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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Erster Theil (von 2) - -Author: Julian Chownitz - -Release Date: October 5, 2016 [EBook #53217] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ERSTER THEIL *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen Ausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung - und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend - korrigiert. - - Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, - insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder - im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate - sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne - unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt. - - Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt. - - Für die von der im Originaltext verwendeten Frakturschrift - abweichenden Schriftschnitte wurden die folgenden Sonderzeichen - verwendet: - - gesperrt: +Pluszeichen+ - Antiqua: _Unterstriche_ - - #################################################################### - - - - - Cölestine, - - oder - - der eheliche Verdacht. - - Von - - Julian Chownitz, - - Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin, - Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von - Sternfels u. s. w. - - Erster Theil. - - Mit 3 Illustrationen. - - [Illustration] - - Leipzig, - Verlag von Franz Peter. - - 1842. - - - - - Gedruckt bei +Friedrich Andrä+. - - - - - Meinen Freunden - - Carl Herloßsohn - - und - - Eduard Maria Oettinger - - gewidmet. - - - - - Cölestine, - oder - der eheliche Verdacht. - - - - -Inhaltsverzeichnis. - - - Erstes Kapitel. - Eine Morgenszene auf dem Wasserglacis. 3 - - Zweites Kapitel. - Cölestine von Randow und Alexander von A--x. 31 - - Drittes Kapitel. - Die Trauung. 44 - - Viertes Kapitel. - Der Hochzeitsball. 55 - - Fünftes Kapitel. - Einige Lebensszenen. 85 - - Sechstes Kapitel. - Die ersten Tage eines jungen Ehepaars. 113 - - Siebentes Kapitel. - Ein _Tête à tête_ -- jedoch kein zärtliches. 136 - - Achtes Kapitel. - Der Chevalier von Marsan. 155 - - Neuntes Kapitel. - Die Thorheiten der Welt und die Leidenschaften des Herzens. 171 - - Zehntes Kapitel. - Ernste und heitere Zwischenszenen. 195 - - Elftes Kapitel. - Die beiden Gatten und der Verdacht. 231 - - Zwölftes Kapitel. - Die Beweise der Untreue. 261 - - Dreizehntes Kapitel. - Neue Proben -- neue Beweise. 285 - - Vierzehntes Kapitel. - Die Morgenszene nach dem vorigen Tage. 322 - - Fünfzehntes Kapitel. - Abend und Nacht. 334 - - - - -Erstes Kapitel. - -Eine Morgenszene auf dem Wasserglacis. - - -Die Morgensonne leuchtete mit goldener Klarheit über der schönen und -großen Stadt Wien. - -Es ist das Wasserglacis wohin wir uns zum Eingange dieser Erzählung -versetzt sehen. Sie kennen doch das Wasserglacis, meine liebenswürdigen -Leserinnen, oder mindestens haben Sie davon bereits gehört; Sie wissen -also so viel als nöthig ist, nämlich: daß dieses Wasserglacis am -Morgen und Vormittags einen der lieblichsten, der herrlichsten Plätze -Wiens bildet -- des Nachmittags und zur Abendzeit hingegen unter -die abscheulichen und vermeidenswerthen Punkte der großen deutschen -Metropole gehört -- dies, meine holden Leserinnen, werden Sie wohl -schon gehört haben. -- O schreckliche Wasserglacis-Nachmittage -- -da sich dort parfumirte Ladendiener, geniale Vagabonden, gutmüthige -Limonadetrinker und buntbetakelte alte Kokotten versammeln, in deren -Reihen sich einige honette Menschen verirren, wie Fettaugen in eine -Gasthaussuppe! -- Wie oft hat man das Wasserglacis mit dem Volksgarten -in eine Linie zu stellen versucht und diesen letzteren den Bruder von -jenem genannt! Ach, das war ein schmähliches Unrecht, welches man -dem ehrenwerthen Volksgarten anthat. In diesem hat zu jeder Zeit das -bessere -- um nicht geradezu zu sagen: das edlere -- Element überwogen, -was man vom Wasserglacis und dessen Abendunterhaltungen nicht sagen -kann -- außer, wir wiederholen es, am Morgen und dann noch allenfalls -an gewissen Tagen, wenn nämlich von dem Entrepreneur eine Barriere rund -um den Platz herum gezogen wird, welches das einzige Mittel ist, (nicht -gewisse Leute abzuhalten, sondern) bessere Gesellschaft anzuziehen. - -Zur Zeit des Frühjahrs werden jeden Tag hübsche Konzerte auf dem -Wasserglacis abgehalten. Hieher strömen dann von der vornehmen und -mittleren Welt alle Diejenigen, welche eine Morgenpromenade machen, das -Frühstück im Freien nehmen, irgend eine Negotiation bei einem Glase -Champagner verrichten oder aber -- jetzt hat dieser Ort sogar seine -ehrwürdige Seite -- Mineralwasser trinken wollen, denn mit letzterem -Artikel ist man hier in allen Sorten versehen. - --- Es war an einem eben solchen Vormittage, als zwei Herren, deren -einer älter, der andere noch ein Jüngling war, in raschen Schritten -und eifrigem Gespräche sich dem Etablissement näherten und ungefähr -in der Mitte desselben an einem kleinen Tische Platz nahmen. Zufällig -oder absichtlich hatten sie sich in den am stärksten bevölkerten Theil -des Ortes begeben, was jedoch -- sollte es mit Vorsatz geschehen sein --- nur durch den ältern Herrn bewirkt worden war, denn sein junger -Begleiter schien seit einigen Augenblicken in tiefes Nachsinnen zu -versinken. - -Um die Gestalt der Beiden zu schildern, werden wenige Striche genügen. -Der Aeltere, ein Mann von 50 bis 60 Jahren, ließ auf den ersten Anblick -merken, daß es ihm vor Allem darum zu thun sei, so jung als möglich zu -scheinen. Es war dies mit einem Worte einer jener greisen Stutzer und -Liebesritter, von welchen die Residenzen wimmeln -- namentlich seit -dort die Schneider, die Friseure, die Zahnärzte und noch manche andere -Künstler so große Fortschritte in ihren resp. Fächern gemacht haben. -Unser alter Adonis war mittlerer Statur und ausnehmend wohlbeleibt, was -weder seinen engen Kleidern noch dem Gurte, welchen er merkbarer Weise -unter seinen Kleidern um die Taille oder vielmehr um den Bauch trug -- -noch auch dem Mieder in seiner Weste gelang, zu verbergen. Sein Gesicht -glänzte von Gesundheit, Verliebtheit und jener Schlauheit -- die sich -selbst betrügt; auf dem Kopfe trug er eine kostbare schwarze Perücke, -die von seinem rothen Gesichte abstach wie ein Rabe neben einem Papagei --- -- welchen Kontrast unser Mann jedoch dadurch zu vermitteln suchte, -daß er seinen weißen Schnurbart (er trug einen Schnurbart!), und sogar -seine Augenbraunen schwarz färbte. Es läßt sich denken, daß er stets -nach der herrschenden Mode gekleidet war, auch Stock und Lorgnette -trug, letztere um jede Dame zu begucken, ersteren um seinem ein wenig -watschelnden Gange mehr Eleganz zu geben. - -Was den jungen Mann betrifft, so wird es hinreichen, einstweilen zu -bemerken, daß er ein schöner, schlanker, etwas bleicher Jüngling -war, an welchem man weder eine Tugend noch einen Fehler mehr bemerken -konnte, als an andern schönen, schlanken und bleichen Jünglingen. Nur -melancholisch schien der Arme! Ach, er schien sehr melancholisch. - -Einige Zeit hindurch herrschte zwischen beiden tiefe Stille. Der alte -Seladon hatte mit seiner Lorgnette vollauf zu thun; er besah sich alle -Frauen ringsherum, eine nach der andern -- manche zwei, drei Mal, und -dabei schnalzte er zeitweise leise mit der Zunge, lächelte verschmitzt -und strich sich vorsichtig den gefärbten Schnurbart. Endlich blieb sein -kleines Aeuglein mit sichtbarem Vergnügen auf einer von den anwesenden -Damen haften und jetzt ließ er ein leises Husten vernehmen. - -Dies brachte den Anderen aus dessen Träumereien. Er wandte sich nach -dem Alten und sprach: „Also wirklich verhält es sich so, wie Sie mir -vorhin erzählten? Wirklich? -- -- Nein, nein, ich kann es noch nicht -glauben. +Cölestine von Randow+ hätte die Absicht, jenem Menschen -ihre Hand zu geben, wie? --“ - -„Nicht blos: Sie hätte, bester Freund! Sie +hat+, sie +hat+ -die Absicht, mein Lieber! Sie +hat+, sag’ ich -- und setze noch -hinzu: ihm höchstwahrscheinlich die Hand schon +gegeben+.“ Hier -schwieg der Alte und fuhr auf seinem Sitze ungeduldig hin und her, weil -sich zwischen ihn und seinen Gegenstand Jemand gestellt hatte, so daß -er zu jenem durch seine Lorgnette nicht hinüber sehen konnte. - -„Aber“ fuhr der Jüngling fort: „das ist ja ganz unmöglich! Sie sprechen -da eine Absurdität aus, lieber Althing. -- Es ist unmöglich, sag’ ich! -ich kann es nicht glauben.“ - -Ohne sich an diese Rede zu kehren, rief der Seladon, der nunmehr wieder -sein _vis à vis_ sah: „Ach! Ach! Welche Formen! Welch herrlicher -Wuchs! Welcher Gliederbau! Welche Taille -- -- und besonders, welches -göttliche Gesicht! -- Wahrhaftig, das ist eine Juno -- oder nein eher -noch eine Venus.... eine.... eine.... Allein, wer ist dort jener -junge Gelbschnabel, der sich beständig an sie drängt? Offenbar mag -sie nichts von ihm wissen -- -- und hat ihre Blicke beständig hierher -nach mir gerichtet. O, glücklicher Althing! Du bist noch immer jener -große Besieger der Weiberherzen........ Allein, bei Gott, +diese+ -verdient Dich auch im vollsten Maße.“ - -„Von wem reden Sie, Althing?“ erhob der Jüngling jetzt Kopf und Stimme: -„Reden Sie von Cölestine von Randow?“ - -„Ei bewahre!“ entgegnete der Andere lachend: „Ich rede -- -- sehen Sie -denn nicht +dort+, meine Göttin +dort+ -- von ihr +dort+ -rede ich -- -- sehen Sie +dort+ -- +dort+ -- bester Baron! -+dort+ sehen Sie sie, bester +Leuben+!... Ha, beim Himmel! so -eben hat sie mir einen Blick zugeworfen; einen Blick sag’ ich Ihnen! -Haben Sie ihn denn nicht bemerkt?“ - -+Leuben+, denn so hieß der Jüngling, hatte schon wieder das Haupt -auf die Brust fallen lassen und fragte jetzt eintönig: - -„Und Sie wissen es also wirklich?“ - -„Es ist so klar, wie die Sonne. Ueberzeugen Sie sich doch selbst, mein -theurer Freund.“ - -„Man hat es Ihnen also nicht blos gesagt? Sie haben es nicht blos vom -Hörensagen --?“ - -„Ei, was fällt Ihnen da ein, köstlichster Leuben! Vom Hörensagen! -- -Ich wiederhole Ihnen: diese meine eigenen Augen haben es gesehen, diese -Augen hier, verstehen Sie mich? und Sie wissen doch, ich habe ein Paar -Augen wie ein Adler, wiewohl, ohne daß ich darauf eitel wäre, auch noch -von manchen andern Vorzügen meiner Gestalt die Rede sein könnte. -- -Allein...“ - -Der junge Mann stieß hier, als ganze Antwort darauf, einen schweren -Seufzer aus, und als der einsammelnde Kassirer des Orchesters herbei -trat, um seinen Groschen zu verlangen, warf Leuben ihm in der -Zerstreuung einen Dukaten hin, was sonst für einen Morellischen Walzer -doch wohl ein zu hoher Preis sein dürfte. - -Mit einem Male fing Althing wieder an: „Ach! Ach! bei Gott -- das -ist zu stark! das war ein Blick so feurig wie eine Bombe! Du hast -nicht nöthig, holde Zauberin, mein Herz mit so schwerem Geschütze zu -bestürmen: es hat Dir seine Thore längst schon aufgethan. -- Abermals! -Abermals! -- Ach, ich sehe, Du bist rasend in Deiner Zuneigung zu mir! -Nun ja, Du bist ja erhört! -- Ha! auch noch mit dem Fächer winkst Du -mir? --“ - -„Wie?“ fiel Leuben träumerisch ein, „Sie hat Ihnen mit dem Fächer -gewinkt?“ - -„Und das so stark -- wie eine türkische Sultanin -- hehehe! Das war -aber Alles nicht nöthig!“ - -„Und dies Alles sagen Sie mir, mit so kaltem Blute -- -- mir mir?“ - -„Mein Gott, was soll ich thun? Kann ich’s denn ändern? Ich habe nun -einmal schon das Fatum, liebenswürdig zu sein! Was kann man für seine -Vorzüge, seine Eigenschaften!?“ - -„Alle Teufel! es wird mir endlich zu toll!“ rief der Jüngling jetzt aus -und erhob sich rasch von seinem Sitze. „Mein Herr“ sagte er in einem -Tone, der auf halbe Sinnesabwesenheit schließen ließ: „es ist Alles -möglich, es kann Alles wahr sein, was Sie da erzählen. Wer kennt die -Weiber und ihre Launen, ihre Leidenschaften! Es ist bereits da gewesen, -daß eine Hebe sich in einen Vulkan verliebt hat -- -- und demnach -kann es auch bei Ihnen wiederkehren. Allein was brauche ich dieses zu -wissen? Wollen Sie mich kränken oder beleidigen? Wenn dies der Fall, -so erfahren Sie, daß ich weder zu dem Einen noch zu dem Andern ruhig -zusehen werde.... Ja, ja, ich weiß, jenes Mädchen, jenes Geschöpf ist -ein weiblicher Dämon, den wenigstens ich nicht verstehe: tugendhaft, -streng, unbefleckt -- -- und zugleich eitel, gefallsüchtig und noch -Gott weiß was. Allein wenn ich von ihr, wenn ich von diesem Mädchen, -die mir Alles war, auch noch so Manches hätte denken müssen, das Eine, -fürwahr -- das Eine wäre mir nie beigefallen: daß ein so junger und -holder Engel fähig sei, einem alten Subjekt +Ihrer+ Art Gehör zu -geben, während sie mich....“ - -Hier hatte sich jedoch bereits auch Herr von Althing erhoben und in -Positur gestellt. Zuerst schlug er mit seinem Fuße, woran sich ein -klirrender Sporn befand, gewaltig gegen den Boden, dann stemmte er -sich auf seinen Stock und endlich fing er mit einer Stimme an, die -furchtbar sein sollte: „Wie mich dünkt, so haben jetzt Sie, mein bester -Leuben, jene Absicht, welche Sie mir zuvor untergeschoben, nämlich -zu beleidigen.... Mindestens begreife ich nicht, was sonst Worte -wie: „ein altes Subjekt“ u. s. w., wie Sie solche so eben gegen mich -gebrauchten, zu bedeuten hätten.... Wenn nun dies wirklich der Fall -sein sollte....“ - -„Nun?“ lächelte Leuben spöttisch: „wenn es der Fall sein sollte?“ - -„Dann, dann“ polterte Althing und gab sich ungeheure Mühe, so wild als -möglich die Augen zu rollen: „dann muß ich ihnen sagen, daß --“ - -„Weiter, weiter!“ - -„Daß ich das nicht -- -- -- -- begreifen kann.“ - -„Wie, Sie können es nicht begreifen, daß mich Ihre verdammte -Liebesgeschichte in Wuth bringt?“ - -„Aber mein Gott, ist es meine Schuld, wenn man mich liebt, wenn man -wahnsinnig vernarrt in mich ist? Sie wissen doch, wie ich die Weiber zu -behandeln pflege -- und doch ist diese da eine solche Närrin.....“ - -„Ha!“ schrie der Jüngling nun und das Aussehen, welches in der Umgebung -entstanden war, vergrößerte sich von Augenblick zu Augenblick: „ha! Sie -wagen es, mein Herr?“ - -„Allein, mein Himmel -- ich begreife nicht, warum Sie sich so ereifern, -Leuben. -- Was gehen Sie meine Liebschaften, meine Eroberungen, meine -Siege an --?“ - -„Elender -- so wissen Sie nicht, daß ich Cölestine von Randow liebe, -wie ein Wahnsinniger, wie ein Wüthender!?“ - -„Nun -- und weiter?“ - -„Weiter? Noch weiter?“ - -„Nun ja, wozu erzählen Sie das mir? Weiß ich es denn nicht?“ - -„Nun ja -- eben darum; und doch sprachen Sie eben --“ - -„Von --? --“ - -„Cölestine!“ - -„Ich? -- Nicht eine Silbe.“ - -„Von wem also denn?“ - -„Ei -- alle Wetter! von jenem allerliebsten Brünettchen, die dort -_vis à vis_ von mir, in der dritten Reihe, sehen Sie -- mit Mutter -und Vater sitzt. Von ihr, von ihr, die, wenn mich mein Kennerblick -nicht ganz täuscht, eine kleine Bäckerstochter aus der Wipplinger -Straße ist.... von ihr sprach ich, mein Freund, und nicht von -Cölestine!“ - -„Hahahaha! Hahahaha!“ erhob jetzt der früher so düstere Leuben ein -schallendes Gelächter: „hahahaha! Ist das das Ganze?“ - -„Das Ganze! Hahahaha!“ lachte der alte Ritter mit. - -„Ein Mißverständniß also? Beim Himmel! das müssen Sie mir verzeihen, -theuerster Althing!“ - -„Nun, nun es ist längst verziehen, verlassen Sie sich d’rauf. -Uebrigens -- da wir uns in dem anstrengenden Diskours beinahe die -Kehlen ausgedörrt haben, so dürfte, wie mich dünkt, eine Flasche -Tokaier oder so etwas dergleichen kein unebenes Anfeuchtungs- und -Restaurationsmittel sein. Daher: Marqueur! Holla! -- Johann! Oder wie -der Bursche sonst heißt.“ - -„Befehlen Euer Gnaden? Schaffen Euer Gnaden! Womit können wir -aufwarten?“ - -Mit diesen Worten und tiefen Katzenbuckeln waren zwei bis drei -Aufwärter herbeigesprungen, so flink, so behend, so lustig, daß ein -norddeutscher Kellner sich nicht einmal eine blasse Idee davon zu -machen im Stande ist. - -„Wie steht es mit Eurem Keller?“ nahm Althing das Wort: „Habt Ihr guten -Tokaier? Was?“ - -„Aufzuwarten, Euer Gnaden. Er ist aus dem Keller Sr. Durchlaucht des -Fürsten -- --“ - -„Ach, wenn das ist, dann behaltet denselben für Euch; der Tokaier, -welcher unter diesem Namen passirt, ist häufig der schlechteste. Es -geht damit, wie mit den schlechten Büchern, die ein Verleger dadurch an -den Mann zu bringen sucht, daß er zu denselben Vorreden von berühmten -Literaten schreiben läßt. Also mit dem Tokaier ist es nichts; dafür -bringst Du uns Champagner und zwar _non mousseux_. -- --“ - -„Zu dienen, Euer Gnaden! Im Augenblick, Euer Gnaden!“ - -Und diese Leute sprangen wieder wie die Hirsche davon, so daß es wie -eine Art von Jagdvergnügen war, ihnen zuzusehen. - -„Ei, ei! -- Schon wieder! -- Das war noch deutlicher, als alles -Frühere! -- Jetzt winkte sie mir gar mit dem Finger und deutete auf -ihre Mutter neben sich, gleichsam als wollte sie sagen: Diese da genirt -unser Zusammentreffen, du mein holder Mann! -- Nun, fürwahr, die hat -an mir complett einen Narren gegessen.... Mein Gott, das ist jedoch -für Unsereins etwas ganz Alltägliches.... Ha! da fällt mir etwas ein. -Wissen Sie, was ich thun will, Leuben? Ich will jene verliebte Hexe -noch rasender verliebt in mich machen -- und zwar dadurch, daß ich -dieselbe eifersüchtig mache. O, ich bin in diesen Dingen erfahren! -- -Also rasch auf irgend eine Zweite deine Blicke geworfen, Freund Althing --- und sie wird wahnsinnig, sie wird unglücklich! -- O, in dieser -Beziehung bin ich ein ganz herzloser Gesell! -- Allein man muß es bei -dieser Zeit auch sein -- sonst kommt man nicht fort. Nur den Ungeheuern -in der Liebe sind die Weiber treu. Je beständiger man ist, desto -wankender sind sie.... je gleichgültiger, um so mehr entbrennen sie für -uns.... Meiner Treu, ich werde mich darüber weiter auslassen, wenn ich -erst meine Memoiren unter dem Titel: „Casanova II.“ herausgebe....“ - -Der alte Schwätzer wäre noch lange in dieser Weise fortgefahren, indem -er dabei seine lüsternen Blicke immerwährend von der einen seiner -Auserkornen zur andern gehen ließ -- -- allein jetzt plötzlich schien -er von einem neuen Anblick überrascht und mit lauter Stimme rief er -aus: „Ah -- da kommt unser theurer Freund +Edmund von Randow+!... -Ah, das ist wirklich schön! Der Bursche ist mir so zu sagen ans Herz -gewachsen: es ist ein köstlicher Junge, der Edmund.“ - -Die Person, von welcher Althing also deklamirte, näherte sich in -raschen Schritten und verdoppelte dieselben noch, sobald sie die Zwei -ansichtig wurde. Man denke sich einen jungen eleganten Mann von guter -aber etwas leichtfertiger Haltung -- dessen lachendes Auge kühn oder -nach Umständen auch frech den Leuten bis zwischen die Zahnreihen sieht, -dieser junge Mensch, ein Liedchen summend, eilte jetzt durch die Reihen -der Gäste hin, indem er Diesem auf den Fuß trat, Jenen am Ellbogen -anstieß -- und auf alle Mahnungen die hierauf erfolgten nichts that, -als daß er mit seiner dünnen Reitgerte in der Luft umherfocht, als -wollte er Mücken vertreiben. - -„Haha!“ ließ er sich mit einem Male so laut vernehmen, daß man es gewiß -bis zum Zeughause hören konnte: „da sitzen sie ja beisammen die zwei -Freunde, die zwei Kameraden..... Ach! und welche Blicke dieser alte -Sünder wieder um sich herum wirft....“ - -In diesem Augenblick war er zu ihnen gelangt und ohne Weiteres -warf er sich auf einen Stuhl, griff nach einer von den bereits -herbeigeschafften Flaschen und schenkte sich ein Glas Champagner -ein, das er auf einen Zug leerte; -- dann streckte er die Beine von -sich, erhob die Reitgerte und versetzte damit seinem Nachbar, dem -Liebesritter Althing, einen leichten Schlag auf die Knie: „Nun, wie -geht es? Was macht Ihr da? Was machen die holden Fräuleins -- und wie -viele hat ihrer dieser große Verführer bereits in einem Augenblick -erobert? --“ - -Diese Apostrophe schien dem alten Seladon zu schmeicheln und mit den -Lippen schmatzend versetzte er in geheimnißvollem Tone: „Bis jetzt ist -es nur Eine -- -- aber diese kann für Tausend gelten, hahaha!“ - -„Wirklich?“ rief Edmund: „Das muß in der That ein kleines Weltwunder -sein.... Nun und wo sitzt denn diese Helena -- mein lieber Alter..?“ - -„Ich habe“ versetzte dieser mit gekränktem Tone -- „Dich bereits zu oft -gebeten, mich nicht „mein lieber +Alter+“ zu nennen; denn erstens bin -ich noch in meinen besten Jahren -- zwischen 30 und 40 -- und zweitens -haben wir uns, was man so sagt, conservirt -- -- endlich drittens -- --“ - -Er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein neuer +Fall+, den man -wirklich +Fall+ nennen konnte, sich ereignete; Edmund hatte nämlich -seine Beine so weit ausgestreckt, daß ein Aufwärter, welcher eben mit -einer Platte voll Confituren und Getränken vorübereilte und die sehr -vernünftige Absicht hatte, auszuweichen -- so unvernünftig war, es ein -wenig allzu rasch thun zu wollen -- solchergestalt mit seiner Platte -hinfiel und den ganzen Inhalt der Gläser auf Edmunds Beinkleider und -Althings Stiefel ausgoß -- das Uebrige vermälte sich mit dem Staube -auf dem Boden und wurde von zwei herbeieilenden Knaben und drei Hunden -in friedfertiger Weise getheilt. Edmund lachte wie toll über das, was -er „Impromptu“ nannte -- hingegen war Althing über die Vertilgung des -Glanzes auf seinen Stiefeln so untröstlich, daß er dem unseligen -Aufwärter nicht nur einen Schimpfnamen nach dem andern -- sondern zum -Beschluß auch noch einen Tritt auf einen gewissen Theil des Körpers -versetzte; eine Mode, die in Wien eben nicht ungewöhnlich ist, während -man dergleichen Divertissements der großen Herrn in dem ganzen übrigen -Europa bereits längst abgeschafft hat. - -Die Unterhaltung erhielt demnach eine bedeutende Lücke, wenigstens in -ihrer conversationellen Seite; das war jedoch Keinem angenehmer als -unserm bleichen, melancholischen Freunde, unserm armen Freunde Leuben, -der, während hier Alles lachte, auch nicht einmal das Gesicht verzog. - -„Alle Donner!“ schrie Althing -- „ich bin für diesen Augenblick -ruinirt; meine Toilette ist hin! Und es ist doch ein so wichtiger -Augenblick.... Jene kleine Brünette! -- Jene, die ich schon besiegt -hatte, kraft der Gewalt meiner Physiognomie, -- wer weiß, ob sie nicht -Anstoß nimmt an ungewichsten Stiefeln! O nichtswürdiger Marqueur! -Dummkopf von einem Aufwärter -- ich könnte Dich --“ - -Mittlerweile hatte Edmund dem armseligen Marqueur, dem all dies Unglück -galt und der da stand vor seinen zerbrochenen Tassen und Gläsern wie -Niobe, die ihren verfolgten Töchtern nachsieht, -- diesem Unglücksmanne -hatte der leichtfertige Edmund eine Banknote zugeworfen, die wohl den -dreifachen Werth des Schadens enthalten mochte und daher ein ganz -respektables Schmerzensgeld war. Der Unglücksmann verbeugte sich bis -zu seinem Bauche und würde sich noch tiefer verbeugt haben, hätten ihn -seine geschundenen Glieder daran nicht gehindert. - -„Nun, bist Du zufrieden?“ rief Edmund. - -„Vollkommen!“ versetzte der Kerl: „Wenn Euer Gnaden wieder ein ander -Mal schaffen[A], so brauchen Sie mir’s nur sagen zu lassen. --“ - -Diese Replik versetzte Alles in heitre Laune, so daß sogar Leuben eine -Anwandlung davon bekam; erst jetzt erwiderte er den Gruß Edmunds; doch -plötzlich blieb sein Auge mit einem heftigen fieberhaften Ausdrucke -auf demselben haften und ein leises Zucken der Lippen schien die -gewaltsamen Gedanken, welche sich gerne in Worten Bahn brechen wollten, -anzuzeigen. - -„Was haben Sie, mein bester Leuben?“ fragte der Andere: „Was ist Ihnen? -Sie sind heute bei sehr schlimmer Laune, wie ich merke -- und ich -finde deshalb den Einfall köstlich, sich dieselbe gleich am Morgen mit -Champagner zu vertrinken.“ - -„O“ fiel der alte Dicke ein: „dieser Champagner hat etwas ganz Anderes -zu bedeuten. Es ist ein Versöhnungstrank -- eine Libation; denn wir -hatten ein Rencontre, bevor Du kamst -- und wenig fehlte, so hätten wir -einander die Hälse gebrochen.“ - -Edmund schlug ein unsinniges Gelächter auf. „Wie -- ein Rencontre? -einen Streit? -- Seid Ihr denn verrückt? Zwei alte Freunde und ein -Streit!.. Macht doch keinen Narren aus mir.“ - -„Nein, nein, in vollem Ernste gesprochen, Du kannst Dich darauf -verlassen -- -- und überdies, was hindert uns, Dir den Inhalt des -Streites mitzutheilen. -- Ohnehin betrifft er ja in entfernterer Weise -sogar Dich. --“ - -„Wie?“ schrie jetzt Edmund aus Leibeskräften: „Mich, mich, sagst Du, --- hahaha! -- Der Fall wird interessant -- doch bevor wir weiter gehn: -Marqueur, noch eine Bouteille von diesem rothen Champagner -- -- er ist -köstlich! -- -- So, und jetzt erzähle, mein Alter, erzähle!“ - -„Donnerwetter! noch ein Mal, Edmund, rede mich nicht immer so an, -+Alter+! darauf werde ich künftig nicht mehr hören; verstehst Du? ---“ - -„Also, mein Junge, wenn Dir dies lieber ist.“ - -„Das ist etwas Anderes. Ich verlange, wie Du weißt, nichts Unbilliges. -Ich könnte zehn Taufscheine beibringen, worin mein Alter von 30 bis 40 -Jahren bestätigt ist -- und --“ - -„Schon gut -- Alle Teufel! Wirst Du endlich zur Geschichte kommen, -verd-- Alter -- Althing wollt’ ich sagen.“ - -„Nun ja, so höre: es handelte sich um Deine Schwester Cölestine.“ - -Bei diesen Worten nahm der Roué Edmund einen so ernsten Ausdruck des -Gesichtes an, wie man ihn dessen nimmer fähig gehalten hätte: „Ueber -diesen Gegenstand“, sagte er mit Nachdruck -- „bitte ich Dich zu -schweigen, mein Freund, und erkläre Dir ein für alle Mal, daß ich -hierbei keinen Scherz verstehe.“ - -„Meinetwegen,“ bemerkte Althing; „was geht die Geschichte mich an? -- -Was mich betrifft, so will ich Dir gerne den Gefallen thun, darüber zu -schweigen; jedoch ist hier Einer....“ und hierbei deutete er auf Leuben. - -Edmund richtete sich auf; in der That schien jetzt dieser ganze Mensch -verändert -- die Lappen und Flitter der Liederlichkeit schienen alle -von ihm gefallen zu sein und er stand so würdig da, als irgend Einer. -Mit Ernst wandte er sich an seine beiden Gesellschafter: „Meine -Herren,“ sprach er, „es ist da von einer +Geschichte+ und dann von -Ihnen, Herr von +Leuben+, die Rede. Wollten Sie wohl die Güte haben, -mir hierüber einige nähere Aufklärung zu geben.“ - -Der junge Mann, dessen Namen er so eben genannt, hatte seinen festen, -durchdringenden Blick von ihm noch immer nicht abgekehrt. Jetzt -zitterte er an allen Gliedern -- und schien mit unaussprechlicher -Ungeduld den Moment erwartet zu haben, welcher so eben einbrach. - -„Reden Sie doch! Reden Sie doch!“ rief Edmund, bald zu Leuben, bald -wieder zu Althing gewendet, welch’ Letzterer, durch die Aufmerksamkeit, -die er seinem _vis à vis_, oder seiner Brünette, schenkte, gehindert, -hier am Tische nur mit halben Ohren zuhörte. - -„Werden Sie mir endlich sagen --?“ wiederholte Edmund so heftig, daß -der Dicke erschrack und nun rasch die Worte aussprach: - -„Aber mein Gott, welche Aufregung bei einer so kleinen Sache? Nun denn, -unser ganzes Gespräch, so weit es Ihre Schwester, Fräulein Cölestine, -betraf, drehte sich um die Frage: ob sie wirklich, wie man sich -erzählt, Braut geworden sei oder nicht. Das ist Alles.“ - -„Ja --“ wiederholte Leuben mit einer wilden, sonderbaren Unruhe: „ob -sie Braut geworden sei, darum handelte es sich, und dies können Sie, -Herr von Randow, uns mit der größten Bestimmtheit sagen.“ - -„Nun -- wenn es sonst nichts ist!“ entgegnete Edmund in munterem Tone, -„dann hatten wir freilich viel Lärmens um Nichts gemacht; denn es wird -Ihnen Beiden doch wohl einerlei sein, ob oder ob dies nicht der Fall -ist.“ - -„Nein, nein -- es ist uns keineswegs so ganz gleichgültig, wie Du -glaubst, mein Lieber,“ meinte Althing: „und so magst Du es uns nur -sagen, was die Sache Wahres enthält.“ - -„Nun denn -- Cölestine ist in der That die Braut des Grafen von A--x; -diese Angelegenheit ist bereits abgeschlossen.“ - -Ein fahler Lichtschein fuhr über Leubens Angesicht, dessen Blässe -jetzt eine todtenähnliche Farbe annahm. Dieser Mensch schien von -einem elektrischen Schlag bis ins tiefste Leben hinein getroffen zu -sein; die Veränderung, welche an ihm vorging, ward jedoch von keinem -seiner beiden Nachbarn bemerkt -- denn mit einer an’s Uebernatürliche -streifenden Gewalt schien er sich zu beherrschen. Er blieb auf seinem -Stuhle sitzen -- bewegungslos, antheillos, und bis auf seine wechselnde -Gesichtsfarbe, so unverändert, als wäre nichts vorgefallen. - -Bald darauf erhob man sich; Edmund hatte Besuche bei Freunden und im -Kaffeehause zu machen (er traf seine Freunde gewöhnlich an solchen -Orten); Althing beobachtete den so eben erfolgten Aufbruch seiner -„Brünette“ -- natürlich, daß er Willens war, ihr zu folgen; was endlich -Leuben betraf, so war demselben höchst wahrscheinlich wenig daran -gelegen, dem einen oder dem andern dieser Herren zu folgen -- und in -der That, wir sehen ihn auch alsbald nach einer leichten Begrüßung -sich einsam hinweg begeben und den Weg rechts nach den Vorstädten -- -vielleicht um in den nahen Garten des Fürsten Schwarzenberg zu gelangen --- einschlagen. - -Der Schwarzenberg-Garten ist ein allgemeiner Freund sowohl der -glücklich wie der unglücklich Liebenden. Beide bergen sich in seinem -Schatten. - -Althing und Edmund waren eine Strecke gegangen; da sie jedoch -verschiedene Ziele verfolgten, so trennten sie sich auch sehr bald -und unser dicker Adonis ging nun allein klirrenden Trittes Derjenigen -nach, welche, wie er glaubte, ihm so viele und so ausdrucksvolle -Liebeszeichen auf dem Wasserglacis gegeben -- und die, wie er nicht -zweifelte, sich auch jetzt nur erhoben hatte, damit sie endlich -ungestört mit ihm reden könnte. - -Aber welche Ueberraschung für unseren heißblütigen Ritter, als er sich -plötzlich von einem leisen Handschlage auf seiner Schulter berührt -fühlte und nun einen ihm unbekannten jungen Herrn hinter sich sah, der -folgende Worte zu ihm sprach: - -„Mein bester Herr -- ich rathe Ihnen, von der Verfolgung jener Dame -abzulassen, denn es würde Sie zu nichts führen und wahrhaftig, Sie -können Ihre Zeit auf andere Weise weit besser verwenden. Sollten Sie -Zweifel in meine Worte setzen, so werden diese bald zerstreut sein. -Blicken Sie mir gefälligst nach und überzeugen Sie sich, daß unter -diesem Monde nichts häufiger vorkommt, als der +Irrthum+... Man -glaubt den goldnen Schatz bereits mit der Hand zu erfassen -- in diesem -Augenblick jedoch entschlüpft er uns und im nächsten schon hat ihn -derjenige, für welchen er bestimmt war.“ - -Dies sprechend, lachte der Fremde unserm dicken Freunde so recht ins -Gesicht, verdoppelte seine Schritte, so daß er ihm bald vorkam und nach -wenigen Schritten sich dicht hinter jener Dame, jener Brünette befand. -Diese drehte sich rasch um, ließ ein Briefchen fallen, der Fremde hob -es mit einer bewundernswerthen Geschicklichkeit auf und -- bald war er -mit seinem Schatze hinter einer Hecke verschwunden. - -Herr von Althing blieb wie vom Donner gerührt auf dem Platze stehen --- schüttelte das Haupt -- ließ es ein wenig sinken -- stieß einen -schweren Seufzer aus und begab sich nach zwei Minuten Ueberlegung auf -den Rückweg, indem er vor sich hin murmelte: - -„Ei, ei, da glaubte ich ganz sicher zu sein. Meiner Treu, ich hätte -eher meinen Kopf verwettet, als so etwas zu glauben.... Da seh’ man -mal die Weiber an! Aber machen wir es mit ihnen denn besser? -- Also -Geduld, Freund Althing! -- Du hast so manches Herz gebrochen -- -- -gebiete dem deinigen jetzt Stillschweigen. Allons nach Hause! und neue -Toilette gemacht. Ich wette darauf, an diesem ganzen Unglück waren -meine begossenen Stiefel Schuld.“ - - - - -Zweites Kapitel. - -Cölestine von Randow und Alexander von A--x. - - -Cölestine von Randow war eine der reizendsten Jungfrauen der Residenz. -Ihre Familie gehörte zu den edelsten des Landes. Erst vor einem -Zeitraum von 100 Jahren aus Polen eingewandert, hatte der damalige -Stammhalter durch Dienste, die er dem Staate leistete, derselben -schnell eine der glänzendsten Stellungen zu verleihen gewußt. Doch -verlor unter seinem Sohne das Geschlecht wieder einen Theil seiner -Geltung und seines Vermögens, und erst den beiden Nachfolgern gelang es --- jene Fehler zu verbessern. Freilich ist ein Schade nicht so leicht -gehoben wie gemacht, und noch bis zum heutigen Tage empfand die Familie -Randow jene Nachwehen, die ihr von ihrem Großvater hinterlassen -worden waren. -- Ueberhaupt war es ein Familienfehler der Randow, den -fast jedes Glied derselben mehr oder minder theilte -- unüberlegt, ja -leichtsinnig zu sein, und wiewohl sie alle von Herz und Geist edel und -vortrefflich waren, so überwog in ihnen jenes Erbgebrechen oft so sehr, -daß dadurch alle andern und bessern Eigenschaften häufig in Schatten -gestellt wurden, wie dies z. B. gegenwärtig bei +Edmund+ von Randow, -dessen Charakter wir schon ziemlich deutlich bezeichnet zu haben -glauben, der Fall war. - -Was wir von Cölestine zu sagen haben, wird in Nachfolgendem bestehen. -Sie war, wie gesagt, eine der schönsten, der glänzendsten Erscheinungen -in der höheren Frauenwelt. Man begreift, daß, um in dem Kreise der -Schönheiten Wiens auf jene Benennung Anspruch zu haben, man weit über -den Verhältnissen eines gewöhnlichen Maaßes stehen müsse. In der -That war Cölestine so schön, daß man aus ihrem Bilde einen modernen -Canon für zeitgenössische Maler hätte machen können. Man stelle sich -eine zarte, schlanke, feine und doch im höchsten Grade plastische -Gestalt vor, als wäre sie aus einer Composition, die geschmeidiger als -Marmor und fester als Wachs ist, von einem neuen Pygmalion gebildet -worden.... Fürwahr, diese Frau schien nicht aus dem Alltagsmaterial, -woraus uns der liebe Gott schafft, zu bestehen! -- Das schmale Oval -des Gesichtes wies einen wie mattes Silber schimmernden Teint, der -so durchsichtig war, wie Florgewebe, und durch welchen an den Wangen -ein zart geschämiges Inkarnat, auf den Lippen aber das brennende Roth -der Granatblüthe durchdrang.... Diese mandelförmig geschnittenen -Augen mit der feurig dunklen Iris, die einen stechend schwarzen von -goldnem Schimmer durchwirkten Kreis bot -- diese schweren dunklen -Wimpern und diese dünnen gewölbten Brauen, die von Meistershand auf -die glatte, nicht allzu hohe Stirne gezeichnet schienen -- -- diese -feine, doch ein wenig gestülpte Nase, dieser nicht allzu kleine Mund, -der geschlossen von einem eigenen unaussprechlichen Zauber -- geöffnet -es jedoch in einem noch höheren Grade war -- da dann eine entzückende -Kindlichkeit daraus sprach (eben so wie er, geschlossen, Ernst und -Sinnigkeit ausdrückte) -- -- ferner dieses Kinn vom reinsten Ebenmaße, -welches an einen Hals grenzte, der zugleich schlank und kräftig war.... -wenn wir zu all diesem noch den prachtvollen, reichen Haarwuchs vom -tiefsten Schwarz hinzuthun, der wegen seiner Ueppigkeit und strotzenden -Fülle das Haupt nach hinten fast unverhältnißmäßig verlängerte, so -daß er jenem der alten Griechinnen glich: so haben wir im Grunde nur -erst einen Theil des reizenden Bildes Cölestinens gemalt. Es müßte -uns jedoch ein weit kunstreicherer Pinsel als der, welchen die Muse -unserer schwachen Hand anvertraut, zu Gebote stehen -- um Alles, Alles, -um jedes einzelne Attribut der Schönheit dieses Originals in den -vergänglichen Rahmen dieses Gemäldes zu fassen.... - -Gewöhnlich war der Ausdruck von Cölestinens Gesicht still und ernst, -ohne Trauer; zeitweise jedoch wurde er von einer Lebhaftigkeit und -jenem muntern Wesen durchstrahlt, das nur einer Französin und einer -Polin in so entzückender Weise eigen. Cölestine träumte und schwärmte -nicht -- sie emfang, sie faßte deutlich und zugleich tief auf; leicht -aber gab sie sich der Wirkung irgend einer ungewöhnlichen Erscheinung -in der Außenwelt hin und dann blitzte ihr dunkles Auge hell auf -- ihr -Mund öffnete sich -- ihre Lippe verzog sich zum Lachen, zum Spott, zum -Zorn, zur Zärtlichkeit, kurz zu dem Ausdruck jeder Empfindung. - -Man erzählte sich von ihren Kinderjahren, daß sie zu jener Zeit -ein kleiner Wildfang und dazu über alles Maß eitel gewesen sei. In -Wahrheit, die letztere Eigenschaft hatte sie bei sich noch immer nicht -gänzlich abgestellt, so große Mühe sie sich deswegen übrigens auch -gab. Sie wußte recht gut, daß Eitelkeit, Gefallsucht und leichter Sinn -ein so tüchtiges Gemüth und einen so glänzenden Geist, wie womit sie -ausgestattet war, entwürdigen, und gleichwohl ertappte sie sich -- -mißtrauisch wie sie war -- alle Tage wohl zehn Mal bei diesen Fehlern. -Sie zürnte dann mit sich, sie schmollte, sie bestrafte sich sogar.... -allein _naturam si furca etc._ - -Allein welcher Charakter ist frei von Mängeln und welches Geschöpf -tadellos in der Schöpfung? Ich mißtraue jenem Reinen und Fehlerlosen -gar gewaltig und würde, hätte ich die Wahl frei, mich zehntausend Mal -eher an diejenigen schließen, welche von irdischer Gebrechlichkeit -nicht frei sein wollen. -- O, der Mann, welcher Cölestine einst -besitzen sollte, hätte sich wahrhaftig in lautem Dankgebet an das -Schicksal dafür wenden sollen, daß es ihm ein solches Geschenk gewährt. - -Dieser Mann nun, von dem wir reden, dieser Glückliche, der Cölestine -als sein Weib in die Arme schließen sollte -- es war, wie wir schon -erfahren haben, der Graf von A--x. -- Sein Geschlecht war inländischen -Ursprungs und mindestens eben so glänzend wie jenes der Randow. Graf -Alexander von A--x (denn das ist sein Vorname) war keineswegs mehr -ein Jüngling; er stand im vollkräftigen Mannesalter von 36 Jahren -- --- und dieser Umstand war eine von den Ursachen, um derentwillen ihm -die achtzehnjährige Cölestine den Vorzug vor dem Heere ihrer andern, -theils stillen, theils ziemlich aufdringlichen Anbeter gegeben. -- -+Alexander+ bekleidete eine wichtige Stelle im Staatsdienste und -man glaubte ihn an dem Vertrauen hochmächtiger Personen betheiligt. -Er war ein düsterer, kalter, verschlossener, fast schwermüthiger -Charakter -- falls man ihn blos nach der Oberfläche beurtheilte.... -aber ach, welches Feuer von Liebe, welche Lava der Leidenschaft mochte -da tief unten auf dem Grunde der Seele glühen! -- Seine Gestalt war -männlich und kräftig; eine nicht allzu hohe aber derbe Statur würde -ihn als einen gewöhnlichen Kraftmenschen bezeichnet haben, wenn sein -farbloses oder vielmehr braungelbes Angesicht, in welchem zwei gewaltig -große, oft wildbewegte, oft düster starrende Augen wohnten -- durch -die mannigfachen Bewegungen, denen es zeitweise unterworfen war, nicht -auf ein höchst bewegtes Seelenleben würde gedeutet haben. Zwar wollte -die Welt damit -- ein wüstes und wildes Sinnenleben in Verbindung -bringen, welches der Graf in früheren Jahren und fremden südlichen -Ländern geführt haben sollte; allein Niemand konnte hierüber etwas -Bestimmtes sagen -- und so dürfen diese Behauptungen eben sowohl in das -Reich der Annahmen -- wie in jenes der Wirklichkeit gestellt werden. --- Mit Einem jedoch verhielt es sich vollkommen richtig, nämlich, -daß Graf Alexander in der Liebe von einer wahrhaft schrecklichen -Eifersucht verfolgt wurde -- wie man aus einem Verhältnisse, in welchem -er vor mehreren Jahren mit einer jungen liebenswürdigen Dame stand, -die bereits als seine Braut galt, wußte. -- Jene Dame war in Folge -eines Verdachts, den Alexander auf sie, die ganz unschuldig war, -geworfen, von ihm so tief in der Seele gekränkt worden, daß sie ihr -Schicksal nicht ertragen konnte und an der Seite des zu spät zur Reue -zurückkehrenden Bräutigams ihren Geist aushauchte. - -Seit dieser Zeit hatte Alexander absichtlich der Liebe widerstrebt --- er schien sich hieraus eine Buße gemacht zu haben. Doch in der -Nähe Cölestinens, wohin der Zufall ihn führte, und wo irgend ein -verhängnißvoller Zwang ihn festhielt, war er nicht länger fähig zu -widerstehen.... er faßte eine verzehrende Leidenschaft für das reizende -Wesen und trat mit einer unglaublich großen Anzahl von Mitbewerbern in -die Schranken. - -Trotzdem, daß Cölestine im Ganzen auch die Mitwerbung der Uebrigen -nicht ohne geheimes Vergnügen sehen mochte -- trotzdem, sagen wir, -daß sie, Gott weiß durch welche magische oder vielleicht auch ganz -natürliche und positive Mittel, jenen dichtgeschlossenen Verehrer-Kreis -(worunter es Einige von der glühendsten, ja von der wüthendsten Sorte -gab) beständig um sich erhielt: hatte doch entschiedenermaßen Graf -Alexander seit ziemlich lange her ihr Herz erworben, und endlich ward -ihm ihre Hand in feierlicher Form zugesagt. - -In der Zeit, mit welcher dieser Roman beginnt, gingen in allen Kreisen -der _haute crême_ Anzeigen folgenden Inhaltes herum: - - „Wir beehren uns, Ihnen anzuzeigen, daß am 15ten dieses Monats - unsere Tochter, Fräulein Cölestine von Randow, mit dem Herrn Grafen - Alexander von A--x, K. K. etc. etc. vermählt werden wird. Wir werden - nicht ermangeln, Ihnen das Weitere demnächst bekannt zu geben und - um die Auszeichnung Ihrer Gegenwart zu bitten. - -Wien am 9ten Mai 1842. - - Eugenie von Randow, - geborne Ernini von Kronau. - - Friedrich von Randow, - K. K. General-M.“ - -So war denn also über Cölestinens und Alexanders von A--x Verhältniß -kein Zweifel mehr -- man hatte die handgreiflichste Gewißheit. - -Als diese zu den früher so hoffnungsreichen, aber jetzt so jämmerlich -durchgefallenen Amateurs und Adorateurs Cölestinens gelangte -- da -schäumten Einige von ihnen vor Wuth, Andere sannen still auf Rache --- noch Andere verzweifelten -- und endlich Einige, (das waren die -Wenigsten, weil die Vernünftigsten), lachten über dieses Ende vom Liede --- gingen nach Hause, wuschen ihre Erinnerungen mit Rosenwasser ab -- -und traten als vollkommene Gentlemen wieder auf die Straße; denn es ist -der Grundzug des wahren Mannes von Welt - - _nil admirari,_ - -d. h. über Alles höchstens -- die Achsel zu zucken. - -Warum aber hatte Cölestine dem Grafen Alexander einen so entschiedenen -Vorzug vor so vielen Andern eingeräumt? -- -- Ach es ist schwer, -die Calcule der Liebe zu verfolgen. Die Liebe berechnet nach einem -dynamischen Zahlensysteme, wofür wir in der materiellen Welt keine -Zeichen haben. Wer kann sagen, warum Diese Jenen liebt und nicht den -Andern? -- Ja, das Beste dabei ist: wir selber können in den meisten -Fällen uns das von unserer eigenen Liebe nicht nachweisen. Mich dünkt, -Shakspeare hat es gesagt: Der Eine verliebt sich in die blauen Strümpfe -seiner Dame, ein Zweiter in ihren süßen Athem -- -- ein Dritter -findet in der Pupille ihres Auges eine Gottheit, die ihn zu ihren -Füßen hinreißt; oft ist ein Traum, in welchem uns eine bisher ganz -gleichgültige Person erscheint, hinreichend -- um uns in Wirklichkeit -mit rasender Liebe zu ihr hinzureißen; ja man hat Beispiele, daß uns -Jemand durch seine enorme Häßlichkeit eben so bezaubert, wie ein -anderer Jemand unsern Freund durch seine unaussprechliche Schönheit. - -Das sagt Shakspeare. Und sollte er es auch nicht sagen, so sage ich -es, was, wenn es gut gesagt sein sollte, die Sache am Ende auch nicht -schlimmer macht. - -Was nun Alexander und Cölestine betrifft, so ist es höchst -wahrscheinlich, daß die ernste, bedeutungsvolle, stolze und düstere -Männlichkeit des Grafen -- sie zu allererst zu ihm hinzog. -- -Solche ungewöhnliche tiefromantische und geheimnißvolle Charaktere -beschäftigen zu sehr die Neugierde der Weiber, als daß sie später nicht -auch deren ganze Seele herüberziehen sollten. Denn mag man dagegen -sagen, was man will -- Neugierde ist der erste Ring in der Kette -weiblicher Empfindungen; an ihm hangen die übrigen der Theilnahme, des -Mitleids, der Freude, der Furcht, der Hoffnung, der Freundschaft und -der Liebe. - -Ueberdies war Alexander, dieser stolze, selbstständige und geistreiche -Mann auch -- ein nicht unschöner Mann. Grund allein schon, ihn zu -lieben -- wenn er auch sonst nichts besessen hätte. Denn ist materielle -Schönheit an sich nicht schon hinreichend, ein Weiberherz, oft das -gebildetste und zarteste, zu besiegen? Wenigstens treffen wir täglich -auf Beispiele, die hierher gehören. In Rom hat erst kürzlich eine -jugendliche hochgeborne und hochgebildete Miß ihren -- Kutscher -geheirathet, und Madame Dudevant in Paris hat sich, wie man mir -erzählt, neulich in einen allerliebsten handfesten Ouvrier vernarrt, -wiewohl die große Schriftstellerin nachgerade im Begriffe steht, eine --- Matrone zu werden. - -Doch wohin verirre ich mich? Graf Alexander ist ja nicht in diese -Kategorie zu versetzen; aber man gelangt beim Raisonniren so leicht vom -Hundertsten in’s Tausendste, und dies darum: weil es in der Natur so -viele Aehnlichkeiten -- nahe und entfernte -- giebt. - -Genug an dem: sie hatten sich gefunden, sie hatten sich erreicht -- ein -Himmel voll Lust ging auf über ihren Häuptern und der Erdendämon des -Kummers zog grollend von dannen. Sie kannten ihn nicht mehr. - - - - -Drittes Kapitel. - -Die Trauung. - - -Der Vermählungstag erschien. Noch immer hatten die Neider und -Nebenbuhler sich geschmeichelt, er werde hinausgeschoben und so durch -irgend einen der zahllosen unberechenbaren Zufälle, auf die der -Mißgünstige hofft -- endlich gar vereitelt werden. Aber nichts von -dem Allen geschah. Es war mit diamantenen Buchstaben in dem Buche des -Lebens geschrieben: Cölestine sollte Alexanders Gemahlin sein. - -Als man nun nichts mehr dagegen thun konnte, ergab man sich ins -Schicksal -- jedoch mit einer Hölle im Herzen. -- - -Das Palais des Herrn von Randow lag in der --straße, innern Stadt. Man -nennt diese und noch eine Straße vorzugsweise die: aristokratischen, -weil sie aus einem Aggregat hochadeliger Wohnungen bestehen. Es ist -das Quartier: St. Germain Wiens, wiewohl im verjüngten Maßstabe, da -viele der größten Paläste der _haute volée_ in der ganzen Stadt -zerstreuet stehen. - -Seit vielen Jahren hatte im Palaste der Randow kein so reges Treiben -geherrscht, wie am heutigen Tage. Es ging und kam, es lief und rannte -Alles, was der Bewegung fähig war. Vom Haushofmeister herab bis zu dem -letzten Küchen- und Stalljungen hatten die Domestiken alle Hände voll -zu thun. Die Gänge, die Vorsäle, der Hof, Küche und Keller -- hier -wimmelte es von Menschen und menschenähnlichen Geschöpfen. - -Dagegen herrschte im Innern der Gemächer eine feierliche grandiose -Stille, wie denn ein kommendes Ereigniß von höhern Menschen immer mit -kalter Ruhe erwartet zu werden pflegt. - -Im großen Familiensaale stand die geschmückte Braut an der Seite ihres -Bräutigams, umgeben von ihren Angehörigen und einigen Freunden -- -und harrte des Augenblickes, der sie an die Stufen des Altars führen -würde. Die Trauung sollte in der Hauskapelle vollzogen werden und man -erwartete nur das Zeichen zum Aufbruch. - -Cölestine war ein wenig blässer als gewöhnlich und hierauf beschränkte -sich die ganze Veränderung ihrer Gestalt. Man konnte gewiß auch nicht -das leiseste Zeichen von Alteration auf ihrem Gesichte bemerken -- und -der Blick, mit welchem sie, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, auf -Alexander verweilte, war fest, mild und heiter. Es schien, als ob ein -namenloses Glück in ihr Herz eingezogen sei, von welchem sie jedoch der -Welt nichts verrathen wollte, da man nur insgeheim wahrhaft glücklich -ist. - -Wenn man dann noch den Grafen, ihren Bräutigam, anblickte, so mußte -uns anfangs die Aehnlichkeit, welche sich in der Seelenstimmung dieser -beiden Personen aussprach, lebhaft überraschen -- und man konnte nicht -umhin, sich zu gestehen: diese Beiden sind in der That für einander -bestimmt. Graf Alexander stand in diesem Augenblick mit gleichem -ruhigen Bewußtsein an ihrer Seite und auch er schien mit seinem Glück -vollständig abgeschlossen zu haben. Doch jenes Leuchten, welches wie -der Blitz momentan durch sein dunkles Auge zuckte, jedoch nur so -selten, daß es kaum Jemand bemerkte, sprach von einer Lust, die wilder -bewegt war, als sie es schien. - -Nur wenig von dem Allen fiel den Eltern Cölestinens auf. Ihre -Zufriedenheit über das Geschick ihrer geliebten Tochter war so groß, -daß ihr Augenmerk nur in diesem Kreise verweilte und nicht fähig war, -selbst zu verwandten Dingen hinaus zu treten. Eine freundlichere -Greisengestalt, wie die des Generals von Randow, konnte man sich nimmer -vorstellen; es war in ihr jene Mischung von adeligem und militärischem -Ritterthume vereint, die man auf den Bildern der Condé’s und ähnlicher -Heldenfamilien so gerne erblickt; hiezu kam noch ein unvertilglicher -Zug von Herzensgüte, die, wie wir wissen, ein Eigenthum aller -Familienglieder der Randow bildete -- und die überdies auch sonderbarer -Weise ein Attribut fast aller heroischer Charaktere ist und war. -- Die -Mutter Cölestinens, aus einem deutschen Hause entsprossen, war eine -der sanftmüthigsten und zartsinnigsten Seelen -- ein wahrer, echter, -niemals getrübter Tugendspiegel, das Muster einer Gattin und Mutter. -Seit einiger Zeit lebte sie nur in und für diese einzige Tochter, und -die Thränen, welche sie zum ersten Male im Leben vergossen hatte, waren -Freudenthränen über Cölestinens Glück. - -Es wird nicht eben nöthig sein, viel von den übrigen Personen zu -reden, welche theils als nächste Verwandte des Hauses, theils als -erbetene Zeugen das Brautpaar umgaben. -- Da stand eine +Gräfin von -Wollheim+ mit ihrem Gemahle, der ein großer Jäger war, während sie -zu den leidenschaftlichsten Mitgliedern des +Wohlthätigkeitsvereins -hoher Damen+ gehörte und alle Jahre mit eigenen Händen 6 Paar -grobwollner Strümpfe dazu strickte, die sie freilich viel leichter -für einige Groschen hätte kaufen können. Ferner war eine Frau von -+Porgenau+ ebenfalls mit Gemahl da, von welch’ letzterem man sich -allerlei schnurrige Geschichten erzählte. Er wollte für einen großen -Bonmotisten und Calembouristen gelten, und da hierzu sein Talent nicht -völlig ausreichte, griff er zu dem auch bei einigen andern Leuten -gebräuchlichen Mittel, daß er fremde Witze als eigene auftischte. -Achtbarer und hochverehrter als der alte -- Rath und Ritter einiger -Orden, Herr von +Labers+, konnte Keiner sein. Er zählte unter die -verdientesten Staatsmänner der Regierung und seine Anwesenheit allein -reichte hin, eine Gesellschaft auszuzeichnen. Er war einer von den -Trauungszeugen des Brautpaares. An seinem Arme führte er die bejahrte -Wittwe eines +Feldmarschall-Lieutenant E--z+, welche ebenfalls -eine Zeugin bei der Ceremonie abgab. Noch mehrere Gäste befanden -sich im Saale; jedoch ist es nicht unsere Absicht, sie hier alle -aufzuzählen, um so weniger, da dieselben im Verfolge dieser Geschichte -wohl nicht wieder auftreten dürften. - -Nur von Cölestinens Bruder, Edmund von Randow, müssen wir noch -sprechen. Natürlich, daß auch er sich im Kreise der Gesellschaft -befand. Ein Charakterzug, der an diesem leichtsinnigen Jüngling sehr -auffallend erschien, war eine so zärtliche Liebe für seine Schwester, -daß er in ihrer Nähe, man möchte sagen, einen ganz neuen Menschen -anzog; denn es gab dann keinen gefühlvolleren und liebenswürdigeren -jungen Mann, als wozu er sich Angesichts Cölestinens verwandelte. - -So stand denn Edmund jetzt auch schüchtern wie ein Mädchen neben -seiner Schwester, und wenn er einen Blick von ihr erhielt, wäre er vor -Seligkeit niedergesunken und hätte ihre Füße geküßt. - -Es ist in der That auffallend, und doch ist es vorgekommen, daß -zwischen Bruder und Schwester oft eine so romantische Liebe existirt, -wie man sie kaum zwischen Geliebten findet. Woher mag das kommen? -Ist es vielleicht einerseits die Anziehungskraft zwischen den beiden -Geschlechtern -- und anderseits die Macht jenes Naturgebots, welches -eine Scheidewand stellt zwischen Menschen, die ein Schoß gebar? -- -In diesem wechselnden anziehenden, abstoßenden Magnetismus ist gewiß -ein namenloser Reiz verborgen und es entspringt hieraus einer jener -romanesken Zustände, welche wir nur erleben, nicht schildern können. - -Endlich erschien der Hauskaplan im Chorhemd und Stola, um das Paar -vor die Stufen des Altars zu laden. Man trat sogleich durch einen -kurzen Corridor in das Heiligthum. Der Tisch des Herrn war festlich -geschmückt, helle Lichter brannten auf demselben und zwischen ihnen -glänzte auf silbernem Kreuze das schmerzvolle Bild des Erlösers. - -Der Priester stellte sich auf die oberste Altarsstufe und erwartete -hier, daß Diejenigen, denen er ein Sakrament der Kirche ertheilen -sollte, zu ihm kommen und darum bitten würden. -- So wurde denn -Cölestine von der Wittwe des Feldmarschall-Lieutenant E--z und ihren -Eltern, Graf Alexander aber von dem --Rath, Herrn von Labers, und -seinen Freunden dahin geführt. - -Mit fester Stimme ward beiderseits das „Ja“ gesprochen, die Ringe -gewechselt, die Stola schlang sich um die vereinigten Hände. - -Sie waren Mann und Weib. - -Edmund, der der Ceremonie von ferne zugesehen hatte, sank bei dem -letzteren Akte ohnmächtig in einen Betstuhl. - -Zu gleicher Zeit hörte man draußen einen Pistolenschuß fallen, und -wie man später erfuhr, hatte ein junger Mann, den man jedoch nicht -erkannte, den Versuch gemacht, sich selbst zu entleiben. Vor der -Trauungsfeier noch war er in der Nähe der Kapelle gesehen worden, -hatte sich aber irgendwo zu verstecken gewußt, so daß man ihn nicht -finden konnte. Nachdem der Schuß, welchen er gegen seinen Kopf zu thun -beabsichtigt hatte, durch irgend einen Umstand fehlgegangen war -- war -dieser Fremde wieder plötzlich verschwunden, ohne daß man wußte, wohin -er gerieth. -- Diese ganze Szene trug sich vor der Kapelle zu und war -von einigen Dienern des Hauses beobachtet worden. - -Ein heftiger Schrecken hatte sich beim Knall des Gewehres unter der -Gesellschaft in der Kapelle verbreitet. Man glaubte anfangs, es sei -nach dem Bräutigam oder gar nach der Braut geschossen worden. Indeß -erfuhr der General und seine Gemahlin sogleich das Wahre von der -Sache, und dem Brautpaar, so wie den übrigen Gästen sagte man: es sei -unvorhergesehenerweise das Gewehr eines Jägers im Hause losgegangen. - -Aber welches Entsetzen ergriff Alle, als sie in einem Betstuhle Edmund -leblos liegen sahen. Doch wieder beruhigte man sich, sobald man seinen -wahren Zustand entdeckte. Man kannte seine schwärmerische Neigung für -Cölestine. Aber war es diese Neigung, die ihn im Augenblick, als die -Schwester ihm auf immer entrissen werden sollte -- oder war es ein -Vorgefühl vor dem räthselhaften Schusse, -- welches ihn besinnungslos -hinstürzen ließ, wer kann es berechnen? - -Als endlich wieder Alles geordnet war, als man den Ohnmächtigen -wieder zu sich gebracht hatte, als er in den Armen seiner bräutlich -geschmückten Schwester vollends zum Leben erwacht war -- verließ der -Zug endlich die Kapelle und begab sich nach dem großen Familiensaale. -Cölestine empfing hier den Segen ihrer Eltern, die ersten Glückwünsche -der gegenwärtigen Gäste, so wie einige Geschenke ihrer Verwandten. - -Länger jedoch vermochte die Arme sich nicht aufrecht zu erhalten. Diese -Menschen, die sie umgaben, waren so gesund, wohlbehalten, ihnen war -nichts begegnet als ein gewöhnliches Fest -- -- hingegen auf Cölestine -waren so viele Ereignisse, oder vielmehr ein einziges großes, tausend -andere in sich fassendes Ereigniß, eingedrungen -- daß ihre ungewohnte -Brust den Druck desselben nicht länger zu ertragen vermochte. - -Cölestine begab sich mit ihrem Manne und ihrer Mutter nach einem andern -Gemache. - -Zurück blieben die Verwandten und Gäste, welche sich um den General -stellten und ihm jetzt dasselbe wiederholten, was sie früher -seiner Tochter gesagt hatten, nämlich Glückwünsche, Gratulationen, -Prophezeihungen und andere leere Sachen, an denen die Welt immer reich -sein wird, so lange es noch müßige Menschen und solche giebt, denen es -an Nichts oder an Wenigem fehlt; mögen dieselben hohen oder niedern -Standes sein, das ist einerlei. - - - - -Viertes Kapitel. - -Der Hochzeitsball. - - -Des Abends waren die Salons des Palastes glänzend erleuchtet. -Natürlich, man mußte ja einen Ball geben, ohne das läuft so was nimmer -ab. Wie hätte sonst die halbe Welt Gelegenheit haben sollen, die -ersten Augenblicke des Ehepaars mit jener schmählichen Neugierde zu -kontrolliren, welche Ihr -- Ihr armen braven Handwerksleute, Bürger -und Bauern nicht kennt. Gewisse Gebräuche und Sitten der _beau monde_ -hat die bloße, nackte Unverschämtheit erfunden -- und die herzlose -Fühllosigkeit sanktionirt sie und bringt dieselben in Ausübung. Hierher -gehört auch die Sitte, von welcher wir gegenwärtig sprechen. - -Wozu ein Ball, ein Fest, eine Versammlung nach der Vermählung? Sind -sich in diesen Stunden Mann und Weib nicht genug, halten sie sich denn -nicht zum ersten Male mit den Armen umschlungen, und sind diese nicht -noch kräftig genug, um fremder Stütze zu entbehren? -- Bei Gott, es ist -eine Perfidie -- mich unter dem Vorwande eines Gebrauchs -- von der -ersten Besitznahme meines Eigenthums zu trennen. Der erste Augenblick -ist ja der entzückendste, warum stört Ihr mich gerade jetzt? -- -- -- - -Oder sollen diese Gesellschaften am Tage der Vermählung soviel sagen, -als: von nun an wollen wir immer und so oft als irgend möglich zwischen -Euch treten und Euch die einsamen Augenblicke, die so süß sind, -rauben.... von nun an wollen wir es hindern, daß Ihr Euch so ganz -vereinigt, wie es in der Schrift geschrieben steht: ein Leib und eine -Seele. - --- Die Räume der Salons waren jetzt bereits so sehr angefüllt, daß -kaum mehr Platz da war für neue Gäste, und doch kamen deren immer mehr -und mehr. Namentlich Frauen waren mit ihren Männern in großer Menge -erschienen und auch junge Leute; weniger waren Mädchen zu bemerken, -die man von solchen Festen gerne ausschließt. - -Schon sammelte und sonderte man sich in Kreisen und Gruppen, schon -unterhielt man sich in jener halbleisen und halbschreienden Weise, -welche die Conversation der Leute vom guten Ton auszeichnet. Der -Gegenstand dieser Conversation, dieser Blicke, dieser Deutungen und -Zeichen war, wie natürlich -- Cölestine und ihr Mann. Ich weiß nicht, -ob noch irgend ein anderes menschenmögliches Ereigniß im Stande gewesen -wäre, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich zu ziehen, es müßte -denn allenfalls das Herabfallen der Decke des Salons gewesen sein. - -„Allein finden Sie nicht, beste N**, daß er beiweiten hübscher ist, als -wie man uns ihn beschrieb?“ - -„Gewiß, gewiß, meine Freundin: er kann sogar ein +schöner Mann+ -genannt werden.“ - -„Was sagen Sie zu seinem Benehmen, theure Gräfin V**? Finden Sie es -nicht ein wenig schroff? ungewöhnlich?“ - -„In der That -- ja.... indeß kleidet es ihn nicht schlecht, wie ich -glaube....“ - -„Ist er Ihnen schon einmal irgendwo vorgestellt worden, meine Beste?“ - -„Das nicht, kleine Freundin; jedoch habe ich ihn zeitweise bei der -Baronin von G--r getroffen, wo er sehr beliebt ist.“ - -„Es scheint mir unbegreiflich, daß dieser Mann beliebt sein könnte.“ - -„Warum nicht, liebste Beste! Sie thun ihm wahrhaftig Unrecht....“ - -„Ach -- wovon reden Sie da, meine schönen Damen?“ - -„Guten Abend, theure Freundin.... Sie sehen, wir reden von ihm....“ - -Und wer ist dieser Er und Ihm, und: +dieser Mann+? Wer sonst, als Graf -Alexander, der junge Ehemann, der so glücklich ist, von heute an für -zwölf volle Tage Stoff zu liefern für die Conversation der schönen Welt. - -Aber entgeht vielleicht Cölestine ihrem Schicksal? O, ein solcher Fall -ist noch nicht da gewesen. - -In einigen Gruppen, gebildet aus jungen Leuten und auch älteren -Gesellen, ist ein solches Flüstern und Lachen und Deuten (natürlich -bloß mit den Augen) zu bemerken, daß es die Umstehenden genieren -müßte, wären diese an dergleichen nicht gewöhnt. Man spricht nämlich -in diesen Gruppen von der schönen jungen Frau, ohne jedoch hierbei -außer Acht zu lassen, nebenbei auch über ihren Mann ein Wörtchen -hineinzumengen. In dieser Beziehung sind die Klatschereien der Herren -noch weit abscheulicher als jene der Damen, da hier in der Regel ihr -eigenes Geschlecht viel günstiger beurtheilt wird. Wir haben in jener -Damen-Unterhaltung, der wir vorhin beiwohnten, nur immer über den -+Gemahl+, über +Alexander+ reden gehört -- -- aber glaube Niemand, -daß er jetzt in der Herren-Unterhaltung, die wir sogleich besprechen -wollen, bloß den Namen Cölestinens zu hören bekommt; im Gegentheil wird -jener ihres Mannes tausend Mal genannt werden, und zwar nicht nur sein -Name, sondern auch sein Kopf, sein Hals, seine Brust, sein Arm, sein -Bein, sein Rock, sein Taschentuch. - -O über die männlichen Klatschschwestern! - -„Ach ja -- guter T*** -- Du findest diese Cölestine wirklich so -allerliebst? Ich bemerke so eben, daß sie eine abscheuliche Stumpfnase -hat.“ - -„Das deutet auf Herrschsucht und Trotz, meine Herren!“ - -„Um so besser. Der Herr Gemahl wird sich ihr trefflich fügen, denn wenn -ich nicht irre, so deutet sein hängender Backenbart ein großes Talent -zur Unterwürfigkeit an!“ - -„Hahahaha! hahahaha!“ - -„Ein vortrefflicher Einfall.... Er dürfte aus dem Munde des alten -+Porgenau+ kommen! -- hahaha!“ - -„O, dann wäre er gestohlen!“ - -„Schadet nichts! Gedanken sind keine Waare!“ - -„Allein -- wie finden Sie diese Haltung +ihres+ Kopfes? Der Kopf -an sich ist bewundernswürdig schön!“ - -„Jedoch entstellt ihn die übermäßige Coiffure.“ - -„Was man immer sagen mag: +sie+ ist eine der ersten Schönheiten -Wiens.“ - -„Gewiß! Vom ersten Wasser! Vom ersten Wasser!“ - -„Vom ersten Kaliber.“ - -„Still -- -- welcher Vergleich!“ - -„Die Zahl +ihrer+ Anbeter soll Legion gewesen sein.“ - -„Ich wenigstens gehörte nicht dazu.“ - -„Jedenfalls war dieser Graf Alexander der Glücklichste unter allen...“ - -„Oder eigentlich der Unglücklichste, wie man’s nehmen will...“ - -„Ach, ach -- ich denke, er ist an sich schon unglücklich genug; wenn -man die Physiognomie dieses Menschen betrachtet, so wird man finden, -daß dieselbe aus lauter Unglücken, oder deutscher: Unglücksfällen -zusammengesetzt ist...“ - -„Mäßigen Sie sich, Herr von G--r; denn da kommt eben die Schwiegermama, -und die scheint in Beziehung auf ihren Tochtermann entgegengesetzter -Meinung.“ - -Augenblicklich entstand in diesen Versammlungen eine musterhafte Stille -und die Gesichter der Herren, welche erst von Satyre und Ironie (aber -ziemlich erbärmlicher) überflossen, wiesen sich so freundlich süß, -wie eine Hausfrau von ihren Gästen sie nur immer erwarten kann. Ja -noch mehr, diese trefflichen jungen Leute umringten die Generalin und -wußten ihr in einem Athemzuge so viel Schmeichelhaftes zu sagen, daß -man gemeint hätte, über deren Zungen wäre niemals etwas Anderes als -Lobgesang und Psalmodei gekommen. - -Nichts als Glückwünsche und zwar „aus dem Innersten des Herzens“ wurde -gespendet -- man pries ihr Haus über diesen neuen Zuwachs an Ehre und -Glück, der demselben so eben geworden war, und dann was den Grafen -Alexander von A--x betraf, so bezeichnete man ihn als „einen der -ausgezeichnetsten Kavaliere der Residenz und einen der einflußreichsten -Diener des Staates.“ - -Die alte Dame erwiederte diese Höflichkeiten mit jener Miene von -Liebenswürdigkeit und jenem feinen Takte, die einer vornehmen Frau -immer zu Gebote stehen und wovon die erstere durch den zweiten stets -sicher geleitet und bemessen wird. - -Man ordnete sich alsbald zum Tanze. Hierzu waren zwei weitläufige -Säle bestimmt, wohin man sich jetzt paarweise begab. Cölestine, -nun Gräfin von A--x, eröffnete an der Hand des Herrn von Labers -den Zug, -- Graf Alexander bot ihrer Mutter und der General der -Feldmarschall-Lieutenants Wittwe den Arm. Die übrigen Gäste schlossen -sich ohne Rangordnung, die in der höhern Gesellschaft nicht existirt, -an -- da hier mit dem Privilegium des Eintritts auch jenes der -Gleichheit verbunden wird. - -Gräfin Cölestine hatte zum ganzen Feste so viel heitern Sinn und eine -so sichere Fröhlichkeit mitgebracht, daß alle Welt sagen mußte: sie sei -glücklich und hoffe es stets zu sein. Von dem Grafen, ihrem Gemahle, -ließ sich dasselbe sagen, doch schien ihn in manchen Augenblicken -dieses geräuschvolle und ostensible Treiben zu belästigen; man sah es -ihm an -- er wünschte lieber allein zu sein mit Derjenigen, die er -jetzt sein nannte. Sollte man es Besorgniß nennen, die sich momentan -in seiner Miene kundgab? Vielleicht war es das nicht -- und doch -flüsterten zwei seiner eifrigsten Beobachter, die vielleicht früher -auch seine Nebenbuhler gewesen waren: - -„Ach, es ist die Eifersucht, die sich selbst in den ersten Tropfen -seines Freudenkelches mischt! wie wird dies erst später werden?“ - -Dann lachten diese guten Herren und meinten, der Tag ihrer Rache würde -schon von selbst kommen. - -Einige Stunden später -- Graf Alexander hatte während dieser Zeit nach -der Sitte der vornehmen Welt mit seiner Frau +so wenig als möglich -gesprochen und getanzt+ -- konnte ein feiner Menschenkenner Spuren -eines tiefern Unmuths auf des jungen Ehemanns Stirne lesen. Und in -der That, Alexander war jetzt von einem jener schrecklichen Gefühle -geplagt, denen seine Seele in früherer Zeit so oft zur Beute geworden. -Die immerwährende und sich stets gleichbleibende Heiterkeit Cölestinens -hatte ihn bitter berührt, sie hatte ihn schmerzlich verletzt. Woher -diese so bestimmt ausgesprochene Zufriedenheit bei ihr -- -- da doch -er dieselbe nicht theilte? So fragte er sich. Der Bedauernswerthe! er -bedachte nicht, daß seine Frage ein Widerspruch sei -- -- -- waren denn -ihre beiderseitigen Gemüther gleich? ja, entsprangen denn ihre jetzigen -so verschiedenen Stimmungen aus +einer+ Quelle? - -So oft es der Anstand und die Umstände erlaubten, versuchte Alexander -sich seiner Gemahlin zu nähern und -- da traf er denn immer auf -Hindernisse, die sich zwischen sie und ihn stellten. - -Cölestine war eine leidenschaftliche Tänzerin, und warum sollte sie -an dem heutigen Freudentage sich diesem Vergnügen nicht mindestens -im selben Maße überlassen, wie zu andrer Zeit? Werden doch, wenn wir -fröhlich gestimmt sind, unsere innern Triebe freier entfesselt wie -sonst. - -Aber so urtheilte Alexander keineswegs. Seine glühende, spanische, -eifersüchtige Liebe lechzte nach dem Besitze des Gegenstandes, auf -welchen nur er ein Recht zu haben meinte.... Zum Glück war sein -Charakter fast eben so stolz und verschlossen wie eifersüchtig; sonst -hätte er die Bewegungen seines Herzens nicht bemeistert. - -Indessen wurde sein Betragen zuletzt auffallend genug, daß einige Damen -und Herren, die eher gekommen waren, zu beobachten und zu secciren -- -als sich zu unterhalten, unter einander sprachen: - -„Unser junger Ehemann scheint von höchst eigenthümlicher Sorte zu sein; -man könnte fast glauben, er befinde sich hier, um die Gäste, die seine -Schwiegermutter eingeladen hat -- zu vertreiben...“ - -„Ohne eben weit zu sehen -- ließ sich dergleichen von ihm im Voraus -erwarten. Sie kennen den Grafen A--x also nicht?“ - -„O! man muß ihm aber auch Gerechtigkeit widerfahren lassen: er macht -schon im Voraus das Programm zu den künftigen Gesellschaften seines -Hauses. Man wird sich darnach richten können. Sie dürften nicht ganz so -glänzend ausfallen, wie die junge Gräfin vielleicht beabsichtigt.“ - -„Man spricht davon,“ sagte Frau von Porgenau, die sich so eben näherte, -„Gräfin Cölestine werde ihre _jour fix_ am Sonnabende geben.“ - -„In der That?“ versetzten einige Damen und sagten zu einander im -Stillen: „Um so besser, denn an diesem Tage gibt auch Gräfin Wollheim, -Frau von H-- -- und die Marquise d’M-- ihre _cercles_.“ - -„Vortrefflich! Vortrefflich!“ ließ sich in diesem Augenblick die -schallende Stimme des Grafen von Wollheim vernehmen. Der große Jäger -sprach jedoch nicht zu dieser Gruppe, sondern zu einer einige Schritte -von hier, in deren Mitte er saß. Seine Worte galten dem ersten -tanzenden Paare, über welches alle Welt entzückt war. +Edmund von -Randow+ tanzte nämlich mit seiner Schwester. Man hatte niemals ein -eleganteres, ein schöneres Paar gesehen. Es war die Mazurka, ein Tanz, -worin vielleicht in der ganzen Residenz Niemand so vollkommen war wie -die beiden Geschwister. Man sah, daß es das nationelle Element sei, -welches in ihnen zu einem so schönen äußern Leben erwache; denn wie wir -wissen, waren die Randow ursprünglich Polen, und noch hatte das alte -Vaterland an ihnen nicht ganz seine Söhne verloren. - -Die Mazurka war zu Ende. Man konnte sich nicht enthalten, die Virtuosen -zu beklatschen -- -- Alexander sah von ferne zu; ob er sich freute, ob -nicht, ist ungewiß; allein es zuckte keine Muskel auf seinem Gesichte, -welches starr, kalt, theilnahmlos oder niedergeschlagen schien. -- -- - -Edmund verließ seine Schwester und ging kaum zwei Schritte, als er -von den offenen Armen des großen Nimrod in Empfang genommen wurde. -Denn beiläufig gesagt, waren Edmund und der alte Graf von Wollheim -sehr große Freunde, weil Jener mit Diesem auf die Jagd ging, trank und -spielte, von welchen Beschäftigungen sämmtlich unser Nimrod ein großer -Liebhaber war. - -„Alle Hirsche und Rehe!“ rief Letzterer aus: „Edmund, Du hast Dich -wacker gehalten. Fast so wie auf jener großen Treibjagd, Anno 1839, -wo Du unter meiner Leitung Dein Meisterstück machtest. -- Aber wo -zum Guckuck hast Du diese Gelenkigkeit in Deinen Knieen und Flechsen -her?... ein Pullcinell hätte es nicht besser thun können....“ - -„Ganz recht, lieber Graf,“ versetzte der Jüngling; „übrigens machen -Sie mir da kein Kompliment. -- Freilich ist es nicht Ihre Sache, von -diesen Dingen zu sprechen -- und aufrichtig gesagt, ich unterhalte mich -mit Ihnen tausend Mal lieber über unsre alten Gegenstände.... Kommen -Sie daher, mein vielgeliebter Wehrwolf... lassen Sie uns dorthin zur -Kredenze treten -- erst einige Schluck Wein und dann findet sich schon -das Uebrige...“ - -„Köstlicher Junge! Köstlicher Junge!“ exklamirte der Jäger: „Er ist und -bleibt immer derselbe. Nun fürwahr, an Dir, mein Edmund, habe ich mir -einen Schüler erzogen, auf welchen ich stolz sein kann.... Allein, was -meinst Du, wird uns nicht etwa Deine Mutter belauschen? Du weißt, sie -sieht Dich nicht gerne mit dem Glase in der Hand.... Es scheint mir, -auch Dein Vater schielt nach uns herüber.... Nehmen wir uns in Acht! -Hübsch gescheidt, mein Jüngelchen.“ - -„Schon gut!“ entgegnete Edmund: „Kommen Sie nur... ich verspüre in mir -einen teufelsmäßigen Durst.... Das kommt stets, wenn ich ein Mal etwas -lang solid gewesen bin...“ - -„Ja, ja, Du hast Deiner Schwester heute den Hof gemacht, und zwar --“ - -„Still -- theurer Mann! Darüber kein Wort mehr.... Können wir nicht -über andere Dinge reden? Du weißt, ich liebe jenes Thema nicht unter -uns.“ - -„Nun so will ich Dir eine alte Jagdgeschichte von einem Herzog von -Würtemberg erzählen. --“ - -„Erzähle in Gottes Namen! -- So, jetzt wären wir in der Nähe der -Gläser.“ - -Wie man sieht, so dutzten sich die zwei an Alter zwar ungleichen, aber -an Gesinnung desto ebenmäßigeren Freunde. So machte es Edmund übrigens -immer. Er war mit allen Leuten seines Schlages auf Du. - -Während dieses hier vor sich ging, während Wollheim und Edmund, in eine -dunkle Ecke zurückgezogen, dem Nierensteiner, oder was es sonst war, -die möglichst größte Ehre anthaten und dabei Gespräche führten, wie sie -der Wein eingibt und wie wir sie hier zu wiederholen uns sehr hüten -werden, unterhielt man sich auf andern Punkten der Salons auch nicht -übel. - -So zum Beispiel beglückte Gräfin von Wollheim einen Kreis alter und -buckliger Zuhörerinnen mit einer Erzählung ihrer letzten Leistung im -Fache „der Strümpfe für den Wohlthätigkeitsverein.“ - -„Glauben Sie, meine Damen,“ so sprach sie, „daß es eine der süßesten -Empfindungen gewährt, unsere Talente und unseren Fleiß im Dienste der -Armuth und Noth anzuwenden.... Im vergangenen Winter habe ich 4½ Paar -guter Socken und Strümpfe gemacht, jedes Paar zu 2½ Pfund... Das gab -eine Bekleidung! Welche Wärme!“ - -„Ja, ja -- welche Wärme!“ erwiederte ein altes Stiftsfräulein ohne -Zähne, dafür jedoch mit einer Zunge, die hinreichend +schnitt+, sobald -es sich um den Ruf eines Nebenmenschen handelte.... „Auch ich habe -zwei Paar wollene Jacken an das Comité des +Frauen-Vereins+ gesendet. --- -- Alles eigene Arbeit! -- Wer weiß, welches Pack sie jetzt auf dem -Leibe trägt.... Denn Sie wissen doch, meine Freundinnen, daß diese -unverschämten Armen, welche wir mit unserer Hände Arbeit beglücken, die -letztere bei nächster Gelegenheit zum Trödler oder in’s Branntweinhaus -tragen...“ - -„Sollte das möglich sein?“ - -„Sie können mir’s glauben!“ - -„Mein Gott, das wäre ja recht abscheulich! -- Wozu arbeiten wir denn? --- Dann könnten wir ihnen ja die paar Kreuzer, welche sie für unsere -Sachen lösen, viel bequemer selbst geben....“ - -„Das ist Alles wahr und ich habe darüber schon mehrfach nachgedacht. -Hören Sie mich, meine Besten, welchen Vorschlag ich gesonnen bin, bei -dem Comité des Frauen-Vereins in den nächsten Tagen einzureichen. --- Man soll in Zukunft jedes Stück unserer Handarbeiten mit kleinen -Schlössern versehen: Strümpfe, Socken, Unterbeinkleider, Unterröcke -- -kurz Alles. Jedes Stück wird sodann dem damit betheilten Armen mittelst -des Schlosses förmlich an den Leib +geschlossen+.... den Schlüssel -aber behalten wir oder besser das Comité. -- Sollte dieser Vorschlag -nicht durchgehen, so habe ich einen zweiten in Bereitschaft. Man klebt -mittelst einer Mischung, bestehend aus Gummi, Pech, Sägespänen und -Teufelsd-- --, den Leuten ihre Kleidungsstücke an den Leib.... Jene -Mischung muß in einem glühenden Becken heiß gemacht und in diesem -Zustande unsern theuern Schützlingen über die nackten Glieder gegossen -werden, sodann kommt das Kleidungsstück darauf -- und es geht niemals -wieder herunter. -- Ist dies nicht eine köstliche Erfindung? Was sagen -Sie dazu, meine Damen?“ - -So schloß die Stiftsdame. - -Die Uebrigen waren nicht ganz ihrer Meinung. Besonders schüttelte -Gräfin Wollheim sehr unwillig das Haupt und sagte: - -„Aber da wird ja unsere schöne Arbeit völlig zu Grunde gerichtet. Das -abscheuliche Pech muß ja durch alle Nähte dringen....“ - -Man sieht, sie dachte menschenfreundlich! - -„Fürchten Sie dieses nicht, meine Beste!“ beruhigte die Stiftsdame: -„Das Pech dringt nicht heraus. Dagegen hilft der Teufelsd-- --, den ich -nicht umsonst beigemischt habe. -- Der Teufelsd-- --, wie Sie wissen -werden, meine Damen, hat eine contraktive Eigenschaft und ist überhaupt -auch für die Gesundheit sehr zuträglich.... Unsere Armen werden dabei -dick werden, wie ungarische Mastschweine....“ - -Die Stiftsdame hatte unter andern lieben Eigenschaften auch jene, daß -sie alle Gegenstände bei ihren natürlichen Namen nannte, von welcher -Gewohnheit sie keine Rücksicht abhielt. Da man dies von ihr wußte, ließ -man sie reden; freilich redeten mit ihr nur die Buckligen und Häßlichen. - --- -- Seit einer halben Stunde bereits lauerte Alexander auf eine -Gelegenheit, die ihm eine ungestörte Zusammenkunft mit Cölestine -verschaffen sollte. -- Jetzt schien auch sie seine Wünsche zu begreifen -und gab ihm hierauf ihre Antwort durch sanfte und wehmüthige Blicke -zu verstehen. -- Alexander war nun der seligste Mensch! -- So hatte -er sich also wieder umsonst gequält!.... Er hätte früher nur gleich -ihre Nähe aufsuchen und sie nicht verlassen sollen, so hätte er sich -jeden Kummer erspart. -- Er brauchte ja deßhalb nicht die übrigen Leute -von Cölestine zu verscheuchen. -- Ein günstiger Augenblick gönnte ihm -jetzt, mit ihr mehrere Worte zu sprechen, und er flüsterte ihr zu: - -„Ach, wie sehne ich mich nach Dir, Cölestine!“ - -„Ich theile Dein Verlangen, mein theurer Geliebter!“ antwortete sie -ihm leise und ein Blick ihrer schönen schwarzen Augen bestätigte die -Wahrheit dieser Worte.... Dieser Blick versengte jedoch mit seiner Glut -wieder die Besonnenheit des Grafen und er sprach mit dumpfem Schmerze: - -„Soll ich Dich noch lange entbehren -- so sterbe ich! Erbarme Dich -meiner! Noch nie habe ich so gefleht.“ - -Aber in demselben Augenblick fühlte er sich an der Schulter berührt. -Der Vater seines Weibes stand neben ihm: - -„Ei, ei!“ sprach der General: „was soll das heißen, Alexander? Sie -rauben unseren Freunden ein sehr wichtiges Recht. Heute gehört -Cölestine noch ihnen -- -- erst von morgen an dürfen Sie allein über -Ihre Frau verfügen...“ - -Es ist nicht möglich auszudrücken, wie schwer diese Worte den Grafen -verletzten; gleich einem vergifteten Degen fuhren sie durch sein -Herz, und zwar eben deßhalb, weil sein Schwiegervater es war, der sie -gesprochen. Mit einem unaussprechlichen Blick sah Alexander denselben -an, zerdrückte in seiner Brust einen heftigen Seufzer und ließ sich -sodann stumm von dem General fort führen. Dieser hatte ihn unterm Arme -ergriffen und durchschritt mit ihm einen, zwei Säle.... Es schien, als -könnte er ihn nicht weit genug weg von Cölestine führen.... - -Alexander hätte den Alten ermorden mögen -- aber was blieb ihm zu thun -übrig? Er folgte, folgte wie ein Opferthier, das man zwar mit Blumen -bekränzt, aber dennoch zur Schlachtbank führt. Der General hatte ihn -zu einer Ottomane gebracht und ihn genöthigt, hier Platz zu nehmen. -Er selbst setzte sich neben ihn und begann nunmehr ein Gespräch von -Geschäftssachen und Gegenständen, die sich auf den zukünftigen -Haushalt der Eheleute bezogen.... Alexander hätte vor Wuth aufspringen -mögen wie ein Wahnsinniger... Der General aber schien sehr kalt und -ruhig. - -Dies ist leicht zu begreifen; er war ein Greis und hatte so eben seine -Tochter versorgt -- während der Andere vor Leidenschaft glühte, diese -Tochter zu umarmen. Das war der Unterschied; bei Gott ein ziemlich -großer. - -Um das Unglück voll zu machen, kam auch noch Herr +von Porgenau+ herbei -und fing an, alte Witze aufzutischen, die im Jahre 1805 Mode waren, ja -einige darunter mochten noch in der Arche Noah von dessen Söhnen aus -Langerweile gemacht worden sein. - -„Ei -- so schön beisammen!“ rief der alte Bonmotist und lächelte schon -im Voraus über den Witz, welchen er sofort zu machen beabsichtigte. -Denn Herr von Porgenau hatte die Gewohnheit jener Humoristen und -Komiker, sowohl auf dem Theater als auf dem Druckpapiere (ich will hier -ihre Namen nicht nennen!), die, bevor sie einen Gedanken, den sie für -einen Witz halten, preisgeben -- selbst zu lachen anfangen und sich so -gleichsam den Erfolg sichern; denn die Zuhörer lachen dann auch mit -- -freilich bloß über die Albernheit des Witzmachers. - -Herr von Porgenau war übrigens nicht ganz mit diesen Leuten zu -vergleichen. Jene lachen nur +vor+ oder +während+ ihres Witzes -- -- er -aber lachte auch +nach+ demselben. - -„Ah! Ah!“ rief er dem General in’s Gesicht und schien dabei vor -Lust und Vergnügen umzukommen: „Sie theilen diesen Platz mit ihrem -Schwiegersohne, guter Randow! -- Sie haben ihm also einen Theil ihrer -+Besitzungen+ übergeben....“ - -Um dem alten Narren eine Freude zu machen, lachte der General über -diesen schauderhaften Einfall mit; Alexander aber warf ihm einen -durchbohrenden Blick zu, der so viel sagte, als: „Packen Sie sich, -alter Dummkopf!“ - -„Guter Gott!“ fing Porgenau an, als er sich von seiner Heiterkeit -wieder erholt hatte: „Wie sehen sie d’rein, lieber Graf von A--x? Das -ist nicht die Miene eines jungen Ehemannes.... das ist, hahaha! hahaha! -hahaha! -- vielmehr die Miene eines jungen +Wehemannes+!“ - -Ueber dieses Wortspiel konnte nicht einmal der heute so dienstfertige -General lachen, was Herrn von Porgenau gar sehr verdroß. Er regalierte -sich also zuvörderst durch eigenes Gelächter -- und sodann sann er auf -einen neuen Witz, der, wie er sich vornahm, Alles besiegen würde, was -bisher in diesem Fache geleistet worden war. - -„Finden Sie -- hahaha! Finden Sie, hahaha!“ begann er: „finden Sie -nicht, daß, hahaha! hahaha!“ - -Er konnte vor Selbstvergnügen kaum fortkommen. - -„Finden Sie nicht, meine Herren -- daß heute ein, hahaha! -- sehr -schöner Tag ist? hahaha!“ - -„Gewiß -- ein schöner Tag,“ bestätigte der General. - -„Und wissen Sie -- hahaha! -- weßhalb heute der Tag so schön ist -- -hahaha!?“ - -„Nun?“ - -Der Bonmotist nahm eine Triumphatormiene an, platzte dann in eine -entsetzliche Lache aus, und rief: - -„Also -- Sie wissen nicht, weßhalb -- hahaha!“ - -„Nein.“ - -„Nun -- +ich weiß es auch nicht!+ -- Hahaha! hahaha! hahaha! -hahaha! hahaha.“ -- Das war der Witz! Porgenau wälzte sich in einem -Lehnstuhle wie Einer, der den Lachkrampf hat.... - -Hier vermochte es Graf Alexander nicht länger auszuhalten. Er fuhr -gleich einem Gehetzten von seinem Sitze auf, entriß sich den Armen -seines Schwiegervaters und lief hinaus auf den Gang in die frische -Nachtluft, wo er den Vater über den Sternen fragte, warum er auch -solche Wesen, wie diesen Porgenau, geschaffen habe.... - -Er stand lange auf demselben Fleck, dann trat er auf eine Terrasse, die -mit Orangenbäumen und Blumen bepflanzt war und einen Rasensitz darbot. -Auf diesen warf er sich, das Antlitz in das feuchte Grün gedrückt -- -und, zum ersten Male im Leben, weinte er.... Er mochte sehr lange hier -liegen. -- - -[Illustration: S. 79] - -Da fühlte er sich von zwei heißen Armen umschlungen.... Vor ihm knieete -+Cölestine+, sein Weib. - -Ihm schwindelte und er wollte das nicht glauben: „Es ist ein Traum!“ -murmelte er vor sich und schüttelte das Haupt. - -„Es ist kein Traum, mein Geliebter!“ lispelte es ihm so süß von den -Lippen der Geliebten entgegen, daß er die Hand nach ihr ausstreckte. -Und was er erfaßte, war warmes, holdes, köstliches Leben.... er -konnte nicht widerstehen, er tauschte das seinige damit aus -- mit -fieberischem Entzücken stürzte er sich in dieses jetzt zur klarsten -Einheit gewordene Doppeldasein: sie versanken beide in seinen -unergründlichen, schwindelnden Tiefen. -- - -„Aber, meine Seele,“ sagte er darauf: „wie kommst Du hierher? Und wird -man Dich mir nicht sogleich wieder entreißen?“ - -„Fürchte nichts, mein Geliebter!“ flüsterte sie und schmiegte sich ihm -innig an, wie der Epheuzweig einer starken Säule....: „Jene Menschen, -die uns einen ganzen Tag lang von einander gerissen -- haben nicht -die Macht, uns auch noch die Nacht zu rauben. Alles entfernt sich -bereits aus den Sälen unseres Hauses -- es ist ein wilder Tumult -- -und in diesem stahl ich mich weg, um Dich aufzusuchen. -- Wenn Du -glaubst, ich folgte Dir nicht überall mit den Augen, so hast Du Dich -betrogen!... O Du wähnest, daß nur Du mich liebst! So weißt Du nicht, -daß ich mich ganz, ganz Dir zu eigen gegeben habe? -- Diese Stunde soll -es Dir sagen. Spricht sie nicht mit tausend Geisterzungen meine Liebe -Dir aus -- -- so wird nie eine andere es Dir sagen. -- Ja, ja, ich -liebe Dich -- tiefer, seliger, und ernster vielleicht, als Du mich.... -Urtheile nicht voreilig über uns beide! Glaube meinen Worten!“ - -„Ja, sie reden jetzt mit überzeugender Gewalt zu mir!... Du bist mein --- und hast Dich aus freiem Trieb mir übergeben, und so mußt Du mich ja -lieben! -- Entschuldige meine Thorheit, die mich vorher sich wie ein -Kind betragen ließ.... Allein wenn man im innersten Herzen erregt ist, -dann, in Wahrheit, geht man seines Verstandes verlustig, man wird ein -Narr, ein Wahnsinniger, ein Elender!“ - -„Sprich, geliebter Engel -- --“ kos’te das holde Weib, das auf seinem -Schoße saß -- „sprich,“ sagte sie mit einem Tone, der klang und -duftete wie eine wehende Rose: „wirst Du auch immer so sein, wie jetzt? -Wirst Du mich immer lieben? -- -- Denn jetzt, ich weiß es, werde ich -von Dir vielleicht mehr geliebt, als irgend ein Weib von einem Mann. -Aber wird dies auch immer so bleiben? Kannst Du mir dafür Gewißheit -geben?“ - -„Und würde es Dich glücklich machen, wenn ich das könnte?“ - -„Gewiß -- mein Alexander! Liebte ich Dich nicht, hätte ich Dich nicht -genommen.... und weil ich Dich liebe, muß ich ja wünschen, daß es -immerdar so bleiben möge.... Allein es ist ein böser Zustand, hiefür -keine Bürgschaft zu haben.... Höre mich, mein Gemahl! So wie ich jetzt -fühle und denke -- würde ich die Hälfte meines Lebens dafür geben, wenn -ich sicher wäre, daß während der andern Hälfte ich auch nicht einen -Gran von Deiner Liebe einbüßen sollte!.... Glaubst Du meinen Worten, -oder meinst Du, ich treibe nur Scherz?....“ - -Alexander vermochte kaum zu antworten; er preßte den blühenden Leib -seines jungen Weibes an seine Brust, an seinen Körper -- er that ihr -mit seinen ungestümen Umarmungen beinahe weh.... doch sie empfand es -nicht.... - -„Alexander!“ rief sie mit gedämpfter, tiefer Stimme: „in dieser -entzückenden Stunde, der heiligsten Stunde unseres Lebens, schwöre ich -Dir, Dir ewig treu zu sein. Schwöre Du mir’s auch!“ - -Er wollte sprechen. - -„Still!“ rief sie und legte ihr kleines Händchen auf seinen Mund: -„schwöre nicht eher, als bis Du Alles erwogen hast.... ich gebe Dir -eine halbe Stunde Zeit.... aber länger vermag ich nicht zu harren, dann -gelobst Du mir, was Du Deinem Schöpfer geloben kannst.... und jetzt, -jetzt lass’ uns diesen Ort verlassen, lass’ uns eilen, um, bevor noch -alle Gäste die Säle verlassen haben, dort gegenwärtig zu sein. -- -Du gehst durch jene, ich durch diese Thür. Nach einer halben Stunde -treffen wir uns -- -- -- --“ - -„Im einsamen Brautgemache!“ ergänzte er leise und verließ sie zitternd -an allen Gliedern, glückselig wie ein Gott. - -In der That war ihm in diesem Augenblick der Zufall günstiger, wie -heute den ganzen Tag über. Noch waren die Gäste in reicher Menge im -Saale zugegen, und eben weil sich Alles zum Aufbruch rüstete (gewisse -Leute brauchen dazu einige Stunden Zeit), war seine wie Cölestinens -vorige Abwesenheit nicht bemerkt worden. - -Mutter und Vater vermutheten die junge Frau unter irgend einer -Gruppe von Bekannten; dasselbe dachte man von dem Grafen, und da die -Neidischen und Nebenbuhler zufällig alle längst fortgegangen waren, so -konnten auch diese das geheime Glück der Eheleute nicht stören. - -Endlich war Alles aus dem Hause. Dieses stand jetzt still und leer.... -die Lichter in den Sälen wurden ausgelöscht -- die Lakaien nahmen -nunmehr von diesen Schauplätzen Besitz. Der General mit seiner Gemahlin -entfernten sich nach dem rechten Flügel des Palais; Alexander mit -Cölestine am Arme schlug seinen Weg nach dem linken ein. - -Nachdem sie eine Reihe von Gemächern durcheilt waren, nahm er sie auf -seine Arme und ras’te mit ihr, wie ein Riese mit einem Kinde, in’s -Brautgemach. - -Hier leistete er ihr den Schwur, welchen sie verlangte: +ewig ihr -treu zu bleiben+. - - - - -Fünftes Kapitel. - -Einige Lebensszenen. - - -Im Kaffeehause bei +Daum+ trafen einige Tage darauf zwei Herren -zusammen. Es war gegen Mittag, um welche Stunde dieses Etablissement -sehr zahlreich und zwar von einer gewählteren Gesellschaft besucht -wird. Hier sehen Sie den Stutzer, der so eben von seiner Toilette -kommt, um sich hier in den vielen Spiegeln zu besehen, was er zu Hause -niemals so gut kann, denn welcher Mensch, und sei er ein +Pelham+, -besitzt in seinem Quartier ganz Spiegelwände? Uebrigens frühstückt hier -der Stutzer auch, und das ist der Vorwand, unter welchem er erscheint. --- Ferner werden Sie eine zahlreiche Auswahl junger Kavaliere in diesem -Saale bemerken.... man beabsichtigt einen Morgenritt nach dem Prater -und kommt früher hierher, sich zu erfrischen.... Ein großer Theil -jener Beamten, die eben keine zärtlichen Freunde der Bureaux sind -- -sodann pensionirte Hauptleute und Majore und endlich Fremde, namentlich -Franzosen, vollenden die Gesellschaft, welche Herrn Daums Kaffeehaus -Vormittags zwischen zehn und zwei Uhr besucht. - -Man tritt, wie gesagt, gewöhnlich unter dem Vorwande, ein Frühstück zu -nehmen, ein, aber nur bei den Wenigsten lauert keine andere Absicht -im Hintergrunde. Dieser Herr z. B. will sich zwei Stunden lang auf -weichen Sopha’s umherwälzen und Neuigkeiten aufschnappen -- -- Jener -sieht durch’s Fenster nach den vorübergehenden Damen oder er stellt -sich zu diesem Behufe lieber gleich vor die Thür des Kaffeehauses -- -denn es liegt ja auf dem Kohlmarkt, der besuchtesten Straße Wiens; was -einen Dritten betrifft, so hat dieser, dem die Gläubiger seine Wohnung -stürmen, sich vor ihren zudringlichen Schaaren hierher, in dieses -Asyl geflüchtet, weil öffentlich Niemand gemahnt werden darf. -- Und -so ließe sich dieses Thema, welches wie so viele andere Kapitel über -den Unterschied zwischen +Schein+ und +Sein+ handelt, noch weiter -behandeln, wäre hier der Raum zu dergleichen vorhanden. -- - -Wir eilen jedoch lieber zu einem der Hauptfäden unserer Geschichte und -überlassen Schilderungen von Nebendingen jenen Autoren, die in ihrer -Naivetät solche für Hauptsachen halten. - -Jene zwei Herren, die sich bei Daum so eben getroffen haben und -von welchen wir zuvor sprechen wollten, waren: unser wohlbekannter -Weiberbesieger +Althing+ -- und +Edmund von Randow+. Sie begrüßten -einander mit jenem Geschrei, welches zwischen gewissen noblen Leuten -die herrschende Tonesart ist.... - -„Ah -- mein lieber Edmund!“ - -„Ah -- mein alter Bursche Althing!...“ - -Sie umarmten sich so herzlich als nur möglich. - -„Wie kommst Du hierher?“ - -„Diese Frage wollte ich eben an Dich stellen, furchtbarster aller -Adonisse -- (ich hoffe, Du wirst mit dieser Charakteristik zufrieden -sein!). Hab’ ich Dich doch niemals noch hier gesehen.... Ich glaubte -immer, Du besuchtest dieses Etablissement nicht gerne -- weil keine -Damen hierher kommen...“ - -„O, o! soll das ein Scherz sein! Bin ich ein Narr, der den Weibern -nachläuft? Hoffentlich wirst Du nicht so gering von mir denken, Edmund! -Ich den Frauen nachlaufen... haha! So etwas ist nicht nöthig. -- -- -Es giebt Männer, die von +ihnen+ verfolgt werden, hahaha...“ Und -unser Dicker zupfte an seiner Cravatte und schlug mit seinen Sporren, -die er wie die alten Ritter immerwährend -- vielleicht auch im Bette -- -an den Füßen trug, zusammen.... - -„Kurz gesagt: was suchst Du eigentlich hier?...“ - -„Theuerster Freund -- bevor wir über diesen Gegenstand reden -- lass’ -uns eine Tasse Chocolate oder noch besser ein deutsches Frühstück -zu uns nehmen.... das stärkt zum Diskours.... Marqueur! Marqueur! -Chocolate, aber.... die Vanille nicht zu vergessen! hahaha!“ - -„Hahaha!“ -- lachte auch Edmund und rief dem Aufwärter nach: „schlagt -auch ein Ei hinein und gebt ein wenig von jenem gewissen Pulver dazu, -welches in Apotheken schwer zu bekommen ist.... hahaha!“ - -„Hahaha! Mein Freund -- Du übertreibst, Du übertreibst. Jene -Ingredienzen sind bei mir alle noch nicht nothwendig, Dank Aeskulap, -dem Gott der Gesundheit....“ - -„Und einem andern Gott, den man in unsern Schulmythologien nicht -abgebildet findet.... hahaha!“ - -Althing hatte einen Tisch gewählt, von wo man sehr bequem auf den -Kohlmarkt hinaussehen konnte -- und der Jüngling nahm neben seinem -Mentor Platz. - -„In der That,“ sagte er, „ich bin äußerst neugierig, den Grund, der -Dich hieher führte, zu erfahren, mein Alter....“ - -Zornig schnob ihn der Dicke an: „Ein für alle Mal, ich bin dieses Wort -nun satt -- und werde es in Zukunft als eine Beleidigung ansehen, -die gerächt werden muß, +Alter+ und immer +Alter+! -- -- -Donnerwetter! Ihr macht es ja so, als gäbe es keinen Aelteren mehr in -der Welt, als ich. Was soll das heißen?... Bin ich Euer Freund, oder -foppt Ihr mich bloß!?“ - -„Ihr -- Ihr? -- sprichst Du zu mir per +Ihr+! --“ - -„Nun ja -- Du und die Andern; Du verstehst mich schon. -- Noch ein Mal, -Edmund, wenn es in Zukunft zwischen uns nicht schrecklich hergehen soll --- so sprich jenes verdammte Wort nicht mehr aus.... namentlich vor so -vielen Leuten....“ - -In diesem Augenblick ging draußen ein junges und sehr schönes Mädchen --- ein Ladenmädchen, Putzmacherin, Blumenmädchen oder dergl., kurz -eine Grisette -- vorbei und Althing fuhr mit einem Ruck, als habe ihn -Jemand gestochen, in die Höhe: „Alle T--l!“ rief er: „Was seh’ ich? --- Um diese Stunde schon? -- Sie sagte mir, sie würde erst um ein -Uhr.... Sapperment, dahinter muß etwas stecken.“ Und er bemühte sich, -hinter dem Tische, der ihn und seinen Bauch einzwängte, rasch vor zu -kommen.... Das gelang jedoch nicht so leicht -- und unser Ritter, der -sich mit den Sporren an den Wandtapeten verfangen, riß, während er -davon stürmte, ein Stück davon mit sich.... - -Augenblicklich liefen ein Paar Marqueure herbei und stellten sich ihm -in den Weg: - -„Entschuldigen -- Euer Gnaden!... -- Verzeihen -- Euer Gnaden.... -aber....“ - -„Was wollt Ihr?“ schrie er wüthend und suchte durchzukommen.... -augenscheinlich hatte er in der Eile von dem Schaden, welchen er -verursacht, gar nichts gemerkt.... denn seine Wuth über die Kerle stieg -von Moment zu Moment: - -„Was soll das heißen?“ tobte er mit von Zorn erstickter Stimme: „Bin -ich hier unter Wegelagerern und Mördern?...“ - -Er fing jetzt an so zu springen, als wollte er über die zwei Aufwärter -wegsetzen; zum Glück aber war er nicht im Stande, höher als zwei -Zoll sich zu erheben -- dann plumpste er jedes Mal mit schrecklichem -Geräusch auf den Boden herab. -- Endlich jedoch aufs Aeußerste -gebracht, ballte er seine Fäuste, streckte sie, wie ein Stier die -Hörner, vor sich hin -- und versuchte nun auf diese Weise eine Bresche -zu machen; aber im selben Augenblick hatte ein dritter Marqueur ihn -hinten beim Rockschoß ergriffen.... - -„Entsetzlich!“ stöhnte der Unglückselige, den bereits seine Kräfte -- -er besaß deren nicht große -- verließen: „Entsetzlich! so etwas habe -ich noch nicht erlebt!... Das ist hier eine Schlachtbank, aber kein -Kaffeehaus!...“ - -Jetzt trat der Obermarqueur vor ihn: „Entschuldigen Sie,“ meinte -dieser -- „es ist ein Kaffeehaus, wie diese Herren hier alle bezeugen -werden.... Man kommt jedoch nicht in ein Kaffeehaus, um Tapeten zu -zerreißen, Frühstück zu bestellen und sich dann so beiläufig -- -fortzumachen.... Ich gebrauche noch einen sehr milden Ausdruck, wie Sie -sehen....“ - -„Ha! mir das?“ schäumte Althing: „Mir das? -- Fortmachen? -„+Durchgehen+,“ wollen Sie wohl sagen! -- Wissen Sie denn auch, -mit wem Sie’s eigentlich zu thun haben, mein Mann?“ - -„Eben deßhalb, weil man Sie hier nicht kennt, weil Sie noch niemals da -gewesen sind, mein Herr, durften Sie bei Ihrem forcirten Abgang keine -andere Behandlung erwarten.... Mein Gott, wer wird uns zumuthen, unsere -Tapeten von fremden Herren zerreißen zu lassen?....“ - -„Aber ich wäre wieder gekommen; ich hatte nur ein wichtiges Geschäft -abzumachen, das keinen Aufschub litt.“ - -„Mein Herr, ich erlaube mir die Bemerkung, daß, bevor man -zu wichtigeren Geschäften geht, man so unwichtige, wie eine -Kaffeehausschuld, abmacht...“ - -„Aber -- -- bin ich denn allein da? Wo ist denn mein Freund, Herr von -Randow? -- War dieser denn Euch nicht Bürge genug? --“ - -„Allerdings; allein der Herr von Randow hatten ja eben die ganze Szene -mit angesehen -- und da Dieselben sich dessenungeachtet nicht in’s -Mittel legten....“ - -Bei diesen Worten drehte der mißhandelte Liebesheld sich um, um nach -seinem Freunde Edmund zu sehen. Dieser saß zwei Schritte davon und -hielt sich vor Heiterkeit kaum mehr auf dem Sitze. In der That, die -eben vorgefallene Szene hatte ihm ein Vergnügen gemacht, in welchem -er sich um großer Schätze willen nicht hätte mögen stören lassen; von -ihm war also eine Unterbrechung desselben und somit der Szene nicht zu -erwarten. - -Althing warf ihm einen indignirten Blick zu und sprach, bitter -lächelnd: „-- -- O, das hat man für seine Freundschaft, für seine -Lehren! -- Gewöhnlich erzieht man sich an seinen Schülern -- -Schlangen und Nattern. -- Doch schon gut! Ich werde diesen Vorfall -nicht vergessen -- und auch wie ritterlich man sich dabei gegen mich -benommen....“ - -„Aber, mein Gott,“ entgegnete Edmund kichernd: -- „Was sollte ich thun? --- Du schlugst ja so wüthend umher, daß man nicht in Deine Nähe treten -und Dir ein Wort zuflüstern konnte. ... Und überdies....“ - -„Schon gut! schon gut! Keine Entschuldigung, mein Herr!“ sagte -unser Dicker in jenem kalten Tone, womit man einen Menschen seine -Gleichgültigkeit fühlen läßt: „Marqueur! -- Was macht der ganze dumme -Spaß....“ - -„Nicht mehr als zehn bis zwölf Gulden,“ antwortete der Oberaufwärter. - -„Was heißt das: Bis --“ - -„Das heißt, mein Herr, es läßt sich noch nicht ganz genau -berechnen....“ - -„Wohl; hier habt Ihr zwölf Gulden! -- -- und nun ein Glas Limonade. Ihr -bringt sie jedoch zu diesem Tische, hier nebenan.“ - -Der Gekränkte setzte sich wirklich an einen andern Tisch, jedoch hatte -er auch von hier die Aussicht auf den Kohlmarkt. Er saß ganz allein -- -denn die ihm früher während seines Kampfes mit den Aufwärtern umgebende -Menge hatte sich, bis auf einige junge Herren, die ihn aus einer -gewissen Entfernung durch Lorgnets besahen, verloren. -- Diese für ihn -höchst wahrscheinlich jetzt sehr erwünschte Einsamkeit -- fing der gute -Dicke nun damit an zu benutzen, daß er sein Wesen und seinen Anzug, die -ein bischen derangirt worden waren, in die vorige Ordnung zu bringen -versuchte,.... er zog seine Cravatte straffer an -- besah seine Sporren --- wischte den Schweiß von der Stirne -- und als die Limonade ankam, -trank er sie auf einen Zug aus. Bei allen diesen Verrichtungen jedoch -unterließ er nicht, sein Auge immerwährend nach der Straße hinaus zu -richten.... Allein da konnte er lange schauen! es war Alles vergebens. - -Jetzt trat Edmund näher heran, setzte sich auf einen Stuhl neben ihn -und sprach: „Althing, ich will Dir’s nur sagen! Wenn Du nach jenem -Mädchen lugst, der Du vorhin nachspringen wolltest -- die ging bereits -während Deiner Fehde mit den Aufwärtern zurück....“ - -Dieses Wort war im Stande, den Seladon Alles Geschehene vergessen -zu machen: „Ist das wahr?“ rief er eifrig: „Du sprichst von jener -hübschen, niedlichen Grisette?“ - -„Von jener niedlichen Grisette, ja, ja! -- Sie hat, dünkt mich, sogar -Deine Rauferei hier vor dem Fenster mit angesehen...“ - -„Ist das möglich! Und was that sie dabei? -- Sie war gewiß im äußersten -Grade entrüstet?“ - -„Nein, denn sie lachte wie toll und rief noch mehrere von ihren -Freundinnen herbei, die eben vorbeigingen....“ - -„Aber das ist unglaublich! -- das Mädchen liebt mich ungeheuer!“ - -„-- Wie die Andern -- haha!“ - -„Nein, nein, Diese ist in mich total verschossen! Du hast keinen -Begriff davon, mein Freund. Willst Du einen Beweis? Nun gut: so wisse, -daß sie mir heute ein Rendezvous gab; daß sie eben meinetwegen hier so -oft vorüber geht -- --“ - -„Ich sah jedoch ganz deutlich, daß sie auch nach andern Herrn -blickte....“ - -„Blickte?“ - -„Und -- lachte!“ - -„-- Dieselben aus.“ - -„Nein, sondern: lachte sie an. Allein, Du scheinst Deiner Sache sehr -gewiß.“ - -„Das bin ich auch, mein Freund! Sie gab mir Tausende von Beweisen, jene -kleine Hexe.“ - -„Zum Beispiel.“ - -„Zum Beispiel --! -- Ach, wozu erst viele Beispiele. Ich weiß, woran -ich bin und damit gut. Uebrigens weißt Du, daß ich in diesen Dingen -nicht von heute bin. Man hat Erfahrungen -- man hat Abenteuer gehabt -von allen Sorten.... kurz, man war glücklich... hehe!“ - -„Doch was seh’ ich!“ rief Edmund plötzlich: „Kommt sie da nicht schon -wieder?...“ - -Rasch blickte der Alte durch’s Fenster: „Richtig! Richtig!“ rief er -freudig aus.. „Nun, was sagst Du dazu, mein Junge! Siehst Du den -Blick, welchen sie mir zuwirft.... hahaha! Wirst Du nun noch länger -zweifeln.... daß man Sieger, daß man Geliebter des Herzens ist?