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+The Project Gutenberg EBook of Dantons Tod, by Georg Büchner
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+**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**
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+**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**
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+*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****
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+Title: Dantons Tod
+
+Author: Georg Büchner
+
+Release Date: February, 2004 [EBook #5072]
+[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
+[This file was first posted on April 14, 2002]
+[Most recently updated August 4, 2002]
+
+Edition: 10
+
+Language: German
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+Character set encoding: ISO 8859-1
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+*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DANTONS TOD ***
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+This eBook was produced for Project Gutenberg of Germany by Gerd Bouillon.
+
+
+
+Georg Büchner
+
+Dantons Tod
+
+Ein Drama
+
+
+
+Personen:
+
+Deputierte des Nationalkonvents:
+ Georg Danton
+ Legendre
+ Camille Desmoulins
+ Hérault-Séchelles
+ Lacroix
+ Philippeau
+ Fabre d'Eglantine
+ Mercier
+ Thomas Payne
+
+Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses:
+ Robespierre
+ St. Just
+ Barère
+ Collot d'Herbois
+ Billaud-Varennes
+
+Chaumette, Prokurator des Gemeinderats
+
+Dillon, ein General
+
+Fouquier-Tinville, öffentlicher Ankläger
+
+Amar und Vouland, Mitglieder des Sicherheitsausschusses
+
+Herman und Dumas, Präsidenten des Revolutionstribunales
+
+Paris, ein Freund Dantons
+
+Simon, Souffleur
+
+Weib Simons
+
+Laflotte
+
+Julie, Dantons Gattin
+
+Lucile, Gattin des Camille Desmoulins
+
+Rosalie, Adelaide und Marion, Grisetten
+
+Damen am Spieltisch, Herren und Damen sowie junger Herr und Eugenie
+auf einer Promenade, Bürger, Bürgersoldaten, Lyoner und andere
+Deputierte, Jakobiner, Präsidenten des Jakobinerklubs und des
+Nationalkonvents, Schließer, Henker und Fuhrleute, Männer und Weiber
+aus dem Volk, Grisetten, Bänkelsänger, Bettler usw.
+
+
+
+
+Erster Akt
+
+Erste Szene
+
+Hérault-Séchelles, einige Damen am Spieltisch. Danton, Julie etwas
+weiter weg, Danton auf einem Schemel zu den Füßen von Julie.
+
+Danton.
+Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Karten dreht! Ja wahrhaftig,
+sie versteht's; man sagt, sie halte ihrem Manne immer das coeur und
+anderen Leuten das carreau hin. - Ihr könntet einen noch in die Lüge
+verliebt machen.
+
+Julie.
+Glaubst du an mich?
+
+Danton.
+Was weiß ich! Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir
+strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe, wir
+reiben nur das grobe Leder aneinander ab - wir sind sehr einsam.
+
+Julie.
+Du kennst mich, Danton.
+
+Danton.
+Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar
+und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieber Georg! Aber (er
+deutet ihr auf Stirn und Augen) da, da, was liegt hinter dem? Geh, wir
+haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädeldecken
+aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren. -
+
+Eine Dame (zu Hérault).
+Was haben Sie nur mit Ihren Fingern vor?
+
+Hérault.
+Nichts!
+
+Dame.
+Schlagen Sie den Daumen nicht so ein, es ist nicht zum Ansehn!
+
+Hérault.
+Sehn Sie nur, das Ding hat eine ganz eigne Physiognomie. -
+
+Danton.
+Nein, Julie, ich liebe dich wie das Grab.
+
+Julie (sich abwendend).
+Oh!
+
+Danton.
+Nein, höre! Die Leute sagen, im Grab sei Ruhe, und Grab und Ruhe seien
+eins. Wenn das ist, lieg ich in deinem Schoß schon unter der Erde. Du
+süßes Grab, deine Lippen sind Totenglocken, deine Stimme ist mein
+Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg. -
+
+Dame.
+Verloren!
+
+Hérault.
+Das war ein verliebtes Abenteuer, es kostet Geld wie alle andern.
+
+Dame.
+Dann haben Sie Ihre Liebeserklärungen, wie ein Taubstummer, mit den
+Fingern gemacht.
+
+Hérault.
+Ei, warum nicht? Man will sogar behaupten, gerade die würden am
+leichtesten verstanden. - Ich zettelte eine Liebschaft mit einer
+Kartenkönigin an; meine Finger waren in Spinnen verwandelte Prinzen,
+Sie, Madame, waren die Fee; aber es ging schlecht, die Dame lag immer
+in den Wochen, jeden Augenblick bekam sie einen Buben. Ich würde meine
+Tochter dergleichen nicht spielen lassen, die Herren und Damen fallen
+so unanständig übereinander und die Buben kommen gleich hintennach.
+
+(Camille Desmoulins und Philippeau treten ein.)
+
+Hérault.
+Philippeau, welch trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rote Mütze
+gerissen? Hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht? Hat es
+während des Guillotinierens geregnet? Oder hast du einen schlechten
+Platz bekommen und nichts sehen können?
+
+Camille.
+Du parodierst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den
+Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen
+fand: »Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren? Bist du im
+Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein andrer besser
+gesungen oder besser die Zither geschlagen?« Welche klassischen
+Republikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenromantik dagegen!
+
+Philippeau.
+Heute sind wieder zwanzig Opfer gefallen. Wir waren im Irrtum, man
+hat die Hebertisten nur aufs Schafott geschickt, weil sie nicht
+systematisch genug verfuhren, vielleicht auch, weil die Dezemvirn sich
+verloren glaubten, wenn es nur eine Woche Männer gegeben hätte, die
+man mehr fürchtete als sie.
+
+Hérault.
+Sie möchten uns zu Antediluvianern machen. St. Just säh' es nicht
+ungern, wenn wir wieder auf allen vieren kröchen, damit uns der
+Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhrmachers Fallhütchen,
+Schulbänke und einen Herrgott erfände.
+
+Philippeau.
+Sie würden sich nicht scheuen, zu dem Behuf an Marats Rechnung noch
+einige Nullen zu hängen. Wie lange sollen wir noch schmutzig und
+blutig sein wie neugeborne Kinder, Särge zur Wiege haben und
+mit Köpfen spielen? Wir müssen vorwärts: der Gnadenausschuß muß
+durchgesetzt, die ausgestoßnen Deputierten müssen wieder aufgenommen
+werden!
+
+Hérault.
+Die Revolution ist in das Stadium der Reorganisation gelangt. - Die
+Revolution muß aufhören, und die Republik muß anfangen. - In unsern
+Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das
+Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an die der Strafe
+treten. Jeder muß sich geltend machen und seine Natur durchsetzen
+können. Er mag nun vernünftig oder unvernünftig, gebildet oder
+ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir alle
+sind Narren, es hat keiner das Recht, einem andern seine eigentümliche
+Narrheit aufzudrängen. - Jeder muß in seiner Art genießen können,
+jedoch so, daß keiner auf Unkosten eines andern genießen oder ihn in
+seinem eigentümlichen Genuß stören darf.
+
+Camille.
+Die Staatsform muß ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an
+den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen
+der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß sich darin abdrücken. Die
+Gestalt mag nun schön oder häßlich sein, sie hat einmal das Recht,
+zu sein, wie sie ist; wir sind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein
+nach Belieben zuzuschneiden. - Wir werden den Leuten, welche über
+die nackten Schultern der allerliebsten Sünderin Frankreich den
+Nonnenschleier werfen wollen, auf die Finger schlagen. - Wir wollen
+nackte Götter, Bacchantinnen, olympische Spiele, und von melodischen
+Lippen: ach, die gliederlösende, böse Liebe! - Wir wollen den Römern
+nicht verwehren, sich in die Ecke zu setzen und Rüben zu kochen,
+aber sie sollen uns keine Gladiatorspiele mehr geben wollen. - Der
+göttliche Epikur und die Venus mit dem schönen Hintern müssen statt
+der Heiligen Marat und Chalier die Türsteher der Republik werden. -
+Danton, du wirst den Angriff im Konvent machen!
+
+Danton.
+Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben! sagen
+die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen
+sein. Nicht wahr, mein Junge?
+
+Camille.
+Was soll das hier? Das versteht sich von selbst.
+
+Danton.
+Oh, es versteht sich alles von selbst. Wer soll denn all die schönen
+Dinge ins Werk setzen?
+
+Philippeau.
+Wir und die ehrlichen Leute.
+
+Danton.
+Das »und« dazwischen ist ein langes Wort, es hält uns ein wenig weit
+auseinander; die Strecke ist lang, die Ehrlichkeit verliert den Atem,
+eh' wir zusammenkommen. Und wenn auch! - den ehrlichen Leuten kann man
+Geld leihen, man kann bei ihnen Gevatter stehn und seine Töchter an
+sie verheiraten, aber das ist alles!
+
+Camille.
+Wenn du das weißt, warum hast du den Kampf begonnen?
+
+Danton.
+Die Leute waren mir zuwider. Ich konnte dergleichen gespreizte Katonen
+nie ansehn, ohne ihnen einen Tritt zu geben. Mein Naturell ist einmal
+so. (Er erhebt sich.)
+
+Julie.
+Du gehst?
+
+Danton (zu Julie).
+Ich muß fort, sie reiben mich mit ihrer Politik noch auf. - (Im
+Hinausgehn:) Zwischen Tür und Angel will ich euch prophezeien: die
+Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle
+können uns noch die Finger dabei verbrennen. (Ab.)
+
+Camille.
+Laßt ihn! Glaubt ihr, er könne die Finger davon lassen, wenn es zum
+Handeln kömmt?
+
+Hérault.
+Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt.
+
+
+
+Zweite Szene
+
+Eine Gasse
+
+Simon. Sein Weib.
+
+Simon (schlägt das Weib).
+Du Kuppelpelz, du runzlige Sublimatpille, du wurmstichiger
+Sündenapfel!
+
+Weib.
+He, Hülfe! Hülfe!
+
+(Es kommen Leute gelaufen.)
+
+Leute.
+Reißt sie auseinander, reißt sie auseinander!
+
+Simon.
+Nein, laßt mich, Römer! Zerschellen will ich dies Geripp! Du Vestalin!
+
+Weib.
+Ich eine Vestalin? Das will ich sehen, ich.
+
+Simon.
+ So reiß ich von den Schultern dein Gewand.
+ Nackt in die Sonne schleudr' ich dann dein Aas.
+
+Du Hurenbett, in jeder Runzel deines Leibes nistet Unzucht. (Sie
+werden getrennt.)
+
+Erster Bürger.
+Was gibt's?
+
+Simon.
+Wo ist die Jungfrau? Sprich! Nein, so kann ich nicht sagen. Das
+Mädchen! Nein, auch das nicht. Die Frau, das Weib! Auch das, auch das
+nicht! Nur noch ein Name; oh, der erstickt mich! Ich habe keinen Atem
+dafür.
+
+Zweiter Bürger.
+Das ist gut, sonst würde der Name nach Schnaps riechen.
+
+Simon.
+Alter Virginius, verhülle dein kahl Haupt - der Rabe Schande sitzt
+darauf und hackt nach deinen Augen. Gebt mir ein Messer, Römer! (Er
+sinkt um.)
+
+Weib.
+Ach, er ist sonst ein braver Mann, er kann nur nicht viel vertragen;
+der Schnaps stellt ihm gleich ein Bein.
+
+Zweiter Bürger.
+Dann geht er mit dreien.
+
+Weib.
+Nein, er fällt.
+
+Zweiter Bürger.
+Richtig, erst geht er mit dreien, und dann fällt er auf das dritte,
+bis das dritte selbst wieder fällt.
+
+Simon.
+Du bist die Vampirzunge, die mein wärmstes Herzblut trinkt.
+
+Weib.
+Laßt ihn nur, das ist so die Zeit, worin er immer gerührt wird; es
+wird sich schon geben.
+
+Erster Bürger.
+Was gibt's denn?
+
+Weib.
+Seht ihr: ich saß da so auf dem Stein in der Sonne und wärmte mich,
+seht ihr - denn wir haben kein Holz, seht ihr -
+
+Zweiter Bürger.
+So nimm deines Mannes Nase.
+
+Weib.
+Und meine Tochter war da hinuntergegangen um die Ecke - sie ist ein
+braves Mädchen und ernährt ihre Eltern.
+
+Simon.
+Ha, sie bekennt!
+
+Weib.
+Du Judas! hättest du nur ein Paar Hosen hinauf zuziehen, wenn
+die jungen Herren die Hosen nicht bei ihr hinunterließen? Du
+Branntweinfaß, willst du verdursten, wenn das Brünnlein zu laufen
+aufhört, he? - Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch
+damit; ihre Mutter hat damit geschafft, wie sie zur Welt kam, und es
+hat ihr weh getan; kann sie für ihre Mutter nicht auch damit schaffen,
+he? und tut's ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf!
+
+Simon.
+Ha, Lukretia! ein Messer, gebt mir ein Messer, Römer! Ha, Appius
+Claudius!
+
+Erster Bürger.
+Ja, ein Messer, aber nicht für die arme Hure! Was tat sie? Nichts! Ihr
+Hunger hurt und bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch
+unserer Weiber und Töchter kaufen. Weh über die, so mit den
+Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und sie haben
+Magendrücken; ihr habt Löcher in den Jacken, und sie haben warme
+Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Samthände.
+Ergo, ihr arbeitet, und sie tun nichts; ergo, ihr habt's erworben, und
+sie haben's gestohlen; ergo, wenn ihr von eurem gestohlnen Eigentum
+ein paar Heller wiederhaben wollt, müßt ihr huren und betteln; ergo,
+sie sind Spitzbuben, und man muß sie totschlagen!
+
+Dritter Bürger.
+Sie haben kein Blut in den Adern, als was sie uns ausgesaugt haben.
+Sie haben uns gesagt: schlagt die Aristokraten tot, das sind Wölfe!
+Wir haben die Aristokraten an die Laternen gehängt. Sie haben gesagt:
+das Veto frißt euer Brot; wir haben das Veto totgeschlagen. Sie haben
+gesagt: die Girondisten hungern euch aus; wir haben die Girondisten
+guillotiniert. Aber sie haben die Toten ausgezogen, und wir laufen wie
+zuvor auf nackten Beinen und frieren. Wir wollen ihnen die Haut von
+den Schenkeln ziehen und uns Hosen daraus machen, wir wollen ihnen das
+Fett auslassen und unsere Suppen mit schmelzen. Fort! Totgeschlagen,
+wer kein Loch im Rock hat!
+
+Erster Bürger.
+Totgeschlagen, wer lesen und schreiben kann!
+
+Zweiter Bürger.
+Totgeschlagen, wer auswärts geht!
+
+Alle (schreien).
+Totgeschlagen! Totgeschlagen!
+
+(Einige schleppen einen jungen Menschen herbei.)
+
+Einige Stimmen.
+Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die
+Laterne!
+
+Zweiter Bürger.
+Was? er schneuzt sich die Nase nicht mit den Fingern? An die Laterne!
+(Eine Laterne wird heruntergelassen.)
+
+Junger Mensch.
+Ach, meine Herren!
+
+Zweiter Bürger.
+Es gibt hier keine Herren! An die Laterne!
+
+Einige (singen).
+ Die da liegen in der Erden,
+ Von de Würm gefresse werden;
+ Besser hangen in der Luft,
+ Als verfaulen in der Gruft!
+
+Junger Mensch.
+Erbarmen!
+
+Dritter Bürger.
+Nur ein Spielen mit einer Hanflocke um den Hals! 's ist nur ein
+Augenblick, wir sind barmherziger als ihr. Unser Leben ist der Mord
+durch Arbeit; wir hängen sechzig Jahre lang am Strick und zapplen,
+aber wir werden uns losschneiden. - An die Laterne!
+
+Junger Mensch.
+Meinetwegen, ihr werdet deswegen nicht heller sehen.
+
+Die Umstehenden.
+Bravo! Bravo!
+
+Einige Stimmen.
+Laßt ihn laufen! (Er entwischt.)
+
+(Robespierre tritt auf, begleitet von Weibern und Ohnehosen.)
+
+Robespierre.
+Was gibt's da, Bürger?
+
+Dritter Bürger.
+Was wird's geben? Die paar Tropfen Bluts vom August und September
+haben dem Volk die Backen nicht rot gemacht. Die Guillotine ist zu
+langsam. Wir brauchen einen Platzregen!
+
+Erster Bürger.
+Unsere Weiber und Kinder schreien nach Brot, wir wollen sie mit
+Aristokratenfleisch füttern. He! totgeschlagen, wer kein Loch im Rock
+hat!
+
+Alle.
+Totgeschlagen! Totgeschlagen!
+
+Robespierre.
+Im Namen des Gesetzes!
+
+Erster Bürger.
+Was ist das Gesetz?
+
+Robespierre.
+Der Wille des Volks.
+
+Erster Bürger.
+Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo ist
+dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibt's kein Gesetz
+mehr, ergo totgeschlagen!
+
+Einige Stimmen.
+Hört den Aristides! hört den Unbestechlichen!
+
+Ein Weib.
+Hört den Messias, der gesandt ist, zu wählen und zu richten; er wird
+die Bösen mit der Schärfe des Schwertes schlagen. Seine Augen sind die
+Augen der Wahl, seine Hände sind die Hände des Gerichts.
+
+Robespierre.
+Armes, tugendhaftes Volk! Du tust deine Pflicht, du opferst deine
+Feinde. Volk, du bist groß! Du offenbarst dich unter Blitzstrahlen und
+Donnerschlägen. Aber, Volk, deine Streiche dürfen deinen eignen Leib
+nicht verwunden; du mordest dich selbst in deinem Grimm. Du kannst
+nur durch deine eigne Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine
+Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen; ihre Augen sind
+untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar. Kommt mit zu den Jakobinern!
+Eure Brüder werden euch ihre Arme öffnen, wir werden ein Blutgericht
+über unsere Feinde halten.
+
+Viele Stimmen.
+Zu den Jakobinern! Es lebe Robespierre! (Alle ab.)
+
+Simon.
+Weh mir, verlassen! (Er versucht sich aufzurichten.)
+
+Weib.
+Da! (Sie unterstützt ihn.)
+
+Simon.
+Ach, meine Baucis! du sammelst Kohlen auf mein Haupt.
+
+Weib.
+Da steh!
+
+Simon.
+Du wendest dich ab? Ha, kannst du mir vergeben, Porcia? Schlug ich
+dich? Das war nicht meine Hand, war nicht mein Arm, mein Wahnsinn tat
+es.
+ Sein Wahnsinn ist des armen Hamlet Feind.
+ Hamlet tat's nicht, Hamlet verleugnet's.
+
+
+Wo ist unsre Tochter, wo ist mein Sannchen?
+
+Weib.
+Dort um das Eck herum.
+
+Simon.
+Fort zu ihr! Komm, mein tugendreich Gemahl. (Beide ab.)
+
+
+
+Dritte Szene
+Der Jakobinerklub
+
+Ein Lyoner.
+Die Brüder von Lyon senden uns, um in eure Brust ihren bittren Unmut
+auszuschütten. Wir wissen nicht, ob der Karren, auf dem Ronsin zur
+Guillotine fuhr, der Totenwagen der Freiheit war, aber wir wissen,
+daß seit jenem Tage die Mörder Chaliers wieder so fest auf den Boden
+treten, als ob es kein Grab für sie gäbe. Habt ihr vergessen, daß Lyon
+ein Flecken auf dem Boden Frankreichs ist, den man mit den Gebeinen
+der Verräter zudecken muß? Habt ihr vergessen, daß diese Hure der
+Könige ihren Aussatz nur in dem Wasser der Rhone abwaschen kann? Habt
+ihr vergessen, daß dieser revolutionäre Strom die Flotten Pitts im
+Mittelmeere auf den Leichen der Aristokraten muß stranden machen? Eure
+Barmherzigkeit mordet die Revolution. Der Atemzug eines Aristokraten
+ist das Röcheln der Freiheit. Nur ein Feigling stirbt für die
+Republik, ein Jakobiner tötet für sie. Wißt: finden wir in euch nicht
+mehr die Spannkraft der Männer des 10. August, des September und des
+31. Mai, so bleibt uns, wie dem Patrioten Gaillard, nur der Dolch des
+Kato. (Beifall und verwirrtes Geschrei.)
+
+Ein Jakobiner.
+Wir werden den Becher des Sokrates mit euch trinken!
+
+Legendre (schwingt sich auf die Tribüne).
+Wir haben nicht nötig, unsere Blicke auf Lyon zu werfen. Die Leute,
+die seidne Kleider tragen, die in Kutschen fahren, die in den Logen im
+Theater sitzen und nach dem Diktionär der Akademie sprechen, tragen
+seit einigen Tagen die Köpfe fest auf den Schultern. Sie sind witzig
+und sagen, man müsse Marat und Chalier zu einem doppelten Märtyrertum
+verhelfen und sie in effigie guillotinieren. (Heftige Bewegung in der
+Versammlung.)
