-zehrte. --
-
-„Sie wollten vorhin noch etwas sagen -- liebe Margarethe!“ erinnerte
-nach einer Weile der Graf: „Reden Sie! Häufen Sie Anklage auf Anklage
-über mein Haupt... führen Sie Verbrechen auf Verbrechen an, die ich
-an Ihnen begangen habe, als ich noch der Thor war, zu glauben, die
-Welt sei nur da, mir das, was ich damals Freude und Lust nannte, zu
-bereiten. -- O beginnen Sie! Scheuen Sie sich nicht -- ich werde Alles
-geduldig anhören... und meine Reue wird Ihrem Zorne, Ihrem Unglück
-gleich sein...“
-
-„Nein --“ sagte Margarethe: „glauben Sie ja nicht -- daß ich Ihnen
-zürne!... Ich würde Sie ja dann nie geliebt haben, Herr Graf! -- --
-Ach, ich schelte Sie nicht -- ich habe Sie niemals gescholten, daß
-Sie ein armes Mädchen verließen -- Sie, ein großer Herr. Was sollten,
-was konnten Sie denn anders thun.... früher oder später mußte es doch
-geschehen. Wer hieß mich eine so maßlose Liebe für Sie fassen... der
-so hoch über mir steht und sich nur auf einen Augenblick zu mir
-herunterneigen konnte... Waren Sie denn nicht ehrlich genug an jenem
-Abend, da Sie mich zum ersten Male -- in Ihr Schloß brachten -- und
-Ihren Freunden zeigten -- ausrufend: „das kleine Ding da sagt, sie
-liebe mich und wolle nicht, daß ich auch noch Andern gut sei.... das
-Närrchen -- das thörichte Landkind... Sie macht mich lachen!...“ Hatte
-ich beim Anhören dieser Worte denn nöthig, Ihnen noch weiter zu folgen?
--- Und doch folgte ich, und doch kam ich noch so oft selbst und zog
-Sie noch so oft an meine Brust.... Ich kann,“ schloß die Frau, „Ihnen
-nichts aufbürden, Herr Graf.... Ich kann nur über mein Schicksal
-weinen.... Dieses allein hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe,
-nicht Sie.“
-
-Die Rede hatte Margarethe so angegriffen, daß sie nach den letzten
-Worten in eine Art Lethargie verfiel -- worin sie ein leibhaftes Bild
-des Todes vorstellte.
-
-Alexander verhüllte sich das Gesicht mit beiden Händen -- das Mädchen
-aber warf sich auf ihre Mutter hin, umklammerte sie mit beiden Händen
-und schrie angstvoll: „Mutter! Mutter! -- liebe gute Mutter.... fasse
-Dich.... stirb mir nicht.... der Herr Graf ist ja hier! Du siehst
-ihn ja vor Dir stehen.... und sagtest Du nicht stets: „Ach, wenn nur
-er kommen möchte! Wenn er nur da wäre! Wenn ich ihn nur noch ein
-Mal mit meinen Augen sehen könnte... denn er ist Dein Vater und ich
-habe Dich ihm geboren!...“ Das sagtest Du so oft, gute Mutter -- und
-setztest hinzu -- -- „dann, dann würde ich wieder ruhig -- dann sollte
-meine Seele zufrieden und mein Leib gesund werden!“ Und -- nun da er
-hier ist, er, den ich so gern Vater nenne, weil er so gut gegen mich
-und Dich ist... nun, meine arme Mutter, hältst Du Dein Versprechen
-nicht.... nun wirst Du mir wieder unglücklich, krank und elend! --
--- O mein Gott! mein Gott -- erbarme Dich unser!“ So jammerte dieses
-zarte, unschuldige Geschöpf, dessen Miene der Ausdruck frommer, inniger
-Herzensgüte war und dessen Stimme so hold und rein klang, daß man sie
-tief gerührt hörte. -- In der That schien diese holde Stimme auch
-wunderbar auf die Kranke zu wirken -- sie regte sich wieder und begann
-nach einer Weile in eine Art von Clairvoyance zu fallen: „Kommt doch
-her und seht mich an --“ sprach sie -- „wie schön ich bin, wie gut
-ich es habe! Mich liebt ein junger schmucker Graf... Er hat es mir
-tausend Mal sagen wollen.... aber er schwieg immer.... weil er mich
-damit zu erzürnen fürchtete....! -- -- Oh, er weiß aber auch, daß ich
-ihn liebe.... Nein, nein! er weiß nichts, gar nichts! -- -- Er hat
-keine Ahnung davon! -- Und ich -- ich will es ihm auch nicht früher
-sagen, als um Mitternacht.... wenn wir schlafen .... dann will ich ihn
-aufwecken und flüstern: -- -- Schäme Dich, schmucker Edelmann -- -- Ich
-bin blos eine Bauerndirne -- und Du gibst Dich mit mir ab. -- Oder nein
--- Du magst mich nicht -- und +ich+ laufe Dir nach.... Hahaha! --
--- Mit Hunden solltest Du mich vertreiben lassen -- denn ich belästige
-Dich in Deinem goldnen Schlosse.... und Deine Ahnen, die grinsen auf
-mich herab und sprechen: Was will die unter uns? -- Gehört sie denn
-hierher? -- Mag sie dahin gehen, woher sie kam.... von den Mägden! --
-Ah! Ah! das ist recht! das ist gut! -- Es geschieht ihr, wie sie es
-verdient. -- Fort mit ihr! Hinaus aus dem Schlosse! Hinaus aus dem
-Dorfe! Einen Mühlstein um den Hals -- und in’s Wasser mit ihr, der
-schändlichen Dirne! -- --“
-
-Dieser Irrsinn artete jedoch keineswegs aus; er hatte keine
-Gewaltthätigkeiten im Gefolge, wie er denn auch erst seit Kurzem sich
-bei der Kranken einstellte, jedoch mit immer größerer Intensität. --
-
-Endlich nach einer viertelstündigen Dauer hörte dieser trostlose
-Zustand auf und die Spuren des Paroxysmus schwanden allgemach dahin
--- -- der allmächtigen Rückkehr jener Milde und stillen Zufriedenheit
-Platz machend, welche eine Folge der Gegenwart Alexanders zu sein
-schienen... Nach einem innigen, seelenvollen Blick, den sie lange auf
-ihm verweilen ließ -- redete die arme Margaretha wieder: „O -- er ist
-noch immer da.... Er geht, er verläßt mich nicht! Er spottet nicht
-über mich... es ekelt ihm nicht vor mir! O, wie gut ist er!... und
-ich, ich habe ihn so verkannt.... Ich, so geringe Ansprüche ich an
-ihn auch hatte und so wenig ich auch hoffen durfte, daß sie durch ihn
-erfüllt würden -- (denn am Ende hat er ja doch Alles gethan, was er mir
-schuldig war: indem er für unsere Zukunft sorgte) -- -- ich sehe jetzt
-dennoch Alles über die Maßen erfüllt! -- Er ist hier! Er kommt täglich
-an meine Lagerstätte...“
-
-Sie schwieg. Augenscheinlich schien die Quelle ihres Lebens schon
-gänzlich verrinnen zu wollen; man hörte ihr Rauschen von Stunde zu
-Stunde weniger. Vor mehreren Monaten konnte Margaretha noch frei in der
-Stube umhergehen -- jetzt seit langer Zeit hatte sie das Bett nicht
-mehr verlassen -- und nur die Intervalle ihres Leidens, nicht aber
-das Wesen desselben, waren seit Alexanders Besuchen ein wenig milder
-geworden. --
-
-„Ich weiß,“ sagte sie nach einer Weile, wobei sie in den Armen ihres
-Kindes lag: „daß diese Stube und meine Nähe kein Aufenthalt für Dich
-ist -- theurer Alexander. Das, was der Schmerz und meine Traurigkeit
-mich zu Zeiten ausstoßen ließ, sollte Dir ewig verborgen bleiben. Es
-ist nicht gut -- wenn ein Kind die Vergehungen ihrer Mutter aus dem
-eigenen Munde derselben hört -- ihre Schande mit eigenen Augen sieht
--- es ist kummervoll und wenig lehrreich für sie. -- Aber,“ setzte sie
-darauf weinend hinzu: „vielleicht ist es eben gut und nützlich! --
-Du hast an mir ein Beispiel, meine Tochter, -- dem Du nicht nachahmen
-wirst! --“
-
-„O,“ dachte Alexander bei sich, dessen Herz blutete, -- „ich habe
-dieses Alles verdient! -- Die Strafe, welche ich in diesem Augenblick
-erleide -- ist schwer, aber gerecht. -- -- Mein Uebermuth, meine
-wilde Begierde hat hier zwei Seelen zu Grunde gerichtet -- -- denn
-was war das Leben von Mutter und Tochter? Eine Kette von Schmerz! --
--- -- -- Ach, ach!“ versank er immer tiefer in den Abgrund seiner
-Selbstanklagen: „und erst jetzt denke ich daran! Jetzt, nach 12
-Jahren.... nachdem es längst zu spät -- nachdem eines dieser Herzen
-gebrochen ist.... denn bald, bald wird es ausgepocht haben! Jetzt
-erst nahe ich mich ihm -- und will ihm Rettung bringen... So wäre ich
-niemals hierher geführt worden, wenn mich nicht das eigene Unglück
-hierher geführt hätte! -- So mußte ich selbst erst betrogen und
-verlassen werden, um zu begreifen, wie entsetzlich das schmerzt?! --
-Ja, ja, arme Märtyrin der Treue, die Du da vor mir liegst -- ich habe
-es jetzt selbst kennen gelernt -- wie bitter die Täuschungen, wie
-tödtlich die Leiden der Liebe sind. -- O, um aller Seligkeit willen
-möchte ich kein Herz mehr kränken, das mich geliebt hat -- eher wollte
-ich sterben, als noch einmal falsch lieben! -- -- Falsche Liebe! --
-Teufel in Heiligengestalt, du küssest unser Herz, um mit unsichtbarem
-Vampyrrüssel das Blut aus demselben zu saugen!... Falsche Liebe --
-ewige Paradiesesschlange! die du seit Jahrtausenden die Menschheit
-verlockest -- ihr süßes Glück versprichst und ewigen Tod sendest. --
--- -- -- O, mich faßt fürwahr der Glaube, daß wahre Liebe gar nicht
-lebe. Sie ist ein Hirngespinnst, ein Traum der Dichter! -- Noch nie
-hat es eine glückliche Liebe gegeben .... mir ist keine bekannt.
-Entweder betrog er sie -- oder sie betrog ihn. Das ist das Ende vom
-Liede. -- Wer etwas Besseres über die Sache zu sagen weiß, der komme
-hierher und rede... er soll an mir einen aufmerksamen Zuhörer finden --
-aber glauben, glauben werde ich ihm nicht, bis er mir Beweise bringt;
-handgreifliche Beweise. -- O, der +Prinz von Dänemark+ hat Recht:
-„Wir sind Alle geborne Schurken!“ -- Dies ist der größte Lehrsatz in
-Poesie und Geschichte....“
-
-Er war bei seinem Monolog unwillkührlich laut geworden und Mutter wie
-Tochter hörten seiner Rede mit Verwunderung zu. Da wandte er sich an
-Alexandrine, ergriff das liebliche junge Wesen an beiden Händen und zog
-es zu sich an seine Brust -- dann legte er eine seiner Hände auf ihr
-Haupt, sah ihr ernst und schwermüthig in’s rosige Angesicht und sprach:
-
-[Illustration: Seite 181]
-
-„Vertraue keinem Manne, wenn Du groß sein wirst... und fliehe Jeden,
-der Dir von Liebe sprechen will. Denn sei gewiß, er will Dich betrügen!
--- Achte auf meine Worte, holdes Kind, und präge sie Deinem jungen
-Gedächtnisse ein. Vielleicht verstehst Du ihren Sinn noch nicht
-ganz.... O möchte er Dir nie durch die Erfahrung deutlich werden!“
-Jetzt verstummte er und ergab sich den zärtlichsten Liebkosungen, die
-er im Uebermaße an das Mädchen verschwendete, und wobei die Thränen
-dieses sonst so festen Mannes rannen, als hätte er damit alle Flecken
-der Geburt von Alexandrinen abwaschen wollen.
-
-„Nie hätte ich gedacht,“ flüsterte er ihr zu: „ein so liebes Kind --
-ein so holdes Töchterchen zu besitzen! -- Ach, ach, Dein Vater hatte
-Dich gänzlich vergessen -- arme Kleine.... nur einmal im Jahre, wenn er
-Euch seine karge Unterstützung auf’s Schloß sendete, erinnerte er sich
-während eines Momentes, daß Ihr noch lebt. -- Aber wie geschah das? --
-So erinnert der große Herr sich seines Knechtes, seiner Magd -- seines
-Hundes. Er weiß blos, daß er ihnen zu essen geben muß; im Uebrigen hat
-er keine Gedanken für sie. -- -- O Schmach! O Schande! und auf diese
-Weise wurdet Ihr von mir behandelt.... Ihr, die Ihr zwei Engel seid,
-für welche diese Erde zu schlecht, zu niedrig ist. Ach, erst jetzt bin
-ich fähig, Euern Werth zu schätzen -- da ich sehe, daß Ihr das seit 13
-Jahren in Geduld traget, unter dessen Last ich seit etlichen Wochen
-schon fast zusammengebrochen bin -- O, meine Tochter, noch ein Mal!
-Liebe keinen Menschen! -- Niemand ist Deiner würdig... denn Du bist das
-Ebenbild Deiner Mutter, an Leib wie an Seele. -- Liebe niemals! -- Es
-gibt keine Liebe! -- --“
-
-„-- -- Und was ist denn das Gefühl,“ fragte er sich rasch: „welches
-Margarethe einst mir -- -- und ich Cölestinen gewidmet? -- Ist dies
-denn nicht Liebe? -- -- -- -- O! O!“ stöhnte er: „Man könnte wahnsinnig
-werden, wenn man lange nachdenkt! -- Eine schreckliche Verwirrung
-entsteht in unserm Gehirne, wenn es über diesen Punkt grübelt. Tausend
-Fälle verneinen -- zwei bejahen das Dasein der Liebe... Also lebt Liebe
-doch!“ rief er mit einem Male aus: „Ja, sie lebt! -- -- -- -- Aber ich,
-ich werde sie nimmer mehr finden!“
-
-Er blieb noch mehrere Stunden bei den Frauen. Die Kranke sprach nur
-wenig und die ganze Thätigkeit des jungen Mädchens schien sich auf
-Weinen und stilles Wehklagen zu beschränken .... denn dieses Kind
-hatte eine Vorahnung von der baldigen Auflösung ihrer Mutter. Alles
-Zureden, alle Trostsprüche, alle Liebkosungen des Grafen konnten sie
-nicht beruhigen -- -- indeß die Kranke selbst den Tod nicht zu fürchten
-schien, da sie ja, wie sie sich mit erschütternder Wonne ausdrückte:
-„in den Armen ihres wiedergefundenen Freundes und Herrn sterben
-werde!“ --
-
-Ein stiller Trübsinn lagerte sich zuletzt über Alexanders ganzes Wesen
--- weit tiefer, als jener, der ihm angeboren war und mit welchem er
-sich seit so vielen Jahren umhertrug. -- So, in dieser Stimmung nahm er
-Abschied von der Kranken, indem er versprach, morgen früher als sonst
-wiederzukommen und nicht eher zu scheiden, als zu dieser gegenwärtigen
-Stunde. --
-
-Alexandrine begleitete ihn über die Schwelle des Hauses, wo er sie
-auf die Arme nahm und lange, lange, so fest und warm an seine Brust
-drückte, als wollte er sie nicht wieder fortlassen .... nachdem er ihr
-noch einen Kuß auf die weiße Stirne gegeben.... entfernte er sich mit
-raschen Schritten durch das Gärtchen, von dessen Thür er den Schlüssel
-hatte....
-
-Kaum war er auf freiem Felde angelangt -- als eine Bande fremder Kerle,
-wovon Einige Pechfackeln, Andere Stöcke und Prügel in der Hand trugen,
-ihm entgegen stürzten, drei bis vier sprangen heraus wie Tieger, und
-sich an seinen Arm, an seinen ganzen Körper hängend, rissen sie ihn zu
-Boden, legten ihn platt auf die Erde, mit dem Gesichte gegen den Himmel
-gekehrt, der diesmal voller Sterne war.
-
-Darauf trat einer, schwarz wie ein Schornsteinfeger aussehend, vor ihn
-hin -- fing an in lateinischer Sprache zu singen, zu schreien und zu
-heulen... ging und lief rund herum -- goß ihm eine Menge Wassers auf
-den Kopf -- und räucherte mit allen möglichen wohl und übel riechenden
-Spezereien dazu -- darauf badete er ihm noch einmal das Gesicht --
-und zuletzt warf er eine Decke über ihn, die den unglücklichen Grafen
-ganz einhüllte. -- Er sah nichts mehr -- aber bald fühlte er um so
-mehr: nämlich fürchterliche Prügel, die es von Außen hageldicht auf
-ihn regnete.... Alles dieses unter einem betäubenden, wüthenden
-Geschrei der ganzen Bande und dem Kommandoruf des Schwarzen.... Nur
-der außergewöhnlichen Körperkraft Alexanders konnte es gelingen, sich
-in Kurzem aufzuraffen und dem Todtschlag unter den Händen dieser Rotte
-von tollen Spitzbuben zu entgehen... Hierbei diente ihm die Decke als
-Schild und Schutzmittel, denn er hielt sie so vor sich hin, daß die
-Streiche und Schläge nur sie trafen.
-
-„Ihr Schurken!“ schrie er: „seid Ihr denn wahnsinnig oder habt Ihr
-wirklich ein Bubenstück vor? -- Kennt Ihr mich denn nicht? -- Ich bin
-der Graf von A--x!“
-
-„Ja, ja -- wir wissen es sehr gut, gnädiger Herr! Wir kennen
-Hochdieselben! -- O wir wissen Alles! -- aber eben deshalb -- schlagt
-zu, Kameraden! Immer zu! Damit der Teufel den Leib des guten Herrn
-verläßt! --“ Dies waren die Worte, womit der schwarze Anführer seine
-Schaar ermunterte....
-
-Endlich bemächtigte sich der Graf des Knittels eines dieser Kerle und
-nun warf er sich auf die nächsten, worunter der Anführer selbst, den
-er zu Boden schlug, worauf die Andern sogleich die Flucht ergriffen,
-heulend:
-
-„Ach! der Teufel ist mächtig! Er hat unsern heiligen Pfarrer
-überwunden! Gott steh uns bei!“
-
-Jetzt erkannte Alexander den Pfarrer, und brachte endlich auch in
-Erfahrung, daß seine eigenen geliebten Unterthanen es waren, mit denen
-er so eben einen Strauß zu bestehen gehabt. --
-
-„Aber,“ wandte er sich an den Geistlichen: „sagen Sie mir, was soll
-denn das bedeuten? ... Sind Sie denn sammt Ihren Pfarrkindern um den
-Verstand gekommen?“
-
-„Das nicht, gnädiger Herr,“ versetzte dieser, sich mit seinen
-zerschlagenen Gliedern jämmerlich am Boden windend: „Wir hatten Gutes
-mit Ihnen vor.“
-
-„Wie -- Gutes?“
-
-„Wir wollten Ihnen den Teufel austreiben.“
-
-„Und dies sagen Sie selbst, der Pfarrer, der Lehrer, der Führer dieser
-Bauern, dem es obliegt, ihren Geist zu erhellen und ihr Herz zu
-veredeln? -- Sie sprechen vom Teufel Austreiben? --“
-
-„Allerdings, gnädiger Herr!... Und haben wir Sie denn nicht gesehen,
-nicht gehört -- wie Sie da drinnen bei der +besessenen Frau+
-allerhand Teufelszeug trieben -- weinten, lachten, beteten -- und sich
-mit diesem Weibe, die gewiß eine Hexe ist -- auf eine Weise einließen,
-daß es uns, Ihren getreuen Unterthanen, ein wahrer Gräuel war. Können
-Sie es läugnen: Sie umarmten das verfluchte Weib!“
-
-Alexanders Gesicht verfinsterte sich jetzt zum wilden Zorne: „Mein
-Herr,“ sagte er zu dem Pfarrer -- „Sie sind von diesem Augenblick an
-Ihrer Pfründe verlustig und ich werde deshalb nach meiner Ankunft auf
-dem Schlosse sogleich das Nöthige verfügen... denn wie mir dieser
-Vorfall lehrt, so sind Sie weit eher dem Amte eines Stockmeisters oder
-Banditenchefs als eines Seelsorgers gewachsen... Erwarten Sie morgen
-meine fernere Entschließung. -- Was jedoch diese Kerle dort betrifft,“
-fuhr er, auf die in einiger Entfernung stehenden Bauern deutend, fort:
-„so sollen sie ihrer wohlverdienten Strafe nicht entgehen. Ich werde
-ihnen für die Zukunft die Lust benehmen, sich um den Geisteszustand
-ihrer Herrschaft zu bekümmern....“
-
-Damit entfernte sich Alexander, ging nach dem Gasthause, wo sein Pferd
-stand, und ritt von da nach dem Schlosse zurück. --
-
-
-
-
-Achtes Kapitel.
-
-Die Verlassene.
-
-
-Die Sachen in der Stadt standen indeß noch immer auf dem alten Punkte.
-Cölestinens Haus war nach wie vor den ausgewählteren ihrer Bekannten
-geöffnet -- nur daß keine größeren Soirées und _jours fixes_ mehr
-statt fanden. In letzterer Zeit hatte die junge Frau sich inniger
-als je an ihre Eltern angeschlossen; man sah sie nicht anders als
-in Gesellschaft ihrer Mutter. Dieselbe schien mit ihr irgend ein
-Geheimniß zu theilen, denn es geschah häufig, daß sich die Frauen für
-mehrere Stunden mit einander einschlossen, und selbst vor den Augen
-der Leute wechselten sie Winke, verständigten sich mit abgebrochenen,
-geheimnißvollen Worten, ja es geschah ein Mal, daß Cölestine die
-Generalin mitten aus einem Zirkel von Damen herausholte, sie, zu
-großer Aergerniß aller Leute vom guten Ton -- aus dem Salon entführte,
-und mit ihr erst nach einer starken Stunde zurückkam.
-
-„Ei!“ sagten die redlichen Freunde des Hauses: „wozu braucht es aller
-dieser Umstände? -- Die Gräfin hätte es ihrer Mutter gleich hier sagen
-können -- um was es sich handelt. Man ist ja von Allem auf’s Genaueste
-unterrichtet...“
-
-„Natürlich! Es betrifft den geliebten Herrn von -- Marsan! Was sonst?“
-flüsterte eine Dame...
-
-„O sagen Sie es nur gerade heraus, meine Liebe,“ bemerkte das
-Stiftsfräulein: „Wenn Sie Etwas wissen -- theilen Sie uns es ohne Scheu
-mit... denn wir haben bereits so viel in dieser Sache erfahren und
-gesehen -- daß uns nichts mehr in Erstaunen setzen kann. Das Einzige
-blos wundert mich, daß diese junge Gräfin noch immer nicht zum Mitglied
-des Frauenvereins ernannt ist....“
-
-„Sie gibt als Grund an -- mit ihrem eigenen Unglück hinlänglich
-beschäftigt zu sein und nicht an fremde Dinge denken zu können!“
-
-„O man kennt das!“ lachte die Stiftsdame: „Eigenes Unglück meint sie
-vielleicht damit -- daß Herr von Marsan gestern das Rendezvous nicht
-eingehalten hat, welches sie ihm zu jeder Mitternachtsstunde in seinem
-eigenen Quartiere gibt. -- Denn er hat nur zu diesem Behufe das einsame
-Haus, wo er jetzt wohnt, gemiethet...“
-
-„Was sagen Sie da, mein bestes Fräulein?“ riefen Zwei aus dem Kreise:
-„ein Rendezvous um Mitternacht in seinem eigenen Hause...?“
-
-„Wie ich sagte: Punkt Zwölf -- mit dem letzten Glockenschlage können
-Sie, wenn Sie sich anders hierzu die Mühe nehmen wollen -- dieses
-Musterbild einer Gattin und eines Mitgliedes des Frauenvereins -- Sie
-können sie, sage ich, in eine fremdartige Kleidung gehüllt, aber leicht
-an ihrem ganzen Wesen erkenntlich, ihr Haus durch ein Hinterpförtchen
-verlassen und zu Fuße den Weg nach der Wohnung des Chevaliers
-einschlagen sehen. Zehn Schritte von ihrem Hause erwartet sie, hinter
-einen Vorsprung versteckt -- Marsan..... sie gehen sodann eiligen
-Schrittes, und indem sie sich tausendmal umsehen, eine Strecke fort, wo
-ein verschlossener Wagen bereit steht, der sie aufnimmt und bis in das
-Haus des Chevaliers bringt. Nach Verlauf von zwei bis drei Stunden...
-wird die Fahrt auf dieselbe Weise zurückgemacht.... und so weiß diese
-kleine Cölestine vortrefflich ihr Leben zu genießen, sich wegen ihrer
-Strohwittwenschaft zu entschädigen.“
-
-Die Zuhörerinnen waren erstarrt. Sie glaubten zu träumen und fingen an
-umherzublicken, ob wirklich Alles noch auf dem alten Platze stehe. --
-
-„Aber,“ rief endlich die Eine aus: „ist es denn denkbar! Es wäre
-ein Fall, der seines Gleichen nicht hat: denn zu diesem Grade der
-Verstellungskunst hat es noch Keine gebracht. Sieht man sie an, scheint
-sie einen entsetzlichen Kummer niederzukämpfen und nur heiter zu sein
--- um ihrer Freunde, ihrer Gesellschaft willen. Wie oft hört man sie im
-Gespräche plötzlich verstummen -- und Seufzer ausstoßen -- oft sieht
-man sich ihre Augen mit Thränen anfüllen... und das geschieht Alles so
-wie unwillkührlich, als könnte sie es länger nicht mehr zurückhalten. O
-die abscheuliche Heuchlerin! --“
-
-„Allein,“ bemerkte eine dritte Dame: „Cölestinens Wesen scheint
-sichtbar untergraben, was man auch dagegen sagen mag. Das ist nicht
-mehr die blühende Gesichtsfarbe -- das glänzende Auge... das leichte,
-übermüthige Schaffen und Treiben.... Ihr Teint muß durch künstliche
-Mittel aufgefrischt werden -- ihr Gang ist schleppend -- ihre Hand
-zittert....“
-
-Hier schlug das Stiftsfräulein ein merkwürdiges Gelächter auf: „O,“
-sagte sie: „diese Symptome können ganz wohl einen andern Grund haben --
--- denn man hat das Beispiel an jener italienischen Signora R**, welche
-vor zwei Jahren hier starb....“
-
-Die Zuhörerinnen wandten sich bei diesen Worten von der Sprecherin
-ab, welche vermöge ihrer tapfern Zunge so eben im Begriffe war, eine
-Geschichte preis zu geben, die man sich bisher nur in Bierhäusern
-erzählte. --
-
-Dieses Gespräch fand an demjenigen Tage statt, von welchem wir zuletzt
-sprachen.
-
-Heute empfing von drei bis sechs Uhr Cölestine ihre Freunde bei sich.
-Man hatte ein Concert angekündigt, bei welchem ein eben durchreisender
-berühmter Künstler mitwirken und an dessen Schlusse eine Romanze von
-Cölestine selbst vorgetragen werden sollte. -- Sie saß, während ihre
-Gäste kamen, in einem Armstuhle, dem Eingange des kleinern Salons
-gerade gegenüber... Sie war ungewöhnlich bleich, und die bläulichen
-Ringe, von welchen seit einiger Zeit ihre Augen umkreis’t waren, ließen
-die letzteren heute ungewöhnlich tiefliegend erscheinen. Ungeachtet
-dieser und anderer Zeichen eines inneren Leidens -- eines leisen,
-schleichenden und giftigen Siechthums jedoch war die verlassene Gattin
-liebenswürdig gegen ihre Gesellschaft wie immer und eifrig bemüht,
-derselben eine Fröhlichkeit mitzutheilen, von welcher sie selber doch
-nichts besaß. Ihr Anzug war fast zu einfach und ein strenges Auge
-konnte selbst jene kleinen Nachlässigkeiten daran wahrnehmen, vor
-welchen sich eine elegante Dame der großen Welt stets in Acht nimmt und
-die sie sich höchstens in ihrem Boudoir erlaubt. Die Gräfin trug ein
-blaßblaues Morgenkleid und im Haare einige dunkelblaue Schleifen, was
-Alles nur dazu beitrug, ihr Aussehen noch leidender zu machen... Selbst
-die kleine Lorgnette von Schildkröte, mit Perlen besetzt, hatte sie
-heute vergessen....
-
-Sie empfing jede einzelne Person, die sich ihr näherte, mit mehr als
-gewöhnlicher Salonshöflichkeit... ihr Willkommen war wirklich innig
-und aus dem Herzen kommend; denn sie befand sich in einer sonderbaren
-weichen Stimmung, welche sie nicht, wie sonst, zu bemeistern vermochte,
-welche durchschien -- und von gewissen Leuten, deren Geschäft dies ist,
-im Stillen belacht wurde. --
-
-„Nun, meine Theure, was habe ich Ihnen gesagt? Ist dieses Betragen
-nicht lächerlich und selbst beleidigend. Will man uns durch diese
-zärtlichen Worte und Blicke nicht gleichsam sagen: das ist gut für
-Euch! Ihr braucht nichts Besseres! -- Ich wiederhole es Ihnen: diese
-Gräfin hat uns heute um sich versammelt -- um uns auf ihre Weise zum
-Besten zu haben.... Aber sie soll sich täuschen! --“
-
-„Sehen Sie doch! da redet sie mit Herrn von Labers. Fällt sie ihm nicht
-beinahe zu Füßen!... Haha! Wie abgeschmackt! Es fehlt nur noch, daß
-sie uns heute mit gebrochener Stimme feierlichst ankündigt, sie wolle
-sich in ein Trappistenkloster zurückziehen -- -- und darauf morgen mit
-Marsan durchgeht...“
-
-Man erräth es, wer so gesprochen.
-
-In diesem Augenblick trat General Randow mit seiner Gemahlin ein --
-und bei ihrem Anblick war es, wo Cölestine sich zum ersten Male erhob,
-um den geliebten Eltern entgegen zu gehen. Mit einer unbezwingbaren
-Rührung, mit einem Wesen, welches auf innerste Erschütterung
-hindeutete, warf sie sich in die Arme der Mutter; und ein feines Ohr
-hätte sie leise die paar Worte aussprechen hören: „Noch immer kein
-Trost!“
-
-„Von beiden Seiten nicht?“ fragte eben so die Generalin, und Cölestine
-bejahte nur mit einer stummen Senkung des Hauptes, welches so schwer
-geworden war, daß sie es mehrere Minuten lang auf die Schulter der
-Matrone legen mußte.
-
-„Sagen Sie mir --“ redeten jene Freundinnen unter einander: „was
-bedeutet wieder diese Farce da? -- Es fehlt nichts weiter, als daß man
-uns in diesem Schauspielhause Entrée bezahlen läßt...“
-
-„Bei Nero! -- Sie fangen zu schluchzen an -- _in conspectu
-populi_, wie man sich ausdrückt. -- O schändlich! -- Ich wollte,
-daß ich diese beiden Heuchlerinnen in meinen Fußangeln hätte und daß
-sie Beide nur +einen+ Hals besäßen.... Sie wissen, was ich mit
-demselben anfangen wollte.“
-
-„Und dieser Labers! -- Der Mann wird, nachdem man ihm die Weisheit der
-Braminen und die Güte des Sokrates zugeschrieben, plötzlich auf seine
-alten Tage ein Narr.... Er sieht den Zweien von Ferne zu und auch seine
-Augen befeuchten sich...“
-
-„Der alte General hingegen scheint mir noch der Vernünftigste in dem
-ganzen Quartett. Das ist ein wahrer Ehrenmann! -- Er würdigt die
-Affectation seiner Frauen keines Blickes; er bemerkt sie nicht -- er
-geht zu einigen alten Herrn und stimmt in ihr Gelächter ein, welches
-wahrscheinlich irgend einer Anekdote gilt, die Graf Wollheim dort
-erzählt...“
-
-„Und welche natürlich erlogen ist.... so, als hätte sie jener famöse
-Herr von Althing erzählt, den man seines hübschen Lebenswandels wegen
-in keinem Cirkel mehr duldet...“
-
-„Der aber bis zum letzten dennoch der intime Freund von Cölestinens
-liebenswürdigem Bruder Edmund war...“
-
-„An dem sich auch die Folgen dieses Umgangs bewährten -- hahaha!“
-
-„Eigentlich, meine Freundinnen -- sollte dieser Fall uns aus der
-Familie der Randow verbannt haben...“
-
-„Wir besuchen dieses Haus auch nur, um uns an dem immer tieferen
-Herabsinken desselben zu belustigen -- beim Nero und Domitian!“
-
-Die Verläumderinnen hatten sich jedoch sehr geirrt, als sie glaubten,
-der General sei zu jenen Herren getreten, um an ihrer Lustbarkeit
-theilzunehmen; der General war seit dem Unglück seines Sohnes und
-seiner Tochter ernst geworden, wie er es nie gewesen. Nicht daß er
-sich der Fassungslosigkeit und dem Schmerze seiner Gemahlin hingegeben
-hätte -- er blieb kalt und fest bei diesem Begegniß, bei diesem Schlage
-seines Hauses -- aber die chevalereske Heiterkeit und der männliche
-Frohsinn, welche ihn sonst so liebenswerth gemacht hatten, waren auf
-immer von ihm gewichen... und diesmal, in dieser Stunde und bei dieser
-Gesellschaft, hatte er am allerwenigsten Ursache, ihn zurückzurufen,
-denn man hatte hier so eben über +Edmund+ gesprochen, auf welches
-Thema der alte Jäger den Discours gebracht, weil er da in seinem
-Elemente war. Wider Erwarten sah sich nun Wollheim von dem General auf
-die Seite gezogen und dieser redete ihn an:
-
-„Herr Graf, wenn ich Sie bitten darf, so leiten Sie das Gespräch
-nie wieder so, wie es eben geschah; ich würde es sonst als eine
-Beleidigung, die mir selbst widerführe, aufzunehmen gezwungen sein
-und dieselbe mit Bedauern rächen müssen. Ohnehin gehen in der
-Hauptstadt hierüber die tollsten Sagen, so daß ich nicht weiß, was
-ich mehr bewundern soll, den Erfindungsgeist, der sie ausbrütete,
-oder die Leichtgläubigkeit, welche ihnen Glauben schenkt... Mein Sohn
-hat sich, seinen Namen und sein ganzes Haus in eine traurige Lage
-versetzt, dies bekenne ich mit Schmerz.... aber ich würde Niemand
-rathen, den bedauernswerthen Jüngling, der seine Ehre vielleicht, wie
-ein mißbrauchtes Mädchen ihre Tugend, durch fremde Gewaltthätigkeit
-verloren hat, zu verspotten... Wäre mein Sohn von Natur ehrlos und
-nichtswürdig, so würde ich selbst kein Wort über ihn verlieren, sondern
-seinen Namen mit eigener Hand aus meinem Stammbaume streichen. --
-So aber umhüllt noch ein schreckliches Dunkel die Umstände seines
-Verbrechens -- ich weiß nur so viel, daß Edmund von Randow stets
-würdig war mein Sohn zu heißen, und bis ich ihn selbst nicht über
-seine That vernommen und seine Vertheidigung angehört habe -- bin ich
-entschlossen, ihn abermals, außer vor dem Gesetze, wohin mein Arm nicht
-reicht, auf’s ernstlichste zu vertreten!“
-
-„Bravo!“ schrie der Jäger, nachdem er die letzten Worte angehört hatte
--- und kaum sich länger zu halten im Stande war: „Bravo, alter Vater,
-tapferer General! -- Das nenne ich gesprochen.... wie sich’s gehört
--- und wäre es nicht hier vor den Augen aller Leute, ich würde Ihnen,
-hol’ mich Dieser und Jener, nicht nur um den Hals, sondern kurzweg um
-die Kniee fallen. Ja -- Sie haben Recht! Edmund, mein theurer Edmund,
-mein Jüngelchen, mein Schüler ist ein Ehrenmann. Wer etwas Anderes
-behauptet, dem schieße ich eine Handvoll Entenschrotte in den Bauch.
-Aber wie konnten Sie’s nur übel nehmen, daß ich von ihm sprach? Ich
-erzählte ja das Rühmlichste. Ich sprach von einem Pirschen, welches
-jetzt vor zwei Jahren zwischen uns stattfand und wobei Edmund, der
-brave Junge, mir in demselben Augenblick, als eben ein alter Petz aus
-dem Gesträuche auf mich herausbrach, das Leben rettete, indem er diesem
-dicken Petz sein Jagdmesser bis an’s Heft -- ja ich glaube sogar auch
-noch seinen Arm mit in den Hals steckte.... worauf ich dann meinen
-unvergleichlichen Schüler mit 18 Kannen Dickbier regalirte -- so daß
-er drei volle Tage weder A noch B sagen konnte -- --“ hier hielt der
-Nimrod inne, merkend, daß er im Begriffe stehe, einen dummen Streich zu
-machen und Dinge -- wiewohl große erhabene Dinge! -- am unrechten Orte
-zu erzählen. --
-
-Der General beruhigte sich seit dieser Erklärung, doch schien ihn der
-Nachsatz sichtbarlich zu verdrießen und sein Unmuth kehrte wieder,
-sich in folgenden Worten Luft machend: „Lieber Graf Wollheim, die
-Sachen, welche Sie da erzählen, so wie überhaupt Ihr ganzes Verhältniß
-zu Edmund, hat, glauben Sie mir, auch das Seinige dazu beigetragen,
-den jungen Menschen zu dem Punkte zu bringen, wo wir ihn jetzt mit
-Schmerz erblicken.... Nicht daß ich Sie nur im Mindesten beleidigen
-und Ihren Umgang mit Edmund in direkte Verbindung mit seinem letzten
-unglückseligen Streiche bringen wollte... das sei fern von mir. Jedoch
-unter die bösen Gewohnheiten, welche seinen Verstand und sein Gemüth
-befleckt und ihn zu immer traurigeren Verirrungen geführt haben....
-gehörte auch die +Unmäßigkeit+....“
-
-Der Jäger wollte hier lebhaft losbrechen; seine Meinung über
-Unmäßigkeit war eine ganz andere, als die des Generals, und er war fest
-überzeugt, an Edmund nur Gutes gethan, ihn, wie er sagte, „zu einem
-tüchtigen Kerle“ herangebildet zu haben. -- Der General verhinderte
-indeß jede weitere Erklärung, indem er fortging und seine Schritte zu
-der früheren Gesellschaft lenkte, aufmerksam zuhörend, was sie sprach
--- eifersüchtig den Ruf seines armen Kindes bewachend. --
-
-Mittlerweile hatte das Concert seinen Anfang genommen. Eine tiefe
-Stille entstand, nur zeitweise auf den entfernteren Punkten des
-Salons von einigen alten Frauen und einem Paar junger Leute von jener
-Sorte unterbrochen, die für nichts Sinn haben, außer für ihre eigenen
-Wichtigkeiten -- -- und die ein Privilegium zu besitzen glauben,
-überall stören, überall ihre alten Albernheiten zum tausendsten Male
-wiederholen, überall lachen -- überall Lärm machen zu dürfen.
-
-„Ach -- welch’ ein Gesicht -- das dort gegenüber von dem Cello....
-sehen Sie nur, lieber Arthur!“
-
-„Haha! -- ein allerliebster Kerl!... Gewiß irgend ein großer
-Kunstkenner.... seine rothe Nase bezeichnet ihn als Freund der
-Geister...“
-
-„Und jenes Fräulein dort weiter! Kennen Sie sie nicht? Sie scheint zum
-ersten Male in einer Gesellschaft, denn sie macht allen Leuten Platz,
-die sich ihr nähern...“
-
-„Ach! Köstlich! Welche Bereitwilligkeit! Die trifft man heut zu Tage
-nicht überall....“
-
-„Uebrigens scheint sie mir nicht ohne +Raison+[D] zu sein! das
-wäre vielleicht so Etwas für Dich -- Du mein ruinirter Lancelot! --“
-
-Der, dem dieser Name galt, entgegnete: „Du irrst; ich bin von diesem
-Systeme -- eine Partie zu +suchen+, abgekommen, und habe mir ein
-neues gewählt; die Fortune muß +selbst kommen+ und.... sie wird
-nicht ausbleiben.“
-
-„Einstweilen behilft sich Lancelot mit seiner Fürstin... dabei ist
-wenigstens nichts zu verlieren, haha!“
-
-„Sie ist sein tägliches Brod... diese gute Herzogin. Sie schützt
-wenigstens vor dem --“
-
-„Still, meine Herren! Ich werde alle weiteren Explicationen ernstlich
-nehmen.....“
-
-Das erste Musikstück war zu Ende. Die jungen Herren hatten davon
-gerade die letzte Note gehört... und sie bereiteten sich vor, es bei
-dem zweiten eben so zu machen. -- Indessen widmete ein großer Theil
-der Versammlung den Productionen große Aufmerksamkeit -- und Cölestine
-selbst schien durch die Macht Polyhymnia’s dem trüben Diesseits
-entrückt, zu den Regionen einer schönern Welt getragen zu werden. Ihr
-Auge blickte seelenvoll vor sich, ihr Ohr schien mit Wonne in diese
-Harmonie zu versinken... Einige Augenblicke lang schwand selbst die
-kalte Blässe von ihrem Gesichte, eine zarte ätherische Röthe flog
-ihre Wangen an.... so daß sie jetzt jedes künstlichen Mittels hätten
-entbehren können. --
-
-Sie saß zwischen ihrer Mutter und der Generalin E--z, welche beide sie
-abwechselnd betrachteten und wovon die erstere mit tiefer Rührung den
-kurzen Frieden in ihrer Tochter Brust einziehen sah.
-
-Trotzdem unterließen Frauen mit Drachenherzen es nicht, giftige
-Bemerkungen dicht hinter dem Rücken der Verlassenen anzustellen -- die
-jedoch an der anderweitigen Aufmerksamkeit Cölestinens ihre Wirkung
-gänzlich verfehlten und von Niemand vernommen wurden, als von den
-Sprecherinnen selbst....
-
-„Manche Musik klingt nicht so angenehm, wie diese da... zum Beispiel
-jene, von welcher das Ohr eines armen getäuschten Gatten beständig
-erfüllt sein muß....“
-
-„Ach -- es gibt Leute, die so Etwas nicht einsehen!“ bemerkte die
-Stiftsdame: „die von Natur dazu geboren sind, Disharmonie in der Welt
-zu erzeugen -- und ihren Eltern, ihren Gatten, Freunden und der ganzen
-Menschheit das Gehör zu zerreißen.... Trotzdem aber geben sie sich
-große Mühe, für absonderliche Tonkünstler und Tonkünstlerinnen zu
-gelten.... O man kennt diese Gattung!“
-
-„-- -- Können Sie mir nicht sagen, liebste Beste --“ fing die Vorige
-nach einer Pause an: „wie es mit dem armen Grafen von A--x steht. Hat
-man noch keine Nachrichten von ihm -- und weiß man nichts über seinen
-Aufenthalt, seine Lebensweise?“
-
-„Es thut mir leid,“ versetzte die Stiftsdame -- „Ihnen damit nicht
-dienen zu können. -- Zuverläßlich jedoch hat sich der würdige und
-hochgeschätzte Graf nach irgend einer entfernten Gegend begeben... denn
-ich zweifle, daß er es in dieser Stadt oder in geringer Entfernung von
-derselben lange hätte aushalten können. -- -- Man würde in kurzer Zeit
-Gelegenheit gefunden haben -- -- das alte Spiel zu erneuern... man
-hätte durch eine kluge, listige Behandlung ihn nach und nach wieder zu
-gewinnen verstanden... man hätte durch zweite und dritte Personen auf
-ihn gewirkt.... oder auch durch Briefe....“
-
-„Das Alles,“ erhob jetzt ein Herr, der wie aus den Wolken gefallen
-schien, den Niemand kommen und hier auftreten sah, sondern der hier
-inmitten dieser würdigen Damen plötzlich empor tauchte, seine Stimme:
-„das Alles,“ sagte er, „ist geschehen, meine Damen. Obgleich der Graf
-von A--x hundert Meilen von hier entfernt in einem verborgenen Thale,
-einsam wie Timon und verschanzt wie dieser, lebt -- hat man doch Mittel
-gefunden, ihn auszukundschaften, hat sein heiliges Asyl entweiht --
-hat seiner Einsamkeit und Trauer nicht geschont -- hat ihn durch feile
-Zwischenträger belagern -- mit Lügen und Versprechungen bestürmen
-lassen.... kurz hat ihm zum zweiten Male eine arglistige Lockspeise
-vorsetzen lassen, um ihn zum zweiten Male damit zu vergiften.....“
-
-Seit Kurzem war Cölestine gezwungen, diesem Gespräch zuzuhören,
-denn es wurde immer lauter geführt. Bei den letzten Worten sah man
-ein tödtliches Grau über ihr Gesicht ziehen.... sie bebte an allen
-Gliedern, und eben schien sie die Besinnung verlieren zu wollen, als
-der Ruf:
-
-„Ihre Romanze ist an der Reihe, Gräfin!“ sie weckte und mit einer Art
-künstlicher, elektrischer, gewaltsamer Lebenskraft erfüllte.
-
-Sie stand auf und ging an den Flügel.
-
-Hier nahm sie neben einem Herrn, der sie accompagniren sollte, Platz.
-Aber als man die Notenhefte der Romanze suchte -- fand man dieselben
-nicht. Und doch waren sie früher vor dem Anfange der Matinée von ihr
-selbst aufgelegt worden. Das Ganze schien mit einem Wunder zuzugehen;
-aber der Gesellschaft, obgleich diese die Wunder in neuerer Zeit wieder
-außerordentlich liebt, schien mit dem gegenwärtigen keineswegs ein
-Gefallen zu geschehen. Man bestand darauf, daß Cölestine singen sollte,
-und da ihr in dem Gedränge, worin sie sich befand, nichts Anderes
-einfiel, stimmte sie ein +Lied+ an, das sie ihrem Gatten sehr oft
-vorgesungen hatte und welches diesem so gefiel, daß er es für seinen
-Lieblingsgesang erklärte...
-
- „Abend ist, ein tiefes Schweigen
- Zieht herauf vom Meeresstrand;
- Himmelslichter sinken, neigen
- Sich zum grauen Uferrand.
-
- Siehst Du dort des Sternleins Schimmer,
- Eilend nach dem größern Stern?! --
- So auch folg’ ich ewig, immer,
- Dir, Geliebter, nah und fern.
-
- Sieh’ die Fluth das größ’re fassen!
- Auch das kleine stürzt sich drein!
- -- So auch könnt’ ich nicht allein
- Dich Geliebter sinken lassen!! -- --“
-
-Nachdem Cölestine den letzten Vers gesungen -- fiel sie leblos auf die
-Lehne ihres Stuhles zurück. --
-
-Alles erhob sich -- fuhr durcheinander -- man eilte von hundert Seiten
-der Gräfin zu Hilfe.
-
-In dieser allgemeinen Verwirrung schlich sich jener Fremde, der zuvor
-die verhängnißvollen Worte hinter dem Stuhle Cölestinens gesprochen,
-hinaus.
-
-Es war derselbe unbekannte und geheimnißvolle Mensch, den wir schon
-früher einige Mal in den Salons Alexanders und anderswo umherschleichen
-sahen -- finster und unheimlich wie das Verhängniß.
-
-
-
-
-Neuntes Kapitel.
-
-Trauer und Verzweiflung.
-
-
-Was Alexander auf seinem Schlosse und in seiner Einsamkeit betraf, so
-lebte er daselbst noch stets in der alten Weise. Seine Tagesordnung
-blieb die nämliche, seine Absonderung, seine düstere Kälte, sein Haß
-gegen die Menschen, seine finstere Sucht, sie zu vermeiden, und seine
-scheue Angst, wenn er ihnen nicht ausweichen konnte -- -- bei dem Allem
-jedoch auch seine Mildthätigkeit, seine geheim ausgeübte Menschenliebe,
-sie waren sämmtlich die früheren. Täglich machte er den Ritt aus dem
-Schlosse nach jener Gegend, welche wir kennen -- täglich besuchte er
-die kranke Margaretha und blieb in letzterer Zeit oft vom frühen Morgen
-bis in die tiefste Nacht an ihrem Krankenlager... Er hatte ihr einen
-geschickten und zuverläßlichen Arzt geschickt, der seine Wohnung im
-Orte selbst nahm, um stets bei ihr zu sein, sobald sie seine Hülfe
-brauchte. -- Ach, Alles das half zu nichts ... es war der menschlichen
-Kunst nicht mehr möglich, dort etwas zu thun, wo die Natur bereits ihre
-Verwesung vorbereitete....
-
-Da ward der Schmerz Alexanders übergroß; dieser Mann, sonst stolz,
-kalt und schroff, schien seine inneren Stützen zu verlieren, schien
-zusammenzubrechen, gleich einem untergrabenen Kraftbau. -- Er konnte
-sich nicht länger beherrschen: seine gepreßte und geängstigte Seele
-machte sich in einem lauten, entsetzlichen Schmerzensschrei Luft -- und
-nachdem dieser ausgestoßen war, flossen seine Zähren gleich mächtigen
-Bächen, als sollten sie die lange Tafel seiner Schuld, alle Vergehungen
-seines früheren Lebens abwaschen. Er ward zum Kinde, ja weniger als
-dieses, denn das kleine Mädchen zu seinen Füßen besaß jetzt mehr
-Fassung als er: „O!“ rief er, der draußen den Stolz so gut zu behaupten
-verstand: „könnte ich Dich, arme Dulderin, mit der Hälfte meines
-Lebens, meines Glückes, meiner Seligkeit retten, ja mit dem Ganzen --
--- ich würde es thun, denn Du hast es um mich verdient! -- Ach, warum
-habe ich es früher nicht erkannt, warum vorsätzlich mich dem Bewußtsein
-entzogen, daß ein Herz lebt, welches so große Liebe zu mir trug, daß
-sie um ihretwillen in den Tod ging... eine Liebe, die nur gleichkommt
-an Macht jener Falschheit und jenem Trug, welche mich die ganze übrige
-Welt empfinden ließ, O wie glücklich hätte ich sein können! -- In
-dieser Erkenntniß möchte jetzt meine Seele sich auflösen in ungeheuren
-Klagen. Was hatte ich nöthig, das Glück und die Liebe dort zu suchen,
-wo sie nicht sind?... Was hatte ich nöthig, im rauschenden Leben der
-Welt nach dem zu haschen, was nur in stiller Einsamkeit wohnen kann:
-nach einem Herzen! -- -- O sie blühte nur in einem grünen Thale unter
-einem bescheidenen Dache -- die treue Liebe!... aber sie schien mir zu
-niedrig -- ich suchte eine stolze, erhabene; und was fand ich? Traurige
-Täuschung! bittere Enttäuschung. -- -- Ha! ich möchte mich darob in
-einen Ocean des ewigen Todes stürzen! --“
-
--- -- An einem schönen warmen Frühlingsabend starb Margaretha. Man
-hatte sie in ihrem letzten Augenblicke in das Gärtchen hinausgetragen,
-denn so wünschte sie es. Alexander saß wie immer neben ihr, düsterer,
-trostloser, zerrissener als je; und jetzt sprach +sie+ ihm Muth zu...
-jetzt suchte +sie+ ihm jene Säule wieder, an die er sich lehnen
-sollte. Sie hielt seine Hand in der ihrigen, auf welcher schon kalter
-Todesschweiß perlte -- und unverwandt haftete der brechende Blick
-ihres Auges auf ihm, welches Auge noch immer voll war von jener
-tiefen, unergründlichen Liebe. -- „Ich gehe ruhig aus dieser Welt --“
-lispelte sie, Wort für Wort mühsam aussprechend und nach jedem schwer
-aufathmend: „ich sterbe glücklicher, als ich zu hoffen wagte.... Habe
-ich ja den Geliebten meiner Seele noch einmal zu mir kommen und sein
-Herz mir in inniger Zärtlichkeit sich zuwenden sehen.... Was soll ich
-mehr von meinem Schöpfer verlangen....?.... Er hat mich reichlich
-belohnt für allen Kummer.... Sein heiliger Name sei gepriesen!... Und
-nun noch eine Bitte --“ flüsterte sie kaum vernehmbar...: „erbarme Dich
-Deines Kindes -- Alexander!!. Lebt Beide wohl!!...“
-
-Sie hatte ihren Geist ausgehaucht. --
-
-Alexander ließ nun, die theuren Ueberreste gebührend zu ehren, sie
-in dem Erbbegräbniß seiner mütterlichen Ahnen beisetzen. Den Schmerz
-dieser Tage, dieser Stunden zu schildern ist unmöglich, aber seine
-Größe läßt sich in Erwägung der nunmehrigen völligen Hoffnungslosigkeit
-Alexanders recht wohl begreifen. -- Dieser Mann betrachtete sich jetzt
-so wie Einer, der früher nackt und arm war, plötzlich einen großen
-Schatz fand, welcher ihm jedoch, kaum daß er ihn besaß -- -- durch eine
-unerbittliche dunkle Macht entrissen wurde, mit der Gewißheit, daß er
-nie wieder ihn erlangen -- und in Zukunft wieder wie früher nackt, arm
-und elend bleiben werde. --
-
-Jedoch nein! Nicht ganz war er dies. Ein leichter Punkt war ihm in dem
-trostlosen Dunkel seines Daseins doch noch geblieben -- eine grüne,
-blüthenreiche Oase auf seiner fernern Reise durch die Sandwüste des
-Lebens: das Kind Margaretha’s -- sein Kind -- seine holde Tochter
-Alexandrine.
-
-Sein düsteres Schweigen, sein finsterer Ernst stieg von Tag zu Tage.
-Er verließ jetzt nicht mehr sein Schloß, sein Gemach -- und kein
-Menschenantlitz bekam ihn zu sehen; selbst die nothwendigsten Geschäfte
-wurden zurückgewiesen und der Besorgung seiner Beamten überlassen....
-Nur Alexandrine, dieses junge Wesen voll Anmuth und himmlischer Güte,
-blieb an seiner Seite -- gleich einem Schutzgeist suchte sie die bösen
-Stunden zu verscheuchen, von denen er wie von einem Heere wandernder
-Dämonen umschwirrt wurde. --
-
-Aber es gelang ihr meistens nicht -- und im glücklichen Falle nur auf
-Augenblicke; waren diese vorbei, waren die zarten Kräfte des Kindes
-erschöpft -- so kehrten jene mit Wuth zurück und schleuderten ihn
-wie einen Zwerg zu Boden. Unter den Leuten seiner Umgebung gewannen
-die Sagen, welche über ihn gingen, einen immer schauerlicheren
-Charakter... Alles das, was unerklärlich für den gemeinen Sinn war,
-wurde von demselben auf’s schlimmste gedeutet, und so brachte man den
-armen Grafen, den man früher mit bösen Geistern, einer Besessenen und
-Hexe verkehren sah -- jetzt gar mit der Hölle in _pleno corpore_
--- d. h. mit der ganzen und vollen Zahl höllischer Heerscharen
-in Verbindung, wobei man nicht vergaß, zu behaupten, diese hätten
-unsichtbar vom ganzen Schloß Besitz genommen, und umtanzten bei Tage
-den Herrn, zur Nachtzeit den Sarg der Hexe, die unten in der adeligen
-Gruft lag... Bald, sagten sie, werde das ganze Schloß in Rauch aufgehen
--- der Pechgeruch sei bereits allerwärts zu verspüren. --
-
-Auch von Alexandrine war da noch Vieles zu bemerken. Es ließ sich
-nicht bezweifeln, daß irgend ein häßlicher Kobold in dieser zarten
-Mädchenhülle verborgen sei, der die Bestimmung habe, den verlornen
-Grafen zu bewachen -- ihn keinen Schritt von der Straße abweichen zu
-lassen, welche glatt und schnurstracks zum Königreiche Lucifers führt...
-
-Ungeachtet dieser freundlichen Beurtheilung, womit seine Diener und
-Unterthanen ihn beglückten, unterließ er, der sich deshalb einmal mit
-seinem Verwalter berathen hatte, nicht, ihnen Tag für Tag Gutes zu
-erweisen, ihnen die Lasten zu verringern, die Pflichten angenehm zu
-machen -- ihre Vergehungen mit Nachsicht zu bestrafen, dagegen bei
-Belohnungen großmüthig zu verfahren und sich hierbei an kein anderes
-Maß zu binden, als an das eines gütigen Herzens. --
-
-Glaube man ja nicht, daß es ihm hierbei um einen Zweck zu thun
-war... er wollte durch diese Veranstaltungen weder berühmt noch
-beliebt werden; es war weder die armselige Affektation eines
-unglücklichen Theaterhelden -- noch die wohlberechnende Klugheit eines
-menschenfreundlichen Wucherers... es war einfach der dunkle, aber
-mächtige Trieb jener Herzen, die in den Byron’schen Menschenhassern
-wohnen und auf deren Grunde die edelsten Menschenfreunde verborgen
-sind; edle, erhabene, tiefe, excentrische und gewaltig empfindende
-Naturen, die vom Glück eben so heftig bewegt werden, wie sie das
-Unglück erschüttert, so daß sie dort wie hier jeden Halt verlieren,
-außer den Edelmuth, der nie von ihnen weicht, der kostbar blinkt, wie
-die Perle in der Muschel, mag diese auch getödtet werden und verwesen.
---
-
-So ward z. B. jenen um das Seelenheil ihres Herrn so eifrig besorgt
-gewesenen Leuten, deren Tollheit sich unter die Kutte ihres Pfarrherrn
-verbarg -- die angedrohte Strafe erlassen, dem letztern jedoch
-bedeutet, das Kapitel des Exorcismus _in praxi_ aus seiner Liturgie zu
-streichen, was der geängstigte Geistliche um seiner Pfarrkinder und
-Gänse willen auch zu thun angelobte -- jedoch mit schwerem Herzen, denn
-er war auf seine Teufelsbannkunst stolzer, als auf alle seine übrigen
-Kenntnisse und Fähigkeiten, sowohl im Latein wie im Griechischen und
-Hebräischen, worin er freilich kein Weltwunder sein mochte.
-
- * *
- *
-
-Wider seinen ausdrücklichen Befehl fand der Graf die Thür seines
-Schlafzimmers heute nur blos angelehnt, nicht zugeschlossen, und
-eben wollte er seinen Kammerdiener rufen, um ihn wegen dieser
-Nachlässigkeit, die seiner jetzigen Meinung nach ein Verbrechen war,
-zur Rede zu stellen ... als seine Blicke auf den Tisch neben die Lampe
-fielen -- und eines Briefes gewahrten, der mit großer Hast hingeworfen
-zu sein schien, denn er lag so, daß er jeden Augenblick auf die Erde
-fallen konnte...
-
-Bevor der Graf diesen Brief zur Hand nahm, that er nun dennoch das,
-wozu er schon früher entschlossen war, er klingelte und ließ sein
-ganzes Hauspersonal zusammenkommen, vom Sekretär und Verwalter bis zum
-letzten Bedienten. Als die Leute beisammen waren, redete er sie mit
-finsterer Strenge an:
-
-„Wer von Euch hat es gewagt, diese Thür hier zu öffnen?“
-
-Sie sahen ihren Herrn erschreckt an und wandten sich mit fragenden
-Blicken zu einander.
-
-Der Kammerdiener trat vor und sprach zitternd: „Vor einer Stunde,
-gnädiger Herr, habe ich das Schlafzimmer geöffnet und darin Alles in
-Ordnung gebracht -- sogleich jedoch trat ich wieder heraus und kann es
-beschwören, daß ich die Thüre fest verschlossen habe.“
-
-„Gut!“ versetzte Alexander: „ich will Dir glauben, Antoni; ich
-weiß, Du lügst nicht, ich weiß auch, daß Du Deinen Dienst pünktlich
-versiehst und daß meine Befehle Dir heilig sind.... Anfangs hatte meine
-Vermuthung Dich getroffen -- -- doch jetzt bin ich vom Gegentheil
-überzeugt und habe deshalb die Andern hierher beschieden. -- -- Nun,“
-rief er mit lauter Stimme: „meldet sich Niemand von Euch? Ist der
-Schuldige etwa nicht hier?“
-
-Alles blieb stumm.
-
-Der Graf, in Zorn gerathend, stampfte auf den Boden: „Ich will es
-wissen! Weh demjenigen, den ich später selber als den Thäter entdecke.
-Er trete lieber gleich hervor!“
-
-Nichts; kein Laut.
-
-Da trat Alexander in das Schlafzimmer zurück... nahm den Brief vom
-Tische, und ohne dessen Aufschrift zu lesen, wies er ihn der Schaar
-vor: „Dieses Schreiben ist hinein gelegt worden -- -- der Kammerdiener
-trägt die Schuld nicht .... Wer also hat sich unterstanden....?“
-
-Tiefe Stille. --
-
-In diesem Augenblicke glitten seine Blicke unwillkührlich über die
-Aufschrift hin -- und als hätte ein Krampf seine Hände ergriffen,
-zerknitterte er das Papier und drückte es so zusammen, daß es einen
-Knäuel bildete....
-
-Jetzt wie von einem unwiderstehlichen Gedanken erfaßt -- verabschiedete
-er rasch die Domestiken -- eilte in das Gemach -- entfaltete den
-Knäuel und las nun auf der Rückseite des Briefes mit den Schriftzügen
-+Cölestinens+:
-
- „+An den Herrn Grafen Alexander von A--x! --+
-
- +Man bittet ihn flehentlichst, diesen Brief zu öffnen.+“
-
-Ein nie gefühlter Drang trieb ihn, dieser Bitte zu willfahren, derselbe
-Drang, welcher ihn zu dem vorigen Schritte genöthigt hatte. Er erbrach
-das Siegel, der Inhalt des Briefes lautete:
-
- „Mein theurer, heißgeliebter Gemahl!“
-
-Bei dieser Stelle angelangt, wollte er das Papier zerreißen -- doch las
-er noch einige Zeilen.
-
- „Ein wahrer und aufrichtiger Freund, ein solcher, dem der erhabene
- Name +Freund in der Noth+ gebührt -- überbringt Ihnen diesen
- Brief. Er wird Mittel finden, zu Ihnen zu gelangen, mögen Sie die
- eherne Mauer, womit Sie sich gegen mich und die Welt umgeben, auch
- verdreifachen. -- Und so weiß ich, daß diese Zeilen gewiß in Ihre
- Hände kommen, die theuren Augen meines Gemahles, meines angebeteten
- Alexander auf ihnen ruhen werden. Ja -- so nenne ich Sie! und ich
- rufe Gott, der uns erschaffen hat durch einen Wink seiner Hand, der
- uns vernichten kann durch einen solchen -- ihn rufe ich an, mich zu
- hören, indem ich Sie so nenne.... mich in dem Augenblick, wo ich
- das Wort ausspreche, zu zerschmettern, wenn es eine Lüge enthält.
- -- O Alexander! Alexander! Wohin ist es mit uns gekommen? -- Hätte
- ich das denken sollen -- hätte ich es selbst im Wahnsinn eines
- hitzigen Fiebers damals denken sollen, als es noch nicht so um
- uns stand, wie in dieser entsetzlichen Stunde... denn jede Stunde
- ist jetzt entsetzlicher als die vorhergehende -- das Schicksal
- scheint sich an mir erschöpfen zu wollen in seinem Reichthum an
- Elend! Es hat schon den ganzen Köcher über mich ausgeleert... und
- doch treffen mich noch mit jedem neuen Athemzuge neue giftigere
- Pfeile. -- -- O mein Gott, mein Gott! Erbarme Dich meiner und
- seiner! Sende einen Deiner allgewaltigen Lichtstrahle herab in
- diese Finsternisse!... Du bist ja der Beschützer der Unglücklichen,
- der Unschuldigen und Verfolgten... Warum hast Du deine Gnade
- nicht auch für mich -- die mit ihrem reinen Herzen vor Dir liegt
- im Staube?... Ich bin ja schuldlos wie ein lallendes Kind -- wie
- der Gedanke eines frommen Dichters! -- Du siehst es -- Du weißt
- es -- Du allein kannst es bezeugen -- -- und doch schweigst Du,
- Unerforschlicher, heiliger Vater der Menschen! -- rede zu ihm nur
- ein Wort -- flüstere es ihm im Wehen des Morgenwindes, oder wenn
- der Zephyr Abends an seine Schläfe streift, zu: ich bin unschuldig,
- sein Weib war unschuldig, wird es bleiben bis zum letzten Schlage
- eines Herzens, das nur für ihn pocht. -- Mein Gemahl, mein Gatte --
- warum sollte ich das Alles sagen, da nichts mich dazu zwingt? Sie
- haben nach Ihrer Trennung von mir meine Verhältnisse so gestellt,
- daß, wäre nicht meine Liebe zu Ihnen, ich mich darin nur glücklich
- fühlen könnte. Wäre ich eine Verbrecherin -- so könnte ich ja
- nichts sehnlicher wünschen, als den Fortbestand meiner jetzigen
- Lage. -- Aber ich bin keine Verbrecherin, ich bin Ihre treue Gattin
- -- Ihr treues Weib vor den guten Menschen und vor Gott. Ich bin so
- rein von aller Schuld wie die Engel im Himmel es sind... Und ich
- kann von mir sagen: ich will vor den Spiegel der Tugend treten und
- es wird kein Fleckchen seine klare Fläche trüben. -- -- Welches
- sind die Zeugnisse, die gegen mich sprechen? -- Nennen Sie mir sie!
- Ich, ich darf keine anführen, um mich zu vertheidigen, -- -- dies
- ist der Tugend nicht eigen, hierzu darf sie sich nicht herablassen.
- Und wollte ich überhaupt reden -- -- wollte ich von demjenigen
- reden, was allein noch einen Schein, einen Schatten von Zweifel auf
- mich werfen kann, so würde ich anderweitig ein Verbrechen begehen.
- -- Doch dies ist es nicht, was Ihren Verdacht erwecken konnte ....
- es muß etwas Anderes sein. Ein böser Geist muß zwischen uns stehen
- -- der einen bösen Samen aussäet... dieser Samen wächst in rasender
- Schnelligkeit zur Höhe -- und verbirgt mich in meiner Unschuld
- dem Auge des Gatten. -- -- O Alexander, einzig Geliebter Deines
- Geschlechtes!.... Gewiß, die Dinge werden nicht ewig so bleiben....
- es wird endlich eine mildere Sonne ihr Licht über uns ergießen
- -- aber Du wirst dann mein treues Herz nur durch einen grünen
- Rasenhügel erblicken. Und diese Zeit wird bald kommen, früher als
- Du wohl glaubst.... Alexander, es kann nicht mehr bis zum kommenden
- Sommer währen, nicht mehr bis zu dem Tage, wo die Schwalben gezogen
- kommen, um ihr himmlisches Nest zu suchen -- und auch ich werde in
- meine Heimath hinüber ziehen.... Könntest Du diese elende Hülle
- sehen, die einst so blühend, so fröhlich, so heiter, so glücklich,
- so voll berauschender Lust vor Dir stand, die nicht nur durch ihre
- Jugendkraft, sondern auch durch Deine Liebe so große Ansprüche an
- das Leben hatte -- könntest Du sie jetzt sehen, wie sie stündlich
- mehr zusammenfällt und eine Frucht für das Grab wird .... o, ich
- wage es zu hoffen, Du würdest Dich besinnen -- vielleicht nur
- zuerst aus Schrecken oder Mitleid -- aber gleichviel, Du würdest in
- Dich gehen -- Deine Sehkraft anstrengen... sie würde diese dünne
- Hülle durchdringen -- und drinnen das Herz im hintersten Winkel
- vor Jammer und Trübsal zusammengeschrumpft sehen.... mein Herz,
- dieses treue, zärtliche, gute Herz, dieses Herz eines Kindes und
- einer Gattin zugleich....