“ - -Und kaum hatte er das gesagt, als er nun wieder aufsprang und -- -diesmal von den Aufwärtern -- ungefährdet hinaus lief. Doch lief ihm -fast das ganze Kaffeehaus nach und Alles lachte über eine Begebenheit, -welche bisher in den Annalen von Daum’s Caffée unerlebt war. - -Unter den Zuschauern, welche sich jetzt vor der Thür des Etablissements -aufstellten, um dem Alten nachzusehen, befand sich auch Edmund. Er nahm -sich vor, seinem verliebten Freunde zu folgen und ihn nöthigenfalls -zu hindern, abermals einen dummen Streich zu begehen. Denn hatte -der junge Mann auch jenem Auftritt im Kaffeehause mit ruhigem Blute -beigewohnt und sich an demselben auch noch obendrein erlustigt -- so -war er gleichwohl, nach Art gutmüthiger Menschen, sogleich bereit, sein -Vergehen durch eine edle That zu sühnen. - -Althing verfolgte die Grisette inzwischen Schritt für Schritt; er ging -ihr über den Kohlmarkt, den Michaelerplatz, die Herrengasse bis zur -Freiung nach -- -- aber er bemühte sich vergebens, sie einzuholen, denn -das Mädchen hüpfte leichtfüßig wie ein Reh, während er Mühe hatte, -seinen dicken Bauch fortzubringen; und dann genirten ihn auch seine -Sporren, mit denen er alle Augenblicke anstieß und hängen blieb. -- - -Aber der Eifer des Jägers wächst mit der Mühe der Verfolgung -- und -man sah es dem dicken Adonis an: er wollte sich lieber seine Beine und -seine Lungen zu Grunde laufen, als von seinem Vorhaben, das Mädchen zu -erreichen, abstehen. - -Endlich schien das Glück sich ihm wieder zuzuneigen. Die Kleine, auf -dem tiefen Graben angelangt, wohin sie jetzt ihre Schritte lenkte, -mäßigte die letzteren.... das gab dem Alten neuen Lebensmuth, und er -ruderte ihr nun aus Leibeskräften nach, wobei sich Arme, Beine, der -Kopf, kurz der ganze Körper bewegte. -- - -„Ah!“ dachte Edmund, der immer in einer kleinen Entfernung nachzog --- „sollte es wider Vermuthen günstiger ausschlagen? Doch, das ist -unglaublich! -- Sehen wir nur nach, was es wieder geben wird.“ - -Schon hatte Althing die Grisette erreicht; -- er rückte ihr an die -Seite und flüsterte ihr Etwas in’s Ohr... man konnte von hinten sehen, -zu welcher freundlichen Fratze er sein rothes, schweißtriefendes -Gesicht verzog; -- -- jetzt trennte ein Schubkarren, welcher mitten -zwischen die beiden fuhr, den Ritter von seiner Dame.... und Jener -mußte ein wenig zurückbleiben.... er wollte ihr rasch wieder -nachspringen, aber in diesem Momente trat die Grisette in ein Haus, -und unserem Dicken, welcher seinen Fuß schon auf die Schwelle gesetzt -hatte, wurde die Thüre vor der Nase zugeschlagen... so daß wenig fehlte -und er wäre um die letztere gekommen... - -Er prallte heftig zurück und auf eine Frau, die zu dieser Zeit eben -vorbeiging und auf den Armen einen Korb voll Gemüse trug; es war eine -Fratschlerin (Höckerweib) -- man weiß was eine Wiener Fratschlerin zu -bedeuten hat. - -Augenblicklich entlud sich eine Fluth von Schimpfwörtern aus ihrem -Munde: „Der alte Mensch da! -- Da seht ihn einmal an! Ist er -toll? Wirft sich da in meinen Gemüsekorb hinein -- als gehörte er -darunter.... Nun ja, er sieht mir auch gerade so aus, wie ein hohler -Kürbis.... Tausendsapperment hinein!“[B] - -Althing schien der Verzweiflung nahe zu sein... Er hatte gänzlich den -Kopf verloren; er wußte nicht wie ihm geschah -- und blickte bald das -tobende Höckerweib hinter, bald das Haus vor sich an.... Allein auf -beiden Seiten war nichts Tröstliches zu sehen, und der wackere Mann -schüttelte jammervoll sein edles Haupt.... - -Da warf er einen zerknirschten Blick nach den sechsten Stockwerk hinauf -und murmelte wehmuthsvoll: „Dort oben soll sie wohnen, wie sie mir -gesagt hat; aber wozu sagt sie mir dieses, wenn sie mir die Thüre vor -der Nase zuschlägt?.... O, Althing, so ist Dir noch niemals mitgespielt -worden! --“ - -Die Fratschlerin war wieder langsam weiter gegangen, jedoch nicht -ohne noch immerwährend zu fluchen und sich von Zeit zu Zeit nach -dem Unglücksmanne zornig umzusehen. Was Edmund betrifft, so hatte -sich dieser hinter einen Mauervorsprung zurückgezogen und sah von -hier aus dem Treiben seines alten Kameraden zu. Er wartete blos auf -die Gelegenheit, wie ein echter Retter in der Noth hervorzuspringen, -falls dieses irgend nöthig sein sollte. Ach, wahrhaftig! er wartete -vergebens; die Gelegenheit überrumpelte ihn und seinen Freund, wie ein -unbarmherziger Feldherr seinen gar zu sicheren Gegner.... - -Während nämlich Althing noch immerfort nach den Fenstern der sechsten -Etage hinaufsah -- denn er vermochte nicht sein Auge von da abzuwenden --- wurde plötzlich aus einem dieser Fenster, gerade über seinem -Haupte, ein Gefäß ausgeleert, dessen Inhalt den armen Ritter völlig -überfluthete, so daß er laut aufschrie: „Ah! Ah! -- Feuer! Feuer!“ und -zuversichtlich noch mehrere ähnliche Rufe herausgestoßen haben würde -- -wäre in diesem Augenblick Edmund nicht herbeigelaufen und hätte sich -seiner bemächtigt, um ihn hastig in’s nächste Haus zu ziehen und so -der Polizei, die unfehlbar sogleich herbeieilen mußte, zu entreißen. - -Denn ein unbegründeter Feuerruf mußte in Wien mit einer artigen Summe -bezahlt werden. - -Althing’s Kleider verbreiteten eben keinen angenehmen Geruch; zum Glück -war es indessen blos Seifenwasser oder etwas Aehnliches. -- -- Der -Dicke triefte wie ein Pudel und überdies schien ihn sowohl vor Schreck -als vor Kälte ein Fieber ergriffen zu haben, denn er bebte, zitterte -und klapperte mit den Zähnen, daß es ein Erbarmen war. -- - -„O, mein Freund!“ sagte er zu dem Jüngling: „Beweine mich! -- Ich -bin ein Märtyrer der Liebe geworden! -- Ach, wäre ich nur schon zu -Hause, um andere Kleider anzuziehen! -- Der Zustand dieser hier wird -mich tödten.... O, hätte ich das träumen können! -- Ich, ich, der so -viele Siege davon getragen hat; der mit Cäsar sagen konnte: _veni, -vidi, vici_ -- -- -- und nun eine solche Erfahrung zu machen...... -Allein,“ fuhr er nach einigen Augenblicken fort, indem er sich im -Gesichte mit der Hand herumwischte.... „was bemerkst Du an meiner -Physiognomie, Edmund?“ - -„Ich bemerke, daß sie voll Ruß ist; ihr unterer Theil sieht wie -bei einem Schornsteinfeger aus.... Dein Schnurbart hat seine Farbe -gelassen. -- --“ - -„Glaube dies ja nicht; er ist von Natur schwarz und färbt nicht ab; du -darfst dessen gewiß sein. Er ist immer schwarz gewesen, dieser Bart -- -in meinem zehnten Jahre schon! -- Auch hat man dieses stets für eine -meiner vorzüglichsten Zierden erklärt. Allein, werden wir nicht bald -nach Hause gehen? Ich halte es hier nicht aus.“ - -„Willst Du der Polizei in die Arme laufen, Unglücklicher, und auf die -Wachstube geführt werden?“ - -„Aber man wird uns nicht bemerken -- -- Schaffe einen Fiaker herbei, -guter Edmund....“ - -„Das geht nicht; man darf auch mich nicht sehen. Wir müssen noch einige -Zeit hindurch hier verweilen....“ - -„Das ist eine schlimme Aussicht.... Jedoch, was bemerke ich da rechts -im Hofe, siehst Du -- dort, aus dem vierten Fenster, hat so eben ein -allerliebster Lockenkopf herausgesehen.... das gewährt Zerstreuung. --“ - -„Ach, Althing -- wirst Du denn nie Vernunft annehmen? In unserer Lage -haben wir nach andern Dingen zu sehen, als nach Lockenköpfen....“ - -„Ganz wohl; aber man darf keine Gelegenheit vorbeistreichen lassen --“ - -„Still doch! -- Hast Du nichts gehört? -- Mir schien es, als hätten -sich draußen Stimmen hören lassen....“ - -Augenblicklich verstummte der Dicke und sein Fieberfrost kehrte -zurück.... Jetzt vernahm man ganz in der Nähe eine Stimme, die keinen -Zweifel über ihren Besitzer zuließ: „Hier hat Jemand Feuer gerufen! -- -Wer ist das gewesen?“ - -„Wir wissen nichts, wir wissen es nicht!“ antworteten mehrere Stimmen! - -„Es war ein dicker Herr,“ rief jetzt eine --; „er muß in diesem Hause -verborgen sein! -- ich sah ihn da hinein laufen...“ - -„O mein Edmund!“ ächzte Althing und fiel bewußtlos seinem Freunde in -die Arme. - -Nun wurde die Thür geöffnet und ein Polizeimann trat ein; sogleich -deutete ein Weib mit einem Korbe, die zu gleicher Zeit erschien, auf -den Ohnmächtigen und rief: „Der da ist es gewesen! Der da hat Feuer -geschrieen! Das ist der Vogel -- -- der früher auch in meinen Korb -hinein flog, als hätte er sechs Tage nicht gefressen...“ - -„Mein Herr von Randow,“ bedeutete der Polizeisoldat gegen Edmund -- -denn der Dicke hörte nichts -- „da ich so glücklich bin, Sie und diesen -Herrn hier zu kennen, so ersuche ich Sie, falls es Ihnen nicht lieber -wäre, sich sogleich auf die Direktion dieses Viertels zu bemühen -- -- -einige Stunden später daselbst zu erscheinen, um über den Feuerruf, für -dessen Urheber man Sie ausgibt, die nöthige Auskunft zu ertheilen...“ - -Nach diesen Worten empfahl sich der Diener der öffentlichen Sicherheit, -wobei er nicht vergaß, mit der Spitze seiner Finger den Czako zu -berühren.... zugleich jagte er die Schaar der Neugierigen, welche -sich vor dem Hause angesammelt hatte, wie dies in Wien häufiger als -anderswo zu geschehen pflegt, auseinander und öffnete so unsern beiden -Freunden freies Feld, welches diese denn auch benutzten, nachdem -Althing wieder zu sich gekommen war. - -Edmund packte denselben in einen Fiaker und schickte ihn nach Hause; -er selbst wurde von Verrichtungen nach einem andern Theile der Stadt -gerufen. - -Es war in der Nähe des Augartens, wohin er in einem Wagen sich bringen -ließ. Eben stieg er aus, in der Absicht, sich nach einem von den -schönen neuen Häusern, welche dort stehen zu begeben, -- als ihm aus -der Allee, welche den Augarten von Außen umgibt -- ein Mensch entgegen -stürzte, der auf den ersten Anblick einem Wahnsinnigen nicht unähnlich -sah. -- Ohne Mühe erkannte unser Freund den +Baron von Leuben+, -jenen glühenden Verehrer Cölestinens, welchen wir auf dem Wasserglacis -kennen gelernt haben. Aber was war mit dem Menschen vorgegangen! -Sein Anzug sah im höchsten Grade zerrüttet aus, so als hätte er ihn -seit 8 Tagen nicht gewechselt und als hätte er die Nächte auf freier -Straße oder im Felde liegend zugebracht. Das Gesicht war fahl und -eingefallen, die Züge verzerrt -- das Haar flatternd, allen Winden -Preis gegeben.... - -„Sind Sie es oder sind Sie es nicht?“ rief er Edmund an und faßte ihn -bei der Hand. - -Dieser, der ohne Zweifel weder Zeit noch Lust hatte, sich aufzuhalten, -entschuldigte sich und schützte dringende Geschäfte vor.... - -„Nein, nein!“ sagte Jener mit zitternder Stimme: „ich lasse Sie nicht; -Sie müssen mit mir sprechen. Zwei Worte nur, aber um Gotteswillen reden -Sie mit mir!“ - -„Mein Herr,“ versetzte Jener; „wäre dazu vielleicht nicht ein ander Mal -Zeit? Wollen Sie z. B. nicht hier auf diesem Platze einige Augenblicke -lang auf mich warten? Ich werde sogleich wieder zurück sein....“ - -„Nicht doch! Keinen Schritt von hier!“ schrie Leuben: „Wollen Sie, daß -ich völlig toll werde? Zur Hälfte bin ich’s schon. Ich kann es nicht -länger ertragen. Bei der Barmherzigkeit des Himmels beschwöre ich Sie: -hören Sie mich an!“ - -„Nun denn,“ antwortete Edmund, halb in Unmuth und halb mitleidig: „was -steht zu Ihrem Befehl?“ - -„Kommen Sie unter jene Bäume dort.... denn hier werden wir gesehen -- --- und ich weiß, mein Aeußeres taugt nicht dazu. --“ - -Diese Rede rührte den jungen Menschen, der, wie erwähnt worden, so -leicht zu rühren war: er folgte dem Baron und war mit demselben bald in -der Allee.... - -„Sie sehen in mir,“ fing der Letztere an, „einen Unglücklichen, einen -Elenden -- dessen Herz gebrochen ist und für dessen Verstand nicht -minder Gefahr droht.“ - -„-- Nun wohl, mein Herr,“ entgegnete unser Freund: „was Sie mir sagen, -ist schrecklich genug, um meine innigste Theilnahme zu erwecken: drum -reden Sie, was kann ich für Sie thun?“ - -„Was Sie für mich thun können?“ seufzte Leuben schwer auf: „Jetzt -vielleicht nichts mehr oder sehr wenig; früher jedoch würden Sie ganz -gewiß mein Leben, meine Seele, mein Glück und meinen Frieden haben -retten können. --“ - -Daß Edmund den Zusammenhang und Sinn dieser abgebrochenen Worte -errieth, läßt sich wohl denken. Er hatte es längst bemerkt, daß dieser -junge Mann auch zu der Zahl derjenigen gehörte, die von den Reizen -Cölestinens bezaubert waren; er wußte jedoch bisher noch nichts von der -namenlosen, alle Grenzen einer gewöhnlichen Empfindung übersteigenden -Leidenschaft Leubens. Diese Stunde gab ihm indeß hinreichende -Aufklärung. Da ihm nun solchergestalt das Unzukömmliche seines jetzigen -Zusammentreffens mit dem jungen Mann und das gänzlich Verwerfliche -seines längern Verweilens bei demselben einleuchtete, so bemühte er -sich eifrig, sein Mitleid für ihn zum Schweigen zu bringen und sich -rasch von hier zu entfernen. - -Er wartete daher nur noch eine nähere Erklärung Leubens ab, sodann -wollte er ihm ohne Rücksicht Adieu sagen. -- Der Unglückliche -beschleunigte selber diesen Plan. Er faßte Edmund an beiden Händen -- -stellte sich vor ihn hin und sprach mit düsterem Tone: - -„Ich liebe Ihre Schwester!“ - -„Mein Herr!“ versetzte dieser, der jetzt augenblicklich sich losriß und -zwei Schritte zurück trat -- in kaltem Tone: „Meine Schwester ist seit -acht Tagen die Gemahlin des Grafen von A--x.“ - -„Das weiß ich!“ sagte Leuben mit dumpfer Stimme. - -„Das wissen Sie!“ rief Edmund streng: „und dennoch wagen Sie es, mir -eine solche Erklärung zu geben.“ - -„Und warum nicht?“ fragte Jener finster. - -„-- Weil ich,“ entgegnete zornig Randow: „dieselbe nicht zu dulden -willens bin, mein Herr.“ - -„Und was weiter --?“ meinte der Jüngling gleichgültig. - -„Das Weitere ist, daß ich, Rücksicht auf Ihren Zustand nehmend, Sie -nicht ferner anhören will. Adieu, mein Herr!“ Er wandte ihm den Rücken. - -„Aber -- -- ich habe Sie beschworen, es zu thun, und Sie haben -eingewilligt. Wollen Sie Ihr Wort brechen?“ - -„Nach dem, was ich so eben hören mußte, fühle ich mich meiner Pflicht -vollkommen entledigt. Darum noch ein Mal: Adieu!“ - -Edmund ging jetzt raschen Schrittes fort. - -Leuben aber lachte ihm in jenem schrecklichen Tone nach, welchen man so -oft hört, wenn man an den Irrenhäusern vorbeikommt -- und welcher Ton -ein Menschenherz durchschneidet und zerreißt. -- -- - -„O!“ rief der Unglückliche, so daß Edmund es noch hören konnte: „es ist -auch so gut. Einer Wölfin Bruder -- pflegt kein Lamm zu sein.... wohl, -wohl. So ist also Alles vorbei -- und mir bleibt nichts als Tod oder -Verzweiflung.“ - -Einen Augenblick hielt er hier inne, dann kreischte er wild auf: „Doch -nein! mir bleibt noch Eins! -- Noch Eins!“ und abermals ließ er ein -heiseres Lachen hören -- doch schien durch dieses ein von dem früheren -sehr verschiedener Grundton durchzuklingen. Jetzt verschwand er im -Augarten. - -Edmund aber trat in ein neues und schönes Gebäude ein. Es war das -Palais des Grafen Alexander von A--x, welches dieser seit Kurzem mit -Cölestine bewohnte. - - - - -Sechstes Kapitel. - -Die ersten Tage eines jungen Ehepaars. - - -Sie lebten so glücklich. -- - -Welcher Abschnitt des Lebens läßt sich wohl mit jener Zeit vergleichen, -da die erste Liebe in ehelicher Sicherheit und Kraft blüht, wie die -Blume des Feldes, die von sorgsamer Hand in das Beet des Gartens -versetzt wurde.... Ach, sie saugt jetzt edlere Säfte aus diesem edleren -Boden -- und voll, farbig, duftreich, wie nie, steigt sie empor in die -blauen Lüfte. -- - -Was ist die Liebe? Eine Waise, die arm und nackt nach einem Freunde -sucht, der sie aufnimmt in seiner Hütte.... Hier wird sie groß gezogen --- reift zum Weibe -- und bringt als Hausfrau Segen über das ganze Haus. - -Wir fürchten in der That allzusehr hinter der Wirklichkeit -zurückzubleiben, indem wir ein Bild von dem jetzigen häuslichen Leben -Alexanders und Cölestinens zu geben versuchen. So hatten sie sich denn -endlich erreicht. -- Niemand konnte mehr Eines dem Andern entreißen. -- -Niemand? -- Mit Gewalt wenigstens nicht! - -Wir wissen nicht, wer von beiden das Glück, welches ihm an der Seite -des Gatten geworden war, inniger und tiefer empfand. Es war zwischen -ihnen ein steter Wettstreit von Zärtlichkeit: Jedes wollte hierin den -Preis davon tragen. - -Das Haus, welches sie vom Tage ihrer Vermählung an bewohnten, war sehr -geräumig und mit allen Bedürfnissen eines eleganten und wohnlichen -Aufenthaltes auf verschwenderische Weise ausgestattet. Es enthielt zwei -Etagen, wovon die erste zwei Salons und viel große Gemächer, die zweite -kleinere Wohnzimmer, vorne zum untergeordneten Gebrauch der Herrschaft -und nach hinten zu für die Beamten des Hauses dienten. Die eigentlichen -Domestiken bewohnten das Parterre. Hinten schloß sich an’s Haus ein -schöner geräumiger Garten an, ein Gegenstand, der in diesen Theilen -Wiens nicht eben häufig angetroffen wird. Wie wir schon bemerkten, war -dieser Wohnplatz, dieses Palais in Bezug auf seine innere und äußere -Einrichtung im Sinne des Wortes +glänzend+ und +vollkommen+. -Es konnte den ersten Häusern der Stadt den Rang ablaufen. Graf -Alexander hatte von dem Augenblick, als er zu dem Besitze des Herzens -Cölestinens gelangt war und sich Hoffnungen zu machen anfing auf ihre -Hand -- mit wunderbarem, mit wahrhaft rührendem Eifer gestrebt, hier -der Geliebten seines Herzens einen Sitz der Freude, der Bequemlichkeit -und der Pracht zu schaffen. Was der zärtlichste Sinn ihm nur Schönes -und Vortreffliches eingab, Alles suchte er zur Wirklichkeit zu bringen --- seine Sorgfalt für dieses Stückchen Erde glich derjenigen, welche -fromme Gläubige für einen Platz, der ihrem Gott geweiht ist, hegen, und -welchen Platz sie mit einem Tempel schmücken. - -Die Lebensweise des jungen Ehepaars war im Aeußeren ein Bild voll -Jugend, Anmuth, Einfalt und Glückseligkeit. So ist die Zeit der ersten -Gattenliebe immer. -- -- Cölestine war nicht getrennt von ihrem Manne; -ihre beiderseitigen Zimmer wurden durch zahlreiche Thüren und jene -süßen geheimen Gänge verbunden, welche die Liebe erfunden hat. -- -Von den Verwandten und Freunden des Ehepaars war es schön, daß sie -während der ersten Wochen seine Einsamkeit nicht störten. In der That, -es hatte noch kein fremder Fuß diese Schwelle entweiht, welche den -geheiligten Mysterien der ersten Gattenliebe geweiht war. -- Wenn Er -und Sie früh erwachten, fanden sie einander in ihren Armen, so wie sie -Abends sich umschlungen hatten -- dann erhoben sie sich Beide, um auf -einige Augenblicke Abschied von einander zu nehmen.... Sie gingen in -ihre Ankleidezimmer -- das einfachste Gewand wurde gewählt -- nur um -keinen der kostbaren Momente zu verlieren, die sie zusammen genießen -konnten. -- Alexander bot jetzt seiner Frau den Arm und führte sie in -den Garten, über welchen eben der heranrückende Sommer das entzückende -Kleid der Blätter, Gräser und Blumen ausbreitete. Schon winkten -trauliche Boskets -- doch nicht belaubt genug, um in sich dieselben -wie in eine undurchdringliche Freistätte zu flüchten. Alexander las -seiner Gemahlin aus einem Buche vor und wovon handelte dieses Buch? -Von -- glücklicher Liebe. -- Diese war für sie übrigens allenthalben -vorhanden, wohin sie auch immer ihre Blicke wandten. Sie fanden diese -glückliche Liebe bei den Blumen, die einander umschlangen, und im -Bache, wo eine Welle in die andere hinüberfloß -- sie fanden sie am -Himmel, wo die Sonnenstrahlen sich mit den kleinen Wölkchen eines -schönen Tages vermählten und diese zärtlich vergoldeten -- -- sie -fanden sie auch in den Vöglein unter den Wolken, welche da die Luft -durchzogen und einander zärtlich verfolgten, sich dann auf einen Zweig -niederließen und zusammen sangen.... ja sie fanden diese heilige und -beseligende Liebe überall im Himmel und auf Erden, ja selbst zwischen -diesen beiden; denn jener mit seiner blauen Decke umschlang diese in -ihrem bräutlichen Festgewande, und sie streckte ihm durch die Bäume und -Aeste ihre blühenden Arme entgegen. -- - -Aber wo wäre auch Liebe nicht? Hat man sie ja tausend Mal den -Gottesodem genannt, der das Universum durchweht. - -Und als nun die Stunde erschien, in der früher die Liebenden, da sie -noch nicht sich selbst sondern der Welt gehörten, sich aufmachen -mußten, um im schalprunkenden Staate dem Götzen der Gesellschaft zu -dienen -- als jene traurige Stunde erschien, in der man Besuche gibt -und empfängt bei und von Leuten, die für unsere Herzen eben so fremd -sind wie alltäglich für unsere Augen -- Leute, welche uns verleiten, -mit ihnen im Verein einen Dienst der Lüge zu begehen, der unsere Seele -verhärtet und unsern Geist verderbt -- -- der uns immer mehr von uns -selbst und unserem geheiligten Innern ablenkt -- -- um diese Stunde nun -saß jetzt das junge Paar noch immer beisammen und lebte noch immer für -sich und pflanzte und bewirthschaftete den Baum des Glückes, dessen -Wurzel ihre beiden Herzen waren -- und unter dessen Laub sie still und -vergnügt wohnen -- von dessen Früchten sie dankbar essen sollten. -- - -Auch beim Mittagstische fanden sie einander wieder -- und widmeten die -nächsten Stunden dann gewöhnlich einer süßerquickenden Ruhe. Gegen -Abend verließen sie entweder zu Wagen oder zu Fuße das Haus und begaben -sich hinaus in die freie Natur, wo sie gleich Kinder, auf den Wiesen -umherhüpften, einander neckten, verfolgten, bis zum Rande des Flußes -liefen, hier bunte Steinchen, Muscheln und Wasserblumen suchten -- -- -auch wohl einen Kahn bestiegen und sich hinüber auf die einsame Insel -rudern ließen, wo sie, nachdem sie die Dienerschaft zurückschickten, -mit dem Bedeuten, erst nach einigen Stunden wieder zu kommen -- diese -Zeit wie Einsiedler durchlebten; wie Robinson. -- Sie gaben sich hier -dem unmittelbaren Naturgenusse hin, dessen erhabene Süßigkeit ein -gewöhnliches Herz nicht zu fassen fähig ist. -- - -Abends im Sternenschimmer und im Silberscheine des Mondes fuhren sie -sodann auf dem Flusse zurück und verlängerten, wenn es ging, immer -diese Fahrt. -- Rings um sie herrschte das tiefe Schweigen der Nacht -und langsam stiegen im Umkreise die Wassergeister aus der Fluth und -umgaukelten den Kahn -- setzten sich auch wohl mit ihren luftigen, -neblichten Gliedern auf den Rand desselben und glotzten das liebende -Paar neugierig aus kristallenen Aeuglein an; -- dann, wenn die Gatten -sich umarmten oder küßten -- hüpfte das Wasservölkchen schnell wieder -in ihre nasse Heimath zurück, indem es ein leises Gekicher zurückließ, -das sich mit dem Rudergeräusch vermählte. -- - -Mitternacht war längst vorüber und noch fuhren oft die jungen Gatten -auf dem Wasser, oder wandelten in Auen, Wiesen und Wäldern; und -überall, wo sie sich nur immer befanden, schien ihnen das bunte kleine -Völkchen der Kobolde, Elfen und anderer Naturpüppchen zu folgen. -- -- -Man sagt, dies begegne allen glücklichen Menschen. Elfen und Gnomen -strömen gerne dahin, wo Freude herrscht -- so wie Dämonen und schlimme -Geister sich stets an die Ferse des Elends und Unglücks hängen. -- - -Ja, Cölestine und Alexander fanden sich nicht selten noch unter freiem -Himmel, da auf diesem bereits die ersten Lichtstreifen der Morgensonne -sich ausbreiteten. -- Ach, sie hatten sich aber auch so Vieles zu -sagen, wozu daheim im Hause der Raum zu beengt war. Warum suchen -Liebende und Unglückliche so gerne die Einsamkeit? Weil das Glück -wie das Unglück nur verstanden und mitempfunden wird von der Natur. -Die Welt hat für unsere mittleren Zustände allein Raum -- für die -kleinlichen, bürgerlichen, philisterhaften, katzenjämmerlichen Freuden -und Leiden; was drüber hinaus geht, was über die Höhe der Marktpfähle -und Schlagbäume reicht -- das muß draußen zwischen Himmel und Erde -verhandelt werden. - -Das Gemüth Alexanders war weich und sanft geworden wie das eines jungen -Mädchens; er war nicht mehr jener düstere, stolze, verschlossene Mann, -der mit Niemand verkehrte als mit seinem Amte und seinem einsamen -Hochmuthe -- -- dieser Alexander schmiegte sich jetzt an alle Freuden -des Lebens an, sofern sie nur in seiner Liebe zu Cölestine begründet -waren. -- Er wäre um dieses Weibes willen Alles geworden, was sie -wollte. -- Sie hingegen, sie blieb sich gleich, nur daß sie das -rauschende Sonntagskleid der Welt abgelegt und ein einfaches weißes -der Poesie und Häuslichkeit angezogen hatte. Sie war noch immer das -heitere, fröhliche, neckische Wesen mit den schwarzen, brennend -funkelnden Augen und den tiefrothen Lippen, die sich so gerne zur Lust -verzogen.... sie war noch immer jenes leichte, erregbare Wesen, fern -von Melancholie oder Schwärmerei, einfach, natürlich und fröhlich. -- -Indessen hatte doch das Gefühl der Gattenliebe durch ihr ganzes Wesen -einen Ton durchklingen gemacht -- sanfter als alle andern, die bisher -in ihrem Herzen wohnten. Es war dies jener Ton, den die Liebe allein -nicht hervorbringen kann -- jener Ton, worin schon ein mütterliches -Gefühl spricht. -- - -„Weißt Du, mein guter Alexander,“ sagte sie eines Tages zu ihrem -Manne, als sie im Garten beisammen saßen -- „daß ich mit jedem Tage, -ja ich könnte sagen mit jeder Stunde Dich mehr liebe! -- Bist Du gar -so liebenswürdig oder entfaltet die Sehnsucht meines Herzens sich in -immer mehr gesteigertem Maße? -- -- Ich habe Dich nun, ich habe Dich -allein, ich glaube Dich ganz zu besitzen, und doch enthüllt mir jeder -Augenblick, daß im vorhergegangenen Du mir noch nicht so vollständig -angehörtest, wie jetzt. -- O, eine solche Liebe ist ein großes Glück! -Niemand begreift sie, der sie nicht erfahren hat.“ - -„Und geht es mir nicht ebenso, Geliebte meines Herzens?“ entgegnete er, -sie an seine Brust drückend -- ihre Lippen, ihre Augen, ihre Stirne, -ihren Hals, ihre Schulter, ihre Arme und Fingerspitzen küssend -- ---: „Ist meine Liebe zu Dir etwa weniger fortschreitend? Mein Gott, -kommt es mir doch in manchen Augenblicken vor -- als seien wir zwei zu -nichts Anderem in der Welt, als um unser Wesen immer tiefer in einander -zu versenken, eine stets innigere Vereinigung zu bewirken. Was ist -die Liebe doch so Unendliches und Geheimnißvolles! Wer hat sie noch -ergründet in allen ihren Tiefen und Schätzen? -- Darum aber lass’ uns -auch immer uns lieben -- jede Spanne Zeit dazu anwenden, uns in diesem -göttlichen Beruf immer mehr zu vervollkommnen. Vielleicht, daß diese -Stufenleiter des Liebesglücks jener Himmel mit seinen Rangstufen ist, -von welchem unsere Dichter und frommen Weisen so begeistert reden... -vielleicht, daß dies dieselbe Stufenleiter ist, auf deren untersten -Sprossen wir standen, als wir zum ersten Male uns sahen -- auf deren -oberen die seligen Cherubim und Seraphim wohnen, auf der obersten aber -der allmächtige Gott selber thront. --“ - -„Wie dem auch sei,“ rief das zärtliche Weib aus: „so lass’ mich Dich -lieben -- und es störe keine Betrachtung, keine Berechnung den Genuß -unserer Wonne. Diese erfülle unser Herz, so weit dasselbe Raum hat -- -und mag es auch überfluthen, was schadet das? Wir stürzen uns dann in -einen Ozean von Glückseligkeit -- -- sollten wir darin auch untergehen. --- O, wie lieb’ ich Dich, mein Geliebter, mein theurer Alexander!... -Wie preise ich mich glücklich, Dich jetzt so in meinen Armen halten --- -- Dir sagen zu können: Alles, Alles, was ich habe, worüber ich -verfügen kann, gehört Dir!... Denn ich bin Dein Sklave, Dein Eigenthum, -mein lieber Mann.... aber Dein Sklave aus entzückender Hingebung -- ein -Eigenthum, das ich selber längst nicht mehr besaß....“ - -Sie umschlang seinen Nacken mit ihren beiden schönen, blüthenweißen -Armen und zog sein Haupt herab auf ihren vollen, wogenden, duftenden -Busen, der, hart wie Marmor, zu zerspringen drohte unter keuscher -Sinnenlust. Sein Mund küßte die Stelle, wo ihr Herz schlug, und jeder -Schlag durchfuhr sein ganzes Wesen mit einer magischen Gewalt, davon -jede Faser in ihm selig erbebte. Er war keines Wortes mächtig -- er -zitterte wie ein Kind in ihren Armen -- er hätte weinen mögen -- -- -noch nie war es ihm so gewesen, wie jetzt: „So hab’ ich Dich noch nie -geliebt, wie in diesem Augenblick!“ rief er ganz aufgelös’t. - -„Auch ich, auch ich!“ bebte es von ihren Lippen: „Auch ich habe Dich -noch niemals so geliebt!“ - -Und diese beiden Wesen schienen von einer unaussprechlichen Trunkenheit -erfaßt zu werden... - -Sie verloren alles Bewußtsein. -- - --- -- Auf ihrem einsamen Wohnsitze erhielten sie zuerst den Besuch -von Cölestinens Mutter, darauf erschien Edmund, der den Moment nicht -erwarten konnte, seine Schwester in die Arme zu schließen. Diese -Besuche störten nicht mehr das idyllische Glück des jungen Ehepaars -- --- es kam dann auch der alte Vater und auch er war willkommen; aber -jetzt befürchtete man, daß sie nur allzubald herbeiströmen würden, -die Schaaren der „Freunde,“ der Neugierigen, der Argwöhnischen und -Neidischen. -- Alexander jedoch beschloß, so lange als möglich die -feste Mauer, welche sein Haus umzog, zu vertheidigen. -- Ach, er -kannte den unerschütterlichen Sinn und die sich immer erneuernde -Tapferkeit der Belagerer nur zu gut, und so war denn höchstens nur noch -für ein paar Wochen Sicherheit zu hoffen. - -Es war eines Vormittags, als sie von der Generalin besucht wurden. - -„O, meine Kinder,“ sprach Cölestinens Mutter, diese würdigste und -tugendhafteste aller Matronen des Geschlechtes der Randow -- „wie danke -ich meinem Schöpfer, der Alles so gefüget hat, wie es zu Eurem Glück -erforderlich ist. So sind wir, so seid Ihr am Ziele aller Wünsche -und unser Gebet kann sich nur auf den Fortbestand dieses gesegneten -Zustandes beschränken. -- Ja, er wird fortbestehen und währen, bis -Euer Auge bricht, bis Eure Herzen ausschlagen.... Ihr werdet Euch -lieben und glücklich sein bis an’s Ende Eurer Tage. Mir sagt es mein -ahnendes, mein vertrauendes Mutterherz -- und ich lese hierzu die -Bestätigung in Euren Augen. -- O Cölestine, mein Kind, liebe Deinen -edlen Gatten, sänftige und erquicke seinen ernsten, schwermuthvollen -Sinn!... Aber, was sage ich? Du hast es ja schon gethan! -- Und -so bleibt mir nur noch eine Bitte an Dich übrig: daß Du es auch in -Zukunft nicht unterlassen sollst. -- -- Und nun zu Ihnen, mein theurer -Freund und Sohn Alexander! -- Bewahren Sie für alle Zeiten Ihrem -Weibe jene Zärtlichkeit, die Sie ihr jetzt widmen, eine Zärtlichkeit, -an welcher Ihr großes Herz so reich ist!... Sie sind nicht mehr -unverstanden, Sie sind nicht mehr ungeliebt.... es hat sich Ihnen ein -Herz ergeben, das Ihrer würdig ist und das streben wird, dies immer -mehr zu sein. -- Merkt Euch noch Eines, meine Kinder: Lasset Eure Liebe -von der +Tugend+ geheiligt werden; seid fromm, sittig, rein und -bescheiden: eine Liebe, welche dies nicht ist, sie wird, glaubt es mir, -nimmerdar bestehen. -- Die echte Liebe ist nicht von dieser Welt; sie -sucht an ihrem Gegenstande die höheren Eigenschaften und liebt ihn um -so inniger, je mehr sie diese in ihm entdeckt -- -- ebenso bemüht sie -sich, diese in der eigenen Brust zu erwecken, um sie ihm anzubieten --- um dieselben gegen die seinigen auszutauschen. Das ist wahre Liebe --- und so haben sich immer jene edlen Menschen geliebt, von deren -Herzensgeschichte uns die alten Bücher so Rührendes erzählen....“ - -Die jungen Gatten, ergriffen von der Ermahnung Derjenigen, die jetzt -ihnen Beiden Mutter war, sanken zu ihren Füßen nieder und gelobten -feierlich, nach dieser Lehre zu leben. Da segnete sie die fromme Alte -und weihte sie mit ihren Zähren, welche langsam auf deren Häupter -herabrieselten. - -[Illustration: S. 128] - -Edmund, der in diesem feierlichen Momente eintrat, wurde von dem -Anblick, der sich ihm hier bot, erschüttert, so daß auch er, ohne ein -Wort zu sprechen, hinstürzte neben die Knieenden, die Hand der Mutter -sowohl wie die der Schwester ergriff und sie abwechselnd an Herz und -Mund drückte.... Dann schloß Cölestine den Jüngling in ihre Arme und -nun konnte auch er seine Thränen nicht mehr zurückhalten: er vermischte -sie mit denen der beiden Frauen. - -Niemals noch hatte er so selig geweint. - -In diesem Kreise waren nur zwei Augen trocken, die Alexanders, aber sie -deuteten, auch trocken, auf eine, wenn auch stille, doch eben so -tiefe Wehmuth -- als von welcher die übrigen Herzen erfüllt waren. - -„So bist Du nun ganz glücklich, meine Schwester!“ begann Edmund in -jenem innigen, wunderbar gerührten Tone, welchen er für Niemand sonst -in der Welt, als für sie hatte: „Du bist glücklich! -- Und so weißt Du: -daß auch ich es bin. -- Ja, in der That, ich habe niemals Deine lieben -Augen von so sanfter Zufriedenheit, niemals Deine holden Wangen von so -heiterem Roth strahlen sehen, wie in diesem Augenblick; und nie, nie, -Cölestine, warst Du so schön! -- O, wie glücklich wird Dein Mann sein -in Deinem Besitze! -- Tausende werden ihn beneiden -- wie Fürsten einen -König beneiden, der in seiner Krone eine Perle besitzt, die an Glanz -und Werth die Summe aller der ihrigen übertrifft.... -- Doch Alexander -hat Dich auch verdient! Ja, ja, er war der Edelste unter seinen -Mitwerbern -- und so gönne ich Dich ihm.“ - -Diese Worte waren für den Grafen nicht ohne Bitterkeit; allein was -ein romaneskes, schwärmerisches Bruderherz in seinem schrankenlosen -Enthusiasmus verbrochen, das suchte die Schwester bei dem geliebten -Manne ihrer Wahl wieder gut zu machen. Sie wandte sich mit einer -Zärtlichkeit, deren Wahrheit jeder Athemzug ihrer Brust bestätigte -- -zu Alexander und überhäufte ihn mit Beweisen von Liebe, dergleichen sie -ihm sonst nur, wenn sie allein waren, widmete. Sie schien es gänzlich -zu vergessen, daß sie nicht ohne Zeugen seien. - -Alexander verstand diese zarte und großmüthige Rücksicht: er fand in -ihr einen hinreichenden Ersatz für die Unbill, welche er zuvor erfahren --- und ein zärtlicher Blick dankte seiner Gattin dafür. - -Da trat rasch und überraschend auch noch der alte General ein; er fand -alle so heiter und gemüthlich, wie er sie brauchte: - -„Allons Kinder!“ rief er „fliegt mir an den Hals! -- Das geht mir -noch Alles zu langsam. -- Ach, richtig, ich vergesse, daß ich hier -nicht in meinem Hause bin, sondern unter jungen Eheleuten -- kleinen -Turteltäubchen, die mit einander genug zu thun haben, als daß sie -noch an einen so alten Steinadler, wie Unsereins, ihre Zärtlichkeit -verschwenden sollten.... Nun denn, guten Tag, mein lieber Alexander --- guten Tag, theure Tochter Cölestine -- und auch Du, Mama, sei -herzlich gegrüßt. -- -- Doch, alle Donner! da hätte ich fast eine sehr -wichtige Person vergessen --“ bemerkte der lustige Alte, sich gegen -Edmund wendend, der ehrfurchtsvoll, wie er es gewohnt war, vor seinem -Vater stand: „Verzeihen Sie mir, mein Herr!“ fuhr der General gegen ihn -fort: „und entschuldigen Sie ein schlechtes Gedächtniß, das bekanntlich -gerade die nächsten Dinge am leichtesten vergißt...“ - -Cölestine hing am Halse ihres Vaters und küßte ihn so lange, daß er -selbst endlich ausrief: „Ich denke, meine Tochter, es wird nunmehr -genug sein!“ Dann reichte er dem Grafen die Hand und ließ sich im -Kreise der Gesellschaft nieder. - -Nun mußte Cölestine ihm genau Bericht abstatten über ihren ganzen -Haushalt -- und Alles, Alles bis auf die letzte Kleinigkeit sagen; denn -der greise Kavalier zeigte eine Neugierde, als sei er an die Stelle -irgend einer alten Haushälterin getreten. - -„Also dort auf jener Seite sind nun Deine Zimmer und hier die Deines -Gemahls?“ fing er an. - -„Ja, bester Vater. Das habe ich so eingerichtet, denn Alexander -überließ Alles meiner Bestimmung.“ - -„Dies ehrt sowohl Dich, wie Deinen Mann, und ich statte ihm für diese -Liebenswürdigkeit meinen väterlichen Dank ab.“ - -„Ah -- aber glauben Sie mir, mein Vater, dies ist noch die kleinste der -schönen Eigenschaften Alexanders.... Er ist an größern so reich....“ - -„Gewiß, gewiß, liebe Cölestine. Aber die innere Einrichtung Eures -Hauses betreffend, so sage mir: ist Alles Uebrige in einem eben so -feinen und großartigen Geschmack ausgeführt, wie dasjenige, was ich zu -bemerken Gelegenheit hatte....“ - -„Alles, mein Vater. --“ - -„Aber -- dies wird Deinem lieben Manne große Auslagen verursacht haben, -welche ich, da Du die Urheberin von Allem bist, mißbillige...“ - -„O, bester Vater, seien Sie überzeugt --, daß in dieser Hinsicht -Alexander meine Wünsche stets übertroffen hat.... Dieser kleine -Feenpalast war bereits in Allem fertig, als ich von ihm Besitz nahm -- --- und ich veränderte nur hie und da Etwas in der Anordnung. Darin -besteht meine ganze Schuld.“ - -„Wie mich dünkt,“ fuhr der alte General in seinem Beichtamte fort: -„so ist die Dienerschaft Ihres Hauses, mein theurer Schwiegersohn, -mindestens um das Dreifache, gegen deren frühern Etat, vermehrt.... -Habe ich nicht Recht?“ - -„Allerdings -- Herr General; ich fand es nothwendig, das Haus meiner -Gemahlin in jeder Beziehung auf eine Stufe zu stellen, welche sowohl -ihren Verdiensten als ihrem Range angemessen ist.... Ich fürchtete, -noch zu wenig gethan zu haben. --“ - -„Und was Ihren Marstall anlangt -- lieber Graf -- so fand ich -Gelegenheit, einen Blick hineinzuwerfen, wiewohl ich mir das Vergnügen, -ihn genauer zu besichtigen, noch vorbehalte. -- -- Ihr Marstall nun, -mein theurer Alexander, ist wirklich unvergleichlich, und ich weiß -nicht, ob er es nicht mit jedem andern in der Residenz aufnehmen -könnte. Dies nimmt mich um so mehr Wunder, da ich weiß, daß Sie im -Ganzen keiner von unsern leidenschaftlichen Pferdeliebhabern sind ... -ich glaube, Sie gehören auch nicht zu unserem Jokey-Clubb....“ - -Der Graf erwiederte lächelnd: „Bisher noch nicht; doch bin ich Willens, -mich in denselben aufnehmen zu lassen.“ - -„Aber -- Sie besteigen ja höchst selten ein Pferd.“ - -„Ich werde es jetzt öfter thun.“ - -„Und der Grund davon?“ - -„Meine Frau wünscht es.“ - -Der General umarmte seinen Schwiegersohn. -- - -„Sie sagt,“ fuhr dieser fort: „ein Mann erscheine niemals schöner, als -wenn er zu Pferde sitzt, und ich will mir das merken.“ - -„O!“ sagte Cölestine gerührt: „Du hast es nicht nöthig, Alexander, Dich -werde ich ewig lieben -- und mehr Dich lieben, wie ich, ist kein Herz -fähig.“ - -Jetzt schloß +sie+ ihn in ihre Arme und eine Pause entstand, -reicher an stiller tiefer Wonne, als deren manches ganze Leben enthält. - -Die Eltern segneten die Stunde, welche den Grafen zum ersten Male -in ihr Haus geführt. Nach einiger Zeit erhob man sich und nahm die -Wohnung der Kinder in Augenschein. Man besichtigte sie von oben bis -unten, man ließ nicht die kleinsten Winkel unbeachtet -- und es -bestätigte sich Alles, was man früher von ihr erfahren hatte. Sodann -ging man in den Garten hinab, dann in den Hof, in die Seitengebäude, -Alles entsprach einem großartigen Plane, und Alles stand unter einander -in der schönsten Harmonie. - -Endlich nahmen die Alten mit ihrem Sohne Abschied von dem Ehepaar -- -und begaben sich auf den Rückweg nach Hause; denn es war heute bei -ihnen, aus Anlaß des Nachfestes zu der Vermählungsfeier Cölestinens -- -Tafel, bei welcher einige nähere Freunde des Hauses erscheinen sollten. --- - - - - -Siebentes Kapitel. - -Ein _Tête à tête_ -- jedoch kein zärtliches. - - -Es schlug sechs Uhr. Dies was die Zeit des Diners. Im kleineren Salon -der Generalin waren bereits alle Gäste versammelt, unter denen uns -mehrere Personen nicht ganz unbekannt sind. Denn es fanden sich hier -der Graf und die Gräfin von Wollheim -- Herr und Frau von Porgenau -- -die Wittwe jenes Feldmarschall-Lieutenants E--z, so wie die Stiftsdame, -Fräulein Eugenie von +Bomben+ (62 Jahr alt). Auch Herr von Labers, -der Mann, welchen Alles hochachtete, war zugegen. - -Man schritt paarweise in den Speisesaal, wo eine auserlesene Tafel -bereit stand, die Gäste aufzunehmen. Dies Diner wäre ein ganz -gewöhnliches gewesen und hätte sich durch nichts von einer materiellen -Mahlzeit oder Esserei unterschieden, hätten nicht unsere drei oder vier -Paar Originale, dergleichen nicht überall in der Welt zu finden sind, -daran Theil genommen. So aber war für den Geist mehr als hinreichend -gesorgt; d. h. für den Geist, welcher Kontraste und satirische -Verwickelungen liebt. - -Nach den ersten Gängen -- man servirte in diesem Hause auf französische -Weise -- wurde endlich jene einförmige Stille, die den Anfang eines -Mahles bezeichnet, durch einige schlechte Witzworte des trefflichen -Herrn von Porgenau unterbrochen und der Genius der Unterhaltung senkte -sich auf die Gesellschaft herab. - -Es ist im Grunde zwar nicht nöthig, so gewissenhafte -Geschichtsschreiber wir übrigens auch sind -- jedes alberne Wort -Herrn von Porgenau’s durch unsern Griffel der Unsterblichkeit zu -überliefern... Indeß dürfen wir auch diesem Manne, da er einmal ein -Charakter ist, (obgleich nicht in dem Sinne, worin Börne von Gutzkow -ein Charakter genannt wird) nicht Unrecht thun, und so geben wir denn -so viel Züge und Striche von ihm, als zur vollständigen Zeichnung -seines Bildes nothwendig sind. - -So möge man also wissen, daß der erste brillante Einfall Porgenau’s -heute an dieser Tafel darin bestand, daß er einen Kalbskopf in einer -_sauce piquante_ mit den Liebesgedichten des berühmten Lokalhumoristen -Herrn Saphir verglich und hinzusetzte: so sehr dieser Kopf auch mit -Saucen, Citronenscheiben, Gewürzen, Lorbeerblättern, Blumen und Blüthen -begossen und bedeckt sei -- erkenne man doch augenblicklich, daß er -vom +Kalbe+ komme.... Der Bonmotist setzte noch hinzu, daß man im -Orient auf diese Weise auch +Affenköpfe+ bereite -- -- und meinte, -dieser Vergleich sei noch viel passender. - -Ferner behauptete derselbe: eine schlechte Tafel sei die beste -Universität, man werde da voll +Geleersamkeit+. - -„Wissen Sie,“ wandte er sich zur Gräfin von Wollheim, wobei er wieder -im Voraus so sehr lachte, daß es eine wahre Freude war: „wissen Sie, -gnädige Frau -- haha! -- welches mein schönster Calembour ist.... In -der That, hahaha! ich bin stolz darauf, denselben geschaffen zu haben --- hahaha!“ - -„Lassen Sie ihn hören, lassen Sie ihn hören, trefflicher Herr von -Porgenau!“ hieß es an der ganzen Tafel; denn die Albernheit ist oft -belustigender als Verstand und Witz. - -„Mein erster Calembour --“ sagte Porgenau stolz -- „aber,“ fuhr er -nach einer Pause fort und verzog das Gesicht so breit, als es ihm nur -möglich war -- „in der That, ich kann mich vor Lachen kaum halten, -sobald ich diesen göttlichen Calembour preiszugeben im Begriffe stehe --- hahaha! hahaha! -- So hören Sie denn: +Was ist der Mensch+? -Antworten Sie mir, meine Herrschaften, auf die Frage: Was ist der -Mensch? -- hahaha!“ - -Alles lachte; aber Niemand sprach. - -„Ah -- hahahaha!“ platzte Porgenau aus: „Nicht wahr, Sie wissen es -nicht. Hahaha! Das ist lustig! das ist sehr lustig -- hahaha!“ - -„Aber so sagen Sie es uns doch selbst!“ bemerkte die Gräfin -achselzuckend.... „Sie sehen ja, daß es hier Niemand erräth.“ - -„Nun -- wenn Sie es wissen wollen.... hahahaha! -- hahahaha! -- Der -Mensch -- ist ein unbefiedertes Thier mit zwei Beinen. -- Hahahaha! -hahahaha!“ Und der große Mann wälzte sich in seinem Stuhle. - -„Zu diesem Porträt,“ bemerkte Edmund gegen einen jungen Mann: „hat ohne -Zweifel Er +selbst+ gesessen....“ - -„Gewiß. Die Aehnlichkeit ist sehr auffallend.“ - -Aber Porgenau hörte es nicht, wiewohl es ziemlich laut gesprochen -wurde; er lachte noch immer und hielt sich den Bauch -- es entzückte -ihn, daß die ganze Gesellschaft mit lachte, was er als Resultat seines -unwiderstehlichen Witzes nahm. - -„Dieser Porgenau,“ meinte Herr von Labers gegen seinen Nachbar, welches -der General von Randow war: „ist ein halber Fallstaf; denn wenn er auch -nicht selber witzig ist, so macht er doch Andere dazu. --“ - -„Sehr richtig,“ bemerkte General Randow -- „und wiewohl ich eigentlich -nicht weiß, wer dieser Fallstaf sei, so kann ich mir denselben doch -recht gut vorstellen. -- -- Ah, jetzt entsinne ich mich! Es ist, -glaube ich, eine dicke, lustige Person in irgend einem Schauspiele. --“ - -„Ganz recht! in einem Shakspeare’schen.“ - -„Ah -- dies ist ja derselbe Dichter, welcher so viele kriegerische -Stücke verfaßt hat, deren Namen mir leider zum größten Theil entfallen -sind....“ antwortete der General, der wie so manche tüchtige Offiziere -und -- Kavaliere des Kaiserstaates eben kein großer Literat war -und welcher, gleich dem edlen Herzog von Reichsstadt, Schillers -+Wallenstein+ nur wegen der großen Kriegsseite dieses Stückes so -sehr liebte. -- - -„Sie sagen, meine Beste,“ sprach Gräfin Wollheim zu dem Stiftsfräulein --- „Ihr Vorschlag an das Comité, betreffend die Befestigung von -Strümpfen, Jacken und andern Kleidungsstücken auf dem Leibe der Armen, -sei zurückgewiesen worden? -- Ich halte dies nicht für möglich. Es wäre -abscheulich!“ - -„Auch ich war darüber empört, glauben Sie mir, theuerste Gräfin ---“ versetzte Fräulein von Bomben --; „es heißt dies die -menschenfreundlichsten Absichten vernichten, mit Füßen treten.... aber -so ist einmal unsere lasterhafte, sündige Welt. Ich bin überzeugt, -mein Vorschlag wurde blos deßhalb nicht angenommen -- weil mehrere -Damen des Comités, wie ich aus sicherer Quelle weiß -- mit einigen -hübschen Armen im vertrauten -- -- u. s. w. -- Sie verstehen, beste -Freundin!“ - -„Aber -- dies scheint mir unmöglich! --“ - -„Es ist wahr; ich kann es nöthigenfalls beschwören... Und,“ fuhr -sie schwärmerisch fort, wie ein verliebter Jüngling, der von seinen -Entwürfen spricht, mit welchen er die Geliebte seines Herzens -glücklich machen will: „und ich hatte mich bereits mit allen -Materialien versehen! Ich kaufte _en gros_ ein. Zwei Zentner Pech -- 80 -Pfund Teufelsd-- 300 große und kleine Ketten, Schlösser, Fangeisen, -Daumenschrauben...“ - -„Daumenschrauben? Wozu denn diese?“ - -„Um unseren lieben Armen die Handschuhe, welche wir ihnen im Winter -geben, an die Finger zu schrauben....“ - -„Ah, mein Gott -- wie erfinderisch Sie sind, mein theures Fräulein!“ - -„O, wo es sich um das Wohl der Menschheit handelt!“ - -„Ach die Menschen verdienen es kaum.“ - -„Gewiß, gewiß; sie verdienen es nicht. Sie sind Wölfe und Hyänen -- und -ich wollte nur, daß ich sie in Wolfsgruben oder mit Fußeisen fangen und -ihnen das Fell abziehen könnte. Das wäre so meine Passion!“ - -„Indeß -- -- da wir Mitglieder des +Hilfsvereins+ sind.... meine -Beste: scheint mir diese Ihre Passion doch ein wenig barbarisch.“ - -„Ei was!“ schrie das fromme Stiftsfräulein und warf Blicke umher -wie eine Hyäne, von welcher sie eben gesprochen: „barbarisch hin -- -barbarisch her; ich halte es mit Kaiser Nero und wünsche der ganzen -Menschheit einen Kopf, um ihn mit +einem+ Schlage abzuhauen.“ - -Das war ein schönes Mitglied frommer Stiftungen und edler -Wohlthätigkeitsvereine. - -Es war jetzt am obern Ende der Tafel die Rede von den Fremden, welche -in letzterer Zeit die Residenz besucht hatten und Herr von Labers -führte darunter auch den Namen eines +Chevalier de Marsan+ an. -- -Sogleich erhob sich Edmund und lebhafte Freude malte sich in seinem -Gesichte: „Wie?“ rief er, „der Chevalier de Marsan -- jener Marsan, -der, vor zwei Jahren bei der N**schen Gesandtschaft attachirt, mit -seinem Chef Wien besuchte.... jener elegante, hübsche, glänzende -Kavalier: ist dieser gemeint?“ - -„Derselbe!“ entgegnete Herr von Labers: „Man sagt, er werde dies Mal -für längere Zeit in unserer Stadt verweilen. Seine Gegenwart hängt -übrigens mit keiner politischen Mission zusammen....“ - -„So wird man wohl diesen Herrn,“ sagte Frau von Porgenau, die Gemahlin -des berühmten Calembouristen -- „zu sehen bekommen! Ist derselbe schon -in vielen Häusern eingeführt?“ - -„So viel ich weiß, in mehreren -- -- doch scheint dieser stolze -Chevalier nur die schwindelnden Höhen der Gesellschaft zu goutiren. -Man erzählt sich, er habe neulich, als man ihn der Gräfin Holborlow -vorstellen wollte, gefragt, ob diese Dame nicht zu jenen Holborlows -gehörte, die erst vor beiläufig 150 Jahren in den Adelstand erhoben -wurden -- und erst, nachdem man ihn überzeugte, daß jene neugeschaffene -Familie eigentlich +Holbarolow+ heiße -- während die ersten -+Holborlow’s+ bereits aus den ältesten Zeiten Moskowitischer -Herrschaft abstammten, willigte er ein, mit der Gräfin bekannt zu -werden.“ - -Von zahlreichen Stimmen erscholl jetzt das Lob des ausgezeichneten -Kavaliers, dessen Grundsätze man als vom ersten Wasser erkannte.... und -diese Personen, welche applaudirten, wünschten insgeheim alle mit dem -Chevalier bekannt zu werden. - -Einer Dame, die ihre diesfällige Sehnsucht dem Sohne des Hauses -vortrug, antwortete Edmund: „Nichts in der Welt ist leichter.... -wenigstens für mich ist nichts leichter, als den Ritter von Marsan -dahin zu führen, wohin es mir gefällt. -- In der That wir sind seit -einer Reihe von Jahren die wärmsten Freunde. -- Unsere Verbindung -schreibt sich noch von meiner Reise nach Paris her, wo ich damals den -Chevalier in der Umgebung des Hofes fand. Dort wie an jedem Horizonte -war er ein Stern erster Größe -- und ich gestehe es offen, auf keine -Freundschaft stolzer zu sein, als auf die seinige.“ - -„In Wahrheit,“ rief Frau von Porgenau: „Sie machen uns neugierig und -im höchsten Grade gespannt. -- Herr von Marsan muß eine Art kleinen -Wunders sein!“ - -„Sagen Sie lieber +großen+ Wunders, beste Freundin!“ fiel die -Stiftsdame ein: „Sieht er nicht etwa dem Antinous ähnlich -- und ist -er an Geist nicht ein Cicero -- an Muth nicht ein Leonidas -- und an -Reichthum nicht ein Rothschild....? hehehe! Wirklich, er muß sehr -außerordentlich sein....“ schloß das Fräulein mit einem Lächeln, -welches halb bitter und halb unverschämt war. -- - -Edmund ergriff den besten Ausweg und gab ihr keine Antwort -- er zuckte -die Achsel und wandte ihr, so weit dies möglich war den Rücken. .... -Darüber schien die liebenswürdige Menschenfreundin sehr ungehalten zu -werden -- und begann nun ihrer Zunge vollen Lauf zu lassen: „Ei, ei -- -wie Schade! daß unsere Residenz nicht auch solche illustre Exceptionen -des Menschengeschlechtes aufzuweisen hat. -- Wahrlich, wir sind in -dieser Hinsicht noch sehr weit zurück; -- und müssen, Dank Frankreich, -von dort aus sowohl mit den Alleweltbezwingern, wie mit Seiltänzern und -Harlekins versorgt werden....“ - -„Welche +Versorgung+ uns indeß oft sehr große +Sorgen+ -verursacht... hahahaha! hahahaha! hahahaha!“ rief Herr von Porgenau, -und dies war sein neuester Witz. - -„Ach, was dieser Porgenau -- witzig ist!“ schrie seine Gemahlin, von -der wir noch nicht erwähnt haben, daß sie die staunende Bewunderin des -Genies ihres Mannes war -- und stets in dessen unmäßiges Gelächter -einstimmte, sobald derselbe ein _soi-disant_ Bonmot machte. „O, wie -glänzend seine Einfälle heute wieder sind!“ und hielt sich die Seiten, -was ihr sehr schwer wurde, denn sie hatte verschiedene sehr große -Seiten. Sie war so ein verkleinerter Abguß des Heidelberger Fasses. - -„Meiner Treu!“ meinte der Graf von Wollheim: „diese Aeußerungen über -den Chevalier stimmen keineswegs überein -- -- und wollte man sich nach -ihnen halten, würde man von Herrn von Marsan nur ein sehr schwankendes -Bild erhalten. Indessen scheint mir die Meinung meines Freundes Edmund -da -- nicht ohne Gewicht, da derselbe den Ritter bereits seit so -langer Zeit kennt, und überdies ein Jüngling ist, auf dessen Urtheil -und Wort ich ungeheuer viel gebe....“ - -„Dies scheint mir,“ fuhr die Stiftsdame mit ihrem schneidenden Tone -dazwischen -- „eben kein großes Kompliment für uns -- --“ - -„Erlauben Sie, mein Fräulein,“ schrie der Jäger, roth werdend vor Zorn --- „erlauben Sie --“ wiederholte er mit einer Stimme, als befände er -sich im Walde und hätte sein Horn verloren.... „erlauben Sie!...“ Er -konnte vor lauter „Erlauben Sie“ nicht weiter; -- seine Entrüstung war -zu groß.... - -Diese wuchs noch, wo möglich, als Fräulein von Bomben sich ruckweise -mit ihrem Stuhle zurückzog und stets rief: „O mein Gehör! Mein armes -Gehör! -- Mein unglückliches Gehör! -- Gnade! Gnade! --“ - -„Das heißt wohl so viel, als, daß ich in Ihrer Nähe verstummen soll -- -ich, ein alter Jäger, der schon vor manchem größern Ungeheuer nicht -verstummt ist.... Alle Donner und Wehrwölfe!“ Der Nimrod hatte sich mit -diesen Worten Luft gemacht -- aber die Stiftsdame war bei ihrem Klange -auch leblos auf die Lehne ihres Stuhles zurückgesunken, indem sie leise -das Wort „+Ungeheuer+!“ flüsterte. Sie verdrehte ganz entsetzlich -die Augen und bald schien sie nicht mehr zu athmen.... Man konnte sie -für todt halten. - -Dies war für den argen Nimrod ein ungeheures Gaudium und er unterließ -es nicht, dasselbe auf folgende Weise auszuschreien: „Ah -- sie ist -in Ohnmacht gesunken, die vortreffliche Frau!... Fräulein, wollt’ -ich sagen.... Wie schade um eine so liebenswürdige, gutmüthige Dame! -Ach, sie hat ein zu weiches Herz! Dies war immer ihr größter Fehler. -Sie, die keiner Mücke weh thun kann -- empfindet natürlich selbst -jede Verletzung in dreifachem Maße... Ach! daß ich das so wenig -berücksichtigt habe! -- Und was vollends ihre Tugend -- ihre Reinheit -betrifft....“ - -Hier vermochte das Fräulein nicht länger ohnmächtig zu bleiben. Sie, -die früher einer Verstorbenen ähnlich gesehen, sprang jetzt plötzlich -mit solcher Lebhaftigkeit auf, als sollte es zum Hochzeitstanze gehen: -„Was?“ rief sie aus: „Welche Worte! Welche abscheuliche Rohheit! --- Und dieser sieht man sich in einer auserlesenen Gesellschaft -ausgesetzt! Ist dies das Haus der Generalin von Randow, jener vornehmen -Dame, die zu den ersten unserer _haute crême_ zählt -- -- oder was ist -dies Haus für eines? -- -- --“ Sie überließ sich, wie man sieht, wieder -so ganz recht ihrer milden Suade. Mittlerweile war die Hausfrau bereits -längst an ihren Stuhl getreten und hatte die Erzürnte zu besänftigen -gesucht -- wobei sie von noch zwei oder drei Damen unterstützt wurde. -Den alten Waldmenschen aber hatte auf einen Wink des Generals Edmund -bei Seite genommen und, da die Gelegenheit dazu eben günstig war, (das -Mahl neigte sich nämlich seinem Ende zu) ihn aus dem Saale weggeführt. - -„Kommen Sie, kommen Sie, bester Graf --“ raunte er ihm in’s Ohr: „ich -kann es nicht länger mit ansehen, daß Sie sich mit dieser alten Hexe da -befassen.... Es ist empörend -- --!“ - -„Ja!“ fiel der Jäger ein: „Du sprichst ein wahres Wort aus, -mein Jüngelchen! Empörend ist es, daß eine dürre und von Zorn -ausgetrocknete Kreatur dieser Art es wagt, mit einem alten Jäger, der -bereits so manchem Zauberhirsch und Waldteufel in’s feurige Gesicht -geschaut.... haha! Aber ich hab ihr’s auch recht gegeben! Nicht wahr, -Edmund! Ich habe sie ordentlich zugerichtet.... hahaha!“ - -„Ja -- Sie haben sie ordentlich -- --“ - -„Donnerwetter! Nenne mich nicht immer „Sie!“ Was hast Du heute?... Sind -wir nicht mehr die alten Freunde?“ - -„Ei, das wäre!“ rief der Jüngling aus, als er sich mit dem Alten -endlich in einem Seitenzimmer befand: „Du weißt,“ fing er an: „daß -meine Familie von unserer Intimität nicht allzu viel merken darf. Unter -uns -- meine Mutter sieht es nicht gerne, sie meint, ich nehme von Dir -wilde Sitten an. -- --“ - -„Alle Hirsche und Rehe! -- Das wird sie doch nicht meinen! -- Geht dies -wirklich auf mich? -- Wild, wild! -- Ja, freilich ein wilder Bursche -bin ich.... aber dazu -- bei St. Hubertus! -- eine so ehrliche Haut, -wie je eine in germanischen Wäldern von Regen und Wind durchgegerbt -wurde. -- Allein, was fällt mir da ein? Mich dünkt, wir hätten jetzt -die schönste Gelegenheit, in die Kellnerei hinüber zu spatzieren, die, -(ich wittere die Spur!) hier irgendwo in der Nähe sein muß.“ - -„Der Einfall ist nicht übel! -- -- Ja, ja, der Einfall ist nicht -schlecht!“ schrie Edmund: „Er ist sogar köstlich, beim Teufel!“ - -Diesen Einfall indeß hatte der Alte jeden Augenblick. - -Und alsbald saßen diese edlen Brüder wieder in einem still bescheidenen -Winkel und vor ihnen erhoben sich mannigfache Humpen -- -- und -alsbald hatte Edmund wieder seine eigenthümliche Laune (es war seine -eigenste eigenthümlichste) angenommen; er trank, sang und betrank -sich mit seinem Freunde, so, als wären sie in irgend einer Dorfkneipe -eingekehrt. Nach Verlauf von einer Stunde befanden sich diese -musterhaften Edelleute im Zustande vollkommener Bewußtlosigkeit -- und -lagen mit erstarrten, bleischweren Gliedern -- Edmund +auf+, der -Jäger +unter+ dem Tische. - -Die Dienerschaft, welche dergleichen schon gewohnt war und für diesen -Fall ihre Verhaltungsregeln von Edmund empfangen hatte, schloß sie im -Zimmer ein, damit die Biedern nicht etwa erwachen -- im halbnüchternen -Zustande das Zimmer verlassen und im Hause Skandal machen könnten, wie -sie es bereits einmal gethan. - -Das Schnarchen, welches sie entwickelten, war bis in den -Gesellschaftssaal vernehmbar, wo die Gäste beim Kaffee saßen und wo -eine Dame von sehr furchtsamer Natur beständig sagte: „Ich glaube, es -zieht ein Gewitter heran. -- Ich glaube, es donnert in der Ferne....“ - -Die Verfassung, worin die Gesellschaft sich nach dem Abgang der beiden -Herren befand, war übrigens von bewundernswürdiger Ruhe. Nachdem der -Jäger, dessen derbe, waldmännische Natur sattsam bekannt war, sich -entfernt hatte -- machte man dem Stiftsfräulein bemerklich, daß er ihr -mit diesem Letzteren eine glänzende Genugthuung gegeben habe; -- Gräfin -Wollheim selbst sprach dieses aus und wandte sich noch überdies mit -der Versicherung, daß sie selbst das Betragen ihres Mannes mißbillige, -an die ungeheuer empfindsame Dame.... so gelang es endlich, dieselbe -zu versöhnen, und Alles kam wieder ins rechte Geleis. -- Herr von -Porgenau machte wieder seine geistvollen Calembours -- lachte sich -dabei sammt seiner Gemahlin halbtodt -- Gräfin Wollheim sprach von der -nächsten Zusammenkunft des Frauenstiftsvereins, zu welcher sie bereits -drei Unterröcke und sechs Beinkleider fertig liegen habe; zuletzt wurde -auch noch die Stiftsdame cordial -- sprach von der Immoralität unter -den Armen und bemerkte dazu sehr scharfsinnig: - -„Wer weiß, was in so manchen dieser Jacken und Beinkleider getrieben -werden wird...“ - -Ja, endlich kam sie sogar auf ihr beliebtes Thema von Nero, wo sie -der ganzen Menschheit nur ein Haupt wünschte, um es mit einem Schlage -herabzusäbeln... -- - -Dieses Stiftsfräulein hätte in den Türkenkriegen leben und unter die -Janitscharen gehen sollen. Sie würde dort große Dinge vollbracht haben. --- - - - - -Achtes Kapitel. - -Der Chevalier von Marsan. - - -Der Chevalier von Marsan machte wirklich in der großen Welt gewaltige -Sensation. Er hatte sich bereits in den Cirkeln der Fürstin O-- M-- -G--, der Herzogin B--, der Marquise A--, und Re--, der Lady P-- und -noch in mehreren von den +allersublimsten+ sehen lassen, und -Alles war von dem Manne entzückt, der gekommen schien, die Zeiten -eines Alcibiades nach modernen Principien zurückzurufen. In Wahrheit, -dieser Kavalier vereinigte in sich eine Summe von Liebenswürdigkeit -und Vorzügen, die ihn zu einem wahren Prototyp der fasshionablen -Männerwelt machten. Es hatte Natur und Kunst für ihn mit einem Worte --- Alles gethan, und noch +ein Stückchen dazu+. Er war schön, -reizend, blendend, er war geistreich, witzig, gelehrt, er war vornehm, -fürstlich, ja uns dünkt sogar -- von königlicher Verwandtschaft; er war -reich, mächtig, großmüthig, verschwenderisch, stark wie ein Cyklope und -sanft wie eine Hamadryade.... - -Und doch hatte bei diesem Monstrum von Schönheiten -- der Schöpfer -Eines vergessen; Dasjenige nämlich, was er ihm schon deßhalb nicht -geben kann, weil er ihm alles Uebrige gab, denn Dieses und Jenes sind -Gegensätze, die einander aufheben. Dieses Eine, was dem Chevalier -fehlte, und welches kein Gott ihm zu ersetzen im Stande war -- es war -Dasjenige, was gerade einem Charakter die höchste poetische Weihe -gibt: es war jene schöne menschliche Mangelhaftigkeit, jener große, -oder jene tausend kleinen Fehler, wodurch ein kleines Individuum -+interessant+, ein großes zum +tragischen Helden+ wird. -Dieses Ingredienz, dieser Mangel im Menschen, oder eigentlich dieser -+negative Vorzug+ ist es ja, welcher uns, in seiner höchsten -Potenz, beim Anblick eines +Cäsar+, eines +Byron+, eines -+Napoleon+, hinreißt -- während uns die makellose, glatte Reinheit -eines edlen Menschen blos kalt erhebt. -- - -Nicht daß es dem Chevalier an Fehlern und Untugenden gemangelt hätte; -ich weiß nicht, ob er auch nur im entferntesten Sinne einen Vergleich -mit jenen edlen Menschen ausgehalten hätte, welche wir zuletzt -nannten, vorausgesetzt, wir hätten ihn mit dem Maßstabe der reinen -Moral zu messen; nach den Begriffen der Gesellschaft und Zeit jedoch -war Herr von Marsan das Muster eines vornehmen Mannes, d. h. eines -Salonsubjektes. - -Ach, Ihr guten Seelen, die Ihr in kleinen Häuschen mit Strohdächern, -unter denen Schwalben und Bienen nisten, wohnt, Ihr habt freilich -keinen Begriff von +dieser+ Tugendhaftigkeit und +dieser+ -Mustergiltigkeit. Nach Eurer unverständigen Meinung wäre dieser -Chevalier vielleicht weiter nichts, als ein hübscher, reicher, -leichter, träger, thörichter, vielleicht auch gutherziger, jedenfalls -aber ausgelassener und gewissenloser junger Springinsfeld gewesen. Gut, -daß Euer Votum in der Wagschaale der +bessern Gesellschaft+ nicht -gilt -- Ihr würdet dort eine schöne Confusion damit anrichten. - -Doch wir wissen jetzt ungefähr genug von dem Charakter des Ritters von -Marsan und eilen nun zu den Begebenheiten, worein wir denselben schnell -verflochten sehen. - -Eines Tages machte Edmund mit seinem Freunde, dem Grafen von Wollheim, -einen Spazierritt in den Prater, als er, beim ersten Kaffeehause -angelangt, ungefähr hundert Schritte davon ein Gedränge von Menschen, -Pferden und Equipagen bemerkte. Hier muß etwas Außerordentliches -vorgefallen sein, wiewohl dies nicht nothwendig ist und schon eine -unbedeutende Kleinigkeit hinreicht, die guten Wiener sich mitten -auf der Straße zu einer Schaar versammeln und neugierig den Himmel -anstaunen zu sehen.... - -Als unser Freund näher kam, bemerkte er einen Herrn zu Pferde, der -mit dem Thiere, welches äußerst widerspenstig schien, mit einer Kunst -verfuhr, die ihn zum größten Reiter des Jahrhunderts stempelte. Dieser -Herr hatte den Rücken gegen Edmund gekehrt, und so konnte dieser nicht -wissen, wen er da vor sich habe. Jedoch schien es ein junger und -äußerst glänzender Kavalier -- sein Pferd aber war von arabischem -Vollblut, „halb Hirsch und halb Vogel,“ wie +Balzac+ sagt. - -„Er wird das Thier doch nicht zum Stillstehen bringen.“ - -„Es ist vergebens! Das ist ein wahrer Teufel von einem Afrikaner!“ - -„Wie heißt das Pferd nur gleich!“ - -„Jussuf! Jussuf ist sein Name.“ - -Diese Urtheile und Reden erschollen rings herum. Mitunter ließ eine -von den schönen Damen, die aus den Wagen den schönen Reiter durch -ihre Lorgnetten betrachteten -- einen leisen kokettirenden Angstruf -hören.... oder die Herren zu Pferde suchten durch das gewöhnliche: -„Prrr! -- Ohe! Heh! Heh!“ den wilden Jussuf zu besänftigen helfen --- was jedoch von dem fremden Reiter stets mit einer stolzen und -unwilligen Bewegung erwiedert ward. -- Dieser schien endlich in die -höchste Wuth zu kommen -- er riß den Zügel so heftig an sich und -versetzte dem muthwilligen Thiere mit Sporn und umgekehrter Gerte einen -so furchtbaren Schlag -- daß Jussuf wie ein Mensch aufstand, sich auf -die Hinterbeine setzte -- und schon zu überschlagen in Gefahr war.... - -Ein tausendstimmiger Schrei der Zuschauer erfüllte die Luft.... - -Aber im Augenblick, wo die Gefahr am größten war, wo das Leben von -Mensch und Thier nur mehr auf einer Nadelspitze stand -- machte der -Fremde, welcher kalt und lächelnd in den Steigbügeln stand -- eines -von jenen Maneuvres mit Zügel und Schenkel, die ein Geheimniß der -Araberhäuptlinge und zwei bis drei Europäer sind -- -- und Jussuf, als -sei er plötzlich in ein Hündchen verwandelt worden, ließ die Ohren -fallen -- senkte die Augen, welche zuvor höllische Funken gesprüht -hatten -- zog die dampfenden Nüstern zusammen -- -- jetzt mit einer -Viertelkreiswendung drehte es sich auf den Hinterfüßen herum und ließ -sich ruhig auf die Erde nieder, ohne ferner auch nur mit einer Muskel -zu zucken. - -Bei dieser Evolution, welche an die Mythen der Centauren erinnerte -- -lös’te sich ein zweiter allgemeiner Ruf aus der Mitte der Zuschauer; es -war einer der Bewunderung und des Erstaunens. - -Noch nie hatte man so etwas in Wien gesehen, wo es doch in der That an -bedeutenden Reitern, deren Koryphäe der Graf S-- ist, auch nicht fehlt. - -In dem Augenblick, in welchem der außerordentliche Fremde sein Pferd -herumgedreht hatte -- erkannte Edmund in ihm den +Chevalier von -Marsan+. Es bedurfte keinen zweiten Augenblick und der Jüngling -hatte sich durch den dichten Kreis der Umstehenden hindurchgedrängt -und stand neben seinem Freunde. Dieser erkannte ihn sogleich und ein -lauter Willkomm erscholl von beiden Seiten. Zuerst bezeigte Edmund -ihm seine Bewunderung über die glänzende That, deren Zeuge er so eben -gewesen -- der Chevalier jedoch bat lächelnd, nicht weiter von „dieser -Kleinigkeit“ zu sprechen -- wischte sich jedoch mittlerweile den -dichten Schweiß von der Stirne, welchen diese +Kleinigkeit+ darauf -gesäet hatte. -- Nach und nach zerstreuten sich wieder die Zuschauer, -die meisten jedoch nicht eher, als bis sie sich dem Wundermanne noch -einmal ganz dicht genähert hatten, um ihn auf ewige Zeiten ihrem -bereitwilligen Gedächtnisse einzuprägen.... Nur noch einige Herren zu -Pferde blieben neben Marsan, da sie zu seiner Gesellschaft gehörten. Es -waren meist auch Bekannte des jungen Randow und sie störten daher nicht -bei der Freude des Wiedersehens, welche sowohl dieser wie der Chevalier -empfand. - -Man setzte nun den Ritt nach dem Jägerhause fort, gefolgt nur noch von -einigen Spießbürgern, die zu spät gekommen waren -- den Wundermann -jedoch noch, und sei es mit Aufopferung einiger Jahre ihres Lebens, -sehen mußten; auch etliche Gassenjungen trabten beständig zur Seite -einher. -- - -„Ach, mein theurer, theurer Marsan! -- wie finde ich Sie verändert, -seit wir uns das letzte Mal sahen! Es war vor 5 Jahren und Sie zählten -damals 21. Jetzt hat das Mannesalter Alles an Ihnen vervollkommnet. -Es sind zwar dieselben Züge, aber kräftiger und fester -- es ist -derselbe Wuchs, dieselbe Haltung, Alles, Alles -- -- nur in Allem viel -gediegener, wie soll ich sagen? perfekter! --“ Es fehlte wenig und -der gutmüthige Bursche, der in Liebe und Freundschaft eine Andacht -besaß, die ihm im ganzen übrigen Leben so sehr fehlte, ja, deren -+Gegentheil+ ihn hier sogar charakterisirte -- -- es fehlte wenig -und er wäre dem Franzosen sammt dessen Jussuf -- vom Pferde aus um den -Hals gefallen... - -„Und Sie, mein bester Edmund, wie ist es Ihnen seither ergangen?“ -fragte der Chevalier theilnahmsvoll: „Uebrigens sind Sie mir seit -länger als einem Jahre die Antwort auf mein letztes Schreiben, welches -ich Ihnen von Brüssel durch den Baron d’Orville zugesandt habe, -schuldig.“ - -„Beim Himmel, Freund, ich habe weder den Baron noch Ihren Brief -gesehen; auch ist es mir nicht erinnerlich, daß ein d’Orville jemals -unsere Stadt berührt hätte. Allein wie verhält es sich um diese Sache --- Herr von L**?“ wandte der junge Randow sich an einen ältern Herrn, -der ihm zur Seite ritt, und welcher Herr eines von den lebendigen -Neuigkeitsbureaux vorstellte, an denen in der _société_ einer großen -Stadt wahrlich kein Mangel ist. - -Herr von L**, das Neuigkeitsbureau, (er wußte Alles) sann ein wenig -nach, murmelte dann zwischen den Lippen „d’Orville, d’Orville“ -- -- -und sagte zuletzt mit der größten Bestimmtheit: „Ein solcher Kavalier -ist hier ganz gewiß nicht durchgereis’t.“ - -„Das kann möglich sein.... denn der Baron, der immer auf Reisen -ist, hat die Gewohnheit, seine Route hundert Mal in einem Tage zu -verändern.... und er ist im Stande, sich z. B. von hier aus auf -die Reise nach dem +Ladoga-See+ zu begeben; in der Nähe der -russischen Grenze -- besinnt er sich dann -- kehrt um und reis’t nach -+Portugal+. --“ - -In diesem Augenblick fuhr an der Cavalcade eine Equipage vorbei. Marsan -wandte sich zufällig nach der Seite und stieß beim Anblick der Personen -im Wagen einen leisen Ruf aus. - -„Was haben Sie? Was haben Sie?“ fragte Edmund. - -„Können Sie mir vielleicht sagen,“ gegenfragte der Chevalier rasch -- -„wem dieser Wagen gehört?“ - -Erst jetzt blickte Edmund nach demselben: „Mein Gott!“ rief er -erstaunt -- „sollte dies möglich sein? -- Dies ist die Equipage -meiner Schwester, der Gräfin A--x; da sie uns jedoch bereits zu weit -vorgekommen ist, kann ich nicht sagen, ob Cölestine selbst sich darin -befinde. Indeß wäre dies ihre erste Fahrt im Prater.... die ganz -unvermuthet geschehen sein würde -- denn so viel ich weiß, ist die -Zeit, wo sie sich zum ersten Male mit ihrem Gemahle zeigen sollte -- -noch nicht erschienen.“ - -„Ah!“ versetzte Marsan nachdenklich: „jener Herr neben ihr war also ihr --- Gemahl....“ - -„Wenn sie es ist -- ganz zuverläßlich.“ - -„Brünett, ernst, männlich, fast etwas stark...“ - -„Ganz recht, ganz recht! -- Es ist Alexander!“ - -Marsan erstaunte einen Augenblick lang; er sah einige Mal -angelegentlich der Equipage nach, die bereits sehr weit vor ihnen dahin -rollte, abwechselnd von einer Staubwolke eingehüllt. - -„Also -- erst seit kurzem vermählt?“ richtete derselbe halbleise die -Frage an Edmund... - -„Seit einigen Wochen!“ versetzte dieser: „Allein wie es scheint, so -nehmen Sie ungewöhnlich Antheil an dieser Begebenheit, mein Freund. Ist -Ihnen vielleicht Graf A--x näher bekannt?...“ - -„O nicht doch,“ erwiederte Marsan lächelnd: „ich habe nie etwas von -diesem Herrn gehört...“ - -Der Ton in dem letztern Worte war fast schneidend und der Chevalier, -der dies erst jetzt zu merken schien, setzte schnell, gleichsam als -wollte er sich korrigiren, mit einer freundlichen Ungezwungenheit -hinzu: „Ich wollte nämlich sagen, daß mir die +Person+ des Grafen -gänzlich unbekannt sei -- denn sein Name ist es keineswegs; dieser -Name, der einer der glänzendsten des Kaiserstaates ist -- --“ - -„Nun gut;“ fiel Edmund ein -- „aber dann sagen Sie mir, was diese -Theilnahme sonst zu bedeuten hat...“ - -„Ei, mein Freund,“ bemerkte Marsan mit jener Liebenswürdigkeit in Ton -und Blick, der man nicht leicht zu widerstehen vermochte: „die Sache -ist, daß eine Dame meiner Bekanntschaft auf dem Gute meiner Mutter -in der Provence jener Dame im Wagen, die Sie Ihre Schwester nennen, -überraschend ähnlich sieht... das ist das Ganze...“ - -Hiermit ward das Gespräch auf einen andern Gegenstand geleitet und die -Cavalcade trabte einem Seitenwege zu. Marsan war der Leiter, jedoch -hatte er diesen Seitenweg gleichsam nur so zufällig eingeschlagen.... - -Auf diesem kürzeren Wege nun konnte man nach dem Jägerhause, welches -der Schlußpunkt einer gewöhnlichen Praterpromenade ist, -- schneller -als auf jedem andern gelangen, und kam daher den Wagen und Reitern, -welche die Hauptstraße einschlugen, vor. -- Hieran dachte jedoch -Niemand, auch wußte Marsan die Unterhaltung so zu lenken, daß durch -sie die Gesellschaft hinlänglich beschäftigt ward. So allein war es -möglich, daß man die Equipage Cölestinens, worin in der That sie mit -ihrem Gemahle saß, zum zweiten Male begegnete -- ohne daß Jemand etwas -davon merkte. Nur der Chevalier machte hiervon eine Ausnahme.... er -warf in einem Augenblick, wo alle Andern tausend Schritte weit davon -wegsahen, einen raschen und kurzen Blick in den Wagen; dieser Blick -jedoch war hinreichend, um in Marsans Geiste eine Fülle entzückender -Bilder -- in seinem Herzen eine Fülle heißer Wünsche zu erregen.... - -Alles dieses schien jedoch äußerlich nur dazu zu dienen, um aus seinem -Munde ein kaltes, gleichgiltiges Gelächter, wie man ein solches hundert -Mal des Tages aufschlägt, zu locken, womit er sich dann an seine -Umgebung wandte, indem er dabei nach zwei Jungen wies, die in einiger -Entfernung davon sich balgten. - -Man kehrte noch vor dem Jägerhause um und begab sich auf den Rückweg. -Der Chevalier war nicht heiterer und auch nicht trauriger wie zuvor. -Es schien nichts vorgefallen zu sein. Er sprach über Dieses und Jenes, -kam aus dem Hundertsten ins Tausendste, wie es der Charakter einer -Conversation unter jungen Männern dieses Standes mit sich bringt. - -Am Eingange des Praters trennte sich die Gesellschaft und zerstreute -sich nach verschiedenen Gegenden. Der Chevalier und Edmund indeß -blieben beisammen, da der Erstere ihn eingeladen hatte, seine Wohnung -kennen zu lernen und mit ihm zu Mittag zu speisen. - -„Wir haben uns ja so lange Zeit nicht gesehen -- und so müssen wir uns -endlich recht fest und ordentlich ansehen. Ach, mein Freund, wie freue -ich mich, so wider Vermuthen mit Ihnen zusammengetroffen zu sein!“ -bemerkte Marsan. - -„So wußten Sie also nicht, daß ich in Wien sei?“ - -„Gewiß nicht; ich vermuthete Sie tausend Meilen weit von hier. Sie -stießen mir ja in keiner der ersten Gesellschaften auf...“ - -„Mein Freund -- der Grund hievon ist die Heirath meiner Schwester. So -lange sie nicht in die Gesellschaft zurückkehrte -- hielt ich es für -passend, ihr darin zu folgen.“ - -„Sehr richtig; dies beweis’t einen feinen Takt, lieber Edmund. -- -Uebrigens -- wird vielleicht die Abgeschiedenheit der Gräfin A--x, -Ihrer Schwester, nicht mehr lange dauern...“ - -„Ich vermuthe es selbst, nachdem ich weiß, daß sie sich heute im Prater -gezeigt hat. -- Ach, die theure Cölestine! Wie gerne hätte ich sie -gesehen!“ - -Dieses Gespräch über Cölestine schien den Chevalier sehr anzuziehen -und er suchte den Andern so lange als möglich dabei festzuhalten. Sie -gelangten so in die Wohnung Marsan’s, welcher eine Etage auf dem -+Graben+ gemiethet hatte und sich hier mit fürstlichem Glanze -umgab. - -Eine reichgallonirte Dienerschaft empfing sie in der Einfahrt des -Hauses und nachdem die Freunde vom Pferde gestiegen waren, schritten -sie hinauf in eine der prachtvollsten Belletagen, welche Edmund jemals -gesehen. - - - - -Neuntes Kapitel. - -Die Thorheiten der Welt und die Leidenschaften des Herzens. - - -Edmund war in der That über die neuesten Verhältnisse im Hause seiner -Schwester nicht unterrichtet. Heute Morgen hatte Cölestine mit -ihrem Manne zum ersten Male sich in mehreren Häusern gezeigt. Dies -Geschäft war nicht länger aufzuschieben. Das arme Ehepaar konnte den -tausendfachen Machinationen, womit man in der vornehmen Welt ein Haus -einzusprengen versteht, nicht ferner widerstehen. Sie seufzten, sie -zürnten -- aber sie mußten endlich nachgeben. - -Nirgends ist man ein größerer Sklave als in den Cirkeln, welche sich -die guten nennen. Nicht in dem +äußern+ Zwange, dem man sich -unterwerfen muß, liegt das Wesen der Sklaverei; nein -- sondern daß -man hier unsere Seele, unser Herz, unsere heiligsten Empfindungen zu -knechten versteht, das ist es, welches einen Salon mit dem untern -Schiffsraum afrikanischer Küstenfahrer in eine Parallele stellt. Und -bei Gott, sie fällt zum Vortheil der letzteren aus. Was liegt mir -daran, ob man jenes Theil an mir, welches jeden Augenblick durch einen -herabfallenden Dachstein -- durch einen Trunk kalten Wassers, durch -einen verfehlten Tritt vernichtet werden kann, mißhandelt, mordet. -Hab’ ich es doch nie besessen, da ich es keine Stunde +sicher+ -besaß. Aber jenes göttliche Theil in mir, welches unvergänglich und -unvernichtbar ist.... jenes Theil, über das selbst Tod und Natur nichts -vermag, zu knechten, zu quälen, zu peinigen, es an seiner erhabenen -Entwicklung und in seinem geheiligten Streben zu hemmen -- -- diese -Wunde schmerzt gewaltiger, ja, sie allein kann schmerzen -- und nie -werden wir sie ganz verschmerzen. - -Von dieser trüben Betrachtung war auch unser junges Ehepaar -durchdrungen.... es war dies der Tropfen Wermuth, der sich stets in -ihren vollen Freudenkelch mischte... Ach, +ein+ Tropfen ist -hinreichend, das ganze Leben zu vergiften! - -Doch wer zum Schmerz geboren ist, entgeht demselben nicht; und -unsere vornehmen Stände wissen in der That mehr von diesem Kapitel -zu erzählen, als jene glücklichen, beschränkten armen Leute, deren -Schicksal wir thörichter Weise beklagen. -- Ach, geht doch hin in einen -Salon und hebt diese glänzenden Decken, diesen goldnen Zierrath weg, -welche Euch so sehr die Augen blenden: wie viel Elend und Jammer werdet -ihr unter denselben finden. Ich weiß, daß ich hier eine alte Geschichte -erzähle -- -- ich habe sie jedoch selbst erlebt und besitze das Recht, -sie zu wiederholen. - -Und so mußten sich denn Cölestine und Alexander aus ihrer wärmsten, -seligsten Umarmung reißen -- mußten die süße Einsamkeit, diese Zeugin -ihres jugendlichen Liebesglückes, verlassen, um den Ansprüchen einer -erbarmungslosen Welt Genüge zu thun. Dahin waren jetzt die holden -Stunden, welche Morgens beim Erwachen anfingen, um erst tief um -Mitternacht zu enden! So ungetrübt und schrankenlos beglückend sollten -sie nie mehr wiederkehren. Dahin waren die Tage voll Sonnenschein -- -und die Nächte voll Sternenpracht! -- dahin die stillen Gemächer, -verhüllt mit dichten Vorhängen und mit eifersüchtigen Schlössern -verriegelt!... dahin der Garten mit den treuen Boskets und der -unzugänglichen Grotte!.. Alles, Alles, +ihre+ ganze Welt dahin, -verschwunden, versunken wie ein fabelhaftes Land!... Von nun an gab es -für sie nur eine laute, lebende, wilde, kalte, unverschämt zudringliche -Welt: Salons mit offenen Thüren -- Boudoirs mit durchsichtigen -Gazevorhängen -- Equipagen -- Praterfahrten -- Theaterabende -- Bälle --- Zorn -- Aerger -- Verläumdungen -- Mißmuth -- Verzweiflung oder -- -Verderbniß. -- - -Dies Alles sah ihre ahnende Seele voraus und darum schien ihr der -Abschied aus der Einsamkeit ein Abschied vom Leben: - -„Wie glücklich waren wir, mein Alexander!“ sagte das liebende Weib -zärtlich, als er ihr mit schwerem Herzen verkündigte, daß Jenes -geschehen müsse, was er selbst am schwersten fürchte. - -„O!“ rief er aus, seiner erlogenen Fassung nicht Meister bleiben -könnend: „wir werden nimmer so selig sein! Cölestine, das Glück, was -wir besaßen -- kehrt nicht mehr so hold zurück! Dies ist ein Gedanke, -der ein Menschenherz zerreißen könnte....“ - -„Lass’ uns nicht verzagen!“ entgegnete sie sanft und legte ihren -weichen Arm um seinen Nacken: „Warum sollen unsere süßen Stunden nicht -ganz so wiederkehren? -- Wir sind nicht für immerdar von einander -geschieden. Trennt uns auch der Tag; der Abend, die Nacht führt uns -ja wieder zusammen.... und dann unsere Seelen wissen nichts von jenem -Zwang, sie werden stets beisammen sein!“ - -So beruhigte sie ihn mit Worten, welche aus treuem, liebendem Herzen -kamen -- und er, er glaubte ihr so gerne. Wenn man liebt, wenn man -anbetet -- dann +glaubt+ man auch. Und es sind gerade die -skeptischen, die mißtrauischen Naturen -- welche im Augenblick der -Leidenschaft und Liebe sich zur innigsten Ueberzeugung hinreißen -lassen.... - -Ist aber dieser Augenblick vorbei.... wird Liebe oder Leidenschaft auch -nur durch den leisesten Windhauch verletzt: dann erwacht der Zweifel in -diesen Herzen, und mit riesiger Gewalt reißt er sie zum Wahnsinn hin. - -Doch Alexander vertraute der Geliebten; er sah ja, daß sie nur in ihm -und für ihn lebte... Nein, nein, er hatte noch nicht die geringste -Störung empfunden an dem süßen Frieden seiner Seele. -- -- Ach, er -liebte unaussprechlich! - -Wie gesagt, sie hatten bereits in mehreren Häusern Besuche gemacht. -Ueberall waren sie mit einer Freude empfangen worden, der es an Worten -nicht fehlte. Man sagte ihnen tausend schmeichelhafte Dinge -- und -Alexander war entzückt über die Komplimente, welche man seiner Gemahlin -zu ihrem heitern, rosigen, reizenden Aussehen machte. Imgleichen vergaß -man bei diesen Lobsprüchen auch seine Person nicht -- nun glühten -wieder die Augen Cölestinens im Feuer der Freude -- ihre Wangen färbte -holde Zufriedenheit, und sie sagte sich im Stillen: - -„Das Alles ist mein Verdienst! Denn ich habe ihn so gemacht, wie er -jetzt ist.“ - -Außerordentliches Aufsehen machte die naive Antwort, welche sie einer -Dame auf die Frage gab: „An welchen Tagen in der Woche werden Sie Ihre -Salons der Gesellschaft öffnen, meine Beste?“ - -„Meine Beste,“ hatte Cölestine geantwortet: „ich weiß es noch nicht.“ - -In weniger als vierundzwanzig Stunden war diese Aeußerung der jungen -Frau in allen Häusern herumgekommen und überall rief man aus: - -„Ach, welche affektirte Einfalt! Man könnte es sogar einfältig nennen.“ - -Und dies war es auch. Einfältig war es gesprochen -- aber mit jener -heiligen Einfalt, in der Gott unsere Herzen geschaffen hat. -- Dieses -liebevolle und glückliche Weib hatte wirklich noch nicht an Pflichten -gedacht, die der Welt so +überaus wichtig scheinen+, dem Herzen -aber so wenig, daß es sie vergißt. - -In fünf bis sechs Tagen hatte das Ehepaar die Tour beendigt; die -Equipage des Grafen A--x hatte so ziemlich in allen großen Straßen der -Hauptstadt angehalten. -- Aber damit war nur noch die Hälfte der Arbeit -geschehen; denn jetzt sollten die Besuche erwiedert werden, jetzt -fuhren die fremden Equipagen colonnenweise vor dem Palais des Grafen -auf. - -Und nun wurden die Augen mit jener unverschämten Neugier, die bis in -den letzten Winkel dringt, in diesen Sälen umhergeworfen -- -- da gab -es denn wieder Stoff zu Abhandlungen in bekannter Weise. - -Als man an dem Geschmack Cölestinens und ihres Gemahls nichts -auszusetzen fand, kritisirte man die Pracht, und fragte sich mit -allerliebster Albernheit: „Ist das wirklich Alles persisch, indisch -und antik -- was man uns da als solches gezeigt hat? Nicht, daß wir -den ernsten Grafen A--x für fähig hielten, uns damit einen kleinen -Schelmenstreich zu spielen.... sondern es ist möglich, daß man -+ihm+ einen solchen gespielt hat. O, man versteht es jetzt -vortrefflich, etrurische Vasen, pompejanische Candelabers und indische -Draperien zu erzeugen, d. h. in Europa. O, man hat Beispiele! --“ - -Glaube man ja nicht, daß das +Verläumden+ aus unseren neueren -Salons ausgewiesen sei und von +schlechtem Geschmack+ zeige -- -wie Herr +Eugen Sue+ uns versichern will. Es ist möglich und -ich selbst kann mich dessen erinnern, daß man diesen Satz überall -öffentlich +ausspricht+ -- -- aber man thut es nur, um ihn -insgeheim +um so weniger zu befolgen+. -- Wir sind in dieser -Hinsicht, wie in noch so mancher andern, beim Alten geblieben. - -Unsere Freunde: der Graf und die Gräfin von Wollheim, Herr und Frau von -Porgenau, Fräulein von Bomben, die Stiftsdame -- erschienen unter den -ersten Gästen. - -Der Graf von Wollheim hatte vorzüglich deßhalb seinen Besuch so beeilt, -weil er seit längerer Zeit seinen Busenfreund Edmund nicht mehr zu -Gesichte bekommen, ihn in dessen Wohnung vergeblich gesucht und ganz -sicher bei Cölestine zu finden gehofft hatte. -- Leider sah er sich -in seinen Erwartungen getäuscht und dies tobte fürchterlich in seinem -Innern. Sein +Durst+ war nicht allein daran schuld, obgleich, nach -seiner eigenen Behauptung, er diesen Durst nur in Compagnie mit seinem -jungen Freunde und Schüler gehörig zu löschen verstand; in der That -zog ihn wirklich das Herz -- zu dem Letzteren hin, den er nun schon -seit so lange nicht fand. Im höchsten Grade wüthend, zog er sich in -ausfallender Weise von der Gesellschaft zurück, ließ seine Frau sitzen --- und begab sich allein aus dem Hause fort in ein Nebengebäude, wo, -wie er wußte, die Jäger und Forstbedienten des Grafen haus’ten. Er -setzte sich mitten unter sie -- ließ Wein holen und fraternisirte mit -ihnen, so, als befände er sich unter Brüdern. Natürlich, daß er nicht -unterließ, sich zu betrinken, -- in diesem Zustande nun ergriff er eine -Flinte, hing Pulverhorn und Schrotbeutel um seine Schulter -- trat in’s -Wirthschaftsgebäude und schoß hier Sperlinge, Schwalben, Tauben, Hühner -und Fasanen zusammen.... - -Man mußte dem Jagdingrimm unseres Nimrod mit Gewalt Einhalt thun. - -Während dieser Zeit producirten die übrigen Originale ihre Künste -eben im Salon der Gräfin Cölestine. Frau von Porgenau lachte sich die -Kolik in den Leib über den fulminanten Humor ihres Gemahls, des sehr -ehrenwerthen Herrn von Porgenau. Gräfin Wollheim erzählte einige -rührende Strickstrumpfgeschichten und brachte alle Augenblicke den -Frauen-Hülfsverein zur Sprache, über den das Stiftsfräulein toller als -je loszog: - -„Nicht nur meine Erfindung: die Composition aus Pech, Theer und -Teufelsd--, nicht nur meine Fußangeln und Daumenschrauben, haben -sie zurückgewiesen --“ sagte sie; „stellen Sie sich vor -- -- mich, -mich selbst, das Stiftsfräulein von Bomben, mich selbst und meine -Person wollten sie für die Zukunft zurückweisen, mich aus der Liste -der Vereinsmitglieder streichen, mir Sitz und Stimme nehmen... Ist -das erhört? -- -- Nein, bei Nero! so wurde noch Niemand für seine -philanthropischen Bestrebungen belohnt!.. So in den Koth getreten wurde -Tugend, Menschenfreundlichkeit und Erfindungsgeist noch nie -- seit -die Welt steht, seit es Fußangeln und warme Unterröcke gibt.... Aber,“ -fuhr die Biederfrau, glühend vor edler Entrüstung auf: „aber dies -sollen sie mir auch büßen, jene liebenswürdigen Damen vom Comité! Sie -sollen es büßen! -- So wahr Dionysos sein +Ohr+ gebaut -- so wahr -Heliogabalus seine +Stühle+[C] erfunden hat! Ich, ich sage das; -ich schwöre es und bin +Mann+ genug, meinen Schwur zu halten.“ - -Man ließ diese verfolgte Tugend ausreden, sodann aber schnitt man ihr -das Gespräch für die ganze übrige Zeit dadurch ab, daß man Musik machte -und Gesänge vortrug. - -Mit einem Male öffnete der Bediente die Thür und meldete die Namen -+Edmunds+ und des +Chevalier de Marsan+. -- - -Bei der Nennung des Letztern entstand plötzlich eine athemlose Stille -und alle Blicke richteten sich nach der Thür, durch welche jetzt die -beiden jungen Männer eintraten. Jenes Gemurmel blieb nicht aus, welches -bei solchen Gelegenheiten sich zu verbreiten pflegt -- und welches für -die angekommene Person, falls sie nicht Routine genug hat, eben so -angenehm ist, wie das Gesumme eines heranziehenden Bienenschwarms für -einen armen Teufel ohne Maske... - -Edmund stellte Cölestinen seinen Freund vor und dieser wurde von ihr -mit jener liebenswürdigen Freundlichkeit aufgenommen, an welcher sie -alle Welt theilnehmen ließ. Der Chevalier verweilte nicht lange in -ihrer Nähe -- er ließ sich sofort auch mit dem Grafen bekannt machen. -Hier fand er die Behandlung, wie sie unter Männern von gutem Ton -üblich ist; und es schien, als trachtete er auch nicht nach mehr; denn -auch ihn verließ er alsbald, um sich mit Edmund nach einem Winkel -zurückzuziehen, wo einige Herren sich mit politischen Discussionen -unterhielten. Marsan stellte sich inmitten dieser Gruppen -- er -achtete auf nichts weiter -- ihn schien nichts mehr in diesem Salon zu -interessiren. -- - -„Nun -- haben Sie ihn gesehen? Was sagen Sie von ihm?“ begannen zwei -Damen auf einer Ottomane mit Lorgnetts in der Hand, welche sie immer -dahin richteten, wohin sie nicht sahen.... - -Sie kennen doch die Taktik der Lorgnetten, meine Leserinnen? Man -schielt darunter oder daneben weg -- und Niemand weiß, wohin Sie -blicken. -- - -„Ach, theure Freundin,“ antwortete die Andere: „Was ich von ihm sage? --- Er ist einer der schönsten Männer, die mir im Leben vorgekommen.“ - -„Mich dünkt, er hält sich nicht ganz gerade.... Ich glaube, sein Wuchs -würde die strengere Kritik nicht befriedigen...“ - -„Im Gegentheil! Eben sein Wuchs ist unvergleichlich!“ - -„Und auch sein Mienenspiel! Es ist zu lebhaft!“ - -„Es ist südlicher Natur -- meine Freundin!“ - -„Allerdings.... aber wir hier im Norden!--“ - -„Uebrigens hat Herr von Marsan, wie man mir sagte, allerorts die -günstigsten Urtheile hervorgerufen...“ - -„Allerorts? Ist Wien auch gemeint?“ - -„Gewiß.“ - -„So bedaure ich, daß ich eine Ausnahme mache; allein ich halte den -Chevalier nicht im Geringsten für verführerisch -- hahaha!“ - -„Man spricht indeß von seinen Siegen, die er über die stolzesten Herzen -davon getragen --“ - -Hierauf hatte die Andere nur ein mitleidiges Lächeln.... - -Da ward dieses Gespräch durch den Herzutritt einer dritten Dame -unterbrochen, welche sich mit der Lobrednerin des Chevaliers in ein -Gespräch einließ. Sogleich fing die zweite, welche früher so viel Tadel -über ihn ausgegossen, an mit ihrer Lorgnette zu manövriren, wie oben -angegeben... - -Die Gute richtete das Glas beständig nach dem Klavier, welches in der -Mitte des Salons stand -- ihre Augen indeß schweiften beständig um die -Gruppe, welche seitwärts war und in welcher Gruppe sich Marsan befand. - -Edmund verließ seinen Freund nicht. Augenscheinlich jedoch schien -er von diesem zurückgehalten, -- selbst Cölestinen, der geliebten -Schwester, hatte er sich noch nicht zum zweiten Male genähert. Sie war -indeß von anderen Personen so zahlreich occupirt, daß sie den Bruder -kaum entbehrte. Nur nach Alexander warf sie von Zeit zu Zeit Blicke, -deren zärtlicher Ausdruck immer ungestümer zu sagen schien: - -„Ach, wäre nur dieser Tag schon zu Ende!“ - -Er war darüber glücklich wie ein König; und dieses Glück im Herzen, wie -sollte er seiner Umgebung nicht liebenswürdig erschienen sein. In der -That hieß es allenthalben: - -„Aber haben Sie den Grafen A--x je so gesehen, wie heute? Er ist ein -ganz Anderer geworden.“ - -„Die Ehe scheint ihm sehr wohl zu bekommen.“ - -„Ein düsterer Timon hat sich da zu einem Ausbund von Artigkeit und -Galanterie verwandelt. Haben Sie je früher bemerkt, daß er sich mit -einer fremden Person länger als zwei Minuten unterhalten hätte? und -heute amüsirt er eine Gesellschaft von zehn bis zwölf Personen so -unvergleichlich -- daß sie seine Nähe nicht verlassen, die nichts als -Frohsinn und Heiterkeit zu verbreiten scheint...“ - -„O -- meine Herren,“ sagte ein dritter; es war dies ein Jüngling, der -für sehr unternehmend galt und ungeheuer viel Erfahrungen gesammelt -haben sollte: „man muß in dieser Zeit +heirathen+... damit ist -+Alles+ gesagt, d. h. +Alles gethan+. Sie glauben, gewisse -Menschen mache die Liebe glücklich, die sie in der Ehe finden -- es -zeigt sich jedoch, daß sie blos das +Geld+ glücklich gemacht -hat... Bei Andern ist es umgekehrt. Was endlich die dritten betrifft, -so wissen sie selbst nicht, weßhalb sie nach ihrer Verheirathung -glücklicher sind -- als vor derselben.... Es gibt Leute, denen man -allerhand in den Kopf setzen kann.... haha!“ Der Jüngling lachte -äußerst selbstgenügsam. - -„Es scheint jedoch nicht -- daß Graf A--x unter Ihre dritte Classe -gehört, mein Lieber!“ versetzte einer der Vorigen: „Dieser Graf scheint -recht gut zu wissen, +was er besitzt+.“ - -„Ich hatte auch nicht die entfernteste Absicht, hier +ihn+ zu -meinen; dies schwöre ich.“ - -Das waren Worte eines Thoren, die jedoch im Leben sehr oft in Erfüllung -zu gehen pflegen; denn das Leben ist ein großer Freund jener Ironie, -die uns oft Thränen, nicht selten das Leben selbst kostet. -- - -Trotzdem, daß die Gesellschaft schon wider Vermuthen zahlreich geworden -war, vermehrte sich dieselbe noch mehr durch immer neu hinzukommende -Individuen, worunter mehrere zum ersten Male der Gräfin vorgestellt -wurden. -- Das ist bei Eröffnung eines Hauses nicht ganz in der -Ordnung, indeß, was läßt sich dagegen thun? -- Da stiegen denn -Physiognomien im Salon umher, wie sie Cölestine gewiß nicht freiwillig -um sich versammelt hätte, -- Physiognomien, die für den Griffel eines -Granville oder Phiz von unbezahlbarem Werthe gewesen wären... - -Unter diese Physiognomien und Subjekte hatte sich auch Eines -hereingeschlichen, welches, gleich nachdem es eingetreten war, sich -rasch hinter einer Versammlung verlor -- an der Wand hinhuschte, immer -das dichteste Gedränge, ja selbst Möbeln wählend, um sich dahinter zu -verstecken... Dieser Mensch trug einen dichten und dunklen Backenbart, -der ihm das halbe Gesicht bedeckte -- und der, wiewohl das schwer zu -erkennen war, ein falscher schien; ferner hatte er Brillen vor den -Augen und eine dunkle Tour auf dem Kopfe; auch sein Anzug war nicht -sein gewöhnlicher; kurz dieser Mensch schien um eines besondern Zweckes -willen sich maskirt und in diese Gesellschaft eingeschlichen zu haben. - -Wie er so hinstrich, lauerte und hastig umher blickte, hätte man ihn -für den bösen Geist nehmen können, der unsichtbar die Gesellschaft -umschwebte. - -Allem Anscheine nach war es ein noch junger Mensch. - -Jetzt hatte sein Falkenblick die Person Cölestinens erspähet und hing -an ihr fest wie an einer langgesuchten Beute... von diesem Augenblick -verließ er sie nicht; er beobachtete jedes Zucken ihrer Augenbrauen, -jedes Mienenspiel ihres Gesichtes. -- Immer durchdringender ward -sein Blick -- immer finsterer und wilder. -- Endlich schien eine Art -schadenfrohen Lächelns um seinen Mund zu spielen, er murmelte vor sich -hin: - -„So ist es schon recht. Sie sitzt allein, umgeben von fremden Menschen, -die sie jedoch alle weit mehr zu interessiren scheinen, als ihr eigner -Gatte. -- Der Thor! Warum ging er in die Schlinge! -- Hätte er nicht -wissen können, -- daß sie seine, wie jede andere Liebe mit -- Verrath -vergelten wird?“ Und seine Augen, die vorhin starr nach ihr allein -geblickt hatten, bewegten sich nun, rasch wie der Blitz, im ganzen -Saale umher... Er lachte bitter -- drückte sich fester hinter einen -Fenstervorhang, der ihn den Blicken völlig entzog und sah von hier aus -mit teuflischem Grinsen dem Treiben der Gesellschaft zu, jedoch nicht -ohne von Zeit zu Zeit Cölestine wieder ins Auge zu fassen, die für ihn -stets der Mittelpunkt, ja, der einzige Punkt in dieser kleinen Welt zu -sein schien.... - -Doch sie sollte es nicht lange bleiben. Mitten in seinem dumpfen -Hinstarren zuckte er jetzt plötzlich, als wäre ein Pfeil vor ihm -niedergefahren, zusammen: -- -- sein Blick hatte den +Chevalier von -Marsan+ erspähet. - -Dies hatte nun an sich freilich nicht viel Bedeutendes; die einfache -Person des Chevaliers konnte unsern Geheimnißvollen nicht mehr wie jede -andere von den tausend Millionen Personen, welche diesen unsern Globus -bevölkern, interessiren. Die Person also war es nicht, und zudem kannte -er den Chevalier nicht einmal.... - -Es war gleichfalls ein Blick gewesen, der ihn so entsetzlich -niederschmetterte; es war ein Blick voll heißen Feuers, welchen der -Chevalier, der sich unbeobachtet wähnte, nach Cölestine geworfen. -- - -Sie jedoch hatte nichts davon bemerkt; sie hatte keine Ahnung von dem, -was außer dem engen Kreis, der sie in diesem Augenblick umschloß und -wozu auch ihr Gemahl gehörte -- im Salon vorging... sie war unschuldig -an den Anschlägen, welche von zweifacher Seite gegen sie geschmiedet -wurden. - -Der Vermummte schien in diesem Augenblick mit sich heftig zu kämpfen, -welchem von den Zweien er seine Aufmerksamkeit schärfer, beharrlicher, -durchdringender, wuthvoller zuwenden sollte: Cölestinen oder dem -Chevalier. Er glich einer Schlange, die zwei Opfer vor sich sieht --- beide verschlingen möchte und daher mit keinem den Anfang machen -will, weil sie fürchtet, das andere möchte ihr inzwischen entgehen. -Ein Fieber hatte ihn ergriffen und schüttelte an seinen Gebeinen, daß -diese an die Fensterwand anschlugen, wie hölzerne Klöppel... er konnte -sich kaum mehr halten und drohte vor Zorn und Ohnmacht jeden Augenblick -niederzusinken... - -„O wäre es möglich,“ bebte es von seinen bleichen Lippen: „Wäre es kein -bloßes Kindermährchen: ich würde in diesem Augenblick jenem Satan und -seiner höllischen Macht gerne meine halbe Seligkeit verschreiben -- --- könnte ich damit nur den Elenden dort von der Erde wegblasen, oder -tausend Meilen weg von hier versetzen....“ - -Er hatte Marsan gemeint, Marsan, der jetzt in einer Ecke saß, den -Rücken gegen die Gräfin gekehrt, die er jedoch in einem Spiegel vor -sich erblickte, ganz so wie ein Bild in einem Rahmen, -- und von -welcher er kein Auge verwandte -- in deren Zügen, in deren Geberden, in -deren Bewegungen und Worten (denn auch diese schien er aus der Bewegung -ihrer Lippen zu errathen) er las -- wie in einem Buche, mit dessen -Inhalt er sich gänzlich vertraut machen wollte. - -Die Gesellschaft fing endlich an sich zu zerstreuen. Alles ging nach -Hause; auch Herr von Marsan verließ an Edmund’s Arme den Salon. Der -Vermummte war nicht der Letzte; mit wildem Widerstreben, aber gezwungen -von unerbittlicher Nothwendigkeit, hatte er, wie er gekommen war, sich -fortgeschlichen. Während alle Uebrigen nach der Stadt ihren Weg nahmen, -verfolgte er einen Pfad nach dem Augarten. Hier langte er noch vor der -Thorsperre an -- verlief sich in entfernte, waldige Partieen -- warf -sich im Dunkel der Gebüsche auf die Erde nieder und -- verbrachte hier -die Nacht. - -Er hatte sie im heftigsten Fieber -- im Wahnsinn von hundert -Leidenschaften: in Liebe, Eifersucht, Verzweiflung, Wuth und Rachsucht -hingebracht. -- - - * * * * * - -„O mein Alexander!“ rief Cölestine, als sie sich in ihrem Hause mit dem -geliebten Manne wieder allein fand: „So ist endlich Alles vorbei -- -alles Schale und Traurige vorüber -- und nur die Freude ist geblieben. -Wir haben uns jetzt wieder -- wir können wieder glücklich sein, und -was wir so lange entbehren mußten, ersetzt das gütige Schicksal in -diesen Augenblicken uns in doppelter Fülle.... So komm denn, theurer -Gatte, Mann meiner Wahl, komm an mein Herz -- und lass’ mich wieder die -Schläge des Deinigen hören.... Lass’ uns eilen, lass’ zur geheimsten -und einsamsten Stätte unserer Liebe uns flüchten -- und nicht eher -werde sie verlassen, als bis uns eine tyrannische Gewalt von ihr -wegreißt. --“ Sie bot ihm ihre Lippen dar und er hing sich daran, -saugte an ihnen, wie ein Insekt an dem Kelche einer Blume. -- - -Fürwahr, diese zwei Menschen genossen eines Liebesglücks, wie es nicht -mehr begehrenswerther kann gefunden werden. -- -- - - - - -Zehntes Kapitel. - -Ernste und heitere Zwischenszenen. - - -Allein wir haben eine sehr ehrenhafte Person dieser Geschichte gänzlich -aus den Augen verloren und beeilen uns daher, sie wieder aufzusuchen, -um uns auch nach ihrem Schicksale zu erkundigen und dies um so mehr, -als dasselbe in letzterer Zeit sehr traurig sich zu gestalten anfing. -Was kann es auch Lustiges um eine +Erkältung+ oder gar um eine -+polizeiliche Vorladung+ sein; und beide diese Schläge trafen -doch, wie wir wissen, zu gleicher Zeit das Haupt Althings, unseres -Bruders Althing, des großen Herzenstyrannen und Weiberbesiegers -Althing! -- O wie seufzte er unter diesen Schlägen auf, der Arme. -Fürwahr, so hat noch Niemand geseufzt! Man hörte ihn bis in’s dritte -Nachbarhaus hinüber. - -Mit der Erkältung war es noch so ziemlich gegangen; einige Gläser -Essenz, (ein Artikel, welchen Althing zu Hause in allen Sorten und zu -allen möglichen Zwecken: Aufregungen und Dämpfungen besaß) hatten auf -seinen dicken Leib die wohlthätigste Wirkung geäußert;... allein die -Polizei, die Polizei! Diese war dem Armen viel gewaltiger in den Leib -gefahren, als die Kälte. - -Die Sache war, daß unser Dicker mit ihr zum ersten Male in Berührung -kam; und Jedermann weiß doch, wie ängstliche Menschen ein Uebel, -welches sie noch nicht kennen, für weit furchtbarer halten, als es -wirklich ist. Althing dachte schon, man würde ihm auf dem Polizeibureau -die +eiserne Jungfrau+ zu küssen geben, und ein so großer Freund -der Jungfrauen er im Ganzen auch war -- vor dieser hatte er doch sehr -großen Respekt. -- - -Wie glücklich war er daher, als nach angestelltem Verhör ihm bedeutet -wurde, er sei verurtheilt, 10 Gulden zu bezahlen und einen Verweis zu -bekommen. - -„O tausend Verweise, wenn Sie wollen, meine Herren!