+
+Einige Stimmen.
+Das sind tote Leute, ihre Zunge guillotiniert sie.
+
+Legendre.
+Das Blut dieser Heiligen komme über sie! Ich frage die anwesenden
+Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses, seit wann ihre Ohren so taub
+geworden sind...
+
+Collot d'Herbois (unterbricht ihn).
+Und ich frage dich, Legendre, wessen Stimme solchen Gedanken Atem
+gibt, daß sie lebendig werden und zu sprechen wagen? Es ist Zeit, die
+Masken abzureißen. Hört! Die Ursache verklagt ihre Wirkung, der Ruf
+sein Echo, der Grund seine Folge. Der Wohlfahrtsausschuß versteht mehr
+Logik, Legendre. Sei ruhig! Die Büsten der Heiligen werden unberührt
+bleiben, sie werden wie Medusenhäupter die Verräter in Stein
+verwandten.
+
+Robespierre.
+Ich verlange das Wort.
+
+Die Jakobiner.
+Hört, hört den Unbestechlichen!
+
+Robespierre.
+Wir warteten nur auf den Schrei des Unwillens, der von allen Seiten
+ertönt, um zu sprechen. Unsere Augen waren offen, wir sahen den Feind
+sich rüsten und sich erheben, aber wir haben das Lärmzeichen nicht
+gegeben; wir ließen das Volk sich selbst bewachen, es hat nicht
+geschlafen, es hat an die Waffen geschlagen. Wir ließen den Feind aus
+seinem Hinterhalt hervorbrechen, wir ließen ihn anrücken; jetzt steht
+er frei und ungedeckt in der Helle des Tages, jeder Streich wird ihn
+treffen, er ist tot, sobald ihr ihn erblickt habt.
+
+Ich habe es euch schon einmal gesagt: in zwei Abteilungen, wie in zwei
+Heerhaufen, sind die inneren Feinde der Republik zerfallen. Unter
+Bannern von verschiedener Farbe und auf den verschiedensten Wegen
+eilen sie alle dem nämlichen Ziele zu. Die eine dieser Faktionen ist
+nicht mehr. In ihrem affektierten Wahnsinn suchte sie die erprobtesten
+Patrioten als abgenutzte Schwächlinge beiseite zu werfen, um die
+Republik ihrer kräftigsten Arme zu berauben. Sie erklärte der Gottheit
+und dem Eigentum den Krieg, um eine Diversion zugunsten der Könige zu
+machen. Sie parodierte das erhabne Drama der Revolution, um dieselbe
+durch studierte Ausschweifungen bloßzustellen. Héberts Triumph
+hätte die Republik in ein Chaos verwandelt, und der Despotismus war
+befriedigt. Das Schwert des Gesetzes hat den Verräter getroffen. Aber
+was liegt den Fremden daran, wenn ihnen Verbrecher einer anderen
+Gattung zur Erreichung des nämlichen Zwecks bleiben? Wir haben nichts
+getan, wenn wir noch eine andere Faktion zu vernichten haben.
+
+Sie ist das Gegenteil der vorhergehenden. Sie treibt uns zur Schwäche,
+ihr Feldgeschrei heißt: Erbarmen! Sie will dem Volk seine Waffen
+und die Kraft, welche die Waffen führt, entreißen, um es nackt und
+entnervt den Königen zu überantworten.
+
+Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist
+die Tugend - die Tugend, weil ohne sie der Schrecken verderblich, der
+Schrecken, weil ohne ihn die Tugend ohnmächtig ist. Der Schrecken ist
+ein Ausfluß der Tugend, er ist nichts anders als die schnelle, strenge
+und unbeugsame Gerechtigkeit. Sie sagen, der Schrecken sei die Waffe
+einer despotischen Regierung, die unsrige gliche also dem Despotismus.
+Freilich! aber so, wie das Schwert in den Händen eines Freiheitshelden
+dem Säbel gleicht, womit der Satellit des Tyrannen bewaffnet ist.
+Regiere der Despot seine tierähnlichen Untertanen durch den Schrecken,
+er hat recht als Despot; zerschmettert durch den Schrecken die Feinde
+der Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder
+recht. Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen
+die Tyrannei.
+
+Erbarmen mit den Royalisten! rufen gewisse Leute. Erbarmen mit
+Bösewichtern? Nein! Erbarmen für die Unschuld, Erbarmen für die
+Schwäche, Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Menschheit!
+Nur dem friedlichen Bürger gebührt von seiten der Gesellschaft Schutz.
+
+In einer Republik sind nur Republikaner Bürger; Royalisten und
+Fremde sind Feinde. Die Unterdrücker der Menschheit bestrafen, ist
+Gnade; ihnen verzeihen, ist Barbarei. Alle Zeichen einer falschen
+Empfindsamkeit scheinen mir Seufzer, welche nach England oder nach
+Östreich fliegen.
+
+Aber nicht zufrieden, den Arm des Volkes zu entwaffnen, sucht man noch
+die heiligsten Quellen seiner Kraft durch das Laster zu vergiften.
+Dies ist der feinste, gefährlichste und abscheulichste Angriff auf die
+Freiheit. Nur der höllischste Machiavellismus, doch - nein! Ich will
+nicht sagen, daß ein solcher Plan in dem Gehirne eines Menschen hätte
+ausgebrütet werden können! Es mag unwillkürlich geschehen, doch
+die Absicht tut nichts zur Sache, die Wirkung bleibt die nämliche,
+die Gefahr ist gleich groß! Das Laster ist das Kainszeichen des
+Aristokratismus. In einer Republik ist es nicht nur ein moralisches,
+sondern auch ein politisches Verbrechen; der Lasterhafte ist der
+politische Feind der Freiheit, er ist ihr um so gefährlicher,
+je größer die Dienste sind, die er ihr scheinbar erwiesen. Der
+gefährlichste Bürger ist derjenige, welcher leichter ein Dutzend rote
+Mützen verbraucht als eine gute Handlung vollbringt.
+
+Ihr werdet mich leicht verstehen, wenn ihr an Leute denkt, welche
+sonst in Dachstuben lebten und jetzt in Karossen fahren und mit
+ehemaligen Marquisinnen und Baronessen Unzucht treiben. Wir dürfen
+wohl fragen: ist das Volk geplündert, oder sind die Goldhände der
+Könige gedrückt worden, wenn wir Gesetzgeber des Volks mit allen
+Lastern und allem Luxus der ehemaligen Höflinge Parade machen, wenn
+wir diese Marquis und Grafen der Revolution reiche Weiber heiraten,
+üppige Gastmähler geben, spielen, Diener halten und kostbare Kleider
+tragen sehen? Wir dürfen wohl staunen, wenn wir sie Einfälle haben,
+schöngeistern und so etwas vom guten Ton bekommen hören. Man hat vor
+kurzem auf eine unverschämte Weise den Tacitus parodiert, ich könnte
+mit dem Sallust antworten und den Katilina travestieren; doch ich
+denke, ich habe keine Striche mehr nötig, die Porträts sind fertig.
+
+Keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit den Menschen, welche nur
+auf Ausplünderung des Volkes bedacht waren, welche diese Ausplünderung
+ungestraft zu vollbringen hofften, für welche die Republik eine
+Spekulation und die Revolution ein Handwerk war! In Schrecken gesetzt
+durch den reißenden Strom der Beispiele, suchen sie ganz leise die
+Gerechtigkeit abzukühlen. Man sollte glauben, jeder sage zu sich
+selbst: »Wir sind nicht tugendhaft genug, um so schrecklich zu sein.
+Philosophische Gesetzgeber, erbarmt euch unsrer Schwäche! Ich wage
+euch nicht zu sagen, daß ich lasterhaft bin; ich sage euch also
+lieber: seid nicht grausam!«
+
+Beruhige dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten! Sagt
+euren Brüdern zu Lyon: das Schwert des Gesetzes roste nicht in den
+Händen, denen ihr es anvertraut habt! - Wir werden der Republik ein
+großes Beispiel geben. (Allgemeiner Beifall.)
+
+Viele Stimmen.
+Es lebe die Republik! Es lebe Robespierre!
+
+Präsident.
+Die Sitzung ist aufgehoben.
+
+
+
+Vierte Szene
+
+Eine Gasse
+
+Lacroix. Legendre.
+
+Lacroix.
+Was hast du gemacht, Legendre! Weißt du auch, wem du mit deinen Büsten
+den Kopf herunterwirfst?
+
+Legendre.
+Einigen Stutzern und eleganten Weibern, das ist alles.
+
+Lacroix.
+Du bist ein Selbstmörder, ein Schatten, der sein Original und somit
+sich selbst ermordet.
+
+Legendre.
+Ich begreife nicht.
+
+Lacroix.
+Ich dächte, Collot hätte deutlich gesprochen.
+
+Legendre.
+Was macht das? Es war, als ob eine Champagnerflasche spränge. Er war
+wieder betrunken.
+
+Lacroix.
+Narren, Kinder und - nun? - Betrunkne sagen die Wahrheit. Wen glaubst
+du denn, daß Robespierre mit dem Katilina gemeint habe?
+
+Legendre.
+Nun?
+
+Lacroix.
+Die Sache ist einfach. Man hat die Atheisten und Ultrarevolutionärs
+aufs Schafott geschickt; aber dem Volk ist nicht geholfen, es läuft
+noch barfuß in den Gassen und will sich aus Aristokratenleder Schuhe
+machen. Der Guillotinenthermometer darf nicht fallen; noch einige
+Grade, und der Wohlfahrtsausschuß kann sich sein Bett auf dem
+Revolutionsplatz suchen.
+
+Legendre.
+Was haben damit meine Büsten zu schaffen?
+
+Lacroix.
+Siehst du's noch nicht? Du hast die Contrerevolution offiziell
+bekanntgemacht, du hast die Dezemvirn zur Energie gezwungen, du hast
+ihnen die Hand geführt. Das Volk ist ein Minotaurus, der wöchentlich
+seine Leichen haben muß, wenn er sie nicht auffressen soll.
+
+Legendre.
+Wo ist Danton?
+
+Lacroix.
+Was weiß ich! Er sucht eben die Mediceische Venus stückweise bei allen
+Grisetten des Palais-Royal zusammen; er macht Mosaik, wie er sagt. Der
+Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade ist. Es ist ein Jammer, daß
+die Natur die Schönheit, wie Medea ihren Bruder, zerstückt und sie so
+in Fragmenten in die Körper gesenkt hat. - Gehn wir ins Palais-Royal!
+(Beide ab.)
+
+
+
+Fünfte Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Danton. Marion.
+
+Marion.
+Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen.
+
+Danton.
+Du könntest deine Lippen besser gebrauchen.
+
+Marion.
+Nein, laß mich einmal so. - Meine Mutter war eine kluge Frau; sie
+sagte mir immer, die Keuschheit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute ins
+Haus kamen und von manchen Dingen zu sprechen anfingen, hieß sie mich
+aus dem Zimmer gehn; frug ich, was die Leute gewollt hätten, so sagte
+sie mir, ich solle mich schämen; gab sie mir ein Buch zu lesen, so
+mußt' ich fast immer einige Seiten überschlagen. Aber die Bibel las
+ich nach Belieben, da war alles heilig; aber es war etwas darin, was
+ich nicht begriff. Ich mochte auch niemand fragen, ich brütete über
+mir selbst. Da kam der Frühling; es ging überall etwas um mich vor,
+woran ich keinen Teil hatte. Ich geriet in eine eigne Atmosphäre,
+sie erstickte mich fast. Ich betrachtete meine Glieder; es war mir
+manchmal, als wäre ich doppelt und verschmölze dann wieder in eins.
+Ein junger Mensch kam zu der Zeit ins Haus; er war hübsch und sprach
+oft tolles Zeug; ich wußte nicht recht, was er wollte, aber ich mußte
+lachen. Meine Mutter hieß ihn öfters kommen, das war uns beiden recht.
+Endlich sahen wir nicht ein, warum wir nicht ebensogut zwischen zwei
+Bettüchern beieinander liegen, als auf zwei Stühlen nebeneinander
+sitzen durften. Ich fand dabei mehr Vergnügen als bei seiner
+Unterhaltung und sah nicht ab, warum man mir das geringere gewähren
+und das größere entziehen wollte. Wir taten's heimlich. Das ging so
+fort. Aber ich wurde wie ein Meer, was alles verschlang und sich
+tiefer und tiefer wühlte. Es war für mich nur ein Gegensatz da, alle
+Männer verschmolzen in einen Leib. Meine Natur war einmal so, wer kann
+da drüber hinaus? Endlich merkt' er's. Er kam eines Morgens und küßte
+mich, als wollte er mich ersticken; seine Arme schnürten sich um
+meinen Hals, ich war in unsäglicher Angst. Da ließ er mich los und
+lachte und sagte: er hätte fast einen dummen Streich gemacht; ich
+solle mein Kleid nur behalten und es brauchen, es würde sich schon von
+selbst abtragen, er wolle mir den Spaß nicht vor der Zeit verderben,
+es wäre doch das einzige, was ich hätte. Dann ging er; ich wußte
+wieder nicht, was er wollte. Den Abend saß ich am Fenster; ich bin
+sehr reizbar und hänge mit allem um mich nur durch eine Empfindung
+zusammen; ich versank in die Wellen der Abendröte. Da kam ein Haufe
+die Straße herab, die Kinder liefen voraus, die Weiber sahen aus den
+Fenstern. Ich sah hinunter: sie trugen ihn in einem Korb vorbei, der
+Mond schien auf seine bleiche Stirn, seine Locken waren feucht, er
+hatte sich ersäuft. Ich mußte weinen. - Das war der einzige Bruch in
+meinem Wesen. Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten
+sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren
+Geburtstag einmal gerührt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal
+nach. Ich begreife nichts davon: ich kenne keinen Absatz, keine
+Veränderung. Ich bin immer nur eins; ein ununterbrochenes Sehnen und
+Fassen, eine Glut, ein Strom. Meine Mutter ist vor Gram gestorben; die
+Leute weisen mit Fingern auf mich. Das ist dumm. Es läuft auf eins
+hinaus, an was man seine Freude hat, an Leibern, Christusbildern,
+Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das nämliche Gefühl; wer am
+meisten genießt, betet am meisten.
+
+Danton.
+Warum kann ich deine Schönheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht
+ganz umschließen?
+
+Marion.
+Danton, deine Lippen haben Augen.
+
+Danton.
+Ich möchte ein Teil des Äthers sein, um dich in meiner Flut zu baden,
+um mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen.
+
+(Lacroix, Adelaide, Rosalie treten ein.)
+
+Lacroix (bleibt in der Tür stehn).
+Ich muß lachen, ich muß lachen.
+
+Danton (unwillig).
+Nun?
+
+Lacroix.
+Die Gasse fällt mir ein.
+
+Danton.
+Und?
+
+Lacroix.
+Auf der Gasse waren Hunde, eine Dogge und ein Bologneser
+Schoßhündlein, die quälten sich.
+
+Danton.
+Was soll das?
+
+Lacroix.
+Das fiel mir nun grade so ein, und da mußt' ich lachen. Es sah
+erbaulich aus! Die Mädel guckten aus den Fenstern; man sollte
+vorsichtig sein und sie nicht einmal in der Sonne sitzen lassen. Die
+Mücken treiben's ihnen sonst auf den Händen; das macht Gedanken.
+Legendre und ich sind fast durch alle Zellen gelaufen, die Nönnlein
+von der Offenbarung durch das Fleisch hingen uns an den Rockschößen
+und wollten den Segen. Legendre gibt einer die Disziplin, aber er
+wird einen Monat dafür zu fasten bekommen. Da bringe ich zwei von den
+Priesterinnen mit dem Leib.
+
+Marion.
+Guten Tag, Demoiselle Adelaide! guten Tag, Demoiselle Rosalie!
+
+Rosalie.
+Wir hatten schon lange nicht das Vergnügen.
+
+Marion.
+Es war mir recht leid.
+
+Adelaide.
+Ach Gott, wir sind Tag und Nacht beschäftigt.
+
+Danton (zu Rosalie).
+Ei, Kleine, du hast ja geschmeidige Hüften bekommen.
+
+Rosalie.
+Ach ja, man vervollkommnet sich täglich.
+
+Lacroix.
+Was ist der Unterschied zwischen dem antiken und einem modernen
+Adonis?
+
+Danton.
+Und Adelaide ist sittsam-interessant geworden; eine pikante
+Abwechslung. Ihr Gesicht sieht aus wie ein Feigenblatt, das sie sich
+vor den ganzen Leib hält. So ein Feigenbaum an einer so gangbaren
+Straße gibt einen erquicklichen Schatten.
+
+Adelaide.
+Ich wäre ein Herdweg, wenn Monsieur...
+
+Danton.
+Ich verstehe; nur nicht böse, mein Fräulein!
+
+Lacroix.
+So höre doch! Ein moderner Adonis wird nicht von einem Eber, sondern
+von Säuen zerrissen; er bekommt seine Wunde nicht am Schenkel, sondern
+in den Leisten, und aus seinem Blut sprießen nicht Rosen hervor,
+sondern schießen Quecksilberblüten an.
+
+Danton.
+O laß das, Fräulein Rosalie ist ein restaurierter Torso, woran nur die
+Hüften und Füße antik sind. Sie ist eine Magnetnadel: was der Pol Kopf
+abstößt, zieht der Pol Fuß an; die Mitte ist ein Äquator, wo jeder
+eine Sublimattaufe bekömmt, der die Linie passiert.
+
+Lacroix.
+Zwei Barmherzige Schwestern; jede dient in einem Spital, d. h. in
+ihrem eignen Körper.
+
+Rosalie.
+Schämen Sie sich, unsere Ohren rot zu machen!
+
+Adelaide.
+Sie sollten mehr Lebensart haben! (Adelaide und Rosalie ab.)
+
+Danton.
+Gute Nacht, ihr hübschen Kinder!
+
+Lacroix.
+Gute Nacht, ihr Quecksilbergruben!
+
+Danton.
+Sie dauern mich, sie kommen um ihr Nachtessen.
+
+Lacroix.
+Höre, Danton, ich komme von den Jakobinern.
+
+Danton.
+Nichts weiter?
+
+Lacroix.
+Die Lyoner verlasen eine Proklamation; sie meinten, es bliebe ihnen
+nichts übrig, als sich in die Toga zu wickeln. Jeder macht ein
+Gesicht, als wollte er zu seinem Nachbar sagen: Paetus, es schmerzt
+nicht! - Legendre rief, man wolle Chaliers und Marats Büsten
+zerschlagen. Ich glaube, er will sich das Gesicht wieder rot machen;
+er ist ganz aus der Terreur herausgekommen, die Kinder zupfen ihn auf
+der Gasse am Rock.
+
+Danton.
+Und Robespierre?
+
+Lacroix.
+Fingerte auf der Tribüne und sagte: die Tugend muß durch den Schrecken
+herrschen. Die Phrase machte mir Halsweh.
+
+Danton.
+Sie hobelt Bretter für die Guillotine.
+
+Lacroix.
+Und Collot schrie wie besessen, man müsse die Masken abreißen.
+
+Danton.
+Da werden die Gesichter mitgehen.
+
+(Paris tritt ein.)
+
+Lacroix.
+Was gibt's, Fabricius?
+
+Paris.
+Von den Jakobinern weg ging ich zu Robespierre; ich verlangte eine
+Erklärung. Er suchte eine Miene zu machen wie Brutus, der seine
+Söhne opfert. Er sprach im allgemeinen von den Pflichten, sagte: der
+Freiheit gegenüber kenne er keine Rücksicht, er würde alles opfern,
+sich, seinen Bruder, seine Freunde.
+
+Danton.
+Das war deutlich; man braucht nur die Skala herumzukehren, so steht
+er unten und hält seinen Freunden die Leiter. Wir sind Legendre Dank
+schuldig, er hat sie sprechen gemacht.
+
+Lacroix.
+Die Hebertisten sind noch nicht tot, das Volk ist materiell elend, das
+ist ein furchtbarer Hebel. Die Schale des Blutes darf nicht steigen,
+wenn sie dem Wohlfahrtsausschuß nicht zur Laterne werden soll; er hat
+Ballast nötig, er braucht einen schweren Kopf.
+
+Danton.
+Ich weiß wohl - die Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eignen
+Kinder. (Nach einigem Besinnen:) Doch, sie werden's nicht wagen.
+
+Lacroix.