-
- „Doch ich höre auf zu rufen und zu wehklagen! -- Ich schließe
- diesen Brief. -- Sollte es der letzte sein, der den Weg zu Dir fand
- .... sollten diese Zeilen die Abschiedszeilen eines unglücklichen
- Weibes von ihrem heißgeliebten Gatten -- sollte dieser Gruß der
- letzte Gruß einer verkannten Frau von ihrem allzustrengen Manne
- sein: so grüße ich Dich aus den innersten, unergründlichen Tiefen
- meiner treuen Seele und flehe den allmächtigen Gott an, Dich stets
- mit Glück und holder Zufriedenheit zu umgeben -- Dich durch dieses
- Leben wie durch einen blühenden Garten zu führen -- am Ziele deines
- Weges aber Dir eine Aussicht zu öffnen, die in den Kreis seliger
- Cherubim und zu den Geliebten Gottes reicht, deren einer Du werden
- mögest....
-
- „Dort, dort, Alexander, werden wir uns gewiß endlich finden!
-
- „-- -- Ach ich kann dieses Schreiben nicht schließen, ohne mit
- herzzerreißender Stimme zu rufen: ich bin unschuldig, ich bin
- unschuldig, ich bin unschuldig! --
-
- +Cölestine+.“
-
-Alexander hatte den Brief bis zu Ende gelesen. -- Als er vorüber war,
-fiel er kraftlos in einen Lehnstuhl und lange fand er keinen Gedanken,
-keine Empfindung, kein Bewußtsein. -- Eine betäubende Leere allein
-erfüllte Alles in ihm und um ihn. So wie ihm jetzt geschah, war ihm
-noch niemals geschehen.... vergebens hätte er diesem sonderbaren Anfall
-widerstrebt, er war, ehe er sich’s versah, dessen Sclave, gefesselt an
-Händen und Füßen -- an Seele und Leib. -- Ein tausendstimmiges Chaos
-rauschte, braus’te, klang und summte um seine Ohren -- und es schien
-nicht anders, als hätte die Natur alle ihre Kräfte, leibhafte und
-geisterhafte, entfesselt, um sie gegen ihn zu senden, nicht damit sie
-ihn vernichten, sondern damit sie ihn in eine grenzenlose Verwirrung
-brächten, die länger dauernd den Bau seines Wesens zerrütten und
-zuletzt mit Wahnsinn endigen mußte. Zum Glück haftete dieser Zustand
-nicht lange unverändert an ihm -- er machte nach und nach einer
-völligen Dumpfheit Platz -- und war früher das Ohr das Mittel gewesen,
-durch welches die Ereignisse an seiner Seele rüttelten, so wurde es
-jetzt, nachdem der Gehörsinn völlig aufgehoben schien, das Auge. Eine
-Welt voll Visionen tummelte sich vor seiner Pupille -- -- bunt und
-düster, groß und klein, monströs und edel -- rasch und langsam -- wild
-und sanft: Figuren auf Figuren von unübersehbarer Menge, wie die Wellen
-eines brandenden Meeres! Es war ein Zug, der keinen Anfang und kein
-Ende nahm. -- O wie sie tanzten -- sprangen -- ras’ten... früher waren
-sie doch so ganz sachte auf glattem Boden dahingehuscht... aber nun
-mit einem Male hatte sie alle irgend ein wüster Wirbel erfaßt -- und
-die stille Kirchenfahrt wurde zum tollen Hochzeitszug -- zum wüthenden
-Teufelstanz...
-
-Seine Hirnschale drohte zu zerspringen ob des vielen Sehens; -- das
-innerlich kochende Gehirn schien bereits durch einige Poren durch die
-Augenhöhlen herauszuzischen.... wild warf sich der unselige Seher mit
-dem Angesichte gegen den Erdboden und wühlte mit den Fingern darin;
-er hätte ihn gern zur unermeßlichen Tiefe aufgewühlt, um sich selbst
-hineinzulegen.... Da endlich däuchte es ihm, er läge wirklich schon
-darin -- er empfand lindernde Kühle und ihn umfing finstere Nacht....
-Alle Gestalten waren verschwunden... der Gesichtssinn hatte seinen
-Dienst vollbracht, war erlahmt...
-
-Ach, mein Gott -- noch immer hatte das Schicksal nicht das rechte
-Organ gefunden, wodurch es deutlich zu dem Elenden sprechen konnte,
-so deutlich nämlich, daß er es verstand und vom Verständniß zu Grunde
-ging. -- Denn so hatte es das böse Schicksal gewollt;... nicht im
-Tollsinn sollte er reden -- es wollte ihn im Bewußtsein seines
-namenlosen Elends hinabschleudern zum Orkus.
-
-Darum wandte es sich jetzt von seinen äußern Talenten zu den innern
--- zu den scharfen geistigen Medien; es faßte ihn mit Geierkrallen
-unmittelbar am Herzen -- und spie in’s Antlitz seiner Psyche... Es
-rollte mit einem Ruck zwei ungeheure Berge von Schuld vor seine
-+Erinnerung+ hin -- sie glichen zweien Scheiterhaufen, und auf dem
-Gipfel des einen lag Margaretha gefesselt und gebunden -- auf jenem
-des andern aber -- Cölestine.... und er selbst, er lief mit einer
-brennenden Fackel hin und zündete zuerst den einen, darauf den andern
-an... und tanzte dann zwischen beiden -- und schürte ihr Feuer --
-und wandte sich mit gotteslästerlichen Gebeten an den Himmel, den er
-anflehte, ihm seine Blitze zu Hilfe zu senden, weil dies irdische
-Feuer zu schwach brenne.... und droben auf den Holzstößen, wo die
-Flammen über ihnen zusammenschlugen -- heulten die Opfer unter rasenden
-Martern -- und schrien auch zum Himmel auf -- aber sie schrien um
-eine Fluth, die herabstürzen sollte auf ihre brennenden Glieder und
-glimmenden Haare -- und als der Himmel kein Wasser senden wollte --
--- da verlangten sie nun auch mehr Feuer -- sengende Blitze.... damit
-ihre Qual schneller ein Ende nähme.... Aber nichts von dem Allen ward
-erhört! -- Alles ging seinen natürlichen Gang. -- Alles, was geschah,
-geschah durch ihn, durch den Henker, durch Alexander -- er allein briet
-seinem Herzen dies höllische Mahl -- und er allein verschlang es, der
-ärgste unter den Cannibalen -- -- ein Teufel in adeliger gesitteter
-Mannesgestalt. --
-
-Er erwachte. --
-
-„Ja!“ schrie er händeringend auf: „Ich bin ein Würgengel! So wie die
-Eine fromm und schuldlos war -- -- so wird es wahrscheinlich auch die
-Andere sein.... Ich habe die Eine gelästert und zerstört -- ich habe
-es ohne Zweifel auch mit der Andern so gemacht... Es wird mir klar,
-ich bin auserkoren -- gleich dem Satan die Kinder Gottes zu verlocken
-und zu verderben.... Cölestine, Du bist rein und fleckenlos wie es
-Margaretha war... jene wie Dich tödtete mein Wahnsinn!“
-
-Kaum hatte er dies gesprochen -- als neben ihm eine gellende Lache
-aufschlug, welcher die Worte folgten:
-
-„Armseliger Tropf! So ist also wieder all’ Deine Mannheit dahin? --
-dahin Dein Stolz und Deine ganze Größe? -- -- Geh, geh -- Du bist der
-Kleinen Kleinster!... ein Knabe, der gerne ein Riese sein möchte....
-stets aber von einem +Weibe+ überwunden wird. Auf Deiner Stirne
-brennt mit unauslöschlichen Zügen das Schandmal: „Weiberknecht!“ --
--- und all Dein Thun hat seine Qual in der eitlen Laune irgend eines
-Weibes. -- -- Tausendfach verhöhnter Liebhaber und Gatte -- Du wirst
-es bleiben bis an’s Ende Deiner Tage!... So bist Du schon wieder Narr
-genug -- den glatten Worten eines Weiberzüngleins zu glauben? -- --
-Wohlan! Geh’ hin -- begib Dich um Mitternacht zu der Wohnung dieser
-Cölestine -- -- schleiche Dich hinter die Gartenmauer Deines Hauses
--- kaure hinter einem Strauche -- -- und Du wirst Deine treue Gattin
-kommen sehen, verhüllt mit Schleier und Tüchern... darauf tritt ihr
-der schöne schlanke Geliebte entgegen (Du kennst ihn wohl!) -- -- sie
-umfängt ihn mit brünstigen Armen -- er entführt sie rasch -- denn kein
-köstlicher Augenblick ist zu versäumen.... Wohin führt er sie? -- -- --
-Nach +seiner+ Wohnung, nach +seinem+ Hause .... hier bringen
-sie zwei Stunden zu, um einander zu küssen und über Dich zu lachen!“
-
-Jetzt verstummte die Stimme.
-
-Jetzt erst gewahrte Alexander, daß er sich außerhalb seines Schlosses
-im dichten Walde am Rande des Sees befinde. --
-
-Von dem fremden Sprecher aber war nichts zu sehen; keine Spur mehr zu
-entdecken. -- Freilich jedoch herrschte bereits finstere Nacht und am
-Himmel blinkte nicht ein Sternchen....
-
-Wie er hierher kam aus seinem Schlafgemache, wußte er sich nicht zu
-sagen; doch erfuhr er am andern Morgen, daß er gestern Abend in tiefen
-Gedanken versunken herausgewandert sei in’s Freie, der Pförtner hatte
-ihm erstaunt nachgesehen, jedoch weder gewagt, mit ihm zu sprechen,
-noch ihm zu folgen. --
-
-
-
-
-Zehntes Kapitel.
-
-Auf der That ertappt.
-
-
-Noch an diesem Tage verließ der Graf allein und ohne alle Begleitung
-das Schloß und begab sich in einer unscheinbaren Kutsche nach der
-Residenz; er passirte unerkannt die Linien und stieg in einem der
-armseligsten Gasthöfe ab. Hier nannte er einen fremden Namen, und
-nachdem er ein einfaches Zimmer bezogen, schloß er sich, seiner
-Gewohnheit nach, darin ein. Er hatte nichts anderes mitgebracht,
-als seinen Mantel und unter demselben ein Paar lange, dünne,
-scharfgeschliffene Klingen, von moderner Pariser Arbeit. Mit ihnen
-unter dem Arme, von seinem Mantel eingehüllt, verließ er Abends in
-tiefer Dunkelheit seinen Gasthof, bezahlte den Wirth und begab sich
-sofort zu seinem Notar, den er gewiß war jetzt zu Hause zu treffen.
-Diesem händigte er ein versiegeltes Paket ein mit dem Bedeuten, es nach
-drei Tagen in dem Falle zu öffnen, als er bis dahin keine Gegenordre
-erhalten hätte. --
-
-Das Paket enthielt Alexanders letzten Willen.
-
-Nunmehr, mit seinen bürgerlichen Angelegenheiten in Ordnung -- eilte
-er, denen seines Herzens und seiner Ehre Genüge zu leisten. Er trat
-den Weg nach seinem Palaste an, und da er wußte, daß seine Gegner sich
-der verborgenen Pfade bedienen würden, wählte er die allgemeine breite
-Heerstraße, auf der er auch ungesehen bis an den bezeichneten Platz
-gelangte. Es war ihm, der mit der Oertlichkeit dieses Gebäudes, welches
-er selbst hatte aufführen lassen, sehr vertraut war, leicht, sich hier
-zu verbergen, ohne daß Jemand seine Nähe ahnte. --
-
-Keines Dieners Auge, keines Hundes Wachsamkeit hatte ihn entdeckt und
-mit bitterem Lächeln sagte er zu sich:
-
-„Ich bin in meinem Hause sehr treu bewacht!“
-
-Es schlug jetzt halb Zwölf. -- Er setzte sich auf den Boden, legte
-die Waffen vor sich hin und betrachtete mit Wohlgefallen ihre Spitzen
--- denn diesmal schimmerten die Sterne, auch hatte sein Blick eine
-wunderbare Schärfe gewonnen, die jener eines Geiers glich.
-
-Langsam, träg und faul zog die Zeit hin -- Alexander meinte, diese
-halbe Stunde sei hinreichend, eine neue Welt zu bauen oder zu
-zerstören... an dem letztern Gedanken hielt er sich mit Wonne. --
-Endlich schlug es Zwölf....
-
-In diesem Augenblicke raschelten seitwärts die Zweige des Gebüsches
--- und heraus trat ein Mann, ebenfalls in einen Mantel gehüllt. -- Er
-wandte ihm den Rücken zu, und schritt langsam zur Gartenmauer, und zu
-dessen Pförtchen, welches hier auf’s freie Feld führte.
-
-Selbst dem penetrirenden Blicke Alexanders war es nicht möglich, den
-Mann zu erkennen -- sein Mantel verbarg ihn vollständig, überdies
-schien er sich noch durch andere Mittel unkenntlich gemacht zu haben.
--- Jedoch es war kein Zweifel, daß es ein junger Mensch sei, und an
-Größe glich er vollkommen dem Chevalier von Marsan. --
-
-Es vergingen einige Augenblicke und leise ohne daß man es hörte, drehte
-der Schlüssel sich um, das Pförtchen ging auf.... eine Dame trat
-heraus. --
-
-Auch sie war trefflich maskirt, so daß selbst Alexander unter anderen
-Umständen seine Frau nicht erkannt hätte -- ihr Gang aber verrieth sie
-ihm dennoch. --
-
-Ohne ein Wort zu wechseln, stürzten die beiden Personen sich in die
-Arme und blieben lange so -- dann still, wie sie gekommen waren,
-rafften sie sich auf, und schlugen eilig einen Weg ein, welcher unter
-dem Schutze der Gebüsche und Bäume nach der Stadt führte.
-
-Längst schon hatte auch Alexander sich erhoben -- und folgte ihnen
-in einiger Entfernung Schritt für Schritt, nahe genug, um sie stets
-im Auge zu behalten -- und doch so weit, um mit Hülfe der sich
-darbietenden Deckungsmittel selbst ungesehen zu bleiben. -- Man hatte
-auf diese Weise ungefähr einige hundert Schritte zurückgelegt -- als
-er am Eingange einer breiten, aber öden und unbewohnten Straße einen
-Wagen halten sah.... und vermittelst seines wie durch Zaubermacht
-geschärften Blickes -- sogleich +Marsan’s Equipage+ erkannte.....
-
-In diesem Momente riß es ihn mit tausend Ketten empor, er vergaß aller
-Vorsichtsmaßregeln -- stürzte der Buhlerin und ihrem Buhlen nach, die
-Erstere drehte sich rasch um und stieß den Ruf aus: „Um Gotteswillen!
-Ein Mann hinter uns!“ -- dann liefen Beide eilig auf die Equipage zu...
-aber sie hatten sie noch nicht erreicht, der Kutscher hatte Cölestinens
-vernehmlichen Befehl: „Rasch den Schlag aufgemacht!“ noch nicht
-vollziehen können, als Alexander schon dicht hinter ihnen war -- und
-(seines Vorsatzes, dem Mann einen von den Degen anzubieten, vergessend)
-mit beiden, gleich einem Mörder, über ihn herfiel, den einen in dessen
-rechten Arm, den andern ihm in’s Gesicht bohrte. --
-
-Aber jetzt ward er verhindert, sie noch weiter zu gebrauchen... er
-fühlte sich rückwärts überfallen, von zwei gewaltigen Fäusten gepackt,
-entwaffnet und so zu Boden geschleudert, als sollte er sich nie wieder
-erheben... Der Kutscher (denn er war es) hob die Degen auf, packte den
-Verwundeten in den Wagen, schob Cölestine hinten nach und im wilden
-Galopp rollte die Equipage über das Straßenpflaster dahin.
-
-Alles das geschah in Zeit von einigen Minuten -- kein Wort war
-gewechselt worden -- kein Laut dem Munde der betheiligten Personen
-entfallen -- der Verwundete schien entweder vom Schreck oder vom Stich
-leblos geworden zu sein .... er lag gleich einer Leiche in dem Schoße
-Cölestinens. --
-
-Beim Einsteigen in den Wagen hatte Cölestine dem Kutscher zugerufen:
-„+Nach der Wohnung des Chevaliers von Marsan!+“ -- Dies war das
-einzige Wort gewesen. Alexander hatte es noch gehört. --
-
-
-
-
-Elftes Kapitel.
-
-Die Katastrophe.
-
-
-Aber die Mauern einer großen Stadt haben tausend Ohren und die Ziegel
-auf dem Dache Millionen Augen; es wird Alles gesehen und gehört, mag es
-auch im tiefsten Dunkel der Nacht und im abgelegensten Winkel geschehen
--- überdies nimmt die Polizei, vermöge einer ihrer Eigenschaften, die
-man bei der Wiener’schen +Allwissenheit+ nennen darf, von Allem
-schleunigst Notiz -- mit einem Worte, zwei Tage nach obiger Begebenheit
-sprach man in den Cirkeln von einem Mordanfall, der in der N*straße
-auf zwei Personen gemacht worden sei, welche Personen sich nur durch
-rasche Flucht in der Equipage des Chevaliers von Marsan ihrem sichern
-Tode entzogen hätten.
-
-Zu erzählen oder vielmehr zu erklären, auf welche Weise die Fama zur
-Kenntniß dieser einzelnen Umstände kam, ist uns nicht möglich -- denn
-was Alexander betraf, so hatte dieser von dem Augenblick, wo die
-Equipage abfuhr, bis zur gegenwärtigen Stunde, nicht die geringste
-Unannehmlichkeit zu bestehen gehabt. Er war damals bald nach seinem
-Unfalle vom Straßenpflaster aufgestanden, ohne Jemand um sich zu
-erblicken -- -- und seit der Zeit wohnte er bei seinem Rechtsanwalt,
-in dessen Hause er sich von einer Unpäßlichkeit zu erholen suchte.
--- -- Anderseits konnte Cölestine doch unmöglich selbst das Gerücht
-ausgestreut haben -- und auch von dem Kutscher war dergleichen nicht
-zu erwarten. -- -- Die einzige Möglichkeit war diese: es hatte Jemand
-Fremder der nächtlichen Affaire zugesehen, allein wie dieser Mensch
-war, wagte er es nicht, sich selbst auf den Kampfplatz zu verfügen,
-sondern eilte -- da ohnedies in dieser Straße keine Hilfe zu erlangen
-war -- nach der Wache oder Polizei. -- Als dieselbe erschien,
-war jedoch nicht nur der Wagen, sondern auch Alexander bereits
-verschwunden. --
-
-Der Letztere hatte gegen seinen Anwalt geschwiegen -- er gab vor,
-einen Zweikampf bestanden zu haben, der für ihn glücklicher als
-für seinen Gegner ausfiel.... im Uebrigen zeigte er sich äußerlich
-heiter und sogar humoristisch -- während in seiner Seele eine Hölle
-glühte... deren Flammen nur gemildert wurden durch die wenigen Tropfen
-von Hoffnung, daß er den Buhlen seines Weibes schwer, vielleicht gar
-tödtlich verwundet habe....
-
-Allein was war das Alles! -- Nicht nur dessen Leben wollte er haben
--- nicht nur das Herz ihm aus dem Busen reißen und dessen heißes
-feindliches Blut trinken... er lechzte nach der Seele Marsan’s -- er
-wünschte, daß er ihn in einem unvorbereiteten Augenblicke, da dessen
-Gewissen mit gräuligen Sünden beladen gewesen sei, getödtet hätte -- so
-daß die Seele des Verhaßten zur ewigen Verdammniß hinab fuhr! -- Das
-wünschte er, darnach rief er alle dunklen Mächte an.
-
--- -- Ach, welches Erstaunen, welches Entsetzen erfaßte ihn, als sein
-Wirth ihn benachrichtigte, im Hause des Chevaliers werde nächster Tage
-ein großes Fest begangen werden -- die Veranlassung hierzu sei die
-Ernennung Marsans zum Gesandten am Hofe von G**, wohin er sich alsbald
-begeben werde. Das Fest sollte an Glanz Alles überbieten, was in dieser
-Art bei einem vornehmen Garçon noch je vorgekommen. Er, Marsan selbst,
-wollte dabei die Honneurs machen.
-
-Dies Alles schien dem Grafen ein alberner Traum oder eine elende
-Mystifikation; nach einigen Minuten jedoch sah er, daß er vollkommen
-wache, und erinnerte sich, daß den Worten des Notars stets zu glauben
-war. So gehörte also das Ganze in die Welt der Wunder, welche man am
-besten mit Auge, Hand und Ohr controlirt.
-
-Das Letztere zu thun war Alexander entschlossen. Er wollte in eigener
-Person dem Feste beiwohnen, -- bis dahin jedoch sich hüten, darüber
-nachzudenken.... denn das Nachdenken konnte ihn zum Wahnwitz führen.
-
-
-
-
-Zwölftes Kapitel.
-
-Das Fest bei dem Chevalier von Marsan.
-
-
-Das Haus des Chevaliers -- ein neues Gebäude, welches sehr einsam in
-der Gegend des Belvedere lag -- war seinen Gästen geöffnet, die zahllos
-heranströmten, um ihm zu seiner Ernennung Glück zu wünschen.
-
-Das in Rede stehende Fest fand in den Abendstunden statt, weil ein
-Ball mit demselben verbunden werden sollte. Das Haus oder Hôtel oder
-der Palast war in seinen zwei Etagen glänzend erleuchtet, so daß
-die Lichter noch draußen hundert Schritte im Umkreise Tageshelle
-verbreiteten; -- und eine Wagenburg war unten aufgefahren, die den Neid
-jeder einzelnen Person durch deren Wagen sie vermehrt wurde, erregen
-mochte. Fürstliche, herzogliche, hochgräfliche und Wappen von allen
-andern Ritterklassen waren da an den Schlägen zu sehen... fabelhaft
-prunkende Livreen tummelten sich neben denselben umher.
-
-Vor dem Portale des Hôtels aber standen zwei Portiers, so groß
-wie Patagonier -- und mit so langen Stöcken, daß jeder eine gute
-Kosakenlanze hätte abgeben können -- dies jedoch, wie natürlich, ohne
-den mächtigen Knopf aus massivem Silber.
-
-Eine Suite von zwölf Gemächern, worunter drei große Salons, war oben
-im ersten Stock bereit, diese Tausende von Personen aufzunehmen --
-deren Blick beim Eintritt geblendet wurde von einem in Wahrheit
-orientalischen Luxus. Denn das ganze Haus Marsans war in diesem
-Geschmacke eingerichtet -- und schon unten an den Treppen hatten
-uns schwarze Kammerdiener empfangen, während hier in den Sälen
-die aufwartende Dienerschaft aus lauter echten Abyssiniern in dem
-malerischen Costume ihres Vaterlandes bestand. -- Jedoch wollte der
-Herr des Hauses den Orientalismus nicht so weit treiben, daß er zum
-Besten jener Gäste, die für denselben keine so große Leidenschaft
-nährten, wie in diesem Augenblick er -- nicht auch einige Europäer
-mit schwarzen, betreßten Fracks unter seine Söhne des Islams gemischt
-hätte. --
-
-Der Boden dieser Appartements war theils mit trefflichen Teppichen
-aus Aleppo belegt -- theils mit einer Art von feinen Binsendecken,
-welche so glatt waren, daß man darauf tanzen konnte, und die in Skios
-verfertiget werden. An den Wänden hingen köstliche bunte Stoffe --
-zwischen welchen Säulen von Marmor standen mit abentheuerlichen
-Kapitälern und Sockeln versehen, so daß sie aus dem Serail des
-Padischah oder Mehemed Ali genommen schienen; in den Draperien
-wechselte der Damast aus Damaskus mit den Shawls aus Teheran und
-Kashemir -- schwerlastende Stickereien, Franzen und Quasten faßten den
-Rand ein. -- Springbrunnen, mit wohlriechendem Wasser gefüllt, standen
-in den Ecken, und in der Mitte eines Salons befand sich ein Bassin
-aus carrarischem Marmor, worin Goldfischchen schwammen und welches
-tropische Gewächse und Blumen umgaben, aus deren Zweigen, trat man mit
-dem Fuß zwischen sie, liebliche Musik ertönte... Es waren lauter Weisen
-in jenem klagenden Tone, wie man sie unter den Mauern eines Harems zu
-hören bekommt.
-
-Kurz hier fehlte nur noch der Pascha, mit der langen Pfeife, auf
-Polster hingestreckt und von seiner Lieblingssklavin umkos’t.
-
-„Zum Teufel!“ sprachen junge Herrn in strohfarbigen Glacéhandschuhen,
-die von Patschuli dufteten: „Zum Teufel! -- Wo befinden wir uns? --
-Sind das die Gärten der Semiramis oder ist es das Terrain der Mährchen
-von Tausend und einer Nacht...?“
-
-Die guten Herrn! -- Sie hielten die Semiramis wahrscheinlich auch für
-irgend eine Sultanin im Lande der Gläubigen. --
-
-Herr von Marsan empfing die ankommenden Personen in einem Mittelsaale.
--- Er war im einfachen Salonanzuge -- braunem Frack, schwarzen
-Beinkleidern von Seide und eben solchen Escarpins; ein weißes Halstuch
--- unter welchem das Offizierkreuz der Ehrenlegion hing, welches er
-mit seinem Gesandtschaftsposten zugleich erhalten hatte.
-
-Unter der Gesellschaft befanden sich von denen, welche wir kennen:
-der General und die Generalin von Randow -- Herr von Labers, der die
-Feldmarschallieutenants-Wittwe E--z begleitete, dann die Gräfin von
-Wollheim mit ihrem Gemahl. -- Natürlich, daß Cölestine fehlte, und
-Herrn von Porgenau sammt Gemahlin anlangend, so waren diese gar nicht
-geladen worden: in den Augen Marsans zählten sie zur Canaille, wohin er
-jedoch auch den Grafen Wollheim gestellt hätte, wäre dieser durch seine
-strumpfstrickende Frau nicht ein Freund des Generals gewesen. -- Leider
-trat mit jener gutherzigen Dame auch das Stiftsfräulein von Bomben
-herein, ohne daß sie eine Karte empfangen hätte; aber der Tag war zu
-wichtig: mehrere Damen, Mitglieder des Frauenvereins, waren zugegen,
-und mit diesen hatte dieses menschenfreundliche Ex-Mitglied diesmal
-etwas Besonderes vor.
-
-Hätte ein Maler den Begriff der +Liebenswürdigkeit+ personificiren
-und durch Pinsel und Palette auf Leinwand werfen sollen -- so brauchte
-er heute nur das Portrait Herrn von Marsans zu zeichnen; da war keine
-Zuthat, keine Idealisirung des Stoffes nöthig: er selbst, in baarem
-Wirklich, war Ideal.
-
-Selbst seine Feinde (und auch er hatte deren) waren entzückt -- um ihn
-schaarten sich nur Zufriedene, Glückliche.
-
-Bald hatten sich Gruppen und Kreise gebildet. --
-
-Neben einer Fontaine saßen einige Damen, unter denen die Gräfin von
-Wollheim und das Fräulein von Bomben hervorstachen. Man unterhielt sich
-hier über das Fest, über den Geber desselben -- und erschöpfte sich in
-Conjunkturen wegen der glänzenden Belohnung, die ihm sein König für
-einige wichtige Dienste in letzterer Zeit zuertheilt hatte. Unvermerkt
-wußte das Stiftsfräulein, welches die schöne Kunst besaß, das Wort
-überall an sich zu reißen, das Gespräch auf einen neuen Gegenstand zu
-bringen, auf einen ihrer Lieblingsgegenstände.
-
-„Sie haben wohl schon von dem remarkablen Falle gehört, meine Damen --
-der sich vor einigen Tagen in der N** Straße zugetragen und welcher
-in naher Verbindung mit dem Chevalier von Marsan, besser gesagt in
-+direkter Verbindung mit ihm+, steht?“
-
-Es ließen sich nun einige Angaben vernehmen -- die alle von dem
-wirklichen Faktum abwichen und auch alle unter einander verschieden
-waren.
-
-„Nein, nein!“ versetzte das Stiftsfräulein: „das Alles ist nichts! --
-Weit von der Scheibe! wie man zu sagen pflegt. Ich bin über den Punkt
-genau unterrichtet und kann Ihnen aus authentischen Quellen Geschöpftes
-mittheilen. So hören Sie denn!“ --
-
-„Vor vier Tagen -- doch es war zur Nachtzeit, es war nach Mitternacht
--- hielt die Equipage des Chevaliers, welche aus diesem Hause
-abgefahren war, wie gewöhnlich in der N** Straße, und er, nämlich
-Herr von Marsan, stieg heraus. Nachdem er seinem Kutscher den Befehl
-ertheilt hatte, ihn hier zu erwarten (+wie gewöhnlich!+ muß ich
-hinzusetzen), bis er zurückkehren werde, begab er sich zu Fuße auf
-Umwegen nach der Wohnung der Gräfin A--x, zu dem Gartenpförtchen (Alles
-wie gewöhnlich, meine Damen). -- Hier wartete er einige Augenblicke,
-nach welchen sich das Pförtchen öffnete und Cölestine bis über die
-Zähne maskirt heraustrat, (wie gewöhnlich). Sie fiel ihm um den Hals
-und rief: „Endlich! Endlich! Nach langem Harren und Fürchten....
-endlich bist Du da, Geliebter, und ich kann Dich an mein Herz drücken.
--- Böser, böser Mann -- warum hast Du mich eine so ewig lange Zeit in
-ängstlicher Ungeduld harren lassen?... Es ist ja beinahe fünf Minuten
-später, als Du kommen solltest!“ Hahaha! Hahaha! -- Was sagen Sie
-dazu -- meine Damen?“ wandte die Erzählerin sich zu ihrer Umgebung,
-fuhr jedoch gleich darauf wieder fort: „Nachdem sie diese schönen
-Worte ausgesprochen, die edle Gräfin von A--x, auch dasjenige, was sie
-enthielten, richtig gethan hatte (wie gewöhnlich!), hing sie sich an
-den Arm des zärtlich Geliebten und schlug mit ihm den Weg nach seinem
-Hause, nach diesem Hause hier, ein -- -- (Alles wie gewöhnlich!) Ach,
-welcher zauberische Spazierweg Nachts im Mondenschein durch eine
-entlegene, höchst romantische Gegend! Welche Worte wurden da, welche
-Blicke ausgetauscht -- welche Küsse rauschten durch die heilige Stille
-der Nacht -- welche Liebesseufzer -- oder auch Liebesgestöhne.... und
-was sonst noch Alles!? -- Denn Sie wissen doch, Gräfin Cölestine ist
-eine Candidatin des hohen Frauenvereins.... hahaha!“
-
-„Zur Sache, beste Freundin! zur Sache!“ -- riefen die ungeduldigen
-Zuhörerinnen, die anstatt der Floskeln Thatsachen verlangten.
-
-„Nun denn also weiter! -- Die zwei holden Leutchen vergnügten sich drei
-Stunden lang im freien Felde zwischen Sträuchern und Bäumen .... der
-gute Mond sah anfangs recht gutmüthig schalkhaft in diese Wirthschaft
-hinein... zuletzt jedoch mochte es selbst ihm, dem Langmüthigen, zu
-toll werden -- und was thut er, der brave alte Kerl? -- Er sendet
-leise und klug einen seiner schärfsten Strahlen auf die pittoreske
-Gruppe des Liebespaares, so daß diese, trotz der getreuen Büsche und
-Blätter, so grell beschienen wird, wie am Tage... Alles das war noch
-immer wie gewöhnlich! -- Jetzt jedoch kommt etwas Ungewöhnliches...
-Im Augenblicke der vollen Beleuchtung... stürzt ein Mann, der sich
-bisher versteckt gehalten, hervor und auf die engverschlungene Gruppe
-des Liebespaars... der Mann hat einen Degen -- und will damit die
-Verbrecher züchtigen.... Jedoch ist dieser Mann ein Ehrenmann, ein
-Biedermann, ein Engel von einem Manne; statt allein auf die Beiden
-loszustürzen, wozu er doch das vollkommenste Recht besaß, bietet
-er dem Chevalier einen Degen an und will es mit ihm im Zweikampfe
-ausmachen. ... Armer Ehrenmann! Armer Biedermann! -- Was geschieht
-anstatt dessen? -- -- In dem Augenblick, wo er sich seinem Gegner
-nähert und ihm eine von den zwei Waffen, die er selbst mitgebracht
-hatte, anbietet -- entreißt die zärtliche Gräfin Cölestine ihm dieselbe
-und fällt ihn von hinten mit der Wuth einer Tigerin an.... (Wer hätte
-dies Alles der sanftmüthigen Gräfin zugetraut!) .... Nunmehr versieht
-sich Herr von Marsan seines Vortheils, ihm kann man so etwas weniger
-übel nehmen -- -- stürzt seinerseits auf den armen Mann, welcher
-alsbald zu Boden gerissen -- und, (durch wen von Beiden weiß man nicht)
-dermaßen zugerichtet wird, daß er aus mehreren Wunden blutet und ein
-entsetzliches Wehgeschrei ausstößt...“
-
-„Das ist Alles selbst entsetzlich!“ schauderte der Zirkel, spannte aber
-seine Aufmerksamkeit immer schärfer an.
-
-„Bei diesem Ruf entfliehen die Verbrecher, und eilen dem Platze zu, wo
-noch die Equipage Marsans steht... aber Wuth und Verzweiflung gaben dem
-Verwundeten die Kraft, sich wieder rasch vom Boden aufzuraffen -- und
-er folgt den Zweien nach. Das war ein Rennen und ein Laufen! Man hätte
-es für eine Jagd halten können -- oder für ein Wettrennen... hahaha! --
-Und das Geschrei des Verfolgenden, wie der Verfolgten! -- -- „Elende!
-Ihr sollt es mit Eurem Leben büßen!“ „„Allmächtiger Himmel! rette
-uns!““ -- u. s. w. -- -- Aber der Himmel und respective die Göttin
-Venus weiß die Ihrigen zu beschützen... mit einem Worte: der Rächer
-war eben am Wagenschlage angelangt -- als die Equipage mit dem darin
-geborgenen Liebespaar pfeilschnell abfuhr... so daß der Arme nur mehr
-ein entsetzliches Wuthgeheul ausstoßen konnte.... Venus, Amor, sowie
-den ganzen Himmel verfluchend.... und das mit Recht, denn rathen Sie,
-meine Freundinnen, wer dieser arme Mann wohl war --?“
-
-„Nun -- es wird doch nicht...?“ hieß es wie aus einem Munde.
-
-„Ja, ja -- -- es war ihr Mann, +Cölestinens Mann+, der arme,
-bedauernswürdige, redliche und betrogene Graf +Alexander von
-A--x+, einer der edelsten Cavaliere dieser Residenz war es!“
-
-Nach einer Pause voll tiefen Erstaunens -- fragte eine von den Damen:
-„So ist er also hier in der Residenz?... So liegt er also irgend wo
-krank, verwundet zum Sterben, der edle, gute, unglückliche Graf...“
-
-„Wie Sie sagen, so ist es, meine Beste. Er liegt in einer elenden Hütte
--- denn seine treulose Gemahlin und ihr Haus will er nicht mehr sehen
--- krank, leidend, zum Tode verwundet ... wahrscheinlich wird der
-Märtyrer bald seinen Geist ausgehaucht haben....“
-
-„Das Alles scheint mir indessen doch ein wenig unglaublich!“ bemerkte
-jetzt Gräfin Wollheim, nachdem sie lange mit einem ziemlich hohen
-Grade von Mißbehagen zugehört hatte, ohne sich entschließen zu können,
-drein zu reden; endlich war es ihr indessen doch zu bunt geworden: sie
-konnte diese Anklagen gegen ihre Freundin Cölestine nicht länger ruhig
-mit anhören.... wiewohl es ihr auch anderseits wieder schwer fiel,
-gegen das Fräulein von Bomben aufzutreten -- da diese sich ja ebenfalls
-ihrer Freundschaft erfreute.
-
-„Reden wir lieber von etwas Anderem!“ bemerkte die brave Gräfin, welche
-mit dieser Wendung einen Meisterstreich ausgeführt zu haben glaubte:
-„Reden wir von unseren Arbeiten, von unseren Beschäftigungen, wenn es
-Ihnen gefällt, meine Damen. Was mich betrifft... so habe ich wieder
-eine Jacke und drei Paar Strümpfe von starker Wolle gestrickt....“
-
-„Ah, ah! für den edlen Frauenverein!“ fiel die Stiftsdame ein.... „Wer
-weiß,“ lachte sie, „welchem braunen Bauerburschen diese Jacke von einer
-der hohen Vorsteherinnen zugedacht werden wird.... haha!“
-
-Bei diesen Worten ging der Chevalier an der Gesellschaft vorüber:
-„Meine Damen -- meine Gnädigen,“ sagte er mit einem artigen Lächeln:
-„man rüstet sich zum Spiel, zum Tanze. Welchem Vergnügen werden Sie den
-Vorzug geben?“
-
-„Natürlich dem erstern -- wenn wir bei dem zweiten nicht blose
-Zuschauer bleiben wollen!“ bemerkte das Fräulein.
-
-„Nun denn erlauben Sie, daß ich Ihnen den Arm biete, um Sie nach dem
-Spielzimmer zu führen....“
-
-Er begleitete die Gräfin von Wollheim -- die Andern folgten.
-
-„Ich werde dort, wie ich hoffe, die edlen Mitglieder des saubern
-Frauenvereins finden!“ murmelte das Fräulein zwischen den Lippen --
-denn Zähne, wie wir wissen, hatte sie keine -- dann rief sie mit Zorn
-aus: „Beim Domitian, Alarich und Genserich! -- ich werde Ihnen heute
-zeigen, mit wem sie’s eigentlich zu thun haben.... Hilf Samiel!“
-
-So wie der Graf Wollheim seine Frau nach dem Spielzimmer gehen sah,
-machte auch er sich auf und folgte -- nicht ihr, sondern seinem Stern,
-das will sagen: seinem Durst. Er hatte bisher mit zwei oder drei
-Herren, die sich für außerordentliche Jäger hielten, gesprochen und
-fand -- daß wenn sie auch mit einem Theil der edlen Weidmannskunst
-umzugehen verstanden, sie doch im andern keinen Bescheid wußten.... und
-dieser zweite Theil schien ihm seit langer Zeit der +erste+ zu sein.
-Er fand nämlich, daß, während jene zwei Herren nur immer von Hirschen,
-Ebern, dem Anstand, der Fährte, dem Hallali -- Fängern -- Suchern --
-Schlingen und Doppelbüchsen redeten -- -- sie der +Humpen+, +Krüge+,
-+Flaschen+ und +Fässer+ niemals erwähnten. -- Das schien ihm jedoch
-eine sehr miserable Jägerei -- er ärgerte sich dabei im Stillen schier
-zu Tode -- jemehr aber sein Aerger wuchs, desto mehr wuchs auch sein
-Durst, wie jeder Physiolog oder Patholog Euch haarscharf beweisen
-wird. -- -- Er riß sich demnach in einem Augenblicke, wo dies thunlich
-war, von dieser schlechten Gesellschaft los -- sagte, er wollte seine
-Gemahlin begleiten -- statt dessen begleitete er sich selbst -- in die
-Kellnerei. Wir sehen ihn hier noch einige Zeit, darauf verschwindet er
-hinter mannigfachem Trinkgeschirre unseren Blicken. --
-
-Der General und die Generalin hatten sich auch zu den Spieltischen
-begeben, und so ist denn jetzt beinahe der ganze Kreis unserer
-Bekannten auf einem Punkte vereint, gleichsam als hätte das Schicksal
-sie mit Willen hier zusammengeführt. -- -- Da saß die Wittwe E--z und
-ihr gegenüber Herr von Labers; gleich daneben General Randow, die
-Gräfin Wollheim und die Generalin.... ferner mehrere Damen und Herren,
-die zur nähern Bekanntschaft der Letzteren gehörten und die wir oft in
-ihrem oder ihrer Tochter Salon angetroffen haben. Der Chevalier trat
-auf kurze Zeit herein, begab sich jedoch bald wieder in den Salon,
-wo getanzt wurde und wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war.
-Dieser Salon stand mit dem Spielzimmer, von welchem wir hier sprechen,
-durch zwei große offene Thüren in Verbindung, und man konnte ihn daher
-seiner ganzen Ausdehnung nach von jedem Spieltische aus übersehen....
-
-Dieser Umstand war für das fromme Stiftsfräulein von unberechenbarem
-Nutzen -- denn sie auf ihrem Sitze konnte jetzt den ganzen Kreis ihrer
-Feindinnen -- Opfer darf man wohl sagen --: sie konnte acht oder
-zehn Damen, welche neben einander im Salon saßen, beständig im Auge
-behalten; und diese Damen gehörten sämmtlich zum Frauenverein.
-
-In der Brust der seltenen Menschenfreundin kochten in diesem
-Augenblick, wie in einem Hexenkessel, Gift, Galle, Rache, Schlangen
-und Ottern -- nebst noch andern Species, mit denen man seine Feinde
-vertilgt; sie warf zeitweise wahre Belialsblicke hinüber, und wenn
-sie dann jene Frauen so sorglos und heiter sah, murmelte sie vor sich
-hin: „O auch Babylon war vergnügt und lachte -- bevor der Donner
-d’reinschlug... hahaha! Geduld -- Samiel umschleicht Euch schon!...
-Hilf Samiel!“
-
-In diesem Augenblicke gab sie einem dicken Kerl, der in der Tracht
-eines Verschnittenen steckte -- und einen großen Korb in der Hand hielt
-(der Kerl war so eben erst eingetreten und hinter einer Draperie stehen
-geblieben, so daß er noch von Niemand bemerkt wurde), einen Wink; er
-trat mit seinem Korbe vor und auf ein neues raschgegebenes Zeichen
-schritt er in den Salon -- geradewegs auf die Damen des Frauenvereins
-zu, denen er, bevor sie noch Zeit hatten, sich von ihrer Ueberraschung
-zu erholen, den Korb vor die Füße stellte -- worauf er rasch in’s
-dichteste Gedränge verschwand...
-
-Jetzt ertönte ein lautes Geschrei aus dem Korbe -- man öffnete ihn.....
-und Alles prallte zurück.
-
-In dem Korbe lagen drei kleine Kinder, deren jedes einen Zettel in der
-Hand hielt, wovon der erste so lautete:
-
- „An die Frau Baronin von **!“
-
- Geliebteste! -- Hier sende ich Ihnen Ihren und meinen Sohn zurück,
- welchen ich Ihrem Willen gemäß insgeheim bei meiner Mutter erziehen
- lassen sollte, nachdem Sie ihn dort geboren hatten, während die
- Welt glaubt, Sie seien mittlerweile auf einer Reise nach Venedig
- begriffen gewesen. Da Sie meiner Mutter, der armen Frau, das
- Kostgeld bereits seit 14 Tagen nicht haben zugehen lassen, sehen
- wir uns zu dem gegenwärtigen Schritte gezwungen, falls das kleine
- Würmchen nicht Hungers sterben soll.
-
- Ganz der Ihrige
- bis in den Tod
- +Andreas Tunker+,
- Schmiedegeselle in Penzing.
-
-Die andern zwei Zettel, an zwei andere Frauen, welche ebenfalls hier
-saßen, gerichtet -- enthielten ähnlichen Text, daher wir es für
-überflüssig halten, denselben anzuführen.
-
-Es gab eine entsetzliche Scene! Die Residenz hatte sie bisher noch
-nicht erlebt -- -- aber das Unerhörte erneuert sich in unserer Zeit,
-besonders wenn es von dieser natürlichen Art ist, wie das gegenwärtige.
-
-Nachdem die betreffenden Frauen gebührend in Ohnmacht gesunken waren,
-nachdem man sie und auch die Kinder weggebracht hatte -- nachdem
-schließlich die edelste der Stiftsdamen und Menschenbeglückerinnen im
-Stillen ein heißes Dankgebet an Samiel oder irgend einen Andern von
-seiner Sippschaft gerichtet hatte.... gab sich die übrige Gesellschaft
-im Aeußern wieder zur Ruhe.... wie es jedoch im Geheimen bei ihr
-bestellt war, davon wird man sich leicht einen Begriff machen.
-
-Der Herr des Hauses war durch den Vorfall auf’s Tödtlichste
-verletzt.... er hatte sogleich allen seinen Domestiken den Befehl
-ertheilt, dem dicken Ueberbringer des überraschenden Festgeschenkes
-nachzusetzen.... von demselben war indessen keine Spur mehr zu
-entdecken.
-
-Dieses Intermezzo war kaum zu Ende -- -- als ein zweites, ein anderes,
-dem es ebenfalls nicht an Originalität gebrach, begann....
-
-Die nach dem Korridor gehende Thür des Spielzimmers wurde aufgerissen
-und zwei Menschen stürzten herein, deren Aussehen und Zustand der
-ganzen Gesellschaft einen Schrei entriß...
-
-Ein älterer, großer, starker Mann, der von allen gebräuchlichen
-Kleidungsstücken nur die Beinkleider und das Hemde auf dem Leibe hatte
--- welches letztere jedoch sowohl vorne offen und aufgerissen, wie an
-dem Arme bis über die Ellbogen hinaufgeschürzt war.... stolperte mit
-einem rothen, erhitzten Gesichte, in dem die Augen furchtbar rollten,
-herein -- schrie mit einer Stimme, die einem Löwen anzugehören schien
-und focht dabei mit den Armen in der Luft umher:
-
-„Ha! --“ rief er: „endlich sind wir da! -- Endlich haben wir den Platz
-gefunden! -- Endlich können wir uns produziren....“
-
-Bevor wir jedoch weiter gehen, müssen wir erzählen, wie der Zweite
-aussah.
-
-Dieser war ein ganz junger Mensch -- und befand sich in demselben
-Zustande, wie sein Begleiter. Sein Gesicht war krankhaft, bleich, und
-selbst der Geist, welcher jetzt im Innern der Brust wirkte, vermochte
-nicht, ihm eine lebhaftere Röthe zu verleihen; dieses Gesicht nun hatte
-auf der einen Wange eine große, weit klaffende Wunde, von welcher, wie
-es schien, erst vor Kurzem, und zwar gewaltsamer Weise, der Verband
-abgerissen worden war.... auch der rechte Arm war verwundet und es
-drang selbst durch das Hemd noch Blut heraus. Im Uebrigen erschien der
-Anzug des Jünglings noch paradiesischer wie jener des Alten.... maßen
-dieser biedere Jüngling in Socken umher ging und das Beinkleid bis zum
-Bauch hatte herabfallen lassen. -- --
-
-Man wird es vielleicht schon errathen haben: wir sehen +Wollheim+
-und +Edmund+ im erleuchtetsten Zustande vor uns....
-
-„Oh!“ brüllte der Nimrod: „das war ein schändlicher Streich, welchen
-man mir seit so vielen Monaten gespielt hat.... Man hat mir meinen
-Freund, Schüler, mein Jüngelchen entzogen.... man hat ihn unten in der
-Nähe des Kellers in einer verschlossenen Stube gefangen gehalten....
-Beim St. Hubertus! Das ist ein Verbrechen, welches mindestens der
-+Waldbrennerei+ gleichkommt und mit dem Spießen sollte bestraft
-werden.... Da gehe ich armer verlassener Jägersmann, in meiner Trübsal
--- Stärkung zu suchen in unterirdischen Räumen -- über die Treppe
-hinab. -- Ich verfolge meine Fährte in diesem guten Hause hier Schritt
-für Schritt und gelange richtig.... vor die Kellerthüre. -- Aber,
-Alle Sechzehnender! -- -- sie ist verschlossen.... da fange ich an zu
-rütteln -- -- es geht nicht -- -- da rufe ich und schreie nach dem
-Kellermeister.... Jetzt plötzlich geht eine andere Thür neben mir
-auf.... und wer stürzt mir um den Hals?.... Der Kellermeister aller
-Kellermeister! -- Mein Freund, mein Schüler, mein Jüngelchen, mein
-Stolz, mein Königshirsch.... kurz Edmund!“
-
-Bei diesen Worten stürzte nun auch er ihm um den Hals und diese beiden
-trefflichen Schützen begannen laut heulend zu weinen. --
-
-„Ich wollte blos,“ sagte der Graf: „der Welt und seinen betrübten
-Eltern ihn zeigen, ihnen verkünden, daß er lebt -- lebt -- in ihrer
-Nähe ist -- und weder bei einem Duell bei Prag fiel, noch sonst wohin
-an’s Ende der Welt reis’te.... wie so oft von schändlichen Lügenmäulern
-vorgegeben wurde.... Aber,“ schrie der Jäger wild auf wie im Walde:
-„das muß untersucht werden! Alle Kreuz- und Quer-Fährten, das muß
-untersucht werden! Weßhalb hat man diesen jungen hoffnungsvollen Ritter
-und Waidmann in Gefangenschaft gehalten?.... weßhalb hat man diese
-Blume der Jünglinge hinter Riegel und Schloß gesteckt?.... denn er
-schmachtete da unten in dem dumpfen Loche, wie er sagte, seit mehrern
-Monaten. -- Weßhalb also, frag’ ich noch einmal?...“ Hier wurde der
-Redner jedoch so schwach, daß er sein Gleichgewicht verlor und auf die
-Stiftsdame fiel....
-
-Marsan hatte der Scene mit wüthenden Blicken zugesehen und eben sich
-beeilt, mit Hilfe zweier Herrn sich der Trunkenen zu bemeistern,
-als, an diesem, an Ereignissen unerschöpflichen, Tage -- ein neues
-hereinbrach.
-
-In dem Augenblick, wo Marsan auf Edmund zuschritt, trat eine Person --
-von Außen herein und stellte sich rasch zwischen Beide.
-
-+Es war der Graf Alexander von A--x.+
-
-Er sah bleich wie der Tod aus und stützte sich auf einen Stock.
-
-Mit der Hast des Blitzes -- warf er seinen Blick auf den Chevalier
-und sodann auf Edmund ... da trug sich ein physiologisches Phänomen
-zu, welches unerhört sein mochte. Die bleiche Krankenmiene Alexanders
--- strahlte im Nu von Leben, Kraft und Entzücken.... und seine früher
-convulsivisch zuckenden Lippen stießen einen mächtigen Freudenruf aus:
-
-„Großer Gott -- was seh ich! Ist es möglich! -- Nicht Sie, mein
-Herr,“ wandte er sich zum Chevalier „sind in jener Nacht von einem
-Degen getroffen worden -- sondern +Edmund+ der Bruder meiner
-Frau...?.... So hat also er Cölestinen begleitet und nicht Sie....“
-
-Da faltete sich wieder die Stirne Alexanders plötzlich und er sprach
-dumpf: „Aber wie dies Alles zusammenhängt, will mir nicht klar
-werden... O vielleicht ist das Schreckliche dennoch geschehen.....“
-
-Marsan besann sich einen Augenblick; sodann ergriff er rasch den Grafen
-bei der Hand und zog ihn mit sich fort in ein Kabinet. -- --
-
-Hier begann er:
-
-„Da es so weit gekommen ist, daß nichts mehr verschwiegen werden kann
--- da das Schicksal selbst einen Zipfel des Tuches aufhob, womit ein
-Geheimniß bedeckt war, welches nur noch kurze Zeit hätte bedeckt
-bleiben sollen, da dann vielleicht andere günstige Umstände eingetreten
-wären, so erfahren Sie, Herr Graf, zuerst: Ihre Gemahlin ist so
-unschuldig wie ein neugebornes Kind. --“
-
-„Aber Beweise! Beweise!“ schrie Alexander, unter dessen Füßen es
-brannte -- über dessen Haupte die Welt einzustürzen drohte....
-
-„Hier sind die Beweise. Edmund von Randow, der Bruder Ihrer Gemahlin,
-hat sich durch leichtsinnigen Unbedacht und durch böse Gesellschaft
-schon frühzeitig in die mißlichsten Umstände gebracht -- seine Finanzen
-zerrüttet und Wucherern sich in die Arme geworfen. Anstatt seine
-Lebensweise zu ändern -- oder aber sich seinem Vater anzuvertrauen
-und von ihm einen größeren Geldzufluß für sich zu erwirken -- schritt
-der schlechtberathene junge Mann auf seinem alten Wege fort....
-gerieth aus einer Verlegenheit in eine größere.... und wurde zuletzt
-mit einem unvergleichlichen Seelenverkäufer, +Lips+ oder wie
-dieser Kerl sonst heißt, bekannt; dieser verleitete ihn, um ihn ganz
-in seine Hände zu bekommen -- selbst zu schändlichen Streichen!...
-zum Verkauf seines Eigenthums! seiner Kostbarkeiten, seiner Möbel....
-und so fort! Um diese Zeit traf ich mit Edmund zusammen; -- ich halte
-es für meine Pflicht, jetzt ein Bekenntniß abzulegen, welches mir
-in diesem Augenblick zu thun möglich ist, da ich noch zeitig genug
-von einem Vorhaben abstand, welches mich Ihnen gegenüber schuldig
-gemacht hätte: Ich liebte Ihre Gemahlin -- und ich habe es gewagt,
-ihr meine Leidenschaft merken zu lassen. -- Ich glaubte Anfangs, von
-ihr ermuthigt zu werden (Sie werden ohne Zweifel sich jener Tage in
-Ihrem Salon so wie in jenem der Generalin E--z erinnern, Herr Graf!)
--- -- aber ich irrte mich, wie ich später sah: das, was ich für eine
-Gewährung meiner Ansprüche hielt, war von Seite Cölestinens nichts
-als Artigkeit und jene lebhafte Geselligkeit, soll ich vielleicht
-sagen auch ein wenig -- Koketterie gewesen, welche unbeschadet ihrem
-Herzen -- ihr eigenthümlich ist. -- -- Herr Graf, wissen Sie, worum es
-sich damals im Salon der Generalswittwe E--z besonders handelte?...
-Wissen Sie, weshalb bald ich, bald Edmund sich der Gräfin so dringend
-näherten? Damals wollte Edmund, in seinem +eigenen Interesse+
-um des Himmelswillen -- mit ihr sprechen; er hatte, wie ich später
-erfuhr, damals den traurigen Fehltritt begangen, welcher nachher die
-Quelle all seines -- so wie des Unglückes Cölestinens und des Ihrigen
-gewesen ist. -- Um kurz zu sein: Edmund hatte falsche Papiere auf
-+Ihren+ Namen, Herr Graf, gemacht und dieselben mit seinem eigenen
-Herzen zugleich in die Geierskralle des Herrn +Lips+ gelegt...
-Lips wollte sie an jenem Abende noch Ihnen präsentiren -- oder von
-Edmund den dreifachen baaren Betrag haben .... und der unselige
-Jüngling wandte sich, da er sich an sonst Niemand wenden zu dürfen
-glaubte -- an seine Schwester, die ihm ihren +Schmuck+.... einen
-Schmuck, welchen sie von Ihnen erhalten, gab. -- Dies geschah noch in
-derselben Nacht, bald nach der Abfahrt von dem Hause der Generalin
-E--z; -- -- Edmund hatte mit seiner Schwester eine Zusammenkunft auf
-+ihrem Boudoir, nach Mitternacht+.“ -- -- Hier entfuhr den Lippen
-Alexanders ein Schrei der Ueberraschung: „Er also war es gewesen!?“
-Marsan aber fuhr fort: „Dieses Geschenk jedoch war für ihn nichts mehr
-als ein Palliativ gewesen..... der Werth des Schmuckes reichte nicht
-aus.. und Lips +prolongirte+ blos das falsche Papier -- -- behielt
-es jedoch bei sich. -- Schon nach wenigen Tagen bestand er unerbittlich
-auf +Bezahlung+ desselben.... Edmund hatte entweder den Kopf
-oder alles Herz, allen Glauben verloren, denn er hätte sich ja leicht
-+mir+ anvertrauen können, ja selbst Sie, mein Herr, obwohl Sie ihn
-eines falschen Verdachtes wegen, den ich bei Ihnen jetzt vernichtet
-zu haben glaube, haßten -- würden den Aermsten gewiß nicht haben
-untergehen lassen... Allein dieser Jüngling war bestimmt -- sich und
-seine Familie ganz und gar elend zu machen.... er harrte, harrte, bis
-irgend ein Gott aus der Luft seinen mächtigen Arm herabneigen werde....
-er harrte, oder vielleicht lebte er in einer Art von Wahnsinn fort --
--- bis der tödtliche Streich geschah.... Sein Würger erschien, forderte
-das Geld und -- -- da er es nicht erhielt, ging er vor Gericht. -- --“
-
-„Hier ist ein Räthsel, welches ich nicht zu lösen vermag. Weßhalb ging
-Lips vor Gericht? Es war einfacher, sich an Sie oder an die Eltern des
-jungen Mannes zu wenden.... so konnte er schleunig zu seinem Gelde
-gelangen. Was hatte er von der öffentlichen Compromittirung Edmunds? --
--- Oder war hier nicht +persönliche+ Beziehung mit im Spiel? -- --
-Doch, ich hoffe, auch auf diesen dunklen Punkt wird noch Licht fallen.“
-
-„Edmund, von dem Schritte seines Gläubigers in Kenntniß gesetzt --
-verbarg sich und entdeckte seiner Familie, er sei nach Prag oder an
-die Grenze verreis’t. Ach vergebens! Auch für sie war das blos ein
-Palliativ. Sie erfuhren das Unglück Ihres Sohnes noch in derselben
-Stunde. -- -- Edmunds Aufenthalt in dieser Zeit war Niemand bekannt,
-als seiner Schwester ... später auch seiner Mutter. Aber dieses
-Versteck war gegen die Nachstellung der Häscher nicht hinlänglich
-gesichert.... und in einem Anfall von Verzweiflung warf Cölestine das
-Geheimniß in meine Hände.... sie machte mich zu ihrem Vertrauten,
-sie beschied mich.... brieflich ... aber das mißglückte durch Ihre
-Dazwischenkunft, Herr Graf.... sie beschied mich sodann durch eine
-mündliche Botschaft zu sich. -- Ich entsprach mit Begeisterung dem
-ehrenden Vertrauen: ich stellte mich in Person bei ihr ein -- -- und
-hier wurde zwischen uns festgesetzt, daß Edmund in +meinem+ Hause
-ein verborgenes Zimmer bewohnen sollte. -- Alles dieses wurde sofort in
-Vollzug gesetzt....“
-
-„Ihr Haß, mein Herr, gegen Edmund, die Schwierigkeit, diesen Haß
-anders zu zerstreuen als durch Blosgebung der Schande des Jünglings
--- die unbezwinglich stolze und hartnäckige Weigerung Ihrer Gemahlin,
-Ihnen Alles zu enthüllen.... (sie zog diesem Schritte den Tod vor!)
-endlich... die Hoffnung, daß nach und nach, wenn auch in späterer
-Zeit -- der Sturm doch wieder vorüberziehen werde.... bewirkten, daß
-Cölestine den schrecklichsten Verdacht auf ihr Haupt fallen sah -- ohne
-etwas thun zu können -- als zu weinen, zu klagen -- zu verzweifeln....
-Sie reis’ten von Wien ab, Herr Graf, Sie bewirkten eine eklatante
-Trennung -- -- und Cölestine mußte das Alles geschehen lassen, konnte,
-ob auch ihr Herz im Todeskampfe zuckte -- Sie nicht einmal mit einer
-Hand zurückhalten. -- Allein Edmund, ihr unglücklicher Bruder, war
-geborgen; das gab ihrem Herzen einen schwachen -- mattglimmenden Trost.
-Sie kennen die zärtliche Liebe der beiden Geschwister: Cölestine wollte
-lieber selbst elend sein, als es ihren Bruder sein lassen. --“
-
-„Sie sah ihn jede Nacht. Jede Nacht um zwölf Uhr erwartete er sie an
-dem Gartenpförtchen +Ihres+ Hauses und meine Equipage brachte
-Beide hierher in +dieses Haus+ -- wo sie auf Edmunds Zimmer
-Stunden lang beisammen blieben.... Wie viele Thränen sind da geflossen!
--- --“
-
-„Doch weiter! -- Meiner Mühe gelang es -- Ihren Aufenthalt zu
-entdecken, Herr Graf.... ich wollte für die arme Frau Alles thun, was
-in meinen Kräften stand, und so war ich der Ueberbringer ihres Briefes
-an Sie auf Ihrem Schlosse, mein Herr......“
-
-„Hier endet meine Erzählung. Ich weiß nichts mehr hinzuzufügen. --“
-
-„Es ist genug!“ versetzte der Graf, kaum noch athmend. Er war in einen
-Sessel gesunken. -- Diese Ereignisse hatten seine ganze Mannheit
-erschüttert.
-
-Die Freude ist oft schrecklicher als der Schmerz, besonders bei jenen
-Naturen, denen dieser häufiger, als jene zu Theil wird. --
-
-In diesem Augenblicke fühlte Alexander Jemand in seine Arme stürzen....
-er erhob das matte Auge. Es war +Cölestine+, seine Gattin, die vor
-ihm auf den Knieen lag! --
-
-Der Chevalier hatte ihr Nachricht gegeben. --
-
-„Nun Du Alles weißt,“ sagte sie: „braucht mein Mund nicht mehr zu
-sprechen und mein Herz nicht mehr in namenloser Scham zu ersterben....
-Du weißt Alles, Alexander! Alles, Alles; -- -- Und dies Alles bestätigt
-das Wort: „Ich bin unschuldig! ich bin Dir treu gewesen!““
-
--- -- Endlich glaubte er ihr. --
-
-Der Chevalier verließ das Gemach. --
-
-Nichts von dem Allen, was in dieser seligen Stunde, deren Zeuge nur
-Gott war, zwischen den Gatten vorging... nichts von den wollustvollen
-Thränen und von den selig-wehmuthvollen Freudenergüssen. -- Alexander
-hatte Cölestine treu erfunden -- der Nebel des Mißtrauens war
-zerrissen -- die Schatten der Zwietracht flohen mit ihm davon -- die
-Welt war wieder schön -- die Erde hatte ihr Grün, der Himmel seine
-Sonnenpracht...
-
-Alexander erfuhr nun auch noch so manche von jenen Dingen, die zu
-allererst den Keim des Argwohns in seine Brust gelegt hatten; er
-erfuhr, daß jene Blume, jene Hortensie, die er einst im Schlafgemache
-gefunden und welche ihn zuerst so unglücklich machte, die Stelle
-eines Amulet vertreten habe. Es war Cölestinen von einer alten Frau
-angerathen worden, und so sprach die Wahrsagerin: so lange diese Blume
-an dem Busen der jungen Frau ruhen werde, so lange werde sie mit ihrem
-Gatten glücklich sein. --
-
-Das hatte sich denn im Laufe der Zeit auch bewährt.
-
-Ferner: die zwei Briefe, die er in ihrem Boudoir gefunden, waren von
-niemand Anderem, als ihrem Bruder Edmund, eben so auch die Haarlocke --
-und die Ringe....
-
-Auf die Zahlen hatte sie in die Lotterie gesetzt....
-
-Noch blieb jedoch Etwas zu lösen übrig.
-
-Wer war jener geheimnißvolle, finstere Warner gewesen, der sich dem
-Grafen überall unsichtbar in den Weg gestellt, an die Fersen gehangen
-und so Schreckliches geweissagt hatte, was auch stets, dem Scheine nach
-wenigstens, eingetroffen war. So lange dieser Punkt nicht erörtert war
--- konnte Alexander doch noch nicht so ganz vollkommen beruhigt sein.
--- Sodann, wer war jener zweite sonderbare, nicht minder geheimnißvolle
-Mensch, der gleich einem Gespenste sich in die Salons der Gräfin und
-ihrer Freunde schlich -- man hatte ihn nicht kommen, man hatte ihn
-nicht gehen sehen; man hatte nur seine bösen Rufe gehört und seine
-unheimliche Gestalt geschaut? -- --
-
-Auch hierüber wollen wir sogleich Auskunft ertheilen.
-
-
-
-
-Dreizehntes Kapitel.
-
-Schluß.
-
-
-Es war am heutigen Tage unser schöner Freund Althing in den Prater, der
-zu dieser Zeit schon seine grünen Sprößlinge aussendete -- spazieren
-gegangen, und nachdem er sich, Gott weiß aus welcher Laune, in dessen
-entferntesten Garten verloren hatte -- war er auf eine Dame gestoßen,
-welche mit einem Buche in der Hand hier auf einem abgebrochenen
-Baumstamme saß. Diese Dame schien sehr in ihrer Lektüre vertieft und
-wendete keinen Blick ab von derselben; doch unser Adonis ließ sich
-dadurch nicht irre machen, sondern setzte sich ohne weiteres neben sie
-hin und redete dieselbe an...
-
-Da hob sie zwei Augen empor -- so blau wie der Saphir und ein Gesicht
-so schön wie ein junger Morgen; nämlich seiner Meinung nach. Noch nie
-glaubte Herr von Althing das gefühlt zu haben, was jetzt in seiner
-Brust vorging (wir wissen jedoch, er glaubte stets also!) -- -- und,
-wie es seine Art war, er machte hier dem Mädchen ohne weiteres seine
-Liebeserklärung....
-
-Und sofort stand sie auf, verließ den Platz, und ging weiter. Er aber
-ging nach; und als sie den Weg nach der Stadt einschlug, folgte er ihr
-ebenfalls dorthin.
-
-Sie führte ihn auf diese Weise aus einer Straße in die andere, bis sie
-zuletzt auf der +Bettlerstiege+ in ein Haus trat, sich jedoch
-zuvor noch umsah.
-
-„Richtig!“ lächelte Althing und griff vorsichtig an seinen gefärbten
-Schnurbart; „die ist total in mich verschossen! -- Ach! dieser Blick
-war zu stark! -- Armes Mädchen -- Du sollst erhört werden.... denn
-was ich für Dich empfinde, ist +wahre+ Liebe!... Zum +ersten
-Male+ durchdringt dieses höhere Gefühl meine Jünglingsbrust! Ich
-sehe -- bei meinem bisherigen Leben kommt nichts heraus -- ich bin
-entschlossen, ein neues anzufangen.“
-
-Er trat nun ebenfalls in das Haus -- und da er das Mädchen nach dem
-hintersten Winkel desselben gehen sah, ging er auch dahin -- -- doch
-fürchtete er hier zu einer gewissen Abtheilung zu gelangen, die einem
-Parfümerie-Laden eben nicht ähnlich ist. Statt dessen gelangte er zu
-einer hölzernen Treppe und stieg sieben volle Etagen -- wie es stets
-sein Geschick wollte -- der Dulcinea nach. Endlich trat er fast mit ihr
-zugleich in eine kleine räucherige Stube, welche ihres Gleichen nicht
-hatte.... jetzt sah er sich mit dem Mädchen allein.
-
-„Aber was hat das zu bedeuten, mein Herr?“ fragte sie....
-
-„Es hat zu bedeuten, mein Fräulein, daß ich Sie liebe.“
-
-„Und weiter? --“
-
-„Daß ich ohne Sie nicht leben kann.“
-
-„Allein -- --“
-
-„Kurz... da ich jetzt in den besten Jahren bin und es mir auch nebenbei
-ernstlich vorgenommen habe -- biete ich Ihnen meine Hand an....“
-
-Bei diesen Worten lief das Mädchen zur Thür hinaus.