“ hatte er in seiner -entzückten Dummheit gerufen; und in der That, es war ihm ein Leichtes -mit dem Verweis: er hörte ihn nicht. Ach, seine Phantasie flog schon -wieder auf den Straßen der schönen Kaiserstadt und in den 2ten, 3ten, -4ten, 5ten und 6ten Etagen umher. - -Er war kaum aus dem Polizeihause getreten, als er sich schon auf’s -Casino verfügte, um da eine körperliche Restauration mit sich -vorzunehmen: er aß und trank jedoch so eilfertig, als beabsichtige er -irgend eine Flucht. Wirklich stürzte er auch, noch mit dem letzten -Bissen im Munde, hinaus -- -- um dem ersten Dämchen, das ihm begegnen -würde, die Begleitung seiner holden Persönlichkeit anzubieten. - -War es Zufall oder Schicksalsfügung -- (wir haben es schon irgendwo -bemerkt, daß dies zwei Benennungen für +eine+ Sache seien) -er stieß -- und das beinahe mit der Nase -- zuerst auf jenes böse -Wesen, um derentwillen er alle letzteren Schläge erlitten hatte; um -derentwillen er bei Daum compromittirt, im tiefen Graben begossen -und endlich von der Polizei aufgegriffen und verurtheilt worden.... -dieses reizend-verhängnißvolle Wesen stand schon wieder vor ihm. Er -besann sich einen Augenblick, denn er fühlte sich wirklich ein wenig -consternirt. Aber unser Mann wurde bei solcher Gelegenheit zuletzt -immer entschlossener, als ein Türke: „Ah! Bah!“ murmelte er unter -seinem gefärbten Schnurbart: „das sind Possen, was mir da einfällt! Es -gibt kein Fatum -- kein Omen! Es gibt in der Welt nur Gewißheiten, und -nichts ist mir reellere Gewißheit, als ein hübsches Schürzchen. Darum --- ohneweiters dieser da nach, Freund Althing! -- und hat sie dich auch -früher in die Patsche geführt -- vielleicht wird sie dir’s jetzt um so -süßer vergelten. Die Weiber haben ein mitleidiges Herz... namentlich -bei Männern von einem gewissen Aussehen!“ Noch ehe er diesen Satz -beendigte, hatte er sie schon eingeholt: „Mein schönes Kind,“ fing er -an und watschelte an ihre linke Seite: „erkennen Sie mich noch?“ Die -Grisette antwortete nicht und setzte rasch ihren Weg fort. - -„Ei,“ begann er wieder: „Sie thun, als ob Sie mich in Ihrem Leben -niemals gesehen hätten! Das ist ein wenig stark! Blicken Sie mich doch -ein Bischen an -- vielleicht wird Ihnen (wenn nicht Ihr Herz, doch) Ihr -Auge Etwas sagen.“ - -„Ich wüßte nicht,“ lachte das Mädchen, „was mir mein Auge sagen sollte!“ - -„Wie? Sie wissen es wirklich nicht? Nun, mein Täubchen -- versuchen -Sie’s doch nur ’mal. Vielleicht werden Sie finden, daß ich für Sie -keine fremde Person mehr bin, -- hm, hm!“ - -Dieses „Hm, hm“ hatte Althing ertönen lassen, weil er so eben wieder -mit seinen Sporren hängen geblieben war und seine Beinkleider tüchtig -ausgerissen hatte. Jedoch es war jetzt nicht die Zeit, an Kleiderrisse --- es war vielmehr die Zeit, an Herzensrisse zu denken und er fuhr fort: - -„Sie dürften am Ende doch noch finden, mein Schätzchen -- daß ich -derselbe Herr bin, welchem Sie da neulich bei Daum’s Kaffeehause ein -Rendezvous gegeben -- -- ein Rendezvous, was mir, bei Gott, theuer -genug zu stehen gekommen; Sie dürften ferner finden, daß ich auch -derselbe Herr bin, der Ihnen auf dem tiefen Graben nachgegangen -- -dem Sie die Hausthüre vor der Nase zugeschlagen -- -- und zuletzt -noch als +höchstes+ Liebeszeichen vom 6ten Stockwerk den Inhalt -eines Gefäßes auf den Kopf gegossen haben -- das Alles dürften Sie -finden. Und doch, meine Theuerste, ist das Alles -- bei weiten -nicht das ganze Alles. Da kann ich Ihnen noch mit einigen andern -Aufopferungsgeschichten aufwarten: so zum Beispiel, daß ich mir -aus Liebe zu Ihnen eine Erkältung zuzog, aus welcher ein heftiges -Nervenfieber entstand -- ferner, daß ich von der Polizei in Beschlag -genommen und wie ein blutiger Verbrecher behandelt wurde, -- das -Alles und noch unzähliges Andere habe ich für Sie erduldet, getragen, -gelitten, mein reizendes Kind.... und mit gutem Gewissen kann ich -hinzusetzen, gelitten wie ein Mann, wie ein Held! Und jetzt frage ich -Sie: wollen Sie noch immer so thun, als kennten Sie mich nicht; als -wäre ich für Sie nichts? -- Antworten Sie, Holdeste!“ - -„Nun wohl,“ versetzte das Mädchen, die seiner ganzen früheren -Schmerzengeschichte unter anhaltendem Kichern und Gelächter zugehört -hatte: „so will ich Ihnen denn sagen, mein Herr -- daß Sie der -unausstehlichste und zudringlichste alte Mensch sind, der mir je -vorgekommen!“ - -„Was?“ schrie Althing, wie gelähmt stehen bleibend und sie am Arme -ergreifend: „Was unterstehen Sie sich da?“ - -„Lassen Sie mich los!“ schrie sie: „oder ich rufe um Hilfe! -- Ja, ja, -ich will es Ihnen nochmals wiederholen: noch niemals habe ich einen -überlästigeren Menschen gefunden, als Sie. Was haben Sie nöthig, mich -beständig zu verfolgen?... Alles was Sie bei mir erreicht zu haben oder -zu erreichen glauben, ist pure Einbildung. -- -- Erstens habe ich Ihnen -niemals eine Bestellung gegeben....“ - -„Wie -- Sie haben mich nicht zu Daum bestellt?...“ - -„Ich weiß kein Wort davon.“ - -„Sie sagten ja, Sie würden dort um 2 Uhr Nachmittags vorüber gehn.“ - -„-- Ich sagte das, um Sie los zu werden, als Sie mir nicht auf andere -Art vom Halse gehen wollten....“ - -„Ah, so also?“ - -„Ja, ganz so.“ - -„-- -- Indeß -- indeß gingen Sie gleichwohl bei Daum vorbei.“ - -„Aber nicht um 2 Uhr.“ - -„Was schadet das: um 2 oder 12 Uhr, das ist gleich. Ich war einmal dort -und wollte Ihnen eben folgen --“ - -„Dies wäre Ihnen schlecht bekommen.“ - -„Weßhalb, mein Fräulein?“ - -„Weil der Obermarqueur, der mein Geliebter ist, Sie am Rockschoße hielt --- und --“ - -„Ach! Ach!“ fuhr Althing auf: „jetzt begreife ich den ganzen -Zusammenhang. Jener unverschämte Bengel oder Marqueur war also Ihr -- --- Geliebter! Darum wollte der Kerl mich durchaus nicht fortlassen --“ - -„Bis Sie bezahlt hätten; das ist so Weltgebrauch....“ - -„Allein -- Mademoiselle, für diesen Weltgebrauch habe ich Ihrem holden -Geliebten einen Fußtritt versetzt -- hahaha!“ - -„Und er gab Ihnen denselben zurück, hahaha!“ - -„Er empfing von mir annoch eine Ohrfeige...“ - -„Und er blieb Ihnen auch diese nicht schuldig, hahaha!“ - -„-- O -- aber, meine Theure, glauben Sie mir, es beweis’t einen sehr -schlechten Geschmack, einen Marqueur zum Geliebten zu haben...“ - -„Der Geschmack ist verschieden. Was mich betrifft, so ist mir ein -hübscher Marqueur viel lieber -- als ein häßlicher alter Geck.... Ich -habe in dieser Hinsicht den Geschmack so mancher Fürstin und brauche -mich seiner also nicht zu schämen...“ - -„Allein...“ - -„Allein, mein Herr, ich erlaube mir Ihnen zu bemerken, daß dies -Gespräch mich bereits dermaßen langweilt -- daß ich, sofern Sie mich -nicht augenblicklich verlassen, ernstlich auf Mittel denken werde, -mich von Ihnen zu befreien.... Ah, dort sehe ich meinen Freund! Es ist -+Franz+, der Polizeikorporal. -- -- Heda! Herr Franz! Herr Franz, -hören Sie!“ - -„Um Gotteswillen!“ rief der Dicke erbleichend und einen Satz seitwärts -machend, daß er von der Grisette weg bis mitten auf die Straße gerieth: -„verschonen Sie mich mit Ihrem Freund! -- Von dieser Gattung Freunde -habe ich schon genug erfahren!...“ Und ohne sich weiter lange zu -bedenken, machte unser Liebesheld schnell noch einen Satz, welcher ihn -bis zur andern Seite der Straße brachte -- ließ Liebe, Leidenschaft -und Zärtlichkeit im Stich und schlug eilends einen Weg ein, der -entgegengesetzt von demjenigen war, welcher die Grisette mit ihrem -„Freunde“ zusammenführte. - -„Teufel!“ meinte Althing, als er endlich nach langem Rennen sich in der -Gegend der Piaristen in Sicherheit fand --: „Teufel! dieses Mädchen -hat aber auch ganz kuriose Freundschaften: Marqueurs, Polizeikorporale -und ähnliche Staatsmänner.... da bleibe ich, aufrichtig gesagt, recht -gern aus dem Spiele. -- Allein, was man auch sagen mag,“ fuhr er fort, -„sie bleibt doch eine ganz allerliebste Hexe -- und wäre nur wenigstens -der verdammte Polizeikorporal nicht -- ich glaube, sie würde mir noch -immer den Kopf verdrehen können.... Allein, so wie die Sachen stehen, -bin ich freilich vollkommen geheilt und preise mein Schicksal, das -mir zum zweiten Male beistand gegen Anfechtungen der Polizei.... -Jedoch in Zukunft will ich mich auch in Acht nehmen und nicht mehr so -hineinstürmen in’s Leben und in die Liebe. -- Alle Donner! mein lieber -Althing -- Du hast freilich auch ein viel zu hitziges Temperament! -Das Jugendblut schäumt noch zu sehr in Deinen Adern! Du mußt Dich -gewöhnen, kälter, hartherziger, stolzer zu werden.... Dann werden Deine -Siege sich verdreifachen -- wiewohl, was ihre Zahl betrifft, Du mit -ihnen auch jetzt nicht eben unzufrieden zu sein brauchst -- haha!“ Er -fing an seine Schritte zu mäßigen; jetzt machte er die Bemerkung, daß -die Menschen, bei denen er vorbeikam, Blicke nach ihm warfen: „Was hat -das zu bedeuten?“ fragte er sich. -- „Nun, nun -- was wird es wohl zu -bedeuten haben? Sie sehen Dich an, mein guter Althing, das ist Alles. --- Die Liebe hat so eben Deine Wangen geröthet, -- Dein Auge glänzt -noch im höhern Feuer, alle Muskeln Deines Körpers zeigen eine gewisse -Elastizität: es ist kein Zweifel, Du imponirst diesen Leuten -- sie -bewundern Deine Gestalt -- Deinen Reiz.“ -- Er fuhr selbstgefällig -fort: „Das, was man nicht von Natur hat, kann man sich nicht selber -geben. Die Schönheit ist ein Geschenk Gottes.... Man kann sie nicht -erwerben. -- Wie muß ich über so manchen armen Teufel lachen, der -von dem Allerhöchsten in dieser Hinsicht weniger bedacht ward -- wie -muß ich über seine Anstrengung lachen, sich schöner zu machen, als -er ist... Ach, mein Guter, sag’ ich ihm dann: lass’ das! alle Mühe -ist hier vergebens. Du wirst nie ein erträgliches Gesicht zu Stande -bringen, -- alle Deine Salben, Pomaden und Schminken nützen Dir zu -nichts. Bei uns hingegen thut es einfaches Brunnenwasser -- ein bischen -Seifenschaum dazu! Wir sind in dieser Hinsicht wie unsere Göttin: die -holde Venus. Ihre und unsere Reize steigen fertig aus Wasser und Schaum -hervor. --“ - -„Aber zum Guckuk -- -- was sehen mich denn diese Menschen gar so -sehr an, und einige lachen noch dazu?... Sollte meine Gestalt heute -ungewöhnlich verführerisch sein?... Ach, sie werfen ihre Blicke nach -meinen Beinen... haha! Ja, unsere Beine!... Alle Donner!“ fuhr er -plötzlich auf, nachdem er seine stolzen Blicke hinabgerichtet hatte auf -seine Füße: „Was ist da mit meinen Beinkleidern geschehen? -- Sie sind -lauter Fetzen! -- -- O verfl-- Sporren! O Unglück! -- O entsetzliches -Unglück!“ Und er lief so schnell er vermochte in den offenen Thorweg -eines Hauses hinein -- einige Gassenjungen aber, die ihm beständig -gefolgt waren, stellten sich draußen vor dem Thore auf und erhoben ein -lautes Geschrei: - -„Wohnt kein Tandler hier! Wohnt kein Tandler[D] hier! Es will Einer -eine alte Hose verkaufen! Eine Hose! Eine Hose!“ - -Althing schwitzte drinnen dicke Tropfen. Er fand sich schon wieder -in einer fürchterlichen Klemme. Das Schicksal hörte nicht auf ihn zu -verfolgen.... und womit hatte er es denn verdient? - -Da führte dasselbe plötzlich einen leeren Fiaker vorbei. Dies war eine -große Gnade vom Schicksal. Althing rief den Fiaker an und dieser lenkte -seinen Wagen dicht vor den Thorweg. So stieg denn unser Unglücksmann -unter dem Jauchzen von dreißig Jungen ein, die ein Vivat um’s andere -riefen, daß ihm dabei die Sinne vergingen. - -„Wohin befehlen Euer Gnaden?“ hatte der Kutscher schon mehrmals -gefragt, ohne daß es von dem Dicken vernommen worden wäre. - -„In die nächste Straße,“ sagte er endlich: „vor das Palais des Generals -von Randow -- mein Freund.“ - -„Wie -- Euer Gnaden wollen in diesem Aufzuge dem Herrn General eine -Visite machen? --“ - -„Bewahre Gott, bewahre Gott!“ seufzte Althing: „ich will bloß zu -seinem Sohne -- der mein Freund ist und zum Glück hier nahe bei dem -Schauplatze meines Unglücks wohnt -- zu ihm will ich mich begeben. Er -wird mich einstweilen mit andern Beinkleidern versorgen...“ - -„Ah -- das ist etwas Anderes, und Euer Gnaden thun daran sehr -recht; denn in diesem da -- sehen Sie gerade so aus, wie der Herr -+Knieriem+ im Lumpacivagabundus. - Hott, Brauner! hott! --“ - -Der Wagen hielt vor dem Palais. Wie aber hineingelangen? Das ganze Haus -mußte den Unglücklichen und seine Beinkleider sehen. Es war eine neue -Schlinge, die ihm das boshafte Schicksal legte.... Da fiel dem Fiaker -plötzlich ein großer Gedanke ein (die Fiaker sind geborne Genies!): - -„Wissen’s was, Euer Gnaden?“ sagte der Bursche. - -„Nun?“ spitzte unser Adonis seine Ohren. - -„Ziehen’s da meinen Mantel an -- und kein Mensch im Hause wird Sie -erkennen. In dieser Maskirung können’s dann bis zu Ihrem Freunde, dem -jungen gnädigen Herrn kommen....“ - -Dieser Rath war Goldes werth. Althing dankte dem Fiaker mit einer -Thräne im Auge, dieser aber zog seinen Mantel vom Bocke herab und warf -ihm denselben um.... Alles dieses geschah in wenigen Augenblicken.... -Althing sah in diesem Costüme einem Banditen nicht unähnlich, denn -der Mantel war von hellgrüner Farbe und der spitzbübische Fiaker -hatte ihm denselben so umgeworfen, daß er sich drappirte und auf -Althing’s Schultern hing, wie ein Theatermantel... Aber da war keine -Zeit zu verlieren.... Der Dicke schritt mit entschlossenem Wesen in -das Palais bei dem Portier vorbei, welcher die Augen aufriß, wie über -eine nächtliche Erscheinung. Der Fiaker aber, mit dem Hut in der Hand, -schritt unserem Alten nach -- und lachte in’s Fäustchen. - -So gelangten sie quer durch den Hof nach dem linken Flügel des -Gebäudes, wo Edmund wohnte. Althing ging die Treppe hinauf und fragte -einen Diener, der ihm begegnete, ob dessen Herr zu Hause wäre.... - -„Was will man denn bei ihm?“ antwortete der Kerl mit mißtrauischem -Blick. - -Da öffnete der Seladon seinen Mantel, und der Diener rief nun: „Ah, -Sie sind es, gnädiger Herr? Aber in welchem Aufzuge! Ist denn heute -Maskenball bei uns?“ - -„Dummkopf!“ fuhr Althing auf: „ob der Herr zu Hause ist, frage ich.“ - -„Nun ja -- gewiß; aber er wird in diesem Augenblicke nicht zu sprechen -sein.“ - -„Und weßhalb? Wegen meines Anzuges da?“ - -„Nein, sondern weil ein fremder Herr bei ihm ist, mit welchem er -eifriger Geschäfte halber sich in ein Zimmer eingeschlossen hat.“ - -„Ei -- was thut das? -- Er wird doch wohl nicht ewig mit diesem Herrn -eingeschlossen bleiben.... und überdies brauche ich ihn am Ende gar -nicht zu sprechen.“ - -Althing war während dieser Gespräche immer höher gestiegen; jetzt stand -er vor den Zimmern seines Freundes. Er riß hastig die Thür des nächsten -auf -- -- und durchzog mit stürmenden Schritten eine ganze Reihe. Die -Diener, welche auf seinen Anblick nicht vorbereitet waren, flohen -entsetzt nach allen Seiten, indem sie riefen: „Ein Räuber! Ein Bandit! -Zu Hülfe! -- --“ - -Dieses Geschrei verbreitete sich im ganzen Quartiere -- es gelangte -auch zu Edmund. Dieser, der nicht wußte, was es bedeutete, öffnete -seine Thüre und wollte eben darnach fragen. -- -- Da stürzte ihm -Althing im romantischen Costüme entgegen -- wenig fehlte, so hätte er -auch den jungen Mann in die Flucht geschlagen: - -„Aber -- zum Teufel!“ rief dieser: „bist Du es denn, Althing?“ - -„Ich bin’s! ich bin’s, lieber Freund.“ - -„Aber was hat denn das Alles zu bedeuten? Kommst Du aus dem Tollhause -oder vom Theater?“ - -„Keines von Beiden, bester Edmund...... Es war eine Laune von mir, -weiter nichts....“ - -„Was -- eine Laune?“ - -„Oder vielmehr -- eine Nothwendigkeit! -- Und hier dieser Mann,“ -- er -wies auf den Fiaker, welcher nicht von seiner Seite wich -- „hat Alles -zu verantworten. --“ - -„Das heißt: die zerrissenen Hosen des gnädigen Herrn haben es zu -verantworten....“ - -„Nun, ja auch das!... Denke Dir nur, lieber Edmund -- wie ich da unten -an den Beinen aussehe -- hehe!“ Er warf den grünen Mantel ab und wies -die hintern Theile seines Körpers und seiner Kleider... - -„Tausend Sapperment! -- Aus welchem Welttheile kommst Du denn? Was sind -denn dies Alles für Kleider?“ - -Jetzt erst erzählte Althing den ganzen Zusammenhang der Geschichte und -nun war Edmund nicht länger im Stande, den Ernst, welchen er aus dem -Zimmer mitgebracht hatte, zu behaupten. Er lachte wie toll -- ließ -seinen Kammerdiener kommen und befahl ihm, den dicken und entblös’ten -Freund in die Garderobe zu führen. „In einer halben Stunde,“ setzte -er gegen diesen gewendet hinzu, „sehen wir uns wieder; Du magst bis -dahin Dich in mein Rauchzimmer verfügen -- dort wirst Du neue Cabannas -finden oder wohlriechenden Persier, den Du aus Wasserpfeifen rauchen -mußt...! Bis dahin Adieu!“ - -Der Fiaker erhielt seinen grünen Mantel und seinen Lohn und begab sich -inmitten einiger Lakaien hinweg, denen er den ganzen Vorfall erzählen -mußte und welche, wie es die Art dieser Schelme ist, über das Malheur -ihrer Herren oder dessen Freundes ein größeres Vergnügen empfanden, wie -über irgend ein fremdes. - -Althing hatte sich bald wieder angekleidet. Nur mit seinem Schnurbart -war er noch brouillirt. Dieser hatte unter dem Mantel, womit der Dicke -sich zeitweise bis zur Nase bedeckt hatte, die ganze Farbe verloren; -und ein solcher Artikel war auf Edmunds Toilette nicht zu finden, weil -der Jüngling von Natur mit einem Haar vom schönsten Kastanienbraun -bedacht war... Allein einem so wichtigen Mangel mußte abgeholfen werden -und unser Adonis besann sich nicht lange; er schickte den Diener, -der ihm beim Ankleiden geholfen, fort, griff nach einem in der Nähe -stehenden Gefäße, welches er für ein Dintenfaß hielt, und bestrich sich -mit dem Inhalt tüchtig den Bart... - -Aber o Entsetzen! Kaum daß er damit angefangen, als er ein Prickeln und -ein Surren an seiner Lippe verspürte... bald erfüllte ein höllischer -Gestank seine Nase -- ein brennender Schmerz verbreitete sich an -der Lippe, drang immer tiefer ein -- der schöne Bart krümmte sich, -schrumpfte ein -- -- und fiel stückweise herab... der Schmerz wurde -fürchterlich -- die Lippen schwollen an... - -Der Unselige hatte sich mit Vitriolöl eingeschmiert. - -Wo aber war während der Operation seine Nase gewesen? Hatte er das -Oel nicht gerochen? -- Ach, er war zu sehr beschäftigt und von seinen -Reizen erfüllt... er hatte keinen Geruch, kein Gehör, keinen Geschmack --- er hatte nur Augen gehabt, der Bedauernswerthe. Diese Augen sahen -aber auch nur -- ihn. -- - -Auf sein Geheul liefen abermals die Diener herbei. O weh! wie sah -dieser noch vor wenigen Augenblicken so schöne Mann aus! Es schien, als -gehörte er, seinem Kopfe nach, zu dem Geschlechte der Elephanten -- so -rüsselförmig hatte sein Mund sich gestaltet. - -Man brachte ihn aus dieser Rauchatmosphäre heraus, die sehr nachtheilig -auf das metamorphosirte Glied einzuwirken schien, und trug ihn in ein -anderes Zimmer. Hier wurde er auf ein Sopha gelegt und man begann -ihn oder eigentlich seinen Rüssel mit Eisumschlägen zu traktiren. -Die jedoch schienen seine Schmerzen nur zu vergrößern und so sah -man sich denn genöthigt -- da keiner von den Dienern medizinische -Kenntnisse besaß -- nach einem Arzte zu senden. Aber die Zeit, bis -dieser erschien, war für unsern unglücklichen Adonis eine Epoche -schauderhafter Höllenqualen: „Oh! Oh!“ wehklagte er -- „was ist mit mir -geschehen?.. Das brennt und sengt ja, als wenn zehntausend Pechfackeln -darauf geschleudert würden! -- Ein ganzes Rudel von Beelzebubs tanzt -mir auf dem Munde herum! -- Ein Gehenna, ein Gehenna -- wächst mir -unter der Nase hervor! -- --“ Aber so deutlich wie hier angegeben wird --- konnte der Gequälte nicht sprechen. -- Es war ein stotterndes und -stammelndes Geschrei, was seinem Munde entströmte... Zuletzt wurde es -ganz unverständlich -- er konnte die Lippen nicht mehr auseinander -bringen -- sie schienen zu verwachsen. -- - -Nach ewiglangem Zögern erschien der Sohn Aeskulaps. Sogar er schlug -die Hände zusammen und konnte ein leises Gelächter nicht unterdrücken --- als er hier einen berüsselten Menschen vor sich erblickte. Der Fall -war ihm noch nicht vorgekommen. -- Die Gesetzbücher Aeskulaps jedoch -haben auch einem solchen Fall vorgesehen; überhaupt findet man in ihnen -selbst für die unmöglichsten Fälle Rath -- -- nur daß letzterer häufig -nicht viel hilft. - -[Illustration: S. 212] - -War es Bleiweißsalbe oder ein anderes Spezifikum, was der Doctor -verordnete, genug es wurde eine Salbe auf einen Leinwandlappen -gestrichen und dies dem Patienten auf den Rüssel gelegt.... Da ein -ungeschickter Lakai ihm auch die Nase damit bedeckte, so war der Arme -in Gefahr zu ersticken -- und nur indem er sich des Lappens mittelst -eines kühnen Risses entledigte, befreite er sich vom Tode.... Eine -gewandtere Hand legte das Pflaster jetzt dahin, wohin es gehörte -- und -so ward die Ordination des Doctors vollzogen. - --- -- Mittlerweile fand in dem Zimmer nebenan ein sonderbarer Auftritt -statt. Es war dies dasselbe Zimmer, wo Edmund sich mit jenem +fremden -Herrn+, von welchem der Diener zu Althing, als dieser sich im -Banditenkostüm die Treppe hinauf begab, gesprochen... - -Der +fremde Herr+ nun war noch bis zur Stunde mit Edmund in diesem -Zimmer eingeschlossen. Man urtheile also, von welcher Wichtigkeit diese -Conferenz sein mußte -- da nicht einmal der pathologische Vorfall mit -Althing im Stande war, Edmund aus dem Zimmer zu locken. - -Der +fremde Herr+, von welchem die Rede ist, war ein merkwürdiger -Kauz. Seine Figur rangirte ihn zur Hälfte unter die Affen, zur andern -Hälfte unter die Menschen. Seine Physiognomie läßt sich am besten mit -der jenes Meisters +Jocko+ vergleichen, der in +Van Akens+ -Menagerie so große Sprünge machte. Aber unter dieser Physiognomie saß -der Verstand eines Archimedes. Mit einem Worte, unser Mann war in der -Mathematik ein wahres Phänomen; denn er konnte Euch auf’s Haar beweisen --- daß Ihr, falls Ihr ihm für 1000 Thlr. 3000 verschreibt, mindestens -500 dabei gewinnen müsset. - -Ich glaube für einige meiner geliebten Leser deutlich genug gesprochen -zu haben. - -Was den Anzug des Biedermannes betraf, so bestand dieser aus folgenden -Stücken: - -Ein graues Beinkleid aus dem Zeitalter der Maria Theresia mit einem -braunen Fleck am Hintertheil, welcher (nämlich der Fleck) aus der Zeit -Josephs stammte -- einem blauen Fleck auf dem rechten Knie, der unter -Leopold geboren war und einem hellgrünen Besatz vorne auf dem Bauche; -dieser Besatz entstand während der ersten französischen Invasion. - -Ferner ein Rock -- zweien Dritteln nach einen Frack und einem Drittel -nach einen Spenzer bildend -- von einer unzuenträthselnden Farbe. -Dieser Rock war zu allererst ein Mantel gewesen -- aus welchem man -später ein Wams -- dann einen Ueberrock -- dann eine altfränkische -Schößen-Weste -- und endlich das gegenwärtige Mittelding zwischen -Frack und Bonjour gedrechselt hatte. -- Der älteste Ursprung dieses -Kleidungsstückes verliert sich in die Zeiten Gustav Adolphs. - -Ferner die Weste. Ihr Ursprung war nicht anzugeben. Sie schien -indeß schon bei dem heidnischen Götzendienst der alten Germanen als -Priestergewand funktionirt zu haben.... Statt der Knöpfe waren an -dieser Weste natürliche Eicheln angenäht.... Zur Schonung jedoch -knöpfte ihr Eigenthümer seine Weste niemals zu. - -Vom Hemde war bei ihm keine zuverläßliche Spur. - -Das Halstuch mochte wohl schon einmal bei einer Leiche als Trauerflor -geglänzt haben. - -Die Stiefeln des Mannes waren veritable Wunderstiefeln, unzugänglich -dem Wasser sowohl wie dem Feuer. -- Hier saß ein Fleck auf zehn -andern... Man konnte sagen: vor lauter Flecken sah man den Stiefel -nicht. - -Den Hut endlich anlangend, so mochte derselbe in guten Zeiten auch als -Pferdesattel gedient haben... Man konnte nicht sagen: „er hatte diese -oder jene Form,“ weil dieser merkwürdige Hut alle Formen annahm... - -Von den Stiefeln bleibt noch zu bemerken, daß sie ursprünglich -verschiedenen Gattungen angehört hatten: der eine war lang und mit -Kanonen versehen -- der andere ein Trichterstiefel, wie sie die Ritter -trugen. An dem letzteren war noch ein Stück, von einem Sporren zu sehen. - -Es darf jedoch das Beste nicht vergessen werden. Der achtungswürdige -Besitzer dieser Kleidersammlung trug in der Hand ein Instrument, -welches einer Keule nicht ganz unähnlich war: deßhalb man auch eher -sagen konnte, er +schleppte+, als er +trug+ dieses Instrument. An -diesem Instrument oder an dieser Keule war oben ein Handriemen, -welchen der Biedere um seine Finger geschlungen hatte.... so daß er -das holde Instrument daran hin und her schwingen konnte wie einen -Glockenschwengel. - -Der Mann nannte die Keule sehr zärtlich seinen „besten Freund“ und -dabei lächelte er so seelenvergnügt, als hätte Achilles von seinem -Freunde Patroklus gesprochen. - -Nachdem wir nun die Gestalt des Mannes beschrieben haben, bleibt uns -nur noch übrig, Einiges von dem Gespräche mitzutheilen, welches er mit -Edmund in diesem Zimmer bei festverschlossenen Thüren seit länger als -einer Stunde führte. -- Freilich muß der Leser darauf verzichten, das -+Ganze+ dieser interessanten Unterredung zu erfahren; indeß wird -er sich hoffentlich auch bei dem Wenigen begnügen. - -„+Lips+“ hatte Edmund gesagt, indem er mit zorniger Miene ein -Papier zwischen seinen Händen herumzerrte: „Lips, Sie sind mir ein -entsetzlicher Mensch! Ein Teufel, ein Schurke!“ - -„Alles was Euer Gnaden beliebt,“ hatte Lips geantwortet; „ich bitte nur -um Eins -- -- zerren Sie dieses Papierchen nicht so sehr hin und her: -es wird, auf Ehrenwort! noch entzwei gehen...“ - -„Was schadet das, da Du Dir von jeder Schuldverschreibung, von jedem -Wechsel +zwei Originale+ geben lässest.“ - -„Zwei ist besser als Eins -- -- sagte ein großer Philosoph in Spanien, -und dieser große Philosoph hatte, auf Ehrenwort! Recht....“ - -„Aber -- Lips.... Du mußt mir noch in dieser Stunde 300 Dukaten -schaffen -- und solltest Du sie in der Hölle holen.“ - -„Das ist nicht nöthig, mein Gnädiger: ich trage die 300 Füchse bei mir --- --“ antwortete Lips und schwang seine Keule hin und her... - -„Nun was zögerst? Du dann? Heraus mit ihnen!“ - -„Augenblicklich -- sobald es Ihnen früher gefallen wird, mir das -Papierchen, welches ich da Ihren hohen Händen präsentirte und was Sie -so erschrecklich verarbeiten -- zu honoriren. Es macht 1500 Gulden! Auf -Ehrenwort! Eine Kleinigkeit!“ - -„Aber wenn ich sie besäße -- brauchte ich ja Deine 300 Dukaten nicht.“ - -„Das ist gewiß; allein wie können Sie einem Geschäftsmanne zumuthen, -Ihnen neuen Kredit zu geben -- da Sie Ihre alte Schuld bei ihm noch -nicht getilgt haben...?“ - -„Aber -- ich sagte Dir, bei allen Teufeln, zum hundertsten Male: ich -habe kein Geld.“ - -„-- Aber -- ich sagte Ihnen ebenfalls schon hundert Mal: Was nützt -mir das? -- Sie brauchen Geld, Sie brauchen Geld! -- -- Ich, auf -Ehrenwort! brauche auch Geld, mein gnädigster Herr Graf.“ - -„-- Du hast dessen genug -- -- bei Dir wachsen die Banknoten in allen -Winkeln.... bei mir fliegen sie zu allen Fenstern hinaus.“ - -„Dies ist eben der Unterschied zwischen unsern Geschäften, mein -Gnädigster. Auf Ehrenwort!“ - -„Lips!“ schrie Edmund: „bringe mich nicht zur Verzweiflung. Bei Gott, -ich lasse Dich zur Thür hinauswerfen. --“ - -„Wie es Euer Gnaden gefällt!“ lächelte dieser und schwang seine Keule. --- „Aber“ fuhr er fort, „bedenken Sie, daß, wenn Sie mich zur Thür -hinauswerfen lassen -- die 300 Dukaten darum noch nicht zur Thür herein -spaziert kommen... Auf mein Ehrenwort!“ - -„Hol’ Sie der Satan mit Ihrem Ehrenwort! Mißbrauchen Sie diesen -Ausdruck nicht, der nur Ehrenmännern ziemt... und schaffen Sie lieber -das Geld herbei!“ - -„Auf Ehrenwort, Gnädigster -- ich kann nicht anders --“ - -„Als --?“ - -„Als -- wenn Sie, wie ich gesagt habe, zuvor das alte Papierchen -bezahlt haben...“ - -„Sind Sie denn taub, Verdammter Lips? Habe ich denn nicht schon so laut -wie ein Löwe gebrüllt: +ich habe kein Geld! ich habe kein Geld!+ ---“ - -„Auf Ehrenwort, das ist schlimm! Auf Ehrenwort!“ - -„Endlich -- zum letzten Male: Geld! oder packen Sie sich im Augenblick -aus meinen Augen fort -- elender Wucherer! Seelenverkäufer!“ - -„Auf Ehrenwort, das trifft mich nicht! -- Ich habe noch in meinem Leben -keine Seele gekauft. Was soll ich mit diesem Artikel? -- Er ist nicht -courant! -- Auf Ehrenwort, behalten Sie Ihre gnädige Seele -- und geben -Sie mir lieber mein Geld....“ - -Edmund ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und nieder... er hatte -tausend Mal Lust, den Spitzbuben zu erwürgen; aber damit half er weder -sich noch seiner fatalen Lage. Er brauchte Geld, er brauchte 300 -Dukaten, keinen Pfennig weniger... Er hatte eine Schuld zu bezahlen, -die morgen fällig war und welche nicht zur Wissenschaft seines Vaters -gelangen durfte; denn wiewohl der alte General seinen Sohn liebte --- so stand gleichwohl der Grundsatz bei ihm fest -- nicht einen -Thaler an Edmunds Gläubiger zu bezahlen. Er wollte diesen dadurch vom -Schuldenmachen abschrecken. Vergebliche Mühe! -- Ein junger Mensch wie -dieser, den Verlockungen seiner Standesgenossen und Freunde -- dem -Anbringen jener Blutigel, welche an dem Mark einer großen Stadt saugen, -preisgegeben -- war von diesen Wegen nicht abzuhalten -- oder man hätte -seiner ganzen Erziehung eine strengere Haltung, eine ernstere Richtung -geben müssen, woran es jedoch im Hause des Generals gänzlich fehlte: -er selbst mochte in seiner Jugend nicht die wenigsten tollen Streiche -gemacht haben. - -Während Edmund so auf und ab lief, sah der biedere Herr Lips ihm ruhig -zu. „Was soll das Alles heißen?“ sagte er achselzuckend: „Wozu rennen -Sie so umher, Gnädiger! -- Auf Ehre, damit wird die Sache nicht besser -werden.... Oder können Sie, wie Schillers Wallenstein, „+Dukaten aus -dem Boden stampfen+?““ - -Meister Lips war auch in der Literatur bewandert. Ja, ja -- dieser Mann -konnte Alles. Er wußte aus seiner Waare immer drei und vierseitigen -Nutzen zu ziehen. So pflegte er die +Bücher+, welche man bei ihm -verkaufte,[E] zuerst selbst zu lesen, sodann verlieh er sie für Geld an -Andere -- dann gab er sie seiner Tochter zum Lesen (sie war ein sehr -gebildetes Fräulein und hieß +Philomela+) und endlich verkaufte er -dieselben. - --- In diesem Augenblick sprang Edmund auf, lief nach einem Schranke, -öffnete ihn und zog eine Pistole heraus. Mit grimmigem Tone schrie er: -„Jetzt, nichtswürdiger Elender, wirst Du mir Geld geben -- oder beim -Allmächtigen!“ Und hiermit legte er die Pistole nach ihm aus... - -Doch Lips war bei dem Manoeuver kein bloser Zuschauer geblieben. -Flink wie der Wind hatte er seine Keule erhoben -- und an eine Feder -gedrückt -- sogleich verwandelte sich diese bescheidene Keule zu -einem allerliebsten Doppelgewehre, dessen Mündungen sich noch überdies -trompetenförmig erweiterten (wie die alten Musketons), daß die Ladung -(gewöhnlich bestehend aus einem Dutzend kleiner Kugeln) sich in die -Höhe und Breite zerstreuen konnte und also ihren Gegenstand mehrfältig -traf. - -Man muß gestehen, dieser Lips war ein Originalmensch. - -Als Edmund solche Demonstrationen sah, konnte er, so wüthend er war, -das Lachen nicht halten. Die Pistole warf er auf den Tisch -- und ließ -sich auf einen Stuhl nieder: - -„Aber zum Teufel!“ sagte er -- „Du bist ja eine wahre Festung, mein -Freund Lips!..“ - -„Das muß man bei dieser Zeit auch sein, in welcher man einen armen -Teufel, wie Unsereins, seines ehrlichen Erwerbes nicht froh werden -läßt.... Glauben Sie mir, gnädiger Herr, ich habe ein weiches Herz -- --- aber es hätte Ihnen nur noch eine Miene gekostet -- und ich hätte -Sie zusammengepfeffert, wie ein Schock Lerchen. Auf Ehre!“ - -„Aber -- dann wärest Du ja gehängt worden!“ - -„Wer weiß. Ich hätte mich aus dem Hause so ungesehen hinaus gemacht, -wie ungesehen ich mich hereingeschlichen habe.“ - -„Jedoch man hätte Deinen Schuß gehört...“ - -„Sie vergessen, daß mein Gewehr eine +Windbüchse+ ist...“ - -„Spitzbube -- von einem Lips! Wer könnte Dir böse sein?“ - -„Auf Ehre, während der Dauer dieser guten Meinung, die Sie jetzt für -mich gefaßt haben -- könnten Sie mir schnell das Papierchen bezahlen... -Gnädigster.“ - -„Lips! Endlich höre mit Deinen Possen auf. Es ist Zeit, daß wir -ernstlich in der Sache verfahren. Hinweg mit den Phrasen! Schenken wir -uns gegenseitig reinen Wein ein. Ich habe keinen Groschen Geld und -brauche 300 -- besser 400 Dukaten. -- Willst Du sie mir geben? Und was -verlangst Du dafür?“ - -Lips hatte sein Gewehr wieder maskirt; es war wieder die schlichte, -alte, treue Keule -- -- er erhob den Kopf -- zog Stirne, Mund und -die übrigen Theile des Gesichtes, soweit dies nämlich möglich war, -in den Mittelpunkt des Gesichtes zusammen (man erinnere sich seiner -eigentlichen Physiognomie!) und nachdem er zwei Mal mit den Lippen -geschmatzt und im Ganzen zwei Minuten nachgedacht hatte -- versetzte er: - -„Sie wollen reinen Wein haben? Nun gut! -- Zuerst: ob ich Ihnen Geld -gebe? -- Ja -- -- wenn nämlich zweitens: Sie mir das geben, was ich -brauche.“ - -„Und worin besteht dieses?“ - -„In einer Verschreibung von lumpichten 4000 Gulden nebst den -+gesetzmäßigen Zinsen+!... Ist Ihnen das recht, sollen Sie: 1tens -augenblicklich die 300 Dukaten -- und 2tens sollen Sie Ihr altes -Papierchen über die 1500 Gulden zurückhaben in beiden Originalen, mein -Gnädigster. -- Dies nennt man einen brüderlichen Handel, auf Ehre!“ - -Edmund besann sich nicht lange; so Etwas lag, bei einem Falle wie der -gegenwärtige, nicht in seiner Art. Er +unterschrieb+ -- zerriß die -alten Papiere und empfing das neue Geld. - -So endete diese Szene, nach welcher Meister Lips sich gehorsamst -empfahl -- und durch eine Hinterthüre aus dem Palais schlich -- -begleitet von Edmund, der ihn die verborgensten Wege führte. -- - - - - -Elftes Kapitel. - -Die beiden Gatten und der Verdacht. - - -Der Graf v. A--x hatte die Gewohnheit, sich nach dem Bureau, in welchem -er arbeitete, zu Fuße zu begeben. Diese Sitte behielt er auch nach -seiner Verheirathung bei, wiewohl jetzt seine Wohnung (wir wissen, -daß sie sich in der Nähe des Augartens befand) von dem betreffenden -Regierungsgebäude ziemlich entfernt lag. -- Aber der Weg dahin war -größtentheils einsam, zum Theil sogar romantisch, denn Alexander wußte, -indem er die Häuser vermied, ihn zwischen Gärten und Pflanzungen zu -wählen -- und so stimmte er ganz zu seinem Gemüthe, das, wenn auch -beglückt und froh, einen ernsten Grundzug niemals verläugnete. - -Eines Tages schritt der Graf wie gewöhnlich -- langsamen Schrittes in -dieser Richtung seinem Ziele zu. Es war ein trüber nebeliger Tag und -die Morgensonne -- die Zeit war 9 Uhr -- kämpfte ununterbrochen mit den -Wolken, welche ihr den Weg zur geliebten Erde, auf welche sie täglich -niedersteigt, zu verwehren strebten. -- Die Atmosphäre war schwer und -drückend -- kein Lüftchen regte sich, und zudem befand man sich jetzt -im höchsten Sommer: es läßt sich demnach begreifen, unter welcher Last -die Brust eines düstern Melancholikers wie der Graf erseufzte.... -Ohnehin waren die letzteren Tage nicht so ganz voll gewesen des -ungetrübten Glückes. -- Grillen, Launen, Mißtrauen beschleichen eine -Seele wie diese dann eben am heftigsten, wenn sich dieselbe auf -dem höchsten Gipfel der Freude befindet. Indeß hatten alle diese -Anfechtungen eine unbestimmte Natur -- Alexander wußte nicht recht, -gegen wen er eigentlich mißtrauisch sein sollte!... Am liebsten wäre er -es gegen den theuersten Gegenstand seines Herzens gewesen -- wenn er an -diesem nur, selbst bei der schärfsten mikroskopischen Untersuchung, -den geringsten Makel hätte entdecken können... - -Aber so ist jene versteckt glühende, rasende, melancholische Liebe. Sie -fürchtet, das Geliebte zu verlieren -- und tödtet es lieber mitten im -Taumel der höchsten Seligkeit, an welcher so eben Beide Theil genommen. --- - -Alexander ließ sich auf Gängen, wie der, welchen wir so eben berühren, -von Niemanden begleiten, selbst nicht von einem Diener, und wie sehr -Cölestine ihn auch bat und beschwor, von dieser Sitte abzulassen, da -ihm ja so leicht einmal ein Unfall widerfahren könnte, wo er dann -Niemand an seiner Seite haben würde -- so ließ er doch nicht ab. -Zärtlich sprach er zu ihr: „Ich bin ja nicht allein, mein theures Weib! --- Begleitest doch Du mich im Geist und in der Seele überall, wo ich -auch gehen oder stehen mag.“ Um dieser Zärtlichkeit willen ließ sie ihn -endlich doch gewähren -- -- aber sie sendete, ohne daß er’s wußte, ihm -zeitweise einen ihrer treuen Diener nach, der ihm in der Ferne folgen -mußte. -- Heute hatte sie es unterlassen. -- - -Wie Alexander nun hinwandelte, fing er an, immer mehr und mehr seine -Schritte zu verkürzen; zuletzt blieb er stehen. Er war im tiefen -Nachdenken verloren. Ohne daß er’s wußte, stand er schon länger als -eine Viertelstunde auf demselben Fleck, die Arme verschränkt, den Kopf -auf die Brust gesenkt. -- Mit einem Male jedoch fuhr er auf -- über -seine trübe Miene zog, wie Sonnenschein, eine freundliche Helle, der -ganze Körper strebte leicht und jugendfroh zur Höhe, die Lippen aber -murmelten: „Nein! nein! -- Ich will mir die Süße des Lebens nicht -verbittern -- durch unsinnige Betrachtungen! -- Bin ich nicht glücklich --- so ist es die ganze Menschheit nicht! denn wer unter allen Männern -besitzt ein Weib wie Cölestine? -- -- -- Ach!“ fuhr er fort und seine -Stimme nahm den Ton tiefer Rührung an: „Vergib mir, theure Gattin! Ich -habe an Dir ein Verbrechen begangen. Du bist rein wie ein Engel und -gütig wie eine Heilige -- und doch konnten meine Gedanken, meine tollen -Einfälle Dich beflecken! -- -- Ich verdiene Dich nicht! Ach -- und doch -liebe ich Dich so sehr! --“ Und er beflügelte jetzt seine Schritte --- die nicht mehr ihm zu gehören schienen, sondern einem Jüngling von -sechzehn Jahren... - -Er hatte jetzt einen Hohlweg, dessen obere Flächen mit Wald bewachsen -waren, durchschritten -- rechts neben dem Ausgange stand ein Gesträuch, -an welches dann später wieder Wald gränzte. -- In dem Augenblick, wo -Alexander dieses Gesträuch erreichte, ganz Lust und Freude im Gemüth --- -- hörte er in der Nähe ein Knistern, welches aus dem Dickicht zu -kommen schien. -- Bald zeigte sich ihm der Kopf eines unbekannten -Menschen; von der übrigen Gestalt aber war nichts zu sehen, sie war -gänzlich hinter der Pflanzung verborgen. Dieses Gesicht nun, welches so -plötzlich und unheimlich auftauchte, war mit einem dichten Bartwuchse -bedeckt und überdies noch von einem großen Hute so stark beschattet, -daß man von seinen Zügen wenig zu entdecken vermochte. Es konnte einem -Bettler, einem Hirten, einem Bauer und auch einem Räuber gehören -- -wiewohl es der Letzteren auf dem gegenwärtigen Stück Erde nicht eben -viel geben mag. - -Alexander, überrascht, rief den Menschen an. -- Dieser begnügte sich -damit, den Grafen mit einem unbeschreiblichen Blicke zu betrachten. - -„Wer bist Du und was willst Du, Bursche?“ rief Alexander zum zweiten -Male, zugleich ging er fest und kalt, wie es seine Art mit sich -brachte, auf ihn zu.... - -„Halt!“ rief dieser jetzt -- „keinen Schritt weiter!.. oder Sie haben -sich unnöthige Mühe gegeben und erfahren nichts, -- während ich jetzt -im Begriffe stehe, Ihnen eine für Sie wichtige Nachricht zu ertheilen. ---“ - -Diese Szene paßte so ziemlich in eine komische Räuberaffaire, welche -man auf den Theatern, wohl auch in der Wirklichkeit, zu sehen bekommt. -Dessenungeachtet brachte sie den Grafen nicht zum Lachen; im Gegentheil -seine Neugierde ward durch deren Seltsamkeit auf’s lebhafteste erregt, -so daß er unwillkührlich dem Verlangen des Fremden nachgab und den -Fuß nicht weiter setzte. -- Aber er schärfte seinen Blick und suchte -die Hülle seines Gegners zu durchdringen -- woran er jedoch sogleich -scheiterte, denn der Fremde bedeckte nun auch mit seinem Arme das -Gesicht, gleichsam als hätte er die Absicht des Grafen errathen. - -„Nun!“ rief dieser ungeduldig: „was hast Du mir zu sagen, Unbekannter! --- Oder sollte das Ganze nur ein Scherz sein, den Du Dir mit mir -erlaubst? -- Möglich auch, daß Du nicht völlig bei Sinnen bist...“ - -„In der Welt, mein verehrter Herr“ antwortete der Mann mit einer -tiefen Stimme: „ist Alles möglich; dieß habe ich erfahren. So ist -es zum Beispiel möglich, daß ein Weib unter ihren Anbetern gerade -denjenigen glücklich macht -- der von diesem Glücke am allerwenigsten -einen Begriff hat. Sodann ist noch folgendes möglich: dasselbe Weib, -welches den Ersten vermöge einer augenblicklichen +Laune+ wählte --- entledigt sich desselben wieder, sobald jene Laune vorbei ist.... -und sucht sich einen Andern, gleichfalls aus Laune.... Das Alles ist -möglich, mein verehrter Herr -- und dieß ist zugleich das Ganze, was -ich Ihnen sagen wollte!“ - -Kaum verklang das letzte Wort, als der Kopf des Unbekannten -verschwunden war; -- man hörte nur noch folgende Worte: „Nehmen Sie -sich vor einem glänzenden jungen Herrn in Acht!“ Dann knisterte es noch -in den Zweigen, bald hörte auch dieß auf und Alles war still. Der Graf -aber stand da, wie von einer furchtbaren Macht festgebannt -- er konnte -kein Glied bewegen und glich im ersten Augenblicke vollkommen einer -Statue. -- Endlich ermannte er sich und rief dem Verschwundenen nach: -„Halt! halt! Noch ein Wort!“ -- Umsonst! von diesem war längst nichts -mehr zu sehen, nichts mehr zu hören. - -Alexanders ganzes Wesen verfinsterte sich und schien zu erstarren. -Seltsame Gedanken wütheten in seiner Seele. Was hatten jene Worte -zu bedeuten? Standen sie in irgend einer Verbindung mit ihm, mit -Alexander? -- Das mußten sie; sonst hätte der Unbekannte sie nicht ihm -zugerufen.... Aber vielleicht war es wirklich nur Scherz, vielleicht -Wahnsinn! -- -- Ach, hatte Jener denn nicht gesagt: - -„Ich stehe im Begriffe, +Ihnen+ eine wichtige Nachricht zu -ertheilen!“? -- - -Es war nicht länger zu zweifeln, diese Nachricht betraf das innerste -Leben Alexanders -- das seines Hauses und seines Glückes: seines -Weibes! mußte er hinzusetzen, um sich selbst zu verstehen. - -Wie der Zahn einer Hyäne nagte diese Idee an dem Herzen des -Unglücklichen, der es vom jetzigen Augenblicke an auch wirklich ward. -Er stürzte weg von dem Orte des Schreckens -- als fürchtete er, daß -aus dem Gesträuche noch mehrere solche Gedanken-Bestien auf ihn -hervorbrechen könnten... er rannte in wilder Eile auf dem Wege fort: ob -es der rechte war oder nicht, er wußte nichts davon, es kümmerte ihn -auch wenig. -- - -So war er über eine Stunde gelaufen -- ohne daß diese ihm länger als -ein Augenblick vorgekommen wäre. Jetzt schlug er die Augen auf und -fand sich in einer ihm ganz unbekannten Gegend. Doch mußte es fern -von der Stadt sein, denn ihn umgab hier Wald und rauhe Wildniß. -- -Diese Landschaft war ihm willkommen; diese tiefe Einsamkeit that ihm -noth und er eilte, von ihr Gebrauch zu machen. Er warf sich in eine -Vertiefung des Bodens nieder, rings herum standen Büsche und Sträucher -so dicht, daß sein Blick sie nicht zu durchdringen vermochte.... Sein -Lager war jenes alte vorjährige Laub, welches um diese Zeit bereits in -Fäulniß übergeht und den natürlichen Dünger des Waldes bildet. -- Was -kümmerte ihn das -- er achtete der Feuchtigkeit und des Moderduftes -nicht, welche sich unter ihm verbreiteten.... er sah sich von Insekten -umschwirrt, von Kröten umhüpft -- er achtete nicht darauf;... in der -Nähe seines Hauptes raschelte und zischelte es im Grase -- vielleicht -war es eine Schlange -- auch darauf achtete er nicht; ja selbst als -eines jener häßlichen Thiere, die in feuchten und moderigen Plätzen -wohnen, als eine graue Wasserratte bei ihm vorbeilief -- durchzuckte -weder Ekel noch eine andere Empfindung seinen Körper.... - -Er schien für die äußere Welt gänzlich erstorben -- und versenkte sich -nur tief und tiefer in den Feuerpfuhl, der in seiner Seele glühte... - -„So ist sie also falsch?!“ sagte er, ohne zu wissen, daß dieser Gedanke -sich auf seinen Lippen belebt hatte... „Sie ist treulos,“ fuhr er fort: -„ich habe es ja geahnt! -- Ich kann nicht glücklich sein! das hätte -ich wissen und mich darnach benehmen sollen. Ach! habe ich es denn -nicht gewußt -- daß in dem Garten dieser Welt für mich die Rose der -Liebe nicht blüht? Vielleicht blüht sie auch für keinen Andern... und -vielleicht ist das, was wir Weibesliebe und Weibertreue nennen, die -größte Thorheit, der größte Unsinn, der je ausgesprochen wurde..... O! -ich bin hinlänglich bestraft worden für meinen Vorwitz. -- Habe ich mir -nicht schon einmal den scharfen Dorn in den Fuß getreten?... mußt’ ich -noch ein Mal auf diesem Pfade wandeln? -- Freilich jenes erste Mädchen -habe ich verkannt -- an ihrem Sterbebette enthüllte sich die Reinheit -ihrer Seele mir! -- Aber -- konnte ich mich nicht auch hier getäuscht -haben? -- und ist vielleicht nicht gar diese Sterbende mit einer Lüge -aus der Welt gegangen? -- Wer will mir das bestimmen? Fälle solcher Art -sind schon vorgekommen! -- zu Hunderten; zu Tausenden da gewesen! -- -- ---“ - -Er verstummte. Plötzlich schrie er wieder auf: „Welcher Gedanke -entsteht da in meiner Seele? -- Seit ungefähr vierzehn Tagen besucht -jener Chevalier de Marsan, von welchem man so Fabelhaftes erzählt, -mein Haus fast Tag um Tag. +Seine Ruhe und Stille ist mir -aufgefallen!+ -- Sagte man mir denn nicht, dieser Mensch sei ein -Phänomen im Weltleben; das Leben der Welt aber ist regsam und laut. -- --- O, meine vertrauende Seele, wohin hast Du mich geführt?!.. Jetzt, -jetzt erst fällt mir ein, daß Marsan bis jetzt weder mit mir, noch -mit meiner Frau gesprochen hat. Was fesselt ihn also so sehr an unser -Haus? -- Doch nicht eine fremde Person, die er hier stets antrifft?... -Allein, auch das wäre möglich! -- -- Aber +möglich+! Was nützt mir -dies Wort? -- Möglich ist Alles. O mein Gott, ich muß +Gewißheit+ -haben. --“ - -„Und ist es -- der Chevalier nicht, ist es vielleicht ein Anderer! -denn jene Worte drückten es ja deutlich aus: Nehmen Sie sich vor einem -glänzenden jungen Manne in Acht! -- Aber o Gott! -- könnte der Elende, -der sie mir zuraunte -- könnte er mich nicht betrogen, oder konnte -er sich nicht auch in mir geirrt haben? -- Welche Thorheit, welches -Verbrechen, einem Menschen, den man nicht kennt, und welcher ganz so -aussieht wie ein Schurke, zu vertrauen??........... Ach! Ach! reißt -mir erst den Pfeil des Verdachts aus der Brust.... bis dahin kann ich -nichts Anderes thun, als: fürchten, argwöhnen, beben, zittern und -- -glauben!! -- --“ - -Erst zu später Tageszeit verließ Alexander diesen Wald und fand sich -endlich mit dem Wege zurecht. Er ging nun nach Hause, in der Absicht, -sich in sein Zimmer zu begeben und darin bis zum Morgen eingeschlossen -zu bleiben; denn es war bereits dunkel geworden. - -Für den Eifersüchtigen, für den Unglücklichen ist es eine Wollust, -sich in seinen Schmerz zu vergraben -- in den Wunden seiner Seele zu -wühlen, und er hört damit oft nicht eher auf, als bis er unter dieser -wahnsinnigen Selbstqual den Geist aushaucht. - -Doch blieb Alexander nicht lange allein; man hatte ihn in das Haus -treten sehen und es Cölestinen gemeldet. Diese, in qualvoller Angst -wegen der Abwesenheit ihres Gatten, eilte auf den Flügeln der Liebe zu -ihm -- -- ach, wie erschrak sie, ihn in diesem Zustande zu finden! - -„O mein Gott!“ schrie sie auf und stürzte an seine Brust: „Was ist mit -Dir geschehen, Alexander? -- Wo bist Du gewesen? -- Welcher Unfall -hat Dich getroffen? -- Rede, rede, um Himmelswillen, befreie mich von -meiner Angst!“ - -Er hatte sich in einem frühern Augenblick vorgenommen, ihr +Alles+ -zu sagen; in einem nächsten faßte er den Vorsatz, ihr +Nichts+ -wissen zu lassen -- d. h. ihr mit kalter Ruhe, unter welcher tiefer -Abscheu lag, zu begegnen.... - -Jetzt, in dem gegenwärtigen Augenblicke faßte er einen dritten -Entschluß: +er wollte heucheln, um sie auf die Probe zu stellen!+ - -Es gelang ihm in sehr kurzer Frist, ein so heiteres Lächeln auf seine -Lippen zu zaubern, daß Cölestine freudig aufathmete und ihn mit dem -Ruf: „So darf ich also ruhig sein!“ umarmte; „doch sprich,“ setzte -sie hinzu -- „was ist das heute gewesen? Beruhige mich vollständig, -denn irgend etwas Ungewöhnliches muß dennoch mit Deinem Ausbleiben -zusammenhängen.“ - -„Nichts, nichts, meine theure Cölestine!“ versetzte er: „nichts -- -oder nur sehr wenig. Mich hatte, als ich das Haus verließ, um nach dem -Bureau zu gehen, auf einem Umwege, welchen ich nahm -- eine leichte -Unpäßlichkeit überfallen, und da ich glaubte, dieselbe würde bald -vergehen, trat ich in ein nicht weit von dem Orte stehendes Gasthaus --- wo ich mir ein Zimmer öffnen ließ, um daselbst etwas Stärkendes zu -mir zu nehmen; denn, wie Du weißt, ich habe heute nicht gefrühstückt. --- Doch zum Unglück verlief mein Zustand nicht so schnell, als ich -erwartete -- ich mußte mich auf eine Ruhebank hinstrecken und blieb da -so lange liegen, bis ich wieder hinlängliche Kräfte gesammelt hatte, um -den Rückweg nach Hause anzutreten. --“ - -„Aber mein Gott,“ versetzte die Gattin und Thränen traten ihr in die -Augen: „warum hast Du mir davon nichts wissen lassen? Ich wäre mit dem -Eifer der Liebe zu Dir geeilt, und hätte Dich gepflegt.... Mindestens -hättest Du Dich ja in einem Miethwagen nach Hause können bringen -lassen. -- --“ - -„-- -- Es war mir jedoch darum zu thun, Dir jede Unruhe zu ersparen, -theure Geliebte!“ - -„+Jede?!+ Unruhe wolltest Du mir ersparen? -- O das hat Dein Herz -nicht gesprochen, Alexander. Weißt Du denn nicht, daß ich es für -meine Pflicht halte, Leid und Freude mit Dir zu theilen -- und daß -diese Pflicht mir Lust ist?.. Und dann, könntest Du glauben, Deine -lange Abwesenheit, Dein Wegbleiben zur gewöhnlichen Zeit hätte mich -nicht doppelter Unruhe, der Unruhe und Qual der +Ungewißheit+! -preisgegeben?..... Geh doch -- -- abscheulicher Mann! Böser, böser -Alexander! Welche Angst, welche Sorge habe ich um Dich ausgestanden!“ - -Er sah sie mit einem Blicke an, der sie bis in dem tiefsten Winkel der -Seele ausholen sollte, und fragte mit halblauter Stimme: „Wirklich hast -Du das?“ - -„Nun!“ erwiederte Cölestine arglos: „und Du zweifelst noch? Du willst -es mir am Ende nicht einmal glauben? -- Wahrhaftig -- Du schlimmer -Mensch, wäre in diesem Augenblick freudigen Wiedersehens die Zeit dazu --- ich würde sie Dir recht fühlen lassen, diese Worte, welche Du so -eben gesprochen; doch hat Dein Herz sicherlich keinen Antheil daran. --“ - -„Sicherlich -- nein!“ erwiederte er mit heiterer Miene und nahm die -Beweise ihrer Zärtlichkeit, mit denen sie ihn überschüttete, wie ein -glücklicher, wie ein froher Mann hin. - -Und doch war dieser Mann im Grunde seiner Seele so unglücklich, so -kummervoll. - -Aber das ist eben die Natur des Eifersüchtigen, daß seine entsetzliche -Leidenschaft, einmal erregt, durch nichts zu stillen ist -- als durch -die Macht der Zeit. Der größte Beweis von Liebe überzeugt ihn nicht --- er sieht, wie der Fieberkranke, Alles blutroth und schwarz -- -selbst die reinste Lilie erscheint ihm ihres jungfräulichen Schmuckes -entkleidet als dunkle Todesblume. -- Die Eifersucht ist ein niederer -Grad von Wahnsinn, der jedoch bisweilen zum höchsten führen kann. - -„Nun aber“ sagte Cölestine, als sie ihren Mann sich aufrichten und an -ihrer Seite Platz nehmen sah: „will ich Deiner Gegenwart mich auch -in doppeltem Maße erfreuen. Du warst einen ganzen Tag nicht bei mir --- ich will jetzt in einer Stunde so viel Glück zu erwerben suchen, -wie sonst in dreien; und es wird mir auch gelingen, denn ist Dein -Herz nicht reich und ist es das meine etwa weniger? O wir dürfen ja -nur mit beiden Händen zulangen -- das Füllhorn unserer Freude ist -unerschöpflich! Meinst Du dies nicht auch, Alexander?“ - -„Gewiß, gewiß, mein holdes Weib! -- Und so bist Du denn meiner -Wiederkunft, wie ich sehe, recht inniglich froh! Ja, ja -- ich begreife -es, wie Du während meiner Abwesenheit Dich in Sehnsucht nach mir -verzehrt haben wirst -- ich kann mir Deine Seufzer, Deine Thränen so -lebhaft vorstellen! --“ - -„Du kannst es -- Alexander? -- Und doch hast Du sie -- ich möchte -sagen -- muthwilliger Weise hervorgerufen; denn eine Zeile, die Du mir -geschrieben -- ein Wort, das Du mir hättest sagen lassen, würden mich -beruhigt, dieses Fürchten, diese Angst von mir gebannt haben. -- Ach, -es ist nicht schön, eine Gattin, welche Dich so zärtlich liebt, zu -quälen.... es ist nicht schön....“ - -„Es ist nicht schön -- Du hast Recht.“ - -„Nun, wenn Du es nur selbst zugibst! -- Doch Alles das ist ja vorbei, -und so reden wir nicht mehr davon. Ach gewiß, mein Geliebter -- der -gütige Schöpfer hat auch den Schmerz zu unserem Glück erschaffen. Wir -empfinden nach ihm die Freude um so inniger. -- Und überdies, welches -Herz vermag unausgesetzt Wonne zu ertragen? Es erlahmt, es sinkt dahin -unter ihrer Last.“ - -„Eine richtige Bemerkung,“ entgegnete der Mann mit bitterem Lächeln: -„und darum wurde von der Natur die -- +Abwechslung+ erschaffen.“ - -Sie hatte weder in seine Mienen geblickt noch den Ton seiner Stimme -abgewogen. Sie schien so selig, so zufrieden -- -- in ihrer Brust war -für nichts Anderes Raum. -- - -Sein Blick lief jetzt auf ihre ganze Gestalt umher. Er bemerkte zuerst, -daß Cölestine nicht das gewöhnliche Deshabillé, welches sie sonst -zu Hause trug, und das er so sehr liebte -- sondern ein elegantes -Gesellschaftskleid angezogen habe. - -An diesem Strohhalm hielt er zuerst sich fest. -- - -Er sprach noch über Dies und Jenes, dann leitete er die Unterhaltung -so, daß er unvermerkt die Frage stellen konnte: weßhalb Cölestine -gesellschaftsmäßig gekleidet sei. -- - -„Weßhalb?“ -- wiederholte sie: „Ach, in der That -- wenn ich Dir einen -Grund angeben soll, ich weiß keinen. Es ist dies eins von den neuen -Kleidern, welche ich neulich bestellt habe.... Da ich den ganzen Tag -über nichts Anderes zu thun hatte und um mich von den bösen Gedanken -wegen Deiner Abwesenheit zu befreien, machte ich mir mit meiner -Garderobe zu schaffen: ich zog ein Kleid um’s andere an -- -- und -dachte bei mir: in welchem würde ich ihm wohl, wenn er nach Hause -kommt, am besten gefallen? Da fiel meine Wahl auf dieses da -- und -darum stecke ich noch in demselben -- wiewohl es mir sehr unbequem ist -und mich hindert, Dich tausendmal zu umarmen.“ - -Alexander blieb nach dieser Erklärung stumm und senkte den Blick. -Höllischere Argwohnsflammen hatten aus demselben heute noch nicht -gezüngelt.... Er glaubte seine Frau auf einer Lüge ertappt zu haben --- ihre ganze Rede schien nichts als Widersprüche zu enthalten. Denn -weßhalb hatte sie früher gesagt, daß sie den Tag in Angst und Sorge -zubrachte -- da sie doch jetzt erklärte, sich mit ihren Kleidern -unterhalten und ihrer Eitelkeit gedient zu haben. -- Ferner welche -erbärmliche Unwahrheit lag darin versteckt, daß sie einmal vor -Schwermuth und Verlangen nach seiner Wiederkehr fast vergangen sei -- -und gleich darauf sich die Frage gestellt habe: in welchem Kleide sie -ihm bei seiner Ankunft wohl am besten gefallen möchte? - -Dieser Mann, der hier so vortrefflich philosophirt, glaubte seiner -Geistesgröße nun dadurch die Krone aufzusetzen, daß er sich äußerlich -von dem, was in ihm vorging, nicht das Geringste merken ließ. Von dem -Augenblick, wo er gegen seine Gemahlin einen so wichtigen Beweis, wie -den obigen, in Händen zu haben meinte, war er der Ueberzeugung, die -Rolle, welche er zu spielen angefangen habe, sei vortrefflich gewählt, --- und er werde unter ihrem Beistande dem Dinge nach und nach völlig -auf den Grund kommen. - -Cölestine lud ihn ein, den Abend mit ihr im Garten zuzubringen, und er -willigte sogleich mit der liebevollsten Freundlichkeit ein. Er bot ihr -den Arm -- führte sie zuerst nach ihren Zimmern, wo sie das Salonkleid -mit einem bequemeren vertauschte, dann warf sie einen Shawl um -- und -nun schritten sie Beide hinab in den Garten. -- Sie zog ihn zuerst -zu allen den Plätzen, die durch irgend eine Erinnerung an die erste -Zeit ihrer Liebe geheiligt waren. Da traten sie hinein in die Lauben --- in die Grotten -- da setzten sie sich hin auf die Rasensitze und -Blumenplätze -- -- überall verweilten sie einige Augenblicke -- und als -sie überall gewesen waren, fingen sie den süßen Erinnerungsgang wieder -von Neuem an. - -Ach, wie erfinderisch ist wahre Liebe! Sie weiß in einen gewöhnlichen -Schritt, in einen kurzen Spaziergang Welten voll Seligkeit zu legen.... -Sie weiß auf einer Scholle Erde ein Paradies erblühen zu lassen. - -Das Silberlicht des Mondes ergoß sich über den ganzen Garten und -tauchte jedes Blatt und jedes Steinchen in ein Meer voll stillen -Zauberscheins. Einem entzückten Auge, wie dem ihren, schien die ganze -Welt jetzt eine höhere, eine mehr als irdische zu sein. - -+Ihrem+ Auge? -- Ja dem +ihren+, dem Auge Cölestinens... -nicht dem seinen. Dieses sah nichts. Dieses sah nur eine gewöhnliche, -schlechte, schändliche Welt. -- - -Nach und nach fand er, unter dem Beistand der früheren, neue Gründe, -die ihn in seinem Verdachte bestärkten -- er nahm sie als Beweise gegen -sein Weib hin, wie er die früheren als solche genommen. -- Woher, sagte -er zu sich -- diese Fröhlichkeit, diese lustige, diese muthwillige -Fröhlichkeit? -- Jedenfalls ist es das erste Mal, daß ich Cölestinen -+so+ sehe. Sie war heiter, zufrieden, wonnevoll; aber sie war noch -niemals lustig und ausgelassen..... Und doch und doch! Damals gleich -nach unserer Vermählung, auf dem Balle! -- -- Ah! ah! -- habe ich das -so schnell vergessen? -- Aber jetzt fällt es mir dennoch wieder bei. -Jetzt, jetzt, da ich es am besten brauchen kann. -- -- Und ich Thor -ließ mich zu jener Zeit so schnell beruhigen, ließ mich von ihrer -glatten Zunge beschwatzen. -- Ich Thor! -- Das war damals der Anfang -- -dieses jetzt ist die Fortsetzung. - -„War Niemand zum Besuche da?“ warf er später die Frage hin und erfuhr -nun, daß +Edmund+ mit seinem Freunde dem +Chevalier von -Marsan+ sich hatten anmelden lassen.... sie, Cölestine, jedoch habe -ihren Besuch nicht angenommen und ein Unwohlsein vorgeschützt. -- - -„Und diese zwei Herren gingen fort?“ - -„Allerdings -- -- jedoch soll Edmund sehr ungehalten gewesen sein, -nicht vorgelassen zu werden; nun Du kennst die Weise des Tollkopfes!“ -entgegnete sie. - -„Er wird es nicht allein gewesen sein, der ungehalten war;“ meinte der -Ehemann bei sich: „vielleicht war Edmund nichts weiter, als das Echo -seines Freundes -- -- das Organ, welches der innern Stimme Marsans -Worte lieh.“ Und laut setzte er hinzu: „Diese beiden Herren besuchen -uns in der That sehr fleißig.“ - -„Findest Du das? -- Ich habe daran noch gar nicht gedacht. Ja in der -That, Du hast Recht: sie waren in der letzten Woche mehrmals bei uns.“ - -„Sie waren“ verbesserte er: „+alle Tage+ bei uns.“ - -„Nun ja, gewiß, gewiß. -- Aber was liegt daran? Reden wir von andern -Dingen, mein Freund...“ - -„Und warum nicht von diesen -- meine Freundin?“ - -„Wie? scheinen diese Dir von so großer Wichtigkeit?“ fragte sie und sah -ihn dabei an. - -„Eine solche Frage“ meinte er bei sich: „hätte ich eher an sie stellen -sollen -- -- indeß nicht als Frage -- sondern als -- Anklage. -- O bei -Gott, diese Heuchlerin ist in ihrer Kunst erfahrener als ich glaubte. --- Ach, ach, ein so junges Wesen und doch schon so verderbt! -- Aber -liegt so Etwas nicht im Blute? -- Und ist es von ihr nicht bekannt, ja -von ihrem ganzen Stamme -- daß sie insgesammt leichtsinnige, thörichte, -eitle und gefallsüchtige Menschen sind? -- +Schlecht+ jedoch... -ist nur diese da! Von ihren Verwandten habe ich noch niemals gehört, -daß sie ein böses Herz besäßen.“ - -„Du bist heute ungewöhnlich nachdenklich, Alexander!“ bemerkte -Cölestine und fuhr nach einer Pause, in welcher sie vor sich -hinblickte, fort: „Was fehlt Dir? Rede! Was hast Du, lieber Mann?“ - -„Dies soll“ sagte er wieder zu sich: „das letzte Mal sein, daß ich -ihr von meiner Gemüthsbewegung etwas merken ließ.... Hinfort mag ihr -Blick nicht mehr durch diese äußere Hülle dringen, welche ich glatt, -geschmeidig, lustig und so weltnärrisch als nur möglich machen will. ---“ Und von dem gegenwärtigen Momente an seiner Gestalt, seinen Reden, -seinem Benehmen einen Schein der natürlichen Heiterkeit gebend -- fing -er an mit ihr nur mehr von Liebe und Lust, von Welt und Thorheit zu -sprechen, Tändeleien zu treiben -- -- u. s. w. -- Sie spielten wieder -wie die Kinder, hüpften und tanzten im Garten umher, so daß der alte -Mond gar satirisch d’rein sah. - -Es war, als hätten sie Raum und besonders -- Zeit vergessen... denn -Mitternacht war bereits vorüber; doch - - „die Uhr schlägt keinem Glücklichen!“ - -Endlich ließ Alexander matt und müde sich auf einen Ruhesitz nieder und -zog sie, die Lachende, neben sich: „Was meinst Du,“ sagte er -- „werden -wir hier bis zum Morgen bleiben?“ - -„Ich hätte“ versetzte sie ausgelassen: „große Lust dazu.“ - -„Ich --“ meinte er sehr aufrichtig -- „nicht!“ - -„Und weßhalb nicht?“ - -„Weil -- -- -- wie Du weißt, ich mich leicht erkälte.“ - -„Aufrichtig, mein Freund, davon hast Du mir bisher noch nichts gesagt.“ - -„Wozu sollte ich Dich mit dergleichen belästigen. Kommen diese Dinge -heran, so ist es noch immer Zeit genug, sie beim Namen zu nennen.“ - -„Nun ja; dann aber will ich Dich auch keinen Augenblick länger der -Nachtluft ausgesetzt sehen -- Alexander. -- Komm, komm -- laß uns -hinauf gehen. Da, nimm meinen Shawl.“ - -„Warum nicht gar! Ich würde darin schön aussehen.“ - -„Wer sieht es denn? -- Es ist ja pechfinster. Nun denn, sei nicht eitel --- und folge meinem Rathe.... siehst Du, so will ich Dich einhüllen -- -so --“ Sie war im Begriffe, ihm den Shawl um den Hals zu wickeln; er -ließ es jedoch nicht geschehen... - -„Behalte, was Du mitgebracht hast, für Dich; Du bist dessen eben so -bedürftig wie ich.... und lass’ uns lieber die Schritte beschleunigen, -so werde ich nichts zu fürchten haben.“ Er hüllte nun sie in den Shawl -ein, gab ihr den Arm, zog sie dicht an sich, und eilte mit ihr raschen -Schrittes aus dem Garten in ihre Wohnung. - -Sie langten im Schlafzimmer an, wo eine große Kugellampe ihren -milchweißen Schein auf alle Gegenstände warf. Als der Graf diese -Zeugen ihrer ersten beiderseitigen Zärtlichkeit, ihres ersten -Liebesschwures, den er ihr, den sie ihm feierlicher leistete, als dies -am Altare geschehen war, gewahrte -- als sein Blick auf die Stätte -fiel, wo sich ihre Arme so heiß, so brünstig, so selig in einander -verschlungen hatten... da konnte er einen leisen Schauer, der seine -Glieder schmerzlich und wild durchzog, -- nicht unterdrücken. -- Aber -seine Selbstbeherrschung kehrte rasch zurück und er erwiederte auf die -Frage, welche sie mit süßgeschämiger Stimme und begleitet vom feuchten -Liebesblick, ihm zulispelte: „Du wirst mich nicht verlassen, mein -Geliebter?“ - -„Nein, ich bleibe bei Dir, meine holde Seele.“ Er sprach es mit dem -Tone glückseliger Uebereinstimmung aus. - -Ach, wie viel hatten sie sich jetzt noch zu sagen, zu erzählen.... -Die Liebe, die Leidenschaft ist nicht stumm, wie man glaubt -- sie -ist beredsam und phantasievoll wie ein Dichter. Jene einsilbige Liebe -gehört den Kindern und den schüchternen Jungfrauen an. - -Eine glühende Stunde war vergangen. - -„Wirst Du mich immer so lieben?“ fragte das beglückte Weib. - -„Immer, ewig; und Du?“ flüsterte er. - -Hierauf konnte sie nur mit einem Kusse, der ihre Seele in seine Brust -hinüberzuhauchen schien, antworten.... - -„Und -- --“ sagte sie mit vor Angst zitternder Stimme: „hast Du nie -einer Andern so angehört wie mir? Rede mir Wahrheit, Alexander!“ - -„Nie! niemals!“ Er konnte dieses mit gutem Gewissen sagen. - -„Niemals --?-- auch vor Jahren, vor vielen Jahren nicht?“ - -„Nein, nein. Aber wozu diese Fragen?“ - -„Weil -- -- ich zu glücklich in Deinem Besitze bin, und ihn keiner -Andern, wäre es selbst jene Todte -- Du weißt, welche ich meine -- -vergönne. O -- ich bin eifersüchtiger als Du wähnst!... Ich könnte es -nicht ertragen, Dich mit einer Zweiten getheilt zu haben, zu theilen -- -oder -- --“ - -„Oder?“ nahm sie wieder das Wort: -- „Es gibt hier kein Oder. -- Denn -der Zukunft wirst Du mich doch hoffentlich nicht berauben, wenn Du -mich auch willenlos um die Vergangenheit oder selbst um die Gegenwart -betrogen hättest. Nicht wahr -- -- Du wirst mich nicht unglücklich, -nicht elend, nicht verzweifeln machen, mein Mann?“ - -„O nein, nein!“ rief er mit leidenschaftlichem Feuer aus, das sich in -seinem ganzen Wesen verbreitet zu haben schien. - -„Herz meines Herzens! Seele meiner Seele! --“ lispelte sie, sich -innigst an ihn schmiegend --: „O!“ seufzte sie: „möchte ich doch mein -ganzes Leben in diese holdselige Stunde bergen -- oder möchte ich -dieselbe zur Dauer meines ganzen Lebens ausdehnen können. -- Niemals, -niemals noch war ich so glücklich!“ - - - - -Zwölftes Kapitel. - -Die Beweise der Untreue. - - -Die Nacht mit ihren dunkelsten Fittigen umfing die Schläfer und ließ -sie ein kurzes Vergessen ihres Daseins finden. Bald aber erschienen die -Genien der Träume und flatterten mit kleinen Spiegelchen, in denen sich -irgend ein Stück aus dem Leben der Schläfer abconterfeite, (oft sehr -verworren und verkehrt) um deren Häupter herum. - -Cölestine träumte von ihrer Liebe -- ihr Mann von seinem Schmerze. Da -fand er Alles wieder, wie er es gestern liegen gelassen: da war wieder -der fremde Kopf -- da dröhnte dessen unheimliche Ermahnung -- da der -Wald mit Schlangen und Salamandern -- dort Cölestine an ihrer Toilette --- -- und hinter ihr, hinter ihr lauschte ein junger, schlanker, -feiner Mann, dessen Antlitz man jedoch nicht sehen konnte... - -Mit schwerem Kopfe und noch schwererem Herzen erhob Alexander sich vom -Lager, während seine Gattin noch schlief: - -„Diesen ruhigen, festen, tiefen Schlummer“ sprach er, sie anblickend, -„hat nur ein reines Gewissen -- -- oder ein gänzlich verderbtes...“ - -Dann trat er leise vom Lager weg und blickte überall umher im Gemache, -welches er jetzt sich vornahm zu durchsuchen...: „Ich werde“ sprach er -vor sich hin -- „ohne Zweifel auf Etwas stoßen, was mir Aufschluß geben -oder mindestens als Faden in dem Labyrinthe dienen wird, worein ich -gerathen bin.“ - -Ein Dieb hätte es ihm nicht so geschickt nachthun können. Es schien, -als wären seine Füße, als wäre sein Körper nicht von Fleisch und Blut: -so leise, so luftig, so schattenhaft strich er in diesem Gemache -umher. Er öffnete zuerst einige Kästchen und einen Schrank;.. hier -fand er nichts als Dinge, die dahin gehören und mit denen man jedes -Schlafgemach ausstattet. - -Er schritt sodann zu einem Tische und zog dessen Schubladen heraus. -Er fand nichts. -- Er hob den Deckel ab -- auch hier nichts; -- er -untersuchte die Winkel, Ritzen, ja selbst die Unterlage der Füße, wie -er es früher bei dem Schranke gethan: nichts, nichts! -- - -Jetzt trat er zu einem Repositorium, auf welchem einige Bücher standen. -Zuerst prüfte er das Gestell, sodann bespionirte er die Bücher, Blatt -für Blatt.... - -Halt! hier fand er Etwas: einen Zettel mit den Zahlen: 58 -- 21 -- -333 -- und 578 -- --. Was war das? Sicherlich eine Chiffersprache. -- -Konnte es aber nichts Anderes sein? -- Und was hätte es sein sollen? -- -Mit der Lotterie machte seine Gemahlin sich niemals etwas zu thun... -Also steckte hinter diesen Zahlen gewiß irgend ein verborgener Sinn, -von dem man nicht haben wollte, daß er einem Andern bekannt werde. -- - -Mit zitternden Fingern ergriff der Mann das Papier, faltete es und -steckte es zu sich.... dann fuhr er mit seiner Nachsuchung fort. - -Unter dem Repositorium lag eine halbverwelkte Hortensie. Woher kam -diese? Sie mußte erst gestern gepflückt worden sein -- -- aber gestern -war ja Cölestine nicht im Garten gewesen, sie hatte sich mit ihrer -Garderobe unterhalten. Freilich konnte sie sich eine Hortensie durch -den Bedienten haben +holen+ lassen, denn in ihrem Garten gab es -deren.... Aber das schien nicht wahrscheinlich, denn Cölestine pflegte -sonst diese Blume nicht zu lieben.... Wie, wenn es ein Geschenk jenes -eitel-glänzenden jungen Mannes wäre -- dessen sprechendes Bild diese -reizende aber duftlose Blume war? Unwillkührlich mochte das Schicksal -sie ihm in die Hand gespielt haben -- denn das Schicksal liebt solche -Ironien. -- Indeß... so weit konnte die Vertraulichkeit der Beiden -doch noch nicht reichen?! -- -- Ach, wer wird dies entscheiden wollen! -Alles war möglich und das Schlimmste um so eher! -- -- Wie schön -reimte sich Folgendes zu einander: Cölestine hatte gestern die Blume -empfangen, (vielleicht ließ der Chevalier sie zufällig fallen) -- sie -legte dieselbe an ihr Herz -- ganz dicht an’s Herz -- und dort blieb -die Hortensie bis zum Augenblicke des Schlafengehens, wo sie unter die -Bücher fiel. -- - -Er steckte auch sie zu sich. - -Jetzt gab es in diesem Gemache nichts mehr zu untersuchen und -unser Mann ging hinaus, um sein Geschäft in den andern Gemächern -fortzusetzen... Da stand zuerst das Boudoir. -- Ach hier in den tausend -Fächern, Büchsen, Dosen -- Schatullen und Kästchen -- hinter diesen -tausend Decken, Vorhängen, Falten und Draperien -- -- unter diesen -Kissen, Pölstern, Teppichen -- was konnte da nicht Alles versteckt -werden? Alexander verzweifelte fast an dem Erfolge einer Untersuchung, -die er hier anstellen sollte.... Er wußte nicht, wo er anzufangen -habe.... Doch die Eifersucht weiß sich immer Rath zu schaffen; auch -ermüdet sie niemals. - -Er hatte über eine halbe Stunde gearbeitet. Die Ausbeute davon bestand -in einigen Ringen ohne großen Werth, von denen er jedoch bisher nichts -gewußt -- -- dann in einer Locke von hellbraunem Haar, besonders -sorgfältig in ein kleines Medaillon gelegt, welches man auf dem Herzen -tragen kann... die Locke konnte wohl von Edmund sein -- aber sie -konnte auch einem Andern gehören. -- Ferner: zwei Briefe folgenden -Inhalts: - -„Ich habe sehr angelegentlich mit Dir zu sprechen und muß es noch -heute. Bestimme der Ueberbringerin eine Stunde.“ - -Kein Datum, keine Unterschrift. - -Das war sehr verdächtig; denn welcher ehrliche Mensch unterschreibt -heutzutage ein Billet nicht? -- Es war freilich möglich, daß die Eile -und der Umstand, daß Cölestine die Schriftzüge kannte, dies unnöthig -gemacht habe, und unter diesen Verhältnissen konnte das Schreiben -ebenfalls von Edmund sein.... Allein wer verbürgt diese Alternative? -- - -Der andere Brief war länger und wo möglich noch verrätherischer. Er -lautete: - -„Seit Deiner Verheirathung -- lebst Du für mich nicht mehr, meine -geliebte Cölestine.... und doch ist es nicht denkbar, daß dieser Mann -allein Dein Herz ausfüllen könnte. Hast Du meiner denn ganz und gar -vergessen? -- So wisse, daß meine Seele fester als je an Dir hängt! -Ach würde uns nicht das mächtigste Band unzertrennlich mit einander -verknüpfen, wo Du auch sein magst, wo ich auch weilen möge: wahrlich, -ich würde glauben, gänzlich aus Deinem Gedächtnisse ausgelöscht zu -sein. Doch so ist dies nicht möglich! -- Magst Du es wollen oder nicht --- wir gehören uns für immerdar an. Darin liegt mein süßer Trost. Leb’ -wohl -- ich werde Dich morgen küssen! --“ - -Auch keine Unterschrift; doch schien sie hier wie +zufällig -weggerissen+ zu sein. - -Von wem war dieser verliebte, eifersüchtige Brief? -- Es war nicht -schwer zu errathen. -- Von einem älteren Liebhaber, der seine Ansprüche -noch nicht aufgab. -- -- Diese Züge hatten so viele Aehnlichkeit mit -einer Hand, welche Alexander schon irgendwo ein Mal gesehen! Aber wo? --- Auch sie schienen sehr eilig hingeworfen.... Eben darum aber konnte -man nichts mit Bestimmtheit annehmen.... - -Der unglückliche Gatte glaubte nun einen +Beweis+ in Händen zu -haben, einen Beweis, der weder zu deuten noch umzustürzen war.... Er -suchte sich mit einer Art wollüstigen Wahnsinnes darin zu bestärken, -daß hier nicht mehr gezweifelt werden könne -- ja mit demselben -wollustvollen Wahnsinn sträubte er sich sogar gegen jede fremde -Auslegung, gegen jede genauere Untersuchung... Er fürchtete sein -Unglück zu schmälern! -- - -Denn so ist der Mensch im Leiden. Ein riesiges, ein außerordentliches -Weh erscheint ihm willkommener, als jene tausend kleinen Schmerzen und -Unannehmlichkeiten des gewöhnlichen Lebens.... Es ist als ob im Kampfe -mit dem Ersteren ein göttlicher Theil unserer Natur, der sonst schläft, -erwachte, als ob ein höheres Bewußtsein in uns erstände, das uns unser -schweres Unglück tragen hilft -- während wir hier allein unter der Last -des Tages keuchen und niedersinken. - -Aus dem Boudoir begab er sich in das Arbeitszimmer seiner Frau. Welche -Ausbeute hoffte er wieder hier nicht zu finden! -- Mit lautem Lachen, -welches ein Fremder für den Ausbruch heiteren Frohsinns genommen hätte, --- vergrub er sich hinter allen Möbeln, in allen Cartons, Körbchen --- er stürzte Tische, Stühle um -- zerlegte ganze Schränke.... Ach -was fand er da nicht Alles! Ihm erschien jetzt, so weit war es mit -ihm schon gekommen -- eine Stickerei, die für einen Mann paßte, ein -buntes Tuch -- ja ein Faden Seide zureichend.... um daran die möglichst -bösartigen Auslegungen zu knüpfen. O wie jubelte er über seinen neuen -Fund -- wie packte er ihn sorgfältig zu seinem übrigen Krame! -- - -Jetzt betrat er einige Nebengemächer -- -- in einem fand er ein leeres -Stück Papier, welches wie ein Briefumschlag gefaltet war, jedoch ohne -auch nur einen Buchstaben, ohne ein Stückchen von einem Siegel zu -enthalten. Was schadet das? -- sagte er zu sich. Man hat schon Briefe -unter solchen Couverts abgesendet -- -- und überdies scheint dieses an -der Stelle, wo sonst das Siegel aufgedrückt wird, durchstochen; ein -Beweis, daß der Brief mit einer Stecknadel zusammengeheftet war. -- -Haha! Eine sehr beliebte Art bei Frauen... - -Ferner noch zwei wichtige Indicien! -- Im Gesellschaftssalon war auf -einem Teppich -- die Spur eines männlichen Fußes abgedrückt -- und -wiewohl sie eben so gut einem Bedienten, der herbeigerufen wurde, wie -jedem andern Manne gehören konnte -- schloß unser Gatte dennoch: - -„Sie gehört einem Liebhaber!“ - -Nahe am Fenster auf einem Stuhl lag ein Lorgnon seiner Frau. Was sollte -hieraus sonst gefolgert werden, als: „sie sah durch das Fenster auf die -Straße -- nach ihm -- nach dem Liebhaber....?“ - -Mein Gott, dieser Graf hätte heute einem Tollhäusler zum Muster dienen -können. Der albernste Einfall erschien ihm als die reinste Vernunft. Er -mochte wohl recht stolz sein auf seine geistvollen Einfälle! - -Um die Zeit, da Cölestine das Schlafgemach zu verlassen pflegte, war -er mit seiner Entdeckungsreise zu Ende. -- Er hörte jetzt ihre Tritte, -die sich dem Zimmer, in welchem er, um auszuruhen, sich niedergelassen -hatte, sich näherten -- und bald darauf trat sie ein. Alexander -empfing sie mit einer Liebenswürdigkeit, welche meisterhaft gespielt -sein sollte. Sie war es vielleicht auch -- Cölestine jedoch nahm sie -für Wahrheit -- denn was sollte sie sonst -- nach einer Nacht, wie -die vergangene? -- Das süße Weib fiel diesem Menschen, welcher einer -kalten schönbemalten Bildsäule glich, mit ihren noch von Liebe heißen -Armen um den Hals -- stumm, wortlos, stillbeglückt... Er seinerseits -brach dies Schweigen auch nicht -- und so war es zuletzt an ihr, ihm -die ersten Tagesgrüße zuzurufen: „Theurer Mann!“ sagte sie und sah ihn -mit Blicken an, aus welchen Himmel strahlten: „Theurer, einziger Mann --- wie lieb’ ich Dich! -- So bist Du heute wieder mein, wie Du gestern -es gewesen! -- ja Du bist mein, ich fasse Dich, ich halte Dich in den -Armen -- -- ewig, ewig werden sie Dich als ihr süßestes Eigenthum -umklammern. -- Allein, sprich -- was hast Du schon Alles verrichtet?.. -warum mich so früh verlassen? -- Ach, ich Schläferin.... und ich fühlte -Dich im Traume immer an meiner Seite! -- Da schlug ich die Augen auf: --- da griff ich mit der Hand nach Dir -- da fühlte ich eine leere, -kalte Stelle... und der holde Traum war entflohen... Ach warum hast -Du mir das gethan? Welcher Seligkeit hast Du mich beraubt! Welches -Verlangen brannte beim Erwachen in mir, an Deine Brust zu sinken!.... -Vergebens! vergebens! -- -- Da sprang ich auf, entfloh der treulosen -Stätte, die mich um mein schönstes Glück gebracht -- -- ich lief Dir -nach -- und so kam ich hierher... wo ich Glückliche Dich endlich wieder -finde. --“ - -Er gab sich ihren Liebkosungen bereitwillig hin -- ja er erwiederte -dieselben zärtlich und warm; das arme Weib schien sich in Lust zu -berauschen -- sie vergoß eine Fluth entzückter Thränen -- ihr weißer -Busen wogte heftig, voll süßen Schmerzes -- voll wehmuthsvoller -Zärtlichkeit. - -„Und nicht wahr,“ begann sie sich zu sammeln und trocknete mit ihrem -Battisttuche, woran breite Spitzen hingen, die feuchten Augen, -- -„nicht wahr, mein Alexander, Du bleibst heute bei mir? Diesen Tag -verlässest Du mich nicht? Du schenkst ihn ganz Deinem Weibe -- Deiner -Liebe. -- Hast Du ihn mir doch gestern vom frühen Morgen zum späten -Abend entzogen!... Nun, rede doch, mein geliebter Mann. Rede! Sprich: -Ja! Hörst Du, Alexander!“ - -„Theure Cölestine --“ antwortete er mit bebender Stimme und einem -sonderbaren Blick, mit welchem er sie seit langer Zeit verstohlen -anblickte, dieser Blick aber schien jetzt von Trauer umflort: -- -„Cölestine,“ wiederholte er: „ich weiß nicht, ob es bei mir steht, -Deinen Wunsch zu erfüllen.... Du kennst die Verantwortung nicht, welche -ich dadurch vor meinen Obern auf mich nehme....“ - -Er schwieg, er vermochte nicht weiter zu reden. Die Wahrheit ist, daß -zum ersten Male seit vier und zwanzig Stunden ein guter Engel ihm -durch den Mund Cölestinens etwas zugeflüstert hatte, was sein Herz -erschütterte. Er hatte, als er heute in ihr reines, spiegelklares Auge -sah -- als er es so treu lächeln und weinen sah, wie nur Engel lächeln -und weinen -- als er ihre Worte so voll süßen Klanges, voll Liebe und -Wahrheit vernahm -- endlich als er diese so seligen Umarmungen -- -diesen so beflügelten Schlag ihres Herzens -- diese trunkenen Küsse -fühlte: er hatte sich da gefragt: ist es möglich, daß dies Alles -Verstellung sei? -- Und er hatte sich hierauf keine Antwort geben -können. -- - -Aber die Beweise, die Zeugnisse vom Gegentheil, die er in Händen hielt? --- - -Er befand sich in einer entsetzlichen Lage. Sein Herz fing an unter -dem Andringen entgegengesetzter Gewalten zu seufzen. Es war jetzt ein -Moment, wo er wünschte, daß dies Herz verbluten möchte.... - -Da fiel ihm der Gedanke ein, die Hortensie aus seiner Tasche zu ziehen -und sie Cölestinen zu zeigen: „Kennst Du diese Blume?“ rief er mit -einem Tone, als fragte ein Verurtheilter: „Werde ich hingerichtet?“ - -O Himmel! Eine Purpurröthe überzog plötzlich ihr Gesicht, das sich -zitternd senkte. - -„Sie ist schuldig!“ sprach eine Donnerstimme in seiner Brust -- diese -drohte zu zerreißen -- er fiel fast ohnmächtig um. - -Doch sein Stolz ließ ihn sich schon in den nächsten Augenblicken wieder -emporreißen und von jetzt an ward er fest und hart wie Granit. Sie, die -noch immer gesenkten Blickes vor ihm stand -- wußte nicht, was mit ihm -vorging, und erst nachdem er, der jetzt wieder ruhig lächelte wie zuvor --- mit seinen eigenen Händen ihr Haupt aufgerichtet hatte -- wagte sie -es, ihm in’s Gesicht zu sehen -- und sie erblickte einen vollkommen -gefaßten Mann, der mit liebreicher Stimme zu ihr sprach: - -„Nun, meine süße Taube, was ist mit Dir geschehen? Warum diese -Ueberraschung? Was lag in meiner Frage wegen jener Blume, die jetzt -hier auf dem Boden zu unseren Füßen liegt -- so Sonderbares? Du -schienst erschreckt -- hätte ich dies voraussehen können, ich würde die -Frage nicht gestellt haben.“ - -Eine Pause entstand. - -„Du antwortest nicht?“ fuhr er fort: „Du hast mir nichts zu sagen. Ei, -es ist so auch gut! Was liegt an der ganzen thörichten Blume? Reden wir -nicht mehr von ihr.“ - -„Ja, reden wir nicht mehr davon!“ wiederholte sie, abermals leicht -erröthend: „Es ist eine Thorheit, eine Schwäche -- was Du sonst -willst... Reden wir also nicht davon, geliebter Mann.“ - -„Gehen wir“ begann er mit einem lustigen Tone: „zu wichtigeren Dingen -über: _A propos_, was unsere Soirées, unsere _jours fix_ -betrifft, hast Du deshalb schon einen bestimmten Entschluß gefaßt? Wir -müssen uns darüber endlich doch mit der Gesellschaft verständigen; sie -ist über unsere Zögerung sehr ungehalten, wie ich vernommen habe. -- -Also an welchem Tage öffnest Du Deinen Salon den Leuten von gutem Ton?“ - -„Ach, mein Freund“ sagte sie bittend: „reden wir jetzt nicht von diesen -Dingen. Scheinen sie Dir denn wirklich so wichtig? -- Wie kommt das -so plötzlich? -- Du warst sonst eher ein Feind Alles dessen, was sich -hindernd zwischen unsere Liebe stellte. --“ - -„Ich habe jedoch einsehen gelernt, daß ich in einer solchen Gesinnung -nicht verbleiben kann. Man hat nicht allein gegen sich, man hat auch -gegen die Welt Pflichten zu erfüllen... Und was die letztere betrifft, -so gibt sie ihre Ansprüche an uns ebenfalls nicht auf. --“ - -„Allerdings, und wir wollen ihr auch ihr Recht nicht vorenthalten ---.... aber nur heute, nur an diesem Tage, wo ich allein und ganz in -Deinem Besitze leben und alles Andere vergessen möchte -- nur heute -kein Wort mehr.“ - -„Ach Du, mein Närrchen,“ lachte er -- „wie bist Du mit einemmale so -kindisch und schwärmerisch geworden -- schwärmerischer als in den -ersten Tagen unserer Liebe --! --“ - -Das rauhe Wort hatte Cölestine verletzt. Ueber ihr freundliches -Angesicht zog eine trübe Wolke -- und eine von den Thränen, die kaum -erst versiegt waren -- perlte wieder an ihrer Wimper: „Du hast Recht!“ -sprach sie nach einer Weile eintönig, aber sanft: „Was Du verlangst, -soll geschehen. Ich achte Deine Wünsche, so wie Du sie bisher bei mir -geachtet hast. -- Noch heute will ich in Betreff unserer Gesellschaften -einen bestimmten Plan entwerfen und ihn Dir vorlegen.“ - -„Warum aber kann das nicht sofort geschehen? Es ist besser, man thut -ein solches Geschäft rasch ab -- und da ich über diesen Gegenstand -schon selber nachgedacht habe, so will ich Dir ohne Aufschub meine -Ansichten mittheilen. --“ - -„Ich höre Dich!“ - -„Zuerst also ist meine Meinung, daß wir -- wie schon einmal berührt -worden -- den +Sonnabend+ zu unserem _jour fix_ wählen; -an diesem Tage wären dann Deine Salons für die ganze Gesellschaft -offen...“ - -„Wohl, mein Freund.“ - -„Du empfängst alle Welt: Freunde, Bekannte und durch sie eingeführte -Fremde. -- --“ - -Der Bediente trat mit der Meldung ein, daß das Frühstück servirt sei. - -„Wir wollen es hier einnehmen -- in diesem Gemache, wenn Du damit -zufrieden bist...“ bedeutete Alexander gegen seine Gemahlin. - -„Wie es Dir gefällt, mein Freund,“ entgegnete sie, und während man -fortging, um das Nöthige herbeizuschaffen, fuhr er in seinem Gespräche -fort: - -„Es ist einer meiner Lieblingsgedanken, unsern größern Cirkel so -glänzend und zahlreich als möglich zu machen und deßhalb möchte -ich Dir vorschlagen -- besonders die ausgezeichneteren Fremden -herbeizuziehen... Personen, wie z. B. die so eben in der Residenz -anwesenden Grafen Orlowosky aus Petersburg -- die Vicomtesse Defour, -die aus den Bädern von Ems hierher zurückkehrte -- die Laval’s, die Du -Quintin’s, die jungen Lord Walpole -- und Aehnliche.... Ach, beinahe -hätte ich den Wichtigsten vergessen: den +Chevalier de Marsan+!“ - -Bei Nennung dieses Namens heftete er seinen Blick mit zersetzender -Schärfe auf Cölestine .... sie, welche diesem Blicke begegnete, -entsetzte sich vor demselben dermaßen, daß sie zurückfuhr wie von einem -Schlage getroffen und ein heftiges Zittern sich über ihren ganzen -Körper verbreitete: - -„Die Schändliche! Sie sieht sich entdeckt!“ rief es in seinem Innern -und laut fragte er im Tone der Ueberraschung: „Aber was ist Dir -geschehen?.. Was hast Du, Cölestine?“ - -„Dein Blick --“ erwiederte sie -- „hat mich erschreckt.“ - -„Mein Blick --?“ - -„Noch nie sah ich Dich so --“ - -„Eine Einbildung von Deiner Seite -- ein Zufall -- eine Kleinigkeit von -der meinen; die Nachwirkung vom gestrigen Unwohlsein...“ - -Inzwischen ward das Frühstück hereingebracht; der Graf verabschiedete -mit einem Winke die Dienerschaft und führte seine Gemahlin zum Tische --- welcher vor einem Divan stand, worauf jetzt Beide Platz nahmen.... - -Er langte wacker zu -- er hatte freilich auch gestern den ganzen Tag -nicht gegessen; indeß auch ohne diesen Zufall hätte er sich zum Essen -+gezwungen+; es gehörte zu seiner Rolle. Sie jedoch berührte -nichts und dies -- dies schien er gar nicht zu bemerken. -- - -„Kannst Du, meine Freundin, mir nicht sagen,“ fing er wieder an -- „ob -wir den Chevalier noch lange in unserer Stadt behalten werden?“ - -„Welchen Chevalier?“ - -„-- Den Chevalier de Marsan. -- Allein was macht Dich fortwährend so -nachdenklich -- -- mein Kind?“ - -„Du sprichst von Herrn von Marsan?“ sagte sie zerstreut -- „ich kann -Dir über diesen Herrn keine Auskunft geben.“ - -„In der That -- er ist einer der glänzendsten Kavaliere...“ - -„Gewiß!“ versetzte sie, wahrscheinlich an etwas ganz Anderes denkend. - -„Und -- einer der interessantesten Charaktere.“ - -„Ohne Zweifel.“ - -„Der schönste Mann, den ich je gesehen.“ - -„Ein reizender Mann!“ bestätigte sie arglos. - -Der Graf sprang nun plötzlich von diesem Gegenstande ab und erkundigte -sich nach den Eltern Cölestinens. - -„Ach!“ sagte sie wehmüthig bewegt: „Du erinnerst mich an meine guten -Eltern. Ich bin eine schlechte Tochter. -- Seit mehreren Tagen habe ich -an die lieben Ehrwürdigen nicht gedacht. -- Ich dachte nur an -- Dich!“ - -„Wirklich?“ lachte eine Hölle in seiner Seele. - -„Du theures, theures, geliebtes Weib!“ sprach er gegen sie gewendet mit -zärtlichem Tone und umfing mit seinen Armen ihren Leib -- zog sie an -sich heran -- und berührte mit seinen fieberischen Lippen die ihrigen. - -„Dein Mund brennt wie Feuer!“ rief sie. - -„Aus Liebe!“ - -„Dein Hauch ist so glühend -- so heftig. --“ - -„Die Leidenschaft in meinem Herzen ist es auch!“ rief er und schloß das -Weib mit einer Gewalt in seine Arme, die derjenigen glich, da er sie -noch so heiß liebte. -- -- Ach, die Arme ließ sich bethören... ihr Herz -schlug und glaubte... es glaubte ihm auch jetzt.... Sie hatte in diesem -Augenblick ein so großes Bedürfniß, von ihm geliebt zu werden -- und -er wußte sich so meisterhaft zu verstellen.. -- - -So ward denn dieses Frühstück, welches traurig genug anfing, für sie -noch zum Freudenmahle. Sie aß wieder, sie trank wieder -- -- -- denn -seine Küsse, seine Betheurungen, seine Zärtlichkeit hatten sie besiegt, -genesen gemacht. - -In Wahrheit, es war ihr leicht beweglicher Sinn, ihr, lebhafter -Eindrücke fähiges, und eher zur Lust als zur Trauer geneigtes Gemüth, -das ihm hier so trefflich zu statten kam und seine Eroberung in kurzer -Zeit vollenden half... Wäre ihre Natur der seinigen ähnlich gewesen, -hätte das Resultat leicht ein entgegengesetztes werden dürfen. - -Ueberzeugt und sicher gemacht -- entfaltete ihre Natur sich nun wieder -rasch in allen jenen eigenthümlichen Formen, die wir von und an ihr -kennen und vielleicht auch lieben gelernt haben. Sie war wieder das -jugendliche, holde, heitere, fröhliche, tändelnde, eitle und doch so -liebenswürdige Wesen, welches die Männer bezauberte und die Frauen -erfreute... sie war wieder jene Cölestine, die wir als so glücklich und -froh kennen gelernt haben. -- - -Was ihren Gatten betrifft, so erfüllte er ihren Wunsch und blieb heute -den ganzen Tag über bei ihr. Er schien durch sein Betragen Alles wieder -gut zu machen -- und sie sagte zu sich im Stillen: - -„Ach -- der Arme! Es war eine kurze Rückkehr seiner alten bösen -Krankheit.... Diese Schwermuth, diese Hypochondrie machte ihn nicht -minder unglücklich als mich.... Man muß Nachsicht mit ihm haben. -- --- Jetzt aber ist Alles vorbei; er ist wieder mein guter, treuer, -geliebter Alexander, und ich -- ich bin die seligste der Frauen. --“ - - - - -Dreizehntes Kapitel. - -Neue Proben -- neue Beweise. - - -Es war heute Sonnabend. -- Mehrere Reihen Equipagen standen bereits -draußen vor dem Palaste des Grafen A--x aufgefahren. Die Lakaien in -ihren bunten, abstechenden, oft verschwenderisch mit Gold und Silber -beladenen Livréen tummelten sich dazwischen und im Thorwege, während -das gravitätische Volk der Kutscher auf ihren Wagensitzen voll -ernster Unbeweglichkeit thronte und sich gegenseitig die Vorzüge und -Eigenschaften ihrer Pferde erörterte, was diese klugen Geschöpfe auch -recht gut zu verstehen schienen und wobei sie durch Wiehern, durch -Prusten, Stampfen und allerhand Bewegungen (in deren geheimnißvolle -Bedeutungen wir noch nicht völlig eingedrungen sind) ihre Freude, -ihren Stolz, ihren Unwillen zu erkennen gaben -- denn bekanntlich -herrscht zwischen Pferd und Kutscher oder Reiter ein Verständniß, eine -Sympathie... - -Drinnen im Hause, in den Salons der Gräfin tummelte sich heute eine -reiche prunkende und zahlreiche Welt. Nur Gott weiß es, wie sein -Himmel alle diese Menschen so auf ein Mal herabgeschneit hatte; denn -mehr als die Hälfte unter ihnen waren für unsere holde Hausfrau, wie -man sich ausdrückt, „+wildfremd+.“ -- Indeß mangelte es ihnen -nicht an jenen Eigenschaften und Bedingnissen, vermöge deren selbst -ein „wildfremder“ Mensch in guter Gesellschaft das Recht erhält, sich -sofort wie einer ihrer ältesten Bekannten zu geriren. Das heißt: alle -diese Leute waren eingeführt und jetzt theils der Gräfin, theils ihrem -Manne vorgestellt worden. -- Die beiden Ehegatten schienen heute -unvergleichlich liebenswürdig; das sagte die ganze Versammlung -- und -wir können hinzusetzen: über Cölestine täuschte sie sich nicht. Was -ihren Gatten betrifft, so ist dies freilich eine andere Sache. -- - -Zum ersten Male nach so langer Zeit hatte die junge Frau wieder die -Freude, ihre Eltern bei sich zu sehen; sie umarmte die gute Mutter mit -Thränen in den Augen. General von Randow scherzte, wie gewöhnlich, ihr -gleich den Willkomm weg und küßte ihr die Worte von den Lippen, so daß -sie ihm weiter nichts sagen konnte als: „Mein liebes gutes Väterchen ---!“ worauf er in seiner Weise „Schon gut! schon gut!“ entgegnete. -- - -Mit dem General war auch die Gräfin Wollheim und die Wittwe -des Generals E--x angekommen.... Graf Wollheim hatte sich von -diesen Personen noch in der Wohnung des Generals Randow getrennt, -unaufschiebbare Geschäfte vorschützend, welche von der Art waren, die -wir schon kennen. -- In der That war der Graf auch nur deßwegen in das -Randow’sche Haus gekommen, weil er gehofft hatte -- seines Sehnens Ziel -endlich zu erreichen, nämlich den Freund Edmund, welchen er bereits -seit 6 ewiglangen Wochen nicht zu Gesicht, d. h. nicht vor das Glas -bekommen; ein Umstand, wegen dessen der alte Bär zu verschiedenen -Malen die bittersten Zähren vergossen. -- - -General Randow unterhielt sich später mit seiner Tochter; hierüber -schienen einige von den Anwesenden äußerst ungehalten, indem, ihrer -Meinung nach, dies sehr wenig Artigkeit gegen die übrigen Gäste bewies, -von denen fünf oder sechs, die so eben eingetreten waren, vorgestellt -zu werden wünschten. - -„Finden Sie nicht,“ lispelte eine alte Dame einer jungen zu: „daß in -diesem neuen Hause auch ein ganz neuer Ton herrscht?..“ - -„Gewiß, meine Freundin -- ein sehr neuer; er ist äußerst interessant, -und ich muß mir in meinem Tagebuche eine eigene Notiz machen. --- Erlauben Sie es wohl?“ Hiermit nahm die Jüngere ein dünnes -Maroquinbändchen heraus und fing an zu schreiben... - -„Ach, Sie tragen Ihr Tagebuch bei sich, meine Beste?“ - -„Immer. Sie wissen doch, mein Gedächtniß zwingt mich zu dieser -Vorsichtsmaßregel! O ich habe ein schrecklich schwaches Gedächtniß...“ - -„Ich weiß, ich weiß...“ - -„Apropos -- Sie erinnern sich wohl noch jenes hübschen jungen Mannes, -der vor beiläufig einem halben Jahre hier anwesend war... ich meine den -Herrn von Ingelstein, **schen Gesandtschafts-Sekretär?“ - -„Ganz recht, ganz recht!... O wie sollt’ ich nicht? -- Nun, was ist mit -ihm geschehen?“ - -„Dieser Herr, wie Sie wissen werden, hatte damals die Absicht, dem -Fräulein von Randow den Hof zu machen....“ - -„Richtig, richtig --“ - -„Wurde jedoch -- wie Sie ebenfalls wissen müssen -- von ihr sehr -gleichgültig behandelt --“ - -„Sehr wahr, sehr wahr. Und -- nun --“ - -„Er reis’te demzufolge plötzlich ab.... es war, wenn ich nicht irre, am -11ten Februar -- einem sehr häßlichen, frostigen Tage....“ - -„Dieses Umstandes erinnere ich mich nicht mehr --“ - -„Ja, ja, ich weiß es noch wie heute: es schneite, hagelte -- es -glatteis’te --“ - -„So -- so --“ - -„Ach und der arme schöne junge Mann -- er fuhr ab, verzweifelnd -- -halbsterbend...“ - -Diese Dame schien demnach kein gar so schlechtes Gedächtniß zu haben, -wie sie klagte. Sie führte ihre Erzählung von dem schönen jungen Manne -noch bis zum Schlusse, wobei sie nicht undeutlich merken ließ, daß -dieser schöne, junge Mann in ihrer Brust kein Felsenherz gefunden -hätte, falls es auf einen Versuch angekommen wäre. - -In diesem Augenblicke trat Graf Wollheim ein, näherte sich dem alten -General und zog ihn mit sich fort. Dadurch wurde den Verzweifelnden und -Harrenden Platz gemacht. - -„Wirklich,“ setzten jene zwei Damen ihr Gespräch fort: „es war endlich -Zeit! Dieser alte General hielt seine Tochter occupirt, als wäre es ein -erobertes Land. -- Dies ist eine Undelikatesse, wie sie mir noch nie -vorgekommen....“ - -„Was wollen Sie, meine Beste? -- -- diese Randow’s, so vornehm und -stolz sie sein mögen, haben keinen Ton, keinen Takt; bei ihnen ist noch -Alles polnisch...“ - -„Ja, ja, -- ganz wojwodenmäßig -- bojarisch -- baschkirisch -- hahaha!“ - -Wollheim hatte unterdessen den General in einen Winkel gezogen: „Ich -bitte Sie um Himmelswillen,“ fing er mit der Miene eines Menschen an, -der andeuten will, daß er keinen Spaß versteht: „wo ist denn dieser -Edmund hingekommen? Ihr Sohn, Ihr einziger Sohn Edmund? -- --“ - -Es mußte in Wahrheit weit gediehen sein, da der Jäger sich so -geradewegs an den Vater seines Intimsten wandte, von dem er doch wußte, -daß ihm diese Intimität sehr fatal sei. Aber unser Nimrod dachte, wie -jener Araber, der sich seinem Kalifen näherte, um den Aufenthalt von -dessen Tochter zu erforschen: „Sagt er mir’s, so weiß ich es genauer, -als wenn mir’s ein Anderer sagen würde; sagt er mir’s nicht -- so steh -ich auf dem alten Fleck -- und wegen meines Kopfes ist dann noch immer -Zeit Sorge zu tragen; jedenfalls ist der Kopf hier blos Nebensache.“ -„Hinsichtlich meines Sohnes Edmund,“ antwortete der General -- „weiß -ich Ihnen nichts zu sagen, als daß er in letzterer Zeit sich an den -Chevalier von Marsan, mehr als mir lieb ist, angeschlossen hat. --“ - -„Und mehr als mir ebenfalls lieb ist!“ setzte der Jäger im Stillen -hinzu: „Aber,“ bemerkte er laut -- „sollte es nicht Mittel geben, den -jungen Mann von dieser Gesellschaft zu trennen?.. Der Chevalier ist -glänzend, verschwenderisch -- seine Nähe demnach äußerst gefährlich, -wie Sie selbst einsehen werden, mein bester Freund. -- Ach! hier -sollten Sie fürwahr Ihr Ansehen als Vater geltend machen. Es gilt, -einen arglosen Jüngling vor den Fallstricken der Welt zu schützen.... -ihn vor einem finstern Abgrunde... zu bewahren. Es ist Christenpflicht! -Es ist Vaterpflicht, hier einzuschreiten -- glauben Sie mir’s, mein -alter Freund Randow...“ - -Der General, als er Wollheim so pathetisch deklamiren hörte, konnte ein -Lächeln nicht unterdrücken; er mochte insgeheim an die Fabel denken: -Wie der Fuchs das Lamm vor dem Wolfe warnt -- es bleibt indeß doch das -Opfer. -- - -„Lieber Wollheim,“ versetzte er: „es scheint, daß Sie dem Chevalier -nicht minder gram sind, als Sie es gut mit meinem Sohne meinen; ich -bin Ihnen jedoch, aufrichtig gesagt, weder für das Erste noch für das -Zweite sehr verbunden; denn wiewohl ich im Ganzen dieses schrankenlose -Anschließen Edmunds an den Chevalier nicht gerne sehe, so muß ich doch -gestehen, daß dies keineswegs aus Mißbilligung des, wie Sie sagen, -glänzenden und verschwenderischen Charakters Marsans entspringt, -welchen Charakter ich im Gegentheil bei einem großen Herrn von diesem -Schlage mit Vergnügen erblicke; es ist also hier nicht von den Fehlern -Marsans -- sondern von dem Uebermaß der Liebe Edmunds zu ihm die Rede. --- Sie wissen, wozu eine solche Hingebung führt: man wird ein Sklave, -verliert alle selbstständige Würde -- u. s. w. -- Anderseits, um von -dem zweiten Punkte zu reden: so habe ich das Verhältniß, welches bisher -zwischen Ihnen, lieber Graf, und meinem Sohne bestand -- ebenfalls -nicht gebilligt. Abgesehen vom Unterschied der Jahre --“ - -„Ach -- warum nicht gar!“ fuhr der Jäger auf: „Unterschied der Jahre! --- Zwischen Freunden gibt es keinen solchen!“ - -„-- So ist auch die Grundlage und das Motiv dieser Freundschaft nicht -geeignet -- mich zu beruhigen, wie Sie selbst einsehen müssen.“ - -„Alle Guckuck -- mein Freund! Wie ich selbst einsehen muß, sagen Sie? --- Aber ich sehe hier gar nichts ein, mein bester Randow! -- ich sehe -hier nicht das Geringste ein...“ - -„Sie sehen hier nicht das Geringste ein, lieber Graf? -- So finden -Sie, daß Trinken, Spielen -- Gelage -- Müßiggehen -- in Wäldern -umherstreifen, welche überdies zum kaiserlichen Revier gehören, -- -- -finden Sie, daß dies Alles nichts sei. -- --“ - -„Ei -- allerdings ist es Etwas, mein bester Randow... Allein, -hoffentlich werden Sie mir glauben, daß es dies nicht ist, worauf -unsere Freundschaft beruht. -- Unsere Freundschaft -- der Bund -unserer Herzen gründet sich auf ganz andere Dinge -- auf Tugenden und -ritterliche Gesinnungen, bei St. Hubertus! -- auf Gesinnungen, sag’ -ich, die einem Bayard zur Ehre gereicht haben würden...“ - -„Unter uns,“ bemerkte der General leise: „rechnen Sie hierher auch jene -That, die Sie neulich -- im Hühnerhofe dieses Hauses vollbracht haben? --- --“ - -Zum Glück für den Jäger, welcher bei dieser Frage seine sonst derbe -Fassung ein wenig verlor -- zum doppelten Glück für ihn öffnete sich -jetzt die Thür, und Edmund, wie gewöhnlich am Arme des Chevaliers, trat -ein. -- Sogleich wollte der Jäger auf ihn zustürzen, der General jedoch -hielt ihn zurück und sagte mit ernster Stimme: „Mäßigen Sie sich, Graf -Wollheim! Sie bemerken, daß Alles aufmerksam ist und nach den Beiden -sieht.“ - -„Nun -- und was weiter?“ - -„Sie würden sich in eine lächerliche Lage versetzen. Sehen Sie das -nicht ein, bester Wollheim?“ - -Nach kurzer Ueberlegung entgegnete dieser: „Sie haben Recht, Freund -Randow. Ich bin Ihnen dankbar für diesen Wink, und wollen Sie sich mir -noch mehr verpflichten -- --“ - -„Nun?“ - -„-- So reden Sie mit Edmund und fragen ihn, wie er es bei sich -verantworten kann, seinen alten Freund Wollheim, seinen Lehrer und -Führer in den edlen Künsten des Ritterthums -- seit vier Wochen mit -keinem Auge angesehen zu haben...