+Danton, du bist ein toter Heiliger; aber die Revolution kennt keine
+Reliquien, sie hat die Gebeine aller Könige auf die Gasse und alle
+Bildsäulen von den Kirchen geworfen. Glaubst du, man würde dich als
+Monument stehen lassen?
+
+Danton.
+Mein Name! das Volk!
+
+Lacroix.
+Dein Name! Du bist ein Gemäßigter, ich bin einer, Camille, Philippeau,
+Hérault. Für das Volk sind Schwäche und Mäßigung eins; es schlägt die
+Nachzügler tot. Die Schneider von der Sektion der roten Mütze werden
+die ganze römische Geschichte in ihrer Nadel fühlen, wenn der Mann des
+September ihnen gegenüber ein Gemäßigter war.
+
+Danton.
+Sehr wahr, und außerdem - das Volk ist wie ein Kind, es muß alles
+zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt.
+
+Lacroix.
+Und außerdem, Danton, sind wir lasterhaft, wie Robespierre sagt, d. h.
+wir genießen; und das Volk ist tugendhaft, d. h. es genießt nicht,
+weil ihm die Arbeit die Genußorgane stumpf macht, es besäuft sich
+nicht, weil es kein Geld hat, und es geht nicht ins Bordell, weil es
+nach Käs und Hering aus dem Hals stinkt und die Mädel davor einen Ekel
+haben.
+
+Danton.
+Es haßt die Genießenden wie ein Eunuch die Männer.
+
+Lacroix.
+Man nennt uns Spitzbuben, und (sich zu den Ohren Dantons neigend) es
+ist, unter uns gesagt, so halbwegs was Wahres dran. Robespierre und
+das Volk werden tugendhaft sein. St. Just wird einen Roman schreiben,
+und Barère wird eine Carmagnole schneidern und dem Konvent das
+Blutmäntelchen umhängen und - ich sehe alles.
+
+Danton.
+Du träumst. Sie hatten nie Mut ohne mich, sie werden keinen gegen mich
+haben; die Revolution ist noch nicht fertig, sie könnten mich noch
+nötig haben, sie werden mich im Arsenal aufheben.
+
+Lacroix.
+Wir müssen handeln.
+
+Danton.
+Das wird sich finden.
+
+Lacroix.
+Es wird sich finden, wenn wir verloren sind.
+
+Marion (zu Danton).
+Deine Lippen sind kalt geworden, deine Worte haben deine Küsse
+erstickt.
+
+Danton (zu Marion).
+So viel Zeit zu verlieren! Das war der Mühe wert! - (Zu Lacroix:)
+Morgen geh ich zu Robespierre; ich werde ihn ärgern, da kann er nicht
+schweigen. Morgen also! Gute Nacht, meine Freunde, gute Nacht! ich
+danke euch!
+
+Lacroix.
+Packt euch, meine guten Freunde, Packt euch! Gute Nacht, Danton! Die
+Schenkel der Demoiselle guillotinieren dich, der Mons Veneris wird
+dein Tarpejischer Fels. (Ab mit Paris.)
+
+
+
+Sechste Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Robespierre. Danton. Paris.
+
+Robespierre.
+Ich sage dir, wer mir in den Arm fällt, wenn ich das Schwert ziehe,
+ist mein Feind - seine Absicht tut nichts zur Sache; wer mich
+verhindert, mich zu verteidigen, tötet mich so gut, als wenn er mich
+angriffe.
+
+Danton.
+Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an; ich sehe keinen Grund, der
+uns länger zum Töten zwänge.
+
+Robespierre.
+Die soziale Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur
+Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab. Die gute Gesellschaft
+ist noch nicht tot, die gesunde Volkskraft muß sich an die Stelle
+dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster
+muß bestraft werden, die Tugend muß durch den Schrecken herrschen.
+
+Danton.
+Ich verstehe das Wort Strafe nicht. - Mit deiner Tugend, Robespierre!
+Du hast kein Geld genommen, du hast keine Schulden gemacht, du hast
+bei keinem Weibe geschlafen, du hast immer einen anständigen Rock
+getragen und dich nie betrunken. Robespierre, du bist empörend
+rechtschaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der
+nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen,
+bloß um des elenden Vergnügens willen, andre schlechter zu finden als
+mich. - Ist denn nichts in dir, was dir nicht manchmal ganz leise,
+heimlich sagte: du lügst, du lügst!?
+
+Robespierre.
+Mein Gewissen ist rein.
+
+Danton.
+Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält; jeder putzt
+sich, wie er kann, und geht auf seine eigne Art auf seinen Spaß dabei
+aus. Das ist der Mühe wert, sich darüber in den Haaren zu liegen!
+Jeder mag sich wehren, wenn ein andrer ihm den Spaß verdirbt. Hast du
+das Recht, aus der Guillotine einen Waschzuber für die unreine Wäsche
+anderer Leute und aus ihren abgeschlagenen Köpfen Fleckkugeln für ihre
+schmutzigen Kleider zu machen, weil du immer einen sauber gebürsteten
+Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren, wenn sie dir drauf spucken
+oder Löcher hineinreißen; aber was geht es dich an, solang sie dich in
+Ruhe lassen? Wenn sie sich nicht genieren, so herumzugehn, hast du
+deswegen das Recht, sie ins Grabloch zu sperren? Bist du der
+Polizeisoldat des Himmels? Und kannst du es nicht ebensogut mitansehn
+als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die
+Augen.
+
+Robespierre.
+Du leugnest die Tugend?
+
+Danton.
+Und das Laster. Es gibt nur Epikureer, und zwar grobe und feine,
+Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich
+zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt seiner Natur
+gemäß, d. h. er tut, was ihm wohltut. - Nicht wahr, Unbestechlicher,
+es ist grausam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten?
+
+Robespierre.
+Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat.
+
+Danton.
+Du darfst es nicht proskribieren, ums Himmels willen nicht, das wäre
+undankbar; du bist ihm zu viel schuldig, durch den Kontrast nämlich. -
+Übrigens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unsere Streiche müssen
+der Republik nützlich sein, man darf die Unschuldigen nicht mit den
+Schuldigen treffen.
+
+Robespierre.
+Wer sagt dir denn, daß ein Unschuldiger getroffen worden sei?
+
+Danton.
+Hörst du, Fabricius? Es starb kein Unschuldiger! (Er geht; im
+Hinausgehn zu Paris:) Wir dürfen keinen Augenblick verlieren, wir
+müssen uns zeigen! (Danton und Paris ab.)
+
+Robespierre. (allein).
+Geh nur! Er will die Rosse der Revolution am Bordell halten machen,
+wie ein Kutscher seine dressierten Gäule; sie werden Kraft genug
+haben, ihn zum Revolutionsplatz zu schleifen.
+
+Mir die Absätze von den Schuhen treten! Um bei deinen Begriffen zu
+bleiben! - Halt! Halt! Ist's das eigentlich? Sie werden sagen, seine
+gigantische Gestalt hätte zu viel Schatten auf mich geworfen, ich
+hätte ihn deswegen aus der Sonne gehen heißen. - Und wenn sie recht
+hätten? Ist's denn so notwendig? Ja, ja! die Republik! Er muß weg.
+
+Es ist lächerlich, wie meine Gedanken einander beaufsichtigen. - Er
+muß weg. Wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehenbleibt,
+leistet so gut Widerstand, als trät' er ihr entgegen: er wird
+zertreten.
+
+Wir werden das Schiff der Revolution nicht auf den seichten
+Berechnungen und den Schlammbänken dieser Leute stranden lassen; wir
+müssen die Hand abhauen, die es zu halten wagt - und wenn er es mit
+den Zähnen packte!
+
+Weg mit einer Gesellschaft, die der toten Aristokratie die Kleider
+ausgezogen und ihren Aussatz geerbt hat!
+
+Keine Tugend! Die Tugend ein Absatz meiner Schuhe! Bei meinen
+Begriffen! - Wie das immer wiederkommt. - Warum kann ich den Gedanken
+nicht loswerden? Er deutet mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich
+mag so viel Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut schlägt immer
+durch. - (Nach einer Pause:) Ich weiß nicht, was in mir das andere
+belügt.
+
+(Er tritt ans Fenster.) Die Nacht schnarcht über der Erde und wälzt
+sich im wüsten Traum. Gedanken, Wünsche, kaum geahnt, wirr und
+gestaltlos, die scheu sich vor des Tages Licht verkrochen, empfangen
+jetzt Form und Gewand und stehlen sich in das stille Haus des Traums.
+Sie öffnen die Türen, sie sehen aus den Fenstern, sie werden halbwegs
+Fleisch, die Glieder strecken sich im Schlaf, die Lippen murmeln. -
+Und ist nicht unser Wachen ein hellerer Traum? sind wir nicht
+Nachtwandler? ist nicht unser Handeln wie das im Traum, nur
+deutlicher, bestimmter, durchgeführter? Wer will uns darum schelten?
+In einer Stunde verrichtet der Geist mehr Taten des Gedankens, als der
+träge Organismus unsres Leibes in Jahren nachzutun vermag. Die Sünde
+ist im Gedanken. Ob der Gedanke Tat wird, ob ihn der Körper
+nachspiele, das ist Zufall.
+
+(St. Just tritt ein.)
+
+Robespierre.
+He, wer da im Finstern? He, Licht, Licht!
+
+St. Just.
+Kennst du meine Stimme?
+
+Robespierre.
+Ah du, St. Just!
+
+(Eine Dienerin bringt Licht.)
+
+St. Just.
+Warst du allein?
+
+Robespierre.
+Eben ging Danton weg.
+
+St. Just.
+Ich traf ihn unterwegs im Palais-Royal. Er machte seine revolutionäre
+Stirn und sprach in Epigrammen; er duzte sich mit den Ohnehosen, die
+Grisetten liefen hinter seinen Waden drein, und die Leute blieben
+stehn und zischelten sich in die Ohren, was er gesagt hatte. - Wir
+werden den Vorteil des Angriffs verlieren. Willst du noch länger
+zaudern? Wir werden ohne dich handeln. Wir sind entschlossen.
+
+Robespierre.
+Was wollt ihr tun?
+
+St. Just.
+Wir berufen den Gesetzgebungs-, den Sicherheits- und den
+Wohlfahrtsausschuß zu feierlicher Sitzung.
+
+Robespierre.
+Viel Umstände.
+
+St. Just.
+Wir müssen die große Leiche mit Anstand begraben, wie Priester, nicht
+wie Mörder; wir dürfen sie nicht verstümmeln, alle ihre Glieder müssen
+mit hinunter.
+
+Robespierre.
+Sprich deutlicher!
+
+St. Just.
+Wir müssen ihn in seiner vollen Waffenrüstung beisetzen und seine
+Pferde und Sklaven auf seinem Grabhügel schlachten: Lacroix -
+
+Robespierre.
+Ein ausgemachter Spitzbube, gewesener Advokatenschreiber, gegenwärtig
+Generalleutnant von Frankreich. Weiter!
+
+St. Just.
+Hérault-Séchelles.
+
+Robespierre.
+Ein schöner Kopf!
+
+St. Just.
+Er war der schöngemalte Anfangsbuchstaben der Konstitutionsakte; wir
+haben dergleichen Zierat nicht mehr nötig, er wird ausgewischt. -
+Philippeau. - Camille.
+
+Robespierre.
+Auch der?
+
+St. Just (überreicht ihm ein Papier)
+Das dacht' ich. Da lies!
+
+Robespierre.
+Aha, »Der alte Franziskaner«! Sonst nichts? Er ist ein Kind, er hat
+über euch gelacht.
+
+St. Just.
+Lies hier, hier! (Er zeigt ihm eine Stelle.)
+
+Robespierre (liest).
+»Dieser Blutmessias Robespierre auf seinem Kalvarienberge zwischen den
+beiden Schächern Couthon und Collot, auf dem er opfert und nicht
+geopfert wird. Die Guillotinen-Betschwestern stehen wie Maria und
+Magdalena unten. St. Just liegt ihm wie Johannes am Herzen und macht
+den Konvent mit den apokalyptischen Offenbarungen des Meisters
+bekannt; er trägt seinen Kopf wie eine Monstranz.«
+
+St. Just.
+Ich will ihn den seinigen wie St. Denis tragen machen.
+
+Robespierre (liest weiter).
+»Sollte man glauben, daß der saubere Frack des Messias das Leichenhemd
+Frankreichs ist, und daß seine dünnen, auf der Tribüne herumzuckenden
+Finger Guillotinenmesser sind? - Und du, Barère, der du gesagt hast,
+auf dem Revolutionsplatz werde Münze geschlagen! Doch - ich will den
+alten Sack nicht aufwühlen. Er ist eine Witwe, die schon ein halb
+Dutzend Männer hatte und sie alle begraben half. Wer kann was dafür?
+Das ist so seine Gabe, er sieht den Leuten ein halbes Jahr vor dem
+Tode das hippokratische Gesicht an. Wer mag sich auch zu Leichen
+setzen und den Gestank riechen?«
+
+Also auch du, Camille? - Weg mit ihnen! Rasch! Nur die Toten kommen
+nicht wieder.
+
+Hast du die Anklage bereit?
+
+St. Just.
+Es macht sich leicht. Du hast die Andeutungen bei den Jakobinern
+gemacht.
+
+Robespierre.
+Ich wollte sie schrecken.
+
+St. Just.
+Ich brauche nur durchzuführen; die Fälscher geben das Ei und die
+Fremden den Apfel ab. - Sie sterben an der Mahlzeit, ich gebe dir mein
+Wort.
+
+Robespierre.
+Dann rasch, morgen! Keinen langen Todeskampf! Ich bin empfindlich seit
+einigen Tagen. Nur rasch! (St. Just ab.)
+
+Robespierre (allein).
+Jawohl, Blutmessias, der opfert und nicht geopfert wird. - Er hat sie
+mit seinem Blut erlöst, und ich erlöse sie mit ihrem eignen. Er hat
+sie sündigen gemacht, und ich nehme die Sünde auf mich. Er hatte die
+Wollust des Schmerzes, und ich habe die Qual des Henkers. Wer hat sich
+mehr verleugnet, ich oder er? - Und doch ist was von Narrheit in dem
+Gedanken. - Was sehen wir nur immer nach dem Einen? Wahrlich, der
+Menschensohn wird in uns allen gekreuzigt, wir ringen alle im
+Gethsemanegarten im blutigen Schweiß, aber es erlöst keiner den andern
+mit seinen Wunden.
+
+Mein Camille! - Sie gehen alle von mir - es ist alles wüst und leer -
+ich bin allein.
+
+
+
+
+Zweiter Akt
+
+Erste Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Danton. Lacroix. Philippeau. Paris. Camille Desmoulins.
+
+Camille.
+Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu verlieren!
+
+Danton (er kleidet sich an).
+Aber die Zeit verliert uns. Das ist sehr langweilig, immer das Hemd
+zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen und des Abends ins Bett und
+morgens wieder herauszukriechen und einen Fuß immer so vor den andern
+zu setzen; da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist
+sehr traurig, und daß Millionen es schon so gemacht haben, und daß
+Millionen es wieder so machen werden, und daß wir noch obendrein aus
+zwei Hälften bestehen, die beide das nämliche tun, so daß alles
+doppelt geschieht - das ist sehr traurig.
+
+Camille.
+Du sprichst in einem ganz kindlichen Ton.
+
+Danton.
+Sterbende werden oft kindisch.
+
+Lacroix.
+Du stürzest dich durch dein Zögern ins Verderben, du reißest alle
+deine Freunde mit dir. Benachrichtige die Feiglinge, daß es Zeit ist,
+sich um dich zu versammeln, fordere sowohl die vom Tale als die vom
+Berge auf! Schreie über die Tyrannei der Dezemvirn, sprich von
+Dolchen, rufe Brutus an, dann wirst du die Tribunen erschrecken und
+selbst die um dich sammeln, die man als Mitschuldige Héberts bedroht!
+Du mußt dich deinem Zorn überlassen. Laßt uns wenigstens nicht
+entwaffnet und erniedrigt wie der schändliche Hébert sterben!
+
+Danton.
+Du hast ein schlechtes Gedächtnis, du nanntest mich einen toten
+Heiligen. Du hattest mehr recht, als du selbst glaubtest. Ich war bei
+den Sektionen; sie waren ehrfurchtsvoll, aber wie Leichenbitter. Ich
+bin eine Reliquie, und Reliquien wirft man auf die Gasse, du hattest
+recht.
+
+Lacroix.
+Warum hast du es dazu kommen lassen?
+
+Danton.
+Dazu? Ja, wahrhaftig, es war mir zuletzt langweilig. Immer im
+nämlichen Rock herumzulaufen und die nämlichen Falten zu ziehen! Das
+ist erbärmlich. So ein armseliges Instrument zu sein, auf dem eine
+Saite immer nur einen Ton angibt! - 's ist nicht zum Aushalten. Ich
+wollte mir's bequem machen. Ich habe es erreicht; die Revolution setzt
+mich in Ruhe, aber auf andere Weise, als ich dachte.
+
+Übrigens, auf was sich stützen? Unsere Huren könnten es noch mit den
+Guillotinen-Betschwestern aufnehmen; sonst weiß ich nichts. Es läßt
+sich an den Fingern herzählen: die Jakobiner haben erklärt, daß die
+Tugend an der Tagesordnung sei, die Cordeliers nennen mich Héberts
+Henker, der Gemeinderat tut Buße, der Konvent - das wäre noch ein
+Mittel! aber es gäbe einen 31. Mai, sie würden nicht gutwillig
+weichen. Robespierre ist das Dogma der Revolution, es darf nicht
+ausgestrichen werden. Es ginge auch nicht. Wir haben nicht die
+Revolution, sondern die Revolution hat uns gemacht.
+
+Und wenn es ginge - ich will lieber guillotiniert werden als
+guillotinieren lassen. Ich hab es satt; wozu sollen wir Menschen
+miteinander kämpfen? Wir sollten uns nebeneinander setzen und Ruhe
+haben. Es wurde ein Fehler gemacht, wie wir geschaffen wurden; es
+fehlt uns etwas, ich habe keinen Namen dafür - aber wir werden es
+einander nicht aus den Eingeweiden herauswühlen, was sollen wir uns
+drum die Leiber aufbrechen? Geht, wir sind elende Alchymisten!
+
+Camille.
+Pathetischer gesagt, würde es heißen: wie lange soll die Menschheit in
+ewigem Hunger ihre eignen Glieder fressen? oder: wie lange sollen wir
+Schiffbrüchige auf einem Wrack in unlöschbarem Durst einander das Blut
+aus den Adern saugen? oder: wie lange sollen wir Algebraisten im
+Fleisch beim Suchen nach dem unbekannten, ewig verweigerten X unsere
+Rechnungen mit zerfetzten Gliedern schreiben?
+
+Danton.
+Du bist ein starkes Echo.
+
+Camille.
+Nicht wahr, ein Pistolenschuß schallt gleich wie ein Donnerschlag.
+Desto besser für dich, du solltest mich immer bei dir haben.
+
+Philippeau.
+Und Frankreich bleibt seinen Henkern?
+
+Danton.
+Was liegt daran? Die Leute befinden sich ganz wohl dabei. Sie haben
+Unglück; kann man mehr verlangen um gerührt, edel, tugendhaft oder
+witzig zu sein, oder um überhaupt keine Langeweile zu haben? - Ob sie
+nun an der Guillotine oder am Fieber oder am Alter sterben! Es ist
+noch vorzuziehen, sie treten mit gelenken Gliedern hinter die Kulissen
+und können im Abgehen noch hübsch gestikulieren und die Zuschauer
+klatschen hören. Das ist ganz artig und paßt für uns; wir stehen immer
+auf dem Theater, wenn wir auch zuletzt im Ernst erstochen werden.
+
+Es ist recht gut, daß die Lebenszeit ein wenig reduziert wird; der
+Rock war zu lang, unsere Glieder konnten ihn nicht ausfüllen. Das
+Leben wird ein Epigramm, das geht an; wer hat auch Atem und Geist
+genug für ein Epos in fünfzig oder sechzig Gesängen? 's ist Zeit, daß
+man das bißchen Essenz nicht mehr aus Zubern, sondern aus
+Likörgläschen trinkt; so bekommt man doch das Maul voll, sonst konnte
+man kaum einige Tropfen in dem plumpen Gefäß zusammenrinnen machen.
+
+Endlich - ich müßte schreien; das ist mir der Mühe zuviel, das Leben
+ist nicht die Arbeit wert, die man sich macht, es zu erhalten.
+
+Paris.
+So flieh, Danton!
+
+Danton.
+Nimmt man das Vaterland an den Schuhsohlen mit?
+
+Und endlich - und das ist die Hauptsache: sie werden's nicht wagen.
+(Zu Camille:) Komm, mein Junge; ich sage dir, sie werden's nicht
+wagen. Adieu, adieu! (Danton und Camille ab.)