-
-Er stand einige Secunden verblüfft auf dem Platze, da vernahm er im
-Nebenzimmer zwei Männerstimmen, die sich zu zanken schienen. --
-
-„Ich sage Ihnen, daß ich keinen Tag länger auf den letzten Posten,
-welchen Sie mir von der Affaire noch schulden, warte. Wo Sie mich
-nicht noch heute bezahlen -- zeige ich die ganze Geschichte durch ein
-anonymes Schreiben dem +Grafen von A--x+, so wie dem +Generale
-von Randow+ an... die mögen es Ihnen dann entgelten, was durch Ihre
-Bemühung dem armen jungen Menschen +Edmund+ Schlimmes widerfahren
-ist... Auf Ehre!“
-
-Bei Nennung dieser Namen stutzte Althing und stellte sich näher an die
-Wand, um besser zu hören:
-
-„Sie müssen noch kurze Zeit Geduld haben, mein Bester!“ ließ sich die
-andere Stimme vernehmen -- und Althing glaubte sie zu erkennen.
-
-„Uebrigens,“ fuhr diese Stimme fort -- „halte ich Sie nicht für den
-Thoren, das zu thun, womit Sie so eben drohten, denn was gewinnen
-+Sie+ damit? Nichts.“
-
-„Aber Sie, mein Liebster, verlieren doch -- auf Ehre!“
-
-„Aber dann kann ich Sie dafür auch auf’s Zuchthaus bringen -- guter
-Lips.“
-
-„Wir sind gegen solche Möglichkeiten sicher gestellt, mein Guter; auf
-Ehre!“
-
-„Das wollen wir doch sehen -- hahaha!“
-
-„Ja -- das werden wir auch sehen, hahaha .... ohne daß ich
-hinzuzusetzen brauche: -- Auf Ehre!“
-
-Jetzt wurde eine Thür zugeworfen und bald darauf entfernte sich Jemand
-unter schallendem Gelächter über die Treppe.
-
-Gleich darauf trat das Mädchen herein; an ihrer Seite aber schritt
-jener Sterbliche, welchen wir als unsern wackern Meister Lips bereits
-seit lange zu kennen die besondere Ehre haben. --
-
-„Dieser Herr hier will mich zur Frau nehmen!“ sagte sie kurz.
-
-„Ist das wahr?“ fragte Lips eben so kurz den Adonis.
-
-„Gewiß!“ antwortete dieser ein wenig erstaunt.
-
-„Meine Tochter Philomela,“ sagte Lips zu ihm gewendet, „ist ein sehr
-gebildetes Mädchen; sie ist eine +Emancipirte+! -- Mit dieser
-Erklärung werden Sie genug haben. Sie kann Latein, Französisch,
-Griechisch, Slowakisch, Hebräisch, Chaldäisch, Maurisch, Ungrisch,
-Böhmisch, Hindostanisch, Malajisch -- und auch Deutsch; ferner ist sie
-in der Astronomie, der Chemie, der Physik, der Musik, der Geographie
--- der Skulptur -- in den Militairwissenschaften -- in der Aesthetik
-und Botanik -- in der Heraldik und Anatomie -- endlich in allen übrigen
-weißen, schwarzen, braunen und gelben Wissenschaften und Künsten
-bewandert. Auf Ehrenwort! -- -- Sie sehen, mein Herr, was Sie Alles mit
-ihr bekommen! Sie bekommen in diesem Mädchen eine ganze Universität. --
--- +Jedoch was bringen Sie mit, mein Herr?+“
-
-„Ich bin der Herr von Althing -- --“
-
-„Das ist Nebensache, auf Ehre! -- Was +haben+ Sie, frage ich, mein
-Lieber?“
-
-„Wohlan -- ich besitze eine Rente von 8000 Gulden Silbergeld -- -- --“
-
-„Ah -- Unterthänigster Diener! -- das läßt sich hören, auf Ehre. --
-Also Sie wollen meine Tochter zum Weibe?“
-
-„Ja.“
-
-„Nun gut -- Sie sollen sie haben, jedoch mit der Bedingung, daß Sie
-die 8000 Gulden jährlich durch mich erheben lassen. -- Sein Sie jedoch
-unbesorgt; Sie sollen Ihr Geld in monatlichen Raten -- bei Heller und
-Pfennig von mir ausgezahlt bekommen.... ich will mit dem Ganzen nur
-+speculiren+, jedoch zu +meinem Besten+. Ist Ihnen dieser +Contract+
-genehm, so machen wir ihn sogleich als +Ehecontract+ in aller
-gesetzlichen Form giltig?“
-
-Althing willigte ein. Er war froh, endlich einmal ein Weib gefunden zu
-haben, die, wie er sah, es mit ihm ernstlich meinte.
-
-Noch in der nämlichen Stunde wurde das Instrument von einem
-Rechtsverständigen aufgesetzt und mit gesetzlicher Kraft versehen. --
-
- * *
- *
-
-Und noch an demselben Tage erfuhr +Alexander+ von dem Adonis, welcher
-sich deßhalb eigens zu ihn verfügte, Alles das, was wir bereits
-wissen; nämlich, daß Lips nur auf Veranlassung des Barons +von Leuben+,
-jenes finstern, leidenschaftlichen, abgewiesenen Anbeters Cölestinens,
-die Wechselfälschung Edmunds vor Gericht geltend gemacht hatte. --
-
-Ein Zweikampf war die Folge davon. Leuben, tödtlich verwundet, bekannte
-mit ersterbenden Lippen, daß er nicht nur Cölestinen, sondern auch
-ihrem Manne, ihrem Bruder, ihrem ganzen Hause Rache geschworen --
-die er auch, so weit als es irgend seiner menschlichen Kraft möglich
-war, vollzogen habe. Damals bei der Trauung habe er nach Alexander
-geschossen, jedoch nicht getroffen; darauf habe er Stunde für Stunde
-auf das Unglück Beider gesonnen.... es sei ihm auch gelungen, dasselbe
-bis zum jetzigen Augenblicke zu nähren; und -- -- jener geheime
-+Warner+, jener Unglücksbote Alexanders -- sowie jener mysteriöse,
-durch Maskirung unkenntlich gemachte Fremde in dem Salon Cölestinens
-sei +er+ gewesen.
-
-Nach dieser Beichte hauchte der Elende seinen Geist aus.
-
-Was Edmunds Schicksal betraf, so gelang es dem Einflusse des Grafen,
-sowie wie jenem des Chevaliers, dasselbe zum Guten zu wenden; er wurde
-zuletzt noch der Freund seines Schwagers -- und wir sehen ihn in
-späterer Zeit sogar eine sehr bemerkenswerthe Staats-Carriere machen.
-
--- Was die übrigen Personen angeht, welche in dieser Geschichte
-auftraten, so wird ihr ferneres Schicksal mit wenigen Zügen angedeutet
-werden können.
-
-Das Stiftsfräulein nahm ein schauderhaftes Ende, wie dies edle Herz es
-auch verdiente. Bei einer Probe, welche sie mit ihrem neuerfundenen
-+Tannenzapfenmehl+ bei sich selbst machte, bekam sie den Magenbrand und
-starb unter Convulsionen, wobei sie jedoch stets bei Nero schwur, daß
-ihre Erfindung vortrefflich sei und der Menschheit zum Heil gereichen
-werde. --
-
-Gräfin von Wollheim strickte ihre Strümpfe für den
-Wohlthätigkeitsverein fort und fort. Ihr Gemahl, als er keinen
-Gefährten mehr beim Fasse fand, wurde wieder Jäger, jedoch entsagte er
-dem geliebten Fasse nicht gänzlich.
-
-Frau von Porgenau lachte ein Mal über einen Witz ihres Mannes so sehr,
-daß sie todt auf dem Platze blieb. Er, der berühmte Bonmotist hingegen,
-wurde immer berühmter; nur ließ man ihn in keinem Salon mehr zu.
-
-Der Chevalier von Marsan war und blieb auch in der Ferne der Freund
-Cölestinens, ihres Gemahls und ihrer Eltern. Seine frühere Leidenschaft
-für die Gräfin übertrug er auf zehn Andere. --
-
-Die kleine, schöne Alexandrine wurde von Cölestine an Kindesstatt
-angenommen; sie blühte inmitten der glücklichen Gatten, deren einziges
-Kind sie nicht lange blieb -- zur edlen Jungfrau heran. --
-
-
- Ende.
-
-
-
-
-Gedruckt bei +Friedrich Andrä+.
-
-
-
-
-Fußnoten:
-
-[A] Man verzeihe uns diese Clauren’sche Abbrechung. D. Verf.
-
-[B] A. von Sternberg.
-
-[C] Ikarus Flügel.
-
-[D] Geld.
-
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht
- Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL ***
-
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- The Project Gutenberg eBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht, Zweiter Theil, by Julian Chownitz.
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-
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- </head>
-<body>
-
-
-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht;
-Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Zweiter Theil (von 2)
-
-Author: Julian Chownitz
-
-Release Date: October 5, 2016 [EBook #53218]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL ***
-
-
-
-
-Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net (This file was produced from images
-generously made available by The Internet Archive)
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="transnote">
-
-<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen
-Ausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
-Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden
-stillschweigend korrigiert.</p>
-
-<p class="p0">Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden
-beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren
-oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate
-sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne
-unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt.</p>
-
-<p class="p0">Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.</p>
-
-<p class="p0 ebnoshow">Im Original wurde die Seitennummer 269 versehentlich zwei Mal
-vergeben. In der vorliegenden Fassung wurde dieser stattdessen die korrekte
-Seitenzahl 209 zugewiesen.</p>
-
-<p class="p0 htmlnoshow"> Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät
-installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten
-Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos
-als auch gesperrt erscheinen.</p>
-
-</div>
-
-<div class="front">
-
-<h1><b>Cölestine,</b><br />
-
-<span class="s6">oder</span><br />
-
-<span class="s5">der eheliche Verdacht.</span></h1>
-
-<p class="center">Von</p>
-
-<p class="s3 center"><b>Julian Chownitz,</b></p>
-
-<p class="s5 center">Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin,<br />
-Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von<br />
-Sternfels u. s. w.</p>
-
-<p class="s4 center padtop2"><b>Zweiter Theil.</b></p>
-
-<p class="s4 center padtop2">Mit 3 Illustrationen.</p>
-
-<div class="figcenter">
- <a id="deko" name="deko">
- <img class="w50 mtop2 mbot2" src="images/deko.jpg"
- alt="Dekoration" /></a>
-</div>
-
-<p class="s4 center"><b>Leipzig,</b><br />
-Verlag von Franz Peter.</p>
-
-<hr class="r5" />
-
-<p class="s3 center"><b>1842.</b></p>
-
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s2 center">Inhaltsverzeichnis.</p>
-
-</div>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis">
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Erstes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Edmund und einer seiner besten Freunde.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_3">3</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Zweites Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Die Nichtswürdigen.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_33">33</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Drittes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Der Schmerz der Gatten.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_58">58</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Viertes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Hoffnung, Verzweiflung, Resignation.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_76">76</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Fünftes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Die Promenade auf der Bastei.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_95">95</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Sechstes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Immer noch Promenade.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_124">124</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Siebentes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Der Zurückgezogene.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_150">150</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Achtes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Die Verlassene.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_189">189</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Neuntes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Trauer und Verzweiflung.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_210">210</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Zehntes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Auf der That ertappt.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_234">234</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Elftes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Die Katastrophe.
- </td>
- <td class="snr">
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- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Zwölftes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Das Fest bei dem Chevalier von Marsan.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_245">245</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="knr" colspan="2">
- Dreizehntes Kapitel.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kapitel">
- Schluß.
- </td>
- <td class="snr">
- <a href="#Seite_280">280</a>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s2 center padtop2 mbot1"><b>Cölestine,</b></p>
-
-<p class="s4 center mbot2">oder</p>
-
-<p class="s2 center mbot2"><b>der eheliche Verdacht.</b></p>
-
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[3]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Erstes_Kapitel"><b>Erstes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Edmund und einer seiner besten Freunde.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">S</span>eit dem beim Schlusse des vorhergehenden Bandes erzählten Vorfall sind
-zwei Tage vergangen. &mdash;</p>
-
-<p>Es ist jetzt nahe vor Tagesanbruch und wir haben das uns bereits
-bekannte Logis Edmunds von Randow vor unsern Augen. Wir wissen,
-dasselbe befand sich im väterlichen Hause und nahm hier einen ziemlich
-ausgedehnten Raum ein. Wo wir uns jetzt befinden, dies ist das
-Schlafzimmer des jungen Mannes &mdash; wir müssen gestehen, daß sich hier
-seit der Zeit unseres früheren Besuches so Manches, und zwar nicht zum
-Vortheile, verändert hat, was, wenn es eine Folgerung auf den Bewohner
-gestattet, diesen in ein sehr trauriges Licht stellen wird.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span></p>
-
-<p>Mitten im Gemache steht ein Bett, über welchem sich aus Seidenzeug
-ein drapirtes Zelt erhebt &mdash; aber einige dieser Draperien sind hart
-beschädigt &mdash; einige, wie es scheint, erst gestern oder heute mitten
-entzwei gerissen worden.... Das Bett ist nicht einmal aufgedeckt und
-doch liegt eine Person darauf, von der wir später reden werden. &mdash;
-Rings herum erblickt man umgestürzte Meubel, zerbrochenes Geschirre &mdash;
-hingeschleuderte Kleidungsstücke; &mdash; ferner sind die Fenster angelweit
-offen, wiewohl es draußen stürmt (wir befinden uns im Anfange des
-Winters,) und selbst die Thür ist nicht fest verschlossen, sondern wird
-vom Zugwind hin- und herbewegt.... Kurz in diesem Zimmer deutet Alles
-darauf, daß hier nur ein Trunkener schlafen und ein Liederlicher wohnen
-kann. &mdash;</p>
-
-<p>Wir haben uns nicht geirrt. Jene Person <em class="gesperrt">auf</em> dem Bette ist
-wirklich in dem bezeichneten Zustande: sie liegt nur halb entkleidet,
-und zwar so, daß der eine ihrer Füße (er ist mit einem Stiefel
-versehen) sich auf dem Bette befindet, der andere (dieser ist ohne
-Stiefel) neben demselben herunterhängt; die Arme sind in einer
-ähnlichen<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> Positur &mdash; und der Kopf folgt jenem Arme, der über den Rand
-hinausragt. &mdash; Diese Person ist <em class="gesperrt">Edmund</em>. &mdash;</p>
-
-<p>Nicht weit von hier, an die Wand gerückt, steht ein Sopha, welches
-ebenfalls aussieht, als hätte man darauf z. B. getanzt. Hier liegt ein
-zweites Individuum im tiefsten Schlaf versunken, was durch zeitweises
-kräftiges Schnarchen hinlänglich bestätigt wird... auch dieses
-Individuum ward gestern vom Genius der Nüchternheit nicht begleitet
-&mdash; und was seine Gestalt betrifft, so war sie uns schon einigemal
-vorgekommen. Jedoch ist hier weder der edle Venusritter von Althing &mdash;
-noch etwa gar (das Gegentheil wäre indeß nicht so ganz unmöglich) der
-tapfere Graf von Wollheim gemeint.... an Herrn von Marsan ist nicht zu
-denken. &mdash; Eine ganz andere Person tritt hier vor unsere Erinnerung und
-wir fühlen uns hierbei zu den Anfangspunkten gegenwärtiger Geschichte
-versetzt. Kurz: der Baron von Leuben, jener bleiche, schwärmerische,
-wilde Jüngling, den die Vermählung Cölestinens so unglücklich gemacht
-hatte &mdash; steht, oder vielmehr liegt hier vor uns. &mdash; Wie aber ist er<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span>
-hierher gekommen? wie in diesen Zustand, der nicht sein gewöhnlicher
-war, gerathen? &mdash; welche innige Verbindung herrscht zwischen ihm
-und Edmund, da ihre Bekanntschaft in früherer Zeit doch eine ganz
-alltägliche, wie sie unter allen jüngern Leuten eines Standes
-herrscht, war? &mdash; &mdash; Geduld, alle diese Fragen sollen früher oder
-später beantwortet werden. Man sieht es, daß auch dieser Mensch stark
-betrunken ist; indeß hat sein Zustand bei ihm keine so eclatanten
-Symptome hervorgebracht &mdash; &mdash; entweder ist seine Natur kräftiger, wie
-jene Edmunds (was aber nicht scheint) &mdash; oder &mdash; &mdash;<a name="FNAnker_A_1" id="FNAnker_A_1"></a><a href="#Fussnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a></p>
-
-<p>Edmund scheint den Schlaf schon vor dem Eintreten in dieses
-Schlafzimmer, worin indeß das Gelage nicht stattfand, &mdash; antizipirt zu
-haben... er befindet sich jetzt in jenem abscheulichen Zustande, wo die
-Dünste des Weines bereits den Kopf, die Hefen jedoch den Magen noch
-nicht verlassen haben. Man schläft nicht &mdash; man ist nicht mehr ohne
-Besinnung &mdash; aber man wird von schmachvoller Uebelkeit gequält. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span></p>
-
-<p>In dieser Indigestion (gleichgesinnte Jünglinge in Deutschland nennen
-sie: <em class="gesperrt">Katzenjammer</em>) fährt Edmund auf seinem Lager, welches
-für ihn eine Folter ist &mdash; wüthend hin und her &mdash; er möchte Alles
-zerbrechen und zersprengen &mdash; er möchte die ganze Welt zerreißen, nur
-um aus ihr, d. h. aus sich selber herauszukommen..... Alle Augenblicke
-sehen wir die Lage des wackern Jünglings verändert &mdash; und haben wir
-früher eines seiner Beine aus dem Bette heraushängen sehen, so wird uns
-jetzt das Vergnügen zu Theil, beide so zu erblicken.... später will
-sogar der Kopf der Mutter Erde näher kommen.... kurz: ein Kaleidoskop
-bietet nicht so viel abwechselnde Bilder wie Edmunds Lage in dieser
-Stunde.</p>
-
-<p>„Verflucht!“ schreit der junge Ehrenmann in einem Anfalle von
-Verzweiflung auf: „wird denn das ewig so währen? &mdash; Seit einer Stunde“
-(seit dieser Zeit <em class="gesperrt">wußte</em> er von seinem Zustande &mdash; früher hatte
-er in demselben blos vegetirt,) „seit einer Stunde leide ich wie ein
-Lazarus... und Keiner von den Spitzbuben, meinen Bedienten, kommt
-&mdash; mir Hilfe zu leisten.... Ah, Ah! die Schurken haben seit einiger
-Zeit allen Re<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span>spect vor mir verloren.... Seit dieser Hund von einem
-<em class="gesperrt">Lips</em> mich besucht &mdash; seit ich so recht wie der Herrgott in
-Frankreich lebe &mdash; &mdash; sind die Kerle wie verwechselt.... ja sie werden
-mit mir ordentlich familiär... Doch was red’ ich da? &mdash; Es gehört nicht
-hierher... Lieber will ich klingeln &mdash; &mdash; aber der Teufel weiß, wo die
-Klingel ist... und gepocht hab’ ich bereits hinlänglich, ohne etwas
-auszurichten.... auch das Rufen wird nichts nützen: &mdash; Johann! - Franz!
-&mdash; Karl! &mdash; Karl! &mdash; oder Charles!....“ brüllte er, hörte jedoch bald
-auf: „es ist umsonst &mdash; Oh! Oh! Uh! Buh! Auh! &mdash; &mdash; Hätt’ ich nur einen
-&mdash; Tropfen Sodawasser...“ setzte er ermattet hinzu.</p>
-
-<p>„Und jener Kerl dort &mdash; &mdash;“ fing er später wieder an, „jener Lump von
-einem Freunde dort auf dem Sopha... wie der schnarcht &mdash; schläft &mdash;
-und sich um mich, der hier fast des Teufels wird &mdash; nicht für einen
-Dreier Werthes bekümmert.... Heda! Holla! &mdash; Leuben! &mdash; &mdash; Klotz,
-Murmelthier!... Wirst Du endlich erwachen? &mdash; &mdash; Aber das schläft &mdash;
-als sollte es erst zum jüngsten Tag wieder aufstehen!“ &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span></p>
-
-<p>In diesem Augenblick brach, durch einen allzuhastigen Ruck, den unser
-Tugendheld that, die Bettstelle unter ihm durch &mdash; &mdash; und alsbald
-fühlte der Unglückliche sich mit einem Ende seines Körpers zwölf
-Zoll über, mit dem andern zwei Fuß unter seinem vorigen Horizont. Er
-schrie entsetzlich &mdash; denn abgesehen von dem Schmerze, den ihm dieser
-Wechselfall verursachte &mdash; wußte er im Schrecken auch nicht sogleich,
-was mit ihm geschah. &mdash;</p>
-
-<p>Bei dem Schrei erwachte der jenseitige Tugendspiegel auf dem Sopha &mdash;
-streckte die Arme von sich &mdash; und stammelte auf eine Weise, als hätte
-er den Mund mit Brei gefüllt: „Nun, was ist denn das hier &mdash; für ein
-Tausend Donnerwetter! &mdash; &mdash; Was geschieht denn?“</p>
-
-<p>„Oh weh! Oh weh!“ jammerte Edmund...</p>
-
-<p>„Schweige doch &mdash; &mdash; und störe einen ehrlichen Menschen nicht in seiner
-Ruhe &mdash; &mdash; Du &mdash; Du &mdash;“</p>
-
-<p>„Hol’ Dich der Kuckuk &mdash; sammt Deiner Ruhe, abscheulicher Kerl &mdash; der
-seit einem halben Tage schläft &mdash; wie ein Pflanzer in Domingo ... Oh
-weh! Au! Au! &mdash; ich bin gerädert!“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span></p>
-
-<p>„Lass’ mich zufrieden.... Ich möchte schlafen!“ murmelte Jener und
-drehte sich um...</p>
-
-<p>„Nein, nein, Du sollst nicht schlafen! Das ist schändlich! Du sollst
-mir helfen aus diesem verdammten Abgrunde herauszukommen.... Hörst Du!
-Oh weh!“</p>
-
-<p>Der Andere brummte etwas Unverständliches und legte sich gemüthlich auf
-den Bauch...</p>
-
-<p>„Aber &mdash; zum Henker! &mdash; Hörst Du denn nicht, Leuben?... ich bin
-gerädert &mdash; zerfleischt &mdash; &mdash; zu Hilfe! &mdash; &mdash; Au! die verdammte
-Bettstelle! der verdammte Zustand!“</p>
-
-<p>Der edle Baron indeß gab als ganze Antwort einige Schnarchlaute zum
-Besten. &mdash; Da wurde jedoch unser Mann wüthend, griff um sich herum &mdash;
-zog eine Latte aus der Bettstelle und warf sie mit einem Fluche seinem
-Kameraden dermaßen auf die Beine, daß &mdash; einen solchen Schlag auf den
-Kopf &mdash; die Welt um einen Biedermann ärmer geworden wäre. &mdash;</p>
-
-<p>Mit einem Satz stand Leuben auf seinen magnetisirten Beinen (nur nicht
-ganz fest) &mdash; und indem er versuchte die Augen aufzuthun, welche jedoch
-wie zusammengenäht waren, rief er: „Was<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> ist denn das! Ist hier der
-Beelzebub los.... und schmeißt nach mir mit Knitteln?... Was ist denn
-das? Was ist denn das?“</p>
-
-<p>„Still! still!“ entgegnete Edmund, der unter dem Einfluß der letztern
-Begebenheit abermals um einen Grad nüchterner geworden schien: „Still!
-Mach’ kein solches Geschrei! Es war eine Latte und weiter nichts! &mdash;
-&mdash; Ich habe Dich mit derselben geweckt, da es auf andere Weise nicht
-ging....“</p>
-
-<p>„Hol’ Euch &mdash; allesammt der Teufel...“ schrie Leuben, der zu glauben
-schien &mdash; in einer Gesellschaft von Mehrern zu sein...; dann bückte
-er sich mechanisch und rieb an seinem Beine, fiel jedoch bei dieser
-Operation zurück auf’s Sopha, wo er alsbald wieder eingeschlafen sein
-würde, hätte Edmund sich jetzt nicht aus den Trümmern und Matratzen
-losgewickelt und wäre er nicht zu ihm hin gewankt, rufend: „Aber nein!
-Du sollst nicht länger schnarchen &mdash; abscheulicher Kerl. Bei der
-Hölle, Du sollst kein Auge mehr zuthun &mdash; &mdash; denn so allein halte ich
-es in diesem Zustande nicht aus....“ Und er rüttelte und schüttelte
-den Braven so lange, bis dieser, aber<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span>mals sich die Augen reibend, in
-gähnender Weise ausrief: „Nun, es ist vorbei! &mdash; Aus ist es mit dem
-schönen Schlafe! &mdash; &mdash; Aber, zum Henker... wozu soll ich denn jetzt
-mitten in der Nacht wachen?“</p>
-
-<p>„Weil ich auch wache...“</p>
-
-<p>„Und weshalb wachst Du?“</p>
-
-<p>„Weil ich nicht schlafen kann... weil ich wie ein Märtyrer leide...
-und...“</p>
-
-<p>„Du wie ein Märtyrer?“</p>
-
-<p>„Die verfl&mdash; Fête! Ich werde an sie denken!“</p>
-
-<p>„Ja &mdash; es war eine herrliche Fête!“</p>
-
-<p>„Hol’ sie der Teufel! &mdash; &mdash; Sie hat mich vollständig ruinirt, an Leib
-und Seele...“</p>
-
-<p>„Aber, das begreife ich nicht... Ah! Ah!“ Und er gähnte wie ein
-Lohnkutscher.</p>
-
-<p>„&mdash; &mdash; Ich begreife es um so mehr! &mdash; Oh! Oh! &mdash; &mdash; Wenn nur erst
-dieser schmähliche Katzenjammer vorüber wäre! Ich habe doch im Leben
-so manchen verdaut... aber einer wie dieser ist in Europa noch nicht
-vorgekommen...“</p>
-
-<p>„Du hast also den Katzenjammer! Was ist dabei? &mdash; Lumperei! Weiter
-nichts als Lumperei....“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span></p>
-
-<p>„Ja, ja &mdash; &mdash; ich merke aber, daß mein Katzenjammer nicht nur
-ein physischer ist, sondern aus physischem und moralischem
-zusammengesetzt...“</p>
-
-<p>„Aus moralischem?... Wenn auch!... Was will das noch Alles sagen? &mdash;
-habe im Leben so manchen allermoralischsten Katzenjammer verarbeitet &mdash;
-und stehe noch da, als eine Säule der Junggesellenschaft...“</p>
-
-<p>„Thor! Weißt Du denn auch, auf was sich dieser mein moralischer
-Katzenjammer gründet? &mdash; Er gründet sich auf 8000 Stück Dukaten, die
-ich in Zeit von vier Stunden zahlen muß.“</p>
-
-<p>„Muß, muß! &mdash; was heißt das: muß?“ versetzte Leuben, und in diesem
-Augenblicke hätte Einer, der schärfer sah als jetzt Edmund &mdash; bemerken
-können, daß hinter dieser Gleichgiltigkeit und Trunkenheit, hinter
-dieser ganzen Geberdung Leubens .... noch etwas steckte, welches aussah
-wie der böse Geist Mephistopheles, als er in Auerbachs Keller hinter
-einem mit Flaschen und Betrunkenen besetzten Tische stand. &mdash;</p>
-
-<p>Um nicht lange in Räthseln zu sprechen, erklären wir frischweg, Leuben
-war zwar berauscht &mdash; jedoch nicht so sehr, wie er <em class="gesperrt">that</em>.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span></p>
-
-<p>Ein scheußliches Lächeln hatte sich nach obigen Worten über seine Züge
-ausgedehnt... und er wiederholte:</p>
-
-<p>„Muß! Muß! &mdash; Du mußt in vier Stunden 8000 Dukaten zahlen, sagst Du?...
-Ich aber sage: ein Mann kennt das Wort „Muß“ gar nicht...“</p>
-
-<p>„Ja &mdash; Du hast leicht reden!... Wäre ich in Deinen Verhältnissen! &mdash;
-Erstens &mdash; reich wie ein Nabob und dazu Herr seines Vermögens; sodann
-überhaupt nicht an Familienrücksichten gebunden &mdash; &mdash; drittens, was
-die Hauptsache ist, ein Kerl, der die Kaltblütigkeit eines Krokodils
-besitzt, wenn es sich um Dinge handelt, die Einem an den <em class="gesperrt">Hals</em>
-gehen... endlich viertens, und dies ist die hauptsächlichste
-Hauptsache: Du Beneidenswerther besitzest noch Deine Seele! Hast sie
-dem Beelzebub noch nicht verkauft... dem Beelzebub, welcher unter uns
-einherschreitet in der Gestalt des Meisters Lips.... Oh, Oh! meine
-Zunge brennt schon, wenn ich diesen Namen nur nenne.“</p>
-
-<p>„Nun &mdash; gut; aber was ist mit diesem Lips<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> weiter? &mdash; Mache Dich von
-dem Spitzbuben los!....“</p>
-
-<p>„&mdash; Mensch! Mensch! &mdash; dies ist leichter gesagt, als gethan. „Mache
-Dich los!“ wie schnell ist das ausgesprochen! &mdash; Aber ich sage Dir:
-eher macht man sich aus den lieblichen Umarmungen der Menschenfresser
-los, wie von Meister Lips &mdash; besonders wenn man sich mit ihm bereits so
-weit eingelassen, wie &mdash; leider Unsereins.“</p>
-
-<p>Leuben neigte sich ein wenig zur Erde, um die Freude, von der sein
-Gesicht strahlte, zu verbergen; darauf fragte er in neugierigem Tone:
-&mdash; &mdash; „Also ihm hast Du die 8000 Ducaten zu bezahlen....?“</p>
-
-<p>„Freilich &mdash; freilich, Du Narr, Du! &mdash; Ihm, dem Meister Lips &mdash; und
-dann noch jenem verfl&mdash; Coujon, den Du seit vier oder fünf Tagen zu den
-Orgien mitbringst, die wir bei jener saubern Frau Wratschifratschi &mdash;
-oder wie sie sonst heißt.... kurz bei jener tugendhaften Dame mit ihrem
-halben Dutzend tugendhafter Freundinnen feiern; &mdash; &mdash; diesen zwei<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span>
-Menschen bin ich 8000 Dukaten schuldig; dem Ersteren zwei &mdash; dem Andern
-sechs Tausend....“</p>
-
-<p>„Du nanntest meinen Freund einen Coujon, obwohl er ein Ehrenmann ist,
-wie Du oder ein Anderer; doch das mag Dir um unseres beiderseitigen
-Zustandes willen hingehn. &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Was &mdash; Zustandes! Ich wiederhole nochmals: ein Coujon, ein Spitzbube
-ist der Kerl ... ein falscher Spieler, woran nicht zu zweifeln; denn
-seit vier oder fünf Tagen hat er mir mit einer Regelmäßigkeit, die
-mathematisch genau ist, ungefähr 10,000 Dukaten abgenommen... und ich,
-ich Thor, ich spielte mit ihm noch immerfort .... spielte, als mein
-Geld verloren war, auf Ehrenwort.... und.... beraubte meine..... doch
-genug!“</p>
-
-<p>Edmund schwieg plötzlich. Ein besseres Gefühl schien über ihn gekommen
-zu sein, welches die nichtswürdigen Gesinnungen, die seine Brust jetzt
-beherrschten, auf einen Augenblick überwand.... er ging wieder zu
-seinem Bette zurück &mdash; legte sich darauf und barg sein Gesicht in die
-Kissen....</p>
-
-<p>Der Andere aber schickte ihm einen Blick nach,<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> der von der Natur des
-Basilisken geborgt zu sein schien &mdash; nickte mit dem Kopfe und rieb
-sich die Hände; sodann streckte er sich der Länge nach und mit großer
-Behaglichkeit ebenfalls auf sein Sopha hin &mdash; und begann wieder...:
-„Und diese beiden Gläubiger, sagst Du, holen in vier Stunden ihre 8000
-Dukaten? &mdash; Aber woher dies Zusammentreffen? &mdash; Es wirft auf meinen
-Freund ein ungünstigeres Licht, als mir lieb ist....“</p>
-
-<p>„Hol’ ihn der Henker, Deinen Freund, sammt allen Lichtern, die jemals
-auf eine solche Schandgestalt wie die seine gefallen sind! &mdash; &mdash; Aber
-eben dies Zusammentreffen, wie zufällig dasselbe auch sein mag, gleicht
-einem geheimen Fingerzeig Gottes, der so viel sagen will, als: diese
-zwei Schufte gehören neben einander.... Wenigstens, was mich betrifft,
-ich dachte gestern, als ich diesem saubern Freunde Deines Herzens
-sagte, er möge heute 11 Uhr Vormittags sein Geld bei mir in Empfang
-nehmen &mdash; damals dachte ich nicht daran, daß zur selben Zeit auch
-Meister Lips hier erscheinen werde, wiewohl ich es längst wußte.....
-und jenes Spiel einige Minuten<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span> früher blos in der einzigen Hoffnung
-eingegangen war, das Geld, welches ich für Lips heute brauchte, dabei
-zu gewinnen &mdash;“</p>
-
-<p>„Mit diesen Worten, mein Bester, vernichtest Du ja selbst den Verdacht,
-welchen Du vorhin auf meinen Freund <em class="gesperrt">Theobald Wurmholzer</em> so
-ungerechter Weise geworfen.... Hast Du ihn für keinen ehrlichen Mann
-gehalten, so hättest Du mit ihm nicht spielen sollen.... allein eben
-weil Du mit ihm spieltest, gabst Du ihm so zu sagen selbst das Zeugniß,
-daß er einer sei.“</p>
-
-<p>„Schon gut, schon gut!“ versetzte Edmund, und fing wieder an, sich
-umherzudrehen &mdash; &mdash; „Deine Argumentation scheint sehr richtig....
-allein der verd&mdash; Katzenjammer kommt schon wieder.... Uh! Puh!“</p>
-
-<p>„Der moralische &mdash; oder der physische? &mdash;“</p>
-
-<p>„Beide, beide! &mdash; Weh mir!“</p>
-
-<p>Mittlerweile war es hell geworden, der Tag guckte zu den Fenstern
-herein, was ihm sehr bequem wurde, denn diese waren noch offen, wie
-zur Nachtzeit. Indessen fing das Schneegestöber, welches draußen
-herrschte, an, seine Wirkung bis mitten ins Gemach zu verbreiten &mdash;
-weshalb<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> Leuben aufstand, um Fenster und Thür zu schließen; und als er
-zufälligerweise die letztern heftig zuschlug, schrie Edmund erschreckt
-auf: „Ach! wer kommt da! Sollten es bereits die zwei Schurken sein....?“</p>
-
-<p>„Welche &mdash; Schurken?“</p>
-
-<p>„Lips &mdash; und jener ehrliche Wurmholzer. &mdash;“ Erst jetzt erhob er sein
-edles Haupt: „Ach!“ sagte er nach der Thür sehend &mdash; mit erleichtertem
-Herzen: „sie sind es nicht. &mdash; Freilich aber,“ begann er nach einer
-Pause: „werden sie nicht lange ausbleiben. Die eilfte Stunde wird
-herankommen, ehe man sich’s versieht. &mdash; Heute galoppirt die Zeit, wie
-ein arabischer Renner.... Kannst Du mir vielleicht sagen, was jetzt die
-Uhr ist?“</p>
-
-<p>„Ich vergaß meine Uhr zu Hause... Indeß kannst Du ja nach einer von den
-Deinigen sehen.“</p>
-
-<p>„Nach einer von den meinigen?!“ wiederholte der wackere Sprosse des
-Randow’schen Hauses mit kläglicher Stimme. „Wo sind die &mdash; meinigen! &mdash;
-Der Teufel hat sie bereits alle geholt....“</p>
-
-<p>„Alle?“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span></p>
-
-<p>„Ja &mdash; ja; mein lieber Freund &mdash; Lips kann mehr von diesem Kapitel
-erzählen....“</p>
-
-<p>„Ich will nicht hoffen &mdash; daß dieser Elende Dich schon sogar um Deine
-Uhren gebracht hat &mdash;“</p>
-
-<p>„Um meine Uhren? &mdash; Ach, er hat mich noch um so manches Andere
-gebracht! Die Uhren, die Ringe, die Ketten, die Waffen, die
-tausenderlei hübschen glänzenden Sachen.... sie sind alle sein &mdash; &mdash;
-&mdash; Ja sogar &mdash; &mdash; Kleider, Wäsche &mdash; Requisiten &mdash; &mdash; Oh! verfl&mdash;
-Katzenjammer!“</p>
-
-<p>Der Andere schlug, da ihm Edmund in’s Gesicht sah, die Hände zusammen,
-mit einer Miene voll zärtlichen Mitleids und Schreckens rufend:
-„Allein &mdash; wie konntest Du es nur so weit kommen lassen, unglücklicher
-Freund?!“ Er wischte sich eine Thräne aus dem Auge: „Sahst Du denn
-nicht, mit wem Du es zu thun hattest.... Meister Lips hätte Dir ja
-gleich beim ersten Handel, den Du mit ihm eingingst, die Lust zu einem
-zweiten benehmen sollen....“</p>
-
-<p>„O mein Freund!“ seufzte Edmund: „sprich lieber: mit dem <em class="gesperrt">ersten</em>
-Handel hatte der nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span>würdige Kehlabschneider <em class="gesperrt">zugleich alle
-übrigen gemacht</em>.... Einmal in seine Klauen gerathen, gehörte
-ich für immer ihm.... ich konnte nicht mehr los! Glaube mir, das
-Alles kann ich Dir nicht so leicht erzählen &mdash; wie leicht es ihm zu
-<em class="gesperrt">vollbringen</em> war.... ich kann Dir von dem Wie und Warum keine
-Erklärung geben: ich kann Dir nur sagen: es ist geschehen &mdash; Punktum!
-Damit ist Alles gesagt. &mdash;“</p>
-
-<p>„Und wenn,“ fuhr der Taugenichts fort, „wenn ich Dir zum Schluß noch
-einige Notizen geben soll, so werden es folgende sein: Lips hat
-Wechsel, Obligationen, Hypotheken von mir in Händen &mdash; bei deren
-Erinnerung mir schon der Kopf schwindelt &mdash; und das Hirn in demselben
-siedet..... Der Satan weiß es, wie ich mich aus den schauderhaften
-Papieren herauswickle! Soviel jedoch ist gewiß: daß Meister Lips mich
-mit Haut und Haar in seiner Gewalt hat &mdash; und es kostet ihm nur ein
-Wort &mdash; so bringt er mich dahin, wo Heulen und Zähnklappern herrscht.“</p>
-
-<p>Eine tiefe Pause entstand. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span></p>
-
-<p>„Aber,“ begann jetzt Leuben: „kannst Du denn hierbei nicht die Hilfe
-der Deinigen in Anspruch nehmen, Edmund? &mdash; Ich bin gewiß, Dein
-Vater, Deine Mutter würden Dich gerne aus dieser Verlegenheit ziehen
-&mdash; es bedarf vielleicht nur eines offenen und zugleich reumüthigen
-Bekenntnisses von Deiner Seite. &mdash; Du siehst, ich rede zu Dir als
-Freund.“</p>
-
-<p>Es hatte leicht reden, dieses edle Herz. War es ihm doch hinlänglich
-bewußt, daß der General für seinen Sohn in diesem Falle nichts thun
-würde; ja, daß er, unterrichtet von dem wüsten, unvernünftigen und
-unehrenhaften Treiben des Letztern &mdash; vielleicht ganz und gar seine
-Hand von ihm abziehen, ihn verstoßen dürfte. Der Charakter und die
-Grundsätze des alten Herrn bürgten dafür.</p>
-
-<p>Edmund begnügte sich daher auch, statt aller Antwort &mdash; laut und mit
-einem gräßlichen Tone aufzulachen; sodann barg er das Gesicht in beide
-Hände und blieb völlig stumm.</p>
-
-<p>„Und Deine Schwester?“ fing Jener wieder an. „Sollte Cölestine, welche
-Dich doch so zärtlich liebt und zugleich von Deiner innigen<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> Neigung zu
-ihr überzeugt ist &mdash; sollte sie Dich nicht retten können?... Freilich
-ist sie in diesem Augenblick noch nicht Herrin ihres Vermögens &mdash;
-und darf über das eigene eben so wenig, wie über jenes ihres Mannes
-verfügen. Gleichwohl scheint es, daß es ihr im Ganzen nicht schwer
-werden sollte.... mehrere tausend Gulden aufzutreiben....“</p>
-
-<p>„Wo denn?“ fuhr der Jüngling dazwischen. „Etwa bei Meister Lips?“</p>
-
-<p>„Nein doch! &mdash; aber &mdash; ich meine &mdash; &mdash; sie besitzt ja Kostbarkeiten,
-Juwelen &mdash; Schmuck &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>Edmund stieß bei diesen Worten einen tiefen, erschütternden Seufzer,
-der aus dem innersten Grunde der Seele kam, aus. Seine Augen wurden
-feucht, und als er die folgenden Worte sprach, schluchzte er wie ein
-Knabe: „Ach, unglückliche Schwester! Arme Cölestine! Liebevolles,
-heiliges Herz &mdash; &mdash; &mdash; womit, womit hast Du dies Alles verdient! &mdash; &mdash;
-O! Ich bin ein Frevler, ein Nichtswürdiger, ein Verräther an Dir und
-Deiner Liebe! &mdash; Und ich verdiene nicht mehr in Dein mitleidvolles,
-zärtliches Auge zu blicken! &mdash; Ja, ja! Möge es sich mir auf<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span> ewig
-verschließen.... möge es Einem leuchten, der dessen würdiger ist, als
-ich... &mdash; O, ich Elender!“ schrie er im gewaltigen Schmerze auf: „ich
-verachte mich! ich speie mich an!“</p>
-
-<p>Nach diesen Worten schien es, als bräche sein innerstes Wesen zusammen.
-Er lag bewegungslos, starr wie ein Leichnam da &mdash; &mdash; und hätte nicht
-das schwere Stöhnen, welches er von Zeit zu Zeit hören ließ, Kunde von
-seinem Leben gegeben &mdash; man würde ihn haben hinaustragen können zur
-Bestattung. &mdash; Daher gab er auch auf die Frage, welche Leuben zuletzt
-an ihn that: „Und Marsan &mdash; Dein Freund, der glänzende, großmüthige
-Marsan? &mdash; &mdash; Weshalb vertraust Du Dich nicht ihm an?“ &mdash; keine Antwort.</p>
-
-<p>&mdash; &mdash; Wir hoffen, der Charakter Edmunds von Randow ist unsern Lesern
-bereits deutlich genug vor Augen gestellt. &mdash; Wie aus mehrfachen
-Scenen, in denen wir diesem jungen Menschen begegnet sind &mdash; erhellt,
-haben wir es hier mit einer, aus zweien, scheinbar widerstreitenden
-Hälften zusammengesetzten, Natur zu thun &mdash; diese Hälften jedoch, diese
-scheinbaren Gegensätze &mdash; sind nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> weiter, als die zwei Theile
-einer aus derselben Wurzel entsprießenden Pflanze &mdash; einer Blume, die
-Blüthen und zugleich scharfe Dornen trägt...</p>
-
-<p>Wir wollen uns sogleich weitläuftiger über diese Sache auslassen
-und versuchen, ein Spiegelbild jener Menschengattung zu liefern &mdash;
-in welcher der Krankheitsstoff unserer Zeit am entschiedensten zum
-Durchbruch gekommen. &mdash;</p>
-
-<p>Edmund war ein leichtsinniger, ein verschwenderischer, ein
-nichtsthuender junger Mensch, der jedoch in gewissen Fällen der
-wärmsten Hingebung, der edelmüthigsten Aufopferung &mdash; und einer bis zur
-reinsten Liebe gesteigerten Zuneigung fähig war. &mdash; Er an und für sich
-war wenig... durch Denjenigen, an welchen er sich anschloß, konnte er
-jedoch Alles werden. Er hatte von der Natur weiter nichts mitbekommen,
-als ein weiches Herz und einen heitern Sinn; diese Gabe aber ist
-äußerst gefährlich; ohne die richtige Pflege bildet sich durch sie ein
-Charakter heraus, der zuerst blos <em class="gesperrt">gut</em> und <em class="gesperrt">schwach</em> scheint
-&mdash; später jedoch <em class="gesperrt">leichtfertig</em> und <em class="gesperrt">thöricht</em> wird. Vermöge
-des Ersteren hing Edmund seinen Verwandten und darunter besonders
-seiner<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> Schwester mit schwärmischer Liebe an &mdash; vermöge des Letztern
-schloß er schnell mit Jedermann &mdash; am schnellsten mit lustigen Brüdern
-Bekanntschaften und Bündnisse.</p>
-
-<p>Welche Resultate für sein Leben, für seine persönlichen Verhältnisse
-hieraus erwuchsen, ließ sich voraussehen. Da es in der menschlichen
-Natur liegt, mit einem Gemüthe, wie das Edmunds, dem Bösen zugänglicher
-zu sein als dem Guten, so war auch nichts natürlicher, als daß bei ihm
-der Einfluß seiner <em class="gesperrt">Freunde</em> jenen seiner Verwandten nicht nur
-überwog &mdash; sondern in progressivem Verhältniß langsam vernichtete,
-dermaßen, daß Edmund zum Beispiele im gegenwärtigen Zeitpunkte &mdash;
-Dank dem elenden Leuben &mdash; Althing &mdash; dem alten Wollheim und dem
-Würger Lips, der anfangs als <em class="gesperrt">Freund in der Noth</em> galt, &mdash; Dank
-also diesen schlechten Freunden &mdash; in diesem Augenblick auf einem
-schauderhaften Gipfel des Elends und der geheimen Noth stand.</p>
-
-<p>Daß es das Geld ist, welches im vorliegenden Falle wieder den <em class="antiqua">nervus
-rerum</em> vorstellt, läßt sich leicht errathen; wann sollte dieses
-fluchwürdige Princip nicht das herrschende gewesen<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span> sein &mdash; &mdash; mag
-man auch die Bücher der Weltgeschichte, von den grauen Zeiten des
-Alterthums bis auf die neuesten, durchblättern.... wo war es dies nicht
-stets? &mdash; Fürwahr, man ist versucht, dieses Princip für dasjenige zu
-nehmen &mdash; von welchem die Bücher der heiligen wie die der weltlichen
-Weisheit als von dem <em class="gesperrt">bösen</em> sprechen. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Wir könnten hier eine lange Expectoration einschließen &mdash; wir könnten
-hier mit sanften Engelsstimmen sowohl wie mit dem Brüllen des Donners
-reden, um unserm Satz die rechte Verständlichkeit und Kraft zu
-verleihen; wir könnten tausend Mal fragen: „Wo ist das Gute, welches
-durch den Mammon gestiftet wurde?“ &mdash; ohne daß man uns hierauf auch nur
-eine einzige Antwort zu geben vermöchte; &mdash; &mdash; wir könnten hinwieder
-fragen: „Wo ist das Böse, das durch ihn angerichtet wurde?“ und auf der
-ganzen Erde würde jeder Punkt rufen: „Hier! hier! hier!“</p>
-
-<p>&mdash; Doch zu solchen Experimenten ist hier weder Zeit noch Raum, und so
-kehren wir denn<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> wieder zu den wesentlichen Theilen unserer Darstellung
-zurück.</p>
-
-<p>Als wir Edmund zum ersten Male sahen, fanden wir im Aeußern einen jener
-lustigen, ausgelassenen, dabei gutmüthigen jungen Kavaliere, an welchen
-in großen Städten eben kein Mangel ist. Wir hatten jedoch zu jener
-Zeit uns noch nicht näher um ihn bekümmert... wir hatten noch nicht
-nach seinen inneren Zuständen geforscht und so konnten wir leicht über
-ihn <em class="gesperrt">lachen</em>; wir hatten noch keine Ursache, uns wegen seiner zu
-<em class="gesperrt">betrüben</em> &mdash; denn ein Mensch kann lustig, ausgelassen und bei
-dem Allen doch sehr glücklich sein. Als uns Edmunds schönes Verhältniß
-zu Cölestine, als uns einige der edleren Eigenschaften seines Herzens
-bekannt wurden &mdash; mußten wir sogar für ihn eingenommen werden. &mdash;
-&mdash; Aber nur zu bald enthüllten sich unserem Blick alle jene düstern
-Einzelheiten dieses Wesens und Lebens, welche nicht mehr geeignet sind
-zu belustigen, sondern wodurch unsere bisherige Theilnahme dem Schreck,
-ja dem Ekel wich. &mdash; Wir sahen Edmund nicht mehr blos aus Leichtsinn
-und Unüberlegtheit sich<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> thörichten Neigungen hingeben &mdash; sondern mit
-schamlosem Bewußtsein; &mdash; ja wir erblickten ihn zuletzt sogar in den
-Armen der nichtswürdigsten Laster.... und bald, bald werden wir mit
-Entsetzen vor ihm fliehen. &mdash;</p>
-
-<p>Dahin jedoch mußte die Consequenz eines Treibens, wie das seinige war,
-ihn führen, und dahin wird Jeder kommen, der, gleich ihm, auf die
-Sirenentöne jener Leute hört, die sich uns im gewöhnlichen Leben häufig
-als unsere „<em class="gesperrt">besten Freunde</em>“ bezeichnen. &mdash; Wenn wir die Liste
-der Kameraden Edmunds durchgehen &mdash; welche Subjecte finden wir da!
-Alle Sorten der Thorheit und des Lasters &mdash; von der niedrigsten Stufe
-bis zur schwindelndsten Höhe. Zuerst den im Ganzen unschädlichsten
-alten Gecken <em class="gesperrt">Althing</em>, an dessen Seite er zuerst die traurige
-Süßigkeit des Müßiggangs und die lügnerische der Galanterie kennen
-lernte; sodann den albernen Jäger und Säufer Wollheim &mdash; mit dessen
-Hilfe er schon um einige Stufen höher stieg. &mdash; Diese zwei Leute
-beglückten ihn durch jahrelangen Umgang und nannten ihn in allem
-Ernste ihren „<em class="gesperrt">Schüler</em>“, sowie er dieselben lange Zeit hin<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span>durch
-als seine „<em class="gesperrt">Meister</em>“ anerkannte. Später sodann machte er die
-Bekanntschaft des Chevaliers &mdash; und diese wirkte eben wegen ihrer
-direkten Entgegengesetztheit am verderblichsten unter allen bisherigen
-auf ihn; denn durch dieselbe plötzlich in eine Sphäre gerissen,
-worin er sich noch niemals befunden &mdash; gerieth er in abscheuliche
-Verlegenheiten &mdash; denen er nur dadurch entkam, daß er seine Zuflucht zu
-dem allesvermögenden Götzen des Geldes nahm &mdash; ein Götze, welcher den
-jungen wüsten Verschwender rasch in die Klauen seines Priesters: des
-Meister Lips führte...</p>
-
-<p>Zu Allem diesen kam noch, gleichsam als Krone des Werkes &mdash; die
-Verbindung mit Leuben, welche dieser seit Kurzem absichtlich und
-dringend suchte und auch sehr leicht gefunden hatte. &mdash; Leuben, früher
-ein gewöhnlicher Mensch und ein verliebter Wahnsinniger, trat ihm jetzt
-als der ausgemachteste Roué entgegen und führte ihn in noch tiefere und
-stinkendere Kloaken des Lebens &mdash; als in welchen der Thor Edmund bisher
-gewatet hatte.</p>
-
-<p>&mdash; &mdash; So standen die Sachen und nun antworte man uns: ist hier nicht
-ein ursprünglich<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> zu Gutem bestimmtes Gemüth, eine an sich reine
-und edle Natur untergegangen? Doch &mdash; so mächtig ist der Keim des
-Göttlichen in uns, daß er, und wäre er auch nur so groß wie ein
-Samenkorn, die hundertfachen Schichten des Lasters und des Bösen, von
-denen er eingeschlossen wird, und die ihn gerne ersticken möchten,
-dennoch durchdringt &mdash; um über ihnen, wenn auch nur auf Augenblicke zu
-leuchten.... den blinden Thoren sehen zu machen.</p>
-
-<p>&mdash; Die gefürchtete Stunde nahte heran; je näher sie kam, je heftiger
-zitterte das Herz in dem Leibe des Elenden. Leuben hatte ihn verlassen
-.... er wollte nur kurze Zeit wegbleiben, um seinen Anzug in Ordnung
-zu bringen, dann wollte er, wie er sagte, wieder kommen, und aus
-freiem Antriebe seinen „unglücklichen lieben Freund Edmund“ mit einem
-Darlehen &mdash; gegen die Wuth des Meister Lips schützen. Das hatte er
-ihm gelobt. &mdash; Was er jedoch that, bestand in Folgendem: er verfügte
-sich von hier zuerst zu dem andern „lieben Freunde“ <em class="gesperrt">Theobald
-Wurmholzer</em>, sodann &mdash; denn die Verbindungen, welche er seit einiger
-Zeit angeknüpft<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> hatte, reichten weit &mdash; zu seinem dritten „lieben
-Freunde“ dem Meister <em class="gesperrt">Sophronias Lips</em>.... und setzte diese zwei
-Ehrenmänner von der Gemüthslage Edmunds in Kenntniß. &mdash; Er handelte,
-wie man sieht, nach einem Systeme, dessen Ziele uns immer näher und
-immer zahlreicher vor den Blick treten &mdash; bis wir sie zuletzt als
-Schlußstein eines ganzen Intriguengebäudes sehen werden &mdash; welches
-Gebäude bestimmt ist, auf die Welt darunter zusammenzustürzen, &mdash; wenn
-anders nicht etwa eine mächtigere Hand noch bei Zeiten dazwischen
-fährt, zertrümmernd den arglistigen, verderbenschwangeren Bau....
-erlösend und versöhnend die Welt, welche so lange in diesem Kerker
-geseufzet. &mdash;</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Zweites_Kapitel"><b>Zweites Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Die Nichtswürdigen.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">E</span>ben hatte es auf einem Thurme in der Nähe elf Uhr geschlagen. Dieser
-Klang tönte erschütternd durch die Ohren Edmunds, welcher sich
-von seinem Lager noch immer nicht erhoben hatte, sondern dasselbe
-Stunde für Stunde mit seinem Angstschweiße tränkte &mdash; gleich einem
-Armensünder-Lager. Wir haben bereits Vieles von dem Treiben und Thun
-dieses verlornen Jünglings erzählt &mdash; wir haben jedoch noch nicht
-Alles, noch nicht das Letzte gesagt. &mdash; Edmund von Randow, der Sohn
-eines der edelsten und ruhmvollsten Häuser des Landes, war nicht
-nur Müßiggänger, Libertin, Verschwender, Spieler und ein Roué der
-gemeinsten Klasse geworden &mdash; &mdash; Edmund von Randow, der Sohn<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> eines der
-ersten und vornehmsten Geschlechter zweier Reiche &mdash; &mdash; war sogar bis
-zum <em class="gesperrt">Betrüger</em> hinabgestürzt....</p>
-
-<p>Nachdem wir dies entsetzliche Wort ausgesprochen haben, bleibt uns
-nichts anderes übrig, als es zu rechtfertigen, und dies soll sofort
-geschehen.</p>
-
-<p>Es waren seit dem letzten Glockenschlage noch kaum einige Minuten
-verflossen, als nicht der Baron von Leuben, wohl aber Herr Theobald
-Wurmholzer in’s Zimmer trat. Auf die Stirne dieses Menschen hatte sein
-Leben und sein Handwerk Züge gezeichnet, die nicht zu verkennen waren.
-&mdash; Herr Theobald erschien mit einer lustigen Schurkenmiene und einem
-schmetternden „Guten Morgen!“ Als er Edmund, dessen Zustand und Lage
-erblickte &mdash; brach er laut in die Worte aus: „<em class="antiqua">Sacre bleu!</em> Was
-ist denn das? Hat für meinen Busenfreund Edmund der Hahn noch nicht
-gekräht? &mdash; <em class="antiqua">Bougre!</em> das nenn’ ich einen guten Schlaf &mdash; der
-freilich auch einem guten Tage folgt....“</p>
-
-<p>Edmund begnügte sich damit, sich halb aufzurichten und dem
-Abscheulichen eine Art von<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span> Willkomm entgegen zu murmeln, womit dieser
-zufrieden schien, denn er setzte sich, nach dem Brauche solcher Herren,
-ohneweiteres auf das Bett &mdash; und fuhr in seiner lärmenden Weise fort:
-„Sie werden wissen, mein verehrungswürdiger Freund Randow &mdash; daß ich
-nicht gekommen wäre, Ihren süßen Schlaf zu stören, nöthigte mich hierzu
-nicht jene dringende Pflicht, die ich gegen mich selber habe und die
-Ihnen hinlänglich bekannt ist; Sie begreifen &mdash;: Die heiligste Pflicht
-des Gentlemans und Spielers besteht in &mdash;“</p>
-
-<p>Edmund fuhr bei dem letzteren Worte ein wenig überrascht in die Höhe
-&mdash;: „Sie nennen sich also kurzweg: einen Spieler!“</p>
-
-<p>„Darauf kommt es hier nicht an und es wird Ihnen auch gewiß sehr
-gleichgiltig sein...“</p>
-
-<p>„Ich meine nur &mdash; &mdash; bisher haben Sie sich unter diesem Titel noch
-nicht vorgestellt....“</p>
-
-<p>„<em class="antiqua">Diable!</em> &mdash; dies will ich schon glauben!... Wer in der Welt wird
-sich bei einem fremden Menschen gleich als <em class="gesperrt">Spieler</em> einführen?
-&mdash; Es wäre sehr gegen die Lebensart! &mdash; Allein nachdem man zusammen
-drei bis vier Nächte hin<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span>durch am grünen Tische gesessen &mdash; nachdem man
-mit Einem überdies auf Ehrenwort gespielt &mdash; und endlich gar an ihn
-eine Forderung von circa 2000 Ducaten zu stellen hat &mdash; darf man sich
-doch wohl kurzweg als das bezeichnen, ... was man ist, <em class="antiqua">Tonneur de
-Dieu!</em> &mdash; Welchen Titel soll man für sich erfinden? &mdash; &mdash; Man hat
-von Jemand für einige Sätze im <em class="antiqua">rouge et noir</em> 2000 Ducaten zu
-fordern... also ist man ein <em class="gesperrt">Spieler</em>.“</p>
-
-<p>„An dieser Logik ist wohl nichts auszusetzen &mdash;“ versetzte Edmund
-eintönig und mit bitterem Lächeln &mdash; &mdash;; „ich hätte längst selber von
-ihr Gebrauch machen sollen....“</p>
-
-<p>„Allein, wie ich sehe, <em class="antiqua">mon cher</em> &mdash; &mdash; so jagen wir uns da
-mit einer nutzlosen Phraseologie ab... und beim Himmel! meine Zeit
-ist sehr kostbar: ich habe heute noch wichtige Geschäfte in Ordnung
-zu bringen. Kommen wir daher zur Sache! &mdash; <em class="gesperrt">Haben Sie das Geld in
-Bereitschaft</em>, <em class="antiqua">mon petit coeur</em>?“</p>
-
-<p>Mit kurzen Worten antwortete Randow: „Ich habe nichts in Bereitschaft.
-Ich besitze keinen Heller!“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span></p>
-
-<p>„Wie &mdash; Sie besitzen keinen Heller!“ schrie Herr Theobald so mächtig,
-daß es draußen auf allen Gängen widerhallte: „<em class="antiqua">Morbleu!</em> &mdash; Sie
-besitzen keinen Heller!“ Theobald war aufgesprungen und hatte sich vor
-ihn hingestellt: „Was ist dies für eine sonderbare Erklärung &mdash; mein
-Herr von Randow?“</p>
-
-<p>„Die Erklärung ist sehr einfach und noch dabei sehr wahr;“ sprach
-Edmund mit einer Ruhe, deren man ihn nach seiner früheren Stimmung
-nicht fähig hätte halten sollen. &mdash; Allein freilich die früheren
-Bewegungen seines Innern standen weniger mit diesem als mit dem andern
-Falle, mit dem Meister Lips, in Verbindung.</p>
-
-<p>„<em class="antiqua">Enfin!</em>“ rief der Spieler: „Sie zahlen also nicht: Sie tragen
-Ihre Schuld nicht ab &mdash; mein Herr?“</p>
-
-<p>„Es ist mir unmöglich &mdash; mein Herr.“</p>
-
-<p>„Wissen Sie auch, mein Herr &mdash; daß dies eine Ehrenschuld ist?... daß
-Sie auf’s <em class="gesperrt">Wort</em> gespielt haben?“</p>
-
-<p>„Ich weiß es, ich weiß Alles.“</p>
-
-<p>„Und dennoch &mdash; glauben Sie mir so mit<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> der größten Seelenruhe sagen zu
-dürfen, daß Sie nicht zahlen wollen?...“</p>
-
-<p>„Allein &mdash; was soll ich Anderes thun? Sagen Sie es selbst, mein
-Herr!...“</p>
-
-<p>„Dies &mdash; <em class="antiqua">mon Dieu</em>!“ versetzte scheußlich lachend Herr Theobald
-&mdash; der nach Art der Leute seines Metiers unabläßlich mit französischen
-Brocken um sich herum warf... „Dies, <em class="antiqua">mon Dieu</em> &mdash; ist doch
-fürwahr nicht meine Sache... es geht mich nicht im Geringsten an...
-<em class="antiqua">Sacre!</em> Was soll ich Ihnen denn noch sonst sagen, als: zahlen
-Sie! zahlen Sie &mdash; &mdash; ich muß auch zahlen! &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>Der junge Mensch antwortete nicht &mdash; er seufzte nur und rieb sich die
-Stirne, die zu zerspringen drohte unter den Gedanken, welche &mdash; nicht
-Herrn Theobald betrafen.</p>
-
-<p>„Endlich, mein Herr,“ nahm dieser sich zusammen und blickte ihn wild
-und finster an: „Endlich &mdash; damit wir zum Schlusse kommen: was ist
-Ihre Absicht? Wollen Sie mich als Mann von Ehre, wie es Ihrem Stande
-angemessen, befriedigen &mdash; oder aber wünschen Sie, daß ich noch in
-dieser Stunde zu Ihrem Vater<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> gehe &mdash; &mdash; und den würdigen General von
-Randow veranlasse, das Wort seines Sohnes und dessen Reputation zu
-retten?... <em class="antiqua">Morbleu!</em>“</p>
-
-<p>Der Spieler war richtig berathen. Kaum hatte er den Namen von Edmunds
-Vater genannt, als der Jüngling erschrocken vom Lager aufsprang und
-im Nu aufrecht stehend sich seinem Gläubiger gegenüber befand: „Um
-Gotteswillen, mein Herr!“ rief er mit bebender Zunge: „Thun Sie das
-nicht! Machen Sie keinen Schritt aus diesem Zimmer &mdash; bevor unsere
-Angelegenheit nicht in Ordnung gebracht ist. &mdash; &mdash; Sie wollen, ich soll
-Ihnen 2000 Ducaten bezahlen. &mdash; Nun wohl &mdash; nun wohl.“</p>
-
-<p>Er sann einen Augenblick nach &mdash; &mdash; jetzt hatte sein ganzes Denken sich
-um diesen Punkt konzentrirt: „Hören Sie meinen Vorschlag! &mdash; Gedulden
-Sie sich noch bis morgen &mdash; dann sollen Sie Alles bis auf den letzten
-Pfennig erhalten...“</p>
-
-<p>„<em class="antiqua">Tonneur!</em> &mdash; &mdash;“ versetzte der Spieler schon mit einem viel
-heiteren Tone: „das geht nicht, mein Bester! &mdash; Das wird nicht
-gehen! .... Wie ich es immer auch herumdrehe &mdash; wie<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> ich auch immer
-kalkulire.... ich brauche das Geld noch heute...“</p>
-
-<p>„Nun denn &mdash;“ bedeutete Jener, dem der Angstschweiß von der Stirne
-rann: „dann geben Sie mir mindestens einige Stunden Frist &mdash; &mdash; z. B.
-bis zum Nachmittage...“</p>
-
-<p>Nach einer Pause rief Theobald aus: „<em class="antiqua">Eh bien donc!</em> &mdash; Bis zum
-Nachmittage &mdash; 3 Uhr will ich warten, <em class="antiqua">mon coeur</em>... bis 3 Uhr
-also .... Jedoch länger nicht eine Minute... fürwahr ich kann nicht!
-<em class="antiqua">Parole d’honneur</em> &mdash; es liegt nicht in meiner Macht.... es ist
-unmöglich ... <em class="antiqua">c’est impossible!</em>“</p>
-
-<p>„Nun denn &mdash; um 3 Uhr holen Sie hier das Geld ab.“</p>
-
-<p>„<em class="antiqua">Bon, bon!</em> &mdash; Ich werde hier sein &mdash; <em class="antiqua">sans doute</em> &mdash;
-ich werde erscheinen, <em class="antiqua">mon très cher ami</em>! &mdash; Also: &mdash; <em class="antiqua">au
-revoir</em>!“</p>
-
-<p>Er reichte ihm die Hand hin &mdash; die der Unglückliche ergriff und
-drückte, als sei sie die Hand eines Ehrenmannes. Darauf verließ
-Monsieur Theobald Wurmholzer das Zimmer. &mdash;</p>
-
-<p>&mdash; Kaum war er fort, als schon wieder an der Thür geklopft wurde.
-Dieses Klopfen<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> erkannte Edmund &mdash; es drang ihm erschütternd durch
-Mark und Bein. Sogleich öffnete sich die Thür und herein trat, mit
-lächelndem Joko-Gesichte und der trauten Keule in der Hand, Meister
-Sophronias Lips, Wechsler, Antiquar, Juwelier, Hühneraugen-Operateur
-und Würgengel dieser guten Stadt. Er war ganz so anzuschauen, wie
-wir ihn sahen, als uns das unaussprechliche Glück ward, zum ersten
-Male mit ihm zusammenzutreffen. Da war wieder der mittelalterliche
-Gustav-Adolph’sche Rock, halb Frack und halb Jacke &mdash; da waren wieder
-die antediluvianischen Beinkleider &mdash; da die Wunderstiefeln, der eine
-mit Stulpen, der andere ritterlich trichterförmig mit einem Stück
-Sporren daran &mdash; da war auch der Hut, <em class="antiqua">vulgo</em> Pferdesattel &mdash;
-da die heidnische Priesterweste &mdash; &mdash; da endlich &mdash; und natürlich im
-vollen Glanze, die herrliche Keule, diese Königin unter den Handstützen.</p>
-
-<p>„Mein Gnädigster &mdash; ich habe die Ehre, Ihnen einen vortrefflichen Tag
-zu wünschen... ’s ist recht kalt heute, auf Ehrenwort!“ So begrüßte der
-Biedermann unseren Freund, der<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> sich bei dessen Eintritt erhoben hatte
-und ihm wie einem Manne von Rang entgegen ging... jedoch sprach Edmund
-nicht ein Wort. Um so mehr Gelegenheit hatte hierzu Meister Lips und er
-schien Lust zu haben, heute von dieser Gelegenheit den ausgedehntesten
-Gebrauch zu machen: „Nun, wie geht es Euer Gnaden?“ begann er lächelnd,
-mit dem Kopfe nickend und seine holde Keule schwingend: „Wie befinden
-Sie sich, mein Gnädiger, he? &mdash; Hoffentlich geht es Denenselben recht
-wohl &mdash; was mich ausnehmend freuen würde, auf Ehrenwort! &mdash; Und wie
-haben Dieselben geschlafen?... Wahrscheinlich gut!“</p>
-
-<p>Wie schon gesagt, Edmund war, trotz dieser Zuvorkommenheit und
-Cordialität des Meister Lips &mdash; an Worten ein Bettler; kaum daß er ihm
-alle diese Fragen im Allgemeinen beantwortete; jedoch schien Lips das
-nicht zu beachten und fuhr fort, seine Freundlichkeit zu verdoppeln,
-zu verdreifachen... so daß es eine wahre Lust war, diesen, an sich so
-cynischen Philosophen, jetzt eine Fluth der galantesten Redensarten
-ausströmen zu hören.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span></p>
-
-<p>Im Ganzen fand eine merkwürdige Aehnlichkeit zwischen Lipsens
-gegenwärtigem Betragen und demjenigen statt, welches Herr Theobald
-Wurmholzer bei seinem Eintritt in diese Stube angenommen hatte. Die
-Sache ist sehr einfach. Sie wiederholt sich bei jedem Gläubiger. Wenn
-Euch ein solcher besucht, ist er die Artigkeit und Liebenswürdigkeit
-selber &mdash; &mdash; kaum aber habt Ihr mit ihm einige Worte gesprochen, so
-wirft er rasch die Maske ab &mdash; &mdash; er will von Euch Geld haben und keine
-Worte &mdash; er wird ernst &mdash; grob &mdash; unverschämt &mdash; so zwar, daß Ihr,
-die Ihr anfangs die zärtlichsten Freunde zu sein schienet &mdash; als die
-bittersten Gegner, als Feinde auf Tod und Leben von einander scheidet.