“ - -Wir wenden uns jetzt von diesem Vorspiel des Drama’s ab. - -Seit etwa einer Viertelstunde war Cölestine wieder von einem Kreise -jener intimeren Freunde des Hauses umgeben, die sich zu dieser Würde -größtentheils aus eigener Machtvollkommenheit zu erheben pflegen. -Nicht nur Gräfin Wollheim -- Fräulein Eugenie von Bomben -- Frau von -Rabenstein und Andere, deren Namen weder die Blätter der Weltgeschichte -noch die gegenwärtigen je nennen werden -- -- sondern sogar Frau von -Porzenheim, die edle und obligate Mitlacherin ihres Mannes, gehörten -hierher, saßen neben Cölestine und deren Mutter. -- Der Graf, ihr -Gemahl, hatte in der Nähe, doch so, daß sie ihn nicht im Auge behielt, -einen Sitz eingenommen und unterhielt sich hier mit einigen Herrn über -Staatsgeschäfte und die neuesten Zeitungsnachrichten. Er schien ganz -Aug und Ohr für seine Gesellschaft -- während er doch so achtsam, -als hätte er neben seinen zwei Menschenaugen die tausend kleinen der -Insekten gehabt, den ganzen Salon überwachte, so daß ihm hier nichts -entgehen konnte. -- - -Dieser Mann war in der Kunst des Lauschens, wozu er vermöge seiner -mißtrauischen Natur die besten Anlagen zur Welt mitgebracht hatte, -bereits zu jenem hohen Grade gekommen, welcher seinem Besitzer eine Art -dämonischer Gewalt verleiht, vermöge deren er eine Sache nicht einmal -zu sehen braucht, um sich von ihrem Zustande zu überzeugen.... er -fühlt, er ahnt, er schaut, wie der Clairvoyant, mit geschlossenen Augen -Alles. - -In dem Augenblicke, als Herr von Marsan eintrat, hatte Alexander eben -über einen Gegenstand gesprochen, der seine volle Aufmerksamkeit -erforderte -- und dennoch verrieth es ihm ein magnetisches Gefühl, daß -der Chevalier hier sei. -- - -Indeß blieb er dabei ruhig, kalt, theilnahmlos im Aeußern -- und nur -ein Blick, den er später so rasch, daß Niemand ihn gewahrte, nach -seinem Nebenbuhler warf, sollte ihn überzeugen, ob er richtig gefühlt -habe. -- Wider Erwarten näherte sich ihm jetzt Dieser mit Edmund und -Beide nahmen in seiner Nähe Platz. „Dies ist,“ dachte er bei sich: -„eine Schicksalsfügung welche ganz in meine Intention paßt, so daß ich -die Götter heute zum ersten Male in meinem Leben preisen muß, mir einen -+wirklichen Dienst+ erwiesen zu haben.“ -- Alexander hatte sehr -gut bemerkt, daß, so oft sich zwischen Marsan und Cölestine noch ein -Dritter oder, wie hier, eine ganze Gesellschaft befand, Jener seinen -glühenden Blicken einen ehrfurchtsvollen Ausdruck gab. Dies, rief -Alexander bei sich -- soll blos das heilige Pilgerkleid sein, unter -welchem sich ein Mörder mit Dolch und Gift verbirgt --; -- so will ich -ihm denn den Weg abkürzen und die Arbeit erleichtern.... den Moment -der Ausführung rascher herbeiführen. -- Dann soll er entweder entlarvt -werden -- oder aber das Opfer, welches für mich keinen Werth mehr hat, -mag verbluten -- zum Aase werden, auf welches Tags darauf sich die -Raben setzen. - -„Herr von Marsan,“ sagte er nach mancherlei Hin- und Herreden zu dem -Chevalier -- „ich weiß nicht, ob Sie mir erlauben, eine Bitte an Sie -zu stellen, welche Ihnen vielleicht an sich sonderbar vorkommen wird, -es jedoch durch die nähern Umstände, die mich dazu veranlassen, nicht -ist. Sie erzählten so eben eine hübsche Anekdote aus der Zeit Ihrer -Anwesenheit im südlichen Frankreich -- diese Begebenheit nun ist mir -selbst einmal in der Schweiz arrivirt, und so wahrscheinlich ich -dieselbe auch stets der Gräfin, meiner Frau, zu machen suchte -- sie -wollte mir niemals glauben. In diesem Falle fertigte sie mich stets mit -dem gewiß sehr vernünftigen Satze ab: es giebt keine Geister, keine -Gespenster, selbst die Kinder glauben nicht mehr daran. -- Da Ihr -Zeugniß, mein Herr, nun von großem Gewicht ist, würden Sie sich hier -ein Verdienst erwerben, wenn Sie mit einigen Worten die Glaubwürdigkeit -eines Mannes bei dessen Gemahlin feststellen wollten.“ - -„Und auf welche Weise würde ich Ihnen diesen Dienst, den ich mit so -großer Bereitwilligkeit übernehme, leisten können?“ fragte aufmerksam -der Chevalier. - -„Einfach dadurch, daß Sie die artige Historiette, die Sie uns so -eben vortrugen, meiner Gemahlin wieder erzählen. -- Sie wird diese -Gelegenheit ergreifen, einen unserer interessantesten Kavaliere näher -kennen zu lernen...“ - -Ein mephistophelisches Zucken bewegte sich, während er diese -Worte sprach, um den Mund des Grafen. Marsan seinerseits ließ ein -augenblickliches Freudeleuchten über sein Gesicht ziehen, welches -jedoch bald einer merkbaren Blässe wich. - -„Nur so fort!“ dachte der Graf im Stillen, erhob sich jetzt kalt -und führte den Chevalier zu Cölestinen: „Meine Gemahlin -- Sie -sollen diesen liebenswürdigen Herrn einige Augenblicke +in meinem -Interesse+ anhören -- dies ist meine inständige Bitte. Herr -von Marsan wird Ihnen Etwas, worüber unter uns so oft Streit war, -bestätigen und sich dadurch nicht nur um mich, sondern auch um Sie, -meine Theure, ein Verdienst erwerben.“ - -Cölestine starrte bei dieser Rede ihren Mann an, als verstände sie den -Sinn seiner Worte nicht; zugleich aber ihrer Pflicht als Frau vom Hause -eingedenk, wies sie dem Franzosen und Alexander Plätze in ihrer Nähe -an, indem sie zu Jenem gewendet sprach: „In der That, mein Herr, Sie -erweisen mir kein geringes Vergnügen, indem Sie mir eine Mittheilung -machen, die von solchem Interesse ist, daß dieselbe meinen Gemahl sogar -zu Gedächtnißfehlern verleiten konnte; denn meines Wissens haben wir -nie über einen Punkt gestritten, der nicht sofort aufgeklärt worden -wäre. --“ - -„Du erinnerst Dich jedoch jenes Vorfalls, den ich in Lausanne erlebte. ---“ - -„Ach -- jene Geistergeschichte, worüber ich so lachte! -- Und diese -scheint Ihnen so wichtig, mein Gemahl? -- --“ - -„Gnädige Frau,“ nahm Marsan das Wort, der nicht mehr wußte, ob man hier -Ernst oder Scherz treibe, und der seinerseits zu dem Letzteren sehr -wenig Lust haben mochte. „Gnädige Frau,“ sagte er in einem ruhigen, -gemessenen Tone: „nicht mich klagen Sie an, falls es sich hier um Etwas -handelt, was ich noch nicht begreife... ich bin blos das Werkzeug -des Herrn Grafen und habe mich aus Hochachtung für Sie gerne diesem -sonderbaren Berufe unterzogen. --“ Er warf hier zugleich einen jener -leichten, blitzenden unaussprechlichen Blicke auf Alexander, womit ein -Mann von gutem Tone eben sowohl seine unerschütterliche Fassung wie -die Geringschätzung einer Gefahr oder auch eines Menschen zu erkennen -giebt. Alexander kämpfte, seit Marsan die erste Silbe an Cölestine -gerichtet hatte, mit einem convulsivischen Zittern, welches er zwar -bezwang, -- doch nicht so ganz, daß es dem scharfen Blicke seines -Gegners entgangen wäre. - -Das Letztere ward für ihn Marsan von diesem Augenblicke an in der That. -Er ward sein Gegner, sein Feind, sein entschiedener Widersacher. Der -größte Beweis hierfür war wohl der, daß er beschloß, es ihn sofort -merken zu lassen. - -So groß war die Zuversicht des Chevaliers auf Eigenschaften, die ihn -bereits unzählige Mal als Sieger aus den gefährlichsten Kämpfen hatten -hervorgehen lassen: „Dieser Mensch da,“ murmelte er lächelnd: „hat -es gewagt, Dich mit Waffen zu bedrohen, welche Du mit der Fußsohle -zertreten und ihm die Bruchstücke davon an den Kopf werfen solltest...“ - -Und ohne Weiteres forderte er Cölestine in Gegenwart ihres Mannes zu -einem Gespräch auf, welches himmelweit von demjenigen verschieden war, -zu dessen Behuf der Graf ihn mit seiner Frau zusammengeführt hatte; -dieses Gespräch, in welches er sie mit großer Gewandtheit und rasch -zu verschlingen wußte, betrieb er überdies mit einem so auffallenden -Eifer, daß derjenige, welcher hieher gekommen war, um zu beobachten -und zu beschämen, dies durch die Umstehenden selbst ward, und zwar in -einem Maße, daß er, so heftig er sich auch dagegen sträubte, endlich -gleichwohl sich zu erheben gezwungen war, um nur nicht als schmählich -Ueberwundener dem allgemeinen Bedauern zu verfallen. - -Wozu hatte er nöthig gehabt, die Fehde so offen zu provociren? - -Vermöge des heitern, lustberauschten Sinnes, von welchem Cölestine -heute den ganzen Tag, beiläufig in derselben Weise, wie an jenem -Vermählungstage, beherrscht wurde, war sie nicht fähig, ihrem Gatten in -die Region der Melancholie, des Unmuths und des Schmerzes zu folgen, -um so weniger, als er diese Stimmungen durch sein äußeres Betragen -auf alle Weise zu verdecken sich bemühte; so geschah es denn auch, -daß, während alle Welt auf ihn aufmerksam ward und ihn mit penetranten -Blicken verfolgte, sie die Einzige war, welche hievon eine Ausnahme -machte. -- - -„Aber sehen Sie doch dorthin! Was bedeutet das?“ - -„Ach, die Gräfin A--x scheint der berühmten Unwiderstehlichkeit des -Chevaliers endlich auch ihren Tribut zu entrichten. In der That, diese -Unterredung ist eklatant.“ - -„Von ihrer und von seiner Seite. Wer hätte dies erwartet.“ - -„Mindestens von der Gräfin war es nicht vorherzusehen. Allein da hat -man nun den besten Commentar zu jenen Berichten, durch welche diese -jugendliche Ehe als eine solche geschildert ward, wie sie Adam und Eva -im Paradies geführt haben. --“ - -„Nämlich -- den Baum und den Apfel mitinbegriffen...“ - -„Ah, ah -- meine Besten, was wollen Sie? Gräfin A--x hat, Alles -erwogen, den gegründetsten Anspruch auf unsere Bewunderung. Sie hat -sich so schnell als es kaum zu erwarten war -- aus einer Gefühlsnärrin -zur Weltdame aufgeschwungen. Das verdient Anerkennung.“ - -„Ja, ja -- es verdient dieselbe.“ - -„Aber mein Himmel! was ist das?“ rief mit einem Male Jene aus, indem -sie mit den Augen nach Cölestinen deutete: -- „Haben Sie nichts -bemerkt, meine Damen? -- So eben hat der Chevalier die Gräfin verlassen --- und sie, diese junge hoffnungsvolle Calypso -- -- ist ihm mit -einer sonderbaren Bewegung in Blick und Miene gefolgt, mit einer -Bewegung, sag’ ich, die den Grafen, ihren Mann, welcher dort hinter -der Blumenpyramide -- wie eine Klapperschlange hinterm Gesträuche -- -verborgen lauert, dem Wahnsinn nahe gebracht zu haben scheint.... denn -sehen Sie -- seine Hand, die krampfhaft einen Oleander hielt -- hat -denselben wahrscheinlich ohne daß er es weiß mitten entzwei gebrochen.“ - -„Richtig! richtig! -- Ah, es ist zu reizend! zu interessant! -- -- Ein -Herkules also -- der Bäume entwurzelt....“ - -„Ah! Ah! Ah! -- Ungeheuer großartig! -- Dieser Marsan ist ein Phänomen! --- -- Er hat sich der Gräfin wieder genähert -- -- -- und bei -Anadyomene! -- ihr Auge scheint ihm dafür einen eben so stillen als -ausdrucksvollen Dank zu spenden....“ - -„Der Mann aber -- der Gemahl -- was thut er?“ - -„Mein Gott -- er ist halbtoll...... Um Himmelswillen! bemerken Sie -doch, holde Freundin. -- Seine Phrenesie geht so weit -- -- daß er -im Angesicht des ganzen Salons sich hinter den Blumen auf alle Vier -niederläßt, um bequemer zu beobachten, der Bedauernswerthe. Gleicht er -nicht dem Nabuchedonosor -- und scheint es nicht, als wolle auch er -Gras fressen?.. hahaha!“ - -„Es ist entsetzlich! Es ist entsetzlich! -- Das ist noch nie da -gewesen!“ - -„Inzwischen scheinen die beiden jungen Leutchen dort -- Marsan und die -niedliche Frau vom Hause -- sich gar köstlich die Zeit zu vertreiben. -Sie lacht so viel und er erzählt so unermüdlich, daß man seine Freude -an diesem Gedeihen haben kann....“ - -„Der Nabuchedonosor aber huckt noch immer in froschähnlicher Positur -hinter den Blumen.... Meiner Treu, dieser Mensch muß complett den -Verstand verloren haben...“ - -„O wie Schade! -- Jetzt entzieht uns eine allgemeine Bewegung der -Gesellschaft seinen Anblick. Allein, was soll das bedeuten? -- Auch -Cölestine hat sich erhoben.“ - -„Man hat das Zeichen zum Tanzen gegeben -- man wird in den nächsten -Salon gehen...“ - -„Also man tanzt heute auch hier?..“ - -„Man tanzt, man spielt -- man wird sich noch ganz allerliebst -unterhalten.“ - -„Meinetwegen. Dann aber lassen Sie uns den Paaren nicht folgen, sondern -lieber nach dem Spielzimmer gehen -- so werden wir an jener Blumenhecke -vorbeikommen und unsern Vierfüßler ganz nahe beaugenscheinigen -können...“ - -„O was ist das? -- Er ist fort! Verschwunden! -- Keine Spur von ihm -mehr vorhanden! -- -- Wahrscheinlich durch eine Versenkung wie im -Theater. --“ - -„Hahaha! -- -- Vorwärts, meine Freundinnen!“ - -Und fast Alles verließ diesen Salon, in welchem nur noch wenige -Gruppen, bestehend aus ältern Herren, zurückblieben, die ein -angesponnenes Gespräch augenblicklich zu unterbrechen nicht für gut -fanden. - -Was den Chevalier betrifft, so hatte er Cölestine den Arm gegeben -- -- -und Edmund, dadurch allein gelassen, entging seinem Schicksale nicht: -er, der seine Mutter führen wollte, sah plötzlich -- -- den Grafen -+Wollheim+ ihren Platz einnehmen. - -„O! O! O!“ schrie dieser mit einer Freude, die sich glänzend auf -seinem Gesichte malte: „da hätten wir ihn endlich den Bösewicht -- den -Undankbaren -- den treulosesten aller Freunde und Schüler! -- Also so -weit ist es mit uns gekommen, daß wir auf Bällen als +Paar+ zu -einander treffen müssen. Wir, wir -- die den Tanz und die Springerei -verachten -- außer er würde in Wäldern hinter den Rehen aufgeführt! --- Allein schon gut. Ich werde mir das merken. -- So voll Wonne mein -Herz in diesem Augenblick auch ist -- eine Wunde, eine Blessur hat es -dennoch erwischt, die nie vernarben wird -- und das sind: die letzten -40 Tage, die ich in der Wüste zugebracht habe -- -- in der Wüste, -sage ich, und verstehe unter diesem Bilde die Welt, in so fern es in -derselben weder zu trinken, noch zu spielen, noch zu pirschen giebt -- -was Alles ich, wie bekannt, allein nicht thun kann, sintemalen ich dazu -auch meine Schüler und Freunde brauche. -- So verhalten sich die Dinge! -Ja so! -- Und nun sprich, Unglückseliger: was konnte Dich zu solchen -Verbrechen gegen Deinen Meister verleiten?...“ - -Edmund sah sich vergebens nach einem Ausweg um; der Jäger hatte ihn -dermaßen gepackt, wie man es etwa mit einem Fuchs, welcher der Schlinge -entwischen will, thut; wollte er also kein Aufsehen machen, mußte er -dem Alten folgen -- und Dieser zog ihn geradewegs in ein Gemach, das -nach der Kellnerei führte. -- - -Nun wissen wir zwar, daß des jungen Mannes Hingebung in letzterer -Zeit dem Chevalier von Marsan gegolten, und zwar in jenem Uebermaße, -welches wir an dem gutmüthigen Roué bereits kennen. -- Indeß, und dies -muß zu seiner Ehre gesagt werden, glich er darum doch nicht jenen -unbeständigen und undankbaren Leuten, die aus Liebe zur Abwechslung, -indem sie das Neue erwählen, des Alten vergessen .... Er hatte seines -Freundes Nimrod nicht vergessen -- er hatte denselben nur auf einige -Zeit in den Hintergrund gestellt: aufrichtig gesagt, weniger aus -eigenem selbstständigen Antriebe -- als weil er, durch Marsan occupirt, -von diesem ununterbrochen absorbirt worden war, was ihm im Ganzen -schmeichelte, da er so gut wie jeder Andere sein Stück Eitelkeit besaß --- und Marsan war ja ein Glanzpunkt in der Gesellschaft... - -Das Entscheidende bestand darin: daß Marsan ihm mehr zu imponiren -wußte, als der Jäger. Denn wir haben schon erwähnt: Edmund mußte sich -stets an Jemand anlehnen. -- Dies war eine jener Naturen, die allein -nicht leben können. - --- Es wird nach Allem diesen Niemand Wunder nehmen, wenn er erfährt, -daß Edmund binnen weniger als einer Viertelstunde mit Leib und Seele -wieder seinem alten Mentor gehörte, d. h. mit demselben in einem -dunkeln Kellerwinkel (denn diesmal gingen die Edlen direkt in den -Keller: sie hatten ja so Vieles nachzuholen) zechte und Trinklieder -sang. -- Wer oben in den Gemächern gute Ohren hatte, konnte folgende -Strophen herauftönen hören: - - „Zwei Flaschen wollten einander frei’n, - Die eine, die war leer -- - Die and’re war zwar etwas klein -- - Doch war sie gefüllt und schwer.“ - -Hier ward die Hymne durch eine Art unverständlichen Lärmens -unterbrochen -- -- und erst nach einiger Zeit ließ sich das Ende vom -Lied nachstehender Weise vernehmen: - - „Ich nehme, ich nehme Dich nicht zum Mann -- - Du bist zwar dick und reich -- - Doch dabei ein grober Bauersmann, - Ein Stadtkind ich, fein und bleich.“ - - „So geht es auch im Leben her -- - Der Dicke der thut dick -- - Da kommt darauf ein mag’rer Herr - Und ruft: Vor mir -- zurück!“ - -Besonders schön nahm sich zuletzt die Moral, die Nutzanwendung aus. -Sie war ganz aus den Zeiten des Meister +Rothnas+ in Nürnberg († -_Anno Domini_ 1352,) genommen und hätte auch ganz wohl in die -Liedersammlung eines sichern +nasenlosen+ Poeten -- dieser Poete -lebt heutigen Tag’s in Wien -- gepaßt. - -Das Lied hatte man wohl bis hinauf gehört; aber die sublimen -Discourse, welche hier unten geführt wurden -- vernahm, außer den zwei -Glückseligen, welche dieselben führten, Niemand. - -„Und so säßen wir denn wieder beisammen....“ begann der Jäger, der -mit aufgestreiftem Hemdärmel (die Edlen saßen im Hemde bei diesem -anstrengenden Geschäft,) seine Kanne emporhob: „Und so könnt’ ich denn -wieder aus vollem Herzen rufen: Auf Dein Wohlsein, mein Jüngelchen, -Hurrah!“ - -„Hurrah!“ rief auch Edmund mit erhobener Kanne -- -- seine Stimme war -bereits sehr klar und metallisch geworden. - -„Möge der Himmel,“ schrie +Wollheim+, „Dich zu einem eben solchen -Manne machen, wie ich bin, mein Junge! Besseres kann ich Dir nicht -wünschen, Hurrah!“ - -„Hurrah! -- Hussah!“ - -„Ich habe nur gerufen +Hurrah!+ und nicht Hussah! -- Achtung auf -den Ruf des Meisters! -- Hurrah!“ - -„Hurrah! Zehntausend Mal Hurrah!“ - -„Blos ein Mal: Hurrah! mein Jüngelchen; blos ein Mal!“ - -„Nein, nein -- zehntausend Mal!“ - -„Alle Sechzehnender! -- Was für zehntausend Teufel sind Dir denn heute -in den Magen gefahren -- verdammter Bursche, Du!“ - -Es war ihm indessen blos der Wein in den Magen gefahren und der Dunst -davon in den Kopf. - -„Ich sage Dir,“ fing der Alte wieder an: „etwas Besseres als ich kannst -Du doch nicht werden. Befleißige Dich also, in meine Fußstapfen zu -treten. Nimm z. B. diesen Krug so, -- siehst Du! -- und leer’ ihn mit -einem Guß -- -- so, siehst Du!“ - -Und der größte Humpen entledigte sich seines Inhalts im Nu -- vermöge -der freundlichen Bereitwilligkeit von Nimrods breiter Kehle. -- - -Edmund wollte es auch versuchen, um der Aufforderung seines Lehrers zu -genügen.... - -„Ah! Ah!“ schrie dieser so dröhnend, daß das Gewölbe des Kellers in -Schrecken gerieth: „das will nichts sagen, das will nichts sagen -- -Freund Edmund! -- Du hast zwar den Humpen geleert, aber dabei Dein -ganzes Gesicht begossen... Dies darf nicht stattfinden! Dies ist nicht -in der Ordnung!... Du mußt den Humpen mit dem Munde allein aussaufen: -So, siehst Du?!“ Und abermals rollte eine ganze Sündfluth hinab in des -Jägers verderblichen Schlund... - -Sein Leib schien ein wahrer Abgrund zu sein. - -Edmund versuchte es sogleich nochmals -- und in Wahrheit er that es -diesmal mit solcher Virtuosität, daß sein Meister auf eine Bank sprang -und ausrief: „Ein dreimaliges Hussah auf das Wohl meines Jüngelchens -und Jagdkumpans!“ - -Und „Hussah! Hussah! Hussah!“ schrien Beide, als ob sie toll wären.... -die Kellerratten und Maulwürfe liefen einstweilen in’s dritte -Nachbarhaus hinüber... - -.... Aber als sollte das Alles noch nicht ausreichen, seines Zöglings -Ruhm zu verkünden, sprang Wollheim auf ein in der Nähe stehendes großes -Weinfaß, welches, gegen den Gebrauch, mit dem Boden aufgestellt war --- -- auf dieses Faß also sprang er und zwar mit einem solchen Aplomb -seines dicken Leibes, daß der obere Boden unter seinen Füßen durchbrach -und er im Nu unter entsetzlichem Geschrei bis an die Ohren im rothen -Ofner schwamm: „Au! Au! Weh! Hurrah! -- Zur Hilfe -- Kumpane! Jäger! -Piqeurs!“ brüllte er in der Verzweiflung.... wobei er, vermöge des -Wellenschlags, welchen der Ofner beständig um sein Kinn machte, von -demselben _nolens volens_ ein gutes Theil abtrank.... - -Nur mit Mühe entkam er dem Verderben und stieg endlich heraus. Er stieg -allein heraus -- denn Edmund war nicht fähig, ihm dabei zu helfen..... -er hatte mit sich selbst genug zu schaffen. - -„Alle Doppelbüchsen!“ rief Nimrod und schüttelte sich wie ein Bär, der -untertauchte -- „das war ein unvorhergesehenes Bad... Aber der Ofner -war gut!... Schade um das Faß, welches von schweizerischer Arbeit -schien. -- Hol’ der Teufel indeß ein schweizerisches Faß, welches -durchbricht, kaum daß man es betastet. -- -- Wo aber jetzt sich -abtrocknen.... Brr! brr! -- denn es ist hier verteufelt kalt.... Ha! da -kommt mir ein göttlicher Einfall! Diesen lieben Ort hier zu verlassen -wäre unmenschlich. -- Wie wär’ es, wenn ich meine Kleider hier -trocknete?.. Wir machen dort im Hintergrunde ein Feuer.... Holz ist -genug vorhanden... der Rauch kann auch zu den Kellerluken abziehen. -Beim St. Hubertus! das geht! -- Hat man es doch von Faßbindern hundert -Mal gesehen, daß sie bei Reparaturen mitten im Keller ihren Herd -aufschlugen.... Also -- vorwärts mein Jüngelchen! und sogleich soll -hier eine Flamme brennen, so lustig und hoch, daß man dabei zwei und -zwanzig Ferkel braten kann.... Dann will ich meine Kleider ausziehen -- -wir wollen uns an’s Feuer setzen -- unsere Krüge in die Hand nehmen.... -Hurrah! das soll ein Teufelsleben werden!“ - -„Hurrah!“ lallte Edmund mit schwerer Zunge nach. - -Gesagt, gethan. In kurzer Zeit loderte ein Feuer mächtig auf und seine -Flamme leckte das schwarze Gewölbe des Kellers... Aber was man nicht -berechnet und erwartet hatte, geschah. Die Luken waren zu klein und -konnten den Rauch nicht hinreichend ableiten, so daß sich dieser nun -hier im Innern zu einer schauderhaften Menge anhäufte... und jeden -andern Menschen als diese zwei Ehrenmänner vertrieben hätte. -- Aber -sie waren nicht so leicht von diesem Orte wegzubringen und zwar: ob -der ruhmwürdigen Wein-Eigenschaften, die er neben diesem Uebelstande -noch besaß.... - -Was den Jäger betrifft, so stürzte er eine Kanne um die andere hinunter --- und hustete beständig dazwischen. Er schien einen ordentlichen Kampf -mit dem Rausche eingegangen zu sein -- und eben deßwegen war ihm der -letztere nicht ganz unangenehm... - -Edmund jedoch, nicht so taktfest in vorliegender Kunst, sprang sinnlos -wie er bereits war, umher und stotterte: - -„Donnerwetter! -- wir -- stecken -- ja da -- in einem -- Schornsteine! --- Donnerwetter! -- -- Wie -- kommen -- wir da heraus? -- Puh! Brr! -- ---“ - -„Ei warum nicht gar!“ brüllte Wollheim: „Was sind das für dumme Faxen ---? Schornstein? -- Im Keller sind wir! Im Keller! -- --“ - -„Nein -- im -- Schorn -- steine -- -- Ah -- Ah -- ich -- ersticke --- --.“ Und der arme Jüngling fuhr wie ein Gehetzter umher, stieß -überall an -- und wäre beinahe in’s Feuer gerannt -- wenn der Jäger -ihn nicht schnell bei der Hand ergriffen hätte. -- Aber das Tanzen -hörte bei Jenem deßhalb nicht auf und wider Willen sah sich der Alte -jetzt selbst davon fortgerissen. Er, in seinem halbnackten Zustande -(er hatte Alles, nur die Strümpfe nicht, ausgezogen, aus angeborner -Schamhaftigkeit hatte er sich noch überdies sein Taschentuch, statt -eines Feigenblattes, vor den Bauch gebunden) -- tanzte nun wie ein -wilder Neuseeländer mit seinem Schüler um die Flamme herum.... Es war -ein Bild zum Malen! -- - -In diesem Augenblicke öffnete sich die vorhin geschlossene Thür des -Kellers und ein halbes Dutzend Bediente traten mit den Worten ein: -„Aber was giebt es denn da? Ein Rauch verbreitet sich aus den Luken im -ganzen Hause!... Ist denn hier ein neues Gomorrha untergegangen?..“ - -Man denke sich die Ueberraschung dieser guten Leute, als sie unser -Freundespaar in einem eben so interessanten Costüme als Geschäfte -erblickten.... - - * * - * - -Aber während hier Momus, Comus und noch andere närrische Halbgötter -ihre Schellenkappen schüttelten, ward einige Fuß über diesem Orte --- ein Gemüth von höllischen Qualen durchwühlt und hätte zerreißen -müssen, läge für manche Naturen nicht eben im Schmerze selbst eine -nährende, eine belebende Kraft. Es sind dies jene Naturen, die zum -Unglück geboren scheinen -- die schon in der Wiege von demselben mit -Milch getränkt, später mit Speisen genährt und mit Kleidern versehen -werden -- denen also das Unglück: Amme, Erzieherin, Lehrerin und -Lebensgefährtin ist. - -Man hört, wenn von solchen armen Verfluchten die Rede ist, oft sagen: -„Mein Gott, wie konnte er das nur Alles ertragen? Ich wäre unter -solchen Umständen schon hundert Mal untergegangen.“ - -Gewiß, denn Dich hat das Schicksal bei Deiner Geburt gesegnet und es -hatte nicht nöthig, Dir Nerven von Stahl für’s Leben mitzugeben. -- - -Allein von wem haben wir zuvor gesprochen? -- Wer war der Unglückliche, -der Elende, der vom Schicksal Verfluchte -- welcher sechs Fuß über dem -Keller der zwei lustigen Ritter -- von Qualen gepeitscht wurde, wie -eine Feder sie nicht beschreiben kann? -- - -Der Leser wird es wissen. Es war Alexander, der Gemahl Cölestinens, -Alexander, der sein Weib mehr wie sich selbst liebte -- -- und der sich -von ihr betrogen, verrathen, um seine ganze irdische Seligkeit gebracht -sah. -- - -Ach, diesmal war ihm der milde Trost, der ihn noch vor einigen Stunden, -wenn auch blos vorübergehend, erquickte, gänzlich geraubt. Diesmal -konnte er nicht, wie zuvor, sich zurufen: - -„Vielleicht -- ist sie doch unschuldig! --“ - -Er hatte sie jetzt an der Seite jenes Menschen, der ihm ihr Herz -geraubt hatte, beobachtet -- hatte gesehen, wie Jener für sie glühte -und wie sie von dieser Gluth erwärmt schien. Welche Blicke hatte sie -ihm gegeben -- und welche von ihm empfangen! Und Alles das so offenbar, -so vor aller Welt. -- - -Sollte es denn schon so weit gekommen sein, daß sie sich nicht einmal -mehr verstellen konnten oder daß sie es nicht wollten? -- So war er, -Alexander, also nicht mehr blos das Opfer, er war auch das Spielzeug, -die Puppe, der Narr, durch welche Dinge sie ihrem Vergnügen neue Reize -verliehen. -- - -Ach -- was kümmerte ihn Dieses. Er hatte an Jenem schon genug. Er war -geopfert, verkauft, sein Herz zertreten -- seine Seele zerrissen, sein -Leben vergiftet.... So konnte es mit ihm nicht mehr lange bestehen.... - -Er rannte hinaus aus den Sälen, wo Alles Lust, Freude und herzloser -Verrath war -- er stürzte hinaus auf eine Terrasse.... Es war wieder -eine Terrasse, wie dort in der ersten Nacht ein Balkon -- es war -wieder eine Sternennacht -- und durch diese Nacht strich wieder jener -allwaltende Geist, der sich eines Elenden erbarmt, oder aber ihn -verstößt, ihn nicht kennen will.... - -Diesmal aber war das Letztere der Fall. Diesmal erschien keine -Cölestine auf dem Balkon und schlang liebewarm ihre Arme um seinen -Hals. -- Diesmal, diesmal, als Alexander verzweiflungsvoll, wahnsinnig -die Hände rang gegen das dunkle Firmament, rufend: - -„O -- hat sie wirklich an mir gefrevelt? -- Nur noch ein Zeichen! Einen -letzten Beweis!“ - -Diesmal antwortete eine Stimme hinter ihm: „Warten Sie einige Tage ab --- und Alles wird Ihnen offenbar werden.“ - -Rasch drehte Alexander sich um. Er bemerkte nur noch die Umrisse einer -dunkeln männlichen Gestalt, die gleich einem Schatten forteilte -- in -der Nähe um eine Ecke verschwand -- und weiter keine Spur hinter sich -ließ, als den Wiederhall ihrer schrecklichen Worte...: - -„Warten Sie einige Tage ab -- und Alles wird Ihnen offenbar werden.“ - -Alexander fiel ohnmächtig gegen die marmorne Balustrade des Balkons und -schlug sich daran die Stirne blutig. - -Er erwachte erst nach einer Stunde. -- - - - - -Vierzehntes Kapitel. - -Die Morgenszene nach dem vorigen Tage. - - -„Ach, mein lieber Alexander, wie köstlich haben wir uns gestern -unterhalten. Es herrschte die allgemeinste Fröhlichkeit. -- Alles war -vergnügt: man wird sich gewiß dieses Tages noch lange erinnern, und das -gereicht uns zu großer Ehre. -- Man hat nun den Maßstab in Händen, nach -welchem man für die Zukunft unser Haus beurtheilen wird.... Wie bin ich -erfreut, daß dieser Maßstab kein gewöhnlicher ist.“ - -So, mit diesen Worten begrüßte Cölestine den folgenden Morgen ihren -Gatten, als dieser, wie es seine Gewohnheit war, in ihr Boudoir trat, -um ihr hier galanterweise einen Guten Morgen zu wünschen. -- Alexander -schien sehr heiter -- fast so wie seine Frau; er küßte mit dem -Ausdruck inniger Zärtlichkeit ihre Hand und nahm neben ihr auf einem -Tabouret, welches etwas tiefer als ihr Sessel stand, Platz. - -„Allein,“ fuhr sie fort, indem sie sich mit jenen tausend -Quincaillerien, die eine vornehme Dame in einem Boudoir vor sich liegen -hat, zu schaffen machte: „allein,“ sagte sie: „wie kommt es, daß wir -seit dem gestrigen Tage bis zu dieser Stunde für einander fast gar -nicht existirt haben, mein Freund? Ich erfuhr weder, zu welcher Stunde -Du schlafen gingst, noch wann Du aufstandest....“ - -„-- Noch,“ setzte lachend der Graf hinzu: „was mit mir gestern während -des Festes geschah, nicht wahr, mein liebes Kind?“ - -„Ja, ja -- ganz recht. Jetzt erinnere ich mich, daß ich Dich in der -That gestern während der Dauer der Unterhaltung auch nicht mit einem -Auge sah --“ - -„Jetzt erst erinnert sie sich!“ sagte er zu sich, und, ohne sie zu -unterbrechen, ließ er sie fortfahren: -- - -„Wie hängt das zusammen, mein Freund? Erkläre mir es!“ - -„Ach, was liegt daran?“ versetzte er unbefangen und fast im lustigen -Tone: „es ist eine Kleinigkeit -- eine Kinderei, wer wird von ihr -reden. Dir sowohl, der Frau, wie mir, dem Herrn vom Hause, war der -Platz getrennt angewiesen, und wir durften ihn nicht verlassen, um uns -einander zu nähern... Bei solcher Gelegenheit besteht eine Pflicht, -wie die unsrige war, darin, daß man sich dem Vergnügen seiner Gäste -opfert ... und dies, meine liebe Cölestine,“ sagte er, ohne dem -Drange widerstehen zu können, eine Schärfe in den Ton zu legen: „hast -mindestens Du in vollem Maße erfüllt...“ - -„Ach ja,“ entgegnete sie, nicht ahnend, worauf er zielte: „ich sah -mich gestern ununterbrochen von einem Kreise interessanter und -liebenswürdiger Bekannter umgeben, und muß gestehen, daß ihnen -gegenüber meine Obliegenheit als Frau vom Hause mir nicht schwer -erschien. Gewiß bin ich jenen Personen zu eben so großem Danke -verpflichtet wie sie mir. -- Es war ein reizender Abend!“ - -„Er war reizend und die Nacht darauf ebenfalls!“ - -„Ich erinnere mich z. B. nicht, daß die Baronin von +Halderstein+, -diese Blume der guten Gesellschaft, ihren glänzenden Geist sowohl wie -ihre schöne Seele jemals freudiger entfaltet hätte, als sie es gestern -in meiner Nähe that. So war auch Herr von Labers dadurch, daß er -sich meiner Gesellschaft gütig erwies, dies gegen mich; -- er allein -streute so viel edle Heiterkeit im Kreise aus, daß man noch manchen Tag -daran wird zu zehren haben.... Sodann die liebe gute E--z, diese alte -Freundin meiner Mutter, und die Letztere selbst: o, wie sind uns an der -Seite dieser ehrwürdigen Frauen die Stunden verflossen!... Endlich mein -guter Vater, sogar Edmund, Alle schienen sich wonnevoll nur um mich zu -vereinigen....“ - -„Sie verschweigt absichtlich den Namen Marsan’s!“ sagte er im Stillen: -„O -- diese Manier ist ungeheuer veraltet -- -- wiewohl man sie in -neuerer Zeit wieder in Mode zu bringen versucht.“ - -In seinem Herzen wühlten die Leiden eines Trostlosen, eines in der -innersten Seele Verzweifelnden -- -- aber auf dem Angesichte zeigten -sich hiervon keine Spuren; dieses glänzte nicht minder zufrieden, wie -jenes Cölestinens. - -„Was sagst Du,“ warf er leicht hin -- „zu Herrn von Marsan, der, wie -ich mich erinnere, gestern längere Zeit mit Dir gesprochen? --“ - -In diesem Augenblicke überzog eine schreckliche Blässe das Gesicht der -jungen Frau -- und indem sie starr nach seiner Stirne blickte, schrie -sie auf: „Um Gotteswillen! was ist das? Was ist mit Dir geschehen, -Alexander? -- Deine Stirne ist verwundet -- mit Blut unterlaufen....“ - -„Oh!“ höhnte es in seinem Innern: „die Elende! Welche Ausflucht! -- -Jetzt da meine Frage sie in die Enge getrieben, weiß sie keinen Ausweg, -als daß sie von einer unbedeutenden Verletzung redet, die sie schon -längst bemerkt haben muß....“ - -Ob er Recht hatte, so zu urtheilen, bleibt dahin gestellt. Da jedoch -seine Wunde sehr hoch oben auf der Stirne war, so konnte sie zuvor -leicht durch sein dunkles Haupthaar bedeckt -- und erst jetzt, da er -mehrmals mit den Fingern durch dasselbe strich -- blosgelegt und von -Cölestinen bemerkt worden sein... Sie hatte sich ihm rasch genähert, -sein Haupt mit beiden Händen ergriffen und bebend in ihn gedrungen: -„Sprich, um Alles in der Welt! Was soll ich denken, Alexander? -- -Erkläre mir’s! Lasse mich nicht in Ungewißheit? -- Dir ist irgend ein -Unglück widerfahren! -- O rede, rede! hörst Du denn nicht?..“ - -„Wie man’s nehmen will,“ entgegnete er in dem gleichgiltigsten Tone: -„ein Unglück oder auch keins. Jedenfalls aber ist das Ganze nicht -dieses Aufhebens werth -- und deßhalb laß uns endlich schweigen.“ Er -entwand sich sanft ihren Händen, die aber sogleich wieder nach ihm -griffen, sich um seinen Hals legten, ihn heran zogen.... - -„Die nichtswürdigste aller Heuchlerinnen!“ dachte er und ließ sie -gewähren. -- Indessen jammerte sie fort: „O mein Alexander, o mein -Gemahl! Es ist nicht recht von Dir, mir Dein Vertrauen bei einer -Gelegenheit wie diese zu entziehen. Womit hätte ich das auch verdient? --- Alexander -- etwas Besonderes muß seit der ewiglangen Zeit, daß wir -uns nicht sahen, vorgefallen sein -- -- etwas sehr Schlimmes.... mir -sagt es mein Herz.... Bei unserer Liebe, bei unserer Treue beschwöre -ich Dich, meine Bitte zu erhören!“ - -Während der letzteren Worte lachte er gellend auf, so daß sie entsetzt -von ihm losließ und die Hände zusammenschlagend vom Sitze aufsprang, -indem sie rief: „Mein Gott -- erbarme Dich seiner und meiner! Träume -ich blos oder geschieht das wirklich hier, was ich nicht fassen kann?!“ - -Er richtete sich nun selbst auf und antwortete ganz in der Art, wie -er sie heute seit seinem Eintritt in das Boudoir angenommen: „Aber -- -meine Freundin, Du bist in der That ganz außer Dir, und ich, ich selbst -hätte Grund, jene Fragen an Dich zu stellen. -- Was soll denn geschehen -sein? Weßhalb erschrickst Du? weßhalb fährst Du von Deinem Sitze so auf --- als sei der Tod vor Dich hingetreten? -- Es ist ja nichts geschehen --- sonst hätte ich Dich davon natürlich schon in Kenntniß gesetzt. -- -Du starrst noch immer nach meiner Stirne! Nun wohl, diese Wunde von der -ich bisher selber nichts wußte -- und die ich erst jetzt im Spiegel -bemerke -- ich muß sie mir im Schlafe geschlagen haben....“ - -„Nachts im Schlafe?“ schüttelte Cölestine das Haupt. - -„Nun ja. Es ist wohl schon vorgekommen, daß man so fest schlief, daß -man selbst von einem Stoß an die Wand -- an die Säulen der Bettvorhänge --- nicht erwachte.... Uebrigens, wie gesagt, ich spüre die Wunde kaum. -Ich fühle keinen Schmerz!“ - -Wirklich konnte diese Rede auch ein furchtsameres Herz beschwichtigen, -und nach einigen Augenblicken sprach man bereits nicht mehr von diesem -Gegenstande... - -„Es war ihr nur darum zu thun,“ meinte er „recht lange hierbei zu -verweilen und mich die Frage wegen des Chevaliers vergessen zu -machen;..“ und laut setzte er hinzu: - -„Hast Du dem engern Kreise unserer Freunde gestern nicht eröffnet, an -welchem Tage außer dem Sonnabend Du Dich ihrer Gesellschaft erfreuen -möchtest?“ - -„Ich sprach davon, mein lieber Mann,“ sagte sie: „und wir wählten den -Dienstag, den Donnerstag und den Freitag....“ - -„Auf diese Weise,“ bemerkte er laut: „wird ja in unserem Hause ewige -Lust und Freude herrschen....“ - -„Ich dachte bei mir, es sei dies zu Deinem Besten, Dein ernster Sinn -werde dadurch zerstreut werden.“ - -„Gewiß, gewiß -- Sie hat bei jedem Schritt, den sie thut, mich im Auge --- -- wie ein kluger Fechter seinen Gegner. Und,“ fragte er sie: „wird -auch die Baronin von Halderstein uns recht oft besuchen --“ - -„Ja, mein Freund, sie hat mir’s bestimmt zugesagt.“ - -„Auch der Chevalier von Marsan.“ - -„Du weißt -- daß er sich in letzterer Zeit innig an meinen Bruder -Edmund anschloß, und demnach dürften wir ihn wohl häufig bei uns -sehen.... Uebrigens,“ lächelte sie fein: „habe ich mit Herrn von Marsan -noch einen eigenen Plan...“ - -„Wirklich?“ - -„Wenn mich nicht Alles trügt, so hat er während des gestrigen Abends --- sich mit unserer theuren Baronin von Halderstein angelegentlicher -als mit einer andern Person beschäftigt. -- Es verging keine -Viertelstunde, so kehrte er immer wieder zu ihr zurück....“ - -„Nämlich -- von Dir!“ dachte Alexander: „denn für diesen Herrn scheint -es nicht zu viel, bei zwei Damen auf einmal den Ritter zu spielen...“ - -„Und was die Baronin betrifft --“ - -„Nun?“ - -„Es schien nicht eben -- daß sie seine Bewerbungen zurückgewiesen -hätte.“ - -„Das Alles ist möglich!“ murmelte der Mann. - -„Kurz, wenn es glückt, so soll die reizende Frau, welche gegen einen -Gatten, der sie verließ, keine Pflichten mehr hat, -- die schöne -Freundin Halderstein soll es übernehmen, den unbezwinglichen Roland, -den nie überwundenen Tankred in Fesseln zu legen...... Wir haben uns -dieses gelobt...“ - -„Wir? -- Wer ist darunter zu verstehen?“ - -„Das Nähere kann ich Dir leider nicht vertrauen, mein Freund. Genug -an dem -- ich bin es nicht allein, die sich über diesen Fall freuen -wird...“ - -„Und,“ fragte nach einigem Sinnen Alexander: „wird das Spiel, von dem -Du sprichst, bald beginnen?..“ - -„Es nimmt mit dem morgigen Tage seinen Anfang. Du weißt, wir sind -morgen bei der Generalin E--z. Es ist ihr Tag.“ - -„So wird also auch der Chevalier dort sein?“ - -„Ohne Zweifel -- und auch die Halderstein wird nicht fehlen....“ - -„-- Ich weiß genug!“ sagte er zu sich. -- -- Er verließ seinen Platz, -umarmte Cölestine und empfahl sich ihr. - -„Wohin so eilig?“ fragte sie. - -„Eine wichtige Angelegenheit ruft mich nach der Stadt.“ - -„Wirst Du heute nicht mit mir frühstücken?“ - -„Ich habe dies bereits allein auf meinem Arbeitszimmer gethan.“ - -„So geh mit Gott und komme bald zurück!“ - -„Sehr bald, liebe Cölestine.“ Er war bereits an der Thür, als sie ihn -noch einmal zurückrief -- ihn umfing, leidenschaftlich mit Küssen -bedeckte und dann mit den Worten zärtlich fortstieß: „Jetzt gehe!“ --- Sie wandte sich von ihm ab -- gleichsam um sein Scheiden nicht zu -sehen. Er aber draußen vor der Thür schüttelte das Haupt, sein Gesicht -verfinsterte sich und wild rief er aus: „O schändlich! schändlich! -- --- und dies Alles ist Lüge..... Falschheit...... Betrug!...“ - - - - -Fünfzehntes Kapitel. - -Abend und Nacht. - - -Viel beschäftigte den Grafen A--x der Gedanke, wer jener geheimnißvolle -Unbekannte sein könne, der wie ein Schatten ihm auf allen Wegen zu -folgen schien, um sich von Zeit zu Zeit zu verkörpern und Warnungen -zuzurufen, für welche er ihm bis jetzt noch stets dankbar sein -zu müssen glaubte -- und welche Warnungen diesen mysteriösen, -geisterhaften Freund zu seinem Schutzgeiste erhoben. -- Bisweilen -redete er sich vor, eine Stimme seines eigenen Innern ertheile ihm -diese Nachrichten -- oder, was dasselbe ist, es seien Ahnungen, die auf -solche Weise zu ihm sprächen. -- Genug an dem, wegläugnen ließ sich -diese Erscheinung, so geheimnißvoll sie auch war, keineswegs.... eben -so wenig, wie die Wahrhaftigkeit in ihren Worten. -- Auch gehörte der -Graf nicht zu jenen hausbackenen Flachköpfen, die dasjenige, was sie -nicht begreifen können, kurzweg läugnen... und nach deren Meinung es in -der Welt nichts geben kann, was nicht mit ihrer armen Alltagsweisheit -übereinstimmt; Menschen, die da glauben, Alles müsse sich mit den -Händen greifen und mit den Augen, über welche eine zwei Linien breite -Hornhaut einen ewigen Schleier legen kann, sehen lassen.... arme -bedauernswürdige Tröpfe, die, gleich den Kindern, welche die Meinung -hegen, außer ihrem Dorfe gebe es weiter keins mehr in der Welt, ihre -fünf Sinne für das einzige Medium halten, wodurch sie mit dem Universum -in Verbindung treten... weil sie von dem sechsten und siebenten -göttlicheren Sinn, der im Hirne und in der Brust wohnt, keine Ahnung -haben.... - -Zu diesen spaßhaften Leuten gehörte Graf A--x keineswegs. Nicht daß wir -ihm hieraus ein Verdienst machen wollten; in unseren Tagen ist man, -Dank den ewigen, Alles wieder zu sich selbst zurückführenden, Gesetzen -der Natur -- nachdem man sich am schöngedrechselten Springbrunnen -der Philosophie hinlänglich vollgetrunken hatte und nun sah, daß es -doch nur Wasser war -- wieder zu dem einfachen Felsenquell der Natur -zurückgekehrt, dessen geheimes Herkommen, dessen sanftes Rauschen uns -so Manches erzählt, wovon jene künstlichen Wasserbogen nichts sagen -können. Wir sind, sage ich, auf unserer zirkelförmigen Wanderung, von -traurigem Halbwissen endlich zu einem glaubensvollen höhern Anschauen -gelangt... - -Wer war aber jener Warner, falls es ein Mensch wie der Graf selbst war? -Er wußte Keinen zu nennen -- er kannte Niemand, den er fähig hielt, -ein so seltsames und edles Amt bei ihm zu übernehmen. -- Nach einigem -Nachdenken mußte Alexander seine Forschung völlig einstellen; auch -gestehen wir in seinem Namen, diese Sache schien ihm nicht wichtig -genug, um sein Augenmerk von einer weit größern lange abzulenken. -Welche dieses war, begreifen wir: es war der Gedanke, es war der -Schmerz seiner liebenden Seele. - -So ungeduldig kann der Räuber hinter einem Felsenvorsprung auf einen -die Straße herabkommenden Reisenden nicht warten, um ihm Geld, Glück, -Leben und vielleicht den Himmel zu rauben, wie Alexander des morgigen -Abends harrte, an welchem er doch -- wie er mit Gewißheit annahm -- -Alles dieses selbst verlieren sollte. -- Er glaubte vor Sehnsucht, vor -Erwartung rasend zu werden.... die Stunden rollten so unerbittlich -gemessen dahin... ihm schien es, als sei jede der doppelte Inbegriff -aller früheren. -- - -Endlich brach die entscheidende an. -- Es war um neun Uhr Abends, -als der Bediente eintrat, meldend, daß die Equipage bereit stehe. -Alexander war im Zimmer wild auf und niedergerannt, er stieß gegen -jeden Gegenstand an, ohne es zu wissen, und beinahe hätte er auch seine -Frau, die eben in diesem Augenblick von ihrer Toilette zurückkehrte, -niedergeworfen. - -„Mein Gott, Alexander, was ist Dir denn?“ redete ihn Cölestine an, -nachdem der Lakai das Zimmer verlassen hatte: „Ueberhaupt kommst Du mir -seit einiger Zeit so sonderbar vor -- -- Du bist nicht traurig, bist -aber auch nicht heiter, und wenn Du lachst, scheint es beinahe, als ob -Du Dich dazu zwingen wolltest....“ - -„Meine gewöhnlichen Anfälle -- -- krankhafte Reizungen -- Du kennst -diesen Zustand bei mir; also bringen wir denselben nicht neuerdings -zur Sprache...“ versetzte er, indem er ein Paar Handschuhe anzog; den -Hut ergreifend fragte er dann: „Bist Du bereit, Cölestine? Können wir -gehen?“ - -„Wenn es Dir gefällt!“ sie legte ihren Arm in den seinen und ging mit -ihm die Treppe hinab.... - -Sie saßen neben einander in einem weiten Batard, und da es überdies -auf den Straßen bereits ganz dunkel war, konnte Cölestine sich ihrem -Manne ungesehen nähern; sie ergriff seine Hand mit ihren beiden: -„Alexander,“ sagte sie mit sanft einschmeichelnder Stimme: „Was hast -Du? Es ist nicht Alles so, wie Du mir sagtest. Deine düstere Stimmung -hat einen andern Grund.... Alexander!“ wiederholte sie mit rührender -Stimme: „soll ich denn Deine Liebe verloren haben -- daß Du gar nicht -sprichst?“ - -Dies indeß bewog ihn keineswegs zur Aenderung seines Entschlusses. -Wirklich ließ er seine Gemahlin heute und in diesem Augenblick mehr als -je eine Kälte, eine Theilnahmlosigkeit fühlen, an welche sie noch nicht -gewöhnt war. -- Er redete auch nur wenig zu ihr -- er beschränkte sich -auf die kürzeste Beantwortung ihrer Fragen, durch +Ja+ oder +Nein+. - -„Es ist gleichwohl möglich,“ sagte sie zu sich, -- „daß dieser Trübsinn -aus der alten Quelle entspringt. -- Und so wird er durch Geduld allein -zu bannen sein....“ - -In diesem Augenblick blieb der Wagen stehen, er war vor dem Hause der -Generalin E--z angekommen. -- - -Einsilbig, wie man eingestiegen, verließ man den Wagen und begab sich -durch ein hellerleuchtetes Portal zum Saale hinauf. Die Gesellschaft, -welche sich hier versammelte, war nicht außerordentlich zahlreich, -aber man konnte sie eine gewählte nennen. Die Generalin E--z, alt und -ohne Kinder, ohne Erben, verwendete ihr ziemlich ansehnliches Vermögen -darauf, ihren Freunden und dadurch sich selbst Vergnügen zu bereiten. --- Bei ihr fand man Alles, wornach einer zerstreuungssüchtigen -Seele verlangt: die trefflichsten Concerte, Theater, Bälle, -literarisch-artistische Matinées u. s. w. u. s. w. Im Sommer wurden -kurze Ausflüge nach ihren Landsitzen -- im Winter auf diesen echt -russische Divertissements: Schlittagen, Rutschpartien und was weiß ich -sonst noch, veranstaltet... Hierbei machte dann, da die Frau vom Hause -zu einer Glanzrolle dieser Art nicht mehr taugte, stets eine ihrer -jüngern Freundinnen die Honneurs, und so kam es, daß ihr Haus in der -That unter die besuchtesten gehörte... - -Als Cölestine mit ihrem Gemahl eintrat, wurde sie von der Matrone und -der Gräfin Wollheim mit jener Auszeichnung empfangen, die man einer -jungen Frau, welche in dieser Eigenschaft zum ersten Male unser Haus -besucht, immer zu Theil werden läßt. Wie Alexander bemerkte, so war der -Chevalier von Marsan schon hier -- er stand nach seiner Gewohnheit an -der Seite Edmunds und zwischen mehreren Herren, die irgend eine Debatte -führten. -- Der Chevalier hatte ihn fast in demselben Augenblicke -wahrgenommen, und es wäre für einen Psychologen interessant gewesen, -diesen heftigen und völlig naturgesetzlichen Moment: das Zusammenfahren -zweier feindlicher Elemente, die sich gleich darauf wieder abstoßen, zu -beobachten. - -Diese zwei Menschen verstanden sich schon vollkommen, sie lasen -einer in des andern Seele. Auf ihren beiden Gesichtern spielte ein -geringschätzendes Lächeln -- und in ihren Augen blitzte das Feuer des -Zornes.... Aber als jetzt Alexander nothgedrungen seine Schritte neben -dem Chevalier vorbei lenken mußte, grüßte dieser artig und als ein Mann -von Welt -- während jener es nicht überwinden konnte, diese Eigenschaft -völlig zu verläugnen -- tyrannisirt von der tödtlichen Eifersucht und -dem tödtlichen Rachedurst eines betrogenen Ehemanns. -- - -Ach, es ist leichter zu hoffen, zu besitzen -- als zu verlieren! - -Cölestine war bei ihren Freundinnen zurückgeblieben und eilte nun, sich -ihrer Mutter, die auch zugegen war, in die Arme zu werfen... Aber ihr -Blick folgte von Zeit zu Zeit dem Grafen; wie erschrak sie, als sie ihn -jetzt nicht weit von dem Chevalier stehen und diesen mit Blicken und -Mienen durchbohren sah...... In einem Augenblicke wurde ihr so Vieles -klar. Sie glaubte nun den wahren Ursprung von ihres Mannes Gram zu -kennen.... Aber welches Entsetzen faßte sie, als sie in dem nämlichen -Augenblicke den Chevalier seinen Platz verlassen und ihn mit Edmund -auf sich zukommen sah. -- Wenig fehlte und sie wäre umgesunken; sie -zitterte an allen Gliedern -- diese schienen gelähmt. Sie mußte sich -niederlassen und empfing so, mit farblosem Angesichte, die Huldigung -der zwei Herren. -- - -Als jetzt ihr Auge wieder Alexander aufsuchte, sah sie, wie dessen -Miene sich zu einem gräßlichen, grinsenden Lachen verzog, während sein -Haupt fast unmerklich nickte, -- gleichsam als wollte er sagen: „Also -so? Es ist gut! --“ - -Kaum hatte sie dies erblickt, als sie Marsan, der sie in ein längeres -Gespräch verflechten zu wollen schien, ohne ihn ausreden zu lassen --- rasch und gegen die bisher in allen Gesellschaften herrschende -Gewohnheit, verließ -- und sich, so schwach sie war, einige Schritte -weiter zur Generalin E--z begab, an deren Seite sie Platz nahm... - -Marsan schien bei diesem Impromptu einen Augenblick überrascht, -sogleich aber faßte er sich wieder und lachte vor sich hin: „Ach, meine -reizende Kleine -- das war ein Meisterstreich, den Sie da Ihrem Herrn -Gemahle spielten!... Freilich etwas ungewöhnlich, aber eben darum um so -eher geeignet, ihm Sand in die Augen zu streuen...“ - -Dieser Alexander hingegen zuckte dabei mit den Achseln und sagte: -„Der Kunstgriff ist so plump, daß Du mich fast dauerst, armes Weib! -Elendes Weib!“ setzte er zähneknirschend hinzu. Sodann mischte er sich -unter eine Gesellschaft, nahm an Allem Theil, was um ihn vorging -- -ließ sich jedoch vermöge seiner Kunst des Beobachtens, worin er sich -ununterbrochen übte, keine Bewegung Cölestinens entgehen. -- - -Der Chevalier hatte sich ebenfalls auf einen andern Punkt begeben und -schien schnell den ganzen früheren Vorfall vergessen zu haben, denn mit -aller Unbefangenheit und mit dem feinsten Takte eines Mannes, der zwar -Geist und Liebenswürdigkeit, aber kein Herz besitzt -- begann dieser -glänzende Salonsmann sich mit einem Kreis von Damen zu beschäftigen, -die ihn gewiß nicht mehr interessirten, als alle jene Schönheiten der -Welt, die er noch mit keinem Auge geschaut. Aber Alexander meinte: -„Alles das gehört zu seiner Rolle... Alles das ist schon abgekartet -gewesen, bevor wir noch in diesen Salon traten. -- Wo aber ist jene -Baronesse von Halderstein, um derentwillen Marsan eigentlich erschienen -sein soll? Ich sehe sie nirgends. -- Und Cölestine wußte es doch so -gewiß, daß dieselbe hier zugegen sein werde.... Es handelt sich um -nichts anderes, als die beiden sich vis à vis zu bringen.... Hahaha, -- -Um nichts anderes -- nein, um gar nichts sonst! -- --“ - -Eine sonderbare Unruhe war heute an Edmund von Randow sichtbar. -- Er -hatte Marsan seit jenem letzten Impromptu verlassen und schien deutlich -eine Gelegenheit zu suchen, mit seiner Schwester insgeheim zu reden. -Er hatte ihr bereits mehrere Winke gegeben -- er hatte sich ihr schon -einigemal genähert -- sie jedoch schien das Alles nicht zu beachten, -oder vielmehr, sie vermied absichtlich das Zusammentreffen mit ihm; -ohne Zweifel weil sie, die bereits hinlänglich gelesen hatte auf dem -Gesichte ihres Mannes, fürchtete, hierdurch dessen Verdacht noch zu -nähren. -- Die Angst Cölestinens läßt sich nicht beschreiben... - -Sie hatte Recht. Selbst dieses Letztere entging den Argusblicken -Alexanders nicht: „Dort,“ sprach er, indem er auf Edmund sah, „geht der -Busenfreund, der Abgesandte ihres Geliebten, um ihr das zu sagen, wozu -für ihn die Gelegenheit nicht günstig ist. O, nicht umsonst hat mein -ahnendes Herz diesen Menschen, der sich ihren Bruder nennt, vom ersten -Augenblick an gehaßt.“ - -Die Qual des armen Grafen ward jetzt auch noch durch seine Umgebung -erhöht. Da man nämlich am andern Ende des Salons begann, Musik zu -machen (+Parish-Alvar+’s hatte unschuldigerweise eine neue Terzett- -und Quartett-Epoche heraufbeschworen) -- beschloß unser guter Freund, -der Herr von +Porgenau+, welcher sich an diesem Ende befand, die -Gesellschaft hier zu entschädigen, indem er anfing, haarsträubende -Witze zu machen, nachdem er natürlich zuvor auf haarsträubende Weise -pränumerando gelacht hatte: - -„Wissen Sie, meine Freunde,“ sagte er: „wie viele Dinge -- hahahaha! --- die Franzosen bei ihrem Kriege -- hahahaha! in Algier brauchen... -hahahaha! hahahaha!“ - -Alles schwieg. Einige, die Herrn von Porgenau noch nicht kannten, -erwarteten hier etwas ganz Besonderes zu hören. - -„Sie wissen also nicht -- wie viele Dinge -- hahaha! die Franzosen dort -brauchen -- -- um hahaha! -- sicher zu reussiren?...“ - -„Nein, nein!“ versetzten jene Neulinge. - -„Nun,“ antwortete Porgenau -- -- „aber -- hahahaha! hahahaha! er ist -wirklich zu gut dieser Einfall... hahaha! ich kann ihn vor Lachen kaum -von mir geben...“ - -„Die Franzosen brauchen,“ sagte er einigermaßen gefaßt: „drei Dinge: -Erstens:“ - -Aber in diesem Augenblick platzte die Gemahlin des Bonmotisten, die -natürlicherweise in seiner Nähe saß, um ihr Amt zu verwalten, in ein so -markerschütterndes Wiehern (Lachen konnte man’s nicht nennen) aus, daß -selbst ihr Mann erstaunte. - -Endlich hörte ihr Wiehern auf. Aber ein neues Hinderniß trat ein, nun -begann wieder er zu lachen -- und dieses abwechselnde ehelich-zärtliche -Anticipations-Gelächter dauerte so lange, daß sich schon einige -Personen erhoben -- -- da schrie Porgenau laut auf: „Sie können nicht -fortgehen, bevor Sie nicht meine drei Kriegsbedingungen gehört haben. -Also zum Kriege brauchen die Franzosen: 1tens Geld, 2tens Geld und -3tens -- -- was glauben Sie wohl, was wird das sein? -- Ebenfalls Geld! --- hahahahahahahahahahahahaha!! --“ - -(Aus Mangel an Raum geben wir nur -- wie Handlungsreisende -- eine -Probe dieses Lachens, welches nach genauer Berechnung zwei und eine -halbe Meile lang wäre, falls man es ganz niederschreiben wollte.) - -Das war zu schauderhaft. Auch die Geduldigsten und die Trägsten von -den Umstehenden hielten es in der Nähe Porgenau’s nicht länger aus -- -Alles verließ seine Plätze. Da rief er in edlem Unwillen ihnen nach: -„So! Sie gehen, meine Herren? --“ Und sich umwendend, bemerkte er -gegen seine Frau, der noch immer alle Muskeln des Gesichts krampfhaft -manoeuvrirten: „Die Undankbaren! Nachdem man ihnen seine Ideen -mitgetheilt hat -- suchen sie das Weite, um damit zu wuchern!“ - -Unter den Zweien oder Dreien, welche zurück blieben, befand sich auch -Alexander. An ihn hielt sich nun Porgenau vorzüglich und fragte den -düster vor sich Hinstarrenden --: „Nun, liebster Graf -- es freut mich, -Sie bei mir behalten zu haben. -- Was sagen Sie zu der Aufführung der -übrigen Herrn? -- Abscheulich, nicht wahr? -- Allein ich will mir’s -auch merken. Künftig sollen meine Bonmots nur Ihnen, lieber Freund, und -diesen zwei, drei Herrn hier mitgetheilt werden. Und zum Beweis wollen -wir gleich jetzt den Anfang machen....“ Er gab seiner Frau einen Wink; -sie fing wieder an zu wiehern... - -„Was meinen Sie,“ sagte er -- „-- ich werde Ihren Scharfsinn, lieber -A--x, ein wenig auf die Probe stellen... Sie werden ohne Zweifel -glänzend bestehen. Also sagen Sie mir gefälligst, welcher +Nuß+ -haben die Alten göttliche Ehren erwiesen? -- hahahaha! hahaha! -- --“ -Er hielt ein wenig inne und gab seiner Frau ein Zeichen, worauf auch -sie schwieg. - -Es erfolgte jedoch keine Antwort. - -„Nicht wahr?“ begann Porgenau nach einer Pause -- „nicht wahr? -- -hahahaha...“ - -Jetzt platzte auch seine Dame wieder aus... - -„Nicht wahr -- das ist ein göttliches Wortspiel! -- hahaha! -- O -- ich -habe hundert ähnliche alle Tage erfunden -- hahaha! hahaha! -- Bei mir -kommen die Wortspiele, Bonmots und geistreichen Einfälle wie im Sommer -die Frösche -- hahaha, auch wieder ein guter Vergleich! -- -- Also noch -einmal, bester Graf: Welches war die Nuß, der die Alten -- --“ - -In diesem Augenblicke sprang Alexander plötzlich auf und eilte davon --- im Nu war er vor den Augen des großen Witzboldes verschwunden, -welcher, nachdem er sich von der ersten Ueberraschung erholt hatte, -ausrief: „Ach -- Sie entwischen, lieber Graf? Das ist ein alter Kniff. -Sie schämen sich, das Räthsel nicht auflösen zu können -- -- hahaha! -hahaha! -- --“ Und zu den drei Letzten des Platzes, die seit einiger -Zeit sich unter dem Einflusse seiner Unterhaltung einem köstlichen -Schlummer ergeben hatten, rief er: „Nun -- ich will Sie nicht länger -warten lassen, meine Herrn -- -- Jene Nuß, der die Alten göttliche Ehre -erwiesen, war -- -- hahahahahahahahahaha u. s. w. es war: _Venus!_ - -Hahahahahahaha -- -- -- -- u. s. w.“ - -(Das Schlußgewieher der Ehehälfte läßt sich typographisch nicht -darstellen; es fehlen im Setzkasten die Zeichen dafür.) - -Jetzt erst bemerkte Porgenau den Zustand der Drei. „O!“ sprach er: -„meine Freunde, Sie stellen sich, als ob Sie schliefen!... Hahaha! -- -Wieder ein neuer Kniff! Doch auch er ist mir bekannt: Sie fürchten, daß -ich Ihnen einen neuen Calembour aufgeben würde -- den Sie nicht lösen -könnten... Fürchten Sie nichts, fürchten Sie nichts! Ich weiß, was ich -echten Freunden schuldig bin... wiewohl +Schuldner ein schlechtes -Gedächtniß haben+.... hahaha! hahaha! Wieder ein Witz! hahaha! -wieder ein Witz!“ - -Wir wenden uns von dieser _partie honteuse_ der Gesellschaft -unseres Salons ab, um zu einer interessanteren zu eilen. -- Als -Alexander so plötzlich seinen Sitz neben dem unglückseligen Porgenau -verlassen hatte, war dies auf eine Veranlassung geschehen, welche hier -näher beschrieben werden muß. Wir wissen, daß Alexander ununterbrochen -seine Frau sowohl wie ihren Bruder und den Chevalier im Auge behielt; -wir wissen ferner auch, daß Cölestine, als wir zuletzt von ihr gingen, -von Edmund, welcher sie durchaus zu sprechen verlangte, auf alle -mögliche Weise verfolgt ward. Sie hatte diesen Aufforderungen bisher -hartnäckig widerstanden -- indem sie dieselben durchaus nicht zu -verstehen schien.... sie war, bald dadurch, daß sie sich abwendete, -bald dadurch, daß sie mit irgend einer Dame sich in ein Gespräch -einließ -- bald durch die Aufmerksamkeit, die sie der Musik schenkte --- dem Andringen ihres Bruders entgangen. -- Dieser schien darüber in -Verzweiflung -- er hatte sich bereits vorgenommen, Cölestinen geradezu -entgegenzutreten -- bald jedoch verließ ihn der Muth -- und er stand -einige Augenblicke in kläglichem Zorne, stumm an die Wand gelehnt. Ein -leichter Schlag weckte ihn aus seinem Trübsinn -- es war Marsan. - -„Ah!“ rief Edmund so laut, daß seine Stimme bis zu Alexander drang -- -„Sie sehen, guter Marsan -- es ist umsonst!“ - -Mehr hatte Alexander nicht vernommen; dies aber war für ihn genug, -um, wie wir wissen, gleich einem Wahnsinnigen von seinem Sitze -aufzuspringen -- und die Nähe der Zwei aufzusuchen, welche er behorchen -wollte. Zum Glück boten die Draperien des Salons an dieser Stelle einen -vortrefflichen Schlupfwinkel und der Ehemann eilte, davon Gebrauch zu -machen. Er hörte -- freilich hatte er jedoch den Anfang ihres Gesprächs -versäumt -- Folgendes: - -„Aber -- es ist mir unerklärlich, daß Ihre Schwester Sie durchaus -nicht hören will....“ sagte Marsan; „bei mir freilich ist das eine -andere Sache -- -- sie hat Rücksichten auf den Narren, ihren Mann, zu -nehmen!...“ - -„Sagen Sie lieber -- den Elenden!“ versetzte Edmund: „dieser Mensch -hat sie gegen mich aufgehetzt -- es ist klar. Doch ich will ihm das -entgelten....“ - -„Ja, ja -- wir wollen es gemeinschaftlich thun, mein Freund! -- Also -sie will Ihnen die ersehnte Gelegenheit durchaus nicht gewähren, -Edmund? -- Nun, wissen Sie was? -- Dringen Sie jetzt nicht weiter -in sie.... Man darf es mit dem Narren Alexander nicht vorzeitig -verderben.... Zwar übt er durchaus keine Macht auf sie aus... allein -da er fähig ist, einen öffentlichen Skandal zu provociren, so muß man -Cölestinen wenigstens in seiner Gegenwart schonen.... Befolgen Sie also -die Regel, die ich Ihnen vorhin gegeben habe.... Ach!“ rief mit einem -Male der Chevalier aus: „jetzt ist die Zeit dazu -- der Narr Alexander -ist nirgends zu sehen -- er muß den Saal verlassen haben.“ - -„Bei Gott, Sie haben Recht -- Marsan!“ versetzte der Jüngling: „Ha! -sehen Sie doch -- -- Cölestine blickt überall herum -- sie scheint -dieselbe Entdeckung gemacht zu haben.... sie sieht den Tyrannen nicht --- -- -- jetzt giebt sie mir einen Wink! Ich eile zu ihr!“ - -Hier hörte das Gespräch auf; die zwei Freunde verließen rasch den -Platz. -- Aber sie waren nicht rascher, wie der Gatte, welcher über -das, was er so eben gehört hatte, entsetzt aus seinem Hinterhalte -hervor eilte, um den Zweien nachzugehen. -- Beim ersten Schritte -jedoch schon blieb er stehen; Cölestine hatte in dem Momente, wo sie -im Begriffe war, sich mit ihrem Bruder in ein Fenster zurückzuziehen --- ihn erblickt und war rasch umgekehrt -- indem sie sich auf eine -Ottomane warf.... - -Ihr Mann aber zog sich mit einem schweren, tiefen Seufzer zurück -- in -ein anstoßendes Kabinet. Doch konnte er noch, als er an der Thür sich -umwandte, sehen, wie sowohl Marsan als Edmund mit kühnem Schritt sich -abermals Cölestinen näherten -- und sie jetzt anredeten. - -„Aber, meine Freundin, ich versichere Ihnen -- dieser Verein unserer -Damen hat keinen andern Zweck -- als Aufsehen zu erregen, und dann -noch einen, welchen ich schon einmal angedeutet und hier, vor dieser -Gesellschaft nicht wiederholen will....“ - -„Nein, nein, meine Liebe -- Sie irren sich wirklich, Sie thun uns Allen -so bitteres Unrecht.“ - -„Wem ist das größte geschehen?“ rief das Stiftsfräulein aus und öffnete -dabei ihren zahnlosen Mund so gewaltig, daß man, wie am Rande eines -Precipisses in der Schweiz, den Schwindel bekam -- --: „Ist es nicht -etwa mir geschehen? -- Mir, mir, die so viele menschenfreundliche Plane -hegte -- mir, die den Frauenverein zu einer respektableren Bedeutung -führen wollte -- mir, der Erfinderin jener Composition und jener -Schlösser, jener Ketten -- jener Fangeisen....“ - -„Freilich, freilich, es war nicht wohlgethan, Sie, beste Freundin, so -zu behandeln, wie geschehen ist,“ erwiederte Gräfin von Wollheim.... -„man hat sich übernommen, man war zu strenge -- man -- --“ - -„Wie? man war zu strenge?!“ schrie die verkannte Edle, auf das Wort -„zu“ ein Gewicht legend.... „Was hatte man für ein Recht, +strenge+ zu -sein gegen mich? -- Gegen mich, ein Mitglied, welches sich rühmen kann, -zeitlebens für die Tugend, die Sittsamkeit, die Menschenfreundlichkeit -und für das Menschenwohl im Allgemeinen gelebt zu haben..? -- für mich, -die Erfinderin -- die Entdeckerin so vieler vortrefflicher Dinge, -welche ich alle hier nicht aufzuzählen brauche, da man dieselben -hinlänglich kennt!... Oder wie, kennt man sie nicht, die Fußangeln! die -Daumenschrauben? -- --“ - -Mehrere von den buckligen und liebenswürdigen Zuhörerinnen (wir wissen, -daß das Fräulein ihr eigenes Auditorium hatte) hielten sich hier die -Ohren zu; selbst ihnen, die doch an Humanität auf gleicher Stufe mit -ihr standen -- wurde es endlich zu arg. - -„Es ist indeß, wie ich Ihnen vorhin sagte, Hoffnung vorhanden, daß Ihr -Wiedereintritt in den Verein nicht länger beanständigt werden wird, -beste Bomben!“ nahm die Gräfin das Wort. - -„Ich habe Ihnen gleichfalls bemerkt,“ erwiederte diese aufgebracht -- -„daß ich das nicht annehmen werde! Mich, mich soll man nie mehr -- ich -hab’s geschworen! -- in einem Vereine sehen, dessen geheimer Zweck -darin besteht -- -- hübsche Bauernbursche --“ - -Hier hielten sich die Zuhörerinnen abermals die Ohren zu, und die -Wollheim wandte sich mit gefalteten Händen an die Rednerin: „Um -Gotteswillen -- nicht weiter, meine Freundin! Was denken Sie? Wenn -diese Worte zur Kenntniß des Vereins kommen sollten!... des Vereins, -der Sie ohne Zweifel wieder in seine Mitte zurückrufen wird...“ - -„Aber ich wiederhole zum hundertsten Male: daß ich nichts mehr mit -diesem Vereine zu thun haben will. Ich bin hierzu viel zu moralisch! --- Hinfort soll es mein Beruf nur sein: mich dem saubern Vereine -+entgegenzustellen+... ihn zu bekämpfen... ihn zu ruiniren..... -Oh! Oh!“ schäumte sie: „Wenn ich schon Nero’s Schwert nicht besitzen -kann, um diesem hübschen Damenkranz mit einem Hiebe die Köpfe -abzuschlagen.... so möchte ich doch wenigstens das Gift der +Lukretia -Borgia+ haben -- -- -- --“ Hier hielt die genügsame Dame plötzlich -inne, gemahnt ohne Zweifel von der Erinnerung, daß wir in dieser -verderbten Welt auch eine Polizei haben.... - -Die buckligen und anderen Zuhörerinnen aber erhoben sich, und ohne ein -Wort zu sprechen, verließen sie die Aspirantin des Giftes der Borgia -- - -Es mußte wirklich bis zu einem solchen Punkte kommen, um diese Damen zu -vertreiben. -- - -Allein Gräfin Wollheim überdauerte sie alle, vermöge ihrer -Gutmüthigkeit und einer Leidenschaft für Strumpfgespräche, die beide, -seit die Welt steht, noch nicht da waren. - -Indessen, als diese Episoden sich hier zutrugen, rollte anderwärts die -Haupthandlung des Abends in ununterbrochener Gleichförmigkeit fort. -Die Musik war zu Ende -- d. h. jenes Harfenterzett oder Quartett, von -dem wir oben gesprochen haben. Jetzt -- sollte etwas Neues kommen; -eine große brillante Arie aus der jüngsten Oper Donizetti’s, dieses -Lieblings der Musen, der es bleiben wird, mögen seine nordischen -Eiferer und Geiferer sich und ihre traurigen Federn noch so vollsaugen -mit Gift und Galle.[F] -- Da die Arie, welche wir meinen, von einer -sehr berühmten Dilettantin (Fräulein von G--e--) gesungen wurde, so -widmete man derselben die größte Aufmerksamkeit, und einige Augenblicke -schien der Geist dieser Versammlung sich nur um die Sängerin zu -concentriren. -- Dies schien jedoch blos so. Es mochten in so manchen -Herzen Dinge vorgehen, die keinen Bezug auf die schöne Sängerin hatten, -wiewohl man Blicke und Mienen nur auf sie richtete -- wiewohl man nur -zu athmen schien, um Worte des Beifalls für sie zu haben. Wo in aller -Welt wäre auch eine größere und tiefere Schauspielkunst zu finden, als -in den Kreisen jener Gesellschaft, die sich ausschließlich die gute -nennt? Mich dünkt -- es könnte hier Jemand wissen, daß die nächste -Minute die seines Todes sein werde, und er würde, in der vorhergehenden -zu einer Polonaise aufgefordert -- süß lächelnd entgegnen: „Mit dem -größten Vergnügen!“ - -Diesen Gesichtspunkt müssen wir im Auge behalten, um den Zustand, worin -sich in diesem Augenblick eine Person in diesem Salon befand, gehörig -zu würdigen. Da saß Cölestine, dieses schöne, junge, reizende Weib -und hörte stumm den Tönen der Musik zu. Auf ihrem blüthenreinen -- -aber auch blüthenbleichen Gesichte malte sich Aufmerksamkeit, Spannung -und tiefe Anschauung ab -- auf diesem Gesichte, worin sonst nur -Lust, Heiterkeit und schalkhafte Koketterie zu lesen war. Jene Mienen -schienen mit der herrlichen Musik im Zusammenhange zu stehen -- -- -aber auch hier können wir sagen: daß sie dieses blos +schienen+. -Dieses schwarze, glühende, jetzt durch den seidnen Vorhang der Wimpern -halbverdeckte Auge -- war zwar auf die Sängerin gerichtet; es sah -jedoch nichts von ihr, es sah in sich selbst zurück, in die eigene -Brust sah es hinein... - -Welche mochten die Gedanken sein, die in dieser Brust sich drängten? --- denn sie war voll, überfüllt davon -- so daß sie zu überfließen -schienen, wie ein allzu voller Becher: O hätte sie das wohl vor -einigen Monaten geahnt -- in jener Zeit, als sie ihrem Manne aus -inniger Zuneigung die Hand reichte? -- Ach, damals kannte sie ihn noch -nicht! Sie träumte damals von paradiesischen Tagen und hesperidischen -Nächten... dies war nun vorbei.... es schien ein Wahn, eine -Seifenblase... - -Cölestine warf, wie von einem plötzlichen Gedanken beunruhigt, ihren -Blick jetzt wieder im Saale umher.... da sah sie den Chevalier neben -Edmund, welcher sie erst vor Kurzem verlassen hatte, in einiger -Entfernung, an der entgegengesetzten Wand stehen -- und Marsan schien -sie mit seinen Augen zu verschlingen... -- Er wollte sich ihr schon -wieder nähern -- -- da winkte sie ihm flehend mit beiden Händen.... und -er blieb. -- - --- Diese ganze Scene aber hatte Alexander wieder aus dem Nebenzimmer -beobachtet. Noch sah er, daß Edmund versteckt ein Zeichen mit der Hand -machte, wobei zwei Finger ausgestreckt waren, wie man die zweite Stunde -zu bezeichnen pflegt. -- - -Der unglückliche Ehemann rief mit Thränen in den Augen vor sich: „Das -ist eine Bestellung -- um 2 Uhr! Ein Kind müßte es begreifen.“ - -Gleich darauf verließ Edmund sowohl wie der Chevalier den Saal und sie -waren hier heute nicht ferner zu sehen. -- - --- -- Mitternacht nahte heran, als man von allen Seiten sich zum -Aufbruch anschickte. -- Alexander erschien, um seine Frau wegzuführen; -Arm in Arm gelangten beide zu ihrem Wagen. Jedoch glaubte Alexander zu -bemerken, daß nicht nur der Arm, sondern der ganze Körper seiner Frau -von aller Kraft entblößt war. - -Man sprach sowohl beim Einsteigen als auch während der Fahrt kein Wort. -Nur in der Nähe ihrer Wohnung erst war es, wo Cölestine wie aus einem -tiefen Schlafe erwachte. „Ach! schon zu Hause?“ sagte sie, und er -erwiederte eintönig: „Schon zu Hause!“ Hierauf schwiegen sie wieder. Er -hob sie aus dem Wagen. -- Vor ihren Gemächern verabschiedete er sich -von ihr, indem er vorgab, diese Nacht in seinem Studierzimmer zubringen -zu wollen. - -„Wachend?“ fragte sie. - -„Nein, nein; im Schlafe!“ entgegnete er, ergriff ihre Hand, führte sie -zu seinen Lippen und wollte forteilen. Aber sie faßte ihn plötzlich, -zog ihn zurück, sah ihn einige Augenblicke stumm und mit einem -unbeschreiblichen Ausdruck von Schmerz an -- preßte sodann seine Hand -an ihr Herz und fragte endlich mit matter Stimme: „Warum willst Du -die Nacht so fern von mir zubringen, Alexander?“ Und als er schwieg, -fuhr sie fort: „Du zürnst mir, Du verdammst mich... Aber ein Gott ist -mein Zeuge, daß ich mir nichts vorzuwerfen habe! -- O Alexander, mein -Gemahl, ich liebe Dich so innig! Könntest Du in mein Herz sehen!“ - -Sie wollte noch weiter sprechen, er hatte sich jedoch bereits sachte -losgemacht, und noch ein Mal „Gute Nacht!“ wünschend, war er über den -Corridor verschwunden. -- - --- Er betrat, wie er gesagt hatte, sein Studierzimmer, schraubte die -Lampe, die hier bereits brannte, höher, warf einige Kleidungsstücke ab -und sich in seinen Schlafrock. Sodann verschloß er die Thür, ließ die -doppelten Rouleaux vor den Fenstern herab, setzte sich an den Tisch und -legte seine Taschenuhr, die sehr verläßlich war, vor sich nieder. -- - -Er zählte Minute um Minute; es war jetzt nahe an Eins. -- - -„Noch eine Stunde --“ murmelte er dumpf -- „dann ist die Betrügerin -entlarvt.... Ja, ich vertraue fest auf die Zeichen, welche ich sah, -und auf die Ahnung in meinem Innern, die mir zuflüstert, daß ich das -Schrecklichste erst jetzt sehen werde. -- -- O, mein Gott! womit habe -ich es verdient? -- Wesen, das Du voll Allmacht und Gerechtigkeit -thronst über uns -- wo sind hier die Spuren dieser Eigenschaften? -- -Was habe ich gethan? Ich habe dieses Weib geliebt wie das Blut meines -Herzens -- wie den Hauch meiner Seele.... und sie, sie vergiftete dafür -das erstere und erstickte diesen auf meuchlerische Weise. -- Soll das -die Dankbarkeit sein, welche Du Deinen Kreaturen einimpfest? dann -freilich entsprechen sie genau Deiner Liebe und Gerechtigkeit, deren -Ausfluß sie ja sein sollen.... Doch genug! -- Ich will harren und das -tödtliche Gift bis zum letzten Tropfen einschlürfen!.... Ich will die -Stunde erwarten.... sie ist nicht mehr fern.“ - -Er legte sein Haupt in die offene Hand, welche er auf den Tisch -stützte, und versank in einen Abgrund entsetzlicher Träume. Nur ein an -Allem, auch dem Letzten und Höchsten, Zweifelnder und Verzweifelnder -kann so träumen. - --- -- Endlich richtete er den Blick auf die Uhr. Der Zeiger stand -gerade auf Zwei. Wild fuhr er vom Sitze auf und rannte nach einem -Schranke, aus welchem er ein Kästchen von Sandelholz, mit Perlenmutter -und emaillirtem Silber ausgelegt, hervorholte. Er stellte es auf den -Tisch und schloß es auf. Zwei Paar Pistolen lagen darin, eine von ihnen -lud er und steckte sie zu sich -- dann stellte er das Kästchen wieder -an seinen Platz, löschte die Lampe aus und verließ das Zimmer. -- - -In dem Augenblicke, als er den Fuß vor die Thür setzte, fiel ihm ein, -daß er vielleicht gar zu spät kommen könnte. Er schalt sich, nicht -+vor+ der Stunde aufgebrochen zu sein, denn noch wußte er ja nicht -den Ort, an welchen er sich begeben sollte. - -Er sann einen Augenblick nach, dann ging er rasch, aber mit leisem -Schritte hinab zu dem Portier, weckte den guten Mann, der bereits -längst wohlgemuth in einem thurmhohen Federbette schnarchte, und fragte -ihn, ob er vor Mitternacht keine Person aus- oder eingehen gesehen -habe, die ihm verdächtig, unbekannt oder verkleidet schien. Der brave -Mann in seinem Federbette versetzte, daß ihm nichts dem Aehnliches -vorgekommen wäre. Schon wollte Alexander fortgehen -- als der brave -Mann aus seinem Federbette plötzlich auffuhr, rufend: „+Halt!+ -- -+gräfliche Gnaden verzeihen gehorsamst+ .... jetzt fällt mir ein -- -oder vielmehr es kommt mir so vor... als sei so zwischen 11 und 12 Uhr -ein Herr rasch hereintreten, durch den Thorweg geeilt -- und ehe ich -ihn anrufen konnte, im Hofe verschwunden. -- Leider ging die Hauptlampe -heute früher aus wie sonst -- -- und es war dort pechfinster, trotz der -andern kleinen Lämpchen, gräflichen Gnaden aufzuwarten. -- Ueberdies -dacht’ ich bei mir: wer weiß, wer der Herr ist! ’s kann auch Jemand -aus dem Hause sein; Nachts sind alle Kühe schwarz....“ So schloß der -Portier, welcher, wie man sieht, ein wahres Muster seiner Zunft war. -- - -Alexander aber war bereits fortgeeilt.... er schlug den Weg zum -Schlafzimmer seiner Frau ein. -- Ein wildes Fieber schüttelte seine -Glieder, als er hier anlangte. -- Er hatte bisher alle Thüren leise -geöffnet -- an diese legte er zuerst sein Ohr an, um zu horchen. - -Nichts war zu hören, auch nicht die Athemzüge einer Schlummernden. -- -Er trat vorsichtig ein, näherte sich dem Bette Cölestinens -- tastete --- -- fand es leer. - -Doch konnte nicht gezweifelt werden, daß sie noch kurz vorher darin -gelegen habe. -- Es war am untern Ende noch warm von den Füßen... - -Das Gefühl, welches bei dieser Entdeckung des Armen Herz durchschnitt, -ist nicht zu beschreiben. Er säumte jedoch nicht lange und ging -weiter. Wohin aber sollte er sich zuerst wenden? War sie nicht im -Schlafgemache, wohin sonst sollte sie sich zu dieser Stunde begeben -haben? -- Etwa aus dem Hause hinaus. Dies schien nicht wahrscheinlich --- und überdies stimmte diese Annahme nicht mit jener von dem Herrn -überein, in welchem Manne Alexander keinen Andern als den +Chevalier+ -vermuthete. Was -- vermuthete? -- +Wußte!+ muß gesagt werden; denn er -hätte für diese Ueberzeugung sein Leben hingegeben. -- - -Es fiel ihm ein, nach dem Arbeitszimmer seiner Frau zu gehen, da -dieses sehr einsam und mit den Fenstern nach dem Garten zu lag. Um -jedoch dahin zu gelangen, mußte er an Cölestinens Boudoir vorüber -gehen. Als er in dessen Nähe gelangte -- fiel ein Lichtschimmer nicht -größer als ein kurzer Seidenfaden auf einen seiner Füße -- -- es hätte -ein Blitzstrahl sein können, er hätte ihn nicht fester an den Platz -gebannt. -- Jetzt glaubte er ein heftiges Flüstern zu vernehmen -- das -mit einem Male abbrach -- und bald darauf wieder anhob -- sogar von -einem leisen Schluchzen unterbrochen. -- - -Er konnte nicht länger zweifeln. Dies hier war der Schauplatz des -Verbrechens. -- - -Vorsichtig trat er an die Thür des Boudoirs -- und versuchte durch’s -Schlüsselloch zu blicken -- -- aber in demselben Augenblick wurde im -Innern das Licht ausgelöscht. -- Er hatte jedoch mit dem letzten Blick -noch die Umrisse einer hohen eleganten Mannesgestalt, in einen langen -Oberrock gehüllt, erhascht. Das war hinreichend, hätte er übrigens auch -die letzten Worte, welche Jener mit gedämpfter Stimme sprach, nicht -gehört. Diese Worte lauteten: „Niemals, niemals werde ich dieser Stunde -vergessen, und was Du, Geliebte, in ihr für mich gewagt!“ -- - -Mehr konnte er nicht verstehen -- die Beiden hatten sich bereits in -einem der nächsten Gemächer verloren. -- - -Alexander vermuthete, daß Cölestine ihren Geliebten zuerst unten im -Garten abgeholt und sodann durch eine Reihe von Zimmern, also auf -Umwegen, hierher geführt habe. -- Seiner Berechnung nach, mochten -hierüber bis zum gegenwärtigen Augenblick eine und eine halbe Stunde -verflossen sein, denn es war jetzt ein Viertel auf vier Uhr. - -Er hatte von seiner Waffe keinen Gebrauch machen können und trat nun -den Rückweg nach seinem Arbeitszimmer an -- dumpf im Hirn, todt in der -Brust. - - - Ende des ersten Theiles. - - - - -Fußnoten: - -[A] Befehlen. - -[B] Man verzeihe es uns, wenn wir nicht im Stande sind, die klassische -Mundart der Dame in ursprünglicher Form wiederzugeben. - -[C] Man kennt diese und andere sinnreiche Werkzeuge, welche jene zwei -Tyrannen des Alterthums zum Verderben ihrer Opfer erfanden. - -[D] Trödler. - -[E] Meister Lips Firma, die über seiner Wohnung hing, lautete: -+Sophronias Lips+, +Wechsler+, +Antiquar+, +Juwelier und -Hühneraugen-Operateur+. - -[F] Es fallen mir hierbei Heine’s Worte ein, der den Feinden des -göttlichen +Rossini+ wünscht, daß sie verdammt sein sollen, nach dem -Tode in alle Ewigkeit +Bach’sche Fugen+ anzuhören. - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht - Erster Theil (von 2), by Julian Chownitz - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ERSTER THEIL *** - -***** This file should be named 53217-0.txt or 53217-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/2/1/53217/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Cölestine, oder der eheliche Verdacht; Erster Theil (von 2) - -Author: Julian Chownitz - -Release Date: October 5, 2016 [EBook #53217] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ERSTER THEIL *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1842 erschienenen -Ausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden -stillschweigend korrigiert.</p> - -<p class="p0">Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden -beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren -oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachliche Begriffe und Zitate -sowie eingedeutschte Fremdwörter wurden nicht korrigiert; einzelne -unleserliche Buchstaben wurden aber sinngemäß ergänzt.</p> - -<p class="p0">Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.</p> - -<p class="p0 ebnoshow">Im Original wurde die Seitennummer 43 versehentlich zwei Mal -vergeben. In der vorliegenden Fassung wurde dieser stattdessen die korrekte -Seitenzahl 45 zugewiesen.</p> - -<p class="p0 htmlnoshow"> Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät -installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten -Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos -als auch gesperrt erscheinen.</p> - -</div> - -<div class="front"> - -<h1><b>Cölestine,</b><br /> - -<span class="s6">oder</span><br /> - -<span class="s5">der eheliche Verdacht.</span></h1> - -<p class="center">Von</p> - -<p class="s3 center"><b>Julian Chownitz,</b></p> - -<p class="s5 center">Verfasser von: Moderne Liebe, Marie Capelle, Leontin,<br /> -Eugen Neuland, Geld und Herz, Heinrich von<br /> -Sternfels u. s. w.</p> - -<p class="s4 center padtop2"><b>Erster Theil.</b></p> - -<p class="s4 center padtop2">Mit 3 Illustrationen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="deko" name="deko"> - <img class="w50 mtop2 mbot2" src="images/deko.jpg" - alt="Dekoration" /></a> -</div> - -<p class="s4 center"><b>Leipzig,</b><br /> -Verlag von Franz Peter.</p> - -<hr class="r5" /> - -<p class="s3 center"><b>1842.</b></p> - -<p class="s5 center padtop5 break-before">Gedruckt bei -<em class="gesperrt">Friedrich Andrä</em>.</p> - -<p class="s4 center padtop5 break-before">Meinen Freunden</p> - -<p class="s3 center"><b>Carl Herloßsohn</b></p> - -<p class="s4 center">und</p> - -<p class="s3 center"><b>Eduard Maria Oettinger</b></p> - -<p class="s4 center">gewidmet.</p> - -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center">Inhaltsverzeichnis.</p> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Erstes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Eine Morgenszene auf dem Wasserglacis. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_3">3</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Zweites Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Cölestine von Randow und Alexander von A—x. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_31">31</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Drittes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Trauung. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_44">44</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Viertes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Der Hochzeitsball. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_55">55</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Fünftes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Einige Lebensszenen. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_85">85</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Sechstes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die ersten Tage eines jungen Ehepaars. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_113">113</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Siebentes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Ein <em class="antiqua">Tête à tête</em> — jedoch kein zärtliches. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_136">136</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Achtes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Der Chevalier von Marsan. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_155">155</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Neuntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Thorheiten der Welt und die Leidenschaften des Herzens. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_171">171</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Zehntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Ernste und heitere Zwischenszenen. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_195">195</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Elftes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die beiden Gatten und der Verdacht. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_231">231</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Zwölftes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Beweise der Untreue. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_261">261</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Dreizehntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Neue Proben — neue Beweise. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_285">285</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Vierzehntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Die Morgenszene nach dem vorigen Tage. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_322">322</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="knr" colspan="2"> - Fünfzehntes Kapitel. - </td> - </tr> - <tr> - <td class="kapitel"> - Abend und Nacht. - </td> - <td class="snr"> - <a href="#Seite_334">334</a> - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center padtop2 mbot1"><b>Cölestine,</b></p> - -<p class="s4 center mbot2">oder</p> - -<p class="s2 center mbot2"><b>der eheliche Verdacht.</b></p> - -</div> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[3]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Erstes_Kapitel"><b>Erstes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Eine Morgenszene auf dem Wasserglacis.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>ie Morgensonne leuchtete mit goldener Klarheit über der schönen und -großen Stadt Wien.</p> - -<p>Es ist das Wasserglacis wohin wir uns zum Eingange dieser Erzählung -versetzt sehen. Sie kennen doch das Wasserglacis, meine liebenswürdigen -Leserinnen, oder mindestens haben Sie davon bereits gehört; Sie wissen -also so viel als nöthig ist, nämlich: daß dieses Wasserglacis am -Morgen und Vormittags einen der lieblichsten, der herrlichsten Plätze -Wiens bildet — des Nachmittags und zur Abendzeit hingegen unter -die abscheulichen und vermeidenswerthen Punkte der großen deutschen -Metropole gehört — dies, meine holden Leserinnen, werden Sie wohl -schon gehört haben. — O schreckliche Wasserglacis-Nachmittage — -da sich dort parfumirte Ladendiener, geniale Vagabonden, gutmüthige -Limonade<span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[4]</a></span>trinker und buntbetakelte alte Kokotten versammeln, in deren -Reihen sich einige honette Menschen verirren, wie Fettaugen in eine -Gasthaussuppe! — Wie oft hat man das Wasserglacis mit dem Volksgarten -in eine Linie zu stellen versucht und diesen letzteren den Bruder von -jenem genannt! Ach, das war ein schmähliches Unrecht, welches man -dem ehrenwerthen Volksgarten anthat. In diesem hat zu jeder Zeit das -bessere — um nicht geradezu zu sagen: das edlere — Element überwogen, -was man vom Wasserglacis und dessen Abendunterhaltungen nicht sagen -kann — außer, wir wiederholen es, am Morgen und dann noch allenfalls -an gewissen Tagen, wenn nämlich von dem Entrepreneur eine Barriere rund -um den Platz herum gezogen wird, welches das einzige Mittel ist, (nicht -gewisse Leute abzuhalten, sondern) bessere Gesellschaft anzuziehen.</p> - -<p>Zur Zeit des Frühjahrs werden jeden Tag hübsche Konzerte auf dem -Wasserglacis abgehalten. Hieher strömen dann von der vornehmen und -mittleren Welt alle Diejenigen, welche eine Morgenpromenade machen, das -Frühstück im Freien nehmen, irgend eine Negotiation bei einem Glase<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[5]</a></span> -Champagner verrichten oder aber — jetzt hat dieser Ort sogar seine -ehrwürdige Seite — Mineralwasser trinken wollen, denn mit letzterem -Artikel ist man hier in allen Sorten versehen.</p> - -<p>— Es war an einem eben solchen Vormittage, als zwei Herren, deren -einer älter, der andere noch ein Jüngling war, in raschen Schritten -und eifrigem Gespräche sich dem Etablissement näherten und ungefähr -in der Mitte desselben an einem kleinen Tische Platz nahmen. Zufällig -oder absichtlich hatten sie sich in den am stärksten bevölkerten Theil -des Ortes begeben, was jedoch — sollte es mit Vorsatz geschehen sein -— nur durch den ältern Herrn bewirkt worden war, denn sein junger -Begleiter schien seit einigen Augenblicken in tiefes Nachsinnen zu -versinken.</p> - -<p>Um die Gestalt der Beiden zu schildern, werden wenige Striche genügen. -Der Aeltere, ein Mann von 50 bis 60 Jahren, ließ auf den ersten Anblick -merken, daß es ihm vor Allem darum zu thun sei, so jung als möglich zu -scheinen. Es war dies mit einem Worte einer jener greisen Stutzer und -Liebesritter, von welchen die Residenzen wimmeln — namentlich seit -dort die Schneider, die<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[6]</a></span> Friseure, die Zahnärzte und noch manche andere -Künstler so große Fortschritte in ihren resp. Fächern gemacht haben. -Unser alter Adonis war mittlerer Statur und ausnehmend wohlbeleibt, was -weder seinen engen Kleidern noch dem Gurte, welchen er merkbarer Weise -unter seinen Kleidern um die Taille oder vielmehr um den Bauch trug — -noch auch dem Mieder in seiner Weste gelang, zu verbergen. Sein Gesicht -glänzte von Gesundheit, Verliebtheit und jener Schlauheit — die sich -selbst betrügt; auf dem Kopfe trug er eine kostbare schwarze Perücke, -die von seinem rothen Gesichte abstach wie ein Rabe neben einem Papagei -— — welchen Kontrast unser Mann jedoch dadurch zu vermitteln suchte, -daß er seinen weißen Schnurbart (er trug einen Schnurbart!), und sogar -seine Augenbraunen schwarz färbte. Es läßt sich denken, daß er stets -nach der herrschenden Mode gekleidet war, auch Stock und Lorgnette -trug, letztere um jede Dame zu begucken, ersteren um seinem ein wenig -watschelnden Gange mehr Eleganz zu geben.</p> - -<p>Was den jungen Mann betrifft, so wird es hinreichen, einstweilen zu -bemerken, daß er ein<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[7]</a></span> schöner, schlanker, etwas bleicher Jüngling -war, an welchem man weder eine Tugend noch einen Fehler mehr bemerken -konnte, als an andern schönen, schlanken und bleichen Jünglingen. Nur -melancholisch schien der Arme! Ach, er schien sehr melancholisch.</p> - -<p>Einige Zeit hindurch herrschte zwischen beiden tiefe Stille. Der alte -Seladon hatte mit seiner Lorgnette vollauf zu thun; er besah sich alle -Frauen ringsherum, eine nach der andern — manche zwei, drei Mal, und -dabei schnalzte er zeitweise leise mit der Zunge, lächelte verschmitzt -und strich sich vorsichtig den gefärbten Schnurbart. Endlich blieb sein -kleines Aeuglein mit sichtbarem Vergnügen auf einer von den anwesenden -Damen haften und jetzt ließ er ein leises Husten vernehmen.</p> - -<p>Dies brachte den Anderen aus dessen Träumereien. Er wandte sich nach -dem Alten und sprach: „Also wirklich verhält es sich so, wie Sie mir -vorhin erzählten? Wirklich? — — Nein, nein, ich kann es noch nicht -glauben. <em class="gesperrt">Cölestine von Randow</em> hätte die Absicht, jenem Menschen -ihre Hand zu geben, wie? —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[8]</a></span></p> - -<p>„Nicht blos: Sie hätte, bester Freund! Sie <em class="gesperrt">hat</em>, sie <em class="gesperrt">hat</em> -die Absicht, mein Lieber! Sie <em class="gesperrt">hat</em>, sag’ ich — und setze noch -hinzu: ihm höchstwahrscheinlich die Hand schon <em class="gesperrt">gegeben</em>.“ Hier -schwieg der Alte und fuhr auf seinem Sitze ungeduldig hin und her, weil -sich zwischen ihn und seinen Gegenstand Jemand gestellt hatte, so daß -er zu jenem durch seine Lorgnette nicht hinüber sehen konnte.</p> - -<p>„Aber“ fuhr der Jüngling fort: „das ist ja ganz unmöglich! Sie sprechen -da eine Absurdität aus, lieber Althing. — Es ist unmöglich, sag’ ich! -ich kann es nicht glauben.“</p> - -<p>Ohne sich an diese Rede zu kehren, rief der Seladon, der nunmehr wieder -sein <em class="antiqua">vis à vis</em> sah: „Ach! Ach! Welche Formen! Welch herrlicher -Wuchs! Welcher Gliederbau! Welche Taille — — und besonders, welches -göttliche Gesicht! — Wahrhaftig, das ist eine Juno — oder nein eher -noch eine Venus.... eine.... eine.... Allein, wer ist dort jener -junge Gelbschnabel, der sich beständig an sie drängt? Offenbar mag -sie nichts von ihm wissen — — und hat ihre Blicke beständig hierher -nach mir gerichtet. O,<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[9]</a></span> glücklicher Althing! Du bist noch immer jener -große Besieger der Weiberherzen........ Allein, bei Gott, <em class="gesperrt">diese</em> -verdient Dich auch im vollsten Maße.“</p> - -<p>„Von wem reden Sie, Althing?“ erhob der Jüngling jetzt Kopf und Stimme: -„Reden Sie von Cölestine von Randow?“</p> - -<p>„Ei bewahre!“ entgegnete der Andere lachend: „Ich rede — — sehen Sie -denn nicht <em class="gesperrt">dort</em>, meine Göttin <em class="gesperrt">dort</em> — von ihr <em class="gesperrt">dort</em> -rede ich — — sehen Sie <em class="gesperrt">dort</em> — <em class="gesperrt">dort</em> — bester Baron! -<em class="gesperrt">dort</em> sehen Sie sie, bester <em class="gesperrt">Leuben</em>!... Ha, beim Himmel! so -eben hat sie mir einen Blick zugeworfen; einen Blick sag’ ich Ihnen! -Haben Sie ihn denn nicht bemerkt?“</p> - -<p><em class="gesperrt">Leuben</em>, denn so hieß der Jüngling, hatte schon wieder das Haupt -auf die Brust fallen lassen und fragte jetzt eintönig:</p> - -<p>„Und Sie wissen es also wirklich?“</p> - -<p>„Es ist so klar, wie die Sonne. Ueberzeugen Sie sich doch selbst, mein -theurer Freund.“</p> - -<p>„Man hat es Ihnen also nicht blos gesagt? Sie haben es nicht blos vom -Hörensagen —?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span></p> - -<p>„Ei, was fällt Ihnen da ein, köstlichster Leuben! Vom Hörensagen! — -Ich wiederhole Ihnen: diese meine eigenen Augen haben es gesehen, diese -Augen hier, verstehen Sie mich? und Sie wissen doch, ich habe ein Paar -Augen wie ein Adler, wiewohl, ohne daß ich darauf eitel wäre, auch noch -von manchen andern Vorzügen meiner Gestalt die Rede sein könnte. — -Allein...“</p> - -<p>Der junge Mann stieß hier, als ganze Antwort darauf, einen schweren -Seufzer aus, und als der einsammelnde Kassirer des Orchesters herbei -trat, um seinen Groschen zu verlangen, warf Leuben ihm in der -Zerstreuung einen Dukaten hin, was sonst für einen Morellischen Walzer -doch wohl ein zu hoher Preis sein dürfte.</p> - -<p>Mit einem Male fing Althing wieder an: „Ach! Ach! bei Gott — das -ist zu stark! das war ein Blick so feurig wie eine Bombe! Du hast -nicht nöthig, holde Zauberin, mein Herz mit so schwerem Geschütze zu -bestürmen: es hat Dir seine Thore längst schon aufgethan. — Abermals! -Abermals! — Ach, ich sehe, Du bist rasend in Deiner Zuneigung zu mir! -Nun<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[11]</a></span> ja, Du bist ja erhört! — Ha! auch noch mit dem Fächer winkst Du -mir? —“</p> - -<p>„Wie?“ fiel Leuben träumerisch ein, „Sie hat Ihnen mit dem Fächer -gewinkt?“</p> - -<p>„Und das so stark — wie eine türkische Sultanin — hehehe! Das war -aber Alles nicht nöthig!“</p> - -<p>„Und dies Alles sagen Sie mir, mit so kaltem Blute — — mir mir?“</p> - -<p>„Mein Gott, was soll ich thun? Kann ich’s denn ändern? Ich habe nun -einmal schon das Fatum, liebenswürdig zu sein! Was kann man für seine -Vorzüge, seine Eigenschaften!?“</p> - -<p>„Alle Teufel! es wird mir endlich zu toll!“ rief der Jüngling jetzt aus -und erhob sich rasch von seinem Sitze. „Mein Herr“ sagte er in einem -Tone, der auf halbe Sinnesabwesenheit schließen ließ: „es ist Alles -möglich, es kann Alles wahr sein, was Sie da erzählen. Wer kennt die -Weiber und ihre Launen, ihre Leidenschaften! Es ist bereits da gewesen, -daß eine Hebe sich in einen Vulkan verliebt hat — — und demnach -kann es auch bei Ihnen wiederkehren. Allein was brauche ich dieses zu -wissen?<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[12]</a></span> Wollen Sie mich kränken oder beleidigen? Wenn dies der Fall, -so erfahren Sie, daß ich weder zu dem Einen noch zu dem Andern ruhig -zusehen werde.... Ja, ja, ich weiß, jenes Mädchen, jenes Geschöpf ist -ein weiblicher Dämon, den wenigstens ich nicht verstehe: tugendhaft, -streng, unbefleckt — — und zugleich eitel, gefallsüchtig und noch -Gott weiß was. Allein wenn ich von ihr, wenn ich von diesem Mädchen, -die mir Alles war, auch noch so Manches hätte denken müssen, das Eine, -fürwahr — das Eine wäre mir nie beigefallen: daß ein so junger und -holder Engel fähig sei, einem alten Subjekt <em class="gesperrt">Ihrer</em> Art Gehör zu -geben, während sie mich....“</p> - -<p>Hier hatte sich jedoch bereits auch Herr von Althing erhoben und in -Positur gestellt. Zuerst schlug er mit seinem Fuße, woran sich ein -klirrender Sporn befand, gewaltig gegen den Boden, dann stemmte er -sich auf seinen Stock und endlich fing er mit einer Stimme an, die -furchtbar sein sollte: „Wie mich dünkt, so haben jetzt Sie, mein bester -Leuben, jene Absicht, welche Sie mir zuvor untergeschoben, nämlich -zu beleidigen.... Mindestens begreife ich nicht, was sonst Worte<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[13]</a></span> -wie: „ein altes Subjekt“ u. s. w., wie Sie solche so eben gegen mich -gebrauchten, zu bedeuten hätten.... Wenn nun dies wirklich der Fall -sein sollte....“</p> - -<p>„Nun?“ lächelte Leuben spöttisch: „wenn es der Fall sein sollte?“</p> - -<p>„Dann, dann“ polterte Althing und gab sich ungeheure Mühe, so wild als -möglich die Augen zu rollen: „dann muß ich ihnen sagen, daß —“</p> - -<p>„Weiter, weiter!“</p> - -<p>„Daß ich das nicht — — — — begreifen kann.“</p> - -<p>„Wie, Sie können es nicht begreifen, daß mich Ihre verdammte -Liebesgeschichte in Wuth bringt?“</p> - -<p>„Aber mein Gott, ist es meine Schuld, wenn man mich liebt, wenn man -wahnsinnig vernarrt in mich ist? Sie wissen doch, wie ich die Weiber zu -behandeln pflege — und doch ist diese da eine solche Närrin.....“</p> - -<p>„Ha!“ schrie der Jüngling nun und das Aussehen, welches in der Umgebung -entstanden war, vergrößerte sich von Augenblick zu Augenblick: „ha! Sie -wagen es, mein Herr?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[14]</a></span></p> - -<p>„Allein, mein Himmel — ich begreife nicht, warum Sie sich so ereifern, -Leuben. — Was gehen Sie meine Liebschaften, meine Eroberungen, meine -Siege an —?“</p> - -<p>„Elender — so wissen Sie nicht, daß ich Cölestine von Randow liebe, -wie ein Wahnsinniger, wie ein Wüthender!?“</p> - -<p>„Nun — und weiter?“</p> - -<p>„Weiter? Noch weiter?“</p> - -<p>„Nun ja, wozu erzählen Sie das mir? Weiß ich es denn nicht?“</p> - -<p>„Nun ja — eben darum; und doch sprachen Sie eben —“</p> - -<p>„Von —? —“</p> - -<p>„Cölestine!“</p> - -<p>„Ich? — Nicht eine Silbe.“</p> - -<p>„Von wem also denn?“</p> - -<p>„Ei — alle Wetter! von jenem allerliebsten Brünettchen, die dort -<em class="antiqua">vis à vis</em> von mir, in der dritten Reihe, sehen Sie — mit Mutter -und Vater sitzt. Von ihr, von ihr, die, wenn mich mein Kennerblick -nicht ganz täuscht, eine kleine Bäckerstochter aus der Wipplinger -Straße ist....<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[15]</a></span> von ihr sprach ich, mein Freund, und nicht von -Cölestine!“</p> - -<p>„Hahahaha! Hahahaha!“ erhob jetzt der früher so düstere Leuben ein -schallendes Gelächter: „hahahaha! Ist das das Ganze?“</p> - -<p>„Das Ganze! Hahahaha!“ lachte der alte Ritter mit.</p> - -<p>„Ein Mißverständniß also? Beim Himmel! das müssen Sie mir verzeihen, -theuerster Althing!“</p> - -<p>„Nun, nun es ist längst verziehen, verlassen Sie sich d’rauf. -Uebrigens — da wir uns in dem anstrengenden Diskours beinahe die -Kehlen ausgedörrt haben, so dürfte, wie mich dünkt, eine Flasche -Tokaier oder so etwas dergleichen kein unebenes Anfeuchtungs- und -Restaurationsmittel sein. Daher: Marqueur! Holla! — Johann! Oder wie -der Bursche sonst heißt.“</p> - -<p>„Befehlen Euer Gnaden? Schaffen Euer Gnaden! Womit können wir -aufwarten?“</p> - -<p>Mit diesen Worten und tiefen Katzenbuckeln waren zwei bis drei -Aufwärter herbeigesprungen, so flink, so behend, so lustig, daß ein -norddeutscher Kellner sich nicht einmal eine blasse Idee davon zu -machen im Stande ist.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[16]</a></span></p> - -<p>„Wie steht es mit Eurem Keller?“ nahm Althing das Wort: „Habt Ihr guten -Tokaier? Was?“</p> - -<p>„Aufzuwarten, Euer Gnaden. Er ist aus dem Keller Sr. Durchlaucht des -Fürsten — —“</p> - -<p>„Ach, wenn das ist, dann behaltet denselben für Euch; der Tokaier, -welcher unter diesem Namen passirt, ist häufig der schlechteste. Es -geht damit, wie mit den schlechten Büchern, die ein Verleger dadurch an -den Mann zu bringen sucht, daß er zu denselben Vorreden von berühmten -Literaten schreiben läßt. Also mit dem Tokaier ist es nichts; dafür -bringst Du uns Champagner und zwar <em class="antiqua">non mousseux</em>. — —“</p> - -<p>„Zu dienen, Euer Gnaden! Im Augenblick, Euer Gnaden!“</p> - -<p>Und diese Leute sprangen wieder wie die Hirsche davon, so daß es wie -eine Art von Jagdvergnügen war, ihnen zuzusehen.</p> - -<p>„Ei, ei! — Schon wieder! — Das war noch deutlicher, als alles -Frühere! — Jetzt winkte sie mir gar mit dem Finger und deutete auf -ihre Mutter neben sich, gleichsam als wollte sie sagen: Diese da genirt -unser Zusammentreffen,<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[17]</a></span> du mein holder Mann! — Nun, fürwahr, die hat -an mir complett einen Narren gegessen.... Mein Gott, das ist jedoch -für Unsereins etwas ganz Alltägliches.... Ha! da fällt mir etwas ein. -Wissen Sie, was ich thun will, Leuben? Ich will jene verliebte Hexe -noch rasender verliebt in mich machen — und zwar dadurch, daß ich -dieselbe eifersüchtig mache. O, ich bin in diesen Dingen erfahren! -— Also rasch auf irgend eine Zweite deine Blicke geworfen, Freund -Althing — und sie wird wahnsinnig, sie wird unglücklich! — O, in -dieser Beziehung bin ich ein ganz herzloser Gesell! — Allein man muß -es bei dieser Zeit auch sein — sonst kommt man nicht fort. Nur den -Ungeheuern in der Liebe sind die Weiber treu. Je beständiger man ist, -desto wankender sind sie.... je gleichgültiger, um so mehr entbrennen -sie für uns.... Meiner Treu, ich werde mich darüber weiter auslassen, -wenn ich erst meine Memoiren unter dem Titel: „Casanova II.“ -herausgebe....“</p> - -<p>Der alte Schwätzer wäre noch lange in dieser Weise fortgefahren, indem -er dabei seine lüsternen Blicke immerwährend von der einen sei<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[18]</a></span>ner -Auserkornen zur andern gehen ließ — — allein jetzt plötzlich schien -er von einem neuen Anblick überrascht und mit lauter Stimme rief er -aus: „Ah — da kommt unser theurer Freund <em class="gesperrt">Edmund von Randow</em>!... -Ah, das ist wirklich schön! Der Bursche ist mir so zu sagen ans Herz -gewachsen: es ist ein köstlicher Junge, der Edmund.