+
+Philippeau.
+Da geht er hin.
+
+Lacroix.
+Und glaubt kein Wort von dem, was er gesagt hat. Nichts als Faulheit!
+Er will sich lieber guillotinieren lassen als eine Rede halten.
+
+Paris.
+Was tun?
+
+Lacroix.
+Heimgehn und als Lukretia auf einen anständigen Fall studieren.
+
+
+
+Zweite Szene
+
+Eine Promenade
+
+Spaziergänger.
+
+Ein Bürger.
+Meine gute Jacqueline - ich wollte sagen Korn... wollt ich: Kor...
+
+Simon.
+Kornelia, Bürger, Kornelia.
+
+Bürger.
+Meine gute Kornelia hat mich mit einem Knäblein erfreut.
+
+Simon.
+Hat der Republik einen Sohn geboren.
+
+Bürger.
+Der Republik, das lautet zu allgemein; man könnte sagen...
+
+Simon.
+Das ist's gerade, das Einzelne muß sich dem Allgemeinen...
+
+Bürger.
+Ach ja, das sagt meine Frau auch.
+
+Bänkelsänger (singt).
+ Was doch ist, was doch ist
+ Aller Männer Freud' und Lüst'?
+
+Bürger.
+Ach, mit den Namen, da komm ich gar nicht ins reine.
+
+Simon.
+Tauf ihn Pike, Marat!
+
+Bänkelsänger.
+ Unter Kummer, unter Sorgen
+ Sich bemühn vom frühen Morgen,
+ Bis der Tag vorüber ist.
+
+Bürger.
+Ich hätte gern drei - es ist doch was mit der Zahl Drei - und dann was
+Nützliches und was Rechtliches; jetzt hab ich's: Pflug, Robespierre.
+Und dann das dritte?
+
+Simon.
+Pike.
+
+Bürger.
+Ich dank Euch, Nachbar; Pike, Pflug, Robespierre, das sind hübsche
+Namen, das macht sich schön.
+
+Simon.
+Ich sage dir, die Brust deiner Kornelia wird wie das Euter der
+römischen Wölfin - nein, das geht nicht: Romulus war ein Tyrann, das
+geht nicht. (Gehn vorbei.)
+
+Ein Bettler (singt).
+»Eine Handvoll Erde und ein wenig Moos...« Liebe Herren, schöne Damen!
+
+Erster Herr.
+Kerl, arbeite, du siehst ganz wohlgenährt aus!
+
+Zweiter Herr.
+Da! (Er gibt ihm Geld.) Er hat eine Hand wie Sammet. Das ist
+unverschämt.
+
+Bettler.
+Mein Herr, wo habt Ihr Euren Rock her?
+
+Zweiter Herr.
+Arbeit, Arbeit! Du könntest den nämlichen haben; ich will dir Arbeit
+geben, komm zu mir, ich wohne...
+
+Bettler.
+Herr, warum habt Ihr gearbeitet?
+
+Zweiter Herr.
+Narr, um den Rock zu haben.
+
+Bettler.
+Ihr habt Euch gequält, um einen Genuß zu haben; denn so ein Rock ist
+ein Genuß, ein Lumpen tut's auch.
+
+Zweiter Herr.
+Freilich, sonst geht's nicht.
+
+Bettler.
+Daß ich ein Narr wäre! Das hebt einander.
+Die Sonne scheint warm an das Eck, und das geht ganz leicht. (Singt:)
+»Eine Handvoll Erde und ein wenig Moos...«
+
+Rosalie (zu Adelaiden).
+Mach fort, da kommen Soldaten! Wir haben seit gestern nichts Warmes in
+den Leib gekriegt.
+
+Bettler.
+»Ist auf dieser Erde einst mein letztes Los!« Meine Herren, meine
+Damen!
+
+Soldat.
+Halt! Wo hinaus, meine Kinder? (Zu Rosalie:) Wie alt bist du?
+
+Rosalie.
+So alt wie mein kleiner Finger.
+
+Soldat.
+Du bist sehr spitz.
+
+Rosalie.
+Und du sehr stumpf.
+
+Soldat.
+So will ich mich an dir wetzen. (Er singt:)
+
+ Christinlein, lieb Christinlein mein,
+ Tut dir der Schaden weh, Schaden weh,
+ Schaden weh, Schaden weh?
+
+Rosalie (singt).
+ Ach nein, ihr Herrn Soldaten,
+ Ich hätt' es gerne meh, gerne meh,
+ Gerne meh, gerne meh!
+
+(Danton und Camille treten auf.)
+
+Danton.
+Geht das nicht lustig? - Ich wittre was in der Atmosphäre; es ist, als
+brüte die Sonne Unzucht aus. - Möchte man nicht drunter springen, sich
+die Hosen vom Leibe reißen und sich über den Hintern begatten wie die
+Hunde auf der Gasse? (Gehn vorbei.)
+
+Junger Herr.
+Ach, Madame, der Ton einer Glocke, das Abendlicht an den Bäumen, das
+Blinken eines Sterns...
+
+Madame.
+Der Duft einer Blume! Diese natürlichen Freuden, dieser reine Genuß
+der Natur! (Zu ihrer Tochter:) Sieh, Eugenie, nur die Tugend hat Augen
+dafür.
+
+Eugenie (küßt ihrer Mutter die Hand).
+Ach, Mama, ich sehe nur Sie.
+
+Madame.
+Gutes Kind!
+
+Junger Herr (zischelt Eugenien ins Ohr).
+Sehen Sie dort die hübsche Dame mit dem alten Herrn?
+
+Eugenie.
+Ich kenne sie.
+
+Junger Herr.
+Man sagt, ihr Friseur habe sie à l'enfant frisiert.
+
+Eugenie (lacht).
+Böse Zunge!
+
+Junger Herr.
+Der alte Herr geht nebenbei; er sieht das Knöspchen schwellen und
+führt es in die Sonne spazieren und meint, er sei der Gewitterregen,
+der es habe wachsen machen.
+
+Eugenie.
+Wie unanständig! Ich hätte Lust, rot zu werden.
+
+Junger Herr.
+Das könnte mich blaß machen. (Gehn ab.)
+
+Danton (zu Camille).
+Mute mir nur nichts Ernsthaftes zu! Ich begreife nicht, warum die
+Leute nicht auf der Gasse stehenbleiben und einander ins Gesicht
+lachen. Ich meine, sie müßten zu den Fenstern und zu den Gräbern
+heraus lachen, und der Himmel müsse bersten, und die Erde müsse sich
+wälzen vor Lachen. (Gehn ab.)
+
+Erster Herr.
+Ich versichre Sie, eine außerordentliche Entdeckung! Alle technischen
+Künste bekommen dadurch eine andere Physiognomie. Die Menschheit eilt
+mit Riesenschritten ihrer hohen Bestimmung entgegen.
+
+Zweiter Herr.
+Haben Sie das neue Stück gesehen? Ein babylonischer Turm! Ein Gewirr
+von Gewölben, Treppchen, Gängen, und das alles so leicht und kühn in
+die Luft gesprengt. Man schwindelt bei jedem Tritt. Ein bizarrer Kopf.
+(Er bleibt verlegen stehn.)
+
+Erster Herr.
+Was haben Sie denn?
+
+Zweiter Herr.
+Ach, nichts! Ihre Hand, Herr! die Pfütze - so! Ich danke Ihnen. Kaum
+kam ich vorbei; das konnte gefährlich werden!
+
+Erster Herr.
+Sie fürchteten doch nicht?
+
+Zweiter Herr.
+Ja, die Erde ist eine dünne Kruste; ich meine immer, ich könnte
+durchfallen, wo so ein Loch ist. - Man muß mit Vorsicht auftreten, man
+könnte durchbrechen. Aber gehn Sie ins Theater, ich rat es Ihnen!
+
+
+
+Dritte Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Danton. Camille. Lucile.
+
+Camille.
+Ich sage euch, wenn sie nicht alles in hölzernen Kopien bekommen,
+verzettelt in Theatern, Konzerten und Kunstausstellungen, so haben sie
+weder Augen noch Ohren dafür. Schnitzt einer eine Marionette, wo man
+den Strick hereinhängen sieht, an dem sie gezerrt wird und deren
+Gelenke bei jedem Schritt in fünffüßigen Jamben krachen - welch ein
+Charakter, welche Konsequenz! Nimmt einer ein Gefühlchen, eine
+Sentenz, einen Begriff und zieht ihm Rock und Hosen an, macht ihm
+Hände und Füße, färbt ihm das Gesicht und läßt das Ding sich drei Akte
+hindurch herumquälen, bis es sich zuletzt verheiratet oder sich
+totschießt - ein Ideal! Fiedelt einer eine Oper, welche das Schweben
+und Senken im menschlichen Gemüt wiedergibt wie eine Tonpfeife mit
+Wasser die Nachtigall - ach, die Kunst!
+
+Setzt die Leute aus dem Theater auf die Gasse: die erbärmliche
+Wirklichkeit! - Sie vergessen ihren Herrgott über seinen schlechten
+Kopisten. Von der Schöpfung, die glühend, brausend und leuchtend, um
+und in ihnen, sich jeden Augenblick neu gebiert, hören und sehen sie
+nichts. Sie gehen ins Theater, lesen Gedichte und Romane, schneiden
+den Fratzen darin die Gesichter nach und sagen zu Gottes Geschöpfen:
+wie gewöhnlich! - Die Griechen wußten, was sie sagten, wenn sie
+erzählten, Pygmalions Statue sei wohl lebendig geworden, habe aber
+keine Kinder bekommen.
+
+Danton.
+Und die Künstler gehn mit der Natur um wie David, der im September die
+Gemordeten, wie sie aus der Force auf die Gasse geworfen wurden,
+kaltblütig zeichnete und sagte: ich erhasche die letzten Zuckungen des
+Lebens in diesen Bösewichtern. (Danton wird hinausgerufen.)
+
+Camille.
+Was sagst du, Lucile?
+
+Lucile.
+Nichts, ich seh dich so gern sprechen.
+
+Camille.
+Hörst mich auch?
+
+Lucile.
+Ei freilich!
+
+Camille.
+Hab ich recht? Weißt du auch, was ich gesagt habe?
+
+Lucile.
+Nein, wahrhaftig nicht.
+
+(Danton kommt zurück.)
+
+Camille.
+Was hast du?
+
+Danton.
+Der Wohlfahrtsausschuß hat meine Verhaftung beschlossen. Man hat mich
+gewarnt und mir einen Zufluchtsort angeboten.
+
+Sie wollen meinen Kopf; meinetwegen. Ich bin der Hudeleien
+überdrüssig. Mögen sie ihn nehmen. Was liegt daran? Ich werde mit Mut
+zu sterben wissen; das ist leichter, als zu leben.
+
+Camille.
+Danton, noch ist's Zeit!
+
+Danton.
+Unmöglich - aber ich hätte nicht gedacht...
+
+Camille.
+Deine Trägheit!
+
+Danton.
+Ich bin nicht träg, aber müde; meine Sohlen brennen mich.
+
+Camille.
+Wo gehst du hin?
+
+Danton.
+Ja, wer das wüßte!
+
+Camille.
+Im Ernst, wohin?
+
+Danton.
+Spazieren, mein Junge, spazieren. (Er geht.)
+
+Lucile.
+Ach, Camille!
+
+Camille.
+Sei ruhig, lieb Kind!
+
+Lucile.
+Wenn ich denke, daß sie dies Haupt -! Mein Camille! das ist Unsinn,
+gelt, ich bin wahnsinnig?
+
+Camille.
+Sei ruhig, Danton und ich sind nicht eins.
+
+Lucile.
+Die Erde ist weit, und es sind viel Dinge drauf - warum denn gerade
+das eine? Wer sollte mir's nehmen? Das wäre arg. Was wollten sie auch
+damit anfangen?
+
+Camille.
+Ich wiederhole dir: du kannst ruhig sein. Gestern sprach ich mit
+Robespierre: er war freundlich. Wir sind ein wenig gespannt, das ist
+wahr; verschiedne Ansichten, sonst nichts!
+
+Lucile.
+Such ihn auf!
+
+Camille.
+Wir saßen auf einer Schulbank. Er war immer finster und einsam. Ich
+allein suchte ihn auf und machte ihn zuweilen lachen. Er hat mir immer
+große Anhänglichkeit gezeigt. Ich gehe.
+
+Lucile.
+So schnell, mein Freund? Geh! Komm! Nur das (sie küßt ihn) und das!
+Geh! Geh! (Camille ab.)
+
+Das ist eine böse Zeit. Es geht einmal so. Wer kann da drüber hinaus?
+Man muß sich fassen. (Singt:)
+
+ Ach Scheiden, ach Scheiden, ach Scheiden,
+ Wer hat sich das Scheiden erdacht?
+
+Wie kommt mir grad das in Kopf? Das ist nicht gut, daß es den Weg so
+von selbst findet. - Wie er hinaus ist, war mir's, als könnte er nicht
+mehr umkehren und müsse immer weiter weg von mir, immer weiter.
+
+Wie das Zimmer so leer ist; die Fenster stehn offen, als hätte ein
+Toter drin gelegen. Ich halt es da oben nicht aus. (Sie geht.)
+
+
+
+Vierte Szene
+
+Freies Feld
+
+Danton.
+Ich mag nicht weiter. Ich mag in dieser Stille mit dem Geplauder
+meiner Tritte und dem Keuchen meines Atems nicht Lärm machen. (Er
+setzt sich nieder; nach einer Pause:)
+
+Man hat mir von einer Krankheit erzählt, die einem das Gedächtnis
+verlieren mache. Der Tod soll etwas davon haben. Dann kommt mir
+manchmal die Hoffnung, daß er vielleicht noch kräftiger wirke und
+einem alles verlieren mache. Wenn das wäre! - Dann lief ich wie ein
+Christ, um einen Feind, d. h. mein Gedächtnis, zu retten.
+
+Der Ort soll sicher sein, ja für mein Gedächtnis, aber nicht für mich;
+mir gibt das Grab mehr Sicherheit, es schafft mir wenigstens
+Vergessen. Es tötet mein Gedächtnis. Dort aber lebt mein Gedächtnis
+und tötet mich. Ich oder es? Die Antwort ist leicht. (Er erhebt sich
+und kehrt um.)
+
+Ich kokettiere mit dem Tod; es ist ganz angenehm, so aus der Ferne mit
+dem Lorgnon mit ihm zu liebäugeln.
+
+Eigentlich muß ich über die ganze Geschichte lachen. Es ist ein Gefühl
+des Bleibens in mir, was mir sagt: es wird morgen sein wie heute, und
+übermorgen und weiter hinaus ist alles wie eben. Das ist leerer Lärm,
+man will mich schrecken; sie werden's nicht wagen! (Ab.)
+
+
+
+Fünfte Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Es ist Nacht.
+
+Danton (am Fenster).
+Will denn das nie aufhören? Wird das Licht nie ausglühn und der Schall
+nie modern? Will's denn nie still und dunkel werden, daß wir uns
+die garstigen Sünden einander nicht mehr anhören und ansehen? -
+September! -
+
+Julie (ruft von innen).
+Danton! Danton!
+
+Danton.
+He?
+
+Julie (tritt ein).
+Was rufst du?
+
+Danton.
+Rief ich?
+
+Julie.
+Du sprachst von garstigen Sünden, und dann stöhntest du: September!
+
+Danton.
+Ich, ich? Nein, ich sprach nicht; das dacht' ich kaum, das waren nur
+ganz leise, heimliche Gedanken.
+
+Julie.
+Du zitterst, Danton!
+
+Danton.
+Und soll ich nicht zittern, wenn so die Wände plaudern? Wenn mein Leib
+so zerteilt ist, daß meine Gedanken unstet, umirrend mit den Lippen
+der Steine reden? Das ist seltsam.
+
+Julie.
+Georg, mein Georg!
+
+Danton.
+Ja, Julie, das ist sehr seltsam. Ich möchte nicht mehr denken, wenn
+das gleich so spricht. Es gibt Gedanken, Julie, für die es keine Ohren
+geben sollte. Das ist nicht gut, daß sie bei der Geburt gleich
+schreien wie Kinder; das ist nicht gut.
+
+Julie.
+Gott erhalte dir deine Sinne! - Georg, Georg, erkennst du mich?
+
+Danton.
+Ei warum nicht! Du bist ein Mensch und dann eine Frau und endlich
+meine Frau, und die Erde hat fünf Weltteile, Europa, Asien, Afrika,
+Amerika, Australien, und zwei mal zwei macht vier. Ich bin bei Sinnen,
+siehst du. - Schrie's nicht September? Sagtest du nicht so was?
+
+Julie.
+Ja, Danton, durch alle Zimmer hört ich's.
+
+Danton.
+Wie ich ans Fenster kam - (er sieht hinaus:) die Stadt ist ruhig, alle
+Lichter aus...
+
+Julie.
+Ein Kind schreit in der Nähe.
+
+Danton.
+Wie ich ans Fenster kam - durch alle Gassen schrie und zetert' es:
+September!
+
+Julie.
+Du träumtest, Danton. Faß dich!
+
+Danton.
+Träumtest? Ja, ich träumte; doch das war anders, ich will dir es
+gleich sagen - mein armer Kopf ist schwach - gleich! So, jetzt hab
+ich's: Unter mir keuchte die Erdkugel in ihrem Schwung; ich hatte sie
+wie ein wildes Roß gepackt, mit riesigen Gliedern wühlt' ich in ihren
+Mähnen und preßt' ich ihre Rippen, das Haupt abwärts gewandt, die
+Haare flatternd über dem Abgrund; so ward ich geschleift. Da schrie
+ich in der Angst, und ich erwachte. Ich trat ans Fenster - und da
+hört' ich's, Julie.
+
+Was das Wort nur will? Warum gerade das? Was hab ich damit zu
+schaffen? Was streckt es nach mir die blutigen Hände? Ich hab es nicht
+geschlagen. - O hilf mir, Julie, mein Sinn ist stumpf! War's nicht im
+September, Julie?
+
+Julie.
+Die Könige waren nur noch vierzig Stunden von Paris...
+
+Danton.
+Die Festungen gefallen, die Aristokraten in der Stadt...
+
+Julie.
+Die Republik war verloren.
+
+Danton.
+Ja, verloren. Wir konnten den Feind nicht im Rücken lassen, wir wären
+Narren gewesen: zwei Feinde auf einem Brett; wir oder sie, der
+Stärkere stößt den Schwächeren hinunter - ist das nicht
+billig?
+
+Julie.
+Ja, ja.
+
+Danton.
+Wir schlugen sie - das war kein Mord, das war Krieg nach innen.
+
+Julie.
+Du hast das Vaterland gerettet.
+
+Danton.
+Ja, das hab ich; das war Notwehr, wir mußten. Der Mann am Kreuze hat
+sich's bequem gemacht: es muß ja Ärgernis kommen, doch wehe dem, durch
+welchen Ärgernis kommt! - Es muß; das war dies Muß. Wer will der Hand
+fluchen, auf die der Fluch des Muß gefallen? Wer hat das Muß
+gesprochen, wer? Was ist das, was in uns lügt, hurt, stiehlt und
+mordet?
+
+Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts,
+nichts wir selbst! die Schwerter, mit denen Geister kämpfen - man
+sieht nur die Hände nicht, wie im Märchen. - Jetzt bin ich ruhig.
+
+Julie.
+Ganz ruhig, lieb Herz?
+
+Danton.
+Ja, Julie; komm, zu Bette!
+
+
+
+Sechste Szene
+
+Straße vor Dantons Haus
+
+Simon. Bürgersoldaten.
+
+Simon.
+Wie weit ist's in der Nacht?
+
+Erster Bürger.
+Was in der Nacht?
+
+Simon.
+Wie weit ist die Nacht?
+
+Erster Bürger.
+So weit als zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang.
+
+Simon.
+Schuft, wieviel Uhr?
+
+Erster Bürger.
+Sieh auf dein Zifferblatt; es ist die Zeit, wo die Perpendikel unter
+den Bettdecken ausschlagen.
+
+Simon.
+Wir müssen hinauf! Fort, Bürger! Wir haften mit unseren Köpfen dafür.
+Tot oder lebendig! Er hat gewaltige Glieder. Ich werde vorangehn,
+Bürger. Der Freiheit eine Gasse! - Sorgt für mein Weib! Eine
+Eichenkrone werd ich ihr hinterlassen.
+
+Erster Bürger.
+Eine Eichelkrone? Es sollen ihr ohnehin jeden Tag Eicheln genug in den
+Schoß fallen.
+
+Simon.
+Vorwärts, Bürger, ihr werdet euch um das Vaterland verdient machen!
+
+Zweiter Bürger.