-&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; Eine merkwürdige psychologische Erscheinung; jedoch sehr
-bewährt, sehr bewährt!</p>
-
-<p>Doch folgen wir ruhig dem Gange des Gespräches unserer zwei Männer und
-sehen wir zu, wie sich dasselbe nach und nach entwickeln wird.</p>
-
-<p>„Allein &mdash; mein theuerster, mein verehrtester, mein süßester Gnädiger
-&mdash; &mdash; Sie haben mir ja noch gar nicht gesagt, wie Sie so eigentlich
-sich fühlen; und doch wissen Sie, welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> namenlos gewaltigen Antheil
-ich an Dero Wohlbefinden nehme &mdash; &mdash; Auf Ehrenwort! ich würde lieber
-mir selbst meine rechte Hand abhauen &mdash; &mdash; als daß ich Sie nur den
-allerleisesten Schaden nehmen sähe. Auf Ehrenwort!“</p>
-
-<p>„Ich danke, Herr Lips, ich danke!“ antwortete der Jüngling und setzte
-sich neben den Alten, welcher auf dem Sopha Platz genommen...: „Ich
-glaube Ihnen schon gesagt zu haben, daß es mit meiner Gesundheit
-leidlich steht &mdash; bis auf eine kleine Erregung noch von gestern
-her.....“</p>
-
-<p>„Ei, ei &mdash; Sie müssen sich schonen, Gnädigster! Wirklich, das müssen
-Sie.... So eben bemerke ich, daß Ihr theures Angesicht wirklich Spuren
-trägt von &mdash; von &mdash; &mdash; nun gleichviel wovon.... Doch, mit einem
-Worte, Sie müssen sich schonen. O wie schade wäre es um einen so
-ausgezeichneten Kavalier!“</p>
-
-<p>„Sie sind sehr gütig, mein Herr....“</p>
-
-<p>„Es ist mein heiligster Ernst, auf Ehrenwort! &mdash; Allein weshalb nennen
-Euer Gnaden &mdash; mich heute stets „mein Herr“ und „Sie“ und so fort?....
-Womit habe ich es verdient,<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span> daß das trauliche, das ehrende <em class="gesperrt">Du</em>,
-womit Sie zu anderer Zeit mich anredeten und was meinem treuen Herzen
-so wohl that &mdash; daß es, sage ich, heute plötzlich verschwunden ist?....“</p>
-
-<p>Hierauf erwiderte Edmund nichts. Sein Blick, der starr vor sich hin
-gerichtet war, verdüsterte sich immer mehr; denn diese sarkastische
-Freundlichkeit des alten Schurken erschreckte ihn mit Recht im
-Innersten der Seele...</p>
-
-<p>„Und wozu,“ fuhr dieser fort, &mdash; „sind hier die Fenster geöffnet,
-gnädiger Herr? &mdash; Dies kann für eine so zarte und edle Constitution,
-wie die Ihre, sehr nachtheilig werden. &mdash; Und als treuer Freund oder
-vielmehr Diener halte ich es für meine Pflicht, dieses große Unglück
-nach Möglichkeit zu verhüten.... weshalb ich mir auch die Freiheit
-nehme, Ihre Fenster ein wenig zu schließen.... oder aber mich selbst
-vor sie hinzustellen, um auf solche Weise mit meinem eigenen Leibe Sie
-zu schützen...... Auf Ehrenwort!“ Wirklich ging er hin und that, wie
-er sagte; er verschloß die Fenster &mdash; und da eines derselben vom Winde
-in der Nacht zerschlagen<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> worden war, stellte er sich da gleich einer
-Schildwache auf....</p>
-
-<p>„Allein,“ fuhr er fort und balancirte seine Keule auf dem Nagel des
-kleinen Fingers &mdash; „allein,“ sagte er und jetzt ließ er dieses ungefähr
-20 Pfund schwere Instrument wieder herabgleiten und begann dasselbe in
-einem Kreise herumzuschwingen, gerade so als wäre es eine Reitgerte
-&mdash; &mdash;: „ich sehe, daß meine Reden Ihnen Langeweile verursachen &mdash;
-Hochgebietender .... und so will ich Sie denn nicht länger mit
-ähnlichen belästigen, sondern mich augenblicklich hinwegzaubern &mdash;
-sobald ich nur erst noch zwei unumgänglich nothwendige Wörtchen mit
-Höchstdenselben gesprochen haben werde. Also: wie steht es mit unserer
-Angelegenheit, Durchlaucht? Haben Allerhöchstdieselben jene lumpichten
-6000 Holländerchen schon in Bereitschaft gelegt?... und wo sind die
-allerliebsten Dingerchen &mdash; damit ich sie berge in meinen väterlichen
-Schooß?“</p>
-
-<p>Hier nun wieder ging an dem Jünglinge eine Veränderung vor, welche mit
-der vorigen in Gegenwart Theobalds, und zwar aus derselben<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span> Ursache
-entsprungen, eine große Aehnlichkeit hatte... Edmund erhob sich kalt
-und ruhig, sein Auge richtete sich fest auf seinen Gegner und sein
-ganzes Wesen schien plötzlich jener wunderbaren Fassung theilhaftig
-geworden zu sein, welche uns stets vom Muthe &mdash; nicht selten aber
-auch von der Verzweiflung verliehen wird. „Herr Lips,“ begann Edmund
-mit Würde: „wozu sollen wir diese Sachen in die Länge oder gar in’s
-Scherzhafte ziehen. Reden wir ernst und kurz mit einander &mdash; denn bei
-Gott! mir ist es sehr ernst um die ganze Angelegenheit. Sie, vermöge
-Ihres Scharfblickes und Ihrer Menschenkenntniß (Eigenschaften, die
-Ihnen selbst Ihr Feind zugestehen muß) &mdash;“</p>
-
-<p>Signor Lips verbeugte sich und salutirte mit seiner Keule wie ein
-Offizier mit seinem Degen &mdash;</p>
-
-<p>„Sie können sich unmöglich auch nur einen Augenblick lang über die
-Lage, worin Sie mich jetzt finden, täuschen. Sie wissen recht gut &mdash;
-daß ich ärmer bin als ein Bettler &mdash; zahlungsunfähiger als ein Kind
-&mdash; daß ich indessen auch den redlichsten und eifrigsten Willen habe,
-Alles<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> zu thun, was in meiner Macht steht, &mdash; und sollte es auch mit
-Aufopferung meines halben Lebens geschehen...“</p>
-
-<p>Die plötzliche Metamorphose im Wesen des Jünglings hatte auch eine in
-dem des Greises hervorgerufen, welche zwar ebenfalls ernst und finster
-erschien, dabei jedoch einen Strahl von tiefer Ironie nur um so greller
-durchblicken ließ, je mehr dieser unterdrückt werden sollte...</p>
-
-<p>„Das ist &mdash; wie mich dünkt &mdash; das alte Lied!“ hatte Lips mit tiefer
-Stimme gesprochen .... „Dieses alte Lied jedoch behagt mir in diesem
-Augenblick so wenig, daß ich, sollte ich es noch einmal hören müssen,
-lieber entschlossen bin, die Zither sowohl wie den Zitherschläger in
-tausend Stücken zu zertrümmern..... Ist das Deutsch gesprochen...?“</p>
-
-<p>Edmunds Lippe zitterte ohnmächtig und wortlos &mdash; sein Athmen, sein
-Seufzen, wodurch seine Brust bewegt wurde, glich dem Stöhnen eines
-Kranken... er fühlte sich hinsinken und mußte sein Haupt auf die Lehne
-des Sopha’s legen &mdash; &mdash;. Da begann Lips wieder im strengen Tone:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span></p>
-
-<p>„Sie wissen, wie die Sachen stehen &mdash; mein Bester. Ich habe nicht
-nöthig, sie Ihnen weitläuftig wiederzukäuen. &mdash; &mdash; Sie sind erstens
-zwei Wechsel, jeden à 1500 Dukaten mir zu bezahlen schuldig &mdash; macht:
-3000 <em class="antiqua">netto</em>. &mdash; Sodann besitze ich von Ihnen einen dritten
-Wechsel à 1000 Dukaten &mdash; trassirt auf Ihren Herrn Schwager, den
-hochgebornen und insbesondere hochzuverehrenden Herrn Grafen Alexander
-von A&mdash;x, und angeblich acceptirt von Hochdemselben &mdash; &mdash; was sich
-jedoch später als eine Lüge, d. h. eine Namensfälschung &mdash; d. h. ein
-Criminalverbrechen zweiter Klasse erwies, denn nicht der hochgeborne
-Herr Graf hat seinen Namen geschrieben &mdash; sondern Sie machten diesen
-allerliebsten Streich selber... hehehe!.... &mdash; &mdash; Maßen ich jedoch
-in meiner Brust kein Felsenherz &mdash; sondern ein so weiches wie
-Schwanenflaum trage &mdash; auf Ehrenwort! &mdash; habe ich mich vor einigen
-Tagen in dieser Angelegenheit mit Ihnen dahin geeinigt, daß Sie mir
-anstatt der auf dem falschen Wechsel notirten 1000 Dukaten &mdash; 2000
-ausbezahlen sollten... was ein wahrhaft christlicher Handel ist..... Da
-haben<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span> Sie die ganze Sachlage, da den ganzen Casus, wie wir Philosophen
-sagen.... Auf Ehrenwort!“</p>
-
-<p>Statt aller Antwort schüttelte der unglückliche junge Mensch wie
-sinnlos das Haupt &mdash; &mdash; und schlug sodann ein kurzes heiseres Gelächter
-auf. &mdash;</p>
-
-<p>„Was &mdash; Sie lachen noch, mein Bester? &mdash; &mdash; Mir aber, das versichere
-ich Ihnen &mdash; ist es in diesem Augenblicke gar nicht zum Lachen .... und
-gleichwohl dürfte dazu an mir die Reihe noch eher sein, als an Ihnen.
-Dies wollte ich blos so nebenbei bemerkt haben. Und jetzt noch einmal
-deutsch gesprochen: Ich bitte mir höflichst 6000 Dukaten aus!“</p>
-
-<p>„Ich besitze nicht 6000 Heller &mdash;“</p>
-
-<p>„Nun wohl, noch deutscher: Sie haben einen reichen Papa &mdash; &mdash; Papa wird
-das Sümmchen bezahlen &mdash;“</p>
-
-<p>„Herr Lips, mein Vater bezahlt für mich nichts. Sie wissen es sehr gut.“</p>
-
-<p>„Dann wird Mama es thun....“ fuhr der Wucherer fort und schwang seine
-Keule....</p>
-
-<p>„Meine Mutter kann es ebenfalls nicht, da<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> die Kasse sich nicht in
-ihren Händen befindet....“</p>
-
-<p>„Ferner haben Sie eine geliebte und liebende Schwester, mein Freund....“</p>
-
-<p>„Auch Cölestine ist nicht im Stande, mir zu helfen....“</p>
-
-<p>„... Zuletzt bleibt uns noch immer der Herr Graf von A&mdash;x, auf welchen
-ja auch dies Haupt-Papierchen ausgestellt ist....“</p>
-
-<p>„O &mdash; um aller Seligkeit willen.... mein Herr!“ schrie Edmund auf:
-„bringen Sie mich nicht zum Wahnsinn! &mdash; &mdash; Das Alles, was Sie da
-vorgeschlagen haben &mdash; hilft zu Nichts. &mdash; Allein, Sie reden immer
-von 6000 Dukaten .... mein Herr! Habe ich Ihnen denn nicht vor ein
-paar Tagen einen <em class="gesperrt">Schmuck</em> im Werthe von fast eben so viel
-überliefert.... weil Sie mir schon damals mit der Geltendmachung des
-unglückseligen falschen Papiers &mdash; zu dessen Anfertigung ich mich in
-halber Trunkenheit verleiten ließ &mdash; drohten.... Und diesen Schmuck
-rechnen Sie für nichts....“</p>
-
-<p>„Ei bewahre!“ versetzte Lips: „wie sollt’ ich das? Halten Sie mich nur
-nicht für einen so<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> unbilligen, gefühllosen Menschen! &mdash; Diesen Schmuck
-im Werthe von fast 5000 Dukaten gaben Sie mir (Sie müssen sich dessen
-noch erinnern,) als blose Abschlagzahlung, weil ich damals von Ihnen
-neben diesen dreien annoch im Besitze von zwei älteren Papierchen war
-&mdash; wir haben die ersteren vernichtet und ich habe mit dem verfänglichen
-bösen Rechte gezögert bis zum heutigen Tage, wo Sie mir das Ganze
-bezahlen (will sagen diese 3 vorliegenden Wechselchen honoriren) sollen
-&mdash; oder aber Alles steht wie zuvor. Ist das klar gesprochen?“</p>
-
-<p>Nach einigem qualvollen Grübeln versetzte Edmund: „Hören Sie mich,
-mein Herr! Um was ist es Ihnen zu thun? &mdash; Um Bezahlung, nicht wahr?
-&mdash; &mdash; Nun denn: warten Sie noch einige Tage.... mittlerweile werde ich
-Gelegenheit haben, mit meiner Schwester &mdash; vielleicht auch mit meinem
-Vater zu reden. Denn so geradezu kann ich mit einer solchen Forderung
-nicht vor sie hintreten. Der Letztere würde es mir kurzweg abschlagen
-&mdash; ja, erführe er den vollen Thatbestand &mdash; so wäre es mit mir für
-immer aus; meine Schwester aber müßte, angenommen,<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> daß sie Etwas thun
-könnte &mdash; die Summe jedenfalls erst zu borgen suchen.... denn sie kann
-über ihr Vermögen bis jetzt noch nicht verfügen... Geben Sie mir also
-5&ndash;6 Tage! Herr Lips &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Fünf bis sechs Tage!“ schrie dieser: „Wo denken Sie hin, das ist
-unmöglich! Bis dahin gehe ich ohne das Geld zu Grunde!... Fünf bis
-sechs Tage! &mdash; Um Gotteswillen machen Sie mich nicht unglücklich!“</p>
-
-<p>„Aber &mdash; mein Herr &mdash; es ist &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Wissen Sie was? damit Sie immer mehr meine rührend gefühlvolle Seele
-kennen lernen sollen.... einen halben Tag will ich Ihnen noch gewähren!
-&mdash; Aber länger ist es mir nicht möglich &mdash; auf Ehrenwort!...“</p>
-
-<p>„Das hilft zu nichts! das ist umsonst!“ versetzte Edmund dumpf und
-faßte sein Haupt zwischen beide Hände, um zu verhindern, daß es
-zerspringe.</p>
-
-<p>„Nun denn &mdash; noch einen halben Tag dazu! &mdash; Aber auf Ehrenwort!....
-das ist Alles, zu was ich mich als Christ &mdash; ja und wäre ich selbst
-Herrnhuther, herbeilassen kann!“ Er schwang<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> seine Keule fürchterlich
-im Kreise, daß sie in der Luft saus’te, wie ein großes Mühlrad. &mdash;</p>
-
-<p>„Erbarmen Sie sich meiner! &mdash; Sie sehen &mdash; ich gehe zu Grunde! Was soll
-ich in 24 Stunden ausrichten?.... Sind sie vorüber &mdash; so stehen wir
-gewiß noch auf dem alten Fleck, weh mir!“</p>
-
-<p>„Weh <em class="gesperrt">mir</em>! <em class="gesperrt">mir</em>! ich habe das Recht, dies auszurufen,“
-schrie Lips wild &mdash; und arbeitete mit der Keule umher, wie
-Herkules, als er gegen den Nemäischen Löwen auszog.... „Nun denn
-&mdash; Donnerwetter!“ brüllte der Wucherer und schlug mit ihr jetzt so
-gewaltig auf den Boden, daß in den Dielen ein Loch entstand: „so gebe
-ich Ihnen denn eine Frist von 48 Stunden &mdash; mein Mann! Aber,“ setzte
-er drohend wie ein Caraibe hinzu und rollte gräßlich die Augen: „sind
-diese verstrichen und ich habe mein Geld nicht.... dann, mein Mann
-&mdash; lasse ich Sie durch zwei handfeste Polizeisoldaten holen &mdash; und
-Ihnen kurzweg den Prozeß machen wegen Wechselfälschung, Betrügerei,
-Erpressung &mdash; und noch einiger andern Nebenumstände... so wahr ich
-Sophronias Lips heiße und eben sowohl<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> der Freund der Guten wie der
-Schrecken der Bösen bin.... Hier haben Sie mein siebenfaches Ehrenwort
-darauf! &mdash; &mdash; Wohlan denn: auf Wiedersehen!“ brüllte er wie ein Orkan.</p>
-
-<p>Jetzt stürzte er fort &mdash; man hörte draußen nur noch einige
-Keulenschläge, die er im Zorne gegen das Pflaster des Ganges machte....</p>
-
-<p>„Auf Wiedersehen!“ dies sonst so freundliche Wort hätte kein Teufel
-fürchterlicher aussprechen können, als es Meister Lips gethan; es klang
-ganz so als hätte er gerufen: „Auf Wiederwürgen!“</p>
-
-<p class="center">* &emsp; &emsp; &emsp; *<br />
-*</p>
-
-<p>Die anberaumte Frist war verstrichen.</p>
-
-<p>Edmund, der nicht vermochte, die 6000 Dukaten aufzutreiben &mdash; war
-verschwunden. Niemand wußte, wohin er kam; doch meldete einige Tage
-darauf ein Brief, der seinen Eltern von Prag aus zugesendet wurde,
-daß er in einer Ehrensache gezwungen gewesen sei, an die Grenze des
-Kaiserstaates zu flüchten &mdash; von wo er ihnen jedoch bald weitere
-Nachrichten werde zufließen lassen....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span></p>
-
-<p class="center">* &emsp; &emsp; &emsp; *<br />
-*</p>
-
-<p>Ach, welch ein Schlag traf die armen Eltern! Kaum hatten sie den
-Brief Edmunds gelesen, als sie von fremder Seite eine ganz andere
-Kunde empfingen. &mdash; <em class="gesperrt">Ihr Sohn war der Wechselfälschung und anderer
-Verbrechen angeklagt.</em></p>
-
-<p>Lips war der Kläger.</p>
-
-<p>Leuben hatte ihn dazu bewogen, indem er ihm die volle Summe von 8000
-Dukaten zu bezahlen versprach und im Augenblick der Denunciation auch
-sogleich 6000 bezahlte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Drittes_Kapitel"><b>Drittes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Der Schmerz der Gatten.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">W</span>ir müssen uns bei unserer Erzählung nun um einige Tage in der
-Geschichte zurückversetzen. Es handelt sich darum, wieder zu Cölestinen
-und ihrem Gatten zurückzukehren, und sie in dem Augenblick und an
-jenem Orte aufzusuchen, wo wir beide zuletzt verließen. &mdash; Wir wissen,
-wie jene furchtbare Scene geendet, in welcher Alexander einen so
-unzweifelhaften Beweis für die Untreue seines jungen Weibes erhalten
-zu haben glaubte &mdash; wir wissen, daß er damals mit zertretenem Herzen
-und vernichtetem Sinne auf sein Zimmer floh und sich in das Dunkel
-desselben barg, wo ihm wohler ward, denn die äußere Lichtlosigkeit des
-Ortes harmonirte mit der dumpfen Finsterniß seiner Brust.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span></p>
-
-<p>Dies ist Alles, was wir von der Begebenheit wissen; hier schnitten wir
-uns den ferneren Pfad ab &mdash; hier eröffnen wir uns denselben wieder und
-wandeln darauf fort. &mdash;</p>
-
-<p>Es ist von uns schon in irgend einem andern Buche gesagt worden &mdash;
-daß es Keiner versuchen möge, die Qualen eines unglücklich Liebenden
-zu beschreiben; denn für diesen Schmerz haben wir keine Worte, für
-dies Unglück keine Farben.... Dieser Schmerz ist unbedingt der größte,
-der tiefste und der zerstörendste, von dem ein Menschenherz getroffen
-werden kann. &mdash; Was sind alle Wunden, alle Qualen, jedes Siechthum des
-Körpers... was sind alle Leiden des Geistes und Herzens: Armuth, Noth,
-Verbannung, Demüthigung, Verläumdung, verfehltes Streben, verletzter
-Ehrgeiz, Verrath des Freundes &mdash; Undank des Kindes &mdash; &mdash; und wie sie
-alle heißen mögen, die zahllosen Köpfe der Hydra, welche am Herzen der
-Edelsten genagt haben &mdash; &mdash; was sind sie alle gegen die Hyänenbisse
-der Eifersucht, gegen die Harpyien-Wuth betrogener, verrathener Liebe.
-&mdash; &mdash; Jedes Leiden, mag es auch noch so groß sein, hat dennoch seine
-be<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span>stimmte Begrenzung &mdash; über diesen Umkreis hinaus fängt wieder die
-Welt für uns an mit ihren, wenn auch noch so wenigen, Freuden.... Nur
-Liebe, Liebe, zertretene Liebe kennt außer sich keine Empfindung....
-denn sie ist so ungeheuer, daß sie den ganzen Raum unseres Daseins
-einnimmt &mdash; unsern ganzen Horizont erfüllt. &mdash; Wir haben außer ihr
-keine Welt &mdash; keinen Himmel und keine Erde; &mdash; und weil <em class="gesperrt">sie</em>
-denn so ganz und gar <em class="gesperrt">Hölle</em> ist, so leben wir in dieser auch vom
-Scheitel bis zur Sohle....</p>
-
-<p>Fürwahr, wenn Einer es verdient, daß wir ihm eine Zähre des Mitleids
-weihen, so ist es der unglücklich Liebende.... er, der in seinem
-größten Schmerze selbst nicht weinen kann.</p>
-
-<p>Da kommen sie dann, die Tage &mdash; in denen er sich flüchtet in den Schooß
-der Wüsten und Einöden &mdash; in Höhlen &mdash; Klüfte und Abgründe und auf
-die Gipfel riesiger Berge &mdash; hin, wo die wilden Thiere, der Wolf und
-der Steinadler hausen.... bei denen, wie er glaubt, er mehr Liebe und
-Treue finden wird, wie unter Menschen.... denn das ist nebenbei auch
-sein Fluch, daß er, betrogen von <em class="gesperrt">einem</em> Weibe, sie<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> alle, ja die
-ganze Menschheit für Heuchler und Verräther hält.... Da kommen sie
-dann, die Nächte, in denen allein er wagt zurückzukehren zur Stadt, wo
-ihn jetzt keine Menschenblicke vergiften &mdash; und keine Menschenworte
-verrathen können.... aber er kommt nicht hierher, um zur gewohnten
-Lebensweise zurückzukehren &mdash; um sein Haus zu betreten oder gar seine
-Lagerstätte aufzusuchen.... nein, er kam nur, weil ihn unbewußt der
-Magnet zurückgezogen hat &mdash; der ihn zwingt, bei <em class="gesperrt">ihrem</em> Hause
-vorbei zu gehen, wenn sie vielleicht längst schläft &mdash; &mdash; sich
-ihrem Fenster gegenüber in irgend einen Winkel zu bergen und es
-anzustarren &mdash; mit der Qual eines Verdammten es anzustarren &mdash; hinter
-dessen herabgelassenen Gardinen sie den süßen Schlaf der Glücklichen
-schläft.... Aber es dauert nicht lange &mdash; so reißt es ihn empor und
-treibt mit wilder Gewalt ihn von hier weg &mdash; weit, weit weg &mdash; peitscht
-mit Wuth seine Füße, daß sie rennen &mdash; rasen möchten bis an’s Ende
-der Welt ...... Jedoch nicht lange verträgt die elende Kreatur diesen
-Kampf... sie sinkt nieder &mdash; und wenig fehlt, so würde sie ihren Geist
-aus<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span>hauchen... dessen Leben jedoch aufgespart wird zu neuen Qualen....</p>
-
-<p>So war es auch mit Alexander... so litt und kämpfte auch er. &mdash;</p>
-
-<p>Zwei Tage lang blieb er eingeschlossen in seinem Zimmer, ließ
-Niemand vor sich, selbst seine treuesten Diener nicht; was er an
-Lebensbedürfnissen für seine körperliche Hälfte brauchte &mdash; ließ er
-sich wie ein Gefangener durch die Thür reichen. &mdash; Da erzählten sich
-die Diener wunderliche Sagen von ihrem Herrn und was mit demselben
-vorgegangen sei &mdash; so wie von dessen Aussehen. Ein in geheimnißvollen
-Dingen erfahrner alter Lakai (er hatte früher bei einem englischen
-Lord gedient, der viel mit Magnetismus, Sterndeuterei und „andern
-schwarzen Künsten“ sich abgegeben) meinte: des gnädigen Herrn
-bleiche Miene und sein übernatürlich glänzender Blick &mdash; sodann
-die sonderbar eingesunkenen Wangen deuteten bestimmt &mdash; auf einen
-Verkehr mit überirdischen Mächten hin, welcher in dem verschlossenen
-Studierzimmer, wo all’ die großen Bücher und die wunderbaren Werkzeuge
-(Kunstrequisiten) lagen &mdash; stattfände......<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> Wozu ein anderer alter
-Diener mit einer rothen großen Nase, worauf viele kleine blaue
-Karbunkel, bemerkte: deshalb höre man zu Zeiten, besonders des Nachts,
-auch ein so heftiges Gehen und ein so wirres Hin- und Herreden...
-solche außerordentlichen Rufe, und was dergleichen mehr ist. &mdash; Dieser
-alte Freund hatte &mdash; wenn er betrunken war, schon so manchen Geist
-gesehen...</p>
-
-<p>Am meisten bestärkte der Umstand die Dienerschaft in ihrem Glauben, daß
-ihr Gebieter &mdash; sich standhaft weigerte, seine Frau vor sich kommen zu
-lassen, trotzdem, daß sie Tag und Nacht darum flehte....</p>
-
-<p>In der That hatte Alexander allen Versuchen, die sie machte, um
-zu ihm zu gelangen, widerstanden. Ihre Bitten, ihre Klagen, ihr
-verzweiflungsvolles Flehen verhallte vor der Thür und wurde nur von den
-todten Wänden, nicht von ihm, vernommen....</p>
-
-<p>Am Morgen nach jener verhängnißvollen Nacht, wo er sie mit dem fremden
-Manne ertappt, hatte sie vergebens gewartet, ihn bei sich in ihrem
-Schlafzimmer, in ihrem Boudoir oder im Gemache, wo sie gewöhnlich
-zusammen<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> frühstückten, eintreten zu sehen.... sie hatte nach ihm
-geschickt, und als man ihr die Nachricht brachte, er sei noch in
-seinem Studierzimmer eingeschlossen &mdash; &mdash; begab sie sich selbst auf
-den Weg dahin, um ihn, wie sie glaubte, aus allzuemsiger Arbeit
-hervorzuziehen.... Sie gelangte zur Thür: wie erstaunte sie, dieselbe
-geschlossen zu finden; jetzt rief sie ihm &mdash; jetzt bat sie ihn, sie
-bei sich einzulassen.... da wuchs ihr Staunen, denn er antwortete
-nicht. &mdash; Nun glaubte sie, er sei nicht mehr hier, und schon wollte
-sie den Rückweg antreten &mdash; &mdash; da hörte sie ihn drinnen einen schweren
-Seufzer ausstoßen.... und voll Entsetzen schrie sie auf: „Um Gott! &mdash;
-Alexander, was ist Dir geschehen? &mdash; &mdash; Hörst Du mich denn nicht?...“
-Und weil er noch immer nicht antwortete, so rief sie Diener herbei und
-gebot ihnen, die Thür mit Gewalt zu öffnen, wähnend, eine Ohnmacht,
-irgend eine schreckliche Krankheit habe ihren Gatten überfallen....</p>
-
-<p>In diesem Augenblick ertönte drinnen seine Stimme finster und
-gebietend: „Mir ist nichts widerfahren! &mdash; Wage es Niemand, in meine<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span>
-Nähe zu kommen. Ich werde die übrigen Befehle geben!“ &mdash;</p>
-
-<p>Von dieser Stunde an &mdash; sehen wir das junge Weib fast den ganzen
-Tag über und tief in die Nacht hinein sich stundenlang vor der Thür
-aufhalten und mit ihren stummen und lauten Bitten, mit ihren Thränen
-und Seufzern die Luft erfüllen.... Doch, wie schon gesagt, er, der
-Unglückliche drinnen hört sie nicht.... ihn umschließt die glühende
-eiserne Mauer seines Schmerzes mit den scharfen Zacken der Schande
-umgeben... dieser Wall ist undurchdringlich. &mdash;</p>
-
-<p>Endlich nach vielem Sinnen hatte Cölestine ein Mittel erdacht. In
-einer Stunde &mdash; es war zur tiefen Nachtzeit &mdash; nahte sie sich, wie sie
-so oft gethan, still auf den Fußspitzen dem Zimmer ihres Mannes. Vor
-der Thür angelangt, horchte sie lange &mdash; sie vernahm außer dem Picken
-einer Pendule, die darinnen stand, nichts &mdash; als die tiefen und starken
-Athemzüge eines in tiefen Schlummer Versunkenen. Es war Alexander.
-Behende holte sie aus ihrem Busen einen Schlüssel hervor, welchen sie
-in’s Geheim hatte verfertigen lassen &mdash; und steckte ihn behutsam<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> in’s
-Schlüsselloch.... Welches Glück! Er paßte vollkommen &mdash; er drehte sich
-ohne Geräusch im Schlosse herum... nach zwei Augenblicken war die Thür
-geöffnet....</p>
-
-<p>Cölestine stand im Gemache ihres Mannes. Sie schloß sogleich hinter
-sich zu, damit nicht ein Windzug die Thür bewege oder von draußen
-irgend ein Geräusch hereinschalle. &mdash; Auf dem Tische brannte im düstern
-Lichte die Lampe und beleuchtete die Gestalt Alexanders, welcher
-angezogen auf einem Ruhebette hingestreckt schlief &mdash; und dessen
-gramgebleichtes Antlitz &mdash; worin zwei Tage die Leiden eines halben
-Lebens eingezeichnet hatten &mdash; auf die Brust herabgesunken, ihm das
-Ansehen eines Mannes gab, der in der Kraft seiner Jahre dahinwelkt &mdash;
-&mdash; eine Eiche, getroffen vom scharfen Beil.</p>
-
-<p>Namenloser Schmerz schien die Seele Cölestinens zu durchziehen, als sie
-das sah &mdash; und da sie diesem Schmerz keinen Laut geben durfte, war es
-ihr, als ob ihre Brust mitten entzwei reißen sollte...</p>
-
-<p>Da schien der Schlafende sich zu bewegen &mdash; er wandte sein Haupt nach
-der Seite und sodann<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span> nickte er mit demselben wie zur Bejahung, wobei
-seine Lippen murmelten:</p>
-
-<p>„Ja, ja, gewiß, sie hat mich betrogen!“</p>
-
-<p>Diese Worte schnitten Cölestinen durch die Seele &mdash; sie vermochte
-sich nicht mehr zu bemeistern &mdash; alle Besinnung, alle Kraft hatte sie
-verlassen &mdash; und mit dem lauten Ausrufe, dessen Ton jammervoll klang &mdash;:</p>
-
-<p>„Nein! Gewiß, sie hat Dich nicht betrogen!“ stürzte sie vor ihn auf die
-Steine hin.... ohne nur zu wissen, was sie that.</p>
-
-<p>Alexander erwachte: „Wer ist da?!“ rief er wild auf &mdash; und blickte um
-sich...</p>
-
-<p>„Ich, ich &mdash; Dein unglückliches Weib, bin es! Cölestine, die elendeste
-der Frauen, kniet hier vor Dir &mdash; sinkt an Deinem Lager nieder, wo sie
-gerne sterben und mit ihrem Tode es bezeugen möchte &mdash; wie sehr Du sie
-verkannt....“</p>
-
-<p>Mehr vermochte sie, ungeachtet aller Anstrengung, nicht zu sprechen; &mdash;
-ihre Lippe schien erlahmt, ihre Zunge dürr wie getrocknetes Laub.....</p>
-
-<p>Er sah sie von seinem Lager mit seinen glühend düstern Augen, welche
-in ihren tiefen<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> Höhlen unbeweglich starrten, an &mdash; er sah sie lange,
-lange, stumm und regungslos an &mdash; nach und nach nahm seine leidenvolle
-Miene den Ausdruck des Staunens &mdash; der Verwunderung an &mdash; &mdash; ein kaum
-merkliches und auch sehr trauriges Lächeln zog sich um seinen Mund, aus
-welchem mit tiefem und leisem Tone die Worte kamen:</p>
-
-<p>„Sie sind es? &mdash; Aber was wollen <em class="gesperrt">Sie</em> hier?“</p>
-
-<p>Er betonte das Wort „Sie“....</p>
-
-<p>„Oh, mein Gatte!“ dieser Ruf rang sich unter Schluchzen und schwerem
-Athmen aus ihrer Brust endlich los.... „Oh, mein Gatte!“ wiederholte
-sie, indem sie zitternd die Hände emporstreckte. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Jetzt richtete er sich auf &mdash; und verließ rasch sein Lager &mdash; trat bis
-zur Mitte des Gemaches und sagte hier halbabgewendet &mdash; dumpf:</p>
-
-<p>„Verlassen Sie mich &mdash; Gräfin!“</p>
-
-<p>Sodann ging er zu einem Lehnstuhle und ließ sich hier nieder &mdash;</p>
-
-<p>„Oh, mein Gott! Mein Schöpfer!“ rief Cölestine mit herzzerreißender
-Stimme... rang<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> die Hände &mdash; und bedeckte mit ihnen ihr von Thränen
-überfluthendes Gesicht, dessen Muskeln sich convulsivisch zu jenem
-entsetzlichen Schmerzensausdrucke bewegten &mdash; welcher mit dem Lachen so
-viele Aehnlichkeit hat und den höchsten Grad innerer Leiden andeutet....</p>
-
-<p>Eine Pause entstand.</p>
-
-<p>Cölestine lag noch immer vor dem Ruhebette auf den Knieen, denn sie
-hatte nicht die Kraft, den Platz zu verlassen. Er sah sie mit keinem
-Blicke an, sondern starrte düster grollend vor sich hin &mdash; auf die
-Wand, an welcher ein Bild hing, den Abschied Ulysses von seinem Weibe
-vorstellend.... Ein bitteres Lächeln malte sich auf seinem Gesichte,
-doch blieb er stumm, ließ keinen Laut seinem Munde entschweben....</p>
-
-<p>Jetzt wurden die Klagetöne der jungen Frau zum wilden Geschrei:
-„Weh mir Armen!“ rief sie: „Was habe ich verbrochen, daß mich dies
-entsetzliche Schicksal trifft?! &mdash; Womit habe ich den Himmel beleidigt
-&mdash; daß er so grausam mich straft &mdash; dieses namenlose, unmenschliche
-Leiden auf mich herabsendet?... Weh! &mdash; Ich vermag es nicht länger
-zu tragen... mein Leben droht<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> auszulöschen. &mdash; O du mein Schöpfer,
-welches soll denn meine Schuld sein? Rede, rede, Vater im Himmel! Was
-ist denn mein Verbrechen?... Etwa, daß ich diesen Mann, den du mir
-zum Gatten gabst, liebte &mdash; mehr liebte als mich &mdash; als Vater und
-Mutter &mdash; mehr vielleicht selbst als dich!? &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; Ja, ja,“ fuhr
-sie fort, zusammensinkend auf den Boden &mdash; und sich mit der Hand am
-Rande des Ruhebettes haltend &mdash; „ja,“ sagte sie mit gedämpfterem Tone:
-„dies ist vielleicht ein Verbrechen &mdash; aber es ist mein einziges, mein
-ganzes..... doch ist es ein Verbrechen an dir, o Herr des Himmels, &mdash;
-&mdash; und darum, darum strafst du mich &mdash; es ist klar!“</p>
-
-<p>„Aber,“ fuhr sie plötzlich empor und wieder schienen alle Lebensgeister
-ihr Herz zu erfüllen, mit neuer Kraft ihr Wesen stählend: „warum denn
-pflanztest du diese rasende, diese wahnsinnige Liebe in mich &mdash; &mdash; wenn
-sie eine verbrecherische ist?? &mdash; &mdash; Bin ich,“ schrie sie gewaltig auf:
-„jetzt noch immer schuldig?! Redet, verkündet mir es &mdash; &mdash; ihr Himmel!“</p>
-
-<p>„Ach &mdash; &mdash;“ sagte sie nach einer Weile,<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> traurig das Haupt senkend
-und wieder ganz zusammenfallend: „Ihr seid und bleibt stumm... ihr
-habt keine Sprache für den Unglücklichen... ihr redet nur mit den
-Glücklichen....“ Da riß sie sich heftig vom Orte weg &mdash; auf den Knieen
-schleppte sie sich in rasender Eile vor ihren Gatten hin &mdash; zu dessen
-Füßen sie mit dem Rufe:</p>
-
-<p>„So nenne Du, mein Gatte, mir das Wort, welches mich verdammt! So
-antworte Du, Mann, den ich so liebte, auf meine Frage? &mdash;“</p>
-
-<p>Alexander jedoch bewegte sich nicht &mdash; er blieb düster, kalt und stumm
-wie eine Bildsäule; erst nach einer Pause schien einiges Leben in ihn
-zu kommen, aber nur, um den Arm auszustrecken, um mit ihm gegen die
-Thüre zu weisen, so als sollte das heißen: „Fort, fort &mdash; fort von
-mir.... ich habe mit Dir nichts weiter zu schaffen....“</p>
-
-<div class="figcenter">
- <a id="fig2" name="fig2">
- <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig2.jpg"
- alt="Zu S. 70" /></a>
-</div>
-
-<p>„Aber,“ rief sie mit erstickter Stimme und umschlang seine Kniee,
-„man hört ja den Mörder, den Todtschläger, bevor man ihn verurtheilt
-und richtet... ja man redet sogar zu den unvernünftigen Thieren, zum
-Hunde, zu einem<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span> Pferde, indem man es züchtiget.... Nur mir, mir
-gegenüber ist Alles stumm, wie das Grab &mdash; welches sein Opfer auch
-verschlingt, ohne ihm davon etwas zu sagen... O, Alexander! nimm mein
-Leben hin! tödte mich sogleich &mdash; &mdash; aber früher sage mir, weshalb Du
-mich verstoßen hast... denn es muß das verabscheuungswürdigste Laster
-sein...!“</p>
-
-<p>Hier öffnete sich sogleich der Mund dieses zu Eis erstarrten Mannes:
-„Ja &mdash; &mdash; es ist das verabscheuungswürdigste der Laster! Du hast es
-selber ausgesprochen &mdash; heuchlerisches Weib! Untreue, Verrath der
-ehelichen Liebe &mdash; &mdash; es gibt kein entsetzlicheres Verbrechen, dessen
-die Menschenbrust fähig wäre!“</p>
-
-<p>„O ewige Vorsicht! &mdash; ich habe es geahnt. &mdash; So hat mein Fürchten mich
-nicht getäuscht! ... das, wovon ich am weitesten entfernt bin, wird mir
-aufgebürdet. &mdash; Herr meines Lebens! nimm mich zu dir! Denn, schuldlos,
-wie ich bin, vermag ich unter so furchtbarer Anklage nicht länger zu
-athmen!...“</p>
-
-<p>Nach diesen Worten, welche die Arme mit matter, kaum hörbarer
-Stimme aussprach &mdash; &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> fiel sie auf den Boden hin und verlor alles
-Bewußtsein....</p>
-
-<p>Sie lag bleich und athemlos da wie eine Leiche.</p>
-
-<p>Er aber stand auf, nahm sie auf seine Arme und trug sie hinweg aus
-diesem Gemache in eines der ihrigen, sodann rief er Cölestinens
-Dienerinnen herbei, denen er die Ohnmächtige übergab. Als dieses
-geschehen war, verfügte er sich wieder in sein Zimmer, verschloß
-diesmal die Thür mit mehreren Schlössern, rückte zum Ueberfluß noch
-einen Schrank vor dieselbe und so gesichert vor jedem ferneren
-Besuch, abgeschnitten von der ganzen Welt, überließ er sich jetzt den
-finstersten seiner Gedanken.</p>
-
-<p>„Ja, ja,“ sprach er zu sich: „trotz dieses Wehgeschreies und dieser
-Verzweiflung &mdash; trotz dieser dreisten und geläufigen Berufung auf
-ihren Schöpfer &mdash; trotz aller erschütternden Liebesrufe und rührenden
-Betheuerungen der Unschuld .... ist sie dennoch eine Verrätherin. &mdash;
-Und eben deshalb eine um so größere! &mdash; &mdash; &mdash; Hab’ ich sie doch mit
-diesen meinen eigenen Augen auf frischer That ertappt &mdash; &mdash; wär’ mir<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span>
-daran gelegen gewesen &mdash; so hätte ich mit zwei Schritten am Schauplatze
-des Verbrechens sein und es mit Händen greifen können..... Und
-dennoch, dennoch dieser Schmerz, diese Thränen, diese Schwüre, diese
-Verzweiflung &mdash; diese Anrufung Gottes.... O, sie ist die abgefeimteste
-Heuchlerin, die je von der Erde getragen wurde! Aus ihr könnte man
-tausend Verrätherinnen und Giftmischerinnen und Mörderinnen machen.....
-Lass’t ihr Blut auf die Erde tröpfeln &mdash; und ihr vergiftet die ganze
-Erde &mdash; diesen alten, harten, felsigen Ball, der schon so vielen Uebeln
-widerstanden! &mdash; Sie ist ein Teufel mit dem Lächeln eines Engels im
-Gesichte und dem Glorienschein einer Heiligen um das Haupt....“ Er
-schwieg einige Augenblicke.... „Böses, böses Weib!“ fuhr er darauf
-fort.... „Wer hätte das Alles in ihr gesucht?! &mdash; &mdash; Als ich sie zum
-ersten Male sah, trat sie als eine jener zarten Jungfrauen, deren Seele
-eine Lilie ist, eine Lilie aus dem Garten Gottes &mdash; vor mich .... sie
-trat als holde, lieblich-unschuldige Fee, als eine jener guten Feen,
-die in alten Zeiten die Schutzgeister der Menschen waren, vor mein<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span>
-Angesicht &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; damals, damals hätte ich, wären die Gedanken
-meines Hirnes nur im geringsten fähig gewesen, sie zu beflecken,
-den Blitz des Himmels selbst auf mich herabgerufen, daß er mich
-zerschmettere.... Damals! Ach, welche Zeiten und welche Gefühle! &mdash; &mdash;
-Und jetzt, jetzt! &mdash; &mdash; Wer hätte glauben sollen &mdash; daß trotz ihrer
-elysäischen Gestalten und ihrer ambrosischen Düfte jene Zeiten doch
-nur von Trug und Verrath geschwängert waren?.... Allein, so ist der
-Mensch! Er hofft und vertraut bis zu des Abgrunds Rand &mdash; und glaubt
-nicht eher an ihn, als bis er hineingestürzt ist und sich windet mit
-zerschmettertem Haupte zwischen Molchen und scheußlichen Ungeheuern....“</p>
-
-<p>Der Graf ging lange im Zimmer auf und ab, ohne ein Wort zu sprechen,
-ohne nur einmal aufzublicken &mdash; &mdash; aber im Stillen hielt er eine
-entsetzliche Gedankenjagd &mdash; &mdash; und die schwarzen Ideen tummelten sich
-immer dichter neben ihm &mdash; um ihn und über ihm... sie schlossen ihn
-von allen Seiten ein, wie ein wildes Heer von dämonischen Erd- und
-Luftgeistern....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span></p>
-
-<p>Da brach der erste Lichtstrahl der heraufsteigenden Morgensonne durch
-den Rand seiner Gardinen und traf sein Antlitz.... und als wäre ein
-Bote des Ewigen zu ihm herangeflogen und hätte seine Stirne mit
-glänzenden Strahlenfingern berührt.... erhob aus dem wilden dunkeln
-blutigen Chaos seiner Seele sich ein weißer Gedanke, so daß er schrie:</p>
-
-<p>„Und wenn sie dennoch unschuldig wäre?!!“</p>
-
-<p>„O mein Gott!“ flüsterte er leise: „was hätte ich dann gethan!“</p>
-
-<p>Mit dieser Idee entschlief er bald darauf, denn sein Physisches
-vermochte nicht länger dieser unsäglichen und abwechselnden An- und
-Abspannung zu widerstehen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Viertes_Kapitel"><b>Viertes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Hoffnung, Verzweiflung, Resignation.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">A</span>ls Alexander erwachte, mochte es bereits wieder gegen Abend sein,
-wenigstens umgab ihn im Zimmer eine Dunkelheit, welche nicht allein
-durch die ausgebrannte Lampe erzeugt ward. Doch was kümmerte ihn Zeit,
-Licht, Sonnenschein &mdash; Finsterniß.... lebte er doch kaum mehr in der
-Außenwelt, sondern hatte sich ganz zurückgezogen in den tiefsten
-Winkel seines Herzens. Die Idee, mit welcher er eingeschlafen war
-&mdash; begleitete auch wieder sein Erwachen, und darum war dies das
-freundlichste seit vielen Tagen. &mdash;</p>
-
-<p>Ja, sie konnte dennoch unschuldig sein! &mdash; Trotz aller Beweise, trotz
-aller Zeugnisse, worunter<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> die wichtigsten allerdings die seiner
-eigenen Augen waren &mdash; konnte doch dasjenige, was schon tausendmal
-geschehen war, auch noch dies eine Mal eintreffen: Cölestine konnte
-verkannt, verläumdet, sie konnte durch eines boshaften Dämons Gaukelei
-verläumdet worden sein. &mdash; Denn ist es wohl nicht schon vorgekommen
-&mdash; daß man z. B. einen Unglücklichen des Mordes &mdash; eine Unglückliche
-der Giftmischerei <em class="gesperrt">überführt hatte</em> .... sie starben den Tod des
-Gesetzes.... und nach Jahren erwies es sich, daß sie <em class="gesperrt">unschuldig
-waren</em>?</p>
-
-<p>Ach, die <em class="gesperrt">Liebe</em> klammert sich so gerne an einen solchen
-Hoffnungsanker an &mdash; und zwar erst dann recht eifrig, wenn des
-Sturmes Wuth wild über sie eingebrochen ist. &mdash; Die Liebe, wenn
-sie zur Leidenschaft, zur Tyrannei geworden &mdash; lebt in Contrasten
-und ist bisweilen fähig, von der rasendsten Eifersucht &mdash; zur
-fanatischen Gläubigkeit umzuspringen.... je nachdem diese oder jene
-ihr Befriedigung schafft. &mdash; „Nie,“ sagt ein geistreicher deutscher
-Schriftsteller,<a name="FNAnker_B_2" id="FNAnker_B_2"></a><a href="#Fussnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span> „war eine Liebe echt und tief, wenn dieselbe nicht
-fähig ist, heute für denselben Gegenstand zu leben &mdash; für welchen sie
-gestern in den Tod gehen wollte.....“</p>
-
-<p>Weshalb sollte der arme Gatte nicht den Trost hinnehmen, der ihm
-plötzlich wie durch unsichtbare Geisterschwingen zugeweht wurde &mdash;
-da dieser Trost seinem leidensheißen Herzen doch so wohl that? &mdash;
-&mdash; Und daß er ihm kam &mdash; wenn es auch noch so plötzlich, noch so
-unerwartet und unbestimmt geschah &mdash; &mdash; wer wird daran zweifeln, wenn
-er anders das Menschenherz kennt? &mdash; Kommen und gehen von Augenblick zu
-Augenblick nicht die verschiedenartigsten Empfindungen in und aus uns
-&mdash; &mdash; ohne daß wir wüßten, woher und wohin? &mdash; &mdash; Aber sie kommen doch
-und scheiden doch.... das ist gewiß &mdash; &mdash; und es scheint uns dann, als
-würde mit einem Male ein Räthsel aufgelöst durch unsichtbare Hände &mdash;
-&mdash; wozu wir uns lange vergebliche Mühe gaben.</p>
-
-<p>O &mdash; trotz unseren enormen Fortschritten im Felde der Erkenntniß sind
-wir noch lange nicht dahin gekommen, die einfachsten Dinge, welche uns
-umgeben, zu verstehen. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span></p>
-
-<p>Alexander erhob sich vom Lager. Er begann wieder seine Wanderungen
-durch’s Gemach. Bunte Bilder flohen vor ihm vorüber &mdash; lange hatte sein
-Auge freundlicher Farben entbehrt...</p>
-
-<p>„Nein, nein!“ rief er aus &mdash;: „so sehr kann Lüge die Wahrheit doch
-nicht nachahmen!... Sie kann Thränen weinen &mdash; Seufzer ausstoßen &mdash;
-sie kann sich im Staube winden und verzweiflungsvoll aufschreien,
-daß sie unschuldig sei... sie kann Alles, Alles, was körperlich und
-sichtbar erscheint, imitiren, wie wir es am guten Schauspieler sehen;
-jedoch sie kann den Popanz, welchen sie geschaffen, nicht beleben
-&mdash; kann ihm keine Seele einhauchen &mdash; kann ihm jene geistige Gewalt
-nicht verleihen, die allmächtig zu unserem Geiste spricht, diesen
-zu sich hinreißt, daß er nicht widerstehen kann und sich mit ihr
-vereiniget, versöhnt. &mdash; Das, das kann die Lüge nicht! &mdash; Das ist nur
-der Himmelstochter Wahrheit vorbehalten. &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; Und,“ rief er
-frohlockend aus: „ihren Einfluß habe ich erfahren &mdash; &mdash; obgleich erst
-jetzt, jetzt dies Bewußtsein in mir aufgegangen.... Cölestine ist keine
-Verbrecherin... dies wird mir so klar,<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> daß ich erstaune und mich
-verfluche, es nicht längst eingesehen zu haben....“</p>
-
-<p>„Allein &mdash; ich weiß schon, weshalb es nicht geschah! Ich <em class="gesperrt">wollte</em>
-nicht, daß es geschehe... ich widersetzte mich gewaltsam der
-Ueberzeugung! Ich Thor &mdash; ich Elender marterte mich geflissentlich mit
-Schrecknissen, die nicht sind noch waren.“</p>
-
-<p>Voll von dieser neuen Aussicht auf eine neue schöne und blühende Welt
-&mdash; machte Alexander sich auf und verließ sein Zimmer, entschlossen,
-seine Gemahlin aufzusuchen, sich zu ihren Füßen zu werfen und in einer
-Fluth reuiger Thränen seine Schuld abzuwaschen; denn er hoffte, daß
-Cölestinens, aus einem Himmel von Güte und Liebe bestehendes Herz sie
-ihm verzeihen werde....</p>
-
-<p>Als er auf den Corridor trat, sah er, daß es in der That bereits
-wieder dunkel sei. Im Hause war Alles still &mdash; man rüstete sich
-zum Schlafengehen. So gelangte er, ohne gesehen zu werden, vor die
-Wohnzimmer seiner Frau. Auch hier herrschte die tiefste Stille &mdash;
-auch hier begegnete man Niemand. Alexander glaubte zuerst, Cölestine
-sei entweder nicht zu Hause oder<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> sie habe sich in ihre hintersten
-Gemächer zurückgezogen &mdash; &mdash; da vernahm er plötzlich ihre Stimme, die
-im zweiten Zimmer Jemand einen Auftrag zu geben schien... und obgleich
-diese Stimme kraftlos und eintönig redete, hatte er doch folgende
-Worte verstanden: „Aber &mdash; um Alles in der Welt, daß kein Auge dies
-Schreiben erblickt, noch Euch selbst, die Ihr damit fortgeht. Stanislaw
-&mdash; ich vertraue Dir hier mein halbes Leben an.... erinnere Dich, daß
-Du seit 30 Jahren der treueste Diener unseres Hauses bist.... Vermeide
-besonders die Zimmer des Grafen....“</p>
-
-<p>Diese leisen Worte machten Alexander fast taub; er, der erst so heiter,
-so rasch, so leichtfüßig hierher kam, vermochte in diesem Augenblicke
-sich kaum aufrecht zu halten.... Er zog sich seitwärts von der Thür
-zurück, lehnte sich hier an die Wand &mdash; und lauerte auf den Boten. &mdash;
-Dieser trat wirklich heraus &mdash; aber in demselben Momente stürzte sein
-Gebieter auf ihn und entriß ihm den Brief.......</p>
-
-<p>Er war an den Chevalier von Marsan gerichtet und enthielt folgende
-Zeilen...:</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span></p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„Ich bin krank und im höchsten Grade geschwächt &mdash; vermag also
-nicht an dem bestimmten Orte zu erscheinen; ich hoffe daher, daß
-Sie die Mühe auf sich nehmen werden, zu mir zu kommen &mdash; &mdash; &mdash; doch
-säumen Sie keinen Augenblick. Es erwartet Sie mit Ungeduld</p>
-
-<p class="right mright2">Cölestine v. A&mdash;x.</p>
-
-<p><em class="antiqua">NB.</em> Vermeiden Sie es, von den Dienern unseres Hauses
-gesehen zu werden &mdash; der heutige Abend ist sehr günstig zu einer
-Zusammenkunft, um so mehr, da mein Mann sich noch immer auf seinem
-Zimmer eingeschlossen hält.“</p></div>
-
-<p>So war sie also dennoch schuldig! &mdash; &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Als Alexander diese Zeilen gelesen hatte, glaubte er, die Welt um
-ihn und er in ihr werde vergehen. Er befand sich einige Augenblicke
-hindurch in einem Zustand, der nicht Leben und nicht Tod &mdash; sondern
-eine von jenen schrecklichen Krisen ist, in denen einst das
-Menschengeschlecht entweder ganz untergehen &mdash; oder neu und fremdartig
-wiedergeboren werden wird. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span></p>
-
-<p class="center">* &emsp; &emsp; &emsp; *<br />
-*</p>
-
-<p>Einige Stunden darauf lag der Graf in einem heftigen Delirium. Die
-widerstrebendsten und gewaltsamsten Stürme dieses Tages und jener Nacht
-hatten ihn niedergeworfen. Vielleicht war dieser Ausgang noch ein Glück
-für ihn; denn jedenfalls konnte der Wahnsinn ihm keine grauenvolleren
-Gestalten vorspiegeln, als wovon das bewußtvolle Leben für ihn jetzt
-so reich gewesen wäre. &mdash; So sorgt eine allgütige Natur für ihre Wesen
-selbst durch Strafen &mdash; und sie reicht uns oft Gift, um uns vor einem
-tödtlicheren, welches wir unwissentlich aus der Atmosphäre eingesogen
-haben, zu schützen...</p>
-
-<p>Der Kranke verlor vom ersten Momente an die Fähigkeit, seine Umgebung
-zu erkennen &mdash; und so wußte er nicht, daß Cölestine an seinem Bette
-saß und ihn mit zärtlicher Besorgniß pflegte. Sie, die noch vor Kurzem
-selbst krank und hilflos da lag, schien jetzt wie durch ein Wunder von
-neuer Lebenskraft erfüllt zu sein.... Woher diese Wirkung? Hatte die
-Zusammenkunft mit Marsan &mdash; denn er hatte sich auch ohne Aufforderung
-fast zur selben Stunde ein<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span>gestellt &mdash; &mdash; diese Folge gehabt?... War
-sie dadurch so glücklich geworden, daß sie in einigen Augenblicken
-völlig genas?....</p>
-
-<p>Sonst wäre wohl auch Liebe, Zärtlichkeit für einen unglücklichen
-Gatten im Stande, eine solche Umwandlung hervorzubringen; &mdash; &mdash; aber
-wie sollte man nach einem Briefe wie der obige auf dergleichen rechnen
-können? &mdash;</p>
-
-<p>Es kann jedoch nicht geläugnet werden, daß der Eifer, womit Cölestine
-ihren kranken Mann pflegte, einen Ausdruck tiefer und inniger Liebe
-hatte &mdash; &mdash; und es trat die merkwürdige Erscheinung ein, daß, je
-nachdem sich der Zustand Alexanders augenblicklich zu bessern oder zu
-verschlimmern schien &mdash; &mdash; sie im letztern Falle an Kraft zu gewinnen,
-&mdash; im erstern wieder zu erschlaffen und so zu sagen in ihren vorigen
-leidenden Zustand zurückzufallen schien. &mdash;</p>
-
-<p>Aber wer enträthselt das innere Wesen und den Grund solcher
-eigenthümlichen und geheimnißvollen Vorkommnisse in des Menschen
-Brust?.. Irren wir doch so leicht im <em class="gesperrt">Deuten</em>... und können nur
-von demjenigen etwas Bestimmtes sagen, was wir <em class="gesperrt">wissen</em>. Wir
-hatten ja eben erst<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> vor Kurzem ein Beispiel an Alexander: es hatte
-sich im Widerstreit seiner Meinungen über Cölestine zuletzt eine Stimme
-zu ihren <em class="gesperrt">Gunsten</em> erhoben.... und schon einige Stunden darauf sah
-er seine Prophezeihung so grausam verspottet. &mdash;</p>
-
-<p>Die Krankheit machte in kurzer Zeit rasche Fortschritte, doch hofften
-die Aerzte von seiner kräftigen Natur, daß sie das Uebel langsamer
-oder schneller besiegen werde.... da jedoch der Ausspruch eines Arztes
-niemals untrüglich sein kann, so war es natürlich, daß eine liebende
-und in Angst harrende Gattin nur geringen Trost aus ihm schöpfen
-konnte; sah man jedoch Cölestinens Schmerz, so mußte man sie für eine
-solche Gattin halten. &mdash;</p>
-
-<p>Da saß sie durch Tage und Nächte neben seinem Haupte, reichte ihm
-Arznei, Tränke &mdash; pflegte seiner mit weinenden Augen und diente ihm
-wie eine Magd; denn sie litt es nicht, daß ein Anderer auch nur den
-kleinsten Dienst bei ihm versähe, wenn sie hierzu selber Kraft und
-Stärke fand. &mdash; &mdash; Unter solchen Umständen mußte das Wort des Arztes
-wahr werden und ihr Kummer, ihre Angst, ihre Verzweiflung,<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span> vergebens.
-&mdash; In Alexanders Befinden trat eine sichtbare Besserung ein &mdash; und
-nun stürzte die junge Frau auf ihre Kniee und pries Gott im lauten
-Dankgebete. &mdash; Wie harrte sie mit zitternder Ungeduld des ersten
-lichten und bekenntnißvollen Augenblicks.... dann wollte sie mit
-Alexander reden, sich vertheidigen &mdash; und sie hoffte gewiß, daß er ihr
-glauben werde....</p>
-
-<p>O der Getäuschte! &mdash; &mdash; Er erwachte wirklich, er sah sie mit klaren
-Augen an, wie sie vor ihm stand &mdash; die Arme ausbreitete, mit
-thränenvollem Antlitz ihm entgegenlächelte und schon den Mund aufthat
-&mdash; &mdash; &mdash; &mdash; Aber es war ihr nicht vergönnt, weiter zu kommen... Bis
-hierher nur erfüllte sich ihre Hoffnung, hier schnitt er sie ihr ab &mdash;
-denn sein Vertrauen zu ihr war dahin, seit der Glaube an ihr Herz ihn
-gänzlich verlassen hatte.... Vergebens sank sie noch einmal vor ihm
-auf die Kniee.... ihr Anblick war erschütternd.... Er aber, der Gatte
-deutete ihr an, daß sie ihn verlassen möge &mdash; und als sie dies Gebot
-nicht befolgte, sah man seinen Zustand sich augenblicklich auf eine
-entsetzliche Weise verschlimmern....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span></p>
-
-<p>„Sie werden ihn tödten, wenn Sie länger hier bleiben,“ bedeutete
-traurig der Arzt &mdash; &mdash; und sie ging &mdash; sie kam nicht mehr zu seinem
-Lager.</p>
-
-<p>Einige Tage darauf war er so weit hergestellt, daß er sich nun wieder
-erheben und sein Bett verlassen konnte. Er brachte jetzt den größten
-Theil des Tages in einem Armstuhl, umgeben von Büchern und Schriften,
-zu, worunter ihn besonders die letzteren beschäftigten. &mdash; Besuche nahm
-er nicht an &mdash; selbst Briefe ließ er durch seinen Sekretär eröffnen,
-und wies jeden, mochte er auch direkt und dringend an ihn lauten, von
-sich. Er besaß keine Geheimnisse und überdies hatte der Sekretär sein
-volles Vertrauen....</p>
-
-<p>Unter den Schreiben, welche anlangten, befanden sich drei von
-Cölestine, deren Inhalt uns eben so unbekannt geblieben ist, wie er
-es für Alexander und selbst für seinen Sekretär war &mdash; denn dieser
-Ehrenmann siegelte sie, ohne sie gelesen zu haben, wieder zu.</p>
-
-<p>Es war gegen Ende Dezembers, als Alexander Wien verließ, gefolgt nur
-von seinem Se<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span>kretär und einigen vertrauten Dienern. Er hinterließ für
-Cölestine folgendes Schreiben:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„Gräfin! &mdash; Ich verlasse Sie, Ihr Haus und die Residenz, ohne
-Ihnen sagen zu können, wohin ich reise und welches der Ort meines
-ferneren Aufenthaltes sein wird. Zu Ihrer Beruhigung &mdash; denn sie
-wird wohl nur auf diese Weise zu erzielen sein &mdash; hinterlasse ich
-Ihnen beiliegende schriftliche Erklärung, worin <em class="gesperrt">ich mich</em> die
-Ursache unserer raschen und plötzlichen Trennung nenne und woraus
-keine Schuld hervorgeht, die nicht auf mein Haupt fiele; Sie werden
-Gelegenheit finden, von diesem Dokument den nützlichsten Gebrauch
-zu machen &mdash; und ich wünsche Ihnen herzlich Glück, wenn damit
-sowohl Ihre Wünsche wie die Anforderungen der Welt beschwichtigt
-werden, woran ich nicht einen Augenblick zweifle. &mdash; &mdash; Alles, was
-ich hinterlassen habe, ist zu Ihrer unbeschränktesten Verfügung
-gestellt. &mdash; Ihre Verhältnisse bleiben demnach ganz dieselben,
-welche sie zu meiner Zeit waren &mdash; &mdash; ich vergesse hinzuzusetzen:
-wahrscheinlich werden sie noch weit<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> angenehmer sein; &mdash; ich
-verspreche mich abermals: sie werden dies ganz <em class="gesperrt">gewiß</em>
-sein! &mdash; &mdash; Gnädige Frau.... erlauben Sie mir jetzt eine kleine
-Eigennützigkeit. In Anerkennung des Dienstes, welchen ich Ihnen
-leiste, lassen Sie mich an Sie die Bitte stellen: falls Sie meinen
-Aufenthalt errathen oder erfahren sollten &mdash; so schreiben Sie
-mir nicht &mdash; noch schicken Sie eine dritte Person zu mir &mdash; am
-wenigsten aber kommen Sie selbst...... Dies wird wohl schwerlich
-geschehen &mdash; es ist fast albern, daran zu denken &mdash; jedoch für den
-Fall dieser oder jener Möglichkeiten erfahren Sie, daß mein Zorn
-dadurch auf’s Aeußerste gereizt und ich zu einer That fähig wäre,
-die sowohl Sie als mich entehren könnte. &mdash; Schonen Sie also unser
-Beider Namen &mdash; wenigstens von dieser Seite. &mdash;</p>
-
-<p>Und nun habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als: leben Sie für
-immer wohl.</p>
-
-<p class="right mright2 mbot1">Alexander Graf v. A&mdash;x.“</p>
-
-</div>
-
-<p>Diesen Brief empfing Cölestine zwei Stunden nach ihres Mannes Abreise,
-welche früh Mor<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span>gens, da noch das ganze Haus schlief, geschah, und
-wozu die nöthigen Vorbereitungen bereits getroffen waren. Man wird
-begreifen, welchen Eindruck diese Zeilen auf sie machten, sobald man
-ihren jetzigen Seelenzustand erwägt. Mit Worten ließe sich unmöglich
-ein Gemälde davon geben &mdash; man muß dies Geschäft der Phantasie des
-einzelnen Lesers überlassen... Genug an dem, ihrer Gesundheit, welche
-in den letzteren Tagen fürchterlich zerrüttet worden war, wurde durch
-dies Ereigniß gleichsam der letzte Stoß gegeben.... Die Rollen hatten
-sich jetzt umgekehrt; &mdash; sie nahm ihres Gatten Stelle ein... ein böses
-Fieber zehrte an ihrem Leben.</p>
-
-<p>Aber Cölestine besaß keinen so treuen Pfleger, wie ihm in ihr gelebt
-hatte.... denn ihre Eltern und ihre Freunde, so theuer sie ihrem Herzen
-auch waren, konnten ihr gleichwohl den Verlust eines Gatten nicht
-ersetzen. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>So liebte sie ihn also dennoch? Leider ist es uns noch immer nicht
-vergönnt, den Schleier von einem Verhältnisse wegzuziehen, welches
-sich erst spät entwickeln soll &mdash; welches noch immer im Werden
-begriffen ist, und wobei wir, ver<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span>möge unserer schöpferischen
-Machtvollkommenheit, und vermöge der Kunstzwecke, die uns bei dieser
-Schöpfung leiten &mdash; den Schluß des Processes noch in einige Ferne
-hinausgesetzt haben....</p>
-
-<p>Welches Aufsehen die Trennung des Grafen von seiner Gemahlin, die eben
-so unerwartet wie von außerordentlichen Umständen begleitet war, in den
-Kreisen der Residenz erregte, wird man begreifen.... Die Leute <em class="antiqua">du
-bon ton</em> waren entzückt, wie sie sich nicht erinnerten, es seit
-Jahren gewesen zu sein &mdash; denn da hatten sie ja einen vollständigen
-„<em class="gesperrt">Skandal</em>“. Und da man, wie in der Regel und nach den Gesetzen
-der feinen Lebensart geschieht, die Schuld auf den der Gesellschaft
-mißfälligen Theil warf, welches &mdash; da die Gesellschaft von Damen
-repräsentirt wird &mdash; hier Cölestine war, die man um ihres Glückes
-willen haßte, so fing man alsbald an, ihr alle mögliche Vergehungen und
-Sünden aufzubürden &mdash; daß sie in wenigen Stunden da stand, wie eine zum
-Tode reife Verbrecherin...</p>
-
-<p>„Ach!“ rief man &mdash; „diese Komödie hat zwar rascher geendiget, als man
-erwartete &mdash; jedoch<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> sie hatte ganz so geendigt, wie vorausgesagt
-worden war...“</p>
-
-<p>„Es war in der That &mdash; ein so vortrefflicher Mann, dieser Graf A&mdash;x....