“</p> - -<p>Die Person, von welcher Althing also deklamirte, näherte sich in -raschen Schritten und verdoppelte dieselben noch, sobald sie die Zwei -ansichtig wurde. Man denke sich einen jungen eleganten Mann von guter -aber etwas leichtfertiger Haltung — dessen lachendes Auge kühn oder -nach Umständen auch frech den Leuten bis zwischen die Zahnreihen sieht, -dieser junge Mensch, ein Liedchen summend, eilte jetzt durch die Reihen -der Gäste hin, indem er Diesem auf den Fuß trat, Jenen am Ellbogen -anstieß — und auf alle Mahnungen die hierauf erfolgten nichts that, -als daß er mit seiner dünnen Reitgerte in der Luft umherfocht, als -wollte er Mücken vertreiben.</p> - -<p>„Haha!“ ließ er sich mit einem Male so laut vernehmen, daß man es gewiß -bis zum<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[19]</a></span> Zeughause hören konnte: „da sitzen sie ja beisammen die zwei -Freunde, die zwei Kameraden..... Ach! und welche Blicke dieser alte -Sünder wieder um sich herum wirft....“</p> - -<p>In diesem Augenblick war er zu ihnen gelangt und ohne Weiteres -warf er sich auf einen Stuhl, griff nach einer von den bereits -herbeigeschafften Flaschen und schenkte sich ein Glas Champagner -ein, das er auf einen Zug leerte; — dann streckte er die Beine von -sich, erhob die Reitgerte und versetzte damit seinem Nachbar, dem -Liebesritter Althing, einen leichten Schlag auf die Knie: „Nun, wie -geht es? Was macht Ihr da? Was machen die holden Fräuleins — und wie -viele hat ihrer dieser große Verführer bereits in einem Augenblick -erobert? —“</p> - -<p>Diese Apostrophe schien dem alten Seladon zu schmeicheln und mit den -Lippen schmatzend versetzte er in geheimnißvollem Tone: „Bis jetzt ist -es nur Eine — — aber diese kann für Tausend gelten, hahaha!“</p> - -<p>„Wirklich?“ rief Edmund: „Das muß in der That ein kleines Weltwunder -sein.... Nun und wo sitzt denn diese Helena — mein lieber Alter..?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[20]</a></span></p> - -<p>„Ich habe“ versetzte dieser mit gekränktem Tone — „Dich bereits zu -oft gebeten, mich nicht „mein lieber <em class="gesperrt">Alter</em>“ zu nennen; denn -erstens bin ich noch in meinen besten Jahren — zwischen 30 und 40 — -und zweitens haben wir uns, was man so sagt, conservirt — — endlich -drittens — —“</p> - -<p>Er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein neuer <em class="gesperrt">Fall</em>, den -man wirklich <em class="gesperrt">Fall</em> nennen konnte, sich ereignete; Edmund hatte -nämlich seine Beine so weit ausgestreckt, daß ein Aufwärter, welcher -eben mit einer Platte voll Confituren und Getränken vorübereilte und -die sehr vernünftige Absicht hatte, auszuweichen — so unvernünftig -war, es ein wenig allzu rasch thun zu wollen — solchergestalt mit -seiner Platte hinfiel und den ganzen Inhalt der Gläser auf Edmunds -Beinkleider und Althings Stiefel ausgoß — das Uebrige vermälte sich -mit dem Staube auf dem Boden und wurde von zwei herbeieilenden Knaben -und drei Hunden in friedfertiger Weise getheilt. Edmund lachte wie toll -über das, was er „Impromptu“ nannte — hingegen war Althing über die -Vertilgung des Glanzes auf sei<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[21]</a></span>nen Stiefeln so untröstlich, daß er dem -unseligen Aufwärter nicht nur einen Schimpfnamen nach dem andern — -sondern zum Beschluß auch noch einen Tritt auf einen gewissen Theil des -Körpers versetzte; eine Mode, die in Wien eben nicht ungewöhnlich ist, -während man dergleichen Divertissements der großen Herrn in dem ganzen -übrigen Europa bereits längst abgeschafft hat.</p> - -<p>Die Unterhaltung erhielt demnach eine bedeutende Lücke, wenigstens in -ihrer conversationellen Seite; das war jedoch Keinem angenehmer als -unserm bleichen, melancholischen Freunde, unserm armen Freunde Leuben, -der, während hier Alles lachte, auch nicht einmal das Gesicht verzog.</p> - -<p>„Alle Donner!“ schrie Althing — „ich bin für diesen Augenblick -ruinirt; meine Toilette ist hin! Und es ist doch ein so wichtiger -Augenblick.... Jene kleine Brünette! — Jene, die ich schon besiegt -hatte, kraft der Gewalt meiner Physiognomie, — wer weiß, ob sie nicht -Anstoß nimmt an ungewichsten Stiefeln! O nichtswürdiger Marqueur! -Dummkopf von einem Aufwärter — ich könnte Dich —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[22]</a></span></p> - -<p>Mittlerweile hatte Edmund dem armseligen Marqueur, dem all dies Unglück -galt und der da stand vor seinen zerbrochenen Tassen und Gläsern wie -Niobe, die ihren verfolgten Töchtern nachsieht, — diesem Unglücksmanne -hatte der leichtfertige Edmund eine Banknote zugeworfen, die wohl den -dreifachen Werth des Schadens enthalten mochte und daher ein ganz -respektables Schmerzensgeld war. Der Unglücksmann verbeugte sich bis -zu seinem Bauche und würde sich noch tiefer verbeugt haben, hätten ihn -seine geschundenen Glieder daran nicht gehindert.</p> - -<p>„Nun, bist Du zufrieden?“ rief Edmund.</p> - -<p>„Vollkommen!“ versetzte der Kerl: „Wenn Euer Gnaden wieder ein ander -Mal schaffen<a name="FNAnker_A_1" id="FNAnker_A_1"></a><a href="#Fussnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>, so brauchen Sie mir’s nur sagen zu lassen. —“</p> - -<p>Diese Replik versetzte Alles in heitre Laune, so daß sogar Leuben eine -Anwandlung davon bekam; erst jetzt erwiderte er den Gruß Edmunds; doch -plötzlich blieb sein Auge mit einem heftigen fieberhaften Ausdrucke -auf demselben haften und ein leises Zucken der Lippen schien<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[23]</a></span> die -gewaltsamen Gedanken, welche sich gerne in Worten Bahn brechen wollten, -anzuzeigen.</p> - -<p>„Was haben Sie, mein bester Leuben?“ fragte der Andere: „Was ist Ihnen? -Sie sind heute bei sehr schlimmer Laune, wie ich merke — und ich -finde deshalb den Einfall köstlich, sich dieselbe gleich am Morgen mit -Champagner zu vertrinken.“</p> - -<p>„O“ fiel der alte Dicke ein: „dieser Champagner hat etwas ganz Anderes -zu bedeuten. Es ist ein Versöhnungstrank — eine Libation; denn wir -hatten ein Rencontre, bevor Du kamst — und wenig fehlte, so hätten wir -einander die Hälse gebrochen.“</p> - -<p>Edmund schlug ein unsinniges Gelächter auf. „Wie — ein Rencontre? -einen Streit? — Seid Ihr denn verrückt? Zwei alte Freunde und ein -Streit!.. Macht doch keinen Narren aus mir.“</p> - -<p>„Nein, nein, in vollem Ernste gesprochen, Du kannst Dich darauf -verlassen — — und überdies, was hindert uns, Dir den Inhalt des -Streites mitzutheilen. — Ohnehin betrifft er ja in entfernterer Weise -sogar Dich. —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[24]</a></span></p> - -<p>„Wie?“ schrie jetzt Edmund aus Leibeskräften: „Mich, mich, sagst Du, -— hahaha! — Der Fall wird interessant — doch bevor wir weiter gehn: -Marqueur, noch eine Bouteille von diesem rothen Champagner — — er ist -köstlich! — — So, und jetzt erzähle, mein Alter, erzähle!“</p> - -<p>„Donnerwetter! noch ein Mal, Edmund, rede mich nicht immer so an, -<em class="gesperrt">Alter</em>! darauf werde ich künftig nicht mehr hören; verstehst Du? -—“</p> - -<p>„Also, mein Junge, wenn Dir dies lieber ist.“</p> - -<p>„Das ist etwas Anderes. Ich verlange, wie Du weißt, nichts Unbilliges. -Ich könnte zehn Taufscheine beibringen, worin mein Alter von 30 bis 40 -Jahren bestätigt ist — und —“</p> - -<p>„Schon gut — Alle Teufel! Wirst Du endlich zur Geschichte kommen, -verd— Alter — Althing wollt’ ich sagen.“</p> - -<p>„Nun ja, so höre: es handelte sich um Deine Schwester Cölestine.“</p> - -<p>Bei diesen Worten nahm der Roué Edmund einen so ernsten Ausdruck des -Gesichtes an, wie man ihn dessen nimmer fähig gehalten hätte: „Ueber -diesen Gegenstand“, sagte er mit Nachdruck — „bitte ich Dich zu -schweigen, mein<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[25]</a></span> Freund, und erkläre Dir ein für alle Mal, daß ich -hierbei keinen Scherz verstehe.“</p> - -<p>„Meinetwegen,“ bemerkte Althing; „was geht die Geschichte mich an? — -Was mich betrifft, so will ich Dir gerne den Gefallen thun, darüber zu -schweigen; jedoch ist hier Einer....“ und hierbei deutete er auf Leuben.</p> - -<p>Edmund richtete sich auf; in der That schien jetzt dieser ganze Mensch -verändert — die Lappen und Flitter der Liederlichkeit schienen alle -von ihm gefallen zu sein und er stand so würdig da, als irgend Einer. -Mit Ernst wandte er sich an seine beiden Gesellschafter: „Meine -Herren,“ sprach er, „es ist da von einer <em class="gesperrt">Geschichte</em> und dann -von Ihnen, Herr von <em class="gesperrt">Leuben</em>, die Rede. Wollten Sie wohl die Güte -haben, mir hierüber einige nähere Aufklärung zu geben.“</p> - -<p>Der junge Mann, dessen Namen er so eben genannt, hatte seinen festen, -durchdringenden Blick von ihm noch immer nicht abgekehrt. Jetzt -zitterte er an allen Gliedern — und schien mit unaussprechlicher -Ungeduld den Moment erwartet zu haben, welcher so eben einbrach.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[26]</a></span></p> - -<p>„Reden Sie doch! Reden Sie doch!“ rief Edmund, bald zu Leuben, bald -wieder zu Althing gewendet, welch’ Letzterer, durch die Aufmerksamkeit, -die er seinem <em class="antiqua">vis à vis</em>, oder seiner Brünette, schenkte, -gehindert, hier am Tische nur mit halben Ohren zuhörte.</p> - -<p>„Werden Sie mir endlich sagen —?“ wiederholte Edmund so heftig, daß -der Dicke erschrack und nun rasch die Worte aussprach:</p> - -<p>„Aber mein Gott, welche Aufregung bei einer so kleinen Sache? Nun denn, -unser ganzes Gespräch, so weit es Ihre Schwester, Fräulein Cölestine, -betraf, drehte sich um die Frage: ob sie wirklich, wie man sich -erzählt, Braut geworden sei oder nicht. Das ist Alles.“</p> - -<p>„Ja —“ wiederholte Leuben mit einer wilden, sonderbaren Unruhe: „ob -sie Braut geworden sei, darum handelte es sich, und dies können Sie, -Herr von Randow, uns mit der größten Bestimmtheit sagen.“</p> - -<p>„Nun — wenn es sonst nichts ist!“ entgegnete Edmund in munterem Tone, -„dann hatten wir freilich viel Lärmens um Nichts gemacht;<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[27]</a></span> denn es wird -Ihnen Beiden doch wohl einerlei sein, ob oder ob dies nicht der Fall -ist.“</p> - -<p>„Nein, nein — es ist uns keineswegs so ganz gleichgültig, wie Du -glaubst, mein Lieber,“ meinte Althing: „und so magst Du es uns nur -sagen, was die Sache Wahres enthält.“</p> - -<p>„Nun denn — Cölestine ist in der That die Braut des Grafen von A—x; -diese Angelegenheit ist bereits abgeschlossen.“</p> - -<p>Ein fahler Lichtschein fuhr über Leubens Angesicht, dessen Blässe -jetzt eine todtenähnliche Farbe annahm. Dieser Mensch schien von -einem elektrischen Schlag bis ins tiefste Leben hinein getroffen zu -sein; die Veränderung, welche an ihm vorging, ward jedoch von keinem -seiner beiden Nachbarn bemerkt — denn mit einer an’s Uebernatürliche -streifenden Gewalt schien er sich zu beherrschen. Er blieb auf seinem -Stuhle sitzen — bewegungslos, antheillos, und bis auf seine wechselnde -Gesichtsfarbe, so unverändert, als wäre nichts vorgefallen.</p> - -<p>Bald darauf erhob man sich; Edmund hatte Besuche bei Freunden und im -Kaffeehause zu machen (er traf seine Freunde gewöhnlich an solchen<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[28]</a></span> -Orten); Althing beobachtete den so eben erfolgten Aufbruch seiner -„Brünette“ — natürlich, daß er Willens war, ihr zu folgen; was endlich -Leuben betraf, so war demselben höchst wahrscheinlich wenig daran -gelegen, dem einen oder dem andern dieser Herren zu folgen — und in -der That, wir sehen ihn auch alsbald nach einer leichten Begrüßung -sich einsam hinweg begeben und den Weg rechts nach den Vorstädten — -vielleicht um in den nahen Garten des Fürsten Schwarzenberg zu gelangen -— einschlagen.</p> - -<p>Der Schwarzenberg-Garten ist ein allgemeiner Freund sowohl der -glücklich wie der unglücklich Liebenden. Beide bergen sich in seinem -Schatten.</p> - -<p>Althing und Edmund waren eine Strecke gegangen; da sie jedoch -verschiedene Ziele verfolgten, so trennten sie sich auch sehr bald -und unser dicker Adonis ging nun allein klirrenden Trittes Derjenigen -nach, welche, wie er glaubte, ihm so viele und so ausdrucksvolle -Liebeszeichen auf dem Wasserglacis gegeben — und die, wie er nicht -zweifelte, sich auch jetzt nur<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[29]</a></span> erhoben hatte, damit sie endlich -ungestört mit ihm reden könnte.</p> - -<p>Aber welche Ueberraschung für unseren heißblütigen Ritter, als er sich -plötzlich von einem leisen Handschlage auf seiner Schulter berührt -fühlte und nun einen ihm unbekannten jungen Herrn hinter sich sah, der -folgende Worte zu ihm sprach:</p> - -<p>„Mein bester Herr — ich rathe Ihnen, von der Verfolgung jener Dame -abzulassen, denn es würde Sie zu nichts führen und wahrhaftig, Sie -können Ihre Zeit auf andere Weise weit besser verwenden. Sollten Sie -Zweifel in meine Worte setzen, so werden diese bald zerstreut sein. -Blicken Sie mir gefälligst nach und überzeugen Sie sich, daß unter -diesem Monde nichts häufiger vorkommt, als der <em class="gesperrt">Irrthum</em>... Man -glaubt den goldnen Schatz bereits mit der Hand zu erfassen — in diesem -Augenblick jedoch entschlüpft er uns und im nächsten schon hat ihn -derjenige, für welchen er bestimmt war.“</p> - -<p>Dies sprechend, lachte der Fremde unserm dicken Freunde so recht ins -Gesicht, verdoppelte seine Schritte, so daß er ihm bald vorkam und nach -wenigen Schritten sich dicht hinter jener<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[30]</a></span> Dame, jener Brünette befand. -Diese drehte sich rasch um, ließ ein Briefchen fallen, der Fremde hob -es mit einer bewundernswerthen Geschicklichkeit auf und — bald war er -mit seinem Schatze hinter einer Hecke verschwunden.</p> - -<p>Herr von Althing blieb wie vom Donner gerührt auf dem Platze stehen -— schüttelte das Haupt — ließ es ein wenig sinken — stieß einen -schweren Seufzer aus und begab sich nach zwei Minuten Ueberlegung auf -den Rückweg, indem er vor sich hin murmelte:</p> - -<p>„Ei, ei, da glaubte ich ganz sicher zu sein. Meiner Treu, ich hätte -eher meinen Kopf verwettet, als so etwas zu glauben.... Da seh’ man -mal die Weiber an! Aber machen wir es mit ihnen denn besser? — Also -Geduld, Freund Althing! — Du hast so manches Herz gebrochen — — -gebiete dem deinigen jetzt Stillschweigen. Allons nach Hause! und neue -Toilette gemacht. Ich wette darauf, an diesem ganzen Unglück waren -meine begossenen Stiefel Schuld.“</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[31]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zweites_Kapitel"><b>Zweites Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Cölestine von Randow und Alexander von A—x.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">C</span>ölestine von Randow war eine der reizendsten Jungfrauen der Residenz. -Ihre Familie gehörte zu den edelsten des Landes. Erst vor einem -Zeitraum von 100 Jahren aus Polen eingewandert, hatte der -damalige Stammhalter durch Dienste, die er dem Staate leistete, -derselben schnell eine der glänzendsten Stellungen zu verleihen gewußt. -Doch verlor unter seinem Sohne das Geschlecht wieder einen Theil seiner -Geltung und seines Vermögens, und erst den beiden Nachfolgern gelang es -— jene Fehler zu verbessern. Freilich ist ein Schade nicht so leicht -gehoben wie gemacht, und noch bis zum heutigen Tage empfand die Familie -Randow jene Nach<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[32]</a></span>wehen, die ihr von ihrem Großvater hinterlassen -worden waren. — Ueberhaupt war es ein Familienfehler der Randow, den -fast jedes Glied derselben mehr oder minder theilte — unüberlegt, ja -leichtsinnig zu sein, und wiewohl sie alle von Herz und Geist edel -und vortrefflich waren, so überwog in ihnen jenes Erbgebrechen oft -so sehr, daß dadurch alle andern und bessern Eigenschaften häufig in -Schatten gestellt wurden, wie dies z. B. gegenwärtig bei <em class="gesperrt">Edmund</em> -von Randow, dessen Charakter wir schon ziemlich deutlich bezeichnet zu -haben glauben, der Fall war.</p> - -<p>Was wir von Cölestine zu sagen haben, wird in Nachfolgendem bestehen. -Sie war, wie gesagt, eine der schönsten, der glänzendsten Erscheinungen -in der höheren Frauenwelt. Man begreift, daß, um in dem Kreise der -Schönheiten Wiens auf jene Benennung Anspruch zu haben, man weit über -den Verhältnissen eines gewöhnlichen Maaßes stehen müsse. In der -That war Cölestine so schön, daß man aus ihrem Bilde einen modernen -Canon für zeitgenössische Maler hätte machen können. Man stelle sich -eine zarte, schlanke, feine und doch im höchsten Grade plastische<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[33]</a></span> -Gestalt vor, als wäre sie aus einer Composition, die geschmeidiger als -Marmor und fester als Wachs ist, von einem neuen Pygmalion gebildet -worden.... Fürwahr, diese Frau schien nicht aus dem Alltagsmaterial, -woraus uns der liebe Gott schafft, zu bestehen! — Das schmale Oval -des Gesichtes wies einen wie mattes Silber schimmernden Teint, der -so durchsichtig war, wie Florgewebe, und durch welchen an den Wangen -ein zart geschämiges Inkarnat, auf den Lippen aber das brennende Roth -der Granatblüthe durchdrang.... Diese mandelförmig geschnittenen -Augen mit der feurig dunklen Iris, die einen stechend schwarzen von -goldnem Schimmer durchwirkten Kreis bot — diese schweren dunklen -Wimpern und diese dünnen gewölbten Brauen, die von Meistershand auf -die glatte, nicht allzu hohe Stirne gezeichnet schienen — — diese -feine, doch ein wenig gestülpte Nase, dieser nicht allzu kleine Mund, -der geschlossen von einem eigenen unaussprechlichen Zauber — geöffnet -es jedoch in einem noch höheren Grade war — da dann eine entzückende -Kindlichkeit daraus sprach (eben so wie er, geschlossen, Ernst<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[34]</a></span> und -Sinnigkeit ausdrückte) — — ferner dieses Kinn vom reinsten Ebenmaße, -welches an einen Hals grenzte, der zugleich schlank und kräftig war.... -wenn wir zu all diesem noch den prachtvollen, reichen Haarwuchs vom -tiefsten Schwarz hinzuthun, der wegen seiner Ueppigkeit und strotzenden -Fülle das Haupt nach hinten fast unverhältnißmäßig verlängerte, so -daß er jenem der alten Griechinnen glich: so haben wir im Grunde nur -erst einen Theil des reizenden Bildes Cölestinens gemalt. Es müßte -uns jedoch ein weit kunstreicherer Pinsel als der, welchen die Muse -unserer schwachen Hand anvertraut, zu Gebote stehen — um Alles, Alles, -um jedes einzelne Attribut der Schönheit dieses Originals in den -vergänglichen Rahmen dieses Gemäldes zu fassen....</p> - -<p>Gewöhnlich war der Ausdruck von Cölestinens Gesicht still und ernst, -ohne Trauer; zeitweise jedoch wurde er von einer Lebhaftigkeit und -jenem muntern Wesen durchstrahlt, das nur einer Französin und einer -Polin in so entzückender Weise eigen. Cölestine träumte und schwärmte -nicht — sie emfang, sie faßte deutlich und zu<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[35]</a></span>gleich tief auf; leicht -aber gab sie sich der Wirkung irgend einer ungewöhnlichen Erscheinung -in der Außenwelt hin und dann blitzte ihr dunkles Auge hell auf — ihr -Mund öffnete sich — ihre Lippe verzog sich zum Lachen, zum Spott, zum -Zorn, zur Zärtlichkeit, kurz zu dem Ausdruck jeder Empfindung.</p> - -<p>Man erzählte sich von ihren Kinderjahren, daß sie zu jener Zeit -ein kleiner Wildfang und dazu über alles Maß eitel gewesen sei. In -Wahrheit, die letztere Eigenschaft hatte sie bei sich noch immer nicht -gänzlich abgestellt, so große Mühe sie sich deswegen übrigens auch -gab. Sie wußte recht gut, daß Eitelkeit, Gefallsucht und leichter Sinn -ein so tüchtiges Gemüth und einen so glänzenden Geist, wie womit sie -ausgestattet war, entwürdigen, und gleichwohl ertappte sie sich — -mißtrauisch wie sie war — alle Tage wohl zehn Mal bei diesen Fehlern. -Sie zürnte dann mit sich, sie schmollte, sie bestrafte sich sogar.... -allein <em class="antiqua">naturam si furca etc.</em></p> - -<p>Allein welcher Charakter ist frei von Mängeln und welches Geschöpf -tadellos in der Schöpfung? Ich mißtraue jenem Reinen und Fehlerlosen<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[36]</a></span> -gar gewaltig und würde, hätte ich die Wahl frei, mich zehntausend Mal -eher an diejenigen schließen, welche von irdischer Gebrechlichkeit -nicht frei sein wollen. — O, der Mann, welcher Cölestine einst -besitzen sollte, hätte sich wahrhaftig in lautem Dankgebet an das -Schicksal dafür wenden sollen, daß es ihm ein solches Geschenk gewährt.</p> - -<p>Dieser Mann nun, von dem wir reden, dieser Glückliche, der Cölestine -als sein Weib in die Arme schließen sollte — es war, wie wir schon -erfahren haben, der Graf von A—x. — Sein Geschlecht war inländischen -Ursprungs und mindestens eben so glänzend wie jenes der Randow. Graf -Alexander von A—x (denn das ist sein Vorname) war keineswegs mehr -ein Jüngling; er stand im vollkräftigen Mannesalter von 36 Jahren — -— und dieser Umstand war eine von den Ursachen, um derentwillen ihm -die achtzehnjährige Cölestine den Vorzug vor dem Heere ihrer andern, -theils stillen, theils ziemlich aufdringlichen Anbeter gegeben. — -<em class="gesperrt">Alexander</em> bekleidete eine wichtige Stelle im Staatsdienste und -man glaubte ihn an dem Vertrauen hoch<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[37]</a></span>mächtiger Personen betheiligt. -Er war ein düsterer, kalter, verschlossener, fast schwermüthiger -Charakter — falls man ihn blos nach der Oberfläche beurtheilte.... -aber ach, welches Feuer von Liebe, welche Lava der Leidenschaft mochte -da tief unten auf dem Grunde der Seele glühen! — Seine Gestalt war -männlich und kräftig; eine nicht allzu hohe aber derbe Statur würde -ihn als einen gewöhnlichen Kraftmenschen bezeichnet haben, wenn sein -farbloses oder vielmehr braungelbes Angesicht, in welchem zwei gewaltig -große, oft wildbewegte, oft düster starrende Augen wohnten — durch -die mannigfachen Bewegungen, denen es zeitweise unterworfen war, nicht -auf ein höchst bewegtes Seelenleben würde gedeutet haben. Zwar wollte -die Welt damit — ein wüstes und wildes Sinnenleben in Verbindung -bringen, welches der Graf in früheren Jahren und fremden südlichen -Ländern geführt haben sollte; allein Niemand konnte hierüber etwas -Bestimmtes sagen — und so dürfen diese Behauptungen eben sowohl in das -Reich der Annahmen — wie in jenes der Wirklichkeit gestellt werden. -— Mit Einem jedoch verhielt es sich<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[38]</a></span> vollkommen richtig, nämlich, -daß Graf Alexander in der Liebe von einer wahrhaft schrecklichen -Eifersucht verfolgt wurde — wie man aus einem Verhältnisse, in welchem -er vor mehreren Jahren mit einer jungen liebenswürdigen Dame stand, -die bereits als seine Braut galt, wußte. — Jene Dame war in Folge -eines Verdachts, den Alexander auf sie, die ganz unschuldig war, -geworfen, von ihm so tief in der Seele gekränkt worden, daß sie ihr -Schicksal nicht ertragen konnte und an der Seite des zu spät zur Reue -zurückkehrenden Bräutigams ihren Geist aushauchte.</p> - -<p>Seit dieser Zeit hatte Alexander absichtlich der Liebe widerstrebt -— er schien sich hieraus eine Buße gemacht zu haben. Doch in der -Nähe Cölestinens, wohin der Zufall ihn führte, und wo irgend ein -verhängnißvoller Zwang ihn festhielt, war er nicht länger fähig zu -widerstehen.... er faßte eine verzehrende Leidenschaft für das reizende -Wesen und trat mit einer unglaublich großen Anzahl von Mitbewerbern in -die Schranken.</p> - -<p>Trotzdem, daß Cölestine im Ganzen auch die Mitwerbung der Uebrigen -nicht ohne geheimes Vergnügen sehen mochte — trotzdem, sagen wir,<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[39]</a></span> -daß sie, Gott weiß durch welche magische oder vielleicht auch ganz -natürliche und positive Mittel, jenen dichtgeschlossenen Verehrer-Kreis -(worunter es Einige von der glühendsten, ja von der wüthendsten Sorte -gab) beständig um sich erhielt: hatte doch entschiedenermaßen Graf -Alexander seit ziemlich lange her ihr Herz erworben, und endlich ward -ihm ihre Hand in feierlicher Form zugesagt.</p> - -<p>In der Zeit, mit welcher dieser Roman beginnt, gingen in allen Kreisen -der <em class="antiqua">haute crême</em> Anzeigen folgenden Inhaltes herum:</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Wir beehren uns, Ihnen anzuzeigen, daß am 15ten dieses Monats -unsere Tochter, Fräulein Cölestine von Randow, mit dem Herrn Grafen -Alexander von A—x, K. K. etc. etc. vermählt werden wird. Wir werden -nicht ermangeln, Ihnen das Weitere demnächst bekannt zu geben und -um die Auszeichnung Ihrer Gegenwart zu bitten.</p></div> - -<p>Wien am 9ten Mai 1842.</p> - -<p><span class="mleft2">Eugenie von Randow,</span><br /> -<span class="mleft2">geborne Ernini von Kronau.</span></p> - -<p class="right mright2">Friedrich von Randow,<br /> -<span class="mright1">K. K. General-M.“</span></p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[40]</a></span></p> - -<p>So war denn also über Cölestinens und Alexanders von A—x Verhältniß -kein Zweifel mehr — man hatte die handgreiflichste Gewißheit.</p> - -<p>Als diese zu den früher so hoffnungsreichen, aber jetzt so jämmerlich -durchgefallenen Amateurs und Adorateurs Cölestinens gelangte — da -schäumten Einige von ihnen vor Wuth, Andere sannen still auf Rache -— noch Andere verzweifelten — und endlich Einige, (das waren die -Wenigsten, weil die Vernünftigsten), lachten über dieses Ende vom Liede -— gingen nach Hause, wuschen ihre Erinnerungen mit Rosenwasser ab — -und traten als vollkommene Gentlemen wieder auf die Straße; denn es ist -der Grundzug des wahren Mannes von Welt</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse"><em class="antiqua">nil admirari,</em></div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">d. h. über Alles höchstens — die Achsel zu zucken.</p> - -<p>Warum aber hatte Cölestine dem Grafen Alexander einen so entschiedenen -Vorzug vor so vielen Andern eingeräumt? — — Ach es ist schwer, -die Calcule der Liebe zu verfolgen. Die Liebe berechnet nach einem -dynamischen Zahlensysteme, wofür wir in der materiellen Welt keine -Zeichen haben. Wer kann sagen, warum Diese<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[41]</a></span> Jenen liebt und nicht den -Andern? — Ja, das Beste dabei ist: wir selber können in den meisten -Fällen uns das von unserer eigenen Liebe nicht nachweisen. Mich dünkt, -Shakspeare hat es gesagt: Der Eine verliebt sich in die blauen Strümpfe -seiner Dame, ein Zweiter in ihren süßen Athem — — ein Dritter -findet in der Pupille ihres Auges eine Gottheit, die ihn zu ihren -Füßen hinreißt; oft ist ein Traum, in welchem uns eine bisher ganz -gleichgültige Person erscheint, hinreichend — um uns in Wirklichkeit -mit rasender Liebe zu ihr hinzureißen; ja man hat Beispiele, daß uns -Jemand durch seine enorme Häßlichkeit eben so bezaubert, wie ein -anderer Jemand unsern Freund durch seine unaussprechliche Schönheit.</p> - -<p>Das sagt Shakspeare. Und sollte er es auch nicht sagen, so sage ich -es, was, wenn es gut gesagt sein sollte, die Sache am Ende auch nicht -schlimmer macht.</p> - -<p>Was nun Alexander und Cölestine betrifft, so ist es höchst -wahrscheinlich, daß die ernste, bedeutungsvolle, stolze und düstere -Männlichkeit des Grafen — sie zu allererst zu ihm hinzog. — -Solche ungewöhnliche tiefromantische und geheim<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[42]</a></span>nißvolle Charaktere -beschäftigen zu sehr die Neugierde der Weiber, als daß sie später nicht -auch deren ganze Seele herüberziehen sollten. Denn mag man dagegen -sagen, was man will — Neugierde ist der erste Ring in der Kette -weiblicher Empfindungen; an ihm hangen die übrigen der Theilnahme, des -Mitleids, der Freude, der Furcht, der Hoffnung, der Freundschaft und -der Liebe.</p> - -<p>Ueberdies war Alexander, dieser stolze, selbstständige und geistreiche -Mann auch — ein nicht unschöner Mann. Grund allein schon, ihn zu -lieben — wenn er auch sonst nichts besessen hätte. Denn ist materielle -Schönheit an sich nicht schon hinreichend, ein Weiberherz, oft das -gebildetste und zarteste, zu besiegen? Wenigstens treffen wir täglich -auf Beispiele, die hierher gehören. In Rom hat erst kürzlich eine -jugendliche hochgeborne und hochgebildete Miß ihren — Kutscher -geheirathet, und Madame Dudevant in Paris hat sich, wie man mir -erzählt, neulich in einen allerliebsten handfesten Ouvrier vernarrt, -wiewohl die große Schriftstellerin nachgerade im Begriffe steht, eine -— Matrone zu werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[43]</a></span></p> - -<p>Doch wohin verirre ich mich? Graf Alexander ist ja nicht in diese -Kategorie zu versetzen; aber man gelangt beim Raisonniren so leicht vom -Hundertsten in’s Tausendste, und dies darum: weil es in der Natur so -viele Aehnlichkeiten — nahe und entfernte — giebt.</p> - -<p>Genug an dem: sie hatten sich gefunden, sie hatten sich erreicht — ein -Himmel voll Lust ging auf über ihren Häuptern und der Erdendämon des -Kummers zog grollend von dannen. Sie kannten ihn nicht mehr.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[44]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Drittes_Kapitel"><b>Drittes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Trauung.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>er Vermählungstag erschien. Noch immer hatten die Neider und -Nebenbuhler sich geschmeichelt, er werde hinausgeschoben und so durch -irgend einen der zahllosen unberechenbaren Zufälle, auf die der -Mißgünstige hofft — endlich gar vereitelt werden. Aber nichts von -dem Allen geschah. Es war mit diamantenen Buchstaben in dem Buche des -Lebens geschrieben: Cölestine sollte Alexanders Gemahlin sein.</p> - -<p>Als man nun nichts mehr dagegen thun konnte, ergab man sich ins -Schicksal — jedoch mit einer Hölle im Herzen. —</p> - -<p>Das Palais des Herrn von Randow lag in der —straße, innern Stadt. Man -nennt diese und noch eine Straße vorzugsweise die: aristokratischen, -weil sie aus einem Aggregat hochadeliger<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[45]</a></span> Wohnungen bestehen. Es ist -das Quartier: St. Germain Wiens, wiewohl im verjüngten Maßstabe, da -viele der größten Paläste der <em class="antiqua">haute volée</em> in der ganzen Stadt -zerstreuet stehen.</p> - -<p>Seit vielen Jahren hatte im Palaste der Randow kein so reges Treiben -geherrscht, wie am heutigen Tage. Es ging und kam, es lief und rannte -Alles, was der Bewegung fähig war. Vom Haushofmeister herab bis zu dem -letzten Küchen- und Stalljungen hatten die Domestiken alle Hände voll -zu thun. Die Gänge, die Vorsäle, der Hof, Küche und Keller — hier -wimmelte es von Menschen und menschenähnlichen Geschöpfen.</p> - -<p>Dagegen herrschte im Innern der Gemächer eine feierliche grandiose -Stille, wie denn ein kommendes Ereigniß von höhern Menschen immer mit -kalter Ruhe erwartet zu werden pflegt.</p> - -<p>Im großen Familiensaale stand die geschmückte Braut an der Seite ihres -Bräutigams, umgeben von ihren Angehörigen und einigen Freunden — -und harrte des Augenblickes, der sie an die Stufen des Altars führen -würde. Die Trauung<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[46]</a></span> sollte in der Hauskapelle vollzogen werden und man -erwartete nur das Zeichen zum Aufbruch.</p> - -<p>Cölestine war ein wenig blässer als gewöhnlich und hierauf beschränkte -sich die ganze Veränderung ihrer Gestalt. Man konnte gewiß auch nicht -das leiseste Zeichen von Alteration auf ihrem Gesichte bemerken — und -der Blick, mit welchem sie, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, auf -Alexander verweilte, war fest, mild und heiter. Es schien, als ob ein -namenloses Glück in ihr Herz eingezogen sei, von welchem sie jedoch der -Welt nichts verrathen wollte, da man nur insgeheim wahrhaft glücklich -ist.</p> - -<p>Wenn man dann noch den Grafen, ihren Bräutigam, anblickte, so mußte -uns anfangs die Aehnlichkeit, welche sich in der Seelenstimmung dieser -beiden Personen aussprach, lebhaft überraschen — und man konnte nicht -umhin, sich zu gestehen: diese Beiden sind in der That für einander -bestimmt. Graf Alexander stand in diesem Augenblick mit gleichem -ruhigen Bewußtsein an ihrer Seite und auch er schien mit seinem Glück -vollständig abgeschlossen zu haben. Doch jenes Leuchten, welches wie -der Blitz momentan durch<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[47]</a></span> sein dunkles Auge zuckte, jedoch nur so -selten, daß es kaum Jemand bemerkte, sprach von einer Lust, die wilder -bewegt war, als sie es schien.</p> - -<p>Nur wenig von dem Allen fiel den Eltern Cölestinens auf. Ihre -Zufriedenheit über das Geschick ihrer geliebten Tochter war so groß, -daß ihr Augenmerk nur in diesem Kreise verweilte und nicht fähig war, -selbst zu verwandten Dingen hinaus zu treten. Eine freundlichere -Greisengestalt, wie die des Generals von Randow, konnte man sich nimmer -vorstellen; es war in ihr jene Mischung von adeligem und militärischem -Ritterthume vereint, die man auf den Bildern der Condé’s und ähnlicher -Heldenfamilien so gerne erblickt; hiezu kam noch ein unvertilglicher -Zug von Herzensgüte, die, wie wir wissen, ein Eigenthum aller -Familienglieder der Randow bildete — und die überdies auch sonderbarer -Weise ein Attribut fast aller heroischer Charaktere ist und war. — Die -Mutter Cölestinens, aus einem deutschen Hause entsprossen, war eine -der sanftmüthigsten und zartsinnigsten Seelen — ein wahrer, echter, -niemals getrübter Tugendspiegel, das Muster einer Gattin und Mutter. -Seit einiger<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[48]</a></span> Zeit lebte sie nur in und für diese einzige Tochter, und -die Thränen, welche sie zum ersten Male im Leben vergossen hatte, waren -Freudenthränen über Cölestinens Glück.</p> - -<p>Es wird nicht eben nöthig sein, viel von den übrigen Personen zu -reden, welche theils als nächste Verwandte des Hauses, theils als -erbetene Zeugen das Brautpaar umgaben. — Da stand eine <em class="gesperrt">Gräfin von -Wollheim</em> mit ihrem Gemahle, der ein großer Jäger war, während sie -zu den leidenschaftlichsten Mitgliedern des <em class="gesperrt">Wohlthätigkeitsvereins -hoher Damen</em> gehörte und alle Jahre mit eigenen Händen 6 Paar -grobwollner Strümpfe dazu strickte, die sie freilich viel leichter -für einige Groschen hätte kaufen können. Ferner war eine Frau von -<em class="gesperrt">Porgenau</em> ebenfalls mit Gemahl da, von welch’ letzterem man sich -allerlei schnurrige Geschichten erzählte. Er wollte für einen großen -Bonmotisten und Calembouristen gelten, und da hierzu sein Talent nicht -völlig ausreichte, griff er zu dem auch bei einigen andern Leuten -gebräuchlichen Mittel, daß er fremde Witze als eigene auftischte. -Achtbarer und hochverehrter als der alte — Rath und Ritter eini<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[49]</a></span>ger -Orden, Herr von <em class="gesperrt">Labers</em>, konnte Keiner sein. Er zählte unter die -verdientesten Staatsmänner der Regierung und seine Anwesenheit allein -reichte hin, eine Gesellschaft auszuzeichnen. Er war einer von den -Trauungszeugen des Brautpaares. An seinem Arme führte er die bejahrte -Wittwe eines <em class="gesperrt">Feldmarschall-Lieutenant E—z</em>, welche ebenfalls -eine Zeugin bei der Ceremonie abgab. Noch mehrere Gäste befanden -sich im Saale; jedoch ist es nicht unsere Absicht, sie hier alle -aufzuzählen, um so weniger, da dieselben im Verfolge dieser Geschichte -wohl nicht wieder auftreten dürften.</p> - -<p>Nur von Cölestinens Bruder, Edmund von Randow, müssen wir noch -sprechen. Natürlich, daß auch er sich im Kreise der Gesellschaft -befand. Ein Charakterzug, der an diesem leichtsinnigen Jüngling sehr -auffallend erschien, war eine so zärtliche Liebe für seine Schwester, -daß er in ihrer Nähe, man möchte sagen, einen ganz neuen Menschen -anzog; denn es gab dann keinen gefühlvolleren und liebenswürdigeren -jungen Mann, als wozu er sich Angesichts Cölestinens verwandelte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[50]</a></span></p> - -<p>So stand denn Edmund jetzt auch schüchtern wie ein Mädchen neben -seiner Schwester, und wenn er einen Blick von ihr erhielt, wäre er vor -Seligkeit niedergesunken und hätte ihre Füße geküßt.</p> - -<p>Es ist in der That auffallend, und doch ist es vorgekommen, daß -zwischen Bruder und Schwester oft eine so romantische Liebe existirt, -wie man sie kaum zwischen Geliebten findet. Woher mag das kommen? -Ist es vielleicht einerseits die Anziehungskraft zwischen den beiden -Geschlechtern — und anderseits die Macht jenes Naturgebots, welches -eine Scheidewand stellt zwischen Menschen, die ein Schoß gebar? — -In diesem wechselnden anziehenden, abstoßenden Magnetismus ist gewiß -ein namenloser Reiz verborgen und es entspringt hieraus einer jener -romanesken Zustände, welche wir nur erleben, nicht schildern können.</p> - -<p>Endlich erschien der Hauskaplan im Chorhemd und Stola, um das Paar -vor die Stufen des Altars zu laden. Man trat sogleich durch einen -kurzen Corridor in das Heiligthum. Der Tisch des Herrn war festlich -geschmückt, helle<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[51]</a></span> Lichter brannten auf demselben und zwischen ihnen -glänzte auf silbernem Kreuze das schmerzvolle Bild des Erlösers.</p> - -<p>Der Priester stellte sich auf die oberste Altarsstufe und erwartete -hier, daß Diejenigen, denen er ein Sakrament der Kirche ertheilen -sollte, zu ihm kommen und darum bitten würden. — So wurde denn -Cölestine von der Wittwe des Feldmarschall-Lieutenant E—z und ihren -Eltern, Graf Alexander aber von dem —Rath, Herrn von Labers, und -seinen Freunden dahin geführt.</p> - -<p>Mit fester Stimme ward beiderseits das „Ja“ gesprochen, die Ringe -gewechselt, die Stola schlang sich um die vereinigten Hände.</p> - -<p>Sie waren Mann und Weib.</p> - -<p>Edmund, der der Ceremonie von ferne zugesehen hatte, sank bei dem -letzteren Akte ohnmächtig in einen Betstuhl.</p> - -<p>Zu gleicher Zeit hörte man draußen einen Pistolenschuß fallen, und -wie man später erfuhr, hatte ein junger Mann, den man jedoch nicht -erkannte, den Versuch gemacht, sich selbst zu entleiben. Vor der -Trauungsfeier noch war er in der Nähe der Kapelle gesehen worden, -hatte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[52]</a></span> aber irgendwo zu verstecken gewußt, so daß man ihn nicht -finden konnte. Nachdem der Schuß, welchen er gegen seinen Kopf zu thun -beabsichtigt hatte, durch irgend einen Umstand fehlgegangen war — war -dieser Fremde wieder plötzlich verschwunden, ohne daß man wußte, wohin -er gerieth. — Diese ganze Szene trug sich vor der Kapelle zu und war -von einigen Dienern des Hauses beobachtet worden.</p> - -<p>Ein heftiger Schrecken hatte sich beim Knall des Gewehres unter der -Gesellschaft in der Kapelle verbreitet. Man glaubte anfangs, es sei -nach dem Bräutigam oder gar nach der Braut geschossen worden. Indeß -erfuhr der General und seine Gemahlin sogleich das Wahre von der -Sache, und dem Brautpaar, so wie den übrigen Gästen sagte man: es sei -unvorhergesehenerweise das Gewehr eines Jägers im Hause losgegangen.</p> - -<p>Aber welches Entsetzen ergriff Alle, als sie in einem Betstuhle Edmund -leblos liegen sahen. Doch wieder beruhigte man sich, sobald man seinen -wahren Zustand entdeckte. Man kannte seine schwärmerische Neigung für -Cölestine. Aber<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[53]</a></span> war es diese Neigung, die ihn im Augenblick, als die -Schwester ihm auf immer entrissen werden sollte — oder war es ein -Vorgefühl vor dem räthselhaften Schusse, — welches ihn besinnungslos -hinstürzen ließ, wer kann es berechnen?</p> - -<p>Als endlich wieder Alles geordnet war, als man den Ohnmächtigen -wieder zu sich gebracht hatte, als er in den Armen seiner bräutlich -geschmückten Schwester vollends zum Leben erwacht war — verließ der -Zug endlich die Kapelle und begab sich nach dem großen Familiensaale. -Cölestine empfing hier den Segen ihrer Eltern, die ersten Glückwünsche -der gegenwärtigen Gäste, so wie einige Geschenke ihrer Verwandten.</p> - -<p>Länger jedoch vermochte die Arme sich nicht aufrecht zu erhalten. Diese -Menschen, die sie umgaben, waren so gesund, wohlbehalten, ihnen war -nichts begegnet als ein gewöhnliches Fest — — hingegen auf Cölestine -waren so viele Ereignisse, oder vielmehr ein einziges großes, tausend -andere in sich fassendes Ereigniß, eingedrungen — daß ihre ungewohnte -Brust den Druck desselben nicht länger zu ertragen vermochte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[54]</a></span></p> - -<p>Cölestine begab sich mit ihrem Manne und ihrer Mutter nach einem andern -Gemache.</p> - -<p>Zurück blieben die Verwandten und Gäste, welche sich um den General -stellten und ihm jetzt dasselbe wiederholten, was sie früher -seiner Tochter gesagt hatten, nämlich Glückwünsche, Gratulationen, -Prophezeihungen und andere leere Sachen, an denen die Welt immer reich -sein wird, so lange es noch müßige Menschen und solche giebt, denen es -an Nichts oder an Wenigem fehlt; mögen dieselben hohen oder niedern -Standes sein, das ist einerlei.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[55]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Viertes_Kapitel"><b>Viertes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Der Hochzeitsball.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>es Abends waren die Salons des Palastes glänzend erleuchtet. -Natürlich, man mußte ja einen Ball geben, ohne das läuft so was nimmer -ab. Wie hätte sonst die halbe Welt Gelegenheit haben sollen, die -ersten Augenblicke des Ehepaars mit jener schmählichen Neugierde zu -kontrolliren, welche Ihr — Ihr armen braven Handwerksleute, Bürger -und Bauern nicht kennt. Gewisse Gebräuche und Sitten der <em class="antiqua">beau monde</em> -hat die bloße, nackte Unverschämtheit erfunden — und die herzlose -Fühllosigkeit sanktionirt sie und bringt dieselben in Ausübung. Hierher -gehört auch die Sitte, von welcher wir gegenwärtig sprechen.</p> - -<p>Wozu ein Ball, ein Fest, eine Versammlung nach der Vermählung? Sind -sich in diesen<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[56]</a></span> Stunden Mann und Weib nicht genug, halten sie sich denn -nicht zum ersten Male mit den Armen umschlungen, und sind diese nicht -noch kräftig genug, um fremder Stütze zu entbehren? — Bei Gott, es ist -eine Perfidie — mich unter dem Vorwande eines Gebrauchs — von der -ersten Besitznahme meines Eigenthums zu trennen. Der erste Augenblick -ist ja der entzückendste, warum stört Ihr mich gerade jetzt? — — —</p> - -<p>Oder sollen diese Gesellschaften am Tage der Vermählung soviel sagen, -als: von nun an wollen wir immer und so oft als irgend möglich zwischen -Euch treten und Euch die einsamen Augenblicke, die so süß sind, -rauben.... von nun an wollen wir es hindern, daß Ihr Euch so ganz -vereinigt, wie es in der Schrift geschrieben steht: ein Leib und eine -Seele.</p> - -<p>— Die Räume der Salons waren jetzt bereits so sehr angefüllt, daß -kaum mehr Platz da war für neue Gäste, und doch kamen deren immer mehr -und mehr. Namentlich Frauen waren mit ihren Männern in großer Menge -erschienen und auch junge Leute; weniger waren Mädchen zu<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[57]</a></span> bemerken, -die man von solchen Festen gerne ausschließt.</p> - -<p>Schon sammelte und sonderte man sich in Kreisen und Gruppen, schon -unterhielt man sich in jener halbleisen und halbschreienden Weise, -welche die Conversation der Leute vom guten Ton auszeichnet. Der -Gegenstand dieser Conversation, dieser Blicke, dieser Deutungen und -Zeichen war, wie natürlich — Cölestine und ihr Mann. Ich weiß nicht, -ob noch irgend ein anderes menschenmögliches Ereigniß im Stande gewesen -wäre, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf sich zu ziehen, es müßte -denn allenfalls das Herabfallen der Decke des Salons gewesen sein.</p> - -<p>„Allein finden Sie nicht, beste N**, daß er beiweiten hübscher ist, als -wie man uns ihn beschrieb?“</p> - -<p>„Gewiß, gewiß, meine Freundin: er kann sogar ein <em class="gesperrt">schöner Mann</em> -genannt werden.“</p> - -<p>„Was sagen Sie zu seinem Benehmen, theure Gräfin V**? Finden Sie es -nicht ein wenig schroff? ungewöhnlich?“</p> - -<p>„In der That — ja.... indeß kleidet es ihn nicht schlecht, wie ich -glaube....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[58]</a></span></p> - -<p>„Ist er Ihnen schon einmal irgendwo vorgestellt worden, meine Beste?“</p> - -<p>„Das nicht, kleine Freundin; jedoch habe ich ihn zeitweise bei der -Baronin von G—r getroffen, wo er sehr beliebt ist.“</p> - -<p>„Es scheint mir unbegreiflich, daß dieser Mann beliebt sein könnte.“</p> - -<p>„Warum nicht, liebste Beste! Sie thun ihm wahrhaftig Unrecht....“</p> - -<p>„Ach — wovon reden Sie da, meine schönen Damen?“</p> - -<p>„Guten Abend, theure Freundin.... Sie sehen, wir reden von ihm....“</p> - -<p>Und wer ist dieser Er und Ihm, und: <em class="gesperrt">dieser Mann</em>? Wer sonst, als -Graf Alexander, der junge Ehemann, der so glücklich ist, von heute an -für zwölf volle Tage Stoff zu liefern für die Conversation der schönen -Welt.</p> - -<p>Aber entgeht vielleicht Cölestine ihrem Schicksal? O, ein solcher Fall -ist noch nicht da gewesen.</p> - -<p>In einigen Gruppen, gebildet aus jungen Leuten und auch älteren -Gesellen, ist ein solches Flüstern und Lachen und Deuten (natürlich -bloß mit den Augen) zu bemerken, daß es die Um<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[59]</a></span>stehenden genieren -müßte, wären diese an dergleichen nicht gewöhnt. Man spricht nämlich -in diesen Gruppen von der schönen jungen Frau, ohne jedoch hierbei -außer Acht zu lassen, nebenbei auch über ihren Mann ein Wörtchen -hineinzumengen. In dieser Beziehung sind die Klatschereien der Herren -noch weit abscheulicher als jene der Damen, da hier in der Regel ihr -eigenes Geschlecht viel günstiger beurtheilt wird. Wir haben in jener -Damen-Unterhaltung, der wir vorhin beiwohnten, nur immer über den -<em class="gesperrt">Gemahl</em>, über <em class="gesperrt">Alexander</em> reden gehört — — aber glaube -Niemand, daß er jetzt in der Herren-Unterhaltung, die wir sogleich -besprechen wollen, bloß den Namen Cölestinens zu hören bekommt; im -Gegentheil wird jener ihres Mannes tausend Mal genannt werden, und zwar -nicht nur sein Name, sondern auch sein Kopf, sein Hals, seine Brust, -sein Arm, sein Bein, sein Rock, sein Taschentuch.</p> - -<p>O über die männlichen Klatschschwestern!</p> - -<p>„Ach ja — guter T*** — Du findest diese Cölestine wirklich so -allerliebst? Ich bemerke so eben, daß sie eine abscheuliche Stumpfnase -hat.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[60]</a></span></p> - -<p>„Das deutet auf Herrschsucht und Trotz, meine Herren!“</p> - -<p>„Um so besser. Der Herr Gemahl wird sich ihr trefflich fügen, denn wenn -ich nicht irre, so deutet sein hängender Backenbart ein großes Talent -zur Unterwürfigkeit an!“</p> - -<p>„Hahahaha! hahahaha!“</p> - -<p>„Ein vortrefflicher Einfall.... Er dürfte aus dem Munde des alten -<em class="gesperrt">Porgenau</em> kommen! — hahaha!“</p> - -<p>„O, dann wäre er gestohlen!“</p> - -<p>„Schadet nichts! Gedanken sind keine Waare!“</p> - -<p>„Allein — wie finden Sie diese Haltung <em class="gesperrt">ihres</em> Kopfes? Der Kopf -an sich ist bewundernswürdig schön!“</p> - -<p>„Jedoch entstellt ihn die übermäßige Coiffure.“</p> - -<p>„Was man immer sagen mag: <em class="gesperrt">sie</em> ist eine der ersten Schönheiten -Wiens.“</p> - -<p>„Gewiß! Vom ersten Wasser! Vom ersten Wasser!“</p> - -<p>„Vom ersten Kaliber.“</p> - -<p>„Still — — welcher Vergleich!“</p> - -<p>„Die Zahl <em class="gesperrt">ihrer</em> Anbeter soll Legion gewesen sein.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[61]</a></span></p> - -<p>„Ich wenigstens gehörte nicht dazu.“</p> - -<p>„Jedenfalls war dieser Graf Alexander der Glücklichste unter allen...“</p> - -<p>„Oder eigentlich der Unglücklichste, wie man’s nehmen will...“</p> - -<p>„Ach, ach — ich denke, er ist an sich schon unglücklich genug; wenn -man die Physiognomie dieses Menschen betrachtet, so wird man finden, -daß dieselbe aus lauter Unglücken, oder deutscher: Unglücksfällen -zusammengesetzt ist...“</p> - -<p>„Mäßigen Sie sich, Herr von G—r; denn da kommt eben die Schwiegermama, -und die scheint in Beziehung auf ihren Tochtermann entgegengesetzter -Meinung.“</p> - -<p>Augenblicklich entstand in diesen Versammlungen eine musterhafte Stille -und die Gesichter der Herren, welche erst von Satyre und Ironie (aber -ziemlich erbärmlicher) überflossen, wiesen sich so freundlich süß, -wie eine Hausfrau von ihren Gästen sie nur immer erwarten kann. Ja -noch mehr, diese trefflichen jungen Leute umringten die Generalin und -wußten ihr in einem Athemzuge so viel Schmeichelhaftes zu sagen, daß -man gemeint<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[62]</a></span> hätte, über deren Zungen wäre niemals etwas Anderes als -Lobgesang und Psalmodei gekommen.</p> - -<p>Nichts als Glückwünsche und zwar „aus dem Innersten des Herzens“ wurde -gespendet — man pries ihr Haus über diesen neuen Zuwachs an Ehre und -Glück, der demselben so eben geworden war, und dann was den Grafen -Alexander von A—x betraf, so bezeichnete man ihn als „einen der -ausgezeichnetsten Kavaliere der Residenz und einen der einflußreichsten -Diener des Staates.“</p> - -<p>Die alte Dame erwiederte diese Höflichkeiten mit jener Miene von -Liebenswürdigkeit und jenem feinen Takte, die einer vornehmen Frau -immer zu Gebote stehen und wovon die erstere durch den zweiten stets -sicher geleitet und bemessen wird.</p> - -<p>Man ordnete sich alsbald zum Tanze. Hierzu waren zwei weitläufige -Säle bestimmt, wohin man sich jetzt paarweise begab. Cölestine, -nun Gräfin von A—x, eröffnete an der Hand des Herrn von Labers -den Zug, — Graf Alexander bot ihrer Mutter und der General der -Feldmarschall-Lieutenants Wittwe den Arm. Die übrigen Gäste schlossen -sich ohne Rangordnung, die in der<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[63]</a></span> höhern Gesellschaft nicht existirt, -an — da hier mit dem Privilegium des Eintritts auch jenes der -Gleichheit verbunden wird.</p> - -<p>Gräfin Cölestine hatte zum ganzen Feste so viel heitern Sinn und eine -so sichere Fröhlichkeit mitgebracht, daß alle Welt sagen mußte: sie sei -glücklich und hoffe es stets zu sein. Von dem Grafen, ihrem Gemahle, -ließ sich dasselbe sagen, doch schien ihn in manchen Augenblicken -dieses geräuschvolle und ostensible Treiben zu belästigen; man sah es -ihm an — er wünschte lieber allein zu sein mit Derjenigen, die er -jetzt sein nannte. Sollte man es Besorgniß nennen, die sich momentan -in seiner Miene kundgab? Vielleicht war es das nicht — und doch -flüsterten zwei seiner eifrigsten Beobachter, die vielleicht früher -auch seine Nebenbuhler gewesen waren:</p> - -<p>„Ach, es ist die Eifersucht, die sich selbst in den ersten Tropfen -seines Freudenkelches mischt! wie wird dies erst später werden?“</p> - -<p>Dann lachten diese guten Herren und meinten, der Tag ihrer Rache würde -schon von selbst kommen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[64]</a></span></p> - -<p>Einige Stunden später — Graf Alexander hatte während dieser Zeit nach -der Sitte der vornehmen Welt mit seiner Frau <em class="gesperrt">so wenig als möglich -gesprochen und getanzt</em> — konnte ein feiner Menschenkenner Spuren -eines tiefern Unmuths auf des jungen Ehemanns Stirne lesen. Und in -der That, Alexander war jetzt von einem jener schrecklichen Gefühle -geplagt, denen seine Seele in früherer Zeit so oft zur Beute geworden. -Die immerwährende und sich stets gleichbleibende Heiterkeit Cölestinens -hatte ihn bitter berührt, sie hatte ihn schmerzlich verletzt. Woher -diese so bestimmt ausgesprochene Zufriedenheit bei ihr — — da doch -er dieselbe nicht theilte? So fragte er sich. Der Bedauernswerthe! er -bedachte nicht, daß seine Frage ein Widerspruch sei — — — waren denn -ihre beiderseitigen Gemüther gleich? ja, entsprangen denn ihre jetzigen -so verschiedenen Stimmungen aus <em class="gesperrt">einer</em> Quelle?</p> - -<p>So oft es der Anstand und die Umstände erlaubten, versuchte Alexander -sich seiner Gemahlin zu nähern und — da traf er denn immer auf -Hindernisse, die sich zwischen sie und ihn stellten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[65]</a></span></p> - -<p>Cölestine war eine leidenschaftliche Tänzerin, und warum sollte sie -an dem heutigen Freudentage sich diesem Vergnügen nicht mindestens -im selben Maße überlassen, wie zu andrer Zeit? Werden doch, wenn wir -fröhlich gestimmt sind, unsere innern Triebe freier entfesselt wie -sonst.</p> - -<p>Aber so urtheilte Alexander keineswegs. Seine glühende, spanische, -eifersüchtige Liebe lechzte nach dem Besitze des Gegenstandes, auf -welchen nur er ein Recht zu haben meinte.... Zum Glück war sein -Charakter fast eben so stolz und verschlossen wie eifersüchtig; sonst -hätte er die Bewegungen seines Herzens nicht bemeistert.</p> - -<p>Indessen wurde sein Betragen zuletzt auffallend genug, daß einige Damen -und Herren, die eher gekommen waren, zu beobachten und zu secciren — -als sich zu unterhalten, unter einander sprachen:</p> - -<p>„Unser junger Ehemann scheint von höchst eigenthümlicher Sorte zu sein; -man könnte fast glauben, er befinde sich hier, um die Gäste, die seine -Schwiegermutter eingeladen hat — zu vertreiben...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[66]</a></span></p> - -<p>„Ohne eben weit zu sehen — ließ sich dergleichen von ihm im Voraus -erwarten. Sie kennen den Grafen A—x also nicht?“</p> - -<p>„O! man muß ihm aber auch Gerechtigkeit widerfahren lassen: er macht -schon im Voraus das Programm zu den künftigen Gesellschaften seines -Hauses. Man wird sich darnach richten können. Sie dürften nicht ganz so -glänzend ausfallen, wie die junge Gräfin vielleicht beabsichtigt.“</p> - -<p>„Man spricht davon,“ sagte Frau von Porgenau, die sich so eben näherte, -„Gräfin Cölestine werde ihre <em class="antiqua">jour fix</em> am Sonnabende geben.“</p> - -<p>„In der That?“ versetzten einige Damen und sagten zu einander im -Stillen: „Um so besser, denn an diesem Tage gibt auch Gräfin Wollheim, -Frau von H— — und die Marquise d’M— ihre <em class="antiqua">cercles</em>.“</p> - -<p>„Vortrefflich! Vortrefflich!“ ließ sich in diesem Augenblick die -schallende Stimme des Grafen von Wollheim vernehmen. Der große Jäger -sprach jedoch nicht zu dieser Gruppe, sondern zu einer einige Schritte -von hier, in deren Mitte er saß. Seine Worte galten dem ersten -tanzenden Paare, über welches alle Welt entzückt war. <em class="gesperrt">Edmund<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[67]</a></span> von -Randow</em> tanzte nämlich mit seiner Schwester. Man hatte niemals ein -eleganteres, ein schöneres Paar gesehen. Es war die Mazurka, ein Tanz, -worin vielleicht in der ganzen Residenz Niemand so vollkommen war wie -die beiden Geschwister. Man sah, daß es das nationelle Element sei, -welches in ihnen zu einem so schönen äußern Leben erwache; denn wie wir -wissen, waren die Randow ursprünglich Polen, und noch hatte das alte -Vaterland an ihnen nicht ganz seine Söhne verloren.</p> - -<p>Die Mazurka war zu Ende. Man konnte sich nicht enthalten, die Virtuosen -zu beklatschen — — Alexander sah von ferne zu; ob er sich freute, ob -nicht, ist ungewiß; allein es zuckte keine Muskel auf seinem Gesichte, -welches starr, kalt, theilnahmlos oder niedergeschlagen schien. — —</p> - -<p>Edmund verließ seine Schwester und ging kaum zwei Schritte, als er -von den offenen Armen des großen Nimrod in Empfang genommen wurde. -Denn beiläufig gesagt, waren Edmund und der alte Graf von Wollheim -sehr große Freunde, weil Jener mit Diesem auf die Jagd ging, trank und -spielte, von welchen Be<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[68]</a></span>schäftigungen sämmtlich unser Nimrod ein großer -Liebhaber war.</p> - -<p>„Alle Hirsche und Rehe!“ rief Letzterer aus: „Edmund, Du hast Dich -wacker gehalten. Fast so wie auf jener großen Treibjagd, Anno 1839, -wo Du unter meiner Leitung Dein Meisterstück machtest. — Aber wo -zum Guckuck hast Du diese Gelenkigkeit in Deinen Knieen und Flechsen -her?... ein Pullcinell hätte es nicht besser thun können....“</p> - -<p>„Ganz recht, lieber Graf,“ versetzte der Jüngling; „übrigens machen -Sie mir da kein Kompliment. — Freilich ist es nicht Ihre Sache, von -diesen Dingen zu sprechen — und aufrichtig gesagt, ich unterhalte mich -mit Ihnen tausend Mal lieber über unsre alten Gegenstände.... Kommen -Sie daher, mein vielgeliebter Wehrwolf... lassen Sie uns dorthin zur -Kredenze treten — erst einige Schluck Wein und dann findet sich schon -das Uebrige...“</p> - -<p>„Köstlicher Junge! Köstlicher Junge!“ exklamirte der Jäger: „Er ist und -bleibt immer derselbe. Nun fürwahr, an Dir, mein Edmund, habe ich mir -einen Schüler erzogen, auf welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[69]</a></span> ich stolz sein kann.... Allein, was -meinst Du, wird uns nicht etwa Deine Mutter belauschen? Du weißt, sie -sieht Dich nicht gerne mit dem Glase in der Hand.... Es scheint mir, -auch Dein Vater schielt nach uns herüber.... Nehmen wir uns in Acht! -Hübsch gescheidt, mein Jüngelchen.“</p> - -<p>„Schon gut!“ entgegnete Edmund: „Kommen Sie nur... ich verspüre in mir -einen teufelsmäßigen Durst.... Das kommt stets, wenn ich ein Mal etwas -lang solid gewesen bin...“</p> - -<p>„Ja, ja, Du hast Deiner Schwester heute den Hof gemacht, und zwar —“</p> - -<p>„Still — theurer Mann! Darüber kein Wort mehr.... Können wir nicht -über andere Dinge reden? Du weißt, ich liebe jenes Thema nicht unter -uns.“</p> - -<p>„Nun so will ich Dir eine alte Jagdgeschichte von einem Herzog von -Würtemberg erzählen. —“</p> - -<p>„Erzähle in Gottes Namen! — So, jetzt wären wir in der Nähe der -Gläser.“</p> - -<p>Wie man sieht, so dutzten sich die zwei an Alter zwar ungleichen, aber -an Gesinnung desto ebenmäßigeren Freunde. So machte es Edmund<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[70]</a></span> übrigens -immer. Er war mit allen Leuten seines Schlages auf Du.</p> - -<p>Während dieses hier vor sich ging, während Wollheim und Edmund, in eine -dunkle Ecke zurückgezogen, dem Nierensteiner, oder was es sonst war, -die möglichst größte Ehre anthaten und dabei Gespräche führten, wie sie -der Wein eingibt und wie wir sie hier zu wiederholen uns sehr hüten -werden, unterhielt man sich auf andern Punkten der Salons auch nicht -übel.</p> - -<p>So zum Beispiel beglückte Gräfin von Wollheim einen Kreis alter und -buckliger Zuhörerinnen mit einer Erzählung ihrer letzten Leistung im -Fache „der Strümpfe für den Wohlthätigkeitsverein.“</p> - -<p>„Glauben Sie, meine Damen,“ so sprach sie, „daß es eine der süßesten -Empfindungen gewährt, unsere Talente und unseren Fleiß im Dienste der -Armuth und Noth anzuwenden.... Im vergangenen Winter habe ich 4½ Paar -guter Socken und Strümpfe gemacht, jedes Paar zu 2½ Pfund... Das gab -eine Bekleidung! Welche Wärme!“</p> - -<p>„Ja, ja — welche Wärme!“ erwiederte ein altes Stiftsfräulein ohne -Zähne, dafür jedoch<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[71]</a></span> mit einer Zunge, die hinreichend <em class="gesperrt">schnitt</em>, -sobald es sich um den Ruf eines Nebenmenschen handelte.... „Auch ich -habe zwei Paar wollene Jacken an das Comité des <em class="gesperrt">Frauen-Vereins</em> -gesendet. — — Alles eigene Arbeit! — Wer weiß, welches Pack sie -jetzt auf dem Leibe trägt.... Denn Sie wissen doch, meine Freundinnen, -daß diese unverschämten Armen, welche wir mit unserer Hände Arbeit -beglücken, die letztere bei nächster Gelegenheit zum Trödler oder in’s -Branntweinhaus tragen...“</p> - -<p>„Sollte das möglich sein?“</p> - -<p>„Sie können mir’s glauben!“</p> - -<p>„Mein Gott, das wäre ja recht abscheulich! — Wozu arbeiten wir denn? -— Dann könnten wir ihnen ja die paar Kreuzer, welche sie für unsere -Sachen lösen, viel bequemer selbst geben....“</p> - -<p>„Das ist Alles wahr und ich habe darüber schon mehrfach nachgedacht. -Hören Sie mich, meine Besten, welchen Vorschlag ich gesonnen bin, bei -dem Comité des Frauen-Vereins in den nächsten Tagen einzureichen. -— Man soll in Zukunft jedes Stück unserer Handarbeiten mit kleinen -Schlössern versehen: Strümpfe, Socken,<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[72]</a></span> Unterbeinkleider, Unterröcke — -kurz Alles. Jedes Stück wird sodann dem damit betheilten Armen mittelst -des Schlosses förmlich an den Leib <em class="gesperrt">geschlossen</em>.... den Schlüssel -aber behalten wir oder besser das Comité. — Sollte dieser Vorschlag -nicht durchgehen, so habe ich einen zweiten in Bereitschaft. Man klebt -mittelst einer Mischung, bestehend aus Gummi, Pech, Sägespänen und -Teufelsd— —, den Leuten ihre Kleidungsstücke an den Leib.... Jene -Mischung muß in einem glühenden Becken heiß gemacht und in diesem -Zustande unsern theuern Schützlingen über die nackten Glieder gegossen -werden, sodann kommt das Kleidungsstück darauf — und es geht niemals -wieder herunter. — Ist dies nicht eine köstliche Erfindung? Was sagen -Sie dazu, meine Damen?“</p> - -<p>So schloß die Stiftsdame.</p> - -<p>Die Uebrigen waren nicht ganz ihrer Meinung. Besonders schüttelte -Gräfin Wollheim sehr unwillig das Haupt und sagte:</p> - -<p>„Aber da wird ja unsere schöne Arbeit völlig zu Grunde gerichtet. Das -abscheuliche Pech muß ja durch alle Nähte dringen....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[73]</a></span></p> - -<p>Man sieht, sie dachte menschenfreundlich!</p> - -<p>„Fürchten Sie dieses nicht, meine Beste!“ beruhigte die Stiftsdame: -„Das Pech dringt nicht heraus. Dagegen hilft der Teufelsd— —, den ich -nicht umsonst beigemischt habe. — Der Teufelsd— —, wie Sie wissen -werden, meine Damen, hat eine contraktive Eigenschaft und ist überhaupt -auch für die Gesundheit sehr zuträglich.... Unsere Armen werden dabei -dick werden, wie ungarische Mastschweine....“</p> - -<p>Die Stiftsdame hatte unter andern lieben Eigenschaften auch jene, daß -sie alle Gegenstände bei ihren natürlichen Namen nannte, von welcher -Gewohnheit sie keine Rücksicht abhielt. Da man dies von ihr wußte, ließ -man sie reden; freilich redeten mit ihr nur die Buckligen und Häßlichen.</p> - -<p>— — Seit einer halben Stunde bereits lauerte Alexander auf eine -Gelegenheit, die ihm eine ungestörte Zusammenkunft mit Cölestine -verschaffen sollte. — Jetzt schien auch sie seine Wünsche zu begreifen -und gab ihm hierauf ihre Antwort durch sanfte und wehmüthige Blicke -zu verstehen. — Alexander war nun der seligste<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[74]</a></span> Mensch! — So hatte -er sich also wieder umsonst gequält!.... Er hätte früher nur gleich -ihre Nähe aufsuchen und sie nicht verlassen sollen, so hätte er sich -jeden Kummer erspart. — Er brauchte ja deßhalb nicht die übrigen Leute -von Cölestine zu verscheuchen. — Ein günstiger Augenblick gönnte ihm -jetzt, mit ihr mehrere Worte zu sprechen, und er flüsterte ihr zu:</p> - -<p>„Ach, wie sehne ich mich nach Dir, Cölestine!“</p> - -<p>„Ich theile Dein Verlangen, mein theurer Geliebter!“ antwortete sie -ihm leise und ein Blick ihrer schönen schwarzen Augen bestätigte die -Wahrheit dieser Worte.... Dieser Blick versengte jedoch mit seiner Glut -wieder die Besonnenheit des Grafen und er sprach mit dumpfem Schmerze:</p> - -<p>„Soll ich Dich noch lange entbehren — so sterbe ich! Erbarme Dich -meiner! Noch nie habe ich so gefleht.“</p> - -<p>Aber in demselben Augenblick fühlte er sich an der Schulter berührt. -Der Vater seines Weibes stand neben ihm:</p> - -<p>„Ei, ei!“ sprach der General: „was soll das heißen, Alexander? Sie -rauben unseren Freunden ein sehr wichtiges Recht. Heute gehört<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[75]</a></span> -Cölestine noch ihnen — — erst von morgen an dürfen Sie allein über -Ihre Frau verfügen...“</p> - -<p>Es ist nicht möglich auszudrücken, wie schwer diese Worte den Grafen -verletzten; gleich einem vergifteten Degen fuhren sie durch sein -Herz, und zwar eben deßhalb, weil sein Schwiegervater es war, der sie -gesprochen. Mit einem unaussprechlichen Blick sah Alexander denselben -an, zerdrückte in seiner Brust einen heftigen Seufzer und ließ sich -sodann stumm von dem General fort führen. Dieser hatte ihn unterm Arme -ergriffen und durchschritt mit ihm einen, zwei Säle.... Es schien, als -könnte er ihn nicht weit genug weg von Cölestine führen....</p> - -<p>Alexander hätte den Alten ermorden mögen — aber was blieb ihm zu thun -übrig? Er folgte, folgte wie ein Opferthier, das man zwar mit Blumen -bekränzt, aber dennoch zur Schlachtbank führt. Der General hatte ihn -zu einer Ottomane gebracht und ihn genöthigt, hier Platz zu nehmen. -Er selbst setzte sich neben ihn und begann nunmehr ein Gespräch von -Geschäftssachen und Gegenständen, die sich auf den zukünftigen<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[76]</a></span> -Haushalt der Eheleute bezogen.... Alexander hätte vor Wuth aufspringen -mögen wie ein Wahnsinniger... Der General aber schien sehr kalt und -ruhig.</p> - -<p>Dies ist leicht zu begreifen; er war ein Greis und hatte so eben seine -Tochter versorgt — während der Andere vor Leidenschaft glühte, diese -Tochter zu umarmen. Das war der Unterschied; bei Gott ein ziemlich -großer.</p> - -<p>Um das Unglück voll zu machen, kam auch noch Herr <em class="gesperrt">von Porgenau</em> -herbei und fing an, alte Witze aufzutischen, die im Jahre 1805 Mode -waren, ja einige darunter mochten noch in der Arche Noah von dessen -Söhnen aus Langerweile gemacht worden sein.</p> - -<p>„Ei — so schön beisammen!“ rief der alte Bonmotist und lächelte schon -im Voraus über den Witz, welchen er sofort zu machen beabsichtigte. -Denn Herr von Porgenau hatte die Gewohnheit jener Humoristen und -Komiker, sowohl auf dem Theater als auf dem Druckpapiere (ich will hier -ihre Namen nicht nennen!), die, bevor sie einen Gedanken, den sie für -einen Witz halten, preisgeben — selbst zu lachen anfangen und sich so -gleich<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[77]</a></span>sam den Erfolg sichern; denn die Zuhörer lachen dann auch mit — -freilich bloß über die Albernheit des Witzmachers.</p> - -<p>Herr von Porgenau war übrigens nicht ganz mit diesen Leuten zu -vergleichen. Jene lachen nur <em class="gesperrt">vor</em> oder <em class="gesperrt">während</em> ihres -Witzes — — er aber lachte auch <em class="gesperrt">nach</em> demselben.</p> - -<p>„Ah! Ah!“ rief er dem General in’s Gesicht und schien dabei vor -Lust und Vergnügen umzukommen: „Sie theilen diesen Platz mit ihrem -Schwiegersohne, guter Randow! — Sie haben ihm also einen Theil ihrer -<em class="gesperrt">Besitzungen</em> übergeben....“</p> - -<p>Um dem alten Narren eine Freude zu machen, lachte der General über -diesen schauderhaften Einfall mit; Alexander aber warf ihm einen -durchbohrenden Blick zu, der so viel sagte, als: „Packen Sie sich, -alter Dummkopf!“</p> - -<p>„Guter Gott!“ fing Porgenau an, als er sich von seiner Heiterkeit -wieder erholt hatte: „Wie sehen sie d’rein, lieber Graf von A—x? Das -ist nicht die Miene eines jungen Ehemannes.... das ist, hahaha! hahaha! -hahaha! — vielmehr die Miene eines jungen <em class="gesperrt">Wehemannes</em>!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[78]</a></span></p> - -<p>Ueber dieses Wortspiel konnte nicht einmal der heute so dienstfertige -General lachen, was Herrn von Porgenau gar sehr verdroß. Er regalierte -sich also zuvörderst durch eigenes Gelächter — und sodann sann er auf -einen neuen Witz, der, wie er sich vornahm, Alles besiegen würde, was -bisher in diesem Fache geleistet worden war.</p> - -<p>„Finden Sie — hahaha! Finden Sie, hahaha!“ begann er: „finden Sie -nicht, daß, hahaha! hahaha!“</p> - -<p>Er konnte vor Selbstvergnügen kaum fortkommen.</p> - -<p>„Finden Sie nicht, meine Herren — daß heute ein, hahaha! — sehr -schöner Tag ist? hahaha!“</p> - -<p>„Gewiß — ein schöner Tag,“ bestätigte der General.</p> - -<p>„Und wissen Sie — hahaha! — weßhalb heute der Tag so schön ist — -hahaha!?“</p> - -<p>„Nun?“</p> - -<p>Der Bonmotist nahm eine Triumphatormiene an, platzte dann in eine -entsetzliche Lache aus, und rief:</p> - -<p>„Also — Sie wissen nicht, weßhalb — hahaha!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[79]</a></span></p> - -<p>„Nein.“</p> - -<p>„Nun — <em class="gesperrt">ich weiß es auch nicht!</em> — Hahaha! hahaha! hahaha! -hahaha! hahaha.“ — Das war der Witz! Porgenau wälzte sich in einem -Lehnstuhle wie Einer, der den Lachkrampf hat....</p> - -<p>Hier vermochte es Graf Alexander nicht länger auszuhalten. Er fuhr -gleich einem Gehetzten von seinem Sitze auf, entriß sich den Armen -seines Schwiegervaters und lief hinaus auf den Gang in die frische -Nachtluft, wo er den Vater über den Sternen fragte, warum er auch -solche Wesen, wie diesen Porgenau, geschaffen habe....</p> - -<p>Er stand lange auf demselben Fleck, dann trat er auf eine Terrasse, die -mit Orangenbäumen und Blumen bepflanzt war und einen Rasensitz darbot. -Auf diesen warf er sich, das Antlitz in das feuchte Grün gedrückt — -und, zum ersten Male im Leben, weinte er.... Er mochte sehr lange hier -liegen. —</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="fig2" name="fig2"> - <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig2.jpg" - alt="Zu S. 79" /></a> -</div> - -<p>Da fühlte er sich von zwei heißen Armen umschlungen.... Vor ihm knieete -<em class="gesperrt">Cölestine</em>, sein Weib.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[80]</a></span></p> - -<p>Ihm schwindelte und er wollte das nicht glauben: „Es ist ein Traum!“ -murmelte er vor sich und schüttelte das Haupt.</p> - -<p>„Es ist kein Traum, mein Geliebter!“ lispelte es ihm so süß von den -Lippen der Geliebten entgegen, daß er die Hand nach ihr ausstreckte. -Und was er erfaßte, war warmes, holdes, köstliches Leben.... er -konnte nicht widerstehen, er tauschte das seinige damit aus — mit -fieberischem Entzücken stürzte er sich in dieses jetzt zur klarsten -Einheit gewordene Doppeldasein: sie versanken beide in seinen -unergründlichen, schwindelnden Tiefen. —</p> - -<p>„Aber, meine Seele,“ sagte er darauf: „wie kommst Du hierher? Und wird -man Dich mir nicht sogleich wieder entreißen?“</p> - -<p>„Fürchte nichts, mein Geliebter!“ flüsterte sie und schmiegte sich ihm -innig an, wie der Epheuzweig einer starken Säule....: „Jene Menschen, -die uns einen ganzen Tag lang von einander gerissen — haben nicht -die Macht, uns auch noch die Nacht zu rauben. Alles entfernt sich -bereits aus den Sälen unseres Hauses — es ist ein wilder Tumult — -und in diesem stahl<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[81]</a></span> ich mich weg, um Dich aufzusuchen. — Wenn Du -glaubst, ich folgte Dir nicht überall mit den Augen, so hast Du Dich -betrogen!... O Du wähnest, daß nur Du mich liebst! So weißt Du nicht, -daß ich mich ganz, ganz Dir zu eigen gegeben habe? — Diese Stunde soll -es Dir sagen. Spricht sie nicht mit tausend Geisterzungen meine Liebe -Dir aus — — so wird nie eine andere es Dir sagen. — Ja, ja, ich -liebe Dich — tiefer, seliger, und ernster vielleicht, als Du mich.... -Urtheile nicht voreilig über uns beide! Glaube meinen Worten!“</p> - -<p>„Ja, sie reden jetzt mit überzeugender Gewalt zu mir!... Du bist mein -— und hast Dich aus freiem Trieb mir übergeben, und so mußt Du mich ja -lieben! — Entschuldige meine Thorheit, die mich vorher sich wie ein -Kind betragen ließ.... Allein wenn man im innersten Herzen erregt ist, -dann, in Wahrheit, geht man seines Verstandes verlustig, man wird ein -Narr, ein Wahnsinniger, ein Elender!“</p> - -<p>„Sprich, geliebter Engel — —“ kos’te das holde Weib, das auf seinem -Schoße saß — „sprich,“ sagte sie mit einem Tone, der klang und<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[82]</a></span> -duftete wie eine wehende Rose: „wirst Du auch immer so sein, wie jetzt? -Wirst Du mich immer lieben? — — Denn jetzt, ich weiß es, werde ich -von Dir vielleicht mehr geliebt, als irgend ein Weib von einem Mann. -Aber wird dies auch immer so bleiben? Kannst Du mir dafür Gewißheit -geben?“</p> - -<p>„Und würde es Dich glücklich machen, wenn ich das könnte?“</p> - -<p>„Gewiß — mein Alexander! Liebte ich Dich nicht, hätte ich Dich nicht -genommen.... und weil ich Dich liebe, muß ich ja wünschen, daß es -immerdar so bleiben möge.... Allein es ist ein böser Zustand, hiefür -keine Bürgschaft zu haben.... Höre mich, mein Gemahl! So wie ich jetzt -fühle und denke — würde ich die Hälfte meines Lebens dafür geben, wenn -ich sicher wäre, daß während der andern Hälfte ich auch nicht einen -Gran von Deiner Liebe einbüßen sollte!.... Glaubst Du meinen Worten, -oder meinst Du, ich treibe nur Scherz?....“</p> - -<p>Alexander vermochte kaum zu antworten; er preßte den blühenden Leib -seines jungen Weibes an seine Brust, an seinen Körper — er that ihr<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[83]</a></span> -mit seinen ungestümen Umarmungen beinahe weh.... doch sie empfand es -nicht....</p> - -<p>„Alexander!“ rief sie mit gedämpfter, tiefer Stimme: „in dieser -entzückenden Stunde, der heiligsten Stunde unseres Lebens, schwöre ich -Dir, Dir ewig treu zu sein. Schwöre Du mir’s auch!“</p> - -<p>Er wollte sprechen.</p> - -<p>„Still!“ rief sie und legte ihr kleines Händchen auf seinen Mund: -„schwöre nicht eher, als bis Du Alles erwogen hast.... ich gebe Dir -eine halbe Stunde Zeit.... aber länger vermag ich nicht zu harren, dann -gelobst Du mir, was Du Deinem Schöpfer geloben kannst.... und jetzt, -jetzt lass’ uns diesen Ort verlassen, lass’ uns eilen, um, bevor noch -alle Gäste die Säle verlassen haben, dort gegenwärtig zu sein. — -Du gehst durch jene, ich durch diese Thür. Nach einer halben Stunde -treffen wir uns — — — —“</p> - -<p>„Im einsamen Brautgemache!“ ergänzte er leise und verließ sie zitternd -an allen Gliedern, glückselig wie ein Gott.</p> - -<p>In der That war ihm in diesem Augenblick der Zufall günstiger, wie -heute den ganzen Tag<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[84]</a></span> über. Noch waren die Gäste in reicher Menge im -Saale zugegen, und eben weil sich Alles zum Aufbruch rüstete (gewisse -Leute brauchen dazu einige Stunden Zeit), war seine wie Cölestinens -vorige Abwesenheit nicht bemerkt worden.</p> - -<p>Mutter und Vater vermutheten die junge Frau unter irgend einer -Gruppe von Bekannten; dasselbe dachte man von dem Grafen, und da die -Neidischen und Nebenbuhler zufällig alle längst fortgegangen waren, so -konnten auch diese das geheime Glück der Eheleute nicht stören.</p> - -<p>Endlich war Alles aus dem Hause. Dieses stand jetzt still und leer.... -die Lichter in den Sälen wurden ausgelöscht — die Lakaien nahmen -nunmehr von diesen Schauplätzen Besitz. Der General mit seiner Gemahlin -entfernten sich nach dem rechten Flügel des Palais; Alexander mit -Cölestine am Arme schlug seinen Weg nach dem linken ein.</p> - -<p>Nachdem sie eine Reihe von Gemächern durcheilt waren, nahm er sie auf -seine Arme und ras’te mit ihr, wie ein Riese mit einem Kinde, in’s -Brautgemach.</p> - -<p>Hier leistete er ihr den Schwur, welchen sie verlangte: <em class="gesperrt">ewig ihr -treu zu bleiben</em>.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[85]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Fuenftes_Kapitel"><b>Fünftes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Einige Lebensszenen.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">I</span>m Kaffeehause bei <em class="gesperrt">Daum</em> trafen einige Tage darauf zwei Herren -zusammen. Es war gegen Mittag, um welche Stunde dieses Etablissement -sehr zahlreich und zwar von einer gewählteren Gesellschaft besucht -wird. Hier sehen Sie den Stutzer, der so eben von seiner Toilette -kommt, um sich hier in den vielen Spiegeln zu besehen, was er zu Hause -niemals so gut kann, denn welcher Mensch, und sei er ein <em class="gesperrt">Pelham</em>, -besitzt in seinem Quartier ganz Spiegelwände? Uebrigens frühstückt hier -der Stutzer auch, und das ist der Vorwand, unter welchem er erscheint. -— Ferner werden Sie eine zahlreiche Auswahl junger Kavaliere in diesem -Saale bemerken.... man beabsichtigt einen Morgenritt nach dem Prater -und kommt früher hierher, sich zu er<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[86]</a></span>frischen.... Ein großer Theil -jener Beamten, die eben keine zärtlichen Freunde der Bureaux sind — -sodann pensionirte Hauptleute und Majore und endlich Fremde, namentlich -Franzosen, vollenden die Gesellschaft, welche Herrn Daums Kaffeehaus -Vormittags zwischen zehn und zwei Uhr besucht.</p> - -<p>Man tritt, wie gesagt, gewöhnlich unter dem Vorwande, ein Frühstück zu -nehmen, ein, aber nur bei den Wenigsten lauert keine andere Absicht -im Hintergrunde. Dieser Herr z. B. will sich zwei Stunden lang auf -weichen Sopha’s umherwälzen und Neuigkeiten aufschnappen — — Jener -sieht durch’s Fenster nach den vorübergehenden Damen oder er stellt -sich zu diesem Behufe lieber gleich vor die Thür des Kaffeehauses — -denn es liegt ja auf dem Kohlmarkt, der besuchtesten Straße Wiens; was -einen Dritten betrifft, so hat dieser, dem die Gläubiger seine Wohnung -stürmen, sich vor ihren zudringlichen Schaaren hierher, in dieses -Asyl geflüchtet, weil öffentlich Niemand gemahnt werden darf. — Und -so ließe sich dieses Thema, welches wie so viele andere Kapitel über -den Unterschied zwischen<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[87]</a></span> <em class="gesperrt">Schein</em> und <em class="gesperrt">Sein</em> handelt, noch -weiter behandeln, wäre hier der Raum zu dergleichen vorhanden. —</p> - -<p>Wir eilen jedoch lieber zu einem der Hauptfäden unserer Geschichte und -überlassen Schilderungen von Nebendingen jenen Autoren, die in ihrer -Naivetät solche für Hauptsachen halten.</p> - -<p>Jene zwei Herren, die sich bei Daum so eben getroffen haben und -von welchen wir zuvor sprechen wollten, waren: unser wohlbekannter -Weiberbesieger <em class="gesperrt">Althing</em> — und <em class="gesperrt">Edmund von Randow</em>. Sie -begrüßten einander mit jenem Geschrei, welches zwischen gewissen noblen -Leuten die herrschende Tonesart ist....</p> - -<p>„Ah — mein lieber Edmund!“</p> - -<p>„Ah — mein alter Bursche Althing!...“</p> - -<p>Sie umarmten sich so herzlich als nur möglich.</p> - -<p>„Wie kommst Du hierher?“</p> - -<p>„Diese Frage wollte ich eben an Dich stellen, furchtbarster aller -Adonisse — (ich hoffe, Du wirst mit dieser Charakteristik zufrieden -sein!). Hab’ ich Dich doch niemals noch hier gesehen.... Ich glaubte -immer, Du besuchtest dieses Etablissement nicht gerne — weil keine -Damen hierher kommen...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[88]</a></span></p> - -<p>„O, o! soll das ein Scherz sein! Bin ich ein Narr, der den Weibern -nachläuft? Hoffentlich wirst Du nicht so gering von mir denken, Edmund! -Ich den Frauen nachlaufen... haha! So etwas ist nicht nöthig. — — -Es giebt Männer, die von <em class="gesperrt">ihnen</em> verfolgt werden, hahaha...“ Und -unser Dicker zupfte an seiner Cravatte und schlug mit seinen Sporren, -die er wie die alten Ritter immerwährend — vielleicht auch im Bette — -an den Füßen trug, zusammen....</p> - -<p>„Kurz gesagt: was suchst Du eigentlich hier?...“</p> - -<p>„Theuerster Freund — bevor wir über diesen Gegenstand reden — lass’ -uns eine Tasse Chocolate oder noch besser ein deutsches Frühstück -zu uns nehmen.... das stärkt zum Diskours.... Marqueur! Marqueur! -Chocolate, aber.... die Vanille nicht zu vergessen! hahaha!“</p> - -<p>„Hahaha!“ — lachte auch Edmund und rief dem Aufwärter nach: „schlagt -auch ein Ei hinein und gebt ein wenig von jenem gewissen Pulver dazu, -welches in Apotheken schwer zu bekommen ist.... hahaha!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[89]</a></span></p> - -<p>„Hahaha! Mein Freund — Du übertreibst, Du übertreibst. Jene -Ingredienzen sind bei mir alle noch nicht nothwendig, Dank Aeskulap, -dem Gott der Gesundheit....“</p> - -<p>„Und einem andern Gott, den man in unsern Schulmythologien nicht -abgebildet findet.... hahaha!“</p> - -<p>Althing hatte einen Tisch gewählt, von wo man sehr bequem auf den -Kohlmarkt hinaussehen konnte — und der Jüngling nahm neben seinem -Mentor Platz.</p> - -<p>„In der That,“ sagte er, „ich bin äußerst neugierig, den Grund, der -Dich hieher führte, zu erfahren, mein Alter....“</p> - -<p>Zornig schnob ihn der Dicke an: „Ein für alle Mal, ich bin dieses Wort -nun satt — und werde es in Zukunft als eine Beleidigung ansehen, -die gerächt werden muß, <em class="gesperrt">Alter</em> und immer <em class="gesperrt">Alter</em>! — — -Donnerwetter! Ihr macht es ja so, als gäbe es keinen Aelteren mehr in -der Welt, als ich. Was soll das heißen?... Bin ich Euer Freund, oder -foppt Ihr mich bloß!?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[90]</a></span></p> - -<p>„Ihr — Ihr? — sprichst Du zu mir per <em class="gesperrt">Ihr</em>! —“</p> - -<p>„Nun ja — Du und die Andern; Du verstehst mich schon. — Noch ein Mal, -Edmund, wenn es in Zukunft zwischen uns nicht schrecklich hergehen soll -— so sprich jenes verdammte Wort nicht mehr aus.... namentlich vor so -vielen Leuten....“</p> - -<p>In diesem Augenblick ging draußen ein junges und sehr schönes Mädchen -— ein Ladenmädchen, Putzmacherin, Blumenmädchen oder dergl., kurz -eine Grisette — vorbei und Althing fuhr mit einem Ruck, als habe ihn -Jemand gestochen, in die Höhe: „Alle T—l!“ rief er: „Was seh’ ich? -— Um diese Stunde schon? — Sie sagte mir, sie würde erst um ein -Uhr.... Sapperment, dahinter muß etwas stecken.“ Und er bemühte sich, -hinter dem Tische, der ihn und seinen Bauch einzwängte, rasch vor zu -kommen.... Das gelang jedoch nicht so leicht — und unser Ritter, der -sich mit den Sporren an den Wandtapeten verfangen, riß, während er -davon stürmte, ein Stück davon mit sich....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[91]</a></span></p> - -<p>Augenblicklich liefen ein Paar Marqueure herbei und stellten sich ihm -in den Weg:</p> - -<p>„Entschuldigen — Euer Gnaden!... — Verzeihen — Euer Gnaden.... -aber....“</p> - -<p>„Was wollt Ihr?“ schrie er wüthend und suchte durchzukommen.... -augenscheinlich hatte er in der Eile von dem Schaden, welchen er -verursacht, gar nichts gemerkt.... denn seine Wuth über die Kerle stieg -von Moment zu Moment:</p> - -<p>„Was soll das heißen?“ tobte er mit von Zorn erstickter Stimme: „Bin -ich hier unter Wegelagerern und Mördern?...“</p> - -<p>Er fing jetzt an so zu springen, als wollte er über die zwei Aufwärter -wegsetzen; zum Glück aber war er nicht im Stande, höher als zwei -Zoll sich zu erheben — dann plumpste er jedes Mal mit schrecklichem -Geräusch auf den Boden herab. — Endlich jedoch aufs Aeußerste -gebracht, ballte er seine Fäuste, streckte sie, wie ein Stier die -Hörner, vor sich hin — und versuchte nun auf diese Weise eine Bresche -zu machen; aber im selben Augenblick hatte ein dritter Marqueur ihn -hinten beim Rockschoß ergriffen....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[92]</a></span></p> - -<p>„Entsetzlich!“ stöhnte der Unglückselige, den bereits seine Kräfte — -er besaß deren nicht große — verließen: „Entsetzlich! so etwas habe -ich noch nicht erlebt!... Das ist hier eine Schlachtbank, aber kein -Kaffeehaus!...“</p> - -<p>Jetzt trat der Obermarqueur vor ihn: „Entschuldigen Sie,“ meinte -dieser — „es ist ein Kaffeehaus, wie diese Herren hier alle bezeugen -werden.... Man kommt jedoch nicht in ein Kaffeehaus, um Tapeten zu -zerreißen, Frühstück zu bestellen und sich dann so beiläufig — -fortzumachen.... Ich gebrauche noch einen sehr milden Ausdruck, wie Sie -sehen....“</p> - -<p>„Ha! mir das?“ schäumte Althing: „Mir das? — Fortmachen? -„<em class="gesperrt">Durchgehen</em>,“ wollen Sie wohl sagen! — Wissen Sie denn auch, -mit wem Sie’s eigentlich zu thun haben, mein Mann?“</p> - -<p>„Eben deßhalb, weil man Sie hier nicht kennt, weil Sie noch niemals da -gewesen sind, mein Herr, durften Sie bei Ihrem forcirten Abgang keine -andere Behandlung erwarten.... Mein Gott, wer wird uns zumuthen, unsere -Tapeten von fremden Herren zerreißen zu lassen?....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[93]</a></span></p> - -<p>„Aber ich wäre wieder gekommen; ich hatte nur ein wichtiges Geschäft -abzumachen, das keinen Aufschub litt.“</p> - -<p>„Mein Herr, ich erlaube mir die Bemerkung, daß, bevor man -zu wichtigeren Geschäften geht, man so unwichtige, wie eine -Kaffeehausschuld, abmacht...“</p> - -<p>„Aber — — bin ich denn allein da? Wo ist denn mein Freund, Herr von -Randow? — War dieser denn Euch nicht Bürge genug? —“</p> - -<p>„Allerdings; allein der Herr von Randow hatten ja eben die ganze Szene -mit angesehen — und da Dieselben sich dessenungeachtet nicht in’s -Mittel legten....“</p> - -<p>Bei diesen Worten drehte der mißhandelte Liebesheld sich um, um nach -seinem Freunde Edmund zu sehen. Dieser saß zwei Schritte davon und -hielt sich vor Heiterkeit kaum mehr auf dem Sitze. In der That, die -eben vorgefallene Szene hatte ihm ein Vergnügen gemacht, in welchem -er sich um großer Schätze willen nicht hätte mögen stören lassen; von -ihm war also eine Unterbrechung desselben und somit der Szene nicht zu -erwarten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[94]</a></span></p> - -<p>Althing warf ihm einen indignirten Blick zu und sprach, bitter -lächelnd: „— — O, das hat man für seine Freundschaft, für seine -Lehren! — Gewöhnlich erzieht man sich an seinen Schülern — -Schlangen und Nattern. — Doch schon gut! Ich werde diesen Vorfall -nicht vergessen — und auch wie ritterlich man sich dabei gegen mich -benommen....“</p> - -<p>„Aber, mein Gott,“ entgegnete Edmund kichernd: — „Was sollte ich thun? -— Du schlugst ja so wüthend umher, daß man nicht in Deine Nähe treten -und Dir ein Wort zuflüstern konnte. ... Und überdies....“</p> - -<p>„Schon gut! schon gut! Keine Entschuldigung, mein Herr!“ sagte -unser Dicker in jenem kalten Tone, womit man einen Menschen seine -Gleichgültigkeit fühlen läßt: „Marqueur! — Was macht der ganze dumme -Spaß....“</p> - -<p>„Nicht mehr als zehn bis zwölf Gulden,“ antwortete der Oberaufwärter.</p> - -<p>„Was heißt das: Bis —“</p> - -<p>„Das heißt, mein Herr, es läßt sich noch nicht ganz genau -berechnen....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[95]</a></span></p> - -<p>„Wohl; hier habt Ihr zwölf Gulden! — — und nun ein Glas Limonade. Ihr -bringt sie jedoch zu diesem Tische, hier nebenan.“</p> - -<p>Der Gekränkte setzte sich wirklich an einen andern Tisch, jedoch hatte -er auch von hier die Aussicht auf den Kohlmarkt. Er saß ganz allein — -denn die ihm früher während seines Kampfes mit den Aufwärtern umgebende -Menge hatte sich, bis auf einige junge Herren, die ihn aus einer -gewissen Entfernung durch Lorgnets besahen, verloren. — Diese für ihn -höchst wahrscheinlich jetzt sehr erwünschte Einsamkeit — fing der gute -Dicke nun damit an zu benutzen, daß er sein Wesen und seinen Anzug, die -ein bischen derangirt worden waren, in die vorige Ordnung zu bringen -versuchte,.... er zog seine Cravatte straffer an — besah seine Sporren -— wischte den Schweiß von der Stirne — und als die Limonade ankam, -trank er sie auf einen Zug aus. Bei allen diesen Verrichtungen jedoch -unterließ er nicht, sein Auge immerwährend nach der Straße hinaus zu -richten.... Allein da konnte er lange schauen! es war Alles vergebens.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[96]</a></span></p> - -<p>Jetzt trat Edmund näher heran, setzte sich auf einen Stuhl neben ihn -und sprach: „Althing, ich will Dir’s nur sagen! Wenn Du nach jenem -Mädchen lugst, der Du vorhin nachspringen wolltest — die ging bereits -während Deiner Fehde mit den Aufwärtern zurück....“</p> - -<p>Dieses Wort war im Stande, den Seladon Alles Geschehene vergessen -zu machen: „Ist das wahr?“ rief er eifrig: „Du sprichst von jener -hübschen, niedlichen Grisette?“</p> - -<p>„Von jener niedlichen Grisette, ja, ja! — Sie hat, dünkt mich, sogar -Deine Rauferei hier vor dem Fenster mit angesehen...“</p> - -<p>„Ist das möglich! Und was that sie dabei? — Sie war gewiß im äußersten -Grade entrüstet?“</p> - -<p>„Nein, denn sie lachte wie toll und rief noch mehrere von ihren -Freundinnen herbei, die eben vorbeigingen....“</p> - -<p>„Aber das ist unglaublich! — das Mädchen liebt mich ungeheuer!“</p> - -<p>„— Wie die Andern — haha!“</p> - -<p>„Nein, nein, Diese ist in mich total verschossen! Du hast keinen -Begriff davon, mein Freund<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[97]</a></span>. Willst Du einen Beweis? Nun gut: so wisse, -daß sie mir heute ein Rendezvous gab; daß sie eben meinetwegen hier so -oft vorüber geht — —“</p> - -<p>„Ich sah jedoch ganz deutlich, daß sie auch nach andern Herrn -blickte....“</p> - -<p>„Blickte?“</p> - -<p>„Und — lachte!“</p> - -<p>„— Dieselben aus.“</p> - -<p>„Nein, sondern: lachte sie an. Allein, Du scheinst Deiner Sache sehr -gewiß.“</p> - -<p>„Das bin ich auch, mein Freund! Sie gab mir Tausende von Beweisen, jene -kleine Hexe.“</p> - -<p>„Zum Beispiel.“</p> - -<p>„Zum Beispiel —! — Ach, wozu erst viele Beispiele. Ich weiß, woran -ich bin und damit gut. Uebrigens weißt Du, daß ich in diesen Dingen -nicht von heute bin. Man hat Erfahrungen — man hat Abenteuer gehabt -von allen Sorten.... kurz, man war glücklich... hehe!“</p> - -<p>„Doch was seh’ ich!“ rief Edmund plötzlich: „Kommt sie da nicht schon -wieder?...“</p> - -<p>Rasch blickte der Alte durch’s Fenster: „Richtig! Richtig!“ rief er -freudig aus.. „Nun, was sagst Du dazu, mein Junge! Siehst Du den<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[98]</a></span> -Blick, welchen sie mir zuwirft.... hahaha! Wirst Du nun noch länger -zweifeln.... daß man Sieger, daß man Geliebter des Herzens ist?“</p> - -<p>Und kaum hatte er das gesagt, als er nun wieder aufsprang und — -diesmal von den Aufwärtern — ungefährdet hinaus lief. Doch lief ihm -fast das ganze Kaffeehaus nach und Alles lachte über eine Begebenheit, -welche bisher in den Annalen von Daum’s Caffée unerlebt war.</p> - -<p>Unter den Zuschauern, welche sich jetzt vor der Thür des Etablissements -aufstellten, um dem Alten nachzusehen, befand sich auch Edmund. Er nahm -sich vor, seinem verliebten Freunde zu folgen und ihn nöthigenfalls -zu hindern, abermals einen dummen Streich zu begehen. Denn hatte -der junge Mann auch jenem Auftritt im Kaffeehause mit ruhigem Blute -beigewohnt und sich an demselben auch noch obendrein erlustigt — so -war er gleichwohl, nach Art gutmüthiger Menschen, sogleich bereit, sein -Vergehen durch eine edle That zu sühnen.</p> - -<p>Althing verfolgte die Grisette inzwischen Schritt für Schritt; er ging -ihr über den Kohl<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[99]</a></span>markt, den Michaelerplatz, die Herrengasse bis zur -Freiung nach — — aber er bemühte sich vergebens, sie einzuholen, denn -das Mädchen hüpfte leichtfüßig wie ein Reh, während er Mühe hatte, -seinen dicken Bauch fortzubringen; und dann genirten ihn auch seine -Sporren, mit denen er alle Augenblicke anstieß und hängen blieb. —</p> - -<p>Aber der Eifer des Jägers wächst mit der Mühe der Verfolgung — und -man sah es dem dicken Adonis an: er wollte sich lieber seine Beine und -seine Lungen zu Grunde laufen, als von seinem Vorhaben, das Mädchen zu -erreichen, abstehen.</p> - -<p>Endlich schien das Glück sich ihm wieder zuzuneigen. Die Kleine, auf -dem tiefen Graben angelangt, wohin sie jetzt ihre Schritte lenkte, -mäßigte die letzteren.... das gab dem Alten neuen Lebensmuth, und er -ruderte ihr nun aus Leibeskräften nach, wobei sich Arme, Beine, der -Kopf, kurz der ganze Körper bewegte. —</p> - -<p>„Ah!“ dachte Edmund, der immer in einer kleinen Entfernung nachzog -— „sollte es wider Vermuthen günstiger ausschlagen? Doch, das ist<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[100]</a></span> -unglaublich! — Sehen wir nur nach, was es wieder geben wird.“</p> - -<p>Schon hatte Althing die Grisette erreicht; — er rückte ihr an die -Seite und flüsterte ihr Etwas in’s Ohr... man konnte von hinten sehen, -zu welcher freundlichen Fratze er sein rothes, schweißtriefendes -Gesicht verzog; — — jetzt trennte ein Schubkarren, welcher mitten -zwischen die beiden fuhr, den Ritter von seiner Dame.... und Jener -mußte ein wenig zurückbleiben.... er wollte ihr rasch wieder -nachspringen, aber in diesem Momente trat die Grisette in ein Haus, -und unserem Dicken, welcher seinen Fuß schon auf die Schwelle gesetzt -hatte, wurde die Thüre vor der Nase zugeschlagen... so daß wenig fehlte -und er wäre um die letztere gekommen...</p> - -<p>Er prallte heftig zurück und auf eine Frau, die zu dieser Zeit eben -vorbeiging und auf den Armen einen Korb voll Gemüse trug; es war eine -Fratschlerin (Höckerweib) — man weiß was eine Wiener Fratschlerin zu -bedeuten hat.</p> - -<p>Augenblicklich entlud sich eine Fluth von Schimpfwörtern aus ihrem -Munde: „Der alte<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[101]</a></span> Mensch da! — Da seht ihn einmal an! Ist er -toll? Wirft sich da in meinen Gemüsekorb hinein — als gehörte er -darunter.... Nun ja, er sieht mir auch gerade so aus, wie ein hohler -Kürbis.... Tausendsapperment hinein!“<a name="FNAnker_B_2" id="FNAnker_B_2"></a><a href="#Fussnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a></p> - -<p>Althing schien der Verzweiflung nahe zu sein... Er hatte gänzlich den -Kopf verloren; er wußte nicht wie ihm geschah — und blickte bald das -tobende Höckerweib hinter, bald das Haus vor sich an.... Allein auf -beiden Seiten war nichts Tröstliches zu sehen, und der wackere Mann -schüttelte jammervoll sein edles Haupt....</p> - -<p>Da warf er einen zerknirschten Blick nach den sechsten Stockwerk hinauf -und murmelte wehmuthsvoll: „Dort oben soll sie wohnen, wie sie mir -gesagt hat; aber wozu sagt sie mir dieses, wenn sie mir die Thüre vor -der Nase zuschlägt?.... O, Althing, so ist Dir noch niemals mitgespielt -worden! —“</p> - -<p>Die Fratschlerin war wieder langsam weiter gegangen, jedoch nicht -ohne noch immerwährend<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[102]</a></span> zu fluchen und sich von Zeit zu Zeit nach -dem Unglücksmanne zornig umzusehen. Was Edmund betrifft, so hatte -sich dieser hinter einen Mauervorsprung zurückgezogen und sah von -hier aus dem Treiben seines alten Kameraden zu. Er wartete blos auf -die Gelegenheit, wie ein echter Retter in der Noth hervorzuspringen, -falls dieses irgend nöthig sein sollte. Ach, wahrhaftig! er wartete -vergebens; die Gelegenheit überrumpelte ihn und seinen Freund, wie ein -unbarmherziger Feldherr seinen gar zu sicheren Gegner....</p> - -<p>Während nämlich Althing noch immerfort nach den Fenstern der sechsten -Etage hinaufsah — denn er vermochte nicht sein Auge von da abzuwenden -— wurde plötzlich aus einem dieser Fenster, gerade über seinem -Haupte, ein Gefäß ausgeleert, dessen Inhalt den armen Ritter völlig -überfluthete, so daß er laut aufschrie: „Ah! Ah! — Feuer! Feuer!“ und -zuversichtlich noch mehrere ähnliche Rufe herausgestoßen haben würde — -wäre in diesem Augenblick Edmund nicht herbeigelaufen und hätte sich -seiner be<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[103]</a></span>mächtigt, um ihn hastig in’s nächste Haus zu ziehen und so -der Polizei, die unfehlbar sogleich herbeieilen mußte, zu entreißen.</p> - -<p>Denn ein unbegründeter Feuerruf mußte in Wien mit einer artigen Summe -bezahlt werden.</p> - -<p>Althing’s Kleider verbreiteten eben keinen angenehmen Geruch; zum Glück -war es indessen blos Seifenwasser oder etwas Aehnliches. — — Der -Dicke triefte wie ein Pudel und überdies schien ihn sowohl vor Schreck -als vor Kälte ein Fieber ergriffen zu haben, denn er bebte, zitterte -und klapperte mit den Zähnen, daß es ein Erbarmen war. —</p> - -<p>„O, mein Freund!“ sagte er zu dem Jüngling: „Beweine mich! — Ich -bin ein Märtyrer der Liebe geworden! — Ach, wäre ich nur schon zu -Hause, um andere Kleider anzuziehen! — Der Zustand dieser hier wird -mich tödten.... O, hätte ich das träumen können! — Ich, ich, der so -viele Siege davon getragen hat; der mit Cäsar sagen konnte: <em class="antiqua">veni, -vidi, vici</em> — — — und nun eine solche Erfahrung zu machen...... -Allein,“ fuhr er nach einigen Augenblicken fort,<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[104]</a></span> indem er sich im -Gesichte mit der Hand herumwischte.... „was bemerkst Du an meiner -Physiognomie, Edmund?“</p> - -<p>„Ich bemerke, daß sie voll Ruß ist; ihr unterer Theil sieht wie -bei einem Schornsteinfeger aus.... Dein Schnurbart hat seine Farbe -gelassen. — —“</p> - -<p>„Glaube dies ja nicht; er ist von Natur schwarz und färbt nicht ab; du -darfst dessen gewiß sein. Er ist immer schwarz gewesen, dieser Bart — -in meinem zehnten Jahre schon! — Auch hat man dieses stets für eine -meiner vorzüglichsten Zierden erklärt. Allein, werden wir nicht bald -nach Hause gehen? Ich halte es hier nicht aus.“</p> - -<p>„Willst Du der Polizei in die Arme laufen, Unglücklicher, und auf die -Wachstube geführt werden?“</p> - -<p>„Aber man wird uns nicht bemerken — — Schaffe einen Fiaker herbei, -guter Edmund....“</p> - -<p>„Das geht nicht; man darf auch mich nicht sehen. Wir müssen noch einige -Zeit hindurch hier verweilen....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[105]</a></span></p> - -<p>„Das ist eine schlimme Aussicht.... Jedoch, was bemerke ich da rechts -im Hofe, siehst Du — dort, aus dem vierten Fenster, hat so eben ein -allerliebster Lockenkopf herausgesehen.... das gewährt Zerstreuung. —“</p> - -<p>„Ach, Althing — wirst Du denn nie Vernunft annehmen? In unserer Lage -haben wir nach andern Dingen zu sehen, als nach Lockenköpfen....“</p> - -<p>„Ganz wohl; aber man darf keine Gelegenheit vorbeistreichen lassen —“</p> - -<p>„Still doch! — Hast Du nichts gehört? — Mir schien es, als hätten -sich draußen Stimmen hören lassen....“</p> - -<p>Augenblicklich verstummte der Dicke und sein Fieberfrost kehrte -zurück.... Jetzt vernahm man ganz in der Nähe eine Stimme, die keinen -Zweifel über ihren Besitzer zuließ: „Hier hat Jemand Feuer gerufen! — -Wer ist das gewesen?“</p> - -<p>„Wir wissen nichts, wir wissen es nicht!“ antworteten mehrere Stimmen!</p> - -<p>„Es war ein dicker Herr,“ rief jetzt eine —; „er muß in diesem Hause -verborgen sein! — ich sah ihn da hinein laufen...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[106]</a></span></p> - -<p>„O mein Edmund!