+Ich wollte, das Vaterland machte sich um uns verdient; über all den
+Löchern, die wir in andrer Leute Körper machen, ist noch kein einziges
+in unsern Hosen zugegangen.
+
+Erster Bürger.
+Willst du, daß dir dein Hosenlatz zuginge? Hä, hä, hä!
+
+Die andern.
+Hä, hä, hä!
+
+Simon.
+Fort, fort! (Sie dringen in Dantons Haus.)
+
+
+
+Siebente Szene
+
+Der Nationalkonvent
+
+Eine Gruppe von Deputierten.
+
+Legendre.
+Soll denn das Schlachten der Deputierten nicht aufhören? - Wer ist
+noch sicher, wenn Danton fällt?
+
+Ein Deputierter.
+Was tun?
+
+Ein anderer.
+Er muß vor den Schranken des Konvents gehört werden. - Der Erfolg
+dieses Mittels ist sicher; was sollten sie seiner Stimme
+entgegensetzen?
+
+Ein anderer.
+Unmöglich, ein Dekret verhindert uns.
+
+Legendre.
+Es muß zurückgenommen oder eine Ausnahme gestattet werden. - Ich werde
+den Antrag machen; ich rechne auf eure Unterstützung.
+
+Der Präsident.
+Die Sitzung ist eröffnet.
+
+Legendre (besteigt die Tribüne).
+Vier Mitglieder des Nationalkonvents sind verflossene Nacht verhaftet
+worden. Ich weiß, daß Danton einer von ihnen ist, die Namen der
+übrigen kenne ich nicht. Mögen sie übrigens sein, wer sie wollen, so
+verlange ich, daß sie vor den Schranken gehört werden.
+
+Bürger, ich erkläre es: ich halte Danton für ebenso rein wie mich
+selbst, und ich glaube nicht, daß mir irgendein Vorwurf gemacht werden
+kann. Ich will kein Mitglied des Wohlfahrts- oder des
+Sicherheitsausschusses angreifen, aber gegründete Ursachen lassen mich
+fürchten, Privathaß und Privatleidenschaft möchten der Freiheit Männer
+entreißen, die ihr die größten Dienste erwiesen haben. Der Mann,
+welcher im Jahre 1792 Frankreich durch seine Energie rettete, verdient
+gehört zu werden; er muß sich erklären dürfen, wenn man ihn des
+Hochverrats anklagt. (Heftige Bewegung.)
+
+Einige Stimmen.
+Wir unterstützen Legendres Vorschlag.
+
+Ein Deputierter.
+Wir sind hier im Namen des Volkes; man kann uns ohne den Willen
+unserer Wähler nicht von unseren Plätzen reißen.
+
+Ein anderer.
+Eure Worte riechen nach Leichen; ihr habt sie den Girondisten aus dem
+Munde genommen. Wollt ihr Privilegien? Das Beil des Gesetzes schwebt
+über allen Häuptern.
+
+Ein anderer.
+Wir können unsern Ausschüssen nicht erlauben, die Gesetzgeber aus dem
+Asyl des Gesetzes auf die Guillotine zu schicken.
+
+Ein anderer.
+Das Verbrechen hat kein Asyl, nur gekrönte Verbrecher finden eins auf
+dem Thron.
+
+Ein anderer.
+Nur Spitzbuben appellieren an das Asylrecht.
+
+Ein anderer.
+Nur Mörder erkennen es nicht an.
+
+Robespierre.
+Die seit langer Zeit in dieser Versammlung unbekannte Verwirrung
+beweist, daß es sich um große Dinge handelt. Heute entscheidet sich's,
+ob einige Männer den Sieg über das Vaterland davontragen werden. - Wie
+könnt ihr eure Grundsätze weit genug verleugnen, um heute einigen
+Individuen das zu bewilligen, was ihr gestern Chabot, Delaunai und
+Fahre verweigert habt? Was soll dieser Unterschied zugunsten einiger
+Männer? Was kümmern mich die Lobsprüche, die man sich selbst und
+seinen Freunden spendet? Nur zu viele Erfahrungen haben uns gezeigt,
+was davon zu halten sei. Wir fragen nicht, ob ein Mann diese oder jene
+patriotische Handlung vollbracht habe; wir fragen nach seiner ganzen
+politischen Laufbahn. - Legendre scheint die Namen der Verhafteten
+nicht zu wissen; der ganze Konvent kennt sie. Sein Freund Lacroix ist
+darunter. Warum scheint Legendre das nicht zu wissen? Weil er wohl
+weiß, daß nur die Schamlosigkeit Lacroix verteidigen kann. Er nannte
+nur Danton, weil er glaubt, an diesen Namen knüpfe sich ein
+Privilegium. Nein, wir wollen keine Privilegien, wir wollen keine
+Götzen! (Beifall.)
+
+Was hat Danton vor Lafayette, vor Dumouriez, vor Brissot, Fabre,
+Chabot, Hébert voraus? Was sagt man von diesen, was man nicht auch von
+ihm sagen könnte? Habt ihr sie gleichwohl geschont? Wodurch verdient
+er einen Vorzug vor seinen Mitbürgern? Etwa, weil einige betrogene
+Individuen und andere, die sich nicht betrügen ließen, sich um ihn
+reihten, um in seinem Gefolge dem Glück und der Macht in die Arme zu
+laufen? - Je mehr er die Patrioten betrogen hat, welche Vertrauen in
+ihn setzten, desto nachdrücklicher muß er die Strenge der
+Freiheitsfreunde empfinden.
+
+Man will euch Furcht einflößen vor dem Mißbrauche einer Gewalt, die
+ihr selbst ausgeübt habt. Man schreit über den Despotismus der
+Ausschüsse, als ob das Vertrauen, welches das Volk euch geschenkt und
+das ihr diesen Ausschüssen übertragen habt, nicht eine sichre Garantie
+ihres Patriotismus wäre. Man stellt sich, als zittre man. Aber ich
+sage euch, wer in diesem Augenblicke zittert, ist schuldig; denn nie
+zittert die Unschuld vor der öffentlichen Wachsamkeit. (Allgemeiner
+Beifall.)
+
+Man hat auch mich schrecken wollen; man gab mir zu verstehen, daß die
+Gefahr, indem sie sich Danton nähere, auch bis zu mir dringen könne.
+Man schrieb mir, Dantons Freunde hielten mich umlagert, in der
+Meinung, die Erinnerung an eine alte Verbindung, der blinde Glauben an
+erheuchelte Tugenden könnten mich bestimmen, meinen Eifer und meine
+Leidenschaft für die Freiheit zu mäßigen. - So erkläre ich denn:
+nichts soll mich aufhalten, und sollte auch Dantons Gefahr die meinige
+werden. Wir alle haben etwas Mut und etwas Seelengröße nötig. Nur
+Verbrecher und gemeine Seelen fürchten, ihresgleichen an ihrer Seite
+fallen zu sehen, weil sie, wenn keine Schar von Mitschuldigen sie mehr
+versteckt, sich dem Licht der Wahrheit ausgesetzt sehen. Aber wenn es
+dergleichen Seelen in dieser Versammlung gibt, so gibt es in ihr auch
+heroische. Die Zahl der Schurken ist nicht groß; wir haben nur wenige
+Köpfe zu treffen, und das Vaterland ist gerettet. (Beifall.)
+
+Ich verlange, daß Legendres Vorschlag zurückgewiesen werde. (Die
+Deputierten erheben sich sämtlich zum Zeichen allgemeiner
+Beistimmung.)
+
+St. Just.
+Es scheint in dieser Versammlung einige empfindliche Ohren zu geben,
+die das Wort »Blut« nicht wohl vertragen können. Einige allgemeine
+Betrachtungen mögen sie überzeugen, daß wir nicht grausamer sind als
+die Natur und als die Zeit. Die Natur folgt ruhig und unwiderstehlich
+ihren Gesetzen; der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen in
+Konflikt kommt. Eine Änderung in den Bestandteilen der Luft, ein
+Auflodern des tellurischen Feuers, ein Schwanken in dem Gleichgewicht
+einer Wassermasse und eine Seuche, ein vulkanischer Ausbruch, eine
+Überschwemmung begraben Tausende. Was ist das Resultat? Eine
+unbedeutende, im großen Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der
+physischen Natur, die fast spurlos vorübergegangen sein würde, wenn
+nicht Leichen auf ihrem Wege lägen.
+
+Ich frage nun: soll die geistige Natur in ihren Revolutionen mehr
+Rücksicht nehmen als die physische? Soll eine Idee nicht ebensogut wie
+ein Gesetz der Physik vernichten dürfen, was sich ihr widersetzt? Soll
+überhaupt ein Ereignis, was die ganze Gestaltung der moralischen
+Natur, das heißt der Menschheit, umändert, nicht durch Blut gehen
+dürfen? Der Weltgeist bedient sich in der geistigen Sphäre unserer
+Arme ebenso, wie er in der physischen Vulkane und Wasserfluten
+gebraucht. Was liegt daran, ob sie an einer Seuche oder an der
+Revolution sterben?
+
+Die Schritte der Menschheit sind langsam, man kann sie nur nach
+Jahrhunderten zählen; hinter jedem erheben sich die Gräber von
+Generationen. Das Gelangen zu den einfachsten Erfindungen und
+Grundsätzen hat Millionen das Leben gekostet, die auf dem Wege
+starben. Ist es denn nicht einfach, daß zu einer Zeit, wo der Gang der
+Geschichte rascher ist, auch mehr Menschen außer Atem kommen?
+
+Wir schließen schnell und einfach: Da alle unter gleichen
+Verhältnissen geschaffen werden, so sind alle gleich, die Unterschiede
+abgerechnet, welche die Natur selbst gemacht hat; es darf daher jeder
+Vorzüge und darf daher keiner Vorrechte haben, weder ein einzelner
+noch eine geringere oder größere Klasse von Individuen. - Jedes Glied
+dieses in der Wirklichkeit angewandten Satzes hat seine Menschen
+getötet. Der 14. Juli, der 10. August, der 31. Mai sind seine
+Interpunktionszeichen. Er hatte vier Jahre Zeit nötig, um in der
+Körperwelt durchgeführt zu werden, und unter gewöhnlichen Umständen
+hätte er ein Jahrhundert dazu gebraucht und wäre mit Generationen
+interpunktiert worden. Ist es da so zu verwundern, daß der Strom der
+Revolution bei jedem Absatz, bei jeder neuen Krümmung seine Leichen
+ausstößt?
+
+Wir werden unserm Satze noch einige Schlüsse hinzuzufügen haben;
+sollen einige hundert Leichen uns verhindern, sie zu machen? - Moses
+führte sein Volk durch das Rote Meer und in die Wüste, bis die alte
+verdorbne Generation sich aufgerieben hatte, eh' er den neuen Staat
+gründete. Gesetzgeber! Wir haben weder das Rote Meer noch die Wüste,
+aber wir haben den Krieg und die Guillotine.
+
+Die Revolution ist wie die Töchter des Pelias: sie zerstückt die
+Menschheit, um sie zu verjüngen. Die Menschheit wird aus dem
+Blutkessel wie die Erde aus den Wellen der Sündflut mit urkräftigen
+Gliedern sich erheben, als wäre sie zum ersten Male geschaffen.
+(Langer, anhaltender Beifall. Einige Mitglieder erheben sich im
+Enthusiasmus.)
+
+Alle geheimen Feinde der Tyrannei, welche in Europa und auf dem ganzen
+Erdkreise den Dolch des Brutus unter ihren Gewändern tragen, fordern
+wir auf, diesen erhabnen Augenblick mit uns zu teilen. (Die Zuhörer
+und die Deputierten stimmen die Marseillaise an.)
+
+
+
+
+Dritter Akt
+
+Erste Szene
+
+Das Luxembourg. Ein Saal mit Gefangnen
+
+Chaumette, Payne, Mercier, Hérault-Séchelles und andre Gefangne.
+
+Chaumette (zupft Payne am Ärmel).
+Hören Sie, Payne, es könnte doch so sein, vorhin überkam es mich so;
+ich habe heute Kopfweh, helfen Sie mir ein wenig mit Ihren Schlüssen,
+es ist mir ganz unheimlich zumut.
+
+Payne.
+So komm, Philosoph Anaxagoras, ich will dich katechisieren. - Es gibt
+keinen Gott, denn: Entweder hat Gott die Welt geschaffen oder nicht.
+Hat er sie nicht geschaffen, so hat die Welt ihren Grund in sich, und
+es gibt keinen Gott, da Gott nur dadurch Gott wird, daß er den Grund
+alles Seins enthält. Nun kann aber Gott die Welt nicht geschaffen
+haben; denn entweder ist die Schöpfung ewig wie Gott, oder sie hat
+einen Anfang. Ist letzteres der Fall, so muß Gott sie zu einem
+bestimmten Zeitpunkt geschaffen haben, Gott muß also, nachdem er eine
+Ewigkeit geruht, einmal tätig geworden sein, muß also einmal eine
+Veränderung in sich erlitten haben, die den Begriff Zeit auf ihn
+anwenden läßt, was beides gegen das Wesen Gottes streitet. Gott kann
+also die Welt nicht geschaffen haben. Da wir nun aber sehr deutlich
+wissen, daß die Welt oder daß unser Ich wenigstens vorhanden ist und
+daß sie dem Vorhergehenden nach also auch ihren Grund in sich oder in
+etwas haben muß, das nicht Gott ist, so kann es keinen Gott geben.
+Quod erat demonstrandum.
+
+Chaumette.
+Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht; ich danke, danke!
+
+Mercier.
+Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung ewig ist?
+
+Payne.
+Dann ist sie schon keine Schöpfung mehr, dann ist sie eins mit Gott
+oder ein Attribut desselben, wie Spinoza sagt; dann ist Gott in allem,
+in Ihnen, Wertester, im Philosoph Anaxagoras und in mir. Das wäre so
+übel nicht, aber Sie müssen mir zugestehen, daß es gerade nicht viel
+um die himmlische Majestät ist, wenn der liebe Herrgott in jedem von
+uns Zahnweh kriegen, den Tripper haben, lebendig begraben werden oder
+wenigstens die sehr unangenehmen Vorstellungen davon haben kann.
+
+Mercier.
+Aber eine Ursache muß doch da sein.
+
+Payne.
+Wer leugnet dies? Aber wer sagt Ihnen denn, daß diese Ursache das sei,
+was wir uns als Gott, d. h. als das Vollkommne denken? Halten Sie die
+Welt für vollkommen?
+
+Mercier.
+Nein.
+
+Payne.
+Wie wollen Sie denn aus einer unvollkommnen Wirkung auf eine
+vollkommne Ursache schließen? - Voltaire wagte es ebensowenig mit Gott
+als mit den Königen zu verderben, deswegen tat er es. Wer einmal
+nichts hat als Verstand und ihn nicht einmal konsequent zu gebrauchen
+weiß oder wagt, ist ein Stümper.
+
+Mercier.
+Ich frage dagegen: kann eine vollkommne Ursache eine vollkommne
+Wirkung haben, d. h. kann etwas Vollkommnes was Vollkommnes schaffen?
+Ist das nicht unmöglich, weil das Geschaffne doch nie seinen Grund in
+sich haben kann, was doch, wie Sie sagten, zur Vollkommenheit gehört?
+
+Chaumette.
+Schweigen Sie! Schweigen Sie!
+
+Payne.
+Beruhige dich, Philosoph! - Sie haben recht; aber muß denn Gott einmal
+schaffen, kann er nur was Unvollkommnes schaffen, so läßt er es
+gescheuter ganz bleiben. Ist's nicht sehr menschlich, uns Gott nur als
+schaffend denken zu können? Weil wir uns immer regen und schütteln
+müssen, um uns nur immer sagen zu können: wir sind! müssen wir Gott
+auch dies elende Bedürfnis andichten? - Müssen wir, wenn sich unser
+Geist in das Wesen einer harmonisch in sich ruhenden, ewigen Seligkeit
+versenkt, gleich annehmen, sie müsse die Finger ausstrecken und über
+Tisch Brotmännchen kneten? aus überschwenglichem Liebesbedürfnis, wie
+wir uns ganz geheimnisvoll in die Ohren sagen. Müssen wir das alles,
+bloß um uns zu Göttersöhnen zu machen? Ich nehme mit einem geringern
+Vater vorlieb; wenigstens werd ich ihm nicht nachsagen können, daß er
+mich unter seinem Stande in Schweineställen oder auf den Galeeren habe
+erziehen lassen.
+
+Schafft das Unvollkommne weg, dann allein könnt ihr Gott
+demonstrieren; Spinoza hat es versucht. Man kann das Böse leugnen,
+aber nicht den Schmerz; nur der Verstand kann Gott beweisen, das
+Gefühl empört sich dagegen. Merke dir es, Anaxagoras: warum leide ich?
+Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und
+rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von
+oben bis unten.
+
+Mercier.
+Und die Moral?
+
+Payne.
+Erst beweist ihr Gott aus der Moral und dann die Moral aus Gott! - Was
+wollt ihr denn mit eurer Moral? Ich weiß nicht, ob es an und für sich
+was Böses oder was Gutes gibt, und habe deswegen doch nicht nötig,
+meine Handlungsweise zu ändern. Ich handle meiner Natur gemäß; was ihr
+angemessen, ist für mich gut und ich tue es, und was ihr zuwider, ist
+für mich bös und ich tue es nicht und verteidige mich dagegen, wenn es
+mir in den Weg kommt. Sie können, wie man so sagt, tugendhaft bleiben
+und sich gegen das sogenannte Laster wehren, ohne deswegen ihre Gegner
+verachten zu müssen, was ein gar trauriges Gefühl ist.
+
+Chaumette.
+Wahr, sehr wahr!
+
+Hérault.
+O Philosoph Anaxagoras, man könnte aber auch sagen: damit Gott alles
+sei, müsse er auch sein eignes Gegenteil sein, d. h. vollkommen und
+unvollkommen, bös und gut, selig und leidend; das Resultat freilich
+würde gleich Null sein, es würde sich gegenseitig heben, wir kämen zum
+Nichts. - Freue dich, du kömmst glücklich durch: du kannst ganz ruhig
+in Madame Momoro das Meisterstück der Natur anbeten, wenigstens hat
+sie dir die Rosenkränze dazu in den Leisten gelassen.
+
+Chaumette.
+Ich danke Ihnen verbindlichste meine Herren! (Ab.)
+
+Payne.
+Er traut noch nicht, er wird sich zu guter Letzt noch die Ölung geben,
+die Füße nach Mekka zu legen und sich beschneiden lassen, um ja keinen
+Weg zu verfehlen.
+
+(Danton, Lacroix, Camille, Philippeau werden hereingeführt.)
+
+Hérault. (läuft auf Danton zu und umarmt ihn).
+Guten Morgen! Gute Nacht sollte ich sagen. Ich kann nicht fragen, wie
+hast du geschlafen -: wie wirst du schlafen?
+
+Danton.
+Nun gut, man muß lachend zu Bett gehn.
+
+Mercier (zu Payne).
+Diese Dogge mit Taubenflügeln! Er ist der böse Genius der Revolution;
+er wagte sich an seine Mutter, aber sie war stärker als er.
+
+Payne.
+Sein Leben und sein Tod sind ein gleich großes Unglück.
+
+Lacroix (zu Danton).
+Ich dachte nicht, daß sie so schnell kommen würden.
+
+Danton.
+Ich wußt' es, man hatte mich gewarnt.
+
+Lacroix.
+Und du hast nichts gesagt?
+
+Danton.
+Zu was? Ein Schlagfluß ist der beste Tod; wolltest du zuvor krank
+sein? Und - ich dachte nicht, daß sie es wagen würden. (Zu Hérault:)
+Es ist besser, sich in die Erde legen als sich Leichdörner auf ihr
+laufen; ich habe sie lieber zum Kissen als zum Schemel.
+
+Hérault.
+Wir werden wenigstens nicht mit Schwielen an den Fingern der hübschen
+Dame Verwesung die Wangen streicheln.
+
+Camille (zu Danton).
+Gib dir nur keine Mühe! du magst die Zunge noch so weit zum Hals
+heraushängen, du kannst dir damit doch nicht den Todesschweiß von der
+Stirne lecken. - O Lucile! Das ist ein großer Jammer!
+
+(Die Gefangnen drängen sich um die neu Angekommnen.)
+
+Danton (zu Payne).
+Was Sie für das Wohl Ihres Landes getan, habe ich für das meinige
+versucht. Ich war weniger glücklich, man schickt mich aufs Schafott;
+meinetwegen, ich werde nicht stolpern.
+
+Mercier (zu Danton).
+Das Blut der Zweiundzwanzig ersäuft dich.
+
+Ein Gefangener (zu Hérault).