-etwas närrisch zwar und spleenhaft &mdash; &mdash; allein man hielt ihn mit Recht
-für einen der geistreichsten Köpfe im Ministerium &mdash; und was für ein
-Herz er besaß, bewiesen uns die ersten Zeiten seiner Ehe, welche ihn
-so sehr beseligten.... Ach, der Arme! er dachte gewiß nicht, daß es so
-kommen würde! Er hat es auch wahrlich nicht verdient!“</p>
-
-<p>„O!“ bemerkte das Stiftsfräulein Eugenie von Bomben gegen die Gräfin
-von Wollheim &mdash; „ich begreife ganz wohl den Zusammenhang dieses
-„<em class="gesperrt">Falles</em>“, nachdem ich in Erfahrung brachte, man habe die Gräfin
-A&mdash;x bei der letzten Sitzung des Frauenvereins &mdash; kurz vor Eintritt
-ihres „<em class="gesperrt">Falles</em>“ &mdash; zum Mitglied vorgeschlagen. &mdash; Beim Nero! ich
-finde jetzt ihren „<em class="gesperrt">Fall</em>“ ganz natürlich....“ Und hierbei rieb
-sich die huldvolle Dame ihre knöchernen Hände und zeigte lachend ihre
-zahnlose Mundhöhle....</p>
-
-<p>Was Cölestine betraf, so machte sie keinen Versuch, alle diese Gerüchte
-zu widerlegen,<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> welches ihr durch einfache Berufung auf das ihr von
-Alexander hinterlassene Dokument doch so leicht möglich gewesen wäre.
-&mdash; Jedoch von diesem Gebrauch zu machen, lag fern von ihr, eben so
-fern wie die Menschenliebe von jenen Herzen, die so schöne Dinge von
-ihr ersannen. Was kümmerte sie alles dieses! Was ging sie die Welt &mdash;
-was die Ereignisse an, welche außer ihrer Brust stattfanden! &mdash; &mdash; Ihr
-eigenes, persönliches Dasein war in diesem Augenblicke an schmerzvollen
-Ereignissen reich genug. &mdash;</p>
-
-<p>Die Krankheit, welche sie überfallen hatte, war eine jener träg und
-dumpf fortschreitenden, die sichtbar keine Gefahr drohen und für
-unbedeutender angesehen werden, als sie es in der That sind. Es nagt
-ein Wurm innerlich an unserem Herzen &mdash; er hat den Kern schon zur
-Hälfte aufgezehrt &mdash; während von Außen die Hülle in rosiger Frische
-glänzt, gleich der Schale eines Granatapfels...... Cölestine &mdash;
-nachdem sie den ersten und heftigsten Anfall, der sie zwang, sich
-niederzulegen, überwunden &mdash; trotzte den ferneren dadurch,<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> daß sie
-das Lager floh und umherwandelte, als hätte sie die Kräfte dazu; dies
-jedoch war auch nur einer so lebensvollen und jugendlichen Natur
-wie die ihrige möglich. &mdash; Ihr sonst so heiterer, naturfrischer, so
-leichter und geschmeidiger Sinn verhütete es, daß sie in jene stumpfe
-Melancholie verfiel, der jedes andere Gemüth unter solchen Umständen
-erlegen wäre. Kurz die junge Frau hatte über sich und ihr Uebel bald so
-große Herrschaft erlangt &mdash; &mdash; daß sie das letztere in den hintersten
-Winkel ihres Herzens zurückdrängen und äußerlich fast eben so heiter,
-wie in ihren schöneren Tagen, erscheinen konnte.....</p>
-
-<p>Sie öffnete ihr Haus jetzt wieder einem Kreise vertrauterer Personen
-und ließ sich selbst wieder in jener Welt sehen, die früher, als sie
-noch im Hause der Eltern wohnte, die ihrige gewesen war. &mdash;</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Fuenftes_Kapitel"><b>Fünftes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Die Promenade auf der Bastei.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">D</span>ie Promenaden auf der Bastei und in der Stadt auf dem Graben und
-Kohlmarkt waren an der Tagesordnung. Um die Mittagszeit sah man
-hier die ganze schöne Welt umherstreifen, um ihren beiden höchsten
-Verrichtungen obzuliegen: &mdash; zu sehen und gesehen zu werden und zwar in
-möglichst ausgedehntem Umfange.</p>
-
-<p>Ha! Welche große, welche magnifique Welt sich da tummelt und bewegt!
-Die Sache ist wirklich viel weniger komisch, als wofür wir sie
-anfangs nehmen wollten &mdash; denn wir haben es hier nicht nur mit den
-belachenswerthen Seiten der Gesellschaft, sondern mit ihr <em class="gesperrt">ganz</em>
-zu thun, und dabei gibt es auch noch so manches Stück Ernst. &mdash; Wir
-wollen das vollständige Gemälde<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> zu zeichnen versuchen und dabei
-<em class="gesperrt">keiner Partie</em> vergessen.</p>
-
-<p>Sehen Sie jene stattliche, große Dame dort: eine Junogestalt! und ihr
-Arm in dem eines kleinen, dünnen, feinen Mannes mit einem noch feineren
-Lächeln und einem allerfeinsten Augenkneifen. &mdash; &mdash; Kennen Sie dieses
-Paar? Es ist eines der bedeutendsten und angesehensten der Residenz.
-&mdash; Sie werden den Namen des kleinen feinen Mannes mit sehr &mdash; großen
-Buchstaben im <em class="gesperrt">Staats</em>-Schematismus gedruckt finden. &mdash; &mdash; Dort
-weiter vorn drei weibliche Gestalten und zwei Herrn, ein älterer mit
-grauen und wie’s scheint gepuderten Haaren &mdash; auf der andern Seite ein
-schlanker, blühender, kräftig schöner Jüngling. Er ist der Bruder der
-zwei jungen Damen, neben welchen er geht und der Sohn jener dritten so
-wie des alten Herrn mit den weißen Haaren.... O der Letztere ist auch
-ein sehr großer, großer, vielbedeutender Mann, ein berühmter Mann sogar
-&mdash; und bei dem Allen ein so guter freundlicher, herablassender Mann. &mdash;</p>
-
-<p>Hat man einmal bei ihm Etwas zu thun<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> gehabt, wird man nie die edle
-Güte vergessen, mit der er uns behandelte.</p>
-
-<p>Auch jene zahlreiche und etwas prunkende Gesellschaft weiter hinten
-führt einen hochklingenden Familiennamen &mdash; aber dies ist auch Alles,
-was man von ihr sagen kann. Es ist immerhin schön, einen edlen Namen zu
-besitzen &mdash; schöner aber ist es, ihn mit neuen Ehren zu umgeben. Die
-üppige Pracht, welche hier von den Töchtern des Hauses entfaltet wird,
-will noch nichts sagen gegen jenen feenhaften Glanz, womit sie bei
-festlichen Anlässen im Salon die Blicke ihrer Gäste blenden. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Bemerken Sie die dicke, schwerfällige Frau dort in dem ponceaurothen
-Sammtpelze.... und die goldene wurstförmige Kette, die, fast eben
-so dick wie sie selbst, um ihren Hals baumelt? &mdash; Das zeigt sich
-sogleich, wie es ist. Es ist aber ordinär; es ist plebejisch &mdash; es ist
-banquiermäßig. Diese Familie ist reich! Hier haben Sie Alles, was man
-von ihr sagen kann; und dies ist viel weniger, als was ich Ihnen vorhin
-berichtet habe.</p>
-
-<p>Ha, wie er mit seinem Geld in der Tasche<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> klappert! Der Herr Bankier
-hat sogar in seinen Winter-Oberrock Geld gesteckt. Sein Geld ist die
-unsichtbare Leibgarde, mit der er sich stets umgibt &mdash; und ohne welche
-er sich niemals für sicher hält. &mdash;</p>
-
-<p>Dies ist auch eines von den vielen Unglücken des Glückes, d. h. Geldes.
-&mdash;</p>
-
-<p>Und jener hübsche ernste Mann im schwarzen Kleide mit der eleganten,
-stillen Würde im ganzen Wesen &mdash; und mit dem unaussprechlich
-geistreichen Zug im Angesichte, der an die Züge jenes größten Mannes
-unserer Zeit und unseres Landes erinnert, dessen Namen ich nicht
-auszusprechen wage....</p>
-
-<p>Ach, dort erblicken wir <em class="gesperrt">ihn</em>!! Schnell &mdash; damit uns sein
-Erscheinen nicht verschwindet, denn nur selten ist uns sein Anblick
-gegönnt. &mdash; O, wie muß das Herz jedes Oesterreichers schlagen, wenn
-er bedenkt, daß dieser Mann ihm und seinem Volke angehört. Eine
-Göttergestalt! &mdash; Ihr olympischer Blick und Ihr ambrosisches Lächeln
-hat die Zeit vollständiger bezwungen, als das Schwert jenes großen
-Eroberers, dessen <em class="gesperrt">gewaltigster Feind er</em> war. O Fürst, ver<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span>gönne
-dem treuesten Deiner Verehrer &mdash; Dir seine Huldigung darzubringen!</p>
-
-<p>Ja, hier hat die Macht des Genies sich manifestirt. Lauter als alle
-Dichterworte verkündeten es die seinen, daß der Geist der Herrscher der
-Welt ist &mdash; &mdash; und Ihr bornirten Priester des Geistes redet noch vom
-Zwange desselben. Wie kann derjenige die Geister fesseln, der selbst
-der reinste und größte unter ihnen ist? Freilich, der Geistesunflath
-ist ihm zuwider &mdash; wie für die reinen Cherubim jene sündigen Geister
-ein Gräuel waren, die von ihnen in den Abgrund gestoßen wurden.</p>
-
-<p>&mdash; Immer tauchen neue Gestalten um uns auf. Dies nimmt kein Ende. Stets
-neue Schönheit und neue Pracht. &mdash; Ach, zu dieser Promenade braucht man
-tausend Augen und ein tausendfältiges Entzücken.</p>
-
-<p>Aber damit wir auch die Aversseite nicht vergessen, wird es nöthig
-sein, zu ihr sofort überzugehen. Hier begegnen wir sogleich lauter
-bekannten Gestalten, und da durch dieselben einzeln uns das Ganze
-skizzirt wird, dessen Theil sie sind &mdash; so werden wir bei ihnen auch
-stehen<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span> bleiben und unsere Beobachtungen nicht weiter ausdehnen. &mdash;
-Zuerst erblicken wir unsern guten <em class="gesperrt">alten</em> Freund (oder, weil
-er dies übel nehmen könnte, unsern guten Freund in <em class="gesperrt">seinen besten
-Jahren</em>) &mdash; den Herrn von Althing, ersten Verführer der Residenz
-und Despoten aller Frauenherzen; &mdash; da wir bereits seit langer Zeit
-von ihm getrennt waren, dürfte uns dies Wiedersehen vielleicht nicht
-unangenehm sein. &mdash; O, er ist auch noch immer der Vorige! Keine Linie
-fehlt an diesem ausdrucksvollen, herrlichen, reizenden, gefährlichen
-Männerbilde! &mdash; da der lächelnde Blick &mdash; das feurig strahlende
-Siegerauge &mdash; die hochgeröthete Wange &mdash; der stolze Schnurbart &mdash; der
-Hut kühn und ein wenig auf die Seite des <em class="gesperrt">kunstreichen</em> Haarbaues
-gerückt.... Diese so edeln und herkulischen Gliedmaßen, diesmal in
-einen eleganten und stattlichen Oberrock gehüllt.... ein Kaschmir um
-den Hals geworfen.... und durch ein Knopfloch blüht eine rothe Blume
-so täuschend hervor, daß es wie ein Ordensband aussieht.... ferner ein
-Lorgnon in der Hand (obwohl unser Mann, wie er selbst sagt &mdash; <em class="gesperrt">wie
-ein Falke</em> sieht) &mdash; &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> die Sporen, die sind nicht vergessen....
-und auch die Reitgerte nicht, daß es aussehen soll, als habe er so eben
-einen Ritt gemacht... was, seiner Behauptung nach, immer vortheilhaft
-für einen Mann ist. &mdash; Ihn begleitet ein alter Herr, dessen Gesicht
-mit mehr Recht ewige Jugend verkündete, als das Althings &mdash; wiewohl in
-diesem Augenblick eine sonderbare Melancholie, die im Grunde zu dem
-Gesichte des Mannes nicht paßte, mit der Fröhlichkeit in seinem Wesen
-abwechselte. Es ist der Graf von <em class="gesperrt">Wollheim</em>, unser biederer Jäger
-oder eigentlich wackerer Trinker. Er hatte sich, seit sein Schüler,
-Freund und guter Genius, den er auch sein „Jüngelchen“ nannte, für ihn
-gewissermaßen auf immer verloren war, an Denjenigen gehängt, der außer
-ihm der einzige Freund des Entflohenen schien... und welcher, wenn er
-auch diesen nicht ersetzte, den Nimrod doch an ihn erinnerte.... und so
-eine Art unvollkommener Illusion für die Wirklichkeit bot.</p>
-
-<p>Lustig war zu gewissen Augenblicken der Anblick dieser Beiden &mdash; er bot
-dann einen Contrast, wie man ihn im Leben nicht besser findet....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span></p>
-
-<p>„Ist das Wetter heute nicht köstlich, mein lieber Graf und Freund?“
-denn Althing, der dies sprach, war aller Menschen, die er kannte,
-„<em class="gesperrt">Freund</em>“. „Ist dieser Decembertag nicht schöner als der beste
-August, ich meine nämlich, wo die Hitze so groß ist &mdash; daß man es auf
-der Straße nicht aushalten kann &mdash; und nichts zu sehen bekommt von der
-Welt &mdash; außer etwa ein miserables Quadrat von einigen Klaftern &mdash; durch
-sein Zimmerfenster...?“</p>
-
-<p>„Ja, gewiß &mdash; <em class="gesperrt">lieber Althing</em>,“ &mdash; der Jäger hatte in Bezug
-auf das Obige denselben Charakter... „ja, Sie haben ganz Recht....
-Uebrigens ist es im December auch zu Hause angenehm &mdash; man erhitzt sich
-nicht so leicht, mag man im Zimmer oder im &mdash; &mdash; Kell....“ Er sprach
-das Wort nicht aus... sondern glaubte sehr geistreich einzulenken,
-indem er hinzusetzte...: „Man kann in dieser Saison auch mehr
-<em class="gesperrt">vertragen</em>, hahahaha! hahahaha!“ &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>„Was meinen Sie damit, bester Graf.... <em class="gesperrt">mehr vertragen</em>?“</p>
-
-<p>„&mdash; Nun &mdash; ich sage: mehr Wei... <em class="gesperrt">Wei</em>...“ der <em class="gesperrt">Wein</em>
-wollte nicht so leicht von seiner Zunge<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> gehen &mdash; „Weibesblicke &mdash;
-Liebesblicke &mdash; zarte Winke mit schönen Augen und Fingern.... hehe!“ Er
-war überzeugt, seine Sachen ungeheuer klug gemacht zu haben....</p>
-
-<p>„Ha!“ rief mit einem Male der Andere, der so eben wieder mit dem
-Sporren hängen blieb, aber glücklicher Weise nicht in seinen
-Beinkleidern &mdash; &mdash; „haben Sie das dort nicht bemerkt ... bester Graf?
-Wie?“</p>
-
-<p>„Das dort? &mdash; Jenes Gasthausschild da drüben über dem Kanale? Es gehört
-dem Hôtel „Zum goldnen Lamm“ &mdash; woselbst man kolossale Rheinweine
-bekommt, mein Lieber...“</p>
-
-<p>„Ach, welches Mißverständniß!... Rheinwein! &mdash; Wer spricht davon?
-&mdash; Welche abscheuliche Verwechslung einer ordinären Sache mit dem
-extraordinärsten &mdash; göttlichsten Dinge von der Welt. &mdash; Da... sehen
-Sie denn noch nicht.... die himmelblaue Pelerine dort! &mdash; &mdash; O, mein
-Freund! Welch’ ein Blick war das, welchen ich so eben erhaschte....“</p>
-
-<p>„Pah!“ &mdash; versetzte der Jäger, dem wir diese Benennung jetzt nur noch
-aus Pietät geben, denn seit so und so langer Zeit hatte er seinem<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span>
-frühern Geschäft fast gänzlich entsagt und seine ganze Aufmerksamkeit
-nur demjenigen, bei welchem wir ihn in dieser Geschichte so zahlreich
-begegnet sind, zugewendet... „Pah!“ sagte er, seine heitere Miene
-wurde traurig &mdash; sein Blick suchte die Erde, der ganze Mensch war wie
-verwechselt.... „Pah!“ wiederholte er nochmals: „was liegt mir an
-diesen Blicken &mdash; Thorheiten &mdash; Spielereien...“</p>
-
-<p>„Das nennen Sie Thorheit! Spielerei! unglücklicher Mann, dem nie die
-süßeste der Göttinnen gelächelt &mdash; sonst müßten Sie mit mehr Ehrfurcht
-von ihrem Dienste sprechen.... Aber wie, mein Freund, wollen denn Ihre
-Beine nicht mehr vorwärts gehen! Ich muß Sie ja fortziehen...“</p>
-
-<p>Wollheim stieß einen Seufzer aus, so tief, als komme er aus jener
-Tiefe, in welcher Fässer liegen....</p>
-
-<p>„Vorwärts, vorwärts, mein Guter! Sie verderben mir sonst gänzlich
-mein Glück &mdash; das so eben im vollen Anzuge ist! Ach, ach! schon
-wieder ein Blick! Sie hat sich jetzt mindestens zum siebenten Male
-nach mir umgesehen &mdash; &mdash; und wie<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> hat sie sich umgesehen!... Alle
-Donner! Die versteht es &mdash; so jung das Püppchen auch noch ist. Doch
-heut zu Tage sind wir in diesen Dingen enorm vorgerückt.... Unsere
-Töchterchen und Fräuleinchen von 15 bis 16 Jahren &mdash; das sind gerade
-die routinirtesten.... Kein Wunder! Sie haben an der Seite Mama’s eine
-gute Schule....“</p>
-
-<p>Die ganze Antwort Wollheims war wieder blos ein schauderhafter
-Seufzer, und sein Gang wurde nachgerade so schwer und lästig, daß
-Althing Mühe hatte, mit ihm fortzukommen... „Zum Guckuk... Herr Graf!
-was soll das heißen? &mdash; Sie ruiniren mich förmlich! &mdash; &mdash; Sie werfen
-mir Felsenblöcke in den Weg &mdash; &mdash; Ach! Ach! &mdash; Schon wieder! &mdash; Nun,
-diesmal mußte es ein Blinder bemerkt haben! &mdash; Diese liebe Kleine mit
-ihrer himmelblauen Pelerine &mdash; bringt mich ganz in Aufruhr! Das Blut
-siedet in meinen Adern... wie es uns jungen Leuten schon bisweilen
-geht... denn in unseren Jahren steckt noch ein ganzer Vesuv und zwei
-Hekla in unserer Brust... <em class="antiqua">A propos</em>, was meine Brust betrifft,
-wie finden Sie ihre Wölbung und Breite,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> liebster Graf? Bei Gott!
-kein Flöckchen Watte im Rock... kein Flöckchen! Nun, was sagen Sie?“
-Der Dicke spreitete hierbei seine Brust ungeheuer aus und klopfte auf
-dieselbe: „Ja! das ist so fest wie Stahl! Nicht wahr? Reden Sie doch!“</p>
-
-<p>Nimrod ließ statt dessen den Kopf auf die Brust fallen &mdash; blieb stehen
-und langte sein Taschentuch heraus, mit welchem er, unter Ausstoßung
-sonderbarer Laute, die eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Schluchzen
-hatten &mdash; über sein Gesicht fuhr und sich die Augen wischte... Er sahe
-so fast aus &mdash; wie der König Gambrinus, als er eines Morgens erfuhr,
-daß der Hagel seine Hopfengärten zusammengeschlagen habe....</p>
-
-<p>Wirklich schluchzte der tapfere Jäger Wollheim in diesem Augenblicke. &mdash;</p>
-
-<p>Aber der Liebesheld gerieth darüber in einen unmenschlichen Affekt. Was
-Geier &mdash; es war auch keine Kleinigkeit &mdash; in diesem Augenblick, wo er
-auf einer neuen Siegesbahn so rasch wie Amors Pfeil selbst forteilte,
-mit einem <em class="antiqua">espèce</em><span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> von altem Narren stehen zu bleiben und dessen
-sentimentalen Firlefanz mit anzusehen. &mdash;</p>
-
-<p>„Wollen Sie mich denn dem Wahnsinn in die Arme werfen?“ rief er,
-vergessend, wo sie sich befanden &mdash; und rüttelte ihn am Arme, daß der
-Alte das Gleichgewicht verlor und umzufallen drohte &mdash; jedoch noch
-zeitig genug von Althings Armen aufgefangen wurde: „Ach, Sie sind ein
-Satan &mdash; in Freundesgestalt! Sie peinigen mich &mdash; Sie bringen mich um
-den sichern Himmel!“ schrie dieser.</p>
-
-<p>„Ich bin &mdash; sehr unglücklich....“ stammelte der Jäger.</p>
-
-<p>„Aber &mdash; ich nicht minder!“ tobte empört Althing.</p>
-
-<p>„&mdash; O &mdash; ich habe einen Freund an ihm verloren...“</p>
-
-<p>„&mdash; Ich werde bald meinen ganzen Verstand verlieren... oder Sie hier
-stehen lassen, Herr Graf!“</p>
-
-<p>„Meinetwegen, wie es Ihnen gefällt, Althing. Mich kann jetzt kein
-Unglück mehr treffen...“</p>
-
-<p>„Aber zum Teufel! so kommen Sie doch! &mdash; Die Pelerine entfernt sich
-immer mehr.... sie<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> ist ganz wild über mein Zurückbleiben.... Vorwärts!
-Sie können die Begleiterin der Pelerine auf’s Korn nehmen....“</p>
-
-<p>„Hol’ sie beide der schwarze Jäger!“ brach mit einem Male Nimrod
-wüthend und in seiner ursprünglichen Derbheit aus: „Was gehen mich
-diese dummen &mdash; Schürzen da an! &mdash; &mdash; In meiner Brust ist ein so großer
-Riß, daß alle Schürzen und Pelerinen der Erde ihn nicht auszufüllen
-vermögen... Ach! nach Prag, sagt man, sei er gegangen.... Ich fürchte,
-ich fürchte &mdash; er ist in dem verfl&mdash; Duell geblieben und in eine Welt
-gegangen &mdash; wo es weder Mosler noch Gumpeldskirchner gibt &mdash; &mdash; Uh!“</p>
-
-<p>Althing tanzte fast vor Wuth und Ungeduld &mdash; er drehte seinen
-Schnurbart (seit der letzten <em class="gesperrt">heißen</em> Affaire hatte er sich wieder
-einen wachsen lassen &mdash; und zwar einen, dessen Gleichen man suchen
-mußte!), daß dieser Schnurbart auf einer Seite die Farbe changirte oder
-besser gesagt: &mdash; seine natürliche bekam....</p>
-
-<p>Man muß wissen, daß Althing die Maxime aller Bösewichter seines
-Schlages besaß, die, einem merkwürdigen Widerspruch gemäß, einen<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> eben
-so großen Drang, eine Dame zu verfolgen, als Scheu, sie anzusprechen,
-haben, &mdash; weshalb sie sich gerne bei einem <em class="gesperrt">Begleiter</em> Muth
-holen... Indeß gründet sich diese Maxime oft auf einen sehr
-vernünftigen Umstand: diese Herren suchen sich ihre Kameraden so aus &mdash;
-daß sie ihnen bei dem <em class="antiqua">tête à tête</em> nicht schaden können, sondern
-im Gegentheile noch ihrer Schönheit als Folie dienen.</p>
-
-<p>Der Stutzer-Veteran drang deshalb unausgesetzt in Wollheim, mit ihm
-weiter zu gehen &mdash; dieser jedoch, als wollte er es ihm zum Possen thun,
-bewegte sich nicht von der Stelle &mdash; sondern schien hier erstarren zu
-wollen....</p>
-
-<p>„O mein Gott! was ist dieser Wollheim für ein Mensch!“ fing Althing an,
-der sich jetzt auf’s Jammern zu legen schien, da es auf andere Weise
-nicht mehr ging. &mdash;</p>
-
-<p>„Mensch &mdash; oder nicht Mensch! Lassen Sie mich in Ruhe... und stören Sie
-mich in meinen Betrachtungen nicht!“ polterte der Jäger.</p>
-
-<p>„Aber &mdash; haben Sie denn gar kein Mitgefühl &mdash; bester Graf! &mdash; Sehen
-Sie, wie ich Sie bitte...“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span></p>
-
-<p>„Fort damit &mdash; oder ich werde wüthend!“</p>
-
-<p>„Theuerster Freund!“</p>
-
-<p>„Ich werde grob!“</p>
-
-<p>„Lieber Graf und Gönner....“</p>
-
-<p>„Ich werde massiv!“</p>
-
-<p>„Alter Bruder &mdash; und Kamerad...“</p>
-
-<p>„Ich prügle Sie...“ brüllte Wollheim und holte hier mit der Faust in
-der That aus; &mdash; wodurch er bewies, daß Sentimentalität und Prügellust
-näher beisammen stehen, als unsere Psychologen bisher geglaubt haben.</p>
-
-<p>Bei den letzten Worten und der sie so ausdrucksvoll begleitenden
-Geberde &mdash; sprang der Günstling der Venus entsetzt zurück, wobei ein
-Dutzend Menschen, die hinter seinem Rücken vorbeigingen, seinen Sprung
-begleiteten &mdash; &mdash; die in ein lautschallendes Gelächter ausbrachen, das
-sich bald in der ganzen Umgebung verbreitete. &mdash; Man blieb stehen...
-man wollte sich amusiren &mdash; und schon war wieder die Polizei daran,
-sich hineinzumischen, als der Jäger plötzlich den Kopf um zwei Zoll
-höher als gewöhnlich erhob &mdash; eine grandiose Idee malte sich auf seiner
-Stirn; er warf geringschätzende Blicke &mdash; zuckte<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> die Achseln &mdash; und
-schlug mit stolzen Schritten den Weg nach dem „Goldnen Lamm“ in der
-Leopoldstadt ein.</p>
-
-<p>Hier ließ er sich ein Zimmer im hintern Hofe geben</p>
-
-<div class="poetry-container s5">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse">„dort wo jenes altersgrauen</div>
- <div class="verse">Kellers Zinnen herüberschauen!“</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="p0">ein mäßiges Stückfaß wurde zu ihm hereingerollt &mdash; er schloß sich mit
-demselben ein und war für diesen Tag, sowie für kommende Nacht nicht
-mehr zu sehen. &mdash;</p>
-
-<p>Althing hatte sich behende aus dem Menschenknäuel losgewickelt, er war
-den Blicken entschwunden, bevor diese Zeit hatten, sich von dem weit
-interessanteren Objekte, dem Jäger &mdash; abzuwenden... er eilte, flog in
-Sturmesschritten der himmelblauen Pelerine nach. &mdash;</p>
-
-<p>Jedoch sie verdiente es auch. Es war eine köstliche Blondine von 16&ndash;18
-Jahren oder etwas drüber. &mdash; Allein unser Althing war auch ein Kenner,
-das mußte man ihm lassen. Wäre Alles bei ihm so vortrefflich bestellt
-gewesen, wie diese Eigenschaft &mdash; dann freilich würde er weit seltener
-in die Lage gekommen sein, schrecklich<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> immer nur in Illusionen zu
-schweben &mdash; was indeß für ihn keineswegs ein Unglück zu sein schien,
-denn er hatte das Talent, nicht daran zu glauben &mdash; &mdash; er hatte das
-seltene Vermögen, aus allen Unglücksfällen zusammengenommen sich erst
-so recht sein Glück herauszubilden: er war dem Schicksal gegenüber die
-personifizirte Ironie.</p>
-
-<p>Endlich holte er seine Pelerine ein: „Allerliebst!“ rief er sich zu:
-„sie hat sich so eben wieder nach mir umgesehen! Ihr Auge schien mich
-schmelzen zu wollen. &mdash; Hehehe! Das Glück, Freund Althing, kennt weder
-Ziel noch Maaß... Dies ist heute schon die dritte, welcher ich zugleich
-in den Weg laufe und die mich nicht mehr losläßt.... Aber ist das auch
-recht von dir, Spitzbube von einem Don Juan? &mdash; Du liegst bis über die
-Schultern bereits in andern Liebesfesseln &mdash; man hofft auf deine Treue
-&mdash; man würde unglücklich werden, falls man dich des Gegentheils fähig
-hielte &mdash; &mdash; man würde sich den Tod um dich geben... und dennoch läufst
-du da dieser kleinen Schelmin nach &mdash; &mdash; die bereits heute die &mdash; &mdash;
-ach, ich vergesse es<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> immer &mdash; die wievielte sie sei &mdash; ja richtig, die
-dritte ist sie! &mdash; Bei meiner Annehmlichkeit! Das ist nicht recht &mdash;
-das!!... Und jetzt ist gerade die Stunde, wo sie mir, meine holde Nina,
-das Rendezvous geben will, Nina, die mich seit vier Tagen bei sich
-empfängt, in ihrem kleinen Zimmerchen &mdash; &mdash; welches Zimmerchen sattsam
-unsere beiderseitigen Schwüre gehört hat.... u. s. w. u. s. w. &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>Er sprach hier die volle Wahrheit, &mdash; das Alles verhielt sich wirklich
-so, wie er sagte; diese Nina empfing ihn in der That bei sich,
-schwur ihm in der That heiße Liebe und ewige Treue &mdash; gab ihm große
-Beweise.... wie sie das jedoch meinte, wird sich später zeigen...</p>
-
-<p>Althing ging jetzt dicht hinter der blauen Pelerine einher, sie
-mußte, falls sie sich jetzt noch einmal umsah, unmittelbar in sein
-rothglänzendes Gesicht, gleichsam wie eine blutig aufsteigende
-Sonnenscheibe, sehen &mdash; &mdash; und es ließ sich erwarten, daß dadurch ihre
-Augen geblendet würden.... Wirklich geschah dies ganz so. Sie sah sich
-um, sie fuhr erschrocken zusammen vor Althings Strahlenangesichte....
-sie<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> bedeckte sich obendrein auch noch die Augen.... kurz unser Dicker
-glaubte das Recht zu haben, so zu sich zu sprechen:</p>
-
-<p>„Ah! Ah! &mdash; das ist zu stark! &mdash; Das hätte die Welt sehen sollen! &mdash;
-O warum ist in diesem Augenblick hier nicht das Menschengeschlecht
-versammelt, um Zeuge meines Triumphes zu sein!... Bei Gott! Venus,
-&mdash; meine Beschützerin! so Etwas ist einer einfachen Mannsperson noch
-gar nicht passirt! &mdash; Das sollte gedruckt, &mdash; unbedingt gedruckt,
-oder noch besser &mdash; in Erz gegossen werden, um der Unsterblichkeit
-anheimzufallen. &mdash; Aber, ach! Was sollte <em class="gesperrt">dir</em> unmöglich sein,
-mächtiger Althing! &mdash; In der That &mdash; &mdash; ich fange an, rasenden Respect
-vor mir selbst zu bekommen und mich für eine Art von Auserwählten
-des Himmels zu halten ... für ein Wesen, das mehr ist als Mensch...
-für einen Halb- oder wenigstens Viertels-Gott ... Schade, daß ich
-die nähere Eintheilung dieser mythologischen Materie nicht genauer
-kenne. &mdash; Und warum,“ fuhr er fort, immerwährend seinen Platz
-hinter der jungen Dame behauptend &mdash; „schlägt sie jetzt mit ihrer
-Gesellschaft diesen<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> Seitenweg da ein?... Ach! sicherlich will sie
-in’s Paradies-Gärtchen gehen &mdash; in den Salon &mdash; ein abgesondertes
-Kabinetchen... hehehe! hab’ ich’s nicht errathen? &mdash; Freund Althing...
-ich sage Dir: du wirst in Zeit von einer Viertelstunde die Seligkeiten
-der hohen Olympier genießen &mdash; unter deren Zahl du gewissermaßen auch
-schon gehörst....“</p>
-
-<p>In diesem Augenblick betraten jene Damen wirklich das Paradiesgärtlein,
-jedoch hielten sie sich in dem dortigen Etablissement nicht auf,
-sondern durchschritten dasselbe, um sich hinten durch die Burg nach der
-Stadt zu begeben... „Gleichviel!“ murmelte Althing: „der Ort macht es
-nicht aus &mdash; sondern die Gelegenheit. &mdash; Wahrscheinlich will sie einen
-bessern Platz finden.... oder aber, was noch möglicher ist &mdash; ihre
-Gesellschaft, worunter mir eine Mama zu sein scheint, gibt es nicht zu,
-steht ihr im Wege... Nun, wir werden bald sehen &mdash; was so viel heißt,
-als <em class="gesperrt">siegen</em>!“</p>
-
-<p>Endlich in einem Gäßchen zwischen der Bastei und der Stadt blieb die
-Pelerine mit ihrer Begleiterschaft stehen: „Aha!“ lachte der Dicke:<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span>
-„jetzt wird’s losgehen! Mache dich gefaßt, Althing! Ueberwinde sie!
-Werfe sie in einem Augenblick zu deinen Füßen....“</p>
-
-<p>Die Pelerine drehte sich um &mdash; &mdash; und winkte ihm... „O! das hatte ich
-erwartet! die Festung ist erstürmt!“ Kaum hatte er dies gesagt &mdash; so
-trat er vor das Mädchen hin und verbeugte sich mit einer lächelnden
-und stolzen Miene, die einem Cäsar wohl angestanden hätte: „Sie sind
-sehr gütig, mein Fräulein,“ begann er in vornehm-nachlässigem Tone
-&mdash; &mdash; und lüftete den Hut ein wenig.... „Sie kennen mich gewiß schon
-längst!“ fuhr er mit einer kühnen Ueberzeugung von seiner berühmten
-Liebenswürdigkeit fort.</p>
-
-<p>„Mein Herr von Althing,“ entgegnete das Mädchen: „Sie haben es
-errathen.... der Ruf Ihrer Eigenschaften ist bis zu uns gedrungen &mdash;
-und erfüllte mich seit jener Zeit mit der lebhaftesten Begierde, Sie
-kennen zu lernen.... Deshalb erlaubte ich mir auch &mdash; Ihren Blicken
-und Winken auf der Bastei &mdash; (wenn ich sie anders recht verstand,)
-nachzugeben &mdash; und hier diesen weniger bemerkten Ort aufzusuchen &mdash; &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span>
-um &mdash; um mit Bewilligung meiner guten Mutter ... die ich Ihnen hiermit
-vorzustellen die Ehre habe &mdash;“</p>
-
-<p>Man verbeugte sich beiderseitig; der Stutzer sah sich einem alten
-Monstrum gegenüber, das geeignet war, Schrecken einzuflößen...</p>
-
-<p>„Also mit Erlaubniß meiner Mama,“ fuhr das Mädchen fort &mdash; „habe ich
-gewagt, Ihnen Gelegenheit zu geben &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Damit ich,“ fiel Althing mit jener Emphase ein, der man geflissentlich
-einen künstlichen Anstrich gibt, um die Leute glauben zu machen, man
-verstünde sich in solchen Affairen meisterhaft zu benehmen und sei
-des Sieges schon im Voraus gewiß: „damit ich Ihnen die zärtlichen und
-glühenden Empfindungen, von welchen diese Brust voll ist.... so, daß
-das Herz davon in Flammen aufgehen muß...“</p>
-
-<p>„Lassen wir das!“ lächelte die Jugendliche: „und kommen wir auf andere
-Dinge &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Nein, nein! denn meine Seele, mein ganzes Wesen ist von Ihrem Bilde,
-von Ihrer Liebenswürdigkeit, von Ihrem Zauber hingerissen... und vermag
-nicht zu leben...“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span></p>
-
-<p>„&mdash; Muß vergehen &mdash; nicht wahr? hahaha! &mdash; Nur weiter, mein Herr.“</p>
-
-<p>„&mdash; Ich müßte vergehen &mdash; sterben vor Schmerz und Verzweiflung &mdash; wenn
-&mdash;“</p>
-
-<p>„Weiter, weiter!“</p>
-
-<p>„Sie können noch spotten &mdash; können so kalt sein &mdash; da ich glühe und
-brenne &mdash; und fast zu Asche werde....“</p>
-
-<p>„Das sind die gewöhnlichen Phrasen...“</p>
-
-<p>„O halten Sie mich nicht für einen gewöhnlichen Thoren &mdash; und dieses
-Gefühl in meiner Brust für kein alltägliches. &mdash; Ich schwöre bei meiner
-Seligkeit, daß ich zum Sterben Sie liebe &mdash; nur Sie ganz allein!...“</p>
-
-<p>„Aber Sie haben mich ja noch nie gesehen!“</p>
-
-<p>„Wie können Sie nur so Etwas denken. Ich kenne Sie seit sehr langer
-Zeit &mdash; und gleich Ihrem Schatten schleiche ich Ihnen &mdash; freilich aus
-Scheu ungesehen &mdash; nach.... Wo Sie sind, bin auch ich &mdash; ich kann nicht
-leben ohne Dich, angebetetes, englisches Wesen.... Du lehrtest mir
-die Liebe kennen &mdash; früher war ich unschuldig und unerfahren, wie so
-mancher unter uns Jünglingen... Du warst das erste<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> Frauenbild, zu dem
-ich wagte, die Augen aufzuschlagen .... Liebe mich &mdash; oder mein Loos
-ist schauderhafter Tod!“</p>
-
-<p>Bei diesen Worten, in die sich zuletzt unwillkührlich die angeborne
-Verliebtheit des alten Gecken mischte &mdash; fiel er, trotz December und
-Schnee, vor das Mädchen auf die Kniee &mdash; breitete die Hände aus wie ein
-betender Bramine &mdash; verdrehte die Augen und flüsterte mit möglichst
-matter Stimme: „Oder den Tod! den Tod! &mdash;“</p>
-
-<p>In diesem Momente erhob sich um ihn ein lautes Gelächter und eine Dame,
-für welche unser Ritter bisher keine Aufmerksamkeit hatte &mdash; da sich
-diese derselben geflissentlich zu entziehen wußte, trat vor, schlug
-ihren Schleier zurück (solche Damen tragen bisweilen auch im Winter
-Schleier) und rief:</p>
-
-<p>„So also! dies ist die Treue, welche Sie mir angelobten! So halten Sie
-also Ihre Versprechungen &mdash; Ihre Schwüre!... O es ist schändlich, Herr
-von Althing! &mdash; es ist schändlich, ein Mädchen auf diese Weise &mdash; vor
-ihren eigenen Augen zu hintergehen! &mdash; Es ist ent<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span>setzlich... und nie
-wird Ihnen das der Himmel verzeihen!“</p>
-
-<p>Der dicke Held glaubte unter die Erde zu versinken. Er sah &mdash;
-<em class="gesperrt">Nina</em>, seine <em class="gesperrt">Nina</em> in leibhafter Gestalt vor sich.</p>
-
-<p>„Ich wollte,“ begann sie heftig: „Sie auf die Probe stellen! Und so hat
-man also bestanden? Glaubt man mit einem armen Mädchen blos sein Spiel
-treiben zu dürfen!... Zuerst macht man sie verrückt vor Liebe &mdash; &mdash; und
-dann und dann &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>Er hatte sich jetzt aus dem Schnee erhoben, aber seine Beinkleider
-waren durch und durch naß...: „O, mein Fräulein &mdash; o, geliebte Nina!“
-wandte er sich mit flehender Geberde und gesenktem Haupte an diese:
-„Verzeihung &mdash; theures Wesen! Engel in Menschengestalt &mdash; Verzeihung
-für diesen Fehltritt.... welcher, bei allen Göttern! der erste meines
-Lebens ist. O, verkennen Sie mich nicht.... beurtheile mich nicht
-falsch, mein süßes Täubchen &mdash; meine Geliebte! Suche dem Dinge auf den
-Grund zu kommen &mdash; und Du wirst finden, daß ich &mdash; &mdash; nur in einer Art
-von Geistesabwesenheit dieser Dame da<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> eine Liebeserklärung machen
-konnte. &mdash; Wahrhaftig &mdash; mein Kopf &mdash; mein Hirn &mdash; mein ganzes Wesen
-ist so sehr mit Dir beschäftigt, daß ich durch vieles Denken an Dich,
-wie’s scheint, mein Denkvermögen geschwächt habe... daß ich verwirrt
-wurde... daß ich ein Thor wurde &mdash; ein Narr &mdash; ein dummer Teufel &mdash;
-oder was Du sonst willst.... O! wie bereue ich das Alles! Könnt’ ich es
-ungeschehen machen &mdash; mein halbes Leben wollte ich drum hingeben &mdash; und
-bei meinen Jahren habe ich noch eine schöne Strecke Zeit vor mir! &mdash; &mdash;
-Oh! Oh! ich Unseliger! ich unerfahrner junger Thor!“</p>
-
-<p>Die Gesellschaft konnte das Lachen nicht bezähmen &mdash; man nahm die
-Taschentücher zu Hilfe, um die Gesichter dahinter zu verbergen. &mdash;
-Althing, in seiner Consternation, nahm dieses jedoch anders: „O!“
-schrie er mächtig auf: „Sie weinen &mdash; meine Verehrtesten! Weint denn
-heute die ganze Welt? &mdash; Es ist fürwahr ein trauriger Tag! &mdash; Und auch
-Nina &mdash; meine angebetete Nina weint... sie schluchzt &mdash; ihre Brust &mdash;
-ihre Schultern &mdash; ihr ganzer Körper schluchzt &mdash; &mdash; und ihr schönes,
-liebes Gesicht wird mir<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> durch das Tuch entzogen... Doch, ja, ich habe
-es verdient! Ich klage mich an! Ich verabscheue, ich verachte mich!
-&mdash; &mdash; O!“ schrie er abermals auf &mdash; und fiel, trotz der durchnäßten
-Beinkleider (er trug jedoch unter ihnen dreifaches Flanell und noch
-überdies Watte), abermals in den Schnee: „O! mir kann niemals verziehen
-werden! das seh’ ich... Niemals, niemals! &mdash; Ich werde nicht mehr
-geliebt, mein Glück und &mdash; Alles ist dahin!“</p>
-
-<p>Jetzt endlich reichte Nina ihm die Hand &mdash; und sprach hinter dem
-Schnupftuche hervor: „Nun denn &mdash; es sei Dir verziehen, Treuloser! Du
-verdienst es zwar nicht und ich sollte Dich ewig hassen &mdash; Dich fliehen
-&mdash; &mdash; aber, mein Herz spricht so laut zu Deinen Gunsten... daß ich
-nicht umhin kann...“</p>
-
-<p>„Ah!“ jauchzte Althing und fuhr mit einem lebhaften Satze in die Höhe:
-„Du Engel! Du Engel! &mdash; Sie hat verziehen! Sie nimmt mich wieder zu
-sich auf.... Ach! ich wußte es wohl,“ murmelte er vor sich: „mir
-widersteht man nicht! &mdash; &mdash; ich bleibe allemal Sieger, Ueberwinder! &mdash;
-&mdash; Doch,“ sagte er zu der Gesellschaft &mdash; &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> „da Sie, meine Damen,“ &mdash;
-es war nämlich noch eine Vierte da &mdash; „Zeugen waren, sowohl von unserm
-Zwist als auch von unserer Versöhnung &mdash; &mdash; so werden Sie, wie ich
-hoffe, es mir nicht abschlagen, wenn ich Sie einlade, diesen Tag durch
-irgend ein frohes Fest zu verherrlichen. Ich denke, wir könnten uns, so
-wie wir da sind &mdash; in die Wohnung meiner geliebten Nina verfügen, und
-dort zusammen im fröhlichen Vereine &mdash; ein kleines Mahl mit Champagner
-einnehmen. Was sagen Sie dazu?“</p>
-
-<p>„Angenommen, angenommen!“ erhob Nina ihre Stimme und wie ein Echo
-wiederholten die drei andern Huldinnen: „Angenommen! Angenommen!“ Man
-ging. &mdash;</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Sechstes_Kapitel"><b>Sechstes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Immer noch Promenade.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">N</span>och war die Promenade der <em class="antiqua">beau monde</em> nicht zu Ende. Im
-Gegentheil ostentirte sie jetzt, da das bürgerliche Element sich
-ausgeschieden hatte, um zu Tische zu gehen &mdash; ihre interessantere,
-fashionablere Seite. &mdash; Sie erhob sich aus einem mechanischen und
-materiellen Umhertreiben &mdash; zur Conversation im Freien. Und jetzt
-sehen wir uns gezwungen, jene Gestalten und Charaktere, welche wir zu
-Anfang des vorigen Kapitels eingeführt haben, wieder herbeizurufen, da
-dieselben nunmehr die agirenden Hauptfiguren geworden sind...</p>
-
-<p>Umgeben von einem Zirkel älterer und jüngerer Personen, worunter
-illustre Namen der Residenz &mdash; schreitet Herr von Marsan langsam<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> den
-Wall entlang, indem er in einer Auseinandersetzung begriffen scheint,
-an welcher seine ganze Suite, man möchte sagen, mit Andacht theilnimmt.
-&mdash; Dieser Cavalier, den wir seit einiger Zeit aus dem Auge verloren
-haben, spielt jetzt in der höchsten Welt der Hauptstadt eine Rolle vom
-höchsten Range. Dies mächtige Emporkommen hat er nicht blos seinem
-Namen, seinem Reichthume und seinem Geiste oder seiner Schönheit zu
-danken &mdash; sondern vornehmlich den mehrfältigen Affairen, in die er
-während der letzten Zeit sich als Hauptperson zu verflechten wußte &mdash;
-und worunter die Angelegenheit zwischen dem Grafen A&mdash;x und Cölestine
-&mdash; nur eine einzelne war; denn in Bezug auf diese sprach alle Welt ihm
-die Initiative zu, nannte ihn die veranlassende Ursache der Trennung
-&mdash; und setzte hinzu: er sei noch immer der Geliebte Cölestinens, die
-nur um seinetwillen ihr Schicksal mit so großer Heiterkeit zu tragen
-wisse. &mdash; Unter seinen andern Liaisons war eine zweite von eben solchen
-eklatanten Folgen gewesen &mdash; nämlich sein Verhältniß zur Herzogin
-von S&mdash;; Marsan, von einem ihrer früheren Anbeter gefordert,<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span> schoß
-diesem eine Kugel so durch den Kopf, daß der letztere in hundert Stücke
-auseinander flog, gleich einem Apfel. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Der Chevalier hatte in der That, und zwar nicht nur in Wien, sein
-Renommée als Schrecken der Männer, wie als Abgott der Frauen, mit einem
-Worte als Muster eines vornehmen Mannes, eines <em class="antiqua">grand seigneur</em>
-von altem Schlage zu behaupten gewußt. &mdash; Wenn ihm indessen sein
-stolzer, vornehmer und überlegener Charakter bei seinem Geschlechte
-viel verdarb, so wußte er zur gelegenen Zeit durch eine Menge von
-Talenten Manches wieder gut zu machen &mdash; und hatte er z. B. heute einen
-Nebenbuhler bei der oder jener Frau besiegt, so versöhnte er ihn morgen
-dadurch, daß er einer andern Leidenschaft desselben schmeichelte: einen
-Reiter ließ er beim Wettrennen den Preis gewinnen &mdash; an einen Spieler
-verlor er Geld &mdash; einem Dritten ward er in dessen Carriere behilflich,
-so daß am Ende alle Mißtöne um ihn herum sich zur schönsten Harmonie
-auflösten: diese Harmonie sang sein Lob und es wiederhallte in der
-Welt....</p>
-
-<p>Indeß würde man irren, wenn man glaubte,<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> der Chevalier verstände nur
-auf diesem wenig erhabenen Felde Lorbeeren einzuerndten; &mdash; das, was er
-im Salon einer großen Dame war, galt er auch im Kabinet eines großen
-Herrn, denn seine Hilfsquellen waren unerschöpflich, und sein Charakter
-im Sinne der großen Welt allseitig. Er wäre als Geschäftsmann, als
-Staatsmann vielleicht nicht minder groß geworden, wie er es jetzt
-als einfacher Weltmann war &mdash; und obgleich er vorgezogen hatte, die
-letztere Stellung einzunehmen, so sah er doch recht gut ein, daß er
-dieselbe nicht werde behaupten können, ohne von Zeit zu Zeit den Arm
-in die andere Sphäre hinüberzustrecken oder gar einen Schritt auf
-das jenseitige Territorium zu thun. &mdash; Daher sagte das Gerücht nicht
-zu viel, welches ihn in letzterer Zeit irgend einen diplomatischen
-Auftrag übernehmen und deshalb so fleißig in den Häusern fremder
-und hiesiger Minister aus- und eingehen ließ. Dieser Auftrag mußte
-außerordentlich mysteriöser Natur sein, denn so viel sich die Fama der
-guten Gesellschaft sich auch Mühe gab, ihn zu errathen, es wollte ihr
-durchaus nicht gelingen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span></p>
-
-<p>&mdash; Ohne uns mit dem eigentlichen Inhalte der Conversation, welche im
-jetzigen Augenblicke zwischen Marsan und jener Gesellschaft, von der
-wir ihn begleitet sehen, stattfand, zu befassen, müssen wir dennoch
-bemerken, daß dieselbe auf doppeltem Gebiete umherstreifte, und ihn so
-recht in den Brennpunkt seiner gesammten Fähigkeiten &mdash; an die Spitze
-der Bestrebungen seines ganzen Standes stellte. Er glänzte hier mit
-seinem Geiste erstens als Cavalier und zweitens als Mann von Geist und
-politischem Einfluß &mdash; &mdash; er beschäftigte den ganzen Kreis mit den
-mannigfachsten Dingen &mdash; und während er diesem Herrn seine Ansicht über
-den Unterschied zwischen Patschuli und Moschus mittheilte &mdash; ließ er
-gegen jenes Mitglied des diplomatischen Corps eine feine politische
-Anmerkung fallen, in einer Sprache, welche kein Anderer verstand....</p>
-
-<p>„Zum Henker!“ flüsterten etliche junge Attaché’s am äußersten Flügel:
-„dieser Mensch kann Alles.... mich dünkt, er würde sogar auf einem
-Seile tanzen...“</p>
-
-<p>„Er wird dies nicht nöthig haben, um sich früher oder später den Hals
-zu brechen!“ meinte<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span> Einer, der zu den Wenigen gehörte, die Marsan sich
-noch nicht verbunden hatte...</p>
-
-<p>Die Sache war, daß der Chevalier den Grundsatz hatte, sich auch eine
-gewisse Anzahl <em class="gesperrt">Feinde</em> zu erhalten, da auch sie für einen Mann
-der großen Welt unentbehrlich sind. &mdash;</p>
-
-<p>In einiger Entfernung von dem Chevalier bewegte sich eine andere
-Gesellschaft. Es befanden sich hier die Generalin E&mdash;z, Herr von
-Labers, die Gräfin Wollheim an der Seite des Fräuleins Eugenie von
-Bomben, dieser frommen Seele der abendländischen Christenheit.</p>
-
-<p>Die Rede war von demjenigen, den man seit zwei Stunden beständig vor
-Augen hatte... von Herrn von Marsan. &mdash; Man erörterte so eben den
-traurigen Fall in des Grafen von A&mdash;x Hause, und Herr von Labers hatte
-ihn eine von jenen Schickungen genannt, womit die Gottheit bisweilen
-gute Menschen heimsucht, um ihre Kraft zu erproben und zu stählen &mdash;
-oder auch um sie nach dem Kampfe des Sieges um so froher werden zu
-lassen. &mdash; Jedermann stimmte in diese schöne Ansicht ein... nur das
-Stiftsfräulein lächelte still vor sich hin, indem sie die<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> Achseln
-zuckte, was ihr um so leichter fiel, als diese schon von Natur schief
-und „nervös“ waren.</p>
-
-<p>„Die Oede und Melancholie in den Häusern des Generals Randow und
-seiner Tochter &mdash; läßt sich durch das eifrigste Bestreben, das vorige
-Leben in sie herbeizuzaubern &mdash; nicht unterdrücken.... Es zieht ein
-schlimmer Geist durch diese Hallen, trotz aller geweihten Kerzen, die
-darin brennen, und die einen Tag erlügen wollen,“ &mdash; bemerkte die alte
-Wittwe des Feldmarschallieutenants; sie schloß mit den Worten: „Dieses
-Unglück hat sogar mich erschüttert &mdash; diese Trauer hat sich sogar mir
-mitgetheilt.“</p>
-
-<p>„Aber,“ sagte Gräfin Wollheim, „wie konnte man nur so grausam sein, und
-das Räthselhafte in dieser Begebenheit dadurch erklären, daß man Herrn
-von Marsan mit ihr in eine Verbindung brachte, welche Verbindung &mdash;“</p>
-
-<p>Hierbei fiel Herr von Labers ein: „durch die Würde der jungen Gräfin
-hinlänglich widerlegt ist. &mdash; Ach, wir leben in einer Zeit, die sich
-mit Gewissen und Ehre bereits so weit abgefunden hat, daß man beide nur
-mehr dem Namen nach gebraucht.... Man könnte unsere Epoche,<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> ähnlich
-wie man frühere die des <em class="gesperrt">Glaubens</em> &mdash; des <em class="gesperrt">Schwertes</em> &mdash; der
-<em class="gesperrt">Barbarei</em> &mdash; der <em class="gesperrt">Philosophie</em> &mdash; der <em class="gesperrt">Umwälzungen</em> &mdash;
-nannte: eine Epoche der <em class="gesperrt">Lüge</em> oder des <em class="gesperrt">Wahnsinns</em> nennen.“</p>
-
-<p>„Man geht so weit, zu behaupten,“ nahm Gräfin Wollheim wieder das Wort:
-&mdash; „Graf Alexander habe gegründeten Verdacht &mdash; Beweise sogar, daß
-Cölestine &mdash;“</p>
-
-<p>„Entsetzlich! Und so Etwas behauptet man wirklich?“ rief die Generalin
-E&mdash;z.</p>
-
-<p>„&mdash; &mdash; Und mit Recht!“ flüsterte das Stiftsfräulein der Gräfin zu: „Mit
-Recht!“ Die edle Menschenfreundin konnte die Vertheidigung der Tugend
-nicht länger mehr anhören....</p>
-
-<p>„Was hat man nicht Alles bereits in der Welt behauptet!“ sagte Labers
-lächelnd: „dergleichen Gerüchte schaden jedoch nicht mehr... Der,
-welcher sie spricht, so wie der, welcher sie hört, glauben Beide nicht
-mehr an sie.“</p>
-
-<p>„Der Graf soll für Cölestine ein Schreiben hinterlassen haben.... worin
-er Punkt für Punkt seine Anklage vorbringt... da soll es unter Anderem
-auch heißen: er habe mit eigenen Augen<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> die Zeichen bemerkt, welche
-Cölestine mit dem Chevalier auf irgend einem Balle gewechselt...“</p>
-
-<p>„Die Zeichen waren <em class="gesperrt">handgreiflich</em>,“ flüsterte die Stiftsdame....</p>
-
-<p>„Ferner,“ fuhr die Gräfin fort: „gleich nach diesem Balle habe
-Cölestine mit dem Chevalier eine geheime Zusammenkunft gehabt...“</p>
-
-<p>„In ihrem eigenen Boudoir &mdash; oder vielmehr Schlafzimmer, und zur
-Nachtzeit, da Alles schlief... sie war drei volle Stunden mit ihm
-eingeschlossen; &mdash; ihr Mann hat sie auf dem Verbrechen ertappt &mdash; ihr
-Wesen &mdash; ihre Kleidung befand sich in einem Zustande...“</p>
-
-<p>„Still doch!“ bedeutete die Gräfin der zischelnden Schlange. „Auch,“
-wandte sich die alte Dame zur Gesellschaft: „von einem Billetdoux
-spricht man, worin die junge Frau Herrn von Marsan ein zweites <em class="antiqua">tête
-à tête</em> bewilligt haben soll.“</p>
-
-<p>„Und dieses Billetdoux,“ raunte Fräulein Eugenie trunken vor Freude
-ihrer Begleiterin zu &mdash; „fiel dem Grafen in die Hände &mdash; &mdash; er hatte
-jetzt ein Selbstbekenntniß &mdash; eine Selbstanklage der Verbrecherin. &mdash;
-Ja, einer Verbrecherin!“ fuhr die Philanthropin wild fort: „wie die
-Erde<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> noch keine abscheulichere getragen hat &mdash; wie selbst Babel sie
-ausspeien würde &mdash; &mdash; während der saubere Frauenverein sie in ihren
-Schooß aufnehmen und mit dem Mantel seiner Tugendlichkeit bedecken will
-&mdash; welche Tugendlichkeit durch diesen Fall allein schon ihre Erklärung
-findet, hehe! &mdash; O! Wie bin ich gerächt! Wie hat der Himmel selbst
-sich zu meinem Partisan erhoben! &mdash; Bei allen Kneifzangen Nero’s! bei
-dem Skalpirmesser der Indianer! &mdash; ich bin mit der Gerechtigkeit des
-ewigen Schicksals ausgesöhnt. &mdash; Ich murre nicht ferner... ich neige
-mich in Demuth und werde im Stillen fort arbeiten am allgemeinen Werke
-der Liebe. Erst vor Kurzem habe ich wieder ein neues Surrogat für die
-<em class="gesperrt">Armenspeise</em> erfunden; es besteht in einem Mehl, welches man aus
-gestoßenen Tannenzapfen gewinnt, und welches Mehl die Eigenschaft hat,
-daß es die Speiseröhre anschwellt; wenn Einem aber die Speiseröhre
-geschwollen ist, kann man nicht viel essen, man lebt daher äußerst
-billig....“</p>
-
-<p>„Zu den schmählichen Verläumdungen, von denen wir so eben gesprochen,“
-sagte Labers &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> „gehört auch die, welche einen neuen Beweis gegen die
-arme Gräfin A&mdash;x in dem Umstande sieht, daß der Chevalier von Marsan
-seit der Abwesenheit ihres Gemahls ihr Haus nicht mehr besucht. Diese
-so natürliche Thatsache &mdash; diese Delikatesse von Seiten Marsans legt
-man demselben als eine abscheuliche Absichtlichkeit aus, als wollte er
-den Gerüchten keine neue Nahrung geben.“</p>
-
-<p>„Es ist wahr,“ murmelte die Stiftsdame: „daß er sie am Tage nicht
-besucht, das wäre auch sehr albern.... sie kommen zur Nachtzeit
-zusammen, halten ihre Bacchanalien unter dem Schleier der Mitternacht
-&mdash; und das scheint mir weit vernünftiger.... hehe! &mdash;“</p>
-
-<p>In diesem Augenblick stieß man durch ein Ungefähr, welches Marsan und
-seine Gesellschaft zwang, stillzustehen, mit der letzteren zusammen
-und machte den ferneren Weg an ihrer Seite, wobei sich nun nichts mehr
-zutrug, was irgend verdiente, hier aufgezeichnet zu werden. &mdash;</p>
-
-<p class="center">* &emsp; &emsp; &emsp; *<br />
-*</p>
-
-<p>Wie wir wissen, hatte Althing jenen vier Damen, mit welchen wir ihn in
-einer „hohlen<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> Gasse“ getroffen haben, zu einer Mahlzeit eingeladen,
-die bei der Gebieterin seines Herzens (Keiner glaubte er noch so tief
-in’s Herz gewachsen zu sein!) statt finden sollte. Ferner wissen wir,
-daß er sich mit ihnen sofort auf den Weg begeben habe. &mdash; O, es war
-ein hitziger Kerl, dieser Althing! Er hatte Temperament und Feuer
-für Zehn! &mdash; &mdash; Nach mannigfachen Krümmungen durch enge Gäßchen und
-Durchgänge gelangte man endlich auf’s Salzgries &mdash; denn hier wohnte die
-Dulcinea des Ritters. Als echte Dulcinea wohnte sie dem Himmel näher
-als der Erde; &mdash; &mdash; Althings Geliebten hatten überhaupt alle diese
-Eigenthümlichkeit. &mdash; Sie wohnten sämmtlich nicht unter sechs Treppen.
-&mdash; Aber wem, der je ein glühendes Jünglingsherz im Busen trug &mdash; sind
-sechs Treppen mehr als eine Kleinigkeit gewesen &mdash; über welche er
-hinwegeilte, während man kaum zwei Schnippchen schlug? &mdash; Daher kommt
-es auch, daß unser Mann seit den drei Tagen, da er seine holde Nina die
-<em class="gesperrt">Seine</em> nannte &mdash; mindestens schon vierzig Mal diese allerliebsten
-sechs Treppen auf und ab gelaufen war. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span></p>
-
-<p>Er bewies dies auch jetzt. Ehe man sich’s versah, war er oben &mdash; &mdash; die
-vier Schönen keuchten ihm mühsam nach, hatten es ihm jedoch nur bis zum
-zweiten Treppenabsatze nachthun können. &mdash;</p>
-
-<p>Fräulein <em class="gesperrt">Nina’s</em> Wohnung bestand in zwei Zimmern und einer Art
-Küche, die zugleich als Vorzimmer diente. Wir sagen zwei Zimmer &mdash;
-weil wir uns gerne nach dem Sprachgebrauche der Personen richten,
-mit welchen wir zu thun haben, und Fräulein Nina sprach stets von
-ihren „zwei Zimmern.“ Wer aber war dieses Fräulein? Hierher paßt
-dasjenige, was ein trefflicher französischer Novellist der neuesten
-Zeit, <em class="gesperrt">Charles de Bernard</em> in einem seiner Werke<a name="FNAnker_C_3" id="FNAnker_C_3"></a><a href="#Fussnote_C_3" class="fnanchor">[C]</a> über jene
-Gattung Menschen in Paris sagt, die man dort die <em class="gesperrt">problematischen
-Existenzen</em> nennt.</p>
-
-<p>„Diese Parias,“ sagt unser Schriftsteller &mdash; „von denen man nicht weiß,
-woher sie kommen, noch wohin sie gehen, ohne eine Familie, die sie
-anerkennt, ohne einen Stand, den sie zu gestehen wagen, frei von allen
-Pflichten &mdash; besitzen nur<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> so viel Erde, als die Blumenvasen ihrer
-Salons enthalten, und leben wie Paschas. Wie wunderbar und doch so
-gewöhnlich! Aehnlich den Lilien, von denen die Bibel spricht, arbeiten
-sie nicht und spinnen auch nicht, und dennoch bietet manchmal ihr Luxus
-den Herrlichkeiten der Prinzen Trotz..... Verfolgt sie bis zu ihrem
-Ursprunge, diese Bäche mit unverschämtem Rauschen, mit den golden
-schimmernden Wellen, wie der Pactol, ihr werdet unfehlbar an eine
-unreine Quelle kommen... u. s. w.“</p>
-
-<p>Ohne die Dame, von der wir sprechen, in die höchste Klasse dieser
-Existenzen zu rangiren, ohne sie zu den weiblichen Industrierittern
-<em class="antiqua">par excellence</em> zählen zu wollen, müssen wir von ihr doch
-sagen, daß es ihr an nichts fehlte &mdash; um stets vor der Welt in einer
-reizenden Hülle erscheinen und Dummköpfe verdrehen zu können... Ihre
-Begleiterinnen und die Alte, welche sich als ihre Mutter gerirte, (man
-kennt diesen Posten!) waren natürlich ihres Gleichen.</p>
-
-<p>„Meine Freunde und Freundinnen, machen Sie sich es bei mir so bequem
-als möglich...!<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span>“ fing Fräulein Nina an die Frau vom Hause zu spielen
-&mdash; nachdem Alles eingetreten war und Platz genommen hatte &mdash; &mdash; „und
-um Ihnen mit gutem Beispiele vorauszugehen, will ich selbst den Anfang
-machen....“ Sie trat in ihr <em class="gesperrt">zweites Zimmer</em>, blieb daselbst
-einige Minuten lang, und erschien sodann &mdash; vollständig metamorphosirt
-bei der Gesellschaft.... so daß Althing nicht umhin konnte, einen Ruf
-der Ueberraschung auszustoßen....</p>
-
-<p>Seine Dame hatte ihr Costume so weit abgeworfen, daß das jetzige
-sehr stark an jenes von Adam und Eva erinnerte: sie trug über ihren
-ursprünglichen Reizen weiter nichts, als einen Unterrock und eine Art
-Camisol aus Mousselin, welches im Winde flatterte, offen wie eine
-Flagge. &mdash; Sogleich eilten auch die andern Damenschaften in das Kabinet
-und erschienen nach einer gleichen Zeit in einem überraschend ähnlichen
-Anzuge.... Dieses Intervall, so klein es war, hatte der verliebte
-Ritter gewandt zu benutzen gewußt; er hatte seine Dame zu sich auf den
-Schoß gezogen &mdash; ihr einige Dutzend Schwüre<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> ertheilt und abgenommen &mdash;
-auch etwelche Küsse und andere Zärtlichkeiten.</p>
-
-<p>„Aber wer wird nach dem Gasthause gehen, um das Nöthige
-herbeizuschaffen?“ frugen die Damen, kaum daß sie zurückkehrten....</p>
-
-<p>„Die Sache ist sehr einfach,“ erwiderte <em class="gesperrt">Nina</em>...: „meine Mutter
-wird so gut sein und den Aufwärter aus der <em class="gesperrt">Stadt Neapel</em>
-herbescheiden &mdash; &mdash; den hübschen Joseph.... bei dem mein Freund
-<em class="gesperrt">Achilles</em>.... so heißt Du doch, nicht wahr...?“</p>
-
-<p>„<em class="gesperrt">Achilles</em> &mdash; ganz recht, meine Geliebte!“ versetzte Althing und
-klirrte mit seinen Sporren....</p>
-
-<p>„Nun, bei ihm kannst Du sodann Alles bestellen, was wir brauchen...