“ ächzte Althing und fiel bewußtlos seinem Freunde in -die Arme.</p> - -<p>Nun wurde die Thür geöffnet und ein Polizeimann trat ein; sogleich -deutete ein Weib mit einem Korbe, die zu gleicher Zeit erschien, auf -den Ohnmächtigen und rief: „Der da ist es gewesen! Der da hat Feuer -geschrieen! Das ist der Vogel — — der früher auch in meinen Korb -hinein flog, als hätte er sechs Tage nicht gefressen...“</p> - -<p>„Mein Herr von Randow,“ bedeutete der Polizeisoldat gegen Edmund — -denn der Dicke hörte nichts — „da ich so glücklich bin, Sie und diesen -Herrn hier zu kennen, so ersuche ich Sie, falls es Ihnen nicht lieber -wäre, sich sogleich auf die Direktion dieses Viertels zu bemühen — — -einige Stunden später daselbst zu erscheinen, um über den Feuerruf, für -dessen Urheber man Sie ausgibt, die nöthige Auskunft zu ertheilen...“</p> - -<p>Nach diesen Worten empfahl sich der Diener der öffentlichen Sicherheit, -wobei er nicht vergaß, mit der Spitze seiner Finger den Czako zu -berühren.... zugleich jagte er die Schaar der Neugierigen, welche -sich vor dem Hause angesammelt hatte, wie dies in Wien häufiger als -an<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[107]</a></span>derswo zu geschehen pflegt, auseinander und öffnete so unsern beiden -Freunden freies Feld, welches diese denn auch benutzten, nachdem -Althing wieder zu sich gekommen war.</p> - -<p>Edmund packte denselben in einen Fiaker und schickte ihn nach Hause; -er selbst wurde von Verrichtungen nach einem andern Theile der Stadt -gerufen.</p> - -<p>Es war in der Nähe des Augartens, wohin er in einem Wagen sich bringen -ließ. Eben stieg er aus, in der Absicht, sich nach einem von den -schönen neuen Häusern, welche dort stehen zu begeben, — als ihm aus -der Allee, welche den Augarten von Außen umgibt — ein Mensch entgegen -stürzte, der auf den ersten Anblick einem Wahnsinnigen nicht unähnlich -sah. — Ohne Mühe erkannte unser Freund den <em class="gesperrt">Baron von Leuben</em>, -jenen glühenden Verehrer Cölestinens, welchen wir auf dem Wasserglacis -kennen gelernt haben. Aber was war mit dem Menschen vorgegangen! -Sein Anzug sah im höchsten Grade zerrüttet aus, so als hätte er ihn -seit 8 Tagen nicht gewechselt und als hätte er die Nächte auf freier -Straße oder im Felde liegend zugebracht.<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[108]</a></span> Das Gesicht war fahl und -eingefallen, die Züge verzerrt — das Haar flatternd, allen Winden -Preis gegeben....</p> - -<p>„Sind Sie es oder sind Sie es nicht?“ rief er Edmund an und faßte ihn -bei der Hand.</p> - -<p>Dieser, der ohne Zweifel weder Zeit noch Lust hatte, sich aufzuhalten, -entschuldigte sich und schützte dringende Geschäfte vor....</p> - -<p>„Nein, nein!“ sagte Jener mit zitternder Stimme: „ich lasse Sie nicht; -Sie müssen mit mir sprechen. Zwei Worte nur, aber um Gotteswillen reden -Sie mit mir!“</p> - -<p>„Mein Herr,“ versetzte Jener; „wäre dazu vielleicht nicht ein ander Mal -Zeit? Wollen Sie z. B. nicht hier auf diesem Platze einige Augenblicke -lang auf mich warten? Ich werde sogleich wieder zurück sein....“</p> - -<p>„Nicht doch! Keinen Schritt von hier!“ schrie Leuben: „Wollen Sie, daß -ich völlig toll werde? Zur Hälfte bin ich’s schon. Ich kann es nicht -länger ertragen. Bei der Barmherzigkeit des Himmels beschwöre ich Sie: -hören Sie mich an!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[109]</a></span></p> - -<p>„Nun denn,“ antwortete Edmund, halb in Unmuth und halb mitleidig: „was -steht zu Ihrem Befehl?“</p> - -<p>„Kommen Sie unter jene Bäume dort.... denn hier werden wir gesehen — -— und ich weiß, mein Aeußeres taugt nicht dazu. —“</p> - -<p>Diese Rede rührte den jungen Menschen, der, wie erwähnt worden, so -leicht zu rühren war: er folgte dem Baron und war mit demselben bald in -der Allee....</p> - -<p>„Sie sehen in mir,“ fing der Letztere an, „einen Unglücklichen, einen -Elenden — dessen Herz gebrochen ist und für dessen Verstand nicht -minder Gefahr droht.“</p> - -<p>„— Nun wohl, mein Herr,“ entgegnete unser Freund: „was Sie mir sagen, -ist schrecklich genug, um meine innigste Theilnahme zu erwecken: drum -reden Sie, was kann ich für Sie thun?“</p> - -<p>„Was Sie für mich thun können?“ seufzte Leuben schwer auf: „Jetzt -vielleicht nichts mehr oder sehr wenig; früher jedoch würden Sie ganz -gewiß mein Leben, meine Seele, mein Glück und meinen Frieden haben -retten können. —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[110]</a></span></p> - -<p>Daß Edmund den Zusammenhang und Sinn dieser abgebrochenen Worte -errieth, läßt sich wohl denken. Er hatte es längst bemerkt, daß dieser -junge Mann auch zu der Zahl derjenigen gehörte, die von den Reizen -Cölestinens bezaubert waren; er wußte jedoch bisher noch nichts von der -namenlosen, alle Grenzen einer gewöhnlichen Empfindung übersteigenden -Leidenschaft Leubens. Diese Stunde gab ihm indeß hinreichende -Aufklärung. Da ihm nun solchergestalt das Unzukömmliche seines jetzigen -Zusammentreffens mit dem jungen Mann und das gänzlich Verwerfliche -seines längern Verweilens bei demselben einleuchtete, so bemühte er -sich eifrig, sein Mitleid für ihn zum Schweigen zu bringen und sich -rasch von hier zu entfernen.</p> - -<p>Er wartete daher nur noch eine nähere Erklärung Leubens ab, sodann -wollte er ihm ohne Rücksicht Adieu sagen. — Der Unglückliche -beschleunigte selber diesen Plan. Er faßte Edmund an beiden Händen — -stellte sich vor ihn hin und sprach mit düsterem Tone:</p> - -<p>„Ich liebe Ihre Schwester!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[111]</a></span></p> - -<p>„Mein Herr!“ versetzte dieser, der jetzt augenblicklich sich losriß und -zwei Schritte zurück trat — in kaltem Tone: „Meine Schwester ist seit -acht Tagen die Gemahlin des Grafen von A—x.“</p> - -<p>„Das weiß ich!“ sagte Leuben mit dumpfer Stimme.</p> - -<p>„Das wissen Sie!“ rief Edmund streng: „und dennoch wagen Sie es, mir -eine solche Erklärung zu geben.“</p> - -<p>„Und warum nicht?“ fragte Jener finster.</p> - -<p>„— Weil ich,“ entgegnete zornig Randow: „dieselbe nicht zu dulden -willens bin, mein Herr.“</p> - -<p>„Und was weiter —?“ meinte der Jüngling gleichgültig.</p> - -<p>„Das Weitere ist, daß ich, Rücksicht auf Ihren Zustand nehmend, Sie -nicht ferner anhören will. Adieu, mein Herr!“ Er wandte ihm den Rücken.</p> - -<p>„Aber — — ich habe Sie beschworen, es zu thun, und Sie haben -eingewilligt. Wollen Sie Ihr Wort brechen?“</p> - -<p>„Nach dem, was ich so eben hören mußte, fühle ich mich meiner Pflicht -vollkommen entledigt. Darum noch ein Mal: Adieu!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[112]</a></span></p> - -<p>Edmund ging jetzt raschen Schrittes fort.</p> - -<p>Leuben aber lachte ihm in jenem schrecklichen Tone nach, welchen man so -oft hört, wenn man an den Irrenhäusern vorbeikommt — und welcher Ton -ein Menschenherz durchschneidet und zerreißt. — —</p> - -<p>„O!“ rief der Unglückliche, so daß Edmund es noch hören konnte: „es ist -auch so gut. Einer Wölfin Bruder — pflegt kein Lamm zu sein.... wohl, -wohl. So ist also Alles vorbei — und mir bleibt nichts als Tod oder -Verzweiflung.“</p> - -<p>Einen Augenblick hielt er hier inne, dann kreischte er wild auf: „Doch -nein! mir bleibt noch Eins! — Noch Eins!“ und abermals ließ er ein -heiseres Lachen hören — doch schien durch dieses ein von dem früheren -sehr verschiedener Grundton durchzuklingen. Jetzt verschwand er im -Augarten.</p> - -<p>Edmund aber trat in ein neues und schönes Gebäude ein. Es war das -Palais des Grafen Alexander von A—x, welches dieser seit Kurzem mit -Cölestine bewohnte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[113]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Sechstes_Kapitel"><b>Sechstes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die ersten Tage eines jungen Ehepaars.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">S</span>ie lebten so glücklich. —</p> - -<p>Welcher Abschnitt des Lebens läßt sich wohl mit jener Zeit vergleichen, -da die erste Liebe in ehelicher Sicherheit und Kraft blüht, wie die -Blume des Feldes, die von sorgsamer Hand in das Beet des Gartens -versetzt wurde.... Ach, sie saugt jetzt edlere Säfte aus diesem edleren -Boden — und voll, farbig, duftreich, wie nie, steigt sie empor in die -blauen Lüfte. —</p> - -<p>Was ist die Liebe? Eine Waise, die arm und nackt nach einem Freunde -sucht, der sie aufnimmt in seiner Hütte.... Hier wird sie groß gezogen -— reift zum Weibe — und bringt als Hausfrau Segen über das ganze Haus.</p> - -<p>Wir fürchten in der That allzusehr hinter der Wirklichkeit -zurückzubleiben, indem wir ein<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[114]</a></span> Bild von dem jetzigen häuslichen Leben -Alexanders und Cölestinens zu geben versuchen. So hatten sie sich denn -endlich erreicht. — Niemand konnte mehr Eines dem Andern entreißen. — -Niemand? — Mit Gewalt wenigstens nicht!</p> - -<p>Wir wissen nicht, wer von beiden das Glück, welches ihm an der Seite -des Gatten geworden war, inniger und tiefer empfand. Es war zwischen -ihnen ein steter Wettstreit von Zärtlichkeit: Jedes wollte hierin den -Preis davon tragen.</p> - -<p>Das Haus, welches sie vom Tage ihrer Vermählung an bewohnten, war sehr -geräumig und mit allen Bedürfnissen eines eleganten und wohnlichen -Aufenthaltes auf verschwenderische Weise ausgestattet. Es enthielt zwei -Etagen, wovon die erste zwei Salons und viel große Gemächer, die zweite -kleinere Wohnzimmer, vorne zum untergeordneten Gebrauch der Herrschaft -und nach hinten zu für die Beamten des Hauses dienten. Die eigentlichen -Domestiken bewohnten das Parterre. Hinten schloß sich an’s Haus ein -schöner geräumiger Garten an, ein Gegenstand, der in diesen Theilen -Wiens nicht eben häufig angetroffen wird. Wie wir schon bemerkten, war<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[115]</a></span> -dieser Wohnplatz, dieses Palais in Bezug auf seine innere und äußere -Einrichtung im Sinne des Wortes <em class="gesperrt">glänzend</em> und <em class="gesperrt">vollkommen</em>. -Es konnte den ersten Häusern der Stadt den Rang ablaufen. Graf -Alexander hatte von dem Augenblick, als er zu dem Besitze des Herzens -Cölestinens gelangt war und sich Hoffnungen zu machen anfing auf ihre -Hand — mit wunderbarem, mit wahrhaft rührendem Eifer gestrebt, hier -der Geliebten seines Herzens einen Sitz der Freude, der Bequemlichkeit -und der Pracht zu schaffen. Was der zärtlichste Sinn ihm nur Schönes -und Vortreffliches eingab, Alles suchte er zur Wirklichkeit zu bringen -— seine Sorgfalt für dieses Stückchen Erde glich derjenigen, welche -fromme Gläubige für einen Platz, der ihrem Gott geweiht ist, hegen, und -welchen Platz sie mit einem Tempel schmücken.</p> - -<p>Die Lebensweise des jungen Ehepaars war im Aeußeren ein Bild voll -Jugend, Anmuth, Einfalt und Glückseligkeit. So ist die Zeit der ersten -Gattenliebe immer. — — Cölestine war nicht getrennt von ihrem Manne; -ihre beiderseitigen Zimmer wurden durch zahlreiche Thüren<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[116]</a></span> und jene -süßen geheimen Gänge verbunden, welche die Liebe erfunden hat. — -Von den Verwandten und Freunden des Ehepaars war es schön, daß sie -während der ersten Wochen seine Einsamkeit nicht störten. In der That, -es hatte noch kein fremder Fuß diese Schwelle entweiht, welche den -geheiligten Mysterien der ersten Gattenliebe geweiht war. — Wenn Er -und Sie früh erwachten, fanden sie einander in ihren Armen, so wie sie -Abends sich umschlungen hatten — dann erhoben sie sich Beide, um auf -einige Augenblicke Abschied von einander zu nehmen.... Sie gingen in -ihre Ankleidezimmer — das einfachste Gewand wurde gewählt — nur um -keinen der kostbaren Momente zu verlieren, die sie zusammen genießen -konnten. — Alexander bot jetzt seiner Frau den Arm und führte sie in -den Garten, über welchen eben der heranrückende Sommer das entzückende -Kleid der Blätter, Gräser und Blumen ausbreitete. Schon winkten -trauliche Boskets — doch nicht belaubt genug, um in sich dieselben -wie in eine undurchdringliche Freistätte zu flüchten. Alexander las -seiner Gemahlin aus einem Buche vor und wovon han<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[117]</a></span>delte dieses Buch? -Von — glücklicher Liebe. — Diese war für sie übrigens allenthalben -vorhanden, wohin sie auch immer ihre Blicke wandten. Sie fanden diese -glückliche Liebe bei den Blumen, die einander umschlangen, und im -Bache, wo eine Welle in die andere hinüberfloß — sie fanden sie am -Himmel, wo die Sonnenstrahlen sich mit den kleinen Wölkchen eines -schönen Tages vermählten und diese zärtlich vergoldeten — — sie -fanden sie auch in den Vöglein unter den Wolken, welche da die Luft -durchzogen und einander zärtlich verfolgten, sich dann auf einen Zweig -niederließen und zusammen sangen.... ja sie fanden diese heilige und -beseligende Liebe überall im Himmel und auf Erden, ja selbst zwischen -diesen beiden; denn jener mit seiner blauen Decke umschlang diese in -ihrem bräutlichen Festgewande, und sie streckte ihm durch die Bäume und -Aeste ihre blühenden Arme entgegen. —</p> - -<p>Aber wo wäre auch Liebe nicht? Hat man sie ja tausend Mal den -Gottesodem genannt, der das Universum durchweht.</p> - -<p>Und als nun die Stunde erschien, in der früher die Liebenden, da sie -noch nicht sich selbst<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[118]</a></span> sondern der Welt gehörten, sich aufmachen -mußten, um im schalprunkenden Staate dem Götzen der Gesellschaft zu -dienen — als jene traurige Stunde erschien, in der man Besuche gibt -und empfängt bei und von Leuten, die für unsere Herzen eben so fremd -sind wie alltäglich für unsere Augen — Leute, welche uns verleiten, -mit ihnen im Verein einen Dienst der Lüge zu begehen, der unsere Seele -verhärtet und unsern Geist verderbt — — der uns immer mehr von uns -selbst und unserem geheiligten Innern ablenkt — — um diese Stunde nun -saß jetzt das junge Paar noch immer beisammen und lebte noch immer für -sich und pflanzte und bewirthschaftete den Baum des Glückes, dessen -Wurzel ihre beiden Herzen waren — und unter dessen Laub sie still und -vergnügt wohnen — von dessen Früchten sie dankbar essen sollten. —</p> - -<p>Auch beim Mittagstische fanden sie einander wieder — und widmeten die -nächsten Stunden dann gewöhnlich einer süßerquickenden Ruhe. Gegen -Abend verließen sie entweder zu Wagen oder zu Fuße das Haus und begaben -sich hinaus in die freie Natur, wo sie gleich Kinder, auf den<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[119]</a></span> Wiesen -umherhüpften, einander neckten, verfolgten, bis zum Rande des Flußes -liefen, hier bunte Steinchen, Muscheln und Wasserblumen suchten — — -auch wohl einen Kahn bestiegen und sich hinüber auf die einsame Insel -rudern ließen, wo sie, nachdem sie die Dienerschaft zurückschickten, -mit dem Bedeuten, erst nach einigen Stunden wieder zu kommen — diese -Zeit wie Einsiedler durchlebten; wie Robinson. — Sie gaben sich hier -dem unmittelbaren Naturgenusse hin, dessen erhabene Süßigkeit ein -gewöhnliches Herz nicht zu fassen fähig ist. —</p> - -<p>Abends im Sternenschimmer und im Silberscheine des Mondes fuhren sie -sodann auf dem Flusse zurück und verlängerten, wenn es ging, immer -diese Fahrt. — Rings um sie herrschte das tiefe Schweigen der Nacht -und langsam stiegen im Umkreise die Wassergeister aus der Fluth und -umgaukelten den Kahn — setzten sich auch wohl mit ihren luftigen, -neblichten Gliedern auf den Rand desselben und glotzten das liebende -Paar neugierig aus kristallenen Aeuglein an; — dann, wenn die Gatten -sich umarmten oder küßten — hüpfte das Wasservölkchen schnell wieder -in<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[120]</a></span> ihre nasse Heimath zurück, indem es ein leises Gekicher zurückließ, -das sich mit dem Rudergeräusch vermählte. —</p> - -<p>Mitternacht war längst vorüber und noch fuhren oft die jungen Gatten -auf dem Wasser, oder wandelten in Auen, Wiesen und Wäldern; und -überall, wo sie sich nur immer befanden, schien ihnen das bunte kleine -Völkchen der Kobolde, Elfen und anderer Naturpüppchen zu folgen. — — -Man sagt, dies begegne allen glücklichen Menschen. Elfen und Gnomen -strömen gerne dahin, wo Freude herrscht — so wie Dämonen und schlimme -Geister sich stets an die Ferse des Elends und Unglücks hängen. —</p> - -<p>Ja, Cölestine und Alexander fanden sich nicht selten noch unter freiem -Himmel, da auf diesem bereits die ersten Lichtstreifen der Morgensonne -sich ausbreiteten. — Ach, sie hatten sich aber auch so Vieles zu -sagen, wozu daheim im Hause der Raum zu beengt war. Warum suchen -Liebende und Unglückliche so gerne die Einsamkeit? Weil das Glück -wie das Unglück nur verstanden und mitempfunden wird von der Natur. -Die Welt hat für unsere mittleren Zustände<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[121]</a></span> allein Raum — für die -kleinlichen, bürgerlichen, philisterhaften, katzenjämmerlichen Freuden -und Leiden; was drüber hinaus geht, was über die Höhe der Marktpfähle -und Schlagbäume reicht — das muß draußen zwischen Himmel und Erde -verhandelt werden.</p> - -<p>Das Gemüth Alexanders war weich und sanft geworden wie das eines jungen -Mädchens; er war nicht mehr jener düstere, stolze, verschlossene Mann, -der mit Niemand verkehrte als mit seinem Amte und seinem einsamen -Hochmuthe — — dieser Alexander schmiegte sich jetzt an alle Freuden -des Lebens an, sofern sie nur in seiner Liebe zu Cölestine begründet -waren. — Er wäre um dieses Weibes willen Alles geworden, was sie -wollte. — Sie hingegen, sie blieb sich gleich, nur daß sie das -rauschende Sonntagskleid der Welt abgelegt und ein einfaches weißes -der Poesie und Häuslichkeit angezogen hatte. Sie war noch immer das -heitere, fröhliche, neckische Wesen mit den schwarzen, brennend -funkelnden Augen und den tiefrothen Lippen, die sich so gerne zur Lust -verzogen.... sie war noch immer jenes leichte, erregbare Wesen, fern -von Melancholie oder Schwär<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[122]</a></span>merei, einfach, natürlich und fröhlich. — -Indessen hatte doch das Gefühl der Gattenliebe durch ihr ganzes Wesen -einen Ton durchklingen gemacht — sanfter als alle andern, die bisher -in ihrem Herzen wohnten. Es war dies jener Ton, den die Liebe allein -nicht hervorbringen kann — jener Ton, worin schon ein mütterliches -Gefühl spricht. —</p> - -<p>„Weißt Du, mein guter Alexander,“ sagte sie eines Tages zu ihrem -Manne, als sie im Garten beisammen saßen — „daß ich mit jedem Tage, -ja ich könnte sagen mit jeder Stunde Dich mehr liebe! — Bist Du gar -so liebenswürdig oder entfaltet die Sehnsucht meines Herzens sich in -immer mehr gesteigertem Maße? — — Ich habe Dich nun, ich habe Dich -allein, ich glaube Dich ganz zu besitzen, und doch enthüllt mir jeder -Augenblick, daß im vorhergegangenen Du mir noch nicht so vollständig -angehörtest, wie jetzt. — O, eine solche Liebe ist ein großes Glück! -Niemand begreift sie, der sie nicht erfahren hat.“</p> - -<p>„Und geht es mir nicht ebenso, Geliebte meines Herzens?“ entgegnete er, -sie an seine Brust drückend — ihre Lippen, ihre Augen, ihre Stirne,<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[123]</a></span> -ihren Hals, ihre Schulter, ihre Arme und Fingerspitzen küssend — -—: „Ist meine Liebe zu Dir etwa weniger fortschreitend? Mein Gott, -kommt es mir doch in manchen Augenblicken vor — als seien wir zwei zu -nichts Anderem in der Welt, als um unser Wesen immer tiefer in einander -zu versenken, eine stets innigere Vereinigung zu bewirken. Was ist -die Liebe doch so Unendliches und Geheimnißvolles! Wer hat sie noch -ergründet in allen ihren Tiefen und Schätzen? — Darum aber lass’ uns -auch immer uns lieben — jede Spanne Zeit dazu anwenden, uns in diesem -göttlichen Beruf immer mehr zu vervollkommnen. Vielleicht, daß diese -Stufenleiter des Liebesglücks jener Himmel mit seinen Rangstufen ist, -von welchem unsere Dichter und frommen Weisen so begeistert reden... -vielleicht, daß dies dieselbe Stufenleiter ist, auf deren untersten -Sprossen wir standen, als wir zum ersten Male uns sahen — auf deren -oberen die seligen Cherubim und Seraphim wohnen, auf der obersten aber -der allmächtige Gott selber thront. —“</p> - -<p>„Wie dem auch sei,“ rief das zärtliche Weib aus: „so lass’ mich Dich -lieben — und es störe<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[124]</a></span> keine Betrachtung, keine Berechnung den Genuß -unserer Wonne. Diese erfülle unser Herz, so weit dasselbe Raum hat — -und mag es auch überfluthen, was schadet das? Wir stürzen uns dann in -einen Ozean von Glückseligkeit — — sollten wir darin auch untergehen. -— O, wie lieb’ ich Dich, mein Geliebter, mein theurer Alexander!... -Wie preise ich mich glücklich, Dich jetzt so in meinen Armen halten -— — Dir sagen zu können: Alles, Alles, was ich habe, worüber ich -verfügen kann, gehört Dir!... Denn ich bin Dein Sklave, Dein Eigenthum, -mein lieber Mann.... aber Dein Sklave aus entzückender Hingebung — ein -Eigenthum, das ich selber längst nicht mehr besaß....“</p> - -<p>Sie umschlang seinen Nacken mit ihren beiden schönen, blüthenweißen -Armen und zog sein Haupt herab auf ihren vollen, wogenden, duftenden -Busen, der, hart wie Marmor, zu zerspringen drohte unter keuscher -Sinnenlust. Sein Mund küßte die Stelle, wo ihr Herz schlug, und jeder -Schlag durchfuhr sein ganzes Wesen mit einer magischen Gewalt, davon -jede Faser in ihm selig erbebte. Er war keines Wortes mäch<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[125]</a></span>tig — er -zitterte wie ein Kind in ihren Armen — er hätte weinen mögen — — -noch nie war es ihm so gewesen, wie jetzt: „So hab’ ich Dich noch nie -geliebt, wie in diesem Augenblick!“ rief er ganz aufgelös’t.</p> - -<p>„Auch ich, auch ich!“ bebte es von ihren Lippen: „Auch ich habe Dich -noch niemals so geliebt!“</p> - -<p>Und diese beiden Wesen schienen von einer unaussprechlichen Trunkenheit -erfaßt zu werden...</p> - -<p>Sie verloren alles Bewußtsein. —</p> - -<p>— — Auf ihrem einsamen Wohnsitze erhielten sie zuerst den Besuch -von Cölestinens Mutter, darauf erschien Edmund, der den Moment nicht -erwarten konnte, seine Schwester in die Arme zu schließen. Diese -Besuche störten nicht mehr das idyllische Glück des jungen Ehepaars — -— es kam dann auch der alte Vater und auch er war willkommen; aber -jetzt befürchtete man, daß sie nur allzubald herbeiströmen würden, -die Schaaren der „Freunde,“ der Neugierigen, der Argwöhnischen und -Neidischen. — Alexander jedoch beschloß, so lange als möglich die -feste Mauer, welche sein Haus umzog, zu<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[126]</a></span> vertheidigen. — Ach, er -kannte den unerschütterlichen Sinn und die sich immer erneuernde -Tapferkeit der Belagerer nur zu gut, und so war denn höchstens nur noch -für ein paar Wochen Sicherheit zu hoffen.</p> - -<p>Es war eines Vormittags, als sie von der Generalin besucht wurden.</p> - -<p>„O, meine Kinder,“ sprach Cölestinens Mutter, diese würdigste und -tugendhafteste aller Matronen des Geschlechtes der Randow — „wie danke -ich meinem Schöpfer, der Alles so gefüget hat, wie es zu Eurem Glück -erforderlich ist. So sind wir, so seid Ihr am Ziele aller Wünsche -und unser Gebet kann sich nur auf den Fortbestand dieses gesegneten -Zustandes beschränken. — Ja, er wird fortbestehen und währen, bis -Euer Auge bricht, bis Eure Herzen ausschlagen.... Ihr werdet Euch -lieben und glücklich sein bis an’s Ende Eurer Tage. Mir sagt es mein -ahnendes, mein vertrauendes Mutterherz — und ich lese hierzu die -Bestätigung in Euren Augen. — O Cölestine, mein Kind, liebe Deinen -edlen Gatten, sänftige und erquicke seinen ernsten, schwermuthvollen -Sinn!... Aber, was sage ich?<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[127]</a></span> Du hast es ja schon gethan! — Und -so bleibt mir nur noch eine Bitte an Dich übrig: daß Du es auch in -Zukunft nicht unterlassen sollst. — — Und nun zu Ihnen, mein theurer -Freund und Sohn Alexander! — Bewahren Sie für alle Zeiten Ihrem -Weibe jene Zärtlichkeit, die Sie ihr jetzt widmen, eine Zärtlichkeit, -an welcher Ihr großes Herz so reich ist!... Sie sind nicht mehr -unverstanden, Sie sind nicht mehr ungeliebt.... es hat sich Ihnen ein -Herz ergeben, das Ihrer würdig ist und das streben wird, dies immer -mehr zu sein. — Merkt Euch noch Eines, meine Kinder: Lasset Eure Liebe -von der <em class="gesperrt">Tugend</em> geheiligt werden; seid fromm, sittig, rein und -bescheiden: eine Liebe, welche dies nicht ist, sie wird, glaubt es mir, -nimmerdar bestehen. — Die echte Liebe ist nicht von dieser Welt; sie -sucht an ihrem Gegenstande die höheren Eigenschaften und liebt ihn um -so inniger, je mehr sie diese in ihm entdeckt — — ebenso bemüht sie -sich, diese in der eigenen Brust zu erwecken, um sie ihm anzubieten -— um dieselben gegen die seinigen auszutauschen. Das ist wahre Liebe -— und so haben sich immer jene edlen<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[128]</a></span> Menschen geliebt, von deren -Herzensgeschichte uns die alten Bücher so Rührendes erzählen....“</p> - -<p>Die jungen Gatten, ergriffen von der Ermahnung Derjenigen, die jetzt -ihnen Beiden Mutter war, sanken zu ihren Füßen nieder und gelobten -feierlich, nach dieser Lehre zu leben. Da segnete sie die fromme Alte -und weihte sie mit ihren Zähren, welche langsam auf deren Häupter -herabrieselten.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="fig3" name="fig3"> - <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig3.jpg" - alt="Zu S. 128" /></a> -</div> - -<p>Edmund, der in diesem feierlichen Momente eintrat, wurde von dem -Anblick, der sich ihm hier bot, erschüttert, so daß auch er, ohne ein -Wort zu sprechen, hinstürzte neben die Knieenden, die Hand der Mutter -sowohl wie die der Schwester ergriff und sie abwechselnd an Herz und -Mund drückte.... Dann schloß Cölestine den Jüngling in ihre Arme und -nun konnte auch er seine Thränen nicht mehr zurückhalten: er vermischte -sie mit denen der beiden Frauen.</p> - -<p>Niemals noch hatte er so selig geweint.</p> - -<p>In diesem Kreise waren nur zwei Augen trocken, die Alexanders, aber sie -deuteten, auch trocken, auf eine, wenn auch stille, doch eben so<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[129]</a></span> -tiefe Wehmuth — als von welcher die übrigen Herzen erfüllt waren.</p> - -<p>„So bist Du nun ganz glücklich, meine Schwester!“ begann Edmund in -jenem innigen, wunderbar gerührten Tone, welchen er für Niemand sonst -in der Welt, als für sie hatte: „Du bist glücklich! — Und so weißt Du: -daß auch ich es bin. — Ja, in der That, ich habe niemals Deine lieben -Augen von so sanfter Zufriedenheit, niemals Deine holden Wangen von so -heiterem Roth strahlen sehen, wie in diesem Augenblick; und nie, nie, -Cölestine, warst Du so schön! — O, wie glücklich wird Dein Mann sein -in Deinem Besitze! — Tausende werden ihn beneiden — wie Fürsten einen -König beneiden, der in seiner Krone eine Perle besitzt, die an Glanz -und Werth die Summe aller der ihrigen übertrifft.... — Doch Alexander -hat Dich auch verdient! Ja, ja, er war der Edelste unter seinen -Mitwerbern — und so gönne ich Dich ihm.“</p> - -<p>Diese Worte waren für den Grafen nicht ohne Bitterkeit; allein was -ein romaneskes, schwärmerisches Bruderherz in seinem schrankenlosen -Enthusiasmus verbrochen, das suchte die<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[130]</a></span> Schwester bei dem geliebten -Manne ihrer Wahl wieder gut zu machen. Sie wandte sich mit einer -Zärtlichkeit, deren Wahrheit jeder Athemzug ihrer Brust bestätigte — -zu Alexander und überhäufte ihn mit Beweisen von Liebe, dergleichen sie -ihm sonst nur, wenn sie allein waren, widmete. Sie schien es gänzlich -zu vergessen, daß sie nicht ohne Zeugen seien.</p> - -<p>Alexander verstand diese zarte und großmüthige Rücksicht: er fand in -ihr einen hinreichenden Ersatz für die Unbill, welche er zuvor erfahren -— und ein zärtlicher Blick dankte seiner Gattin dafür.</p> - -<p>Da trat rasch und überraschend auch noch der alte General ein; er fand -alle so heiter und gemüthlich, wie er sie brauchte:</p> - -<p>„Allons Kinder!“ rief er „fliegt mir an den Hals! — Das geht mir -noch Alles zu langsam. — Ach, richtig, ich vergesse, daß ich hier -nicht in meinem Hause bin, sondern unter jungen Eheleuten — kleinen -Turteltäubchen, die mit einander genug zu thun haben, als daß sie -noch an einen so alten Steinadler, wie Unsereins, ihre Zärtlichkeit -verschwenden sollten.... Nun denn, guten Tag, mein lieber Alexander -— gu<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[131]</a></span>ten Tag, theure Tochter Cölestine — und auch Du, Mama, sei -herzlich gegrüßt. — — Doch, alle Donner! da hätte ich fast eine sehr -wichtige Person vergessen —“ bemerkte der lustige Alte, sich gegen -Edmund wendend, der ehrfurchtsvoll, wie er es gewohnt war, vor seinem -Vater stand: „Verzeihen Sie mir, mein Herr!“ fuhr der General gegen ihn -fort: „und entschuldigen Sie ein schlechtes Gedächtniß, das bekanntlich -gerade die nächsten Dinge am leichtesten vergißt...“</p> - -<p>Cölestine hing am Halse ihres Vaters und küßte ihn so lange, daß er -selbst endlich ausrief: „Ich denke, meine Tochter, es wird nunmehr -genug sein!“ Dann reichte er dem Grafen die Hand und ließ sich im -Kreise der Gesellschaft nieder.</p> - -<p>Nun mußte Cölestine ihm genau Bericht abstatten über ihren ganzen -Haushalt — und Alles, Alles bis auf die letzte Kleinigkeit sagen; denn -der greise Kavalier zeigte eine Neugierde, als sei er an die Stelle -irgend einer alten Haushälterin getreten.</p> - -<p>„Also dort auf jener Seite sind nun Deine Zimmer und hier die Deines -Gemahls?“ fing er an.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[132]</a></span></p> - -<p>„Ja, bester Vater. Das habe ich so eingerichtet, denn Alexander -überließ Alles meiner Bestimmung.“</p> - -<p>„Dies ehrt sowohl Dich, wie Deinen Mann, und ich statte ihm für diese -Liebenswürdigkeit meinen väterlichen Dank ab.“</p> - -<p>„Ah — aber glauben Sie mir, mein Vater, dies ist noch die kleinste der -schönen Eigenschaften Alexanders.... Er ist an größern so reich....“</p> - -<p>„Gewiß, gewiß, liebe Cölestine. Aber die innere Einrichtung Eures -Hauses betreffend, so sage mir: ist Alles Uebrige in einem eben so -feinen und großartigen Geschmack ausgeführt, wie dasjenige, was ich zu -bemerken Gelegenheit hatte....“</p> - -<p>„Alles, mein Vater. —“</p> - -<p>„Aber — dies wird Deinem lieben Manne große Auslagen verursacht haben, -welche ich, da Du die Urheberin von Allem bist, mißbillige...“</p> - -<p>„O, bester Vater, seien Sie überzeugt —, daß in dieser Hinsicht -Alexander meine Wünsche stets übertroffen hat.... Dieser kleine -Feenpalast war bereits in Allem fertig, als ich von ihm Besitz nahm — -— und ich veränderte nur hie und da<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[133]</a></span> Etwas in der Anordnung. Darin -besteht meine ganze Schuld.“</p> - -<p>„Wie mich dünkt,“ fuhr der alte General in seinem Beichtamte fort: -„so ist die Dienerschaft Ihres Hauses, mein theurer Schwiegersohn, -mindestens um das Dreifache, gegen deren frühern Etat, vermehrt.... -Habe ich nicht Recht?“</p> - -<p>„Allerdings — Herr General; ich fand es nothwendig, das Haus meiner -Gemahlin in jeder Beziehung auf eine Stufe zu stellen, welche sowohl -ihren Verdiensten als ihrem Range angemessen ist.... Ich fürchtete, -noch zu wenig gethan zu haben. —“</p> - -<p>„Und was Ihren Marstall anlangt — lieber Graf — so fand ich -Gelegenheit, einen Blick hineinzuwerfen, wiewohl ich mir das Vergnügen, -ihn genauer zu besichtigen, noch vorbehalte. — — Ihr Marstall nun, -mein theurer Alexander, ist wirklich unvergleichlich, und ich weiß -nicht, ob er es nicht mit jedem andern in der Residenz aufnehmen -könnte. Dies nimmt mich um so mehr Wunder, da ich weiß, daß Sie im -Ganzen keiner von unsern leidenschaftlichen Pferdeliebhabern sind<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[134]</a></span> ... -ich glaube, Sie gehören auch nicht zu unserem Jokey-Clubb....“</p> - -<p>Der Graf erwiederte lächelnd: „Bisher noch nicht; doch bin ich Willens, -mich in denselben aufnehmen zu lassen.“</p> - -<p>„Aber — Sie besteigen ja höchst selten ein Pferd.“</p> - -<p>„Ich werde es jetzt öfter thun.“</p> - -<p>„Und der Grund davon?“</p> - -<p>„Meine Frau wünscht es.“</p> - -<p>Der General umarmte seinen Schwiegersohn. —</p> - -<p>„Sie sagt,“ fuhr dieser fort: „ein Mann erscheine niemals schöner, als -wenn er zu Pferde sitzt, und ich will mir das merken.“</p> - -<p>„O!“ sagte Cölestine gerührt: „Du hast es nicht nöthig, Alexander, Dich -werde ich ewig lieben — und mehr Dich lieben, wie ich, ist kein Herz -fähig.“</p> - -<p>Jetzt schloß <em class="gesperrt">sie</em> ihn in ihre Arme und eine Pause entstand, -reicher an stiller tiefer Wonne, als deren manches ganze Leben enthält.</p> - -<p>Die Eltern segneten die Stunde, welche den Grafen zum ersten Male -in ihr Haus geführt. Nach einiger Zeit erhob man sich und nahm die<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[135]</a></span> -Wohnung der Kinder in Augenschein. Man besichtigte sie von oben bis -unten, man ließ nicht die kleinsten Winkel unbeachtet — und es -bestätigte sich Alles, was man früher von ihr erfahren hatte. Sodann -ging man in den Garten hinab, dann in den Hof, in die Seitengebäude, -Alles entsprach einem großartigen Plane, und Alles stand unter einander -in der schönsten Harmonie.</p> - -<p>Endlich nahmen die Alten mit ihrem Sohne Abschied von dem Ehepaar — -und begaben sich auf den Rückweg nach Hause; denn es war heute bei -ihnen, aus Anlaß des Nachfestes zu der Vermählungsfeier Cölestinens — -Tafel, bei welcher einige nähere Freunde des Hauses erscheinen sollten. -—</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[136]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Siebentes_Kapitel"><b>Siebentes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Ein <em class="antiqua">Tête à tête</em> — jedoch kein zärtliches.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">E</span>s schlug sechs Uhr. Dies was die Zeit des Diners. Im kleineren Salon -der Generalin waren bereits alle Gäste versammelt, unter denen uns -mehrere Personen nicht ganz unbekannt sind. Denn es fanden sich hier -der Graf und die Gräfin von Wollheim — Herr und Frau von Porgenau — -die Wittwe jenes Feldmarschall-Lieutenants E—z, so wie die Stiftsdame, -Fräulein Eugenie von <em class="gesperrt">Bomben</em> (62 Jahr alt). Auch Herr von Labers, -der Mann, welchen Alles hochachtete, war zugegen.</p> - -<p>Man schritt paarweise in den Speisesaal, wo eine auserlesene Tafel -bereit stand, die Gäste aufzunehmen. Dies Diner wäre ein ganz -gewöhnliches gewesen und hätte sich durch nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[137]</a></span> von einer materiellen -Mahlzeit oder Esserei unterschieden, hätten nicht unsere drei oder vier -Paar Originale, dergleichen nicht überall in der Welt zu finden sind, -daran Theil genommen. So aber war für den Geist mehr als hinreichend -gesorgt; d. h. für den Geist, welcher Kontraste und satirische -Verwickelungen liebt.</p> - -<p>Nach den ersten Gängen — man servirte in diesem Hause auf französische -Weise — wurde endlich jene einförmige Stille, die den Anfang eines -Mahles bezeichnet, durch einige schlechte Witzworte des trefflichen -Herrn von Porgenau unterbrochen und der Genius der Unterhaltung senkte -sich auf die Gesellschaft herab.</p> - -<p>Es ist im Grunde zwar nicht nöthig, so gewissenhafte -Geschichtsschreiber wir übrigens auch sind — jedes alberne Wort -Herrn von Porgenau’s durch unsern Griffel der Unsterblichkeit zu -überliefern... Indeß dürfen wir auch diesem Manne, da er einmal ein -Charakter ist, (obgleich nicht in dem Sinne, worin Börne von Gutzkow -ein Charakter genannt wird) nicht Unrecht thun, und so geben wir denn -so viel Züge und Striche von ihm, als<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[138]</a></span> zur vollständigen Zeichnung -seines Bildes nothwendig sind.</p> - -<p>So möge man also wissen, daß der erste brillante Einfall Porgenau’s -heute an dieser Tafel darin bestand, daß er einen Kalbskopf in einer -<em class="antiqua">sauce piquante</em> mit den Liebesgedichten des berühmten Lokalhumoristen -Herrn Saphir verglich und hinzusetzte: so sehr dieser Kopf auch mit -Saucen, Citronenscheiben, Gewürzen, Lorbeerblättern, Blumen und Blüthen -begossen und bedeckt sei — erkenne man doch augenblicklich, daß er -vom <em class="gesperrt">Kalbe</em> komme.... Der Bonmotist setzte noch hinzu, daß man im -Orient auf diese Weise auch <em class="gesperrt">Affenköpfe</em> bereite — — und meinte, -dieser Vergleich sei noch viel passender.</p> - -<p>Ferner behauptete derselbe: eine schlechte Tafel sei die beste -Universität, man werde da voll <em class="gesperrt">Geleersamkeit</em>.</p> - -<p>„Wissen Sie,“ wandte er sich zur Gräfin von Wollheim, wobei er wieder -im Voraus so sehr lachte, daß es eine wahre Freude war: „wissen Sie, -gnädige Frau — haha! — welches mein schönster Calembour ist.... In -der That, ha<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[139]</a></span>haha! ich bin stolz darauf, denselben geschaffen zu haben -— hahaha!“</p> - -<p>„Lassen Sie ihn hören, lassen Sie ihn hören, trefflicher Herr von -Porgenau!“ hieß es an der ganzen Tafel; denn die Albernheit ist oft -belustigender als Verstand und Witz.</p> - -<p>„Mein erster Calembour —“ sagte Porgenau stolz — „aber,“ fuhr er -nach einer Pause fort und verzog das Gesicht so breit, als es ihm nur -möglich war — „in der That, ich kann mich vor Lachen kaum halten, -sobald ich diesen göttlichen Calembour preiszugeben im Begriffe stehe -— hahaha! hahaha! — So hören Sie denn: <em class="gesperrt">Was ist der Mensch</em>? -Antworten Sie mir, meine Herrschaften, auf die Frage: Was ist der -Mensch? — hahaha!“</p> - -<p>Alles lachte; aber Niemand sprach.</p> - -<p>„Ah — hahahaha!“ platzte Porgenau aus: „Nicht wahr, Sie wissen es -nicht. Hahaha! Das ist lustig! das ist sehr lustig — hahaha!“</p> - -<p>„Aber so sagen Sie es uns doch selbst!“ bemerkte die Gräfin -achselzuckend.... „Sie sehen ja, daß es hier Niemand erräth.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[140]</a></span></p> - -<p>„Nun — wenn Sie es wissen wollen.... hahahaha! — hahahaha! — Der -Mensch — ist ein unbefiedertes Thier mit zwei Beinen. — Hahahaha! -hahahaha!“ Und der große Mann wälzte sich in seinem Stuhle.</p> - -<p>„Zu diesem Porträt,“ bemerkte Edmund gegen einen jungen Mann: „hat ohne -Zweifel Er <em class="gesperrt">selbst</em> gesessen....“</p> - -<p>„Gewiß. Die Aehnlichkeit ist sehr auffallend.“</p> - -<p>Aber Porgenau hörte es nicht, wiewohl es ziemlich laut gesprochen -wurde; er lachte noch immer und hielt sich den Bauch — es entzückte -ihn, daß die ganze Gesellschaft mit lachte, was er als Resultat seines -unwiderstehlichen Witzes nahm.</p> - -<p>„Dieser Porgenau,“ meinte Herr von Labers gegen seinen Nachbar, welches -der General von Randow war: „ist ein halber Fallstaf; denn wenn er auch -nicht selber witzig ist, so macht er doch Andere dazu. —“</p> - -<p>„Sehr richtig,“ bemerkte General Randow — „und wiewohl ich eigentlich -nicht weiß, wer dieser Fallstaf sei, so kann ich mir denselben doch -recht gut vorstellen. — — Ah, jetzt entsinne ich<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[141]</a></span> mich! Es ist, -glaube ich, eine dicke, lustige Person in irgend einem Schauspiele. —“</p> - -<p>„Ganz recht! in einem Shakspeare’schen.“</p> - -<p>„Ah — dies ist ja derselbe Dichter, welcher so viele kriegerische -Stücke verfaßt hat, deren Namen mir leider zum größten Theil entfallen -sind....“ antwortete der General, der wie so manche tüchtige Offiziere -und — Kavaliere des Kaiserstaates eben kein großer Literat war -und welcher, gleich dem edlen Herzog von Reichsstadt, Schillers -<em class="gesperrt">Wallenstein</em> nur wegen der großen Kriegsseite dieses Stückes so -sehr liebte. —</p> - -<p>„Sie sagen, meine Beste,“ sprach Gräfin Wollheim zu dem Stiftsfräulein -— „Ihr Vorschlag an das Comité, betreffend die Befestigung von -Strümpfen, Jacken und andern Kleidungsstücken auf dem Leibe der Armen, -sei zurückgewiesen worden? — Ich halte dies nicht für möglich. Es wäre -abscheulich!“</p> - -<p>„Auch ich war darüber empört, glauben Sie mir, theuerste Gräfin -—“ versetzte Fräulein von Bomben —; „es heißt dies die -menschenfreundlichsten Absichten vernichten, mit Füßen treten.... aber -so ist einmal unsere lasterhafte, sündige<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[142]</a></span> Welt. Ich bin überzeugt, -mein Vorschlag wurde blos deßhalb nicht angenommen — weil mehrere -Damen des Comités, wie ich aus sicherer Quelle weiß — mit einigen -hübschen Armen im vertrauten — — u. s. w. — Sie verstehen, beste -Freundin!“</p> - -<p>„Aber — dies scheint mir unmöglich! —“</p> - -<p>„Es ist wahr; ich kann es nöthigenfalls beschwören... Und,“ fuhr -sie schwärmerisch fort, wie ein verliebter Jüngling, der von seinen -Entwürfen spricht, mit welchen er die Geliebte seines Herzens -glücklich machen will: „und ich hatte mich bereits mit allen -Materialien versehen! Ich kaufte <em class="antiqua">en gros</em> ein. Zwei Zentner Pech — 80 -Pfund Teufelsd— 300 große und kleine Ketten, Schlösser, Fangeisen, -Daumenschrauben...“</p> - -<p>„Daumenschrauben? Wozu denn diese?“</p> - -<p>„Um unseren lieben Armen die Handschuhe, welche wir ihnen im Winter -geben, an die Finger zu schrauben....“</p> - -<p>„Ah, mein Gott — wie erfinderisch Sie sind, mein theures Fräulein!“</p> - -<p>„O, wo es sich um das Wohl der Menschheit handelt!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[143]</a></span></p> - -<p>„Ach die Menschen verdienen es kaum.“</p> - -<p>„Gewiß, gewiß; sie verdienen es nicht. Sie sind Wölfe und Hyänen — und -ich wollte nur, daß ich sie in Wolfsgruben oder mit Fußeisen fangen und -ihnen das Fell abziehen könnte. Das wäre so meine Passion!“</p> - -<p>„Indeß — — da wir Mitglieder des <em class="gesperrt">Hilfsvereins</em> sind.... meine -Beste: scheint mir diese Ihre Passion doch ein wenig barbarisch.“</p> - -<p>„Ei was!“ schrie das fromme Stiftsfräulein und warf Blicke umher -wie eine Hyäne, von welcher sie eben gesprochen: „barbarisch hin — -barbarisch her; ich halte es mit Kaiser Nero und wünsche der ganzen -Menschheit einen Kopf, um ihn mit <em class="gesperrt">einem</em> Schlage abzuhauen.“</p> - -<p>Das war ein schönes Mitglied frommer Stiftungen und edler -Wohlthätigkeitsvereine.</p> - -<p>Es war jetzt am obern Ende der Tafel die Rede von den Fremden, welche -in letzterer Zeit die Residenz besucht hatten und Herr von Labers -führte darunter auch den Namen eines <em class="gesperrt">Chevalier de Marsan</em> an. — -Sogleich erhob sich Edmund und lebhafte Freude malte sich in seinem -Gesichte: „Wie?“ rief er, „der Chevalier de<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[144]</a></span> Marsan — jener Marsan, -der, vor zwei Jahren bei der N**schen Gesandtschaft attachirt, mit -seinem Chef Wien besuchte.... jener elegante, hübsche, glänzende -Kavalier: ist dieser gemeint?“</p> - -<p>„Derselbe!“ entgegnete Herr von Labers: „Man sagt, er werde dies Mal -für längere Zeit in unserer Stadt verweilen. Seine Gegenwart hängt -übrigens mit keiner politischen Mission zusammen....“</p> - -<p>„So wird man wohl diesen Herrn,“ sagte Frau von Porgenau, die Gemahlin -des berühmten Calembouristen — „zu sehen bekommen! Ist derselbe schon -in vielen Häusern eingeführt?“</p> - -<p>„So viel ich weiß, in mehreren — — doch scheint dieser stolze -Chevalier nur die schwindelnden Höhen der Gesellschaft zu goutiren. -Man erzählt sich, er habe neulich, als man ihn der Gräfin Holborlow -vorstellen wollte, gefragt, ob diese Dame nicht zu jenen Holborlows -gehörte, die erst vor beiläufig 150 Jahren in den Adelstand erhoben -wurden — und erst, nachdem man ihn überzeugte, daß jene neugeschaffene -Familie eigentlich <em class="gesperrt">Holbarolow</em> heiße — während die ersten -<em class="gesperrt">Holborlow’s</em> bereits aus den ältesten Zeiten<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[145]</a></span> Moskowitischer -Herrschaft abstammten, willigte er ein, mit der Gräfin bekannt zu -werden.“</p> - -<p>Von zahlreichen Stimmen erscholl jetzt das Lob des ausgezeichneten -Kavaliers, dessen Grundsätze man als vom ersten Wasser erkannte.... und -diese Personen, welche applaudirten, wünschten insgeheim alle mit dem -Chevalier bekannt zu werden.</p> - -<p>Einer Dame, die ihre diesfällige Sehnsucht dem Sohne des Hauses -vortrug, antwortete Edmund: „Nichts in der Welt ist leichter.... -wenigstens für mich ist nichts leichter, als den Ritter von Marsan -dahin zu führen, wohin es mir gefällt. — In der That wir sind seit -einer Reihe von Jahren die wärmsten Freunde. — Unsere Verbindung -schreibt sich noch von meiner Reise nach Paris her, wo ich damals den -Chevalier in der Umgebung des Hofes fand. Dort wie an jedem Horizonte -war er ein Stern erster Größe — und ich gestehe es offen, auf keine -Freundschaft stolzer zu sein, als auf die seinige.“</p> - -<p>„In Wahrheit,“ rief Frau von Porgenau: „Sie machen uns neugierig und -im höchsten<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[146]</a></span> Grade gespannt. — Herr von Marsan muß eine Art kleinen -Wunders sein!“</p> - -<p>„Sagen Sie lieber <em class="gesperrt">großen</em> Wunders, beste Freundin!“ fiel die -Stiftsdame ein: „Sieht er nicht etwa dem Antinous ähnlich — und ist -er an Geist nicht ein Cicero — an Muth nicht ein Leonidas — und an -Reichthum nicht ein Rothschild....? hehehe! Wirklich, er muß sehr -außerordentlich sein....“ schloß das Fräulein mit einem Lächeln, -welches halb bitter und halb unverschämt war. —</p> - -<p>Edmund ergriff den besten Ausweg und gab ihr keine Antwort — er zuckte -die Achsel und wandte ihr, so weit dies möglich war den Rücken. .... -Darüber schien die liebenswürdige Menschenfreundin sehr ungehalten zu -werden — und begann nun ihrer Zunge vollen Lauf zu lassen: „Ei, ei — -wie Schade! daß unsere Residenz nicht auch solche illustre Exceptionen -des Menschengeschlechtes aufzuweisen hat. — Wahrlich, wir sind in -dieser Hinsicht noch sehr weit zurück; — und müssen, Dank Frankreich, -von dort aus sowohl mit den Alleweltbezwingern, wie mit Seiltänzern und -Harlekins versorgt werden....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[147]</a></span></p> - -<p>„Welche <em class="gesperrt">Versorgung</em> uns indeß oft sehr große <em class="gesperrt">Sorgen</em> -verursacht... hahahaha! hahahaha! hahahaha!“ rief Herr von Porgenau, -und dies war sein neuester Witz.</p> - -<p>„Ach, was dieser Porgenau — witzig ist!“ schrie seine Gemahlin, von -der wir noch nicht erwähnt haben, daß sie die staunende Bewunderin des -Genies ihres Mannes war — und stets in dessen unmäßiges Gelächter -einstimmte, sobald derselbe ein <em class="antiqua">soi-disant</em> Bonmot machte. „O, wie -glänzend seine Einfälle heute wieder sind!“ und hielt sich die Seiten, -was ihr sehr schwer wurde, denn sie hatte verschiedene sehr große -Seiten. Sie war so ein verkleinerter Abguß des Heidelberger Fasses.</p> - -<p>„Meiner Treu!“ meinte der Graf von Wollheim: „diese Aeußerungen über -den Chevalier stimmen keineswegs überein — — und wollte man sich nach -ihnen halten, würde man von Herrn von Marsan nur ein sehr schwankendes -Bild erhalten. Indessen scheint mir die Meinung meines Freundes Edmund -da — nicht ohne Gewicht, da derselbe den Ritter bereits seit so<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[148]</a></span> -langer Zeit kennt, und überdies ein Jüngling ist, auf dessen Urtheil -und Wort ich ungeheuer viel gebe....“</p> - -<p>„Dies scheint mir,“ fuhr die Stiftsdame mit ihrem schneidenden Tone -dazwischen — „eben kein großes Kompliment für uns — —“</p> - -<p>„Erlauben Sie, mein Fräulein,“ schrie der Jäger, roth werdend vor Zorn -— „erlauben Sie —“ wiederholte er mit einer Stimme, als befände er -sich im Walde und hätte sein Horn verloren.... „erlauben Sie!...“ Er -konnte vor lauter „Erlauben Sie“ nicht weiter; — seine Entrüstung war -zu groß....</p> - -<p>Diese wuchs noch, wo möglich, als Fräulein von Bomben sich ruckweise -mit ihrem Stuhle zurückzog und stets rief: „O mein Gehör! Mein armes -Gehör! — Mein unglückliches Gehör! — Gnade! Gnade! —“</p> - -<p>„Das heißt wohl so viel, als, daß ich in Ihrer Nähe verstummen soll — -ich, ein alter Jäger, der schon vor manchem größern Ungeheuer nicht -verstummt ist.... Alle Donner und Wehrwölfe!“ Der Nimrod hatte sich mit -diesen Worten Luft gemacht — aber die Stiftsdame war<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[149]</a></span> bei ihrem Klange -auch leblos auf die Lehne ihres Stuhles zurückgesunken, indem sie leise -das Wort „<em class="gesperrt">Ungeheuer</em>!“ flüsterte. Sie verdrehte ganz entsetzlich -die Augen und bald schien sie nicht mehr zu athmen.... Man konnte sie -für todt halten.</p> - -<p>Dies war für den argen Nimrod ein ungeheures Gaudium und er unterließ -es nicht, dasselbe auf folgende Weise auszuschreien: „Ah — sie ist -in Ohnmacht gesunken, die vortreffliche Frau!... Fräulein, wollt’ -ich sagen.... Wie schade um eine so liebenswürdige, gutmüthige Dame! -Ach, sie hat ein zu weiches Herz! Dies war immer ihr größter Fehler. -Sie, die keiner Mücke weh thun kann — empfindet natürlich selbst -jede Verletzung in dreifachem Maße... Ach! daß ich das so wenig -berücksichtigt habe! — Und was vollends ihre Tugend — ihre Reinheit -betrifft....“</p> - -<p>Hier vermochte das Fräulein nicht länger ohnmächtig zu bleiben. Sie, -die früher einer Verstorbenen ähnlich gesehen, sprang jetzt plötzlich -mit solcher Lebhaftigkeit auf, als sollte es zum Hochzeitstanze gehen: -„Was?“ rief sie aus:<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[150]</a></span> „Welche Worte! Welche abscheuliche Rohheit! -— Und dieser sieht man sich in einer auserlesenen Gesellschaft -ausgesetzt! Ist dies das Haus der Generalin von Randow, jener vornehmen -Dame, die zu den ersten unserer <em class="antiqua">haute crême</em> zählt — — oder was ist -dies Haus für eines? — — —“ Sie überließ sich, wie man sieht, wieder -so ganz recht ihrer milden Suade. Mittlerweile war die Hausfrau bereits -längst an ihren Stuhl getreten und hatte die Erzürnte zu besänftigen -gesucht — wobei sie von noch zwei oder drei Damen unterstützt wurde. -Den alten Waldmenschen aber hatte auf einen Wink des Generals Edmund -bei Seite genommen und, da die Gelegenheit dazu eben günstig war, (das -Mahl neigte sich nämlich seinem Ende zu) ihn aus dem Saale weggeführt.</p> - -<p>„Kommen Sie, kommen Sie, bester Graf —“ raunte er ihm in’s Ohr: „ich -kann es nicht länger mit ansehen, daß Sie sich mit dieser alten Hexe da -befassen.... Es ist empörend — —!“</p> - -<p>„Ja!“ fiel der Jäger ein: „Du sprichst ein wahres Wort aus, -mein Jüngelchen! Empörend ist es, daß eine dürre und von Zorn -ausgetrock<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[151]</a></span>nete Kreatur dieser Art es wagt, mit einem alten Jäger, der -bereits so manchem Zauberhirsch und Waldteufel in’s feurige Gesicht -geschaut.... haha! Aber ich hab ihr’s auch recht gegeben! Nicht wahr, -Edmund! Ich habe sie ordentlich zugerichtet.... hahaha!“</p> - -<p>„Ja — Sie haben sie ordentlich — —“</p> - -<p>„Donnerwetter! Nenne mich nicht immer „Sie!“ Was hast Du heute?... Sind -wir nicht mehr die alten Freunde?“</p> - -<p>„Ei, das wäre!“ rief der Jüngling aus, als er sich mit dem Alten -endlich in einem Seitenzimmer befand: „Du weißt,“ fing er an: „daß -meine Familie von unserer Intimität nicht allzu viel merken darf. Unter -uns — meine Mutter sieht es nicht gerne, sie meint, ich nehme von Dir -wilde Sitten an. — —“</p> - -<p>„Alle Hirsche und Rehe! — Das wird sie doch nicht meinen! — Geht dies -wirklich auf mich? — Wild, wild! — Ja, freilich ein wilder Bursche -bin ich.... aber dazu — bei St. Hubertus! — eine so ehrliche Haut, -wie je eine in germanischen Wäldern von Regen und Wind durchgegerbt -wurde. — Allein, was fällt mir<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[152]</a></span> da ein? Mich dünkt, wir hätten jetzt -die schönste Gelegenheit, in die Kellnerei hinüber zu spatzieren, die, -(ich wittere die Spur!) hier irgendwo in der Nähe sein muß.“</p> - -<p>„Der Einfall ist nicht übel! — — Ja, ja, der Einfall ist nicht -schlecht!“ schrie Edmund: „Er ist sogar köstlich, beim Teufel!“</p> - -<p>Diesen Einfall indeß hatte der Alte jeden Augenblick.</p> - -<p>Und alsbald saßen diese edlen Brüder wieder in einem still bescheidenen -Winkel und vor ihnen erhoben sich mannigfache Humpen — — und -alsbald hatte Edmund wieder seine eigenthümliche Laune (es war seine -eigenste eigenthümlichste) angenommen; er trank, sang und betrank -sich mit seinem Freunde, so, als wären sie in irgend einer Dorfkneipe -eingekehrt. Nach Verlauf von einer Stunde befanden sich diese -musterhaften Edelleute im Zustande vollkommener Bewußtlosigkeit — und -lagen mit erstarrten, bleischweren Gliedern — Edmund <em class="gesperrt">auf</em>, der -Jäger <em class="gesperrt">unter</em> dem Tische.</p> - -<p>Die Dienerschaft, welche dergleichen schon gewohnt war und für diesen -Fall ihre Verhal<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[153]</a></span>tungsregeln von Edmund empfangen hatte, schloß sie im -Zimmer ein, damit die Biedern nicht etwa erwachen — im halbnüchternen -Zustande das Zimmer verlassen und im Hause Skandal machen könnten, wie -sie es bereits einmal gethan.</p> - -<p>Das Schnarchen, welches sie entwickelten, war bis in den -Gesellschaftssaal vernehmbar, wo die Gäste beim Kaffee saßen und wo -eine Dame von sehr furchtsamer Natur beständig sagte: „Ich glaube, es -zieht ein Gewitter heran. — Ich glaube, es donnert in der Ferne....“</p> - -<p>Die Verfassung, worin die Gesellschaft sich nach dem Abgang der beiden -Herren befand, war übrigens von bewundernswürdiger Ruhe. Nachdem der -Jäger, dessen derbe, waldmännische Natur sattsam bekannt war, sich -entfernt hatte — machte man dem Stiftsfräulein bemerklich, daß er ihr -mit diesem Letzteren eine glänzende Genugthuung gegeben habe; — Gräfin -Wollheim selbst sprach dieses aus und wandte sich noch überdies mit -der Versicherung, daß sie selbst das Betragen ihres Mannes mißbillige, -an die ungeheuer empfindsame Dame.... so gelang es endlich, dieselbe -zu versöhnen, und Alles kam wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[154]</a></span> ins rechte Geleis. — Herr von -Porgenau machte wieder seine geistvollen Calembours — lachte sich -dabei sammt seiner Gemahlin halbtodt — Gräfin Wollheim sprach von der -nächsten Zusammenkunft des Frauenstiftsvereins, zu welcher sie bereits -drei Unterröcke und sechs Beinkleider fertig liegen habe; zuletzt wurde -auch noch die Stiftsdame cordial — sprach von der Immoralität unter -den Armen und bemerkte dazu sehr scharfsinnig:</p> - -<p>„Wer weiß, was in so manchen dieser Jacken und Beinkleider getrieben -werden wird...“</p> - -<p>Ja, endlich kam sie sogar auf ihr beliebtes Thema von Nero, wo sie -der ganzen Menschheit nur ein Haupt wünschte, um es mit einem Schlage -herabzusäbeln... —</p> - -<p>Dieses Stiftsfräulein hätte in den Türkenkriegen leben und unter die -Janitscharen gehen sollen. Sie würde dort große Dinge vollbracht haben. -—</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[155]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Achtes_Kapitel"><b>Achtes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Der Chevalier von Marsan.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>er Chevalier von Marsan machte wirklich in der großen Welt gewaltige -Sensation. Er hatte sich bereits in den Cirkeln der Fürstin O— M— -G—, der Herzogin B—, der Marquise A—, und Re—, der Lady P— und -noch in mehreren von den <em class="gesperrt">allersublimsten</em> sehen lassen, und -Alles war von dem Manne entzückt, der gekommen schien, die Zeiten -eines Alcibiades nach modernen Principien zurückzurufen. In Wahrheit, -dieser Kavalier vereinigte in sich eine Summe von Liebenswürdigkeit -und Vorzügen, die ihn zu einem wahren Prototyp der fasshionablen -Männerwelt machten. Es hatte Natur und Kunst für ihn mit einem Worte -— Alles gethan, und noch <em class="gesperrt">ein Stückchen dazu</em>. Er war schön, -reizend, blendend, er war geistreich, witzig, gelehrt,<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[156]</a></span> er war vornehm, -fürstlich, ja uns dünkt sogar — von königlicher Verwandtschaft; er war -reich, mächtig, großmüthig, verschwenderisch, stark wie ein Cyklope und -sanft wie eine Hamadryade....</p> - -<p>Und doch hatte bei diesem Monstrum von Schönheiten — der Schöpfer -Eines vergessen; Dasjenige nämlich, was er ihm schon deßhalb nicht -geben kann, weil er ihm alles Uebrige gab, denn Dieses und Jenes sind -Gegensätze, die einander aufheben. Dieses Eine, was dem Chevalier -fehlte, und welches kein Gott ihm zu ersetzen im Stande war — es war -Dasjenige, was gerade einem Charakter die höchste poetische Weihe -gibt: es war jene schöne menschliche Mangelhaftigkeit, jener große, -oder jene tausend kleinen Fehler, wodurch ein kleines Individuum -<em class="gesperrt">interessant</em>, ein großes zum <em class="gesperrt">tragischen Helden</em> wird. -Dieses Ingredienz, dieser Mangel im Menschen, oder eigentlich dieser -<em class="gesperrt">negative Vorzug</em> ist es ja, welcher uns, in seiner höchsten -Potenz, beim Anblick eines <em class="gesperrt">Cäsar</em>, eines <em class="gesperrt">Byron</em>, eines -<em class="gesperrt">Napoleon</em>, hinreißt — während uns die makellose, glatte Reinheit -eines edlen Menschen blos kalt erhebt. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[157]</a></span></p> - -<p>Nicht daß es dem Chevalier an Fehlern und Untugenden gemangelt hätte; -ich weiß nicht, ob er auch nur im entferntesten Sinne einen Vergleich -mit jenen edlen Menschen ausgehalten hätte, welche wir zuletzt -nannten, vorausgesetzt, wir hätten ihn mit dem Maßstabe der reinen -Moral zu messen; nach den Begriffen der Gesellschaft und Zeit jedoch -war Herr von Marsan das Muster eines vornehmen Mannes, d. h. eines -Salonsubjektes.</p> - -<p>Ach, Ihr guten Seelen, die Ihr in kleinen Häuschen mit Strohdächern, -unter denen Schwalben und Bienen nisten, wohnt, Ihr habt freilich -keinen Begriff von <em class="gesperrt">dieser</em> Tugendhaftigkeit und <em class="gesperrt">dieser</em> -Mustergiltigkeit. Nach Eurer unverständigen Meinung wäre dieser -Chevalier vielleicht weiter nichts, als ein hübscher, reicher, -leichter, träger, thörichter, vielleicht auch gutherziger, jedenfalls -aber ausgelassener und gewissenloser junger Springinsfeld gewesen. Gut, -daß Euer Votum in der Wagschaale der <em class="gesperrt">bessern Gesellschaft</em> nicht -gilt — Ihr würdet dort eine schöne Confusion damit anrichten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[158]</a></span></p> - -<p>Doch wir wissen jetzt ungefähr genug von dem Charakter des Ritters von -Marsan und eilen nun zu den Begebenheiten, worein wir denselben schnell -verflochten sehen.</p> - -<p>Eines Tages machte Edmund mit seinem Freunde, dem Grafen von Wollheim, -einen Spazierritt in den Prater, als er, beim ersten Kaffeehause -angelangt, ungefähr hundert Schritte davon ein Gedränge von Menschen, -Pferden und Equipagen bemerkte. Hier muß etwas Außerordentliches -vorgefallen sein, wiewohl dies nicht nothwendig ist und schon eine -unbedeutende Kleinigkeit hinreicht, die guten Wiener sich mitten -auf der Straße zu einer Schaar versammeln und neugierig den Himmel -anstaunen zu sehen....</p> - -<p>Als unser Freund näher kam, bemerkte er einen Herrn zu Pferde, der -mit dem Thiere, welches äußerst widerspenstig schien, mit einer Kunst -verfuhr, die ihn zum größten Reiter des Jahrhunderts stempelte. Dieser -Herr hatte den Rücken gegen Edmund gekehrt, und so konnte dieser nicht -wissen, wen er da vor sich habe. Jedoch schien es ein junger und -äußerst glänzender Kavalier — sein Pferd aber war von<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[159]</a></span> arabischem -Vollblut, „halb Hirsch und halb Vogel,“ wie <em class="gesperrt">Balzac</em> sagt.</p> - -<p>„Er wird das Thier doch nicht zum Stillstehen bringen.“</p> - -<p>„Es ist vergebens! Das ist ein wahrer Teufel von einem Afrikaner!“</p> - -<p>„Wie heißt das Pferd nur gleich!“</p> - -<p>„Jussuf! Jussuf ist sein Name.“</p> - -<p>Diese Urtheile und Reden erschollen rings herum. Mitunter ließ eine -von den schönen Damen, die aus den Wagen den schönen Reiter durch -ihre Lorgnetten betrachteten — einen leisen kokettirenden Angstruf -hören.... oder die Herren zu Pferde suchten durch das gewöhnliche: -„Prrr! — Ohe! Heh! Heh!“ den wilden Jussuf zu besänftigen helfen -— was jedoch von dem fremden Reiter stets mit einer stolzen und -unwilligen Bewegung erwiedert ward. — Dieser schien endlich in die -höchste Wuth zu kommen — er riß den Zügel so heftig an sich und -versetzte dem muthwilligen Thiere mit Sporn und umgekehrter Gerte einen -so furchtbaren Schlag — daß Jussuf wie ein Mensch aufstand, sich auf -die Hinterbeine<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[160]</a></span> setzte — und schon zu überschlagen in Gefahr war....</p> - -<p>Ein tausendstimmiger Schrei der Zuschauer erfüllte die Luft....</p> - -<p>Aber im Augenblick, wo die Gefahr am größten war, wo das Leben von -Mensch und Thier nur mehr auf einer Nadelspitze stand — machte der -Fremde, welcher kalt und lächelnd in den Steigbügeln stand — eines -von jenen Maneuvres mit Zügel und Schenkel, die ein Geheimniß der -Araberhäuptlinge und zwei bis drei Europäer sind — — und Jussuf, als -sei er plötzlich in ein Hündchen verwandelt worden, ließ die Ohren -fallen — senkte die Augen, welche zuvor höllische Funken gesprüht -hatten — zog die dampfenden Nüstern zusammen — — jetzt mit einer -Viertelkreiswendung drehte es sich auf den Hinterfüßen herum und ließ -sich ruhig auf die Erde nieder, ohne ferner auch nur mit einer Muskel -zu zucken.</p> - -<p>Bei dieser Evolution, welche an die Mythen der Centauren erinnerte — -lös’te sich ein zweiter allgemeiner Ruf aus der Mitte der Zuschauer; es -war einer der Bewunderung und des Erstaunens.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[161]</a></span></p> - -<p>Noch nie hatte man so etwas in Wien gesehen, wo es doch in der That an -bedeutenden Reitern, deren Koryphäe der Graf S— ist, auch nicht fehlt.</p> - -<p>In dem Augenblick, in welchem der außerordentliche Fremde sein Pferd -herumgedreht hatte — erkannte Edmund in ihm den <em class="gesperrt">Chevalier von -Marsan</em>. Es bedurfte keinen zweiten Augenblick und der Jüngling -hatte sich durch den dichten Kreis der Umstehenden hindurchgedrängt -und stand neben seinem Freunde. Dieser erkannte ihn sogleich und ein -lauter Willkomm erscholl von beiden Seiten. Zuerst bezeigte Edmund -ihm seine Bewunderung über die glänzende That, deren Zeuge er so eben -gewesen — der Chevalier jedoch bat lächelnd, nicht weiter von „dieser -Kleinigkeit“ zu sprechen — wischte sich jedoch mittlerweile den -dichten Schweiß von der Stirne, welchen diese <em class="gesperrt">Kleinigkeit</em> darauf -gesäet hatte. — Nach und nach zerstreuten sich wieder die Zuschauer, -die meisten jedoch nicht eher, als bis sie sich dem Wundermanne noch -einmal ganz dicht genähert hatten, um ihn auf ewige Zeiten ihrem -bereitwilligen Gedächtnisse einzuprägen....<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[162]</a></span> Nur noch einige Herren zu -Pferde blieben neben Marsan, da sie zu seiner Gesellschaft gehörten. Es -waren meist auch Bekannte des jungen Randow und sie störten daher nicht -bei der Freude des Wiedersehens, welche sowohl dieser wie der Chevalier -empfand.</p> - -<p>Man setzte nun den Ritt nach dem Jägerhause fort, gefolgt nur noch von -einigen Spießbürgern, die zu spät gekommen waren — den Wundermann -jedoch noch, und sei es mit Aufopferung einiger Jahre ihres Lebens, -sehen mußten; auch etliche Gassenjungen trabten beständig zur Seite -einher. —</p> - -<p>„Ach, mein theurer, theurer Marsan! — wie finde ich Sie verändert, -seit wir uns das letzte Mal sahen! Es war vor 5 Jahren und Sie zählten -damals 21. Jetzt hat das Mannesalter Alles an Ihnen vervollkommnet. -Es sind zwar dieselben Züge, aber kräftiger und fester — es ist -derselbe Wuchs, dieselbe Haltung, Alles, Alles — — nur in Allem viel -gediegener, wie soll ich sagen? perfekter! —“ Es fehlte wenig und -der gutmüthige Bursche, der in Liebe und Freundschaft eine Andacht -besaß, die ihm im ganzen<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[163]</a></span> übrigen Leben so sehr fehlte, ja, deren -<em class="gesperrt">Gegentheil</em> ihn hier sogar charakterisirte — — es fehlte wenig -und er wäre dem Franzosen sammt dessen Jussuf — vom Pferde aus um den -Hals gefallen...</p> - -<p>„Und Sie, mein bester Edmund, wie ist es Ihnen seither ergangen?“ -fragte der Chevalier theilnahmsvoll: „Uebrigens sind Sie mir seit -länger als einem Jahre die Antwort auf mein letztes Schreiben, welches -ich Ihnen von Brüssel durch den Baron d’Orville zugesandt habe, -schuldig.“</p> - -<p>„Beim Himmel, Freund, ich habe weder den Baron noch Ihren Brief -gesehen; auch ist es mir nicht erinnerlich, daß ein d’Orville jemals -unsere Stadt berührt hätte. Allein wie verhält es sich um diese Sache -— Herr von L**?“ wandte der junge Randow sich an einen ältern Herrn, -der ihm zur Seite ritt, und welcher Herr eines von den lebendigen -Neuigkeitsbureaux vorstellte, an denen in der <em class="antiqua">société</em> einer großen -Stadt wahrlich kein Mangel ist.</p> - -<p>Herr von L**, das Neuigkeitsbureau, (er wußte Alles) sann ein wenig -nach, murmelte dann zwischen den Lippen „d’Orville, d’Orville<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[164]</a></span>“ — — -und sagte zuletzt mit der größten Bestimmtheit: „Ein solcher Kavalier -ist hier ganz gewiß nicht durchgereis’t.“</p> - -<p>„Das kann möglich sein.... denn der Baron, der immer auf Reisen -ist, hat die Gewohnheit, seine Route hundert Mal in einem Tage zu -verändern.... und er ist im Stande, sich z. B. von hier aus auf -die Reise nach dem <em class="gesperrt">Ladoga-See</em> zu begeben; in der Nähe der -russischen Grenze — besinnt er sich dann — kehrt um und reis’t nach -<em class="gesperrt">Portugal</em>. —“</p> - -<p>In diesem Augenblick fuhr an der Cavalcade eine Equipage vorbei. Marsan -wandte sich zufällig nach der Seite und stieß beim Anblick der Personen -im Wagen einen leisen Ruf aus.</p> - -<p>„Was haben Sie? Was haben Sie?“ fragte Edmund.</p> - -<p>„Können Sie mir vielleicht sagen,“ gegenfragte der Chevalier rasch — -„wem dieser Wagen gehört?“</p> - -<p>Erst jetzt blickte Edmund nach demselben: „Mein Gott!“ rief er -erstaunt — „sollte dies möglich sein? — Dies ist die Equipage -meiner Schwester, der Gräfin A—x; da sie uns jedoch<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[165]</a></span> bereits zu weit -vorgekommen ist, kann ich nicht sagen, ob Cölestine selbst sich darin -befinde. Indeß wäre dies ihre erste Fahrt im Prater.... die ganz -unvermuthet geschehen sein würde — denn so viel ich weiß, ist die -Zeit, wo sie sich zum ersten Male mit ihrem Gemahle zeigen sollte — -noch nicht erschienen.“</p> - -<p>„Ah!“ versetzte Marsan nachdenklich: „jener Herr neben ihr war also ihr -— Gemahl....“</p> - -<p>„Wenn sie es ist — ganz zuverläßlich.“</p> - -<p>„Brünett, ernst, männlich, fast etwas stark...“</p> - -<p>„Ganz recht, ganz recht! — Es ist Alexander!“</p> - -<p>Marsan erstaunte einen Augenblick lang; er sah einige Mal -angelegentlich der Equipage nach, die bereits sehr weit vor ihnen dahin -rollte, abwechselnd von einer Staubwolke eingehüllt.</p> - -<p>„Also — erst seit kurzem vermählt?“ richtete derselbe halbleise die -Frage an Edmund...</p> - -<p>„Seit einigen Wochen!“ versetzte dieser: „Allein wie es scheint, so -nehmen Sie ungewöhnlich Antheil an dieser Begebenheit, mein Freund. Ist -Ihnen vielleicht Graf A—x näher bekannt?...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[166]</a></span></p> - -<p>„O nicht doch,“ erwiederte Marsan lächelnd: „ich habe nie etwas von -diesem Herrn gehört...“</p> - -<p>Der Ton in dem letztern Worte war fast schneidend und der Chevalier, -der dies erst jetzt zu merken schien, setzte schnell, gleichsam als -wollte er sich korrigiren, mit einer freundlichen Ungezwungenheit -hinzu: „Ich wollte nämlich sagen, daß mir die <em class="gesperrt">Person</em> des Grafen -gänzlich unbekannt sei — denn sein Name ist es keineswegs; dieser -Name, der einer der glänzendsten des Kaiserstaates ist — —“</p> - -<p>„Nun gut;“ fiel Edmund ein — „aber dann sagen Sie mir, was diese -Theilnahme sonst zu bedeuten hat...“</p> - -<p>„Ei, mein Freund,“ bemerkte Marsan mit jener Liebenswürdigkeit in Ton -und Blick, der man nicht leicht zu widerstehen vermochte: „die Sache -ist, daß eine Dame meiner Bekanntschaft auf dem Gute meiner Mutter -in der Provence jener Dame im Wagen, die Sie Ihre Schwester nennen, -überraschend ähnlich sieht... das ist das Ganze...“</p> - -<p>Hiermit ward das Gespräch auf einen andern Gegenstand geleitet und die -Cavalcade trabte<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[167]</a></span> einem Seitenwege zu. Marsan war der Leiter, jedoch -hatte er diesen Seitenweg gleichsam nur so zufällig eingeschlagen....</p> - -<p>Auf diesem kürzeren Wege nun konnte man nach dem Jägerhause, welches -der Schlußpunkt einer gewöhnlichen Praterpromenade ist, — schneller -als auf jedem andern gelangen, und kam daher den Wagen und Reitern, -welche die Hauptstraße einschlugen, vor. — Hieran dachte jedoch -Niemand, auch wußte Marsan die Unterhaltung so zu lenken, daß durch -sie die Gesellschaft hinlänglich beschäftigt ward. So allein war es -möglich, daß man die Equipage Cölestinens, worin in der That sie mit -ihrem Gemahle saß, zum zweiten Male begegnete — ohne daß Jemand etwas -davon merkte. Nur der Chevalier machte hiervon eine Ausnahme.... er -warf in einem Augenblick, wo alle Andern tausend Schritte weit davon -wegsahen, einen raschen und kurzen Blick in den Wagen; dieser Blick -jedoch war hinreichend, um in Marsans Geiste eine Fülle entzückender -Bilder — in seinem Herzen eine Fülle heißer Wünsche zu erregen....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[168]</a></span></p> - -<p>Alles dieses schien jedoch äußerlich nur dazu zu dienen, um aus seinem -Munde ein kaltes, gleichgiltiges Gelächter, wie man ein solches hundert -Mal des Tages aufschlägt, zu locken, womit er sich dann an seine -Umgebung wandte, indem er dabei nach zwei Jungen wies, die in einiger -Entfernung davon sich balgten.</p> - -<p>Man kehrte noch vor dem Jägerhause um und begab sich auf den Rückweg. -Der Chevalier war nicht heiterer und auch nicht trauriger wie zuvor. -Es schien nichts vorgefallen zu sein. Er sprach über Dieses und Jenes, -kam aus dem Hundertsten ins Tausendste, wie es der Charakter einer -Conversation unter jungen Männern dieses Standes mit sich bringt.</p> - -<p>Am Eingange des Praters trennte sich die Gesellschaft und zerstreute -sich nach verschiedenen Gegenden. Der Chevalier und Edmund indeß -blieben beisammen, da der Erstere ihn eingeladen hatte, seine Wohnung -kennen zu lernen und mit ihm zu Mittag zu speisen.</p> - -<p>„Wir haben uns ja so lange Zeit nicht gesehen — und so müssen wir uns -endlich recht fest und ordentlich ansehen. Ach, mein Freund,<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[169]</a></span> wie freue -ich mich, so wider Vermuthen mit Ihnen zusammengetroffen zu sein!“ -bemerkte Marsan.</p> - -<p>„So wußten Sie also nicht, daß ich in Wien sei?“</p> - -<p>„Gewiß nicht; ich vermuthete Sie tausend Meilen weit von hier. Sie -stießen mir ja in keiner der ersten Gesellschaften auf...“</p> - -<p>„Mein Freund — der Grund hievon ist die Heirath meiner Schwester. So -lange sie nicht in die Gesellschaft zurückkehrte — hielt ich es für -passend, ihr darin zu folgen.“</p> - -<p>„Sehr richtig; dies beweis’t einen feinen Takt, lieber Edmund. — -Uebrigens — wird vielleicht die Abgeschiedenheit der Gräfin A—x, -Ihrer Schwester, nicht mehr lange dauern...“</p> - -<p>„Ich vermuthe es selbst, nachdem ich weiß, daß sie sich heute im Prater -gezeigt hat. — Ach, die theure Cölestine! Wie gerne hätte ich sie -gesehen!“</p> - -<p>Dieses Gespräch über Cölestine schien den Chevalier sehr anzuziehen -und er suchte den Andern so lange als möglich dabei festzuhalten. Sie -gelangten so in die Wohnung Marsan’s,<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[170]</a></span> welcher eine Etage auf dem -<em class="gesperrt">Graben</em> gemiethet hatte und sich hier mit fürstlichem Glanze -umgab.</p> - -<p>Eine reichgallonirte Dienerschaft empfing sie in der Einfahrt des -Hauses und nachdem die Freunde vom Pferde gestiegen waren, schritten -sie hinauf in eine der prachtvollsten Belletagen, welche Edmund jemals -gesehen.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[171]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Neuntes_Kapitel"><b>Neuntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Thorheiten der Welt und die Leidenschaften des Herzens.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">E</span>dmund war in der That über die neuesten Verhältnisse im Hause seiner -Schwester nicht unterrichtet. Heute Morgen hatte Cölestine mit -ihrem Manne zum ersten Male sich in mehreren Häusern gezeigt. Dies -Geschäft war nicht länger aufzuschieben. Das arme Ehepaar konnte den -tausendfachen Machinationen, womit man in der vornehmen Welt ein Haus -einzusprengen versteht, nicht ferner widerstehen. Sie seufzten, sie -zürnten — aber sie mußten endlich nachgeben.</p> - -<p>Nirgends ist man ein größerer Sklave als in den Cirkeln, welche sich -die guten nennen. Nicht in dem <em class="gesperrt">äußern</em> Zwange, dem man sich -unterwerfen muß, liegt das Wesen der Sklaverei; nein<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[172]</a></span> — sondern daß -man hier unsere Seele, unser Herz, unsere heiligsten Empfindungen zu -knechten versteht, das ist es, welches einen Salon mit dem untern -Schiffsraum afrikanischer Küstenfahrer in eine Parallele stellt. Und -bei Gott, sie fällt zum Vortheil der letzteren aus. Was liegt mir -daran, ob man jenes Theil an mir, welches jeden Augenblick durch einen -herabfallenden Dachstein — durch einen Trunk kalten Wassers, durch -einen verfehlten Tritt vernichtet werden kann, mißhandelt, mordet. -Hab’ ich es doch nie besessen, da ich es keine Stunde <em class="gesperrt">sicher</em> -besaß. Aber jenes göttliche Theil in mir, welches unvergänglich und -unvernichtbar ist.... jenes Theil, über das selbst Tod und Natur nichts -vermag, zu knechten, zu quälen, zu peinigen, es an seiner erhabenen -Entwicklung und in seinem geheiligten Streben zu hemmen — — diese -Wunde schmerzt gewaltiger, ja, sie allein kann schmerzen — und nie -werden wir sie ganz verschmerzen.</p> - -<p>Von dieser trüben Betrachtung war auch unser junges Ehepaar -durchdrungen.... es war dies der Tropfen Wermuth, der sich stets in -ihren vollen Freudenkelch mischte... Ach, <em class="gesperrt">ein</em><span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[173]</a></span> Tropfen ist -hinreichend, das ganze Leben zu vergiften!</p> - -<p>Doch wer zum Schmerz geboren ist, entgeht demselben nicht; und -unsere vornehmen Stände wissen in der That mehr von diesem Kapitel -zu erzählen, als jene glücklichen, beschränkten armen Leute, deren -Schicksal wir thörichter Weise beklagen. — Ach, geht doch hin in einen -Salon und hebt diese glänzenden Decken, diesen goldnen Zierrath weg, -welche Euch so sehr die Augen blenden: wie viel Elend und Jammer werdet -ihr unter denselben finden. Ich weiß, daß ich hier eine alte Geschichte -erzähle — — ich habe sie jedoch selbst erlebt und besitze das Recht, -sie zu wiederholen.</p> - -<p>Und so mußten sich denn Cölestine und Alexander aus ihrer wärmsten, -seligsten Umarmung reißen — mußten die süße Einsamkeit, diese Zeugin -ihres jugendlichen Liebesglückes, verlassen, um den Ansprüchen einer -erbarmungslosen Welt Genüge zu thun. Dahin waren jetzt die holden -Stunden, welche Morgens beim Erwachen anfingen, um erst tief um -Mitternacht zu enden! So ungetrübt und schrankenlos beglückend sollten<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[174]</a></span> -sie nie mehr wiederkehren. Dahin waren die Tage voll Sonnenschein — -und die Nächte voll Sternenpracht! — dahin die stillen Gemächer, -verhüllt mit dichten Vorhängen und mit eifersüchtigen Schlössern -verriegelt!... dahin der Garten mit den treuen Boskets und der -unzugänglichen Grotte!.. Alles, Alles, <em class="gesperrt">ihre</em> ganze Welt dahin, -verschwunden, versunken wie ein fabelhaftes Land!... Von nun an gab es -für sie nur eine laute, lebende, wilde, kalte, unverschämt zudringliche -Welt: Salons mit offenen Thüren — Boudoirs mit durchsichtigen -Gazevorhängen — Equipagen — Praterfahrten — Theaterabende — Bälle -— Zorn — Aerger — Verläumdungen — Mißmuth — Verzweiflung oder — -Verderbniß. —</p> - -<p>Dies Alles sah ihre ahnende Seele voraus und darum schien ihr der -Abschied aus der Einsamkeit ein Abschied vom Leben:</p> - -<p>„Wie glücklich waren wir, mein Alexander!“ sagte das liebende Weib -zärtlich, als er ihr mit schwerem Herzen verkündigte, daß Jenes -geschehen müsse, was er selbst am schwersten fürchte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[175]</a></span></p> - -<p>„O!“ rief er aus, seiner erlogenen Fassung nicht Meister bleiben -könnend: „wir werden nimmer so selig sein! Cölestine, das Glück, was -wir besaßen — kehrt nicht mehr so hold zurück! Dies ist ein Gedanke, -der ein Menschenherz zerreißen könnte....“</p> - -<p>„Lass’ uns nicht verzagen!“ entgegnete sie sanft und legte ihren -weichen Arm um seinen Nacken: „Warum sollen unsere süßen Stunden nicht -ganz so wiederkehren? — Wir sind nicht für immerdar von einander -geschieden. Trennt uns auch der Tag; der Abend, die Nacht führt uns -ja wieder zusammen.... und dann unsere Seelen wissen nichts von jenem -Zwang, sie werden stets beisammen sein!“</p> - -<p>So beruhigte sie ihn mit Worten, welche aus treuem, liebendem Herzen -kamen — und er, er glaubte ihr so gerne. Wenn man liebt, wenn man -anbetet — dann <em class="gesperrt">glaubt</em> man auch. Und es sind gerade die -skeptischen, die mißtrauischen Naturen — welche im Augenblick der -Leidenschaft und Liebe sich zur innigsten Ueberzeugung hinreißen -lassen....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[176]</a></span></p> - -<p>Ist aber dieser Augenblick vorbei.... wird Liebe oder Leidenschaft auch -nur durch den leisesten Windhauch verletzt: dann erwacht der Zweifel in -diesen Herzen, und mit riesiger Gewalt reißt er sie zum Wahnsinn hin.</p> - -<p>Doch Alexander vertraute der Geliebten; er sah ja, daß sie nur in ihm -und für ihn lebte... Nein, nein, er hatte noch nicht die geringste -Störung empfunden an dem süßen Frieden seiner Seele. — — Ach, er -liebte unaussprechlich!</p> - -<p>Wie gesagt, sie hatten bereits in mehreren Häusern Besuche gemacht. -Ueberall waren sie mit einer Freude empfangen worden, der es an Worten -nicht fehlte. Man sagte ihnen tausend schmeichelhafte Dinge — und -Alexander war entzückt über die Komplimente, welche man seiner Gemahlin -zu ihrem heitern, rosigen, reizenden Aussehen machte. Imgleichen vergaß -man bei diesen Lobsprüchen auch seine Person nicht — nun glühten -wieder die Augen Cölestinens im Feuer der Freude — ihre Wangen färbte -holde Zufriedenheit, und sie sagte sich im Stillen:</p> - -<p>„Das Alles ist mein Verdienst! Denn ich habe ihn so gemacht, wie er -jetzt ist.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[177]</a></span></p> - -<p>Außerordentliches Aufsehen machte die naive Antwort, welche sie einer -Dame auf die Frage gab: „An welchen Tagen in der Woche werden Sie Ihre -Salons der Gesellschaft öffnen, meine Beste?“</p> - -<p>„Meine Beste,“ hatte Cölestine geantwortet: „ich weiß es noch nicht.“</p> - -<p>In weniger als vierundzwanzig Stunden war diese Aeußerung der jungen -Frau in allen Häusern herumgekommen und überall rief man aus:</p> - -<p>„Ach, welche affektirte Einfalt! Man könnte es sogar einfältig nennen.“</p> - -<p>Und dies war es auch. Einfältig war es gesprochen — aber mit jener -heiligen Einfalt, in der Gott unsere Herzen geschaffen hat. — Dieses -liebevolle und glückliche Weib hatte wirklich noch nicht an Pflichten -gedacht, die der Welt so <em class="gesperrt">überaus wichtig scheinen</em>, dem Herzen -aber so wenig, daß es sie vergißt.</p> - -<p>In fünf bis sechs Tagen hatte das Ehepaar die Tour beendigt; die -Equipage des Grafen A—x hatte so ziemlich in allen großen Straßen der -Hauptstadt angehalten. — Aber damit war nur noch die Hälfte der Arbeit -geschehen; denn jetzt<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[178]</a></span> sollten die Besuche erwiedert werden, jetzt -fuhren die fremden Equipagen colonnenweise vor dem Palais des Grafen -auf.</p> - -<p>Und nun wurden die Augen mit jener unverschämten Neugier, die bis in -den letzten Winkel dringt, in diesen Sälen umhergeworfen — — da gab -es denn wieder Stoff zu Abhandlungen in bekannter Weise.</p> - -<p>Als man an dem Geschmack Cölestinens und ihres Gemahls nichts -auszusetzen fand, kritisirte man die Pracht, und fragte sich mit -allerliebster Albernheit: „Ist das wirklich Alles persisch, indisch -und antik — was man uns da als solches gezeigt hat? Nicht, daß wir -den ernsten Grafen A—x für fähig hielten, uns damit einen kleinen -Schelmenstreich zu spielen.... sondern es ist möglich, daß man -<em class="gesperrt">ihm</em> einen solchen gespielt hat. O, man versteht es jetzt -vortrefflich, etrurische Vasen, pompejanische Candelabers und indische -Draperien zu erzeugen, d. h. in Europa. O, man hat Beispiele! —“</p> - -<p>Glaube man ja nicht, daß das <em class="gesperrt">Verläumden</em> aus unseren neueren -Salons ausgewiesen sei und von <em class="gesperrt">schlechtem Geschmack</em> zeige — -wie<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[179]</a></span> Herr <em class="gesperrt">Eugen Sue</em> uns versichern will. Es ist möglich und -ich selbst kann mich dessen erinnern, daß man diesen Satz überall -öffentlich <em class="gesperrt">ausspricht</em> — — aber man thut es nur, um ihn -insgeheim <em class="gesperrt">um so weniger zu befolgen</em>. — Wir sind in dieser -Hinsicht, wie in noch so mancher andern, beim Alten geblieben.</p> - -<p>Unsere Freunde: der Graf und die Gräfin von Wollheim, Herr und Frau von -Porgenau, Fräulein von Bomben, die Stiftsdame — erschienen unter den -ersten Gästen.</p> - -<p>Der Graf von Wollheim hatte vorzüglich deßhalb seinen Besuch so beeilt, -weil er seit längerer Zeit seinen Busenfreund Edmund nicht mehr zu -Gesichte bekommen, ihn in dessen Wohnung vergeblich gesucht und ganz -sicher bei Cölestine zu finden gehofft hatte. — Leider sah er sich -in seinen Erwartungen getäuscht und dies tobte fürchterlich in seinem -Innern. Sein <em class="gesperrt">Durst</em> war nicht allein daran schuld, obgleich, nach -seiner eigenen Behauptung, er diesen Durst nur in Compagnie mit seinem -jungen Freunde und Schüler gehörig zu löschen verstand; in der That -zog ihn wirklich das Herz — zu dem Letz<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[180]</a></span>teren hin, den er nun schon -seit so lange nicht fand. Im höchsten Grade wüthend, zog er sich in -ausfallender Weise von der Gesellschaft zurück, ließ seine Frau sitzen -— und begab sich allein aus dem Hause fort in ein Nebengebäude, wo, -wie er wußte, die Jäger und Forstbedienten des Grafen haus’ten. Er -setzte sich mitten unter sie — ließ Wein holen und fraternisirte mit -ihnen, so, als befände er sich unter Brüdern. Natürlich, daß er nicht -unterließ, sich zu betrinken, — in diesem Zustande nun ergriff er eine -Flinte, hing Pulverhorn und Schrotbeutel um seine Schulter — trat in’s -Wirthschaftsgebäude und schoß hier Sperlinge, Schwalben, Tauben, Hühner -und Fasanen zusammen....</p> - -<p>Man mußte dem Jagdingrimm unseres Nimrod mit Gewalt Einhalt thun.</p> - -<p>Während dieser Zeit producirten die übrigen Originale ihre Künste -eben im Salon der Gräfin Cölestine. Frau von Porgenau lachte sich die -Kolik in den Leib über den fulminanten Humor ihres Gemahls, des sehr -ehrenwerthen Herrn von Porgenau. Gräfin Wollheim erzählte<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[181]</a></span> einige -rührende Strickstrumpfgeschichten und brachte alle Augenblicke den -Frauen-Hülfsverein zur Sprache, über den das Stiftsfräulein toller als -je loszog:</p> - -<p>„Nicht nur meine Erfindung: die Composition aus Pech, Theer und -Teufelsd—, nicht nur meine Fußangeln und Daumenschrauben, haben -sie zurückgewiesen —“ sagte sie; „stellen Sie sich vor — — mich, -mich selbst, das Stiftsfräulein von Bomben, mich selbst und meine -Person wollten sie für die Zukunft zurückweisen, mich aus der Liste -der Vereinsmitglieder streichen, mir Sitz und Stimme nehmen... Ist -das erhört? — — Nein, bei Nero! so wurde noch Niemand für seine -philanthropischen Bestrebungen belohnt!.. So in den Koth getreten wurde -Tugend, Menschenfreundlichkeit und Erfindungsgeist noch nie — seit -die Welt steht, seit es Fußangeln und warme Unterröcke gibt.... Aber,“ -fuhr die Biederfrau, glühend vor edler Entrüstung auf: „aber dies -sollen sie mir auch büßen, jene liebenswürdigen Damen vom Comité! Sie -sollen es büßen! — So wahr Dionysos sein <em class="gesperrt">Ohr</em> gebaut — so wahr<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[182]</a></span> -Heliogabalus seine <em class="gesperrt">Stühle</em><a name="FNAnker_C_3" id="FNAnker_C_3"></a><a href="#Fussnote_C_3" class="fnanchor">[C]</a> erfunden hat! Ich, ich sage das; -ich schwöre es und bin <em class="gesperrt">Mann</em> genug, meinen Schwur zu halten.“</p> - -<p>Man ließ diese verfolgte Tugend ausreden, sodann aber schnitt man ihr -das Gespräch für die ganze übrige Zeit dadurch ab, daß man Musik machte -und Gesänge vortrug.</p> - -<p>Mit einem Male öffnete der Bediente die Thür und meldete die Namen -<em class="gesperrt">Edmunds</em> und des <em class="gesperrt">Chevalier de Marsan</em>. —</p> - -<p>Bei der Nennung des Letztern entstand plötzlich eine athemlose Stille -und alle Blicke richteten sich nach der Thür, durch welche jetzt die -beiden jungen Männer eintraten. Jenes Gemurmel blieb nicht aus, welches -bei solchen Gelegenheiten sich zu verbreiten pflegt — und welches für -die angekommene Person, falls sie nicht Routine genug hat, eben so -angenehm ist, wie das Gesumme eines heranziehenden Bienenschwarms für -einen armen Teufel ohne Maske...</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[183]</a></span></p> - -<p>Edmund stellte Cölestinen seinen Freund vor und dieser wurde von ihr -mit jener liebenswürdigen Freundlichkeit aufgenommen, an welcher sie -alle Welt theilnehmen ließ. Der Chevalier verweilte nicht lange in -ihrer Nähe — er ließ sich sofort auch mit dem Grafen bekannt machen. -Hier fand er die Behandlung, wie sie unter Männern von gutem Ton -üblich ist; und es schien, als trachtete er auch nicht nach mehr; denn -auch ihn verließ er alsbald, um sich mit Edmund nach einem Winkel -zurückzuziehen, wo einige Herren sich mit politischen Discussionen -unterhielten. Marsan stellte sich inmitten dieser Gruppen — er -achtete auf nichts weiter — ihn schien nichts mehr in diesem Salon zu -interessiren. —</p> - -<p>„Nun — haben Sie ihn gesehen? Was sagen Sie von ihm?“ begannen zwei -Damen auf einer Ottomane mit Lorgnetts in der Hand, welche sie immer -dahin richteten, wohin sie nicht sahen....</p> - -<p>Sie kennen doch die Taktik der Lorgnetten, meine Leserinnen? Man -schielt darunter oder daneben weg — und Niemand weiß, wohin Sie -blicken. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[184]</a></span></p> - -<p>„Ach, theure Freundin,“ antwortete die Andere: „Was ich von ihm sage? -— Er ist einer der schönsten Männer, die mir im Leben vorgekommen.“</p> - -<p>„Mich dünkt, er hält sich nicht ganz gerade.... Ich glaube, sein Wuchs -würde die strengere Kritik nicht befriedigen...“</p> - -<p>„Im Gegentheil! Eben sein Wuchs ist unvergleichlich!“</p> - -<p>„Und auch sein Mienenspiel! Es ist zu lebhaft!“</p> - -<p>„Es ist südlicher Natur — meine Freundin!“</p> - -<p>„Allerdings.... aber wir hier im Norden!—“</p> - -<p>„Uebrigens hat Herr von Marsan, wie man mir sagte, allerorts die -günstigsten Urtheile hervorgerufen...“</p> - -<p>„Allerorts? Ist Wien auch gemeint?“</p> - -<p>„Gewiß.“</p> - -<p>„So bedaure ich, daß ich eine Ausnahme mache; allein ich halte den -Chevalier nicht im Geringsten für verführerisch — hahaha!“</p> - -<p>„Man spricht indeß von seinen Siegen, die er über die stolzesten Herzen -davon getragen —“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[185]</a></span></p> - -<p>Hierauf hatte die Andere nur ein mitleidiges Lächeln....</p> - -<p>Da ward dieses Gespräch durch den Herzutritt einer dritten Dame -unterbrochen, welche sich mit der Lobrednerin des Chevaliers in ein -Gespräch einließ. Sogleich fing die zweite, welche früher so viel Tadel -über ihn ausgegossen, an mit ihrer Lorgnette zu manövriren, wie oben -angegeben...</p> - -<p>Die Gute richtete das Glas beständig nach dem Klavier, welches in der -Mitte des Salons stand — ihre Augen indeß schweiften beständig um die -Gruppe, welche seitwärts war und in welcher Gruppe sich Marsan befand.</p> - -<p>Edmund verließ seinen Freund nicht. Augenscheinlich jedoch schien -er von diesem zurückgehalten, — selbst Cölestinen, der geliebten -Schwester, hatte er sich noch nicht zum zweiten Male genähert. Sie war -indeß von anderen Personen so zahlreich occupirt, daß sie den Bruder -kaum entbehrte. Nur nach Alexander warf sie von Zeit zu Zeit Blicke, -deren zärtlicher Ausdruck immer ungestümer zu sagen schien:</p> - -<p>„Ach, wäre nur dieser Tag schon zu Ende!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[186]</a></span></p> - -<p>Er war darüber glücklich wie ein König; und dieses Glück im Herzen, wie -sollte er seiner Umgebung nicht liebenswürdig erschienen sein. In der -That hieß es allenthalben:</p> - -<p>„Aber haben Sie den Grafen A—x je so gesehen, wie heute? Er ist ein -ganz Anderer geworden.“</p> - -<p>„Die Ehe scheint ihm sehr wohl zu bekommen.“</p> - -<p>„Ein düsterer Timon hat sich da zu einem Ausbund von Artigkeit und -Galanterie verwandelt. Haben Sie je früher bemerkt, daß er sich mit -einer fremden Person länger als zwei Minuten unterhalten hätte? und -heute amüsirt er eine Gesellschaft von zehn bis zwölf Personen so -unvergleichlich — daß sie seine Nähe nicht verlassen, die nichts als -Frohsinn und Heiterkeit zu verbreiten scheint...“</p> - -<p>„O — meine Herren,“ sagte ein dritter; es war dies ein Jüngling, der -für sehr unternehmend galt und ungeheuer viel Erfahrungen gesammelt -haben sollte: „man muß in dieser Zeit <em class="gesperrt">heirathen</em>... damit ist -<em class="gesperrt">Alles</em> gesagt, d. h. <em class="gesperrt">Alles gethan</em>. Sie glauben, gewisse -Menschen mache die Liebe glücklich, die sie in der Ehe fin<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[187]</a></span>den — es -zeigt sich jedoch, daß sie blos das <em class="gesperrt">Geld</em> glücklich gemacht -hat... Bei Andern ist es umgekehrt. Was endlich die dritten betrifft, -so wissen sie selbst nicht, weßhalb sie nach ihrer Verheirathung -glücklicher sind — als vor derselben.... Es gibt Leute, denen man -allerhand in den Kopf setzen kann.... haha!“ Der Jüngling lachte -äußerst selbstgenügsam.</p> - -<p>„Es scheint jedoch nicht — daß Graf A—x unter Ihre dritte Classe -gehört, mein Lieber!“ versetzte einer der Vorigen: „Dieser Graf scheint -recht gut zu wissen, <em class="gesperrt">was er besitzt</em>.“</p> - -<p>„Ich hatte auch nicht die entfernteste Absicht, hier <em class="gesperrt">ihn</em> zu -meinen; dies schwöre ich.“</p> - -<p>Das waren Worte eines Thoren, die jedoch im Leben sehr oft in Erfüllung -zu gehen pflegen; denn das Leben ist ein großer Freund jener Ironie, -die uns oft Thränen, nicht selten das Leben selbst kostet. —</p> - -<p>Trotzdem, daß die Gesellschaft schon wider Vermuthen zahlreich geworden -war, vermehrte sich dieselbe noch mehr durch immer neu hinzukommende -Individuen, worunter mehrere zum ersten Male der Gräfin vorgestellt -wurden. —<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[188]</a></span> Das ist bei Eröffnung eines Hauses nicht ganz in der -Ordnung, indeß, was läßt sich dagegen thun? — Da stiegen denn -Physiognomien im Salon umher, wie sie Cölestine gewiß nicht freiwillig -um sich versammelt hätte, — Physiognomien, die für den Griffel eines -Granville oder Phiz von unbezahlbarem Werthe gewesen wären...</p> - -<p>Unter diese Physiognomien und Subjekte hatte sich auch Eines -hereingeschlichen, welches, gleich nachdem es eingetreten war, sich -rasch hinter einer Versammlung verlor — an der Wand hinhuschte, immer -das dichteste Gedränge, ja selbst Möbeln wählend, um sich dahinter zu -verstecken... Dieser Mensch trug einen dichten und dunklen Backenbart, -der ihm das halbe Gesicht bedeckte — und der, wiewohl das schwer zu -erkennen war, ein falscher schien; ferner hatte er Brillen vor den -Augen und eine dunkle Tour auf dem Kopfe; auch sein Anzug war nicht -sein gewöhnlicher; kurz dieser Mensch schien um eines besondern Zweckes -willen sich maskirt und in diese Gesellschaft eingeschlichen zu haben.</p> - -<p>Wie er so hinstrich, lauerte und hastig umher blickte, hätte man ihn -für den bösen Geist<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[189]</a></span> nehmen können, der unsichtbar die Gesellschaft -umschwebte.</p> - -<p>Allem Anscheine nach war es ein noch junger Mensch.</p> - -<p>Jetzt hatte sein Falkenblick die Person Cölestinens erspähet und hing -an ihr fest wie an einer langgesuchten Beute... von diesem Augenblick -verließ er sie nicht; er beobachtete jedes Zucken ihrer Augenbrauen, -jedes Mienenspiel ihres Gesichtes. — Immer durchdringender ward -sein Blick — immer finsterer und wilder. — Endlich schien eine Art -schadenfrohen Lächelns um seinen Mund zu spielen, er murmelte vor sich -hin:</p> - -<p>„So ist es schon recht. Sie sitzt allein, umgeben von fremden Menschen, -die sie jedoch alle weit mehr zu interessiren scheinen, als ihr eigner -Gatte. — Der Thor! Warum ging er in die Schlinge! — Hätte er nicht -wissen können, — daß sie seine, wie jede andere Liebe mit — Verrath -vergelten wird?“ Und seine Augen, die vorhin starr nach ihr allein -geblickt hatten, bewegten sich nun, rasch wie der Blitz, im ganzen -Saale umher... Er lachte bitter — drückte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[190]</a></span> fester hinter einen -Fenstervorhang, der ihn den Blicken völlig entzog und sah von hier aus -mit teuflischem Grinsen dem Treiben der Gesellschaft zu, jedoch nicht -ohne von Zeit zu Zeit Cölestine wieder ins Auge zu fassen, die für ihn -stets der Mittelpunkt, ja, der einzige Punkt in dieser kleinen Welt zu -sein schien....</p> - -<p>Doch sie sollte es nicht lange bleiben. Mitten in seinem dumpfen -Hinstarren zuckte er jetzt plötzlich, als wäre ein Pfeil vor ihm -niedergefahren, zusammen: — — sein Blick hatte den <em class="gesperrt">Chevalier von -Marsan</em> erspähet.</p> - -<p>Dies hatte nun an sich freilich nicht viel Bedeutendes; die einfache -Person des Chevaliers konnte unsern Geheimnißvollen nicht mehr wie jede -andere von den tausend Millionen Personen, welche diesen unsern Globus -bevölkern, interessiren. Die Person also war es nicht, und zudem kannte -er den Chevalier nicht einmal....</p> - -<p>Es war gleichfalls ein Blick gewesen, der ihn so entsetzlich -niederschmetterte; es war ein Blick voll heißen Feuers, welchen der -Chevalier, der sich unbeobachtet wähnte, nach Cölestine geworfen. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[191]</a></span></p> - -<p>Sie jedoch hatte nichts davon bemerkt; sie hatte keine Ahnung von dem, -was außer dem engen Kreis, der sie in diesem Augenblick umschloß und -wozu auch ihr Gemahl gehörte — im Salon vorging... sie war unschuldig -an den Anschlägen, welche von zweifacher Seite gegen sie geschmiedet -wurden.</p> - -<p>Der Vermummte schien in diesem Augenblick mit sich heftig zu kämpfen, -welchem von den Zweien er seine Aufmerksamkeit schärfer, beharrlicher, -durchdringender, wuthvoller zuwenden sollte: Cölestinen oder dem -Chevalier. Er glich einer Schlange, die zwei Opfer vor sich sieht -— beide verschlingen möchte und daher mit keinem den Anfang machen -will, weil sie fürchtet, das andere möchte ihr inzwischen entgehen. -Ein Fieber hatte ihn ergriffen und schüttelte an seinen Gebeinen, daß -diese an die Fensterwand anschlugen, wie hölzerne Klöppel... er konnte -sich kaum mehr halten und drohte vor Zorn und Ohnmacht jeden Augenblick -niederzusinken...</p> - -<p>„O wäre es möglich,“ bebte es von seinen bleichen Lippen: „Wäre es kein -bloßes Kindermährchen: ich würde in diesem Augenblick jenem<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[192]</a></span> Satan und -seiner höllischen Macht gerne meine halbe Seligkeit verschreiben — -— könnte ich damit nur den Elenden dort von der Erde wegblasen, oder -tausend Meilen weg von hier versetzen....“</p> - -<p>Er hatte Marsan gemeint, Marsan, der jetzt in einer Ecke saß, den -Rücken gegen die Gräfin gekehrt, die er jedoch in einem Spiegel vor -sich erblickte, ganz so wie ein Bild in einem Rahmen, — und von -welcher er kein Auge verwandte — in deren Zügen, in deren Geberden, in -deren Bewegungen und Worten (denn auch diese schien er aus der Bewegung -ihrer Lippen zu errathen) er las — wie in einem Buche, mit dessen -Inhalt er sich gänzlich vertraut machen wollte.</p> - -<p>Die Gesellschaft fing endlich an sich zu zerstreuen. Alles ging nach -Hause; auch Herr von Marsan verließ an Edmund’s Arme den Salon. Der -Vermummte war nicht der Letzte; mit wildem Widerstreben, aber gezwungen -von unerbittlicher Nothwendigkeit, hatte er, wie er gekommen war, sich -fortgeschlichen. Während alle Uebrigen nach der Stadt ihren Weg nahmen, -verfolgte<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[193]</a></span> er einen Pfad nach dem Augarten. Hier langte er noch vor der -Thorsperre an — verlief sich in entfernte, waldige Partieen — warf -sich im Dunkel der Gebüsche auf die Erde nieder und — verbrachte hier -die Nacht.</p> - -<p>Er hatte sie im heftigsten Fieber — im Wahnsinn von hundert -Leidenschaften: in Liebe, Eifersucht, Verzweiflung, Wuth und Rachsucht -hingebracht. —</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>„O mein Alexander!