+Die Macht des Volkes und die Macht der Vernunft sind eins.
+
+Ein andrer (zu Camille).
+Nun, Generalprokurator der Laterne, deine Verbesserung der
+Straßenbeleuchtung hat in Frankreich nicht heller gemacht.
+
+Ein andrer.
+Laßt ihn! Das sind die Lippen, welche das Wort »Erbarmen« gesprochen.
+(Er umarmt Camille, mehrere Gefangne folgen seinem Beispiel.)
+
+Philippeau.
+Wir sind Priester, die mit Sterbenden gebetet haben; wir sind
+angesteckt worden und sterben an der nämlichen Seuche.
+
+Einige Stimmen.
+Der Streich, der euch trifft, tötet uns alle.
+
+Camille.
+Meine Herren, ich beklage sehr, daß unsere Anstrengungen so fruchtlos
+waren; ich gehe aufs Schafott, weil mir die Augen über das Los einiger
+Unglücklichen naß geworden.
+
+
+
+Zweite Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Fouquier-Tinville. Herman.
+
+Fouquier.
+Alles bereit?
+
+Herman.
+Es wird schwer halten; wäre Danton nicht darunter, so ginge es leicht.
+
+Fouquier.
+Er muß vortanzen.
+
+Herman.
+Er wird die Geschwornen erschrecken, er ist die Vogelscheuche der
+Revolution.
+
+Fouquier.
+Die Geschwornen müssen wollen.
+
+Herman.
+Ein Mittel wüßt' ich, aber es wird die gesetzliche Form verletzen.
+
+Fouquier.
+Nur zu!
+
+Herman.
+Wir losen nicht, sondern suchen die Handfesten aus.
+
+Fouquier.
+Das muß gehen. - Das wird ein gutes Heckefeuer geben. Es sind ihrer
+neunzehn. Sie sind geschickt zusammengewörfelt. Die vier Fälscher,
+dann einige Bankiers und Fremde. Es ist ein pikantes Gericht. Das Volk
+braucht dergleichen. - Also zuverlässige Leute! Wer zum Beispiel?
+
+Herman.
+Leroi. Er ist taub und hört daher nichts von all dem, was die
+Angeklagten vorbringen. Danton mag sich den Hals bei ihm rauh
+schreien.
+
+Fouquier.
+Sehr gut; weiter!
+
+Herman.
+Vilatte und Lumière. Der eine sitzt immer in der Trinkstube, und der
+andere schläft immer; beide öffnen den Mund nur, um das Wort
+»Schuldig« zu sagen. - Girard hat den Grundsatz, es dürfe keiner
+entwischen, der einmal vor das Tribunal gestellt sei.
+Renaudin...
+
+Fouquier.
+Auch der? Er half einmal einigen Pfaffen durch.
+
+Herman.
+Sei ruhig! Vor einigen Tagen kommt er zu mir und verlangt, man solle
+allen Verurteilten vor der Hinrichtung zur Ader lassen, um sie ein
+wenig matt zu machen; ihre meist trotzige Haltung ärgere ihn.
+
+Fouquier.
+Ach, sehr gut. Also ich verlasse mich!
+
+Herman.
+Laß mich nur machen!
+
+
+
+Dritte Szene
+
+Die Conciergerie. Ein Korridor
+
+Lacroix, Danton, Mercier und andre Gefangne auf und ab gehend.
+
+Lacroix (zu einem Gefangnen).
+Wie, so viel Unglückliche, und in einem so elenden Zustande?
+
+Der Gefangne.
+Haben Ihnen die Guillotinenkarren nie gesagt, daß Paris eine
+Schlachtbank sei?
+
+Mercier.
+Nicht wahr, Lacroix, die Gleichheit schwingt ihre Sichel über allen
+Häuptern, die Lava der Revolution fließt, die Guillotine
+republikanisiert! Da klatschen die Galerien, und die Römer reiben sich
+die Hände; aber sie hören nicht, daß jedes dieser Worte das Röcheln
+eines Opfers ist. Geht einmal euren Phrasen nach bis zu dem Punkt, wo
+sie verkörpert werden. - Blickt um euch, das alles habt ihr
+gesprochen; es ist eine mimische Übersetzung eurer Worte. Diese
+Elenden, ihre Henker und die Guillotine sind eure lebendig gewordnen
+Reden. Ihr bautet eure Systeme, wie Bajazet seine Pyramiden, aus
+Menschenköpfen.
+
+Danton.
+Du hast recht - man arbeitet heutzutag alles in Menschenfleisch. Das
+ist der Fluch unserer Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht.
+
+Es ist grade ein Jahr, daß ich das Revolutionstribunal schuf. Ich
+bitte Gott und Menschen dafür um Verzeihung; ich wollte neuen
+Septembermorden zuvorkommen, ich hoffte die Unschuldigen zu retten,
+aber dies langsame Morden mit seinen Formalitäten ist gräßlicher und
+ebenso unvermeidlich. Meine Herren, ich hoffte, Sie alle diesen Ort
+verlassen zu machen.
+
+Mercier.
+Oh, herausgehen werden wir.
+
+Danton.
+Ich bin jetzt bei Ihnen; der Himmel weiß, wie das enden soll.
+
+
+
+Vierte Szene
+
+Das Revolutionstribunal
+
+Herman (zu Danton).
+Ihr Name, Bürger.
+
+Danton.
+Die Revolution nennt meinen Namen. Meine Wohnung ist bald im Nichts
+und mein Name im Pantheon der Geschichte.
+
+Herman.
+Danton, der Konvent beschuldigt Sie, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit
+Orléans, mit den Girondisten, den Fremden und der Faktion Ludwigs des
+XVII. konspiriert zu haben.
+
+Danton.
+Meine Stimme, die ich so oft für die Sache des Volkes ertönen ließ,
+wird ohne Mühe die Verleumdung zurückweisen. Die Elenden, welche mich
+anklagen, mögen hier erscheinen, und ich werde sie mit Schande
+bedecken. Die Ausschüsse mögen sich hierher begeben, ich werde nur vor
+ihnen antworten. Ich habe sie als Kläger und als Zeugen nötig. Sie
+mögen sich zeigen.
+
+Übrigens, was liegt mir an euch und eurem Urteil? Ich hab es euch
+schon gesagt: das Nichts wird bald mein Asyl sein; - das Leben ist mir
+zur Last, man mag mir es entreißen, ich sehne mich danach, es
+abzuschütteln.
+
+Herman.
+Danton, die Kühnheit ist dem Verbrecher, die Ruhe der Unschuld eigen.
+
+Danton.
+Privatkühnheit ist ohne Zweifel zu tadeln, aber jene Nationalkühnheit,
+die ich so oft gezeigt, mit welcher ich so oft für die Freiheit
+gekämpft habe, ist die verdienstvollste aller Tugenden. - Sie ist
+meine Kühnheit, sie ist es, der ich mich hier zum Besten der Republik
+gegen meine erbärmlichen Ankläger bediene. Kann ich mich fassen, wenn
+ich mich auf eine so niedrige Weise verleumdet sehe? - Von einem
+Revolutionär wie ich darf man keine kalte Verteidigung erwarten.
+Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer
+Stirne schwebt das Genie der Freiheit. (Zeichen von Beifall unter den
+Zuhörern.)
+
+Mich klagt man an, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orléans
+konspiriert, zu den Füßen elender Despoten gekrochen zu haben; mich
+fordert man auf, vor der unentrinnbaren, unbeugsamen Gerechtigkeit zu
+antworten. - Du elender St. Just wirst der Nachwelt für diese
+Lästerung verantwortlich sein!
+
+Herman.
+Ich fordere Sie auf, mit Ruhe zu antworten; gedenken Sie Marats, er
+trat mit Ehrfurcht vor seine Richter.
+
+Danton.
+Sie haben die Hände an mein ganzes Leben gelegt, so mag es sich denn
+aufrichten und ihnen entgegentreten; unter dem Gewichte jeder meiner
+Handlungen werde ich sie begraben. - Ich bin nicht stolz darauf. Das
+Schicksal führt uns den Arm, aber nur gewaltige Naturen sind seine
+Organe.
+
+Ich habe auf dem Marsfelde dem Königtume den Krieg erklärt, ich habe
+es am 10. August geschlagen, ich habe es am 21. Januar getötet und den
+Königen einen Königskopf als Fehdehandschuh hingeworfen. (Wiederholte
+Zeichen von Beifall. - Er nimmt die Anklageakte.) Wenn ich einen Blick
+auf diese Schandschrift werfe, fühle ich mein ganzes Wesen beben. Wer
+sind denn die, welche Danton nötigen mußten, sich an jenem
+denkwürdigen Tage (dem 10. August) zu zeigen? Wer sind denn die
+privilegierten Wesen, von denen er seine Energie borgte? - Meine
+Ankläger mögen erscheinen! Ich bin ganz bei Sinnen, wenn ich es
+verlange. Ich werde die platten Schurken entlarven und sie in das
+Nichts zurückschleudern, aus dem sie nie hätten hervorkriechen
+sollen.
+
+Herman (schellt).
+Hören Sie die Klingel nicht?
+
+Danton.
+Die Stimme eines Menschen, welcher seine Ehre und sein Leben
+verteidigt, muß deine Schelle überschreien.
+
+Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den
+zerstückten Leibern der Aristokraten geätzt. Meine Stimme hat aus dem
+Golde der Aristokraten und Reichen dem Volke Waffen geschmiedet. Meine
+Stimme war der Orkan, welcher die Satelliten des Despotismus unter
+Wogen von Bajonetten begrub. (Lauter Beifall.)
+
+Herman.
+Danton, Ihre Stimme ist erschöpft, Sie sind zu heftig bewegt. Sie
+werden das nächste Mal Ihre Verteidigung beschließen, Sie haben Ruhe
+nötig. - Die Sitzung ist aufgehoben.
+
+Danton.
+Jetzt kennt Ihr Danton - noch wenige Stunden, und er wird in den Armen
+des Ruhmes entschlummern.
+
+
+
+Fünfte Szene
+
+Das Luxembourg. Ein Kerker
+
+Dillon. Laflotte. Ein Gefangenwärter.
+
+Dillon.
+Kerl, leuchte mir mit deiner Nase nicht so ins Gesicht. Hä, hä, hä!
+
+Laflotte.
+Halte den Mund zu, deine Mondsichel hat einen Hof. Hä, hä, hä!
+
+Wärter.
+Hä, hä, hä! Glaubt Ihr, Herr, daß Ihr bei ihrem Schein lesen könntet?
+(Zeigt auf einen Zettel, den er in der Hand hält.)
+
+Dillon.
+Gib her!
+
+Wärter.
+Herr, meine Mondsichel hat Ebbe bei mir gemacht.
+
+Laflotte.
+Deine Hosen sehen aus, als ob Flut wäre.
+
+Wärter.
+Nein, sie zieht Wasser. (Zu Dillon:) Sie hat sich vor Eurer Sonne
+verkrochen, Herr; Ihr müßt mir was geben, das sie wieder feurig macht,
+wenn Ihr dabei lesen wollt.
+
+Dillon.
+Da, Kerl! Pack dich! (Er gibt ihm Geld. Wärter ab. - Dillon liest:)
+Danton hat das Tribunal erschreckt, die Geschwornen schwankten, die
+Zuhörer murrten. Der Zudrang war außerordentlich. Das Volk drängte
+sich um den Justizpalast und stand bis zu den Brücken. Eine Handvoll
+Geld, ein Arm endlich - hin! hin! (Er geht auf und ab und schenkt sich
+von Zeit zu Zeit aus einer Flasche ein.) Hätt' ich nur den Fuß auf der
+Gasse! Ich werde mich nicht so schlachten lassen. Ja, nur den Fuß auf
+der Gasse!
+
+Laflotte.
+Und auf dem Karren, das ist eins.
+
+Dillon.
+Meinst du? Da lägen noch ein paar Schritte dazwischen, lange genug, um
+sie mit den Leichen der Dezemvirn zu messen. - Es ist endlich Zeit,
+daß die rechtschaffnen Leute das Haupt erheben.
+
+Laflotte (für sich).
+Desto besser, um so leichter ist es zu treffen. Nur zu, Alter; noch
+einige Gläser, und ich werde flott.
+
+Dillon.
+Die Schurken, die Narren, sie werden sich zuletzt noch selbst
+guillotinieren. (Er läuft auf und ab.)
+
+Laflotte (beiseite).
+Man könnte das Leben ordentlich wieder liebhaben, wie sein Kind, wenn
+man sich's selbst gegeben. Das kommt gerade nicht oft vor, daß man so
+mit dem Zufall Blutschande treiben und sein eigner Vater werden kann.
+Vater und Kind zugleich. Ein behaglicher Ödipus!
+
+Dillon.
+Man füttert das Volk nicht mit Leichen; Dantons und Camilles Weiber
+mögen Assignaten unter das Volk werfen, das ist besser als Köpfe.
+
+Laflotte (beiseite).
+Ich würde mir hintennach die Augen nicht ausreißen; ich könnte sie
+nötig haben, um den guten General zu beweinen.
+
+Dillon.
+Die Hand an Danton! Wer ist noch sicher? Die Furcht wird sie
+vereinigen.
+
+Laflotte (beiseite).
+Er ist doch verloren. Was ist's denn, wenn ich auf eine Leiche trete,
+um aus dem Grab zu klettern?
+
+Dillon.
+Nur den Fuß auf der Gasse! Ich werde Leute genug finden, alte
+Soldaten, Girondisten, Exadlige; wir erbrechen die Gefängnisse, wir
+müssen uns mit den Gefangnen verständigen.
+
+Laflotte (beiseite).
+Nun freilich, es riecht ein wenig nach Schufterei. Was tut's? Ich
+hätte Lust, auch das zu versuchen; ich war bisher zu einseitig. Man
+bekommt Gewissensbisse, das ist doch eine Abwechslung; es ist nicht so
+unangenehm, seinen eignen Gestank zu riechen. - Die Aussicht auf die
+Guillotine ist mir langweilig geworden; so lang auf die Sache zu
+warten! Ich habe sie im Geist schon zwanzigmal durchprobiert. Es ist
+auch gar nichts Pikantes mehr dran; es ist ganz gemein geworden.
+
+Dillon.
+Man muß Dantons Frau ein Billett zukommen lassen.
+
+Laflotte (beiseite).
+Und dann - ich fürchte den Tod nicht, aber den Schmerz. Es könnte wehe
+tun, wer steht mir dafür? Man sagt zwar, es sei nur ein Augenblick;
+aber der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß, er zerlegt eine Tertie.
+Nein! Der Schmerz ist die einzige Sünde, und das Leiden ist das
+einzige Laster; ich werde tugendhaft bleiben.
+
+Dillon.
+Höre, Laflotte, wo ist der Kerl hingekommen? Ich habe Geld, das muß
+gehen. Wir müssen das Eisen schmieden; mein Plan ist fertig.
+
+Laflotte.
+Gleich, gleich! Ich kenne den Schließer, ich werde mit ihm sprechen.
+Du kannst auf mich zählen, General, wir werden aus dem Loch kommen -
+(für sich im Hinausgehn:) um in ein anderes zu gehen: ich in das
+weiteste, die Welt, er in das engste, das Grab.
+
+
+
+Sechste Szene
+
+Der Wohlfahrtsausschuß
+
+St. Just. Barère. Collot d'Herbois. Billaud-Varennes.
+
+Barère.
+Was schreibt Fouquier?
+
+St. Just.
+Das zweite Verhör ist vorbei. Die Gefangnen verlangen das Erscheinen
+mehrerer Mitglieder des Konvents und des Wohlfahrtsausschusses; sie
+appellierten an das Volk, wegen Verweigerung der Zeugen. Die Bewegung
+der Gemüter soll unbeschreiblich sein. - Danton parodierte den Jupiter
+und schüttelte die Locken.
+
+Collot.
+Um so leichter wird ihn Samson daran packen.
+
+Barère.
+Wir dürfen uns nicht zeigen, die Fischweiber und die Lumpensammler
+könnten uns weniger imposant finden.
+
+Billaud.
+Das Volk hat einen Instinkt, sich treten zu lassen, und wäre es nur
+mit Blicken; dergleichen insolente Physiognomien gefallen ihm. Solche
+Stirnen sind ärger als ein adliges Wappen, der feine Aristokratismus
+der Menschenverachtung sitzt auf ihnen. Es sollte sie jeder
+einschlagen helfen, den es verdrießt, einen Blick von oben herunter zu
+erhalten.
+
+Barère.
+Er ist wie der hörnerne Siegfried, das Blut der Septembrisierten hat
+ihn unverwundbar gemacht. Was sagt Robespierre?
+
+St. Just.
+Er tut, als ob er etwas zu sagen hätte. Die Geschwornen müssen sich
+für hinlänglich unterrichtet erklären und die Debatten schließen.
+
+Barère.
+Unmöglich, das geht nicht.
+
+St. Just.
+Sie müssen weg, um jeden Preis, und sollten wir sie mit den eignen
+Händen erwürgen. Wagt! Danton soll uns das Wort nicht umsonst gelehrt
+haben. Die Revolution wird über ihre Leichen nicht stolpern; aber
+bleibt Danton am Leben, so wird er sie am Gewand fassen, und er hat
+etwas in seiner Gestalt, als ob er die Freiheit notzüchtigen könnte.
+(St. Just wird hinausgerufen.)
+
+(Ein Schließer tritt ein.)
+
+Schließer.
+In St. Pelagie liegen Gefangne am Sterben, sie verlangen einen Arzt.
+
+Billaud.
+Das ist unnötig, so viel Mühe weniger für den Scharfrichter.
+
+Schließer.
+Es sind schwangere Weiber dabei.
+
+Billaud.
+Desto besser, da brauchen ihre Kinder keinen Sarg.
+
+Barère.
+Die Schwindsucht eines Aristokraten spart dem Revolutionstribunal eine
+Sitzung. Jede Arznei wäre contrerevolutionär.
+
+Collot (nimmt ein Papier).
+Eine Bittschrift, ein Weibername!
+
+Barère.
+Wohl eine von denen, die gezwungen sein möchten, zwischen einem
+Guillotinenbrett und dem Bett eines Jakobiners zu wählen. Die wie
+Lukretia nach dem Verlust ihrer Ehre sterben, aber etwas später als
+die Römerin: im Kindbett oder am Krebs oder aus Altersschwäche. - Es
+mag nicht so unangenehm sein, einen Tarquinius aus der Tugendrepublik
+einer Jungfrau zu treiben.
+
+Collot.
+Sie ist zu alt. Madame verlangt den Tod, sie weiß sich auszudrücken:
+das Gefängnis liege auf ihr wie ein Sargdeckel; sie sitzt erst seit
+vier Wochen. Die Antwort ist leicht. (Er schreibt und liest:)
+»Bürgerin, es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod wünschest.«
+(Schließer ab.)
+
+Barère.
+Gut gesagt! Aber, Collot, es ist nicht gut, daß die Guillotine zu
+lachen anfängt; die Leute haben sonst keine Furcht mehr davor; man muß
+sich nicht so familiär machen.
+
+(St. Just kommt zurück.)
+
+St. Just.
+Eben erhalte ich eine Denunziation. Man konspiriert in den
+Gefängnissen; ein junger Mensch namens Laflotte hat alles entdeckt. Er
+saß mit Dillon im nämlichen Zimmer, Dillon hat getrunken und
+geplaudert.
+
+Barère.
+Er schneidet sich mit seiner Bouteille den Hals ab; das ist schon mehr
+vorgekommen.
+
+St. Just.
+Dantons und Camilles Weiber sollen Geld unter das Volk werfen, Dillon
+soll ausbrechen, man will die Gefangnen befreien, der Konvent soll
+gesprengt werden.
+
+Barère.
+Das sind Märchen.
+
+St. Just.
+Wir werden sie aber mit dem Märchen in Schlaf erzählen. Die Anzeige
+habe ich in Händen; dazu die Keckheit der Angeklagten, das Murren des
+Volks, die Bestürzung der Geschwornen - ich werde einen Bericht
+machen.
+
+Barère.
+Ja, geh, St. Just, und spinne deine Perioden, worin jedes Komma ein
+Säbelhieb und jeder Punkt ein abgeschlagner Kopf ist!
+
+St. Just.
+Der Konvent muß dekretieren, das Tribunal solle ohne Unterbrechung den
+Prozeß fortführen und dürfe jeden Angeklagten, welcher die dem
+Gerichte schuldige Achtung verletzte oder störende Auftritte
+veranlaßte, von den Debatten ausschließen.
+
+Barère.
+Du hast einen revolutionären Instinkt; das lautet ganz gemäßigt und
+wird doch seine Wirkung tun. Sie können nicht schweigen, Danton muß
+schreien.
+
+St. Just.