-Habe ich nicht Recht, theurer Achilles?“</p>
-
-<p>„Vollkommen, vollkommen!“ lächelte der Dicke &mdash; der sich mit diesem
-Namen, den er so eben erst angenommen hatte, sehr zu gefallen schien...</p>
-
-<p>Ohne Säumen begab sich die ehrwürdige Mutter des Fräuleins, so wie
-sie da stand &mdash; nach dem Gasthause zur „Stadt Neapel“...<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> Sie mochte
-ähnliche Wege schon oft in solchem Costume gemacht haben....</p>
-
-<p>Während ihrer Abwesenheit unterhielt man sich über Verschiedenes... was
-aber nicht ganz nach Althings Geschmacke war, denn er wollte sich blos
-mit Einem beschäftigen. Er hielt seine Angebetete noch immer auf dem
-Schoße und schwitzte dicke Tropfen unter der Anstrengung, die es ihm
-verursachte, nebenbei noch gegen die Uebrigen den Liebenswürdigen zu
-spielen... Indeß war er darüber nicht böse, denn er zeigte sich gerne
-gewandt in den Künsten der Galanterie, welche ja sämmtlich in sein Fach
-einschlugen.</p>
-
-<p>Der schöne Joseph und die alte Vettel erschienen bald im Zimmer. Der
-erstere brachte mit der Karte jene ungeheure Aufmerksamkeit der Wiener
-Kellner mit, woran sich die des übrigen Deutschland ein Beispiel
-nehmen sollten. Nebenbei lachte der schöne Joseph zu Zeiten auf so
-eigenthümliche Weise &mdash; hiervon sah jedoch Althing nichts, welcher sich
-in die grundlosen aber auch goldhaltigen Schachten der Speisekarte
-vergraben hatte. &mdash; Nina aber schien diesen Blick<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> Josephs ganz gut
-bemerkt zu haben und sie gab dem schönen Joseph einen bedeutsamen Wink.</p>
-
-<p>In kurzer Zeit bog sich der Tisch unter einer zahlreichen Menge von
-Speisen und Getränken ... das Mahl begann und ward demselben, wie sich
-vermuthen ließ, von sämmtlichen Gästen eine gebührende Ehre angethan.
-Diese Damen aßen auf eine Weise &mdash; als hätten sie entweder noch niemals
-gegessen oder als sollten sie in Zukunft nimmer essen &mdash; und wenn man
-sagt, daß die Liebe den Appetit benimmt, so hatte dies Sprichwort
-bei Fräulein Nina total Unrecht, denn diese aß und trank allein eben
-so viel, wie die Andern zusammen genommen. &mdash; Bald wurden Toaste
-ausgebracht und von diesem Zeitpunkte an bekam Mahl wie Gesellschaft
-eine neue, nämlich die eigentliche Gestalt... d. h. alle Schranken
-fielen, welche die thörichte Sitte erschaffen hatte &mdash; wenn auch nicht
-zum Besten dieses Hauses. &mdash; Man fing an zu schreien, zu singen &mdash;
-und Althing wurde so leidenschaftlich, daß Nina, die er noch immer
-umherzerrte, ausrief:</p>
-
-<p>„Aber haben Sie denn den &mdash; Koller!“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span></p>
-
-<p>„Nein, meine Geliebte &mdash; sondern ich bin sterblich in Sie verliebt, ich
-könnte in dieser Stunde es mit einer Million Teufel aufnehmen, wenn die
-Sie mir entreißen wollten...“</p>
-
-<p>„O, das ist nicht nöthig! Ich würde mich freiwillig für Dich
-entscheiden &mdash; mein holder Achill &mdash; und wären es selbst eine Million
-Engel. Du weißt, wie ich Dich liebe!“</p>
-
-<p>„Wirklich? &mdash; Und dies scheint nicht blos Redensart? &mdash; Ach Du machst
-mich zum glücklichsten der Menschen.... Wie schade, daß wir hier vor
-Zeugen sind! Ach, wären wir allein!“</p>
-
-<p>„Ja, wären wir allein!“</p>
-
-<p>„O &mdash; das sollte eine Wonne sein!“ schmachtete der alte Narr und
-verdrehte die Augen, wie ein andächtiger Derwisch...</p>
-
-<p>„Ja &mdash; es sollte eine Seligkeit sein!“ wiederholte sie und verdrehte
-nicht minder die Augen ... jedoch nur, um ihren Freundinnen ein Zeichen
-zu geben, was diese verstanden und mit einem Kopfnicken beantworteten.</p>
-
-<p>„O, ich bete Dich an!“ seufzte Nina, gleichsam zerfließend in
-Liebeseligkeit....</p>
-
-<p>„Und erst ich Dich!“ ächzte Althing, dessen<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> Leidenschaft sein Mieder
-in der Weste und seinen Gurt um den Bauch sprengen zu wollen schien.</p>
-
-<p>„Ach &mdash; ach &mdash; &mdash; diese abscheulichen Menschen da! Wie sie uns
-anglotzen!“ flüsterte sie ihm in’s Ohr...</p>
-
-<p>„Ich wollte &mdash; der Satan holte sie, trotzdem daß Deine Mutter dabei ist
-&mdash; &mdash; und führte sie dahin, wo der Pfeffer wächst...“</p>
-
-<p>„Trinke doch &mdash; mein süßer Achill!“</p>
-
-<p>„Ja &mdash; ja &mdash; ich glaube jedoch schon ein wenig zu viel getrunken zu
-haben....“</p>
-
-<p>Er stieß wirklich bereits mit der Zunge an.</p>
-
-<p>„Was schadet das! Der Wein gibt Muth ... und endlich werden wir dieses
-Volk da, welches uns belästigt &mdash; zur Thür hinauswerfen...“</p>
-
-<p>„Ja! das &mdash; wollen wir! &mdash; Das ist ein köstlicher Einfall! &mdash; Wein,
-Wein herbei! &mdash; So! Ein großes Glas! &mdash; Ich leere es auf einen Zug!
-&mdash; &mdash; Alle Donner! &mdash; Nun habe ich die Kraft &mdash; es mit allen Hexen
-des Blocksberges aufzunehmen..... Komm! komm!“ schrie er, hinlänglich
-trunken, um kein Körnchen Verstand mehr zu besitzen: „Komm! &mdash; Wir
-wollen diese alten und jungen Dämchen &mdash; über die<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> Treppe schmeißen....
-Vorwärts, meine Freundin: das wird für uns nur ein Kinderspiel sein! &mdash;
-Ich habe es tausend Mal schon mit einer dreifachen Mehrzahl aufgenommen
-und blieb immer Sieger!.... O, es soll eine Metzelei geben... daß es
-eine Freude ist... Blut soll fließen...“</p>
-
-<div class="figcenter">
- <a id="fig1" name="fig1">
- <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig1.jpg"
- alt="Zu S. 144" /></a>
-</div>
-
-<p>Und während er diesen Unsinn mit einer Mordbrennerstimme schrie &mdash;
-stürzte er mit dem Vorlegelöffel bewaffnet auf diese Frauenzimmer, die
-ihrerseits ebenfalls ein fürchterliches Geschrei erhoben &mdash; und nach
-Hilfe rufend zur Thür hinausstürzten &mdash; über die Treppe hinabliefen,
-wohin er ihnen, durch den leichtgewonnenen Erfolg übermüthig gemacht,
-mit rasender Kampfeswuth nachfolgte &mdash; jedoch nur einige Stufen &mdash; denn
-dann stolperte er über ein Paar &mdash; fiel und rollte gleich einer Walze
-volle vier Treppen hinab bis zur zweiten Etage &mdash; wo er auf dem Flur
-liegen blieb. Ein schauderhaftes Wehegeschrei entfuhr ihm hier: „Ich
-bin zerschlagen... ich bin todt... ich bin aufgeplatzt... mit mir ist
-es aus....“ Sodann verlor er die Besin<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span>nung, und was mit ihm weiter
-geschah, wußte er nicht.</p>
-
-<p>Genug an dem, daß er sich Tags darauf bei vollkommenem Wohlbefinden in
-den Armen seiner süßen Nina erblickte, welche auch in diesem Augenblick
-zärtliche Thränen über den Unfall weinte, dem er gestern zur Beute
-geworden.... Wie zu erwarten stand, war mit der Gefahr auch seine Angst
-und sein Kleinmuth vorbei... seine Courage wuchs wieder riesengroß &mdash;
-die Flammen seines Herzens loderten bis zum Dache des Hauses hinauf
-&mdash; und begruben ihn und die schöne Nina, daß von den Beiden nichts zu
-sehen war....</p>
-
-<p>Erst Nachmittag erhob sich der Sieger vom Schlachtfelde. Er ging nach
-dem andern Zimmer, wo seine Sachen lagen, machte Toilette &mdash; und wollte
-diese damit beendigen, daß er sich mit Uhr, mit Ringen schmückte und
-nach seiner Brieftasche suchte.... Aber welches Entsetzen! &mdash; als er
-bemerkte, daß nichts von alle dem zu finden war....</p>
-
-<p>„Wo ist meine Uhr hingekommen?“ schrie er... „Wo sind meine Ringe
-hingekommen? &mdash; Es<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> befindet sich unter ihnen ein Solitär von Werth und
-die Uhr hat 800 Gulden gekostet...! &mdash; Und wo, wo ist meine Brieftasche
-&mdash; diese Brieftasche enthielt 1000 Gulden und noch andere Papiere von
-Werth!“</p>
-
-<p>Auf sein Lärmen trat Nina herein: „Aber was ist Ihnen denn, mein Herr?“
-sagte sie, die Hände zusammenschlagend. „Sie geberden sich ja wie toll?“</p>
-
-<p>„Und das soll man nicht sein &mdash; wenn man so bestohlen wird.... wie es
-mir bei Ihnen geschah.“</p>
-
-<p>„Mein Herr &mdash; Sie erlauben sich da, einen Schimpf auf mich zu werfen,
-den ich nicht dulde ... Ich werde sogleich meinen Freund, der zehn
-Schritte weit von hier auf derselben Etage wohnt, herbeirufen, damit
-er mich vor der Behandlung schütze, die Sie sich unterstehen, mir
-widerfahren zu lassen.“ &mdash; Jetzt eilte die Holde fort und erschien
-wirklich gleich darauf mit einem großen schwarzen Kerl, der einen
-Räuberhauptmann in den Abruzzen hätte vorstellen können.</p>
-
-<p>„Wie &mdash; Sie unterstehen sich?“ begann der Kerl und rollte ein Paar
-Augen, die bei<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> Gott &mdash; wie kleine Granaten aussahen. „Sie wagen es,
-meine Freundin zu beschimpfen... von Diebstahl zu sprechen... von
-verlornen Uhren &mdash; Ringen u. dergl....“ Mit diesen Worten trat er ihm
-dicht bis vor’s Gesicht hin, so daß der dicke Liebesheld erschrocken
-sich zurückzog, und mit bleichen Lippen stammelte: „Aber &mdash; was wollen
-Sie &mdash; mein Herr &mdash; ich habe ja &mdash; &mdash; das Recht &mdash; zu glauben &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Was?“ brüllte der Schwarze: „Sie haben gar kein Recht,
-Niederträchtigkeiten zu glauben... Entweder haben Sie nicht einmal eine
-Uhr, einen Ring oder eine Brieftasche besessen &mdash; &mdash; und das Ganze ist
-nur eine elende Ausflucht, um der Bezahlung zu entgehen, welche Sie für
-das gestrige Mahl zu leisten haben... Oder aber, angenommen, daß Sie
-jene Sachen wirklich bei sich gehabt haben, so müssen Sie dieselben
-gestern, während Sie mit den Damen Skandal machten &mdash; sich umherhetzten
-und zuletzt wie ein Igel über die Treppe rollten... bei dieser
-Spazierfahrt müssen Sie Ihre Preciosen verloren haben. &mdash; Begreifen
-Sie mich nun?! &mdash; Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span>stehen Sie &mdash; mein Freund, wie? &mdash; Oder aber &mdash;
-capiren Sie mich noch immer nicht?!“</p>
-
-<p>Die letzten Worte brüllte der verdammte Schwarze mit einer Bärenstimme
-und begleitete sie mit solchen Wolfs-Geberden &mdash; daß der alte Adonis zu
-zittern anfing, wie Einer, der das kalte Fieber hat, &mdash; und ferner kein
-Wort hervorzubringen vermochte &mdash; als: „Schon gut &mdash; schon gut &mdash; &mdash;
-ich bin &mdash; ja &mdash; zufrieden....“</p>
-
-<p>„Wenn dies der Fall ist,“ versetzte der Schwarze, ein wenig den Ton
-seiner Bärenstimme mäßigend: „so können Sie gehen &mdash; &mdash; aber,“ fuhr er
-fort und wieder brüllte er ganz entsetzlich: „wofern Sie von der ganzen
-Geschichte nur das Geringste verlauten lassen, oder es wagen &mdash; damit
-vor Gericht zu erscheinen, dann nehmen Sie Ihren Kopf in Acht.... ich
-reiße Ihnen denselben herab, wie einen Kohl aus dem Garten...“</p>
-
-<p>„Es soll nicht geschehen!“ bebte Althing und pries seinen Schöpfer, als
-er zur Thür hinaus war: „Das ist ja ganz unglaublich!“ sagte er zu sich
-auf der Straße: „Es wohnen ja da Menschenfresser unter uns! &mdash; Wenig
-fehlte, so hätte<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> der Kerl mir den Kopf abgebissen.... Gott sei meiner
-armen Seele gnädig!...“</p>
-
-<p>Noch nie war er von einem Rendezvous trauriger heimgekehrt, als
-diesmal.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Siebentes_Kapitel"><b>Siebentes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Der Zurückgezogene.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">I</span>n einem alten abgelegenen Schlosse der Provinz, wohin seit einer
-langen Reihe von Jahren kein anderer Fuß gekommen war, als der der
-Landleute aus der Umgegend, welche kamen, dem Amtmanne (Verwalter)
-den Zehnten einzuliefern oder den gesetzlichen Arbeitsdienst auf dem
-Gute ihres Grundherrn zu verrichten &mdash; in diesem einsamen düstern
-Schlosse, dessen Ursprung sich in die graue Feudalzeit verlor, war seit
-einigen Wochen ein regeres Leben eingezogen und mehrere Menschen gingen
-dort ab und zu, wo früher lange Zeit hindurch nur Fledermäuse und
-anderes Gethier umhergezogen waren. Dieses Schloß nun gehörte zu den
-Besitzungen des<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> Grafen Alexander von A&mdash;x, war jedoch seiner Gemahlin
-sowie seinen Freunden aus verschiedenen Gründen unbekannt geblieben,
-worunter wir sogleich einen anführen wollen.</p>
-
-<p>An dieses Schloß knüpften sich sonderbare Erinnerungen aus der
-Jugendzeit des Grafen, die er hier im Kreise ähnlich gesinnter
-Gesellen &mdash; auf eine Lord Byron’s würdige Weise durchlebt hatte. Hier
-wurden einst jene wilden, wüsten Orgien um Mitternacht gefeiert &mdash;
-hier Mädchen verführt und Gott gelästert &mdash; hier in Wein, Würfeln
-und wüthender Leidenschaft ein Dienst Moloch’s begangen, von welchem
-der Aberglaube der Bauern noch jetzt, wie von einem übernatürlichen
-Treiben, woran der Teufel in eigener Person theilgenommen, sprach &mdash;
-und welche Epoche diejenige in des Grafen Leben war, von der dunkle
-Sagen selbst in die Hauptstadt gedrungen waren.</p>
-
-<p>Wir haben hiervon bereits am Eingange der gegenwärtigen Novelle
-gehandelt. &mdash;</p>
-
-<p>Natürlich, daß Alexander vor der Gesellschaft und besonders vor seiner
-Gemahlin einen Ort geheim zu halten suchte, an welchen sich ein<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span>
-Abschnitt seines Lebens knüpfte, den er in gereifteren Jahren und
-namentlich unter seinen ersten Verhältnissen zu Cölestine alle Ursache
-hatte zu desavouiren. &mdash; Man wußte wohl, daß er wild und unbändig
-gelebt hatte &mdash; aber <em class="gesperrt">wo</em> dies stattgefunden, konnte Niemand
-sagen. &mdash; Jetzt in der verhängnißvollsten Lage seines Lebens erndtete
-Alexander die Früchte seiner klugen Verschwiegenheit &mdash; &mdash; er konnte,
-da er sich von seinem Hause und von der Welt trennte, in ein Schloß
-einziehen, von dem Niemand Kunde hatte, und wo er gesichert war, wie
-ein Verstorbener.</p>
-
-<p>Seit seiner Trennung von Cölestine lebte er hier. Wie uns bewußt
-ist, war seine Umgebung sehr klein und beschränkte sich auf den
-Sekretär und einige Diener, auf deren Treue und Verschwiegenheit er
-bauen konnte. Die Absicht, mit der er hierher gekommen, war, sich
-von allen Geschäften und vom Verkehr mit der Gesellschaft überhaupt
-zurückzuziehen und in Zukunft nur mehr als freiwilliger Verbannter,
-als Anachoret zu leben, zurückgezogen in seinen Stolz, in seinen
-Groll. &mdash; In späteren Jahren wollte<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> er nebenbei auch noch eine Reise,
-vielleicht eine sehr große vornehmen &mdash; stets jedoch seine Einsamkeit
-behaupten. Er glaubte, die Welt hinlänglich kennen gelernt zu haben,
-und &mdash; fand nur Verachtungswürdiges in ihrem Bereiche. Denn es hatte
-ihn nicht nur sein Weib betrogen &mdash; seine Freunde, seine Bekannten,
-die, welche sich seine Getreuen, seine Brüder nannten &mdash; sie Alle, aus
-früherer sowohl wie späterer Zeit, waren falsch, tückisch, heuchlerisch
-und feige gewesen, hatten ihm geschmeichelt, so lange es ihr Vortheil
-war, und flohen ihn, als er in’s Unglück kam. Diese Ansichten &mdash;
-welche übrigens bei ihm schon seit langer Zeit existirten &mdash; waren
-jedoch nicht ganz das Resultat des Lebens, wie er glaubte, sondern sie
-beruhten großentheils auf seinem krankhaften, trübsinnigen und düstern
-Charakter, den wir hinlänglich kennen. &mdash; Mag dem indeß sein, wie ihm
-wolle, er war ein Unglücklicher, in der That ein solcher, und nicht
-blos ein affektirender... Er verdient beklagt und nicht verspottet zu
-werden.</p>
-
-<p>Es wäre hier vielleicht der passende Ort, zwischen diesem Charakter und
-einigen ähnlichen,<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> welche die neuere Poesie hervorgebracht hat, eine
-Parallele zu ziehen &mdash; denn die moderne Romantik und Dramatik ist reich
-an düstern und stolzen Melancholikern &mdash; wie die moderne Zeit, diese
-Zeit schwärmerischer, hochklingender Wünsche und schaler, trauriger
-Erfolge. Sollen wir hier die <em class="gesperrt">Lara’s</em>, die <em class="gesperrt">Corsaren</em>,
-die <em class="gesperrt">Werther</em>, die <em class="gesperrt">Meinau’s</em>, die <em class="gesperrt">Arthur’s</em>, die
-<em class="gesperrt">Wally’s</em>, die <em class="gesperrt">Helden Georg Sand’s</em> citiren? &mdash; Doch nein,
-wir enthalten uns dessen, es würde doch eine undankbare Mühe sein, da
-man mit diesem Thema gegen eine nüchterne unbarmherzige Kritik stößt
-&mdash; der es gefällt, dasjenige wegzuspotten, was doch vor ihren Augen in
-düsterer Wirklichkeit steht &mdash; wollte sie sich nur die Mühe nehmen,
-die Augen aufzuthun. &mdash; Aber schon weil man so gerne darüber spottet
-&mdash; existirt es; denn am heftigsten hat sich die Satyre stets gegen das
-<em class="gesperrt">Bestehende</em> gerichtet. &mdash;</p>
-
-<p>Die Lebensweise Alexanders auf dem alten Schlosse war einförmig und
-bitterlich traurig. Er bewohnte einige Zimmer, die ihm die Aussicht
-auf den Wald und See boten, von welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span> zwei Seiten des Schlosses
-umgeben waren. Diese Zimmer standen noch so, wie sie einer seiner
-Vorfahren mütterlicher Seits vor mehr als 100 Jahren verlassen hatte.
-Da sich die Conservationssorgen des Verwalters vorzüglich diesem
-Theile des Hauses zuwandten, so war es ihm gelungen, hier Alles noch
-im reinsten Geschmacke der Zeit der <em class="gesperrt">Theresia</em> zu erhalten ...
-Diese Zeit aber, die Freundin eines eben so prunkenden als reellen
-Luxus, hatte hier in fünf oder sechs Gemächern einen Reichthum an
-Sachen und Verzierungen aufgehäuft, womit man heut zu Tage ein großes,
-weitläuftiges Haus vollständig versehen könnte. &mdash; &mdash; Die schweren
-Seiden- und Sammttapeten, welche die Wände verhüllten, waren allein so
-viel werth, wie das ganze Ameublement einer mäßigen Wohnung unserer
-Zeit... Diese prachtvollen Spiegel aus venetianischen Fabriken &mdash;
-diese kunstreichen Uhren in kolossalen Gehäusen, wovon jedes ein
-Meisterwerk damaliger Kunst... diese Armstühle, schwer vergoldet
-und mit dicken Brokatstoffen, woran tausenderlei Blumen und Farben
-glänzten, überzogen... diese Tische aus einem Eichenholz,<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> welches
-noch jetzt hart war wie Granit &mdash; &mdash; diese Schränke mit den in’s
-Fabelhafte gehenden Arabesken überladen &mdash; &mdash; diese Tischchen und
-Kästchen von eingelegter Arbeit... endlich diese großen Familien- und
-Schlachtengemälde aus einer Schule, die es mit den besten unserer
-Zeit aufnehmen konnte... und zum Schlusse noch alles das Uebrige,
-wovon eine hochadelige Wohnung damaliger Zeit erfüllt war und worunter
-sich Gegenstände befanden, deren Namen uns nicht einmal mehr geläufig
-sind... kurz in dieser Umgebung von 1700 und einigen Jahren lebte jetzt
-Alexander, ein moderner Mann, ein Zeitgenosse von uns.</p>
-
-<p>Noch vor Tagesanbruch erhob er sich aus seinem feudalen Himmelbette,
-kleidete sich ohne Beihilfe eines Kammerdieners an und lehnte sich
-durch’s offene Fenster in die kalte Luft eines dunklen Wintermorgens
-hinaus.... Es machte ihm ein stolzes Vergnügen, die Natur vor sich in
-ihrer erhabenen Erstarrung &mdash; den Himmel in seinem grauen, zerrissenen
-Königsmantel zu sehen.... Und wenn so kein einziges Sternlein blinkte
-&mdash; der Mond sich dicht verhüllt hatte &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span> wenn der karge Wiederschein
-des Eises und Schnees das einzige Licht des Horizontes war &mdash; daß
-solchergestalt dessen Dunkelheit erst recht sichtbar wurde... dann
-freute sich sein Herz, denn es fand jetzt Uebereinstimmung mit sich
-selbst, nach der ja ein jedes Herz verlangt &mdash; mag dieser Einklang auch
-noch so traurig sein. Die Dienerschaft hatte den strengsten Auftrag,
-sich ihm nie anders, als gerufen zu nähern &mdash; &mdash; und oft verging ein
-halber Tag, ehe er nach dem Verwalter, Sekretär oder sonst Jemand
-verlangte. &mdash; Häufig noch vor Sonnenaufgang ging der Graf in einen
-Mantel gehüllt hinaus in’s Freie und streifte bis in den abgelegensten
-Theil der Landschaft hinaus... Der Jäger traf ihn dann am Morgen mitten
-im Walde eine Meile vom Schlosse entfernt. Hier saß er auf einem
-hohen Felsenvorsprung &mdash; &mdash; und starrte hinaus in’s Leere, Gott weiß
-wohin.... der Jäger aber schlug ein Kreuz, denn dieser Felsen war aus
-der Vorzeit her sehr berüchtigt, was schon sein Name „der Heidenfelsen“
-hinlänglich andeutet &mdash; und überdies noch leiblich gefährlich,<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> denn
-von ihm war es so schwer herab zu kommen, daß Niemand Lust hatte,
-<em class="gesperrt">hinauf</em> zu gehen....</p>
-
-<p>Die übrigen Stunden des Vormittags brachte Alexander eingeschlossen
-in seiner Bibliothek zu, die hier sehr alt, aber eben deshalb ganz
-seinem Bedürfniß gemäß war. &mdash; Besonders an diese Bibliothek knüpfte
-der gemeine Aberglaube &mdash; seine Beweise an. &mdash; Hier wie dort in der
-Stadt übten die großen Bücher und unerklärbaren Instrumente auf die
-guten Leute der Gesindstube und des Dorfes eine unheimliche Macht aus;
-denn die Macht der Bücher ist so gewaltig, daß derjenige, welcher sich
-sträubt, den Gott in ihnen anzuerkennen, wenigstens vor dem Teufel
-zittern muß, den sie enthalten sollen. &mdash;</p>
-
-<p>Das Mittagsmahl verzehrte Alexander ebenfalls einsam in einem
-weitläuftigen Speisesaale, was einen sonderbaren, gespensterhaften
-Anblick bot und die Diener, welche die Speisen hereintrugen, zittern
-machte, so daß sie zwei oder drei Mal schon die Teller hatten fallen
-und den Wein auf die Tafeldecke fließen lassen.... Nur wenn der
-Sekretär oder der Verwalter ihren Herrn dringend zu sprechen hatten,
-durften sie ihn bei<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> seiner einsamen Mahlzeit &mdash; dafür aber auch zu
-keiner andern Stunde &mdash; besuchen, und er wies ihnen dann sich gegenüber
-einen Platz an, jedoch ohne sie zum Essen aufzufordern.... was einiger
-Maßen der Mahlzeit mit dem steinernen Gaste ähnlich sah. &mdash;</p>
-
-<p>Nach Tische machte er einen Ritt &mdash; Niemand wußte wohin, denn noch
-Niemand hatte ihn hierbei begleitet. &mdash; Oft kehrte er erst in später
-Nacht zurück, schweißtriefend oder durchnäßt vom Unwetter, das Pferd
-aber häufig so ermattet, daß er es lange nicht wieder brauchen konnte
-und der aufmerksamsten Pflege übergeben mußte.</p>
-
-<p>Die schroffe Abgesondertheit, welche er im Schlosse gegenüber seinen
-Beamten und Dienern behauptete... änderte er auch nicht außerhalb
-desselben &mdash; und er blieb seinen Unterthanen jetzt eben so fremd, wie
-er es ihnen seit jeher gewesen war. &mdash; Nur in einer Hinsicht priesen
-sie sich, im Vergleich zu jenen früheren Zeiten, glücklich, und ihre
-diesfälligen Befürchtungen waren nicht eingetroffen. Früher verdarb
-er mit seinen Gesellen ihre Felder &mdash; hetzte ihr Vieh &mdash; und bei<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> den
-Jagden sie selbst &mdash; entführte ihre Mädchen &mdash; und lästerte ihren
-Gott.... jetzt that er, wenn auch nicht unmittelbar, fast eben so viel
-Gutes an ihnen; so zwar, als hätte er den Willen gehabt, ihnen den
-alten Schaden zehnfach zu ersetzen, und Wunden, welche längst vernarbt
-waren, als frischgeschlagene zu heilen. &mdash; In kurzer Zeit wurde der
-Name des „gnädigen Herrn Grafen“ eben so gesegnet, als er früher
-verflucht ward &mdash; und während man damals wünschte, jener Teufel, mit
-dem er einen Bund geschlossen, möchte ihn recht bald holen &mdash; betete
-man nunmehr für die Seele des armen Herrn, auf daß ihr Satan und seine
-höllische Macht fern bleibe. &mdash; In Wahrheit, eines Tages begab sich
-eine Deputation aus den zwei nächsten Dörfern zum Pfarrer und ersuchte
-denselben ernstlich, kraft seiner priesterlichen Würde in dieser Sache
-das Seinige zu thun, was in nichts Geringerem bestehen sollte, als in
-der Austreibung Beelzebubs aus dem Leibe des „gnädigen Herrn.“ Der
-Pfarrer &mdash; ein in dieser Hinsicht mit ihnen auf gleicher Geistesstufe
-stehender Mann &mdash; nahm Alles wirklich so, wie es ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> geboten wurde,
-und versprach, nach Kräften für die Erlösung des Gutsherrn zu wirken;
-hierbei schien ihm der Exorzismus eben so wohl das einzige, wie das
-unzweifelhafteste Mittel, da dies Mittel sich obendrein erst vor Kurzem
-an einer Viehmagd bewährt hatte, die nächtlich stets von einem großen,
-dicken bösen Geiste geplagt wurde, der in ihren Stall kam und sie
-während des Schlafes (die Dirne hatte einen etwas kräftigen Schlaf,)
-so lange quälte und drückte, bis sie stets davon erwachte und ihn mit
-dem Besen davon trieb. &mdash; Seit der Geistliche nun den Exorzismus mit
-ihr vorgenommen hatte &mdash; war vom Teufel keine Spur mehr zu sehen. &mdash;
-Zufällig nur erkrankte um dieselbe Zeit ein großer dicker Knecht in
-der Nachbarschaft, welcher Umstand jedoch weder von der Magd, noch
-vom Teufelsbanner, noch aber von den andern klugen Köpfen des Dorfes
-berücksichtigt wurde.</p>
-
-<p>Der Pfarrer empfing die Deputation in seinem Hofe, als er eben aus
-dem Gänsestall, mit einer fetten Gans unter dem Arme, kam: „Also, Ihr
-meint, der gnädige Herr sei wirklich vom &mdash; Gott sei bei uns besessen,
-liebe Kinder?“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span></p>
-
-<p>„Ganz gewiß, Euer Hochwürden &mdash; &mdash; und vielleicht nicht blos von
-einem; es mögen da wohl ein Dutzend in ihm ihr arges Wesen treiben!“
-antwortete der Führer dieser Deputation, ein alter Bauer, der schon
-drei Mal in Wien und einmal sogar in München gewesen war, deshalb auch
-für ein absonderliches Lumen galt. &mdash;</p>
-
-<p>„Aber welche Beweise habt Ihr, meine lieben Pfarrkinder, daß dies mit
-dem gnädigen Herrn wirklich &mdash;?“ er sprach das Wort nicht aus, denn so
-eben hatte die Gans unter seinem Arme sich ein wenig allzunatürlich
-betragen und den Pfarrrock des guten Pfründners in Verlegenheit
-gebracht, &mdash; &mdash; sogleich beeilten sich die Mitglieder der Deputation,
-ihm ihre Dienste anzubieten, wischten und putzten mit Fingern und
-Rockärmeln, bis die Verlegenheit der schwarzen Toga gehoben war. &mdash;</p>
-
-<p>Der Pfarrer, noch immer die Gans fest unterm Arme haltend &mdash; dankte
-ihnen lächelnd und fuhr nun im Verhöre fort: „Ich fragte Euch, Ihr
-lieben Leute, nach den Beweisen, auf die Ihr Euere Behauptung von des
-Herrn Grafen<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span> Unglück stützt? Was habt Ihr Besonderes an ihm bemerkt?“</p>
-
-<p>„Euer Hochwürden &mdash; &mdash; erstens ist der gnädige Herr ohne die gnädige
-Frau, auf die wir uns so gefreut haben und zu deren Empfang wir sogar
-eine Triumphpforte aus Pappe, mit Raketen und Puffern gespickt, beim
-Kaufmann bestellt haben, gekommen....“</p>
-
-<p>Der Pfarrer dachte ein wenig nach, gab dann der Gans, welche sich zu
-bewegen anfing, einen Schlag auf den Kopf und versetzte ernst: „Das ist
-Etwas! &mdash; &mdash; Aber ferner?“</p>
-
-<p>„Ferner,“ fuhr der Sprecher fort: „ferner ist der gnädige Herr den
-ganzen Tag über eingeschlossen &mdash; redet mit keiner Menschenseele....
-sondern blos &mdash;“</p>
-
-<p>„Sondern blos &mdash; &mdash; meine Kinder?“</p>
-
-<p>„Mit sich selbst!“</p>
-
-<p>„So?!“ betonte der Parochus &mdash; und gab seiner Gans abermals einen
-Schlag, denn sie wollte keine Ruhe annehmen, sie schien ein äußerst
-rebellisches Gemüth....: „Das ist,“ nahm er jetzt das Wort und machte
-dabei die allertiefsinnigste Miene: „das ist allerdings ein wich<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span>tiger
-Umstand, meine Freunde.... Er redet mit sich selbst &mdash; &mdash; das ist
-böser, als ich glaubte. Doch weiter &mdash; weiter &mdash; ich muß Alles wissen!“</p>
-
-<p>„Der gnädige Herr Graf macht ferner oft um Mitternacht einsame
-Spaziergänge in den Wald &mdash; und man sieht ihn in der Morgendämmerung
-auf dem <em class="gesperrt">Heidenfelsen</em> sitzen, wobei er wild die Augen rollt, wie
-zwei feurige Kugeln &mdash; mit den Armen umherficht, als kämpfte er gegen
-Jemand in der Luft &mdash; und dabei hört man in der Nähe ein gellendes
-Hohngelächter ..... selbst Feuerflammen blitzen auf und der ganze Ort
-hat dann einen Schwefelgeruch.“</p>
-
-<p>„Gott steh’ uns bei!“ rief hier der fromme Priester und entsetzte sich
-so, daß er die Gans losließ, welche unter abscheulichem Geschrei auf
-die Erde fiel und mitten zwischen die Beine der Deputirten fuhr, daß
-diese, in der Meinung, es sei der Teufel selbst, von dem sie so eben
-sprachen &mdash; in Aufruhr geriethen &mdash; &mdash; und sammt dem Pfarrer, der so
-wie sie dachte, in alle Winde auseinander stoben.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span></p>
-
-<p>Die Illusion war in der That zu stark geworden.</p>
-
-<p>Tags darauf kamen sie wieder zusammen und nun wurde ausgemacht, daß
-Se. Hochwürden im Ornate und mit den nöthigen Requisiten versehen &mdash;
-auch von ihnen, den Deputirten, begleitet, dem Grafen auf einer seiner
-Wanderungen nachfolgen, an einem bösen Orte mit ihm zusammentreffen und
-ohne Rücksicht auf den unterthanlichen Respekt ihn umzingeln sollten
-&mdash; der Geistliche aber sollte dann zu ihm in den Kreis treten, um das
-heilsame Werk in aller Form zu vollbringen. &mdash;</p>
-
-<p>Zum größten Mißvergnügen der braven Leute machte ihr Gebieter seit
-einiger Zeit seine Ausflüge nur zu Pferde, und da konnten sie auf ihren
-Dorfmähren ihm nicht nachsetzen; überhaupt verstand der geistliche Herr
-auch besser in seinem Lehnstuhle, als auf einem Pferde zu sitzen &mdash; und
-so mußte man denn auf ein neues Auskunftsmittel denken.</p>
-
-<p>Man hatte bemerkt, daß der Graf in letzterer Zeit seine Touren weniger
-geheimnißvoll als sonst gemacht &mdash; auch dabei stets eine und dieselbe<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span>
-Richtung eingeschlagen habe, woraus man scharfsinnig schloß: er muß ein
-<em class="gesperrt">bestimmtes</em> Ziel verfolgen. Voll von diesem fruchtbaren Gedanken
-&mdash; unternahmen die Teufelsaustreiber Folgendes. Zuerst versahen sie
-sich mit Lebensmitteln auf mehrere Tage, denn sie waren fest überzeugt,
-der Graf begebe sich täglich mindestens 20&ndash;30 Meilen weit, was ihm
-bei seinem höllischen Mittel sehr leicht fiel. Nach diesem stellten
-sie sich auf die Lauer und beobachteten sein Abreiten vom Schlosse;
-sie folgten ihm nun auf seinem Wege ungesehen nach &mdash; behielten ihn
-jedoch, so lange es ging, im Auge. Als sie ihn nicht mehr sahen
-&mdash; &mdash; hielten sie an, lagerten sich neben dem Wege im Gebüsch und
-warteten hier bis Morgen, wo er wieder vorbeikommen würde. Er erschien
-wirklich &mdash; und nun nahmen sie die gestrige Operation von Neuem vor,
-sie begleiteten ihn wieder auf versteckten Wegen &mdash; so lange, bis er
-wieder ihren Blicken entschwand ... dann blieben sie abermals stehen &mdash;
-und wiederholten dies geduldig, bis sie mit ihm fast zugleich an dem
-verhängnißvollen Orte anlangten.</p>
-
-<p>Es war dies ein kleiner Weiler, drei Stunden<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span> vom Schlosse entfernt.
-&mdash; Die Deputation jedoch bildete sich wirklich ein, zum wenigsten zwei
-Tagereisen weit sich von ihren Dörfern zu befinden.</p>
-
-<p>Man quartierte sich in der verlassenen Lehmhütte irgend eines Hirten
-ein, denn um ihrem Wahnsinn die Krone aufzusetzen, bildeten sich
-die braven Leute auch noch ein, äußerst ermüdet zu sein. Man wollte
-den nächsten Tag abwarten, heute nichts Ernstliches mehr vornehmen,
-sondern höchstens insgeheim Erkundigungen einziehen und das große Werk
-vorbereiten. Und was man in Erfahrung brachte, schien den guten Leuten
-schrecklich genug, um die Haare ihres Hauptes sich emporsträuben zu
-machen. In einem kleinen, am äußersten Ende des Weilers gelegenen
-Hause sollte nämlich eine Frau mit ihrer Tochter wohnen, welche die
-Besitzerin dieses Grundstücks war &mdash; da der Mann bereits vor längerer
-Zeit gestorben. Wovon diese zwei Frauen sich nährten, konnte man
-nie erfahren; es fehlte ihnen an nichts und &mdash; doch arbeiteten sie
-nicht, sondern ließen auf einem Theile ihres Ackers, für den sie
-keinen Pächter fanden, Gras und wildes Gesträuch wachsen. Sie pflogen
-mit den Dorf<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span>leuten durchaus keinen Umgang &mdash; was für die Mutter
-des Mädchens auch unmöglich gewesen wäre, denn sie litt an einem
-langwierigen Siechthum, welches man, da das so ganz in den Kram der
-hiesigen Einwohner paßte, dem bösen Geiste zuschrieb, der in diesem
-abgeschlossenen Hause sich aufhalte. Man wußte nur noch zu sagen,
-daß das Mädchen von ungewöhnlicher, zarter Schönheit sei, gar nicht
-aussehe, wie ein Bauernkind, und daß sie allemal zu gewissen Zeiten des
-Jahres nach dem herrschaftlichen Schlosse gehe, obgleich der Weiler
-nicht zu Alexanders Besitzungen gehörte. Alles das war, wie man sieht,
-sehr wenig in der Ordnung, sehr geheimnißvoll, und daher teufelsmäßig.</p>
-
-<p>&mdash; Dieses Haus und diese Leute nun hatte der Graf seit einigen Wochen
-regelmäßig Tag für Tag besucht und bei ihnen oft bis zum späten Abend
-verweilt. Man wollte gehört haben, wie dann die „Besessene“ drinnen
-in der Stube &mdash; schrie, heulte und wildes Zeug trieb &mdash; während das
-Mädchen laut weinte &mdash; der Graf aber mit ernster und gemessener Stimme
-unverständliche Worte dazwischen sprach &mdash; gleichsam, als redete<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span>
-er mit dem Bösen in der Kranken. Oft wurde der Lärm, welchen diese
-machte und das mystische Zureden des Grafen so laut und eifrig, daß
-die ehrlichen Horcher davon liefen, fürchtend, die Alte würde noch zum
-Fenster herausspringen &mdash; und Unheil im Dorfe anrichten....</p>
-
-<p>Es war heute gerade Mittwoch, und der Pfarrer bezeugte darüber eine
-große Freude, „denn,“ sagte er zu seiner kleinen Heerde &mdash; „der morgige
-Tag, als ein <em class="gesperrt">Donnerstag</em>, ist zur Bannung des bösen Geistes,
-welcher, wie klar am Tage liegt, in diesem Hause einen Hauptstapelplatz
-besitzt, außerordentlich günstig.“ Am Donnerstag war der Graf früh
-Morgens im Weiler angekommen, und nachdem er sein Pferd in einem
-Nachbarhause eingestellt hatte, verfügte er sich nach der Wohnung der
-zwei Frauen; die Verschwornen, oder besser, die Alliirten säumten
-nicht, auf Umwegen ihm rasch zu folgen, und nahmen, indem sie hinten
-über eine Gartenmauer setzten, von dem Hause in so weit Besitz, als
-sie nur mehr in die Stube einzudringen brauchten. Sie zögerten jedoch
-mit diesem letzten Schritt &mdash; denn der Pfarrer wollte den Teufel
-zuvörderst <em class="gesperrt">behorchen</em><span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> &mdash; um zu sehen, was es für ein Teufel wäre
-und wieviel Gesellen er bei sich habe... Se. Hochwürden steckten sich
-daher in’s Ofenloch und &mdash; &mdash; vernahmen, sahen auch durch eine Ritze
-wunderliche Dinge.</p>
-
-<p>In einer kleinen Stube, deren Fenster mit Vorhängen aus grüner Sersche
-verhangen und außerdem auch noch durch Blumenranken verstellt waren &mdash;
-&mdash; die Einrichtung hier deutete auf kein Bauernhaus, sondern athmete
-bürgerlichen Wohlstand &mdash; &mdash; stand ein großes Bette mit dem weißesten
-Linnenzeug überzogen, darin lag eine kranke Frau. Neben ihrem Kopfe
-saß ein junges Mädchen von seltener Anmuth, nicht über 15 Jahre alt
-&mdash; und zu den Füßen des Bettes saß der Graf. &mdash; Auf dem Gesichte der
-Kranken wechselte ein lebhaftes Mienenspiel, welches demselben bald den
-Ausdruck ungeheuren Schmerzes &mdash; und gleich darauf wieder jenen sanfter
-Ergebung, inniger Rührung ertheilte. In diesem Augenblick schien der
-letztere Ausdruck auf längere Zeit den Sieg davon tragen zu wollen;
-die kranke Frau &mdash; sie mochte nicht viel über 30 Jahre alt sein &mdash;
-stieß einen<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> langen Seufzer aus, richtete das zuvor flammende Auge mit
-unendlicher Milde auf Alexander und sprach mit einer Stimme, die aus
-innerstem Herzen zu kommen schien: „So sind Sie also gekommen!... So
-haben Sie also der armen niedern Frau, die Sie einst durch Ihre Liebe
-so glücklich machten, nicht vergessen, Herr Graf?“</p>
-
-<p>Hier schwieg sie ermattet und faltete die Hände, als wollte sie ihm
-damit jenen Dank ausdrücken, welchen zu stammeln ihre Lippe zu schwach
-war.</p>
-
-<p>„Nein, nein!“ antwortete Alexander bewegt und düster sie anblickend
-&mdash; „ich habe Ihrer nicht vergessen &mdash; Margaretha... Ich habe nicht
-vergessen, wie Sie mich liebten, als ich im wüsten Jugendtaumel ein
-reines und treues Herz noch nicht schätzen gelernt hatte.... Jetzt ist
-es anders geworden....“ setzte er leise vor sich hinzu: „O!“ sagte
-er mit gebrochenem Tone: „Wie haben Sie mich geliebt! Und wie habe
-ich es Ihnen vergolten!“ Nach diesen Worten sank sein Haupt auf die
-Brust herab, welche heftig athmend einen schweren Kampf zu bestehen
-schien....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span></p>
-
-<p>„Ja,“ entgegnete sie &mdash; „ich habe Sie so geliebt, Herr Graf &mdash; daß ich
-um Ihretwillen elend, entsetzlich elend geworden bin.... die unheilbare
-Krankheit, an der ich leide, hat bereits mein Lebensmark aufgezehrt &mdash;
-&mdash; und bald &mdash; bald....“ Sie wollte fortfahren, hatte jedoch hierzu
-nicht mehr die Kraft.</p>
-
-<p>Mittlerweile erfüllte das Schluchzen des Mädchens das Gemach und
-Alexander reichte ihr die eine, ihrer Mutter die andere Hand, so daß
-Geliebte und Tochter von ihm gehalten wurden.</p>
-
-<p>Denn so verhielt es sich in der That. Alexandrine, dies der Name des
-Mädchens &mdash; war sein Kind; ihre Mutter hatte vor sechzehn Jahren
-zu jenen Unglücklichen gehört, die sich damals den schmeichelnden
-Lockungen und der rohen Gewalt des Wüstlings ergeben hatten, bei
-jenen Orgien, welche er mit einem Trupp ähnlich gesinnter Freunde
-feierte.... Der Unterschied zwischen ihr und den andern Opfern seiner
-wilden Begierden war der &mdash; daß sie unglücklich genug war, eine
-wahre Leidenschaft für ihren Verführer zu fassen, durch welche sie,
-nachdem sie lange mit ihr gekämpft und sie in ihrem späteren ehelichen
-Ver<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span>hältniß auch zum Scheine bezwungen hatte &mdash; zuletzt in jene
-schreckliche Krankheit fiel, die jetzt an ihrem letzten Lebensmark
-zehrte. &mdash;</p>
-
-<p>„Sie wollten vorhin noch etwas sagen &mdash; liebe Margarethe!“ erinnerte
-nach einer Weile der Graf: „Reden Sie! Häufen Sie Anklage auf Anklage
-über mein Haupt... führen Sie Verbrechen auf Verbrechen an, die ich
-an Ihnen begangen habe, als ich noch der Thor war, zu glauben, die
-Welt sei nur da, mir das, was ich damals Freude und Lust nannte, zu
-bereiten. &mdash; O beginnen Sie! Scheuen Sie sich nicht &mdash; ich werde Alles
-geduldig anhören... und meine Reue wird Ihrem Zorne, Ihrem Unglück
-gleich sein...“</p>
-
-<p>„Nein &mdash;“ sagte Margarethe: „glauben Sie ja nicht &mdash; daß ich Ihnen
-zürne!... Ich würde Sie ja dann nie geliebt haben, Herr Graf! &mdash; &mdash;
-Ach, ich schelte Sie nicht &mdash; ich habe Sie niemals gescholten, daß
-Sie ein armes Mädchen verließen &mdash; Sie, ein großer Herr. Was sollten,
-was konnten Sie denn anders thun.... früher oder später mußte es doch
-geschehen. Wer hieß mich eine so maßlose Liebe für Sie fassen... der
-so hoch über mir steht und sich nur auf<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> einen Augenblick zu mir
-herunterneigen konnte... Waren Sie denn nicht ehrlich genug an jenem
-Abend, da Sie mich zum ersten Male &mdash; in Ihr Schloß brachten &mdash; und
-Ihren Freunden zeigten &mdash; ausrufend: „das kleine Ding da sagt, sie
-liebe mich und wolle nicht, daß ich auch noch Andern gut sei.... das
-Närrchen &mdash; das thörichte Landkind... Sie macht mich lachen!...“ Hatte
-ich beim Anhören dieser Worte denn nöthig, Ihnen noch weiter zu folgen?
-&mdash; Und doch folgte ich, und doch kam ich noch so oft selbst und zog
-Sie noch so oft an meine Brust.... Ich kann,“ schloß die Frau, „Ihnen
-nichts aufbürden, Herr Graf.... Ich kann nur über mein Schicksal
-weinen.... Dieses allein hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt stehe,
-nicht Sie.“</p>
-
-<p>Die Rede hatte Margarethe so angegriffen, daß sie nach den letzten
-Worten in eine Art Lethargie verfiel &mdash; worin sie ein leibhaftes Bild
-des Todes vorstellte.</p>
-
-<p>Alexander verhüllte sich das Gesicht mit beiden Händen &mdash; das Mädchen
-aber warf sich auf ihre Mutter hin, umklammerte sie mit beiden Händen
-und schrie angstvoll: „Mutter! Mutter!<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> &mdash; liebe gute Mutter.... fasse
-Dich.... stirb mir nicht.... der Herr Graf ist ja hier! Du siehst
-ihn ja vor Dir stehen.... und sagtest Du nicht stets: „Ach, wenn nur
-er kommen möchte! Wenn er nur da wäre! Wenn ich ihn nur noch ein
-Mal mit meinen Augen sehen könnte... denn er ist Dein Vater und ich
-habe Dich ihm geboren!...“ Das sagtest Du so oft, gute Mutter &mdash; und
-setztest hinzu &mdash; &mdash; „dann, dann würde ich wieder ruhig &mdash; dann sollte
-meine Seele zufrieden und mein Leib gesund werden!“ Und &mdash; nun da er
-hier ist, er, den ich so gern Vater nenne, weil er so gut gegen mich
-und Dich ist... nun, meine arme Mutter, hältst Du Dein Versprechen
-nicht.... nun wirst Du mir wieder unglücklich, krank und elend! &mdash;
-&mdash; O mein Gott! mein Gott &mdash; erbarme Dich unser!“ So jammerte dieses
-zarte, unschuldige Geschöpf, dessen Miene der Ausdruck frommer, inniger
-Herzensgüte war und dessen Stimme so hold und rein klang, daß man sie
-tief gerührt hörte. &mdash; In der That schien diese holde Stimme auch
-wunderbar auf die Kranke zu wirken &mdash; sie regte sich wieder und begann
-nach einer Weile in eine<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> Art von Clairvoyance zu fallen: „Kommt doch
-her und seht mich an &mdash;“ sprach sie &mdash; „wie schön ich bin, wie gut
-ich es habe! Mich liebt ein junger schmucker Graf... Er hat es mir
-tausend Mal sagen wollen.... aber er schwieg immer.... weil er mich
-damit zu erzürnen fürchtete....! &mdash; &mdash; Oh, er weiß aber auch, daß ich
-ihn liebe.... Nein, nein! er weiß nichts, gar nichts! &mdash; &mdash; Er hat
-keine Ahnung davon! &mdash; Und ich &mdash; ich will es ihm auch nicht früher
-sagen, als um Mitternacht.... wenn wir schlafen .... dann will ich ihn
-aufwecken und flüstern: &mdash; &mdash; Schäme Dich, schmucker Edelmann &mdash; &mdash; Ich
-bin blos eine Bauerndirne &mdash; und Du gibst Dich mit mir ab. &mdash; Oder nein
-&mdash; Du magst mich nicht &mdash; und <em class="gesperrt">ich</em> laufe Dir nach.... Hahaha! &mdash;
-&mdash; Mit Hunden solltest Du mich vertreiben lassen &mdash; denn ich belästige
-Dich in Deinem goldnen Schlosse.... und Deine Ahnen, die grinsen auf
-mich herab und sprechen: Was will die unter uns? &mdash; Gehört sie denn
-hierher? &mdash; Mag sie dahin gehen, woher sie kam.... von den Mägden! &mdash;
-Ah! Ah! das ist recht! das ist gut! &mdash; Es geschieht ihr, wie<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> sie es
-verdient. &mdash; Fort mit ihr! Hinaus aus dem Schlosse! Hinaus aus dem
-Dorfe! Einen Mühlstein um den Hals &mdash; und in’s Wasser mit ihr, der
-schändlichen Dirne! &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>Dieser Irrsinn artete jedoch keineswegs aus; er hatte keine
-Gewaltthätigkeiten im Gefolge, wie er denn auch erst seit Kurzem sich
-bei der Kranken einstellte, jedoch mit immer größerer Intensität. &mdash;</p>
-
-<p>Endlich nach einer viertelstündigen Dauer hörte dieser trostlose
-Zustand auf und die Spuren des Paroxysmus schwanden allgemach dahin
-&mdash; &mdash; der allmächtigen Rückkehr jener Milde und stillen Zufriedenheit
-Platz machend, welche eine Folge der Gegenwart Alexanders zu sein
-schienen... Nach einem innigen, seelenvollen Blick, den sie lange auf
-ihm verweilen ließ &mdash; redete die arme Margaretha wieder: „O &mdash; er ist
-noch immer da.... Er geht, er verläßt mich nicht! Er spottet nicht
-über mich... es ekelt ihm nicht vor mir! O, wie gut ist er!... und
-ich, ich habe ihn so verkannt.... Ich, so geringe Ansprüche ich an
-ihn auch hatte und so wenig ich auch hoffen durfte, daß sie durch ihn
-erfüllt würden &mdash; (denn am Ende hat er ja doch Alles gethan, was er mir
-schuldig war: indem er für<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> unsere Zukunft sorgte) &mdash; &mdash; ich sehe jetzt
-dennoch Alles über die Maßen erfüllt! &mdash; Er ist hier! Er kommt täglich
-an meine Lagerstätte...“</p>
-
-<p>Sie schwieg. Augenscheinlich schien die Quelle ihres Lebens schon
-gänzlich verrinnen zu wollen; man hörte ihr Rauschen von Stunde zu
-Stunde weniger. Vor mehreren Monaten konnte Margaretha noch frei in der
-Stube umhergehen &mdash; jetzt seit langer Zeit hatte sie das Bett nicht
-mehr verlassen &mdash; und nur die Intervalle ihres Leidens, nicht aber
-das Wesen desselben, waren seit Alexanders Besuchen ein wenig milder
-geworden. &mdash;</p>
-
-<p>„Ich weiß,“ sagte sie nach einer Weile, wobei sie in den Armen ihres
-Kindes lag: „daß diese Stube und meine Nähe kein Aufenthalt für Dich
-ist &mdash; theurer Alexander. Das, was der Schmerz und meine Traurigkeit
-mich zu Zeiten ausstoßen ließ, sollte Dir ewig verborgen bleiben. Es
-ist nicht gut &mdash; wenn ein Kind die Vergehungen ihrer Mutter aus dem
-eigenen Munde derselben hört &mdash; ihre Schande mit eigenen Augen sieht
-&mdash; es ist kummervoll und wenig lehrreich für sie. &mdash; Aber,“ setzte sie
-darauf weinend<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> hinzu: „vielleicht ist es eben gut und nützlich! &mdash;
-Du hast an mir ein Beispiel, meine Tochter, &mdash; dem Du nicht nachahmen
-wirst! &mdash;“</p>
-
-<p>„O,“ dachte Alexander bei sich, dessen Herz blutete, &mdash; „ich habe
-dieses Alles verdient! &mdash; Die Strafe, welche ich in diesem Augenblick
-erleide &mdash; ist schwer, aber gerecht. &mdash; &mdash; Mein Uebermuth, meine
-wilde Begierde hat hier zwei Seelen zu Grunde gerichtet &mdash; &mdash; denn
-was war das Leben von Mutter und Tochter? Eine Kette von Schmerz! &mdash;
-&mdash; &mdash; &mdash; Ach, ach!“ versank er immer tiefer in den Abgrund seiner
-Selbstanklagen: „und erst jetzt denke ich daran! Jetzt, nach 12
-Jahren.... nachdem es längst zu spät &mdash; nachdem eines dieser Herzen
-gebrochen ist.... denn bald, bald wird es ausgepocht haben! Jetzt
-erst nahe ich mich ihm &mdash; und will ihm Rettung bringen... So wäre ich
-niemals hierher geführt worden, wenn mich nicht das eigene Unglück
-hierher geführt hätte! &mdash; So mußte ich selbst erst betrogen und
-verlassen werden, um zu begreifen, wie entsetzlich das schmerzt?! &mdash;
-Ja, ja, arme Märtyrin der Treue, die Du da vor mir liegst &mdash; ich habe
-es jetzt selbst<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span> kennen gelernt &mdash; wie bitter die Täuschungen, wie
-tödtlich die Leiden der Liebe sind. &mdash; O, um aller Seligkeit willen
-möchte ich kein Herz mehr kränken, das mich geliebt hat &mdash; eher wollte
-ich sterben, als noch einmal falsch lieben! &mdash; &mdash; Falsche Liebe! &mdash;
-Teufel in Heiligengestalt, du küssest unser Herz, um mit unsichtbarem
-Vampyrrüssel das Blut aus demselben zu saugen!... Falsche Liebe &mdash;
-ewige Paradiesesschlange! die du seit Jahrtausenden die Menschheit
-verlockest &mdash; ihr süßes Glück versprichst und ewigen Tod sendest. &mdash;
-&mdash; &mdash; &mdash; O, mich faßt fürwahr der Glaube, daß wahre Liebe gar nicht
-lebe. Sie ist ein Hirngespinnst, ein Traum der Dichter! &mdash; Noch nie
-hat es eine glückliche Liebe gegeben .... mir ist keine bekannt.
-Entweder betrog er sie &mdash; oder sie betrog ihn. Das ist das Ende vom
-Liede. &mdash; Wer etwas Besseres über die Sache zu sagen weiß, der komme
-hierher und rede... er soll an mir einen aufmerksamen Zuhörer finden &mdash;
-aber glauben, glauben werde ich ihm nicht, bis er mir Beweise bringt;
-handgreifliche Beweise. &mdash; O, der <em class="gesperrt">Prinz von Dänemark</em> hat Recht:
-„Wir sind Alle geborne<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span> Schurken!“ &mdash; Dies ist der größte Lehrsatz in
-Poesie und Geschichte....“</p>
-
-<p>Er war bei seinem Monolog unwillkührlich laut geworden und Mutter wie
-Tochter hörten seiner Rede mit Verwunderung zu. Da wandte er sich an
-Alexandrine, ergriff das liebliche junge Wesen an beiden Händen und zog
-es zu sich an seine Brust &mdash; dann legte er eine seiner Hände auf ihr
-Haupt, sah ihr ernst und schwermüthig in’s rosige Angesicht und sprach:</p>
-
-<div class="figcenter">
- <a id="fig3" name="fig3">
- <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig3.jpg"
- alt="Zu S. 181" /></a>
-</div>
-
-<p>„Vertraue keinem Manne, wenn Du groß sein wirst... und fliehe Jeden,
-der Dir von Liebe sprechen will. Denn sei gewiß, er will Dich betrügen!
-&mdash; Achte auf meine Worte, holdes Kind, und präge sie Deinem jungen
-Gedächtnisse ein. Vielleicht verstehst Du ihren Sinn noch nicht
-ganz.... O möchte er Dir nie durch die Erfahrung deutlich werden!“
-Jetzt verstummte er und ergab sich den zärtlichsten Liebkosungen, die
-er im Uebermaße an das Mädchen verschwendete, und wobei die Thränen
-dieses sonst so festen Mannes rannen, als hätte er damit alle Flecken
-der Geburt von Alexandrinen abwaschen wollen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span></p>
-
-<p>„Nie hätte ich gedacht,“ flüsterte er ihr zu: „ein so liebes Kind &mdash;
-ein so holdes Töchterchen zu besitzen! &mdash; Ach, ach, Dein Vater hatte
-Dich gänzlich vergessen &mdash; arme Kleine.... nur einmal im Jahre, wenn er
-Euch seine karge Unterstützung auf’s Schloß sendete, erinnerte er sich
-während eines Momentes, daß Ihr noch lebt. &mdash; Aber wie geschah das? &mdash;
-So erinnert der große Herr sich seines Knechtes, seiner Magd &mdash; seines
-Hundes. Er weiß blos, daß er ihnen zu essen geben muß; im Uebrigen hat
-er keine Gedanken für sie. &mdash; &mdash; O Schmach! O Schande! und auf diese
-Weise wurdet Ihr von mir behandelt.... Ihr, die Ihr zwei Engel seid,
-für welche diese Erde zu schlecht, zu niedrig ist. Ach, erst jetzt bin
-ich fähig, Euern Werth zu schätzen &mdash; da ich sehe, daß Ihr das seit 13
-Jahren in Geduld traget, unter dessen Last ich seit etlichen Wochen
-schon fast zusammengebrochen bin &mdash; O, meine Tochter, noch ein Mal!
-Liebe keinen Menschen! &mdash; Niemand ist Deiner würdig... denn Du bist das
-Ebenbild Deiner Mutter, an Leib wie an Seele. &mdash; Liebe niemals! &mdash; Es
-gibt keine Liebe! &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span></p>
-
-<p>„&mdash; &mdash; Und was ist denn das Gefühl,“ fragte er sich rasch: „welches
-Margarethe einst mir &mdash; &mdash; und ich Cölestinen gewidmet? &mdash; Ist dies
-denn nicht Liebe? &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; O! O!“ stöhnte er: „Man könnte wahnsinnig
-werden, wenn man lange nachdenkt! &mdash; Eine schreckliche Verwirrung
-entsteht in unserm Gehirne, wenn es über diesen Punkt grübelt. Tausend
-Fälle verneinen &mdash; zwei bejahen das Dasein der Liebe... Also lebt Liebe
-doch!“ rief er mit einem Male aus: „Ja, sie lebt! &mdash; &mdash; &mdash; &mdash; Aber ich,
-ich werde sie nimmer mehr finden!“</p>
-
-<p>Er blieb noch mehrere Stunden bei den Frauen. Die Kranke sprach nur
-wenig und die ganze Thätigkeit des jungen Mädchens schien sich auf
-Weinen und stilles Wehklagen zu beschränken .... denn dieses Kind
-hatte eine Vorahnung von der baldigen Auflösung ihrer Mutter. Alles
-Zureden, alle Trostsprüche, alle Liebkosungen des Grafen konnten sie
-nicht beruhigen &mdash; &mdash; indeß die Kranke selbst den Tod nicht zu fürchten
-schien, da sie ja, wie sie sich mit erschütternder Wonne ausdrückte:
-„in den Armen<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> ihres wiedergefundenen Freundes und Herrn sterben
-werde!“ &mdash;</p>
-
-<p>Ein stiller Trübsinn lagerte sich zuletzt über Alexanders ganzes Wesen
-&mdash; weit tiefer, als jener, der ihm angeboren war und mit welchem er
-sich seit so vielen Jahren umhertrug. &mdash; So, in dieser Stimmung nahm er
-Abschied von der Kranken, indem er versprach, morgen früher als sonst
-wiederzukommen und nicht eher zu scheiden, als zu dieser gegenwärtigen
-Stunde. &mdash;</p>
-
-<p>Alexandrine begleitete ihn über die Schwelle des Hauses, wo er sie
-auf die Arme nahm und lange, lange, so fest und warm an seine Brust
-drückte, als wollte er sie nicht wieder fortlassen .... nachdem er ihr
-noch einen Kuß auf die weiße Stirne gegeben.... entfernte er sich mit
-raschen Schritten durch das Gärtchen, von dessen Thür er den Schlüssel
-hatte....</p>
-
-<p>Kaum war er auf freiem Felde angelangt &mdash; als eine Bande fremder Kerle,
-wovon Einige Pechfackeln, Andere Stöcke und Prügel in der Hand trugen,
-ihm entgegen stürzten, drei bis vier sprangen heraus wie Tieger, und
-sich an seinen Arm, an seinen ganzen Körper hängend,<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> rissen sie ihn zu
-Boden, legten ihn platt auf die Erde, mit dem Gesichte gegen den Himmel
-gekehrt, der diesmal voller Sterne war.</p>
-
-<p>Darauf trat einer, schwarz wie ein Schornsteinfeger aussehend, vor ihn
-hin &mdash; fing an in lateinischer Sprache zu singen, zu schreien und zu
-heulen... ging und lief rund herum &mdash; goß ihm eine Menge Wassers auf
-den Kopf &mdash; und räucherte mit allen möglichen wohl und übel riechenden
-Spezereien dazu &mdash; darauf badete er ihm noch einmal das Gesicht &mdash;
-und zuletzt warf er eine Decke über ihn, die den unglücklichen Grafen
-ganz einhüllte. &mdash; Er sah nichts mehr &mdash; aber bald fühlte er um so
-mehr: nämlich fürchterliche Prügel, die es von Außen hageldicht auf
-ihn regnete.... Alles dieses unter einem betäubenden, wüthenden
-Geschrei der ganzen Bande und dem Kommandoruf des Schwarzen.... Nur
-der außergewöhnlichen Körperkraft Alexanders konnte es gelingen, sich
-in Kurzem aufzuraffen und dem Todtschlag unter den Händen dieser Rotte
-von tollen Spitzbuben zu entgehen... Hierbei diente ihm die Decke als
-Schild und Schutzmittel, denn<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> er hielt sie so vor sich hin, daß die
-Streiche und Schläge nur sie trafen.</p>
-
-<p>„Ihr Schurken!“ schrie er: „seid Ihr denn wahnsinnig oder habt Ihr
-wirklich ein Bubenstück vor? &mdash; Kennt Ihr mich denn nicht? &mdash; Ich bin
-der Graf von A&mdash;x!“</p>
-
-<p>„Ja, ja &mdash; wir wissen es sehr gut, gnädiger Herr! Wir kennen
-Hochdieselben! &mdash; O wir wissen Alles! &mdash; aber eben deshalb &mdash; schlagt
-zu, Kameraden! Immer zu! Damit der Teufel den Leib des guten Herrn
-verläßt! &mdash;“ Dies waren die Worte, womit der schwarze Anführer seine
-Schaar ermunterte....</p>
-
-<p>Endlich bemächtigte sich der Graf des Knittels eines dieser Kerle und
-nun warf er sich auf die nächsten, worunter der Anführer selbst, den
-er zu Boden schlug, worauf die Andern sogleich die Flucht ergriffen,
-heulend:</p>
-
-<p>„Ach! der Teufel ist mächtig! Er hat unsern heiligen Pfarrer
-überwunden! Gott steh uns bei!“</p>
-
-<p>Jetzt erkannte Alexander den Pfarrer, und brachte endlich auch in
-Erfahrung, daß seine eigenen geliebten Unterthanen es waren, mit de<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span>nen
-er so eben einen Strauß zu bestehen gehabt. &mdash;</p>
-
-<p>„Aber,“ wandte er sich an den Geistlichen: „sagen Sie mir, was soll
-denn das bedeuten? ... Sind Sie denn sammt Ihren Pfarrkindern um den
-Verstand gekommen?“</p>
-
-<p>„Das nicht, gnädiger Herr,“ versetzte dieser, sich mit seinen
-zerschlagenen Gliedern jämmerlich am Boden windend: „Wir hatten Gutes
-mit Ihnen vor.“</p>
-
-<p>„Wie &mdash; Gutes?“</p>
-
-<p>„Wir wollten Ihnen den Teufel austreiben.“</p>
-
-<p>„Und dies sagen Sie selbst, der Pfarrer, der Lehrer, der Führer dieser
-Bauern, dem es obliegt, ihren Geist zu erhellen und ihr Herz zu
-veredeln? &mdash; Sie sprechen vom Teufel Austreiben? &mdash;“</p>
-
-<p>„Allerdings, gnädiger Herr!... Und haben wir Sie denn nicht gesehen,
-nicht gehört &mdash; wie Sie da drinnen bei der <em class="gesperrt">besessenen Frau</em>
-allerhand Teufelszeug trieben &mdash; weinten, lachten, beteten &mdash; und sich
-mit diesem Weibe, die gewiß eine Hexe ist &mdash; auf eine Weise einließen,
-daß<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> es uns, Ihren getreuen Unterthanen, ein wahrer Gräuel war. Können
-Sie es läugnen: Sie umarmten das verfluchte Weib!“</p>
-
-<p>Alexanders Gesicht verfinsterte sich jetzt zum wilden Zorne: „Mein
-Herr,“ sagte er zu dem Pfarrer &mdash; „Sie sind von diesem Augenblick an
-Ihrer Pfründe verlustig und ich werde deshalb nach meiner Ankunft auf
-dem Schlosse sogleich das Nöthige verfügen... denn wie mir dieser
-Vorfall lehrt, so sind Sie weit eher dem Amte eines Stockmeisters oder
-Banditenchefs als eines Seelsorgers gewachsen... Erwarten Sie morgen
-meine fernere Entschließung. &mdash; Was jedoch diese Kerle dort betrifft,“
-fuhr er, auf die in einiger Entfernung stehenden Bauern deutend, fort:
-„so sollen sie ihrer wohlverdienten Strafe nicht entgehen. Ich werde
-ihnen für die Zukunft die Lust benehmen, sich um den Geisteszustand
-ihrer Herrschaft zu bekümmern....“</p>
-
-<p>Damit entfernte sich Alexander, ging nach dem Gasthause, wo sein Pferd
-stand, und ritt von da nach dem Schlosse zurück. &mdash;</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Achtes_Kapitel"><b>Achtes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Die Verlassene.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">D</span>ie Sachen in der Stadt standen indeß noch immer auf dem alten Punkte.