“ rief Cölestine, als sie sich in ihrem Hause mit dem -geliebten Manne wieder allein fand: „So ist endlich Alles vorbei — -alles Schale und Traurige vorüber — und nur die Freude ist geblieben. -Wir haben uns jetzt wieder — wir können wieder glücklich sein, und -was wir so lange entbehren mußten, ersetzt das gütige Schicksal in -diesen Augenblicken uns in doppelter Fülle.... So komm denn, theurer -Gatte, Mann meiner Wahl, komm an mein Herz — und lass’ mich wieder die -Schläge des Deinigen hören.... Lass’ uns eilen, lass’ zur geheimsten -und einsamsten Stätte unserer Liebe uns flüchten — und nicht eher -werde sie<span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[194]</a></span> verlassen, als bis uns eine tyrannische Gewalt von ihr -wegreißt. —“ Sie bot ihm ihre Lippen dar und er hing sich daran, -saugte an ihnen, wie ein Insekt an dem Kelche einer Blume. —</p> - -<p>Fürwahr, diese zwei Menschen genossen eines Liebesglücks, wie es nicht -mehr begehrenswerther kann gefunden werden. — —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[195]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zehntes_Kapitel"><b>Zehntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Ernste und heitere Zwischenszenen.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">A</span>llein wir haben eine sehr ehrenhafte Person dieser Geschichte gänzlich -aus den Augen verloren und beeilen uns daher, sie wieder aufzusuchen, -um uns auch nach ihrem Schicksale zu erkundigen und dies um so mehr, -als dasselbe in letzterer Zeit sehr traurig sich zu gestalten anfing. -Was kann es auch Lustiges um eine <em class="gesperrt">Erkältung</em> oder gar um eine -<em class="gesperrt">polizeiliche Vorladung</em> sein; und beide diese Schläge trafen -doch, wie wir wissen, zu gleicher Zeit das Haupt Althings, unseres -Bruders Althing, des großen Herzenstyrannen und Weiberbesiegers -Althing! — O wie seufzte er unter diesen Schlägen auf, der Arme. -Fürwahr, so hat noch Niemand geseufzt! Man hörte ihn bis in’s dritte -Nachbarhaus hinüber.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[196]</a></span></p> - -<p>Mit der Erkältung war es noch so ziemlich gegangen; einige Gläser -Essenz, (ein Artikel, welchen Althing zu Hause in allen Sorten und zu -allen möglichen Zwecken: Aufregungen und Dämpfungen besaß) hatten auf -seinen dicken Leib die wohlthätigste Wirkung geäußert;... allein die -Polizei, die Polizei! Diese war dem Armen viel gewaltiger in den Leib -gefahren, als die Kälte.</p> - -<p>Die Sache war, daß unser Dicker mit ihr zum ersten Male in Berührung -kam; und Jedermann weiß doch, wie ängstliche Menschen ein Uebel, -welches sie noch nicht kennen, für weit furchtbarer halten, als es -wirklich ist. Althing dachte schon, man würde ihm auf dem Polizeibureau -die <em class="gesperrt">eiserne Jungfrau</em> zu küssen geben, und ein so großer Freund -der Jungfrauen er im Ganzen auch war — vor dieser hatte er doch sehr -großen Respekt. —</p> - -<p>Wie glücklich war er daher, als nach angestelltem Verhör ihm bedeutet -wurde, er sei verurtheilt, 10 Gulden zu bezahlen und einen Verweis zu -bekommen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[197]</a></span></p> - -<p>„O tausend Verweise, wenn Sie wollen, meine Herren!“ hatte er in seiner -entzückten Dummheit gerufen; und in der That, es war ihm ein Leichtes -mit dem Verweis: er hörte ihn nicht. Ach, seine Phantasie flog schon -wieder auf den Straßen der schönen Kaiserstadt und in den 2ten, 3ten, -4ten, 5ten und 6ten Etagen umher.</p> - -<p>Er war kaum aus dem Polizeihause getreten, als er sich schon auf’s -Casino verfügte, um da eine körperliche Restauration mit sich -vorzunehmen: er aß und trank jedoch so eilfertig, als beabsichtige er -irgend eine Flucht. Wirklich stürzte er auch, noch mit dem letzten -Bissen im Munde, hinaus — — um dem ersten Dämchen, das ihm begegnen -würde, die Begleitung seiner holden Persönlichkeit anzubieten.</p> - -<p>War es Zufall oder Schicksalsfügung — (wir haben es schon irgendwo -bemerkt, daß dies zwei Benennungen für <em class="gesperrt">eine</em> Sache seien) -er stieß — und das beinahe mit der Nase — zuerst auf jenes böse -Wesen, um derentwillen er alle letzteren Schläge erlitten hatte; um -derentwillen er bei Daum compromittirt, im tiefen Graben begossen -und endlich von der Polizei aufgegriffen und<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[198]</a></span> verurtheilt worden.... -dieses reizend-verhängnißvolle Wesen stand schon wieder vor ihm. Er -besann sich einen Augenblick, denn er fühlte sich wirklich ein wenig -consternirt. Aber unser Mann wurde bei solcher Gelegenheit zuletzt -immer entschlossener, als ein Türke: „Ah! Bah!“ murmelte er unter -seinem gefärbten Schnurbart: „das sind Possen, was mir da einfällt! Es -gibt kein Fatum — kein Omen! Es gibt in der Welt nur Gewißheiten, und -nichts ist mir reellere Gewißheit, als ein hübsches Schürzchen. Darum -— ohneweiters dieser da nach, Freund Althing! — und hat sie dich auch -früher in die Patsche geführt — vielleicht wird sie dir’s jetzt um so -süßer vergelten. Die Weiber haben ein mitleidiges Herz... namentlich -bei Männern von einem gewissen Aussehen!“ Noch ehe er diesen Satz -beendigte, hatte er sie schon eingeholt: „Mein schönes Kind,“ fing er -an und watschelte an ihre linke Seite: „erkennen Sie mich noch?“ Die -Grisette antwortete nicht und setzte rasch ihren Weg fort.</p> - -<p>„Ei,“ begann er wieder: „Sie thun, als ob Sie mich in Ihrem Leben -niemals gesehen hätten! Das ist ein wenig stark! Blicken Sie mich doch<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[199]</a></span> -ein Bischen an — vielleicht wird Ihnen (wenn nicht Ihr Herz, doch) Ihr -Auge Etwas sagen.“</p> - -<p>„Ich wüßte nicht,“ lachte das Mädchen, „was mir mein Auge sagen sollte!“</p> - -<p>„Wie? Sie wissen es wirklich nicht? Nun, mein Täubchen — versuchen -Sie’s doch nur ’mal. Vielleicht werden Sie finden, daß ich für Sie -keine fremde Person mehr bin, — hm, hm!“</p> - -<p>Dieses „Hm, hm“ hatte Althing ertönen lassen, weil er so eben wieder -mit seinen Sporren hängen geblieben war und seine Beinkleider tüchtig -ausgerissen hatte. Jedoch es war jetzt nicht die Zeit, an Kleiderrisse -— es war vielmehr die Zeit, an Herzensrisse zu denken und er fuhr fort:</p> - -<p>„Sie dürften am Ende doch noch finden, mein Schätzchen — daß ich -derselbe Herr bin, welchem Sie da neulich bei Daum’s Kaffeehause ein -Rendezvous gegeben — — ein Rendezvous, was mir, bei Gott, theuer -genug zu stehen gekommen; Sie dürften ferner finden, daß ich auch -derselbe Herr bin, der Ihnen auf dem tiefen Graben nachgegangen — -dem Sie die Hausthüre vor der Nase zugeschlagen — — und zuletzt -noch als<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[200]</a></span> <em class="gesperrt">höchstes</em> Liebeszeichen vom 6ten Stockwerk den Inhalt -eines Gefäßes auf den Kopf gegossen haben — das Alles dürften Sie -finden. Und doch, meine Theuerste, ist das Alles — bei weiten -nicht das ganze Alles. Da kann ich Ihnen noch mit einigen andern -Aufopferungsgeschichten aufwarten: so zum Beispiel, daß ich mir -aus Liebe zu Ihnen eine Erkältung zuzog, aus welcher ein heftiges -Nervenfieber entstand — ferner, daß ich von der Polizei in Beschlag -genommen und wie ein blutiger Verbrecher behandelt wurde, — das -Alles und noch unzähliges Andere habe ich für Sie erduldet, getragen, -gelitten, mein reizendes Kind.... und mit gutem Gewissen kann ich -hinzusetzen, gelitten wie ein Mann, wie ein Held! Und jetzt frage ich -Sie: wollen Sie noch immer so thun, als kennten Sie mich nicht; als -wäre ich für Sie nichts? — Antworten Sie, Holdeste!“</p> - -<p>„Nun wohl,“ versetzte das Mädchen, die seiner ganzen früheren -Schmerzengeschichte unter anhaltendem Kichern und Gelächter zugehört -hatte: „so will ich Ihnen denn sagen, mein Herr — daß Sie der -unausstehlichste und zudringlichste alte Mensch sind, der mir je -vorgekommen!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[201]</a></span></p> - -<p>„Was?“ schrie Althing, wie gelähmt stehen bleibend und sie am Arme -ergreifend: „Was unterstehen Sie sich da?“</p> - -<p>„Lassen Sie mich los!“ schrie sie: „oder ich rufe um Hilfe! — Ja, ja, -ich will es Ihnen nochmals wiederholen: noch niemals habe ich einen -überlästigeren Menschen gefunden, als Sie. Was haben Sie nöthig, mich -beständig zu verfolgen?... Alles was Sie bei mir erreicht zu haben oder -zu erreichen glauben, ist pure Einbildung. — — Erstens habe ich Ihnen -niemals eine Bestellung gegeben....“</p> - -<p>„Wie — Sie haben mich nicht zu Daum bestellt?...“</p> - -<p>„Ich weiß kein Wort davon.“</p> - -<p>„Sie sagten ja, Sie würden dort um 2 Uhr Nachmittags vorüber gehn.“</p> - -<p>„— Ich sagte das, um Sie los zu werden, als Sie mir nicht auf andere -Art vom Halse gehen wollten....“</p> - -<p>„Ah, so also?“</p> - -<p>„Ja, ganz so.“</p> - -<p>„— — Indeß — indeß gingen Sie gleichwohl bei Daum vorbei.“</p> - -<p>„Aber nicht um 2 Uhr.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[202]</a></span></p> - -<p>„Was schadet das: um 2 oder 12 Uhr, das ist gleich. Ich war einmal dort -und wollte Ihnen eben folgen —“</p> - -<p>„Dies wäre Ihnen schlecht bekommen.“</p> - -<p>„Weßhalb, mein Fräulein?“</p> - -<p>„Weil der Obermarqueur, der mein Geliebter ist, Sie am Rockschoße hielt -— und —“</p> - -<p>„Ach! Ach!“ fuhr Althing auf: „jetzt begreife ich den ganzen -Zusammenhang. Jener unverschämte Bengel oder Marqueur war also Ihr — -— Geliebter! Darum wollte der Kerl mich durchaus nicht fortlassen —“</p> - -<p>„Bis Sie bezahlt hätten; das ist so Weltgebrauch....“</p> - -<p>„Allein — Mademoiselle, für diesen Weltgebrauch habe ich Ihrem holden -Geliebten einen Fußtritt versetzt — hahaha!“</p> - -<p>„Und er gab Ihnen denselben zurück, hahaha!“</p> - -<p>„Er empfing von mir annoch eine Ohrfeige...“</p> - -<p>„Und er blieb Ihnen auch diese nicht schuldig, hahaha!“</p> - -<p>„— O — aber, meine Theure, glauben Sie mir, es beweis’t einen sehr -schlechten Geschmack, einen Marqueur zum Geliebten zu haben...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[203]</a></span></p> - -<p>„Der Geschmack ist verschieden. Was mich betrifft, so ist mir ein -hübscher Marqueur viel lieber — als ein häßlicher alter Geck.... Ich -habe in dieser Hinsicht den Geschmack so mancher Fürstin und brauche -mich seiner also nicht zu schämen...“</p> - -<p>„Allein...“</p> - -<p>„Allein, mein Herr, ich erlaube mir Ihnen zu bemerken, daß dies -Gespräch mich bereits dermaßen langweilt — daß ich, sofern Sie mich -nicht augenblicklich verlassen, ernstlich auf Mittel denken werde, -mich von Ihnen zu befreien.... Ah, dort sehe ich meinen Freund! Es ist -<em class="gesperrt">Franz</em>, der Polizeikorporal. — — Heda! Herr Franz! Herr Franz, -hören Sie!“</p> - -<p>„Um Gotteswillen!“ rief der Dicke erbleichend und einen Satz seitwärts -machend, daß er von der Grisette weg bis mitten auf die Straße gerieth: -„verschonen Sie mich mit Ihrem Freund! — Von dieser Gattung Freunde -habe ich schon genug erfahren!...“ Und ohne sich weiter lange zu -bedenken, machte unser Liebesheld schnell noch einen Satz, welcher ihn -bis zur andern Seite der Straße brachte — ließ Liebe, Leidenschaft -und<span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[204]</a></span> Zärtlichkeit im Stich und schlug eilends einen Weg ein, der -entgegengesetzt von demjenigen war, welcher die Grisette mit ihrem -„Freunde“ zusammenführte.</p> - -<p>„Teufel!“ meinte Althing, als er endlich nach langem Rennen sich in der -Gegend der Piaristen in Sicherheit fand —: „Teufel! dieses Mädchen -hat aber auch ganz kuriose Freundschaften: Marqueurs, Polizeikorporale -und ähnliche Staatsmänner.... da bleibe ich, aufrichtig gesagt, recht -gern aus dem Spiele. — Allein, was man auch sagen mag,“ fuhr er fort, -„sie bleibt doch eine ganz allerliebste Hexe — und wäre nur wenigstens -der verdammte Polizeikorporal nicht — ich glaube, sie würde mir noch -immer den Kopf verdrehen können.... Allein, so wie die Sachen stehen, -bin ich freilich vollkommen geheilt und preise mein Schicksal, das -mir zum zweiten Male beistand gegen Anfechtungen der Polizei.... -Jedoch in Zukunft will ich mich auch in Acht nehmen und nicht mehr so -hineinstürmen in’s Leben und in die Liebe. — Alle Donner! mein lieber -Althing — Du hast freilich auch ein viel zu hitziges Temperament! -Das Jugendblut schäumt<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[205]</a></span> noch zu sehr in Deinen Adern! Du mußt Dich -gewöhnen, kälter, hartherziger, stolzer zu werden.... Dann werden Deine -Siege sich verdreifachen — wiewohl, was ihre Zahl betrifft, Du mit -ihnen auch jetzt nicht eben unzufrieden zu sein brauchst — haha!“ Er -fing an seine Schritte zu mäßigen; jetzt machte er die Bemerkung, daß -die Menschen, bei denen er vorbeikam, Blicke nach ihm warfen: „Was hat -das zu bedeuten?“ fragte er sich. — „Nun, nun — was wird es wohl zu -bedeuten haben? Sie sehen Dich an, mein guter Althing, das ist Alles. -— Die Liebe hat so eben Deine Wangen geröthet, — Dein Auge glänzt -noch im höhern Feuer, alle Muskeln Deines Körpers zeigen eine gewisse -Elastizität: es ist kein Zweifel, Du imponirst diesen Leuten — sie -bewundern Deine Gestalt — Deinen Reiz.“ — Er fuhr selbstgefällig -fort: „Das, was man nicht von Natur hat, kann man sich nicht selber -geben. Die Schönheit ist ein Geschenk Gottes.... Man kann sie nicht -erwerben. — Wie muß ich über so manchen armen Teufel lachen, der -von dem Allerhöchsten in dieser Hinsicht weniger bedacht ward — wie -muß ich über seine<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[206]</a></span> Anstrengung lachen, sich schöner zu machen, als -er ist... Ach, mein Guter, sag’ ich ihm dann: lass’ das! alle Mühe -ist hier vergebens. Du wirst nie ein erträgliches Gesicht zu Stande -bringen, — alle Deine Salben, Pomaden und Schminken nützen Dir zu -nichts. Bei uns hingegen thut es einfaches Brunnenwasser — ein bischen -Seifenschaum dazu! Wir sind in dieser Hinsicht wie unsere Göttin: die -holde Venus. Ihre und unsere Reize steigen fertig aus Wasser und Schaum -hervor. —“</p> - -<p>„Aber zum Guckuk — — was sehen mich denn diese Menschen gar so -sehr an, und einige lachen noch dazu?... Sollte meine Gestalt heute -ungewöhnlich verführerisch sein?... Ach, sie werfen ihre Blicke nach -meinen Beinen... haha! Ja, unsere Beine!... Alle Donner!“ fuhr er -plötzlich auf, nachdem er seine stolzen Blicke hinabgerichtet hatte auf -seine Füße: „Was ist da mit meinen Beinkleidern geschehen? — Sie sind -lauter Fetzen! — — O verfl— Sporren! O Unglück! — O entsetzliches -Unglück!“ Und er lief so schnell er vermochte in den offenen Thorweg -eines Hauses hinein — einige Gassenjungen aber,<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[207]</a></span> die ihm beständig -gefolgt waren, stellten sich draußen vor dem Thore auf und erhoben ein -lautes Geschrei:</p> - -<p>„Wohnt kein Tandler hier! Wohnt kein Tandler<a name="FNAnker_D_4" id="FNAnker_D_4"></a><a href="#Fussnote_D_4" class="fnanchor">[D]</a> hier! Es will Einer -eine alte Hose verkaufen! Eine Hose! Eine Hose!“</p> - -<p>Althing schwitzte drinnen dicke Tropfen. Er fand sich schon wieder -in einer fürchterlichen Klemme. Das Schicksal hörte nicht auf ihn zu -verfolgen.... und womit hatte er es denn verdient?</p> - -<p>Da führte dasselbe plötzlich einen leeren Fiaker vorbei. Dies war eine -große Gnade vom Schicksal. Althing rief den Fiaker an und dieser lenkte -seinen Wagen dicht vor den Thorweg. So stieg denn unser Unglücksmann -unter dem Jauchzen von dreißig Jungen ein, die ein Vivat um’s andere -riefen, daß ihm dabei die Sinne vergingen.</p> - -<p>„Wohin befehlen Euer Gnaden?“ hatte der Kutscher schon mehrmals -gefragt, ohne daß es von dem Dicken vernommen worden wäre.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[208]</a></span></p> - -<p>„In die nächste Straße,“ sagte er endlich: „vor das Palais des Generals -von Randow — mein Freund.“</p> - -<p>„Wie — Euer Gnaden wollen in diesem Aufzuge dem Herrn General eine -Visite machen? —“</p> - -<p>„Bewahre Gott, bewahre Gott!“ seufzte Althing: „ich will bloß zu -seinem Sohne — der mein Freund ist und zum Glück hier nahe bei dem -Schauplatze meines Unglücks wohnt — zu ihm will ich mich begeben. Er -wird mich einstweilen mit andern Beinkleidern versorgen...“</p> - -<p>„Ah — das ist etwas Anderes, und Euer Gnaden thun daran sehr -recht; denn in diesem da — sehen Sie gerade so aus, wie der Herr -<em class="gesperrt">Knieriem</em> im Lumpacivagabundus. - Hott, Brauner! hott! —“</p> - -<p>Der Wagen hielt vor dem Palais. Wie aber hineingelangen? Das ganze Haus -mußte den Unglücklichen und seine Beinkleider sehen. Es war eine neue -Schlinge, die ihm das boshafte Schicksal legte.... Da fiel dem Fiaker -plötzlich ein großer Gedanke ein (die Fiaker sind geborne Genies!):</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[209]</a></span></p> - -<p>„Wissen’s was, Euer Gnaden?“ sagte der Bursche.</p> - -<p>„Nun?“ spitzte unser Adonis seine Ohren.</p> - -<p>„Ziehen’s da meinen Mantel an — und kein Mensch im Hause wird Sie -erkennen. In dieser Maskirung können’s dann bis zu Ihrem Freunde, dem -jungen gnädigen Herrn kommen....“</p> - -<p>Dieser Rath war Goldes werth. Althing dankte dem Fiaker mit einer -Thräne im Auge, dieser aber zog seinen Mantel vom Bocke herab und warf -ihm denselben um.... Alles dieses geschah in wenigen Augenblicken.... -Althing sah in diesem Costüme einem Banditen nicht unähnlich, denn -der Mantel war von hellgrüner Farbe und der spitzbübische Fiaker -hatte ihm denselben so umgeworfen, daß er sich drappirte und auf -Althing’s Schultern hing, wie ein Theatermantel... Aber da war keine -Zeit zu verlieren.... Der Dicke schritt mit entschlossenem Wesen in -das Palais bei dem Portier vorbei, welcher die Augen aufriß, wie über -eine nächtliche Erscheinung. Der Fiaker aber, mit dem Hut in der Hand, -schritt unserem Alten nach — und lachte in’s Fäustchen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[210]</a></span></p> - -<p>So gelangten sie quer durch den Hof nach dem linken Flügel des -Gebäudes, wo Edmund wohnte. Althing ging die Treppe hinauf und fragte -einen Diener, der ihm begegnete, ob dessen Herr zu Hause wäre....</p> - -<p>„Was will man denn bei ihm?“ antwortete der Kerl mit mißtrauischem -Blick.</p> - -<p>Da öffnete der Seladon seinen Mantel, und der Diener rief nun: „Ah, -Sie sind es, gnädiger Herr? Aber in welchem Aufzuge! Ist denn heute -Maskenball bei uns?“</p> - -<p>„Dummkopf!“ fuhr Althing auf: „ob der Herr zu Hause ist, frage ich.“</p> - -<p>„Nun ja — gewiß; aber er wird in diesem Augenblicke nicht zu sprechen -sein.“</p> - -<p>„Und weßhalb? Wegen meines Anzuges da?“</p> - -<p>„Nein, sondern weil ein fremder Herr bei ihm ist, mit welchem er -eifriger Geschäfte halber sich in ein Zimmer eingeschlossen hat.“</p> - -<p>„Ei — was thut das? — Er wird doch wohl nicht ewig mit diesem Herrn -eingeschlossen bleiben.... und überdies brauche ich ihn am Ende gar -nicht zu sprechen.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[211]</a></span></p> - -<p>Althing war während dieser Gespräche immer höher gestiegen; jetzt stand -er vor den Zimmern seines Freundes. Er riß hastig die Thür des nächsten -auf — — und durchzog mit stürmenden Schritten eine ganze Reihe. Die -Diener, welche auf seinen Anblick nicht vorbereitet waren, flohen -entsetzt nach allen Seiten, indem sie riefen: „Ein Räuber! Ein Bandit! -Zu Hülfe! — —“</p> - -<p>Dieses Geschrei verbreitete sich im ganzen Quartiere — es gelangte -auch zu Edmund. Dieser, der nicht wußte, was es bedeutete, öffnete -seine Thüre und wollte eben darnach fragen. — — Da stürzte ihm -Althing im romantischen Costüme entgegen — wenig fehlte, so hätte er -auch den jungen Mann in die Flucht geschlagen:</p> - -<p>„Aber — zum Teufel!“ rief dieser: „bist Du es denn, Althing?“</p> - -<p>„Ich bin’s! ich bin’s, lieber Freund.“</p> - -<p>„Aber was hat denn das Alles zu bedeuten? Kommst Du aus dem Tollhause -oder vom Theater?“</p> - -<p>„Keines von Beiden, bester Edmund...... Es war eine Laune von mir, -weiter nichts....“</p> - -<p>„Was — eine Laune?“</p> - -<p>„Oder vielmehr — eine Nothwendigkeit! —<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[212]</a></span> Und hier dieser Mann,“ — er -wies auf den Fiaker, welcher nicht von seiner Seite wich — „hat Alles -zu verantworten. —“</p> - -<p>„Das heißt: die zerrissenen Hosen des gnädigen Herrn haben es zu -verantworten....“</p> - -<p>„Nun, ja auch das!... Denke Dir nur, lieber Edmund — wie ich da unten -an den Beinen aussehe — hehe!“ Er warf den grünen Mantel ab und wies -die hintern Theile seines Körpers und seiner Kleider...</p> - -<p>„Tausend Sapperment! — Aus welchem Welttheile kommst Du denn? Was sind -denn dies Alles für Kleider?“</p> - -<p>Jetzt erst erzählte Althing den ganzen Zusammenhang der Geschichte und -nun war Edmund nicht länger im Stande, den Ernst, welchen er aus dem -Zimmer mitgebracht hatte, zu behaupten. Er lachte wie toll — ließ -seinen Kammerdiener kommen und befahl ihm, den dicken und entblös’ten -Freund in die Garderobe zu führen. „In einer halben Stunde,“ setzte -er gegen diesen gewendet hinzu, „sehen wir uns wieder; Du magst bis -dahin Dich in mein Rauchzimmer verfügen — dort wirst Du neue Cabannas -finden<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[213]</a></span> oder wohlriechenden Persier, den Du aus Wasserpfeifen rauchen -mußt...! Bis dahin Adieu!“</p> - -<p>Der Fiaker erhielt seinen grünen Mantel und seinen Lohn und begab sich -inmitten einiger Lakaien hinweg, denen er den ganzen Vorfall erzählen -mußte und welche, wie es die Art dieser Schelme ist, über das Malheur -ihrer Herren oder dessen Freundes ein größeres Vergnügen empfanden, wie -über irgend ein fremdes.</p> - -<p>Althing hatte sich bald wieder angekleidet. Nur mit seinem Schnurbart -war er noch brouillirt. Dieser hatte unter dem Mantel, womit der Dicke -sich zeitweise bis zur Nase bedeckt hatte, die ganze Farbe verloren; -und ein solcher Artikel war auf Edmunds Toilette nicht zu finden, weil -der Jüngling von Natur mit einem Haar vom schönsten Kastanienbraun -bedacht war... Allein einem so wichtigen Mangel mußte abgeholfen werden -und unser Adonis besann sich nicht lange; er schickte den Diener, -der ihm beim Ankleiden geholfen, fort, griff nach einem in der Nähe -stehenden Gefäße, welches er für ein Dintenfaß hielt, und bestrich sich -mit dem Inhalt tüchtig den Bart...</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[214]</a></span></p> - -<p>Aber o Entsetzen! Kaum daß er damit angefangen, als er ein Prickeln und -ein Surren an seiner Lippe verspürte... bald erfüllte ein höllischer -Gestank seine Nase — ein brennender Schmerz verbreitete sich an -der Lippe, drang immer tiefer ein — der schöne Bart krümmte sich, -schrumpfte ein — — und fiel stückweise herab... der Schmerz wurde -fürchterlich — die Lippen schwollen an...</p> - -<p>Der Unselige hatte sich mit Vitriolöl eingeschmiert.</p> - -<p>Wo aber war während der Operation seine Nase gewesen? Hatte er das -Oel nicht gerochen? — Ach, er war zu sehr beschäftigt und von seinen -Reizen erfüllt... er hatte keinen Geruch, kein Gehör, keinen Geschmack -— er hatte nur Augen gehabt, der Bedauernswerthe. Diese Augen sahen -aber auch nur — ihn. —</p> - -<p>Auf sein Geheul liefen abermals die Diener herbei. O weh! wie sah -dieser noch vor wenigen Augenblicken so schöne Mann aus! Es schien, als -gehörte er, seinem Kopfe nach, zu dem Geschlechte der Elephanten — so -rüsselförmig hatte sein Mund sich gestaltet.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[215]</a></span></p> - -<p>Man brachte ihn aus dieser Rauchatmosphäre heraus, die sehr nachtheilig -auf das metamorphosirte Glied einzuwirken schien, und trug ihn in ein -anderes Zimmer. Hier wurde er auf ein Sopha gelegt und man begann -ihn oder eigentlich seinen Rüssel mit Eisumschlägen zu traktiren. -Die jedoch schienen seine Schmerzen nur zu vergrößern und so sah -man sich denn genöthigt — da keiner von den Dienern medizinische -Kenntnisse besaß — nach einem Arzte zu senden. Aber die Zeit, bis -dieser erschien, war für unsern unglücklichen Adonis eine Epoche -schauderhafter Höllenqualen: „Oh! Oh!“ wehklagte er — „was ist mit mir -geschehen?.. Das brennt und sengt ja, als wenn zehntausend Pechfackeln -darauf geschleudert würden! — Ein ganzes Rudel von Beelzebubs tanzt -mir auf dem Munde herum! — Ein Gehenna, ein Gehenna — wächst mir -unter der Nase hervor! — —“ Aber so deutlich wie hier angegeben wird -— konnte der Gequälte nicht sprechen. — Es war ein stotterndes und -stammelndes Geschrei, was seinem Munde entströmte... Zuletzt wurde es -ganz unverständlich — er konnte die Lippen nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[216]</a></span> mehr auseinander -bringen — sie schienen zu verwachsen. —</p> - -<p>Nach ewiglangem Zögern erschien der Sohn Aeskulaps. Sogar er schlug -die Hände zusammen und konnte ein leises Gelächter nicht unterdrücken -— als er hier einen berüsselten Menschen vor sich erblickte. Der Fall -war ihm noch nicht vorgekommen. — Die Gesetzbücher Aeskulaps jedoch -haben auch einem solchen Fall vorgesehen; überhaupt findet man in ihnen -selbst für die unmöglichsten Fälle Rath — — nur daß letzterer häufig -nicht viel hilft.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="fig1" name="fig1"> - <img class="mtop1 mbot1" src="images/fig1.jpg" - alt="Zu S. 216" /></a> -</div> - -<p>War es Bleiweißsalbe oder ein anderes Spezifikum, was der Doctor -verordnete, genug es wurde eine Salbe auf einen Leinwandlappen -gestrichen und dies dem Patienten auf den Rüssel gelegt.... Da ein -ungeschickter Lakai ihm auch die Nase damit bedeckte, so war der Arme -in Gefahr zu ersticken — und nur indem er sich des Lappens mittelst -eines kühnen Risses entledigte, befreite er sich vom Tode.... Eine -gewandtere Hand legte das Pflaster jetzt dahin, wohin es gehörte — und -so ward die Ordination des Doctors vollzogen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[217]</a></span></p> - -<p>— — Mittlerweile fand in dem Zimmer nebenan ein sonderbarer Auftritt -statt. Es war dies dasselbe Zimmer, wo Edmund sich mit jenem <em class="gesperrt">fremden -Herrn</em>, von welchem der Diener zu Althing, als dieser sich im -Banditenkostüm die Treppe hinauf begab, gesprochen...</p> - -<p>Der <em class="gesperrt">fremde Herr</em> nun war noch bis zur Stunde mit Edmund in diesem -Zimmer eingeschlossen. Man urtheile also, von welcher Wichtigkeit diese -Conferenz sein mußte — da nicht einmal der pathologische Vorfall mit -Althing im Stande war, Edmund aus dem Zimmer zu locken.</p> - -<p>Der <em class="gesperrt">fremde Herr</em>, von welchem die Rede ist, war ein merkwürdiger -Kauz. Seine Figur rangirte ihn zur Hälfte unter die Affen, zur andern -Hälfte unter die Menschen. Seine Physiognomie läßt sich am besten mit -der jenes Meisters <em class="gesperrt">Jocko</em> vergleichen, der in <em class="gesperrt">Van Akens</em> -Menagerie so große Sprünge machte. Aber unter dieser Physiognomie saß -der Verstand eines Archimedes. Mit einem Worte, unser Mann war in der -Mathematik ein wahres Phänomen; denn er konnte Euch auf’s Haar beweisen -—<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[218]</a></span> daß Ihr, falls Ihr ihm für 1000 Thlr. 3000 verschreibt, mindestens -500 dabei gewinnen müsset.</p> - -<p>Ich glaube für einige meiner geliebten Leser deutlich genug gesprochen -zu haben.</p> - -<p>Was den Anzug des Biedermannes betraf, so bestand dieser aus folgenden -Stücken:</p> - -<p>Ein graues Beinkleid aus dem Zeitalter der Maria Theresia mit einem -braunen Fleck am Hintertheil, welcher (nämlich der Fleck) aus der Zeit -Josephs stammte — einem blauen Fleck auf dem rechten Knie, der unter -Leopold geboren war und einem hellgrünen Besatz vorne auf dem Bauche; -dieser Besatz entstand während der ersten französischen Invasion.</p> - -<p>Ferner ein Rock — zweien Dritteln nach einen Frack und einem Drittel -nach einen Spenzer bildend — von einer unzuenträthselnden Farbe. -Dieser Rock war zu allererst ein Mantel gewesen — aus welchem man -später ein Wams — dann einen Ueberrock — dann eine altfränkische -Schößen-Weste — und endlich das gegenwärtige Mittelding zwischen -Frack und Bonjour gedrechselt hatte. — Der älteste Ursprung<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[219]</a></span> dieses -Kleidungsstückes verliert sich in die Zeiten Gustav Adolphs.</p> - -<p>Ferner die Weste. Ihr Ursprung war nicht anzugeben. Sie schien -indeß schon bei dem heidnischen Götzendienst der alten Germanen als -Priestergewand funktionirt zu haben.... Statt der Knöpfe waren an -dieser Weste natürliche Eicheln angenäht.... Zur Schonung jedoch -knöpfte ihr Eigenthümer seine Weste niemals zu.</p> - -<p>Vom Hemde war bei ihm keine zuverläßliche Spur.</p> - -<p>Das Halstuch mochte wohl schon einmal bei einer Leiche als Trauerflor -geglänzt haben.</p> - -<p>Die Stiefeln des Mannes waren veritable Wunderstiefeln, unzugänglich -dem Wasser sowohl wie dem Feuer. — Hier saß ein Fleck auf zehn -andern... Man konnte sagen: vor lauter Flecken sah man den Stiefel -nicht.</p> - -<p>Den Hut endlich anlangend, so mochte derselbe in guten Zeiten auch als -Pferdesattel gedient haben... Man konnte nicht sagen: „er hatte diese -oder jene Form,“ weil dieser merkwürdige Hut alle Formen annahm...</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[220]</a></span></p> - -<p>Von den Stiefeln bleibt noch zu bemerken, daß sie ursprünglich -verschiedenen Gattungen angehört hatten: der eine war lang und mit -Kanonen versehen — der andere ein Trichterstiefel, wie sie die Ritter -trugen. An dem letzteren war noch ein Stück, von einem Sporren zu sehen.</p> - -<p>Es darf jedoch das Beste nicht vergessen werden. Der achtungswürdige -Besitzer dieser Kleidersammlung trug in der Hand ein Instrument, -welches einer Keule nicht ganz unähnlich war: deßhalb man auch -eher sagen konnte, er <em class="gesperrt">schleppte</em>, als er <em class="gesperrt">trug</em> dieses -Instrument. An diesem Instrument oder an dieser Keule war oben ein -Handriemen, welchen der Biedere um seine Finger geschlungen hatte.... -so daß er das holde Instrument daran hin und her schwingen konnte wie -einen Glockenschwengel.</p> - -<p>Der Mann nannte die Keule sehr zärtlich seinen „besten Freund“ und -dabei lächelte er so seelenvergnügt, als hätte Achilles von seinem -Freunde Patroklus gesprochen.</p> - -<p>Nachdem wir nun die Gestalt des Mannes beschrieben haben, bleibt uns -nur noch übrig,<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[221]</a></span> Einiges von dem Gespräche mitzutheilen, welches er mit -Edmund in diesem Zimmer bei festverschlossenen Thüren seit länger als -einer Stunde führte. — Freilich muß der Leser darauf verzichten, das -<em class="gesperrt">Ganze</em> dieser interessanten Unterredung zu erfahren; indeß wird -er sich hoffentlich auch bei dem Wenigen begnügen.</p> - -<p>„<em class="gesperrt">Lips</em>“ hatte Edmund gesagt, indem er mit zorniger Miene ein -Papier zwischen seinen Händen herumzerrte: „Lips, Sie sind mir ein -entsetzlicher Mensch! Ein Teufel, ein Schurke!“</p> - -<p>„Alles was Euer Gnaden beliebt,“ hatte Lips geantwortet; „ich bitte nur -um Eins — — zerren Sie dieses Papierchen nicht so sehr hin und her: -es wird, auf Ehrenwort! noch entzwei gehen...“</p> - -<p>„Was schadet das, da Du Dir von jeder Schuldverschreibung, von jedem -Wechsel <em class="gesperrt">zwei Originale</em> geben lässest.“</p> - -<p>„Zwei ist besser als Eins — — sagte ein großer Philosoph in Spanien, -und dieser große Philosoph hatte, auf Ehrenwort! Recht....“</p> - -<p>„Aber — Lips.... Du mußt mir noch in<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[222]</a></span> dieser Stunde 300 Dukaten -schaffen — und solltest Du sie in der Hölle holen.“</p> - -<p>„Das ist nicht nöthig, mein Gnädiger: ich trage die 300 Füchse bei mir -— —“ antwortete Lips und schwang seine Keule hin und her...</p> - -<p>„Nun was zögerst? Du dann? Heraus mit ihnen!“</p> - -<p>„Augenblicklich — sobald es Ihnen früher gefallen wird, mir das -Papierchen, welches ich da Ihren hohen Händen präsentirte und was Sie -so erschrecklich verarbeiten — zu honoriren. Es macht 1500 Gulden! Auf -Ehrenwort! Eine Kleinigkeit!“</p> - -<p>„Aber wenn ich sie besäße — brauchte ich ja Deine 300 Dukaten nicht.“</p> - -<p>„Das ist gewiß; allein wie können Sie einem Geschäftsmanne zumuthen, -Ihnen neuen Kredit zu geben — da Sie Ihre alte Schuld bei ihm noch -nicht getilgt haben...?“</p> - -<p>„Aber — ich sagte Dir, bei allen Teufeln, zum hundertsten Male: ich -habe kein Geld.“</p> - -<p>„— Aber — ich sagte Ihnen ebenfalls schon hundert Mal: Was nützt -mir das? — Sie brauchen Geld, Sie brauchen Geld! — — Ich,<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[223]</a></span> auf -Ehrenwort! brauche auch Geld, mein gnädigster Herr Graf.“</p> - -<p>„— Du hast dessen genug — — bei Dir wachsen die Banknoten in allen -Winkeln.... bei mir fliegen sie zu allen Fenstern hinaus.“</p> - -<p>„Dies ist eben der Unterschied zwischen unsern Geschäften, mein -Gnädigster. Auf Ehrenwort!“</p> - -<p>„Lips!“ schrie Edmund: „bringe mich nicht zur Verzweiflung. Bei Gott, -ich lasse Dich zur Thür hinauswerfen. —“</p> - -<p>„Wie es Euer Gnaden gefällt!“ lächelte dieser und schwang seine Keule. -— „Aber“ fuhr er fort, „bedenken Sie, daß, wenn Sie mich zur Thür -hinauswerfen lassen — die 300 Dukaten darum noch nicht zur Thür herein -spaziert kommen... Auf mein Ehrenwort!“</p> - -<p>„Hol’ Sie der Satan mit Ihrem Ehrenwort! Mißbrauchen Sie diesen -Ausdruck nicht, der nur Ehrenmännern ziemt... und schaffen Sie lieber -das Geld herbei!“</p> - -<p>„Auf Ehrenwort, Gnädigster — ich kann nicht anders —“</p> - -<p>„Als —?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[224]</a></span></p> - -<p>„Als — wenn Sie, wie ich gesagt habe, zuvor das alte Papierchen -bezahlt haben...“</p> - -<p>„Sind Sie denn taub, Verdammter Lips? Habe ich denn nicht schon so laut -wie ein Löwe gebrüllt: <em class="gesperrt">ich habe kein Geld! ich habe kein Geld!</em> -—“</p> - -<p>„Auf Ehrenwort, das ist schlimm! Auf Ehrenwort!“</p> - -<p>„Endlich — zum letzten Male: Geld! oder packen Sie sich im Augenblick -aus meinen Augen fort — elender Wucherer! Seelenverkäufer!“</p> - -<p>„Auf Ehrenwort, das trifft mich nicht! — Ich habe noch in meinem Leben -keine Seele gekauft. Was soll ich mit diesem Artikel? — Er ist nicht -courant! — Auf Ehrenwort, behalten Sie Ihre gnädige Seele — und geben -Sie mir lieber mein Geld....“</p> - -<p>Edmund ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und nieder... er hatte -tausend Mal Lust, den Spitzbuben zu erwürgen; aber damit half er weder -sich noch seiner fatalen Lage. Er brauchte Geld, er brauchte 300 -Dukaten, keinen Pfennig weniger... Er hatte eine Schuld zu bezahlen, -die morgen fällig war und welche<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[225]</a></span> nicht zur Wissenschaft seines Vaters -gelangen durfte; denn wiewohl der alte General seinen Sohn liebte -— so stand gleichwohl der Grundsatz bei ihm fest — nicht einen -Thaler an Edmunds Gläubiger zu bezahlen. Er wollte diesen dadurch vom -Schuldenmachen abschrecken. Vergebliche Mühe! — Ein junger Mensch wie -dieser, den Verlockungen seiner Standesgenossen und Freunde — dem -Anbringen jener Blutigel, welche an dem Mark einer großen Stadt saugen, -preisgegeben — war von diesen Wegen nicht abzuhalten — oder man hätte -seiner ganzen Erziehung eine strengere Haltung, eine ernstere Richtung -geben müssen, woran es jedoch im Hause des Generals gänzlich fehlte: -er selbst mochte in seiner Jugend nicht die wenigsten tollen Streiche -gemacht haben.</p> - -<p>Während Edmund so auf und ab lief, sah der biedere Herr Lips ihm ruhig -zu. „Was soll das Alles heißen?“ sagte er achselzuckend: „Wozu rennen -Sie so umher, Gnädiger! — Auf Ehre, damit wird die Sache nicht besser -werden.... Oder können Sie, wie Schillers Wallenstein, „<em class="gesperrt">Dukaten aus -dem Boden stampfen</em>?““</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[226]</a></span></p> - -<p>Meister Lips war auch in der Literatur bewandert. Ja, ja — dieser Mann -konnte Alles. Er wußte aus seiner Waare immer drei und vierseitigen -Nutzen zu ziehen. So pflegte er die <em class="gesperrt">Bücher</em>, welche man bei ihm -verkaufte,<a name="FNAnker_E_5" id="FNAnker_E_5"></a><a href="#Fussnote_E_5" class="fnanchor">[E]</a> zuerst selbst zu lesen, sodann verlieh er sie für Geld an -Andere — dann gab er sie seiner Tochter zum Lesen (sie war ein sehr -gebildetes Fräulein und hieß <em class="gesperrt">Philomela</em>) und endlich verkaufte er -dieselben.</p> - -<p>— In diesem Augenblick sprang Edmund auf, lief nach einem Schranke, -öffnete ihn und zog eine Pistole heraus. Mit grimmigem Tone schrie er: -„Jetzt, nichtswürdiger Elender, wirst Du mir Geld geben — oder beim -Allmächtigen!“ Und hiermit legte er die Pistole nach ihm aus...</p> - -<p>Doch Lips war bei dem Manoeuver kein bloser Zuschauer geblieben. -Flink wie der Wind hatte er seine Keule erhoben — und an eine Feder -gedrückt — sogleich verwandelte sich diese bescheidene<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[227]</a></span> Keule zu -einem allerliebsten Doppelgewehre, dessen Mündungen sich noch überdies -trompetenförmig erweiterten (wie die alten Musketons), daß die Ladung -(gewöhnlich bestehend aus einem Dutzend kleiner Kugeln) sich in die -Höhe und Breite zerstreuen konnte und also ihren Gegenstand mehrfältig -traf.</p> - -<p>Man muß gestehen, dieser Lips war ein Originalmensch.</p> - -<p>Als Edmund solche Demonstrationen sah, konnte er, so wüthend er war, -das Lachen nicht halten. Die Pistole warf er auf den Tisch — und ließ -sich auf einen Stuhl nieder:</p> - -<p>„Aber zum Teufel!“ sagte er — „Du bist ja eine wahre Festung, mein -Freund Lips!..“</p> - -<p>„Das muß man bei dieser Zeit auch sein, in welcher man einen armen -Teufel, wie Unsereins, seines ehrlichen Erwerbes nicht froh werden -läßt.... Glauben Sie mir, gnädiger Herr, ich habe ein weiches Herz — -— aber es hätte Ihnen nur noch eine Miene gekostet — und ich hätte -Sie zusammengepfeffert, wie ein Schock Lerchen. Auf Ehre!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[228]</a></span></p> - -<p>„Aber — dann wärest Du ja gehängt worden!“</p> - -<p>„Wer weiß. Ich hätte mich aus dem Hause so ungesehen hinaus gemacht, -wie ungesehen ich mich hereingeschlichen habe.“</p> - -<p>„Jedoch man hätte Deinen Schuß gehört...“</p> - -<p>„Sie vergessen, daß mein Gewehr eine <em class="gesperrt">Windbüchse</em> ist...“</p> - -<p>„Spitzbube — von einem Lips! Wer könnte Dir böse sein?“</p> - -<p>„Auf Ehre, während der Dauer dieser guten Meinung, die Sie jetzt für -mich gefaßt haben — könnten Sie mir schnell das Papierchen bezahlen... -Gnädigster.“</p> - -<p>„Lips! Endlich höre mit Deinen Possen auf. Es ist Zeit, daß wir -ernstlich in der Sache verfahren. Hinweg mit den Phrasen! Schenken wir -uns gegenseitig reinen Wein ein. Ich habe keinen Groschen Geld und -brauche 300 — besser 400 Dukaten. — Willst Du sie mir geben? Und was -verlangst Du dafür?“</p> - -<p>Lips hatte sein Gewehr wieder maskirt; es war wieder die schlichte, -alte, treue Keule — — er erhob den Kopf — zog Stirne, Mund und<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[229]</a></span> -die übrigen Theile des Gesichtes, soweit dies nämlich möglich war, -in den Mittelpunkt des Gesichtes zusammen (man erinnere sich seiner -eigentlichen Physiognomie!) und nachdem er zwei Mal mit den Lippen -geschmatzt und im Ganzen zwei Minuten nachgedacht hatte — versetzte er:</p> - -<p>„Sie wollen reinen Wein haben? Nun gut! — Zuerst: ob ich Ihnen Geld -gebe? — Ja — — wenn nämlich zweitens: Sie mir das geben, was ich -brauche.“</p> - -<p>„Und worin besteht dieses?“</p> - -<p>„In einer Verschreibung von lumpichten 4000 Gulden nebst den -<em class="gesperrt">gesetzmäßigen Zinsen</em>!... Ist Ihnen das recht, sollen Sie: 1tens -augenblicklich die 300 Dukaten — und 2tens sollen Sie Ihr altes -Papierchen über die 1500 Gulden zurückhaben in beiden Originalen, mein -Gnädigster. — Dies nennt man einen brüderlichen Handel, auf Ehre!“</p> - -<p>Edmund besann sich nicht lange; so Etwas lag, bei einem Falle wie der -gegenwärtige, nicht in seiner Art. Er <em class="gesperrt">unterschrieb</em> — zerriß die -alten Papiere und empfing das neue Geld.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[230]</a></span></p> - -<p>So endete diese Szene, nach welcher Meister Lips sich gehorsamst -empfahl — und durch eine Hinterthüre aus dem Palais schlich — -begleitet von Edmund, der ihn die verborgensten Wege führte. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[231]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Elftes_Kapitel"><b>Elftes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die beiden Gatten und der Verdacht.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>er Graf v. A—x hatte die Gewohnheit, sich nach dem Bureau, in welchem -er arbeitete, zu Fuße zu begeben. Diese Sitte behielt er auch nach -seiner Verheirathung bei, wiewohl jetzt seine Wohnung (wir wissen, -daß sie sich in der Nähe des Augartens befand) von dem betreffenden -Regierungsgebäude ziemlich entfernt lag. — Aber der Weg dahin war -größtentheils einsam, zum Theil sogar romantisch, denn Alexander wußte, -indem er die Häuser vermied, ihn zwischen Gärten und Pflanzungen zu -wählen — und so stimmte er ganz zu seinem Gemüthe, das, wenn auch -beglückt und froh, einen ernsten Grundzug niemals verläugnete.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[232]</a></span></p> - -<p>Eines Tages schritt der Graf wie gewöhnlich — langsamen Schrittes in -dieser Richtung seinem Ziele zu. Es war ein trüber nebeliger Tag und -die Morgensonne — die Zeit war 9 Uhr — kämpfte ununterbrochen mit den -Wolken, welche ihr den Weg zur geliebten Erde, auf welche sie täglich -niedersteigt, zu verwehren strebten. — Die Atmosphäre war schwer und -drückend — kein Lüftchen regte sich, und zudem befand man sich jetzt -im höchsten Sommer: es läßt sich demnach begreifen, unter welcher Last -die Brust eines düstern Melancholikers wie der Graf erseufzte.... -Ohnehin waren die letzteren Tage nicht so ganz voll gewesen des -ungetrübten Glückes. — Grillen, Launen, Mißtrauen beschleichen eine -Seele wie diese dann eben am heftigsten, wenn sich dieselbe auf -dem höchsten Gipfel der Freude befindet. Indeß hatten alle diese -Anfechtungen eine unbestimmte Natur — Alexander wußte nicht recht, -gegen wen er eigentlich mißtrauisch sein sollte!... Am liebsten wäre er -es gegen den theuersten Gegenstand seines Herzens gewesen — wenn er an -diesem nur, selbst bei der schärfsten mikroskopischen Unter<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[233]</a></span>suchung, -den geringsten Makel hätte entdecken können...</p> - -<p>Aber so ist jene versteckt glühende, rasende, melancholische Liebe. Sie -fürchtet, das Geliebte zu verlieren — und tödtet es lieber mitten im -Taumel der höchsten Seligkeit, an welcher so eben Beide Theil genommen. -—</p> - -<p>Alexander ließ sich auf Gängen, wie der, welchen wir so eben berühren, -von Niemanden begleiten, selbst nicht von einem Diener, und wie sehr -Cölestine ihn auch bat und beschwor, von dieser Sitte abzulassen, da -ihm ja so leicht einmal ein Unfall widerfahren könnte, wo er dann -Niemand an seiner Seite haben würde — so ließ er doch nicht ab. -Zärtlich sprach er zu ihr: „Ich bin ja nicht allein, mein theures Weib! -— Begleitest doch Du mich im Geist und in der Seele überall, wo ich -auch gehen oder stehen mag.“ Um dieser Zärtlichkeit willen ließ sie ihn -endlich doch gewähren — — aber sie sendete, ohne daß er’s wußte, ihm -zeitweise einen ihrer treuen Diener nach, der ihm in der Ferne folgen -mußte. — Heute hatte sie es unterlassen. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[234]</a></span></p> - -<p>Wie Alexander nun hinwandelte, fing er an, immer mehr und mehr seine -Schritte zu verkürzen; zuletzt blieb er stehen. Er war im tiefen -Nachdenken verloren. Ohne daß er’s wußte, stand er schon länger als -eine Viertelstunde auf demselben Fleck, die Arme verschränkt, den Kopf -auf die Brust gesenkt. — Mit einem Male jedoch fuhr er auf — über -seine trübe Miene zog, wie Sonnenschein, eine freundliche Helle, der -ganze Körper strebte leicht und jugendfroh zur Höhe, die Lippen aber -murmelten: „Nein! nein! — Ich will mir die Süße des Lebens nicht -verbittern — durch unsinnige Betrachtungen! — Bin ich nicht glücklich -— so ist es die ganze Menschheit nicht! denn wer unter allen Männern -besitzt ein Weib wie Cölestine? — — — Ach!“ fuhr er fort und seine -Stimme nahm den Ton tiefer Rührung an: „Vergib mir, theure Gattin! Ich -habe an Dir ein Verbrechen begangen. Du bist rein wie ein Engel und -gütig wie eine Heilige — und doch konnten meine Gedanken, meine tollen -Einfälle Dich beflecken! — — Ich verdiene Dich nicht! Ach — und doch -liebe ich Dich so sehr! —“ Und er beflü<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[235]</a></span>gelte jetzt seine Schritte -— die nicht mehr ihm zu gehören schienen, sondern einem Jüngling von -sechzehn Jahren...</p> - -<p>Er hatte jetzt einen Hohlweg, dessen obere Flächen mit Wald bewachsen -waren, durchschritten — rechts neben dem Ausgange stand ein Gesträuch, -an welches dann später wieder Wald gränzte. — In dem Augenblick, wo -Alexander dieses Gesträuch erreichte, ganz Lust und Freude im Gemüth -— — hörte er in der Nähe ein Knistern, welches aus dem Dickicht zu -kommen schien. — Bald zeigte sich ihm der Kopf eines unbekannten -Menschen; von der übrigen Gestalt aber war nichts zu sehen, sie war -gänzlich hinter der Pflanzung verborgen. Dieses Gesicht nun, welches so -plötzlich und unheimlich auftauchte, war mit einem dichten Bartwuchse -bedeckt und überdies noch von einem großen Hute so stark beschattet, -daß man von seinen Zügen wenig zu entdecken vermochte. Es konnte einem -Bettler, einem Hirten, einem Bauer und auch einem Räuber gehören — -wiewohl es der Letzteren auf dem gegenwärtigen Stück Erde nicht eben -viel geben mag.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[236]</a></span></p> - -<p>Alexander, überrascht, rief den Menschen an. — Dieser begnügte sich -damit, den Grafen mit einem unbeschreiblichen Blicke zu betrachten.</p> - -<p>„Wer bist Du und was willst Du, Bursche?“ rief Alexander zum zweiten -Male, zugleich ging er fest und kalt, wie es seine Art mit sich -brachte, auf ihn zu....</p> - -<p>„Halt!“ rief dieser jetzt — „keinen Schritt weiter!.. oder Sie haben -sich unnöthige Mühe gegeben und erfahren nichts, — während ich jetzt -im Begriffe stehe, Ihnen eine für Sie wichtige Nachricht zu ertheilen. -—“</p> - -<p>Diese Szene paßte so ziemlich in eine komische Räuberaffaire, welche -man auf den Theatern, wohl auch in der Wirklichkeit, zu sehen bekommt. -Dessenungeachtet brachte sie den Grafen nicht zum Lachen; im Gegentheil -seine Neugierde ward durch deren Seltsamkeit auf’s lebhafteste erregt, -so daß er unwillkührlich dem Verlangen des Fremden nachgab und den -Fuß nicht weiter setzte. — Aber er schärfte seinen Blick und suchte -die Hülle seines Gegners zu durchdringen — woran er jedoch sogleich -scheiterte, denn der Fremde bedeckte nun auch mit seinem<span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[237]</a></span> Arme das -Gesicht, gleichsam als hätte er die Absicht des Grafen errathen.</p> - -<p>„Nun!“ rief dieser ungeduldig: „was hast Du mir zu sagen, Unbekannter! -— Oder sollte das Ganze nur ein Scherz sein, den Du Dir mit mir -erlaubst? — Möglich auch, daß Du nicht völlig bei Sinnen bist...“</p> - -<p>„In der Welt, mein verehrter Herr“ antwortete der Mann mit einer -tiefen Stimme: „ist Alles möglich; dieß habe ich erfahren. So ist -es zum Beispiel möglich, daß ein Weib unter ihren Anbetern gerade -denjenigen glücklich macht — der von diesem Glücke am allerwenigsten -einen Begriff hat. Sodann ist noch folgendes möglich: dasselbe Weib, -welches den Ersten vermöge einer augenblicklichen <em class="gesperrt">Laune</em> wählte -— entledigt sich desselben wieder, sobald jene Laune vorbei ist.... -und sucht sich einen Andern, gleichfalls aus Laune.... Das Alles ist -möglich, mein verehrter Herr — und dieß ist zugleich das Ganze, was -ich Ihnen sagen wollte!“</p> - -<p>Kaum verklang das letzte Wort, als der Kopf des Unbekannten -verschwunden war; — man hörte nur noch folgende Worte: „Nehmen<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[238]</a></span> Sie -sich vor einem glänzenden jungen Herrn in Acht!“ Dann knisterte es noch -in den Zweigen, bald hörte auch dieß auf und Alles war still. Der Graf -aber stand da, wie von einer furchtbaren Macht festgebannt — er konnte -kein Glied bewegen und glich im ersten Augenblicke vollkommen einer -Statue. — Endlich ermannte er sich und rief dem Verschwundenen nach: -„Halt! halt! Noch ein Wort!“ — Umsonst! von diesem war längst nichts -mehr zu sehen, nichts mehr zu hören.</p> - -<p>Alexanders ganzes Wesen verfinsterte sich und schien zu erstarren. -Seltsame Gedanken wütheten in seiner Seele. Was hatten jene Worte -zu bedeuten? Standen sie in irgend einer Verbindung mit ihm, mit -Alexander? — Das mußten sie; sonst hätte der Unbekannte sie nicht ihm -zugerufen.... Aber vielleicht war es wirklich nur Scherz, vielleicht -Wahnsinn! — — Ach, hatte Jener denn nicht gesagt:</p> - -<p>„Ich stehe im Begriffe, <em class="gesperrt">Ihnen</em> eine wichtige Nachricht zu -ertheilen!“? —</p> - -<p>Es war nicht länger zu zweifeln, diese Nachricht betraf das innerste -Leben Alexanders — das<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[239]</a></span> seines Hauses und seines Glückes: seines -Weibes! mußte er hinzusetzen, um sich selbst zu verstehen.</p> - -<p>Wie der Zahn einer Hyäne nagte diese Idee an dem Herzen des -Unglücklichen, der es vom jetzigen Augenblicke an auch wirklich ward. -Er stürzte weg von dem Orte des Schreckens — als fürchtete er, daß -aus dem Gesträuche noch mehrere solche Gedanken-Bestien auf ihn -hervorbrechen könnten... er rannte in wilder Eile auf dem Wege fort: ob -es der rechte war oder nicht, er wußte nichts davon, es kümmerte ihn -auch wenig. —</p> - -<p>So war er über eine Stunde gelaufen — ohne daß diese ihm länger als -ein Augenblick vorgekommen wäre. Jetzt schlug er die Augen auf und -fand sich in einer ihm ganz unbekannten Gegend. Doch mußte es fern -von der Stadt sein, denn ihn umgab hier Wald und rauhe Wildniß. — -Diese Landschaft war ihm willkommen; diese tiefe Einsamkeit that ihm -noth und er eilte, von ihr Gebrauch zu machen. Er warf sich in eine -Vertiefung des Bodens nieder, rings herum standen Büsche und Sträucher -so dicht,<span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[240]</a></span> daß sein Blick sie nicht zu durchdringen vermochte.... Sein -Lager war jenes alte vorjährige Laub, welches um diese Zeit bereits in -Fäulniß übergeht und den natürlichen Dünger des Waldes bildet. — Was -kümmerte ihn das — er achtete der Feuchtigkeit und des Moderduftes -nicht, welche sich unter ihm verbreiteten.... er sah sich von Insekten -umschwirrt, von Kröten umhüpft — er achtete nicht darauf;... in der -Nähe seines Hauptes raschelte und zischelte es im Grase — vielleicht -war es eine Schlange — auch darauf achtete er nicht; ja selbst als -eines jener häßlichen Thiere, die in feuchten und moderigen Plätzen -wohnen, als eine graue Wasserratte bei ihm vorbeilief — durchzuckte -weder Ekel noch eine andere Empfindung seinen Körper....</p> - -<p>Er schien für die äußere Welt gänzlich erstorben — und versenkte sich -nur tief und tiefer in den Feuerpfuhl, der in seiner Seele glühte...</p> - -<p>„So ist sie also falsch?!“ sagte er, ohne zu wissen, daß dieser Gedanke -sich auf seinen Lippen belebt hatte... „Sie ist treulos,“ fuhr er fort: -„ich habe es ja geahnt! — Ich kann nicht glücklich sein! das hätte -ich wissen und mich darnach<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[241]</a></span> benehmen sollen. Ach! habe ich es denn -nicht gewußt — daß in dem Garten dieser Welt für mich die Rose der -Liebe nicht blüht? Vielleicht blüht sie auch für keinen Andern... und -vielleicht ist das, was wir Weibesliebe und Weibertreue nennen, die -größte Thorheit, der größte Unsinn, der je ausgesprochen wurde..... O! -ich bin hinlänglich bestraft worden für meinen Vorwitz. — Habe ich mir -nicht schon einmal den scharfen Dorn in den Fuß getreten?... mußt’ ich -noch ein Mal auf diesem Pfade wandeln? — Freilich jenes erste Mädchen -habe ich verkannt — an ihrem Sterbebette enthüllte sich die Reinheit -ihrer Seele mir! — Aber — konnte ich mich nicht auch hier getäuscht -haben? — und ist vielleicht nicht gar diese Sterbende mit einer Lüge -aus der Welt gegangen? — Wer will mir das bestimmen? Fälle solcher Art -sind schon vorgekommen! — zu Hunderten; zu Tausenden da gewesen! — — -—“</p> - -<p>Er verstummte. Plötzlich schrie er wieder auf: „Welcher Gedanke -entsteht da in meiner Seele? — Seit ungefähr vierzehn Tagen besucht -jener Chevalier de Marsan, von welchem man so Fabelhaftes erzählt, -mein Haus fast<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[242]</a></span> Tag um Tag. <em class="gesperrt">Seine Ruhe und Stille ist mir -aufgefallen!</em> — Sagte man mir denn nicht, dieser Mensch sei ein -Phänomen im Weltleben; das Leben der Welt aber ist regsam und laut. — -— O, meine vertrauende Seele, wohin hast Du mich geführt?!.. Jetzt, -jetzt erst fällt mir ein, daß Marsan bis jetzt weder mit mir, noch -mit meiner Frau gesprochen hat. Was fesselt ihn also so sehr an unser -Haus? — Doch nicht eine fremde Person, die er hier stets antrifft?... -Allein, auch das wäre möglich! — — Aber <em class="gesperrt">möglich</em>! Was nützt mir -dies Wort? — Möglich ist Alles. O mein Gott, ich muß <em class="gesperrt">Gewißheit</em> -haben. —“</p> - -<p>„Und ist es — der Chevalier nicht, ist es vielleicht ein Anderer! -denn jene Worte drückten es ja deutlich aus: Nehmen Sie sich vor einem -glänzenden jungen Manne in Acht! — Aber o Gott! — könnte der Elende, -der sie mir zuraunte — könnte er mich nicht betrogen, oder konnte -er sich nicht auch in mir geirrt haben? — Welche Thorheit, welches -Verbrechen, einem Menschen, den man nicht kennt, und welcher ganz so -aussieht wie ein Schurke, zu ver<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[243]</a></span>trauen??........... Ach! Ach! reißt -mir erst den Pfeil des Verdachts aus der Brust.... bis dahin kann ich -nichts Anderes thun, als: fürchten, argwöhnen, beben, zittern und — -glauben!! — —“</p> - -<p>Erst zu später Tageszeit verließ Alexander diesen Wald und fand sich -endlich mit dem Wege zurecht. Er ging nun nach Hause, in der Absicht, -sich in sein Zimmer zu begeben und darin bis zum Morgen eingeschlossen -zu bleiben; denn es war bereits dunkel geworden.</p> - -<p>Für den Eifersüchtigen, für den Unglücklichen ist es eine Wollust, -sich in seinen Schmerz zu vergraben — in den Wunden seiner Seele zu -wühlen, und er hört damit oft nicht eher auf, als bis er unter dieser -wahnsinnigen Selbstqual den Geist aushaucht.</p> - -<p>Doch blieb Alexander nicht lange allein; man hatte ihn in das Haus -treten sehen und es Cölestinen gemeldet. Diese, in qualvoller Angst -wegen der Abwesenheit ihres Gatten, eilte auf den Flügeln der Liebe zu -ihm — — ach, wie erschrak sie, ihn in diesem Zustande zu finden!</p> - -<p>„O mein Gott!“ schrie sie auf und stürzte an seine Brust: „Was ist mit -Dir geschehen,<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[244]</a></span> Alexander? — Wo bist Du gewesen? — Welcher Unfall -hat Dich getroffen? — Rede, rede, um Himmelswillen, befreie mich von -meiner Angst!“</p> - -<p>Er hatte sich in einem frühern Augenblick vorgenommen, ihr <em class="gesperrt">Alles</em> -zu sagen; in einem nächsten faßte er den Vorsatz, ihr <em class="gesperrt">Nichts</em> -wissen zu lassen — d. h. ihr mit kalter Ruhe, unter welcher tiefer -Abscheu lag, zu begegnen....</p> - -<p>Jetzt, in dem gegenwärtigen Augenblicke faßte er einen dritten -Entschluß: <em class="gesperrt">er wollte heucheln, um sie auf die Probe zu stellen!</em></p> - -<p>Es gelang ihm in sehr kurzer Frist, ein so heiteres Lächeln auf seine -Lippen zu zaubern, daß Cölestine freudig aufathmete und ihn mit dem -Ruf: „So darf ich also ruhig sein!“ umarmte; „doch sprich,“ setzte -sie hinzu — „was ist das heute gewesen? Beruhige mich vollständig, -denn irgend etwas Ungewöhnliches muß dennoch mit Deinem Ausbleiben -zusammenhängen.“</p> - -<p>„Nichts, nichts, meine theure Cölestine!“ versetzte er: „nichts — -oder nur sehr wenig. Mich hatte, als ich das Haus verließ, um nach dem -Bureau zu gehen, auf einem Umwege, welchen<span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[245]</a></span> ich nahm — eine leichte -Unpäßlichkeit überfallen, und da ich glaubte, dieselbe würde bald -vergehen, trat ich in ein nicht weit von dem Orte stehendes Gasthaus -— wo ich mir ein Zimmer öffnen ließ, um daselbst etwas Stärkendes zu -mir zu nehmen; denn, wie Du weißt, ich habe heute nicht gefrühstückt. -— Doch zum Unglück verlief mein Zustand nicht so schnell, als ich -erwartete — ich mußte mich auf eine Ruhebank hinstrecken und blieb da -so lange liegen, bis ich wieder hinlängliche Kräfte gesammelt hatte, um -den Rückweg nach Hause anzutreten. —“</p> - -<p>„Aber mein Gott,“ versetzte die Gattin und Thränen traten ihr in die -Augen: „warum hast Du mir davon nichts wissen lassen? Ich wäre mit dem -Eifer der Liebe zu Dir geeilt, und hätte Dich gepflegt.... Mindestens -hättest Du Dich ja in einem Miethwagen nach Hause können bringen -lassen. — —“</p> - -<p>„— — Es war mir jedoch darum zu thun, Dir jede Unruhe zu ersparen, -theure Geliebte!“</p> - -<p>„<em class="gesperrt">Jede?!</em> Unruhe wolltest Du mir ersparen? — O das hat Dein Herz -nicht gesprochen, Alexander. Weißt Du denn nicht, daß ich es für<span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[246]</a></span> -meine Pflicht halte, Leid und Freude mit Dir zu theilen — und daß -diese Pflicht mir Lust ist?.. Und dann, könntest Du glauben, Deine -lange Abwesenheit, Dein Wegbleiben zur gewöhnlichen Zeit hätte mich -nicht doppelter Unruhe, der Unruhe und Qual der <em class="gesperrt">Ungewißheit</em>! -preisgegeben?..... Geh doch — — abscheulicher Mann! Böser, böser -Alexander! Welche Angst, welche Sorge habe ich um Dich ausgestanden!“</p> - -<p>Er sah sie mit einem Blicke an, der sie bis in dem tiefsten Winkel der -Seele ausholen sollte, und fragte mit halblauter Stimme: „Wirklich hast -Du das?“</p> - -<p>„Nun!“ erwiederte Cölestine arglos: „und Du zweifelst noch? Du willst -es mir am Ende nicht einmal glauben? — Wahrhaftig — Du schlimmer -Mensch, wäre in diesem Augenblick freudigen Wiedersehens die Zeit dazu -— ich würde sie Dir recht fühlen lassen, diese Worte, welche Du so -eben gesprochen; doch hat Dein Herz sicherlich keinen Antheil daran. —“</p> - -<p>„Sicherlich — nein!“ erwiederte er mit heiterer Miene und nahm die -Beweise ihrer Zärt<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[247]</a></span>lichkeit, mit denen sie ihn überschüttete, wie ein -glücklicher, wie ein froher Mann hin.</p> - -<p>Und doch war dieser Mann im Grunde seiner Seele so unglücklich, so -kummervoll.</p> - -<p>Aber das ist eben die Natur des Eifersüchtigen, daß seine entsetzliche -Leidenschaft, einmal erregt, durch nichts zu stillen ist — als durch -die Macht der Zeit. Der größte Beweis von Liebe überzeugt ihn nicht -— er sieht, wie der Fieberkranke, Alles blutroth und schwarz — -selbst die reinste Lilie erscheint ihm ihres jungfräulichen Schmuckes -entkleidet als dunkle Todesblume. — Die Eifersucht ist ein niederer -Grad von Wahnsinn, der jedoch bisweilen zum höchsten führen kann.</p> - -<p>„Nun aber“ sagte Cölestine, als sie ihren Mann sich aufrichten und an -ihrer Seite Platz nehmen sah: „will ich Deiner Gegenwart mich auch -in doppeltem Maße erfreuen. Du warst einen ganzen Tag nicht bei mir -— ich will jetzt in einer Stunde so viel Glück zu erwerben suchen, -wie sonst in dreien; und es wird mir auch gelingen, denn ist Dein -Herz nicht reich und ist es das meine etwa weniger? O wir dürfen ja -nur<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[248]</a></span> mit beiden Händen zulangen — das Füllhorn unserer Freude ist -unerschöpflich! Meinst Du dies nicht auch, Alexander?“</p> - -<p>„Gewiß, gewiß, mein holdes Weib! — Und so bist Du denn meiner -Wiederkunft, wie ich sehe, recht inniglich froh! Ja, ja — ich begreife -es, wie Du während meiner Abwesenheit Dich in Sehnsucht nach mir -verzehrt haben wirst — ich kann mir Deine Seufzer, Deine Thränen so -lebhaft vorstellen! —“</p> - -<p>„Du kannst es — Alexander? — Und doch hast Du sie — ich möchte -sagen — muthwilliger Weise hervorgerufen; denn eine Zeile, die Du mir -geschrieben — ein Wort, das Du mir hättest sagen lassen, würden mich -beruhigt, dieses Fürchten, diese Angst von mir gebannt haben. — Ach, -es ist nicht schön, eine Gattin, welche Dich so zärtlich liebt, zu -quälen.... es ist nicht schön....“</p> - -<p>„Es ist nicht schön — Du hast Recht.“</p> - -<p>„Nun, wenn Du es nur selbst zugibst! — Doch Alles das ist ja vorbei, -und so reden wir nicht mehr davon. Ach gewiß, mein Geliebter — der -gütige Schöpfer hat auch den Schmerz<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[249]</a></span> zu unserem Glück erschaffen. Wir -empfinden nach ihm die Freude um so inniger. — Und überdies, welches -Herz vermag unausgesetzt Wonne zu ertragen? Es erlahmt, es sinkt dahin -unter ihrer Last.“</p> - -<p>„Eine richtige Bemerkung,“ entgegnete der Mann mit bitterem Lächeln: -„und darum wurde von der Natur die — <em class="gesperrt">Abwechslung</em> erschaffen.“</p> - -<p>Sie hatte weder in seine Mienen geblickt noch den Ton seiner Stimme -abgewogen. Sie schien so selig, so zufrieden — — in ihrer Brust war -für nichts Anderes Raum. —</p> - -<p>Sein Blick lief jetzt auf ihre ganze Gestalt umher. Er bemerkte zuerst, -daß Cölestine nicht das gewöhnliche Deshabillé, welches sie sonst -zu Hause trug, und das er so sehr liebte — sondern ein elegantes -Gesellschaftskleid angezogen habe.</p> - -<p>An diesem Strohhalm hielt er zuerst sich fest. —</p> - -<p>Er sprach noch über Dies und Jenes, dann leitete er die Unterhaltung -so, daß er unvermerkt die Frage stellen konnte: weßhalb Cölestine -gesellschaftsmäßig gekleidet sei. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[250]</a></span></p> - -<p>„Weßhalb?“ — wiederholte sie: „Ach, in der That — wenn ich Dir einen -Grund angeben soll, ich weiß keinen. Es ist dies eins von den neuen -Kleidern, welche ich neulich bestellt habe.... Da ich den ganzen Tag -über nichts Anderes zu thun hatte und um mich von den bösen Gedanken -wegen Deiner Abwesenheit zu befreien, machte ich mir mit meiner -Garderobe zu schaffen: ich zog ein Kleid um’s andere an — — und -dachte bei mir: in welchem würde ich ihm wohl, wenn er nach Hause -kommt, am besten gefallen? Da fiel meine Wahl auf dieses da — und -darum stecke ich noch in demselben — wiewohl es mir sehr unbequem ist -und mich hindert, Dich tausendmal zu umarmen.“</p> - -<p>Alexander blieb nach dieser Erklärung stumm und senkte den Blick. -Höllischere Argwohnsflammen hatten aus demselben heute noch nicht -gezüngelt.... Er glaubte seine Frau auf einer Lüge ertappt zu haben -— ihre ganze Rede schien nichts als Widersprüche zu enthalten. Denn -weßhalb hatte sie früher gesagt, daß sie den Tag in Angst und Sorge -zubrachte — da sie doch jetzt erklärte, sich mit ihren Kleidern -unterhalten und ihrer<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[251]</a></span> Eitelkeit gedient zu haben. — Ferner welche -erbärmliche Unwahrheit lag darin versteckt, daß sie einmal vor -Schwermuth und Verlangen nach seiner Wiederkehr fast vergangen sei — -und gleich darauf sich die Frage gestellt habe: in welchem Kleide sie -ihm bei seiner Ankunft wohl am besten gefallen möchte?</p> - -<p>Dieser Mann, der hier so vortrefflich philosophirt, glaubte seiner -Geistesgröße nun dadurch die Krone aufzusetzen, daß er sich äußerlich -von dem, was in ihm vorging, nicht das Geringste merken ließ. Von dem -Augenblick, wo er gegen seine Gemahlin einen so wichtigen Beweis, wie -den obigen, in Händen zu haben meinte, war er der Ueberzeugung, die -Rolle, welche er zu spielen angefangen habe, sei vortrefflich gewählt, -— und er werde unter ihrem Beistande dem Dinge nach und nach völlig -auf den Grund kommen.</p> - -<p>Cölestine lud ihn ein, den Abend mit ihr im Garten zuzubringen, und er -willigte sogleich mit der liebevollsten Freundlichkeit ein. Er bot ihr -den Arm — führte sie zuerst nach ihren Zimmern, wo sie das Salonkleid -mit einem<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[252]</a></span> bequemeren vertauschte, dann warf sie einen Shawl um — und -nun schritten sie Beide hinab in den Garten. — Sie zog ihn zuerst -zu allen den Plätzen, die durch irgend eine Erinnerung an die erste -Zeit ihrer Liebe geheiligt waren. Da traten sie hinein in die Lauben -— in die Grotten — da setzten sie sich hin auf die Rasensitze und -Blumenplätze — — überall verweilten sie einige Augenblicke — und als -sie überall gewesen waren, fingen sie den süßen Erinnerungsgang wieder -von Neuem an.</p> - -<p>Ach, wie erfinderisch ist wahre Liebe! Sie weiß in einen gewöhnlichen -Schritt, in einen kurzen Spaziergang Welten voll Seligkeit zu legen.... -Sie weiß auf einer Scholle Erde ein Paradies erblühen zu lassen.</p> - -<p>Das Silberlicht des Mondes ergoß sich über den ganzen Garten und -tauchte jedes Blatt und jedes Steinchen in ein Meer voll stillen -Zauberscheins. Einem entzückten Auge, wie dem ihren, schien die ganze -Welt jetzt eine höhere, eine mehr als irdische zu sein.</p> - -<p><em class="gesperrt">Ihrem</em> Auge? — Ja dem <em class="gesperrt">ihren</em>, dem Auge Cölestinens... -nicht dem seinen. Dieses<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[253]</a></span> sah nichts. Dieses sah nur eine gewöhnliche, -schlechte, schändliche Welt. —</p> - -<p>Nach und nach fand er, unter dem Beistand der früheren, neue Gründe, -die ihn in seinem Verdachte bestärkten — er nahm sie als Beweise gegen -sein Weib hin, wie er die früheren als solche genommen. — Woher, sagte -er zu sich — diese Fröhlichkeit, diese lustige, diese muthwillige -Fröhlichkeit? — Jedenfalls ist es das erste Mal, daß ich Cölestinen -<em class="gesperrt">so</em> sehe. Sie war heiter, zufrieden, wonnevoll; aber sie war noch -niemals lustig und ausgelassen..... Und doch und doch! Damals gleich -nach unserer Vermählung, auf dem Balle! — — Ah! ah! — habe ich das -so schnell vergessen? — Aber jetzt fällt es mir dennoch wieder bei. -Jetzt, jetzt, da ich es am besten brauchen kann. — — Und ich Thor -ließ mich zu jener Zeit so schnell beruhigen, ließ mich von ihrer -glatten Zunge beschwatzen. — Ich Thor! — Das war damals der Anfang — -dieses jetzt ist die Fortsetzung.</p> - -<p>„War Niemand zum Besuche da?“ warf er später die Frage hin und erfuhr -nun, daß <em class="gesperrt">Edmund</em> mit seinem Freunde dem <em class="gesperrt">Chevalier<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[254]</a></span> von -Marsan</em> sich hatten anmelden lassen.... sie, Cölestine, jedoch habe -ihren Besuch nicht angenommen und ein Unwohlsein vorgeschützt. —</p> - -<p>„Und diese zwei Herren gingen fort?“</p> - -<p>„Allerdings — — jedoch soll Edmund sehr ungehalten gewesen sein, -nicht vorgelassen zu werden; nun Du kennst die Weise des Tollkopfes!“ -entgegnete sie.</p> - -<p>„Er wird es nicht allein gewesen sein, der ungehalten war;“ meinte der -Ehemann bei sich: „vielleicht war Edmund nichts weiter, als das Echo -seines Freundes — — das Organ, welches der innern Stimme Marsans -Worte lieh.“ Und laut setzte er hinzu: „Diese beiden Herren besuchen -uns in der That sehr fleißig.“</p> - -<p>„Findest Du das? — Ich habe daran noch gar nicht gedacht. Ja in der -That, Du hast Recht: sie waren in der letzten Woche mehrmals bei uns.“</p> - -<p>„Sie waren“ verbesserte er: „<em class="gesperrt">alle Tage</em> bei uns.“</p> - -<p>„Nun ja, gewiß, gewiß. — Aber was liegt daran? Reden wir von andern -Dingen, mein Freund...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[255]</a></span></p> - -<p>„Und warum nicht von diesen — meine Freundin?“</p> - -<p>„Wie? scheinen diese Dir von so großer Wichtigkeit?“ fragte sie und sah -ihn dabei an.</p> - -<p>„Eine solche Frage“ meinte er bei sich: „hätte ich eher an sie stellen -sollen — — indeß nicht als Frage — sondern als — Anklage. — O bei -Gott, diese Heuchlerin ist in ihrer Kunst erfahrener als ich glaubte. -— Ach, ach, ein so junges Wesen und doch schon so verderbt! — Aber -liegt so Etwas nicht im Blute? — Und ist es von ihr nicht bekannt, ja -von ihrem ganzen Stamme — daß sie insgesammt leichtsinnige, thörichte, -eitle und gefallsüchtige Menschen sind? — <em class="gesperrt">Schlecht</em> jedoch... -ist nur diese da! Von ihren Verwandten habe ich noch niemals gehört, -daß sie ein böses Herz besäßen.“</p> - -<p>„Du bist heute ungewöhnlich nachdenklich, Alexander!“ bemerkte -Cölestine und fuhr nach einer Pause, in welcher sie vor sich -hinblickte, fort: „Was fehlt Dir? Rede! Was hast Du, lieber Mann?“</p> - -<p>„Dies soll“ sagte er wieder zu sich: „das letzte Mal sein, daß ich -ihr von meiner Gemüthsbewegung etwas merken ließ.... Hinfort mag<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[256]</a></span> ihr -Blick nicht mehr durch diese äußere Hülle dringen, welche ich glatt, -geschmeidig, lustig und so weltnärrisch als nur möglich machen will. -—“ Und von dem gegenwärtigen Momente an seiner Gestalt, seinen Reden, -seinem Benehmen einen Schein der natürlichen Heiterkeit gebend — fing -er an mit ihr nur mehr von Liebe und Lust, von Welt und Thorheit zu -sprechen, Tändeleien zu treiben — — u. s. w. — Sie spielten wieder -wie die Kinder, hüpften und tanzten im Garten umher, so daß der alte -Mond gar satirisch d’rein sah.</p> - -<p>Es war, als hätten sie Raum und besonders — Zeit vergessen... denn -Mitternacht war bereits vorüber; doch</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„die Uhr schlägt keinem Glücklichen!“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Endlich ließ Alexander matt und müde sich auf einen Ruhesitz nieder und -zog sie, die Lachende, neben sich: „Was meinst Du,“ sagte er — „werden -wir hier bis zum Morgen bleiben?“</p> - -<p>„Ich hätte“ versetzte sie ausgelassen: „große Lust dazu.“</p> - -<p>„Ich —“ meinte er sehr aufrichtig — „nicht!“</p> - -<p>„Und weßhalb nicht?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[257]</a></span></p> - -<p>„Weil — — — wie Du weißt, ich mich leicht erkälte.“</p> - -<p>„Aufrichtig, mein Freund, davon hast Du mir bisher noch nichts gesagt.“</p> - -<p>„Wozu sollte ich Dich mit dergleichen belästigen. Kommen diese Dinge -heran, so ist es noch immer Zeit genug, sie beim Namen zu nennen.“</p> - -<p>„Nun ja; dann aber will ich Dich auch keinen Augenblick länger der -Nachtluft ausgesetzt sehen — Alexander. — Komm, komm — laß uns -hinauf gehen. Da, nimm meinen Shawl.“</p> - -<p>„Warum nicht gar! Ich würde darin schön aussehen.“</p> - -<p>„Wer sieht es denn? — Es ist ja pechfinster. Nun denn, sei nicht eitel -— und folge meinem Rathe.... siehst Du, so will ich Dich einhüllen — -so —“ Sie war im Begriffe, ihm den Shawl um den Hals zu wickeln; er -ließ es jedoch nicht geschehen...</p> - -<p>„Behalte, was Du mitgebracht hast, für Dich; Du bist dessen eben so -bedürftig wie ich.... und lass’ uns lieber die Schritte beschleunigen, -so werde ich nichts zu fürchten haben.“ Er<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[258]</a></span> hüllte nun sie in den Shawl -ein, gab ihr den Arm, zog sie dicht an sich, und eilte mit ihr raschen -Schrittes aus dem Garten in ihre Wohnung.</p> - -<p>Sie langten im Schlafzimmer an, wo eine große Kugellampe ihren -milchweißen Schein auf alle Gegenstände warf. Als der Graf diese -Zeugen ihrer ersten beiderseitigen Zärtlichkeit, ihres ersten -Liebesschwures, den er ihr, den sie ihm feierlicher leistete, als dies -am Altare geschehen war, gewahrte — als sein Blick auf die Stätte -fiel, wo sich ihre Arme so heiß, so brünstig, so selig in einander -verschlungen hatten... da konnte er einen leisen Schauer, der seine -Glieder schmerzlich und wild durchzog, — nicht unterdrücken. — Aber -seine Selbstbeherrschung kehrte rasch zurück und er erwiederte auf die -Frage, welche sie mit süßgeschämiger Stimme und begleitet vom feuchten -Liebesblick, ihm zulispelte: „Du wirst mich nicht verlassen, mein -Geliebter?“</p> - -<p>„Nein, ich bleibe bei Dir, meine holde Seele.“ Er sprach es mit dem -Tone glückseliger Uebereinstimmung aus.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[259]</a></span></p> - -<p>Ach, wie viel hatten sie sich jetzt noch zu sagen, zu erzählen.... -Die Liebe, die Leidenschaft ist nicht stumm, wie man glaubt — sie -ist beredsam und phantasievoll wie ein Dichter. Jene einsilbige Liebe -gehört den Kindern und den schüchternen Jungfrauen an.</p> - -<p>Eine glühende Stunde war vergangen.</p> - -<p>„Wirst Du mich immer so lieben?“ fragte das beglückte Weib.</p> - -<p>„Immer, ewig; und Du?“ flüsterte er.</p> - -<p>Hierauf konnte sie nur mit einem Kusse, der ihre Seele in seine Brust -hinüberzuhauchen schien, antworten....</p> - -<p>„Und — —“ sagte sie mit vor Angst zitternder Stimme: „hast Du nie -einer Andern so angehört wie mir? Rede mir Wahrheit, Alexander!“</p> - -<p>„Nie! niemals!“ Er konnte dieses mit gutem Gewissen sagen.</p> - -<p>„Niemals —?— auch vor Jahren, vor vielen Jahren nicht?“</p> - -<p>„Nein, nein. Aber wozu diese Fragen?“</p> - -<p>„Weil — — ich zu glücklich in Deinem Besitze bin, und ihn keiner -Andern, wäre es<span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[260]</a></span> selbst jene Todte — Du weißt, welche ich meine — -vergönne. O — ich bin eifersüchtiger als Du wähnst!... Ich könnte es -nicht ertragen, Dich mit einer Zweiten getheilt zu haben, zu theilen — -oder — —“</p> - -<p>„Oder?“ nahm sie wieder das Wort: — „Es gibt hier kein Oder. — Denn -der Zukunft wirst Du mich doch hoffentlich nicht berauben, wenn Du -mich auch willenlos um die Vergangenheit oder selbst um die Gegenwart -betrogen hättest. Nicht wahr — — Du wirst mich nicht unglücklich, -nicht elend, nicht verzweifeln machen, mein Mann?“</p> - -<p>„O nein, nein!“ rief er mit leidenschaftlichem Feuer aus, das sich in -seinem ganzen Wesen verbreitet zu haben schien.</p> - -<p>„Herz meines Herzens! Seele meiner Seele! —“ lispelte sie, sich -innigst an ihn schmiegend —: „O!“ seufzte sie: „möchte ich doch mein -ganzes Leben in diese holdselige Stunde bergen — oder möchte ich -dieselbe zur Dauer meines ganzen Lebens ausdehnen können. — Niemals, -niemals noch war ich so glücklich!“</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[261]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zwoelftes_Kapitel"><b>Zwölftes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Beweise der Untreue.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">D</span>ie Nacht mit ihren dunkelsten Fittigen umfing die Schläfer und ließ -sie ein kurzes Vergessen ihres Daseins finden. Bald aber erschienen die -Genien der Träume und flatterten mit kleinen Spiegelchen, in denen sich -irgend ein Stück aus dem Leben der Schläfer abconterfeite, (oft sehr -verworren und verkehrt) um deren Häupter herum.</p> - -<p>Cölestine träumte von ihrer Liebe — ihr Mann von seinem Schmerze. Da -fand er Alles wieder, wie er es gestern liegen gelassen: da war wieder -der fremde Kopf — da dröhnte dessen unheimliche Ermahnung — da der -Wald mit Schlangen und Salamandern — dort Cölestine an ihrer Toilette -— — und hinter ihr, hinter ihr lauschte ein junger, schlanker, -feiner<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[262]</a></span> Mann, dessen Antlitz man jedoch nicht sehen konnte...</p> - -<p>Mit schwerem Kopfe und noch schwererem Herzen erhob Alexander sich vom -Lager, während seine Gattin noch schlief:</p> - -<p>„Diesen ruhigen, festen, tiefen Schlummer“ sprach er, sie anblickend, -„hat nur ein reines Gewissen — — oder ein gänzlich verderbtes...“</p> - -<p>Dann trat er leise vom Lager weg und blickte überall umher im Gemache, -welches er jetzt sich vornahm zu durchsuchen...: „Ich werde“ sprach er -vor sich hin — „ohne Zweifel auf Etwas stoßen, was mir Aufschluß geben -oder mindestens als Faden in dem Labyrinthe dienen wird, worein ich -gerathen bin.“</p> - -<p>Ein Dieb hätte es ihm nicht so geschickt nachthun können. Es schien, -als wären seine Füße, als wäre sein Körper nicht von Fleisch und Blut: -so leise, so luftig, so schattenhaft strich er in diesem Gemache -umher. Er öffnete zuerst einige Kästchen und einen Schrank;.. hier -fand er nichts als Dinge, die dahin gehören und mit denen man jedes -Schlafgemach ausstattet.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[263]</a></span></p> - -<p>Er schritt sodann zu einem Tische und zog dessen Schubladen heraus. -Er fand nichts. — Er hob den Deckel ab — auch hier nichts; — er -untersuchte die Winkel, Ritzen, ja selbst die Unterlage der Füße, wie -er es früher bei dem Schranke gethan: nichts, nichts! —</p> - -<p>Jetzt trat er zu einem Repositorium, auf welchem einige Bücher standen. -Zuerst prüfte er das Gestell, sodann bespionirte er die Bücher, Blatt -für Blatt....</p> - -<p>Halt! hier fand er Etwas: einen Zettel mit den Zahlen: 58 — 21 — -333 — und 578 — —. Was war das? Sicherlich eine Chiffersprache. — -Konnte es aber nichts Anderes sein? — Und was hätte es sein sollen? — -Mit der Lotterie machte seine Gemahlin sich niemals etwas zu thun... -Also steckte hinter diesen Zahlen gewiß irgend ein verborgener Sinn, -von dem man nicht haben wollte, daß er einem Andern bekannt werde. —</p> - -<p>Mit zitternden Fingern ergriff der Mann das Papier, faltete es und -steckte es zu sich.... dann fuhr er mit seiner Nachsuchung fort.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[264]</a></span></p> - -<p>Unter dem Repositorium lag eine halbverwelkte Hortensie. Woher kam -diese? Sie mußte erst gestern gepflückt worden sein — — aber gestern -war ja Cölestine nicht im Garten gewesen, sie hatte sich mit ihrer -Garderobe unterhalten. Freilich konnte sie sich eine Hortensie durch -den Bedienten haben <em class="gesperrt">holen</em> lassen, denn in ihrem Garten gab es -deren.... Aber das schien nicht wahrscheinlich, denn Cölestine pflegte -sonst diese Blume nicht zu lieben.... Wie, wenn es ein Geschenk jenes -eitel-glänzenden jungen Mannes wäre — dessen sprechendes Bild diese -reizende aber duftlose Blume war? Unwillkührlich mochte das Schicksal -sie ihm in die Hand gespielt haben — denn das Schicksal liebt solche -Ironien. — Indeß... so weit konnte die Vertraulichkeit der Beiden -doch noch nicht reichen?! — — Ach, wer wird dies entscheiden wollen! -Alles war möglich und das Schlimmste um so eher! — — Wie schön -reimte sich Folgendes zu einander: Cölestine hatte gestern die Blume -empfangen, (vielleicht ließ der Chevalier sie zufällig fallen) — sie -legte dieselbe an ihr Herz — ganz dicht an’s Herz — und dort blieb -die Hortensie bis zum<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[265]</a></span> Augenblicke des Schlafengehens, wo sie unter die -Bücher fiel. —</p> - -<p>Er steckte auch sie zu sich.</p> - -<p>Jetzt gab es in diesem Gemache nichts mehr zu untersuchen und -unser Mann ging hinaus, um sein Geschäft in den andern Gemächern -fortzusetzen... Da stand zuerst das Boudoir. — Ach hier in den tausend -Fächern, Büchsen, Dosen — Schatullen und Kästchen — hinter diesen -tausend Decken, Vorhängen, Falten und Draperien — — unter diesen -Kissen, Pölstern, Teppichen — was konnte da nicht Alles versteckt -werden? Alexander verzweifelte fast an dem Erfolge einer Untersuchung, -die er hier anstellen sollte.... Er wußte nicht, wo er anzufangen -habe.... Doch die Eifersucht weiß sich immer Rath zu schaffen; auch -ermüdet sie niemals.</p> - -<p>Er hatte über eine halbe Stunde gearbeitet. Die Ausbeute davon bestand -in einigen Ringen ohne großen Werth, von denen er jedoch bisher nichts -gewußt — — dann in einer Locke von hellbraunem Haar, besonders -sorgfältig in ein kleines Medaillon gelegt, welches man auf dem Herzen -tragen kann... die Locke konnte wohl<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[266]</a></span> von Edmund sein — aber sie -konnte auch einem Andern gehören. — Ferner: zwei Briefe folgenden -Inhalts:</p> - -<p>„Ich habe sehr angelegentlich mit Dir zu sprechen und muß es noch -heute. Bestimme der Ueberbringerin eine Stunde.“</p> - -<p>Kein Datum, keine Unterschrift.</p> - -<p>Das war sehr verdächtig; denn welcher ehrliche Mensch unterschreibt -heutzutage ein Billet nicht? — Es war freilich möglich, daß die Eile -und der Umstand, daß Cölestine die Schriftzüge kannte, dies unnöthig -gemacht habe, und unter diesen Verhältnissen konnte das Schreiben -ebenfalls von Edmund sein.... Allein wer verbürgt diese Alternative? —</p> - -<p>Der andere Brief war länger und wo möglich noch verrätherischer. Er -lautete:</p> - -<p>„Seit Deiner Verheirathung — lebst Du für mich nicht mehr, meine -geliebte Cölestine.... und doch ist es nicht denkbar, daß dieser Mann -allein Dein Herz ausfüllen könnte. Hast Du meiner denn ganz und gar -vergessen? — So wisse, daß meine Seele fester als je an Dir hängt! -Ach würde uns nicht das mächtigste Band unzer<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[267]</a></span>trennlich mit einander -verknüpfen, wo Du auch sein magst, wo ich auch weilen möge: wahrlich, -ich würde glauben, gänzlich aus Deinem Gedächtnisse ausgelöscht zu -sein. Doch so ist dies nicht möglich! — Magst Du es wollen oder nicht -— wir gehören uns für immerdar an. Darin liegt mein süßer Trost. Leb’ -wohl — ich werde Dich morgen küssen! —“</p> - -<p>Auch keine Unterschrift; doch schien sie hier wie <em class="gesperrt">zufällig -weggerissen</em> zu sein.</p> - -<p>Von wem war dieser verliebte, eifersüchtige Brief? — Es war nicht -schwer zu errathen. — Von einem älteren Liebhaber, der seine Ansprüche -noch nicht aufgab. — — Diese Züge hatten so viele Aehnlichkeit mit -einer Hand, welche Alexander schon irgendwo ein Mal gesehen! Aber wo? -— Auch sie schienen sehr eilig hingeworfen.... Eben darum aber konnte -man nichts mit Bestimmtheit annehmen....</p> - -<p>Der unglückliche Gatte glaubte nun einen <em class="gesperrt">Beweis</em> in Händen zu -haben, einen Beweis, der weder zu deuten noch umzustürzen war.... Er -suchte sich mit einer Art wollüstigen Wahnsinnes darin zu bestärken, -daß hier nicht mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[268]</a></span> gezweifelt werden könne — ja mit demselben -wollustvollen Wahnsinn sträubte er sich sogar gegen jede fremde -Auslegung, gegen jede genauere Untersuchung... Er fürchtete sein -Unglück zu schmälern! —</p> - -<p>Denn so ist der Mensch im Leiden. Ein riesiges, ein außerordentliches -Weh erscheint ihm willkommener, als jene tausend kleinen Schmerzen und -Unannehmlichkeiten des gewöhnlichen Lebens.... Es ist als ob im Kampfe -mit dem Ersteren ein göttlicher Theil unserer Natur, der sonst schläft, -erwachte, als ob ein höheres Bewußtsein in uns erstände, das uns unser -schweres Unglück tragen hilft — während wir hier allein unter der Last -des Tages keuchen und niedersinken.</p> - -<p>Aus dem Boudoir begab er sich in das Arbeitszimmer seiner Frau. Welche -Ausbeute hoffte er wieder hier nicht zu finden! — Mit lautem Lachen, -welches ein Fremder für den Ausbruch heiteren Frohsinns genommen hätte, -— vergrub er sich hinter allen Möbeln, in allen Cartons, Körbchen -— er stürzte Tische, Stühle um — zerlegte ganze Schränke.... Ach -was fand er da<span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[269]</a></span> nicht Alles! Ihm erschien jetzt, so weit war es mit -ihm schon gekommen — eine Stickerei, die für einen Mann paßte, ein -buntes Tuch — ja ein Faden Seide zureichend.... um daran die möglichst -bösartigen Auslegungen zu knüpfen. O wie jubelte er über seinen neuen -Fund — wie packte er ihn sorgfältig zu seinem übrigen Krame! —</p> - -<p>Jetzt betrat er einige Nebengemächer — — in einem fand er ein leeres -Stück Papier, welches wie ein Briefumschlag gefaltet war, jedoch ohne -auch nur einen Buchstaben, ohne ein Stückchen von einem Siegel zu -enthalten. Was schadet das? — sagte er zu sich. Man hat schon Briefe -unter solchen Couverts abgesendet — — und überdies scheint dieses an -der Stelle, wo sonst das Siegel aufgedrückt wird, durchstochen; ein -Beweis, daß der Brief mit einer Stecknadel zusammengeheftet war. — -Haha! Eine sehr beliebte Art bei Frauen...</p> - -<p>Ferner noch zwei wichtige Indicien! — Im Gesellschaftssalon war auf -einem Teppich — die Spur eines männlichen Fußes abgedrückt — und -wiewohl sie eben so gut einem Bedienten, der<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[270]</a></span> herbeigerufen wurde, wie -jedem andern Manne gehören konnte — schloß unser Gatte dennoch:</p> - -<p>„Sie gehört einem Liebhaber!“</p> - -<p>Nahe am Fenster auf einem Stuhl lag ein Lorgnon seiner Frau. Was sollte -hieraus sonst gefolgert werden, als: „sie sah durch das Fenster auf die -Straße — nach ihm — nach dem Liebhaber....?“</p> - -<p>Mein Gott, dieser Graf hätte heute einem Tollhäusler zum Muster dienen -können. Der albernste Einfall erschien ihm als die reinste Vernunft. Er -mochte wohl recht stolz sein auf seine geistvollen Einfälle!</p> - -<p>Um die Zeit, da Cölestine das Schlafgemach zu verlassen pflegte, war -er mit seiner Entdeckungsreise zu Ende. — Er hörte jetzt ihre Tritte, -die sich dem Zimmer, in welchem er, um auszuruhen, sich niedergelassen -hatte, sich näherten — und bald darauf trat sie ein. Alexander -empfing sie mit einer Liebenswürdigkeit, welche meisterhaft gespielt -sein sollte. Sie war es vielleicht auch — Cölestine jedoch nahm sie -für Wahrheit — denn was sollte sie sonst — nach einer Nacht, wie -die vergangene? — Das süße Weib<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[271]</a></span> fiel diesem Menschen, welcher einer -kalten schönbemalten Bildsäule glich, mit ihren noch von Liebe heißen -Armen um den Hals — stumm, wortlos, stillbeglückt... Er seinerseits -brach dies Schweigen auch nicht — und so war es zuletzt an ihr, ihm -die ersten Tagesgrüße zuzurufen: „Theurer Mann!“ sagte sie und sah ihn -mit Blicken an, aus welchen Himmel strahlten: „Theurer, einziger Mann -— wie lieb’ ich Dich! — So bist Du heute wieder mein, wie Du gestern -es gewesen! — ja Du bist mein, ich fasse Dich, ich halte Dich in den -Armen — — ewig, ewig werden sie Dich als ihr süßestes Eigenthum -umklammern. — Allein, sprich — was hast Du schon Alles verrichtet?.. -warum mich so früh verlassen? — Ach, ich Schläferin.... und ich fühlte -Dich im Traume immer an meiner Seite! — Da schlug ich die Augen auf: -— da griff ich mit der Hand nach Dir — da fühlte ich eine leere, -kalte Stelle... und der holde Traum war entflohen... Ach warum hast -Du mir das gethan? Welcher Seligkeit hast Du mich beraubt! Welches -Verlangen brannte beim Erwachen in mir, an Deine Brust zu sinken!....<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[272]</a></span> -Vergebens! vergebens! — — Da sprang ich auf, entfloh der treulosen -Stätte, die mich um mein schönstes Glück gebracht — — ich lief Dir -nach — und so kam ich hierher... wo ich Glückliche Dich endlich wieder -finde. —“</p> - -<p>Er gab sich ihren Liebkosungen bereitwillig hin — ja er erwiederte -dieselben zärtlich und warm; das arme Weib schien sich in Lust zu -berauschen — sie vergoß eine Fluth entzückter Thränen — ihr weißer -Busen wogte heftig, voll süßen Schmerzes — voll wehmuthsvoller -Zärtlichkeit.</p> - -<p>„Und nicht wahr,“ begann sie sich zu sammeln und trocknete mit ihrem -Battisttuche, woran breite Spitzen hingen, die feuchten Augen, — -„nicht wahr, mein Alexander, Du bleibst heute bei mir? Diesen Tag -verlässest Du mich nicht? Du schenkst ihn ganz Deinem Weibe — Deiner -Liebe. — Hast Du ihn mir doch gestern vom frühen Morgen zum späten -Abend entzogen!... Nun, rede doch, mein geliebter Mann. Rede! Sprich: -Ja! Hörst Du, Alexander!“</p> - -<p>„Theure Cölestine —“ antwortete er mit bebender Stimme und einem -sonderbaren Blick,<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[273]</a></span> mit welchem er sie seit langer Zeit verstohlen -anblickte, dieser Blick aber schien jetzt von Trauer umflort: — -„Cölestine,“ wiederholte er: „ich weiß nicht, ob es bei mir steht, -Deinen Wunsch zu erfüllen.... Du kennst die Verantwortung nicht, welche -ich dadurch vor meinen Obern auf mich nehme....“</p> - -<p>Er schwieg, er vermochte nicht weiter zu reden. Die Wahrheit ist, daß -zum ersten Male seit vier und zwanzig Stunden ein guter Engel ihm -durch den Mund Cölestinens etwas zugeflüstert hatte, was sein Herz -erschütterte. Er hatte, als er heute in ihr reines, spiegelklares Auge -sah — als er es so treu lächeln und weinen sah, wie nur Engel lächeln -und weinen — als er ihre Worte so voll süßen Klanges, voll Liebe und -Wahrheit vernahm — endlich als er diese so seligen Umarmungen — -diesen so beflügelten Schlag ihres Herzens — diese trunkenen Küsse -fühlte: er hatte sich da gefragt: ist es möglich, daß dies Alles -Verstellung sei? — Und er hatte sich hierauf keine Antwort geben -können. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[274]</a></span></p> - -<p>Aber die Beweise, die Zeugnisse vom Gegentheil, die er in Händen hielt? -—</p> - -<p>Er befand sich in einer entsetzlichen Lage. Sein Herz fing an unter -dem Andringen entgegengesetzter Gewalten zu seufzen. Es war jetzt ein -Moment, wo er wünschte, daß dies Herz verbluten möchte....</p> - -<p>Da fiel ihm der Gedanke ein, die Hortensie aus seiner Tasche zu ziehen -und sie Cölestinen zu zeigen: „Kennst Du diese Blume?“ rief er mit -einem Tone, als fragte ein Verurtheilter: „Werde ich hingerichtet?“</p> - -<p>O Himmel! Eine Purpurröthe überzog plötzlich ihr Gesicht, das sich -zitternd senkte.</p> - -<p>„Sie ist schuldig!“ sprach eine Donnerstimme in seiner Brust — diese -drohte zu zerreißen — er fiel fast ohnmächtig um.</p> - -<p>Doch sein Stolz ließ ihn sich schon in den nächsten Augenblicken wieder -emporreißen und von jetzt an ward er fest und hart wie Granit. Sie, die -noch immer gesenkten Blickes vor ihm stand — wußte nicht, was mit ihm -vorging, und erst nachdem er, der jetzt wieder ruhig lächelte wie zuvor -— mit seinen eigenen Händen<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[275]</a></span> ihr Haupt aufgerichtet hatte — wagte sie -es, ihm in’s Gesicht zu sehen — und sie erblickte einen vollkommen -gefaßten Mann, der mit liebreicher Stimme zu ihr sprach:</p> - -<p>„Nun, meine süße Taube, was ist mit Dir geschehen? Warum diese -Ueberraschung? Was lag in meiner Frage wegen jener Blume, die jetzt -hier auf dem Boden zu unseren Füßen liegt — so Sonderbares? Du -schienst erschreckt — hätte ich dies voraussehen können, ich würde die -Frage nicht gestellt haben.“</p> - -<p>Eine Pause entstand.</p> - -<p>„Du antwortest nicht?“ fuhr er fort: „Du hast mir nichts zu sagen. Ei, -es ist so auch gut! Was liegt an der ganzen thörichten Blume? Reden wir -nicht mehr von ihr.“</p> - -<p>„Ja, reden wir nicht mehr davon!“ wiederholte sie, abermals leicht -erröthend: „Es ist eine Thorheit, eine Schwäche — was Du sonst -willst... Reden wir also nicht davon, geliebter Mann.“</p> - -<p>„Gehen wir“ begann er mit einem lustigen Tone: „zu wichtigeren Dingen -über: <em class="antiqua">A propos</em>, was unsere Soirées, unsere <em class="antiqua">jours fix</em> -betrifft, hast Du deshalb schon einen bestimmten Entschluß<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[276]</a></span> gefaßt? Wir -müssen uns darüber endlich doch mit der Gesellschaft verständigen; sie -ist über unsere Zögerung sehr ungehalten, wie ich vernommen habe. — -Also an welchem Tage öffnest Du Deinen Salon den Leuten von gutem Ton?“</p> - -<p>„Ach, mein Freund“ sagte sie bittend: „reden wir jetzt nicht von diesen -Dingen. Scheinen sie Dir denn wirklich so wichtig? — Wie kommt das -so plötzlich? — Du warst sonst eher ein Feind Alles dessen, was sich -hindernd zwischen unsere Liebe stellte. —“</p> - -<p>„Ich habe jedoch einsehen gelernt, daß ich in einer solchen Gesinnung -nicht verbleiben kann. Man hat nicht allein gegen sich, man hat auch -gegen die Welt Pflichten zu erfüllen... Und was die letztere betrifft, -so gibt sie ihre Ansprüche an uns ebenfalls nicht auf. —“</p> - -<p>„Allerdings, und wir wollen ihr auch ihr Recht nicht vorenthalten -—.... aber nur heute, nur an diesem Tage, wo ich allein und ganz in -Deinem Besitze leben und alles Andere vergessen möchte — nur heute -kein Wort mehr.“</p> - -<p>„Ach Du, mein Närrchen,“ lachte er — „wie bist Du mit einemmale so -kindisch und schwärmerisch<span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[277]</a></span> geworden — schwärmerischer als in den -ersten Tagen unserer Liebe —! —“</p> - -<p>Das rauhe Wort hatte Cölestine verletzt. Ueber ihr freundliches -Angesicht zog eine trübe Wolke — und eine von den Thränen, die kaum -erst versiegt waren — perlte wieder an ihrer Wimper: „Du hast Recht!“ -sprach sie nach einer Weile eintönig, aber sanft: „Was Du verlangst, -soll geschehen. Ich achte Deine Wünsche, so wie Du sie bisher bei mir -geachtet hast. — Noch heute will ich in Betreff unserer Gesellschaften -einen bestimmten Plan entwerfen und ihn Dir vorlegen.“</p> - -<p>„Warum aber kann das nicht sofort geschehen? Es ist besser, man thut -ein solches Geschäft rasch ab — und da ich über diesen Gegenstand -schon selber nachgedacht habe, so will ich Dir ohne Aufschub meine -Ansichten mittheilen. —“</p> - -<p>„Ich höre Dich!“</p> - -<p>„Zuerst also ist meine Meinung, daß wir — wie schon einmal berührt -worden — den <em class="gesperrt">Sonnabend</em> zu unserem <em class="antiqua">jour fix</em> wählen; -an diesem Tage wären dann Deine Salons für die ganze Gesellschaft -offen...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[278]</a></span></p> - -<p>„Wohl, mein Freund.“</p> - -<p>„Du empfängst alle Welt: Freunde, Bekannte und durch sie eingeführte -Fremde. — —“</p> - -<p>Der Bediente trat mit der Meldung ein, daß das Frühstück servirt sei.</p> - -<p>„Wir wollen es hier einnehmen — in diesem Gemache, wenn Du damit -zufrieden bist...“ bedeutete Alexander gegen seine Gemahlin.</p> - -<p>„Wie es Dir gefällt, mein Freund,“ entgegnete sie, und während man -fortging, um das Nöthige herbeizuschaffen, fuhr er in seinem Gespräche -fort:</p> - -<p>„Es ist einer meiner Lieblingsgedanken, unsern größern Cirkel so -glänzend und zahlreich als möglich zu machen und deßhalb möchte -ich Dir vorschlagen — besonders die ausgezeichneteren Fremden -herbeizuziehen... Personen, wie z. B. die so eben in der Residenz -anwesenden Grafen Orlowosky aus Petersburg — die Vicomtesse Defour, -die aus den Bädern von Ems hierher zurückkehrte — die Laval’s, die Du -Quintin’s, die jungen Lord Walpole — und Aehnliche.... Ach, beinahe -hätte ich den Wichtigsten vergessen: den <em class="gesperrt">Chevalier de Marsan</em>!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[279]</a></span></p> - -<p>Bei Nennung dieses Namens heftete er seinen Blick mit zersetzender -Schärfe auf Cölestine .... sie, welche diesem Blicke begegnete, -entsetzte sich vor demselben dermaßen, daß sie zurückfuhr wie von einem -Schlage getroffen und ein heftiges Zittern sich über ihren ganzen -Körper verbreitete:</p> - -<p>„Die Schändliche! Sie sieht sich entdeckt!“ rief es in seinem Innern -und laut fragte er im Tone der Ueberraschung: „Aber was ist Dir -geschehen?.. Was hast Du, Cölestine?“</p> - -<p>„Dein Blick —“ erwiederte sie — „hat mich erschreckt.“</p> - -<p>„Mein Blick —?“</p> - -<p>„Noch nie sah ich Dich so —“</p> - -<p>„Eine Einbildung von Deiner Seite — ein Zufall — eine Kleinigkeit von -der meinen; die Nachwirkung vom gestrigen Unwohlsein...“</p> - -<p>Inzwischen ward das Frühstück hereingebracht; der Graf verabschiedete -mit einem Winke die Dienerschaft und führte seine Gemahlin zum Tische -— welcher vor einem Divan stand, worauf jetzt Beide Platz nahmen....</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[280]</a></span></p> - -<p>Er langte wacker zu — er hatte freilich auch gestern den ganzen Tag -nicht gegessen; indeß auch ohne diesen Zufall hätte er sich zum Essen -<em class="gesperrt">gezwungen</em>; es gehörte zu seiner Rolle. Sie jedoch berührte -nichts und dies — dies schien er gar nicht zu bemerken. —</p> - -<p>„Kannst Du, meine Freundin, mir nicht sagen,“ fing er wieder an — „ob -wir den Chevalier noch lange in unserer Stadt behalten werden?“</p> - -<p>„Welchen Chevalier?“</p> - -<p>„— Den Chevalier de Marsan. — Allein was macht Dich fortwährend so -nachdenklich — — mein Kind?“</p> - -<p>„Du sprichst von Herrn von Marsan?“ sagte sie zerstreut — „ich kann -Dir über diesen Herrn keine Auskunft geben.“</p> - -<p>„In der That — er ist einer der glänzendsten Kavaliere...“</p> - -<p>„Gewiß!“ versetzte sie, wahrscheinlich an etwas ganz Anderes denkend.</p> - -<p>„Und — einer der interessantesten Charaktere.“</p> - -<p>„Ohne Zweifel.“</p> - -<p>„Der schönste Mann, den ich je gesehen.“</p> - -<p>„Ein reizender Mann!“ bestätigte sie arglos.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[281]</a></span></p> - -<p>Der Graf sprang nun plötzlich von diesem Gegenstande ab und erkundigte -sich nach den Eltern Cölestinens.</p> - -<p>„Ach!“ sagte sie wehmüthig bewegt: „Du erinnerst mich an meine guten -Eltern. Ich bin eine schlechte Tochter. — Seit mehreren Tagen habe ich -an die lieben Ehrwürdigen nicht gedacht. — Ich dachte nur an — Dich!“</p> - -<p>„Wirklich?“ lachte eine Hölle in seiner Seele.</p> - -<p>„Du theures, theures, geliebtes Weib!“ sprach er gegen sie gewendet mit -zärtlichem Tone und umfing mit seinen Armen ihren Leib — zog sie an -sich heran — und berührte mit seinen fieberischen Lippen die ihrigen.</p> - -<p>„Dein Mund brennt wie Feuer!“ rief sie.</p> - -<p>„Aus Liebe!“</p> - -<p>„Dein Hauch ist so glühend — so heftig. —“</p> - -<p>„Die Leidenschaft in meinem Herzen ist es auch!“ rief er und schloß das -Weib mit einer Gewalt in seine Arme, die derjenigen glich, da er sie -noch so heiß liebte. — — Ach, die Arme ließ sich bethören... ihr Herz -schlug und glaubte... es glaubte ihm auch jetzt.... Sie hatte in diesem -Augenblick ein so großes Bedürfniß,<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[282]</a></span> von ihm geliebt zu werden — und -er wußte sich so meisterhaft zu verstellen.. —</p> - -<p>So ward denn dieses Frühstück, welches traurig genug anfing, für sie -noch zum Freudenmahle. Sie aß wieder, sie trank wieder — — — denn -seine Küsse, seine Betheurungen, seine Zärtlichkeit hatten sie besiegt, -genesen gemacht.</p> - -<p>In Wahrheit, es war ihr leicht beweglicher Sinn, ihr, lebhafter -Eindrücke fähiges, und eher zur Lust als zur Trauer geneigtes Gemüth, -das ihm hier so trefflich zu statten kam und seine Eroberung in kurzer -Zeit vollenden half... Wäre ihre Natur der seinigen ähnlich gewesen, -hätte das Resultat leicht ein entgegengesetztes werden dürfen.