+Ich zähle auf eure Unterstützung. Es gibt Leute im Konvent, die ebenso
+krank sind wie Danton und welche die nämliche Kur fürchten. Sie haben
+wieder Mut bekommen, sie werden über Verletzung der Formen
+schreien...
+
+Barère(ihn unterbrechend)
+Ich werde ihnen sagen: Zu Rom wurde der Konsul, welcher die
+Verschwörung des Katilina entdeckte und die Verbrecher auf der Stelle
+mit dem Tod bestrafte, der verletzten Förmlichkeit angeklagt. Wer
+waren seine Ankläger?
+
+Collot (mit Pathos).
+Geh, St. Just! Die Lava der Revolution fließt. Die Freiheit wird die
+Schwächlinge, welche ihren mächtigen Schoß befruchten wollten, in
+ihren Umarmungen ersticken; die Majestät des Volks wird ihnen wie
+Jupiter der Semele unter Donner und Blitz erscheinen und sie in Asche
+verwandeln. Geh, St. Just, wir werden dir helfen, den Donnerkeil auf
+die Häupter der Feiglinge zu schleudern! (St. Just ab.)
+
+Barère.
+Hast du das Wort Kur gehört? Sie werden noch aus der Guillotine ein
+Spezifikum gegen die Lustseuche machen. Sie kämpfen nicht mit den
+Moderierten, sie kämpfen mit dem Laster.
+
+Billaud.
+Bis jetzt geht unser Weg zusammen.
+
+Barère.
+Robespierre will aus der Revolution einen Hörsaal für Moral machen und
+die Guillotine als Katheder gebrauchen.
+
+Billaud.
+Oder als Betschemel.
+
+Collot.
+Auf dem er aber alsdann nicht stehen, sondern liegen soll.
+
+Barère.
+Das wird leicht gehen. Die Welt müßte auf dem Kopf stehen, wenn die
+sogenannten Spitzbuben von den sogenannten rechtlichen Leuten gehängt
+werden sollten.
+
+Collot(zu Barère).
+Wann kommst du wieder nach Clichy?
+
+Barère.
+Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt.
+
+Collot.
+Nicht wahr, über dem Ort steht ein Haarstern, unter dessen
+versengenden Strahlen dein Rückenmark ganz ausgedörrt
+wird?
+
+Billaud.
+Nächstens werden die niedlichen Finger der reizenden Demaly es ihm aus
+dem Futterale ziehen und es als Zöpfchen über den Rücken
+hinunterhängen machen.
+
+Barère (zuckt die Achseln).
+Pst! davon darf der Tugendhafte nichts wissen.
+
+Billaud.
+Er ist ein impotenter Masoret. (Billaud und Collot ab.)
+
+Barère (allein).
+Die Ungeheuer! - »Es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod
+wünschest!« Diese Worte hätten die Zunge müssen verdorren machen, die
+sie gesprochen.
+
+Und ich? - Als die Septembriseurs in die Gefängnisse drangen, faßt ein
+Gefangner sein Messer, er drängt sich unter die Mörder, er stößt es in
+die Brust eines Priesters, er ist gerettet! Wer kann was dawider
+haben? Ob ich mich nun unter die Mörder dränge oder mich in den
+Wohlfahrtsausschuß setze, ob ich ein Guillotinen- oder ein
+Taschenmesser nehme? Es ist der nämliche Fall, nur mit etwas
+verwickelteren Umständen; die Grundverhältnisse sind sich gleich. -
+Und durft' er einen morden: durft' er auch zwei, auch drei, auch noch
+mehr? wo hört das auf? Da kommen die Gerstenkörner! Machen zwei einen
+Haufen, drei, vier, wieviel dann? Komm, mein Gewissen, komm, mein
+Hühnchen, komm, bi, bi, bi, da ist Futter!
+
+Doch - war ich auch Gefangner? Verdächtig war ich, das läuft auf eins
+hinaus; der Tod war mir gewiß. (Ab.)
+
+
+
+Siebente Szene
+
+Die Conciergerie
+
+Lacroix. Danton. Philippeau. Camille.
+
+Lacroix.
+Du hast gut geschrien, Danton; hättest du dich etwas früher so um dein
+Leben gequält, es wäre jetzt anders. Nicht wahr, wenn der Tod einem so
+unverschämt nahe kommt und so aus dem Hals stinkt und immer
+zudringlicher wird?
+
+Camille.
+Wenn er einen noch notzüchtigte und seinen Raub unter Ringen und Kampf
+aus den heißen Gliedern riß! Aber so in allen Formalitäten wie bei der
+Hochzeit mit einem alten Weibe, wie die Pakten aufgesetzt, wie die
+Zeugen gerufen, wie das Amen gesagt und wie dann die Bettdecke gehoben
+wird und es langsam hereinkriecht mit seinen kalten Gliedern!
+
+Danton.
+Wär' es ein Kampf, daß die Arme und Zähne einander packten! Aber es
+ist mir, als wäre ich in ein Mühlwerk gefallen, und die Glieder würden
+mir langsam systematisch von der kalten physischen Gewalt abgedreht.
+So mechanisch getötet zu werden!
+
+Camille.
+Und dann daliegen allein, kalt, steif in dem feuchten Dunst der
+Fäulnis - vielleicht, daß einem der Tod das Leben langsam aus den
+Fibern martert - mit Bewußtsein vielleicht sich wegzufaulen!
+
+Philippeau.
+Seid ruhig, meine Freunde! Wir sind wie die Herbstzeitlose, welche
+erst nach dem Winter Samen trägt. Von Blumen, die versetzt werden,
+unterscheiden wir uns nur dadurch, daß wir über dem Versuch ein wenig
+stinken. Ist das so arg?
+
+Danton.
+Eine erbauliche Aussicht! Von einem Misthaufen auf den andern! Nicht
+wahr, die göttliche Klassentheorie? Von Prima nach Sekunda, von
+Sekunda nach Tertia und so weiter? Ich habe die Schulbänke satt, ich
+habe mir Gesäßschwielen wie ein Affe darauf gesessen.
+
+Philippeau.
+Was willst du denn?
+
+Danton.
+Ruhe.
+
+Philippeau.
+Die ist in Gott.
+
+Danton.
+Im Nichts. Versenke dich in was Ruhigers als das Nichts, und wenn die
+höchste Ruhe Gott ist, ist nicht das Nichts Gott? Aber ich bin ein
+Atheist. Der verfluchte Satz: Etwas kann nicht zu nichts werden! Und
+ich bin etwas, das ist der Jammer! - Die Schöpfung hat sich so breit
+gemacht, da ist nichts leer, alles voll Gewimmels. Das Nichts hat sich
+ermordet, die Schöpfung ist seine Wunde, wir sind seine Blutstropfen,
+die Welt ist das Grab, worin es fault. - Das lautet verrückt, es ist
+aber doch was Wahres daran.
+
+Camille.
+Die Welt ist der Ewige Jude, das Nichts ist der Tod, aber er ist
+unmöglich. Oh, nicht sterben können, nicht sterben können! wie es im
+Lied heißt.
+
+Danton.
+Wir sind alle lebendig begraben und wie Könige in drei- oder
+vierfachen Särgen beigesetzt, unter dem Himmel, in unsern Häusern, in
+unsern Röcken und Hemden. - Wir kratzen fünfzig Jahre lang am
+Sargdeckel. Ja, wer an Vernichtung glauben könnte! dem wäre geholfen.
+- Da ist keine Hoffnung im Tod; er ist nur eine einfachere, das Leben
+eine verwickeltere, organisiertere Fäulnis, das ist der ganze
+Unterschied! - Aber ich bin gerad einmal an diese Art des Faulens
+gewöhnt; der Teufel weiß, wie ich mit einer andern zurechtkomme. O
+Julie! Wenn ich allein ginge! Wenn sie mich einsam ließe! - Und wenn
+ich ganz zerfiele, mich ganz auflöste: ich wäre eine Handvoll
+gemarterten Staubes, jedes meiner Atome könnte nur Ruhe finden bei
+ihr. - Ich kann nicht sterben, nein, ich kann nicht sterben. Wir sind
+noch nicht geschlagen. Wir müssen schreien; sie müssen mir jeden
+Lebenstropfen aus den Gliedern reißen.
+
+Lacroix.
+Wir müssen auf unsrer Forderung bestehen; unsre Ankläger und die
+Ausschüsse müssen vor dem Tribunal erscheinen.
+
+
+
+Achte Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Fouquier. Amar. Vouland.
+
+Fouquier.
+Ich weiß nicht mehr, was ich antworten soll; sie fordern eine
+Kommission.
+
+Amar.
+Wir haben die Schurken: da hast du, was du verlangst. (Er überreicht
+Fouquier ein Papier.)
+
+Vouland.
+Das wird sie zufriedenstellen.
+
+Fouquier.
+Wahrhaftig, das hatten wir nötig.
+
+Amar.
+Nun mache, daß wir und sie die Sache vom Hals bekommen.
+
+
+
+Neunte Szene
+
+Das Revolutionstribunal
+
+Danton.
+Die Republik ist in Gefahr, und er hat keine Instruktion! Wir
+appellieren an das Volk; meine Stimme ist noch stark genug, um den
+Dezemvirn die Leichenrede zu halten. - Ich wiederhole es, wir
+verlangen eine Kommission; wir haben wichtige Entdeckungen zu machen.
+Ich werde mich in die Zitadelle der Vernunft zurückziehen, ich werde
+mit der Kanone der Wahrheit hervorbrechen und meine Feinde zermalmen.
+(Zeichen des Beifalls.)
+
+(Fouquier, Amar und Vouland treten ein.)
+
+Fouquier.
+Ruhe im Namen der Republik, Achtung dem Gesetz! Der Konvent
+beschließt:
+
+In Betracht, daß in den Gefängnissen sich Spuren von Meutereien
+zeigen, in Betracht, daß Dantons und Camilles Weiber Geld unter das
+Volk werfen und daß der General Dillon ausbrechen und sich an die
+Spitze der Empörer stellen soll, um die Angeklagten zu befreien, in
+Betracht endlich, daß diese selbst unruhige Auftritte herbeizuführen
+sich bemüht und das Tribunal zu beleidigen versucht haben, wird das
+Tribunal ermächtigt, die Untersuchung ohne Unterbrechung fortzusetzen
+und jeden Angeklagten, der die dem Gesetze schuldige Ehrfurcht außer
+Augen setzen sollte, von den Debatten auszuschließen.
+
+Danton.
+Ich frage die Anwesenden, ob wir dem Tribunal, dem Volke oder dem
+Nationalkonvent Hohn gesprochen haben?
+
+Viele Stimmen.
+Nein! Nein!
+
+Camille.
+Die Elenden, sie wollen meine Lucile morden!
+
+Danton.
+Eines Tages wird man die Wahrheit erkennen. Ich sehe großes Unglück
+über Frankreich hereinbrechen. Das ist die Diktatur; sie hat ihren
+Schleier zerrissen, sie trägt die Stirne hoch, sie schreitet über
+unsere Leichen. (Auf Amar und Vouland deutend:) Seht da die feigen
+Mörder, seht da die Raben des Wohlfahrtsausschusses!
+
+Ich klage Robespierre, St. Just und ihre Henker des Hochverrats an. -
+Sie wollen die Republik im Blut ersticken. Die Gleise der
+Guillotinenkarren sind die Heerstraßen, auf welchen die Fremden in das
+Herz des Vaterlandes dringen sollen.
+
+Wie lange sollen die Fußstapfen der Freiheit Gräber sein? - Ihr wollt
+Brot, und sie werfen euch Köpfe hin! Ihr durstet, und sie machen euch
+das Blut von den Stufen der Guillotine lecken! (Heftige Bewegung unter
+den Zuhörern, Geschrei des Beifalls.)
+
+Viele Stimmen.
+Es lebe Danton, nieder mit den Dezemvirn! (Die Gefangnen werden mit
+Gewalt hinausgeführt.)
+
+
+
+Zehnte Szene
+
+Platz vor dem Justizpalast
+
+Ein Volkshaufe.
+
+Einige Stimmen.
+Nieder mit den Dezemvirn! Es lebe Danton!
+
+Erster Bürger.
+Ja, das ist wahr, Köpfe statt Brot, Blut statt Wein!
+
+Einige Weiber.
+Die Guillotine ist eine schlechte Mühle und Samson ein schlechter
+Bäckerknecht; wir wollen Brot, Brot!
+
+Zweiter Bürger.
+Euer Brot, das hat Danton gefressen. Sein Kopf wird euch allen wieder
+Brot geben, er hatte recht.
+
+Erster Bürger.
+Danton war unter uns am 10. August, Danton war unter uns im September.
+Wo waren die Leute, welche ihn angeklagt haben?
+
+Zweiter Bürger.
+Und Lafayette war mit euch in Versailles und war doch ein Verräter.
+
+Erster Bürger.
+Wer sagt, daß Danton ein Verräter sei?
+
+Zweiter Bürger.
+Robespierre.
+
+Erster Bürger.
+Und Robespierre ist ein Verräter!
+
+Zweiter Bürger.
+Wer sagt das?
+
+Erster Bürger.
+Danton.
+
+Zweiter Bürger.
+Danton hat schöne Kleider, Danton hat ein schönes Haus, Danton hat
+eine schöne Frau, er badet sich in Burgunder, ißt das Wildbret von
+silbernen Tellern und schläft bei euren Weibern und Töchtern, wenn er
+betrunken ist. - Danton war arm wie ihr. Woher hat er das alles? Das
+Veto hat es ihm gekauft, damit er ihm die Krone rette. Der Herzog von
+Orléans hat es ihm geschenkt, damit er ihm die Krone stehle. Der
+Fremde hat es ihm gegeben, damit er euch alle verrate. - Was hat
+Robespierre? Der tugendhafte Robespierre! Ihr kennt ihn alle.
+
+Alle.
+Es lebe Robespierre! Nieder mit Danton! Nieder mit dem Verräter!
+
+
+
+
+Vierter Akt
+
+Erste Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Julie. Ein Knabe.
+
+Julie.
+Es ist aus. Sie zitterten vor ihm. Sie töten ihn aus Furcht. Geh! ich
+habe ihn zum letzten Mal gesehen; sag ihm, ich könne ihn nicht so
+sehen. (Sie gibt ihm eine Locke.) Da, bring ihm das und sag ihm, er
+würde nicht allein gehn - er versteht mich schon. Und dann schnell
+zurück, ich will seine Blicke aus deinen Augen lesen.
+
+
+
+Zweite Szene
+
+Eine Straße
+
+Dumas. Ein Bürger.
+
+Bürger.
+Wie kann man nach einem solchen Verhör soviel Unschuldige zum Tod
+verurteilen?
+
+Dumas.
+Das ist in der Tat außerordentlich; aber die Revolutionsmänner haben
+einen Sinn, der andern Menschen fehlt, und dieser Sinn trügt sie
+nie.
+
+Bürger.
+Das ist der Sinn des Tigers. - Du hast ein Weib.
+
+Dumas.
+Ich werde bald eins gehabt haben.
+
+Bürger.
+So ist es denn wahr?
+
+Dumas.
+Das Revolutionstribunal wird unsere Ehescheidung aussprechen; die
+Guillotine wird uns von Tisch und Bett trennen.
+
+Bürger.
+Du bist ein Ungeheuer!
+
+Dumas.
+Schwachkopf! Du bewunderst Brutus?
+
+Bürger.
+Von ganzer Seele.
+
+Dumas.
+Muß man denn gerade römischer Konsul sein und sein Haupt mit der Toga
+verhüllen können, um sein Liebstes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde
+mir die Augen mit dem Ärmel meines roten Fracks abwischen; das ist der
+ganze Unterschied.
+
+Bürger.
+Das ist entsetzlich!
+
+Dumas.
+Geh, du begreifst mich nicht! (Sie gehen ab.)
+
+
+
+Dritte Szene
+
+Die Conciergerie
+
+Lacroix, Hérault auf einem Bett, Danton, Camille auf einem andern.
+
+Lacroix.
+Die Haare wachsen einem so und die Nägel, man muß sich wirklich
+schämen.
+
+Hérault.
+Nehmen Sie sich ein wenig in acht, Sie niesen mir das ganze Gesicht
+voll Sand!
+
+Lacroix.
+Und treten Sie mir nicht so auf die Füße, Bester, ich habe
+Hühneraugen!
+
+Hérault.
+Sie leiden noch an Ungeziefer.
+
+Lacroix.
+Ach, wenn ich nur einmal die Würmer ganz los wäre!
+
+Hérault.
+Nun, schlafen Sie wohl! wir müssen sehen, wie wir miteinander
+zurechtkommen, wir haben wenig Raum. - Kratzen Sie mich nicht mit
+Ihren Nägeln im Schlaf! - So! Zerren Sie nicht so am Leichtuch, es ist
+kalt da unten! -
+
+Danton.
+Ja, Camille, morgen sind wir durchgelaufne Schuhe, die man der
+Bettlerin Erde in den Schoß wirft.
+
+Camille.
+Das Rindsleder, woraus nach Platon die Engel sich Pantoffeln
+geschnitten und damit auf der Erde herumtappen. Es geht aber auch
+danach. - Meine Lucile!
+
+Danton.
+Sei ruhig, mein Junge!
+
+Camille.
+Kann ich's? Glaubst du, Danton? Kann ich's? Sie können die Hände nicht
+an sie legen! Das Licht der Schönheit, das von ihrem süßen Leib sich
+ausgießt, ist unlöschbar. Sieh, die Erde würde nicht wagen, sie zu
+verschütten; sie würde sich um sie wölben, der Grabdunst würde wie Tau
+an ihren Wimpern funkeln, Kristalle würden wie Blumen um ihre Glieder
+sprießen und helle Quellen in Schlaf sie murmeln.
+
+Danton.
+Schlafe, mein Junge, schlafe!
+
+Camille.
+Höre, Danton, unter uns gesagt, es ist so elend, sterben müssen. Es
+hilft auch zu nichts. Ich will dem Leben noch die letzten Blicke aus
+seinen hübschen Augen stehlen, ich will die Augen offen haben.
+
+Danton.
+Du wirst sie ohnehin offen behalten, Samson drückt einem die Augen
+nicht zu. Der Schlaf ist barmherziger. Schlafe, mein Junge,
+schlafe!
+
+Camille.
+Lucile, deine Küsse phantasieren auf meinen Lippen; jeder Kuß wird ein
+Traum, meine Augen sinken und schließen ihn fest ein. -
+
+Danton.
+Will denn die Uhr nicht ruhen? Mit jedem Picken schiebt sie die Wände
+enger um mich, bis sie so eng sind wie ein Sarg. - Ich las einmal als
+Kind so 'ne Geschichte, die Haare standen mir zu Berg. Ja, als Kind!
+Das war der Mühe wert, mich so groß zu füttern und mich warm zu
+halten. Bloß Arbeit für den Totengräber!
+
+Es ist mir, als röch' ich schon. Mein lieber Leib, ich will mir die
+Nase zuhalten und mir einbilden, du seist ein Frauenzimmer, was vom
+Tanzen schwitzt und stinkt, und dir Artigkeiten sagen. Wir haben uns
+sonst schon mehr miteinander die Zeit vertrieben.
+
+Morgen bist du eine zerbrochene Fiedel; die Melodie darauf ist
+ausgespielt. Morgen bist du eine leere Bouteille; der Wein ist
+ausgetrunken, aber ich habe keinen Rausch davon und gehe nüchtern zu
+Bett - das sind glückliche Leute, die sich noch besaufen können.
+Morgen bist du eine durchgerutschte Hose; du wirst in die Garderobe
+geworfen, und die Motten werden dich fressen, du magst stinken, wie du
+willst.
+
+Ach, das hilft nichts! Jawohl, es ist so elend, sterben müssen. Der
+Tod äfft die Geburt; beim Sterben sind wir so hilflos und nackt wie
+neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das Leichentuch zur Windel.
+Was wird es helfen? Wir können im Grab so gut wimmern wie in der
+Wiege.
+
+Camille! Er schläft; (indem er sich über ihn bückt:) ein Traum spielt
+zwischen seinen Wimpern. Ich will den goldnen Tau des Schlafes ihm
+nicht von den Augen streifen
+
+(Er erhebt sich und tritt ans Fenster.) Ich werde nicht allein gehn:
+ich danke dir, Julie! doch hätte ich anders sterben mögen, so ganz
+mühelos, so wie ein Stern fällt, wie ein Ton sich selbst aushaucht,
+sich mit den eignen Lippen rotküßt, wie ein Lichtstrahl in klaren
+Fluten sich begräbt. - Wie schimmernde Tränen sind die Sterne durch
+die Nacht gesprengt; es muß ein großer Jammer in dem Aug' sein, von
+dem sie abträufelten.