-Cölestinens Haus war nach wie vor den ausgewählteren ihrer Bekannten
-geöffnet &mdash; nur daß keine größeren Soirées und <em class="antiqua">jours fixes</em> mehr
-statt fanden. In letzterer Zeit hatte die junge Frau sich inniger
-als je an ihre Eltern angeschlossen; man sah sie nicht anders als
-in Gesellschaft ihrer Mutter. Dieselbe schien mit ihr irgend ein
-Geheimniß zu theilen, denn es geschah häufig, daß sich die Frauen für
-mehrere Stunden mit einander einschlossen, und selbst vor den Augen
-der Leute wechselten sie Winke, verständigten sich mit abgebrochenen,
-geheimnißvollen Worten, ja es geschah ein Mal, daß Cölestine die
-Generalin<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> mitten aus einem Zirkel von Damen herausholte, sie, zu
-großer Aergerniß aller Leute vom guten Ton &mdash; aus dem Salon entführte,
-und mit ihr erst nach einer starken Stunde zurückkam.</p>
-
-<p>„Ei!“ sagten die redlichen Freunde des Hauses: „wozu braucht es aller
-dieser Umstände? &mdash; Die Gräfin hätte es ihrer Mutter gleich hier sagen
-können &mdash; um was es sich handelt. Man ist ja von Allem auf’s Genaueste
-unterrichtet...“</p>
-
-<p>„Natürlich! Es betrifft den geliebten Herrn von &mdash; Marsan! Was sonst?“
-flüsterte eine Dame...</p>
-
-<p>„O sagen Sie es nur gerade heraus, meine Liebe,“ bemerkte das
-Stiftsfräulein: „Wenn Sie Etwas wissen &mdash; theilen Sie uns es ohne Scheu
-mit... denn wir haben bereits so viel in dieser Sache erfahren und
-gesehen &mdash; daß uns nichts mehr in Erstaunen setzen kann. Das Einzige
-blos wundert mich, daß diese junge Gräfin noch immer nicht zum Mitglied
-des Frauenvereins ernannt ist....“</p>
-
-<p>„Sie gibt als Grund an &mdash; mit ihrem eigenen Unglück hinlänglich
-beschäftigt zu sein und nicht an fremde Dinge denken zu können!“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span></p>
-
-<p>„O man kennt das!“ lachte die Stiftsdame: „Eigenes Unglück meint sie
-vielleicht damit &mdash; daß Herr von Marsan gestern das Rendezvous nicht
-eingehalten hat, welches sie ihm zu jeder Mitternachtsstunde in seinem
-eigenen Quartiere gibt. &mdash; Denn er hat nur zu diesem Behufe das einsame
-Haus, wo er jetzt wohnt, gemiethet...“</p>
-
-<p>„Was sagen Sie da, mein bestes Fräulein?“ riefen Zwei aus dem Kreise:
-„ein Rendezvous um Mitternacht in seinem eigenen Hause...?“</p>
-
-<p>„Wie ich sagte: Punkt Zwölf &mdash; mit dem letzten Glockenschlage können
-Sie, wenn Sie sich anders hierzu die Mühe nehmen wollen &mdash; dieses
-Musterbild einer Gattin und eines Mitgliedes des Frauenvereins &mdash; Sie
-können sie, sage ich, in eine fremdartige Kleidung gehüllt, aber leicht
-an ihrem ganzen Wesen erkenntlich, ihr Haus durch ein Hinterpförtchen
-verlassen und zu Fuße den Weg nach der Wohnung des Chevaliers
-einschlagen sehen. Zehn Schritte von ihrem Hause erwartet sie, hinter
-einen Vorsprung versteckt &mdash; Marsan..... sie gehen sodann eiligen
-Schrittes, und indem sie sich tausendmal umsehen, eine Strecke fort, wo
-ein verschlossener Wagen<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span> bereit steht, der sie aufnimmt und bis in das
-Haus des Chevaliers bringt. Nach Verlauf von zwei bis drei Stunden...
-wird die Fahrt auf dieselbe Weise zurückgemacht.... und so weiß diese
-kleine Cölestine vortrefflich ihr Leben zu genießen, sich wegen ihrer
-Strohwittwenschaft zu entschädigen.“</p>
-
-<p>Die Zuhörerinnen waren erstarrt. Sie glaubten zu träumen und fingen an
-umherzublicken, ob wirklich Alles noch auf dem alten Platze stehe. &mdash;</p>
-
-<p>„Aber,“ rief endlich die Eine aus: „ist es denn denkbar! Es wäre
-ein Fall, der seines Gleichen nicht hat: denn zu diesem Grade der
-Verstellungskunst hat es noch Keine gebracht. Sieht man sie an, scheint
-sie einen entsetzlichen Kummer niederzukämpfen und nur heiter zu sein
-&mdash; um ihrer Freunde, ihrer Gesellschaft willen. Wie oft hört man sie im
-Gespräche plötzlich verstummen &mdash; und Seufzer ausstoßen &mdash; oft sieht
-man sich ihre Augen mit Thränen anfüllen... und das geschieht Alles so
-wie unwillkührlich, als könnte sie es länger nicht mehr zurückhalten. O
-die abscheuliche Heuchlerin! &mdash;“</p>
-
-<p>„Allein,“ bemerkte eine dritte Dame: „Cö<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span>lestinens Wesen scheint
-sichtbar untergraben, was man auch dagegen sagen mag. Das ist nicht
-mehr die blühende Gesichtsfarbe &mdash; das glänzende Auge... das leichte,
-übermüthige Schaffen und Treiben.... Ihr Teint muß durch künstliche
-Mittel aufgefrischt werden &mdash; ihr Gang ist schleppend &mdash; ihre Hand
-zittert....“</p>
-
-<p>Hier schlug das Stiftsfräulein ein merkwürdiges Gelächter auf: „O,“
-sagte sie: „diese Symptome können ganz wohl einen andern Grund haben &mdash;
-&mdash; denn man hat das Beispiel an jener italienischen Signora R**, welche
-vor zwei Jahren hier starb....“</p>
-
-<p>Die Zuhörerinnen wandten sich bei diesen Worten von der Sprecherin
-ab, welche vermöge ihrer tapfern Zunge so eben im Begriffe war, eine
-Geschichte preis zu geben, die man sich bisher nur in Bierhäusern
-erzählte. &mdash;</p>
-
-<p>Dieses Gespräch fand an demjenigen Tage statt, von welchem wir zuletzt
-sprachen.</p>
-
-<p>Heute empfing von drei bis sechs Uhr Cölestine ihre Freunde bei sich.
-Man hatte ein Concert angekündigt, bei welchem ein eben durchreisender
-berühmter Künstler mitwirken und an<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span> dessen Schlusse eine Romanze von
-Cölestine selbst vorgetragen werden sollte. &mdash; Sie saß, während ihre
-Gäste kamen, in einem Armstuhle, dem Eingange des kleinern Salons
-gerade gegenüber... Sie war ungewöhnlich bleich, und die bläulichen
-Ringe, von welchen seit einiger Zeit ihre Augen umkreis’t waren, ließen
-die letzteren heute ungewöhnlich tiefliegend erscheinen. Ungeachtet
-dieser und anderer Zeichen eines inneren Leidens &mdash; eines leisen,
-schleichenden und giftigen Siechthums jedoch war die verlassene Gattin
-liebenswürdig gegen ihre Gesellschaft wie immer und eifrig bemüht,
-derselben eine Fröhlichkeit mitzutheilen, von welcher sie selber doch
-nichts besaß. Ihr Anzug war fast zu einfach und ein strenges Auge
-konnte selbst jene kleinen Nachlässigkeiten daran wahrnehmen, vor
-welchen sich eine elegante Dame der großen Welt stets in Acht nimmt und
-die sie sich höchstens in ihrem Boudoir erlaubt. Die Gräfin trug ein
-blaßblaues Morgenkleid und im Haare einige dunkelblaue Schleifen, was
-Alles nur dazu beitrug, ihr Aussehen noch leidender zu machen... Selbst
-die kleine Lorgnette von Schildkröte, mit Perlen besetzt, hatte sie
-heute vergessen....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span></p>
-
-<p>Sie empfing jede einzelne Person, die sich ihr näherte, mit mehr als
-gewöhnlicher Salonshöflichkeit... ihr Willkommen war wirklich innig
-und aus dem Herzen kommend; denn sie befand sich in einer sonderbaren
-weichen Stimmung, welche sie nicht, wie sonst, zu bemeistern vermochte,
-welche durchschien &mdash; und von gewissen Leuten, deren Geschäft dies ist,
-im Stillen belacht wurde. &mdash;</p>
-
-<p>„Nun, meine Theure, was habe ich Ihnen gesagt? Ist dieses Betragen
-nicht lächerlich und selbst beleidigend. Will man uns durch diese
-zärtlichen Worte und Blicke nicht gleichsam sagen: das ist gut für
-Euch! Ihr braucht nichts Besseres! &mdash; Ich wiederhole es Ihnen: diese
-Gräfin hat uns heute um sich versammelt &mdash; um uns auf ihre Weise zum
-Besten zu haben.... Aber sie soll sich täuschen! &mdash;“</p>
-
-<p>„Sehen Sie doch! da redet sie mit Herrn von Labers. Fällt sie ihm nicht
-beinahe zu Füßen!... Haha! Wie abgeschmackt! Es fehlt nur noch, daß
-sie uns heute mit gebrochener Stimme feierlichst ankündigt, sie wolle
-sich in ein Trappistenkloster zurückziehen &mdash; &mdash; und darauf morgen mit
-Marsan durchgeht...“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span></p>
-
-<p>Man erräth es, wer so gesprochen.</p>
-
-<p>In diesem Augenblick trat General Randow mit seiner Gemahlin ein &mdash;
-und bei ihrem Anblick war es, wo Cölestine sich zum ersten Male erhob,
-um den geliebten Eltern entgegen zu gehen. Mit einer unbezwingbaren
-Rührung, mit einem Wesen, welches auf innerste Erschütterung
-hindeutete, warf sie sich in die Arme der Mutter; und ein feines Ohr
-hätte sie leise die paar Worte aussprechen hören: „Noch immer kein
-Trost!“</p>
-
-<p>„Von beiden Seiten nicht?“ fragte eben so die Generalin, und Cölestine
-bejahte nur mit einer stummen Senkung des Hauptes, welches so schwer
-geworden war, daß sie es mehrere Minuten lang auf die Schulter der
-Matrone legen mußte.</p>
-
-<p>„Sagen Sie mir &mdash;“ redeten jene Freundinnen unter einander: „was
-bedeutet wieder diese Farce da? &mdash; Es fehlt nichts weiter, als daß man
-uns in diesem Schauspielhause Entrée bezahlen läßt...“</p>
-
-<p>„Bei Nero! &mdash; Sie fangen zu schluchzen an &mdash; <em class="antiqua">in conspectu
-populi</em>, wie man sich ausdrückt. &mdash; O schändlich! &mdash; Ich wollte,
-daß ich diese<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> beiden Heuchlerinnen in meinen Fußangeln hätte und daß
-sie Beide nur <em class="gesperrt">einen</em> Hals besäßen.... Sie wissen, was ich mit
-demselben anfangen wollte.“</p>
-
-<p>„Und dieser Labers! &mdash; Der Mann wird, nachdem man ihm die Weisheit der
-Braminen und die Güte des Sokrates zugeschrieben, plötzlich auf seine
-alten Tage ein Narr.... Er sieht den Zweien von Ferne zu und auch seine
-Augen befeuchten sich...“</p>
-
-<p>„Der alte General hingegen scheint mir noch der Vernünftigste in dem
-ganzen Quartett. Das ist ein wahrer Ehrenmann! &mdash; Er würdigt die
-Affectation seiner Frauen keines Blickes; er bemerkt sie nicht &mdash; er
-geht zu einigen alten Herrn und stimmt in ihr Gelächter ein, welches
-wahrscheinlich irgend einer Anekdote gilt, die Graf Wollheim dort
-erzählt...“</p>
-
-<p>„Und welche natürlich erlogen ist.... so, als hätte sie jener famöse
-Herr von Althing erzählt, den man seines hübschen Lebenswandels wegen
-in keinem Cirkel mehr duldet...“</p>
-
-<p>„Der aber bis zum letzten dennoch der intime<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> Freund von Cölestinens
-liebenswürdigem Bruder Edmund war...“</p>
-
-<p>„An dem sich auch die Folgen dieses Umgangs bewährten &mdash; hahaha!“</p>
-
-<p>„Eigentlich, meine Freundinnen &mdash; sollte dieser Fall uns aus der
-Familie der Randow verbannt haben...“</p>
-
-<p>„Wir besuchen dieses Haus auch nur, um uns an dem immer tieferen
-Herabsinken desselben zu belustigen &mdash; beim Nero und Domitian!“</p>
-
-<p>Die Verläumderinnen hatten sich jedoch sehr geirrt, als sie glaubten,
-der General sei zu jenen Herren getreten, um an ihrer Lustbarkeit
-theilzunehmen; der General war seit dem Unglück seines Sohnes und
-seiner Tochter ernst geworden, wie er es nie gewesen. Nicht daß er
-sich der Fassungslosigkeit und dem Schmerze seiner Gemahlin hingegeben
-hätte &mdash; er blieb kalt und fest bei diesem Begegniß, bei diesem Schlage
-seines Hauses &mdash; aber die chevalereske Heiterkeit und der männliche
-Frohsinn, welche ihn sonst so liebenswerth gemacht hatten, waren auf
-immer von ihm gewichen... und diesmal, in dieser Stunde und bei dieser
-Gesellschaft, hatte er am allerwenigsten<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> Ursache, ihn zurückzurufen,
-denn man hatte hier so eben über <em class="gesperrt">Edmund</em> gesprochen, auf welches
-Thema der alte Jäger den Discours gebracht, weil er da in seinem
-Elemente war. Wider Erwarten sah sich nun Wollheim von dem General auf
-die Seite gezogen und dieser redete ihn an:</p>
-
-<p>„Herr Graf, wenn ich Sie bitten darf, so leiten Sie das Gespräch
-nie wieder so, wie es eben geschah; ich würde es sonst als eine
-Beleidigung, die mir selbst widerführe, aufzunehmen gezwungen sein
-und dieselbe mit Bedauern rächen müssen. Ohnehin gehen in der
-Hauptstadt hierüber die tollsten Sagen, so daß ich nicht weiß, was
-ich mehr bewundern soll, den Erfindungsgeist, der sie ausbrütete,
-oder die Leichtgläubigkeit, welche ihnen Glauben schenkt... Mein Sohn
-hat sich, seinen Namen und sein ganzes Haus in eine traurige Lage
-versetzt, dies bekenne ich mit Schmerz.... aber ich würde Niemand
-rathen, den bedauernswerthen Jüngling, der seine Ehre vielleicht, wie
-ein mißbrauchtes Mädchen ihre Tugend, durch fremde Gewaltthätigkeit
-verloren hat, zu verspotten...<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> Wäre mein Sohn von Natur ehrlos und
-nichtswürdig, so würde ich selbst kein Wort über ihn verlieren, sondern
-seinen Namen mit eigener Hand aus meinem Stammbaume streichen. &mdash;
-So aber umhüllt noch ein schreckliches Dunkel die Umstände seines
-Verbrechens &mdash; ich weiß nur so viel, daß Edmund von Randow stets
-würdig war mein Sohn zu heißen, und bis ich ihn selbst nicht über
-seine That vernommen und seine Vertheidigung angehört habe &mdash; bin ich
-entschlossen, ihn abermals, außer vor dem Gesetze, wohin mein Arm nicht
-reicht, auf’s ernstlichste zu vertreten!“</p>
-
-<p>„Bravo!“ schrie der Jäger, nachdem er die letzten Worte angehört hatte
-&mdash; und kaum sich länger zu halten im Stande war: „Bravo, alter Vater,
-tapferer General! &mdash; Das nenne ich gesprochen.... wie sich’s gehört
-&mdash; und wäre es nicht hier vor den Augen aller Leute, ich würde Ihnen,
-hol’ mich Dieser und Jener, nicht nur um den Hals, sondern kurzweg um
-die Kniee fallen. Ja &mdash; Sie haben Recht! Edmund, mein theurer Edmund,
-mein Jüngelchen, mein Schüler ist ein Ehrenmann. Wer etwas Anderes<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span>
-behauptet, dem schieße ich eine Handvoll Entenschrotte in den Bauch.
-Aber wie konnten Sie’s nur übel nehmen, daß ich von ihm sprach? Ich
-erzählte ja das Rühmlichste. Ich sprach von einem Pirschen, welches
-jetzt vor zwei Jahren zwischen uns stattfand und wobei Edmund, der
-brave Junge, mir in demselben Augenblick, als eben ein alter Petz aus
-dem Gesträuche auf mich herausbrach, das Leben rettete, indem er diesem
-dicken Petz sein Jagdmesser bis an’s Heft &mdash; ja ich glaube sogar auch
-noch seinen Arm mit in den Hals steckte.... worauf ich dann meinen
-unvergleichlichen Schüler mit 18 Kannen Dickbier regalirte &mdash; so daß
-er drei volle Tage weder A noch B sagen konnte &mdash; &mdash;“ hier hielt der
-Nimrod inne, merkend, daß er im Begriffe stehe, einen dummen Streich zu
-machen und Dinge &mdash; wiewohl große erhabene Dinge! &mdash; am unrechten Orte
-zu erzählen. &mdash;</p>
-
-<p>Der General beruhigte sich seit dieser Erklärung, doch schien ihn der
-Nachsatz sichtbarlich zu verdrießen und sein Unmuth kehrte wieder,
-sich in folgenden Worten Luft machend: „Lieber Graf Wollheim, die
-Sachen, welche Sie da erzählen,<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span> so wie überhaupt Ihr ganzes Verhältniß
-zu Edmund, hat, glauben Sie mir, auch das Seinige dazu beigetragen,
-den jungen Menschen zu dem Punkte zu bringen, wo wir ihn jetzt mit
-Schmerz erblicken.... Nicht daß ich Sie nur im Mindesten beleidigen
-und Ihren Umgang mit Edmund in direkte Verbindung mit seinem letzten
-unglückseligen Streiche bringen wollte... das sei fern von mir. Jedoch
-unter die bösen Gewohnheiten, welche seinen Verstand und sein Gemüth
-befleckt und ihn zu immer traurigeren Verirrungen geführt haben....
-gehörte auch die <em class="gesperrt">Unmäßigkeit</em>....“</p>
-
-<p>Der Jäger wollte hier lebhaft losbrechen; seine Meinung über
-Unmäßigkeit war eine ganz andere, als die des Generals, und er war fest
-überzeugt, an Edmund nur Gutes gethan, ihn, wie er sagte, „zu einem
-tüchtigen Kerle“ herangebildet zu haben. &mdash; Der General verhinderte
-indeß jede weitere Erklärung, indem er fortging und seine Schritte zu
-der früheren Gesellschaft lenkte, aufmerksam zuhörend, was sie sprach
-&mdash; eifersüchtig den Ruf seines armen Kindes bewachend. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span></p>
-
-<p>Mittlerweile hatte das Concert seinen Anfang genommen. Eine tiefe
-Stille entstand, nur zeitweise auf den entfernteren Punkten des
-Salons von einigen alten Frauen und einem Paar junger Leute von jener
-Sorte unterbrochen, die für nichts Sinn haben, außer für ihre eigenen
-Wichtigkeiten &mdash; &mdash; und die ein Privilegium zu besitzen glauben,
-überall stören, überall ihre alten Albernheiten zum tausendsten Male
-wiederholen, überall lachen &mdash; überall Lärm machen zu dürfen.</p>
-
-<p>„Ach &mdash; welch’ ein Gesicht &mdash; das dort gegenüber von dem Cello....
-sehen Sie nur, lieber Arthur!“</p>
-
-<p>„Haha! &mdash; ein allerliebster Kerl!... Gewiß irgend ein großer
-Kunstkenner.... seine rothe Nase bezeichnet ihn als Freund der
-Geister...“</p>
-
-<p>„Und jenes Fräulein dort weiter! Kennen Sie sie nicht? Sie scheint zum
-ersten Male in einer Gesellschaft, denn sie macht allen Leuten Platz,
-die sich ihr nähern...“</p>
-
-<p>„Ach! Köstlich! Welche Bereitwilligkeit! Die trifft man heut zu Tage
-nicht überall....“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span></p>
-
-<p>„Uebrigens scheint sie mir nicht ohne <em class="gesperrt">Raison</em><a name="FNAnker_D_4" id="FNAnker_D_4"></a><a href="#Fussnote_D_4" class="fnanchor">[D]</a> zu sein! das
-wäre vielleicht so Etwas für Dich &mdash; Du mein ruinirter Lancelot! &mdash;“</p>
-
-<p>Der, dem dieser Name galt, entgegnete: „Du irrst; ich bin von diesem
-Systeme &mdash; eine Partie zu <em class="gesperrt">suchen</em>, abgekommen, und habe mir ein
-neues gewählt; die Fortune muß <em class="gesperrt">selbst kommen</em> und.... sie wird
-nicht ausbleiben.“</p>
-
-<p>„Einstweilen behilft sich Lancelot mit seiner Fürstin... dabei ist
-wenigstens nichts zu verlieren, haha!“</p>
-
-<p>„Sie ist sein tägliches Brod... diese gute Herzogin. Sie schützt
-wenigstens vor dem &mdash;“</p>
-
-<p>„Still, meine Herren! Ich werde alle weiteren Explicationen ernstlich
-nehmen.....“</p>
-
-<p>Das erste Musikstück war zu Ende. Die jungen Herren hatten davon
-gerade die letzte Note gehört... und sie bereiteten sich vor, es bei
-dem zweiten eben so zu machen. &mdash; Indessen widmete ein großer Theil
-der Versammlung den Productionen große Aufmerksamkeit &mdash; und Cölestine
-selbst schien durch die Macht Polyhymnia’s<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span> dem trüben Diesseits
-entrückt, zu den Regionen einer schönern Welt getragen zu werden. Ihr
-Auge blickte seelenvoll vor sich, ihr Ohr schien mit Wonne in diese
-Harmonie zu versinken... Einige Augenblicke lang schwand selbst die
-kalte Blässe von ihrem Gesichte, eine zarte ätherische Röthe flog
-ihre Wangen an.... so daß sie jetzt jedes künstlichen Mittels hätten
-entbehren können. &mdash;</p>
-
-<p>Sie saß zwischen ihrer Mutter und der Generalin E&mdash;z, welche beide sie
-abwechselnd betrachteten und wovon die erstere mit tiefer Rührung den
-kurzen Frieden in ihrer Tochter Brust einziehen sah.</p>
-
-<p>Trotzdem unterließen Frauen mit Drachenherzen es nicht, giftige
-Bemerkungen dicht hinter dem Rücken der Verlassenen anzustellen &mdash; die
-jedoch an der anderweitigen Aufmerksamkeit Cölestinens ihre Wirkung
-gänzlich verfehlten und von Niemand vernommen wurden, als von den
-Sprecherinnen selbst....</p>
-
-<p>„Manche Musik klingt nicht so angenehm, wie diese da... zum Beispiel
-jene, von welcher das Ohr eines armen getäuschten Gatten beständig
-erfüllt sein muß....“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span></p>
-
-<p>„Ach &mdash; es gibt Leute, die so Etwas nicht einsehen!“ bemerkte die
-Stiftsdame: „die von Natur dazu geboren sind, Disharmonie in der Welt
-zu erzeugen &mdash; und ihren Eltern, ihren Gatten, Freunden und der ganzen
-Menschheit das Gehör zu zerreißen.... Trotzdem aber geben sie sich
-große Mühe, für absonderliche Tonkünstler und Tonkünstlerinnen zu
-gelten.... O man kennt diese Gattung!“</p>
-
-<p>„&mdash; &mdash; Können Sie mir nicht sagen, liebste Beste &mdash;“ fing die Vorige
-nach einer Pause an: „wie es mit dem armen Grafen von A&mdash;x steht. Hat
-man noch keine Nachrichten von ihm &mdash; und weiß man nichts über seinen
-Aufenthalt, seine Lebensweise?“</p>
-
-<p>„Es thut mir leid,“ versetzte die Stiftsdame &mdash; „Ihnen damit nicht
-dienen zu können. &mdash; Zuverläßlich jedoch hat sich der würdige und
-hochgeschätzte Graf nach irgend einer entfernten Gegend begeben... denn
-ich zweifle, daß er es in dieser Stadt oder in geringer Entfernung von
-derselben lange hätte aushalten können. &mdash; &mdash; Man würde in kurzer Zeit
-Gelegenheit gefunden haben &mdash; &mdash; das alte Spiel zu erneuern... man<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span>
-hätte durch eine kluge, listige Behandlung ihn nach und nach wieder zu
-gewinnen verstanden... man hätte durch zweite und dritte Personen auf
-ihn gewirkt.... oder auch durch Briefe....“</p>
-
-<p>„Das Alles,“ erhob jetzt ein Herr, der wie aus den Wolken gefallen
-schien, den Niemand kommen und hier auftreten sah, sondern der hier
-inmitten dieser würdigen Damen plötzlich empor tauchte, seine Stimme:
-„das Alles,“ sagte er, „ist geschehen, meine Damen. Obgleich der Graf
-von A&mdash;x hundert Meilen von hier entfernt in einem verborgenen Thale,
-einsam wie Timon und verschanzt wie dieser, lebt &mdash; hat man doch Mittel
-gefunden, ihn auszukundschaften, hat sein heiliges Asyl entweiht &mdash;
-hat seiner Einsamkeit und Trauer nicht geschont &mdash; hat ihn durch feile
-Zwischenträger belagern &mdash; mit Lügen und Versprechungen bestürmen
-lassen.... kurz hat ihm zum zweiten Male eine arglistige Lockspeise
-vorsetzen lassen, um ihn zum zweiten Male damit zu vergiften.....“</p>
-
-<p>Seit Kurzem war Cölestine gezwungen, diesem Gespräch zuzuhören,
-denn es wurde immer lauter geführt. Bei den letzten Worten sah man<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span>
-ein tödtliches Grau über ihr Gesicht ziehen.... sie bebte an allen
-Gliedern, und eben schien sie die Besinnung verlieren zu wollen, als
-der Ruf:</p>
-
-<p>„Ihre Romanze ist an der Reihe, Gräfin!“ sie weckte und mit einer Art
-künstlicher, elektrischer, gewaltsamer Lebenskraft erfüllte.</p>
-
-<p>Sie stand auf und ging an den Flügel.</p>
-
-<p>Hier nahm sie neben einem Herrn, der sie accompagniren sollte, Platz.
-Aber als man die Notenhefte der Romanze suchte &mdash; fand man dieselben
-nicht. Und doch waren sie früher vor dem Anfange der Matinée von ihr
-selbst aufgelegt worden. Das Ganze schien mit einem Wunder zuzugehen;
-aber der Gesellschaft, obgleich diese die Wunder in neuerer Zeit wieder
-außerordentlich liebt, schien mit dem gegenwärtigen keineswegs ein
-Gefallen zu geschehen. Man bestand darauf, daß Cölestine singen sollte,
-und da ihr in dem Gedränge, worin sie sich befand, nichts Anderes
-einfiel, stimmte sie ein <em class="gesperrt">Lied</em> an, das sie ihrem Gatten sehr oft
-vorgesungen hatte und welches diesem so gefiel, daß er es für seinen
-Lieblingsgesang erklärte...</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span></p>
-
-<div class="poetry-container s5">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse">„Abend ist, ein tiefes Schweigen</div>
- <div class="verse">Zieht herauf vom Meeresstrand;</div>
- <div class="verse">Himmelslichter sinken, neigen</div>
- <div class="verse">Sich zum grauen Uferrand.</div>
- <div class="stanza">
- </div>
- <div class="verse">Siehst Du dort des Sternleins Schimmer,</div>
- <div class="verse">Eilend nach dem größern Stern?! &mdash;</div>
- <div class="verse">So auch folg’ ich ewig, immer,</div>
- <div class="verse">Dir, Geliebter, nah und fern.</div>
- <div class="stanza">
- </div>
- <div class="verse">Sieh’ die Fluth das größ’re fassen!</div>
- <div class="verse">Auch das kleine stürzt sich drein!</div>
- <div class="verse">&mdash; So auch könnt’ ich nicht allein</div>
- <div class="verse">Dich Geliebter sinken lassen!! &mdash; &mdash;“</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p>Nachdem Cölestine den letzten Vers gesungen &mdash; fiel sie leblos auf die
-Lehne ihres Stuhles zurück. &mdash;</p>
-
-<p>Alles erhob sich &mdash; fuhr durcheinander &mdash; man eilte von hundert Seiten
-der Gräfin zu Hilfe.</p>
-
-<p>In dieser allgemeinen Verwirrung schlich sich jener Fremde, der zuvor
-die verhängnißvollen Worte hinter dem Stuhle Cölestinens gesprochen,
-hinaus.</p>
-
-<p>Es war derselbe unbekannte und geheimnißvolle Mensch, den wir schon
-früher einige Mal in den Salons Alexanders und anderswo umherschleichen
-sahen &mdash; finster und unheimlich wie das Verhängniß.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Neuntes_Kapitel"><b>Neuntes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Trauer und Verzweiflung.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">W</span>as Alexander auf seinem Schlosse und in seiner Einsamkeit betraf, so
-lebte er daselbst noch stets in der alten Weise. Seine Tagesordnung
-blieb die nämliche, seine Absonderung, seine düstere Kälte, sein Haß
-gegen die Menschen, seine finstere Sucht, sie zu vermeiden, und seine
-scheue Angst, wenn er ihnen nicht ausweichen konnte &mdash; &mdash; bei dem Allem
-jedoch auch seine Mildthätigkeit, seine geheim ausgeübte Menschenliebe,
-sie waren sämmtlich die früheren. Täglich machte er den Ritt aus dem
-Schlosse nach jener Gegend, welche wir kennen &mdash; täglich besuchte er
-die kranke Margaretha und blieb in letzterer Zeit oft vom frühen Morgen
-bis in die tiefste Nacht an ihrem Krankenlager...<span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span> Er hatte ihr einen
-geschickten und zuverläßlichen Arzt geschickt, der seine Wohnung im
-Orte selbst nahm, um stets bei ihr zu sein, sobald sie seine Hülfe
-brauchte. &mdash; Ach, Alles das half zu nichts ... es war der menschlichen
-Kunst nicht mehr möglich, dort etwas zu thun, wo die Natur bereits ihre
-Verwesung vorbereitete....</p>
-
-<p>Da ward der Schmerz Alexanders übergroß; dieser Mann, sonst stolz,
-kalt und schroff, schien seine inneren Stützen zu verlieren, schien
-zusammenzubrechen, gleich einem untergrabenen Kraftbau. &mdash; Er konnte
-sich nicht länger beherrschen: seine gepreßte und geängstigte Seele
-machte sich in einem lauten, entsetzlichen Schmerzensschrei Luft &mdash; und
-nachdem dieser ausgestoßen war, flossen seine Zähren gleich mächtigen
-Bächen, als sollten sie die lange Tafel seiner Schuld, alle Vergehungen
-seines früheren Lebens abwaschen. Er ward zum Kinde, ja weniger als
-dieses, denn das kleine Mädchen zu seinen Füßen besaß jetzt mehr
-Fassung als er: „O!“ rief er, der draußen den Stolz so gut zu behaupten
-verstand: „könnte ich Dich, arme Dulderin, mit der Hälfte meines
-Lebens, meines Glückes, meiner Seligkeit retten,<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> ja mit dem Ganzen &mdash;
-&mdash; ich würde es thun, denn Du hast es um mich verdient! &mdash; Ach, warum
-habe ich es früher nicht erkannt, warum vorsätzlich mich dem Bewußtsein
-entzogen, daß ein Herz lebt, welches so große Liebe zu mir trug, daß
-sie um ihretwillen in den Tod ging... eine Liebe, die nur gleichkommt
-an Macht jener Falschheit und jenem Trug, welche mich die ganze übrige
-Welt empfinden ließ, O wie glücklich hätte ich sein können! &mdash; In
-dieser Erkenntniß möchte jetzt meine Seele sich auflösen in ungeheuren
-Klagen. Was hatte ich nöthig, das Glück und die Liebe dort zu suchen,
-wo sie nicht sind?... Was hatte ich nöthig, im rauschenden Leben der
-Welt nach dem zu haschen, was nur in stiller Einsamkeit wohnen kann:
-nach einem Herzen! &mdash; &mdash; O sie blühte nur in einem grünen Thale unter
-einem bescheidenen Dache &mdash; die treue Liebe!... aber sie schien mir zu
-niedrig &mdash; ich suchte eine stolze, erhabene; und was fand ich? Traurige
-Täuschung! bittere Enttäuschung. &mdash; &mdash; Ha! ich möchte mich darob in
-einen Ocean des ewigen Todes stürzen! &mdash;“</p>
-
-<p>&mdash; &mdash; An einem schönen warmen Frühlings<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span>abend starb Margaretha. Man
-hatte sie in ihrem letzten Augenblicke in das Gärtchen hinausgetragen,
-denn so wünschte sie es. Alexander saß wie immer neben ihr, düsterer,
-trostloser, zerrissener als je; und jetzt sprach <em class="gesperrt">sie</em> ihm Muth
-zu... jetzt suchte <em class="gesperrt">sie</em> ihm jene Säule wieder, an die er sich
-lehnen sollte. Sie hielt seine Hand in der ihrigen, auf welcher schon
-kalter Todesschweiß perlte &mdash; und unverwandt haftete der brechende
-Blick ihres Auges auf ihm, welches Auge noch immer voll war von jener
-tiefen, unergründlichen Liebe. &mdash; „Ich gehe ruhig aus dieser Welt &mdash;“
-lispelte sie, Wort für Wort mühsam aussprechend und nach jedem schwer
-aufathmend: „ich sterbe glücklicher, als ich zu hoffen wagte.... Habe
-ich ja den Geliebten meiner Seele noch einmal zu mir kommen und sein
-Herz mir in inniger Zärtlichkeit sich zuwenden sehen.... Was soll ich
-mehr von meinem Schöpfer verlangen....?.... Er hat mich reichlich
-belohnt für allen Kummer.... Sein heiliger Name sei gepriesen!... Und
-nun noch eine Bitte &mdash;“ flüsterte sie kaum vernehmbar...: „erbarme Dich
-Deines Kindes &mdash; Alexander!!. Lebt Beide wohl!!...“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span></p>
-
-<p>Sie hatte ihren Geist ausgehaucht. &mdash;</p>
-
-<p>Alexander ließ nun, die theuren Ueberreste gebührend zu ehren, sie
-in dem Erbbegräbniß seiner mütterlichen Ahnen beisetzen. Den Schmerz
-dieser Tage, dieser Stunden zu schildern ist unmöglich, aber seine
-Größe läßt sich in Erwägung der nunmehrigen völligen Hoffnungslosigkeit
-Alexanders recht wohl begreifen. &mdash; Dieser Mann betrachtete sich jetzt
-so wie Einer, der früher nackt und arm war, plötzlich einen großen
-Schatz fand, welcher ihm jedoch, kaum daß er ihn besaß &mdash; &mdash; durch eine
-unerbittliche dunkle Macht entrissen wurde, mit der Gewißheit, daß er
-nie wieder ihn erlangen &mdash; und in Zukunft wieder wie früher nackt, arm
-und elend bleiben werde. &mdash;</p>
-
-<p>Jedoch nein! Nicht ganz war er dies. Ein leichter Punkt war ihm in dem
-trostlosen Dunkel seines Daseins doch noch geblieben &mdash; eine grüne,
-blüthenreiche Oase auf seiner fernern Reise durch die Sandwüste des
-Lebens: das Kind Margaretha’s &mdash; sein Kind &mdash; seine holde Tochter
-Alexandrine.</p>
-
-<p>Sein düsteres Schweigen, sein finsterer Ernst stieg von Tag zu Tage.
-Er verließ jetzt nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span> mehr sein Schloß, sein Gemach &mdash; und kein
-Menschenantlitz bekam ihn zu sehen; selbst die nothwendigsten Geschäfte
-wurden zurückgewiesen und der Besorgung seiner Beamten überlassen....
-Nur Alexandrine, dieses junge Wesen voll Anmuth und himmlischer Güte,
-blieb an seiner Seite &mdash; gleich einem Schutzgeist suchte sie die bösen
-Stunden zu verscheuchen, von denen er wie von einem Heere wandernder
-Dämonen umschwirrt wurde. &mdash;</p>
-
-<p>Aber es gelang ihr meistens nicht &mdash; und im glücklichen Falle nur auf
-Augenblicke; waren diese vorbei, waren die zarten Kräfte des Kindes
-erschöpft &mdash; so kehrten jene mit Wuth zurück und schleuderten ihn
-wie einen Zwerg zu Boden. Unter den Leuten seiner Umgebung gewannen
-die Sagen, welche über ihn gingen, einen immer schauerlicheren
-Charakter... Alles das, was unerklärlich für den gemeinen Sinn war,
-wurde von demselben auf’s schlimmste gedeutet, und so brachte man den
-armen Grafen, den man früher mit bösen Geistern, einer Besessenen und
-Hexe verkehren sah &mdash; jetzt gar mit der Hölle in <em class="antiqua">pleno corpore</em>
-&mdash; d. h. mit der ganzen und vollen<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span> Zahl höllischer Heerscharen
-in Verbindung, wobei man nicht vergaß, zu behaupten, diese hätten
-unsichtbar vom ganzen Schloß Besitz genommen, und umtanzten bei Tage
-den Herrn, zur Nachtzeit den Sarg der Hexe, die unten in der adeligen
-Gruft lag... Bald, sagten sie, werde das ganze Schloß in Rauch aufgehen
-&mdash; der Pechgeruch sei bereits allerwärts zu verspüren. &mdash;</p>
-
-<p>Auch von Alexandrine war da noch Vieles zu bemerken. Es ließ sich
-nicht bezweifeln, daß irgend ein häßlicher Kobold in dieser zarten
-Mädchenhülle verborgen sei, der die Bestimmung habe, den verlornen
-Grafen zu bewachen &mdash; ihn keinen Schritt von der Straße abweichen zu
-lassen, welche glatt und schnurstracks zum Königreiche Lucifers führt...</p>
-
-<p>Ungeachtet dieser freundlichen Beurtheilung, womit seine Diener und
-Unterthanen ihn beglückten, unterließ er, der sich deshalb einmal mit
-seinem Verwalter berathen hatte, nicht, ihnen Tag für Tag Gutes zu
-erweisen, ihnen die Lasten zu verringern, die Pflichten angenehm zu
-machen &mdash; ihre Vergehungen mit Nachsicht zu bestrafen, dagegen bei
-Belohnungen großmüthig<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> zu verfahren und sich hierbei an kein anderes
-Maß zu binden, als an das eines gütigen Herzens. &mdash;</p>
-
-<p>Glaube man ja nicht, daß es ihm hierbei um einen Zweck zu thun
-war... er wollte durch diese Veranstaltungen weder berühmt noch
-beliebt werden; es war weder die armselige Affektation eines
-unglücklichen Theaterhelden &mdash; noch die wohlberechnende Klugheit eines
-menschenfreundlichen Wucherers... es war einfach der dunkle, aber
-mächtige Trieb jener Herzen, die in den Byron’schen Menschenhassern
-wohnen und auf deren Grunde die edelsten Menschenfreunde verborgen
-sind; edle, erhabene, tiefe, excentrische und gewaltig empfindende
-Naturen, die vom Glück eben so heftig bewegt werden, wie sie das
-Unglück erschüttert, so daß sie dort wie hier jeden Halt verlieren,
-außer den Edelmuth, der nie von ihnen weicht, der kostbar blinkt, wie
-die Perle in der Muschel, mag diese auch getödtet werden und verwesen.
-&mdash;</p>
-
-<p>So ward z. B. jenen um das Seelenheil ihres Herrn so eifrig besorgt
-gewesenen Leuten, deren Tollheit sich unter die Kutte ihres Pfarrherrn
-ver<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span>barg &mdash; die angedrohte Strafe erlassen, dem letztern jedoch
-bedeutet, das Kapitel des Exorcismus <em class="antiqua">in praxi</em> aus seiner
-Liturgie zu streichen, was der geängstigte Geistliche um seiner
-Pfarrkinder und Gänse willen auch zu thun angelobte &mdash; jedoch mit
-schwerem Herzen, denn er war auf seine Teufelsbannkunst stolzer, als
-auf alle seine übrigen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowohl im Latein wie
-im Griechischen und Hebräischen, worin er freilich kein Weltwunder sein
-mochte.</p>
-
-<p class="center">* &emsp; &emsp; &emsp; *<br />
-*</p>
-
-<p>Wider seinen ausdrücklichen Befehl fand der Graf die Thür seines
-Schlafzimmers heute nur blos angelehnt, nicht zugeschlossen, und
-eben wollte er seinen Kammerdiener rufen, um ihn wegen dieser
-Nachlässigkeit, die seiner jetzigen Meinung nach ein Verbrechen war,
-zur Rede zu stellen ... als seine Blicke auf den Tisch neben die Lampe
-fielen &mdash; und eines Briefes gewahrten, der mit großer Hast hingeworfen
-zu sein schien, denn er lag so, daß er jeden Augenblick auf die Erde
-fallen konnte...</p>
-
-<p>Bevor der Graf diesen Brief zur Hand nahm, that er nun dennoch das,
-wozu er schon früher<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> entschlossen war, er klingelte und ließ sein
-ganzes Hauspersonal zusammenkommen, vom Sekretär und Verwalter bis zum
-letzten Bedienten. Als die Leute beisammen waren, redete er sie mit
-finsterer Strenge an:</p>
-
-<p>„Wer von Euch hat es gewagt, diese Thür hier zu öffnen?“</p>
-
-<p>Sie sahen ihren Herrn erschreckt an und wandten sich mit fragenden
-Blicken zu einander.</p>
-
-<p>Der Kammerdiener trat vor und sprach zitternd: „Vor einer Stunde,
-gnädiger Herr, habe ich das Schlafzimmer geöffnet und darin Alles in
-Ordnung gebracht &mdash; sogleich jedoch trat ich wieder heraus und kann es
-beschwören, daß ich die Thüre fest verschlossen habe.“</p>
-
-<p>„Gut!“ versetzte Alexander: „ich will Dir glauben, Antoni; ich
-weiß, Du lügst nicht, ich weiß auch, daß Du Deinen Dienst pünktlich
-versiehst und daß meine Befehle Dir heilig sind.... Anfangs hatte meine
-Vermuthung Dich getroffen &mdash; &mdash; doch jetzt bin ich vom Gegentheil
-überzeugt und habe deshalb die Andern hierher beschieden. &mdash; &mdash; Nun,“
-rief er mit lauter Stimme:<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> „meldet sich Niemand von Euch? Ist der
-Schuldige etwa nicht hier?“</p>
-
-<p>Alles blieb stumm.</p>
-
-<p>Der Graf, in Zorn gerathend, stampfte auf den Boden: „Ich will es
-wissen! Weh demjenigen, den ich später selber als den Thäter entdecke.
-Er trete lieber gleich hervor!“</p>
-
-<p>Nichts; kein Laut.</p>
-
-<p>Da trat Alexander in das Schlafzimmer zurück... nahm den Brief vom
-Tische, und ohne dessen Aufschrift zu lesen, wies er ihn der Schaar
-vor: „Dieses Schreiben ist hinein gelegt worden &mdash; &mdash; der Kammerdiener
-trägt die Schuld nicht .... Wer also hat sich unterstanden....?“</p>
-
-<p>Tiefe Stille. &mdash;</p>
-
-<p>In diesem Augenblicke glitten seine Blicke unwillkührlich über die
-Aufschrift hin &mdash; und als hätte ein Krampf seine Hände ergriffen,
-zerknitterte er das Papier und drückte es so zusammen, daß es einen
-Knäuel bildete....</p>
-
-<p>Jetzt wie von einem unwiderstehlichen Gedanken erfaßt &mdash; verabschiedete
-er rasch die Domestiken &mdash; eilte in das Gemach &mdash; entfaltete<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span> den
-Knäuel und las nun auf der Rückseite des Briefes mit den Schriftzügen
-<em class="gesperrt">Cölestinens</em>:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„<em class="gesperrt">An den Herrn Grafen Alexander von A&mdash;x! &mdash;</em></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Man bittet ihn flehentlichst, diesen Brief zu öffnen.</em>“</p></div>
-
-<p>Ein nie gefühlter Drang trieb ihn, dieser Bitte zu willfahren, derselbe
-Drang, welcher ihn zu dem vorigen Schritte genöthigt hatte. Er erbrach
-das Siegel, der Inhalt des Briefes lautete:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„Mein theurer, heißgeliebter Gemahl!“</p></div>
-
-<p>Bei dieser Stelle angelangt, wollte er das Papier zerreißen &mdash; doch las
-er noch einige Zeilen.</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„Ein wahrer und aufrichtiger Freund, ein solcher, dem der erhabene
-Name <em class="gesperrt">Freund in der Noth</em> gebührt &mdash; überbringt Ihnen diesen
-Brief. Er wird Mittel finden, zu Ihnen zu gelangen, mögen Sie die
-eherne Mauer, womit Sie sich gegen mich und die Welt umgeben, auch
-verdreifachen. &mdash; Und so weiß ich, daß diese Zeilen gewiß in Ihre
-Hände kommen, die theuren Augen meines Gemahles, meines angebeteten
-Alexander auf ihnen ruhen<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span> werden. Ja &mdash; so nenne ich Sie! und ich
-rufe Gott, der uns erschaffen hat durch einen Wink seiner Hand, der
-uns vernichten kann durch einen solchen &mdash; ihn rufe ich an, mich zu
-hören, indem ich Sie so nenne.... mich in dem Augenblick, wo ich
-das Wort ausspreche, zu zerschmettern, wenn es eine Lüge enthält.
-&mdash; O Alexander! Alexander! Wohin ist es mit uns gekommen? &mdash; Hätte
-ich das denken sollen &mdash; hätte ich es selbst im Wahnsinn eines
-hitzigen Fiebers damals denken sollen, als es noch nicht so um
-uns stand, wie in dieser entsetzlichen Stunde... denn jede Stunde
-ist jetzt entsetzlicher als die vorhergehende &mdash; das Schicksal
-scheint sich an mir erschöpfen zu wollen in seinem Reichthum an
-Elend! Es hat schon den ganzen Köcher über mich ausgeleert... und
-doch treffen mich noch mit jedem neuen Athemzuge neue giftigere
-Pfeile. &mdash; &mdash; O mein Gott, mein Gott! Erbarme Dich meiner und
-seiner! Sende einen Deiner allgewaltigen Lichtstrahle herab in
-diese Finsternisse!... Du bist ja der Beschützer der Unglücklichen,
-der Unschuldigen und Verfolgten...<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span> Warum hast Du deine Gnade
-nicht auch für mich &mdash; die mit ihrem reinen Herzen vor Dir liegt
-im Staube?... Ich bin ja schuldlos wie ein lallendes Kind &mdash; wie
-der Gedanke eines frommen Dichters! &mdash; Du siehst es &mdash; Du weißt
-es &mdash; Du allein kannst es bezeugen &mdash; &mdash; und doch schweigst Du,
-Unerforschlicher, heiliger Vater der Menschen! &mdash; rede zu ihm nur
-ein Wort &mdash; flüstere es ihm im Wehen des Morgenwindes, oder wenn
-der Zephyr Abends an seine Schläfe streift, zu: ich bin unschuldig,
-sein Weib war unschuldig, wird es bleiben bis zum letzten Schlage
-eines Herzens, das nur für ihn pocht. &mdash; Mein Gemahl, mein Gatte &mdash;
-warum sollte ich das Alles sagen, da nichts mich dazu zwingt? Sie
-haben nach Ihrer Trennung von mir meine Verhältnisse so gestellt,
-daß, wäre nicht meine Liebe zu Ihnen, ich mich darin nur glücklich
-fühlen könnte. Wäre ich eine Verbrecherin &mdash; so könnte ich ja
-nichts sehnlicher wünschen, als den Fortbestand meiner jetzigen
-Lage. &mdash; Aber ich bin keine Verbrecherin, ich bin Ihre treue Gattin
-&mdash; Ihr treues Weib vor den guten<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span> Menschen und vor Gott. Ich bin so
-rein von aller Schuld wie die Engel im Himmel es sind... Und ich
-kann von mir sagen: ich will vor den Spiegel der Tugend treten und
-es wird kein Fleckchen seine klare Fläche trüben. &mdash; &mdash; Welches
-sind die Zeugnisse, die gegen mich sprechen? &mdash; Nennen Sie mir sie!
-Ich, ich darf keine anführen, um mich zu vertheidigen, &mdash; &mdash; dies
-ist der Tugend nicht eigen, hierzu darf sie sich nicht herablassen.
-Und wollte ich überhaupt reden &mdash; &mdash; wollte ich von demjenigen
-reden, was allein noch einen Schein, einen Schatten von Zweifel auf
-mich werfen kann, so würde ich anderweitig ein Verbrechen begehen.
-&mdash; Doch dies ist es nicht, was Ihren Verdacht erwecken konnte ....
-es muß etwas Anderes sein. Ein böser Geist muß zwischen uns stehen
-&mdash; der einen bösen Samen aussäet... dieser Samen wächst in rasender
-Schnelligkeit zur Höhe &mdash; und verbirgt mich in meiner Unschuld
-dem Auge des Gatten. &mdash; &mdash; O Alexander, einzig Geliebter Deines
-Geschlechtes!.... Gewiß, die Dinge werden nicht ewig so bleiben....
-es<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> wird endlich eine mildere Sonne ihr Licht über uns ergießen
-&mdash; aber Du wirst dann mein treues Herz nur durch einen grünen
-Rasenhügel erblicken. Und diese Zeit wird bald kommen, früher als
-Du wohl glaubst.... Alexander, es kann nicht mehr bis zum kommenden
-Sommer währen, nicht mehr bis zu dem Tage, wo die Schwalben gezogen
-kommen, um ihr himmlisches Nest zu suchen &mdash; und auch ich werde in
-meine Heimath hinüber ziehen.... Könntest Du diese elende Hülle
-sehen, die einst so blühend, so fröhlich, so heiter, so glücklich,
-so voll berauschender Lust vor Dir stand, die nicht nur durch ihre
-Jugendkraft, sondern auch durch Deine Liebe so große Ansprüche an
-das Leben hatte &mdash; könntest Du sie jetzt sehen, wie sie stündlich
-mehr zusammenfällt und eine Frucht für das Grab wird .... o, ich
-wage es zu hoffen, Du würdest Dich besinnen &mdash; vielleicht nur
-zuerst aus Schrecken oder Mitleid &mdash; aber gleichviel, Du würdest in
-Dich gehen &mdash; Deine Sehkraft anstrengen... sie würde diese dünne
-Hülle durchdringen &mdash; und drinnen das Herz im hintersten<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> Winkel
-vor Jammer und Trübsal zusammengeschrumpft sehen.... mein Herz,
-dieses treue, zärtliche, gute Herz, dieses Herz eines Kindes und
-einer Gattin zugleich....</p>
-
-<p>„Doch ich höre auf zu rufen und zu wehklagen! &mdash; Ich schließe
-diesen Brief. &mdash; Sollte es der letzte sein, der den Weg zu Dir fand
-.... sollten diese Zeilen die Abschiedszeilen eines unglücklichen
-Weibes von ihrem heißgeliebten Gatten &mdash; sollte dieser Gruß der
-letzte Gruß einer verkannten Frau von ihrem allzustrengen Manne
-sein: so grüße ich Dich aus den innersten, unergründlichen Tiefen
-meiner treuen Seele und flehe den allmächtigen Gott an, Dich stets
-mit Glück und holder Zufriedenheit zu umgeben &mdash; Dich durch dieses
-Leben wie durch einen blühenden Garten zu führen &mdash; am Ziele deines
-Weges aber Dir eine Aussicht zu öffnen, die in den Kreis seliger
-Cherubim und zu den Geliebten Gottes reicht, deren einer Du werden
-mögest....</p>
-
-<p>„Dort, dort, Alexander, werden wir uns gewiß endlich finden!</p>
-
-<p>„&mdash; &mdash; Ach ich kann dieses Schreiben nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span> schließen, ohne mit
-herzzerreißender Stimme zu rufen: ich bin unschuldig, ich bin
-unschuldig, ich bin unschuldig! &mdash;</p>
-
-<p class="right mright2 mbot1"><em class="gesperrt">Cölestine</em>.“</p>
-
-</div>
-
-<p>Alexander hatte den Brief bis zu Ende gelesen. &mdash; Als er vorüber war,
-fiel er kraftlos in einen Lehnstuhl und lange fand er keinen Gedanken,
-keine Empfindung, kein Bewußtsein. &mdash; Eine betäubende Leere allein
-erfüllte Alles in ihm und um ihn. So wie ihm jetzt geschah, war ihm
-noch niemals geschehen.... vergebens hätte er diesem sonderbaren Anfall
-widerstrebt, er war, ehe er sich’s versah, dessen Sclave, gefesselt an
-Händen und Füßen &mdash; an Seele und Leib. &mdash; Ein tausendstimmiges Chaos
-rauschte, braus’te, klang und summte um seine Ohren &mdash; und es schien
-nicht anders, als hätte die Natur alle ihre Kräfte, leibhafte und
-geisterhafte, entfesselt, um sie gegen ihn zu senden, nicht damit sie
-ihn vernichten, sondern damit sie ihn in eine grenzenlose Verwirrung
-brächten, die länger dauernd den Bau seines Wesens zerrütten und
-zuletzt mit Wahnsinn endigen mußte. Zum Glück haftete dieser Zustand
-nicht lange unverändert an<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span> ihm &mdash; er machte nach und nach einer
-völligen Dumpfheit Platz &mdash; und war früher das Ohr das Mittel gewesen,
-durch welches die Ereignisse an seiner Seele rüttelten, so wurde es
-jetzt, nachdem der Gehörsinn völlig aufgehoben schien, das Auge. Eine
-Welt voll Visionen tummelte sich vor seiner Pupille &mdash; &mdash; bunt und
-düster, groß und klein, monströs und edel &mdash; rasch und langsam &mdash; wild
-und sanft: Figuren auf Figuren von unübersehbarer Menge, wie die Wellen
-eines brandenden Meeres! Es war ein Zug, der keinen Anfang und kein
-Ende nahm. &mdash; O wie sie tanzten &mdash; sprangen &mdash; ras’ten... früher waren
-sie doch so ganz sachte auf glattem Boden dahingehuscht... aber nun
-mit einem Male hatte sie alle irgend ein wüster Wirbel erfaßt &mdash; und
-die stille Kirchenfahrt wurde zum tollen Hochzeitszug &mdash; zum wüthenden
-Teufelstanz...</p>
-
-<p>Seine Hirnschale drohte zu zerspringen ob des vielen Sehens; &mdash; das
-innerlich kochende Gehirn schien bereits durch einige Poren durch die
-Augenhöhlen herauszuzischen.... wild warf sich der unselige Seher mit
-dem Angesichte gegen den Erdboden und wühlte mit den Fingern darin;<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span>
-er hätte ihn gern zur unermeßlichen Tiefe aufgewühlt, um sich selbst
-hineinzulegen.... Da endlich däuchte es ihm, er läge wirklich schon
-darin &mdash; er empfand lindernde Kühle und ihn umfing finstere Nacht....
-Alle Gestalten waren verschwunden... der Gesichtssinn hatte seinen
-Dienst vollbracht, war erlahmt...</p>
-
-<p>Ach, mein Gott &mdash; noch immer hatte das Schicksal nicht das rechte
-Organ gefunden, wodurch es deutlich zu dem Elenden sprechen konnte,
-so deutlich nämlich, daß er es verstand und vom Verständniß zu Grunde
-ging. &mdash; Denn so hatte es das böse Schicksal gewollt;... nicht im
-Tollsinn sollte er reden &mdash; es wollte ihn im Bewußtsein seines
-namenlosen Elends hinabschleudern zum Orkus.</p>
-
-<p>Darum wandte es sich jetzt von seinen äußern Talenten zu den innern
-&mdash; zu den scharfen geistigen Medien; es faßte ihn mit Geierkrallen
-unmittelbar am Herzen &mdash; und spie in’s Antlitz seiner Psyche... Es
-rollte mit einem Ruck zwei ungeheure Berge von Schuld vor seine
-<em class="gesperrt">Erinnerung</em> hin &mdash; sie glichen zweien Scheiterhaufen, und auf
-dem Gipfel des einen lag Margaretha<span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span> gefesselt und gebunden &mdash; auf
-jenem des andern aber &mdash; Cölestine.... und er selbst, er lief mit
-einer brennenden Fackel hin und zündete zuerst den einen, darauf den
-andern an... und tanzte dann zwischen beiden &mdash; und schürte ihr Feuer
-&mdash; und wandte sich mit gotteslästerlichen Gebeten an den Himmel, den
-er anflehte, ihm seine Blitze zu Hilfe zu senden, weil dies irdische
-Feuer zu schwach brenne.... und droben auf den Holzstößen, wo die
-Flammen über ihnen zusammenschlugen &mdash; heulten die Opfer unter rasenden
-Martern &mdash; und schrien auch zum Himmel auf &mdash; aber sie schrien um
-eine Fluth, die herabstürzen sollte auf ihre brennenden Glieder und
-glimmenden Haare &mdash; und als der Himmel kein Wasser senden wollte &mdash;
-&mdash; da verlangten sie nun auch mehr Feuer &mdash; sengende Blitze.... damit
-ihre Qual schneller ein Ende nähme.... Aber nichts von dem Allen ward
-erhört! &mdash; Alles ging seinen natürlichen Gang. &mdash; Alles, was geschah,
-geschah durch ihn, durch den Henker, durch Alexander &mdash; er allein briet
-seinem Herzen dies höllische Mahl &mdash; und er allein verschlang es, der
-ärgste unter den Cannibalen<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> &mdash; &mdash; ein Teufel in adeliger gesitteter
-Mannesgestalt. &mdash;</p>
-
-<p>Er erwachte. &mdash;</p>
-
-<p>„Ja!“ schrie er händeringend auf: „Ich bin ein Würgengel! So wie die
-Eine fromm und schuldlos war &mdash; &mdash; so wird es wahrscheinlich auch die
-Andere sein.... Ich habe die Eine gelästert und zerstört &mdash; ich habe
-es ohne Zweifel auch mit der Andern so gemacht... Es wird mir klar,
-ich bin auserkoren &mdash; gleich dem Satan die Kinder Gottes zu verlocken
-und zu verderben.... Cölestine, Du bist rein und fleckenlos wie es
-Margaretha war... jene wie Dich tödtete mein Wahnsinn!“</p>
-
-<p>Kaum hatte er dies gesprochen &mdash; als neben ihm eine gellende Lache
-aufschlug, welcher die Worte folgten:</p>
-
-<p>„Armseliger Tropf! So ist also wieder all’ Deine Mannheit dahin? &mdash;
-dahin Dein Stolz und Deine ganze Größe? &mdash; &mdash; Geh, geh &mdash; Du bist der
-Kleinen Kleinster!... ein Knabe, der gerne ein Riese sein möchte....
-stets aber von einem <em class="gesperrt">Weibe</em> überwunden wird. Auf Deiner Stirne
-brennt mit unauslöschlichen<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> Zügen das Schandmal: „Weiberknecht!“ &mdash;
-&mdash; und all Dein Thun hat seine Qual in der eitlen Laune irgend eines
-Weibes. &mdash; &mdash; Tausendfach verhöhnter Liebhaber und Gatte &mdash; Du wirst
-es bleiben bis an’s Ende Deiner Tage!... So bist Du schon wieder Narr
-genug &mdash; den glatten Worten eines Weiberzüngleins zu glauben? &mdash; &mdash;
-Wohlan! Geh’ hin &mdash; begib Dich um Mitternacht zu der Wohnung dieser
-Cölestine &mdash; &mdash; schleiche Dich hinter die Gartenmauer Deines Hauses
-&mdash; kaure hinter einem Strauche &mdash; &mdash; und Du wirst Deine treue Gattin
-kommen sehen, verhüllt mit Schleier und Tüchern... darauf tritt ihr
-der schöne schlanke Geliebte entgegen (Du kennst ihn wohl!) &mdash; &mdash; sie
-umfängt ihn mit brünstigen Armen &mdash; er entführt sie rasch &mdash; denn kein
-köstlicher Augenblick ist zu versäumen.... Wohin führt er sie? &mdash; &mdash; &mdash;
-Nach <em class="gesperrt">seiner</em> Wohnung, nach <em class="gesperrt">seinem</em> Hause .... hier bringen
-sie zwei Stunden zu, um einander zu küssen und über Dich zu lachen!“</p>
-
-<p>Jetzt verstummte die Stimme.</p>
-
-<p>Jetzt erst gewahrte Alexander, daß er sich<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span> außerhalb seines Schlosses
-im dichten Walde am Rande des Sees befinde. &mdash;</p>
-
-<p>Von dem fremden Sprecher aber war nichts zu sehen; keine Spur mehr zu
-entdecken. &mdash; Freilich jedoch herrschte bereits finstere Nacht und am
-Himmel blinkte nicht ein Sternchen....</p>
-
-<p>Wie er hierher kam aus seinem Schlafgemache, wußte er sich nicht zu
-sagen; doch erfuhr er am andern Morgen, daß er gestern Abend in tiefen
-Gedanken versunken herausgewandert sei in’s Freie, der Pförtner hatte
-ihm erstaunt nachgesehen, jedoch weder gewagt, mit ihm zu sprechen,
-noch ihm zu folgen. &mdash;</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Zehntes_Kapitel"><b>Zehntes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Auf der That ertappt.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">N</span>och an diesem Tage verließ der Graf allein und ohne alle Begleitung
-das Schloß und begab sich in einer unscheinbaren Kutsche nach der
-Residenz; er passirte unerkannt die Linien und stieg in einem der
-armseligsten Gasthöfe ab. Hier nannte er einen fremden Namen, und
-nachdem er ein einfaches Zimmer bezogen, schloß er sich, seiner
-Gewohnheit nach, darin ein. Er hatte nichts anderes mitgebracht,
-als seinen Mantel und unter demselben ein Paar lange, dünne,
-scharfgeschliffene Klingen, von moderner Pariser Arbeit. Mit ihnen
-unter dem Arme, von seinem Mantel eingehüllt, verließ er Abends in
-tiefer Dunkelheit seinen Gasthof, bezahlte den Wirth und begab sich
-sofort zu seinem Notar,<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> den er gewiß war jetzt zu Hause zu treffen.
-Diesem händigte er ein versiegeltes Paket ein mit dem Bedeuten, es nach
-drei Tagen in dem Falle zu öffnen, als er bis dahin keine Gegenordre
-erhalten hätte. &mdash;</p>
-
-<p>Das Paket enthielt Alexanders letzten Willen.</p>
-
-<p>Nunmehr, mit seinen bürgerlichen Angelegenheiten in Ordnung &mdash; eilte
-er, denen seines Herzens und seiner Ehre Genüge zu leisten. Er trat
-den Weg nach seinem Palaste an, und da er wußte, daß seine Gegner sich
-der verborgenen Pfade bedienen würden, wählte er die allgemeine breite
-Heerstraße, auf der er auch ungesehen bis an den bezeichneten Platz
-gelangte. Es war ihm, der mit der Oertlichkeit dieses Gebäudes, welches
-er selbst hatte aufführen lassen, sehr vertraut war, leicht, sich hier
-zu verbergen, ohne daß Jemand seine Nähe ahnte. &mdash;</p>
-
-<p>Keines Dieners Auge, keines Hundes Wachsamkeit hatte ihn entdeckt und
-mit bitterem Lächeln sagte er zu sich:</p>
-
-<p>„Ich bin in meinem Hause sehr treu bewacht!“</p>
-
-<p>Es schlug jetzt halb Zwölf. &mdash; Er setzte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> auf den Boden, legte
-die Waffen vor sich hin und betrachtete mit Wohlgefallen ihre Spitzen
-&mdash; denn diesmal schimmerten die Sterne, auch hatte sein Blick eine
-wunderbare Schärfe gewonnen, die jener eines Geiers glich.</p>
-
-<p>Langsam, träg und faul zog die Zeit hin &mdash; Alexander meinte, diese
-halbe Stunde sei hinreichend, eine neue Welt zu bauen oder zu
-zerstören... an dem letztern Gedanken hielt er sich mit Wonne. &mdash;
-Endlich schlug es Zwölf....</p>
-
-<p>In diesem Augenblicke raschelten seitwärts die Zweige des Gebüsches
-&mdash; und heraus trat ein Mann, ebenfalls in einen Mantel gehüllt. &mdash; Er
-wandte ihm den Rücken zu, und schritt langsam zur Gartenmauer, und zu
-dessen Pförtchen, welches hier auf’s freie Feld führte.</p>
-
-<p>Selbst dem penetrirenden Blicke Alexanders war es nicht möglich, den
-Mann zu erkennen &mdash; sein Mantel verbarg ihn vollständig, überdies
-schien er sich noch durch andere Mittel unkenntlich gemacht zu haben.
-&mdash; Jedoch es war kein Zweifel, daß es ein junger Mensch sei, und an
-Größe glich er vollkommen dem Chevalier von Marsan. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span></p>
-
-<p>Es vergingen einige Augenblicke und leise ohne daß man es hörte, drehte
-der Schlüssel sich um, das Pförtchen ging auf.... eine Dame trat
-heraus. &mdash;</p>
-
-<p>Auch sie war trefflich maskirt, so daß selbst Alexander unter anderen
-Umständen seine Frau nicht erkannt hätte &mdash; ihr Gang aber verrieth sie
-ihm dennoch. &mdash;</p>
-
-<p>Ohne ein Wort zu wechseln, stürzten die beiden Personen sich in die
-Arme und blieben lange so &mdash; dann still, wie sie gekommen waren,
-rafften sie sich auf, und schlugen eilig einen Weg ein, welcher unter
-dem Schutze der Gebüsche und Bäume nach der Stadt führte.</p>
-
-<p>Längst schon hatte auch Alexander sich erhoben &mdash; und folgte ihnen
-in einiger Entfernung Schritt für Schritt, nahe genug, um sie stets
-im Auge zu behalten &mdash; und doch so weit, um mit Hülfe der sich
-darbietenden Deckungsmittel selbst ungesehen zu bleiben. &mdash; Man hatte
-auf diese Weise ungefähr einige hundert Schritte zurückgelegt &mdash; als
-er am Eingange einer breiten, aber öden und unbewohnten Straße einen
-Wagen halten sah.... und vermittelst seines wie<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> durch Zaubermacht
-geschärften Blickes &mdash; sogleich <em class="gesperrt">Marsan’s Equipage</em> erkannte.....</p>
-
-<p>In diesem Momente riß es ihn mit tausend Ketten empor, er vergaß aller
-Vorsichtsmaßregeln &mdash; stürzte der Buhlerin und ihrem Buhlen nach, die
-Erstere drehte sich rasch um und stieß den Ruf aus: „Um Gotteswillen!
-Ein Mann hinter uns!“ &mdash; dann liefen Beide eilig auf die Equipage zu...