</p> - -<p>Ueberzeugt und sicher gemacht — entfaltete ihre Natur sich nun wieder -rasch in allen jenen eigenthümlichen Formen, die wir von und an ihr -kennen und vielleicht auch lieben gelernt haben. Sie war wieder das -jugendliche, holde, heitere, fröhliche, tändelnde, eitle und doch so -liebenswürdige Wesen, welches die Männer bezauberte und die Frauen -erfreute... sie war wieder jene Cölestine, die wir als so glücklich und -froh kennen gelernt haben. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[283]</a></span></p> - -<p>Was ihren Gatten betrifft, so erfüllte er ihren Wunsch und blieb heute -den ganzen Tag über bei ihr. Er schien durch sein Betragen Alles wieder -gut zu machen — und sie sagte zu sich im Stillen:</p> - -<p>„Ach — der Arme! Es war eine kurze Rückkehr seiner alten bösen -Krankheit.... Diese Schwermuth, diese Hypochondrie machte ihn nicht -minder unglücklich als mich.... Man muß Nachsicht mit ihm haben. — -— Jetzt aber ist Alles vorbei; er ist wieder mein guter, treuer, -geliebter Alexander, und ich — ich bin die seligste der Frauen. —“</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[284]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Dreizehntes_Kapitel"><b>Dreizehntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Neue Proben — neue Beweise.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">E</span>s war heute Sonnabend. — Mehrere Reihen Equipagen standen bereits -draußen vor dem Palaste des Grafen A—x aufgefahren. Die Lakaien in -ihren bunten, abstechenden, oft verschwenderisch mit Gold und Silber -beladenen Livréen tummelten sich dazwischen und im Thorwege, während -das gravitätische Volk der Kutscher auf ihren Wagensitzen voll -ernster Unbeweglichkeit thronte und sich gegenseitig die Vorzüge und -Eigenschaften ihrer Pferde erörterte, was diese klugen Geschöpfe auch -recht gut zu verstehen schienen und wobei sie durch Wiehern, durch -Prusten, Stampfen und allerhand Bewegungen (in deren geheimnißvolle -Bedeutungen wir noch nicht völlig eingedrungen sind) ihre<span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[285]</a></span> Freude, -ihren Stolz, ihren Unwillen zu erkennen gaben — denn bekanntlich -herrscht zwischen Pferd und Kutscher oder Reiter ein Verständniß, eine -Sympathie...</p> - -<p>Drinnen im Hause, in den Salons der Gräfin tummelte sich heute eine -reiche prunkende und zahlreiche Welt. Nur Gott weiß es, wie sein -Himmel alle diese Menschen so auf ein Mal herabgeschneit hatte; denn -mehr als die Hälfte unter ihnen waren für unsere holde Hausfrau, wie -man sich ausdrückt, „<em class="gesperrt">wildfremd</em>.“ — Indeß mangelte es ihnen -nicht an jenen Eigenschaften und Bedingnissen, vermöge deren selbst -ein „wildfremder“ Mensch in guter Gesellschaft das Recht erhält, sich -sofort wie einer ihrer ältesten Bekannten zu geriren. Das heißt: alle -diese Leute waren eingeführt und jetzt theils der Gräfin, theils ihrem -Manne vorgestellt worden. — Die beiden Ehegatten schienen heute -unvergleichlich liebenswürdig; das sagte die ganze Versammlung — und -wir können hinzusetzen: über Cölestine täuschte sie sich nicht. Was -ihren Gatten betrifft, so ist dies freilich eine andere Sache. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[286]</a></span></p> - -<p>Zum ersten Male nach so langer Zeit hatte die junge Frau wieder die -Freude, ihre Eltern bei sich zu sehen; sie umarmte die gute Mutter mit -Thränen in den Augen. General von Randow scherzte, wie gewöhnlich, ihr -gleich den Willkomm weg und küßte ihr die Worte von den Lippen, so daß -sie ihm weiter nichts sagen konnte als: „Mein liebes gutes Väterchen -—!“ worauf er in seiner Weise „Schon gut! schon gut!“ entgegnete. —</p> - -<p>Mit dem General war auch die Gräfin Wollheim und die Wittwe -des Generals E—x angekommen.... Graf Wollheim hatte sich von -diesen Personen noch in der Wohnung des Generals Randow getrennt, -unaufschiebbare Geschäfte vorschützend, welche von der Art waren, die -wir schon kennen. — In der That war der Graf auch nur deßwegen in das -Randow’sche Haus gekommen, weil er gehofft hatte — seines Sehnens Ziel -endlich zu erreichen, nämlich den Freund Edmund, welchen er bereits -seit 6 ewiglangen Wochen nicht zu Gesicht, d. h. nicht vor das Glas -bekommen; ein Umstand, wegen dessen<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[287]</a></span> der alte Bär zu verschiedenen -Malen die bittersten Zähren vergossen. —</p> - -<p>General Randow unterhielt sich später mit seiner Tochter; hierüber -schienen einige von den Anwesenden äußerst ungehalten, indem, ihrer -Meinung nach, dies sehr wenig Artigkeit gegen die übrigen Gäste bewies, -von denen fünf oder sechs, die so eben eingetreten waren, vorgestellt -zu werden wünschten.</p> - -<p>„Finden Sie nicht,“ lispelte eine alte Dame einer jungen zu: „daß in -diesem neuen Hause auch ein ganz neuer Ton herrscht?..“</p> - -<p>„Gewiß, meine Freundin — ein sehr neuer; er ist äußerst interessant, -und ich muß mir in meinem Tagebuche eine eigene Notiz machen. -— Erlauben Sie es wohl?“ Hiermit nahm die Jüngere ein dünnes -Maroquinbändchen heraus und fing an zu schreiben...</p> - -<p>„Ach, Sie tragen Ihr Tagebuch bei sich, meine Beste?“</p> - -<p>„Immer. Sie wissen doch, mein Gedächtniß zwingt mich zu dieser -Vorsichtsmaßregel! O ich habe ein schrecklich schwaches Gedächtniß...“</p> - -<p>„Ich weiß, ich weiß...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[288]</a></span></p> - -<p>„Apropos — Sie erinnern sich wohl noch jenes hübschen jungen Mannes, -der vor beiläufig einem halben Jahre hier anwesend war... ich meine den -Herrn von Ingelstein, **schen Gesandtschafts-Sekretär?“</p> - -<p>„Ganz recht, ganz recht!... O wie sollt’ ich nicht? — Nun, was ist mit -ihm geschehen?“</p> - -<p>„Dieser Herr, wie Sie wissen werden, hatte damals die Absicht, dem -Fräulein von Randow den Hof zu machen....“</p> - -<p>„Richtig, richtig —“</p> - -<p>„Wurde jedoch — wie Sie ebenfalls wissen müssen — von ihr sehr -gleichgültig behandelt —“</p> - -<p>„Sehr wahr, sehr wahr. Und — nun —“</p> - -<p>„Er reis’te demzufolge plötzlich ab.... es war, wenn ich nicht irre, am -11ten Februar — einem sehr häßlichen, frostigen Tage....“</p> - -<p>„Dieses Umstandes erinnere ich mich nicht mehr —“</p> - -<p>„Ja, ja, ich weiß es noch wie heute: es schneite, hagelte — es -glatteis’te —“</p> - -<p>„So — so —“</p> - -<p>„Ach und der arme schöne junge Mann — er fuhr ab, verzweifelnd — -halbsterbend...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_289" id="Seite_289">[289]</a></span></p> - -<p>Diese Dame schien demnach kein gar so schlechtes Gedächtniß zu haben, -wie sie klagte. Sie führte ihre Erzählung von dem schönen jungen Manne -noch bis zum Schlusse, wobei sie nicht undeutlich merken ließ, daß -dieser schöne, junge Mann in ihrer Brust kein Felsenherz gefunden -hätte, falls es auf einen Versuch angekommen wäre.</p> - -<p>In diesem Augenblicke trat Graf Wollheim ein, näherte sich dem alten -General und zog ihn mit sich fort. Dadurch wurde den Verzweifelnden und -Harrenden Platz gemacht.</p> - -<p>„Wirklich,“ setzten jene zwei Damen ihr Gespräch fort: „es war endlich -Zeit! Dieser alte General hielt seine Tochter occupirt, als wäre es ein -erobertes Land. — Dies ist eine Undelikatesse, wie sie mir noch nie -vorgekommen....“</p> - -<p>„Was wollen Sie, meine Beste? — — diese Randow’s, so vornehm und -stolz sie sein mögen, haben keinen Ton, keinen Takt; bei ihnen ist noch -Alles polnisch...“</p> - -<p>„Ja, ja, — ganz wojwodenmäßig — bojarisch — baschkirisch — hahaha!“</p> - -<p>Wollheim hatte unterdessen den General in<span class="pagenum"><a name="Seite_290" id="Seite_290">[290]</a></span> einen Winkel gezogen: „Ich -bitte Sie um Himmelswillen,“ fing er mit der Miene eines Menschen an, -der andeuten will, daß er keinen Spaß versteht: „wo ist denn dieser -Edmund hingekommen? Ihr Sohn, Ihr einziger Sohn Edmund? — —“</p> - -<p>Es mußte in Wahrheit weit gediehen sein, da der Jäger sich so -geradewegs an den Vater seines Intimsten wandte, von dem er doch wußte, -daß ihm diese Intimität sehr fatal sei. Aber unser Nimrod dachte, wie -jener Araber, der sich seinem Kalifen näherte, um den Aufenthalt von -dessen Tochter zu erforschen: „Sagt er mir’s, so weiß ich es genauer, -als wenn mir’s ein Anderer sagen würde; sagt er mir’s nicht — so steh -ich auf dem alten Fleck — und wegen meines Kopfes ist dann noch immer -Zeit Sorge zu tragen; jedenfalls ist der Kopf hier blos Nebensache.“ -„Hinsichtlich meines Sohnes Edmund,“ antwortete der General — „weiß -ich Ihnen nichts zu sagen, als daß er in letzterer Zeit sich an den -Chevalier von Marsan, mehr als mir lieb ist, angeschlossen hat. —“</p> - -<p>„Und mehr als mir ebenfalls lieb ist!“ setzte<span class="pagenum"><a name="Seite_291" id="Seite_291">[291]</a></span> der Jäger im Stillen -hinzu: „Aber,“ bemerkte er laut — „sollte es nicht Mittel geben, den -jungen Mann von dieser Gesellschaft zu trennen?.. Der Chevalier ist -glänzend, verschwenderisch — seine Nähe demnach äußerst gefährlich, -wie Sie selbst einsehen werden, mein bester Freund. — Ach! hier -sollten Sie fürwahr Ihr Ansehen als Vater geltend machen. Es gilt, -einen arglosen Jüngling vor den Fallstricken der Welt zu schützen.... -ihn vor einem finstern Abgrunde... zu bewahren. Es ist Christenpflicht! -Es ist Vaterpflicht, hier einzuschreiten — glauben Sie mir’s, mein -alter Freund Randow...“</p> - -<p>Der General, als er Wollheim so pathetisch deklamiren hörte, konnte ein -Lächeln nicht unterdrücken; er mochte insgeheim an die Fabel denken: -Wie der Fuchs das Lamm vor dem Wolfe warnt — es bleibt indeß doch das -Opfer. —</p> - -<p>„Lieber Wollheim,“ versetzte er: „es scheint, daß Sie dem Chevalier -nicht minder gram sind, als Sie es gut mit meinem Sohne meinen; ich -bin Ihnen jedoch, aufrichtig gesagt, weder für das Erste noch für das -Zweite sehr verbunden; denn wiewohl ich im Ganzen dieses schrankenlose<span class="pagenum"><a name="Seite_292" id="Seite_292">[292]</a></span> -Anschließen Edmunds an den Chevalier nicht gerne sehe, so muß ich doch -gestehen, daß dies keineswegs aus Mißbilligung des, wie Sie sagen, -glänzenden und verschwenderischen Charakters Marsans entspringt, -welchen Charakter ich im Gegentheil bei einem großen Herrn von diesem -Schlage mit Vergnügen erblicke; es ist also hier nicht von den Fehlern -Marsans — sondern von dem Uebermaß der Liebe Edmunds zu ihm die Rede. -— Sie wissen, wozu eine solche Hingebung führt: man wird ein Sklave, -verliert alle selbstständige Würde — u. s. w. — Anderseits, um von -dem zweiten Punkte zu reden: so habe ich das Verhältniß, welches bisher -zwischen Ihnen, lieber Graf, und meinem Sohne bestand — ebenfalls -nicht gebilligt. Abgesehen vom Unterschied der Jahre —“</p> - -<p>„Ach — warum nicht gar!“ fuhr der Jäger auf: „Unterschied der Jahre! -— Zwischen Freunden gibt es keinen solchen!“</p> - -<p>„— So ist auch die Grundlage und das Motiv dieser Freundschaft nicht -geeignet — mich zu beruhigen, wie Sie selbst einsehen müssen.“</p> - -<p>„Alle Guckuck — mein Freund! Wie ich<span class="pagenum"><a name="Seite_293" id="Seite_293">[293]</a></span> selbst einsehen muß, sagen Sie? -— Aber ich sehe hier gar nichts ein, mein bester Randow! — ich sehe -hier nicht das Geringste ein...“</p> - -<p>„Sie sehen hier nicht das Geringste ein, lieber Graf? — So finden -Sie, daß Trinken, Spielen — Gelage — Müßiggehen — in Wäldern -umherstreifen, welche überdies zum kaiserlichen Revier gehören, — — -finden Sie, daß dies Alles nichts sei. — —“</p> - -<p>„Ei — allerdings ist es Etwas, mein bester Randow... Allein, -hoffentlich werden Sie mir glauben, daß es dies nicht ist, worauf -unsere Freundschaft beruht. — Unsere Freundschaft — der Bund -unserer Herzen gründet sich auf ganz andere Dinge — auf Tugenden und -ritterliche Gesinnungen, bei St. Hubertus! — auf Gesinnungen, sag’ -ich, die einem Bayard zur Ehre gereicht haben würden...“</p> - -<p>„Unter uns,“ bemerkte der General leise: „rechnen Sie hierher auch jene -That, die Sie neulich — im Hühnerhofe dieses Hauses vollbracht haben? -— —“</p> - -<p>Zum Glück für den Jäger, welcher bei dieser Frage seine sonst derbe -Fassung ein wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_294" id="Seite_294">[294]</a></span> verlor — zum doppelten Glück für ihn öffnete sich -jetzt die Thür, und Edmund, wie gewöhnlich am Arme des Chevaliers, trat -ein. — Sogleich wollte der Jäger auf ihn zustürzen, der General jedoch -hielt ihn zurück und sagte mit ernster Stimme: „Mäßigen Sie sich, Graf -Wollheim! Sie bemerken, daß Alles aufmerksam ist und nach den Beiden -sieht.“</p> - -<p>„Nun — und was weiter?“</p> - -<p>„Sie würden sich in eine lächerliche Lage versetzen. Sehen Sie das -nicht ein, bester Wollheim?“</p> - -<p>Nach kurzer Ueberlegung entgegnete dieser: „Sie haben Recht, Freund -Randow. Ich bin Ihnen dankbar für diesen Wink, und wollen Sie sich mir -noch mehr verpflichten — —“</p> - -<p>„Nun?“</p> - -<p>„— So reden Sie mit Edmund und fragen ihn, wie er es bei sich -verantworten kann, seinen alten Freund Wollheim, seinen Lehrer und -Führer in den edlen Künsten des Ritterthums — seit vier Wochen mit -keinem Auge angesehen zu haben...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_295" id="Seite_295">[295]</a></span></p> - -<p>Wir wenden uns jetzt von diesem Vorspiel des Drama’s ab.</p> - -<p>Seit etwa einer Viertelstunde war Cölestine wieder von einem Kreise -jener intimeren Freunde des Hauses umgeben, die sich zu dieser Würde -größtentheils aus eigener Machtvollkommenheit zu erheben pflegen. -Nicht nur Gräfin Wollheim — Fräulein Eugenie von Bomben — Frau von -Rabenstein und Andere, deren Namen weder die Blätter der Weltgeschichte -noch die gegenwärtigen je nennen werden — — sondern sogar Frau von -Porzenheim, die edle und obligate Mitlacherin ihres Mannes, gehörten -hierher, saßen neben Cölestine und deren Mutter. — Der Graf, ihr -Gemahl, hatte in der Nähe, doch so, daß sie ihn nicht im Auge behielt, -einen Sitz eingenommen und unterhielt sich hier mit einigen Herrn über -Staatsgeschäfte und die neuesten Zeitungsnachrichten. Er schien ganz -Aug und Ohr für seine Gesellschaft — während er doch so achtsam, -als hätte er neben seinen zwei Menschenaugen die tausend kleinen der -Insekten gehabt, den ganzen Salon überwachte, so daß ihm hier nichts -entgehen konnte. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_296" id="Seite_296">[296]</a></span></p> - -<p>Dieser Mann war in der Kunst des Lauschens, wozu er vermöge seiner -mißtrauischen Natur die besten Anlagen zur Welt mitgebracht hatte, -bereits zu jenem hohen Grade gekommen, welcher seinem Besitzer eine Art -dämonischer Gewalt verleiht, vermöge deren er eine Sache nicht einmal -zu sehen braucht, um sich von ihrem Zustande zu überzeugen.... er -fühlt, er ahnt, er schaut, wie der Clairvoyant, mit geschlossenen Augen -Alles.</p> - -<p>In dem Augenblicke, als Herr von Marsan eintrat, hatte Alexander eben -über einen Gegenstand gesprochen, der seine volle Aufmerksamkeit -erforderte — und dennoch verrieth es ihm ein magnetisches Gefühl, daß -der Chevalier hier sei. —</p> - -<p>Indeß blieb er dabei ruhig, kalt, theilnahmlos im Aeußern — und nur -ein Blick, den er später so rasch, daß Niemand ihn gewahrte, nach -seinem Nebenbuhler warf, sollte ihn überzeugen, ob er richtig gefühlt -habe. — Wider Erwarten näherte sich ihm jetzt Dieser mit Edmund und -Beide nahmen in seiner Nähe Platz. „Dies ist,“ dachte er bei sich: -„eine Schicksalsfügung<span class="pagenum"><a name="Seite_297" id="Seite_297">[297]</a></span> welche ganz in meine Intention paßt, so daß ich -die Götter heute zum ersten Male in meinem Leben preisen muß, mir einen -<em class="gesperrt">wirklichen Dienst</em> erwiesen zu haben.“ — Alexander hatte sehr -gut bemerkt, daß, so oft sich zwischen Marsan und Cölestine noch ein -Dritter oder, wie hier, eine ganze Gesellschaft befand, Jener seinen -glühenden Blicken einen ehrfurchtsvollen Ausdruck gab. Dies, rief -Alexander bei sich — soll blos das heilige Pilgerkleid sein, unter -welchem sich ein Mörder mit Dolch und Gift verbirgt —; — so will ich -ihm denn den Weg abkürzen und die Arbeit erleichtern.... den Moment -der Ausführung rascher herbeiführen. — Dann soll er entweder entlarvt -werden — oder aber das Opfer, welches für mich keinen Werth mehr hat, -mag verbluten — zum Aase werden, auf welches Tags darauf sich die -Raben setzen.</p> - -<p>„Herr von Marsan,“ sagte er nach mancherlei Hin- und Herreden zu dem -Chevalier — „ich weiß nicht, ob Sie mir erlauben, eine Bitte an Sie -zu stellen, welche Ihnen vielleicht an sich sonderbar vorkommen wird, -es jedoch durch die nähern Umstände, die mich dazu veranlassen, nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_298" id="Seite_298">[298]</a></span> -ist. Sie erzählten so eben eine hübsche Anekdote aus der Zeit Ihrer -Anwesenheit im südlichen Frankreich — diese Begebenheit nun ist mir -selbst einmal in der Schweiz arrivirt, und so wahrscheinlich ich -dieselbe auch stets der Gräfin, meiner Frau, zu machen suchte — sie -wollte mir niemals glauben. In diesem Falle fertigte sie mich stets mit -dem gewiß sehr vernünftigen Satze ab: es giebt keine Geister, keine -Gespenster, selbst die Kinder glauben nicht mehr daran. — Da Ihr -Zeugniß, mein Herr, nun von großem Gewicht ist, würden Sie sich hier -ein Verdienst erwerben, wenn Sie mit einigen Worten die Glaubwürdigkeit -eines Mannes bei dessen Gemahlin feststellen wollten.“</p> - -<p>„Und auf welche Weise würde ich Ihnen diesen Dienst, den ich mit so -großer Bereitwilligkeit übernehme, leisten können?“ fragte aufmerksam -der Chevalier.</p> - -<p>„Einfach dadurch, daß Sie die artige Historiette, die Sie uns so -eben vortrugen, meiner Gemahlin wieder erzählen. — Sie wird diese -Gelegenheit ergreifen, einen unserer interessantesten Kavaliere näher -kennen zu lernen...“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_299" id="Seite_299">[299]</a></span></p> - -<p>Ein mephistophelisches Zucken bewegte sich, während er diese -Worte sprach, um den Mund des Grafen. Marsan seinerseits ließ ein -augenblickliches Freudeleuchten über sein Gesicht ziehen, welches -jedoch bald einer merkbaren Blässe wich.</p> - -<p>„Nur so fort!“ dachte der Graf im Stillen, erhob sich jetzt kalt -und führte den Chevalier zu Cölestinen: „Meine Gemahlin — Sie -sollen diesen liebenswürdigen Herrn einige Augenblicke <em class="gesperrt">in meinem -Interesse</em> anhören — dies ist meine inständige Bitte. Herr -von Marsan wird Ihnen Etwas, worüber unter uns so oft Streit war, -bestätigen und sich dadurch nicht nur um mich, sondern auch um Sie, -meine Theure, ein Verdienst erwerben.“</p> - -<p>Cölestine starrte bei dieser Rede ihren Mann an, als verstände sie den -Sinn seiner Worte nicht; zugleich aber ihrer Pflicht als Frau vom Hause -eingedenk, wies sie dem Franzosen und Alexander Plätze in ihrer Nähe -an, indem sie zu Jenem gewendet sprach: „In der That, mein Herr, Sie -erweisen mir kein geringes Vergnügen, indem Sie mir eine Mittheilung -machen, die von solchem Interesse ist, daß dieselbe meinen Gemahl sogar -zu Gedächtnißfehlern<span class="pagenum"><a name="Seite_300" id="Seite_300">[300]</a></span> verleiten konnte; denn meines Wissens haben wir -nie über einen Punkt gestritten, der nicht sofort aufgeklärt worden -wäre. —“</p> - -<p>„Du erinnerst Dich jedoch jenes Vorfalls, den ich in Lausanne erlebte. -—“</p> - -<p>„Ach — jene Geistergeschichte, worüber ich so lachte! — Und diese -scheint Ihnen so wichtig, mein Gemahl? — —“</p> - -<p>„Gnädige Frau,“ nahm Marsan das Wort, der nicht mehr wußte, ob man hier -Ernst oder Scherz treibe, und der seinerseits zu dem Letzteren sehr -wenig Lust haben mochte. „Gnädige Frau,“ sagte er in einem ruhigen, -gemessenen Tone: „nicht mich klagen Sie an, falls es sich hier um Etwas -handelt, was ich noch nicht begreife... ich bin blos das Werkzeug -des Herrn Grafen und habe mich aus Hochachtung für Sie gerne diesem -sonderbaren Berufe unterzogen. —“ Er warf hier zugleich einen jener -leichten, blitzenden unaussprechlichen Blicke auf Alexander, womit ein -Mann von gutem Tone eben sowohl seine unerschütterliche Fassung wie -die Geringschätzung einer Gefahr oder auch eines Menschen zu erkennen -giebt. Alexander kämpfte,<span class="pagenum"><a name="Seite_301" id="Seite_301">[301]</a></span> seit Marsan die erste Silbe an Cölestine -gerichtet hatte, mit einem convulsivischen Zittern, welches er zwar -bezwang, — doch nicht so ganz, daß es dem scharfen Blicke seines -Gegners entgangen wäre.</p> - -<p>Das Letztere ward für ihn Marsan von diesem Augenblicke an in der That. -Er ward sein Gegner, sein Feind, sein entschiedener Widersacher. Der -größte Beweis hierfür war wohl der, daß er beschloß, es ihn sofort -merken zu lassen.</p> - -<p>So groß war die Zuversicht des Chevaliers auf Eigenschaften, die ihn -bereits unzählige Mal als Sieger aus den gefährlichsten Kämpfen hatten -hervorgehen lassen: „Dieser Mensch da,“ murmelte er lächelnd: „hat -es gewagt, Dich mit Waffen zu bedrohen, welche Du mit der Fußsohle -zertreten und ihm die Bruchstücke davon an den Kopf werfen solltest...“</p> - -<p>Und ohne Weiteres forderte er Cölestine in Gegenwart ihres Mannes zu -einem Gespräch auf, welches himmelweit von demjenigen verschieden war, -zu dessen Behuf der Graf ihn mit seiner Frau zusammengeführt hatte; -dieses<span class="pagenum"><a name="Seite_302" id="Seite_302">[302]</a></span> Gespräch, in welches er sie mit großer Gewandtheit und rasch -zu verschlingen wußte, betrieb er überdies mit einem so auffallenden -Eifer, daß derjenige, welcher hieher gekommen war, um zu beobachten -und zu beschämen, dies durch die Umstehenden selbst ward, und zwar in -einem Maße, daß er, so heftig er sich auch dagegen sträubte, endlich -gleichwohl sich zu erheben gezwungen war, um nur nicht als schmählich -Ueberwundener dem allgemeinen Bedauern zu verfallen.</p> - -<p>Wozu hatte er nöthig gehabt, die Fehde so offen zu provociren?</p> - -<p>Vermöge des heitern, lustberauschten Sinnes, von welchem Cölestine -heute den ganzen Tag, beiläufig in derselben Weise, wie an jenem -Vermählungstage, beherrscht wurde, war sie nicht fähig, ihrem Gatten in -die Region der Melancholie, des Unmuths und des Schmerzes zu folgen, -um so weniger, als er diese Stimmungen durch sein äußeres Betragen -auf alle Weise zu verdecken sich bemühte; so geschah es denn auch, -daß, während alle Welt auf ihn aufmerksam ward und ihn mit penetranten -Blicken verfolgte,<span class="pagenum"><a name="Seite_303" id="Seite_303">[303]</a></span> sie die Einzige war, welche hievon eine Ausnahme -machte. —</p> - -<p>„Aber sehen Sie doch dorthin! Was bedeutet das?“</p> - -<p>„Ach, die Gräfin A—x scheint der berühmten Unwiderstehlichkeit des -Chevaliers endlich auch ihren Tribut zu entrichten. In der That, diese -Unterredung ist eklatant.“</p> - -<p>„Von ihrer und von seiner Seite. Wer hätte dies erwartet.“</p> - -<p>„Mindestens von der Gräfin war es nicht vorherzusehen. Allein da hat -man nun den besten Commentar zu jenen Berichten, durch welche diese -jugendliche Ehe als eine solche geschildert ward, wie sie Adam und Eva -im Paradies geführt haben. —“</p> - -<p>„Nämlich — den Baum und den Apfel mitinbegriffen...“</p> - -<p>„Ah, ah — meine Besten, was wollen Sie? Gräfin A—x hat, Alles -erwogen, den gegründetsten Anspruch auf unsere Bewunderung. Sie hat -sich so schnell als es kaum zu erwarten war — aus einer Gefühlsnärrin -zur Weltdame aufgeschwungen. Das verdient Anerkennung.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_304" id="Seite_304">[304]</a></span></p> - -<p>„Ja, ja — es verdient dieselbe.“</p> - -<p>„Aber mein Himmel! was ist das?“ rief mit einem Male Jene aus, indem -sie mit den Augen nach Cölestinen deutete: — „Haben Sie nichts -bemerkt, meine Damen? — So eben hat der Chevalier die Gräfin verlassen -— und sie, diese junge hoffnungsvolle Calypso — — ist ihm mit -einer sonderbaren Bewegung in Blick und Miene gefolgt, mit einer -Bewegung, sag’ ich, die den Grafen, ihren Mann, welcher dort hinter -der Blumenpyramide — wie eine Klapperschlange hinterm Gesträuche — -verborgen lauert, dem Wahnsinn nahe gebracht zu haben scheint.... denn -sehen Sie — seine Hand, die krampfhaft einen Oleander hielt — hat -denselben wahrscheinlich ohne daß er es weiß mitten entzwei gebrochen.“</p> - -<p>„Richtig! richtig! — Ah, es ist zu reizend! zu interessant! — — Ein -Herkules also — der Bäume entwurzelt....“</p> - -<p>„Ah! Ah! Ah! — Ungeheuer großartig! — Dieser Marsan ist ein Phänomen! -— — Er hat sich der Gräfin wieder genähert — — — und bei -Anadyomene! — ihr Auge scheint ihm dafür einen eben so stillen als -ausdrucksvollen Dank zu spenden....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_305" id="Seite_305">[305]</a></span></p> - -<p>„Der Mann aber — der Gemahl — was thut er?“</p> - -<p>„Mein Gott — er ist halbtoll...... Um Himmelswillen! bemerken Sie -doch, holde Freundin. — Seine Phrenesie geht so weit — — daß er -im Angesicht des ganzen Salons sich hinter den Blumen auf alle Vier -niederläßt, um bequemer zu beobachten, der Bedauernswerthe. Gleicht er -nicht dem Nabuchedonosor — und scheint es nicht, als wolle auch er -Gras fressen?.. hahaha!“</p> - -<p>„Es ist entsetzlich! Es ist entsetzlich! — Das ist noch nie da -gewesen!“</p> - -<p>„Inzwischen scheinen die beiden jungen Leutchen dort — Marsan und die -niedliche Frau vom Hause — sich gar köstlich die Zeit zu vertreiben. -Sie lacht so viel und er erzählt so unermüdlich, daß man seine Freude -an diesem Gedeihen haben kann....“</p> - -<p>„Der Nabuchedonosor aber huckt noch immer in froschähnlicher Positur -hinter den Blumen.... Meiner Treu, dieser Mensch muß complett den -Verstand verloren haben...“</p> - -<p>„O wie Schade! — Jetzt entzieht uns eine allgemeine Bewegung der -Gesellschaft seinen<span class="pagenum"><a name="Seite_306" id="Seite_306">[306]</a></span> Anblick. Allein, was soll das bedeuten? — Auch -Cölestine hat sich erhoben.“</p> - -<p>„Man hat das Zeichen zum Tanzen gegeben — man wird in den nächsten -Salon gehen...“</p> - -<p>„Also man tanzt heute auch hier?..“</p> - -<p>„Man tanzt, man spielt — man wird sich noch ganz allerliebst -unterhalten.“</p> - -<p>„Meinetwegen. Dann aber lassen Sie uns den Paaren nicht folgen, sondern -lieber nach dem Spielzimmer gehen — so werden wir an jener Blumenhecke -vorbeikommen und unsern Vierfüßler ganz nahe beaugenscheinigen -können...“</p> - -<p>„O was ist das? — Er ist fort! Verschwunden! — Keine Spur von ihm -mehr vorhanden! — — Wahrscheinlich durch eine Versenkung wie im -Theater. —“</p> - -<p>„Hahaha! — — Vorwärts, meine Freundinnen!“</p> - -<p>Und fast Alles verließ diesen Salon, in welchem nur noch wenige -Gruppen, bestehend aus ältern Herren, zurückblieben, die ein -angesponnenes Gespräch augenblicklich zu unterbrechen nicht für gut -fanden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_307" id="Seite_307">[307]</a></span></p> - -<p>Was den Chevalier betrifft, so hatte er Cölestine den Arm gegeben — — -und Edmund, dadurch allein gelassen, entging seinem Schicksale nicht: -er, der seine Mutter führen wollte, sah plötzlich — — den Grafen -<em class="gesperrt">Wollheim</em> ihren Platz einnehmen.</p> - -<p>„O! O! O!“ schrie dieser mit einer Freude, die sich glänzend auf -seinem Gesichte malte: „da hätten wir ihn endlich den Bösewicht — den -Undankbaren — den treulosesten aller Freunde und Schüler! — Also so -weit ist es mit uns gekommen, daß wir auf Bällen als <em class="gesperrt">Paar</em> zu -einander treffen müssen. Wir, wir — die den Tanz und die Springerei -verachten — außer er würde in Wäldern hinter den Rehen aufgeführt! -— Allein schon gut. Ich werde mir das merken. — So voll Wonne mein -Herz in diesem Augenblick auch ist — eine Wunde, eine Blessur hat es -dennoch erwischt, die nie vernarben wird — und das sind: die letzten -40 Tage, die ich in der Wüste zugebracht habe — — in der Wüste, -sage ich, und verstehe unter diesem Bilde die Welt, in so fern es in -derselben weder zu trinken, noch zu spielen, noch zu pirschen giebt —<span class="pagenum"><a name="Seite_308" id="Seite_308">[308]</a></span> -was Alles ich, wie bekannt, allein nicht thun kann, sintemalen ich dazu -auch meine Schüler und Freunde brauche. — So verhalten sich die Dinge! -Ja so! — Und nun sprich, Unglückseliger: was konnte Dich zu solchen -Verbrechen gegen Deinen Meister verleiten?...“</p> - -<p>Edmund sah sich vergebens nach einem Ausweg um; der Jäger hatte ihn -dermaßen gepackt, wie man es etwa mit einem Fuchs, welcher der Schlinge -entwischen will, thut; wollte er also kein Aufsehen machen, mußte er -dem Alten folgen — und Dieser zog ihn geradewegs in ein Gemach, das -nach der Kellnerei führte. —</p> - -<p>Nun wissen wir zwar, daß des jungen Mannes Hingebung in letzterer -Zeit dem Chevalier von Marsan gegolten, und zwar in jenem Uebermaße, -welches wir an dem gutmüthigen Roué bereits kennen. — Indeß, und dies -muß zu seiner Ehre gesagt werden, glich er darum doch nicht jenen -unbeständigen und undankbaren Leuten, die aus Liebe zur Abwechslung, -indem sie das Neue erwählen, des Alten vergessen .... Er hatte seines -Freundes Nimrod nicht vergessen — er hatte denselben nur auf einige -Zeit<span class="pagenum"><a name="Seite_309" id="Seite_309">[309]</a></span> in den Hintergrund gestellt: aufrichtig gesagt, weniger aus -eigenem selbstständigen Antriebe — als weil er, durch Marsan occupirt, -von diesem ununterbrochen absorbirt worden war, was ihm im Ganzen -schmeichelte, da er so gut wie jeder Andere sein Stück Eitelkeit besaß -— und Marsan war ja ein Glanzpunkt in der Gesellschaft...</p> - -<p>Das Entscheidende bestand darin: daß Marsan ihm mehr zu imponiren -wußte, als der Jäger. Denn wir haben schon erwähnt: Edmund mußte sich -stets an Jemand anlehnen. — Dies war eine jener Naturen, die allein -nicht leben können.</p> - -<p>— Es wird nach Allem diesen Niemand Wunder nehmen, wenn er erfährt, -daß Edmund binnen weniger als einer Viertelstunde mit Leib und Seele -wieder seinem alten Mentor gehörte, d. h. mit demselben in einem -dunkeln Kellerwinkel (denn diesmal gingen die Edlen direkt in den -Keller: sie hatten ja so Vieles nachzuholen) zechte und Trinklieder -sang. — Wer oben in den Gemächern gute Ohren hatte, konnte folgende -Strophen herauftönen hören:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_310" id="Seite_310">[310]</a></span></p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„Zwei Flaschen wollten einander frei’n,</div> - <div class="verse">Die eine, die war leer —</div> - <div class="verse">Die and’re war zwar etwas klein —</div> - <div class="verse">Doch war sie gefüllt und schwer.“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Hier ward die Hymne durch eine Art unverständlichen Lärmens -unterbrochen — — und erst nach einiger Zeit ließ sich das Ende vom -Lied nachstehender Weise vernehmen:</p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„Ich nehme, ich nehme Dich nicht zum Mann —</div> - <div class="verse">Du bist zwar dick und reich —</div> - <div class="verse">Doch dabei ein grober Bauersmann,</div> - <div class="verse">Ein Stadtkind ich, fein und bleich.“</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„So geht es auch im Leben her —</div> - <div class="verse">Der Dicke der thut dick —</div> - <div class="verse">Da kommt darauf ein mag’rer Herr</div> - <div class="verse">Und ruft: Vor mir — zurück!“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Besonders schön nahm sich zuletzt die Moral, die Nutzanwendung aus. -Sie war ganz aus den Zeiten des Meister <em class="gesperrt">Rothnas</em> in Nürnberg († -<em class="antiqua">Anno Domini</em> 1352,) genommen und hätte auch ganz wohl in die -Liedersammlung eines sichern <em class="gesperrt">nasenlosen</em> Poeten — dieser Poete -lebt heutigen Tag’s in Wien — gepaßt.</p> - -<p>Das Lied hatte man wohl bis hinauf gehört; aber die sublimen -Discourse, welche hier unten geführt wurden — vernahm, außer den zwei -Glückseligen, welche dieselben führten, Niemand.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_311" id="Seite_311">[311]</a></span></p> - -<p>„Und so säßen wir denn wieder beisammen....“ begann der Jäger, der -mit aufgestreiftem Hemdärmel (die Edlen saßen im Hemde bei diesem -anstrengenden Geschäft,) seine Kanne emporhob: „Und so könnt’ ich denn -wieder aus vollem Herzen rufen: Auf Dein Wohlsein, mein Jüngelchen, -Hurrah!“</p> - -<p>„Hurrah!“ rief auch Edmund mit erhobener Kanne — — seine Stimme war -bereits sehr klar und metallisch geworden.</p> - -<p>„Möge der Himmel,“ schrie <em class="gesperrt">Wollheim</em>, „Dich zu einem eben solchen -Manne machen, wie ich bin, mein Junge! Besseres kann ich Dir nicht -wünschen, Hurrah!“</p> - -<p>„Hurrah! — Hussah!“</p> - -<p>„Ich habe nur gerufen <em class="gesperrt">Hurrah!</em> und nicht Hussah! — Achtung auf -den Ruf des Meisters! — Hurrah!“</p> - -<p>„Hurrah! Zehntausend Mal Hurrah!“</p> - -<p>„Blos ein Mal: Hurrah! mein Jüngelchen; blos ein Mal!“</p> - -<p>„Nein, nein — zehntausend Mal!“</p> - -<p>„Alle Sechzehnender! — Was für zehntau<span class="pagenum"><a name="Seite_312" id="Seite_312">[312]</a></span>send Teufel sind Dir denn heute -in den Magen gefahren — verdammter Bursche, Du!“</p> - -<p>Es war ihm indessen blos der Wein in den Magen gefahren und der Dunst -davon in den Kopf.</p> - -<p>„Ich sage Dir,“ fing der Alte wieder an: „etwas Besseres als ich kannst -Du doch nicht werden. Befleißige Dich also, in meine Fußstapfen zu -treten. Nimm z. B. diesen Krug so, — siehst Du! — und leer’ ihn mit -einem Guß — — so, siehst Du!“</p> - -<p>Und der größte Humpen entledigte sich seines Inhalts im Nu — vermöge -der freundlichen Bereitwilligkeit von Nimrods breiter Kehle. —</p> - -<p>Edmund wollte es auch versuchen, um der Aufforderung seines Lehrers zu -genügen....</p> - -<p>„Ah! Ah!“ schrie dieser so dröhnend, daß das Gewölbe des Kellers in -Schrecken gerieth: „das will nichts sagen, das will nichts sagen — -Freund Edmund! — Du hast zwar den Humpen geleert, aber dabei Dein -ganzes Gesicht begossen... Dies darf nicht stattfinden! Dies ist nicht -in der Ordnung!... Du mußt den Humpen mit dem Munde allein aussaufen: -So, siehst<span class="pagenum"><a name="Seite_313" id="Seite_313">[313]</a></span> Du?!“ Und abermals rollte eine ganze Sündfluth hinab in des -Jägers verderblichen Schlund...</p> - -<p>Sein Leib schien ein wahrer Abgrund zu sein.</p> - -<p>Edmund versuchte es sogleich nochmals — und in Wahrheit er that es -diesmal mit solcher Virtuosität, daß sein Meister auf eine Bank sprang -und ausrief: „Ein dreimaliges Hussah auf das Wohl meines Jüngelchens -und Jagdkumpans!“</p> - -<p>Und „Hussah! Hussah! Hussah!“ schrien Beide, als ob sie toll wären.... -die Kellerratten und Maulwürfe liefen einstweilen in’s dritte -Nachbarhaus hinüber...</p> - -<p>.... Aber als sollte das Alles noch nicht ausreichen, seines Zöglings -Ruhm zu verkünden, sprang Wollheim auf ein in der Nähe stehendes großes -Weinfaß, welches, gegen den Gebrauch, mit dem Boden aufgestellt war -— — auf dieses Faß also sprang er und zwar mit einem solchen Aplomb -seines dicken Leibes, daß der obere Boden unter seinen Füßen durchbrach -und er im Nu unter entsetzlichem Geschrei bis an die Ohren im rothen -Ofner schwamm: „Au! Au! Weh! Hurrah! — Zur Hilfe — Kumpane! Jäger!<span class="pagenum"><a name="Seite_314" id="Seite_314">[314]</a></span> -Piqeurs!“ brüllte er in der Verzweiflung.... wobei er, vermöge des -Wellenschlags, welchen der Ofner beständig um sein Kinn machte, von -demselben <em class="antiqua">nolens volens</em> ein gutes Theil abtrank....</p> - -<p>Nur mit Mühe entkam er dem Verderben und stieg endlich heraus. Er stieg -allein heraus — denn Edmund war nicht fähig, ihm dabei zu helfen..... -er hatte mit sich selbst genug zu schaffen.</p> - -<p>„Alle Doppelbüchsen!“ rief Nimrod und schüttelte sich wie ein Bär, der -untertauchte — „das war ein unvorhergesehenes Bad... Aber der Ofner -war gut!... Schade um das Faß, welches von schweizerischer Arbeit -schien. — Hol’ der Teufel indeß ein schweizerisches Faß, welches -durchbricht, kaum daß man es betastet. — — Wo aber jetzt sich -abtrocknen.... Brr! brr! — denn es ist hier verteufelt kalt.... Ha! da -kommt mir ein göttlicher Einfall! Diesen lieben Ort hier zu verlassen -wäre unmenschlich. — Wie wär’ es, wenn ich meine Kleider hier -trocknete?.. Wir machen dort im Hintergrunde ein Feuer.... Holz ist -genug vorhanden... der<span class="pagenum"><a name="Seite_315" id="Seite_315">[315]</a></span> Rauch kann auch zu den Kellerluken abziehen. -Beim St. Hubertus! das geht! — Hat man es doch von Faßbindern hundert -Mal gesehen, daß sie bei Reparaturen mitten im Keller ihren Herd -aufschlugen.... Also — vorwärts mein Jüngelchen! und sogleich soll -hier eine Flamme brennen, so lustig und hoch, daß man dabei zwei und -zwanzig Ferkel braten kann.... Dann will ich meine Kleider ausziehen — -wir wollen uns an’s Feuer setzen — unsere Krüge in die Hand nehmen.... -Hurrah! das soll ein Teufelsleben werden!“</p> - -<p>„Hurrah!“ lallte Edmund mit schwerer Zunge nach.</p> - -<p>Gesagt, gethan. In kurzer Zeit loderte ein Feuer mächtig auf und seine -Flamme leckte das schwarze Gewölbe des Kellers... Aber was man nicht -berechnet und erwartet hatte, geschah. Die Luken waren zu klein und -konnten den Rauch nicht hinreichend ableiten, so daß sich dieser nun -hier im Innern zu einer schauderhaften Menge anhäufte... und jeden -andern Menschen als diese zwei Ehrenmänner vertrieben hätte. — Aber -sie waren nicht so leicht von diesem Orte wegzubringen<span class="pagenum"><a name="Seite_316" id="Seite_316">[316]</a></span> und zwar: ob -der ruhmwürdigen Wein-Eigenschaften, die er neben diesem Uebelstande -noch besaß....</p> - -<p>Was den Jäger betrifft, so stürzte er eine Kanne um die andere hinunter -— und hustete beständig dazwischen. Er schien einen ordentlichen Kampf -mit dem Rausche eingegangen zu sein — und eben deßwegen war ihm der -letztere nicht ganz unangenehm...</p> - -<p>Edmund jedoch, nicht so taktfest in vorliegender Kunst, sprang sinnlos -wie er bereits war, umher und stotterte:</p> - -<p>„Donnerwetter! — wir — stecken — ja da — in einem — Schornsteine! -— Donnerwetter! — — Wie — kommen — wir da heraus? — Puh! Brr! — -—“</p> - -<p>„Ei warum nicht gar!“ brüllte Wollheim: „Was sind das für dumme Faxen -—? Schornstein? — Im Keller sind wir! Im Keller! — —“</p> - -<p>„Nein — im — Schorn — steine — — Ah — Ah — ich — ersticke -— —.“ Und der arme Jüngling fuhr wie ein Gehetzter umher, stieß -überall an — und wäre beinahe in’s Feuer gerannt — wenn der Jäger -ihn nicht schnell bei<span class="pagenum"><a name="Seite_317" id="Seite_317">[317]</a></span> der Hand ergriffen hätte. — Aber das Tanzen -hörte bei Jenem deßhalb nicht auf und wider Willen sah sich der Alte -jetzt selbst davon fortgerissen. Er, in seinem halbnackten Zustande -(er hatte Alles, nur die Strümpfe nicht, ausgezogen, aus angeborner -Schamhaftigkeit hatte er sich noch überdies sein Taschentuch, statt -eines Feigenblattes, vor den Bauch gebunden) — tanzte nun wie ein -wilder Neuseeländer mit seinem Schüler um die Flamme herum.... Es war -ein Bild zum Malen! —</p> - -<p>In diesem Augenblicke öffnete sich die vorhin geschlossene Thür des -Kellers und ein halbes Dutzend Bediente traten mit den Worten ein: -„Aber was giebt es denn da? Ein Rauch verbreitet sich aus den Luken im -ganzen Hause!... Ist denn hier ein neues Gomorrha untergegangen?..“</p> - -<p>Man denke sich die Ueberraschung dieser guten Leute, als sie unser -Freundespaar in einem eben so interessanten Costüme als Geschäfte -erblickten....</p> - -<p class="center">*       *<br /> -*</p> - -<p>Aber während hier Momus, Comus und noch<span class="pagenum"><a name="Seite_318" id="Seite_318">[318]</a></span> andere närrische Halbgötter -ihre Schellenkappen schüttelten, ward einige Fuß über diesem Orte -— ein Gemüth von höllischen Qualen durchwühlt und hätte zerreißen -müssen, läge für manche Naturen nicht eben im Schmerze selbst eine -nährende, eine belebende Kraft. Es sind dies jene Naturen, die zum -Unglück geboren scheinen — die schon in der Wiege von demselben mit -Milch getränkt, später mit Speisen genährt und mit Kleidern versehen -werden — denen also das Unglück: Amme, Erzieherin, Lehrerin und -Lebensgefährtin ist.</p> - -<p>Man hört, wenn von solchen armen Verfluchten die Rede ist, oft sagen: -„Mein Gott, wie konnte er das nur Alles ertragen? Ich wäre unter -solchen Umständen schon hundert Mal untergegangen.“</p> - -<p>Gewiß, denn Dich hat das Schicksal bei Deiner Geburt gesegnet und es -hatte nicht nöthig, Dir Nerven von Stahl für’s Leben mitzugeben. —</p> - -<p>Allein von wem haben wir zuvor gesprochen? — Wer war der Unglückliche, -der Elende, der vom Schicksal Verfluchte — welcher sechs Fuß<span class="pagenum"><a name="Seite_319" id="Seite_319">[319]</a></span> über dem -Keller der zwei lustigen Ritter — von Qualen gepeitscht wurde, wie -eine Feder sie nicht beschreiben kann? —</p> - -<p>Der Leser wird es wissen. Es war Alexander, der Gemahl Cölestinens, -Alexander, der sein Weib mehr wie sich selbst liebte — — und der sich -von ihr betrogen, verrathen, um seine ganze irdische Seligkeit gebracht -sah. —</p> - -<p>Ach, diesmal war ihm der milde Trost, der ihn noch vor einigen Stunden, -wenn auch blos vorübergehend, erquickte, gänzlich geraubt. Diesmal -konnte er nicht, wie zuvor, sich zurufen:</p> - -<p>„Vielleicht — ist sie doch unschuldig! —“</p> - -<p>Er hatte sie jetzt an der Seite jenes Menschen, der ihm ihr Herz -geraubt hatte, beobachtet — hatte gesehen, wie Jener für sie glühte -und wie sie von dieser Gluth erwärmt schien. Welche Blicke hatte sie -ihm gegeben — und welche von ihm empfangen! Und Alles das so offenbar, -so vor aller Welt. —</p> - -<p>Sollte es denn schon so weit gekommen sein, daß sie sich nicht einmal -mehr verstellen konnten oder daß sie es nicht wollten? — So war er, -Alexander, also nicht mehr blos das Opfer, er<span class="pagenum"><a name="Seite_320" id="Seite_320">[320]</a></span> war auch das Spielzeug, -die Puppe, der Narr, durch welche Dinge sie ihrem Vergnügen neue Reize -verliehen. —</p> - -<p>Ach — was kümmerte ihn Dieses. Er hatte an Jenem schon genug. Er war -geopfert, verkauft, sein Herz zertreten — seine Seele zerrissen, sein -Leben vergiftet.... So konnte es mit ihm nicht mehr lange bestehen....</p> - -<p>Er rannte hinaus aus den Sälen, wo Alles Lust, Freude und herzloser -Verrath war — er stürzte hinaus auf eine Terrasse.... Es war wieder -eine Terrasse, wie dort in der ersten Nacht ein Balkon — es war -wieder eine Sternennacht — und durch diese Nacht strich wieder jener -allwaltende Geist, der sich eines Elenden erbarmt, oder aber ihn -verstößt, ihn nicht kennen will....</p> - -<p>Diesmal aber war das Letztere der Fall. Diesmal erschien keine -Cölestine auf dem Balkon und schlang liebewarm ihre Arme um seinen -Hals. — Diesmal, diesmal, als Alexander verzweiflungsvoll, wahnsinnig -die Hände rang gegen das dunkle Firmament, rufend:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_321" id="Seite_321">[321]</a></span></p> - -<p>„O — hat sie wirklich an mir gefrevelt? — Nur noch ein Zeichen! Einen -letzten Beweis!“</p> - -<p>Diesmal antwortete eine Stimme hinter ihm: „Warten Sie einige Tage ab -— und Alles wird Ihnen offenbar werden.“</p> - -<p>Rasch drehte Alexander sich um. Er bemerkte nur noch die Umrisse einer -dunkeln männlichen Gestalt, die gleich einem Schatten forteilte — in -der Nähe um eine Ecke verschwand — und weiter keine Spur hinter sich -ließ, als den Wiederhall ihrer schrecklichen Worte...:</p> - -<p>„Warten Sie einige Tage ab — und Alles wird Ihnen offenbar werden.“</p> - -<p>Alexander fiel ohnmächtig gegen die marmorne Balustrade des Balkons und -schlug sich daran die Stirne blutig.</p> - -<p>Er erwachte erst nach einer Stunde. —</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_322" id="Seite_322">[322]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Vierzehntes_Kapitel"><b>Vierzehntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Die Morgenszene nach dem vorigen Tage.</span></h2> - -</div> - -<p>„<span class="initial">A</span>ch, mein lieber Alexander, wie köstlich haben wir uns gestern -unterhalten. Es herrschte die allgemeinste Fröhlichkeit. — Alles war -vergnügt: man wird sich gewiß dieses Tages noch lange erinnern, und das -gereicht uns zu großer Ehre. — Man hat nun den Maßstab in Händen, nach -welchem man für die Zukunft unser Haus beurtheilen wird.... Wie bin ich -erfreut, daß dieser Maßstab kein gewöhnlicher ist.“</p> - -<p>So, mit diesen Worten begrüßte Cölestine den folgenden Morgen ihren -Gatten, als dieser, wie es seine Gewohnheit war, in ihr Boudoir trat, -um ihr hier galanterweise einen Guten Morgen zu wünschen. — Alexander -schien sehr heiter — fast so wie seine Frau; er küßte mit<span class="pagenum"><a name="Seite_323" id="Seite_323">[323]</a></span> dem -Ausdruck inniger Zärtlichkeit ihre Hand und nahm neben ihr auf einem -Tabouret, welches etwas tiefer als ihr Sessel stand, Platz.</p> - -<p>„Allein,“ fuhr sie fort, indem sie sich mit jenen tausend -Quincaillerien, die eine vornehme Dame in einem Boudoir vor sich liegen -hat, zu schaffen machte: „allein,“ sagte sie: „wie kommt es, daß wir -seit dem gestrigen Tage bis zu dieser Stunde für einander fast gar -nicht existirt haben, mein Freund? Ich erfuhr weder, zu welcher Stunde -Du schlafen gingst, noch wann Du aufstandest....“</p> - -<p>„— Noch,“ setzte lachend der Graf hinzu: „was mit mir gestern während -des Festes geschah, nicht wahr, mein liebes Kind?“</p> - -<p>„Ja, ja — ganz recht. Jetzt erinnere ich mich, daß ich Dich in der -That gestern während der Dauer der Unterhaltung auch nicht mit einem -Auge sah —“</p> - -<p>„Jetzt erst erinnert sie sich!“ sagte er zu sich, und, ohne sie zu -unterbrechen, ließ er sie fortfahren: —</p> - -<p>„Wie hängt das zusammen, mein Freund? Erkläre mir es!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_324" id="Seite_324">[324]</a></span></p> - -<p>„Ach, was liegt daran?“ versetzte er unbefangen und fast im lustigen -Tone: „es ist eine Kleinigkeit — eine Kinderei, wer wird von ihr -reden. Dir sowohl, der Frau, wie mir, dem Herrn vom Hause, war der -Platz getrennt angewiesen, und wir durften ihn nicht verlassen, um uns -einander zu nähern... Bei solcher Gelegenheit besteht eine Pflicht, -wie die unsrige war, darin, daß man sich dem Vergnügen seiner Gäste -opfert ... und dies, meine liebe Cölestine,“ sagte er, ohne dem -Drange widerstehen zu können, eine Schärfe in den Ton zu legen: „hast -mindestens Du in vollem Maße erfüllt...“</p> - -<p>„Ach ja,“ entgegnete sie, nicht ahnend, worauf er zielte: „ich sah -mich gestern ununterbrochen von einem Kreise interessanter und -liebenswürdiger Bekannter umgeben, und muß gestehen, daß ihnen -gegenüber meine Obliegenheit als Frau vom Hause mir nicht schwer -erschien. Gewiß bin ich jenen Personen zu eben so großem Danke -verpflichtet wie sie mir. — Es war ein reizender Abend!“</p> - -<p>„Er war reizend und die Nacht darauf ebenfalls!“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_325" id="Seite_325">[325]</a></span></p> - -<p>„Ich erinnere mich z. B. nicht, daß die Baronin von <em class="gesperrt">Halderstein</em>, -diese Blume der guten Gesellschaft, ihren glänzenden Geist sowohl wie -ihre schöne Seele jemals freudiger entfaltet hätte, als sie es gestern -in meiner Nähe that. So war auch Herr von Labers dadurch, daß er -sich meiner Gesellschaft gütig erwies, dies gegen mich; — er allein -streute so viel edle Heiterkeit im Kreise aus, daß man noch manchen Tag -daran wird zu zehren haben.... Sodann die liebe gute E—z, diese alte -Freundin meiner Mutter, und die Letztere selbst: o, wie sind uns an der -Seite dieser ehrwürdigen Frauen die Stunden verflossen!... Endlich mein -guter Vater, sogar Edmund, Alle schienen sich wonnevoll nur um mich zu -vereinigen....“</p> - -<p>„Sie verschweigt absichtlich den Namen Marsan’s!“ sagte er im Stillen: -„O — diese Manier ist ungeheuer veraltet — — wiewohl man sie in -neuerer Zeit wieder in Mode zu bringen versucht.“</p> - -<p>In seinem Herzen wühlten die Leiden eines Trostlosen, eines in der -innersten Seele Verzweifelnden — — aber auf dem Angesichte zeigten<span class="pagenum"><a name="Seite_326" id="Seite_326">[326]</a></span> -sich hiervon keine Spuren; dieses glänzte nicht minder zufrieden, wie -jenes Cölestinens.</p> - -<p>„Was sagst Du,“ warf er leicht hin — „zu Herrn von Marsan, der, wie -ich mich erinnere, gestern längere Zeit mit Dir gesprochen? —“</p> - -<p>In diesem Augenblicke überzog eine schreckliche Blässe das Gesicht der -jungen Frau — und indem sie starr nach seiner Stirne blickte, schrie -sie auf: „Um Gotteswillen! was ist das? Was ist mit Dir geschehen, -Alexander? — Deine Stirne ist verwundet — mit Blut unterlaufen....“</p> - -<p>„Oh!“ höhnte es in seinem Innern: „die Elende! Welche Ausflucht! — -Jetzt da meine Frage sie in die Enge getrieben, weiß sie keinen Ausweg, -als daß sie von einer unbedeutenden Verletzung redet, die sie schon -längst bemerkt haben muß....“</p> - -<p>Ob er Recht hatte, so zu urtheilen, bleibt dahin gestellt. Da jedoch -seine Wunde sehr hoch oben auf der Stirne war, so konnte sie zuvor -leicht durch sein dunkles Haupthaar bedeckt — und erst jetzt, da er -mehrmals mit den Fingern durch dasselbe strich — blosgelegt und von -Cölestinen bemerkt worden sein... Sie hatte sich ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_327" id="Seite_327">[327]</a></span> rasch genähert, -sein Haupt mit beiden Händen ergriffen und bebend in ihn gedrungen: -„Sprich, um Alles in der Welt! Was soll ich denken, Alexander? — -Erkläre mir’s! Lasse mich nicht in Ungewißheit? — Dir ist irgend ein -Unglück widerfahren! — O rede, rede! hörst Du denn nicht?..“</p> - -<p>„Wie man’s nehmen will,“ entgegnete er in dem gleichgiltigsten Tone: -„ein Unglück oder auch keins. Jedenfalls aber ist das Ganze nicht -dieses Aufhebens werth — und deßhalb laß uns endlich schweigen.“ Er -entwand sich sanft ihren Händen, die aber sogleich wieder nach ihm -griffen, sich um seinen Hals legten, ihn heran zogen....</p> - -<p>„Die nichtswürdigste aller Heuchlerinnen!“ dachte er und ließ sie -gewähren. — Indessen jammerte sie fort: „O mein Alexander, o mein -Gemahl! Es ist nicht recht von Dir, mir Dein Vertrauen bei einer -Gelegenheit wie diese zu entziehen. Womit hätte ich das auch verdient? -— Alexander — etwas Besonderes muß seit der ewiglangen Zeit, daß wir -uns nicht sahen, vorgefallen sein — — etwas sehr Schlimmes....<span class="pagenum"><a name="Seite_328" id="Seite_328">[328]</a></span> mir -sagt es mein Herz.... Bei unserer Liebe, bei unserer Treue beschwöre -ich Dich, meine Bitte zu erhören!“</p> - -<p>Während der letzteren Worte lachte er gellend auf, so daß sie entsetzt -von ihm losließ und die Hände zusammenschlagend vom Sitze aufsprang, -indem sie rief: „Mein Gott — erbarme Dich seiner und meiner! Träume -ich blos oder geschieht das wirklich hier, was ich nicht fassen kann?!“</p> - -<p>Er richtete sich nun selbst auf und antwortete ganz in der Art, wie -er sie heute seit seinem Eintritt in das Boudoir angenommen: „Aber — -meine Freundin, Du bist in der That ganz außer Dir, und ich, ich selbst -hätte Grund, jene Fragen an Dich zu stellen. — Was soll denn geschehen -sein? Weßhalb erschrickst Du? weßhalb fährst Du von Deinem Sitze so auf -— als sei der Tod vor Dich hingetreten? — Es ist ja nichts geschehen -— sonst hätte ich Dich davon natürlich schon in Kenntniß gesetzt. — -Du starrst noch immer nach meiner Stirne! Nun wohl, diese Wunde von der -ich bisher selber nichts wußte — und<span class="pagenum"><a name="Seite_329" id="Seite_329">[329]</a></span> die ich erst jetzt im Spiegel -bemerke — ich muß sie mir im Schlafe geschlagen haben....“</p> - -<p>„Nachts im Schlafe?“ schüttelte Cölestine das Haupt.</p> - -<p>„Nun ja. Es ist wohl schon vorgekommen, daß man so fest schlief, daß -man selbst von einem Stoß an die Wand — an die Säulen der Bettvorhänge -— nicht erwachte.... Uebrigens, wie gesagt, ich spüre die Wunde kaum. -Ich fühle keinen Schmerz!“</p> - -<p>Wirklich konnte diese Rede auch ein furchtsameres Herz beschwichtigen, -und nach einigen Augenblicken sprach man bereits nicht mehr von diesem -Gegenstande...</p> - -<p>„Es war ihr nur darum zu thun,“ meinte er „recht lange hierbei zu -verweilen und mich die Frage wegen des Chevaliers vergessen zu -machen;..“ und laut setzte er hinzu:</p> - -<p>„Hast Du dem engern Kreise unserer Freunde gestern nicht eröffnet, an -welchem Tage außer dem Sonnabend Du Dich ihrer Gesellschaft erfreuen -möchtest?“</p> - -<p>„Ich sprach davon, mein lieber Mann,“ sagte<span class="pagenum"><a name="Seite_330" id="Seite_330">[330]</a></span> sie: „und wir wählten den -Dienstag, den Donnerstag und den Freitag....“</p> - -<p>„Auf diese Weise,“ bemerkte er laut: „wird ja in unserem Hause ewige -Lust und Freude herrschen....“</p> - -<p>„Ich dachte bei mir, es sei dies zu Deinem Besten, Dein ernster Sinn -werde dadurch zerstreut werden.“</p> - -<p>„Gewiß, gewiß — Sie hat bei jedem Schritt, den sie thut, mich im Auge -— — wie ein kluger Fechter seinen Gegner. Und,“ fragte er sie: „wird -auch die Baronin von Halderstein uns recht oft besuchen —“</p> - -<p>„Ja, mein Freund, sie hat mir’s bestimmt zugesagt.“</p> - -<p>„Auch der Chevalier von Marsan.“</p> - -<p>„Du weißt — daß er sich in letzterer Zeit innig an meinen Bruder -Edmund anschloß, und demnach dürften wir ihn wohl häufig bei uns -sehen.... Uebrigens,“ lächelte sie fein: „habe ich mit Herrn von Marsan -noch einen eigenen Plan...“</p> - -<p>„Wirklich?“</p> - -<p>„Wenn mich nicht Alles trügt, so hat er<span class="pagenum"><a name="Seite_331" id="Seite_331">[331]</a></span> während des gestrigen Abends -— sich mit unserer theuren Baronin von Halderstein angelegentlicher -als mit einer andern Person beschäftigt. — Es verging keine -Viertelstunde, so kehrte er immer wieder zu ihr zurück....“</p> - -<p>„Nämlich — von Dir!“ dachte Alexander: „denn für diesen Herrn scheint -es nicht zu viel, bei zwei Damen auf einmal den Ritter zu spielen...“</p> - -<p>„Und was die Baronin betrifft —“</p> - -<p>„Nun?“</p> - -<p>„Es schien nicht eben — daß sie seine Bewerbungen zurückgewiesen -hätte.“</p> - -<p>„Das Alles ist möglich!“ murmelte der Mann.</p> - -<p>„Kurz, wenn es glückt, so soll die reizende Frau, welche gegen einen -Gatten, der sie verließ, keine Pflichten mehr hat, — die schöne -Freundin Halderstein soll es übernehmen, den unbezwinglichen Roland, -den nie überwundenen Tankred in Fesseln zu legen...... Wir haben uns -dieses gelobt...“</p> - -<p>„Wir? — Wer ist darunter zu verstehen?“</p> - -<p>„Das Nähere kann ich Dir leider nicht vertrauen, mein Freund. Genug -an dem — ich<span class="pagenum"><a name="Seite_332" id="Seite_332">[332]</a></span> bin es nicht allein, die sich über diesen Fall freuen -wird...“</p> - -<p>„Und,“ fragte nach einigem Sinnen Alexander: „wird das Spiel, von dem -Du sprichst, bald beginnen?..“</p> - -<p>„Es nimmt mit dem morgigen Tage seinen Anfang. Du weißt, wir sind -morgen bei der Generalin E—z. Es ist ihr Tag.“</p> - -<p>„So wird also auch der Chevalier dort sein?“</p> - -<p>„Ohne Zweifel — und auch die Halderstein wird nicht fehlen....“</p> - -<p>„— Ich weiß genug!“ sagte er zu sich. — — Er verließ seinen Platz, -umarmte Cölestine und empfahl sich ihr.</p> - -<p>„Wohin so eilig?“ fragte sie.</p> - -<p>„Eine wichtige Angelegenheit ruft mich nach der Stadt.“</p> - -<p>„Wirst Du heute nicht mit mir frühstücken?“</p> - -<p>„Ich habe dies bereits allein auf meinem Arbeitszimmer gethan.“</p> - -<p>„So geh mit Gott und komme bald zurück!“</p> - -<p>„Sehr bald, liebe Cölestine.“ Er war bereits an der Thür, als sie ihn -noch einmal zurückrief — ihn umfing, leidenschaftlich mit Küssen -bedeckte<span class="pagenum"><a name="Seite_333" id="Seite_333">[333]</a></span> und dann mit den Worten zärtlich fortstieß: „Jetzt gehe!“ -— Sie wandte sich von ihm ab — gleichsam um sein Scheiden nicht zu -sehen. Er aber draußen vor der Thür schüttelte das Haupt, sein Gesicht -verfinsterte sich und wild rief er aus: „O schändlich! schändlich! — -— und dies Alles ist Lüge..... Falschheit...... Betrug!...“</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_334" id="Seite_334">[334]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Fuenfzehntes_Kapitel"><b>Fünfzehntes Kapitel.</b><br /> - -<span class="s6">Abend und Nacht.</span></h2> - -</div> - -<p><span class="initial">V</span>iel beschäftigte den Grafen A—x der Gedanke, wer jener geheimnißvolle -Unbekannte sein könne, der wie ein Schatten ihm auf allen Wegen zu -folgen schien, um sich von Zeit zu Zeit zu verkörpern und Warnungen -zuzurufen, für welche er ihm bis jetzt noch stets dankbar sein -zu müssen glaubte — und welche Warnungen diesen mysteriösen, -geisterhaften Freund zu seinem Schutzgeiste erhoben. — Bisweilen -redete er sich vor, eine Stimme seines eigenen Innern ertheile ihm -diese Nachrichten — oder, was dasselbe ist, es seien Ahnungen, die auf -solche Weise zu ihm sprächen. — Genug an dem, wegläugnen ließ sich -diese Erscheinung, so geheimnißvoll sie auch war, keineswegs.... eben -so<span class="pagenum"><a name="Seite_335" id="Seite_335">[335]</a></span> wenig, wie die Wahrhaftigkeit in ihren Worten. — Auch gehörte der -Graf nicht zu jenen hausbackenen Flachköpfen, die dasjenige, was sie -nicht begreifen können, kurzweg läugnen... und nach deren Meinung es in -der Welt nichts geben kann, was nicht mit ihrer armen Alltagsweisheit -übereinstimmt; Menschen, die da glauben, Alles müsse sich mit den -Händen greifen und mit den Augen, über welche eine zwei Linien breite -Hornhaut einen ewigen Schleier legen kann, sehen lassen.... arme -bedauernswürdige Tröpfe, die, gleich den Kindern, welche die Meinung -hegen, außer ihrem Dorfe gebe es weiter keins mehr in der Welt, ihre -fünf Sinne für das einzige Medium halten, wodurch sie mit dem Universum -in Verbindung treten... weil sie von dem sechsten und siebenten -göttlicheren Sinn, der im Hirne und in der Brust wohnt, keine Ahnung -haben....</p> - -<p>Zu diesen spaßhaften Leuten gehörte Graf A—x keineswegs. Nicht daß wir -ihm hieraus ein Verdienst machen wollten; in unseren Tagen ist man, -Dank den ewigen, Alles wieder zu sich selbst zurückführenden, Gesetzen -der Natur — nachdem<span class="pagenum"><a name="Seite_336" id="Seite_336">[336]</a></span> man sich am schöngedrechselten Springbrunnen -der Philosophie hinlänglich vollgetrunken hatte und nun sah, daß es -doch nur Wasser war — wieder zu dem einfachen Felsenquell der Natur -zurückgekehrt, dessen geheimes Herkommen, dessen sanftes Rauschen uns -so Manches erzählt, wovon jene künstlichen Wasserbogen nichts sagen -können. Wir sind, sage ich, auf unserer zirkelförmigen Wanderung, von -traurigem Halbwissen endlich zu einem glaubensvollen höhern Anschauen -gelangt...</p> - -<p>Wer war aber jener Warner, falls es ein Mensch wie der Graf selbst war? -Er wußte Keinen zu nennen — er kannte Niemand, den er fähig hielt, -ein so seltsames und edles Amt bei ihm zu übernehmen. — Nach einigem -Nachdenken mußte Alexander seine Forschung völlig einstellen; auch -gestehen wir in seinem Namen, diese Sache schien ihm nicht wichtig -genug, um sein Augenmerk von einer weit größern lange abzulenken. -Welche dieses war, begreifen wir: es war der Gedanke, es war der -Schmerz seiner liebenden Seele.</p> - -<p>So ungeduldig kann der Räuber hinter einem<span class="pagenum"><a name="Seite_337" id="Seite_337">[337]</a></span> Felsenvorsprung auf einen -die Straße herabkommenden Reisenden nicht warten, um ihm Geld, Glück, -Leben und vielleicht den Himmel zu rauben, wie Alexander des morgigen -Abends harrte, an welchem er doch — wie er mit Gewißheit annahm — -Alles dieses selbst verlieren sollte. — Er glaubte vor Sehnsucht, vor -Erwartung rasend zu werden.... die Stunden rollten so unerbittlich -gemessen dahin... ihm schien es, als sei jede der doppelte Inbegriff -aller früheren. —</p> - -<p>Endlich brach die entscheidende an. — Es war um neun Uhr Abends, -als der Bediente eintrat, meldend, daß die Equipage bereit stehe. -Alexander war im Zimmer wild auf und niedergerannt, er stieß gegen -jeden Gegenstand an, ohne es zu wissen, und beinahe hätte er auch seine -Frau, die eben in diesem Augenblick von ihrer Toilette zurückkehrte, -niedergeworfen.</p> - -<p>„Mein Gott, Alexander, was ist Dir denn?“ redete ihn Cölestine an, -nachdem der Lakai das Zimmer verlassen hatte: „Ueberhaupt kommst Du mir -seit einiger Zeit so sonderbar vor — — Du bist nicht traurig, bist -aber auch nicht heiter,<span class="pagenum"><a name="Seite_338" id="Seite_338">[338]</a></span> und wenn Du lachst, scheint es beinahe, als ob -Du Dich dazu zwingen wolltest....“</p> - -<p>„Meine gewöhnlichen Anfälle — — krankhafte Reizungen — Du kennst -diesen Zustand bei mir; also bringen wir denselben nicht neuerdings -zur Sprache...“ versetzte er, indem er ein Paar Handschuhe anzog; den -Hut ergreifend fragte er dann: „Bist Du bereit, Cölestine? Können wir -gehen?“</p> - -<p>„Wenn es Dir gefällt!“ sie legte ihren Arm in den seinen und ging mit -ihm die Treppe hinab....</p> - -<p>Sie saßen neben einander in einem weiten Batard, und da es überdies -auf den Straßen bereits ganz dunkel war, konnte Cölestine sich ihrem -Manne ungesehen nähern; sie ergriff seine Hand mit ihren beiden: -„Alexander,“ sagte sie mit sanft einschmeichelnder Stimme: „Was hast -Du? Es ist nicht Alles so, wie Du mir sagtest. Deine düstere Stimmung -hat einen andern Grund.... Alexander!“ wiederholte sie mit rührender -Stimme: „soll ich denn Deine Liebe verloren haben — daß Du gar nicht -sprichst?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_339" id="Seite_339">[339]</a></span></p> - -<p>Dies indeß bewog ihn keineswegs zur Aenderung seines Entschlusses. -Wirklich ließ er seine Gemahlin heute und in diesem Augenblick mehr -als je eine Kälte, eine Theilnahmlosigkeit fühlen, an welche sie noch -nicht gewöhnt war. — Er redete auch nur wenig zu ihr — er beschränkte -sich auf die kürzeste Beantwortung ihrer Fragen, durch <em class="gesperrt">Ja</em> oder -<em class="gesperrt">Nein</em>.</p> - -<p>„Es ist gleichwohl möglich,“ sagte sie zu sich, — „daß dieser Trübsinn -aus der alten Quelle entspringt. — Und so wird er durch Geduld allein -zu bannen sein....“</p> - -<p>In diesem Augenblick blieb der Wagen stehen, er war vor dem Hause der -Generalin E—z angekommen. —</p> - -<p>Einsilbig, wie man eingestiegen, verließ man den Wagen und begab sich -durch ein hellerleuchtetes Portal zum Saale hinauf. Die Gesellschaft, -welche sich hier versammelte, war nicht außerordentlich zahlreich, -aber man konnte sie eine gewählte nennen. Die Generalin E—z, alt und -ohne Kinder, ohne Erben, verwendete ihr ziemlich ansehnliches Vermögen -darauf, ihren Freunden und dadurch sich selbst Vergnügen zu<span class="pagenum"><a name="Seite_340" id="Seite_340">[340]</a></span> bereiten. -— Bei ihr fand man Alles, wornach einer zerstreuungssüchtigen -Seele verlangt: die trefflichsten Concerte, Theater, Bälle, -literarisch-artistische Matinées u. s. w. u. s. w. Im Sommer wurden -kurze Ausflüge nach ihren Landsitzen — im Winter auf diesen echt -russische Divertissements: Schlittagen, Rutschpartien und was weiß ich -sonst noch, veranstaltet... Hierbei machte dann, da die Frau vom Hause -zu einer Glanzrolle dieser Art nicht mehr taugte, stets eine ihrer -jüngern Freundinnen die Honneurs, und so kam es, daß ihr Haus in der -That unter die besuchtesten gehörte...</p> - -<p>Als Cölestine mit ihrem Gemahl eintrat, wurde sie von der Matrone und -der Gräfin Wollheim mit jener Auszeichnung empfangen, die man einer -jungen Frau, welche in dieser Eigenschaft zum ersten Male unser Haus -besucht, immer zu Theil werden läßt. Wie Alexander bemerkte, so war der -Chevalier von Marsan schon hier — er stand nach seiner Gewohnheit an -der Seite Edmunds und zwischen mehreren Herren, die irgend eine Debatte -führten. — Der Chevalier hatte ihn fast in demselben Augenblicke<span class="pagenum"><a name="Seite_341" id="Seite_341">[341]</a></span> -wahrgenommen, und es wäre für einen Psychologen interessant gewesen, -diesen heftigen und völlig naturgesetzlichen Moment: das Zusammenfahren -zweier feindlicher Elemente, die sich gleich darauf wieder abstoßen, zu -beobachten.</p> - -<p>Diese zwei Menschen verstanden sich schon vollkommen, sie lasen -einer in des andern Seele. Auf ihren beiden Gesichtern spielte ein -geringschätzendes Lächeln — und in ihren Augen blitzte das Feuer des -Zornes.... Aber als jetzt Alexander nothgedrungen seine Schritte neben -dem Chevalier vorbei lenken mußte, grüßte dieser artig und als ein Mann -von Welt — während jener es nicht überwinden konnte, diese Eigenschaft -völlig zu verläugnen — tyrannisirt von der tödtlichen Eifersucht und -dem tödtlichen Rachedurst eines betrogenen Ehemanns. —</p> - -<p>Ach, es ist leichter zu hoffen, zu besitzen — als zu verlieren!</p> - -<p>Cölestine war bei ihren Freundinnen zurückgeblieben und eilte nun, sich -ihrer Mutter, die auch zugegen war, in die Arme zu werfen... Aber ihr -Blick folgte von Zeit zu Zeit dem Grafen; wie erschrak sie, als sie ihn -jetzt nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_342" id="Seite_342">[342]</a></span> weit von dem Chevalier stehen und diesen mit Blicken und -Mienen durchbohren sah...... In einem Augenblicke wurde ihr so Vieles -klar. Sie glaubte nun den wahren Ursprung von ihres Mannes Gram zu -kennen.... Aber welches Entsetzen faßte sie, als sie in dem nämlichen -Augenblicke den Chevalier seinen Platz verlassen und ihn mit Edmund -auf sich zukommen sah. — Wenig fehlte und sie wäre umgesunken; sie -zitterte an allen Gliedern — diese schienen gelähmt. Sie mußte sich -niederlassen und empfing so, mit farblosem Angesichte, die Huldigung -der zwei Herren. —</p> - -<p>Als jetzt ihr Auge wieder Alexander aufsuchte, sah sie, wie dessen -Miene sich zu einem gräßlichen, grinsenden Lachen verzog, während sein -Haupt fast unmerklich nickte, — gleichsam als wollte er sagen: „Also -so? Es ist gut! —“</p> - -<p>Kaum hatte sie dies erblickt, als sie Marsan, der sie in ein längeres -Gespräch verflechten zu wollen schien, ohne ihn ausreden zu lassen -— rasch und gegen die bisher in allen Gesellschaften herrschende -Gewohnheit, verließ — und sich, so schwach sie war, einige Schritte -weiter<span class="pagenum"><a name="Seite_343" id="Seite_343">[343]</a></span> zur Generalin E—z begab, an deren Seite sie Platz nahm...</p> - -<p>Marsan schien bei diesem Impromptu einen Augenblick überrascht, -sogleich aber faßte er sich wieder und lachte vor sich hin: „Ach, meine -reizende Kleine — das war ein Meisterstreich, den Sie da Ihrem Herrn -Gemahle spielten!... Freilich etwas ungewöhnlich, aber eben darum um so -eher geeignet, ihm Sand in die Augen zu streuen...“</p> - -<p>Dieser Alexander hingegen zuckte dabei mit den Achseln und sagte: -„Der Kunstgriff ist so plump, daß Du mich fast dauerst, armes Weib! -Elendes Weib!“ setzte er zähneknirschend hinzu. Sodann mischte er sich -unter eine Gesellschaft, nahm an Allem Theil, was um ihn vorging — -ließ sich jedoch vermöge seiner Kunst des Beobachtens, worin er sich -ununterbrochen übte, keine Bewegung Cölestinens entgehen. —</p> - -<p>Der Chevalier hatte sich ebenfalls auf einen andern Punkt begeben und -schien schnell den ganzen früheren Vorfall vergessen zu haben, denn mit -aller Unbefangenheit und mit dem feinsten Takte eines Mannes, der zwar -Geist und Liebenswür<span class="pagenum"><a name="Seite_344" id="Seite_344">[344]</a></span>digkeit, aber kein Herz besitzt — begann dieser -glänzende Salonsmann sich mit einem Kreis von Damen zu beschäftigen, -die ihn gewiß nicht mehr interessirten, als alle jene Schönheiten der -Welt, die er noch mit keinem Auge geschaut. Aber Alexander meinte: -„Alles das gehört zu seiner Rolle... Alles das ist schon abgekartet -gewesen, bevor wir noch in diesen Salon traten. — Wo aber ist jene -Baronesse von Halderstein, um derentwillen Marsan eigentlich erschienen -sein soll? Ich sehe sie nirgends. — Und Cölestine wußte es doch so -gewiß, daß dieselbe hier zugegen sein werde.... Es handelt sich um -nichts anderes, als die beiden sich vis à vis zu bringen.... Hahaha, — -Um nichts anderes — nein, um gar nichts sonst! — —“</p> - -<p>Eine sonderbare Unruhe war heute an Edmund von Randow sichtbar. — Er -hatte Marsan seit jenem letzten Impromptu verlassen und schien deutlich -eine Gelegenheit zu suchen, mit seiner Schwester insgeheim zu reden. -Er hatte ihr bereits mehrere Winke gegeben — er hatte sich ihr schon -einigemal genähert — sie jedoch schien das Alles nicht zu beachten, -oder vielmehr,<span class="pagenum"><a name="Seite_345" id="Seite_345">[345]</a></span> sie vermied absichtlich das Zusammentreffen mit ihm; -ohne Zweifel weil sie, die bereits hinlänglich gelesen hatte auf dem -Gesichte ihres Mannes, fürchtete, hierdurch dessen Verdacht noch zu -nähren. — Die Angst Cölestinens läßt sich nicht beschreiben...</p> - -<p>Sie hatte Recht. Selbst dieses Letztere entging den Argusblicken -Alexanders nicht: „Dort,“ sprach er, indem er auf Edmund sah, „geht der -Busenfreund, der Abgesandte ihres Geliebten, um ihr das zu sagen, wozu -für ihn die Gelegenheit nicht günstig ist. O, nicht umsonst hat mein -ahnendes Herz diesen Menschen, der sich ihren Bruder nennt, vom ersten -Augenblick an gehaßt.“</p> - -<p>Die Qual des armen Grafen ward jetzt auch noch durch seine Umgebung -erhöht. Da man nämlich am andern Ende des Salons begann, Musik zu -machen (<em class="gesperrt">Parish-Alvar</em>’s hatte unschuldigerweise eine neue -Terzett- und Quartett-Epoche heraufbeschworen) — beschloß unser -guter Freund, der Herr von <em class="gesperrt">Porgenau</em>, welcher sich an diesem -Ende befand, die Gesellschaft hier zu entschädigen, indem er anfing, -haarsträubende<span class="pagenum"><a name="Seite_346" id="Seite_346">[346]</a></span> Witze zu machen, nachdem er natürlich zuvor auf -haarsträubende Weise pränumerando gelacht hatte:</p> - -<p>„Wissen Sie, meine Freunde,“ sagte er: „wie viele Dinge — hahahaha! -— die Franzosen bei ihrem Kriege — hahahaha! in Algier brauchen... -hahahaha! hahahaha!“</p> - -<p>Alles schwieg. Einige, die Herrn von Porgenau noch nicht kannten, -erwarteten hier etwas ganz Besonderes zu hören.</p> - -<p>„Sie wissen also nicht — wie viele Dinge — hahaha! die Franzosen dort -brauchen — — um hahaha! — sicher zu reussiren?...“</p> - -<p>„Nein, nein!“ versetzten jene Neulinge.</p> - -<p>„Nun,“ antwortete Porgenau — — „aber — hahahaha! hahahaha! er ist -wirklich zu gut dieser Einfall... hahaha! ich kann ihn vor Lachen kaum -von mir geben...“</p> - -<p>„Die Franzosen brauchen,“ sagte er einigermaßen gefaßt: „drei Dinge: -Erstens:“</p> - -<p>Aber in diesem Augenblick platzte die Gemahlin des Bonmotisten, die -natürlicherweise in seiner Nähe saß, um ihr Amt zu verwalten, in ein so -markerschütterndes Wiehern (Lachen konnte<span class="pagenum"><a name="Seite_347" id="Seite_347">[347]</a></span> man’s nicht nennen) aus, daß -selbst ihr Mann erstaunte.</p> - -<p>Endlich hörte ihr Wiehern auf. Aber ein neues Hinderniß trat ein, nun -begann wieder er zu lachen — und dieses abwechselnde ehelich-zärtliche -Anticipations-Gelächter dauerte so lange, daß sich schon einige -Personen erhoben — — da schrie Porgenau laut auf: „Sie können nicht -fortgehen, bevor Sie nicht meine drei Kriegsbedingungen gehört haben. -Also zum Kriege brauchen die Franzosen: 1tens Geld, 2tens Geld und -3tens — — was glauben Sie wohl, was wird das sein? — Ebenfalls Geld! -— hahahahahahahahahahahahaha!! —“</p> - -<p>(Aus Mangel an Raum geben wir nur — wie Handlungsreisende — eine -Probe dieses Lachens, welches nach genauer Berechnung zwei und eine -halbe Meile lang wäre, falls man es ganz niederschreiben wollte.)</p> - -<p>Das war zu schauderhaft. Auch die Geduldigsten und die Trägsten von -den Umstehenden hielten es in der Nähe Porgenau’s nicht länger aus — -Alles verließ seine Plätze. Da rief er in edlem Unwillen ihnen nach: -„So!<span class="pagenum"><a name="Seite_348" id="Seite_348">[348]</a></span> Sie gehen, meine Herren? —“ Und sich umwendend, bemerkte er -gegen seine Frau, der noch immer alle Muskeln des Gesichts krampfhaft -manoeuvrirten: „Die Undankbaren! Nachdem man ihnen seine Ideen -mitgetheilt hat — suchen sie das Weite, um damit zu wuchern!“</p> - -<p>Unter den Zweien oder Dreien, welche zurück blieben, befand sich auch -Alexander. An ihn hielt sich nun Porgenau vorzüglich und fragte den -düster vor sich Hinstarrenden —: „Nun, liebster Graf — es freut mich, -Sie bei mir behalten zu haben. — Was sagen Sie zu der Aufführung der -übrigen Herrn? — Abscheulich, nicht wahr? — Allein ich will mir’s -auch merken. Künftig sollen meine Bonmots nur Ihnen, lieber Freund, und -diesen zwei, drei Herrn hier mitgetheilt werden. Und zum Beweis wollen -wir gleich jetzt den Anfang machen....“ Er gab seiner Frau einen Wink; -sie fing wieder an zu wiehern...</p> - -<p>„Was meinen Sie,“ sagte er — „— ich werde Ihren Scharfsinn, lieber -A—x, ein wenig auf die Probe stellen... Sie werden ohne Zweifel -glänzend bestehen. Also sagen Sie mir<span class="pagenum"><a name="Seite_349" id="Seite_349">[349]</a></span> gefälligst, welcher <em class="gesperrt">Nuß</em> -haben die Alten göttliche Ehren erwiesen? — hahahaha! hahaha! — —“ -Er hielt ein wenig inne und gab seiner Frau ein Zeichen, worauf auch -sie schwieg.</p> - -<p>Es erfolgte jedoch keine Antwort.</p> - -<p>„Nicht wahr?“ begann Porgenau nach einer Pause — „nicht wahr? — -hahahaha...“</p> - -<p>Jetzt platzte auch seine Dame wieder aus...</p> - -<p>„Nicht wahr — das ist ein göttliches Wortspiel! — hahaha! — O — ich -habe hundert ähnliche alle Tage erfunden — hahaha! hahaha! — Bei mir -kommen die Wortspiele, Bonmots und geistreichen Einfälle wie im Sommer -die Frösche — hahaha, auch wieder ein guter Vergleich! — — Also noch -einmal, bester Graf: Welches war die Nuß, der die Alten — —“</p> - -<p>In diesem Augenblicke sprang Alexander plötzlich auf und eilte davon -— im Nu war er vor den Augen des großen Witzboldes verschwunden, -welcher, nachdem er sich von der ersten Ueberraschung erholt hatte, -ausrief: „Ach — Sie entwischen, lieber Graf? Das ist ein alter Kniff. -Sie schämen sich, das Räthsel nicht auflösen zu können — — hahaha! -hahaha! — —“ Und<span class="pagenum"><a name="Seite_350" id="Seite_350">[350]</a></span> zu den drei Letzten des Platzes, die seit einiger -Zeit sich unter dem Einflusse seiner Unterhaltung einem köstlichen -Schlummer ergeben hatten, rief er: „Nun — ich will Sie nicht länger -warten lassen, meine Herrn — — Jene Nuß, der die Alten göttliche Ehre -erwiesen, war — — hahahahahahahahahaha u. s. w. es war: <em class="antiqua">Venus!</em></p> - -<p>Hahahahahahaha — — — — u. s. w.“</p> - -<p>(Das Schlußgewieher der Ehehälfte läßt sich typographisch nicht -darstellen; es fehlen im Setzkasten die Zeichen dafür.)</p> - -<p>Jetzt erst bemerkte Porgenau den Zustand der Drei. „O!“ sprach er: -„meine Freunde, Sie stellen sich, als ob Sie schliefen!... Hahaha! — -Wieder ein neuer Kniff! Doch auch er ist mir bekannt: Sie fürchten, daß -ich Ihnen einen neuen Calembour aufgeben würde — den Sie nicht lösen -könnten... Fürchten Sie nichts, fürchten Sie nichts! Ich weiß, was ich -echten Freunden schuldig bin... wiewohl <em class="gesperrt">Schuldner ein schlechtes -Gedächtniß haben</em>.... hahaha! hahaha! Wieder ein Witz! hahaha! -wieder ein Witz!“</p> - -<p>Wir wenden uns von dieser <em class="antiqua">partie honteuse</em> der Gesellschaft -unseres Salons ab, um zu einer<span class="pagenum"><a name="Seite_351" id="Seite_351">[351]</a></span> interessanteren zu eilen. — Als -Alexander so plötzlich seinen Sitz neben dem unglückseligen Porgenau -verlassen hatte, war dies auf eine Veranlassung geschehen, welche hier -näher beschrieben werden muß. Wir wissen, daß Alexander ununterbrochen -seine Frau sowohl wie ihren Bruder und den Chevalier im Auge behielt; -wir wissen ferner auch, daß Cölestine, als wir zuletzt von ihr gingen, -von Edmund, welcher sie durchaus zu sprechen verlangte, auf alle -mögliche Weise verfolgt ward. Sie hatte diesen Aufforderungen bisher -hartnäckig widerstanden — indem sie dieselben durchaus nicht zu -verstehen schien.... sie war, bald dadurch, daß sie sich abwendete, -bald dadurch, daß sie mit irgend einer Dame sich in ein Gespräch -einließ — bald durch die Aufmerksamkeit, die sie der Musik schenkte -— dem Andringen ihres Bruders entgangen. — Dieser schien darüber in -Verzweiflung — er hatte sich bereits vorgenommen, Cölestinen geradezu -entgegenzutreten — bald jedoch verließ ihn der Muth — und er stand -einige Augenblicke in kläglichem Zorne, stumm an die Wand<span class="pagenum"><a name="Seite_352" id="Seite_352">[352]</a></span> gelehnt. Ein -leichter Schlag weckte ihn aus seinem Trübsinn — es war Marsan.</p> - -<p>„Ah!“ rief Edmund so laut, daß seine Stimme bis zu Alexander drang — -„Sie sehen, guter Marsan — es ist umsonst!“</p> - -<p>Mehr hatte Alexander nicht vernommen; dies aber war für ihn genug, -um, wie wir wissen, gleich einem Wahnsinnigen von seinem Sitze -aufzuspringen — und die Nähe der Zwei aufzusuchen, welche er behorchen -wollte. Zum Glück boten die Draperien des Salons an dieser Stelle einen -vortrefflichen Schlupfwinkel und der Ehemann eilte, davon Gebrauch zu -machen. Er hörte — freilich hatte er jedoch den Anfang ihres Gesprächs -versäumt — Folgendes:</p> - -<p>„Aber — es ist mir unerklärlich, daß Ihre Schwester Sie durchaus -nicht hören will....“ sagte Marsan; „bei mir freilich ist das eine -andere Sache — — sie hat Rücksichten auf den Narren, ihren Mann, zu -nehmen!...“</p> - -<p>„Sagen Sie lieber — den Elenden!“ versetzte Edmund: „dieser Mensch -hat sie gegen mich aufgehetzt — es ist klar. Doch ich will ihm das -entgelten....“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_353" id="Seite_353">[353]</a></span></p> - -<p>„Ja, ja — wir wollen es gemeinschaftlich thun, mein Freund! — Also -sie will Ihnen die ersehnte Gelegenheit durchaus nicht gewähren, -Edmund? — Nun, wissen Sie was? — Dringen Sie jetzt nicht weiter -in sie.... Man darf es mit dem Narren Alexander nicht vorzeitig -verderben.... Zwar übt er durchaus keine Macht auf sie aus... allein -da er fähig ist, einen öffentlichen Skandal zu provociren, so muß man -Cölestinen wenigstens in seiner Gegenwart schonen.... Befolgen Sie also -die Regel, die ich Ihnen vorhin gegeben habe.... Ach!“ rief mit einem -Male der Chevalier aus: „jetzt ist die Zeit dazu — der Narr Alexander -ist nirgends zu sehen — er muß den Saal verlassen haben.“</p> - -<p>„Bei Gott, Sie haben Recht — Marsan!“ versetzte der Jüngling: „Ha! -sehen Sie doch — — Cölestine blickt überall herum — sie scheint -dieselbe Entdeckung gemacht zu haben.... sie sieht den Tyrannen nicht -— — — jetzt giebt sie mir einen Wink! Ich eile zu ihr!“</p> - -<p>Hier hörte das Gespräch auf; die zwei Freunde verließen rasch den -Platz. — Aber sie waren nicht rascher, wie der Gatte, welcher über<span class="pagenum"><a name="Seite_354" id="Seite_354">[354]</a></span> -das, was er so eben gehört hatte, entsetzt aus seinem Hinterhalte -hervor eilte, um den Zweien nachzugehen. — Beim ersten Schritte -jedoch schon blieb er stehen; Cölestine hatte in dem Momente, wo sie -im Begriffe war, sich mit ihrem Bruder in ein Fenster zurückzuziehen -— ihn erblickt und war rasch umgekehrt — indem sie sich auf eine -Ottomane warf....</p> - -<p>Ihr Mann aber zog sich mit einem schweren, tiefen Seufzer zurück — in -ein anstoßendes Kabinet. Doch konnte er noch, als er an der Thür sich -umwandte, sehen, wie sowohl Marsan als Edmund mit kühnem Schritt sich -abermals Cölestinen näherten — und sie jetzt anredeten.</p> - -<p>„Aber, meine Freundin, ich versichere Ihnen — dieser Verein unserer -Damen hat keinen andern Zweck — als Aufsehen zu erregen, und dann -noch einen, welchen ich schon einmal angedeutet und hier, vor dieser -Gesellschaft nicht wiederholen will....“</p> - -<p>„Nein, nein, meine Liebe — Sie irren sich wirklich, Sie thun uns Allen -so bitteres Unrecht.“</p> - -<p>„Wem ist das größte geschehen?“ rief das Stiftsfräulein aus und öffnete -dabei ihren zahn<span class="pagenum"><a name="Seite_355" id="Seite_355">[355]</a></span>losen Mund so gewaltig, daß man, wie am Rande eines -Precipisses in der Schweiz, den Schwindel bekam — —: „Ist es nicht -etwa mir geschehen? — Mir, mir, die so viele menschenfreundliche Plane -hegte — mir, die den Frauenverein zu einer respektableren Bedeutung -führen wollte — mir, der Erfinderin jener Composition und jener -Schlösser, jener Ketten — jener Fangeisen....“</p> - -<p>„Freilich, freilich, es war nicht wohlgethan, Sie, beste Freundin, so -zu behandeln, wie geschehen ist,“ erwiederte Gräfin von Wollheim.... -„man hat sich übernommen, man war zu strenge — man — —“</p> - -<p>„Wie? man war zu strenge?!“ schrie die verkannte Edle, auf das -Wort „zu“ ein Gewicht legend.... „Was hatte man für ein Recht, -<em class="gesperrt">strenge</em> zu sein gegen mich? — Gegen mich, ein Mitglied, welches -sich rühmen kann, zeitlebens für die Tugend, die Sittsamkeit, die -Menschenfreundlichkeit und für das Menschenwohl im Allgemeinen gelebt -zu haben..? — für mich, die Erfinderin — die Entdeckerin so vieler -vortrefflicher Dinge, welche ich alle hier nicht aufzuzählen<span class="pagenum"><a name="Seite_356" id="Seite_356">[356]</a></span> brauche, -da man dieselben hinlänglich kennt!... Oder wie, kennt man sie nicht, -die Fußangeln! die Daumenschrauben? — —“</p> - -<p>Mehrere von den buckligen und liebenswürdigen Zuhörerinnen (wir wissen, -daß das Fräulein ihr eigenes Auditorium hatte) hielten sich hier die -Ohren zu; selbst ihnen, die doch an Humanität auf gleicher Stufe mit -ihr standen — wurde es endlich zu arg.</p> - -<p>„Es ist indeß, wie ich Ihnen vorhin sagte, Hoffnung vorhanden, daß Ihr -Wiedereintritt in den Verein nicht länger beanständigt werden wird, -beste Bomben!“ nahm die Gräfin das Wort.</p> - -<p>„Ich habe Ihnen gleichfalls bemerkt,“ erwiederte diese aufgebracht — -„daß ich das nicht annehmen werde! Mich, mich soll man nie mehr — ich -hab’s geschworen! — in einem Vereine sehen, dessen geheimer Zweck -darin besteht — — hübsche Bauernbursche —“</p> - -<p>Hier hielten sich die Zuhörerinnen abermals die Ohren zu, und die -Wollheim wandte sich mit gefalteten Händen an die Rednerin: „Um -Gotteswillen — nicht weiter, meine Freundin! Was denken Sie? Wenn -diese Worte zur Kenntniß<span class="pagenum"><a name="Seite_357" id="Seite_357">[357]</a></span> des Vereins kommen sollten!... des Vereins, -der Sie ohne Zweifel wieder in seine Mitte zurückrufen wird...“</p> - -<p>„Aber ich wiederhole zum hundertsten Male: daß ich nichts mehr mit -diesem Vereine zu thun haben will. Ich bin hierzu viel zu moralisch! -— Hinfort soll es mein Beruf nur sein: mich dem saubern Vereine -<em class="gesperrt">entgegenzustellen</em>... ihn zu bekämpfen... ihn zu ruiniren..... -Oh! Oh!“ schäumte sie: „Wenn ich schon Nero’s Schwert nicht besitzen -kann, um diesem hübschen Damenkranz mit einem Hiebe die Köpfe -abzuschlagen.... so möchte ich doch wenigstens das Gift der <em class="gesperrt">Lukretia -Borgia</em> haben — — — —“ Hier hielt die genügsame Dame plötzlich -inne, gemahnt ohne Zweifel von der Erinnerung, daß wir in dieser -verderbten Welt auch eine Polizei haben....</p> - -<p>Die buckligen und anderen Zuhörerinnen aber erhoben sich, und ohne ein -Wort zu sprechen, verließen sie die Aspirantin des Giftes der Borgia —</p> - -<p>Es mußte wirklich bis zu einem solchen Punkte kommen, um diese Damen zu -vertreiben. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_358" id="Seite_358">[358]</a></span></p> - -<p>Allein Gräfin Wollheim überdauerte sie alle, vermöge ihrer -Gutmüthigkeit und einer Leidenschaft für Strumpfgespräche, die beide, -seit die Welt steht, noch nicht da waren.</p> - -<p>Indessen, als diese Episoden sich hier zutrugen, rollte anderwärts die -Haupthandlung des Abends in ununterbrochener Gleichförmigkeit fort. -Die Musik war zu Ende — d. h. jenes Harfenterzett oder Quartett, von -dem wir oben gesprochen haben. Jetzt — sollte etwas Neues kommen; -eine große brillante Arie aus der jüngsten Oper Donizetti’s, dieses -Lieblings der Musen, der es bleiben wird, mögen seine nordischen -Eiferer und Geiferer sich und ihre traurigen Federn noch so vollsaugen -mit Gift und Galle.<a name="FNAnker_F_6" id="FNAnker_F_6"></a><a href="#Fussnote_F_6" class="fnanchor">[F]</a> — Da die Arie, welche wir meinen, von einer -sehr berühmten Dilettantin (Fräulein von G—e—) gesungen wurde, so -widmete man derselben die größte Aufmerksamkeit, und einige Augenblicke -schien der Geist dieser Versammlung sich nur um<span class="pagenum"><a name="Seite_359" id="Seite_359">[359]</a></span> die Sängerin zu -concentriren. — Dies schien jedoch blos so. Es mochten in so manchen -Herzen Dinge vorgehen, die keinen Bezug auf die schöne Sängerin hatten, -wiewohl man Blicke und Mienen nur auf sie richtete — wiewohl man nur -zu athmen schien, um Worte des Beifalls für sie zu haben. Wo in aller -Welt wäre auch eine größere und tiefere Schauspielkunst zu finden, als -in den Kreisen jener Gesellschaft, die sich ausschließlich die gute -nennt? Mich dünkt — es könnte hier Jemand wissen, daß die nächste -Minute die seines Todes sein werde, und er würde, in der vorhergehenden -zu einer Polonaise aufgefordert — süß lächelnd entgegnen: „Mit dem -größten Vergnügen!“</p> - -<p>Diesen Gesichtspunkt müssen wir im Auge behalten, um den Zustand, worin -sich in diesem Augenblick eine Person in diesem Salon befand, gehörig -zu würdigen. Da saß Cölestine, dieses schöne, junge, reizende Weib -und hörte stumm den Tönen der Musik zu. Auf ihrem blüthenreinen — -aber auch blüthenbleichen Gesichte malte sich Aufmerksamkeit, Spannung -und tiefe Anschauung ab — auf diesem Gesichte, worin sonst<span class="pagenum"><a name="Seite_360" id="Seite_360">[360]</a></span> nur -Lust, Heiterkeit und schalkhafte Koketterie zu lesen war. Jene Mienen -schienen mit der herrlichen Musik im Zusammenhange zu stehen — — -aber auch hier können wir sagen: daß sie dieses blos <em class="gesperrt">schienen</em>. -Dieses schwarze, glühende, jetzt durch den seidnen Vorhang der Wimpern -halbverdeckte Auge — war zwar auf die Sängerin gerichtet; es sah -jedoch nichts von ihr, es sah in sich selbst zurück, in die eigene -Brust sah es hinein...</p> - -<p>Welche mochten die Gedanken sein, die in dieser Brust sich drängten? -— denn sie war voll, überfüllt davon — so daß sie zu überfließen -schienen, wie ein allzu voller Becher: O hätte sie das wohl vor -einigen Monaten geahnt — in jener Zeit, als sie ihrem Manne aus -inniger Zuneigung die Hand reichte? — Ach, damals kannte sie ihn noch -nicht! Sie träumte damals von paradiesischen Tagen und hesperidischen -Nächten... dies war nun vorbei.... es schien ein Wahn, eine -Seifenblase...</p> - -<p>Cölestine warf, wie von einem plötzlichen Gedanken beunruhigt, ihren -Blick jetzt wieder im Saale umher.... da sah sie den Chevalier<span class="pagenum"><a name="Seite_361" id="Seite_361">[361]</a></span> neben -Edmund, welcher sie erst vor Kurzem verlassen hatte, in einiger -Entfernung, an der entgegengesetzten Wand stehen — und Marsan schien -sie mit seinen Augen zu verschlingen... — Er wollte sich ihr schon -wieder nähern — — da winkte sie ihm flehend mit beiden Händen.... und -er blieb. —</p> - -<p>— Diese ganze Scene aber hatte Alexander wieder aus dem Nebenzimmer -beobachtet. Noch sah er, daß Edmund versteckt ein Zeichen mit der Hand -machte, wobei zwei Finger ausgestreckt waren, wie man die zweite Stunde -zu bezeichnen pflegt. —</p> - -<p>Der unglückliche Ehemann rief mit Thränen in den Augen vor sich: „Das -ist eine Bestellung — um 2 Uhr! Ein Kind müßte es begreifen.“</p> - -<p>Gleich darauf verließ Edmund sowohl wie der Chevalier den Saal und sie -waren hier heute nicht ferner zu sehen. —</p> - -<p>— — Mitternacht nahte heran, als man von allen Seiten sich zum -Aufbruch anschickte. — Alexander erschien, um seine Frau wegzuführen; -Arm in Arm gelangten beide zu ihrem Wagen. Jedoch glaubte Alexander zu -bemerken, daß nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_362" id="Seite_362">[362]</a></span> nur der Arm, sondern der ganze Körper seiner Frau -von aller Kraft entblößt war.</p> - -<p>Man sprach sowohl beim Einsteigen als auch während der Fahrt kein Wort. -Nur in der Nähe ihrer Wohnung erst war es, wo Cölestine wie aus einem -tiefen Schlafe erwachte. „Ach! schon zu Hause?“ sagte sie, und er -erwiederte eintönig: „Schon zu Hause!“ Hierauf schwiegen sie wieder. Er -hob sie aus dem Wagen. — Vor ihren Gemächern verabschiedete er sich -von ihr, indem er vorgab, diese Nacht in seinem Studierzimmer zubringen -zu wollen.</p> - -<p>„Wachend?“ fragte sie.</p> - -<p>„Nein, nein; im Schlafe!“ entgegnete er, ergriff ihre Hand, führte sie -zu seinen Lippen und wollte forteilen. Aber sie faßte ihn plötzlich, -zog ihn zurück, sah ihn einige Augenblicke stumm und mit einem -unbeschreiblichen Ausdruck von Schmerz an — preßte sodann seine Hand -an ihr Herz und fragte endlich mit matter Stimme: „Warum willst Du -die Nacht so fern von mir zubringen, Alexander?“ Und als er schwieg, -fuhr sie fort: „Du zürnst mir, Du verdammst mich... Aber ein Gott ist -mein<span class="pagenum"><a name="Seite_363" id="Seite_363">[363]</a></span> Zeuge, daß ich mir nichts vorzuwerfen habe! — O Alexander, mein -Gemahl, ich liebe Dich so innig! Könntest Du in mein Herz sehen!“</p> - -<p>Sie wollte noch weiter sprechen, er hatte sich jedoch bereits sachte -losgemacht, und noch ein Mal „Gute Nacht!“ wünschend, war er über den -Corridor verschwunden. —</p> - -<p>— Er betrat, wie er gesagt hatte, sein Studierzimmer, schraubte die -Lampe, die hier bereits brannte, höher, warf einige Kleidungsstücke ab -und sich in seinen Schlafrock. Sodann verschloß er die Thür, ließ die -doppelten Rouleaux vor den Fenstern herab, setzte sich an den Tisch und -legte seine Taschenuhr, die sehr verläßlich war, vor sich nieder. —</p> - -<p>Er zählte Minute um Minute; es war jetzt nahe an Eins. —</p> - -<p>„Noch eine Stunde —“ murmelte er dumpf — „dann ist die Betrügerin -entlarvt.... Ja, ich vertraue fest auf die Zeichen, welche ich sah, -und auf die Ahnung in meinem Innern, die mir zuflüstert, daß ich das -Schrecklichste erst jetzt sehen werde. — — O, mein Gott! womit habe -ich es verdient? — Wesen, das Du voll Allmacht<span class="pagenum"><a name="Seite_364" id="Seite_364">[364]</a></span> und Gerechtigkeit -thronst über uns — wo sind hier die Spuren dieser Eigenschaften? — -Was habe ich gethan? Ich habe dieses Weib geliebt wie das Blut meines -Herzens — wie den Hauch meiner Seele.... und sie, sie vergiftete dafür -das erstere und erstickte diesen auf meuchlerische Weise. — Soll das -die Dankbarkeit sein, welche Du Deinen Kreaturen einimpfest? dann -freilich entsprechen sie genau Deiner Liebe und Gerechtigkeit, deren -Ausfluß sie ja sein sollen.... Doch genug! — Ich will harren und das -tödtliche Gift bis zum letzten Tropfen einschlürfen!.... Ich will die -Stunde erwarten.... sie ist nicht mehr fern.“</p> - -<p>Er legte sein Haupt in die offene Hand, welche er auf den Tisch -stützte, und versank in einen Abgrund entsetzlicher Träume. Nur ein an -Allem, auch dem Letzten und Höchsten, Zweifelnder und Verzweifelnder -kann so träumen.</p> - -<p>— — Endlich richtete er den Blick auf die Uhr. Der Zeiger stand -gerade auf Zwei. Wild fuhr er vom Sitze auf und rannte nach einem -Schranke, aus welchem er ein Kästchen von Sandelholz, mit Perlenmutter -und emaillirtem Sil<span class="pagenum"><a name="Seite_365" id="Seite_365">[365]</a></span>ber ausgelegt, hervorholte. Er stellte es auf den -Tisch und schloß es auf. Zwei Paar Pistolen lagen darin, eine von ihnen -lud er und steckte sie zu sich — dann stellte er das Kästchen wieder -an seinen Platz, löschte die Lampe aus und verließ das Zimmer. —</p> - -<p>In dem Augenblicke, als er den Fuß vor die Thür setzte, fiel ihm ein, -daß er vielleicht gar zu spät kommen könnte. Er schalt sich, nicht -<em class="gesperrt">vor</em> der Stunde aufgebrochen zu sein, denn noch wußte er ja nicht -den Ort, an welchen er sich begeben sollte.</p> - -<p>Er sann einen Augenblick nach, dann ging er rasch, aber mit leisem -Schritte hinab zu dem Portier, weckte den guten Mann, der bereits -längst wohlgemuth in einem thurmhohen Federbette schnarchte, und fragte -ihn, ob er vor Mitternacht keine Person aus- oder eingehen gesehen -habe, die ihm verdächtig, unbekannt oder verkleidet schien. Der brave -Mann in seinem Federbette versetzte, daß ihm nichts dem Aehnliches -vorgekommen wäre. Schon wollte Alexander fortgehen — als der brave -Mann aus seinem Federbette plötzlich auffuhr, rufend: „<em class="gesperrt">Halt!</em> -—<span class="pagenum"><a name="Seite_366" id="Seite_366">[366]</a></span> <em class="gesperrt">gräfliche Gnaden verzeihen gehorsamst</em> .... jetzt fällt -mir ein — oder vielmehr es kommt mir so vor... als sei so zwischen -11 und 12 Uhr ein Herr rasch hereintreten, durch den Thorweg geeilt -— und ehe ich ihn anrufen konnte, im Hofe verschwunden. — Leider -ging die Hauptlampe heute früher aus wie sonst — — und es war dort -pechfinster, trotz der andern kleinen Lämpchen, gräflichen Gnaden -aufzuwarten. — Ueberdies dacht’ ich bei mir: wer weiß, wer der Herr -ist! ’s kann auch Jemand aus dem Hause sein; Nachts sind alle Kühe -schwarz....“ So schloß der Portier, welcher, wie man sieht, ein wahres -Muster seiner Zunft war. —</p> - -<p>Alexander aber war bereits fortgeeilt.... er schlug den Weg zum -Schlafzimmer seiner Frau ein. — Ein wildes Fieber schüttelte seine -Glieder, als er hier anlangte. — Er hatte bisher alle Thüren leise -geöffnet — an diese legte er zuerst sein Ohr an, um zu horchen.</p> - -<p>Nichts war zu hören, auch nicht die Athemzüge einer Schlummernden. — -Er trat vorsichtig ein, näherte sich dem Bette Cölestinens — tastete -— — fand es leer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_367" id="Seite_367">[367]</a></span></p> - -<p>Doch konnte nicht gezweifelt werden, daß sie noch kurz vorher darin -gelegen habe. — Es war am untern Ende noch warm von den Füßen...</p> - -<p>Das Gefühl, welches bei dieser Entdeckung des Armen Herz durchschnitt, -ist nicht zu beschreiben. Er säumte jedoch nicht lange und ging -weiter. Wohin aber sollte er sich zuerst wenden? War sie nicht im -Schlafgemache, wohin sonst sollte sie sich zu dieser Stunde begeben -haben? — Etwa aus dem Hause hinaus. Dies schien nicht wahrscheinlich -— und überdies stimmte diese Annahme nicht mit jener von dem -Herrn überein, in welchem Manne Alexander keinen Andern als den -<em class="gesperrt">Chevalier</em> vermuthete. Was — vermuthete? — <em class="gesperrt">Wußte!</em> -muß gesagt werden; denn er hätte für diese Ueberzeugung sein Leben -hingegeben. —</p> - -<p>Es fiel ihm ein, nach dem Arbeitszimmer seiner Frau zu gehen, da -dieses sehr einsam und mit den Fenstern nach dem Garten zu lag. Um -jedoch dahin zu gelangen, mußte er an Cölestinens Boudoir vorüber -gehen. Als er in dessen Nähe gelangte — fiel ein Lichtschimmer nicht -größer als ein kurzer Seidenfaden auf einen seiner Füße — — es hätte -ein Blitzstrahl sein können, er hätte ihn nicht fester an den Platz -gebannt. — Jetzt glaubte er ein heftiges Flüstern zu vernehmen — das -mit einem Male abbrach — und bald darauf wieder anhob — sogar von -einem leisen Schluchzen unterbrochen. —</p> - -<p>Er konnte nicht länger zweifeln. Dies hier war der Schauplatz des -Verbrechens. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_368" id="Seite_368">[368]</a></span></p> - -<p>Vorsichtig trat er an die Thür des Boudoirs — und versuchte durch’s -Schlüsselloch zu blicken — — aber in demselben Augenblick wurde im -Innern das Licht ausgelöscht. — Er hatte jedoch mit dem letzten Blick -noch die Umrisse einer hohen eleganten Mannesgestalt, in einen langen -Oberrock gehüllt, erhascht. Das war hinreichend, hätte er übrigens auch -die letzten Worte, welche Jener mit gedämpfter Stimme sprach, nicht -gehört. Diese Worte lauteten: „Niemals, niemals werde ich dieser Stunde -vergessen, und was Du, Geliebte, in ihr für mich gewagt!“ —</p> - -<p>Mehr konnte er nicht verstehen — die Beiden hatten sich bereits in -einem der nächsten Gemächer verloren. —</p> - -<p>Alexander vermuthete, daß Cölestine ihren Geliebten zuerst unten im -Garten abgeholt und sodann durch eine Reihe von Zimmern, also auf -Umwegen, hierher geführt habe. — Seiner Berechnung nach, mochten -hierüber bis zum gegenwärtigen Augenblick eine und eine halbe Stunde -verflossen sein, denn es war jetzt ein Viertel auf vier Uhr.</p> - -<p>Er hatte von seiner Waffe keinen Gebrauch machen können und trat nun -den Rückweg nach seinem Arbeitszimmer an — dumpf im Hirn, todt in der -Brust.</p> - -<p class="s5 center padtop2 mbot3">Ende des ersten Theiles.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="chapter"> - -<p class="s2 center"><b>Fußnoten:</b></p> - -</div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_A_1" id="Fussnote_A_1"></a><a href="#FNAnker_A_1"><span class="label">[A]</span></a> Befehlen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_B_2" id="Fussnote_B_2"></a><a href="#FNAnker_B_2"><span class="label">[B]</span></a> Man verzeihe es uns, wenn wir nicht im Stande sind, die -klassische Mundart der Dame in ursprünglicher Form wiederzugeben.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_C_3" id="Fussnote_C_3"></a><a href="#FNAnker_C_3"><span class="label">[C]</span></a> Man kennt diese und andere sinnreiche Werkzeuge, welche -jene zwei Tyrannen des Alterthums zum Verderben ihrer Opfer erfanden.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_D_4" id="Fussnote_D_4"></a><a href="#FNAnker_D_4"><span class="label">[D]</span></a> Trödler.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_E_5" id="Fussnote_E_5"></a><a href="#FNAnker_E_5"><span class="label">[E]</span></a> Meister Lips Firma, die über seiner Wohnung hing, lautete: -<em class="gesperrt">Sophronias Lips</em>, <em class="gesperrt">Wechsler</em>, <em class="gesperrt">Antiquar</em>, <em class="gesperrt">Juwelier -und Hühneraugen-Operateur</em>.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_F_6" id="Fussnote_F_6"></a><a href="#FNAnker_F_6"><span class="label">[F]</span></a> Es fallen mir hierbei Heine’s Worte ein, der den Feinden -des göttlichen <em class="gesperrt">Rossini</em> wünscht, daß sie verdammt sein sollen, -nach dem Tode in alle Ewigkeit <em class="gesperrt">Bach’sche Fugen</em> anzuhören.</p></div> - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Cölestine, oder der eheliche Verdacht - Erster Theil (von 2), by Julian Chownitz - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK COELESTINE, ERSTER THEIL *** - -***** This file should be named 53217-h.htm or 53217-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/3/2/1/53217/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This file was produced from images -generously made available by The Internet Archive) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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