+
+Camille.
+Oh! (Er hat sich aufgerichtet und tastet nach der Decke.)
+
+Danton.
+Was hast du, Camille?
+
+Camille.
+Oh, oh!
+
+Danton (schüttelt ihn).
+Willst du die Decke herunterkratzen?
+
+Camille.
+Ach du, du - o halt mich! sprich, du!
+
+Danton.
+Du bebst an allen Gliedern, der Schweiß steht dir auf der Stirne.
+
+Camille.
+Das bist du, das ich - so! Das ist meine Hand! Ja! jetzt besinn ich
+mich. O Danton, das war entsetzlich!
+
+Danton.
+Was denn?
+
+Camille.
+Ich lag so zwischen Traum und Wachen. Da schwand die Decke, und der
+Mond sank herein, ganz nahe, ganz dicht, mein Arm erfaßt' ihn. Die
+Himmelsdecke mit ihren Lichtern hatte sich gesenkt, ich stieß daran,
+ich betastete die Sterne, ich taumelte wie ein Ertrinkender unter der
+Eisdecke. Das war entsetzlich, Danton!
+
+Danton.
+Die Lampe wirft einen runden Schein an die Decke, das sahst du.
+
+Camille.
+Meinetwegen, es braucht grade nicht viel, um einem das bißchen
+Verstand verlieren zu machen. Der Wahnsinn faßte mich bei den Haaren.
+(Er erhebt sich.) Ich mag nicht mehr schlafen, ich mag nicht verrückt
+werden. (Er greift nach einem Buch.)
+
+Danton.
+Was nimmst du?
+
+Camille.
+Die Nachtgedanken.
+
+Danton.
+Willst du zum voraus sterben? Ich nehme die Pucelle. Ich will mich aus
+dem Leben nicht wie aus dem Betstuhl, sondern wie aus dem Bett einer
+Barmherzigen Schwester wegschleichen. Es ist eine Hure; es treibt mit
+der ganzen Welt Unzucht.
+
+
+
+Vierte Szene
+
+Platz vor der Conciergerie
+
+Ein Schließer. Zwei Fuhrleute mit Karren. Weiber.
+
+Schließer.
+Wer hat euch herfahren geheißen?
+
+Erster Fuhrmann.
+Ich heiße nicht Herfahren, das ist ein kurioser Namen.
+
+Schließer.
+Dummkopf, wer hat dir die Bestallung dazu gegeben?
+
+Erster Fuhrmann.
+Ich habe keine Stallung dazu kriegt, nichts als zehn Sous für den
+Kopf.
+
+Zweiter Fuhrmann.
+Der Schuft will mich ums Brot bringen.
+
+Erster Fuhrmann.
+Was nennst du dein Brot? (Auf die Fenster der Gefangnen deutend:) Das
+ist Wurmfraß.
+
+Zweiter Fuhrmann.
+Meine Kinder sind auch Würmer, und die wollen auch ihr Teil davon. Oh,
+es geht schlecht mit unsrem Metier, und doch sind wir die besten
+Fuhrleute.
+
+Erster Fuhrmann.
+Wie das?
+
+Zweiter Fuhrmann.
+Wer ist der beste Fuhrmann?
+
+Erster Fuhrmann.
+Der am weitesten und am schnellsten fährt.
+
+Zweiter Fuhrmann.
+Nun, Esel, wer fährt weiter, als der aus der Welt fährt, und wer fährt
+schneller, als der 's in einer Viertelstunde tut? Genau gemessen ist's
+eine Viertelstunde von da bis zum Revolutionsplatz.
+
+Schließer.
+Rasch, ihr Schlingel! Näher ans Tor; Platz da, ihr Mädel!
+
+Erster Fuhrmann.
+Halt't Euren Platz vor! Um ein Mädel fährt man nit herum, immer in die
+Mitt' 'nein.
+
+Zweiter Fuhrmann.
+Ja, das glaub ich: du kannst mit Karren und Gäulen hinein, du findst
+gute Gleise; aber du mußt Quarantäne halten, wenn du herauskommst.
+(Sie fahren vor.)
+
+Zweiter Fuhrmann. (zu den Weibern).
+Was gafft ihr?
+
+Ein Weib.
+Wir warten auf alte Kunden.
+
+Zweiter Fuhrmann.
+Meint ihr, mein Karren wär' ein Bordell? Er ist ein anständiger
+Karren, er hat den König und alle vornehmen Herren aus Paris zur Tafel
+gefahren.
+
+Lucile (tritt auf. Sie setzt sich auf einen Stein unter die Fenster
+der Gefangnen).
+Camille, Camille! (Camille erscheint am Fenster.) Höre, Camille, du
+machst mich lachen mit dem langen Steinrock und der eisernen Maske vor
+dem Gesicht; kannst du dich nicht bücken? Wo sind deine Arme? - Ich
+will dich locken, lieber Vogel. (Singt:)
+
+ Es stehn zwei Sternlein an dem Himmel,
+ Scheinen heller als der Mond,
+ Der ein' scheint vor Feinsliebchens Fenster,
+ Der andre vor die Kammertür.
+
+Komm, komm, mein Freund! Leise die Truppe herauf, sie schlafen alle.
+Der Mond hilft mir schon lange warten. Aber du kannst ja nicht zum Tor
+herein, das ist eine unleidliche Tracht. Das ist zu arg für den Spaß,
+mach ein Ende! Du rührst dich auch gar nicht, warum sprichst du nicht?
+Du machst mir Angst.
+
+Höre! die Leute sagen, du müßtest sterben, und machen dazu so
+ernsthafte Gesichter. Sterben! ich muß lachen über die Gesichter.
+Sterben! Was ist das für ein Wort? Sag mir's, Camille. Sterben! Ich
+will nachdenken. Da, da ist's. Ich will ihm nachlaufen; komm, süßer
+Freund, hilf mir fangen, komm! komm! (Sie läuft weg.)
+
+Camille (ruft).
+Lucile! Lucile!
+
+
+
+Fünfte Szene
+
+Die Conciergerie
+
+Danton an einem Fenster, was ins nächste Zimmer geht. Camille.
+Philippeau. Lacroix. Hérault.
+
+Danton.
+Du bist jetzt ruhig, Fabre.
+
+Eine Stimme (von innen).
+Am Sterben.
+
+Danton.
+Weißt du auch, was wir jetzt machen werden?
+
+Die Stimme.
+Nun?
+
+Danton.
+Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht hast - des vers.
+
+Camille (für sich).
+Der Wahnsinn saß hinter ihren Augen. Es sind schon mehr Leute
+wahnsinnig geworden, das ist der Lauf der Welt. Was können wir dazu?
+Wir waschen unsere Hände -. Es ist auch besser so.
+
+Danton.
+Ich lasse alles in einer schrecklichen Verwirrung. Keiner versteht das
+Regieren. Es könnte vielleicht noch gehn, wenn ich Robespierre meine
+Huren und Couthon meine Waden hinterließe.
+
+Lacroix.
+Wir hätten die Freiheit zur Hure gemacht!
+
+Danton.
+Was wäre es auch! Die Freiheit und eine Hure sind die
+kosmopolitischsten Dinge unter der Sonne. Sie wird sich jetzt
+anständig im Ehebett des Advokaten von Arras prostituieren. Aber ich
+denke, sie wird die Klytämnestra gegen ihn spielen; ich lasse ihm
+keine sechs Monate Frist, ich ziehe ihn mit mir.
+
+Camille (für sich).
+Der Himmel verhelf ihr zu einer behaglichen fixen Idee. Die
+allgemeinen fixen Ideen, welche man die gesunde Vernunft tauft, sind
+unerträglich langweilig. Der glücklichste Mensch war der, welcher sich
+einbilden konnte, daß er Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sei.
+
+Lacroix.
+Die Esel werden schreien »Es lebe die Republik«, wenn wir vorbeigehen.
+
+Danton.
+Was liegt daran? Die Sündflut der Revolution mag unsere Leichen
+absetzen, wo sie will; mit unsern fossilen Knochen wird man noch immer
+allen Königen die Schädel einschlagen können.
+
+Hérault.
+Ja, wenn sich gerade ein Simson für unsere Kinnbacken findet.
+
+Danton.
+Sie sind Kainsbrüder.
+
+Lacroix.
+Nichts beweist mehr, daß Robespierre ein Nero ist, als der Umstand,
+daß er gegen Camille nie freundlicher war als zwei Tage vor dessen
+Verhaftung. Ist es nicht so, Camille?
+
+Camille.
+Meinetwegen, was geht das mich an? - (Für sich:) Was sie an dem
+Wahnsinn ein reizendes Kind geboren hat! Warum muß ich jetzt fort? Wir
+hätten zusammen mit ihm gelacht, es gewiegt und geküßt.
+
+Danton.
+Wenn einmal die Geschichte ihre Grüfte öffnet, kann der Despotismus
+noch immer an dem Duft unsrer Leichen ersticken.
+
+Hérault.
+Wir stanken bei Lebzeiten schon hinlänglich. - Das sind Phrasen für
+die Nachwelt, nicht wahr, Danton; uns gehn sie eigentlich nichts
+an.
+
+Camille.
+Er zieht ein Gesicht, als solle es versteinern und von der Nachwelt
+als Antike ausgegraben werden. Das verlohnt sich auch der Mühe,
+Mäulchen zu machen und Rot aufzulegen und mit einem guten Akzent zu
+sprechen; wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie
+in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen uralten,
+zahnlosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts weniger.
+Die Unterschiede sind so groß nicht, wir alle sind Schurken und Engel,
+Dummköpfe und Genies, und zwar das alles in einem: die vier Dinge
+finden Platz genug in dem nämlichen Körper, sie sind nicht so breit,
+als man sich einbildet. Schlafen, Verdauen, Kinder machen - das
+treiben alle; die übrigen Dinge sind nur Variationen aus verschiedenen
+Tonarten über das nämliche Thema. Da braucht man sich auf die Zehen zu
+stellen und Gesichter zu schneiden, da braucht man sich voreinander zu
+genieren! Wir haben uns alle am nämlichen Tische krank gegessen und
+haben Leibgrimmen; was haltet ihr euch die Servietten vor das Gesicht?
+Schreit nur und greint, wie es euch ankommt! Schneidet nur keine so
+tugendhafte und so witzige und so heroische und so geniale Grimassen,
+wir kennen uns ja einander, spart euch die Mühe!
+
+Hérault.
+Ja, Camille, wir wollen uns beieinandersetzen und schreien; nichts
+dummer, als die Lippen zusammenzupressen, wenn einem was weh tut. -
+Griechen und Götter schrien, Römer und Stoiker machten die heroische
+Fratze.
+
+Danton.
+Die einen waren so gut Epikureer wie die andern. Sie machten sich ein
+ganz behagliches Selbstgefühl zurecht. Es ist nicht so übel, seine
+Toga zu drapieren und sich umzusehen, ob man einen langen Schatten
+wirft. Was sollen wir uns zerren? Ob wir uns nun Lorbeerblätter,
+Rosenkränze oder Weinlaub vor die Scham binden oder das häßliche Ding
+offen tragen und es uns von den Hunden lecken lassen?
+
+Philippeau.
+Meine Freunde, man braucht gerade nicht hoch über der Erde zu stehen,
+um von all dem wirren Schwanken und Flimmern nichts mehr zu sehen und
+die Augen von einigen großen, göttlichen Linien erfüllt zu haben. Es
+gibt ein Ohr, für welches das Ineinanderschreien und der Zeter, die
+uns betäuben, ein Strom von Harmonien sind.
+
+Danton.
+Aber wir sind die armen Musikanten und unsere Körper die Instrumente.
+Sind denn die häßlichen Töne, welche auf ihnen herausgepfuscht werden,
+nur da, um höher und höher dringend und endlich leise verhallend wie
+ein wollüstiger Hauch in himmlischen Ohren zu sterben?
+
+Hérault.
+Sind wir wie Ferkel, die man für fürstliche Tafeln mit Ruten
+totpeitscht, damit ihr Fleisch schmackhafter werde?
+
+Danton.
+Sind wir Kinder, die in den glühenden Molochsarmen dieser Welt
+gebraten und mit Lichtstrahlen gekitzelt werden, damit die Götter sich
+über ihr Lachen freuen?
+
+Camille.
+Ist denn der Äther mit seinen Goldaugen eine Schüssel mit Goldkarpfen,
+die am Tisch der seligen Götter steht, und die seligen Götter lachen
+ewig, und die Fische sterben ewig, und die Götter erfreuen sich ewig
+am Farbenspiel des Todeskampfes?
+
+Danton.
+Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott.
+
+(Der Schließer tritt ein.)
+
+Schließer.
+Meine Herren, Sie können abfahren, die Wagen halten vor der Tür.
+
+Philippeau.
+Gute Nacht, meine Freunde! Legen wir ruhig die große Decke über uns,
+worunter alle Herzen ausschlagen und alle Augen zufallen. (Sie umarmen
+einander.)
+
+Hérault. (nimmt Camilles Arm).
+Freue dich, Camille, wir bekommen eine schöne Nacht. Die Wolken hängen
+am stillen Abendhimmel wie ein ausglühender Olymp mit verbleichenden,
+versinkenden Göttergestalten. (Sie gehen ab.)
+
+
+
+Sechste Szene
+
+Ein Zimmer
+
+Julie.
+Das Volk lief in den Gassen, jetzt ist alles still. Keinen Augenblick
+möchte ich ihn warten lassen. (Sie zieht eine Phiole hervor.) Komm,
+liebster Priester, dessen Amen uns zu Bette gehn macht. (Sie tritt ans
+Fenster.) Es ist so hübsch, Abschied zu nehmen; ich habe die Türe nur
+noch hinter mir zuzuziehen. (Sie trinkt.)
+
+Man möchte immer so stehn. - Die Sonne ist hinunter; der Erde Züge
+waren so scharf in ihrem Licht, doch jetzt ist ihr Gesicht so still
+und ernst wie einer Sterbenden. - Wie schön das Abendlicht ihr um
+Stirn und Wangen spielt. - Stets bleicher und bleicher wird sie, wie
+eine Leiche treibt sie abwärts in der Flut des Äthers. Will denn kein
+Arm sie bei den goldnen Locken fassen und aus dem Strom sie ziehen und
+sie begraben?
+
+Ich gehe leise. Ich küsse sie nicht, daß kein Hauch, kein Seufzer sie
+aus dem Schlummer wecke. - Schlafe, schlafe! (Sie stirbt.)
+
+
+
+Siebente Szene
+
+Der Revolutionsplatz
+
+Die Wagen kommen angefahren und halten vor der Guillotine. Männer und
+Weiber singen und tanzen die Carmagnole. Die Gefangenen stimmen die
+Marseillaise an.
+
+Ein Weib (mit Kindern).
+Platz! Platz! Die Kinder schreien, sie haben Hunger. Ich muß sie
+zusehen machen, daß sie still sind. Platz!
+
+Ein Weib.
+He, Danton, du kannst jetzt mit den Würmern Unzucht treiben.
+
+Eine andere.
+Hérault, aus deinen hübschen Haaren laß ich mir eine Perücke machen.
+
+Hérault.
+Ich habe nicht Waldung genug für einen so abgeholzten Venusberg.
+
+Camille.
+Verfluchte Hexen! Ihr werdet noch schreien: »Ihr Berge, fallet auf
+uns!«
+
+Ein Weib.
+Der Berg ist auf euch, oder ihr seid ihn vielmehr hinuntergefallen.
+
+Danton (zu Camille).
+Ruhig, mein Junge! Du hast dich heiser geschrien.
+
+Camille (gibt dem Fuhrmann Geld).
+Da, alter Charon, dein Karren ist ein guter Präsentierteller! - Meine
+Herren, ich will mich zuerst servieren. Das ist ein klassisches
+Gastmahl; wir liegen auf unsern Plätzen und verschütten etwas Blut als
+Libation. Adieu, Danton! (Er besteigt das Blutgerüst, die Gefangnen
+folgen ihm, einer nach dem andern. Danton steigt zuletzt hinauf.)
+
+Lacroix (zu dem Volk).
+Ihr tötet uns an dem Tage, wo ihr den Verstand verloren habt; ihr
+werdet sie an dem töten, wo ihr ihn wiederbekommt.
+
+Einige Stimmen.
+Das war schon einmal da; wie langweilig!
+
+Lacroix.
+Die Tyrannen werden über unsern Gräbern den Hals brechen.
+
+Hérault (zu Danton).
+Er hält seine Leiche für ein Mistbeet der Freiheit.
+
+Philippeau (auf dem Schafott).
+Ich vergebe euch; ich wünsche, eure Todesstunde sei nicht bittrer als
+die meinige.
+
+Hérault.
+Dacht' ich's doch! er muß sich noch einmal in den Busen greifen und
+den Leuten da unten zeigen, daß er reine Wäsche hat.
+
+Fabre.
+Lebe wohl, Danton! Ich sterbe doppelt.
+
+Danton.
+Adieu, mein Freund! Die Guillotine ist der beste Arzt.
+
+Hérault (will Danton umarmen).
+Ach, Danton, ich bringe nicht einmal einen Spaß mehr heraus. Da ist's
+Zeit. (Ein Henker stößt ihn zurück.)
+
+Danton (zum Henker).
+Willst du grausamer sein als der Tod? Kannst du verhindern, daß unsere
+Köpfe sich auf dem Boden des Korbes küssen?
+
+
+
+Achte Szene
+
+Eine Straße
+
+Lucile.
+Es ist doch was wie Ernst darin. Ich will einmal nachdenken. Ich fange
+an, so was zu begreifen.
+
+Sterben - Sterben -! - Es darf ja alles leben, alles, die kleine Mücke
+da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte
+stocken, wenn nur der eine Tropfen verschüttet würde. Die Erde müßte
+eine Wunde bekommen von dem Streich.
+
+Es regt sich alles, die Uhren gehen, die Glocken schlagen, die Leute
+laufen, das Wasser rinnt, und so alles weiter bis da, dahin - nein, es
+darf nicht geschehen, nein, ich will mich auf den Boden setzen und
+schreien, daß erschrocken alles stehn bleibt, alles stockt, sich
+nichts mehr regt. (Sie setzt sich nieder, verhüllt sich die Augen und
+stößt einen Schrei aus. Nach einer Pause erhebt sie sich:) Das hilft
+nichts, da ist noch alles wie sonst; die Häuser, die Gasse, der Wind
+geht, die Wolken ziehen. - Wir müssen's wohl leiden.
+
+(Einige Weiber kommen die Gasse herunter.)
+
+Erstes Weib.
+Ein hübscher Mann, der Hérault!
+
+Zweites Weib.
+Wie er beim Konstitutionsfest so am Triumphbogen stand, da dacht' ich
+so, der muß sich gut auf der Guillotine ausnehmen, dacht' ich. Das war
+so 'ne Ahnung.
+
+Drittes Weib.
+Ja, man muß die Leute in allen Verhältnissen sehen; es ist recht gut,
+daß das Sterben so öffentlich wird. (Sie geben vorbei.)
+
+Lucile.
+Mein Camille! Wo soll ich dich jetzt suchen?
+
+
+
+Neunte Szene
+
+Der Revolutionsplatz
+
+Zwei Henker, an der Guillotine beschäftigt.
+
+Erster Henker (steht auf der Guillotine und singt).
+ Und wann ich hame geh,
+ Scheint der Mond so scheh...
+
+Zweiter Henker.
+He, holla! Bist bald fertig?
+
+Erster Henker.
+Gleich, gleich! (Singt:)
+
+ Scheint in meines Ellervaters Fenster -
+ Kerl, wo bleibst so lang bei de Menscher?
+
+So! Die Jacke her! (Sie gehn singend ab:)
+
+ Und wann ich hame geh,
+ Scheint der Mond so scheh...
+
+Lucile (tritt auf und setzt sich auf die Stufen der Guillotine).
+Ich setze mich auf deinen Schoß, du stiller Todesengel. (Sie singt:)
+
+ Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
+ Hat Gewalt vom höchsten Gott.
+
+Du liebe Wiege, die du meinen Camille in Schlaf gelullt, ihn unter
+deinen Rosen erstickt hast. Du Totenglocke, die du ihn mit deiner
+süßen Zunge zu Grabe sangst. (Sie singt:)
+
+ Viel Hunderttausend ungezählt,
+ Was nur unter die Sichel fällt.
+
+(Eine Patrouille tritt auf.)
+
+Ein Bürger.
+He, wer da?
+
+Lucile (sinnend und wie einen Entschluß fassend, plötzlich).
+Es lebe der König!
+
+Bürger.
+Im Namen der Republik! (Sie wird von der Wache umringt und
+weggeführt.)
+
+
+
+
+*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DANTONS TOD ***
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