-aber sie hatten sie noch nicht erreicht, der Kutscher hatte Cölestinens
-vernehmlichen Befehl: „Rasch den Schlag aufgemacht!“ noch nicht
-vollziehen können, als Alexander schon dicht hinter ihnen war &mdash; und
-(seines Vorsatzes, dem Mann einen von den Degen anzubieten, vergessend)
-mit beiden, gleich einem Mörder, über ihn herfiel, den einen in dessen
-rechten Arm, den andern ihm in’s Gesicht bohrte. &mdash;</p>
-
-<p>Aber jetzt ward er verhindert, sie noch weiter zu gebrauchen... er
-fühlte sich rückwärts überfallen, von zwei gewaltigen Fäusten gepackt,
-entwaffnet und so zu Boden geschleudert, als sollte er sich nie wieder
-erheben... Der Kutscher (denn er war es) hob die Degen auf, packte den
-Verwundeten in den Wagen, schob Cölestine<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> hinten nach und im wilden
-Galopp rollte die Equipage über das Straßenpflaster dahin.</p>
-
-<p>Alles das geschah in Zeit von einigen Minuten &mdash; kein Wort war
-gewechselt worden &mdash; kein Laut dem Munde der betheiligten Personen
-entfallen &mdash; der Verwundete schien entweder vom Schreck oder vom Stich
-leblos geworden zu sein .... er lag gleich einer Leiche in dem Schoße
-Cölestinens. &mdash;</p>
-
-<p>Beim Einsteigen in den Wagen hatte Cölestine dem Kutscher zugerufen:
-„<em class="gesperrt">Nach der Wohnung des Chevaliers von Marsan!</em>“ &mdash; Dies war das
-einzige Wort gewesen. Alexander hatte es noch gehört. &mdash;</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Elftes_Kapitel"><b>Elftes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Die Katastrophe.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">A</span>ber die Mauern einer großen Stadt haben tausend Ohren und die Ziegel
-auf dem Dache Millionen Augen; es wird Alles gesehen und gehört, mag es
-auch im tiefsten Dunkel der Nacht und im abgelegensten Winkel geschehen
-&mdash; überdies nimmt die Polizei, vermöge einer ihrer Eigenschaften, die
-man bei der Wiener’schen <em class="gesperrt">Allwissenheit</em> nennen darf, von Allem
-schleunigst Notiz &mdash; mit einem Worte, zwei Tage nach obiger Begebenheit
-sprach man in den Cirkeln von einem Mordanfall, der in der N*straße
-auf zwei Personen gemacht worden sei, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span> Personen sich nur durch
-rasche Flucht in der Equipage des Chevaliers von Marsan ihrem sichern
-Tode entzogen hätten.</p>
-
-<p>Zu erzählen oder vielmehr zu erklären, auf welche Weise die Fama zur
-Kenntniß dieser einzelnen Umstände kam, ist uns nicht möglich &mdash; denn
-was Alexander betraf, so hatte dieser von dem Augenblick, wo die
-Equipage abfuhr, bis zur gegenwärtigen Stunde, nicht die geringste
-Unannehmlichkeit zu bestehen gehabt. Er war damals bald nach seinem
-Unfalle vom Straßenpflaster aufgestanden, ohne Jemand um sich zu
-erblicken &mdash; &mdash; und seit der Zeit wohnte er bei seinem Rechtsanwalt,
-in dessen Hause er sich von einer Unpäßlichkeit zu erholen suchte.
-&mdash; &mdash; Anderseits konnte Cölestine doch unmöglich selbst das Gerücht
-ausgestreut haben &mdash; und auch von dem Kutscher war dergleichen nicht
-zu erwarten. &mdash; &mdash; Die einzige Möglichkeit war diese: es hatte Jemand
-Fremder der nächtlichen Affaire zugesehen, allein wie dieser Mensch
-war, wagte er es nicht, sich selbst auf den Kampfplatz zu verfügen,
-sondern eilte &mdash; da ohnedies<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span> in dieser Straße keine Hilfe zu erlangen
-war &mdash; nach der Wache oder Polizei. &mdash; Als dieselbe erschien,
-war jedoch nicht nur der Wagen, sondern auch Alexander bereits
-verschwunden. &mdash;</p>
-
-<p>Der Letztere hatte gegen seinen Anwalt geschwiegen &mdash; er gab vor,
-einen Zweikampf bestanden zu haben, der für ihn glücklicher als
-für seinen Gegner ausfiel.... im Uebrigen zeigte er sich äußerlich
-heiter und sogar humoristisch &mdash; während in seiner Seele eine Hölle
-glühte... deren Flammen nur gemildert wurden durch die wenigen Tropfen
-von Hoffnung, daß er den Buhlen seines Weibes schwer, vielleicht gar
-tödtlich verwundet habe....</p>
-
-<p>Allein was war das Alles! &mdash; Nicht nur dessen Leben wollte er haben
-&mdash; nicht nur das Herz ihm aus dem Busen reißen und dessen heißes
-feindliches Blut trinken... er lechzte nach der Seele Marsan’s &mdash; er
-wünschte, daß er ihn in einem unvorbereiteten Augenblicke, da dessen
-Gewissen mit gräuligen Sünden beladen gewesen sei, getödtet hätte &mdash; so
-daß die Seele des Verhaßten zur ewigen Verdammniß hinab fuhr! &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span> Das
-wünschte er, darnach rief er alle dunklen Mächte an.</p>
-
-<p>&mdash; &mdash; Ach, welches Erstaunen, welches Entsetzen erfaßte ihn, als sein
-Wirth ihn benachrichtigte, im Hause des Chevaliers werde nächster Tage
-ein großes Fest begangen werden &mdash; die Veranlassung hierzu sei die
-Ernennung Marsans zum Gesandten am Hofe von G**, wohin er sich alsbald
-begeben werde. Das Fest sollte an Glanz Alles überbieten, was in dieser
-Art bei einem vornehmen Garçon noch je vorgekommen. Er, Marsan selbst,
-wollte dabei die Honneurs machen.</p>
-
-<p>Dies Alles schien dem Grafen ein alberner Traum oder eine elende
-Mystifikation; nach einigen Minuten jedoch sah er, daß er vollkommen
-wache, und erinnerte sich, daß den Worten des Notars stets zu glauben
-war. So gehörte also das Ganze in die Welt der Wunder, welche man am
-besten mit Auge, Hand und Ohr controlirt.</p>
-
-<p>Das Letztere zu thun war Alexander ent<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span>schlossen. Er wollte in eigener
-Person dem Feste beiwohnen, &mdash; bis dahin jedoch sich hüten, darüber
-nachzudenken.... denn das Nachdenken konnte ihn zum Wahnwitz führen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Zwoelftes_Kapitel"><b>Zwölftes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Das Fest bei dem Chevalier von Marsan.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">D</span>as Haus des Chevaliers &mdash; ein neues Gebäude, welches sehr einsam in
-der Gegend des Belvedere lag &mdash; war seinen Gästen geöffnet, die zahllos
-heranströmten, um ihm zu seiner Ernennung Glück zu wünschen.</p>
-
-<p>Das in Rede stehende Fest fand in den Abendstunden statt, weil ein
-Ball mit demselben verbunden werden sollte. Das Haus oder Hôtel oder
-der Palast war in seinen zwei Etagen glänzend erleuchtet, so daß
-die Lichter noch draußen hundert Schritte im Umkreise Tageshelle
-verbreiteten; &mdash; und eine Wagenburg war unten aufgefahren, die den Neid
-jeder einzelnen Person<span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span> durch deren Wagen sie vermehrt wurde, erregen
-mochte. Fürstliche, herzogliche, hochgräfliche und Wappen von allen
-andern Ritterklassen waren da an den Schlägen zu sehen... fabelhaft
-prunkende Livreen tummelten sich neben denselben umher.</p>
-
-<p>Vor dem Portale des Hôtels aber standen zwei Portiers, so groß
-wie Patagonier &mdash; und mit so langen Stöcken, daß jeder eine gute
-Kosakenlanze hätte abgeben können &mdash; dies jedoch, wie natürlich, ohne
-den mächtigen Knopf aus massivem Silber.</p>
-
-<p>Eine Suite von zwölf Gemächern, worunter drei große Salons, war oben
-im ersten Stock bereit, diese Tausende von Personen aufzunehmen &mdash;
-deren Blick beim Eintritt geblendet wurde von einem in Wahrheit
-orientalischen Luxus. Denn das ganze Haus Marsans war in diesem
-Geschmacke eingerichtet &mdash; und schon unten an den Treppen hatten
-uns schwarze Kammerdiener empfangen, während hier in den Sälen
-die aufwartende Dienerschaft aus lauter echten Abyssiniern in dem
-malerischen Costume ihres Vaterlandes bestand. &mdash; Jedoch wollte der
-Herr des<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span> Hauses den Orientalismus nicht so weit treiben, daß er zum
-Besten jener Gäste, die für denselben keine so große Leidenschaft
-nährten, wie in diesem Augenblick er &mdash; nicht auch einige Europäer
-mit schwarzen, betreßten Fracks unter seine Söhne des Islams gemischt
-hätte. &mdash;</p>
-
-<p>Der Boden dieser Appartements war theils mit trefflichen Teppichen
-aus Aleppo belegt &mdash; theils mit einer Art von feinen Binsendecken,
-welche so glatt waren, daß man darauf tanzen konnte, und die in Skios
-verfertiget werden. An den Wänden hingen köstliche bunte Stoffe &mdash;
-zwischen welchen Säulen von Marmor standen mit abentheuerlichen
-Kapitälern und Sockeln versehen, so daß sie aus dem Serail des
-Padischah oder Mehemed Ali genommen schienen; in den Draperien
-wechselte der Damast aus Damaskus mit den Shawls aus Teheran und
-Kashemir &mdash; schwerlastende Stickereien, Franzen und Quasten faßten den
-Rand ein. &mdash; Springbrunnen, mit wohlriechendem Wasser gefüllt, standen
-in den Ecken, und in der Mitte eines Salons befand sich ein Bassin
-aus carrarischem Marmor, worin Goldfischchen schwammen und<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span> welches
-tropische Gewächse und Blumen umgaben, aus deren Zweigen, trat man mit
-dem Fuß zwischen sie, liebliche Musik ertönte... Es waren lauter Weisen
-in jenem klagenden Tone, wie man sie unter den Mauern eines Harems zu
-hören bekommt.</p>
-
-<p>Kurz hier fehlte nur noch der Pascha, mit der langen Pfeife, auf
-Polster hingestreckt und von seiner Lieblingssklavin umkos’t.</p>
-
-<p>„Zum Teufel!“ sprachen junge Herrn in strohfarbigen Glacéhandschuhen,
-die von Patschuli dufteten: „Zum Teufel! &mdash; Wo befinden wir uns? &mdash;
-Sind das die Gärten der Semiramis oder ist es das Terrain der Mährchen
-von Tausend und einer Nacht...?“</p>
-
-<p>Die guten Herrn! &mdash; Sie hielten die Semiramis wahrscheinlich auch für
-irgend eine Sultanin im Lande der Gläubigen. &mdash;</p>
-
-<p>Herr von Marsan empfing die ankommenden Personen in einem Mittelsaale.
-&mdash; Er war im einfachen Salonanzuge &mdash; braunem Frack, schwarzen
-Beinkleidern von Seide und eben solchen Escarpins; ein weißes Halstuch
-&mdash; unter welchem das Offizierkreuz der Ehrenlegion hing, welches<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> er
-mit seinem Gesandtschaftsposten zugleich erhalten hatte.</p>
-
-<p>Unter der Gesellschaft befanden sich von denen, welche wir kennen:
-der General und die Generalin von Randow &mdash; Herr von Labers, der die
-Feldmarschallieutenants-Wittwe E&mdash;z begleitete, dann die Gräfin von
-Wollheim mit ihrem Gemahl. &mdash; Natürlich, daß Cölestine fehlte, und
-Herrn von Porgenau sammt Gemahlin anlangend, so waren diese gar nicht
-geladen worden: in den Augen Marsans zählten sie zur Canaille, wohin er
-jedoch auch den Grafen Wollheim gestellt hätte, wäre dieser durch seine
-strumpfstrickende Frau nicht ein Freund des Generals gewesen. &mdash; Leider
-trat mit jener gutherzigen Dame auch das Stiftsfräulein von Bomben
-herein, ohne daß sie eine Karte empfangen hätte; aber der Tag war zu
-wichtig: mehrere Damen, Mitglieder des Frauenvereins, waren zugegen,
-und mit diesen hatte dieses menschenfreundliche Ex-Mitglied diesmal
-etwas Besonderes vor.</p>
-
-<p>Hätte ein Maler den Begriff der <em class="gesperrt">Liebenswürdigkeit</em> personificiren
-und durch Pinsel und Palette auf Leinwand werfen sollen &mdash; so<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> brauchte
-er heute nur das Portrait Herrn von Marsans zu zeichnen; da war keine
-Zuthat, keine Idealisirung des Stoffes nöthig: er selbst, in baarem
-Wirklich, war Ideal.</p>
-
-<p>Selbst seine Feinde (und auch er hatte deren) waren entzückt &mdash; um ihn
-schaarten sich nur Zufriedene, Glückliche.</p>
-
-<p>Bald hatten sich Gruppen und Kreise gebildet. &mdash;</p>
-
-<p>Neben einer Fontaine saßen einige Damen, unter denen die Gräfin von
-Wollheim und das Fräulein von Bomben hervorstachen. Man unterhielt sich
-hier über das Fest, über den Geber desselben &mdash; und erschöpfte sich in
-Conjunkturen wegen der glänzenden Belohnung, die ihm sein König für
-einige wichtige Dienste in letzterer Zeit zuertheilt hatte. Unvermerkt
-wußte das Stiftsfräulein, welches die schöne Kunst besaß, das Wort
-überall an sich zu reißen, das Gespräch auf einen neuen Gegenstand zu
-bringen, auf einen ihrer Lieblingsgegenstände.</p>
-
-<p>„Sie haben wohl schon von dem remarkablen Falle gehört, meine Damen &mdash;
-der sich vor einigen Tagen in der N** Straße zugetragen und<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span> welcher
-in naher Verbindung mit dem Chevalier von Marsan, besser gesagt in
-<em class="gesperrt">direkter Verbindung mit ihm</em>, steht?“</p>
-
-<p>Es ließen sich nun einige Angaben vernehmen &mdash; die alle von dem
-wirklichen Faktum abwichen und auch alle unter einander verschieden
-waren.</p>
-
-<p>„Nein, nein!“ versetzte das Stiftsfräulein: „das Alles ist nichts! &mdash;
-Weit von der Scheibe! wie man zu sagen pflegt. Ich bin über den Punkt
-genau unterrichtet und kann Ihnen aus authentischen Quellen Geschöpftes
-mittheilen. So hören Sie denn!“ &mdash;</p>
-
-<p>„Vor vier Tagen &mdash; doch es war zur Nachtzeit, es war nach Mitternacht
-&mdash; hielt die Equipage des Chevaliers, welche aus diesem Hause
-abgefahren war, wie gewöhnlich in der N** Straße, und er, nämlich
-Herr von Marsan, stieg heraus. Nachdem er seinem Kutscher den Befehl
-ertheilt hatte, ihn hier zu erwarten (<em class="gesperrt">wie gewöhnlich!</em> muß ich
-hinzusetzen), bis er zurückkehren werde, begab er sich zu Fuße auf
-Umwegen nach der Wohnung der Gräfin A&mdash;x, zu dem Gartenpförtchen (Alles
-wie gewöhnlich,<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span> meine Damen). &mdash; Hier wartete er einige Augenblicke,
-nach welchen sich das Pförtchen öffnete und Cölestine bis über die
-Zähne maskirt heraustrat, (wie gewöhnlich). Sie fiel ihm um den Hals
-und rief: „Endlich! Endlich! Nach langem Harren und Fürchten....
-endlich bist Du da, Geliebter, und ich kann Dich an mein Herz drücken.
-&mdash; Böser, böser Mann &mdash; warum hast Du mich eine so ewig lange Zeit in
-ängstlicher Ungeduld harren lassen?... Es ist ja beinahe fünf Minuten
-später, als Du kommen solltest!“ Hahaha! Hahaha! &mdash; Was sagen Sie
-dazu &mdash; meine Damen?“ wandte die Erzählerin sich zu ihrer Umgebung,
-fuhr jedoch gleich darauf wieder fort: „Nachdem sie diese schönen
-Worte ausgesprochen, die edle Gräfin von A&mdash;x, auch dasjenige, was sie
-enthielten, richtig gethan hatte (wie gewöhnlich!), hing sie sich an
-den Arm des zärtlich Geliebten und schlug mit ihm den Weg nach seinem
-Hause, nach diesem Hause hier, ein &mdash; &mdash; (Alles wie gewöhnlich!) Ach,
-welcher zauberische Spazierweg Nachts im Mondenschein durch eine
-entlegene, höchst romantische Gegend! Welche Worte wurden da,<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span> welche
-Blicke ausgetauscht &mdash; welche Küsse rauschten durch die heilige Stille
-der Nacht &mdash; welche Liebesseufzer &mdash; oder auch Liebesgestöhne.... und
-was sonst noch Alles!? &mdash; Denn Sie wissen doch, Gräfin Cölestine ist
-eine Candidatin des hohen Frauenvereins.... hahaha!“</p>
-
-<p>„Zur Sache, beste Freundin! zur Sache!“ &mdash; riefen die ungeduldigen
-Zuhörerinnen, die anstatt der Floskeln Thatsachen verlangten.</p>
-
-<p>„Nun denn also weiter! &mdash; Die zwei holden Leutchen vergnügten sich drei
-Stunden lang im freien Felde zwischen Sträuchern und Bäumen .... der
-gute Mond sah anfangs recht gutmüthig schalkhaft in diese Wirthschaft
-hinein... zuletzt jedoch mochte es selbst ihm, dem Langmüthigen, zu
-toll werden &mdash; und was thut er, der brave alte Kerl? &mdash; Er sendet
-leise und klug einen seiner schärfsten Strahlen auf die pittoreske
-Gruppe des Liebespaares, so daß diese, trotz der getreuen Büsche und
-Blätter, so grell beschienen wird, wie am Tage... Alles das war noch
-immer wie gewöhnlich! &mdash; Jetzt jedoch kommt etwas Ungewöhnliches...
-Im Augenblicke der vollen Beleuchtung... stürzt ein Mann, der sich<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span>
-bisher versteckt gehalten, hervor und auf die engverschlungene Gruppe
-des Liebespaars... der Mann hat einen Degen &mdash; und will damit die
-Verbrecher züchtigen.... Jedoch ist dieser Mann ein Ehrenmann, ein
-Biedermann, ein Engel von einem Manne; statt allein auf die Beiden
-loszustürzen, wozu er doch das vollkommenste Recht besaß, bietet
-er dem Chevalier einen Degen an und will es mit ihm im Zweikampfe
-ausmachen. ... Armer Ehrenmann! Armer Biedermann! &mdash; Was geschieht
-anstatt dessen? &mdash; &mdash; In dem Augenblick, wo er sich seinem Gegner
-nähert und ihm eine von den zwei Waffen, die er selbst mitgebracht
-hatte, anbietet &mdash; entreißt die zärtliche Gräfin Cölestine ihm dieselbe
-und fällt ihn von hinten mit der Wuth einer Tigerin an.... (Wer hätte
-dies Alles der sanftmüthigen Gräfin zugetraut!) .... Nunmehr versieht
-sich Herr von Marsan seines Vortheils, ihm kann man so etwas weniger
-übel nehmen &mdash; &mdash; stürzt seinerseits auf den armen Mann, welcher
-alsbald zu Boden gerissen &mdash; und, (durch wen von Beiden weiß man nicht)
-dermaßen zugerichtet wird, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> er aus mehreren Wunden blutet und ein
-entsetzliches Wehgeschrei ausstößt...“</p>
-
-<p>„Das ist Alles selbst entsetzlich!“ schauderte der Zirkel, spannte aber
-seine Aufmerksamkeit immer schärfer an.</p>
-
-<p>„Bei diesem Ruf entfliehen die Verbrecher, und eilen dem Platze zu, wo
-noch die Equipage Marsans steht... aber Wuth und Verzweiflung gaben dem
-Verwundeten die Kraft, sich wieder rasch vom Boden aufzuraffen &mdash; und
-er folgt den Zweien nach. Das war ein Rennen und ein Laufen! Man hätte
-es für eine Jagd halten können &mdash; oder für ein Wettrennen... hahaha! &mdash;
-Und das Geschrei des Verfolgenden, wie der Verfolgten! &mdash; &mdash; „Elende!
-Ihr sollt es mit Eurem Leben büßen!“ „„Allmächtiger Himmel! rette
-uns!““ &mdash; u. s. w. &mdash; &mdash; Aber der Himmel und respective die Göttin
-Venus weiß die Ihrigen zu beschützen... mit einem Worte: der Rächer
-war eben am Wagenschlage angelangt &mdash; als die Equipage mit dem darin
-geborgenen Liebespaar pfeilschnell abfuhr... so daß der Arme nur mehr
-ein entsetzliches Wuthgeheul ausstoßen konnte.... Venus, Amor, sowie
-den ganzen<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> Himmel verfluchend.... und das mit Recht, denn rathen Sie,
-meine Freundinnen, wer dieser arme Mann wohl war &mdash;?“</p>
-
-<p>„Nun &mdash; es wird doch nicht...?“ hieß es wie aus einem Munde.</p>
-
-<p>„Ja, ja &mdash; &mdash; es war ihr Mann, <em class="gesperrt">Cölestinens Mann</em>, der arme,
-bedauernswürdige, redliche und betrogene Graf <em class="gesperrt">Alexander von
-A&mdash;x</em>, einer der edelsten Cavaliere dieser Residenz war es!“</p>
-
-<p>Nach einer Pause voll tiefen Erstaunens &mdash; fragte eine von den Damen:
-„So ist er also hier in der Residenz?... So liegt er also irgend wo
-krank, verwundet zum Sterben, der edle, gute, unglückliche Graf...“</p>
-
-<p>„Wie Sie sagen, so ist es, meine Beste. Er liegt in einer elenden Hütte
-&mdash; denn seine treulose Gemahlin und ihr Haus will er nicht mehr sehen
-&mdash; krank, leidend, zum Tode verwundet ... wahrscheinlich wird der
-Märtyrer bald seinen Geist ausgehaucht haben....“</p>
-
-<p>„Das Alles scheint mir indessen doch ein wenig unglaublich!“ bemerkte
-jetzt Gräfin Wollheim, nachdem sie lange mit einem ziemlich hohen<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span>
-Grade von Mißbehagen zugehört hatte, ohne sich entschließen zu können,
-drein zu reden; endlich war es ihr indessen doch zu bunt geworden: sie
-konnte diese Anklagen gegen ihre Freundin Cölestine nicht länger ruhig
-mit anhören.... wiewohl es ihr auch anderseits wieder schwer fiel,
-gegen das Fräulein von Bomben aufzutreten &mdash; da diese sich ja ebenfalls
-ihrer Freundschaft erfreute.</p>
-
-<p>„Reden wir lieber von etwas Anderem!“ bemerkte die brave Gräfin, welche
-mit dieser Wendung einen Meisterstreich ausgeführt zu haben glaubte:
-„Reden wir von unseren Arbeiten, von unseren Beschäftigungen, wenn es
-Ihnen gefällt, meine Damen. Was mich betrifft... so habe ich wieder
-eine Jacke und drei Paar Strümpfe von starker Wolle gestrickt....“</p>
-
-<p>„Ah, ah! für den edlen Frauenverein!“ fiel die Stiftsdame ein.... „Wer
-weiß,“ lachte sie, „welchem braunen Bauerburschen diese Jacke von einer
-der hohen Vorsteherinnen zugedacht werden wird.... haha!“</p>
-
-<p>Bei diesen Worten ging der Chevalier an der Gesellschaft vorüber:
-„Meine Damen &mdash;<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span> meine Gnädigen,“ sagte er mit einem artigen Lächeln:
-„man rüstet sich zum Spiel, zum Tanze. Welchem Vergnügen werden Sie den
-Vorzug geben?“</p>
-
-<p>„Natürlich dem erstern &mdash; wenn wir bei dem zweiten nicht blose
-Zuschauer bleiben wollen!“ bemerkte das Fräulein.</p>
-
-<p>„Nun denn erlauben Sie, daß ich Ihnen den Arm biete, um Sie nach dem
-Spielzimmer zu führen....“</p>
-
-<p>Er begleitete die Gräfin von Wollheim &mdash; die Andern folgten.</p>
-
-<p>„Ich werde dort, wie ich hoffe, die edlen Mitglieder des saubern
-Frauenvereins finden!“ murmelte das Fräulein zwischen den Lippen &mdash;
-denn Zähne, wie wir wissen, hatte sie keine &mdash; dann rief sie mit Zorn
-aus: „Beim Domitian, Alarich und Genserich! &mdash; ich werde Ihnen heute
-zeigen, mit wem sie’s eigentlich zu thun haben.... Hilf Samiel!“</p>
-
-<p>So wie der Graf Wollheim seine Frau nach dem Spielzimmer gehen sah,
-machte auch er sich auf und folgte &mdash; nicht ihr, sondern seinem Stern,
-das will sagen: seinem Durst. Er hatte<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span> bisher mit zwei oder drei
-Herren, die sich für außerordentliche Jäger hielten, gesprochen und
-fand &mdash; daß wenn sie auch mit einem Theil der edlen Weidmannskunst
-umzugehen verstanden, sie doch im andern keinen Bescheid wußten....
-und dieser zweite Theil schien ihm seit langer Zeit der <em class="gesperrt">erste</em>
-zu sein. Er fand nämlich, daß, während jene zwei Herren nur immer
-von Hirschen, Ebern, dem Anstand, der Fährte, dem Hallali &mdash; Fängern
-&mdash; Suchern &mdash; Schlingen und Doppelbüchsen redeten &mdash; &mdash; sie der
-<em class="gesperrt">Humpen</em>, <em class="gesperrt">Krüge</em>, <em class="gesperrt">Flaschen</em> und <em class="gesperrt">Fässer</em> niemals
-erwähnten. &mdash; Das schien ihm jedoch eine sehr miserable Jägerei &mdash;
-er ärgerte sich dabei im Stillen schier zu Tode &mdash; jemehr aber sein
-Aerger wuchs, desto mehr wuchs auch sein Durst, wie jeder Physiolog
-oder Patholog Euch haarscharf beweisen wird. &mdash; &mdash; Er riß sich demnach
-in einem Augenblicke, wo dies thunlich war, von dieser schlechten
-Gesellschaft los &mdash; sagte, er wollte seine Gemahlin begleiten &mdash; statt
-dessen begleitete er sich selbst &mdash; in die Kellnerei. Wir sehen ihn
-hier noch einige Zeit, darauf verschwindet er hinter mannigfachem
-Trinkgeschirre unseren Blicken. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span></p>
-
-<p>Der General und die Generalin hatten sich auch zu den Spieltischen
-begeben, und so ist denn jetzt beinahe der ganze Kreis unserer
-Bekannten auf einem Punkte vereint, gleichsam als hätte das Schicksal
-sie mit Willen hier zusammengeführt. &mdash; &mdash; Da saß die Wittwe E&mdash;z und
-ihr gegenüber Herr von Labers; gleich daneben General Randow, die
-Gräfin Wollheim und die Generalin.... ferner mehrere Damen und Herren,
-die zur nähern Bekanntschaft der Letzteren gehörten und die wir oft in
-ihrem oder ihrer Tochter Salon angetroffen haben. Der Chevalier trat
-auf kurze Zeit herein, begab sich jedoch bald wieder in den Salon,
-wo getanzt wurde und wo seine Anwesenheit dringend erforderlich war.
-Dieser Salon stand mit dem Spielzimmer, von welchem wir hier sprechen,
-durch zwei große offene Thüren in Verbindung, und man konnte ihn daher
-seiner ganzen Ausdehnung nach von jedem Spieltische aus übersehen....</p>
-
-<p>Dieser Umstand war für das fromme Stiftsfräulein von unberechenbarem
-Nutzen &mdash; denn sie auf ihrem Sitze konnte jetzt den ganzen Kreis ihrer
-Feindinnen &mdash; Opfer darf man wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span> sagen &mdash;: sie konnte acht oder
-zehn Damen, welche neben einander im Salon saßen, beständig im Auge
-behalten; und diese Damen gehörten sämmtlich zum Frauenverein.</p>
-
-<p>In der Brust der seltenen Menschenfreundin kochten in diesem
-Augenblick, wie in einem Hexenkessel, Gift, Galle, Rache, Schlangen
-und Ottern &mdash; nebst noch andern Species, mit denen man seine Feinde
-vertilgt; sie warf zeitweise wahre Belialsblicke hinüber, und wenn
-sie dann jene Frauen so sorglos und heiter sah, murmelte sie vor sich
-hin: „O auch Babylon war vergnügt und lachte &mdash; bevor der Donner
-d’reinschlug... hahaha! Geduld &mdash; Samiel umschleicht Euch schon!...
-Hilf Samiel!“</p>
-
-<p>In diesem Augenblicke gab sie einem dicken Kerl, der in der Tracht
-eines Verschnittenen steckte &mdash; und einen großen Korb in der Hand hielt
-(der Kerl war so eben erst eingetreten und hinter einer Draperie stehen
-geblieben, so daß er noch von Niemand bemerkt wurde), einen Wink; er
-trat mit seinem Korbe vor und auf ein neues raschgegebenes Zeichen
-schritt er in den<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> Salon &mdash; geradewegs auf die Damen des Frauenvereins
-zu, denen er, bevor sie noch Zeit hatten, sich von ihrer Ueberraschung
-zu erholen, den Korb vor die Füße stellte &mdash; worauf er rasch in’s
-dichteste Gedränge verschwand...</p>
-
-<p>Jetzt ertönte ein lautes Geschrei aus dem Korbe &mdash; man öffnete ihn.....
-und Alles prallte zurück.</p>
-
-<p>In dem Korbe lagen drei kleine Kinder, deren jedes einen Zettel in der
-Hand hielt, wovon der erste so lautete:</p>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p>„An die Frau Baronin von **!“</p>
-
-<p>Geliebteste! &mdash; Hier sende ich Ihnen Ihren und meinen Sohn zurück,
-welchen ich Ihrem Willen gemäß insgeheim bei meiner Mutter erziehen
-lassen sollte, nachdem Sie ihn dort geboren hatten, während die
-Welt glaubt, Sie seien mittlerweile auf einer Reise nach Venedig
-begriffen gewesen. Da Sie meiner Mutter, der armen Frau, das
-Kostgeld bereits seit 14 Tagen nicht haben zugehen lassen, sehen
-wir uns zu dem gegenwärtigen Schritte<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> gezwungen, falls das kleine
-Würmchen nicht Hungers sterben soll.</p>
-
-<p class="mleft3">Ganz der Ihrige</p>
-
-<p class="right mbot1"><span class="mright3">bis in den Tod</span><br />
-<span class="mright1"><em class="gesperrt">Andreas Tunker</em>,</span><br />
-Schmiedegeselle in Penzing.</p>
-
-</div>
-
-<p>Die andern zwei Zettel, an zwei andere Frauen, welche ebenfalls hier
-saßen, gerichtet &mdash; enthielten ähnlichen Text, daher wir es für
-überflüssig halten, denselben anzuführen.</p>
-
-<p>Es gab eine entsetzliche Scene! Die Residenz hatte sie bisher noch
-nicht erlebt &mdash; &mdash; aber das Unerhörte erneuert sich in unserer Zeit,
-besonders wenn es von dieser natürlichen Art ist, wie das gegenwärtige.</p>
-
-<p>Nachdem die betreffenden Frauen gebührend in Ohnmacht gesunken waren,
-nachdem man sie und auch die Kinder weggebracht hatte &mdash; nachdem
-schließlich die edelste der Stiftsdamen und Menschenbeglückerinnen im
-Stillen ein heißes Dankgebet an Samiel oder irgend einen Andern von
-seiner Sippschaft gerichtet hatte.... gab sich die übrige Gesellschaft
-im Aeußern wieder zur Ruhe.... wie es jedoch im Geheimen bei ihr<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span>
-bestellt war, davon wird man sich leicht einen Begriff machen.</p>
-
-<p>Der Herr des Hauses war durch den Vorfall auf’s Tödtlichste
-verletzt.... er hatte sogleich allen seinen Domestiken den Befehl
-ertheilt, dem dicken Ueberbringer des überraschenden Festgeschenkes
-nachzusetzen.... von demselben war indessen keine Spur mehr zu
-entdecken.</p>
-
-<p>Dieses Intermezzo war kaum zu Ende &mdash; &mdash; als ein zweites, ein anderes,
-dem es ebenfalls nicht an Originalität gebrach, begann....</p>
-
-<p>Die nach dem Korridor gehende Thür des Spielzimmers wurde aufgerissen
-und zwei Menschen stürzten herein, deren Aussehen und Zustand der
-ganzen Gesellschaft einen Schrei entriß...</p>
-
-<p>Ein älterer, großer, starker Mann, der von allen gebräuchlichen
-Kleidungsstücken nur die Beinkleider und das Hemde auf dem Leibe hatte
-&mdash; welches letztere jedoch sowohl vorne offen und aufgerissen, wie an
-dem Arme bis über die Ellbogen hinaufgeschürzt war.... stolperte mit
-einem rothen, erhitzten Gesichte, in dem die Augen furchtbar rollten,
-herein &mdash; schrie mit einer Stimme, die einem Löwen anzugehören schien<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span>
-und focht dabei mit den Armen in der Luft umher:</p>
-
-<p>„Ha! &mdash;“ rief er: „endlich sind wir da! &mdash; Endlich haben wir den Platz
-gefunden! &mdash; Endlich können wir uns produziren....“</p>
-
-<p>Bevor wir jedoch weiter gehen, müssen wir erzählen, wie der Zweite
-aussah.</p>
-
-<p>Dieser war ein ganz junger Mensch &mdash; und befand sich in demselben
-Zustande, wie sein Begleiter. Sein Gesicht war krankhaft, bleich, und
-selbst der Geist, welcher jetzt im Innern der Brust wirkte, vermochte
-nicht, ihm eine lebhaftere Röthe zu verleihen; dieses Gesicht nun hatte
-auf der einen Wange eine große, weit klaffende Wunde, von welcher, wie
-es schien, erst vor Kurzem, und zwar gewaltsamer Weise, der Verband
-abgerissen worden war.... auch der rechte Arm war verwundet und es
-drang selbst durch das Hemd noch Blut heraus. Im Uebrigen erschien der
-Anzug des Jünglings noch paradiesischer wie jener des Alten.... maßen
-dieser biedere Jüngling in Socken umher ging und das Beinkleid bis zum
-Bauch hatte herabfallen lassen. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Man wird es vielleicht schon errathen haben:<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> wir sehen <em class="gesperrt">Wollheim</em>
-und <em class="gesperrt">Edmund</em> im erleuchtetsten Zustande vor uns....</p>
-
-<p>„Oh!“ brüllte der Nimrod: „das war ein schändlicher Streich, welchen
-man mir seit so vielen Monaten gespielt hat.... Man hat mir meinen
-Freund, Schüler, mein Jüngelchen entzogen.... man hat ihn unten in der
-Nähe des Kellers in einer verschlossenen Stube gefangen gehalten....
-Beim St. Hubertus! Das ist ein Verbrechen, welches mindestens der
-<em class="gesperrt">Waldbrennerei</em> gleichkommt und mit dem Spießen sollte bestraft
-werden.... Da gehe ich armer verlassener Jägersmann, in meiner Trübsal
-&mdash; Stärkung zu suchen in unterirdischen Räumen &mdash; über die Treppe
-hinab. &mdash; Ich verfolge meine Fährte in diesem guten Hause hier Schritt
-für Schritt und gelange richtig.... vor die Kellerthüre. &mdash; Aber,
-Alle Sechzehnender! &mdash; &mdash; sie ist verschlossen.... da fange ich an zu
-rütteln &mdash; &mdash; es geht nicht &mdash; &mdash; da rufe ich und schreie nach dem
-Kellermeister.... Jetzt plötzlich geht eine andere Thür neben mir
-auf.... und wer stürzt mir um den Hals?.... Der Kellermeister aller
-Kellermeister! &mdash; Mein Freund, mein<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> Schüler, mein Jüngelchen, mein
-Stolz, mein Königshirsch.... kurz Edmund!“</p>
-
-<p>Bei diesen Worten stürzte nun auch er ihm um den Hals und diese beiden
-trefflichen Schützen begannen laut heulend zu weinen. &mdash;</p>
-
-<p>„Ich wollte blos,“ sagte der Graf: „der Welt und seinen betrübten
-Eltern ihn zeigen, ihnen verkünden, daß er lebt &mdash; lebt &mdash; in ihrer
-Nähe ist &mdash; und weder bei einem Duell bei Prag fiel, noch sonst wohin
-an’s Ende der Welt reis’te.... wie so oft von schändlichen Lügenmäulern
-vorgegeben wurde.... Aber,“ schrie der Jäger wild auf wie im Walde:
-„das muß untersucht werden! Alle Kreuz- und Quer-Fährten, das muß
-untersucht werden! Weßhalb hat man diesen jungen hoffnungsvollen Ritter
-und Waidmann in Gefangenschaft gehalten?.... weßhalb hat man diese
-Blume der Jünglinge hinter Riegel und Schloß gesteckt?.... denn er
-schmachtete da unten in dem dumpfen Loche, wie er sagte, seit mehrern
-Monaten. &mdash; Weßhalb also, frag’ ich noch einmal?...“ Hier wurde der
-Redner jedoch so schwach, daß er sein Gleichgewicht verlor und auf die
-Stiftsdame fiel....</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span></p>
-
-<p>Marsan hatte der Scene mit wüthenden Blicken zugesehen und eben sich
-beeilt, mit Hilfe zweier Herrn sich der Trunkenen zu bemeistern,
-als, an diesem, an Ereignissen unerschöpflichen, Tage &mdash; ein neues
-hereinbrach.</p>
-
-<p>In dem Augenblick, wo Marsan auf Edmund zuschritt, trat eine Person &mdash;
-von Außen herein und stellte sich rasch zwischen Beide.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Es war der Graf Alexander von A&mdash;x.</em></p>
-
-<p>Er sah bleich wie der Tod aus und stützte sich auf einen Stock.</p>
-
-<p>Mit der Hast des Blitzes &mdash; warf er seinen Blick auf den Chevalier
-und sodann auf Edmund ... da trug sich ein physiologisches Phänomen
-zu, welches unerhört sein mochte. Die bleiche Krankenmiene Alexanders
-&mdash; strahlte im Nu von Leben, Kraft und Entzücken.... und seine früher
-convulsivisch zuckenden Lippen stießen einen mächtigen Freudenruf aus:</p>
-
-<p>„Großer Gott &mdash; was seh ich! Ist es möglich! &mdash; Nicht Sie, mein
-Herr,“ wandte er sich zum Chevalier „sind in jener Nacht von einem
-Degen getroffen worden &mdash; sondern <em class="gesperrt">Edmund</em><span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span> der Bruder meiner
-Frau...?.... So hat also er Cölestinen begleitet und nicht Sie....“</p>
-
-<p>Da faltete sich wieder die Stirne Alexanders plötzlich und er sprach
-dumpf: „Aber wie dies Alles zusammenhängt, will mir nicht klar
-werden... O vielleicht ist das Schreckliche dennoch geschehen.....“</p>
-
-<p>Marsan besann sich einen Augenblick; sodann ergriff er rasch den Grafen
-bei der Hand und zog ihn mit sich fort in ein Kabinet. &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Hier begann er:</p>
-
-<p>„Da es so weit gekommen ist, daß nichts mehr verschwiegen werden kann
-&mdash; da das Schicksal selbst einen Zipfel des Tuches aufhob, womit ein
-Geheimniß bedeckt war, welches nur noch kurze Zeit hätte bedeckt
-bleiben sollen, da dann vielleicht andere günstige Umstände eingetreten
-wären, so erfahren Sie, Herr Graf, zuerst: Ihre Gemahlin ist so
-unschuldig wie ein neugebornes Kind. &mdash;“</p>
-
-<p>„Aber Beweise! Beweise!“ schrie Alexander, unter dessen Füßen es
-brannte &mdash; über dessen Haupte die Welt einzustürzen drohte....</p>
-
-<p>„Hier sind die Beweise. Edmund von Ran<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span>dow, der Bruder Ihrer Gemahlin,
-hat sich durch leichtsinnigen Unbedacht und durch böse Gesellschaft
-schon frühzeitig in die mißlichsten Umstände gebracht &mdash; seine Finanzen
-zerrüttet und Wucherern sich in die Arme geworfen. Anstatt seine
-Lebensweise zu ändern &mdash; oder aber sich seinem Vater anzuvertrauen
-und von ihm einen größeren Geldzufluß für sich zu erwirken &mdash; schritt
-der schlechtberathene junge Mann auf seinem alten Wege fort....
-gerieth aus einer Verlegenheit in eine größere.... und wurde zuletzt
-mit einem unvergleichlichen Seelenverkäufer, <em class="gesperrt">Lips</em> oder wie
-dieser Kerl sonst heißt, bekannt; dieser verleitete ihn, um ihn ganz
-in seine Hände zu bekommen &mdash; selbst zu schändlichen Streichen!...
-zum Verkauf seines Eigenthums! seiner Kostbarkeiten, seiner Möbel....
-und so fort! Um diese Zeit traf ich mit Edmund zusammen; &mdash; ich halte
-es für meine Pflicht, jetzt ein Bekenntniß abzulegen, welches mir
-in diesem Augenblick zu thun möglich ist, da ich noch zeitig genug
-von einem Vorhaben abstand, welches mich Ihnen gegenüber schuldig
-gemacht hätte: Ich liebte Ihre Gemahlin &mdash; und ich habe es gewagt,
-ihr meine Leidenschaft mer<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span>ken zu lassen. &mdash; Ich glaubte Anfangs, von
-ihr ermuthigt zu werden (Sie werden ohne Zweifel sich jener Tage in
-Ihrem Salon so wie in jenem der Generalin E&mdash;z erinnern, Herr Graf!)
-&mdash; &mdash; aber ich irrte mich, wie ich später sah: das, was ich für eine
-Gewährung meiner Ansprüche hielt, war von Seite Cölestinens nichts
-als Artigkeit und jene lebhafte Geselligkeit, soll ich vielleicht
-sagen auch ein wenig &mdash; Koketterie gewesen, welche unbeschadet ihrem
-Herzen &mdash; ihr eigenthümlich ist. &mdash; &mdash; Herr Graf, wissen Sie, worum es
-sich damals im Salon der Generalswittwe E&mdash;z besonders handelte?...
-Wissen Sie, weshalb bald ich, bald Edmund sich der Gräfin so dringend
-näherten? Damals wollte Edmund, in seinem <em class="gesperrt">eigenen Interesse</em>
-um des Himmelswillen &mdash; mit ihr sprechen; er hatte, wie ich später
-erfuhr, damals den traurigen Fehltritt begangen, welcher nachher die
-Quelle all seines &mdash; so wie des Unglückes Cölestinens und des Ihrigen
-gewesen ist. &mdash; Um kurz zu sein: Edmund hatte falsche Papiere auf
-<em class="gesperrt">Ihren</em> Namen, Herr Graf, gemacht und dieselben mit seinem eigenen
-Herzen zugleich in die Geiers<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span>kralle des Herrn <em class="gesperrt">Lips</em> gelegt...
-Lips wollte sie an jenem Abende noch Ihnen präsentiren &mdash; oder von
-Edmund den dreifachen baaren Betrag haben .... und der unselige
-Jüngling wandte sich, da er sich an sonst Niemand wenden zu dürfen
-glaubte &mdash; an seine Schwester, die ihm ihren <em class="gesperrt">Schmuck</em>.... einen
-Schmuck, welchen sie von Ihnen erhalten, gab. &mdash; Dies geschah noch in
-derselben Nacht, bald nach der Abfahrt von dem Hause der Generalin
-E&mdash;z; &mdash; &mdash; Edmund hatte mit seiner Schwester eine Zusammenkunft auf
-<em class="gesperrt">ihrem Boudoir, nach Mitternacht</em>.“ &mdash; &mdash; Hier entfuhr den Lippen
-Alexanders ein Schrei der Ueberraschung: „Er also war es gewesen!?“
-Marsan aber fuhr fort: „Dieses Geschenk jedoch war für ihn nichts mehr
-als ein Palliativ gewesen..... der Werth des Schmuckes reichte nicht
-aus.. und Lips <em class="gesperrt">prolongirte</em> blos das falsche Papier &mdash; &mdash; behielt
-es jedoch bei sich. &mdash; Schon nach wenigen Tagen bestand er unerbittlich
-auf <em class="gesperrt">Bezahlung</em> desselben.... Edmund hatte entweder den Kopf
-oder alles Herz, allen Glauben verloren, denn er hätte sich ja leicht
-<em class="gesperrt">mir</em> anvertrauen können, ja selbst Sie, mein Herr, obwohl Sie ihn
-eines<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span> falschen Verdachtes wegen, den ich bei Ihnen jetzt vernichtet
-zu haben glaube, haßten &mdash; würden den Aermsten gewiß nicht haben
-untergehen lassen... Allein dieser Jüngling war bestimmt &mdash; sich und
-seine Familie ganz und gar elend zu machen.... er harrte, harrte, bis
-irgend ein Gott aus der Luft seinen mächtigen Arm herabneigen werde....
-er harrte, oder vielleicht lebte er in einer Art von Wahnsinn fort &mdash;
-&mdash; bis der tödtliche Streich geschah.... Sein Würger erschien, forderte
-das Geld und &mdash; &mdash; da er es nicht erhielt, ging er vor Gericht. &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Hier ist ein Räthsel, welches ich nicht zu lösen vermag. Weßhalb ging
-Lips vor Gericht? Es war einfacher, sich an Sie oder an die Eltern des
-jungen Mannes zu wenden.... so konnte er schleunig zu seinem Gelde
-gelangen. Was hatte er von der öffentlichen Compromittirung Edmunds? &mdash;
-&mdash; Oder war hier nicht <em class="gesperrt">persönliche</em> Beziehung mit im Spiel? &mdash; &mdash;
-Doch, ich hoffe, auch auf diesen dunklen Punkt wird noch Licht fallen.“</p>
-
-<p>„Edmund, von dem Schritte seines Gläu<span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span>bigers in Kenntniß gesetzt &mdash;
-verbarg sich und entdeckte seiner Familie, er sei nach Prag oder an
-die Grenze verreis’t. Ach vergebens! Auch für sie war das blos ein
-Palliativ. Sie erfuhren das Unglück Ihres Sohnes noch in derselben
-Stunde. &mdash; &mdash; Edmunds Aufenthalt in dieser Zeit war Niemand bekannt,
-als seiner Schwester ... später auch seiner Mutter. Aber dieses
-Versteck war gegen die Nachstellung der Häscher nicht hinlänglich
-gesichert.... und in einem Anfall von Verzweiflung warf Cölestine das
-Geheimniß in meine Hände.... sie machte mich zu ihrem Vertrauten,
-sie beschied mich.... brieflich ... aber das mißglückte durch Ihre
-Dazwischenkunft, Herr Graf.... sie beschied mich sodann durch eine
-mündliche Botschaft zu sich. &mdash; Ich entsprach mit Begeisterung dem
-ehrenden Vertrauen: ich stellte mich in Person bei ihr ein &mdash; &mdash; und
-hier wurde zwischen uns festgesetzt, daß Edmund in <em class="gesperrt">meinem</em> Hause
-ein verborgenes Zimmer bewohnen sollte. &mdash; Alles dieses wurde sofort in
-Vollzug gesetzt....“</p>
-
-<p>„Ihr Haß, mein Herr, gegen Edmund, die Schwierigkeit, diesen Haß
-anders zu zerstreuen<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span> als durch Blosgebung der Schande des Jünglings
-&mdash; die unbezwinglich stolze und hartnäckige Weigerung Ihrer Gemahlin,
-Ihnen Alles zu enthüllen.... (sie zog diesem Schritte den Tod vor!)
-endlich... die Hoffnung, daß nach und nach, wenn auch in späterer
-Zeit &mdash; der Sturm doch wieder vorüberziehen werde.... bewirkten, daß
-Cölestine den schrecklichsten Verdacht auf ihr Haupt fallen sah &mdash; ohne
-etwas thun zu können &mdash; als zu weinen, zu klagen &mdash; zu verzweifeln....
-Sie reis’ten von Wien ab, Herr Graf, Sie bewirkten eine eklatante
-Trennung &mdash; &mdash; und Cölestine mußte das Alles geschehen lassen, konnte,
-ob auch ihr Herz im Todeskampfe zuckte &mdash; Sie nicht einmal mit einer
-Hand zurückhalten. &mdash; Allein Edmund, ihr unglücklicher Bruder, war
-geborgen; das gab ihrem Herzen einen schwachen &mdash; mattglimmenden Trost.
-Sie kennen die zärtliche Liebe der beiden Geschwister: Cölestine wollte
-lieber selbst elend sein, als es ihren Bruder sein lassen. &mdash;“</p>
-
-<p>„Sie sah ihn jede Nacht. Jede Nacht um zwölf Uhr erwartete er sie an
-dem Gartenpförtchen <em class="gesperrt">Ihres</em> Hauses und meine Equipage brachte<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span>
-Beide hierher in <em class="gesperrt">dieses Haus</em> &mdash; wo sie auf Edmunds Zimmer
-Stunden lang beisammen blieben.... Wie viele Thränen sind da geflossen!
-&mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Doch weiter! &mdash; Meiner Mühe gelang es &mdash; Ihren Aufenthalt zu
-entdecken, Herr Graf.... ich wollte für die arme Frau Alles thun, was
-in meinen Kräften stand, und so war ich der Ueberbringer ihres Briefes
-an Sie auf Ihrem Schlosse, mein Herr......“</p>
-
-<p>„Hier endet meine Erzählung. Ich weiß nichts mehr hinzuzufügen. &mdash;“</p>
-
-<p>„Es ist genug!“ versetzte der Graf, kaum noch athmend. Er war in einen
-Sessel gesunken. &mdash; Diese Ereignisse hatten seine ganze Mannheit
-erschüttert.</p>
-
-<p>Die Freude ist oft schrecklicher als der Schmerz, besonders bei jenen
-Naturen, denen dieser häufiger, als jene zu Theil wird. &mdash;</p>
-
-<p>In diesem Augenblicke fühlte Alexander Jemand in seine Arme stürzen....
-er erhob das matte Auge. Es war <em class="gesperrt">Cölestine</em>, seine Gattin, die vor
-ihm auf den Knieen lag! &mdash;</p>
-
-<p>Der Chevalier hatte ihr Nachricht gegeben. &mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span></p>
-
-<p>„Nun Du Alles weißt,“ sagte sie: „braucht mein Mund nicht mehr zu
-sprechen und mein Herz nicht mehr in namenloser Scham zu ersterben....
-Du weißt Alles, Alexander! Alles, Alles; &mdash; &mdash; Und dies Alles bestätigt
-das Wort: „Ich bin unschuldig! ich bin Dir treu gewesen!““</p>
-
-<p>&mdash; &mdash; Endlich glaubte er ihr. &mdash;</p>
-
-<p>Der Chevalier verließ das Gemach. &mdash;</p>
-
-<p>Nichts von dem Allen, was in dieser seligen Stunde, deren Zeuge nur
-Gott war, zwischen den Gatten vorging... nichts von den wollustvollen
-Thränen und von den selig-wehmuthvollen Freudenergüssen. &mdash; Alexander
-hatte Cölestine treu erfunden &mdash; der Nebel des Mißtrauens war
-zerrissen &mdash; die Schatten der Zwietracht flohen mit ihm davon &mdash; die
-Welt war wieder schön &mdash; die Erde hatte ihr Grün, der Himmel seine
-Sonnenpracht...</p>
-
-<p>Alexander erfuhr nun auch noch so manche von jenen Dingen, die zu
-allererst den Keim des Argwohns in seine Brust gelegt hatten; er
-erfuhr, daß jene Blume, jene Hortensie, die er einst im Schlafgemache
-gefunden und welche ihn zuerst so unglücklich machte, die Stelle
-eines<span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span> Amulet vertreten habe. Es war Cölestinen von einer alten Frau
-angerathen worden, und so sprach die Wahrsagerin: so lange diese Blume
-an dem Busen der jungen Frau ruhen werde, so lange werde sie mit ihrem
-Gatten glücklich sein. &mdash;</p>
-
-<p>Das hatte sich denn im Laufe der Zeit auch bewährt.</p>
-
-<p>Ferner: die zwei Briefe, die er in ihrem Boudoir gefunden, waren von
-niemand Anderem, als ihrem Bruder Edmund, eben so auch die Haarlocke &mdash;
-und die Ringe....</p>
-
-<p>Auf die Zahlen hatte sie in die Lotterie gesetzt....</p>
-
-<p>Noch blieb jedoch Etwas zu lösen übrig.</p>
-
-<p>Wer war jener geheimnißvolle, finstere Warner gewesen, der sich dem
-Grafen überall unsichtbar in den Weg gestellt, an die Fersen gehangen
-und so Schreckliches geweissagt hatte, was auch stets, dem Scheine nach
-wenigstens, eingetroffen war. So lange dieser Punkt nicht erörtert war
-&mdash; konnte Alexander doch noch nicht so ganz vollkommen beruhigt sein.
-&mdash; Sodann, wer war jener zweite sonderbare, nicht minder geheimnißvolle
-Mensch, der gleich einem Gespenste sich in<span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span> die Salons der Gräfin und
-ihrer Freunde schlich &mdash; man hatte ihn nicht kommen, man hatte ihn
-nicht gehen sehen; man hatte nur seine bösen Rufe gehört und seine
-unheimliche Gestalt geschaut? &mdash; &mdash;</p>
-
-<p>Auch hierüber wollen wir sogleich Auskunft ertheilen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Dreizehntes_Kapitel"><b>Dreizehntes Kapitel.</b><br />
-
-<span class="s6">Schluß.</span></h2>
-
-</div>
-
-<p><span class="initial">E</span>s war am heutigen Tage unser schöner Freund Althing in den Prater, der
-zu dieser Zeit schon seine grünen Sprößlinge aussendete &mdash; spazieren
-gegangen, und nachdem er sich, Gott weiß aus welcher Laune, in dessen
-entferntesten Garten verloren hatte &mdash; war er auf eine Dame gestoßen,
-welche mit einem Buche in der Hand hier auf einem abgebrochenen
-Baumstamme saß. Diese Dame schien sehr in ihrer Lektüre vertieft und
-wendete keinen Blick ab von derselben; doch unser Adonis ließ sich
-dadurch nicht irre machen, sondern setzte sich ohne weiteres neben sie
-hin und redete dieselbe an...</p>
-
-<p>Da hob sie zwei Augen empor &mdash; so blau wie der Saphir und ein Gesicht
-so schön wie<span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span> ein junger Morgen; nämlich seiner Meinung nach. Noch nie
-glaubte Herr von Althing das gefühlt zu haben, was jetzt in seiner
-Brust vorging (wir wissen jedoch, er glaubte stets also!) &mdash; &mdash; und,
-wie es seine Art war, er machte hier dem Mädchen ohne weiteres seine
-Liebeserklärung....</p>
-
-<p>Und sofort stand sie auf, verließ den Platz, und ging weiter. Er aber
-ging nach; und als sie den Weg nach der Stadt einschlug, folgte er ihr
-ebenfalls dorthin.</p>
-
-<p>Sie führte ihn auf diese Weise aus einer Straße in die andere, bis sie
-zuletzt auf der <em class="gesperrt">Bettlerstiege</em> in ein Haus trat, sich jedoch
-zuvor noch umsah.</p>
-
-<p>„Richtig!“ lächelte Althing und griff vorsichtig an seinen gefärbten
-Schnurbart; „die ist total in mich verschossen! &mdash; Ach! dieser Blick
-war zu stark! &mdash; Armes Mädchen &mdash; Du sollst erhört werden.... denn
-was ich für Dich empfinde, ist <em class="gesperrt">wahre</em> Liebe!... Zum <em class="gesperrt">ersten
-Male</em> durchdringt dieses höhere Gefühl meine Jünglingsbrust! Ich
-sehe &mdash; bei meinem bisherigen Leben<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span> kommt nichts heraus &mdash; ich bin
-entschlossen, ein neues anzufangen.“</p>
-
-<p>Er trat nun ebenfalls in das Haus &mdash; und da er das Mädchen nach dem
-hintersten Winkel desselben gehen sah, ging er auch dahin &mdash; &mdash; doch
-fürchtete er hier zu einer gewissen Abtheilung zu gelangen, die einem
-Parfümerie-Laden eben nicht ähnlich ist. Statt dessen gelangte er zu
-einer hölzernen Treppe und stieg sieben volle Etagen &mdash; wie es stets
-sein Geschick wollte &mdash; der Dulcinea nach. Endlich trat er fast mit ihr
-zugleich in eine kleine räucherige Stube, welche ihres Gleichen nicht
-hatte.... jetzt sah er sich mit dem Mädchen allein.</p>
-
-<p>„Aber was hat das zu bedeuten, mein Herr?“ fragte sie....</p>
-
-<p>„Es hat zu bedeuten, mein Fräulein, daß ich Sie liebe.“</p>
-
-<p>„Und weiter? &mdash;“</p>
-
-<p>„Daß ich ohne Sie nicht leben kann.“</p>
-
-<p>„Allein &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Kurz... da ich jetzt in den besten Jahren bin und es mir auch nebenbei
-ernstlich vorgenommen habe &mdash; biete ich Ihnen meine Hand an....“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span></p>
-
-<p>Bei diesen Worten lief das Mädchen zur Thür hinaus.</p>
-
-<p>Er stand einige Secunden verblüfft auf dem Platze, da vernahm er im
-Nebenzimmer zwei Männerstimmen, die sich zu zanken schienen. &mdash;</p>
-
-<p>„Ich sage Ihnen, daß ich keinen Tag länger auf den letzten Posten,
-welchen Sie mir von der Affaire noch schulden, warte. Wo Sie mich
-nicht noch heute bezahlen &mdash; zeige ich die ganze Geschichte durch ein
-anonymes Schreiben dem <em class="gesperrt">Grafen von A&mdash;x</em>, so wie dem <em class="gesperrt">Generale
-von Randow</em> an... die mögen es Ihnen dann entgelten, was durch Ihre
-Bemühung dem armen jungen Menschen <em class="gesperrt">Edmund</em> Schlimmes widerfahren
-ist... Auf Ehre!“</p>
-
-<p>Bei Nennung dieser Namen stutzte Althing und stellte sich näher an die
-Wand, um besser zu hören:</p>
-
-<p>„Sie müssen noch kurze Zeit Geduld haben, mein Bester!“ ließ sich die
-andere Stimme vernehmen &mdash; und Althing glaubte sie zu erkennen.</p>
-
-<p>„Uebrigens,“ fuhr diese Stimme fort &mdash; „halte ich Sie nicht für den
-Thoren, das zu thun, womit<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> Sie so eben drohten, denn was gewinnen
-<em class="gesperrt">Sie</em> damit? Nichts.“</p>
-
-<p>„Aber Sie, mein Liebster, verlieren doch &mdash; auf Ehre!“</p>
-
-<p>„Aber dann kann ich Sie dafür auch auf’s Zuchthaus bringen &mdash; guter
-Lips.“</p>
-
-<p>„Wir sind gegen solche Möglichkeiten sicher gestellt, mein Guter; auf
-Ehre!“</p>
-
-<p>„Das wollen wir doch sehen &mdash; hahaha!“</p>
-
-<p>„Ja &mdash; das werden wir auch sehen, hahaha .... ohne daß ich
-hinzuzusetzen brauche: &mdash; Auf Ehre!“</p>
-
-<p>Jetzt wurde eine Thür zugeworfen und bald darauf entfernte sich Jemand
-unter schallendem Gelächter über die Treppe.</p>
-
-<p>Gleich darauf trat das Mädchen herein; an ihrer Seite aber schritt
-jener Sterbliche, welchen wir als unsern wackern Meister Lips bereits
-seit lange zu kennen die besondere Ehre haben. &mdash;</p>
-
-<p>„Dieser Herr hier will mich zur Frau nehmen!“ sagte sie kurz.</p>
-
-<p>„Ist das wahr?“ fragte Lips eben so kurz den Adonis.</p>
-
-<p>„Gewiß!“ antwortete dieser ein wenig erstaunt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span></p>
-
-<p>„Meine Tochter Philomela,“ sagte Lips zu ihm gewendet, „ist ein sehr
-gebildetes Mädchen; sie ist eine <em class="gesperrt">Emancipirte</em>! &mdash; Mit dieser
-Erklärung werden Sie genug haben. Sie kann Latein, Französisch,
-Griechisch, Slowakisch, Hebräisch, Chaldäisch, Maurisch, Ungrisch,
-Böhmisch, Hindostanisch, Malajisch &mdash; und auch Deutsch; ferner ist sie
-in der Astronomie, der Chemie, der Physik, der Musik, der Geographie
-&mdash; der Skulptur &mdash; in den Militairwissenschaften &mdash; in der Aesthetik
-und Botanik &mdash; in der Heraldik und Anatomie &mdash; endlich in allen übrigen
-weißen, schwarzen, braunen und gelben Wissenschaften und Künsten
-bewandert. Auf Ehrenwort! &mdash; &mdash; Sie sehen, mein Herr, was Sie Alles mit
-ihr bekommen! Sie bekommen in diesem Mädchen eine ganze Universität. &mdash;
-&mdash; <em class="gesperrt">Jedoch was bringen Sie mit, mein Herr?</em>“</p>
-
-<p>„Ich bin der Herr von Althing &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p>„Das ist Nebensache, auf Ehre! &mdash; Was <em class="gesperrt">haben</em> Sie, frage ich, mein
-Lieber?“</p>
-
-<p>„Wohlan &mdash; ich besitze eine Rente von 8000 Gulden Silbergeld &mdash; &mdash; &mdash;“</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span></p>
-
-<p>„Ah &mdash; Unterthänigster Diener! &mdash; das läßt sich hören, auf Ehre. &mdash;
-Also Sie wollen meine Tochter zum Weibe?“</p>
-
-<p>„Ja.“</p>
-
-<p>„Nun gut &mdash; Sie sollen sie haben, jedoch mit der Bedingung, daß Sie
-die 8000 Gulden jährlich durch mich erheben lassen. &mdash; Sein Sie
-jedoch unbesorgt; Sie sollen Ihr Geld in monatlichen Raten &mdash; bei
-Heller und Pfennig von mir ausgezahlt bekommen.... ich will mit dem
-Ganzen nur <em class="gesperrt">speculiren</em>, jedoch zu <em class="gesperrt">meinem Besten</em>. Ist
-Ihnen dieser <em class="gesperrt">Contract</em> genehm, so machen wir ihn sogleich als
-<em class="gesperrt">Ehecontract</em> in aller gesetzlichen Form giltig?“</p>
-
-<p>Althing willigte ein. Er war froh, endlich einmal ein Weib gefunden zu
-haben, die, wie er sah, es mit ihm ernstlich meinte.</p>
-
-<p>Noch in der nämlichen Stunde wurde das Instrument von einem
-Rechtsverständigen aufgesetzt und mit gesetzlicher Kraft versehen. &mdash;</p>
-
-<p class="center">* &emsp; &emsp; &emsp; *<br />
-*</p>
-
-<p>Und noch an demselben Tage erfuhr <em class="gesperrt">Alexander</em> von dem Adonis,
-welcher sich deßhalb eigens zu ihn verfügte, Alles das, was wir<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span>
-bereits wissen; nämlich, daß Lips nur auf Veranlassung des Barons
-<em class="gesperrt">von Leuben</em>, jenes finstern, leidenschaftlichen, abgewiesenen
-Anbeters Cölestinens, die Wechselfälschung Edmunds vor Gericht geltend
-gemacht hatte. &mdash;</p>
-
-<p>Ein Zweikampf war die Folge davon. Leuben, tödtlich verwundet, bekannte
-mit ersterbenden Lippen, daß er nicht nur Cölestinen, sondern auch
-ihrem Manne, ihrem Bruder, ihrem ganzen Hause Rache geschworen &mdash;
-die er auch, so weit als es irgend seiner menschlichen Kraft möglich
-war, vollzogen habe. Damals bei der Trauung habe er nach Alexander
-geschossen, jedoch nicht getroffen; darauf habe er Stunde für Stunde
-auf das Unglück Beider gesonnen.... es sei ihm auch gelungen, dasselbe
-bis zum jetzigen Augenblicke zu nähren; und &mdash; &mdash; jener geheime
-<em class="gesperrt">Warner</em>, jener Unglücksbote Alexanders &mdash; sowie jener mysteriöse,
-durch Maskirung unkenntlich gemachte Fremde in dem Salon Cölestinens
-sei <em class="gesperrt">er</em> gewesen.</p>
-
-<p>Nach dieser Beichte hauchte der Elende seinen Geist aus.</p>
-
-<p>Was Edmunds Schicksal betraf, so gelang es dem Einflusse des Grafen,
-sowie wie jenem des Chevaliers, dasselbe zum Guten zu wenden; er wurde
-zuletzt noch der Freund seines Schwagers &mdash; und wir sehen ihn in
-späterer Zeit sogar eine sehr bemerkenswerthe Staats-Carriere machen.</p>
-
-<p>&mdash; Was die übrigen Personen angeht, welche in dieser Geschichte
-auftraten, so wird ihr ferneres<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span> Schicksal mit wenigen Zügen angedeutet
-werden können.</p>
-
-<p>Das Stiftsfräulein nahm ein schauderhaftes Ende, wie dies edle Herz es
-auch verdiente. Bei einer Probe, welche sie mit ihrem neuerfundenen
-<em class="gesperrt">Tannenzapfenmehl</em> bei sich selbst machte, bekam sie den
-Magenbrand und starb unter Convulsionen, wobei sie jedoch stets bei
-Nero schwur, daß ihre Erfindung vortrefflich sei und der Menschheit zum
-Heil gereichen werde. &mdash;</p>
-
-<p>Gräfin von Wollheim strickte ihre Strümpfe für den
-Wohlthätigkeitsverein fort und fort. Ihr Gemahl, als er keinen
-Gefährten mehr beim Fasse fand, wurde wieder Jäger, jedoch entsagte er
-dem geliebten Fasse nicht gänzlich.</p>
-
-<p>Frau von Porgenau lachte ein Mal über einen Witz ihres Mannes so sehr,
-daß sie todt auf dem Platze blieb. Er, der berühmte Bonmotist hingegen,
-wurde immer berühmter; nur ließ man ihn in keinem Salon mehr zu.</p>
-
-<p>Der Chevalier von Marsan war und blieb auch in der Ferne der Freund
-Cölestinens, ihres Gemahls und ihrer Eltern. Seine frühere Leidenschaft
-für die Gräfin übertrug er auf zehn Andere. &mdash;</p>
-
-<p>Die kleine, schöne Alexandrine wurde von Cölestine an Kindesstatt
-angenommen; sie blühte inmitten der glücklichen Gatten, deren einziges
-Kind sie nicht lange blieb &mdash; zur edlen Jungfrau heran. &mdash;</p>
-
-<p class="s4 center mtop2 mbot3">Ende.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p class="s5 center mtop3">Gedruckt bei <em class="gesperrt">Friedrich Andrä</em>.</p>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="footnotes">
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s2 center"><b>Fußnoten:</b></p>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_A_1" id="Fussnote_A_1"></a><a href="#FNAnker_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Man verzeihe uns diese Clauren’sche Abbrechung. D. Verf.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_B_2" id="Fussnote_B_2"></a><a href="#FNAnker_B_2"><span class="label">[B]</span></a> A. von Sternberg.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_C_3" id="Fussnote_C_3"></a><a href="#FNAnker_C_3"><span class="label">[C]</span></a> Ikarus Flügel.</p></div>
-
-<div class="footnote">
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-<p><a name="Fussnote_D_4" id="Fussnote_D_4"></a><a href="#FNAnker_D_4"><span class="label">[D]</span></a> Geld.</p></div>
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-</div>
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-End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht
- Zweiter Theil (von 2), by Julian Chownitz
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-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ZWEITER THEIL ***
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